Die Kunst der Exegese im Terenzkommentar des Donat 3110144581, 9783110144581

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Die Kunst der Exegese im Terenzkommentar des Donat
 3110144581, 9783110144581

Table of contents :
Frontmatter......Page 1
Vorwort......Page 5
Inhaltsverzeichnis......Page 7
Einleitung......Page 11
I. ΑΝΑΓΝΩΣΙΣ......Page 17
II. Diorthose......Page 29
III. Metrische Studien......Page 57
IV. Die grammatische Analyse......Page 62
V. Die sprachliche Analyse......Page 105
VI. Die stilistische Analyse......Page 123
VII. Die rhetorische Erklärung......Page 143
VIII. Das ridiculum......Page 154
IX. Handlungsstruktur und -ökonomie......Page 162
X. Ethopoiie......Page 168
Resümee. Die Komödie als speculum vitae......Page 186
Literaturverzeichnis......Page 189
Register......Page 199

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Rainer Jakobi Die Kunst der Exegese im Terenzkommentar des Donat

w DE

G

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Winfried Bühler, Peter Herrmann und Otto Zwierlein

Band 47

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996

Die Kunst der Exegese imTerenzkommentar des Donat von

Rainer Jakobi

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1996

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Jakobi, Rainer: Die Kunst der Exegese im Terenzkommentar des Donat / von Rainer Jakobi. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1996 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte ; Bd. 47) Zugl.: Bonn, Univ., Habil.-Schr., 1992/93 ISBN 3-11-014458-1 NE: GT

© Copyright 1996 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berün Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: Institut für Klassische Altertumswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Druck: Arthur Colügnon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort Die Anregung zu dieser Arbeit, die im Wintersemester 1992/93 der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Habilitationsschrift vorlag, hat Otto Zwierlein, mein Lehrer, gegeben. Er steuerte zu allen schwierigen Problemen bereitwilligst seinen Rat bei und mahnte seinen Assistenten, der bisweilen 'den Donat' zugunsten der Väterliteratur hintansetzte, das eigentliche Thema nicht aus den Augen zu verlieren. Zu danken habe ich John Blundell, der mir freundlicherweise seine leider noch ungedruckte Londoner Dissertation zur Verfügung stellte. Marcus Beck hat eine schwer zu bearbeitende Vorlage in ein druckfertiges Exemplar verwandelt und mich beim Korrekturlesen unterstützt. Für die Aufnahme der Arbeit in die 'Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte' bin ich den Herausgebern zu Dank verpflichtet wie auch dem Verlag für die Geduld, mit der er die Entstehung der Druckvorlage bis zur endgültigen Fertigstellung begleitet hat.

Halle, im Juni 1996

R.J.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung I. ΑΝΑΓΝΩΣΙΣ Α. ΥΠΟΚΡΙΣΙΣ 1. ΦΩΝΗ 2. ΚΙΝΗΣΙΣ ΤΟΥ ΣΩΜΑΤΟΣ Β. ΠΡΟΣΩΙΔΙΑ C. ΔΙΑΣΤΟΛΗ

1 7 8 8 10 14 16

II. Diorthose 19 Α. Divergenzen im Versbestand 26 Β. Varianten 30 1. Scholien ohne Entscheidung 30 2. Entscheidungen 35 Anhang: Angebliche, mißverstandene oder korrupt überlieferte diorthotische Scholien 43 III. Metrische Studien

47

IV. Die grammatische Analyse A. Wortarten 1. Nomen 2. Pronomen 3. Verbum 4. Participium 5. Adverbium 6. Coniunctio 7. Praepositio 8. Interiectio B. Flexionslehre 1. Deklination 2. Konjugation C. Syntax 1. Kongruenz

52 52 52 56 59 68 69 71 74 75 77 77 81 82 82

Vili

Inhaltsverzeichnis

2. Kasuslehre Anhang: Orthographie und Phonetik D. Die Kriterien der grammatischen Analyse

84 86 88

V. Die sprachliche Analyse 95 A. Die Methoden der Lexikographie 95 1. Etymologie 96 2. Synonymik 102 B. Die proprietas als leitendes Kriterium der sprachlichen Analyse 109 VI. Die stilistische Analyse 113 A. Versparung und Ausdrucksfülle als bestimmende Merkmale des Komödienstils 114 1. Versparung 114 a) ΐλλβίψις 114 b) άσύνδβτον 118 2. Erschöpfende Redeweise 120 Β. ίδιωτισμός und consuetudo als komödienspezifisches Ausdrucksideal 123 C. Das genus dicendi der terenzischen Komödie 127 VII. Die rhetorische Erklärung 133 A. Statuslehre 135 B. partes orationis 137 C. Argumentationslehre und Topik 139 D. ut rhetoribus placet - Die fimktionale Aneignung der inventioLehre 141 VIII. Das ridiculum Α. ΛΕΕΙΣ Β. ΠΡΑΓΜΑΤΑ 1. comici errores 2. ridiculae personae

144 146 147 148 149

IX. Handlungsstruktur und -Ökonomie

152

X. Ethopoiie A. Die Kriterien der Charakterzeichnung 1. Einheitlichkeit

158 160 160

Inhaltsverzeichnis

2. Lebensnähe und Glaubwürdigkeit 3. Wahrung des Typischen 4. Das Postulat der Sittlichkeit B. Zur Herkunft der Kategorien

IX

166 169 172 174

Resümee: Die Komödie als speculum vitae

176

Literaturverzeichnis

179

Register A. Namen und Sachen B. Sermo grammaticus C. Stellen 1. Donat 2. Andere Autoren

189 189 190 192 192 202

Einleitung Im 71. und 72. Stück der 'Hamburgischen Dramaturgie' wendet sich polemisch gegen VOLTAIRES Auffassung betreffs der Charakterisierung Demeas in den Adelphen und beruft sich für die eigene Anschauung über die Einheitlichkeit der Ethopoiie auf den "alten Grammatiker" Donat, der den Terenz fleißiger gelesen und besser verstanden habe als Voltaire. "Vortreffliche Anmerkungen" und "feine Kenntnisse" werden dem antiken Erklärer bescheinigt, die den Geschmack bilden könnten. Das Lob des Donat, der die verstecktesten Schönheiten seines Autors mehr als irgendein anderer zu entdecken wisse, gipfelt in dem Diktum, daß er, LESSING, kein Werk kenne, an welchem ein angehender Schauspieler mehr lernen könne. LESSINGS Worte über die Qualität des antiken Exegeten haben auch heute noch Gültigkeit, denn der Umstand, daß Donats Kommentar bis jetzt nicht durch eine vergleichbar umfangreiche wissenschaftliche Erklärung ersetzt werden konnte, wie sie die Klassische Philologie für Aristophanes und Plautus längst besitzt, ist nicht zuletzt aus der Qualität des übermächtigen antiken Musters zu erklären. Seit sechzehnhundert Jahren liest man den Terenztext stets zusammen mit diesem Erklärer, den schon seine Zeitgenossen durch die Übertragung des römischen Lehrstuhls für Grammatik - nach antikem Verständnis vornehmlich die enarratio poetarum - geehrt haben1. Der berühmteste seiner Schüler war Hieronymus, der sich nicht ohne Dankbarkeit an seine Ausbildung unter Donat erinnert und in der ihm vermittelten Auslegung des Terenz und Vergil die Grundprinzipien der Exegese erlernt hat, die ihn später dazu befähigten, die Heilige Schrift wissenschaftlich in der Form des paganen, an ein Buchpublikum gerichteten υπόμνημα zu erklären und eine textkritisch gesicherte lateinische Übersetzung des Bibeltextes vorzulegen2. LESSING

' Die exakten Daten seiner Lehrtätigkeit in der Mitte des 4. Jh.s sind nicht bekannt. Vgl. PLRE I 268 s.v.3, HOLTZ im Vorwort seiner Ausgabe der ars 15ff. und jetzt KASTER Nr.52 (p.275). 2 Wie sehr Hieronymus abgesehen von sachlichen Übernahmen auch der exegetischen Technik des Donat verpflichtet ist, sei am Beispiel der ύπόκρισις-Noten veranschaulicht: In Is. 14,9 (CC 73 p. 168,5) haec ΐμφατικώς legenda sunt et scaenae

2

Einleitung

Donats Rang als führender Erklärer des Schulautors Terenz blieb auch in der Spätantike ungeschmälert3: Sergius (Servius) bezeugt in der Explanatio der Ars - des zweiten erhaltenen Werks, dem Donat seinen Ruhm verdankt - dem Terenzexegeten seine Reverenz ( Vergilianum carmen vel [~ et] Terenti comoedias mirifice commentavit [GL IV 486,8]), und Priscian zitiert ihn in seinen Institutiones4. Hingegen werden die Werke der Vorgänger Donats, wie Aemilius Asper oder Helenius Acron, seit der Mitte des 4. Jh.s nicht mehr angeführt5. So wie Donats größtenteils verlorener, aber noch rekonstruierbarer Vergilkommentar in der Konzeption als munus collaticium alle früheren Kommentare verdrängt hat - um selbst wieder beim breiten Publikum der Epitome des Servius zu weichen -, markierte sein Terenzkommentar einen fast vollständigen Traditionsabbruch für alle früheren Exegeten. Auch die unten näher dargelegte Bearbeitung und Epitomierung des Donatkommentars durch verschiedene Redaktoren im Laufe des 5.-6. Jh.s unterbrach nicht den Rezeptionsfluß: Der codex Bembinus (Vat.Lat.3226, s.IV-V), die einzige aus der Antike erhaltene Terenz-Hs.6, bietet den Kommentar zumal für Phormio 1-59 als Rand- und Interlinearscholien mehrerer Hände des 6. Jh.s in einer Fassung, die der uns in der mittelalterlichen Überlieferung erhaltenen gleichkommt7. Auch in den nächsten Jahrhunderten ist Donats Kommentar in ausgewählten Glossen mit der Überlieferung des Terenztextes selbst verbunden (so etwa im Parisinus lat. 7899,S.IX, und im Victorianus,Laur.XXXVIII 24,s.X)8. Nach Wieder-

modo ~ Ad 214.4 cum emphasi 'adulescenti' pronuntiandum oder in Hab. 1,11 (CC 76A p.586,211) άρωνικως est legendum — Ad 187.3 totum hoc άρωνικως pronuntiandum 3

4 5

6

7

8

est.

V g l . LAMMERT 1 5 f .

Die antiken Testimonien hat WESSNER in der Praefatio seiner Ausgabe p.VI sq. zusammengestellt. Einen knappen Überblick über die spätantike und mittelalterliche Rezeption geben M.D. REEVE in Text and Transmission, ed. L.D. REYNOLDS, Oxford 1983, 153-156 und jetzt P.L. SCHMIDT im HLL V 156f. GL III 281,14 bzw. III 320,13. Die Fragmente sind gesammelt von WESSNER, Aemilius Asper 45 bzw. 16ff. Lediglich Rufin zitiert an einer Stelle (GL VI 555,1 = frg.4 W.) noch einmal den Kommentar des Asper. Vgl. S. PRETE, Il codice Bembino di Terenzio (Studi e testi 153), Città del Vaticano 1 9 5 0 . V g l . E . LÖFSTEDT, D i e B e m b i n u s s c h o l i e n u n d D o n a t u s , E r a n o s 12 ( 1 9 1 2 ) 4 3 - 6 3

und J.F. MOUNTFORD, The Scholia Bembina, London 1934,3FF. Vgl. P. WESSNER, Die Donatscholien des Codex Parisinus 7899 (P) des Terenz, PhW 41 (1921) 428-432. 449-455 bzw. Zu den Donatauszügen im Codex Victorianus (D) des Terenz, PhW 47 (1927) 443-448.

Einleitung

3

auffindung des Gesamtkommentars in der Mitte des 15. Jh.s und der ersten Drucklegung wird der Terenztext wieder mit dem zusammen abgedruckten Kommentar des Donat studiert: Bis zu der Ausgabe von STALLBAUM (Leipzig 1830-31) bildeten Dichter und commentum eine buchtechnische Einheit, was zur Folge hatte, daß der Dichter stets im Spiegel des Donat gelesen und verstanden wurde und damit zugleich Donats exegetische und poetologische Kriterien zum Maßstab für die allgemeine Auffassung von der Komödie wurden 9 . In der einflußreichsten Dichtungslehre der Renaissance, den Poetices libri VII SCALIGERS, wird der mittlerweile bekannt gewordene Tragödienbegriff des Aristoteles zugunsten der im commentum Terenti mitgeteilten Definition verworfen10, und noch in der Zeit der Aufklärung hat, wie oben dargelegt, LESSING in seiner Poetik mit Donat gegen VOLTAIRE argumentiert. ROGER BAUER zeigt am Beispiel DIDEROTS, daß auch in Frankreich Terenz zusammen mit den Erklärungen des Donat studiert wurde11. Wenn auch in Ermangelung umfangreicherer Studien zur Nachwirkung des Terenz der Einfluß seines Erklärers noch nicht in vollem Umfang erkannt worden ist, so dürfte doch der kurze Überblick über die Wirkungsgeschichte des commentum Terenti dessen Rang und Bedeutung aufgezeigt haben. Dringlich wird bislang eine alle Bereiche der antiken enarratio poetarum systematisch analysierende Darstellung vermißt, in der die exegetische Methode Donats untersucht und die Herkunft der Prinzipien aufgehellt wird, die durch diesen Kommentar dem Abendland vermittelt wurden. Seit LUDWIG SCHOPEN, durch dessen Bonner Dissertation die moderne Donat-Forschung inauguriert wurde12, hat man den Schwerpunkt auf das zunächst vordringliche Problem der Überlieferung und die Frage der Interpolation gelegt und nur für einzelne Bereiche über eine 9

10

" 12

So ist bereits die erste deutschsprachige Terenziibersetzung, der 'Eunuchus' des Heinz Neidhart, mit 'gutschwäbischen' Glossen ausgestattet, die aus einem 'Terentius cum Donato' exzerpiert sind (hrsg. von H. F I S C H E R , Tübingen 1 9 1 5 ) . Vgl. F U H R M A N N , Dichtungstheorie 210f. - Donats Einfluß auf die Poetik der Renaissance hat M.T. H E R R I C K , Comic Theory in the Sixteenth Century, Urbana 1950 an ausgewählten Beispielen untersucht, während E.W. R O B B I N S , Dramatic Characterization in Printed Commentaries on Terence 1473-1600, Urbana 1951 Donats Nachwirkung auf die humanistische Terenzerklärung für einen Teilbereich dargelegt hat. R . B A U E R , Diderot, lecteur de Térence...et de Donat, Arcadia 4 ( 1 9 6 9 ) 1 1 7 - 1 3 7 . De Terentio et Donato eius interprete, Diss. Bonnae 1821.- Es handelt sich um die erste Dissertation überhaupt, die der Philosophischen Fakultät der neugegründeten Universität eingereicht wurde.

4

Einleitung

Materialsammlung hinausgehende Versuche der Systematisierung und der Quellenkritik unternommen13. Eine Gesamtdarstellung und Bewertung der aus den uns überkommenen Zeugnissen antiker Philologie (zumindest des lateinischen Westens) herausragenden exegetischen Kunst Donats steht noch aus. Die vorliegende Arbeit soll ein Versuch sein, die Lücke zu schließen. Dabei wird sich zeigen, daß die Kommentierung trotz der Überarbeitung einheitlicher ist als man bisher angenommen hat. Denn entgegen einer bis in die jüngste Zeit geäußerten Ansicht handelt es sich beim commentum Terenti nicht um einen Variorum-Kommentar, bei dem Donat lediglich die Rolle eines besseren Redaktors zukäme14, sondern um eine auf Vorarbeiten früherer Exegeten aufbauende, selbständige Kommentierung. Zugleich ist es das Bestreben dieser Arbeit, den griechischen Hintergrund von Donats Methode und Kritik anhand des Vergleiches mit den erhaltenen griechischen Scholiencorpora und rhetorisch-literaturkritischen Schriften aufzuzeigen und damit einer bisher erst in Teilbereichen der Vergilerklärung eingelösten Forderung von WILAMOWITZ ZU entsprechen, "die Anleihen, welche die römische Grammatik bei der griechischen gemacht hat" zurückzuzahlen15. Der Aufweis der griechischen Tradition der dem Terenzkommentar zugrundeliegenden Prinzipien der Komödienerklärung scheint umso wichtiger, als die Menanderkommentare eines Didymus ebenso verloren sind wie das zweite, der Theorie der Komödie geltende Buch der aristotelischen Poetik. Die nur in frühbyzantinischer Rezension erhaltenen Aristophanes-Scholien bieten lediglich einen schwachen Abglanz der Qualität der alexandrinischen und kaiser-

13

14

15

Hier muß v.a. STEINMANNS Untersuchung zu Donats Noten hinsichtlich der Ethopoiie hervorgehoben werden, in der zumindest für diesen Teilbereich der Hintergrund der Exegese Donats aufgearbeitet ist. Donat nennt in dem seinem Vergilkommentar vorangestellten Widmungsbrief an Munatius sein Werk ein munus collaticium (Vitae Vergilianae Antiquae, ed. C. HARDIE, Oxford 21966, 5). Man beruft sich auf diese Bezeichnung, übersieht dabei aber, daß dieser Begriff nicht uneingeschränkt zu gelten hat. Denn abgesehen davon, daß eine angemessene Bewertung dieser Aussage im Lichte der für den spätantiken Widmungsbrief maßgeblichen Bescheidenheitstopik zu erfolgen hätte, übernimmt Donat nach eigenem Bekunden aus den vielen eingesehenen Kommentaren seiner Vorgänger nur kritisch überprüftes Material: probata transtulimus. Die in dem Brief bekundete kritische Prüfung des Materials spricht eindeutig gegen die These der 'Variorum-Edition', die eine ungeprüfte Übernahme mehrerer divergierender Meinungen zur Voraussetzung hätte. Einleitung in die griechische Tragödie 169 Anm.94.

Einleitung

5

zeitlichen Komödienexegese, die uns somit allein in lateinischer Tradition, eben durch Donats Terenzkommentar, in ihren Grundzügen bewahrt ist.

Bevor die Untersuchung in Anlehnung an die vier officia der antiken G r a m m a t i k (ανά^νωσις,

διόρόωσις,

βξήγησις,

κρίσις)16

aufgenom-

men werden kann, gilt es, sich über einen Umstand Klarheit zu verschaffen, der bei der Analyse jeglicher Scholienliteratur Schwierigkeiten aufwirft: Der Terenzkommentar des Donat ist nicht in seiner ursprünglichen Fassung erhalten, sondern in zwei jeweils über eine oder mehrere Zwischenstufen auf das Original zurückgehenden Rezensionen überliefert. Dies wird in einer Vielzahl doppelter (oder mehrfacher) Erklärungen zu einem Vers17 und aus der handschriftlichen Überlieferung selbst kenntlich: So sind beispielsweise die Noten beider Rezensionen zu Ph 350-440 noch nicht zusammengearbeitet, sondern werden nacheinander tradiert, so daß man hier noch einen Blick in die Werkstatt des Redaktors werfen kann, der für die Zusammenstellung des Corpus verantwortlich ist. Es stellt sich somit für den Interpreten des Donat stets das Problem, ob eine Note in einer Fassung auf uns gekommen ist, die noch dem Original weitgehend entspricht, oder ob sie nur in einer epitomierten Überarbeitung erhalten ist. Bei Stellen wie Ph 36.3 ERAT EI DE RATIVNCVLA deest 'nam', sed mire subtractum est

bzw. 5 ERAT EI DE RATIVNCVLA moraliter intulit 'erat ei'; magis enimfacetum est et comicum, cum άσυνδίτως infertur, quam si diceret 'nam erat ei' (Nr.3

ist eine Kurzfassung der originalen Note Nr. 5, deren entscheidende exegetische Begriffe moraliter und magis facetum et comicum und griechische

Terminologie zu einem schemenhaften deest-mire zusammengepreßt werden) oder Hec 550.1 AVDISTI EX ALIQVO ήάικώς satis et oratorie 'aliquo', ne sit certa persona

bzw. 2. bene 'aliquo ': ademit indicibus auctoritatem (die für Donat wichtigen Krite-

rien ήϋίκώςΙoratorie sind in der 2. Note zu einem bloßen bene verkümmert) 16

17

Vgl. H. USENER, Ein altes Lehrgebäude der Philologie, in: Kl.Schr.II 265ff.; BARWICK, Remmius 215ÍF. Ein evidentes Beispiel bieten die Noten Hec 243.4 bzw. 244.2, in denen das gleiche

Adelphen-Zitat einmal mit hoc idem in Adelphis, das andere Mal mit tale est in Adelphis eingeleitet wird.

6

Einleitung

ist deutlich zu erkennen, wie die Redaktoren gearbeitet haben. Aber häufig hat sich der Bearbeiter, der das Corpus aus den zwei Rezensionen zusammengestellt hat, nur für die Aufnahme der sekundären bene/mireFassung entschieden (oder eine solche selbst erstellt)18, so daß man heute mühsam die Kriterien der κρίσις eruieren muß. Für die Scheidung des echten vom überarbeiteten Gut kann somit als Grundregel festgehalten werden, daß längere, zumal unter Verwendung von Satzklauseln formulierte Noten als ursprünglich, Kurznoten hingegen als überarbeitet zu gelten haben. Unabhängig von der generell bei Scholienüberlieferung anzutreffenden komplizierten Frage der Überarbeitung stellt sich speziell beim commentum Terenti das Problem, daß der noch nicht in einer endgültigen Edition vorliegende Text häufig durch Korruptelen entstellt ist. Aufgrund der systematischen Anlage der vorliegenden Arbeit wird es möglich sein, an einer Reihe von Stellen solche, teilweise noch nicht erkannte mechanische Überlieferungsfehler zu beheben.

18

Bisweilen werden auch zwei Noten zusammengeschustert: Hec 131.4 PARMENO moraliter et a nomine inc et nomen repetit faßt die einzelnen Explikationen 131.6 mire interposuit nomen, ut affectum doloris estenderei, sic Vergilius (Aen. 4,9) 'Anna soror' etc. und 133 iv rjáei repetit nomen zusammen.

I. ΑΝΑΓΝΩΣΙΣ Von den drei bei Dionysius Thrax (p.6,5 U.) genannten Disziplinen der άνά-γνωσις wird in der Erklärung Donats dem kunstgemäßen Lesen und Vortragen, der ανά^νωσις και?' ΰπόκρισιν, besonderes Gewicht beigemessen, während der Bereich der προσωδία so gut wie überhaupt nicht und der der διαστολή nur mit einer vergleichsweise bescheidenen Zahl von Interpretamenten vertreten sind. Die hohe Zahl der Hypokrisis-Noten erklärt sich aus dem Umstand, daß Dramentexte von ihrer Natur her lebendige Rede wiedergeben und somit besondere Anforderungen an den kunstmäßigen Vortrag stellen, denn ΰπόκρισίς έστι μίμησις των κατ' akrjdeιαν έκάστω παρισταμένων και παϋών καί διάϋΐσις σώματος re και τόνου φωνής πρόσφορος ΰποκίιμίνοις πρά"γμασι™.

ήύών τοις

Abgesehen davon, daß die άνά^νωσις καό' ΰπόκρισιν grundsätzlich eine Vorstufe der actio/pronuntiatio-Ausbildung des Rhetorikunterrichts ausmachte, vermochte nach übereinstimmender Überzeugung kaiserzeitlicher und spätantiker Technographen gerade die Lektüre der véa einen Beitrag zur adlocutio20 zu leisten, und so war es nur folgerichtig, wenn deren Erklärer nicht nur dem Aufweis der jeweiligen ήΰη, sondern auch dem Vortrag des Textes entsprechend dem zuvor aufgezeigten Ethos größte Beachtung schenkten. Während sich somit der Interpret bei der Behandlung der ΰπόκρισις bereits auf dem Felde der ästhetischen Kritik bewegt - lt. Dionysius Thrax soll sie die άρβτή des Autors aufweisen -, sind demgegenüber προσφδία und διαστολή eher der Ebene des elementaren Verstehens verhaftet und daher weitgehend von der Kommentierung ausgeschlossen.

19

20

So Longins Definition (1310,21ff. SP.), die mit Recht als umfassende Beschreibung in den Rhetorikdarstellungen stets zuvorderst genannt wird. Quint.inst. 1,8,7 bzw. Grillius p.47,26 M.

ΑΝΑΓΝΟΣΙΣ

8

Α. ΥΠΟΚΡΙΣΙΣ Die actio oder pronuntatio gilt als fünftes officium des Redners. Donat benutzt ausnahmslos den jüngeren Ausdruck pronuntatio21, steht aber innerhalb deren Gliederung in Stimme und Mimik/Gestikulation auf dem Boden der von Cicero übernommenen theophrastischen Systematisierung22. Den von anderen, wie Quintilian und Fortunatian, als dritte Kategorie der actio genannten cultus/habitus führt er nicht an23. Entsprechend dieser auf Theophrast zurückgehenden Aufgliederung sollen Donats Interpretamente behandelt werden. Danach wird zu untersuchen sein, ob in gewissen Noten zum szenischen Spiel eigene, lebendige Bühnenanschauung seitens des Exegeten selbst zu konstatieren ist.

1. ΦΩΝΗ ΎτΓοκρισις-Interpretamente sind im Gegensatz zu den Aristophanes-Erklärern bei Donat keine gelegentlichen, in pathetische Partien eingebrachten, schulmeisterlichen Anweisungen, während des Vortrages die Tonlage zu wechseln24, sondern aus einer exakten Interpretation des Dichterwortes gewonnene Explikationen im Rahmen der Ethopoiie, deren Aufweis, wie wir sehen werden, im Mittelpunkt der Terenzinter-

21 22

Mart.Cap.5,540; zur Begrifflichkeit vgl. zuletzt MAIER-EICHHORN 12f. Frg.712 FORT. ap.Athanasium, Proleg., RhGr XIV p. 177.3 R.; vgl. Cie. de orat. 3 , 2 2 1 ( = f r g . 7 1 3 FORT.).

23

Wir werden auch im Bereich der inventio-Lehre Ciceros Einfluß feststellen. Nicht Quintilians 'Institutio oratoria', sondern Ciceros Jugendschrift 'De inventione', die von Marius Victorinus, Donats Kollegen auf dem rhetorischen Lehrstuhl in Rom, kommentiert wurde, hat als Lehrbuch die Rhetorikausbildung in der Mitte des 4. Jh. s geprägt.

24

Schol.Aristoph.P1.610 tv rjôti και τούτο; Pax 968 το 'ιτοΰ ποτ' άσί;' Xe-yei tv ηϋβί. Als Beispiele für eher stereotype unspezifische tv ^ e i - S c h o l i e n ("mit Ausdruck"), die die griechische Dramenkommentierung zumindest in ihrem kaiserzeitlichen und frühbyzantinischen Überlieferungsstand prägen, seien aus den Euripidesscholien Med.60 tv ηόπ 6t άρητοα, Med. 148. 228 angeführt (etliche weitere Belege bei RUTHERFORD 146ff.). Auch bei Donat begegnet die Formel, aber stets innerhalb ausführlich den jeweiligen Affekt entfaltender Noten, e.gr. Eun 48 NON PERPETI MERETRICVM CONTVMELIAS tv ηϋα. sic in Andria (558) 'prius quam harum scelera et lacrimae confictae dolis'. cum uni sit iratus, de omnibus queritur. Einige Kurzscholien mit bloßem tv ήϋα gehen lediglich auf eine Ergänzung des STEPHANUS zurück.

ΥΠΟΚΡΙΣΙΣ

9

pretation dieses Erklärers steht25. Als typisches Beispiel sei Ph 57.1 angeführt: SED QVID TV ES TRISTIS hic admonemur omnem ab initio sermonem Getae quasi satagentis et anxii pronuntiari accomodatis praesertim ad vultum verbis, nam et (51) 'si quis me quaeret' et (52) 'at ego obviam conabar tibi Dave' et (54) 'amo te et non neglexisse habeo gratiam' in se quoddam contractions animi occupatique signum habent. Daß die pronuntiatio von Donat als Mittel der Charakterzeichnung aufgefaßt wird, läßt sich aus ut appareat/ostendat-lnterpretamenten wie Eun 327 ARCHIDEMIDEM hoc sic pronuntiandum est, ut appareat ex ipso nomine statim odiosum nescio quem occurrisse ac permolestum bzw. Eun 986.1 HEM QVID AMAT haec singula pronuntianda sunt, ut stuporem nimiae indignationis ostendat ersehen 26 . Während der fortlaufenden Kommentierung begegnen auch kürzere Noten wie An 663.1 'Davus' cum admiratione pronuntiandum27 oder An 667.3 cum odio hoc pronuntiandum est; ideo 'coniectum' dixit, aber stets ist der spezifische Affekt genannt. Dagegen wird man allgemein gehaltene Kurznoten wie Ph 163.3 AMORE ABVNDAS ANTIPHO hoc cum pronuntiatione infert einem Redaktor zuzuweisen haben, denn das Original, das uns durch die Parallelredaktion erhalten ist, bot eine ungleich ausführlichere Adnotation: AMORE ABVNDAS ANTIPHO hoc sie pronuntiandum, quemadmodum solet cum stomacho dici vituperanti eibum 'non esuris ' aut 'pleno ventre es '. vult enim estendere satietatis hoc esse, non ratiocinations, quod nunc queritur Antipho (Ph 163.1).

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26

27

Somit ist zugleich die Forderung des Dionysius Thrax, daß die ύπόκρισις die ctptTT] des Autors, im Falle eines Dichters der vea eben die Qualität der Charakterdarstellung aufzuzeigen habe, aufs schönste in die Tat umgesetzt. Entsprechend weist Donat darauf hin, daß Sinn und Absicht einer Äußerung gelegentlich nur durch die Betonung zum Ausdruck gebracht werden könne: singillatim ista pronuntianda sunt, ex quibus intellezatur non cessare Chaeream, quin adhuc impellat et trudat (Eun 379.4), HOMINI MISERO PLVS QVINGENTOS COLAPHOS flebiliter pronuntiandum: hoc enim exprimitur ineusare eum in alieno facto fortunam suam (Ad 199.3) oder hoc sie pronuntiandum est, ut appareat hanc ipsam voluntatem displicere Micioni (Ad 813.1). Vgl. Schol.Aristoph.P1.750 όαυμαστικόν το 'οσος', Nub.881 ώς ϋαυμάζων Xe-yei.

ΑΝΑΓΝΩΣΙΣ

10

Aus einer Interpretation, die Ethopoiie mit Hypokrisis verband, hat ein Redaktor alles ihm lästige, für Donats Exegese aber gerade charakteristische Material herausgeschnitten und ein auf elementare schulische Bedürfnisse ausgerichtetes Scholion hinterlassen.

2. ΚΙΝΗΣΙΣ ΤΟΥ ΣΩΜΑΤΟΣ Neben der pronuntatio bestimmen Mimik (vultus)28 und Gestik (gestus) den kunstgerechten Yortrag. Donats Interpretationen sind entsprechend den «pajnf-Noten konkret gehalten (ERVS ADEST vultu tristi ac superciliis arduis hoc dicendum est [Ph 184.4]) und aus der Deutung des Terenztextes selbst entwickelt: IRAE SVNT INTER GLYCERIVM ET GNATVM hoc laeto vultu pronuntiat Simo, loquitur enim apud eum, ex quo audierat Pamphilum pro uxore habere hanc peregrinarti, et hic paulo sapientior inducitur et minus obnoxi-

us dolis (An 552.1).

Das Beispiel veranschaulicht, daß auch die Scholien zur Mimik Anteil an der umfassenden ethopoietischen Interpretation haben, was bisweilen noch durch den Umstand betont ist, daß als Subjekt einer Note unmittelbar nicht der Vortragende, sondern die Figur selbst genannt ist, z.B. Hec 468.1 Pamphilus vultuose et cum supercilii tristitia hoc dicit. Häufiger als in den y O J i ^ ' - E x p l i k a t i o n e n findet sich ein Hinweis, daß diesem Teil der Hypokrisis eine Hilfsfunktion zukomme, wenn der Text allein das Verständnis nicht gewährleisten könne: ελλαψις

ethica in qua plus vultu significatur quam verbis (Eun 499.2) 29 ;

MANE hoc gestu iam adiuvatur (Eun 765.2)

oder PROFVNDAT PERDAT haec sie pronuntianda nolle quod loquitur (Ad 134.2).

sunt, ut ostendatur

gestu

Dabei hält der Erklärer stets beim Leser seines Kommentars das Bewußtsein wach, daß er ein Werk kommentiert, das ursprünglich für die Bühne konzipiert wurde:

28

29

Der Begriff vultus umfaßt dabei auch die Bewegung des Kopfes: Ad 79.1 NESCIO QVID TRISTEM VIDEO orationis apparatus ex vultu ostenditur ut (Verg. Aen.7,291 sq.) 'stetit acri fixa dolore, tunc quassans caput hanc effundit pectore vocem '. Vgl. Eun 523 in gestu ac vultu id quod restât ostenditur; nam deest 'nescio'.

ΥΠΟΚΡΙΣΙΣ

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'hic' gestu scaenico melius commendatur, nam haec magis spectatoribus quam lectori scripta sunt (An 310.1) 3 0 bzw.

NON QVEO ITA DEFESSVS SVM hoc in gestu et spectaculo plus est, nam incessu et actu exprimit lassitudinem (Hec 443.2). Wenn bereits in der antiken Rhetorik die actio/pronuntatio als eine der Schauspielkunst eng benachbarte Disziplin betrachtet wurde, konnte es nicht ausbleiben, daß Donats Noten zur Hypokrisis, die auch das Bühnenspiel einbeziehen, weniger als Empfehlungen für den Vortrag im Unterricht, denn als aus lebendiger Anschauung der Bühnenpraxis gewonnene Anweisungen für Schauspieler interpretiert wurden. Als Archeget dieser Auffassung wird meist LEO genannt. In Wirklichkeit rührt sie von LESSING her, der im 72. Stück seiner Hamburgischen Dramaturgie anläßlich einer Würdigung eines "unvergleichlichen" donatischen Hypokrisis-Scholions31 ausführt, daß Donat als Theaterbesucher seine Bemerkung nicht eigenen Gaben verdanke, sondern nur anzumerken brauchte, was er sah und hörte; er habe nur Aufmerksamkeit und Treue gebraucht, um sich das Verdienst zu erwerben, daß ihm die Nachwelt Feinheiten zu verdanken habe, die er selbst schwerlich dürfte ausgegrübelt haben. Noch in der jüngsten Untersuchung der Hypokrisis-Lehre von W. MADYDA, die den Titel 'De Donato histrionum praeceptore' trägt, wird dieser Gedanke erwogen: "(commentarium) idcirca compositum sit, ut actor vel recitator comoediarum Terentii ipsam hominum naturam melius cognosceret"32.

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31

32

Beim ersten Anlaß innerhalb der Kommentierung bietet Donat einen generellen Hinweis betreffs des Vortrages deiktischer Adverbien und Pronomina: significanter: οώτως... et est de his quae gestu adiuvanda sunt, ut (Ad 563) 'tantillumpuerum ' et (Ad 163) 'huius nonfaciam ' (An 175.3). An beiden zitierten Stellen wird entsprechend erklärt: TANTILLVM όακτικόν est: videtur enim manu fingere quam parvulum (Ad 563.2) bzw. 'huius' autem ÒÌLKTLKÓV: aut enim stipulant aut floccum moverai aut summum digitum (163.2). Die hier wie anderswo zum Ausdruck kommende Einheitlichkeit der Kommentierung zeigt (wie schon oben vermerkt) an, daß das 'commentum Terenti' kein Variorum-Kommentar, sondern das Werk einer individuellen Persönlichkeit darstellt. - Eine Reihe von àet/crtKcJç-Noten aus den Aristophanesscholien hat RUTHERFORD 124 zusammengestellt. Es handelt sich um Ad 852.1 hoc verbum vultu Demeae sic profertur, ut subrisisse videatur invitus. sed rursus 'ego sentio ' amare severeque dixit. Ebd.6.- Erst auf der letzten Seite seiner Abhandlung verrät der Interpret, daß es in Donats Zeit keine Aufführungen mehr gegeben habe (57); Konsequenzen für die Berechtigung der sich im Titel zeigenden Grundauffassung der Hypokrisis werden

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ΑΝ ΑΓΝΟΣΙΣ

J.W. BASORE hat aus der großen Anzahl von Noten wie hoc gestu abeuntis vel abituri pronuntiatur (Ad 127.5) oder szenischen Bemerkungen wie haec scaena actuosa est, magis enim in gestu quam in oratione

est constituía (An 722.1) auf eine "Zusammenschau mit lebendiger Anschauung der Bühne" geschlossen33, auf der die Komödien ohne Masken aufgeführt worden seien, wie die große Anzahl der bei einer Voraussetzung von Maskenspiel wertlosen mimetischen Scholien nahelege34. Ausdrücklich von einer Auffiihrungspraxis ohne Masken ist in An 716.1 die Rede: et vide non mínimas partes in hac comoedia Mysidi attribuì, hoc est personae femineae, sive haec personatis viris agitur, ut apud veteres, sive per mulierem, ut nunc videmus.

Zugleich bildet die Note das einzige Testimonium des Terenzkommentars für zeitgenössische Aufführungen. Ob es sich dabei freilich um wirkliche Dramen- oder gar Terenzaufführungen handelte, ist keineswegs ausgemacht. Näher liegt die Annahme, daß Donat den Mimus im Sinn hat (in dem tatsächlich Frauen auftraten), mit seinem knappen ut nunc videmus also lediglich sagen will: "wie wir jetzt Frauen auf der Bühne agieren sehen " 35 . Jedenfalls läßt sich aus dieser wohlgemerkt einzigen Anmerkung nicht schließen, daß Donats Hypokrisis-Interpretamente mit szenischem Stempel auf eigener Anschauung, d.h. auf eigener Erfahrung mit Terenzaufführungen beruhen. Das zitierte Andria-Scholion bekundet offensichtlich nur einen allgemeinen Unterschied in der Aufführungspraxis dramatischen Spiels (wozu

33

34

35

nicht gezogen. Angedeutet findet sich der Gedanke auch bei LEO, der von Donats 'Anschauung vom dramatischen Spiel' spricht, die dem Charakter der Illustationen in den Terenz-Hss. entspräche (1883,338). Lediglich in den praefationes, die älteres Gut vornehmlich aus Varrò bieten, sind Masken vorausgesetzt (Eun praef.I 6; Ad praef.I 6). SITTLS in Unkenntnis des Scholions getroffene Feststellung, in Donats Zeit seien keine Komödien mehr aufgeführt worden (203), kann also nach wie vor einige Plausibilität beanspruchen. Die Richtigkeit seiner Hauptaussage, daß die Hypokrisis-Noten dem Rhetorikunterricht gelten (so auch nach dem Referat bei MADYDA [S.6] DRUDE in seiner heute nicht mehr greifbaren Dissertation), bleibt in jedem Falle bestehen. Eine angebliche Terenz-Renaissance auf der Bühne des 4.Jh.s, von der M. HERRMANN 131ff. sprechen zu können glaubt, läßt sich auf dieses eine, mehrdeutige, Zeugnis des Donat nicht gründen.

ΥΠΟΚΡΕΙΣ

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auch der Mimus zählt) zu den Gewohnheiten früherer Zeit36, sagt aber nichts darüber aus, ob Donat im einzelnen seine Explikationen nicht doch selbst "ausgegrübelt" hat. "Bühnentechnische" Scholien zum Auftritt einer Person wie An 745.1 QVID TVRBAE EST APVD FORVM haec verba sunt venientis de foro

oder zu ihrem Standort wie Ad 618.1 NAM VT HINC FORTE AD OBSTETRICEM ERAT MISSA ... 'hinc ' autem addendo ostendit se ante fores Sostratae staref

sind evident aus dem Text selbst gezogen. In gut zwei Dutzend Noten bezeugt denn auch der Interpret selbst diese Tatsache ausdrücklich: - Eun 642.1 (Ankündigung eines Auftrittes in IV 3 im Abschlußvers von IV 2: sed quid hoc, quod timida subito egreditur Pythias)·, ex huius verbis persona in scaenam veniens et locutura describitur - Ad 505 REDITO prosequebatur abeuntem, quemadmodum apparet ex verbis3* - Ad 781 NON MANVM ABSTINES MASTIGIA etiam iniecisse manum, ut teneret Demeam, ex ipsius verbis cernitur.

Einfaches apparet ohne ex verbis39 begegnet z.B. - Ad 782.1 AN TIBI IAM MAVIS CEREBRVM DISPERGAM HIC ut apparet. báculo minatur - Hec 358.1 SODES INTRO metuif, ne ingrediatur mater ad soceros, et ideo 'i sodés' dicit 'intro'. 2. et apparet 'intro' dicentem manu annuere, ut domum redeat, et simul quo magis faciat, addit causam.

Schon aus dem zuletzt genannten Beispiel wird kenntlich, daß die Hypokrisis-Note Nr. 2 lediglich eine Fortführung der die Absicht der Personen explizierenden Note Nr. 1 darstellt, somit als Teil einer in sich

36

37 38

39

40

Denkbar wäre natürlich, daß Donat hier einmal relativ mechanisch eine Beobachtung eines früheren Grammatikers übernimmt, ohne die Floskel ut nunc videmus seiner eigenen Schreibsituation anzupassen. Doch möchte man dies bei der hohen Qualität der Kommentierung des Donat nur ungerne annehmen. Die Noten zum Bühnenspiel hat BASORE 4-6 zusammengestellt. Diese Art der Erklärung zum Bühnenspiel ist aus der griechischen Exegese übernommen: é | ου δηλον (e.gr. Schol.Aristoph.Lys. 1093). Weitere Stellen bei K. WEISSMANN, Die scenischen Anweisungen in den Scholien zu Aischylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes und ihre Bedeutung für die Bühnenkunde, Progr. Bamberg 1896, 7. 18f. Auch für diesen Erklärungsmodus gibt es zahlreiche Parallelen in den griechischen Scholiencorpora, δηλονότι (Schol.Aristoph.Nub. 1031), δήλοι (Pax 893) oder ipavepóv (Schol.Eur.Or.46). So STEPHANUS, dessen Ergänzung jetzt durch Κ (meruit) bestätigt wird.

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ΑΝΑΓΝΩΣΙΣ

geschlossenen, allein aus dem Dichtertext gewonnenen inhaltlichen Gesamtdeutung angesehen werden muß. Eine Scholienkette wie zu Eun 765 schließlich (CH. melius est. TH. mane. CH. omitte: iam adero) 1. MELIVS ESTfugae occasionem hic cupit dari 2. MANE hoc gestu iam adiuvatur 3. OMITTE IAM A. ex huius verbis apparet etiam manu esse adulescentem

comprehensum

kann mit aller Gewißheit verdeutlichen, daß die Hypokrisis-Noten nicht als eigenständiger Block isoliert und einem selbständigen vordonatischen Stratum, einer Sonderkommentierung für Bühnenschauspieler41, zugewiesen werden können.

Β. ΠΡΟΣΩΙΔΙΑ Donat verzichtet anders als Servius42 nahezu vollständig auf die Behandlung der προσφδία, weil er einen Leser voraussetzt, der (nach der Vergillektiire) in prosodischen Grundfragen unterrichtet ist43. Seine Bemerkungen beschränken sich in der Regel auf umstrittene Fälle von semantischer αμφιβολία wie An 17.1-2

41 42

43

In diesem Sinne BASORE 4f. Die erhöhte Zahl entsprechender Explikationen bei Servius erklärt sich nicht zwanglos aus der Zahl der griechischen oder altitalischen Eigennamen der Aeneis. Noten wie diejenige zu martiplis (Aen. 11,463) ars quidem exigebat, ut 'ma' haberet accentum, 'ni' enim longa quidem est, sed ex muta et liquida: quod quotiens fit, tertia a fine sortitur accentum, ut 'latebrae' 'tenebrae'. tarnen in hoc sermone, ut secunda a fine accentum habeat, usus obtinuit oder allgemeine Rekapitulationen der regula wie Aen.7,231 ( V in genetivo correptum est: omnia enim in '-us' exeuntia etc.) sind im Terenzkommentar des Donat kaum anzutreffen, weil dieser nahezu gänzlich auf die Behandlung des μετρικάν verzichtet. Die Exegeten griechischer Dichter, zumal des Homer, waren, wie schon Quint, inst. 1,5,29-31 vermerkt hat, aufgrund von Akzent- und Aspirationsproblemen nebst den verschiedenen Dialekten vor ganz andere Aufgaben gestellt. Ich verweise auf LEHRS 247-327 und vor allem auf B. LAUM, Das alexandrinische Akzentuationssystem (Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums, Erg.-Bd.4), Paderborn 1928. Schon ein spezieller Titel wie Herodians τepì Ίλιακης προσωδίας ist für die lateinische Grammatik unvorstellbar. Die demgegenüber spärliche Zahl der lateinischen Grammatikerfragmente zur Akzentlehre hat F. SCHOELL, De accentu linguae latinae veterum grammaticorum testimonia, Acta soc.philol.Lips. 6 (1876), 1-231 zusammengetragen.

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ΠΡΟΣΩΙΔΙΑ

FACrVNTNE INTELLEGENDO 'ne' quidam corripiunt et cum interrogatione pronuntiant, quidam producunt. quorum alii 'ne' pro 'nonne' accipiunt, id est 'non', alii 'ne'pro 'valde' ...et hoc melius, nam etc.,

Eun 540.1-2 VT DE SYMBOLIS ESSEMVS Plautus in Menaechmis (485) 'minore numquam fui dispendio'. 2. sed melius 'essemus' producta E littera

oder Ad 559.5 (discidit) Asper mediam longam a caedendo accipit, ego mediam brevem a scindendo.

Gleichfalls auf frühere Diskussion nehmen Noten zum Wortakzent Bezug: Eun 255 INTEREALOCI duae partes orationis cum coniunctae unamfecerint, mutant accentum,

wo Acron in seinem Kommentar diese Frage aufgeworfen hatte (quaeritur quo accentu

dici debeat

'interea

loci'

[ap.Iul.Rom. = C h a r . 2 6 1 , 7

B.]). Von den compositae dictiones wird nur noch siquando (Eun 437.2 'siquando'

et prima sy liaba acuì potest et media, cum [V 2 : tarnen BTC]

variet sententiam) behandelt. Donat hatte das Problem in seiner ars (610,8 H.) geklärt und setzt Elementarkenntnisse für den Terenzkommentar voraus. Wenn aber im Bereich des Akzentes seine Vorgänger verschiedene Ansichten vertreten oder ein diorthotisches Problem vorliegt, enthält sich auch Donat nicht eines Votums: Neben dem bereits zitierten Scholion Eun 255 ist Hec 94 (illic) legitur et 'illi', ut sit circumflexus accentus (Verg.Aen.2,548) 'illi mea tristia facta**

et significet

'illic',

ut

anzuführen45.

44

45

Aus Ad 116.1, wo das gleiche Vergilzitat gegeben wird, läßt sich Donats textkritische Entscheidung - das legitur er-Scholion ist wie auch sonst (s. 19ff.) verstümmelt überliefert - rekonstruieren: errant qui 'illi ' putant esse pronomen, cum sit adverbium loci, ut (Verg. Aen.2,548sq.) 'illi - memento'...quare quidam etiam LI syllabam discretionis causa, ut locum significet, corripiunt. Nicht der προσφδία, sondern eher der ΰπόκρισις gelten Noten zur Betonung von Pronomina wie Hec 85 'me' acutius proferendum est, quia respondet προς TÒ 'te' (vgl. Ad 268.2; Hec 500.2; Ph 70.5; 341.1).

16

ΑΝΑΓΝΩΣΙΣ

C. ΔΙΑΣΤΟΛΗ Im Gegensatz zur προσωδία stellt die Behandlung der διαστολή - der Satz-, aber auch der Wort- und Buchstabenabtrennung zur besseren Erfassung des νους - bei einer Schreibkultur, die bei der scriptio continua nur ein rudimentäres graphisches System der Wortabtrennung kannte und somit die incerta distinctio zwangsläufig zur Folge hatte, einen obligatorischen Bestandteil der Exegese dar. Ein zusätzliches Arbeitsfeld für die Dramenkommentierung schaffen Fragen der Sprecherzuteilung. Anders als in der ars, wo p.611,2 H. als graphische Zeichen der Interpunktion distinctio, subdistinctio und media distinctio angeführt werden, begegnen in dem Terenzkommentar nur distinguere und subdistinguere (also στίΎμή/ύποστίΎμή der griechischen Grammatiker)46, wobei aber die Begrifflichkeit in der Praxis nicht streng durchgehalten ist und häufig dort, wo man ein subdistinguendum erwartet, das Simplex Verwendung findet47. Daraus daß die media distinctio als notwendige Atempause im Satzinnern48 gänzlich fehlt, wird ersichtlich, daß die διαστολή auch bei Donat zunächst ausschließlich dem Herausarbeiten des νους gilt. Dabei gilt die Absicht des Erklärers nicht einer graphischen Periodisierung - eine Aufforderung, an einer bestimmten Stelle ein Satzzeichen zu setzen, begegnet nicht - , sondern er gibt, wie in einer Reihe von Noten ausdrücklich vermerkt, Empfehlungen für einen dem Sinn entsprechenden Vo r t r a g : interposita

46

47

48

49

distinctione

vultuose hoc dicitur (An 332) 49 ,

Was RUTHERFORD für die Aristophanesscholien nur vermutet hatte, nämlich daß die Texte, die im Schulunterricht Verwendung fanden, wohl nur any μη bzw. ύττοστι-γμή aufgewiesen haben (176), ist für Donat mit Sicherheit zu erschließen. So etwa An 938.1 (ita animus commotust metu/spe gaudio mirando tanto tarn repentino hoc bono) et άσυνδέτως distinguendum est 'spe gaudio', ut separatim inferatur 'mirando tanto hoc tam rep.b. '. Es versteht sich, daß umgekehrt niemals ein Periodenende mit subdistinctio gekennzeichnet wird. Media distinctio est, ubi fere tantum de sententia superest, quantum iam diximus, cum tarnen respirandum sit (ars 612,6 Η.). Ob in Ph 255.4 CREDO HOC RESPONDE MIHI hoc incerta distinctione pronuntiatur der singulare Ausdruck incerta distinctione pronuntiatur richtig überliefert ist (oder statt dessen nicht eher interposita distinctione pronuntiatur zu schreiben ist), lasse ich unentschieden. Sicher ist nur, daß mit hoc - anders als in An 332 - das zur Diskussion stehende Wort des Terenztextes aufgegriffen und folglich dementsprechend zu kennzeichnen ist.

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ΔΙΑΣΤΟΛΗ

'sic' delicate pronuntiandum est et separatim distinguendum (An 958.1), distinctione interposita inferendum vultuose 'quasi difficile sit' (Eun 209.3) Ph 169.1 (quod habes ita ut voluisti uxorem) 'voluisti ' subdistinguendum est et sic legendum 'uxorem' ίμφατικώτΐρον.

Schon der selbstbewußte, für Donat so kennzeichnende Gebrauch der griechischen Terminologie zeigt an, daß seine Kriterien und Kommentierungstechnik der griechischen Exegese entlehnt sind. Es genügt, das Scholion zu Eur.Med.500 anzuführen: διαστήσαι ουδέν

ôe ôei κατά άνάγνωσιν

το τι, ίκ δέ της ύποκρισβως

βμφαίνειν

το

bzw. παύητικήν

δέ ύπόκρισιν

δη\οΙ το τι.

Man findet häufig die Ansicht geäußert, daß die διαστολή eher einen der mündlichen Unterweisung des Klassenzimmers, denn der schriftlichen Kommentierung verpflichteten Gesichtspunkt darstelle50. Dies ist insofern richtig, als die διαστολή üblicherweise und, wie wir gesehen haben, auch bei Donat mit der ύπόκρισις zusammengeschaut wird. Spätestens dann aber, wenn ein Kommentator auf divergierende Ansichten hinweist und nicht frühere Exegeten, sondern Editoren nennt, ist zumindest indirekt der Bereich der dem Vortrag vorausgehenden graphischen Interpunktion innerhalb textkritisch revidierter Ausgaben in den Blick genommen. Im commentum Terenti wird lediglich Probus, der im Rahmen seiner adnotierten Edition auch den Terenztext einer gründlichen distinctio unterzogen hat51, an zwei Stellen genannt52, reine Kommentatoren werden üblicherweise nur mit alii eingeführt53, in den meisten Fällen ist lediglich auf eine incerta distinctio hingewiesen. Daß hierbei zumindest die Kurznoten, in denen lediglich der Befund als solcher mitgeteilt wird ( i n c e r t a distinctio, vel 'x ' vel 'y*), als ausgedünnte Rezension, in der die wertende Stellungnahme der Vorlage weggeschnitten ist, anzusehen sind, ergibt sich zum einen aus der Analogie zu dem entsprechenden Phänomen in den zu legitur 'x' verstümmelten diorthotischen Noten54, und zum anderen aus einigen in Doppelrezen-

50 51

52 53 54

So etwa JOCELYN 467 mit Anm.171, ähnlich NEUSCHÄFER 36. Vgl. Suet.gramm.24,3 multaque exemplaria contracta emendare ac distinguere et adnotare curavit. Vgl. zuletzt H.D. JOCELYN, The Annotations of M. Valerius Probus, CQ N.S.34 (1984) 464-472. An 720.3 und Eun 46.7. An 429.3 alii 'forma bona' distinguunt. Vgl. S. 19ff.

ΑΝΑΓΝΏΕΙΣ

18

sion erhaltenen dwímct/o-Interpretamenten wie zu An 145 (indignum facinus: comperisse, Pamphilum/pro uxore habere hanc peregrinarli). Dem Scholion Nr. 145.1-2 folgen vier Scholien zu Vers 144, danach die Scholien 3-6 zu 145, so daß wir die Doppelrezension nicht nur inhaltlich, sondern noch in der überlieferten Folge der Scholien greifen können: Dabei schließen sich die betreifenden Noten 2. et incerta distinctio

bzw. (mit erneutem Lemmaeinsatz) 3. distinguendum, ut per se intellegatur 'indignum facinus': et ipse dolet corrumpi Pamphilum

gegenseitig aus. Es duldet keinen Zweifel, daß uns in dem ausführlichen und unter Beachtung der Klauseltechnik gebildeten Interpretament Nr. 3 die ursprüngliche Fassung bewahrt ist, in der die korrekte distinctio in selbstverständlicher Manier gegeben ist, während für den Verfasser von Nr. 2 das sich aus der scriptio continua scheinbar ergebende Problem zu einem tatsächlichen wird. Der Redaktor ist zeitlich nach Eugraphius anzusetzen, der in seinem Donat-Exemplar eine der Nr. 3 entsprechende Fassung vor sich hatte: pulchre ex persona soceri 'indignum facinus ' dictum est, ut et ipse doleat Pamphilum esse corruptum.

II.

Diorthose

So wie die kaiserzeitlichen und byzantinischen Grammatiker das fur den Schulunterricht allzu gelehrte Material der alexandrinischen Philologie umgearbeitet und vor allem deren umfangreiche textkritische Erörterungen zu einer γράφεται /cat-Note verkürzt haben, wurden auch im Kommentar des Donat gerade die textkritischen Scholien von späterer Hand so sehr bearbeitet, daß wir kaum mehr als einen Schatten der ursprünglichen Erörterung besitzen. Erhalten sind gut 90 Scholien diorthotischen Inhalts, aber nur wenige davon dürfen beanspruchen, in Gehalt und Wortlaut unmittelbar auf Donat zurückzugehen, sind doch die meisten Interpretamente zu einer bloßen legitur et (bzw. legitur et 'x' et 'y')-Note zusammengeschnitten. Ein zweiter, relativ umfangreicher Teil ist zwar umgearbeitet, läßt aber immerhin noch den Weg der Entscheidungsfindung erkennen. Für die Analyse der textkritischen Methode Donats sind die legitur ei-Noten nahezu wertlos; daß sie aber auf vollständigere, wertende Scholien zurückgehen, erweist das Zeugnis Priscians: Hinter An 536.1 AVSCVLTA PAVCIS et 'paucis ' et 'pauca ' legitur verbarg sich einstmals eine umfangreichere Fassung: Der Grammatiker aus Caesarea folgt an zwei Stellen Donats Entscheidung für pauca·. nec enim aliter stat iambus, qui est quaternarius; quod etiam Donati commentum approbat (GL III 281,14)

bzw. sie enim habent antiqui codices teste Donato commentatore eius (III 320,13).

Zu Recht haben ZETZEL55 und GRANT56 auf die Bedeutung dieses Testimoniums hingewiesen, um LINDSAYS abwegige These zurückzuweisen, die im Kommentar genannten Varianten gingen in großer Mehrzahl

55

56

On the History of Latin Scholia, HSPh 79 (1975) 335-354, hier 340f. bzw. Textual Criticism 150. Studies 64.

20

Diorthose

auf einen mittelalterlichen Rezensenten zurück und seien somit ohne eigenen Überlieferungswert57. Selbst die Variante in An 1 (poeta quom primum animum ad scribendum adpulit), die auch ZETZEL in Nachfolge LINDSAYS 58 als "quite clearly of medieval origin" beurteilt59, geht m.E. auf Donat zurück: [7.] APPVLIT

in secunda

lectione

'appulit' rmgis60', nam postea

'attutii' (STEPHANUS: appulit Ω) fuit:

sic (446) 'animum ad uxorem

sed

appulit'.

Die Beobachtung, daß der Ausdruck in secunda lectione in der antiken Scholienliteratur nicht belegt sei, scheint zutreffend (vgl. ThLL VII 2,1088, 9ff.; das umfangreiche Material aus den Kirchenvätern ist aber noch nicht gesichtet), berechtigt uns aber nicht, zugleich auch den Gehalt des Scholions dem antiken Grammatiker abzusprechen. Abgesehen davon, daß für fuit Parallelen bei Donat selbst namhaft gemacht werden können61 und ein in secunda lectione etwa Serv.Aen. 12,605 antiqua lectio 'flows' habuit oder Serv.auct.georg.4,141 ipsius autem manu duplex fuit scriptura 'pinus' et 'tinus' (vgl. Prise.II 256,16 nam apud Horatium duplicem invenio scripturam) an die Seite gestellt werden könnte, hat man bisher dem begründenden nam-Satz zu wenig Beachtung geschenkt, der dieses Scholion von einer einfachen legitur et-Variante unterscheidet62. Diese Begründung vermittels einer Parallele aus dem Dichter selbst, und zwar hier der einzig möglichen, rät zu der Annahme eines antiken Ursprungs, der vollends gewiß wird, wenn man Donats Notiz eben zu Vers 446 heranzieht. Dort wird für das auffallende animum adpellere ad auf Vers 1 zurückverwiesen: et sie dixit 'animum63 ad uxorem appulit' ut supra (An 1) 'animum ad s.a. '

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58

59 60

61 62

63

Gleanings from Glossaries and Scholia, III. On Donatus' Terence-Commentary, CQ 20 (1926) 103-105, insb.104. Loc.cit. 105. LINDSAY hat jedoch später seine Behauptung zurückgenommen (On Some Lines of Plautus and Terence, CQ 23 [1929] 112f.). Textual Criticism 153. Magis sc. legendum, was leicht aus lectione zu ziehen ist: Der vollständige Ausdruck findet sich etwa in den Schol.Verg.Bern.georg.2,413 RVSTI 'rtisci' magis legendum. An 236.6 in aliis 'factu aut ineeptu' fuit und Ph 190.3 'protinam' fuit. Mir ist etwa aus den karolingischen Scholia Terentiana kein Fall bekannt, wo eine Präferenz getroffen und die Wahl begründet wird. So schreibe ich mit Τ (a. a(d) u(xorem) a(dpulit)): ad uxorem animum C: om.cett.

Diorthose

21

(446.3). Beide Scholien entsprechen einander, beide gehen auf den gleichen Kommentar zurück64. Wir dürfen also zuversichtlich annehmen, daß nahezu das gesamte textkritische Scholienmaterial auf den ursprünglichen Kommentar zurückzuführen ist65. Aus diesem verstreuten Material gilt es nun, Donats Prinzipien für die Erörterung textkritischer Fragen herauszuarbeiten.

Zunächst ist zu untersuchen, ob Donat selbst Handschriftenstudien betrieben hat. Bejaht haben diese Frage LEO (Ueberlieferungsgeschichte 325f.) und zuletzt GRANT (Studies 85f.), während ZETZEL das Ausmaß von Varianten, die auf Autopsie beruhen, sehr gering einschätzt und eher mit Übernahmen aus früheren Kommentaren rechnet (Textual Criticism 158). Oben wurde anläßlich des Donatzitates bei Priscian darauf hingewiesen, daß viele der legitur et-Varianten auf ursprünglich vollständige Noten mit Angabe über Alter und Frequenz einer Lesart zurückgehen. Aus dem originalen Kommentarwerk sind lediglich fünf Scholien erhalten, in denen Angaben über die Herkunft einer Variante gegeben werden. Auf der Basis dieses schmalen Materials gilt es zu prüfen, ob Donat selbst kollationiert hat. 1. An 236.6 FACTVM AVTINCEPTVM in aliis 'factu aut inceptu' fuit. Was diese Angabe von einer legitur ¿í-Note unterscheidet, ist der Gebrauch eines praeteritalen Tempus. Die Variante beruht nicht auf eigener Kollation, sondern ist einer adnotierten kritischen Edition oder wohl eher älteren Kommentaren entnommen66. Da Σ mit dem Lemma übereinstimmt, darf man trotz des Fehlens von A annehmen, daß in Donats Zeit die richtige Lesart factu aut inceptu in den meisten TerenzHss. genauso verloren war wie im Falle von Ph 190, wo bis auf den Riccardianus alle Hss. (und Donats Lemma) ein metrisch falsches proti-

64

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Was selbstverständlich nichts über den Wert der trivialen Verschreibung attutii falls überhaupt von STEPHANUS korrekt hergestellt - aussagt. Eine Ausnahme bildet lediglich ein Scholien zu Hec 670 (s.u. S.30f.). Einige weitere von WESSNER und GRANT dem Donat abgesprochene Scholien sind in der Appendix zu diesem Kapitel behandelt. Dieser Tatbestand wurde von ZETZEL (Textual Criticism 154) verkannt, dessen Zweifel betreffs des Alters der Angaben ("no earlier than Donatus himself") ich nicht teilen kann. Man darf ein in aliis.. .fuit nicht mit einem in veris (s.u. Anm.69) codicibus sie est (Hec 665) auf eine Stufe stellen.

22

Diorthose

nus geben, aber das Scholion noch aus älteren Kommentaren die ursprüngliche Lesart bewahrt hat: 'protinam' fuit et sic Nigidius legit (190.3). 2. An 599.1DICAMEADEMILLI in aliis 'idem' scriptum est. quod si est, pro 'item' aeeipiamus. Donat teilt eine, wie aus scriptum est hervorgeht, zeitgenössische Variante mit (so auch C'P). Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, daß er selbst derjenige war, der hier kollationiert hat. 3. Eun 307.5 QVI VIR SIES 'qui vir sies' in veteribus invenitur. Das Scholion ist korrupt überliefert, gehört aber in den Bereich der Diorthose67. Donat teilt eine Variante aus älteren, noch erhaltenen Exemplaren mit. Da in den anderen Scholien zu Vers 307 und in den Terenz-Hss. jeweils qui vir sies als einzige Lesart ohne Variante erklärt bzw. geboten wird und zudem in der Donat-Überlieferung das zweite qui vir sies allein auf das Zeugnis von Τ (om. CV; om. folium Κ; in der ältesten Hs. Β fehlt die ganze Note) zurückgeht, darf man vermuten, daß die Angabe in veteribus invenitur auf das einzige kritische Problem innerhalb dieses Verses abzielt, die in den antiken Hss. divergierende Folge nunc te (del.A1) Parmeno te ostendes (A) bzw. nunc te Parmeno ostendes (D: P.n.t.o. E). Das Scholion hat demnach vielleicht folgende Gestalt besessen: < NVNC PARMENO TE OSTENDES > QVI VIR SIES in veteribus 68.

invenitur

4. Eun 312.1 SIVE ADEO DIGNA RES EST si persona Parmenonis est, 'sive' abundat. 2. et pro expletiva coniunctione est modo; in quibusdam omnino non legitur. ZETZEL bleibt für seine Beurteilung "it is evident, that the same sources who gave the lines to Parmeno were responsible for the citation of manuscripts to bolster their case" wie auch für seine Folgerung, daß, wenn diese Hss. jemals existiert hätten, Donat 67

68

Die Note wurde von ZETZEL nicht beachtet, aber SMITHS Annahme, daß hier von einem Archaismus die Rede sei (18), verbietet sich: Dieser wird bei Donat stets mit veteres als Subjekt oder apud/secundum veteres oder auch a veteribus, more veterum und usitatum veteribus eingeführt. WESSNER druckt im Lemma des zweiten Scholion OSTENDER1S (wie BENTLEY im Terenz konjiziert hat), hat dafür aber keine Grundlage in der Überlieferung (ostendens C: -es V: Qndrs T: om. B).

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nur höchst unwahrscheinlich Zugang zu ihnen gehabt hätte (Textual Criticism 155), den Beweis schuldig. Donat teilt eine zeitgenössische Variante mit und folgt in der Personenverteilung (und damit der Lesart si) dieser Handschriftentradition: [6.] sed melius legunt, qui hoc totum ad. personam applicant Chaereae bzw. [7.] et melius, quam qui Parmenonem hoc putant loqui 'sive adeo digna res est'. Wenn er im Lemma als Ausgangspunkt das im Kommentar abgelehnte sive bietet, wird man annehmen dürfen, daß die Mehrzahl der Hss. seiner Zeit eben diese Fassung bot. Der Erklärer nimmt also unter Rücksichtnahme auf das (Buch)Publikum die seiner Meinung nach falsche Lesart zwar als Basistext, begründet aber im Kommentar sein gegenteiliges Votum. Er war sich bewußt, daß nicht die Anzahl der Überlieferungsträger die Qualität einer Variante bestimmt. 5. Hec 665 REMISSAM OPVS SIT VOBIS in veris69 codicibus sie est 'remissan...reducían domum', ut sit: 'remissane...reductane'. Aufgrund der Verwendung der (auf eine verfehlte Konjektur zurückgehenden) Junktur vetus codex hat ZETZEL70 Zweifel an der Echtheit des Scholions geäußert. Nun werden auch Schreiber des 9. Jh. s durchaus in ihrem Sprachschatz über das Wort codex verfügt haben, aber ich möchte die Behauptung aufstellen, daß karolingische Schreiber eine varia lectio allenfalls mit einem l(egitur), al. oder v(etustus) eingeführt haben, daß

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WESSNERS veteribus (wie auch SCHOELLS vetustis) ist unnötig. Für das von V gebotene veris (ventis B: om. C) können Parallelen bei dem Donatschiiler Hieronymus namhaft gemacht werden: sciendum est in veris exemplaribus non haberi 'novissimum' sed 'primum' (in Matth.21,31 [CC 77 p.195,1531]; auch dort eine weniger gut bezeugte v.l. veteribus) und in quibusdam codicibus additur 'sine causa'; ceterum in veris definita sententia est (in Matth.5,22 [CC 77 p.27,529]; die gleiche Stelle wird adv.Pelag.2,5 behandelt: licet in plerisque antiauis codicibus 'sine causa' non additum sit [CC 80 p.60,26]). Den Komparativ gebrauchen Hieronymus zu Os 1, lOf. [CC 76 p. 17,398] sed veriora sunt exemplaria, quae habent 'x ' und Augustinus: si tarnen ille codex verior est, qui emendatior videbatur (quaest.hept. 3,53 [CC 33 p.212,1332] ) bzw. cum codices eiusdem interpretationis veriores habeant (retr. 1,7,3 [CC 57 p. 19,32]). Ähnlich scheint mir Schol. Soph. O.C.390 tv τοις άνα-γκαιοτίροις των αντιγράφων yβάφεται im Sinne von "auf eine gute Tradition unmittelbar zurückgehend" verwendet zu sein. Der Sinn von verior erhellt aus Aug.c.Faust.11,2 [CSEL 25,1 p.315,7] non confugias ad exemplaria veriora vel plurium codicum vel antiquorum vel linguae praecedentis. Textual Criticism 154; ähnlich GRANT (Studies 228 Anm.28), der ebd. vorschlägt, ut sit 'remissane...an reducía' zu lesen.

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sie aber niemals, soweit ich sehe71, in einer unserem Scholion entsprechenden Form in veris (veteribus etc.) codicibus sie est 'x' in Verbindung mit einer für Donat so typischen ut sit eingeleiteten Erklärung versehen haben. Donat, der in der Zeit des Übergangs von der Papyrusrolle zum Pergamentcodex lehrte72, wußte noch genau zwischen codex und liber zu unterscheiden: Hier ist die Rede von zeitgenössischen Hss., deren Text aus auf gute Tradition zurückgehenden, beglaubigten Exemplaren kopiert ist. In den Erklärungen zu Verg.georg.1,12 indes, in denen von Exemplaren aus der Zeit des Dichters die Rede ist, spricht Serv.auct. (d.h. Donat) von antiquissimi libri (vgl. auch Aen.2,37 antiqua tarnen exemplaria '-ve' habere inveniuntur), jedoch nicht von codices, obgleich andere schon nicht mehr streng scheiden: So behandelt Hilarius in seinem Psalmenkommentar codex und liber als Synonyme: in latinis codicibus ita legimus...in graecis vero libris, qui ex hebraeo proximi sunt, non eadem significantia scribitur (65,3 [CSEL 22,250,5]). In der Mitte des 6. Jh. benutzt Priscian dann mit gutem Grund stets nur noch den Terminus codex, sei es mit dem Hinweis in antiquissimis codicibus invenitur (II 592,22 bzw. II 345,1 sic enim veteres codices habent), sei es, daß er es bei zeitgenössischen Hss. bei einem in quibusdam/aliis codicibus beläßt (II 72,11; 256,20; 350,15; 394,13; 527,24). Wenn der gleiche Priscian in III 320,13 äußert, daß in An 536 gemäß dem Kommentar des Donat antiqui codices die Lesart pauca böten, so dürfte er nicht wörtlich zitieren, sondern ein in seiner Vorlage vorgefundenes libri seinem Sprachgebrauch anverwandelt haben. Die weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhaltenen Scholien zeigen, daß Donat bemüht war, Varianten hinsichtlich ihrer Herkunft einzuordnen: Er unterscheidet zwischen gut beglaubigten Lesarten und der zeitgenössischen Vulgata und läßt erkennen, ob er eine Variante der

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Keines der von W.M.LINDSAY (Collectanea varia, in: Palaeographia Latina II [Oxford 1923] 5-55, hier 11) bzw. W.HERAEUS (Lieber einige Variantenzeichen, ebd. IV [1925] 5-14) aufgeführten Beispiele ist vergleichbar. Für die materiellen Grundlagen der Schreibkultur des 4. Jh.s bleibt das Standardwerk C.A.ROBERTS, The Codex, Proc.Brit.Acad.40 (1954) 169-204 [überarbeiteter Ndr. unter Mitwirkung von T.C. SKEAT: The Birth of the codex, Oxford 1983]; vgl. zuletzt: Les Débuts du codex, ed. par A. BLANCHARD (Bibliologia 9), Turnhout 1989.

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eigenen Kollation oder allein Kommentatoren verdankt73. In den beiden Fällen, wo er ausdrücklich nur von einer bei seinen Vorgängern vorgefundene Lesart spricht (An 236.6 in aliis 'factu aut inceptu' fiiit; Ph 190.3 'protinam' fuit) werden seine Angaben durch den negativen Befund der erhaltenen Terenz-Hss. bestätigt. Es besteht kein Grund, seine - leider nur zu häufig verstümmelten - Angaben zu bezweifeln74. Donats Bestreben war es nicht, einen authentischen Terenztext herzustellen. Erkennbar ist aber sein Bemühen, möglichst viele verschiedene Exemplare zu vergleichen, die abweichenden Lesarten mitzuteilen und auch zu kommentieren. Vertraut war die textkritische Methode seinen bekanntesten Nachfolgern, Servius und seinem Schüler Hieronymus. Während Donat und Servius75 als Kommentatoren auf eine theoretische Begründung ihrer Prinzipien verzichten konnten, hat Hieronymus, der eine gültige Fassung des lateinischen Bibeltextes zu erstellen hatte, seine methodischen Prinzipien dargelegt, am klarsten wohl in der Einleitung seiner Evangelienübersetzung: igitur haec praesens praefatiuncula pollicetur quattuor tantum evangelia.. .codicum graecorum emendata conlatione, sed vete rum76.

Überhaupt war in der lateinischen Spätantike das Prinzip des Rückgriffs auf möglichst authentische Exemplare nicht nur den Editoren geläufig: Augustinus bekundet ebenso seine Vertrautheit mit ihm (c.Faust. 11,2 [CSEL 25,1 p.316,2] vel si ibi quoque codices variarent, plurespaucio-

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Auch eine Konjektur wird deutlich als solche gekennzeichnet: Ad 618.2 VBI VIDI sunt qui addarti supervacue 'hone' et leeant 'hanc ubi vidi'. Die von WESSNER (Aemilius Asper 28) als Konjektur eingestuften Angaben in An 592.1 legitur et 'audiam'. Menander enim sic ait 'τί νοτ' άκοΰσομαι;' und Hec 58.5 sind mit JOCELYN 472 Anm.206 eher als tatsächlich vorgefundene Lesarten aufzufassen. Man darf die Vermutung aussprechen, daß auch in einem großen Teil der legitur ^/-Scholien ursprünglich die Herkunft der Lesart angegeben war; denn Angaben aus den SD-Scholien wie z.B. ecl.7,64 in Hebri. 7,65 in Varí et in Hebri. Aen.2,37 antiqua tarnen exemplaria 've' habere inveniuntur und 9,367 in omnibus bonis...dicitur inventum legen dies nahe. (Die hier zusammengestellten Partien verdanke ich den umfangreichen Sammlungen bei JOCELYN 470 Anm.190.) Auch Servius hat sein Wissen um die Grundlagen eines Textes noch weitergegeben: Die subscriptio der 5. Satire des Juvenal im Laurentianus 34.42 lautet Legi ego Niceus apud M. Serbium Romae et emendavi und wird ergänzt durch eine Randnote zur 7. Satire im Leidensis 82 Legi ego Niceus Romae apud Servium magistrum et emendavi (vgl. zuletzt ZETZEL, Textual Criticism 223). Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem ree. R.WEBER, Stuttgart 3 1983,1515,28; weitere diesbezügliche Äußerungen hat K.K.HULLEY, Principles of Textual Criticism Known to St. Jerome, HSPh 55 (1944) 87-109 zusammengestellt und gesichtet.

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ribus aut vetustiores recentioribus praeferrentur) wie Cassiodor (inst. 1 praef.8 ...quos ego cunctos novem codices auctoritatis divinae...sub collatione priscorum codicum amicis ante me legentibus sedula lectione transivi)11. Nachdem wir uns vergewissert haben, auf welcher handschriftlichen Grundlage Donats Diorthose beruht, ist der Weg frei, seine textkritische Methode zu analysieren. Dies soll anhand der Unterscheidung von Divergenzen im Vers- und Wortbestand dargetan werden.

A. Divergenzen im Versbestand Zu dem doppelten Schluß der Andria, der auffalligsten Doppelfassung im Corpus78, wird in einem Scholion, das in der Überlieferung Vers 978 TV DAVE ABI DOMVM zugeordnet ist, ausgeführt: [1.] hi versus usque ad illum 'gnatam tibi meam Philumenam negantur Terentii esse adeo, ut in plurimis exemplaribus bonis non tur {ferantur TC).

uxorem' inferan-

Daß das Scholion nicht zu dem überlieferten Lemma paßt, ist seit dem letzten Jahrhundert unbestritten, den richtigen Platz zwischen den Noten zu 976 und 977 hat ihm erst O. SKUTSCH zugewiesen79. Die Scholien sind in der Folge 976.978.977 überliefert, so daß man nur das Lemma zu 978 tilgen muß, um der hier verhandelten Notiz ihren gebührenden Platz zu geben (die Ersatzfassung für den ursprünglichen Schluß setzt nach 976 ein). Auffallend, nicht nur im Rahmen der antiken Terenzkommentierung, ist der Satz (negantur Terentii esse) adeo, ut in plurimis exemplaribus bonis non inferantur: Der doppelte Schluß bot einen so starken Anstoß, daß er nicht einmal mehr unter den bona exemplaria Aufnahme fand, also nicht - wie sonst üblich - nur mit einem Obelos gekennzeichnet wurde. Hier scheint das Verdikt des Terenzherausgebers, auf dessen Edition unsere Überlieferung zurückgeht, stärker gewirkt zu haben als im Falle des plautinischen Poenulus, wo die Hss. die verschiedenen Schlüsse nach- und ineinander bieten. Die Formulierung setzt voraus,

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Vgl. D.E. MARTIN, Studies in the Editing of Latin Classical Authors in the Late Roman Empire, Diss.Univ.of Cinncinati 1975,90ff. Vgl. zuletzt ZWIERLELN, Zur Kritik und Exegese des Plautus I 49f. RhM 100 (1957) 53f.

Divergenzen im Textbestand

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daß der intendierte Leser des Kommentars einen Text vor sich hatte, der die beanstandeten Verse80 enthielt und folglich nicht zu den bona exemplaria zu rechnen war. Donat gibt neutral die Ansicht früherer Kommentatoren wieder, schließt sich aber ausdrücklich der communis opinio an, denn er kommentiert nicht nur nicht die Ersatzfassung, sondern rühmt ausdrücklich die Absicht des Dichters, kunstvoll die eine Verlobung auf der Bühne stattfinden zu lassen, die zweite aber hinter die Bühne zu verlegen ne vel iusto longior fieret vel in eandem propter rerum similitudinem cogerentur (zu 977). In dem Interpretament Ad 706 bemerkt Donat nur hic versus in quibusdam non invenitur und kommentiert den Vers nicht81. Ob diese einfache Form der bloßen Feststellung einem kürzenden Rezensenten zur Last zu legen ist oder Donat selbst, läßt sich nicht entscheiden. Die sprachliche Form kann, wie die unten erörterten Partien Ad 511.1 und 601.2 bezeugen, auf Donat selbst zurückgeführt werden. Ähnliches findet sich in den SD-Scholien zu Aen.3,153 hic versus in multis non invenitur, wo, wie in Ad 706, dieser Satz die einzige Bemerkung zum Vers darstellt. Schwieriger sind die beiden anderen Fälle, Ad 511.1 und 601.2, zu beurteilen. Zu Ad 511-16 bemerkt der Kommentator hi sex versus in quibusdam non feruntur ( 5 1 1 . 1 ) . Die Ursache für WESSNERS Athetese dieses Satzes war wohl weniger seine sprachliche Form als vielmehr seine Position innerhalb des Scholions. Die Note ist zwischen dem Lemma zu 511 und der üblicherweise den Auftakt bildenden szenischen 82

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Es genügt für einen antiken Kommentator, die Einleitung des Schlußsatzes gnatam tibi meam Philumenam uxorem zu zitieren, z.B. Schol.A zu Ω 6-9a Πατρόκλου πούάύν] ϊως < r o D > 'των μιμνησκόμενος' άάίτοΰνται στίχοι τέσσαρες κτλ., wo der Anfang des letzten der getilgten Verse aufgeführt wird (vgl. zuletzt H.VAN THIEL, Die Lemmata der Iliasscholien. Zur Systematik und Geschichte, ZPE 79 [1989] 9-26, hier 11). Der Vers ist, wie ZWIERLEIN, Zur Kritik und Exegese des Plautus I 54 ausführt, in einem antiken Überlieferungszweig lediglich durch einen Augensprung (MAGIS / SATIS) ausgefallen; an eine Athetese eines grammaticus, die ihre Wirkung in den Hss. zeigte, wie ZETZEL, Textual Criticism 157 annimmt, braucht nicht gedacht zu werden. Daß hier auch starke innere Kriterien für die Unechtheit dieser Szene sprechen, hat ZWIERLEIN ebd. 50fF. nachgewiesen. Die Angabe bezeugt uns somit die Kenntnis von Handschriften, in denen die reine Terenztradition, die diese Verse nicht enthielt, bewahrt war.

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Einführung in hac scaena etc. überliefert. Dennoch besteht kein Grund, die Note nicht auf Donat zurückzuführen: Die jetzige Gestalt des Kommentars geht auf die Zusammenführung zweier (unabhängig auf Donat zurückgehender) Fassungen zurück, und der Rezensent hat hier lediglich die Scholien in falscher Anordnung zusammengefügt. Wichtiger für uns ist freilich der Befund, daß trotz der Angabe über die Divergenz in den Hss. die Verse unterschiedslos kommentiert werden. Dies entspricht der antiken Praxis, und das dahinter stehende einfache exegetische Prinzip nennt Donats Schüler Hieronymus: in quibusdam latinis codicibus additum est 'neque filius ' cum in graecis et maxime Adamantii et Pieni exemplaribus hoc non habeatur adscriptum: sed quia in non nullis legitur. disserendum videtur (in Matth.24,36 [CC 77 p.231,591])83.

Die gleiche Praxis wird uns bei Varianten in der Überlieferung begegnen. Erhebliche Probleme werfen schließlich die Scholien zu Ad 601 auf: SI ITA AEQWM C. a iusto et utili est tota sententia. 2. Et sane hi versus desunt, quos multa exemplaria non habent 'nam et illi animum iam relevabis ' et deinceps.

Die Bemerkung gilt wohl den Versen 602-0484 und ist wie diejenige über den unechten Schluß der Andria als Abschluß innerhalb der Kommentierung des letzten vorausgehenden, unbeanstandeten Verses piaziert. Daß hier Donat selbst spricht, legt die enge sprachliche Parallele zu Serv.auct.Aen.6,289 nahe, wo nach Lemma und Erklärung ein Hinweis über einen divergierenden Versbestand folgt, der wie im Terenzkommentar mit sane eingeleitet wird: sane quidam dicunt versus alios hos a poeta hoc loco relictos, qui ab eius emendatoribus sublati sint (es folgen dann Aen.6,289a-d)85.

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Erinnert sei auch an das fehlende Interesse des Didymus, die von seinen Vorgängern mit gewichtigen Argumenten bezweifelte Echtheit der elften Rede des Demosthenes zu diskutieren (col.ll.7ff.; vgl. zuletzt S. WEST, Chalcenteric Negligence, CQ N.S. 20 [1970] 288-296, hier 295f.). Vgl. ZWIERLEIN ebd. 53f.- Aufgrund der Einheit der Verse 602-09 wollte WESSNER deinceps auf den ganzen Abschluß der Szene bezogen wissen (BPhW 23 [1903] 222). Donats Scholion geht, wie WESSNER hervorhebt, auf frühere Rezensententätigkeit am Terenztext zurück, wo die Verse zu Unrecht aus inneren Gründen angezweifelt wurden. Vergleichbar in der Abfolge ist auch das Scholion Serv.auct.Aen.2,775 TVM SIC AD FARI infinitus modus pro indicativo, et hic versus in plerisque dicitur non fuisse.

Divergenzen im Textbestand

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Ähnlich Ad 511-16 wird in 601.2 die Divergenz erwähnt, nichtsdestoweniger werden die Verse aber mit ausdrücklichem Lob (artificiose 603) interpretiert. WESSNERS Ergänzung de < esse pos > sunt wird man nicht gutheißen können, denn sie widerspricht nicht nur dem Sprachgebrauch Donats, sondern dem aller lateinischer Grammatiker86, die in solchen Fällen den t.t. superfluum, abundat o.ä. verwenden. Vor allem aber stünde sie inhaltlich in eklatantem Gegensatz zum oben zitierten Lob der Verse 603f. Fassen wir zusammen: Erhalten sind lediglich vier Scholien, die über einen divergierenden Versbestand Auskunft geben: In der Note zum alter exitus der Andria ist ausdrücklich von philologischer Diskussion die Rede desunt. Ähnlich allgemeine Angaben begegnen auch in den griechischen Scholiencorpora: Eur.Or.957 tv ίνίοις δί où φέρονται οι τράς στίχοι ούτοι (Teil der Note zu 957), 1394 ούτος ö στίχος tv πολλοίς άντι-γράφοις ού -γράφεται (nicht kommentiert), Phoen.1075 tv τοις πολλοίς άνη-γράφοις où ¡péptrai ò στίχος (nicht komm.), 1225 ούτος 6t où φέρεται tv τοις πολλοίς άντι-γράφοις (wird aber vorher kommentiert; vgl. ZUNTZ, Inquiry 252 Anm.); Schol.Aristoph.Ran. 1283 èv τισι où κάται (weitere Belege bei RUTHERFORD 64 Anm.5). Textual Criticism 156. RIBBECK wußte in seinen Prolegomena (P. 189) noch den Unterschied zu würdigen zwischen Noten wie Serv.auct. Aen.2,775 hic versus in plerisque dicitur non fuisse und Aen.3,153 hic versus in multis non invenitur. ZETZEL kann für seine Interpretation "In fact, the phrasing of the first has merely been omitted in the transmission of the second note" (Textual Criticism 97) nicht einmal den Anschein eines Arguments beibringen. Zur richtigen Interpretation von Ausdrücken wie antiqua lectio habuit vgl. jetzt auch H.D.JOCELYN, Some notes on Virgil, Probus, Servius

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me des alter exitus der Andria nur Noten zu den Adelphen existierten und Donat seine Angaben einem Spezialkommentar zu diesem Stück verdanke, darf entgegengehalten werden, daß wir immerhin das Andria-Scholion besitzen und daß auch in Hinblick auf das übrige diorthotische Material keine einheitliche Frequenz festzustellen ist. Zu der Andria sind bei gleicher allgemeiner Scholienmenge doppelt so viele Noten erhalten wie zum Eunuchus. Der Eunuchus-Kommentar wiederum besitzt bei weit überlegenem Umfang nur so viele textkritische Scholien wie der zu den Adelphen und zum Phormio. Fortunas Walten ist Ursache der uneinheitlichen Zahlen.

B.

Varianten

1. Scholien ohne Entscheidung Oben wurde anläßlich des legitur ef-Scholions An 536.1 angemerkt, daß in diesem Falle die Formel einem späteren Redaktor des Kommentars zuzurechnen sei. Daß sich aber auch Donat selbst dieses Ausdrukkes bedient hat, zeigen Interpretamente wie An 40.6 HAVT M(VTO) F(ACTVM) legitur et 'multo', hoc est damno, reprehendo, quod si est, sic intellegeretur, non 'nollem factum': nemo enim potest factum infectum reddere,

wo danach die Variante verworfen wird, An 167.1 QVI MIHI EXORANDVS legitur et 'expurgandus'. si 'expurgandus', CVI lege, non QVI, quia et CVI per Q veteres scripserunt

oder An 344.2 HABEO inveni. legitur et 'abeo', ut merito illi dicatur 'resiste'.

Von den ca. 40 ausführlicheren legitur ¿i-Noten lassen immerhin acht ein Urteil erkennen. Aus der größeren Anzahl der keine Entscheidung bietenden Erklärungen auf eine prinzipielle Zurückhaltung oder gar Unentschlossenheit Donats zu schließen, verbietet sich: In Hec 670 erhalten wir einen weiteren Beleg dafür, daß derjenige Teil der textkritischen Erörterung, der die Wahl des Kommentators beinhaltete, besonders gefährdet war, von späterer Hand unterdrückt zu werden: and Servius Danielinus, Sileno 15 (1989) 5-25, hier 15f. - Dieser Unterschied ist auch in den griechischen Scholiencorpora bewahrt: A ad Β 53 tv Si τάίς κοινούς tytyραπτο; Χ 452 ovSi ούτοι ίφίροντο tv τοις πΧίίστοις (vgl. LUDWICH I 46);

Schol. Aristoph.Ran. 1294 Ύιμαχίδας φησί τοντο tv ίνίοις μη ypáiptadaι.

Varianten

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2. QVEM IPSE NEGLEXIT si 'ipsa' legeris, clare dictum est, si 'ipse' pater, lentius dictum est. et videbitur senex ob murmurationem eius intellexisse [non] quod nolit puerum tolti, et ideo appositum 'quid dixti?'. 3. QVEM IPSE NEGLEXIT legitur et 'ipsa', et hoc est melius, ut sit 'pater' vocativus casus. 4. QVEM IPSE NEGLEXIT PATER EGO ALAM hic sibi obmurmurans vultu et verbis ostendit nolle suscipere filium. Es ist ersichtlich, daß der Rezensent diese Reihe aus zwei Vorlagen zusammengefügt hat. Während der zweite Teil von Nr.2 und Nr.4 einander entsprechen, schließen sich die beiden textkritischen Scholien gegenseitig aus. Der Verfasser der et videbitur ienex-Erklärung hat sich für ipse und damit für das Aparte entschieden. Von ihm stammt auch das sich anschließende Scholion 671 quam faciendum sit, contrario vult senex pronuntiatione demonstrare, quod scelus sit non fecisse. Da also alle drei Hypokrisis-Interpretationen zu 670f. auf einen Verfasser zurückgehen, der ipse gelesen hat, muß 670.3 mit der gegenteiligen Entscheidung von einem anderen Erklärer verfaßt sein. Weil man sich als Verfasser der Hypokrisis-Scholien nur Donat vorstellen kann, muß man ihm 670.3 absprechen (was ihn im übrigen entlastet, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben90). Aber auch das erste textkritische Scholion kann zumindest nicht in der überlieferten Form von Donat herrühren. Wenn wir nicht mit einem dritten, keine Entscheidung treffenden Kommentator rechnen wollen, ist die Annahme unumgänglich, daß ein Satz ausgefallen oder vielmehr weggeschnitten ist, in dem die Entscheidung für ipse zum Ausdruck kommt und der dann folgerichtig zu et videbitur überleitet. In anderen Noten, in denen beide Lesarten oder nur die Variante erklärt werden, lassen sich - zumindest in der überlieferten Form - keine Präferenzen erkennen. Das gilt für: An 167.1 EXORANDVS legitur et 'expurgandus'. si 'expurgandus' etc. 344.2 HABEO inveni. legitur et 'abeo', ut merito illi dicatur 'resiste'. 489.4 ABS TE ESSE NATVM et 'ortum' legitur, ut sit: instructum, commentum et compositum. 599.1 DICAM EADEM ILLI in aliis 'idem' scriptum est; quod si est, pro 'item' accipiamus. Eun 163.4 NVM VBI numquid alicubi. [5.] aut si 'nuncubi' legimus, erit temporis adverbium, ut 'sicubi ' quo in loco, qua in re.

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Die von SEWART, CPh 68 (1973) 215-217 gegen ipse angeführten Bedenken überzeugen nicht.

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Ad 607.2 NEGLEGI legitur et 'cloudier' id est claudicare. 631.2 (nunc) legitur et 'iam', quod est correptivum interdum. Hec 246.2 (ex hoc) legitur et 'hinc' locale adverbium. 406.1 (fortuna...bona) hie 'fortunam' pro bona posuit. [2.] ... legitur et 'data', , nam et sic pro 'bona' intellegitur necessario91. 408.1 IDEM NVNC HVIC legitur 'idem' et 'eidem'; , ego, si 'eidem ', hoc est amori.

Die Gruppe dieser keine Entscheidung bietenden Scholien ist so umfangreich, daß wir nicht damit rechnen können, daß in allen Fällen die Schere des Rezensenten ein wertendes Urteil weggeschnitten hat. Dafür spricht auch, daß sich in Donats Vergilkommentar und in den Werken seiner Schüler und Nachfolger ähnliche nicht wertende Erörterungen finden: Serv.auct.Aen. 1,552 APTARE TRABES aptas eligere. legitur et 'optare', sed utrumque 'eligere' significai92.

Auch der aus der gleichen Schule stammende Ps.-Asconius begnügt sich mit dem Hinweis auf eine Variante: (exspectant) et 'extimescunt' legitur, nam utroque verbo idem significatur (ad Cic.Verr.II 1,90 [p.244,16 S T A N G L ] ) 9 3 .

Als Beispiel aus dem Kommentar des Servius sei die Note zu ecl.7,19 angeführt: ALTERNOS MVSAE MEMINISSE VOLEBANT si 'volebant', sensus est, musae utriusque meminerant...sed multi 'volebam' legunt, ut sit: optabam, o musae, meminisse alternos etc.

Betrachtet man die diorthotischen Erörterungen des Hieronymus, dessen Werk uns in seiner ursprünglichen Form erhalten ist, zeigt sich häufig die gleiche Indifferenz. So in epist. 119,5, wo nach Besprechung von Cor 15,52 kv ροπή όφάάΚμοΰ die Variante èv pnrij erläutert wird: verum quia in plerisque codicibus pro ροπή, id est ictu vel motu, ριπή legitur, hoc sentire debemus, quod, quomodo levis pluma vel stipula aut tenue vel siccum folium vento flatuque raptatur et de terra ad sublime transfertur, sic ad oculum vel ad motum Dei etc. (CSEL 55 p.450,20).

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Ohne die Ergänzung vermag ich das begründende nam nicht zu verstehen. Auch in Aen.2,37 wird ausführlich ein -que erklärt, bevor eine Variante diskutiert wird: antiqua tarnen exemplaria 've' habere inveniuntur; 've' enimproprium significatum habet, ut interdum pro 'vel' aeeipiatur. Vgl. ZETZEL, Textual Criticism 175f.

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Im Kommentar zu 0s.9,10 (CC 76 p.98,234ff.) erklärt er, zwei Übersetzungsvarianten vorgefunden zu haben, und mag ihm auch eine dem hebräischen Urtext entsprechender erscheinen (quod magis congruit veritati), so widmet er dennoch auch der anderen einige Zeilen (si autem voluerimus legere 'x', quod tarnen in Hebraico non habetur, dicemus etc.). Ob in den soeben aufgeführten Terenz-Scholien tatsächlich eine Entscheidung weggeschnitten wurde, oder ob der Interpret nicht an der Erörterung des Überlieferungsproblems interessiert war, muß unsicher bleiben. Überliefert ist auch eine Reihe von Interpretamenten, in denen der Exeget evident die Divergenz lediglich zum Anlaß von semasiologischen, syntaktischen oder rhetorischen Bemerkungen nimmt. In diese Gruppe gehören Scholien wie: An 572.4 legitur et 'animum induxisti' et 'animum induxti', sed illud plenum est, hoc per metaplasmum σνγκοπψ diminuitur Eun 265.2 QVID FACIAT legitur 'quid facit', ut sit figura per modos pro 'quid faciat' 310.3 (patris penum omnem) et 'hoc penus' et 'hic penus' et 'haec penus' veteres dixerunt. [4.] ergo et 'omne' et 'omnem' legitur 493 (postea) legitur et 'poste' (scripsi: post ω)94 ut sit αποκοπή pro 'postea', quomodo 'post'pro 'postremo' 1022.2 et 'edent' et 'edet' legitur. si 'edent'figuratum est; si 'edet' rectum Hec 94.3 (illic) legitur et 'illi', ut sit circumfiexus accentus et significai 'illic' ut (Verg.Aen.2,548) 'Uli mea tristia facta' Ph 469 PATERETVR MALI legitur et 'potiretur', quia 'potiri' των μέσων fuit (was mit dem plautinischen hostium potitus est illustriert wird). Wohl am stärksten ausgeprägt finden wir diesen Zug in An 8.7 ANIMADVERTITE legitur et 'attendite'. unde manifestum est et 'attendite' et 'advertite' non esse plenum, nisi addideris 'animum'. Hier mahnt der grammaticus seine Schüler; das eigentliche diorthotische Problem ist nur noch Ausgangspunkt der sprachlichen Unterweisung. Man wird Donat schwerlich gerecht, wenn man an diorthotische Noten wie die soeben vorgestellten - vorausgesetzt überhaupt, daß sie uns in einer den Originalkommentar repräsentierenden Fassung erhalten sind die Meßlatte der LACHMANN'sehen Methode anlegt. Man wird vielmehr gut daran tun, den spätantiken Grammatiker an den Maßstäben seiner Zeit zu messen. Die Art der vorsichtigen und bei schwierigen Proble-

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Die Verbesserung ist ausführlich in der Appendix zu diesem Kapitel begründet.

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men einer Entscheidung ausweichenden Kommentierung findet sich allenthalben in der nachalexandrinischen Philologie. Selbst Aristarch schwankte häufig zwischen zwei Lesarten (προς την άμφιβολίαν; das δίχως der Exzerptoren95) und kam zu einer Rechtfertigung beider Lesarten, wie Schol. A zu Ν 359 bekundet96; gelegentlich revidierte er eine früher geäußerte Entscheidung. In der kaiserzeitlichen Philologie ist bei Didymus oder Symmachus dieses non liquet dann ungleich stärker ausgeprägt. Daß hier die römische Philologie ein Spiegelbild ihrer griechischen Ziehschwester ist, läßt sich unschwer aufzeigen. Den sive - sive Erklärungen des Terenz-Kommentars lassen sich gleichlautende Scholien der Aristophanes-Philologie an die Seite stellen: Pax 633 'eàv μ e e η 'ούκ ëXâvâavev', σίμνολο^ά λβληύότως αυτούς... èàv δέ 'ούκ ίμάνϋανβν', φησίν ότι κτλ.', 219 èàv 'πόλιν' yράφηται, \eyei ότι..., 'eàv ôe yράφηται 'üiiXoe' κτλ.97.

Auch für die mit einem legitur (et) eingeleiteten Notierungen könnte man zahlreiche Parallelen nennen, sei es daß nur die Variante allein genannt wird (Eq.4 ev βνίοις ôè άντι-γράφοις

'άσίφρησέ

ypá 'hoc dicas ' legunt

vera lectio 'neque haud dicas ': est enim quintum παρίλκον Plautus - arbitrer. Sallustius - occiditur

läßt sich leicht eine Fassung wiedergewinnen, die der des originalen Kommentars nahekommen dürfte: (Lemma) duae negativae - ut hic 'neque haud non', vera ergo lectio est 'neque tu haud dicas ', quod plurimi non intellegunt < qui > 'hoc dicas ' legunt. est enim quintum ταρίΚκον. Plautus in Bacchidibus 'neque haud subditiva gloria oppidum arbitrer'. Sallustius 'haud impigre neque inultus occiditur'.

Donats diorthotische Kriterien sind zum einen die uns in An 403 begegnete Regel über die doppelte bzw. dreifache Negation (siehe unten zu An 403) und zum anderen das stilistische Argument des -παρίΚκον, das hier in Verbindung mit einem Plautus- und Sallustzitat angeführt wird. Das παρίΚκον gilt als typische Figur der veteres und damit als Kriterium einer vera lectio: Die Einführung des Sallustzitates legt die Annahme nahe, daß Donats Argumentation hier vornehmlich aus dem Kommentar des Aemilius Asper geschöpft ist, der, wie WESSNER wahrscheinlich gemacht hat, als Verfasser eines berühmten Sallust-Kom-

103

106

Plurimi non intellegunt läßt sich stützen durch Eun 86 non imperite intellegunt, qui etc., in Verbindung mit ergo begegnet der Ausdruck auch in Ad 679 bene ergo intellegunt, qui etc. Vgl. S.120ff.

38

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mentars den hat107.

Historiker in die Terenzkommentierung eingebracht

4 . An 4 0 3 : WESSNER (Appendix S . 5 1 1 ) hat darauf aufmerksam gemacht, daß aus Serv.georg.1,96 ein ausgefallenes (oder eher weggeschnittenes) textkritisches Scholion zu diesem Vers rekonstruiert werden kann:

NEQVE NEQVIQVAM id est non sine causa: nam semper duae negativae unam confirmativam faciunt. unde male quidam locum ilium legunt in Terentio 'pater adest, cave ne te tristem sentiat' - si enim hoc est, dicit, vide ut te tristem esse sentiat: quod procedere minime potest - sed ita legendum est 'cave te tristem esse sentiat'101. nam et 'ne' et 'cave' prohibentis est.

Diese Servius-Note ist von ZETZEL (Hermes 102,1974,372-376)ausführlich behandelt und im Sinne eines gegen Donat gerichteten Einwurfes interpretiert worden. M.E. aber tadelt nicht Servius Donat, sondern dieser seine Vorgänger. Die Polemik kann nicht Donat gelten, da er selbst als Verfechter der von Servius angeführten grammatischen Regel zu gelten hat, wie An 205 erweist: duae negativae unam consentivam faciunt, eine diorthotische Note, in der ebenfalls gewisse Vorgänger getadelt werden: quod plurimi non intellegunt, < qui > 'χ ' legunt. Die Formulierung der Regel und der Vorwurf ihrer Unkenntnis gehen also auch im Servius-Scholion auf Donat zurück109. Die Wahl wird auf der Basis einer grammatischen Norm getroffen, was man heute als "rigid" und borniert bezeichnen mag, für den antiken Grammatiker indes war die Regel ein bestimmendes diorthotisches Kriterium. Donats Entscheidung ist korrekt, und ZETZELS Hinweis auf die lediglich von Non. 409,19 gebotene angebliche lectio difficilior cave ne te tristem sentiat geht am Beweisziel vorbei: Aus der Tatsache, daß Terenz cave meist ohne ne mit dem bloßen Konjunktiv konstruiert, läßt sich nicht folgern, daß die Konstruktion mit ne eine lectio difficilior darstellt. Nicht die Latinität des Terenz, sondern die des Schreibers 107 108

109

Vgl. WESSNER, Aemilius Asper 23FF. Ähnlich 'cave te esse tristem sentiat' die zur Verfügung stehenden Terenz-Hss. (der Bembinus setzt erst mit An 787 ein). Wenn im übrigen Servius seinen Vorgänger tadelt, nennt er ihn gelegentlich mit Namen (Aen.2,798; 3,535. 636 [ZETZEL hat die entsprechenden Stellen in dem genannten Aufsatz 375 Anm.19 zusammengetragen]), Donat hingegen pflegt seine Vorgänger im Tadel nicht namentlich zu nennen.

Varianten

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bestimmt das Kriterium. Gegen cave ne spricht, wie auch ZETZEL einräumt, daß sentire mit doppeltem Akkusativ bei Terenz und allen anderen Komikern ausnahmslos mit esse konstruiert wird110, so auch bei der einzigen Parallele für cave + konjunktivischem sentire, Haut 1032 mores cave in te esse istos sentiam. 5. An 536.4 AVSCVLTA PAVCIS et 'paucis'et 'pauca' legitur. Während wir anläßlich von An 40.3 bzw. 6 die Verkürzung eines diorthotischen Scholions in einer der beiden Rezensionen des Kommentars beobachten konnten, ist uns hier allein die legitur ei-Variante erhalten. Priscian kannte, wie oben ausgeführt, noch die ausführliche Fassung (GL III 320,7): nostri 'audio' quidem accusativo adiungunt, 'ausculto' vero tarn dativo quam accusativo. Terentius in Andria (209) 'Pamphilumne adiutem an auscultem seni', idem in eadem 'ausculta pauca: et quid ego te velim et tu quod quaeris scies ': sic enim habent antiqui codices teste Donato commentatore eius

bzw. (281,7) 'ausculta tibi' et 'te'...Terentius in Andria 'Pamphilumne adiutem an auscultem seni', in eadem: 'ausculta pauca: et quid ego te velim et tu quod quaeris scies '; nec enim aliter stat iambus, qui est quaternarius. quod etiam Donati commentum approbat.

Donat hatte also nicht nur eine Variante unbestimmter Herkunft notiert, sondern das Alter des Überlieferungsträgers vermerkt. Eine Altersangabe ist ansonsten nur noch zu Eun 307.5 'qui vir sies' in veteribus invenitur erhalten. Alter und Anzahl der Hss. waren im Altertum stets ein diorthotisches Kriterium111. Ein Erklärer wie Donat aber hatte keine Veranlassung, umfangreiche handschriftliche Studien zu betreiben, so daß man das Fehlen ähnlicher Hinweise nicht nur der Unbill der Überlieferung anrechnen kann: In den SD-Scholien ist uns, wenn man von der Gruppe der Autorenexemplare (ipsius manu) absieht, nur eine

Die vorgebrachte Analogie der Konstruktion von pulo in Haut 77 ist sprachlich keineswegs zu vergleichen. '" Vgl. Cic.orat.160 'Burrum' semper Ennius, numquam 'Pyrrhum':...ipsius antiqui declarant libri. Die umfangreichste Sammlung derartiger Zeugnisse bietet immer n o c h L E H R S 344FF.

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Anmerkung zu Aen.2,37 erhalten: antiqua tarnen exemplaria 'x' habere , , 11') invemuntur . Hieronymus war als Herausgeber vor andere Aufgaben gestellt, und er erweist sich als gelehriger Schüler, der den Wert einer Handschrift zu beurteilen weiß: in Tit.3,9 (PL 26,630 C-D) unde et nobis curae fuit omnes veteris legis libros, quos vir doctus Adamantius in Hexapla digesserat, de Caesariensi bibliotheca descriptos, ex ipsis authenticis emendare

bzw. in Gal.5,7 (PL 26,428 D) quod...in

vetustis codicibus non haberi in suo loco

adnotavimus.

Neben dem handschriftlichen Argument hat Donat das metrische Kriterium angewandt, so daß ZETZELS Behauptung, Donat diskutiere nicht "metrical variations" vom Typ aliter versus non stat (Textual Criticism 159), unzutreffend ist113. 6. Eun 380.2 NE NIMIVM CALIDVM (CALLIDVM codd.) periculosum 3. Sed melius 'callidum' legitur. Wohl um Donat vom odium einer metrisch falschen Entscheidung zu befreien, haben KARSTEN und MOUNTFORD114 das Scholion Nr.3 einem späteren Bearbeiter zugewiesen. Weil ZETZEL, der ansonsten keine Gelegenheit ausläßt, Donat fehlende Kompetenz in metricis vorzuwerfen, seinerseits den metrischen Schnitzer übersehen hat115, wird man geneigt sein, dem antiken Grammatiker den lapsus nachzusehen, zumal auch die großen Alexandriner bisweilen eines solchen Fehlers geziehen werden: Es kann aber m.E. nicht die Möglichkeit ausgeschlossen werden, daß hier ein bloßer Überlieferungsfehler vorliegt. Denn vergleicht man die mit einem sed eingeleiteten diorthotischen Scholien An 1.7 APPVLIT in secunda lectione 'attulit' fuit, sed 'appulit' magis\ An 40.6-8 {muto) legitur et 'multo'...sed proverbialiter dixit...ergo 'haud muto factum'·, Ph 247 (ante eo) legitur 'ante eam', sedpronuntiativum pro coniunctivo,

112

113

114 115

Die Angaben über die antiqui codices bei Servius selbst werden natürlich auch auf den Kommentar des Donat zurückgehen (Aen.5,871; 7,568; vgl. auch oben S.24.29 mit Anm.89). Über die ebd. vorgetragene Behauptung, daß die metrischen Kenntnisse des berühmtesten lateinischen Interpreten nicht besonders zuverlässig gewesen seien, wird im Kapitel "Metrik" zu handeln sein. In ihren Editionen des Donat bzw. der Scholia Bembina ad loc. "Although Donatus's judgment here appears faulty - for what reason we can no longer tell..." (Textual Criticism 160).

Varianten

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so findet sich die Abfolge Lemma (mit der bevorzugten Lesart) - Variante (legitur [et\) - sed. Im Scholion zu Eun 380 fehlt offensichtlich der Teil, der die Variante enthielt. Wenn man dazu bedenkt, daß in den Terenz-Hss. und in der Donatüberlieferung (im Lemma) jeweils callidum zu calidum verschrieben wurde, wird man auf das callidum der Hss. nicht allzu viel geben können und dem Scholion seine aus den Parallelen erschlossene Gestalt wiedergeben: ...CALIDVMpericulosum. , sed melius 'calidum' [legitur]. 7. Ad 618.2 VBI VIDI sunt qui addant supervacue 'hanc' et legant 'hanc ubi vidi '. Donat bezeugt uns hier die richtige Lesart (der Bembinus bietet ein glossierendes ubi earn vidi, die Calliopius-Rezension ubi vidi eam) nebst dem richtigen Argument. 8. Ph 247 ERVM ANTE EO SAPIENTIA legitur 'ante eam' (UMPante eo Ω), sed pronuntiativum pro coniunctivo116, 'ante eo' pro 'ante eam'. Die Lesart ante eo, ein Indikativ im abhängigen Fragesatz, wird mit einer Erklärung zur Syntax verteidigt. Entsprechende Hinweise über den Gebrauch des pronuntiativus (bzw. indicativus) für den coniunctivus begegnen häufig im Corpus117, so daß wir hier im diorthotischen Scholion die praktische Anwendung einer aus der Erfahrung gewonnenen Beobachtung über den Sprachgebrauch des Terenz erkennen können. Zwischen dieser Verteidigung einer Anomalie gegenüber der Schulgrammatik und der Anwendung des Prinzips der lectio difficilior besteht kein großer Unterschied mehr. FENBACH:

Fassen wir zusammen: Ausgangspunkt seiner textkritischen Erörterungen sind für Donat stets äußere Kriterien wie Divergenzen im Wortbzw. Versbestand. Spuren einer Konjekturalkritik wie auch einer Athe" 6 WESSNER ergänzt mit SCHOELL pronuntiativum pro coniunctivo; aber vgl. Eun 259.2 ADVENTVMGRATVLANTVRaccusativumpro dativo, pro 'adventui gratulantur' oder Ph 516.1 CONDVPLICAVERITsubiunctivum pro indicativo, id est 'conduplicabit'. " 7 Hec 472 indicativum pro coniunctivo posait; Ph 341.4 varie, nam pronuntiativo coniunctivum miscuit; Ph 681.4 adiunctivum pro pronuntiativo; umgekehrt: An 381.8 coniunctivo modo pro indicativo usus est; Hec 424.4 coniunctivum modum posuit pro indicativo futuro vel.. .promissivo.

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tese aus inneren Gründen lassen sich im erhaltenen Kommentar (und auch in seinem in den SD-Scholien greifbaren Vergilkommentar) nicht nachweisen und würden sich, so darf man mit einiger Sicherheit behaupten, auch nicht finden, wenn wir die originale Fassung besäßen. Mit Probus hatte in Rom das Zeitalter der selbstbewußten, auf eigenes Können vertrauenden Kritik ein Ende gefunden, und da auch bei den griechischen Lehrmeistern mit der späthellenistischen Grammatik bereits zuvor der gleiche Entwicklungsverlauf zu beobachten war, darf man im Rom der Spätantike kein Aufleben zenodoteischen Geistes erwarten. Das Bestreben eines Didymus und eines Donat war es vielmehr, die Leistungen der Vorgänger in wertender Auswahl zu sammeln und sich dabei gelegentlich auch ein eigenes Urteil gegenüber den berühmten Vorgängern vorzubehalten. Die Methodik der Alexandriner ist auch noch den Grammatikern der lateinischen Spätantike vertraut: Man wußte die Textzeugen hinsichtlich ihres Alters und ihrer Qualität {bona exemplaria) zu unterscheiden und stützte bei Divergenzen in der Überlieferung eine Entscheidung auf die heute noch gültigen Kriterien wie den Sprachgebrauch des Autors (oder der veteres), die Metrik oder die grammatische Lizenz bzw. Norm.

Anhang

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Anhang Angebliche, mißverstandene oder korrupt überlieferte diorthotische Scholien An 55 (quod plerique omnes faciunt adulescentuli, / ut animum ad aliquod Studium adiungunt aut equos / alere aut canes ad venandum, aut / horum ille nihil egregie praeter cetera / studebat) ad philosophos, [2.] attendendo, etiam locutio 'quod plerique o.f.a. ' aut enim 'quod' in 'quae' vertendum est, ut sit: quae plerique omnes faciunt adulescentuli, aut 'quod' ad singulare eorum studiorum adiungendum erit: equos alere, canes ad venandum; aut erit certe figurata locutio, ut est illud (Eun 1-3) 'si quisquam est, qui piacere studeat bonis quam plurimis et minime multos laedere, in hisp.h.n.p.s. ' et alibi (Ad 634) 'aperite a(liquis) a.o. '. ZETZEL (Textual Criticism 163f.) behandelt unser Scholion zu Unrecht als diorthotische Note: Das im Terenz-Kommentar nur an dieser Stelle als grammatischer Terminus belegte vertere bedeutet bei den lateinischen Artigraphen weniger "durch einen konjekturalen Eingriff ändern" als vielmehr "in der Paraphrase wiedergeben" (OLD 24b). Zwei Scholien sind zu diesem Vers in einer Parallelredaktion auf uns gekommen; das Pendant zu Nr. 2 bildet Nr. 5: 'quod faciunt' pro 'quae faciunt', id QVOD PLERIQVE OMNES est: quae faciunt plerique adulescentuli, horum ille nihil egregie p.c.s. est ergo figuratum, quod rectum esset, si diceret: 'quae plerique omnes faciunt adulescentuli, horum ille nihil praeter cetera studebat'm. Daß sich Donat gerade diese Erklärung zu quod zu eigen gemacht hat, erhellt der Kommentar zu Eun 64: ET QVOD NVNC TVTE TECVM IRATVS COGITAS pro 'quae', ut sit consequens (67) 'haec verba', sic et in Andria ( 5 5 . 5 8 ) 'quod plerique omnes faciunt adulescentuli, horum ille nihil'. A n 429.1 (zu 428f. ego illam vidi: virginem forma bona / memini videre) MEMINI VIDERE aut: memor sum me vidisse, aut 'memini videri' non 'videre', hoc est intellego, scio. Donat wird von LINDSAY

1,8

Der letzte Satz ist von WESSNER dem antiken Kommentar abgesprochen worden. Er entspricht aber der letzten Erklärung in der Parallelredaktion Nr. 2 (aut erit certe figurata locutio etc. ) und ist somit in seiner Substanz auf Donat zurückzuführen. Daß Donat nicht mehrmals die Periphrase quae - horum gebraucht hat, versteht sich.

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als Textzeuge für die Lesart videri in Anspruch genommen. In Wirklichkeit liegt hier eine exegetische Variante vor: memini videri ist eine Alternativerklärung parallel zu memor sum me vidisse, die Anfiihrungsstriche sind zu tilgen und non videre als Parenthese zu fassen. An 615 ALIQVAM PRODVCAM (-CTAM AB) M(ORAM) et 'productam (-em STEPHANUS)' legitur. significai autem differam protendam prolatem. Unter den mehr als 50 Belegen für legitur et 'x' erscheint nur hier die Abfolge et 'x' legitur. Von daher empfiehlt es sich, die von Β gebotene Wortfolge PRODUCT AM legitur et 'producam' aufzunehmen119. Auf alle Fälle sollte mit H. VICTOR (Latomus 49 [1990] 161) productem (STEPHANUS) als in der Oxoniensis zu Ehren gekommenes 'ghost-word' aus den Wörterbüchern gestrichen werden. Eun 493 POSTEA HVC CONTINVO EXEO legitur et 'post', ut sit αποκοπή pro 'postea', quomodo 'post'pro 'postremo'. Niemand scheint bisher daran Anstoß genommen zu haben, daß eine Apokope post für postea schwerlich durch eine Analogie quomodo 'post'pro 'postremo' erklärt werden kann. Zu erwarten wäre vielmehr eine Formulierung wie ut etiam pro 'postremo'. Eine Hss.-Gruppe bietet indes nicht legitur et post, sondern legitur et post te (C) bzw. post eo (T), woraus leicht die von FLECKEISEN aus metrischen Gründen geforderte Form poste gewonnen werden kann. Die Erklärung poste = postea begegnet uns in den Glossaren, und deren bester Kenner, G. GOETZ, hatte bereits im Jahre 1910 geurteilt, daß diese Glosse "sicher auf Terenz Eun. 493" zu beziehen sei (RE VII 1,1465,9). Die Vermutung findet somit in der Donatüberlieferung ihre Bestätigung, und künftige Terenz-Editoren dürfen sich für post nicht mehr auf das Zeugnis des Donat berufen. Ad 16.1 (nam quod isti dicunt malevoli, homines nobilis / eum adiutore adsidueque una scribere) Das Scholion zu diesem Vers liest man bei WESSNER in folgender Form: EVM ADIVTARE legitur (ed.pr.: lege codd.) et 'adiuvare'. Pacuvius in Chryse (frg.XI R2) 'adiutamini'.

Die in A und V überlieferte Wortfolge ließe sich allenfalls durch eine Ergänzung bewahren: Mit legitur am Kolonende sind stets die et 'x' et 'y' legitur-Noten gebaut. Folglich wäre zu schreiben ALIQVAM PRODVCTAM M. < et 'productam ' > et 'producam ' legitur. Die Position der Ergänzung wird durch die Technik des Kommentators nahegelegt, der die Lesart des Lemmas als die erste der genannten Varianten aufnimmt.

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WESSNER, der das textkritische Scholion für einen späteren Zusatz erachtet, hat übersehen, daß das Pacuviuszitat (wo adiutamini durch Non.74,1 gesichert ist) nur sinnvoll eingebracht werden kann, wenn es eine varia lectio adiutari (so RITSCHL, Philol. Sehr. III 795ÍF. [adiutore C]) erläutert. Es duldet keinen Zweifel, daß Donat uns eine alte Lesart120 erhalten hat, die hier wie Ad 607.2, 666.2 und Ph 88.2 in Form eines legitur ei-Scholions eingeführt wird. Ob Donat auch für adiutamini votiert hat, läßt sich nicht entscheiden. Das Zitat des Verses im 4. Kapitel der vita Terenti (in der Fassung hunc adiutore) kann nicht herangezogen werden, da die vita unmittelbar aus Sueton gezogen ist. Ad 152.4 DEFERVISSE quasi decessum a fervore ternisse. [5.] legitur et 'deseruisse' ( = cod.Ter.V). Weil die Scholien in C und V1 fehlen (A steht nicht mehr zur Verfügung), athetiert WESSNER beide Noten. Die durch quasi eingeleitete Erklärung des metaphorischen Gebrauchs klingt jedoch ganz nach Donat121, so daß wir auch den diorthotischenTeil mit der üblichen legitur ^-Einleitung auf die spätantike Rezension des Kommentars zurückführen dürfen. Hec 174.1 RELINQVIT evápyeia. praesentis temporis. legitur et 'reliquit'. Die Terenz-Hss. CPE aus der Calliopius-Rezension bieten das Perfekt, was auch unter der (m.E. verfehlten) Annahme, daß Donat diese Rezension nicht gekannt hat, noch keinen Grund darstellen kann, mit Wessner dem ursprünglichen Kommentar das Scholion abzusprechen. Donat hat eindeutig für ein Praesens votiert, aber die offensichtlich von einer Reihe der antiken Hss. gebotene Perfektform als Variante mitgeteilt. Hec 313 (fartasse unum aliquod verbum inter eas iram hanc conseivisse). Es existieren zwei auf die doppelte Rezension zurückgehende Scholienketten (die jeweilige Reihe 310-313 wird in den Hss. nacheinander geboten)122: a) [1.] I.E.I.H. sic Plautus (frg.dub. XI) 'fartasse te amare suspicarier'; nam

120 Vgl prise π 390,26 vetustissimi autem multa sic protulerunt confusa terminatione teste Capro: 'adiutor' pro 'adiuto'. 121 Vgl. An 446.2 (animum ad uxorem appulit) bene 'appulit' quasi ab iactatione fluctuum et aestus marini. 122 Der Überlieferungsbefund wird von GRANT (Studies 71) verkannt.

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veter es infinito modo adiungebant 'fonasse [conscivisse]'. [2.] CONSCIVERIT commoverit. b) [3.] IRAM HANC CONSCIVERIT legitur et 'conscivisse'. [4.] et 'conscivisse' est rem novam fecisse. [5.] CONSCIVERITdecreverit, fecerit. Zunächst liegt die Annahme nahe, daß die Scholien auf mehrere verschiedene Kommentare zurückgehen123, denn der Verfasser von Nr.l scheint einen Infinitiv, der von Nr.2 die finite Form zu kommentieren, während Nr.3 den Infinitiv nur als Variante kennt. Aber so wie Nr.2 und Nr.5 einander entsprechen, lassen sich [1.] und [3.] auf nur einen Kommentator mit der Folge: Lemma CONSCIVERIT\ [3.], [I.]124 zurückführen. Es verbietet sich, mit WESSNER in Nr. 1 ein Lemma CONSCIVISSE zu setzen, denn in den diorthotischen Scholien werden die "archaistischen" Lesarten ausnahmslos nur im Kommentar als mit legitur et eingeführte Varianten genannt. Daß die Einführung mit legitur et im ersten Scholion lediglich mechanisch ausgefallen ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß auch das Lemma ausgefallen ist. Zu schreiben ist also [1.] I(RAM) H(ANC) < CONSCIVERIT legitur et 'conscivisse'>. sie Plautus etc. Wir können natürlich nur die Textstufe des Rezensenten, nicht diejenige Donats rekonstruieren. Ph 680.1 FRVCTVM QVEMLEMNO. et 'Lemni' et 'Lemno' legitur. Entsprechend den übrigen et 'x' et 'y' legitur-Noten, in denen zuerst stets die Lesart des Lemma aufgegriffen wird, ist mit V und den dett. LEMNI zu schreiben.

123

S o GRANT a . a . O .

124

Zur Abfolge 'X' legitur et 'y' + die Variante y erläuterndes Plautuszitat vgl. etwa Ph 4 6 9 PATERETVR MALI legitur et 'potiretur', quia potiri των μέσων fuit. Plautus 'hostium potitus est '.

III. Metrische Studien Der wohl markanteste Unterschied zwischen dem Terenzkommentar des Donat und seinem erhaltenen griechischen Pendant, den Aristophanes-Scholien, dürfte in dem fast gänzlichen Fehlen metrisch-prosodischer Interpretamente zu sehen sein. Dem Aristophanes von Byzanz verdankt die Nachwelt eine Kolometrie, und Heliodors Untersuchungen sind in den Aristophanes-Scholien teilweise noch erhalten. Im Terenzkommentar des Donat hingegen lassen sich, wenn man von den spärlichen Noten zur άνά^νωσις κατά προσφδCav (z.B. An 946.2 aut 'hoc gaudere' correpte aut 'hoc' producte, ut sit: hac re)125 bzw. διαστοληρ (z.B. Eun 255 INTEREALOCI duae partes orationis cum coniunctae unam fecerint, mutant accentum) absieht, gerade vier Noten aufspüren, die mit der Metrik des Terenz im Zusammenhang stehen. a) An 300.3 CAVE adnotant quidam 'cave' hic corripiendum esse Weder Eun 799, wo das gleiche Phänomen begegnet, noch in irgendeinem anderen Fall von brevis brevians vernehmen wir ein Wort. b) An 496.4 (quid retulit) et producit RE syllabam Die Herleitung bzw. Schreibung retulit war Donat nicht mehr geläufig· c) Eun 20 'emerunt' autem mediam corripe, ut (Verg.ecl.4,61) 'matri longa decern tulerunt fastidia menses ' Der eine Fall von -è- bei Terenz wird auch bei Diom.I 350,9 verbucht und zwar als Besonderheit der veteres. d) Ad 106.2 'fieret' producta prima syliaba. Ennius (frg.15 V2 = 11 SK.) 'memini me fieri pavum'. Die vier Noten gelten der producilo oder correptio einer Silbe, also Ausnahmen gegenüber der Norm. Dabei wird der Tatbestand (korrekt) festgehalten, eine Begründung aber wird in keinem der Fälle geboten. Die Belege aus Vergil und Ennius zeigen, daß die Erscheinung nicht als Spezifikum der Komödie, sondern - wie bei Diomedes (loc.cit.) - im Rahmen der Metrik der poetae veteres verstanden wird. Daß der letzte Iambus des Senars rein sein muß, war auch noch nach Varrò jedem

125

Gelegentlich wird auch bei selteneren Wörtern, wie dem als archaisch beurteilten temulentus, deren Prosodie erörtert: An 229.2 produc primam syllabam TE.

48

Metrische Studien

Grammatiker bewußt, wie die metrischen Elementarschriften bezeugen; daß cave pyrrhichisch gemessen werden muß, wird jeder empfunden haben, der einen einfachen Senar gelesen hat. Aufgrund welcher Gesetze aber cave gemessen werden durfte, hat wohl selbst ein Varrò nicht mehr gewußt. Daß Donat sich gerade in diesem Fall ausdrücklich auf Vorgänger beruft, spricht für sich. Im Gegensatz zu den immerhin noch fragmentarisch erhaltenen Interpretamenten zur Textkritik wird man den Befund so zu klären haben, daß es nicht einem Redaktor, sondern Donat selbst an näherem Interesse an metrischen Fragen ermangelte: Denn neben jeglichen Hinweisen auf spezifische Besonderheiten der terenzischen Metrik fehlen in dem Kommentar Noten zur Kolometrie gänzlich126. Aus den von RITSCHL (Parerga 375) zusammengestellten Fragmenten des Plautuskommentators Sisenna ist ersichtlich, daß zumindest dieser zum Eingang einer Szene eine metrische Bestimmung gegeben hat: in Aulularia

sic: 'Haec scaena

anapaestico

metro est. Sed concisa

sunt,

ut

non intellegas' (ap.Rufin.GL VI 561,8)127. Donat bietet zwar zu Eingang jeder Szene eine inhaltliche Einführung mit Hinweisen zur Ethopoiie, nichts jedoch, was der Note des Sisenna (oder gar Heliodor) entspräche. Daß gerade solche allgemeinen Einführungen, die den Horizont auch eines lediglich am einfachen Grammatikunterricht orientierten Redaktors nicht überfordern, konsequent weggeschnitten worden sind, wird man sich schwerlich vorstellen können. Es läßt sich im Gegenteil wahrscheinlich machen, daß Donat selbst die metrischen Bestimmungen unterdrückt hat: Zu Ph 315, dem ersten Vers der Szene II 2, erklärt Donat: adhuc narratur fabula de Terentio et Ambivio ebrio, qui acturus hanc fabulam oscitans et temulentus atque aurem minimo inscalpens digitulo hos

126

Auch das schon mehrmals erwähnte Priscian-Zeugnis über Donats textkritische Diskussion in An 536 ('ausculta tibi' et 'te'...Terentius in Andria...in eadem (536) 'ausculta pauca: et quid ego te velim et tu quod quaeris scies ' nec enim aliter stai iambus, qui est quaternarius. quod etiam Donati commentum approbat (III 281,7) — Don.An 536.1 et 'paucis' et 'pauca' legitur) bildet m.E. keine Gegeninstanz, Anlaß der Note ist ein diorthotisches Problem, zu dessen Lösung die Metrik als Entscheidungskriterium herangezogen wird. Zwischen einer solch singulären Anwendung der Metrik als ancilla und einer durchgehenden metrischen Durcharbeitung des Textes besteht ein grundsätzlicher Unterschied.

127

Man pflegte seit HERMANN die Angabe auf Aul.713ff. zu beziehen; QUESTA 65f. erwägt, ob Sisenna die Reiziani Aul.415-446 gemeint haben könnte.

Metrische Studien

Terentii pronuntiavit versus, quibus auditis exclamavit cumm scriberet cogitasseparasitum etc. (315.2).

49 poeta

se

talem

Donat bezog seine Kenntnisse, wie DZIATZKO (Komm, zum Phormio p.82 in der 4.Auflage 1913) gesehen hat, aus dem Kommentar des Aemilius Asper: Asper in commentario Terentii sie, 'Hosce versus agere coepisset, "itane patris ais adventum veritum hinc abiisse admodum (scripsi cum codd.Ter. et Don.: ad domum ω)", et deineeps qui secuntur quadrati' (Rufin GL VI 555,1).

Donat ging es einzig um die schöne Anekdote, die (auf Varrò zurückgehende) Bezeichnung des trochäischen Septenars störte da nur. Gegen die vorgebrachte Deutung des Befundes sollte auch nicht die textkritisch problematische Schlußbemerkung von Rufins 'Commentarium in metra Terentiana' sprechen: mensuram esse in fabulis [hoc est metrori] Terentii et Plauti et ceterorum comicorum et tragicorum dicunt hi: Cicero, Scaurus, Firmianus, Varrò, Victorinus, Caesius Bassus, Terentianus, Caecilius Vindex, Cinna, Sisenna, Diomedes, Albinus, Quintiiianus, Sosipater Charisius, Helenius, Asper, Fl. Caper, Arruntius, Probus, Plinius, Euanthius, Sacerdos qui et Donatus. Iuba (GL VI 565,1).

Ein Donatzitat wird in dem Traktat nicht gegeben, so daß man auf Vermutungen angewiesen ist, welche Schrift des Donat Rufin vor Augen hatte. Falls die Überlieferung korrekt ist, wird eine grammatische Schrift gemeint sein (probabilius videtur Sacerdotis librum a non nullis nomine Donati inscriptum fuisse [KEIL z.St.]). Der Terenzkommentar käme überhaupt nur dann in Betracht, wenn man mit RITSCHL (Parerga 360) Sacerdos qui et ,

Donatus ergänzen würde 129 . Aber

selbst dann brauchte die Angabe nur zu bedeuten, daß Donat irgendwo in seinem Terenzkommentar über Metrik gehandelt hat, ebenso wie eine Reihe anderer von Rufin namhaft gemachter Autoritäten wie Cicero und Quintilian lediglich beiläufig bemerkt haben, daß der Iambus den Sprechvers der römischen Komödie darstellt. Der Terenzkommentar war zur Zeit des Rufin noch in der ursprünglichen Form erhalten. Wenn Rufin also kein wörtliches Zitat bietet, so spiegelt dies den Tatbestand wider, daß Donat eben kaum Interpretamente zur Metrik bietet. Nun stellt sich die Frage, aus welchen Gründen Donat metrischen Erörterungen so geringen Platz eingeräumt hat. Daß es schiere ignoran-

128

B e i WESSNER d e r D r u c k f e h l e r e um.

129

In diesem Sinn zuletzt LEONHARDT 42 Anm.76.

50

Metrische Studien

tia gewesen sein soll, wie man heute mitunter liest130, wird man nicht glauben: Donat hat, wie LEONHARDT 50ff. zwingend nachgewiesen hat, eine für die spätere Prosodielehre einflußreiche Untersuchung De structuris et pedibus oratoriism verfaßt, in der auch die prosodischen Fragen in Dichtertexten behandelt wurden. Nicht allgemeine prosodische Unkenntnis, sondern wohl eher die (erst von BENTLEY und Späteren wiederentdeckten) besonderen Regeln der altlateinischen Metrik sind es, die den spätantiken Kommentator haben schweigen lassen. In Anbetracht des oben zitierten Sisenna-Fragments, das eine Unsicherheit schon bei etwas komplizierter gebauten Anapaesten bekundet, wird man Donats Gründe begreifen, auf eine durchgehende Behandlung der Metrik zu verzichten. Die beiden erhaltenen spätantiken Schriften des Rufin (In metra Terentiana) und des Priscian (De metris Terentii) gelten dem Nachweis, daß Terenz seine Komödien überhaupt in metrischem Gewände verfaßt hat. Die dort zitierten Zeugnisse der bekanntesten römischen Metriker von Varrò über Iuba und Asmonius behandeln nahezu ausschließlich iambische und trochäische Maße. Der letzte Philologe, für den wir mit Sicherheit eine Kenntnis etwa der Kolometrie des Terenz nachweisen können, ist Varrò, der die lyrischen Verse Ad 61 Off. noch zu diskribieren wußte (frg.38 FUN.)132. In beiden Hss.Traditionen der Terenzüberlieferung ist bei den Polymetra Ad 610-617 zumindest für 610-614 ein Bemühen um eine Diskription faßbar133.

130

Dieses Urteil wurzelt in einer angeblichen Entscheidung für eine metrisch falsche Lesart in Aen. 11,243 vidimus, o cives, Diomedem Argivaque castra. In seinen Erörterungen über Vergils Vorliebe für griechische Flexionsformen behandelt Macrob auch die Flexion von Diomedes: 'vidimus, o cives, Diomeden ' ut talium nominum accusativus Graecus est in -en desinens. nam siquis eum putat Latine dixisse 'Diomedem', sanitas metri in versu desiderabitur (sat.5,17,19). Da der Kommentar Donats eine der wichtigsten Quellen des Macrob sei und zum anderen Servius in seiner Note z.St. ausführlich über den metrischen Fehler Diomeden handle, müsse dieser Fehler in der gemeinsamen Quelle, Donat, enthalten gewesen sein (ZETZEL, Textual Criticism 104f.). Dagegen ist einzuwenden, daß gerade in den SD-Scholien z.St., die bekanntlich in ihrer Substanz auf niemand anderen als Donat zurückgehen, zweimal der Vers mit der korrekten Form Diomedem angeführt wird, daß folglich die Argumentation des Servius nicht gegen Donat gerichtet ist. Das Raisonnement gilt vielmehr fehlerhaften Vergilhss.: Die drei z.St. erhaltenen spätantiken codices bieten allesamt den metrischen Schnitzer.

131

Den Titel bezeugt uns Rufin GL VI 571,1; vgl. zuletzt P.L.SCHMIDT, HLL V 148 mit Anm.2. Vgl. DELLA CORTE, Varrone metricista 148f. Die Philologen scheinen erst heute Einigkeit gefunden zu haben: vgl. QUESTA 399-415; zur Kenntnis der plautinischen Metrik in der Spätantike ebd.64ff.

132 133

Metrische Studien

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Man suchte noch die in frühen kritischen Exemplaren vorgefundene Kolometrie schemenhaft zu bewahren, ein tieferes Verständnis besaßen die spätantiken Grammatiker nicht mehr134.

134

Vgl. WILAMOWITZ, Griechische Verskunst, Berlin 1921, 70f und jetzt grundlegend M. DE NONNO, Ruóle e funzione della metrica nei Grammatici Latini, in: Metrica classica e linguistica. Atti del colloquio Urbino 3-6 ottobre 1988 (Ludus Philologiae 3), Urbino 1990, 453-494, insb. 466ff.

IV. Die grammatische Analyse Entsprechend der antiken Praxis sollen die Noten zur Grammatik nach den octo partes orationis systematisiert werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden die für mehrere Wortgruppen geltenden Felder wie die Flexionslehre und einige ausgewählte Kapitel der Syntax in einem gesonderten Kapitel geschlossen behandelt.

A. Wortarten 1. Nomen Der Begriff nomen bezeichnet im Terenz-Kommentar nahezu ausschließlich ein nomen proprium; Appellativa - der Terminus selbst erscheint nur in der ars - werden hinsichtlich ihrer Wortart und Funktion so gut wie nicht kommentiert135. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß Nomina, wie Verben, sofort als solche erkennbar sind. So bedarf es lediglich in Zweifelsfallen wie ridiculum (An 474.3 inspice 'ridiculum', adverbium sit an nomen, ut sit: vide hominem ridiculum. sed adverbium magis est) oder ridicule (Hec 668.3 vel adverbium vel nomen potest esse) bzw. den Fällen, wo die Wortart nomen eine andere vertritt (Hec 424.2 nomen posuitpro adverbio 'odiosum'pro 'odiose"), einer Erläuterung136. Aus der Gruppe der Appellativa wird lediglich die Gruppe der nomina ad aliquid kommentiert, die von Charisius wie folgt definiert werden: sunt quaedam nomina quae per se sine alterius partis orationis adminiculo intellegi non possunt, quae Graeci dicunt των πρός τι, id est ad aliquid

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136

Donats Bemerkungen zur Flexion und syntaktischen Verwendung sind nicht Teil dieses Kapitels: In keiner dieser Interpretationen fällt im übrigen der t.t. nomen. Zu Ph 623.1 (FVGITANS LITIVM casu genetivo iunctum vim nominis habet 'fiigitans', accusativo vimparticipii) wird die Gelegenheit zu einem allgemeinen grammatischen Hinweis genutzt.

Wortarten

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[quae non possunt intellegi sola (delevi)137], ut pater frater (scripsi: mater cod.Char.)· iungunt enim sibi et ilia per quae intelleguntur (198,2 B.)138. Aus den sechs Belegen seien drei angeführt: Ad 31 (si cesses, evenire ea satius est / quae in te uxor dicit et quae in animo cogitât / irata quam illa quae parentes propitiî) erudite non addidit in quem dicat, quia seit nomina uxorìs et parentum των πρός τι essem. In Ad 2 8 8 wendet sich Sostrato an ihre nutrix: obsecro, mea nutrix, quid nunc fiet, wozu Donat nach einem Hinweis auf das schmeichlerische mea bemerkt:

[4.] ...ipsum etiam quod dicit 'nutrix' honorificum est, ut (Verg.Aen. 4,634) 'Annam, cara mihi nutrix, hue siste sororem'; sunt enim nomina ad aliquid, quibus nos tarnen velimus ab omnibus appellari, ut magister medicus orator. Zu Ph 338 schließlich (der Parasit schmeichelt seinem Gönner: nemo

satis pro merito gratiam regi referí) bemerkt Donat: 're:c' alias 'regnator', alias 'dominus', alias 'dives' significai, sed nunc 'rex ' rationem habet nominis ad aliquid, dicti ad significandum parasitum: ut enim parasitus regis est et libertus patroni, sic e contrario rex parasiti est et patronus liberti. Den drei Noten ist gemeinsam, daß die qualitas nomen ad aliquid nicht als Selbstzweck innerhalb einer isolierten grammatischen Normierung erscheint, sondern für die exakte semantische Bestimmung (Ph 338), die Deutung der Charaktere (Ad 288) oder - für den modernen Leser unge-

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Diomedes (wie auch Dositheus VII 397,10 und exc.Bob.p.6,18 DE NONNO = I 536,6 Κ.) hatte die störende Wiederholung in seinem Charisiustext noch nicht vorgefunden: sunt quaedam nomina quae per se sine alteríus partis orationis adminiculo intellegi non possunt, ut pater frater. recipiunt enim sibi et illa per quae intelleguntur, ut meus tuus. haec a Graecis των πράς τι appeUantur id est ad aliquid (I 322,27). Es ist bekannt, daß Diomedes ein besserer Charisiustext zur Verfügung stand als der uns überlieferte, der "...nicht frei ist von willkürlichen Eingriffen" (BARWICK, Remmius 9). Die gleiche Stelle legt nahe, als Beispiel nicht ein nach pater müßiges mater, sondern wie auch bei Donat ars 617,3ff.H. (s.folg.Anm.) frater zu lesen. Kürzer faßt sich Donat in seiner ars: sunt alia ad aliquid dieta, ut pater frater (617,3 H.). WESSNER setzt nach erudite einen Doppelpunkt. Ich verstehe den Dichter selbst als Subjekt zu addidit, zu dicat Micio und zu seit wiederum Terenz.

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Die grammatische Analyse

wohnt, für die antike Dichtererklärung typisch - zum Lob des Dichters (Ad 31) genutzt wird140. Die gleiche Tendenz läßt sich für die Interpretamente zu den nomina propria feststellen. Laut Donat gewinnen sie vorrangig Bedeutung in der Redestrategie, indem sie das Gewicht einer Aufforderung verstärken sollen: An 190.1 {te oro Dave) gravius illud fecit nomine appellando, eine Anrede, die in drohendem Ton 199 (verberibus caesum te in pristinum, Dave, dedarri) wiederaufgegriffen wird. Auch Donat unterläßt es nicht, auf die Steigerung des Affekts hinzuweisen: vult et pronomine et nomine exagitare comminatione servum, ne quid relinquat inultum iracundiae (199.1; vgl. auch Hec 482.2 gravis oratio est a nomine incepta). Eigennamen gebraucht nach Donat, wer mahnt An 380.5. An 693 asseveratio. Ad 988.2 severe additum, anklagt Ad 407.2 AESCHINE HAECINE FLAGITIA FACERE TE a persona accusatio. et vide pondus in nomine Aeschini oder Vorwürfe macht Ad 800 CVR EMIS AMICAM MICIO inclamatio ista nominis magnam invidiam significai ut (Ad 175) 'regnumne, Aeschine, hic possides?'U1 et (Verg.Aen.ll, 36sq.) 'pacem teposcimus omnes, Turne'). Diese Interpretation der Vergilstelle im Sinne einer vorwurfsvollen Formulierung hat ihre Entsprechung bei Serv.auct. ad loc.: 'omnes' invidiose, ut et Latinus hoc poscere videatur, so daß wir hier mit großer Sicherheit die Note bei Serv.auct. dem Donat zuweisen dürfen, auch wenn die entsprechende Erklärung nicht - wie bei der Kommentierung der Terenzstelle - an die Nennung des Namens, sondern an omnes ge140

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Ähnliches ließe sich für die drei anderen Belege (An 476.3; Ad 456.1; Hec 277.1) ausführen. Zu dieser Gattung gehören auch die Noten Eun 495.5 et bene immutavit nomina hinc ad honorem, hinc ad invidiam: hanc non 'meretricem' sed 'amicam' dixit, hunc non 'militem' sed 'imperatorem' und An 380.4 mire 'pater' dixit, ut in ipso nomine videatur habere auctoritatem (ebenso wird ein pater in An 612.1 und Hec 612.3 kommentiert). Dort findet sich die entsprechende Erklärung: [5.] invidiosa moraliter exclamatio et ardentior ob piagas. Wir können also mit Sicherheit Donat selbst greifen. - Auch sonst betrachtet der Kommentator die nomina propria als Mittel, Emotionen zu beschwichtigen (Hec 510 PHIDIPPE ADES nomine appellai, quod facere solemus iratos mitigare cortantes) oder jemandem zu schmeicheln (Ad 891.2 morís est autem inferiores proprio nomine vocare, si blandiri velis; Hec 382.1; 824).

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knüpft ist. Bei Servius findet sich nichts Entsprechendes, was nicht auf Zufall beruht: Wir werden auch später noch bei der Behandlung der anderen partes orationis sein Desinteresse an einer feinfühligen Interpretation der mit dem Gebrauch von bestimmten Wortgruppen verbundenen dichterischen Absicht zu beobachten haben. Denn wie stark Donats Interesse auch der Analyse von Eigennamen gilt, zeigt beispielhaft seine Interpretation in Ad 210.3: Aeschinus wendet sich an den Kuppler Sannio (quid istuc Sannio est): vide quam ingeniöse Terentius, qui supra (184.196) ab Aeschino lenonis nomine facit Sannionem vocari, utpote ab homine arroganti et feroci ob aetatem ac negotium, at nuncì42 blande circumvenientem honorificentius inducit cum lenone loqui et eum Sannionem vocare. fere qui in sordidis professionibus agunt, honorifice proprio nomine appellas, at < in > splendidis artibus constituti gaudent artis nomine nuncupari, ut imperator orator philosophus. sie et in Eunuche (454) 'audire vocem visa sum

militis ' apud se loquens meretrix, et postquam illum comminus videt (455) 'salve, mi Thraso ' inquit, non 'salve, miles ', quod erat durissimum, et mox irata personat (806) 'miles, nunc adeo edico tibi'.

Im Unterschied zu den zuvor aufgeführten Noten, in denen Donat die Funktion eines Eigennamens innerhalb der Redestrategie deutet, wird hier allein aus dem Gebrauch eines Sannio eine Charakterzeichnung des Redenden selbst entwickelt. Das Aufzeigen des ηάος aus sprachlichen Phänomenen heraus ist, wie bereits die eindringliche Einleitungsfloskel vide quam bekundet, Donats innerstes Anliegen. Der Interpret weist den Unterschied in der Zeichnung des Aeschinus zur vorangegangenen Szene auf und veranschaulicht souverän die Allgemeingültigkeit seiner Interpretationsweise vermöge dreier in den Augen Donats aufeinander zu beziehender Anredeformen in einer anderen Komödie. Ausdrückliches Lob erfährt der Dichter für seine feine Charakterzeichnung, die durch den Gebrauch eines Eigennamens im richtigen Moment unterstrichen wird, an zwei weiteren Stellen, in Eun 901.1 bene et moraliter appositum 'Pythias' und in dem Scholiengebilde zu Hec 131/133 (Parmeno, /perii, quid ego egi... / nonpotero ferre hoc, Parmeno: perii miser): 131.4 PARMENO moraliter et a nomine inc et nomen repetit... [6.] et mire interposuit nomen, ut affectum do loris ostende ret. sic Vergilius (Aen.4,9) 'Anna, soror' etc. 133 PARMENO PERII MISER tv r¡dei repetit nomen.

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So schreibe ich für das überlieferte hunc, da supra einer Entsprechung bedarf.

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Die grammatische Analyse

Die beiden Scholien zu 131 sind letztlich dem gleichen Interpreten zuzuschreiben143: Auch bei Servius auct.Aen. 1,131 (Eurum ad se Zephyrumque vocat) wird zunächst allgemein 'ad se' autem ήϋικώς erklärt, und nach einer Frage, warum gerade Zephyrus jetzt gerufen werde, folgt die genauere Kennzeichnung des Affekts: ira in hoc Neptuni exprimitur, si etiam eum obiurgat, qui non adfiierìt. Es ist wiederum bezeichnend für die unterschiedlichen Interessen der Interpreten, daß weder zu Aen.4,9 noch zu Aen.1,131 eine entsprechende Note des Servius existiert, wie überhaupt die Interpretationskriterien moraliter, ήύικώς, kv rjâei dem Servius gänzlich fremd zu sein scheinen.

2. Pronomen Beispiele dieser Wortart werden hinsichtlich ihrer Gattung nur dann beschrieben, wenn das Wort theoretisch einer anderen Gattung zugeordnet werden könnte (wie hic oder qui). Die formelhafte Definition lautet et est 'hic' pronomen (An 310.1) oder prius 'qui' pronomen, sequens adverbium est (Eun 488)144. Die schulmäßige Einteilung der ars (p.629,6 sqq. H.), in der die Pronomina in finita (quae recipiunt personas ut ego tu ille), infinita (quae non recipiunt personas, ut quis quae quod), minus quam finita (ut ipse, iste), praepositiva (ut quis hic) und subiunctiva (ut is, idem) eingeteilt werden, spiegelt sich nur vereinzelt in dem Kommentarwerk und erscheint niemals als Selbstzweck, sondern nur dann, wenn eine species für die andere verwendet ist, so zu Eun 724 (id modo die, abisse Dorum) 'id'pro 'hoc', subiunetivumpropraepositivo oder Ad 452.1.2 (is nihil pendit) 143

144

Dies gilt auch, wenn man 131.6 als alternative Erklärung der in der Überlieferung unmittelbar folgenden Note zu 133 bezieht: Das Praefix inteiiposuit) läßt darauf schließen, daß nicht Parmeno 131 (am Anfang der Rede), sondern Parmeno 133 ( i n n e r h a l b der Rede) erläutert wird. Während bei Donat addere und apponere in unserem Zusammenhang stets auf nomina propria zu Anfang einer Rede bezogen sind, bezeichnet der einzige weitere Beleg für interponere eben einen Eigennamen im vierten Vers einer Rede: Eun 148.3 irt necessariis interponi nomen licet audientis, und auch hier war das Stichwort Phaedria bereits im ersten Vers (144) gefallen. Hierher gehört auch die nur Ad 92 belegte Definition von hoc als articulus vel adverbium loci (articulus bezeichnet ein Pronomen, das mit einem Nomen oder Partizip verbunden ist: Don.ars p.631.13 H.).

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abundat 'is'... aut 'is' pro 'ipse', subiunctivum pronomen minus quam finito. Auch die einzige rein grammatikalische Erklärung zum Genus eines Pronomens Eun 374 ILLARVM QVISQVAM 'quisquam"45 multis exemplis probatur etiam feminino genere veteres protulisse, ita ut numeris et generibus haec pronomina infinita sint beläßt es bezeichnenderweise nicht bei einem bloßen Hinweis auf das Genus, sondern führt die Erscheinung 'Archaismus' zur Erklärung an. Das eigentliche Interesse des Erklärers Donat besteht indes darin zu untersuchen, w a r u m ein Pronomen ein Nomen vertritt, also zu fragen, welche Absicht den Dichter bewog: In An 405 äußert sich Pamphilus zu Beginn der Szene über seinen Vater, ohne daß der Name bisher genannt wurde: HIC NVNC NON DVBITAT non dixit 'senex' aut 'pater', sed 'hic' cum odio, quoniam averso animo loquitur. In der Note Eun 192.1 CVM MILITE ISTO wird bemerkt: 'isto ' bene additum quasi odioso, ut alibi (Ad 754sq.) 'iam vero mitte1*6, Demea, / tuam istanc iracundiam' et Vergilius (Aen. 9,94) 'aut quid petis istis?' haec enim pronomina spernentis sunt odiumque monstrantis. In vielen kürzer gefaßten Noten läßt sich die gleiche Art der Interpretation fassen; e.g. nenne ich An 684.5 (tibi curabo) bene 'tibi' quasi amanti und An 708.1 (ego hanc visam) Glycerium scilicet, et cum commiserationepuellae 'hanc'. Pronomina sind Donat also keine bloßen Vertreter für Nomina, sondern besonders wirksame Mittel, Affekte oder das Ethos einer Person zu kennzeichnen. Für letzteres sei Eun 179.2 angeführt (die besorgte Thais spricht zu ihrem Geliebten: ego non tarn ex animo misera dico?):

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146

So schreibe ich unter Hinweis auf Ad 634.2 proprie enim veteres et 'quis' et 'aliquis' et 'quisquam' non observabant quo genere aut quo numero declinarent. Der zweite Teil des Scholions (ita - sint) wird von WESSNER ohne zureichenden Grund dem Donat abgesprochen: Durch die aus der Überlieferung (quemquam B: quisquam quemquam quemquam CK: quis quemquamip.) quamquam Τ: quisquam quaequam quae quam V) gewonnene Herstellung verschiedener Pronomina wird der Plural pronomina erklärlich. Scripsi cum Ter.codd. et Don.ad loc.: mitte ω (es handelt sich um keine Variante, sondern um eine triviale Haplographie).

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Die grammatische Analyse

et 'ego' vide quanta significet: convertit hoc pronomen multa blande exprobranti, ut (Verg.Aen.4,314) 'mene fugis?'.

Den Pronomina kommt aber nach Donai noch eine andere Funktion zu. In An 438f. will der alte Simo den Sklaven Davus nach dem Liebesleben seines Sohnes ausfragen und versucht ihn mit schönen Worten einzuwickeln: (num illi molestae quidpiam haec sunt nuptiae/propter huiusce hospitae consuetudinem?) haec omnia pronominibus bene mollita sunt; etenim atrocia sunt, si cum suis nominibus nuda ponantur (439.1).

Logisches Subjekt zu mollita sunt ist, wie aus einem zweiten Scholion (et 'hospitae', non 'meretricis' et 'consuetudinem', non 'amorem' dixit: ita omnia extenuat, ut Davus audeat confiteri \ 439.2) ersichtlich wird, nicht der Dichter, sondern die Person Simo: Die Bestimmung der Funktion eines Pronomens wird aus der Sprecherabsicht abgeleitet. Ganz deutlich kommt dieser Beschreibungstypus in der Bemerkung Eun 463.3 zum Ausdruck (Thais im Gespräch mit Parmeno und dem miles): QVID HVNC NON VIDES si dixerit 'militem ', laedit ρ raes entern, si 'amicum ', laedit Parmenonem. mire igitur pronomen invenit.

Erst recht, wenn mehrere Pronomina im gleichen Kolon oder gar in Iuxtaposition erscheinen, pflegt Donat auf die magna vis in pronominibus hinzuweisen. Zitiert sei das Scholion Nr. 3 zu Eun 797: tibi illam reddat aut tu illam: magna vis in pronominibus et significatio est, ut (Verg.ecl.3,25) 'cantando tu illum?'.

Die sich hier zeigende Beobachtungsgabe und differenzierende Interpretation wird man nicht als eine Selbstverständlichkeit ansehen können: Zu keiner der von Donat zu Eun 179. 192 und 797 angeführten Vergilstellen findet sich bei Servius eine Bemerkung zur Interpretation der Pronomina147. Hierin spiegelt sich nicht etwa die Tilgungswut der Redaktoren, sondern das unterschiedlich gelagerte Interesse, ja das verschieden entwickelte Sensorium der beiden Interpreten.

147

Eine den angeführten Donat-Belegen vergleichbare Interpretation begegnet, soweit man dem Index von MOUNTFORD-SCHULTZ vertrauen darf, nur zu Aen.2,657 MENE probatae pietatis filium. nam pronomina habent vim suam, nonnumquam et emphasin', ut (eel.3,25) 'cantando tu illum?'. Aber das ist ein aus Donat angelesenes Wissen (Donats Vergilkommentar begann mit den Bucolica, er konnte also in der Aeneis auf die schon erklärte Stelle ecl.3,7 zurückverweisen, während Servius noch nicht Erklärtes zitiert) und klingt recht uninteressiert im Vergleich zu Donats magna vis oder vide quanta significet.

Wortarten

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3. Verbum In seiner ars definiert Donat das verbum nach sieben Verbalverhältnissen: verbo persona

accidunt

septem:

qualitas

coniugatio

genus numerus

figura

tempus

(p.632,6 H.)·

Entsprechend diesen Beschreibungskategorien sollen die Noten im Terenzkommentar besprochen werden, wobei coniugatio und numerus eigens in den Kapiteln "Flexionslehre" bzw. "Syntax" Behandlung erfahren. a) qualitas: Die qualitas besteht in den modi und formae: a) modi: Der Terenzexeget weist auf den modus gewöhnlich dann hin, wenn ein modus für einen anderen gebraucht ist. Der Sonderfell, nicht die normale Verwendung wird kommentiert. Die Formel lautet χ pro y: Ph 516.1 CONDVPLICAVERIT subiunctivum pro indicativo, id est 'conduplicabit'. Die kurzen Noten ohne grammatische Terminologie gehen in ihrer Mehrzahl auf einen Rezensenten zurück, wie ein Doppelscholion zu An 598 erweist: 1. QVIESCAS pro 'quiesce' imperativi modi, ne iniuriosum videretur bzw. 3. QVIESCAS pro 'quiesce'. Die Termini indicativus und pronuntiativus werden wie in der ars nebeneinander verwendet. Die Bezeichnung des Fut.exact, als subiunctivus in Ph 516.1 bzw. adiunctivus in Ph 681.4 begegnet nicht in der ars, ist aber bei den antiken Grammatikern geläufig. Einen eigenen promissivus (gemeint ist das Futur als eigener Modus) erkennt Donat in der ars nicht an (p.632,10 H.), was sich gut zu der Note Hec 424 fügt: AVFVGERIM coniunctivum dicunt, promissivom.

modum posuit pro indicativo

futuro

vel, ut alii

Donat stellt aber nicht nur die Abweichung fest, er sucht sie auch zu erklären: An 381.8

148

Donat denkt an andere Artigraphen, nicht an frühere Terenzerklärer: Der t.t. ist typisch für Cominian und dessen Schüler Charisius (TOLKIEHN, Cominianus 20). Daß die Auffassung auch von anderen Grammatikern vertreten wurde, zeigt das Beispiel des Augustinus, der sich in seinen "Locutiones in Heptateuchum" dieser Terminologie bedient (Gen 17,9 tu autem testamentum meum conservabis) 'conservabis' pro 'conserva', promissivum pro imperativo modo posuit (CC 35 p.387,231). Vgl. W. Süss, Studien zur Lateinischen Bibel I. Augustine Locutiones und das Problem der lateinischen Bibelsprache, Tartu 1932,9.

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Die grammatische Analyse

INVENERIT pro 'inveniet': coniunctivom modo pro indicativo usus est. et est honesta locutio. Neben der Stilkategorie einer honesta locutio, die sich vor allem im Gebrauch einer höflichen Aufforderung im Konjunktiv statt des direkten Imperativs offenbart150, sind für ihn varietas Ph 341.4 ILLE RINGITVR TV RIDEAS varie, nam pronuntiativo coniunctivum miscuit. non dixit enim 'ringatur' sed 'ringitur' und Archaismus Ad 681 ita velim [+ Konj.]: 'velim' autem pro 'volo' antique diciturI51) die angemessenen Erläuterungen. Der umgekehrte Fall, daß (im obliquen Nebensatz) ein Indikativ statt des erwarteten Konjunktivs Verwendung findet, erweckt verständlicherweise das Interesse des grammaticus. So weist Donat An 545.1 ausdrücklich seine Leser auf den scheinbaren Regelverstoß hin, der nur Dichtern gestattet ist: CVMDABAMnos dicimus 'cum darem'. Vergilius (Aen.4,597) 'tumdecuit, cum sceptra dabas.e.d.f.q. '. Ansonsten kann er sich kurz fassen (An 422.3 < CVM> IMPETRO pro 'cum impetrem')152, begegnet doch diese Erscheinung relativ häufig, während der umgekehrte Fall eines Konjunktivs für einen Indikativ meist stilistische Fragen aufwirft, an deren Erörterung Donat besonderes Interesse zeigt. Imperative werden - abgesehen von einigen Formenbestimmungen wie Ad 940.1 LARGITOR imperativo modo temporis futuri - ausschließlich unter stilistischen Kriterien kommentiert: Imperative stellen eine direkte Aufforderung dar, die entweder durch den höflichen Konjunktiv ersetzt oder mittels einer Einschränkung sis oder sodes abgemildert werden. Letztere wird zu Recht als Archaismus bewertet: Eun 799.3

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150

151

152

Da Donat das Fut. exact.nicht als coniunctivus, sondern, wie Ph 516.1 bzw. 681.4 zeigen, als subiunctivus oder adiunctivus auffaßt, wird man auch hier subiunctivo modo herstellen. N e b e n A n 5 9 8 . 1 (s.o.) etwa Eun 3 8 8 . 2 , 8 8 4 . 5 , H e c 6 3 8 . 3 , 6 9 9 . 3 (vgl.

MOUNT-

FORD-SCHULTZ 112 s.v. 'modus coniunctivus'). Die Diagnose ist korrekt: In der Tat handelt es sich um einen gerade in der Komödie begegnenden Sprachgebrauch. Weitere Belege sind bei MOUNTFORD- SCHULTZ 113 s.v. 'modus indicativus' zusammengestellt.

Wortarten

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CAVE SIS quia imperativa verba velut contumeliosa sunt, addebant veteres 'sis', quod significai 'si vis'1".

Aus dem Bereich der Infinitive wird nur der Sonderfell des 'historischen' Infinitivs kommentiert: Eun 391.2 (TH. magnas vero agere grafías Thais mihi?) AGERE plus sonat infinitus modus finito. Die ganze Szene soll nach Donat den Charakter des großsprecherischen Miles gloriosus erhellen ( [scaena] continet autem.. .stultitiam gloriosi militis, 391.1), und unsere Note zum Auftaktvers 391 bildet nur den Anfang einer ganzen Reihe entsprechender Interpretamente, in denen aus sprachlichen Phänomenen das Ethos der Person Thraso herauspräpariert wird154. Auch in den wenigen Fällen, in denen ein impersonalis modus diskutiert wird, pflegt Donat eine Begründung zu bieten. Die gängige Erklärung (vgl. Serv.ecl.1,12 ut sit inpersonale, quod ad omnes pertinet generaliter, Serv.auct. Aen. 1,272) begegnet in An 129.3 FLETVR bene hie impersonaliter 'fietur': ab omnibus; extrema enim quaeque mortuorum omnes commovent ad lacrimas.

Fein herausgearbeitet wird die jeweilige Nuancierung in An 403 CVRABITVR non 'curabo ', sed impersonaliter cum dificúltate, quod quasi arduum est et grave, dixit

und Ad 474.2 (ignotum est, taciturn est, creditum est) et honestius impersonaliter quam 'ignovimus, tacuimus, credidimus ',

wo vom Fehltritt des jugendlichen Helden berichtet wird. β) Über die forma perfecta {lego) braucht ein Kommentator nicht zu handeln, eine meditativa (Desiderativa wie parturire Ad 488, Hec 392. 413) wird im überlieferten Corpus nicht kommentiert. Ein frequentativum wird entsprechend der Schulregel in Hec 743.7 (receptas) frequentativo usus est, quod non raro, sed frequenter receptet155 erklärt.

153

154

155

Eine ähnliche Wendung - wobei sis von den alten Senatsformeln hergeleitet wird findet sich zu Ad 511.3 'sis' honorifice additur verbo, ne, quod imperativo modo pronuntiatur, superbum sit. Entsprechend ist das Interpretament zu die sodes in An 85.1 gehalten. Vgl. BLUNDELL, Comm.S.60f., wo auch auf praef. III 3 tertius actus characterem exprimit militis verwiesen wird. Innerhalb einer parallelen Scholienkette entspricht die Nr.7 der Nr.3 et non 'recipis' sed 'receptas', einer aus Nr.7 entwickelten Kurzfassung des Typs, der oben zu An 598 kenntlich gemacht wurde. - Vgl. Serv.georg. 1,336 sane perite ait 'reeeptet', ut ex frequentativo verbo nobis ostenderet Saturnum bis ad unumquodque

62

Die grammatische Analyse

Auch Ph 4, wo die Schmähungen eines Luscius Lanuvinus von Terenz als ein dictitare bezeichnet werden, hätte Donat analog erklären können, aber er wählt eine für ihn so typische Erklärung κατ' ηάος: impudentiam ostenditper frequentativum verbum (4.1). Aus der Gruppe der Inchoativa wird an zwei Stellen ein labascere kommentiert: In Eun 178.2 LABASCIT omnia inchoativa trisyllaba fere media producta enuntiantur dient das Stichwort zu einer allgemeinen prosodischen Notiz, so wie in den SD-Scholien zu Aen.2,145 anläßlich eines miserescimus allgemein über die Bildung der Inchoativa gehandelt wird. Den Grund, auf eine sprachliche Interpretation zu verzichten, sehe ich darin, daß im Eunuchusvers labascit victus uno verbo quam cito! Terenz in Donats Augen gegen das Kriterium der 'vis propria' verstößt, wie das Scholion Ad 239.2 zeigt: proprie dixit 'labascit', ut et suam instantiam et cunctationem tarde (!) incipientis consentire monstraret. nam inchoativum verbum est, μεταφορά ab arbore significanter156 facta, quae multis succisa ictibus ferri tandem incipit in casum pendere ruinamque minarP1.

Einem Tadel an Terenzens Sprachkunst zieht Donat das Schweigen

b) genus: Wie im Falle der modi wird bei den genera nur die grammatische Ausnahme kommentiert: Transitives ruere (Ad 319.1 CETEROS RVEREM 'ruerem' activam vim habet, eine Konstruktion, die mit einem Zitat aus Sallusts Historien belegt wird), irruere (Ad 550.1 neutrum verbum quasi activum 'se irruat' bzw. [3.] cum neutrum sit

156

157

158

signum revertí (ähnlich Serv. bzw. Serv.auct.Aen. 10,383). So schreibe ich für das die Konstruktion sprengende signiftcans von C (siccante V dett.; der Archetypus bot also significante). Vgl. Hec 131.5 sienificanter fecit non addendo 'dicebat'. Das von WESSNER gedruckte minare ist grammatisch ebenso fehlerhaft wie nutare V, cod.Cuiacii. Minari wird zudem empfohlen durch eine Vergilpartie, die Donat deutlich anklingen läßt: ac veluti summis antiquum in montibus ornum/cum ferro accisam crebrisque bipennibus instant/eruere agricolae certatim, ilia usque minatur/et tremefacta comam concusso vertice nutat/volneribus donec paulatim evicta supremum/congemuit traxitque iugis avolsa ruinam (Aen.2,626ff.). Daß Donats Sprache gelegentlich Vergil-Reminiszenzen enthält, hat R. KASSEL (ZPE 12 [1973] 11 = Kl.Sehr.300) gezeigt. Servius indes enthält sich in einem entsprechenden Fall nicht eines Vorwurfes: A e n . 7 , 2 3 2 ([nec]...tantiqueabolescet gratia facti) ABOLESCET abolebitur. et usus est inchoativa forma, cum opus non esset.

Wortarten

63

'irruat', nove intulit 'se"), proruere (Eun 599) und erumpere (Eun 550)159. Die Termini activum für transitiv und neutrale!neutrum für ein Intransitivum entsprechen denen der ars (635,5fF H.). Besonders nahe an der ars bis in den sprachlichen Ausdruck hinein ist eine der beiden communia-Erklärungen formuliert: Hec 183.5 NON QVIT PATI tolerare aut tolerari, quia 'potior' commune est, nam 'potior te' et 'a te' dicimus und ars 636,3 H. communia sunt quae r littera terminantur et in duas formas cadunt, patientis et agentis, ut scrutor, criminor: dicimus enim 'scrutor te' et 'scrutor a te', 'criminor te' et 'criminor a te'. Wir dürfen also annehmen, im Hecyra-Scholion die Stimme Donats zu vernehmen160. c) In der Kategorie figura werden alle Verben als Simplicia oder composita eingeordnet. Im Terenzkommentar weist Donat häufiger auf die Erscheinung eines simplex pro composito oder die umgekehrte Stilfigur hin, die Terminologie begegnet indes nur an drei Stellen, von denen zumindest eine nicht von Donat stammt. An 499.3 RENVNTIATA nuntiata: compositum pro simplici geht auf Donat zurück. An 291.6 SEGREGES hoc verbum simplex fieri non potest teilt eine in sich geschlossene Note (Nr. 5 bei WESSNER) in zwei Hälften und ist bereits von W E S S N E R als Einsprengsel gekennzeichnet worden. Ob ein sekundärer Zusatz oder, wie ich annehme, lediglich eine Versprengung vorliegt, ist nicht zu entscheiden. An 832 DVM RES TETVLIT compositum pro simplici est 'tetulit'. et altius, quam decet comicum characterem, dictum videtur indes kann aus inhaltlichen Gründen nicht auf Donat zurückgehen: Den zweiten Teil des Scholions hatte bereits WESSNER als späteren Zusatz gekennzeichnet, denn hier wird lediglich eine echte Note zu An 808 an falschem Ort wiederholt. Aber auch der erste Teil des Scholions 832 bietet einen schweren Anstoß: tetuli wurde auch in der Antike niemals

159

160

Umgekehrt Hec 349.1 (intransitives remittent): verbum activum quasi neutrum posuit. Kürzer gefaßt ist die Note zu Eun 1062.2 commune verbum est 'conspicor'. Hier dürfte ein Rezensent eine längere Interpretation zur bloßen Definition reduziert haben.

64

Die grammatische Analyse

als compositum von ferre bestimmt, sondern als prosthesis So auch Donat in seiner ars p.660,12 H.

erklärt161.

prosthesis est appositio quaedam ad principium dictionis litterae aut syllabae, ut 'gnato'pro 'nato' et 'tetulit'pro 'tulit'.

Also ist nicht nur der zweite Teil, sondern das gesamte Scholion als ein späterer Zusatz zu bewerten. Donat verwendet nur in An 499.3 den Terminus compositum pro simplici, häufiger wird das Phänomen in einem abundat-\nterpretament erklärt, e.gr. An 508.2 ID EGO IAM TIBI RENVNTIABO ERE FVTVRVM 'RE' syliaba apud veteres interdum abundat ut modo 'renuntio '162 pro 'nuntio' et Cicero (Verr.II 2 , 1 4 9 ) 'renuntiatur

mihi'.

Das Kriterium der vetustas begegnet Hec.424.5 wieder: AVFVGERIM sie veteres, quod nos 'fiigerim'. Der Versuch, die Erscheinung in dieser Weise zu erklären, darf als signum unseres Kommentators gedeutet werden163. Servius bietet lediglich den Erklärungstyp VOX REDDITA pro 'data' (Aen. 3,40), allenfalls läßt er sich zu einem vacatlM herab oder flüchtet sich in die Erklärung et est metri causa additum (Aen. 10, 677). Häufiger belegt und kommentiert ist die umgekehrte Erscheinung eines simplex pro composito. Die Terminologie ist modern, die antiken

161

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Die betreffenden Stellen aus den Grammatici Latini sind ThLL VI 528,24ff. gesammelt. Das Kolon renuntio pro nuntio wird von WESSNER m.E. zu Unrecht als sekundärer Einschub erachtet und damit als eigenes Scholion Nr. 3 gedruckt: Bei einem ausführlichen Lemma pflegt Donat den entscheidenden Begriff in der Erklärung noch einmal aufzugreifen. Es begegnen natürlich auch kürzere Noten wie An 507.1 (referetur) pro 'feretur' (ähnlich An 827 'remitías'pro "mittas") und Ad 121 RESARCIETVR 're' abundat, aber man kann sich nicht des Verdachtes erwehren, daß hier lediglich Exzerpte des originalen Kommentars vorliegen. Donat verwendet in diesem Zusammenhang ausschließlich abundat, Servius neben gelegentlichem abundat (Aen.4,116) in der Regel vacai: Man kann die verschiedene Handschrift auch in minutis erkennen. Eine eigene Kontur zeigen auch die entsprechenden Interpretamente in den SD-Scholien: georg. 1,129 ADDIDIT aut 'ad' abundat, aut 'addidit', quia etc., wo in der Verwendung von abundare die Scholien gegenüber dem vacare des Servius Gemeinsamkeiten ebenso zeigen wie in georg.4,23, Aen.9,156 und 9,305, wo wie in An 499.3 das bei Servius nicht gebrauchte Erklärungsmuster compositum pro simplici Verwendung findet (in Aen.9,156 ist entsprechend den beiden anderen Stellen PROCVRÄTE verbum compositum id est 'curate' zu ergänzen).

Wortarten

65

Kommentatoren erklären entweder in der Kurzform χ pro y oder setzen nur das Kompositum als Lemma, dem sogleich die Erklärung mittels des Simplex folgt (Xy). In den Vergilscholien (Servius und Serv.auct.) dominiert der letztgenannte, bei Donat der ausführlichere Typus165. Anders auch als bei Servius (und den SD-Scholien) sind im Terenzkommentar die Erklärungen meist nicht auf einfaches χ pro y beschränkt, sondern in ein zusammenhängendes Interpretament eingearbeitet, sei es daß nach χ pro y die Erklärung weitergeführt wird An 142.2-3 TVLIT pro 'attuili', sed multa significai: et alias 'pertulit'...alias 'sustulit'...166, sei es daß die Interpretation in einen vollständigen Satz gegossen wird Eun 512 'manerem' modo non 'dormirem' sed 'remanerem' significai. Erklärt wird die Erscheinung in Eun 581.3 und 632.2 als ύφα,ίρεσις, die wie die dem anderen Tropus metaplasmus zugeordneten Stilfiguren metri ornatusve causa (p.660,9 H.)167 verwendet wird. Kontrollinstanz für den Gebrauch ist natürlich wie stets die in den Augen des grammaticus zeitlose Latinitas, in Donats Worten: metaplasmus est transformatio quaedam recti solutique sermonis in alteram speciem (660,8ff.H.). d) Hinsichtlich der tempora weist Donat lediglich auf Besonderheiten gegenüber der Norm hin: Eun 920.1 SPERO ME HABERE pro 'habituram'. Die Noten sind gerafft (X pro y), selten findet sich ein vollständiger Satz. Als Erklärung gilt bei grammatischen Besonderheitender Sprachgebrauch der Früheren (Ph 1.2 nota 'postquam' apud veteres non praeterito modo sed etiam praesenti tempori adiungi etc.), wo das mit

165

Dabei erscheint in zwei Interpretamenten innerhalb des Phormio, des am wenigsten von Rezensenten überarbeiteten Textes, statt pro ein entsprechendes άντί τού (Ph 189.3; 326.1). An der ersten Stelle bietet nur der cod.Cuiac. die Graeca, während die übrigen Hss. die Interpolation pro aufweisen. Man kann also nicht ausschließen, daß an einer Reihe weiterer Stellen in der Überlieferung ursprüngliches άντί τού von Rezensentenhand unterdrückt worden ist.

166

Es handelt sich in der Abfolge des Gesamtkommentars um den ersten Beleg für das Simplex ferre, ohne daß durch ein Adverb wie familiariter (An 111) oder aegre (An 137) von vornherein die exakte Bedeutungsnuance vorgegeben wäre: Donat nutzt folgerichtig die Gelegenheit, hier grundsätzlich über die semantische Vielfalt des Verbums zu handeln.

167

Servius bietet, worauf BLUNDELL zu Eun 581.3 hinweist, weit häufiger die gleiche Erklärung (MOUNTFORD-SCHULTZ verzeichnen ohne Anspruch auf Vollständigkeit zehn Belege).

66

Die grammatische Analyse

eindringlichem noto verbundene apud veteres den nicht nachzuahmenden Ausnahmecharakter der Konstruktion herausstellt. Demgegenüber wird bei einem unerwarteten Tempus im Hauptsatz eher nach stilistischen oder psychologischen Kriterien erklärt. So wird das Praesens hist, mit der damit verbundenen evápyeia temporis zusammengebracht : Eun 594.1 (sto) kvápyeia: non enim dixit 'stabam'\ Hec 174.1 RELINQVIT evápye ia praesentis temporis (wo auch eine varia lectio reliquit genannt wird); Hec 295.3 (tarnen numquam ausus sum recusare earn quam mi obtrudit pater) 'obtrudit'pro 'obtrudebat': èvàpyeia temporis; Ph 104.4 (imus venimus videmus) συντομία με τ' ëvapyeiaç. Der Terminus ist hier als "Verlebendigung" der Erzählung zu verstehen. Er begegnet seit Aristoteles häufig in der Rhetorik und in der Scholienliteratur (aber nicht im Corpus Servianum), im Drama vor allem natürlich in der Kommentierung der Botenberichte168. Donat greift hier, wie B L U N D E L L ZU Eun 594.1 ausführt, auf Interpretamente zurück, wie sie uns in den bT-Scholien zu A 163 où μέν σοί ποτβ Ισον βχω yépaç erhalten sind: ? χ ω ] αντί

του Ισχον.

èvapyoûç

δ è àirayyeXCaç

τά yeyovÓTa

ώς y ivo με va

Ά Τ Ι - a y y é k e i v ( v g l . MEIJERING 4 2 ) .

Als ein Beispiel für die psychologische Erklärung, die dem Aufweis der Sprecherabsicht gilt, sei Ad 352.3 angeführt: ET NOS COLVIT MAXIME miserabilius 'coluit' quam si diceret 'colit'. Vergilius (Aen. 9,300) per caput h(oc) i(uro), p(er) q(uod) p(ater) a(nte) s (olebat). Donat bedient sich dabei nicht mehr der Formel χ pro y, sondern spricht von (bene/mire) non χ sed y, so in dem Interpretament An 38.3 QVOD SERVIEBAS bene imperfecto tempore169, non perfecto, ut ostendat potuisse eum etiam atque etiam servire, quale est illud Vergilianum (Aen.6,113sq.)'af 'adventus '. sie et in Andria (365) 'nihil ornati, nihil tumulti'. Der Genetiv adventi galt, wiedas Andria-Beispiel zeigt, als die alte Form, die aber noch in der Sprache lebendig geblieben ist (multipliciter declinatur).- Eine verlorene Note zu Ad 870 frueti wird man aus Σ Bemb.z.St.(vefMsta declinano: senatus senati et fruetus frueti. nos enim 'fruetus' declinamus et 'huius senatus ') erschließen dürfen.

80

Die grammatische Analyse

nen Asper zurückgeführt werden. Es wird auch keine Willkür der Überlieferung sein, daß der Begriff αρχαϊσμός nur in dem Scholion fallt, das zugleich auch das kostbarste Zitat bietet. Alle anderen Interpretamente zum Archaismus gelten Pronomina: den Formen haec (An 656.1 HAE NVPTIAE legitur et 'haec nuptiae'; sie enim veteres dixerunt; Eun 582.2 'haec' pluraliter pro 'hae', ut in Phormione (1012) 'haecine erant itiones'), hisce (Eun 269.2pro 'hi' vetuste) und dem Ablativ quivis (Ad 254.3). BLUNDELL weist zu Eun 582.2 mit Recht darauf hin, daß sich bei Donat keine Spuren der bei Servius und Serv.auct. zu georg.3,305 gegebenen Erklärungen finden, daß haec als figura generis (Ntr. für Fem.) aufzufassen sei. Auch wenn bei Serv.auct. sowohl Ter.Hec 618 als auch Eun 582 in diesem Sinne interpretiert werden (veteribus enim mos fuit, ut neutra femininis iungerentur), kann das Vergil-Scholion nicht auf Donat zurückgehen, da der Terenzkommentator die Form haec als Femininum deutet. Der Genetiv Plural nostrarum/vestrarum gilt als αρχαϊσμός für nostrum/vestrum (Eun 677. Hec 216.240.1), wie auch die Form compluria (Ph 611.1-2), die nichtsdestoweniger secundum regulam gebildet sei. Das Kriterium Archaismus dient hier nicht als Erklärung für eine sprachliche Lizenz, sondern der Sprachgebrauch der veteres entspricht in diesem Fall der Regel210. Daß bisweilen nur die alte Form der korrekten Flexionsbildung entspricht, bekundet Donat in seiner Erklärung des Genetivs nulli consili (An 608.3): nos 'nullius' et 'solius', recte autem veteres 'nullus' 'nulli' et 'solus' 'soli' declinabanΖ211. Soweit ich sehe, erklärt kein anderer römischer Grammatiker ausdrücklich allein die Form nulli als regulär und nullius als (durch consuetudo) eingebürgerte Lizenz212.

210

STEPHANUS' Aufteilung mit Lemmaergänzung ist also verfehlt (die Note ist ausführlich S.89f. behandelt). 21 ' D e m scheint zunächst das Interpretament Eun 1004 zu widersprechen MIHI SOLAE RIDICVLO F.:'solae': regulariter dicitur 'soli', nam recte; 'solae' antique, ut alibi (Haut 271sq.) 'alterne dum n.,f.a. '. Es liegt aber, wie schon an dem nach regulariter unverständlichen nam recte (es kann jeweils nur die gleiche Form gemeint sein) zu erkennen ist, ein Überlieferungsfehler vor: Wir haben zu schreiben: 'solae' regulariter dicitur, 'soli', nam recte'solae': antique etc. 212

Vgl. Char.p. 142,8 B.; Mar.Victorin.gramm.72,1 M.; Prise.II 227,13; III 7,5.

Flexionslehre

81

2. Konjugation Wie im Falle der Nomina ist Donat nur an Aufweis und Erklärung ungewöhnlicher Formen interessiert: Diese werden, wenn das Verbum an sich unbekannt ist, entsprechend den Artes von einer finiten Form des Praesens abgeleitet (Ad 934.2 INEPTIS verbum est, quod facit 'ineptio', 'ineptis', 'ineptit")2xi. Falls nur eine Form ungewöhnlich ist, wird diese ohne Ableitung lediglich bestimmt: Ad 696.2 [BONO ANIMO ES] et114 'es' modi imperativi est temporis praesentis, nam 'esto' futuri est; Ad 940.1 LARGITOR imperativo modo temporis futuri. Erklärungsbedürftig sind auch alle Defektiva: salve (An 267.2 SALVE difficile est invenire aliud verbum quod sic declinetur: 'salve'215 et 'sálvete', quippe huius verbi per modos rara est declinatio), cedo (An 383.1 'cedo' singularis numerus est, 'cette' pluralis) und odisse (Eun 40.2 quia 'odere' non est Latinum infinitivo [infinito K] modo). Anläßlich eines scibis in Eun 805 bemerkt Donat, daß die Formen scies und scibis in der dritten Konjugation zulässig seien ([3.] et 'scies' et 'scibis' dicitur per productionem tertiae coniugationis), was durch Cledonius (GL V 18,26) ausdrücklich bestätigt wird. Dabei entspricht Donats dicitur dem apparet utramque esse regulam des Cledonius, ein Kriterium, das Donat namentlich nur im Bereich der Nominalflexion verwendet. Nicht der regula entspricht der Gebrauch von fervere als Verbum der dritten Konjugation: Ad 534.1 CVM FERVIT MAXIME tertia coniugatione dixit, unde et fervere dicitur correpta media syliaba. In seiner ars hatte Donat fervere als Barbarismus per inmutationem temporis gerügt (ut [Verg.Aen. 8,677] 'fervere Leucaten', cum fervere sit secundae coniugationis et producte dici debeat [p.654,2 H.]), so daß dicitur im Terenzscholion nicht als consuetudo der Zeit Donats, sondern

213

In An 167.2 (confore) ab eo quod est 'confit'...futurum tempus infinitivi modi 'confore' facit verständlicherweise von der 3.Person.

214

Et wurde von WESSNER zu Unrecht getilgt: Als sekundärer Einsatz ist m . E . vielmehr das Lemma zu bewerten, das bei V und den dett. nicht überliefert ist. Mit et wird, w i e bei Donat üblich, eine zweite Note ohne Lemmaeinsatz und ohne vorhergehendes Interpretament, das das Lemma trägt, angeschlossen. Wenn a l l e Hss. et bieten, ist das zweite Lemma des e i n e n Hss.-Zweiges interpoliert. SCHOPENS von WESSNER akzeptierte Ergänzung salve scheint unnötig.

2,5

82

Die grammatische Analyse

im Sinne von ab auctoribus bonis dicitur aufzufassen ist216. Eines Barbarismus macht sich lediglich ein Schüler, nicht der verehrte Komödiendichter schuldig, dessen Gebrauch von fervere, wie bei Quint.inst.1,6,7 und Serv.auct. Aen.8,677 zu lesen ist, ansonsten eher als Archaismus erklärt wurde. Eine Erklärung "Archaismus" begegnet innerhalb der Flexionslehre des Verbums in fünf Scholien. Die Zahl erscheint in Anbetracht der Tatsache, daß überhaupt nur knapp zwanzig relevante Scholien erhalten sind, nicht unbedeutend. a) An 188.6 SIVI antique, aliter in Adelphis (104) 'non siit egestas facere nos'. b) An 653.2 CVM PATRE ALTERCASTI legitur et 'altercatus es ', non enim 'alterco ' dicimus. c) Ad 27.3 IERANT 'ierant' producta pronuntiandum, quod nos addita V 'iverant' dicimus. tale est illud Vergilii (Aen.2,25) 'nos abiisse rati et vento petiisse Mycenas '. d) Ad 482.3 HVNC ABDVCE ut (Verg.Aen.il,463) 'tu, Voluse, armari Volscorum edice maniplis '; nam postea E littera huiusmodi verbis ablata. e) Hec 572 (non quita est): ab activo 'queo' passivum facit 'queor' et inde participium 'quita est', sed antique dixit. Das Stichwort fällt nur zweimal, zweimal wird der Archaismus von seiner Gegeninstanz, dem modernen Sprachgebrauch (dicimus) her beschrieben. Ad 482.3 bildet von der Beschreibung her einen Sonderfall, der aber im Gegenstand selbst seine Ursache hat, denn (ab)duce ist an und für sich die sprachlich der Regel für die Bildung des Imperativs entsprechende Form, während deren apokopiertes Gegenstück einen Verstoß gegen die Analogie darstellt. Donat verzichtet also mit gutem Grund auf den üblichen Beschreibungstypus und erklärt allein den sprachgeschichtlichen Hintergrund.

C. Syntax 1. Kongruenz Ein in der römischen Schulgrammatik oft ausgeführtes Problem ist das des Numeruswechsels bei Verbindungen wie absente nobis, der z.B.

216

Es ist aber nicht auszuschließen, daß ein Überlieferungsfehler vorliegt: unde et fervere dicit Vr correpta media syliaba.

Syntax

83

in Eun 649 vorliegt. Während Nonius (76,15) lediglich pro 'absentibus glossiert, Arusianus Messius keine Erklärung bietet (33 DELLA CASA) und Priscian ein auf mehrere Personen bezogenes eine μοι vergleicht (III 304,8), bietet Donat einen ausführlichen Erklärungsversuch:

nobis'

1. NESCIO QVID PROFECTO ABSENTE NOBIS TVRBATVM EST DOMI aut subdistinguendum et subaudiendum 'me', aut αρχαϊσμός est figura 'absente nobis' pro 'absentibus nobis'. Pomponius in Ergastilo (frg.2 R 2 ) 'praesente amicis inter cenam d.o. '; Varrò in Marcello (frg.47 FUN.) 'id praesente legatis omnibus exercitu pronuntiat'. 2. 'Absente nobis ' cum dicit, propraepositioneponit 'absente', ut si diceret (Sali.lug. 9,4) 'coram amicis'211.

Die beiden Scholien schließen einander aus. Im ersten vernehmen wir Donats vorsichtig abwägende Stimme. Kennzeichnend ist die Zurückfüihrung der Besonderheit auf den Sprachgebrauch der veteres in Form der Erklärung einer figura. Auch die entlegenen, ansonsten unbekannten Belege zeigen den wissenschaftlichen Charakter der Kommentierung. Im zweiten Scholion spricht ohne jeden Zweifel ein Schulmeister, der nach der Analogie von coram + Abi. absente als Praeposition erachtet. Auch sein exegetisches Vokabular verrät fremden Zungenschlag: Pro praepositione ponit ist Donat ebenso fremd wie ein ut

217 2,8

Von den bisherigen Donat- und Sallust-Herausgebern nicht als Zitat gebucht. Ebenso lassen sich zwei weitere Doppelscholien verschiedenen Verfassern zuweisen: (a) In An 250 bezieht sich ea auf ein Neutrum monstrum. Das Scholion Nr.2 et mutavit genus dicendo 'ea', quod femina est. sic in Eunuche (695sq.) 'taces? monstrum h.,n.d. ?' gehört Donat, während Nr.3 (erneutes Lemma) dum 'monstrum ' dixerat, 'ea ' subiunxit tamquam non verbis sed sententiae serviens trotz der Rhythmisierung einem Schulgrammatiker zu geben ist, der lediglich die Regel repetiert. (Donat hätte im übrigen cum dixisset...intulit formuliert; vgl. An 627.1; Eun 3 oder auch An 650.2 cum...praetulerit...debuit inferre). (b) Eun 168 2. varie 'euruichum' dixit et intulit 'his' ut (Eun 1-3) etc. bzw. 6 (mit erneutem Lemmaeinsatz) nota, cum 'eunuchum' singulari numero praeposuerit, 'his ' subiunxisse (hieran schließt sich unmittelbar ein wiederum von einem anderen Verfasser stammendes Scholion Nr.7 an: sed 'his' non ad eunuchum rettulit, sed ad delicias aut quid tale etc.). Schon das (allerdings auch gelegentlich bei Donat selbst begegnende) nota zeigt die für den elementaren Lektüreunterricht bestimmte Interpretation; der Terminus subiungere, den Donat in unserem Zusammenhang nicht gebraucht, begegnet auch in der soeben als unechtes Alternativscholion gekennzeichneten Note An 250.3. Hier vernehmen wir wiederum den gleichen Rezensenten. Andererseits entspricht Nr.2 in Diktion und Eunuchuszitat An 627.1 und Eun 3 selbst: Diese Noten gehören also Donat.

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Die grammatische Analyse

Überblickt man die zitierten und hier nicht aufgeführten Interpretamente zur Kongruenzlehre, wird man einer einheitlichen Erklärungsweise gewahr werden: Der Sprachgebrauch der veteres (Eun 649.1; Ad 634.2) und die varietas (Eun 168.2) werden angeführt, es wird beobachtet, daß Terenz more suo (Eun 226.1 [vgl. Σ Bemb.Haut 393]) Numeruswechsel vornimmt, und dementsprechend wird der Terenztext nahezu ausschließlich mit Beispielen aus Terenz selbst erklärt. Die sprachlogische Erklärung (rede) begegnet ausdrücklich Ad 634.1 und indirekt nur noch in Eun 302.2 (senium - qui) declinationem ad intellectum rettulit. Donats Bestreben zielt weniger auf das Einüben einheitlicher grammatischer Regeln als vielmehr darauf, Besonderheiten im Ausdruck hervorzuheben und aus dem Sprachgebrauch des Dichters heraus zu erklären.

2. Kasuslehre Anlaß zu Interpretationen gibt auch hier ein von der Norm abweichender Sprachgebrauch, wie etwa die Konstruktion von potiri mit dem Akkusativ in Ad 871 PATRIA POTITVR COMMODA accusativo casu extulit, quod nos séptimo casu dicimus, id est 'patriopotitur commodo'. Accius in Clytemestra (frg.9 R2) 'seras potiuntur piagas '. Die Erscheinung wird unter Anwendung der grammatischen Terminologie exakt beschrieben und durch ein passendes Zitat belegt219. Das Erklärungskriterium, das in dieser Note nur indirekt in extulit - nos dicimus und dem Accius-Zitat zum Ausdruck kommt, ist das des Archaismus: άρχαίως heißt es An 106.3 METVIA CHRYSIDE, und eine antiqua locutio nennt Donat die Konstruktion illam rem celo te in Hec 530.4. Um die selbst in einfachen grammatischen Definitionen sich zeigende Eigenart Donats zu veranschaulichen, sei ein entsprechendes Scholion aus Servius angeführt (Aen.3,278):

219

Wenn wie im Falle von auctor + Dativ in Ad 671 kein entsprechender Beleg existiert (lt. ThLL II 1201,22ff. erst Cic.Att.8,3,3), verweist Donat auf eine analoge Konstruktion, so auf die von Imperator bei Sall.Iug.7,4 (Ad 671.3). Ähnlich Eun 274.6 falsus animi, wo die Konstruktion erst wieder bei Silius und Apuleius nachgewiesen werden kann (ThLL VI l,192,26ff.): Donat führt Konstruktionen wie ingens virium, dives opum und abundans lactis an.

Syntax

85

TELLVRE POTITI 'potior' et 'illa re' dicimus et 'illius rei': sed per septimum casum in usu est, per genetivum figurate ponitur. Sallustius ( l u g . 2 5 , 1 0 ) 'utprius quam legatos conveniret Adherbalispotiretur'. legimus et per accusativum sed uti non possumus: Terentius (Ad 871) 'patria potitur commoda '.

Donat kommentiert anläßlich einer Ausnahme, Servius anläßlich des Regelfalls: Donat bietet eine Deskription des Phänomens, Servius eine präskriptive Anweisung (uti non possumus). Donat führt ein ansonsten nicht belegtes Beispiel aus Accius an, Servius gängige Schulautoren {legimus). Kurz, Donat schreibt für ein wissenschaftlich vorgebildetes Publikum, sein Medium ist modern gesprochen das des wissenschaftlichen Kommentars, Servius richtet sich an jüngere Schüler, die zum ersten Mal mit Dichterlektüre in Berührung kommen. Er ist Verfasser eines Schulkommentars220. Im Rahmen der Kasuslehre wurde oben als Erklärungstypus bei Donat die reine Deskription mit dem Kriterium des Archaismus221 nebst einem erläuternden Zitat angeführt. Dieser immer wiederkehrende Typus (vgl. etwa Eun 17; 274.6; Ph 947) begegnet auch (ohne Zitat) in dem Doppelscholion zu An 614: 1. NEC QVID NVNC 'me' addebant

ME FACIAM

2. et nota

'faciam

S. nos

'quid faciam',

'222 ablativo

veteres

autem

casu.

Beide Noten können nicht auf den gleichen Kommentar zurückgeführt werden. Die erste entspricht dem für Donat aufgezeigten Erklärungsschema, die zweite gehört einem Schulmeister, dessen erhobenen Zeigefinger man in nota noch erahnen kann. Donat hätte im übrigen auch in Bezug auf einen Instrumentalis vom septimus casus und nicht vom ablativus (bei Präposition) gesprochen. Das gleiche für Donat falsch klingende ablativo begegnet in dem bereits in Anm.222 zitierten nota-

220

221

222

Die gleiche, sich immer wieder zeigende unterschiedliche Ausrichtung wird auch in zwei entsprechenden Noten zur Konstruktion nomen mihi est Cicero deutlich: Hec.1.2 HECYRA EST H(VIC) N(OMEN) F(ABVLAE) nominativo casu figuravit, cum in usu sit, ut dativo dicamus. quamvis praesto sint exempta, quibus veteres per omnes fere casus hoc genus locutionis enuntiabant und im Gegensatz dazu Serv.Aen. 1,267 dicimus autem 'et nomen mihi est Cicero' ut 'Hecyra est huic nomen fabulae' et 'Ciceronis'... et 'Ciceronem', ... melius tarnen est dativo uti. Bisweilen in Verbindung mit einer Erklärung figura wie in Eun 274.6 (falsus + Gen.) άντίπτωσις verbunden: Nominativo casu fieuravit heißt es in Hec 1.2 (s. vorherige Anm.), jeweils aber auch in Verbindung mit dem Stichwort veteres. So dürfte entsprechend Ph 282.2 et nota 'functus officium' accusativo casu, quod nos ablativo zu ergänzen sein. WESSNER liest mit STEPHANUS < cum > abl. c.

86

Die grammatische Analyse

Scholion, so daß wir hier zumindest von einer kürzenden Umschrift der originalen Note auszugehen haben. Auch das dritte kurze mit nota eingeleitete Scholion wird allenfalls nur mittelbar auf Donat zurückgehen: Hec 800.2 DESEDI DIEM nota accusativo casu usum esse. In keinem der aus nur einem Satz bestehenden noto-Scholien wird ein Zitat geboten, was die Annahme zwingend macht, daß man in diesen Fällen von stark überarbeiteten Interpretamenten auszugehen hat.

Anhang: Orthographie und Phonetik Innerhalb des Gebäudes der Grammatik hatte nach antiker Auffassung die Orthographie ihren festen Platz. Schon bei Plinius und Quintilian bildete sie neben der Wortwahl und Flexionslehre eine dritte Säule der Sprachrichtigkeit 223 . In den Artes werden die Verstöße als Barbarismen gebranntmarkt, die man im Rahmen einer korrekten Schriftlichkeit (in scriptu) behandelte; "falsche" Schreibungen bei den Dichtern indes werden mit dem Kriterium (metaplasmus)...metri ornatusve causa (Don. ars p.660,8 H.; vgl. p.653,2) gerechtfertigt. Ein von Donat selbst in seiner ars besprochener Fall ist die Doppelung eines Konsonanten in Verg.Aen.1,30 'relliquias Danaum', cum 'reliquias' per unum L dicere debeamus (653,8 H.; als metaplasmus p.661,1 H. gewertet). Jeder römische Schüler kannte dieses klassische Beispiel, und Donat braucht anläßlich der Kommentierung eines rellatum lediglich diesen Beleg anzuführen, um das Problem an sich zu veranschaulichen: geminavit L, ut 'relliquias Danaum' (Ph 21.3). Auf eine genauere Einzelbegründung wie sie Servius z.St. mit ut stet versus geminavitL, nam in prosa 'reliquias ' dicimus bietet, kann Donat verzichten, da die Begründung schon im auctorialen Vergilbeleg mitgegeben ist. Vollends enthält sich Donat einer bei Servius im Begründungssatz mitschwingenden präskriptiven Sprachbeschreibung. Wenn aber keine metrische Trivialität zu Grunde liegt, bedarf es einer ausführlichen Erläuterung wie zu Hec 22 PROPE IAM REMMOTVM (die Terenz-Hss. bieten remotum): geminavit

(add. S T E P H . ) secundum antiguos, qui omnes in verbis liquidas duplicabant.

223

dub.serm.frg. 125sqq. DELLA CASA bzw. inst. 1 , 5 ; vgl. und SIEBENBORN 36FF., insb.42ff.

BARWICK,

Remmius 228

Anhang: Orthographie und Phonetik

87

Kriterium ist hier der αρχαϊσμός, der auch in Hec 83.3 angeführt wird: SYRA

'Sura'

veteres

legerunt,

< V>

pro

ponentes,

ut

'Mu-

sis ', 'Surus '.

Donat hatte offensichtlich einen Text vor Augen, der Syra bot und der am Rande wohl mit einer adnotatio über die ursprüngliche Graphie versehen war. Auf jeden Fall handelt es sich um eine diorthotische, nicht um eine "antiquarische" Note. Wenn der Wortlaut dieses Scholions etwas unklar erscheint, so wird man dies dem gerade die entscheidenden textkritischen Informationen wegschneidenden Bearbeiter zuzurechnen haben224. Gekürzt wurde eine ursprüngliche Note wahrscheinlich auch in Ph 36.2 HERI AD ME VENITpropter unt antiqui

cognationem

et 'here' et 'heri' dicere

E et I litterarum

non

dubitaver-

et 'mane' et 'mani' et 'vespere'

et

'vesperi',

wo aus Quintilian inst. 1,7,22 'here ' nunc e littera terminamus. rno 'heri ad me

at veterum comicorum

adhuc libris

inve-

venit'

und Charisius 'heri' Te rendus in Phormione (36) < 'heri ad me venit' >. Cicero quoque Tusculanarum libro II (5,15) 'et heri feci', quidam 'here' putant dici debere

(260,11 Β.) ein weggeschnittener einleitender Satz zur Überlieferung erschlossen werden kann. Wie zumindest der Eingang einer diorthotischen Note zur Orthographie im ursprünglichen Kommentar ausgesehen hat, vermag Ph 330.3 zu veranschaulichen: QVIA NON RETE ACCIPITRITENDITVR Ν littera cum D communionem.

legitur et 'tennitur': habet

enim

Donat bietet wie in Ph 36.2 auf der Basis seines phonetischen Wissens eine Erklärung für die Entstehung der Variante. Ob und wie er entschieden hat, läßt sich nicht mehr erschließen. Sprachgeschichtliche Kenntnisse läßt der Kommentator auch bei der Kommentierung des Lehnwortes thesaurus einfließen (Eun 10.1): 'thesaurum ' Latini veteres secundum Graecos sine Ν littera proferebant. Die Qualität dieser Note erhellt erst ein Vergleich mit Servius Aen. 1,359 hoc nomen η non habet, sicut 'Atlas ', 'gigas '... licet in obliquis casibus inveniatur. Eine Donat entsprechende Bemerkung findet sich nicht einmal in den erhaltenen Spezialabhandlungen zur Orthographie. Ps.224

In diesem Sinne auch ZETZEL, Textual Criticism 160.

88

Die grammatische Analyse

Caper etwa schreibt lediglich vor thesaurum sine η scribendum, non thensaurum et cetera (VII 93,6). Zusammenfassend ergibt sich der Befund, daß Donat orthographische Fragen nach dem gleichen Kriterium wie die übrigen Sparten der Grammatik behandelt: Verwiesen wird in der Mehrzahl der Noten auf den Gebrauch der veteres, der Befund beschrieben und erklärt; verzichtet wird auf eine präskriptive Attitüde, wie sie für Servius auch in diesem Bereich so kennzeichnend ist225.

D. Die Kriterien der grammatischen

Analyse

Als übliche Erklärung für Ausnahmen in den Bereichen genera dicendi, Flexionslehre, Syntax und Orthographie haben wir den αρχαϊσμός kennengelernt, was nicht verwundert, ist doch der zu erklärende Dichter selbst ein vetus comicus. Donat belegt seine Interpretationen meist mit einem Beispiel, in der Regel aus Terenz selbst oder anderen Komikern (bisweilen Lucilius), gelegentlich aber auch aus einem anerkannten Stilisten wie Cicero, Sallust und Vergil. Wir können somit neben der vetustas noch eine zweite Norm der Latinitas fassen, die auctoritas. Zuweilen allerdings vertreten die anerkannten Stilisten der "klassischen Epoche" zugleich die vetustas, was für einen Erklärer des 4. Jh.s verständlich ist. So wird etwa Vergil unter die veteres gereiht, aber in der Regel werden Vergilbelege nicht als Archaismus eingeführt 226 . Weitere Kriterien können wir aus einer zahlenmäßig kleinen, bisher noch nicht behandelten Gruppe von Interpretamenten gewinnen: An einer einzigen Stelle wird Terenz (scheinbar) eines grammatischen Regelverstoßes bezichtigt:

225

Auch wenn einmal über eine regula gehandelt wird, befinden wir uns im Bereich gelehrter Diskussion: Die Ausführungen zum konsonantischen u bei Davus (An 173.4 'Dauus' ut ree te scribatur, 'Dauos' scribendum est, quia nulla litte ra vocalis geminata unam syllabam facit. sed quia ambiguitas vitanda est nominativi singularis et accusativi pluralis, necessario pro hac regula digamma utimur et scribimus Dapus ser fus corpus) sind Reflex der durch die Schreibreform des Claudius (Suet.Claud. 41,3) initiierten und seit Cornutus (frg.8 M . ) von den Grammatikern aufgegriffenen Diskussion (vgl. F.BÜCHELER, De Ti.Claudio Caesare grammatico = Kl.Schr.I 4ff., TH.BIRT, Beiträge zur lateinischen Grammatik III: Sprach man avrum oder aurum?, RhM 52 (1897) Ergänzungsheft 36f. und AISTERMANN 90ff.).

226

Ähnliche Tendenzen hat BARWICK bei Charisius nachgewiesen (Remmius 215).

Die Kriterien der grammatischen Analyse

89

An 74.3 DVRITER contra rationem regulae: 'dure' ab eo quod est 'durus' dicere debuit. tarnen (et tarnen TCK) est differentia: est enim 'duriter' sine sensu laboris, 'dure' autem crudeliter; illud ad laborem, hoc ad saevitiam relatum est227. Terenz verstößt gegen die Regel der Analogisten, daß ein Adjektiv mit dem Dativ auf -o ein Adverb auf -e zu bilden habe. In seiner ars erklärt Donat diese Erscheinung mit der auctoritas: contra quam regulam multa saepius usurpavit auctoritas...quaedam (sc. adverbia) contra faciunt, ut huic duro non dure, sed duriter (p.641,4 H.)228. Anders als ein Schulgrammatiker ist der Terenzinterpret vor die Aufgabe gestellt, den Gründen für den "Verstoß" nachzugehen. Zwei Erklärungen werden genannt: 1. Terenz habe mit der Form duriter einen exakteren, dem Kontext angemesseneren Ausdruck gewonnen (Wahrung der proprietas hinsichtlich der differentia [Ad 74.3]). 2. Der Dichter erlaube sich die Lizenz um der Abwechslung willen (Ad 45.4 variavit ut in Andria\ an beiden Stellen parce ac duriter). Die variatio aber gehört zu den Kriterien, die den bewußt gestaltenden Sprachkünstler auszeichnen. Die genannten Kriterien der proprietas und der variatio gehören dem Bereich der Lexik und Stilistik an und werden nur an dieser Stelle im Rahmen grammatischer Probleme eingebracht229. Der Begriff regula begegnet nur wenige Male im Terenzkommentar. Daß er eher einer Schulgrammatik als einem exegetischen Werk Donats zukommt, veranschaulicht ein Doppelscholion zu Ph 611: [1.] COMPLVRIA secundum regulam locutus est, nam 'hoc complure' et 'haec compluria '. [2.] sic veteres, quod nostri dempta syliaba 'complura' dicunt. sie et Cato Originum V (I f r g . 2 4 P. = 2 3 J. = 2 4 SCHR.) 'fana in

227

228

229

Ein zweites Scholion ([4.] sed (!) dure in alterum, 'duriter' in nos aliquidfaeimus) gehört einem Überarbeiter. Die Echtheit der ersten differentia-Nole wird durch Ad 45.3 'duriter' ad laborem referendum est sogar für die sprachliche Ausformung gesichert (vgl. auch Ad 662 DVRITER non 'dure' id est crudeliter). Die zweite Note gibt mit anderen Worten und in kürzerer Form die gleiche differentia und dürfte somit nur mittelbar auf Donat zurückgehen. Servius erklärt: nam Terentius ait 'duriter', cum 'dure' dicere debuerit et Virgilius 'lugubre', cum 'lugubriter' recte dicamus (IV 439,11). Es scheint mir zwingend, daß Servius hier den Terenzkommentar des Donat ausgeschrieben hat, bezeichnenderweise aber die differentia-EMämng unberücksichtigt ließ. Eine dritte, der variatio nahekommende Erklärung ( vocalitatis causa) wird zw falso An 505.2 angeführt (s. unten S.91).

90

Die grammatische Analyse

eo loco compluria' et Cicero in Protagora (frg.5 M.u.G.) 'confirmandi genera compluria'. credo quia veteres 'hocplure', non 'hocplus' dicebant. Das zweite Scholion mit den seltenen Belegen und dem für Donai so kennzeichnenden, vorsichtigen Erklärungsversuch in der 1. Person gehört Donat, Nr. 1 stellt lediglich eine für den Elementarschüler raffende Zusammenfassung der originalen Note dar. Damit aber verbleiben als einzige Belege für regula neben An 74.3 noch Ad 254.3 (abs quivis homine) et 'qui' secundum regulam dixit etc. und Eun 1004 (regulariter in Bezug auf den Dativ solae/soli)230. Ein Prinzip der Sprachrichtigkeit, das der regula entspricht, ist die ratio. Der Begriff fallt im Kommentar viermal, einmal in der Verbindung contra rationem regulae in der oben behandelten Note An 74.3, ansonsten aber stets in Abgrenzung von der consuetudo. dem Sprachgebrauch der Gebildeten (Quint, inst. 1,6,45 consensus eruditorum)231. Die exegetische Formel lautet stets consuetudine (magis) quam ratione, z.B. An 187.2 'antehac'pro 'ante haec' consuetudine quam ratione dicitur. Donat spricht hier ebenso wie zu An 315.1 ADEON AD ILLVM consuetudine magis quam ratione dicitur; unum enim abundat von einer in seiner Zeit geläufigen Erscheinung (dicitur) und verzichtet deshalb auf einen die Diagnose sichernden Beleg. Anders in An 484.1, wo die Lizenz mit dixit als unüblich dargestellt und die Erscheinung mit einem Lucilius-Zitat illustriert wird: (dari bibere) consuetudine quam ratione dixit pro 'date ei potionem'. Lucilius in quinto (frg.24 M.) 'da bibere summo'. Der Kommentator bezeichnet diese Konstruktion nicht als Archaismus, sondern als eine in der Frühzeit geläufigen Ausdrucksweise (consuetudo). In einem zweiten Scholion führt ein Schulmeister die Regel vor:

230

231

Dazu findet noch ein pro hac regula im Rahmen einer Note zur Orthographie Verwendung (An 173.4; s. Anm.225). In Hec 770.2 (noster ~ meus als Ausdruck der Schmeichelei) erscheint neben consuetudo statt ratio ein integritas. Der Begriff ist ansonsten in der Scholienliteratur nicht belegt, sehr wohl aber bei Cicero (etwa Brut. 132 incorrupta ... Latini sermonis integritas).

Die Kriterien der grammatischen Analyse

91

2. DARIBIBERE < ***> nam duo verba iniuncta nullum habent significatum sine nomine aut pronomine, ut si dicas 'die facere'232.

Donat beschreibt das Phänomen kurz aber präzise unter Verwendung der Kriterien der Latinitas, der Verfasser des zweiten Scholion trägt die Schulregel pedantisch nach. Der Charakter von Donats Sprachbeschreibung tritt noch deutlicher hervor, wenn man eine entsprechende präskriptive Note des Servius vergleicht: ...unde 'da bibere' usus (Donat würde von consuetudo sprechen) invenit, quod facere non debemus. ne duo verba iungamus, nisi in poemate (Aen. 1,319).

In den Bereich der consuetudo fällt auch ein Scholion zur vocalitas. mit der die Abweichung der consuetudo von der regula erklärt wird: Impetratum est a consuetudine, /•e/233(Cic.orat. 157).

ut peccare

suavitatis

causa

lice-

Der bekannteste, in den Artes behandelte Fall ist der der Bildung des Adverbs auf -o, der Donat gelegentlich eines falso diese Note widmet: vocalitatis causa sic dixit, ut 'sedulo' 'optato' 'certo', quam 'false' 'sedule' 'optate' 'certe' (An 505.2).

Das griechische Pendant ώφωνία wird von Donat im Bereich der Grammatik nicht verwendet, sondern fällt ausschließlich innerhalb der stilistischen Diagnose, in der jeweils die Überlegenheit einer von Terenz gewählten sprachlichen Fassung herausgestellt wird234. Die hier zu erkennende terminologische Differenzierung zwischen vocalitas im grammatischen Bereich der Flexionslehre und βύφωνία im Bereich stilistischer oder rein klanglicher Phänomene (Adelphoe statt Fratres\ Ad praef.I 1) scheint von anderen Grammatikern nicht so streng durchgehalten zu sein235.

232

233

234

Nam unmittelbar an das erste Scholion anzugliedern, wie KARSTEN in seiner Ausgabe vorschlug, verbietet sich. Bei Donat hat mit dem Zitat eine Note ihren Abschluß gefunden. "Die consuetudo erwirkt von der ratio, d.h. der Analogie, die Erlaubnis, die falsche, aber wohlklingende Form zu brauchen" (KROLL z.St.). So in Eun 1065.1 (alium), wo ein aliarti quaerebam einen Verstoß gegen die ίύφωVI'a darstelle (daneben Eun 554.4 und Ad praef.il). Die Stellen aus Donat sind bei B L U N D E L L ZU E u n 5 5 4 . 4 b e s p r o c h e n .

235

Vgl. etwa Quint.inst. 1,5,4...vocalitas, quae βύφωνία dicitur: cuius in eo dilectus est ut inter duo quae idem significant ac tantundem valent quod melius sonet malis.Eine Vielzahl von Stellen ist bei C.HEUER, De praeeeptis Romanorum euphonicis, Diss. Jena 1909 und J.S.TH.HANSSEN, Remarks on Euphony-Cacophony, and the Language of Virgil, SO 22 (1942) 80-106 zusammengestellt.

Die grammatische Analyse

92

Dem Aufweis grammatischer Besonderheiten sind auch die drei Noten zu syntaktischen Gräzismen zuzurechnen: 1) An 204.5 NIHIL ME FALLISfiguraελληνισμός: ουδέν με λανόάνοις àv [6.] FALLIS lates, ut sit: ουδέν με λέληΰας [7.] NIHIL ME FALLIS 'nihil' pro [etiamj 'non'236. 2) An 543 AH NE ME OBSECRA τω ελληνισμό? (Men.An.frg.44 K.-Th.) μη λιτάνευε, μή μάχου231. pro 'ne obsecres'23S. Wenn zu An 868 NE SAEVI TANTO OPERE 'ne' imperativo magis quam coniunctivo adiungitur, ut Vergilius (Aen.6,544) 'ne saevi, magna sacerdos' die gleiche grammatische Erscheinung auf andere Weise erklärt wird (Servius z.St. spricht von einem Archaismus), darf man davon ausgehen, daß das ελληνισμός-Interpretament An 543 den Scholien zu An 204 entspricht, daß also ne obsecra im griechischen Original in irgendeiner Form eine sprachlich-syntaktische Entsprechung besessen hat239. 3) Ad 491.3 VOBIS DECET Graece dixit: ύμίν πρέπει. Alle drei Noten sind nach dem gleichen Schema gebaut: Auf die knappe Diagnose eines syntaktischen Gräzismus folgt unmittelbar das griechische Konstruktionsbeispiel. Eine nochmalige Aufschlüsselung, wie sie in An 204.6 und An 543.2 vorliegt, gehört nicht dem Donai240. Daß aber das Kriterium des ελληνισμός vom Exegeten lediglich dreimal erwähnt wird, hat seine Ursache in der Sprachkunst des Dichters selbst. Diese Tatsache hat Donat seinen Schülern vermittelt, wie uns Hieronymus bezeugt: hanc esse régulant boni interpretis, ut ιδιώματα linguae alterius suae linguae exprimat proprietate. Quod ... fecisse convincimus et Plautum,

236

Vorangegangen war das eigentliche Menander-Zitat: 4. NIHIL ME FALLIS: id est non te ignoro, non me decipis. sic Menander (frg.33 K.-Th.) 'VÛV 6' ού λέΚηΰάς

237

Es handelt sich um die für Grammatiker typische Form der Erklärung mittels eines tatsächlichen Synonyms und des Paradebeispiels (μη μάχου), so daß der Exeget nicht mehr auf die Regel selbst eingehen muß. Den Versuch von JACOBS, aus der Überlieferung MNM COR (A; < * * * > cett.: om.B) ein Menander zu gewinnen, hat man also mit Recht aufgegeben. Im übrigen pflegt Donat bei griechischen Autoren erst den Namen des Dichters, dann das Zitat zu bringen. Ich habe das Scholion abgetrennt, weil, wie aus den vorangehenden Beispielen zu ersehen, eine nochmalige Aufschlüsselung nach den Graeca nicht nur nachhinkt, sondern gegen die Kommentierungstechnik verstößt. Dies trotz der bei K.-Th. vorgetragenen Bedenken (ad frg.44).

μί ο:ν'.

238

239 240

A n 2 0 4 . 6 ist j a sicher verkürzte Dublette v o n 2 0 6 . 4 .

Die Kriterien der grammatischen Analyse

93

Terentium Caeciliumque...in Graecis comoediis transferendis (epist. 106,3 [CSEL 55,250,3]). Der den bisher behandelten Kriterien übergeordnete Begriff der Latinitas findet sich bei Donat niemals in präskriptiver Funktion, sondern steht ausnahmslos im Dienst der textbezogenen Exegese: So in Eun 40.2 AMARE ODISSE quia 'ödere' non est Latinum infinitivo [infinito Κ] modo, Hec 58.4 PER POL QUAM PAVCOS R. ordo: polperquam paucos reperias; nam 'perpol' non est Latinum, sed το ίξής 'perquam', id est nimis, 398.1 ABORTVM ESSE non est Latinum 'aborsa est' sed 'abortum fecit' 518.3 DEREPENTE νφέν: nam si separaveris, non est Latinum 'de repente'. Der Sprachgebrauch des Exegeten ist einheitlich, und wir können hier stets den gleichen Interpreten, eben Donat, unmittelbar fassen. Servius etwa verwendet nach Ausweis von MOUNTFORD-SCHULTZ mit Ausnahme von georg.3,124 niemals Donats Formel non est Latinum, sondern das Nomen latinitas oder die Verbindung apud Latinos24 Überblicken wir zusammenfassend die Kriterien der Sprachbetrachtung, so können wir mit der vetustas, consuetudo, auctoritas und regula (ratio) exakt die seit Plinius für die römische Grammatik bestimmend gewordenen κανόνες der Latinitas fassen242. Während in den normativen Schulgrammatiken, die den richtigen Gebrauch vorschreiben, verständlicherweise das Gegensatzpaar ratio und consuetudo dominiert, wird im Terenzkommentar die Sprache des vetus poeta im wesentlichen nach der Norm der vetustas (αρχαϊσμός bzw. nos dicimus) beschrieben, wobei die vetustas häufig durch Belege der auctoritas (Vergil, Sallust, Cicero) erläutert und gerechtfertigt wird. Mit Donats nos dicimus können wir einen nicht wertenden Typus der Sprachbeschreibung greifen, in dem das allomorphe Element aufgezeigt und die Norm der Schulgrammatik allenfalls indirekt mitvermittelt wird, in dem aber keine sprachlichen Vorschriften (nos dicere debemus) mitgegeben werden. Anders als der Schulmeister Servius gehört der Terenzkommentator

241

Ebenso einheitlich ist Donats exegetische Terminologie innerhalb der stilistischen Analyse, in der der Terminus Latine als Komplementärbegriff verwendet wird: An 523 diserte et Latine dixit bzw. 542.2 breviter et Latine.

242

V g l . BARWICK, R e m m i u s 208FF., FEHLING (1956) 222FF. und SIEBENBORN 53FF.,

der den hellenistischen Hintergrund der römischen Grammatik herausgearbeitet hat. Die Geschichte des Terminus Archaismus hat W.D.LEBEK, Zur rhetorischen Theorie des Archaismus, Hermes 97 (1969) 57-78 erhellt.

94

Die grammatische Analyse

Donat noch nicht dem Zeitalter der von digten "guardians of language" an243.

243

KASTER SO

meisterhaft gewür-

Mag KASTER auch gelegentlich seine Serviusinterpretation zu sehr diesem Motto unterworfen haben (vgl. J.N.ADAMS, CR N.S.41 [1991] lOOf.), so ist doch nichtsdestoweniger das Wesen der Sprachbeschreibung eines Grammatikers vom Schlage des Servius vorzüglich erfaßt.

V. Die sprachliche Analyse Terenz galt der römischen Stilkritik seit republikanischer Zeit als puri sermonis amator (Caes.frg.31 FUN.ap.Suet.vita Ter.7), so daß seine Komödien ein denkbar ungeeignetes Exerzierfeld bloßer glossographischer Studien boten: Voces obscurae und einen corruptus sermo suchte und fand man bei anderen Autoren. Ein Terenzkommentator war demnach weniger vor die Aufgabe gestellt, seltenere Wörter und Bedeutungen erklären zu müssen, sondern konnte seine ganzen Anstrengungen darauf richten, den purus sermo und speziell die proprietas, die der Latinitas entsprechende Wortwahl, in seiner Mustergültigkeit aufzuzeigen. Es wird nun zu untersuchen sein, wie und zu welchem Zweck Donat die in der antiken Grammatik geübten Methoden der Etymologieund differentia-Lehre handhabt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die römische Grammatik kein Spezialwerk wie die Xe£iç κωμική eines Didymus oder Theon244 hervorgebracht hat. Einem Terenzkommentator waren also keineswegs alle Wege geebnet: Donat mußte, obgleich er auf ältere Kommentare und allgemeine Lexika wie das Werk des Verrius Flaccus zurückgreifen konnte, in großem Maße selbständige Untersuchungen betreiben, und dementsprechend wird auch die durchgehend hohe Qualität seiner lexikographischen Bemühungen zu würdigen sein.

A. Die Methoden der Lexikographie Wie im Bereich der griechischen Grammatik pflegte man bei der lateinischen Schwester zwischen der Glossographie, der Erklärung eines Wortes mittels eines geläufigeren Synonyms245, und der wissenschaft-

244 245

Vgl. COHN 581 f. Als Beispiel einer paraphrasierenden Glosse seien e.g. An 82.5 CERTE sine dubio, pro certo und Hec 333 COMMINISCENTVR dicent, confinxerint angeführt, wo die zweifache Paraphrase als typisch für die Kommentierung angesehen werden darf.Da die Glossen weniger häufig vertreten sind, und weil unsicher bleibt, ob sie dem originalen Kommentar zuzurechnen sind, vor allem aber, weil aus ihnen keine Schlüsse für das Verständnis der sprachlichen Analyse gewonnen werden können.

96

Die sprachliche Analyse

lichen Lexikographie zu unterscheiden. Letztere zeichnet sich durch eine ausführliche Behandlung des Gegenstandes unter Einbeziehung der Etymologie und Synonymik wie auch durch die Anführung von Belegen

1. Etymologie Beobachtungen zur Etymologie waren seit jeher Bestandteil der Kommentierung eines Komödienautors: Die wenigen erhaltenen Fragmente aus dem Menander-Kommentar des Didymus gelten etymologischen Erklärungen247. Quintilians Spott über allzu spekulative Ableitungen und seine Mahnung, sie nur bei definitorischen Wortbestimmungen (was ist ein homo frugil), der Unterscheidung zwischen richtiger und falscher Wortbildung (meridiem/medidiem) oder bei antiquarischer Sacherklärung 0quae Capitolium...appellandi ratio) einzusetzen (inst.l,6,28ff.) 248 , haben bei späteren Grammatikergenerationen wenig Nachhall gefunden. Und daß auch Donat lebhaft an der philologischen Diskussion Anteil nahm, zeigen etwa einhundert Noten im Terenzkommentar, die sich keineswegs in den von Quintilian sanktionierten Bereich eingrenzen lassen. Der polemische Ton mancher Äußerung (ideliranΖ249, qui...interpretantur An 85.1) bekundet, daß der Interpret nicht ohne innere Teilnahme argumentiert. Namentlich werden mit Zustimmung Varrò (Eun 256.2; Ad 952.3) und Probus (Hec 2.3) genannt, Kritik erfolgt anonym (délirant, s.o.), meist jedoch nur indirekt, indem andere Ableitungen geboten werden als sie uns in dem vergleichsweise reichen

246

247

bleiben diese Noten im folgenden Kapitel unberücksichtigt. Vgl. COHN 577; GOETZ Iff.- Die Fragmente der homerischen Glossographen hat jetzt A.R.DYCK gesammelt: The Glossographoi, HSPh 91 (1987) 119-160. Vgl. CHR.THEODORIDES, Die Menanderkommentare des Didymos, Hermes 101 (1973) 253-256.

248

249

Zu Quintilians Bewertung der Etymologie vgl. zuletzt AMSLER 38ff., w o die Ausführungen der Institutio in den größeren Zusammenhang der Etymologie-Kritik von Plato bis Augustinus gerückt sind. WESSNER druckt mit der ed.princeps delirai...interpretatur (überliefert ist deliberai... qui interpretantur). Doch ist es ökonomischer, den erforderlichen Texteingriff auf das in jedem Fall korrupte deliberai zu beschränken. Vgl. auch in Ad 587.2 melius quam, ut quidam...interpretantur und Hec 65.3 nam male, qui a 'multa' putant dici.

Die Methoden der Lexikographie

97

Quellenmaterial vorliegen250. Anders als Varrò urteilt Donat in mindestens drei Fällen251, wobei er zweimal mit Festus übereinstimmt252. Gegen Festus urteilt er in mindestens elf Fällen253 und greift dabei zweimal wiederum auf die varronische Erklärung zurück254. Daneben finden sich weitere Etymologien, in denen Donat eine andere Erklärung gibt als eine (oder mehrere) der folgenden Quellen, Aurelius Opillus (Gellius), Cicero, Verrius Flaccus, Quintilian und die Vorlagen des Nonius und Isidor, bieten255. In der Mehrzahl der Fälle aber stimmt Donat mit mindestens einem der genannten Philologen in der Weise überein, daß zugleich keine Gegenstimme nachweisbar ist, so daß wir hier den Konsens in der Zunft fassen können. Gegen allgemein geltende Etymologien, d.h. gegen mindestens zwei Gegeninstanzen, wenden sich hingegen lediglich vier Diagnosen256. In knapp zwanzig

250

251

252 253

254 255

256

Für die lateinische Etymologie besitzen wir jetzt mit MALTBYS (leider nicht vollständigem) Lexikon ein unschätzbar wertvolles Hilfemittel, ohne das manche der folgenden Angaben zur Frequenz nicht möglich gewesen wären. Adagiones (Eun 428.1 yap ΐκτωρα avvtwicutvu^. Die Überlieferung dort ist korrupt (nec diutius in eo (sc.tropo) morandum: finnisit usus admodum video, tnihilf , ut dixi, in comoedis), aber der Sinn erfordert, wie WINTERBOTTOM hervorhebt, eindeutig eine entsprechende Aussage, wie sie REGIUS

112

Die sprachliche Analyse

Den Tropus συνβκδοχή hat Donat ausführlich angelegentlich eines Interpretationsproblems in Ad 261.1-2 behandelt. Dort sei mit festivum caput eine Person gemeint und nicht, wie manche meinten, ein caput orationis [2.] sed male, nam 'caput' Aeschini dicit, hoc est ipsum Aeschinum, ut pro (SCHINDEL: in codd.) toto pars sit per συνβκδοχήν, in qua figura ea pars pro toto ponendo est, quae aut eminet ex toto aut maioris pretii est ad id quod agitur. ceterum quod ipsum servatum auctoribus bonis sit, si exempta συνβκδοχής penitus consideraris, invenies. Aufschlußreich ist der letzte Satz, aus dem hervorgeht, daß die συνεκόοχη von manchen als vitium aufgefaßt worden ist und von sprachbewußten Schriftstellern gemieden wurde. Donat hingegen weist seine Leser darauf hin, daß ein gründliches Studium der exempla συνβκδοχής erweise, daß die Figur auch bei Musterautoren Verwendung fände (und folglich genausowenig wie andere Tropen als vitium anzusehen sei). Überblickt man die drei Erklärungstypen für fehlende proprietas, wird ersichtlich, daß Donat auch die vergleichsweise wenigen "Abweichungen" nicht im Sinne eines warnenden non debemus behandelt, sondern deskriptiv darstellt, im Falle der Tropen sogar mit der positiven κρίσις. Daß Donats Bemühungen, den sermo purus des Terenz aufzuzeigen, von Erfolg gekrönt waren, zeigt ein Zeugnis des Servius: sciendum...est Terentiumpropter solam proprietatem omnibus comicis esse praepositum, quibus est quantum ad cetera spectat inferior (Aen. 1,410). Servius' Wertschätzung kommt der des Afranius gleich, die ihm aus der vita Terentii des Sueton, die dem Terenzkommentar des Donat vorangestellt war, bekannt war: hunc Afranius quidem omnibus comicis praefert scribens in Compitalibus (frg.2 R2):"Terenti num similem dicetis (BUECHELER: dicens codd.: dicent RIBB.) quempiam?" (vit. Ter.7). Damit ist aber die Rangfolge des Volcacius Sedigitus, der dem Terenz lediglich den sechsten Platz zuerkannt hat (frg.l M. = frg.l FUN.), in der spätantiken Kritik wieder umgekehrt worden durch die Gewichtung der proprietas, eben jenes Kriteriums, dessen Aufweis Donat in den Mittelpunkt seiner sprachlichen Interpretation gestellt hat.

mit nihil enim usus admodum video nisi, ut dixi, in comoedis wiederzugewinnen versucht hat.

VI. Die stilistische Analyse In dem vorherigen Kapitel wurde dargelegt, daß die sprachlichen Beobachtungen Donats dem Aufweis der proprietas gelten. Diese gewährleistet den sermo purus, welcher wiederum in der antiken Stiltheorie als maßgebliche Voraussetzung der σαφήνεια angesehen wird. Dionys von Halikarnaß empfiehlt Studium und Nachahmung der Komödiendichter, denn diese seien και τοις όνόμασι καόαοοι και σαφ ele (de imit. p.207,lff. U.-R.)292, und Quintilian rühmt die lateinischen Szeniker vor allem ob ihrer copia verborum als nützlich für die oratorische Ausbildung: quorum in tragoediis gravitas, in comoediis elegantia et quidam velut atticismos inveniri potest (inst.1,8,8). Elegantia steht hier wie auch sonst für das pure et aperte dicere (vgl. Rhet.Her. 4,12,17), und gerade Terenzens Komödien galten dem Quintilian als elegantissima scripta (inst. 10,1,99). Neben der durch den sermo purus gewährleisteten σαφήνεια, derentwegen gerade Terenz den ersten Platz im Urteil der Kritiker und damit im Autorenkanon innehielt, repräsentieren die Komödien auch in vorbildlicher Weise ein anderes wichtiges allgemeines Stilideal, die συντομία. Mit welcher Selbstverständlichkeit beide Kategorien zusammengeschaut wurden, zeigt ein Zeugnis aus Gellius, der den Stil der Reden des C.Gracchus folgendermaßen beschreibt: brevitas sane et venustas et mundities orationis est, qualis haberi ferme in comoediarum festivitatibus solet (10,3,4). Neben der συντομία wird von Donat sehr häufig auf abundante Redeweise hingewiesen, die nicht im Sinne einer Tautologie, sondern als eine der Charakterzeichnung dienliche Ausdrucksform bestimmt wird.

292

Vgl. Nesselrath 241 ANM.l.

114

Die stilistische Analyse

A. Versparung und Ausdrucksßille als bestimmende Merkmale des Komödienstils 1. Versparung Als ein hervorstechendes Merkmal der Dichtersprache des Terenz gelten dem Donat die Formen der Versparung, die im Kommentar als figura, und zwar - in der Reihenfolge ihrer Frequenz - als eXXei^iç, Asyndeton, Zeugma, Syllepsis und Aposiopese gedeutet werden. Diesen ausdrücklich mit dem Signum einer figura gekennzeichneten Noten ist die große Zahl der deest und subauditur-Kurzmttrpretamente an die Seite zu stellen, von denen nicht wenige lediglich als verstümmelte Reste einer umfassenden figura-Diagnose anzusehen sind. Dies kann etwa anhand des Scholions Ph 36.3 nachgewiesen werden (ERATEIDE RATIVNCVLA deest 'nam', sed mire subtractum est), das eine verkürzte Rezension von 36.5 ERAT EI DE RATIVNCVLA moraliter intulit 'erat ei': magis enimfacetum est et comicum, cum άσυνδέτως infertur, quam si diceret 'nam erat ei'

darstellt. Mit deest paraphrasiert der Überarbeiter die Diagnose àovvòeTov, mit einem einfachen mire versucht er, die ethopoietische Interpretation zusammenzufassen293. Später wurde dann das Originalscholion mit der epitomierten Fassung wieder aus der in der jeweiligen Lemmatisierung erkennbaren getrennten Überlieferung zusammengestellt. Das gleiche Überlieferungsphänomen begegnet bekanntlich im Venetus A der Iliasscholien294.

a) éXXei^iç Neben dem Asyndeton gilt vor allem diese Figur dem Donat als proprie Terentiana (An 285.1). Diese Wertung, die an mehreren Stellen wiederkehrt (An 57.1 mira ΐλλβιψις et familiaris Terentio; 120.2 eXXeiι/ας Terentiana-, Eun 143.2 mundat Terentius, ut solet, res huiusmodi per eKheii¡/i.v suam\ Ph 142.3 ut solet, eleganter per ek\ei\piv), wurde zumindest für die Verbalellipsen von HAFFTER in seinen 'Untersuchun-

293

294

Eine Vielzahl nicht näher begründeter m/>e-Scholien ist also ebenso Redaktorengut wie eine Reihe bloßer bene-Noten im Bereich der Lexik. Vgl. A.ROEMER, Die Werke der Aristarcheer im Cod.Venet.A (SB Phil.- hist.Kl. der k.Ak.d.Wiss. II 3), München 1875.

Versparung und Ausdrucksfülle

115

gen zur altlateinischen Dichtersprache'(130) bestätigt. Donat belegt die Figur namentlich ca. 70mal (unter Einschluß der έΧΧαππκώς-Noten), während im Corpus Servianum die Diagnose lediglich an sieben Stellen begegnet295. Donats These einer figura proprie Terentiana steht also auf festem Grund. Die Form der Beschreibung ist selten die einer bloßen Diagnose, sondern in der Regel die einer Diagnose mit einer Begründung: An 869.1 PIETATEM GNATI ek\eφς, deest enim 'vides' aut quid tale. Die auf Donat zurückgehenden Scholien des spätantiken codex Bembinus bieten zu Haut 519 die gleiche Form (figura ellepsis, deest enim 'vigilare' aut quid tale) , so daß wir hier in beiden Fällen die ursprüngliche Formulierung greifen können. Die Diagnose geben die ältesten Hss. stets wie bei den anderen σχήματα διανοίας και λέξεως als Graeca, was bei der lateinischen Scholienliteratur ansonsten nur noch bei dem Horaz-Erklärer Porphyrio296 und in den Veroneser Vergilscholien (ecl.7,30) begegnet. Auch diese Kommentare gehören noch in die Blüte des 4.Jh.s, Porphyrio vielleicht noch in das 3. Jahrhundert, so daß nicht von einer Manier des Donat, sondern der Gepflogenheit der Grammatiker einer Zeit auszugehen ist, die sich der Herkunft ihrer Lehren noch bewußt war. Daher erklärt sich auch, daß unter den lateinischen Autoren allein Donat noch mit Selbstverständlichkeit das Adverb êXXei7mκώς verwendete. Donat unterschied dabei genausowenig wie seine griechischen Kollegen zwischen der Ellipse eines Verbums oder eines Nomens, häufig werden auch alternative Diagnosen gegeben, wie An 149.1.2 NON TV IBI GNATVM άποσιώπησις [2 .] vel êWeupiç: deest 'invasisti' 'obiurgasti' 'adortus es'. Hier wie auch Ph 255.1 sollte man nicht mit WESSNER die Diagnosen voneinander abtrennen oder gar dem Donat aberkennen, ist doch die άποσίώπησις gemäß antiker Lehre lediglich eine species der ΖΧλεφς. Das Schulbeispiel der Aposiopese, Vergils quos ego- (Aen. 1,135) wird von Servius zu Aen. 1,65 als typisches Beispiel einer Ellipse eingeführt, und im Terenzkommentar liest man in einem entsprechenden Fall ( 'sed quid ego') ëWeiipiç per άττοσιώτησιν (An 886.2).

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296

Vgl. MOORE 287, der Aen.1,65; 8,18; 9,51 (SD); 9,353 (SD); 11,823 (SD); 12,161 anführt; dazu kommt noch Aen.4,598 (SD). Epist.2,1,78; serm.1,8,16. 1,9,35.

116

Die stilistische Analyse

Was diese Figur dem Kommentator so typisch für Terenz erscheinen läßt, ist abgesehen von ihrer Frequenz - die aus dem umgangssprachlichen mittleren Stil der Komödie resultiert297 -, ihre Funktion: Der Dichter verwendet die Ζλλβιψις nach Donat, um das Ethos darzustellen und um das decorum zu wahren. Vorzüglich male eine Ellipse den Zorn des Redenden: familiaris eXXeu/aç irascentibus...etenim necesse habet necpotest compiere orationem qui et secum loquitur et dolore vexatur (Eun 65.1)298. Gerade die beiden letztgenannten Situationen, das Selbstgespräch und der Affekt, werden von Donat häufig mit der Figur assoziiert An 468 QVID HOC secum senex eXXenττικώς, deest enim 'rei est'; 469.1 βλλβιψις per άποσιώπησιν apta cogitanti-, Hec 278.2 subaudiendum 'χ' aut 'y' aut tale quid secundum Ιλλειψι,ν, quae familiaris est his, qui secum locuntur oder 875.1 verba sunt cogitantis299...ideo et èWeiττικώς loquitur. Neben dem Zorn werden auch andere Affekte erwähnt wie Niedergeschlagenheit (Ad 265.5;330.3) oder freudige Bewunderung (Ad 264.1). In zwei Scholien wird eine Ellipse nicht einem aus der Situation heraus entstandenen Affekt, sondern einem grundsätzlichen Charakterzug zugeordnet: Der Sklave Geta berichtet von dem mit seinem Herrn Phaedria und dem Parasiten Phormio gemeinsam unternommenen Versuch, für Antipho beim Vater einzutreten, und nachdem er von den Bemühungen des Phaedria und des Phormio berichtet hat, äußert er sich zuletzt kurz zu seinem eigenen Versuch: ego quodpotui porro (Ph 478), wozu Donat bemerkt: de se mediocriter per IWeiypiv, moraliter satis (478.1). Das mediocriter gilt der nicht großsprecherischen Art des

297

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Hier wäre zu bemerken, daß auch die drei oben genannten Diagnosen des Porphyrio zur Ellipse allesamt dem sermo pedester der horazischen Satiren und Briefe gelten. Zu dem gleichen Vers, der mehrere Versparungen aufweist, existiert ein zweites à7roCTiGj7r?j: deest 'et' (Ad 588.1)303. Die Figur selbst wird, wie bei Donat üblich - was ansonsten nur noch bei dem Rhetor Aquila begegnet, dessen Schrift jedoch eine Übersetzung ins Lateinische darstellt (ThLL II 991,84) -, in griechischen Lettern genannt, wobei gelegentlich statt des Nomens auch ein Adverb ά,συνδέτως (inferendum) verwendet wird. Dieses Adverb ist nur bei Donat nachgewiesen (ThLL II 992,1). Donats zwanglos selbstverständlicher Gebrauch der griechischen Terminologie hat also durchaus etwas Auffallendes. Dies gilt auch für seine Beobachtungen zur Funktion der Figur: Ihre Verwendung diene der brevitas (συντομία Ad 474.1) zur Auflockerung längerer monologisch-narrati\er Partien, sei es, daß Teile eines Berichtes selbst in Kurzform unverbunden nebeneinanderstehen (so etwa in An 127.5304), sei es, daß er dramatisch aufgelöst wird: So interpretiert άσυνδβτως

301

ut solet

per

Eine der dem Asyndeton geltenden Noten, Ph 135.5 (amat hoc Terentius mit den drei Beispielen Eun 593, Ph 103f. und An 127-129) stammt zumindest in der überlieferten Fassung nicht von Donat. Es handelt sich um ein Konkurrenzscholion zu Ph 135.4 àavvòtTov ut supra (nämlich Ph 103f.). Während diese Note sich bestens in die Reihe der sogar numerisch aufgezählten Asyndeta der gleichen Szene I 2 fügt, wirkt das allgemein gehaltene ausführliche Interpretament 135.5, wie die Position des zur gleichen Szene gehörigen Phormio-Beleges nahelegt, von außen aufgesetzt. 302 Vgl. H-Sz 829 mit Hinweis auf FRAENKEL, PI. im PI. 145 Anm.2; 247. 303 Selbst diese knappe Form der Beschreibung fußt in der griechischen Dichtererklärung: Schol. bT zu Β 353 ασύνδετος yàp ò Xàyoç, XetVocroç τον και. 304 fvNVS INTERIM Ρ. άσυνδΐτον. Die Note, die der ganzen Partie 127b-129a (funus interim/procedit: sequimur; ad sepulcrum venimus;/in ignem inpositast; fletur) gilt, ist verstümmelt: Es handelt sich bei 25 Belegen für Asyndeta um die einzige Stelle, in der nur die Diagnose gegeben ist. Wenn man bedenkt, daß gerade diese Verse

Versparung und Ausdrucksfülle

119

Donat, wenn z.B. Terenz innerhalb des langen Monologes Ph 79-110a in den Versen 101-103 den Geta in wörtlicher Rede berichten läßt (ibi continuo Antipho/'voltisne eamus visere ? ' alius 'censeo./eamus: duc nos sodés', imus etc.): haec omnia diversi dicunt, et apparet tot esse homines, quot per μίμησιν άσύνδίτα305 demonstrantur dramatica relatione (Ph 102.4). Alle diese Interpretamente, die das άσύνδβτον mit dem Ideal der brevitas in Verbindung setzen, gelten Sztz-àavvôeTa306, was Quintilians Definition der βραχυλο-γία als copulata dissolutio entspricht (inst. 9,3,50). Neben der brevitas in narrationibus geben die antiken Rhetoriken eine weitere Anwendungsmöglichkeit an die Hand: apta (sc. figura) cum quid instantius dicimus: nam et singula inculcantur et quasi plurafiunt (Quint.inst.9,3,50). Diese rednerische Absicht führt Donat mit nahezu den gleichen Worten zu Ad 470 persuasit nox amor vinum adulescentia auf: haec άσυνδέτως inferuntur, ut multa videantur (470.3; ähnlich 482.2 ipse tarnen tria posuit άσυνόέτως, ut multa videretur dicere und Ad 951.1 άσύνδβτον multa congerentis). Eine dritte Funktion der Figur nennt nicht Quintilian, sondern Aquila: In ihr soll der Affekt {dolor) des Redenden seinen sprachlichen Ausdruck finden (41): Eun 821.2 haec άσιίνδετα instantis dominae vultum habitumque demonstrant. Ad 97.1 deest 'nam', sed ferventius άσυνδέτως dicitur (in einem zweiten Scholion ist von stomachus, dem dolor Aquilas die Rede)307 und vor allem Ph 36.5 ERAT EIDE RATIVNCVLA moraliter intulit 'erat ei ': magis enimfacetum est et comicum, cum άσυνόέτως infertur, quam si diceret 'nam erat ei '.

305 306

307

schon bei Cicero als Muster für brevitas in narratione gelten (de orat.2,327), wird man in der ursprünglichen Fassung des Kommentars - zumal beim ersten Anlaß in der Abfolge der Stücke, ein Asyndeton zu kommentieren - eine längere Note ansetzen dürfen. So LINDENBROG für das per mimesimas in eleta (-età) der Hss. Donat scheidet also im Gegensatz zu den rhetorischen Lehrbüchern (Quint, loc. cit., Aquila rhet.41 oder auch der Autor der Schrift irepi 'ύφους [19; vgl. BÜHLER 120f.]) nur indirekt zwischen Satz- und Wort-àuuVòera. Der Aufbau der Note entspricht Schol.A zu O 698 μ&Χλον yàp έμφαινα το άσυνδετον.

120

Die stilistische Analyse

Das Asyndeton kennzeichnet eine Figur, hier den Sklaven (moraliter), ist zugleich witzig und "komisch", d.h. dem Komödienstil gemäß. In diesem Sinne wird man also Donats Satz zu verstehen haben, daß diese Figur (neben der eWa-φις) als proprie Terentiana zu gelten habe. Im Corpus Servianum begegnet die Diagnose denn auch nur ein einziges Mal (Serv.auct. Aen. 10,659).

2. Erschöpfende Redeweise Unter der "erschöpfenden Redeweise" verstand Donat nicht alle Formen des Pleonasmus, die man heute unter diesem Begriff zusammenzustellen pflegt. So hätte sich Donat dagegen verwahrt, die Synonymenhäufung als eine Form der Abundanz zu verstehen: Zu dem Musterbeispiel bei H/Sz 786 prudens sciens in Eun 72 erläutert der antike Terenzerklärer: 'prudens' est qui intellegentia sua aliquid sentit, 'sciens' qui alicuius indicio rem cognoscit (72.1). Man mag diese Unterscheidung als schematisch oder gar spitzfindig kritisieren308, sie entspricht indes der Kommentierungspraxis der antiken Exegese. Weiterhin zählen für Donat weder die figura etymologica - sie gilt ihm als αρχαϊσμός - noch die sog. Hypercharakterisierung des Verbalbegriffs309 oder die geminado und die Wiederholung eines Wortes im folgenden Kolon310 zur Abundanz. Nichtsdestoweniger begegnet ein abundat (ex abundanti) ca. 50mal in den Scholien, 44mal ein παρί\κον3η.

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HAFFTER 56 Anm.8. Seine ebd. aufgestellte Behauptung, daß Donat Wiederholungen inhaltsähnlicher Sätze oder Wörter meist in keiner Weise als solche zu würdigen wisse, ist übertrieben. Ich zitiere nur Hec 242.1 bene verba eadem stomachose et significanter repetivit, ut improbitas ex proximo appareat 'impulsu '. So wird Ph 194 domum ire pergam bei Donat mit hoc nos έλΧειιττικώς dicimus (so Κ und die frühen Editionen; bei WESSNER wohl durch Druckfehler ausgelassen) 'domum pergam' erklärt. Diese Note ist in der Reihe der piene dixit quod nos (èXXet7TTiKÛ>ç)-Beschreibungen einzuordnen, wird piene doch nicht im Sinne einer Abundanz, sondern einer ursprünglich korrekten Latinitas aufgefaßt (vgl. etwa An 223.1 IS OBIIT MORTEM piene dixit, quod nos 'obiit' tantum; An 600.4; Eun 44 oder Hec 270.4). Nahezu alle Noten zur geminatio und repetitio loben die den Erfodernissen der Ethopoiie entsprechende Kunst des Terenz. Ein Beispiel in der vorletzten Anm. Neben einigen cum sufficeret und supervacuum «/-Interpretamenten sind noch die Noten zur ταυτολογία (Hec 626.2; Ph 34.3) und ττίρισσοΧογία (Ad 959.3) und sieben άττι/ασμός-Scholien hinzuzurechnen.

Versparung und Ausdrucksfülle

121

Diese Noten gelten dem Pronominalgebrauch, Konjunktionen, Präpositionen, Adverbien, Partikeln und Enklitika312. In der Regel erscheint die gleiche Wortart zweimal in inhaltlich identischer Form in einem Kolon iplerique omnes [An 55.1.3]; tu tarnen idem [An 521.2] oder auch adeamne ad eum [An 639.2]), seltener abundiert ein Wort oder Wortteil hinsichtlich seiner Bedeutung (renuntiare ~ nuntiare [An 508.2] und alle Belege bei Pronomina im Dativ313). Die wenigen Noten, die den Nomina oder ganzen Kola gelten, sind meist dieser zweiten Gruppe zuzuschreiben (An 967.1 MORE HOMINVM 'hominum ' abundat). Wenn ein ganzes Kolon dieses Signum erhält (An 637.2 abundat 'si roges', sed ήΰικώς additum est; Hec 150.4), wird eine Erklärung gegeben, in den anderen Fällen wird gelegentlich mit αρχαϊσμός, häufiger ethopoietisch erklärt:

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Gerade die irαρίΚκον (7rapeTvKerai)-Scholien gelten ausschließlich dieser Gruppe der "kleinen Wörter". Donats Sprachgebrauch entspricht hier dem der Euripidesscholien, während in den Homer- und Aristophanesscholien Nomina (v.a. Epitheta), ja sogar ganze Verse, mit diesem Begriff bezeichnet werden (etwa Schol. Arist. Th.852 τό Si '¿χων' παρίΚκα άττικφ h?ei; Eccl. 853; zu den Ilias-Scholien ERBSE 320 Anm. 2). Während im übrigen in den griechischen Scholien παρίλκβι gegenüber τταρίΚκίται dominiert, verwendet Donat nur die mediale Form und - weit häufiger - παρίΚκον, das in den griechischen Scholien, soweit ich sehe, wenig geläufig ist (in den Aristophanes-Scholien etwa nur Ran. 1178; der gelegentlich angeführte Beleg aus den Sophoklesscholien [Ai. 758] ist ein Phantom: τα yàp περισσά] τά παρίλκοντα και άχρήσιμα και -πέρα του μέτρου, τά χωρίς δικαίου also eine Synonymerklärung [nicht sermo grammaticus]). Daß Donat sich überhaupt des griechischen Begriffes bedient, ist eine Eigenart, Servius verwendet den Terminus ein einziges Mal (Aen. 1,207). Ebenso singulär in den Scholien - aber zweifellos durch die griechische Grammatik vermittelt - ist die Spezifizierung des παρίλKov mit einer Ordinalzahl, wobei allerdings durch Korruptelen in der handschriftlichen Überlieferung einige Unordnung in das System geraten ist: Wieso nihil quicquam in Eun 884.3, Ad 366 und Hec 400.4 als π αρίΚκον quartum, hingegen in Ph 80.2 als tertium it., klassifiziert wird und von nemo quisquam ( παρίΚκον tertium Eun 1032.2; Hec 67.1) unterschieden wird, ist unerfindlich. Nondum etiam gilt in Hec 192.1 als -καρΐκκον tertium, in An 201 hingegen als quartum. Kurzum, die Angaben waren als Zahlzeichen niedergelegt, und diese sind dann wie üblich durcheinandergekommen. Ihre Klassifizierung τω άτηκισμω ist unmittelbar aus der griechischen Tradition übertragen, vgl. etwa Schol.Soph.El.272 TÒ S¿ 'ήμίν' παρίΚκεΙ ' Ατηκώς ~ Ad 476.5 'nobis' autem ex abundanti τω άττικιαμω ad indignationem relatum est-, Hec 504.3 'nobis' τω άττικισμω.

122

Die stilistische Analyse

AGEDVM 'dum'314 irapekxov est, et adiuvat ex animo loquentem (Eun 694.2) 'meam' suffecerat, sed magna moralitate additum est ad vociferationem 'pro qua argentum dedi' (Ad 179.2) Bisweilen ist die ethopoietische Ausrichtung in einem parallelen Scholion namhaft gemacht, wie in An 239.2 de more 'praescisse me ante ' bzw. 5 et 'ante' abundat aut certe 'prae', cum sufficiat 'scisse ', wo die beiden Noten wie Diagnose (Nr. 5) und Begründung (Nr. 2) zueinander stehen: Beide Scholien gehen auf ein ursprüngliches Interpretament wie An 637.2 abundat 'si roges', sed ήύικώς additum est zurück. Daraus folgt, daß bei der Mehrzahl der bloßen abundat 'Λ:'-Diagnosen die Begründung von Redaktorenhand weggeschnitten wurde. Wie die bereits angeführten Beispiele dokumentieren, überwiegt innerhalb der Pleonasmus-Interpretamente die ethopoietische Erklärung, was für die Komödienkommentierung nur natürlich ist. In An 355 aber (continuo ad te properans percurro) vide quantum dixerit: et 'properans ' et 'percurro ut continuationem cursus estenderei hat Donat eine andere Erklärung gewählt, obgleich auch hier, wo ein Sklave sich beflissen seinem Herrn annähert, das übliche de more durchaus möglich wäre. Mit vide quantum dixerit: et 'x' et 'y' zielt Donat hier eher auf den emphatischen Charakter der Abundanz, den er expressis verbis zu Eun 788 sed eccam Thaidem ipsam erläutert: 'eccam' et 'ipsam' figura Ιμφαοις, quasi 'eccam' belli et 'ipsam' contra quam pugnandum est (788.1). Dieses - nicht komödienspezifische - Erklärungskriterium der Abundanz ist nicht bei Quintilian, aber in den griechischen Stiltraktaten genannt: In Tryphons Figurenlehre vernehmen wir: των δέ Xeyoße'vwv πλεονασμών oi μέν μέτρων evena φράζονται, οί δ e έμφάσβως (11 ed. WEST [CQ N.S. 15 (1965) 230-248, hier p.242]= Vili 771,12 W = III 220,24 S P . ) 3 1 5 . Die zweite bei Tryphon genannte Ursache, μέτρων ëveica, wird man bei Donat vergeblich suchen. Zu einem solchen Erklärungsversuch stieg erst Servius herab. Es genügt, Ad 306.4 (quem neque fides ñeque iusiurandum neque illum misericordia) 314

So die älteren Ausgaben, vgl. An 184.3

EHODVMAD ME 'dum' παρίΚκον est hoc

loco. 313

Der Traktat war bei WALZ und SPENGEL noch unter dem Namen des Gregor von Korinth publiziert.

ίδιωτισμός und consuetudo

123

NEQVE ILLVM secundum παρίΚκον, nam abundat 'ilium'; ut (Verg. Aen.5,457) 'nunc dextra ingeminans ictum, nunc ille sinistra'

und Servius ζ.St. gegenüberzustellen: 'ille ' vacat; nam metri causa additum est; de ipso enim dicit etc.

Zu quoque etiam Hec 734 wird erklärt [1.] ταρίΚκον tertium ut (Verg. Aen.1,5) 'multa quoque et bello passus'. [2.] et obsequenter posuit non solum se mirari, sed et pavere. [3.] EGO POL QVOQVE ETIAM bene 'etiam', ut hoc dicat: non solum miror, sed etiam timeo316.

Hingegen bemerkt Servius zu der von Donat angeführten Partie hoc plerumque a poetis causa metri fit. ergo hie una (sc. coniunctio) vacai311.

Aber auch wenn er nur die Diagnose stellt, ist er Donat weit unterlegen: Aen. 1,208 VOCE REFERT pleonasmos est, qui fit quotiens adduntur superflua (wofür auch auf Terenz Ad 329 hisce oculis egomet vidi hingewiesen wird; dazu Donat 329.2 ίδιωτισμός asseverantis)™. In der ethopoietischen Ausrichtung der stilistischen Analyse ist der Kern der Terenzinterpretation des Donat greifbar. Nachdem wir die allgemeinen stilistischen Kriterien, die besonders im Sprachstil der Komödie verwirklicht werden, erörtert haben, gilt es, das für die antike Kritik vorrangige komödienspezifische Ausdrucksideal, das ¿διωτικόν, zu betrachten.

Β. ίδιωτισμός und consuetudo als komödienspezifisches Ausdrucksideal Aristoteles hatte in seiner Poetik das ίδιωηκόν als λέξις ταπβι,νή bewertet: Die κύρια ονόματα gewährleisteten zwar trefflich die σαφ-qveia, ihr ausschließlicher Gebrauch entspreche aber nicht der geforderten σβμνότης (poet.22 1458a 18). In der hellenistischen Komödientheorie, die uns im 'Tractatus Coislinianus' greifbar ist, hatte diese Forderung in Hinblick auf den Sprachstil der Neuen Komödie eine Neubewertung 3,6

317

318

Nr.3 mit dem Lemmaeinsatz ist die redigierte Zusammenfassung von Nr.l (Diagnose) und 2 (Begründung), wobei die Diagnose zu bene entleert wurde. Vacat ist der bei Servius übliche Verbalbegriff für Donats abundat oder παρίΚκον. Auch Grammatiker haben ihren eigenen Sprachstil. Vgl. auch Aen. 2,627 ferro et bipennibus, wo die SD-Scholien (hier Donat) èv διά δνοϊν erklären, des Servius taube Ohren nur eine tautologia vernehmen.

124

Die stilistische Analyse

erfahren: κομική ίστι λέξις κοινή καί δημώδης (§ 8) 319 , eine Diagnose, die sich mutatis mutandis bei Cicero (orat.67) ...comicorum poetarum apud quos, nisi quod versiculi sunt, nihil est aliud cotidiani dissimile sermonis und Horaz (sat.l,4,45ff.) idcirco quidam comoedia necne poema / esset quaesivere, quod acer spiritus ac vis / nec verbis nec rebus inest; nisi quod pede certo / differì sermoni, sermo merus findet. Wie sehr diese Definition Eingang in das allgemeine Bewußtsein auch der Kaiserzeit sowohl des östlichen als auch des westlichen Kulturkreises gefunden hat, bekunden Strabo 1,2,6 320 und ein früher Brief Kaiser Konstantins: καϋάπερ αν τις και τήν κωμφδίαν φαιή \aßtlv την σΰστασιν άπο της τρα·γψδίας, και του κατ αυτήν ύψους καταβιβασϋέίσαν eie το Xoyoeiôêc νυνί καΧούμβνον bzw. inligavit alter cothurnis, alter prope ( P I T H . : et prope Ω ) cotidianis ac moralibus verbis affectus hominum comoediis locutus est (3 [p.4,12 PoLARA])321.

Eben dieser Tradition ist auch Donat verpflichtet, wenn er sich in Eun 91.1 allgemein zum Sprachstil der terenzischen Komödien äußert: magna virtus est poetae non sententias solum de consuetudine ac de medio tollere et ponere in comoedia, verum etiam verba quaedam ex communi sermone. Wie bereits oben im Kapitel "Sprachliche Analyse" angeführt, verstanden die römischen Grammatiker unter consuetudo nicht eine derbe

319

Zur Interpretation dieser Worte und dem hellenistischen Hintergrund der in ihnen zum Ausdruck kommenden Anschauung vgl. NESSELRATH 134FF. - Als Reflex dieses Urteils ist auch der entsprechende Passus in der pseudo-plutarchischen Synkrisis von Aristophanes und Menander zu beurteilen, wo 853 E über Menanders

Sprachkunst gehandelt wird: ή δέ Mevávbpov φράσις ούτω συνέξβσται και συμπίirvevKe κίκραμένη προς ¿αυτήν, ώστε διά πο\\ών äyομίνη τταϋΐύν καί ήϋων, και προοώποίς ίψαρμόττουσα παντοδαποίς μία re φαίνεται, καί την ομοιότητα τηράν tv τοις κοινοίς καί σννήϋεσι καί ÒTTO την χρείαν ονόμασιν. 320 321

Die bisher genannten Stellen sind bei KROLL z.St. angeführt. Überliefert ist der Brief im Corpus der Figurengedichte des Optatianus Porfyrius. Die Echtheit dieses um 312-3 n.Chr. verfaßten Briefes, die von POLARA, dem jüngsten Herausgeber, bestritten wird, ist zuletzt von T.D.BARNES nachdrücklich verteidigt worden (Publilius Optatianus Porfyrius, AJPh 96 [1975] 173-186, hier 185; ders.: Constantine and Eusebius, Cambridge/Mass. 1981,47f.).

ίδιωτισμός und consuetudo

125

Volkssprache, sondern die Umgangssprache der Gebildeten322. Daß auch Donat diese Auffassung von consuetudo im Auge hatte und nicht eine "volkssprachliche" Nuancierung mit dem Begriff verband, zeigt seine Diktion in einer Reihe von Noten, in denen die 1. Person Plural Verwendung findet: ex consuetudine dixit...ut dicimus (An 118.1), simpliciter dixit...nam ex usu sic dicere solemus (An 461.1 ), ut in consuetudine dicimus (Eun 375.3) oder auch Ad 292.1 deest 'habeo ', sed in consuetudine est sic loqui, cum utrumque nobis, non alterutrum deesse conquerimur. In gleichem Sinne ist auch die Diagnose nam et pervulgatae consuetudinis est dictum (Eun 358.4) oder ein trivialiter aufzufassen: Phormionem...nos 'eronem' dicimus trivialiter et pro consuetudine (Ph 122.2)323.

Gleiches gilt für Donats Gebrauch des griechischen Pendants ίδιωτισμός. Der Begriff, der lt. LSJ s.v. in der Stiltheorie zum ersten Mal im ersten vorchristlichen Jahrhundert begegnet (Philod.Po.2 frg.71 H.), wird wie der Ιδιώτης λόγος bei Dionys von Halikarnaß (Dem.2) als eine Qualität des ' Ελληνισμός, und nicht - wie etwa bei Ps.-Long. 43,1 - als niedere Diktion verstanden. Wie im Falle der consuetudo verwendet Donat die 1. Person Plural: τω ιδιωτισμω; sic enim dicimus, wo das folgende Kolon et est consuetudinis pervulgatae als selbständiges Scholion der um die Umschrift der Graeca bemühten Parallelredaktion abzutrennen ist (Ad 476.7). Untersucht man die Erscheinungen, die dem Donat als consuetudo oder ίδιωτισμός gelten, so wird die oben aufgeführte theoretische Äußerung durch die Praxis der Kommentierung bestätigt. Die Mehrzahl der consuetudo-Interpretamente gilt floskelhaften Wendungen wie (metaph.) captus est (An 82.6), νά sum apud me (An 937.2) und psaltriam paravit (Ad 476.7) bzw. einzelnen Begriffen

322

Consuetudinem sermotiis vocabo consensum eruditorum (Quint.inst. 1,6,45; vgl. a u c h LAUSBERG, H a n d b u c h § 4 6 9 ) .

323

Ähnlich zu Eun 751 (at enim cave ne prius quam hanc [sc. cistellam] a me accipias amittas, Chreme) hoc in comoedia licet more vulei dicere: ceterum non potest amitti quod nondum acceptum sit (751.1). Auch wenn Donat einmal nicht in der 1. Person Plural spricht, ist an dieser Stelle nicht ein vulgärsprachlicher Zungenschlag sondern eine in logischer Hinsicht nicht einwandfreie Diktion der consuetudo gemeint.

126

Die stilistische Analyse

w i e lingua-verba ( H e c 7 6 1 . 2 ) o d e r senex dominus maior H e c 7 6 . 3 ) . G l e i c h e s gilt für d e n ί δ ι ω π σ μ ο ς : se duxit (~abiit Hec 5 2 2 . 4 ) bzw. reddam {—faciam A d 8 4 9 . 1 ) , der nicht spezifischen V e r w e n d u n g des Allerweltswortes facere (Ad 9 1 6 . 1 ) oder mos ( — lex Ph 4 1 . 1 ) . D a n e b e n w e r d e n die Ellipse 3 2 4 , die Abundanz 3 2 5 , grammatische P h ä n o m e n e w i e dare + Inf. ( A n 4 8 4 . 1 ) oder stilistische Besonderheiten w i e der Gebrauch des Plurals für d e n Singular ( n o s t e r — m e u s H e c 7 7 0 . 2 ) oder d e s barschen Imperativs statt einer abgemilderten Aufforderung (Eun 6 8 5 . 2 ) zu dieser Gruppe gezählt. Dabei sind die Begriffe consuetude und Ιδιωτισμός in der Regel gegeneinander austauschbar, w i e auch das D o p p e l s c h o l i o n A n 1 1 8 . 1 - 2 erweist: VNAM ASPICIO ADVLESCENTVLAM ex consuetudine dixit 'unam', ut dicimus 'unus est adulescens'. tolle 'unam' et ita fiet, ut sensui nihil desit, sed consuetude admirantis non erit expressa. [2.] 'Unam' ergo τώ ίδίωησμω dixit. A u s d i e s e n b e i d e n N o t e n - man sollte sie aufgrund der Konklusivpartikel ergo als eine Einheit ansehen - geht z u d e m hervor, daß z w i s c h e n consuetudo und 'ώιωτισμός lediglich insofern g e s c h i e d e n wird, als mit der

324

325

Jeweils zwei Belege für consuetudo bzw. ίδιωησμός (An 361.2 EGOMET CONTINVO deest 'duco': consuetudine dictum est et tXXenmκώς und Ad 292 NEC QVEM AD OBSTETRJCEM MITTAM deest 'habeo', sed in consuetudine est sie loqui, cum utrumque nobis, non alterutrum deesse conquerimur bzw. Ad 192.3 et τω ίδίωησμω 'quid si nolo cogis me?' potest autem dici: quid enim, si nolo? cogis me? und Hec 551.5 QVID TVM POSTEA τώ ίδίωησμω, quo contemnimus crimina leviora). Nur zwei Belege einer sprachlichen Abundanz für consuetudo (An 118.1-2 [s. oben]; An 315.1 ), aber deren acht für ίδιωησμός, wobei diese sich nicht nur auf die sprachliche Ausdrucksfülle, sondern auch auf eine Abundanz des Gedankens beziehen (z.B. Ad 256.2 QVID EGO NVNC...et 'nunc' τώ ίδσιωησμω additum de superfluo, ut (Verg.Aen.4,265sq.) 'tu nunc C.a.f.l.). - Die zwei ίδιωτισμός-Scholien, die "abundierenden" Dativ-Pronomina gelten (Ad 276.2 QVID AIT TANDEM NOBIS 'nobis ' τώ ίδιωτισμω additum; non enim 'nobis ait ' intellegendum est bzw. Ad 790.5 EM TIBI τώ ίδίωησμω: nulli enim 'tibi' Micio loquitur), dürften eher einem άττικισμός gelten: An beiden Stellen bieten die Hss. ein Fenster, das man seit Stephanus mit τώ ίδίωησμω füllt. Ähnlich hatte Stephanus die Graeca in Ad 476.5 'nobis' autem ex abundanti ***** ad indignationem relatum est ergänzt, aber der codex Cuiacii brachte später ein τφ άττικισμω ans Licht. Gleichermaßen wird man also die Graeca in Ad 276.2 und 790.5 herstellen, vgl. Eun 45 QVID SIBIEVNVCHVS VEUT τω άτηκισμώ 'sibi'; 284.1 QVI MIHI NVNC τω άτηκισμώ 'mihi' dictum est; Ad 272.1 τφ άτηκισμώ 'mihi dolet' pro 'doleo'; Hec 504.3 'nobis' τω άτηκισμώ: nam aut abundat etc. und Ph 223.1 'mihi' τφ άττικισμφ addidit: et sine hoc enim sententia plena est.

Das genus dicendi der terenzischen Komödie

127

Verwendung von Ιδιωτισμός eine gewisse Nuancierung verbunden ist: Die consuetudo gilt einem situationsunabhängigen Sprach-Cliché (sic enim dicimus), der ίδιωπσμός einer von einem bestimmten Affekt oder einer bestimmten Situation definierten Ausdrucksweise (sic dicere solemus, si irati sumus). Dies findet in einer Reihe von Noten durch die Hinzufiigung eines Genetivus subiectivus seinen sprachlichen Ausdruck, e.gr. Ad 329.2 HISCE OCULIS: ιδιωτισμός asseverantis und Hec 502.3 'hue' 'ώιοτισμός irascentis et exigentis debitum. Nicht nur bestimmte Affekte, sondern auch der Sprachduktus bestimmter Rollen wird in gleicher Weise gedeutet: A d 9 9 . 3 QVI NISI QVOD IPSE FECITN(IHIL)

R(ECTVM)

r o λ ο γ ί α : hoc enim proprium

imperitorum

rusticorum

atque

P(VTAT)

ίδιω-

und 518.1 NVNC CVM MAXIME OPERIS ALIQVID FACERE ιδίωμα verborum Syri esse, de opere loqui etc.

CREDO

vide

quasi

Kurz, der ίδιωτισμός unterscheidet sich von der consuetudo dadurch, daß er - gelegentlich schon in ethopoietischer Bestimmung - dort Anwendung findet, wo Donat üblicherweise von moraliter / de more oder ήύίκώς spricht326.

C. Das genus dicendi der terenzischen Komödie Wie die Redner pflegte man auch die Dichter in das in hellenistischer Zeit ausgeprägte System stilistischer χαρακτήρβς einzuordnen: Terenz wurde als die Verkörperung einer reinen Form des mittleren Stils bezeichnet: vera autem et propria huiusce modi formarum exempla in Latina lingua M. Varrò esse dicit ubertatis Pacuvium, gracilitatis Lucilium, mediocritatis

Terentium (frg.322 FUN. bei Gell.6,14,6)327.

326

327

So verwendet Donat im Falle der pathetisch appellierenden Anreden üblicherweise den Terminus moraliter (z. B. Eun 901.1 NON FACIAM PYTHIAS bene et moraliter appositum 'Pythias'), in zwei Interpretamenten hingegen ein ίδιωτισμός (Ad 115.3 SI QVID PECCAT DEMEA τώ ίδιωτισμω interposuit 'Demea' und Hec 621.3 τω ίδιωτισμω additum 'Pamphile'). Es handelt sich meines Wissens um die einzige Stelle in der lateinischen Literatur, wo ein lateinischer Komödiendichter in das Schema der genera dicendi eingeordnet wird. Zur Interpretation des Fragments vgl. F. QUADLBAUER, Die genera dicendi bis Plinius d.J., WS 71 (1958) 55-111, hier 80f.

128

Die stilistische Analyse

Übertragen auf die drei genera der dramatischen Kunst begegnet dieses Urteil auch im Traktat des Euanthius, der dem Terenzkommentar des Donat in der Überlieferung voransteht: illud quoque inter Terentianas virtutes mirabile, quod eius fabulae eo sunt temperamento, ut ñeque extumescant ad tragicam celsitudinem ñeque abiciantur ad mimicam vilitatem (III 5)328. Euanthius bewegt sich in einer lang zurückreichenden Tradition der stilkritischen Urteile über das Wesen der Komödie: Gellius hat in seinem berühmten Kapitel über den Vergleich von Caecilius' Plocium mit dem menandrischen Original die mimenhaften Wesenszüge und den tumor tragicus des Bearbeiters gerügt und somit den mittleren Stil als Ideal vorausgesetzt (2,23,12.21)329. Donats Interpretamente zur Sprache des Terenz galten, wie wir gesehen haben, vornehmlich dem Aufweis der proprietas und consuetudo, so daß eine Untersuchung des Sprachstils hinsichtlich einer bei Terenz nicht gegebenen vilitas a priori unterbleibt. Hingegen findet sich eine Reihe von Interpretamenten zur tragischen Diktion in der Komödie, die "Verstößen" der μβτάβασις eiç το άλλο yévoç gelten330: Anders also als in griechischen Stiltraktaten, wie etwa bei Ps.-Plutarchs Synkrisis zwischen Aristophanes und Menander oder der 18. Rede des Dio Chrysostomus, in der Menanders χάρις gegen die δβινότης (oder gar Stilunsicherheit) der alten Komödie ausgespielt wird331, findet sich weder bei Donat noch, soweit ich sehe, bei anderen lateinischen Autoren ein

328

329

330

331

Vgl. Gloss. V 41,9 comoedia...non tarn alto ut tragoedia stilo sed mediocri et dulcí. Zur Herkunft dieser Definition (sie entspricht fast wörtlich der Beurteilung des Euripides bei Dionys von Halikarnass de imit. p.206,21U.-R. δ δέ oiré υψηλός ίστιν οϋτ( μην λιτός, άλλά κεκραμένη μΐσότητι της λέξεως κίχρηταί) KAYSER 93. Anders wertet Seneca epist. 100,10 sit aliquid oratorie acre, tragice grande, cornice exile. Hierher gehört auch Ciceros Beurteilung des Terenz: (Menandrum) in medium nobis sedatis motibus effers (frg. 2 M.), unabhängig davon, ob man bei der Überlieferung motibus bleibt oder vocibus liest. Alle drei Zeugnisse hat W. SCHMID, Terenz als Menander Latinus, RhM 95 (1952) 229-272, insb.238 Anm.26, zusammengestellt. Die einschlägigen Belege aus dem Terenzkommentar hat KLIEN-PAWELETZ 177FF., insb. 182f. und 185f., zusammengerückt. Orat. 18,7. - Auch dem Quintilian, der in seiner Behandlung der Komödie manche Ähnlichkeit zu Dio Chrysostomus aufweist, ist Aristophanes das Muster des genus grande (inst. 1 0 , l , 6 5 f . ) .

Das genus dicendi der terenzischen Komödie

129

ähnlicher Vergleich zwischen dem Sprachstil eines Plautus oder Terenz332. Der Akzent der Kommentierung ist vielmehr ausschließlich auf die Antinomie von komischem und tragischem Stil gelegt. Interpretamente dieser Art begegnen, wenn man nach einer Entsprechung in den griechischen Scholiencorpora sucht, unter umgekehrtem Vorzeichen in den Euripides-Scholien, in denen der Tragödiendichter häufig aufgrund der Aneignung komischer Elemente des Verstoßes gegen die Formgesetze der Gattung geziehen wird333. Hier, und nicht in den Aristophanes-Scholien, bietet sich Vergleichsmaterial für Donats Auffassung über den spezifischen Stil der Komödie. Während sich dabei wie bei Donat eine Reihe von Noten zum komischen Charakter einer ganzen Szene findet, begegnen anders als im lateinischen Kommentar offensichtlich keine Interpretamente zur nicht tragischen, komödienhaften Diktion334. Es versteht sich, daß der negative Befund in den Euripides- oder Aristophanes-Scholien lediglich der Überlieferung zuzurechnen ist, denn entprechende allgemeine Erörterungen finden sich etwa bei Hör. ars 89ff.335, und ein konkretes Beispiel bietet Quintilian über die Streitfrage, ob der Ausdruck gradus éliminât noch dem hohen Stil der Tragödie angemessen sei (inst.8,3, 31)336. Dieser Streitfrage entspricht im Terenzkommentar des Donat die an drei Stellen erwähnte Diskussion, ob ein Reduplikationsperfekt tetuli oder pepuli noch dem Komödienstil entspreche337:

332

333 334

335

336

337

Der Tadel an der plautinischen obscuritas bei Euanthius (III 6) gilt nicht der Sprache, sondern zeitgeschichtlichen Anspielungen (aus den gleichen Gründen wird von Plut. Symp.712a Aristophanes kritisiert), wie auch Donats süffisante Kritik an den nugae Plautinae (Eun 694.1), derer sich Terenz in der Nachbildung einer plautinischen Szene enthalten habe, lediglich auf den allzu verschwenderischen Gebrauch des Wortes selbst zielen dürfte (vgl. WESSNER z.St. in der App.). Gelegentlich wird auch Sophokles getadelt, so in Schol.Ai.1123. Gleiches gilt für die Aristophanes-Scholien: Der Hinweis von KLIEN-PAWELETZ 178 Anm.2 auf Schol.Vesp.1312 beruht auf einem sprachlichen Mißverständnis, denn der dort fallende Begriff τραγικός (sc. υποκριτής) gilt einem im Stück selbst genannten Schauspieler Sthenelos. BRINK führt zu Vers 89 weitere Belege an, wie z.B. Cie.opt.gen. 1 itaque et in tragoedia comicum vitiosum est et in comoedia turpe tragicum. Vgl. O. ZWIERLEIN, Die Rezitationsdramen Senecas (Beiträge zur Klass. Philol. 20), Meisenheim am Glan 1966, 164f. Alle Noten dürften unmittelbar auf Donat zurückgehen, dessen Interesse an einer gattungsorientierten Stilkritik uns Servius zu georg.4,150 bezeugt: nam, ut etiam

130

Die stilistische Analyse

An 808 NUMQUAM HUC TETULISSEM PEDEM Vergilius (Aen. 2,65758) 'mene efferrepedem, g.L.p.r.s. ' et (georg. 1,11) 'ferte simul f.p.d.g.p. ' sed critici adnotant altius esse charactere comico 'tetulissem pedem' An 832 DUM RES TETULIT compositum pro simplici est 'tetulit'. et altius, quam decet comicum characterem dictum videtuiJ38 Ad 638.3 (tune has pepulisti fores) et nota 'pepulisti' elatum verbum et tragico coturno magis quam loquelae comicae accomodatum.

Die Form tetuli ist zehnmal im Corpus der plautinischen Komödien belegt, aber bei Nonius (178,14) wird sie bezeichnenderweise mit einem Beleg aus den Tragödien des Accius (116 R2) und eben des Komikers Caecilius (75 R2) nachgewiesen. Caecilius galt allgemein als schlechter Stilist (Cic.Att.7,3,10; Brut.258), und in der oben genannten Synkrisis des Gellius wurde gerade sein tragicus tumor gerügt, wofür aus dessen Komödie Plocium die Verse 169ff. R2 angeführt werden: is demum infortunatus est homo pauper qui educit in egestatem liberos cui fortuna et res ut est continuo patet. nam opulento famam facile occultât factio

LEO wollte die Kritik auf den vierten Vers mit seiner Klangfigur bezogen wissen339, was m.E. aber schwerlich den doch für die gesamte Partie geltenden Tadel eines tragicus tumor belegen könnte und kaum dem Wortlaut versus...Caecilii trunca quaedam ex Menandro dicentis et consarcinantis verba tragici tumoris

gerecht wird. Vielmehr dürfte das ins Sentenzenhafte gesteigerte Pathos eines is...infortunatus est homo im Vergleich zu Menanders ώ τρις κακόδαιμον340 bzw. cui fortuna et res hinsichtlich eines ός.,.μήτ', àv άτυχήση εις τά κοινά του βίου, / εταμφιεσαι δύναιτο τούτο χρήμασιν / άλλ' εν άκαλύπτψ και ταλαιπώρψ βίψ / χειμαζόμει>ος ζή (frg.

335 Κ.-Τη.)

Donatus dicit, tragicum est et ultra carmen georgicum, si accipiamus 'pro qua mercede' exclamationem esse. In der Einleitung zum Eklogenkommentar werden 338 339

340

die Werke Vergils den drei χαρακτήρΐς zugeordnet (58 p.742H.). Die Note gehört nicht dem Donat. Vgl. oben S.63f. Geschichte der Römischen Literatur I. Die Archaische Literatur. Berlin 1913, 223f. und 469 Anm. 1.-Erhellend zum Menander-Bild des Gellius jetzt L. HOLFORDSTREVENS, Aulius Gellius, London 1988, 145ff. Ein für die Komödie typischer Ausdruck, vgl. L-S-J s.v. und BARRETT zu Eur. Hipp. 1362 (dem einzigen Tragödien-Beleg).

Das genus dicendi der terenzischen Komödie

131

Anstoß erregt haben. Dem entspräche bei Donat eine Note über die Diktion des verliebten Antipho in Ph 201 f. (quod si eo meae fortunae redeunt, Phanium, abs te ut distrahar, / nullast mihi vita expetenda): tragice amator hoc negotium

'fortunas omnes' dixit esse (201.1).

Die Diagnose eines tragischen Sprachgebrauchs, die - wie sich die modernen Kommentatoren einig sind - in den vier vorgestellten Scholien korrekt gestellt ist, hat man nicht immer im Sinne einer Rüge einer an sich fehlerhaften μβτάβασις eiç τό άλλο -γένος aufzufassen. Donat selbst führt das Phänomen an anderer Stelle auf die - absichtliche P a r o d i e tragischer Diktion zurück: Die Prädikation qui templa caeli summa sonitu concutit wird als Parodie eines Ennius-Verses (372 R2) interpretiert, und in einem nächsten Scholion wird darauf hingewiesen, daß der Stil tragice, sed de industria, non errore sei (Eun 590.3)341. Zu dem Ausruf des verzweifelten Vaters Demea o caelum o terra o maria Neptuni (Ad.790) zitiert Donat lediglich das berühmte Horaz-Wort hoc est, quod ait Horatius comoedia

tollit'

in arte poetica

(93) 'interdum tarnen et

vocem

(790.2) 3 4 2 .

Eine zweite Gruppe von frag/ce-Scholien bezieht sich auf das absichtlich kunstvolle M e i d e n eines tragischen Zungenschlages343, e.gr. An 642.1 mire et artificiose Pamphilum fecit priorem alloqui ad perfringendam iracundiam Charini: alioquin si prior vociferan potuisset, tragica exclamatione usus fuisseί344.

341

342 343 344

Auch in den Aristophanes-Scholien fällt der Begriff der παρωδία eines Tragikers ausdrücklich nur an wenigen Stellen (Ach.8; Pax 126), während in der Regel nur ausgeführt wird, daß der Komödiendichter einen Vers aus einem anderen Genus ganz oder teilweise anverwandelt hat. Dies wird kurz mit tu bzw. παρά + Vorbild angegeben (vgl. Ran.8f.), so daß man vermuten darf, daß diese Kurzform auf Rezensententätigkeit und nicht auf den ursprünglichen Interpreten zurückgeht (vgl. ROEMER, Philologus 67 [1908] 238ff., insb. 250 und zuletzt E. PÖHLMANN, ΠΑΡΩΙΔΙΑ, Glotta 50 [1972] 144-156). Ps.-Acro wiederum führt als Komödienbeleg unseren Terenzvers an. Eine Reihe von Stellen ist bei KLIEN-PAWELETZ 186f. zusammengetragen. In diesem Sinne auch Ad 686 VIRGINEM VITIASTI vide et rem dici et abesse tragicam exclamationem, et delictum ostendi et ad veniam festinan etc., worauf dazu aufgefordert wird, auch in der Betonung jede Emphase zu meiden: et tota pronuntiatio in huiusmodi verbis submissa < esse > debet. - Vgl. Hec 281.5 (nemini ego plura acerba credo esse ex amore) nimis coturnati et tragici in hac scaena dolores essent, non comici, nisi adderei 'ex amore' bzw. 284.4 nimis enim tragicum fieret 'satius erat in mari perire '.

132

Die stilistische Analyse

Und wenn ein "tragischer Ausruf" wie pro Iuppiter tatsächlich fällt, fehlt nicht der Hinweis, daß Terenz diesem die Spitze abbreche in den unmittelbar folgenden Worten quia 'pro Iuppiter' tragica exclamatio est, bene tamquam ipse se reprehenderet Dentea adiecit 'tu homo rediges me ad insaniam' (Ad lll.l) 345 . Der comicus stilus meidet also auch in pathetischen Szenen eine tragische Diktion (ne esset tragicum...bene pressit An 606.1-2). Selbst wenn, wie bei Terenz selten, in einer Ekphrasis der Danae-Szene ausführlich Mythologica dargestellt werden, wahrt Terenz die stilistische Angemessenheit: satis comico charactere locutus est et presso stilo (Eun 588.6).

345

Auf diese Stelle nimmt Bezug Ad 197.2 (nachdem in 196 das Stichwort pro supreme Iuppiter gefallen war) et simul animadverte vigilantem poetarti, ubicumque in comoedia vocem tragicam extulerit, statim personam 'insanam ' dicere, sic et supra (111) etc. Ähnlich Ad 731.2, wo nach der zweimaligen in dem Adelphen-Kommentar vorangegangenen Erläuterung nur noch der entscheidende Begriff tragice fällt.

VII. Die rhetorische Erklärung Wenn man die Hauptunterschiede zwischen einem modernen Terenzkommentar und seinem antiken Gegenstück bestimmen wollte, wird man die überragende Bedeutung der rhetorischen Analyse anführen dürfen. Zwar gelten dem Aufweis des Redeschmucks, der σχήματα Xóyou και διανοίας, auch die Bemühungen der Interpreten heutiger Zeit, und die Disposition einer Rede innerhalb eines Dichtertextes entsprechend den kanonischen Ordnungskriterien der Artigraphen hat man konsequent noch im 19. Jh. gepflegt, aber die Analyse hinsichtlich des ersten und wichtigsten Kapitels der antiken Rhetorik, der inventio, ist Eigengut der antiken Erklärer geblieben. Die Ursache für dieses Phänomen wird man zum einen darin zu sehen haben, daß die Dichter selbst - und zwar nicht nur Homer und Vergil - als Quelle aller Weisheit und Fertigkeiten und damit auch als Lehrmeister der Rhetorik galten346. Ein gewichtigerer Grund praktischer Art dürfte darin bestehen, daß die Grenze zwischen Grammatik- und Rhetorikunterricht nicht eng gezogen war und, wie bereits Quintilian bezeugt, schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert der grammaticus mehr und mehr Aufgaben, die ursprünglich nur dem rhetor zugedacht waren, übernommen hat (inst.2,1,1-3): Bedenkt man, daß Donat gemäß einigen subscriptiones zum Terenzkommentar auch den offiziellen Titel orator urbis Romae getragen hat347, wird man den im Vergleich zu den Homer- und Tragikerscholien348 höheren Anteil

346

347

348

C. SCHMID, Homerische Studien, I. Homer, das hellenische Universalgenie nach den Begriffen der antiken Schulerklärung, Progr. Landau 1905, M. SCHMIDT 58f. und jetzt grundlegend M. HLLLGRUBER, Die pseudoplutarchische Schrift De Homero I (Beiträge zur Altertumskunde 57), Stuttgart-Leipzig 1994. So in A (Paris, BN lat 7920 f.51r), in Rom.Cors. 43 E 28 f.294r und im verlorenen Cuiacianus (im Vat.lat.2905 f.76v orator Urbis). Vgl. SABBADINI (1895) 337ff. und KASTER 275 (Nr.52), dessen Zweifel an der Authentizität des Titels ich nicht zu teilen vermag. Vgl. SCHRÄDER 564. - Die vergleichsweise wenigen Interpretamente zur Stasislehre in den Homerscholien hat G.LEHNERT, De scholiis ad Homerum rhetoricis, Diss. Lipsiae 1896,103-106 behandelt (vgl. jetzt auch M. HEATH, ΣΤΑΣΙΣ-Theory in Homeric Commentary, Mnemosyne 46 [1993] 356-363). In den Tragikerscholien wie auch der Aristophaneserklärung hingegen fehlen Begriffe wie στάαις oder άτίχνος/ϊρπχνος πίστις.

134

Die rhetorische Erklärung

rhetorischer Interpretationen jenseits der Figurenlehre, des Stils und der Kunst der Disposition den praktisch-propädeutischen und persönlichen Intentionen des Donat zuzurechnen haben349. Wie groß denn auch das Bedürfnis nach rhetorischer Analyse eines Dichtertextes in der Spätantike gewesen ist, zeigt der nach Donat entstandene und ihn teilweise ausschreibende rein rhetorische Kommentar des Eugraphius. Donat selbst hat auf Vorarbeiten früherer Erklärer zurückgegriffen350, wie etwa die Note Eun 144.2 non indiligenter consideraverunt hanc meretricis orationem, qui illam instar controversiae rettulerunt (es folgt die Disposition in principium - narratio - partitio cum confirmatione - reprehensio - conclusio per conquestionem)

zeigt351. Von den Technographen werden namentlich jeweils einmal Cicero (inv.1,27 in Ph 127.3) und Isokrates (Dem.31 in Ph 252.3) angeführt, sonst heißt es allgemein nur quae ab oratoribus dicitur (Ad 114), apud oratores (Ph 282.3), quod rhetores dicunt (Ph 281.2), ut rhetoribus placet (Ph 348.1), secundum praecepta in rhetoricis (Hec 28.2) rhetoricum est Οβώρημα in huiusmodi exceptionibus (Ph 272.2). Die Interpretamente zur inventio begegnen entgegen KARSTEN (1905)

239 zu allen Komödien352, mit dem Unterschied, daß im Phormio, dessen Kommentierung am wenigsten überarbeitet wurde, noch deutlich mehr griechische Termini erhalten sind als in der Kommentierung der anderen Stücke353. Erhaltene Dubletten zum Phormio wie Ph 270.1 principium per insinuationem subtilem - 270.3 oratorium principium ÙTTÒ της έπιεικειας του λέγοντος

349

350 351

352

353

In diesem Sinne bereits USENER, RhM 23 (1868) 495. KARSTENS Versuche, einen Großteil der inventio-Noten einem späteren Interpolator zuzuweisen (Mnemosyne 33 [1905] 231-268), sind mit Recht allgemein abgelehnt worden. Vgl. WESSNER, Aemilius Asper 31. Ähnliches wird für die Interpretamente zur Statuslehre gelten, wenn es hier auch eine k o n s e q u e n t e Analyse der Komödien, wie sie uns für Vergils Aeneis durch Titianus und Calvus bei Servius zu Aen. 10,18 bezeugt ist, nicht gegeben haben wird. Man hat in Verkennung dieses Befundes gefolgert, daß Donat nicht der Urheber der Noten sei. Daß die beiden einzigen oben genannten namentlichen Zitate aus Artigraphen wie auch die meisten der allgemeinen Hinweise auf rhetores in diesem Werk begegnen, ist also kein Zufall.

Statuslehre

135

oder Ph 281.4 derivado causae, et est venialis status - 282.3 haec apud oratores μίτάύβσις αίτιας dicitur, hoc est translatio causae facti, quem vulgo colorent nominant legen nahe, daß in den anderen Stücken, in denen nur die lateinische Definition gegeben wird, ursprünglich die griechische Terminologie anzusetzen ist. Scholien, in denen wie Ph 281.4 allein die Diagnose gegeben wird, werden in aller Regel sekundären Ursprungs sein. Es gilt nun anhand der inventio- und speziell der status- und argumentatio-Noten354 zu klären, ob hinter Donats Explikationen ein bestimmtes rhetorisches System auszumachen ist; vor allem aber ist zu untersuchen, wie die Interpretamente zur Rhetorik in die grammatische und ästhetische Erklärung eingefügt sind.

A. Status lehre Zu der Szene Andria V 1 bemerkt Donat zu Beginn seiner Kommentierung: haec veluti quaedam controversia est, namque iniuriarum reus fit Simo: contradicitur per coniecturam falsum esse quod intendit, cum Pamphilus neque amet neque ex eo filius natus sit, et adhibetur derivatio causae, qua dicitur meretricem ista omnia esse molitam ad disturbandas nuptias (820.2). Die Auseinandersetzung zweier Väter wird als controversia interpretiert, die per coniecturam (d.h. unter Leugnen der Anschuldigung) und einer derivatio causae von Seiten des Angeklagten gefuhrt wird. Die Begrifflichkeit erweist, daß Donat gemäß dem System der Statuslehre des Hermagoras erklärt: coniecturalis est (sc. constitutio), cum defacto controversia est (rhet. Her. 1,18). Die derivatio causae oder μβτάάβσις αίτιας (Ph 282.3) ist ein locus in einer Gruppe von zehn, in die die causa coniecturalis (Hec 727.3) später von Hermogenes systematisiert

354

Die dispositio ist innerhalb der Dichtererklärung in dem Bereich der 'Handlungsökonomie' aufgehoben, die Hypokrisis gilt als Teil der άνάγνωσις. - Eine nähere Behandlung der Figurenlehre liegt bereits mit den Dissertationen von FEYERABEND und vor allem SCHRÖDER vor. Eine gewisse Unsicherheit ergibt sich aus dem Umstand, daß die meist in Graeca gefaßten Figuren-Diagnosen unter der Überlieferung besonders gelitten haben und oft nur als Konjektur des STEPHANUS vorliegen. Mit Bestimmtheit aber wird man dennoch feststellen können, daß sich Donats Repertoire ungleich umfangreicher und differenzierter darstellt als das aller anderen lateinischen Kommentatoren (vgl. HOFFMANN 125-128).

136

Die rhetorische Erklärung

wurde (p.49,7 R.)355. Donat orientiert sich, wie etwa An 131.1 erweist, wo drei andere modi genannt sind (a volúntate, a facúltate*56, a summo ad imum357), an diesem ausgebauten System der Statuslehre, wie es allgemein bei den späteren Rhetoren des 4. und 5. Jh.s, wie Fortunatian, Iulius Victor und Sulpicius Victor, anzutreffen ist358. Neben der coniectura weist Donat die ceteri status (Hec 254.2) mit Ausnahme der definitio359 im Laufe der Kommentierung nach: Aus dem Bereich der qualitas (die Bewertung der nicht geleugneten Tat) werden die qualitas negotialis360 wie auch alle iudiciales genannt, nämlich comparativa361, die relatio criminis (eine Tat ist rechtens, weil sie gegen einen Übeltäter verübt wurde)362, die remotio criminis (ein anderer hat die Tat begangen)363 und die concessio, die Donat, wie auch sein Kollege Victorinus (191,15 H.) 364 , als status (oder qualitas) venialis kennzeichnet365. Ob Donat die trans latió (das Bestreiten

355

V g l . z u l e t z t CALBOLI MONTEFUSCO 7 5 f .

356

Ad 530.2 bietet eine ausführliche Darstellung dieses locus unter Einbeziehung der griechischen Terminologie (qui locus περί δυνατών dicitur). Die Kurzscholien in der Art von An 131.1 sind folglich nur rezensorische Zusammenfassungen ursprünglich ausführlicherer Beschreibungen. Die Terminologie ist streng einheitlich. Wenn der gleiche locus in Hec 241.1 als ab initio ad finem bezeichnet wird, ist dies die wörtliche Übersetzung des zuvor genannten griechischen Terminus (imago hic quaedam argumentationis, quae dicitur άπ' αρχής άχρι τέλους quod Latine dicitur ab initio ad finem) und spiegelt nicht die Begrifflichkeit eines anderen Kommentators wider.

357

358

REUTER 9 3 f . ; CALBOLI MONTEFUSCO 7 5 f .

359

Ph 277.3 et oratone naturam iudicum τω όριαμμω expedivit gilt ja nicht dem status. Hec 577.1 in hac scaena velut qualitas negotialis in disputationem venit, iustumne sit repudian coniugem causa matrìs, et omnino quod fieri deceat. Ph 153.2 comparativa qualitas in hac scaena est inter Antiphonis vitam et Phaedriae; in Ph 734 wird die gleiche qualitas als compensativa bezeichnet wie ansonsten offensichtlich nur in spätantiken Artes wie bei Victorinus 191,3 H., Sulpicius

360

361

Victor 345,17 H . und Grillius 70,4 M . (vgl. CALBOLI MONTEFUSCO 116). 362 363

Hec 631.1 NVLLAM DE HIS REBVS CVLPAM relatio criminis potest viderí. Ph 231.1 in hac scaena accusatio est et contradictio per remotivam qualitatem; Ph 263.1; vgl. auch Eun 1014.3 sie enim agimus, cum ab his, qui falso rei sunt, in auctores culpam sceleris removemus.

364

V g l . CALBOLI MONTEFUSCO 129.

365

Hec 382.2 venialis status, in quo confessio est et precatio, was dann mit confessio est (383.1) bzw. 386.1 precatio (387.2 nebst obtestatio) erläutert wird. Von den drei Entschuldigungsgründen imprudentia, casus, necessitudo wird Eun 27.5 und Hec 660.2 die imprudentia in Verbindung mit dem status genannt, der ansonsten noch Ph 733 bezeichnet und in der Szene V 9 (990.1; 1014 und 1035) näher

partes orationis

137

der Rechtmäßigkeit der Verhandlung selbst) als eigenen vierten status innerhalb der status rationales anerkannt hat oder nicht, läßt sich aus Mangel an Belegen nicht mehr ausmachen. Neben den vier status rationales wird auch in einem Falle der status legalis aufgeführt, in dem nicht die Tat, sondern der Gesetzestext selbst Gegenstand der Erörterung wird, nämlich scriptum et voluntas366. Aus dem Überblick ergibt sich, daß Donat die Statuslehre entsprechend der seit Ciceros Jugendschrift 'De inventione' und Hermogenes kanonischen Schulsystematik anwendet. Lediglich zwei terminologische Abweichungen, die qualitas compensativa und venialis, lassen sich ausmachen. Beide Begriffe begegnen bei Victorinus (die compensativa zusätzlich bei Sulpicius Victor und Grillius), so daß hier offensichtlich eine spätantike Besonderheit des 4. Jh.s zu konstatieren ist367. Blickt man auf die Anwendung der Statuslehre innerhalb der verschiedenen genera dicendi, so entspricht Donats Systematisierung in aller Regel der Tradition nach Hermogenes368, wo die Anwendung auf die controversia, also das genus iudiciale, beschränkt bleibt. Nur an einer Stelle wird sie mit dem genus demonstrativum in Verbindung gebracht369.

B. partes orationis Längere monologische Partien, zumal die Prologe, in principium narratio conclusio zu gliedern (e.gr. An 1.1 principium factum a commendatane personae, quod pudens, quod honestus etc. -* An 9.1. iam narratio est -* 24.1 iam ad auditores convertitur, a quibus coepit)

366

367

entfaltet wird. In Ph 413 B, der Note, die innerhalb einer ausführlichen Parallelrezension 412 A quia enim a lege stai, recitai tantum id, quod scriptum est bzw. 415.2 A hic a volúntate in einer ausführlicheren Fassung erhalten ist. Es folgt, daß auch weitere Noten der Art von 413 B, in denen lediglich der status selbst genannt wird, nur in einer rezensierten Fassung vorliegen. Wenn Servius den Terminus status venialis benutzt (Aen.3,615; 6,456), wird er aus dem Vergilkommentar des Donat geschöpft haben.- In den SD-Scholien begegnen noch zwei Kategorien, die nicht im Terenzkommentar belegt sind, der finitivus (Aen. 10,68) und die der coniectura zugehörige άντικατη-γορία (Aen. 10,36).

368

V g l . VOLKMANN 5 5 f .

369

Ph 153.2 comparativa qualitas in hac scaena est inter Antiphonis vitam et Phaedriae; genus causae demonstrativum. Immerhin hätte sich Donat dafür auf Quint.inst.7,4,3 berufen können, wo die qualitas auf andere genera und vor allem auf demonstrativae partis omnia bezogen wird.

138

Die rhetorische Erklärung

gehört zu den Aufgaben auch des modernen Kommentators. Die antike Kommentierungstechnik zeichnet sich eher dadurch aus, anzugeben, welche spezielle Taktik bzw. welcher Topos der Argumentation aus dem System der Gerichtsrede bei den partes orationis im Dichtertext Anwendung findet: vide narrationem a necessariis et urgentibus coeptam non in se continere nisi quod rei condicio cogit fateri etc. (Eun 982.1); principium factum a commendatione personae (An 1.1); oratorium principium άτό της έπκικβίας του λέ-γοντος (Ph 270.3)370 oder in einer als deliberatio (Ph 441.2) gekennzeichneten Rede bene principio άτό της τιμής κ α ι 3 7 ' του συμβουλεύοντος benevolentiam suam commendavit et sic372 consilium dedit (Ph 449). Die Beispiele sind für Donat insofern typisch, als nicht für jede monologische Form eine starre Disposition durchgeführt wird, in der alle kanonischen Redeteile dem Dichtertext aufgezwungen werden. Von den fünf Redeteilen werden nie mehr als zwei (nämlich principium/prooemium und narratio) zusammen nachgewiesen und in exakter Terminologie geboten, vielmehr wird ansonsten - wie etwa in An 24.1 iam ad auditores convertitur, a quibus coepit - ein Begriff wie conclusio als Redeteil eher ungezwungen umschrieben373. Ausdrücklich hingewiesen auf eine gesetzmäßige Reihe der partes orationis wird neben Eun 144.2, wo Donat Vorgänger hatte (s.o. S.134), nur zu Eun 979, wo ein absichtlicher "Verstoß" konstatiert wird: quod ante narrationem confirmatio inducitur, contra morem et praecepta; sed merito, quia perturbatus est f qui et simul ut possit dice-

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371 372

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Die Doppelfassung 270.1 principium per insinuationem subtilem stammt, wie oben schon aufgezeigt, vom latinisierenden Bearbeiter. Es besteht kein Grund, das hier epexegetische και' mit SCHOELL zu tilgen. Hier in dem der Spätantike geläufigen Sinne von tum gebraucht (Ad 545.2 und Hec 668.3 sind weitere, zufällig herausgegriffene Belege). Argumentatio, argumentum und argumentalis werden im Kommentar in der Regel als dialektische Begriffe verwendet. Ich verweise auf den nächsten Paragraphen. Ähnlich ist mit narratio in einer Reihe von Belegen nicht ein Redeteil, sondern ein ganzer Monolog gemeint (z.B. Eun 232.4 zum ersten Vers eines Ausrufes: morata narratio [der Ausdruck ist Cic.Top.97 (zitiert bei Quint.inst.4,2,64) entlehnt] a sententia incipi solet etc.). WESTERHOVIUS vermutet ...sed. necessario, quia ita perturbatus est, licet simulet, ut non possit dicere.

Argumentationslehre und Topik

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Donat fühlt sich in diesem einen Falle genötigt, die Disposition in rhetorischer Begrifflichkeit näher zu analysieren, weil ein früherer Kommentator Kritik geübt hat (mit sed merito beginnt die Replik). Eine ausführlichere Analyse eines einzelnen Redeteils, nämlich der narratio, wird lediglich dem Bericht des Simo in An I 1 (48b-171) gewidmet, zum einen, weil die erzählende Darstellung, die nur durch einige Fragen aufgelockert wird375, sehr lang ist und der Disposition bedarf, zum anderen, weil Terenz selbst in 49f. ihr eine divisio vorangestellt hat, deren Erfüllung Cicero als Musterbeispiel behandelt hat376 (inv. 1,33; de orat. 2,327)377. Doch verzichtet der Terenzinterpret auf jede präskriptive Empfehlung, wie sie Cicero in seiner Jugendschrift nach dem Aufweis der divisio gibt (quemadmodum igitur hic...sic nobis placet...).

C. Argumentationslehre und Topik Im Gegensatz zum Monolog lassen sich Dialoge nur in Ausnahmefallen nach allen kanonischen Kriterien der Lehre von den partes orationis und genera dicendi analysieren. Donat weist denn auch in der Regel nur darauf hin, daß sich eine gewisse Szene mit der Struktur einer controversia, einer suasoria bzw. einemprooemium berühre378, z.B. Ph 990.1 hic velut controversia est, in qua reus fit maritus malae tractationis

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Intercidit poeta, ne solus Simo loqueretur. ceterum non erat respondendi locus necessarìus (An 54.3), eine Beobachtung, die bereits Cicero gemacht hatte: Wenn hier Terenz allein die brevitas im Sinn gehabt hätte, hätte er sich, wie an den anderen Stellen, kürzer fassen können, sed et festivitaten habet narratio distineta personis et interpuneta sermonibus (de orat.2,328). Donats Interpretamente in 49.2 entsprechen exakt Ciceros Darlegungen in 'De inventione': istae divisiones sunt: 'gnati vitam', quoniam dicturus est (51) 'nam is post quam excessit ex ephebis, Sosia'; 'consilium meum', quia dicturus est (157) 'et nunc id operam do', 'et quid facere in hac re te velim', quia dicturus est (168) 'nunc tuum est officium h.b.u.a.nuptias'. Vgl. inv. 1,33 itaque quemadmodum in partitione proposuit, ita narrai, primum nati vitam: 'nam is postquam excessit ex ephebis'; deinde suum consilium: 'et nunc id operam do'; deinde, quid Sosiam velit facere, id quod postremum posuit in partitione, postremum dicit: 'nunc tuum est officium '. Cicero hat, was wenig bekannt ist, praktische Konsequenzen gezogen und Terenzens narratio zu Beginn der narratio seiner Rede für Archias imitiert (Arch.4). Ich verweise auf den Schlußparagraphen dieses Kapitels.

140

Die rhetorische Erklärung

Ph 452.2 leviter deliberativae tres locos tetigit, honestum379, utile et possibile. Auch wenn nicht jede Rede auf der Bühne als tatsächliche oder scheinbare controversia bzw. deliberatio begriffen wird, versteht es sich, daß der Interpret die jeweilige Argumentation nach dem fein zergliederten Instrumentarium der Lehre von Beweis und Widerlegung analysiert380. Donat ordnet die einzelnen Aussagen jeweils generalisierenden Kriterien der Topik zu, e.gr. Hec 86.4 haec argumenta sunt, an se oblectare potuerit: a persona quod 'miles inhumanissimus ', a loco quod 'hinc profecía ', a tempore quod 'biennium ', a re id est ab iniuria quod 'tuli'. In diesem Beispiel sind zugleich schon die wichtigsten und von Donat am häufigsten genannten loci angeführt. Anders als die Artigraphen spezifiziert Donat in der Praxis nicht mehr die Argumente a personis in weitere Unterklassen wie nomen natura victusm, während die attributo negotiis, die vornehmlich in der Klasse in gestione negotii {locus, tempus, occasio, modus und facultas) begegnen, wegen ihrer Inkommensurabilität differenziert werden müssen. Donat fußt dabei, wie schon aus der Verwendung des Ordnungsbegriffes personae attributa (e.gr. Hec 49.1) hervorgeht, grundsätzlich auf dem von Cicero in 'de inventione' aufgestellten System der Trennung von Personen- und Sachtopoi und nicht auf dem etwa von spätantiken Rhetoren wie Fortunatian und Sulpicius Victor empfohlenen System der loci ante/in/post/circa rem oder gar auf der eher an der stoischen Lehre orientierten Differenzierung nach thetischen und hypothetischen Topoi382.

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So dürfte anstelle des iustum der Hss. zu schreiben sein: Abgesehen davon, daß eben das honestum und nicht das iustum zu den drei klassischen loci des yévoç σνμβουλίυτικόν gehört, gliedert Donat selbst in 451.1 ab honesto und wiederholt in 455.2-456 hic alio ordine locos suasorìae tetigit, primum a possibili, secundum ab honesto; utilitatis partem praetermisit etc. Dies ist die kanonische Trias. Es war ein unglücklicher Einfall KARSTENS, die controversia-Noten Donat zu lassen, die Interpretamente zur argumentatio aber einem "Interpolator" zuzuweisen. Lediglich mit ab habitu wird in einem Falle (Hec 138.2) eine species von a personis genannt. Vgl. VOLKMANN 210f.- Dieser Befund entspricht der Tatsache, daß vornehmlich dieses Werk Ciceros als Autorität in rebus rhetoricis zitiert wird.- Nicht in 'De inventione', sondern in der Aufreihung der 'Topik' (11) findet sich das Ad 57.2 und 127.2 aufgeführte argumentum a coniugatis (etymologisch gleiche Wurzel zweier Begriffe).

ut rhetoribus placet

141

Wenn indes einige hypothetische Topoi aus dem Bereich der attributo negotiis wie άπό της έκβάσεως (An 385) oder άπό της ισότητος (Hec 56. l)383 eingeführt werden, so zeigt schon die nur bei diesen Topoi benutzte griechische Terminologie, daß Donat hier nicht allein die ciceronianische Begrifflichkeit vor Augen hatte, sondern zudem wohl einer unmittelbar stoisch geprägten griechischen Rhetorik verpflichtet ist, was deutlich in den Noten zur έπαγωγη, die den eigentlichen logischen Schlüssen vorausgeht, zum Ausdruck kommt: Vgl. Ad 114 argumentum per ίποτγωγην, quae inductio ab oratoribus dicitur, cum per interrogationem pervenimus ad id quod volumus concludendum, Hec 311.1 interrogat διαλίκπκώς Ph 208.1 hoc intulit παρά προσδοκίαν, nam videbatur hac interrogatione adduci posse ad sententiam percunctantis. et haec est dialéctica contra ¿πα-γω-γφ, cum male respondendo callidae interrogationis interrumpimus argumentum. Da in dem zitierten Passus Ad 114 von der έπαγωγη ausgeführt wird, daß sie von den Rhetoren inductio genannt werde (so etwa Cic.inv.1,51), darf man vermuten, daß inductio für Donat einen Begriff der Rhetorik384, die επα-γωγή eher einen Begriff der Dialektik darstellte. Donat wußte also noch um die Herkunft der logischen Operationen innerhalb der Rhetorik.

D. ut rhetoribus placet - Die funktionale Aneignung der inventio-Lehre Der Rhetor Telephos hatte es in seinem Lehrbuch περί της καΰ' "Ομηρον ρητορικης unternommen, Homer als ersten Redner zu deuten und bei dem Epiker möglichst viele στάσεις wiederzufinden385; in der fragmentarischen unter dem Namen des Floras überlieferten Schrift ' Vergilius orator an poeta' werden die Möglichkeiten einer solchen Sicht erwogen worden sein; dem Macrob schließlich gilt der Dichter als orator und Quelle angewandter Rhetorik. Eugraphius hatte in der Beurteilung der virtus oratoria nicht Vergil, sondern Terenz den Vorzug

383 384

385

Hingegen der lateinische Begriff a simili Hec 310.1. Wenn inductio lediglich die lateinische Übersetzung sein sollte, hätte es nicht ab oratoribus dicitur, sondern Latine dicitur heißen müssen. Ap.Proleg.in Hermog.p. 189,3 R.; vgl. SCHRÄDER 563f.

142

Die rhetorische Erklärung

gegeben und einen ganzen, dies ausführenden Kommentar verfaßt386, Donat hingegen trennt sehr wohl zwischen Dichtung und angewandter Rhetorik: Terenz lasse lediglich seine Personen b i s w e i l e n nach Art eines Redners sprechen und argumentieren: hae sunt obliquae interrogations, quibus uti oratores videmus, cum derivare testimonium nituntur (Eun 700.2); in hac scaena quasi quaedam deliberativa est (Hec 336.1); hic velut controversia est (Ph 990); relatio criminis potest videri (Hec 631.1); leviter deliberativae tres locos tetigit (Ph 452.2); imago hic quaedam argumentations (Hec 241.1)

sind Formulierungen vornehmlich aus jeweils szenischen Einleitungen, die diese Grundanschauung zum Ausdruck bringen. Kurz, um den grundsächlichen Standpunkt einer Argumentation und deren Aufbau zu analysieren, operiert Donat mit der Begrifflichkeit der inventio-Lehre387, betrachtet dabei aber genausowenig wie ein Technograph, der ein Dichterzitat als Beispiel für seine Lehre einfuhrt, Dichtung als angewandte Rhetorik. Denn nicht die rhetorische Interpretation, sondern der Aufweis der Charakterzeichnung steht im Mittelpunkt der Donat'sehen Terenzexegese, wie der Erklärer selbst in aller Deutlichkeit zu Ph 348.1 ausführt: in hac scaena, ut rhetoribus placet, veluti controversia est, quae uno tempore ex utraque parte tractatur, ut si quis dicat legem esse, ne de eadem re bis agatur, et item ut < 'orba proximo nubat' et> (supplevi ex Eugr.) 'orbam próximas ducat', quidam absente pâtre sub hoc nomine uxorem coactus erit ducere: vult illam pater adveniens eicere de matrimo-

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Cum omnes poetae virtutem oratoriam semper versibus exequantur, tum magis duo viri apud Latinos, Virgilius et Terentius. ex quibus, ut suspicio nostra est, magis Terentii virtus ad rationem rhetoricae artis accedit (p.3,1 W.). Möglicherweise argumentiert Eugraphius mit diesen Worten unmittelbar gegen Macrobius, der den Eusebius im 5. Buch der 'Saturnalia' die orandi disciplina und diligens observatio rhetoricae artis Vergils preisen und danach den Avienus fragen läßt, ob ein Student der Rhetorik magis ex Vergilio an ex Cicerone proficiat (5,1,1-2).

387

Daß die Sprecherabsicht auch beim Dichter mit den Ausdrücken der Rhetorik erklärt wird, ist nur natürlich. In den Bereich der Taktik fallen die meisten der gut 150 oratone-Ν oten, wie etwa An 8.5 oratorie quasi multos facit, cum unum supra dixerit, was mit einem Vergilbeispiel illustriert wird. Auch der Epiker Vergil läßt also nach Donat seine Figuren "rhetorisch" argumentieren, so wie in den IliasScholien bemerkt wird ρητορικός ων ό ποιητής (bT ad A 366), ohne daß in irgendeiner Weise damit die Anschauung verbunden wäre, daß der Dichter Redner oder Lehrer der Rhetorik sei.

ut rhetoríbus placet

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nio: contradicitur. meminisse gutem debemos in omni contentione ea maxime dici, quae simplici patri familias et calumnioso sycophantae improbissimoque parasite congruere poetae visa sint. Für die Intention der beiden erhaltenen antiken Terenzerklärer ist es bezeichnend, daß Eugraphius in seiner rhetorischen Exegese der ausdrückliche Mahnung Donats keine Beachtung geschenkt hat.

VIII. Das ridiculum In der Terenzexegese des Donat bilden der Aufweis des sermo purus und die Erläuterung der Charakterzeichnung die Mitte der Erklärung; die Behandlung des yeXolov steht, zumindest was die Anzahl der Interpretamente anbetrifft388, eher am Rande des eigentlichen Interesses. Gewiß liegt dabei die Ursache der sparsamen Kommentierung im Dichtertext selbst, denn Terenz hat anders als Aristophanes oder Plautus Wortwitz und Situationskomik zugunsten der Charakterkomödie in den Hintergrund gerückt. In den Aristophanes-Scholien hingegen, wo der Dichtertext ungleich mehr Gelegenheit zum Aufweis des Komischen bot, ist das yekolov häufiger behandelt389. Donat hat jedoch nicht weniger Gespür für diesen Aspekt besessen als andere Erklärer, vielmehr setzt er das Komische innerhalb einer Komödie als selbstverständliches Element voraus, das in der Regel nicht einer eigenen Kommentierung bedurfte. Donat begnügt sich meist, in den ersten Noten zu einer Szene auf deren komische Elemente hinzuweisen: in hac scaena operae pretium delectado est spectatoribus ex querela ancillae Thaidis atque errore Phaedriae (Eun 643.1, die Einleitung zu IV 3). Auch auf den Wortwitz wird auf diese Weise allgemein vorab hingewiesen: in hac scaena, quae docendi atque instruendi spectatoris causa inducitur, miri extrinsecus lepores facetiaeque cernuntur et sales comici (Ph 35.2 [I 1]), ohne daß der Erklärer in der Szene selbst durch eine ridiculum/faceteNote seine eingangs gemachte Ankündigung in den konkreten Textpartien eigens erläutert. Die Komik ist für Donat, wenn sie nicht mit der άπάτη zum Grundgerüst der Handlung oder für die Charakterisierung einer bestimmten Figur von entscheidender Bedeutung scheint, als ein 388

389

Man wird natürlich damit rechnen müssen, daß bisweilen ein späterer Redaktor gerade den hier entscheidenden Begriff weggeschnitten hat. Vgl. etwa das in doppelter Rezension erhaltene Scholion zu Eun 772: [1.] MORI ME SATIVS EST ridicula praesumptio. tamquam adversus meretricem < iurgia > numquam Thraso sumere ausurus esset nisi morte proposita... [2.] MORI ME S.E. tamquam aliter miles adversus mulierem audere non posset. Vgl. RUTHERFORD 407.416 und 435-455.

Das ridiculum

145

von außen zusätzlich eingebrachtes Element (extrinsecus) anzusehen390, das seine Berechtigung aus dem Umstand herleitet, daß der Zuschauer im Theater gefesselt werden soll: alia ratio est currentis ad argumenta, alia actuum comicorum; sed perfecti poetae est ita servire argumento, ut tarnen spectator novis delectationibus teneatur

(Hec 415.1) 3 9 1 .

Was aber für den Zuschauer wichtig war, muß nicht in jedem Einzelfall auch den Schüler im Grammatikunterricht interessieren. Gleichwohl hat auch Donat es sich nicht nehmen lassen, eine wirklich komische "Paradeszene" wie die Erstürmung des Hetärenhauses durch den miles und sein Gefolge in Eun IV 7 ausführlicher zu würdigen. Aber so wie Terenz dieses für ihn untypische Ausspielen der Handlungskomik nicht als Selbstzweck, sondern der Charakterzeichnung des bramarbasierenden Soldaten wegen unternommen hat, deutet auch sein Erklärer die Komik dieser Szene nicht als autonomes Element, sondern schaut, ganz der Intention des Dichters folgend, in vielen Bemerkungen fortlaufend das ridiculum mit dem Charakter des miles zusammen392. Wenn im folgenden Donats Explikationen zum Komischen näher untersucht werden, soll die theoretische Grundlage dabei die einzige systematische Darstellung zur Bühnenkomik aus der Antike, die §§ 2-3 des Tractatus Coislinianus393, bilden, in dem das yeXolov grundsätzlich in λβξις (Wortwitz) und πρά*γματα (Elemente der Handlungs-und Charakterkomik) geschieden ist394.

390

391

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393 394

Vgl. An 228.1 haec sunt inventionis poeticae, ut ad οικονοιιίαν facetiae aliquid addarti. Die ersten Aufführungen der Hecyra wurden, wie aus dem Prolog selbst und der praefatio des Kommentars (saepe exclusa-, I 5) hervorgeht, mehrmals vorzeitig abgebrochen. Die einleitende Note 771.1 hic rursus inepti vanitas militis demonstratur gibt das Leitthema vor, und so wie zu den folgenden Versen 772.1 ridicula praesumptio\ 773.1 debet hic esse vociferatio vana: ad hoc et verbum militis cum quodam motu ingenti et immanes minae sine ulla vi rerum wird nahezu in jedem Vers das ridiculum dem ethopoietischen Grundansatz der Interpretation zugesellt. Über ihn hat zuletzt ausführlich NESSELRATH 102-149 gehandelt. Vgl. FUHRMANN 67-70. - Nicht recht vergleichbar hinsichtlich der Definition des ridiculum ist die bei Cie. de orat. 2,240ff. und Quint.inst.6,3,22 begegnende Zweiteilung re-dicto (verbo): Cicero und Quintilian unterscheiden mit diesen Kategorien den Wort- vom Sachwitz, der indes auch auf einer sprachlichen Komik beruht. Beide Kategorien faßt der auf peripatetischer Komödientheorie basierende Tractatus Coislinianus unter dem Begriff Xe£iç zusammen, welcher die πρά-γματα, die bühnegemäße Handlungskomik, gegenübergestellt sind. Ich verweise auf die

146

Das ridiculum

Α. ΛΕΕΙΣ Nahezu alle im Tractatus Coislinianus genannten Formen des Wortwitzes werden auch im Terenzkommentar aufgeführt: (a) ομωνυμία, die von Donat mit dem rhetorischen Begriff der amphibolic?95 bezeichnet wird, so in An 955 (non recte vinctus est) [1.] id est: non iuste. sed hic ad causam rettulit 'non recte', senex vero ad rem rettulit bzw. [3.] eleganter lusit ad amphiboliam etc. ", (b) die συνωνυμία wird von Donat nicht als yeXolov aufgefaßt, weil dies - wie im Kapitel "Sprachliche Analyse" nachgewiesen - seinem interpretatorischen Prinzip, daß Terenzens sermo purus frei von jeglicher tautologischer Redeweise sei, widerspräche; (c) άδοΚβσχία: Ph 41.4gárrulos servos...amat comoedia; vgl. An 597.1 productiones sunt comici stili 'hercle sedulo ' adflicum orationis positae; (d) παρωνυμία: παρά πρόσάβσιν καί άφαίρβσιν\ An 235 hoc comicum est et Terentianum 'numquidnam', cumexceptis 'num' et 'nam' sufficere ad interrogationempotuisset τό 'quid'; (e) ϋποκορίσματα: Diminutiva sind auch unter diesem Begriff im Kommentar behandelt (An 710.3, Eun 531.1-2, Ad 763.3. 786), werden aber eher im Sinne der Redestrategie (blande meretrix) interpretiert; (f) βξαλλαγή φωνή ist durch einige Noten zur ironisch gefärbten pronuntiatio vertreten (An 668.2 ergo cum ironia sonandum); und schließlich (g) σχήμα λέξβως wie das Paromoion (Hec 274.2 INIQVE AEQVE comicum παρόμοιον oder ein Soloezismus im Munde einer ridicula persona (vitiosam locutionem servili personae dedit Terentius [Ph 249.2]) gebraucht. Donat macht auf die Wortkomik in der Regel nicht näher durch einen der oben genannten speziellen Begriffe aufmerksam, sondern begnügt sich mit einem facete/eipwveia oder comice, selten mit ridiculum396; nur in einem Falle benutzt er iocus397 als Ausdruck für den frostigen

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Vorbemerkungen von L E E M A N - P I N K S T E R - R A B B I E ZU Cie. de orat.2,216-290 (S.200). Vgl. Cic.de orat.2,250 (ex ambiguo dicta), 2,253ff. (ambigua)·, Quint.inst.6,3,47ff. (ex amphibolia), 6,3,62. 87. Dieser Ausdruck begegnet üblicherweise im Bereich der Handlungskomik; umgekehrt gilt facete nahezu ausnahmslos der sprachlichen Komik. Vgl. die Definition der verschiedenen Begriffe für das Lächerliche bei Quint. 6,3,17ff.; der iocus dort § 21.

ΛΕ2ΙΣ

147

Witztyp, und zwar bezüglich eines platten Scherzes seitens des miles (Eun 496.2). Charakteristisch für die antike Komödienexegese generell scheint es zu sein, daß eine Reihe sprachlicher Mittel, die nach moderner Überzeugung zum ridiculum beitragen, eher in einem rein grammatischrhetorischen Interpretationstypus besprochen werden: Neben den bereits oben genannten Diminutiva wären hier Frequentativa, Iterativa und Inchoativa, Paronomasien und Ellipsen zu nennen, die nicht als Mittel der Komik, sondern im Sinne eines allgemeinen Sprachstils der veteres analysiert werden. Ich begnüge mich damit, die Interpretation zu einem der bekanntesten Wortspiele bei Terenz, An 218 amentium haut amantium anzuführen: amabant veteres de proximo similia dicere, ut Cicero...et quidem si in verbis sunt παρόμοια, in nominibus, παρονομασιαι398.

Vergleichbare Tendenzen, eher die Aneignung einer rhetorischen Figur auf- als auf das spezielle yeXoiov hinzuweisen, lassen sich in ähnlichem Maße in den Aristophanes-Scholien beobachten399. Wenn man indes bedenkt, daß Cicero und Quintilian den rednerischen Witz nach Kategorien besprechen, die sogar namentlich exakt den σχήματα

λέξβως καί διανοίας

entsprechen 4 0 0 , wird die uns fremd an-

mutende rhetorische und grammatische Akzentuierung mancher Explikationen zum Wortwitz verständlicher.

Β. ΠΡΑΓΜΑΤΑ Von den wichtigsten im Tractatus Coislinianus (§3) genannten modi des Handlungs- oder Sachwitzes gelten das αδύνατον bzw. δυνατόν καί ανακόΚουϋον eher dem Theater eines Aristophanes, nicht der vea, in der im Gegenteil das verisimile ganz im Mittelpunkt steht. Als wichtigste Kategorien der vea verbleiben somit Charakterdarstellung und άπατη.

398 399 400

Zu diesem Witztypus siehe Cic.de orat.2,256. Vgl. RUTHERFORD 440.449. V g l . LEEMAN-PINKSTER-RABBIE [ v g l . A n m . 3 9 4 ] S . 1 9 3 f f .

148

Das rìdiculum

1. comici errores Die mit bedachter Ökonomie von langer Hand vorbereiteten comici errores, in die sich die einzelnen Personen verstricken, stehen wie in der theoretischen Abhandlung des Tractatus auch bei Donat im Zentrum der Interpretation zur komischen Handlung. Der Exeget macht dabei meist zu Eingang einer Szene auf das Knüpfen des dramatischen Knotens aufmerksam: haec scaena nodum innectit erroris fabulae et periculum comicum (An 404.1 [II 4])401. Attribute zum Begriif error wie ridiculus (Ad 546.2) und iocundus (Eun 668.1) lassen erkennen, daß für Donat die Komik der άπατη in dem Mehrwissen des Zuschauers bzw. Lesers gründet: e.gr. Ad 94.2 satis cornice hoc infertur legentibus argumentum, nam magis in culpa est ille ipse, quem lauda?02

oder Eun 643.1 (die Einleitung zu IV 3) in hac scaena operae pretium delectatio est spectatoribus ex querela ancillae Thaidis atque errore Phaedriae.

Häufig wird indes auch der gleiche Sachverhalt unter "produktionsästhetischem" Aspekt kommentiert: mirum est apud Terentium, cur etiam per nescias personas indicet argumenta (Ad 151); vide quam mire, cum omnes consulto Consilio sibi agere videantur, omnes tarnen rerum exitu inopinato ludificentur (An 412.1 [zu Beginn von II

5])403. Der exegetische Grundsatz lautet poeta hoc agit, personae nesciunt (Eun 965): Donat stellt nicht in jedem Einzelfall eigens die απάτη als Grundlage der Handlungskomik heraus, aber es versteht sich, daß die Note

401

402

403

Für die schon zu Eingang des Kapitels erwähnte Methode des Donat, in der Regel gerade in den szenischen Einleitungen auf komische Verwicklungen hinzuweisen, vgl. e.gr. An 206.1 (I 3) hic brevis et comica deliberano est und Eun 668.1 (IV 4) iucundus error. Eine Art direkter Anrede des Lesers, und zwar in diesem Fall des Lesers des Kommentars selbst, bietet Eun 479.2 (Chaerea wird vom miles mit dem Schimpfwort eunuchus bedacht) satis autem ioculare est, si cogites Chaeream esse, qui haec de se audiat et tacere cogatur. Einige weitere Noten dieser Art hat STEINMANN 41 zusammengestellt.

ΠΡΑΓΜΑΤΑ

149

Eun 965 im Sinne von 997 suave est nescire personas quid agat poeta aufzufassen ist404. Neben der άπάτη pflegt Donat auf die "komische Ironie"405 als ein entscheidendes Mittel des yeXolov und zugleich ein Element der "poetischen Gerechtigkeit"406 am Ende eines Stückes in gebührender Weise aufmerksam zu machen: e.gr. Ph 1055.1 nihil facetius quam iudicem capi adversus crimen paternae voluptatis et amatorem fllium et fratruelem Antiphonis, cui nubet furtiva filia*01.

2. ridiculae personae Ein wenig anders als im Tractatus Coislinianus, wo aus der ώμοιωσις eines Charakters zum Besseren oder Schlechteren und dem έκ τον κατασκβυάζβtv τά πρόσωπα προς το μοχϋηρόν das yeXoîov abgeleitet wird (3), ist in Donats Auffassung das Komische eingeschränkt auf die v o n A n f a n g d e s S t ü c k e s a n g l e i c h g e z e i c h n e t e n ridiculae personae der neuen Komödie, also vornehmlich Parasiten, Bramarbas und Sklavenrollen408. Hingegen sind die Hauptfiguren, honestae personae wie der adulescens liberalis oder der senex, nicht aus sich heraus "komisch", sondern werden erst dadurch dem Gelächter preisgegeben, daß sie punktuell Opfer einer άπάτη werden. Die beiden Wortfehden Micios und Demeas in den Adelphen etwa gelten in einem modernen

404

405 406

407

408

Nicht zu verwechseln ist dieser Typus der Erklärung zur Komik mit den Explikationen zur Handlung, in denen lt. Donat der Zuschauer selbst durch die kunstvolle Schürzung des dramatischen Knotens überrascht wird: in multis enim οικονομία comicorum poetarum ita se habet, ut casu putet spectator venisse, quod Consilio scriptoris factum sit (An 459.1) oder vide quam molliter et sine intellectu spectators ad argumenti spectati ordinem poeta perveniat (Eun 356.3). Zur eipuvtía. als Mittel des ridiculum siehe auch Cic.de orat. 2,270. Vgl. M. NEUMANN, Die poetische Gerechtigkeit in der neuen Komödie, Diss. Mainz, Speyer 1958. Vgl. Eun 1083.1 facete dixit adulescens rei parcus et qui putet amorem sine damno esse oportere quique fefellerit meretricem, non solum eiciendum non esse militem, sed etiam quovis modo sustinendum ac perferendum. Ein schönes Beispiel einer Sklavenrolle bietet der arme Parmeno in der Hecyra, der gerade weil er so träge ist, die ganze Zeit über gescheucht wird: et simul adnotandum, quod in hac fabula ridicule vexatur usque ad ultimum servus et ablegatur, cum sit piger et curiosus (Hec 359.1). Auf seine unstillbare curiositas weist Donat e.gr. Hec 873 ridicule instai scire ignoraturus Parmeno hin.

150

Das

ridiculum

Standardwerk zum terenzischen Humor als glänzende Beispiele der vis comica409, Donat hingegen sieht in ihnen eine Gegenüberstellung ganz verschiedener exempla vitae: in hoc actu diversi homines, diversi patres, diversa studia proponuntur: hic lenis hic amarus, hic facetus hic impolitus, hic facilis hic pertinax et difficilis in delictis (Ad 81.1 [zu I 2]) bzw. in hac scaena collatio est personarum mitis ac saevi parentis (787.1 [zu V 3]). Hinter diesen Äußerungen steht die Auffassung vom Wesen der terenzischen Komödie als der einer Charakterkomödie: Micio darf Witz zeigen, ist deshalb aber nicht "komisch". Doch wenden wir uns wieder den im eigentlichen Sinne komischen Charakteren zu! Der bramarbasierende Soldat410, der schwatzhafte Sklave411, der schmeichelnde, aber geistreiche Parasit412 dürfen mit ihren jeweiligen vitia dem Lachen ausgesetzt und als zu meidende exempla vitae dargestellt sein, aber - so Donats poetologische Forderung - die Komödie darf nicht in die Ebene des bloßen αίσχρόν abgleiten: officium enim poetae boni est nullum genus hominum specialiter laedere (Hec 274.3)413. Selbst eine ridicula persona solle nicht zu negativ gezeichnet sein: et hoc miles ut sapiens locutus est. ergo meminisse convenit ridiculas personas non ormino stultas et excordes induci a poetis comicis, nam nulla delectatio est, ubi ormino qui deluditur nihil sapit (Eun 446.2)414. In diesem Urteil wirkt noch eine Kritik an der Verspottung kir' ονόματος der vetus comoedia und der als dramatische Gattung aufgefaßten Satyra, in der die vitia civium harsch, wenn auch ohne Namensnennung angeprangert worden seien, deutlich nach, wie sie uns bei Horaz (ars 282-284) und in den dem Terenzkommentar (Euanthius II 3-5) bzw. den

409 410 411 412 413

414

A. BARBIERI, La vis comica in Terenzio, Milano 1951,236f. Man vergleiche die zu Eingang des Kapitels aufgeführten Beispiele aus Eun IV 7. Gárrulos servos et sententiosos amat comoedia (Ph 41.4). Haec tota locutioparasiticae elegantiae et simul ironiae plena est (Eun 271.2). Für die Einhaltung des rechten Maßes sowohl bei der Auswahl der satirisch zu behandelnden Personen als auch bei der Dosierung des Spotts durch den Redner plädieren auch Cicero (de orat.2,237fF.) und Quintilian (inst.6,3,34). Ähnlich nennt Donat auch positive Seiten im Charakter eines Parasiten: cum ceteris rebus summus poeta etiam fidem ostendit amicitiae parasiticae exemple Gnathonis de milite loquentis hoc modo (Eun 1087.1).

ΠΡΑΓΜΑΤΑ

151

Aristophanes-Scholien vorangestellten Traktaten 'de comoedia' programmatisch formuliert ist415. Wenn Terenz von Donat gelegentlich ob seiner satirischen Schärfe gerühmt wird, bezieht sich dieses Urteil auf einzelne sententiae, nie auf die Verhöhnung einer ridicula persona·, im Gegenteil: In der Maske eben des Parasiten kann Terenz als Kritiker auftreten: exprimit autem parasitum et sub eius verbis corruptos mores in assentationem ostendit, prorsus ut honestae quoque personae in huiusmodi culpa inventae sint (Eun 232.1); mire et pro saeculi ac temporum reprehensione satirice416 Terentius, quod apud eum 'stultum' vocat simplicem parasitus et 'intellegentem' malum (232.2);

sententiose et mordaciter in mores lasse der Dichter seinen Parasiten sprechen (Eun 238.2), vehementer invectus poeta sub hac personam (Eun 244.2).

est in tempora

et

mores

Untersucht man nun Donats Explikationen zu den einzelnen Mitteln komischer Personenzeichnung, wird man, unabhängig davon, ob gerade Sklave oder miles auf der Bühne stehen, immer wieder auf den Unterschied von in den Worten zum Ausdruck gebrachtem Anspruch und der Wirklichkeit hingewiesen: Eun 789.1 animadverte, quantam vim habeant ad delectandum in comoediis severae sententiae, cum ab ridiculis personis proferunturA18; 814.1 ridicula ergo magnificentia dictorum est, cum sint facta deformia.

Wohl am ausdrücklichsten formuliert ist diese poetologische Maxime in einem Interpretament zu der "Aristie" des miles (Eun IV 7), die dem Angriff auf das Haus einer meretrix gilt: facetum autem est, cum a rebus magnis res ridiculae derivantur (Eun 775).

415

Vgl. NESSELRATH 41-43.

416

Die wenigen Belege für Satire bei Donat und die dahinter stehende Auffassung des Begriffes der Satire hat C.J. CLASSEN (Satire - The Elusive Genre, SO 63 [1988] 95-121, hier 105f.) besprochen und in den größeren Zusammenhang einer Wortgeschichte des Gattungsnamens gerückt. So bereits Cic.Lael.93 über die gleiche Partie: ut ait idem Terentius, sed ille in Gnathonis persona. Vgl. Eun 432 disciplina est comicis ut stultas sententias ita etiam vitiosa verba ascribere ridiculis imperitisque personis; Ad 399 hae sunt sententiae et semper hyperbolicae et pro personis ridiculae; Ph 138.1 hae graves sententiae ex persona servorum cum dicuntur, ridiculae sunt et eo Consilio interponuntur.

417

4,8

IX. Handlungsstruktur und -Ökonomie Die Handlung einer Komödie wird für Donat durch den error strukturiert: An 221.1 (I 3) modo totius summae argumentum populo narratur, sed ut restet aliquid ad errorem, abrogatur fides -» An 404.1 (II 4) haec scaena nodum innectit erroris fabulae et periculum comicum -» An 796.1 (IV 5) in hoc loco persona ad catastropham machinata nunc loquitur, nam hic Crito nihil argumento debet nisi absolutionem erroris eius -» An 904.1 (V 4) hie omnino error omnis aperietur fabulae. Der Exeget legt seiner Interpretation demnach ein dreiteiliges Aufbauschema - Exposition, Knüpfen des dramatischen Knotens und dessen Lösung - zugrunde. Man hat versucht, den Begriff absolutio erroris mit der aristotelischen άνοη/νώρισις è£ àyvoiaç, den der catastrophe mit der Peripetie in Verbindung zu bringen und das aufgeführte Handlungsschema lediglich auf eine nacharistotelische, die Tragödientheorie des Stagiriten auf die Komödie übertragende Quelle zurückzuführen419. Doch sind die Ähnlichkeiten in der Begrifflichkeit zwischen absolutio und άναγώρισις nicht so eng, daß sich eine solch konkrete Herleitung rechtfertigen ließe. Eher ist anzunehmen, daß Donats Auffassung vom Aufbau der terenzischen Komödie unmittelbar auf seinen älteren Zeitgenossen Euanthius zurückzuführen ist, der seinem eigenen Terenzkommentar Prolegomena'De fabula' vorangestellt hat. Diese Prolegomena sind - ob von Donat selbst oder durch einen späteren Redaktor420 - in die praefatio des Donat'sehen Terenzkommentars gelangt421. Euanthius bietet folgendes Strukturschema (IV 5): comoedia per quattuor partes dividitur: prologum, protasin, epitasin, catastrophen.

419

H.W. PRESCOTT, The Comedy of Errors, CPh 24 (1929) 32ff. Vgl. WESSNERS Stellungnahme in seinem Artikel 'Euanthius', RE VI 1 (1907) 847, w o eine weit vorsichtigere Stellungnahme als noch JAW 113 (1902) 182-185 vorliegt.

420

V g l . j e t z t SCHMIDT H L L V 421

142f.

Von Euanthius stammen szenische Einführungen in die Komödien, wie das Zitat von de fab. III 1 in An praef. II 3 erweist.

Handlungsstruktur und -Ökonomie

153

est prologus velut praefatio quaedam fabulae, in quo solo licet praeter argumentum aliquid ad populum vel ex poetae vel ex ipsius fabulae vel actoris commodo loqui. protasis primus actus initiumque est dramatis, epitasis incrementum processusque turbarum ac totius, ut ita dixerim. nodus erroris; catastrophe conversio rerum est ad iucundos exitus patefacta cunctis cognitione gestorum.

Wie LEO (Plautinische Forschungen 232ff.) erwiesen hat, ist dieses vierteilige, die eigentliche dramatische Handlung um einen prologus erweiternde Aufbauschema eine eigens für die Terenzanalyse geschaffene Erweiterung eines ursprünglich dreiteiligen Gliederungssystems. Diese auf den Teilen protasis, epitasis und catastrophe basierende Strukturierung der dramatischen Handlung liegt Donats Aufbauanalyse der Andria zugrunde. Daß dessen Analyse nämlich u n m i t t e l b a r 'De fabula' IV 3 verpflichtet ist, legt m.E. die Übernahme der Metapher vom nodus erroris nahe. Diese Metapher ist vom Verfasser von 'De fabula' IV geprägt worden, der sein offensichtlich ungewohntes Bild mit einem ut ita dixerim einleitet422. Wenn Donat in An 404.1 haec scaena nodum innectit erroris fabulae die Metapher ohne ein solches den Leser lenkendes Signal verwendet423, scheint er die Begrifflichkeit der Prolegomena vorauszusetzen. Das dreiteilige Aufbauschema für die dramatische Handlung dürfte also aus der griechischen Literaturtheorie über Euanthius vermittelt sein. Daß letztlich Aristoteles poet. 1450 b25 mit der Dreiteilung άρχή

- μέσον - τβλβυτή (bzw. 1452 b l 4 προΆογος -

e-πασόόιον - βξοδος Archeget dieses Gliederungssystems ist, scheint eher unwahrscheinlich. Gemein ist beiden Auffassungen immerhin, daß das Dreier-Schema eine Gliederung der H a η d 1 u η g, nicht der I η s ζ e η i e r u n g bezeichnet. Somit ist mit KLIEN-PAWELETZ 40 gegen Leo festzuhalten, daß die seit Varrò und Horaz bezeugte 5-Akt-Theorie nicht im Widerspruch zur Theorie eines dreiteiligen Handlungsaufbaus steht424. 422

423 424

So bereits E. SCHEIDEMANTEL, Quaestiones Euanthianae, Diss. Leipzig 1883, 30 Anm. 1. Das Bild vom dramatischen Knoten ist seit Aristoteles geläufig (vgl. BRINK zu Hor.ars 191), speziell für nodus erroris bildet aber die Euanthius-Partie den ersten Beleg. Der Wortlaut dieser Note ist, wie die Rhythmisierung erweist, authentisch. Es scheint noch notwendig, vor einem bei KLIEN-PAWELETZ 26 auf der Basis von TH.BERGK (Griechische Literaturgeschichte III 149) zu Ehren gekommenen TerenzKenner 'Andronicus' aus dem ersten Jh.v.Chr. zu warnen, der das von Euanthius und Donat zugrundegelegte Gliederungsmodell vorweggenommen haben soll. Dessen von BEKKER (Anecdota III 1461 [jetzt bei KOSTER, Prolegomena XXIII])

154

Handlungsstruktur und -Ökonomie

Größere Sicherheit, was die Rückführung zumindest auf die alexandrinische Dichtererklärung anbetrifft, läßt sich aber bei den Explikationen zur οικονομία425 gewinnen, deren Aufweis im Mittelpunkt von Donats Interpretation zur Handlung steht426. Als wichtigstes Kriterium der οικονομία, der wohlberechneten Disposition, gilt Donat das τιύανόν421 oder verisimile42*: hic versiculus personam militis et Gnathonis continens pro oeconomia inducitur, qua verisimile fit facile militem ferre posse anteponi sibi Phaedriam (Eun 446.1).

Gegen die Kritik früherer Exegeten wird der Dichter in Eun 563.1 quaeritur429 an veri simile sit Antiphoni notam esse Thaidem, quam frater ipse nesciverit. sed intellegere debemus etc.

in Schutz genommen. Da es sich um die einzige Stelle im Corpus handelt, an der Donat auf eine Kritik seiner Vorgänger antwortet, wird man annehmen dürfen, daß es - anders als in der Erklärung des Euripi-

425

426

427

428 429

aus cod.Paris.Gr.2929 (S. XVI) edierten Traktat ΠΕΡΙ ΤΑΕΕΩΣ ΠΟΙΗΤΩΝ hat längst L. COHN (Konstantin Palaeokappa und Jakob Diassorinos, Philol.Abhlg. M. HERTZ zum 70. Geburtstag dargebracht, Berlin 1888, 130-133; vgl. zuletzt NESSELRATH 11 Anm.33) als eine aus Tzetzes schöpfende Fälschung des Konstantinos Palaeokappa erwiesen. Der Text ist also nicht als Dokument für die Terenzanalyse des ersten vorchristlichen Jahrhunderts anzusehen, sondern als ein frühneuzeitliches Rezeptionszeugnis des Donat'schen Terenzkommentars zu würdigen. Eine umfangreiche Materialsammlung für Donat bietet KLIEN-PAWELETZ 57fF. ; für die Aristophanes-Scholien, in denen statt des Terminus οικονομία in der Regel ΐύκαίρως steht, s. RUTHERFORD 405 mit Anm.9. Die große Zahl der Noten zu diesem Aspekt wird man nicht zuletzt auf den Umstand zurückführen dürfen, daß die Lektüre der Komödien, ähnlich wie im Bereich des sermo purus, einen besonderen Beitrag zur rhetorischen Ausbildung zu leisten vermochte: Neben deren sprachlicher elegantia und Ethopoiie gilt dem Quintilian die oeconomia als der Grund, den Komödien einen vorrangigen Platz im Kanon einzuräumen (inst. 1,8,9). E.gr. Hec 138.3 argumenta in coniecturam necessario posita, quibus Terentius ex utraque parte disputons τό άπίϋανον purgai, ne quis illum stulte posuisse hoc iudicaret; haec enim meretrix tarde credit, argumentis ut (ZWIERLEIN, Terenzkommentar 168: «e codd. : an ne < non > ? [cf. Hec 789.2]) a Parmenone vincatur. hinc est quod ait Horatius (epist.2,1,59) 'vincere Caecilius gravitate, Terentius arte'. Folglich wird gerade in diesem Bereich die κρίσις mit artificiose (An 981.1) oder callide (Eun 374.4) eingeleitet. Vgl. STEINMANN 54; KLIEN-PAWELETZ 99ff., wo andere Stellen gesammelt sind. Das ζητΐΐται der griechischen Scholienliteratur; die Stellen aus den Euripidesscholien, in denen ein Erklärer in ähnlicher Form einen Anstoß an der Handlungsökonomie zurückweist, sind bei ELSPERGER 19fF. besprochen.

Handlungsstruktur und -Ökonomie

155

43

des " - in der antiken Terenzphilologie keine konsequente Kritik an der Ökonomie der terenzischen Darstellung gegeben hat431. Der Dichter vermeidet das άτίϋανον, indem er durch eine παρασκευή

(Ad 263.4 4 3 2 ; vgl. praeparatio

[Ad 2 0 8 ] , praestruere

[Hec

789.2] oder procuratio [Ad 487.1]) eine Handlung in zweifacher Hinsicht motiviert: Zum einen muß das Geschehen aus dem Charakter der Personen heraus verständlich sein vigilanter poeta, ne non verisimile videretur id ullam fecisse ipse lectorem praevenit [Hec 756]) 433 ,

meretricem,

zum anderen soll die Handlung in sich selbst logisch konstruiert werden bona οικονομία ut mox iuste Davo succenseat Pamphilus [An 399.3]) 434 .

Die Terminologie ist unmittelbar den griechischen Scholien verpflichtet, und zwar deren früheren und besseren Corpora, wie den Scholien zum Oedipus auf Kolonos: καλώς δ è τά της οικονομίας (Schol. Soph. Ο. C. 28) 435 .

Ινα μη μόνος

ό Οιδίπους άπολβ ιφάή

430

V g l . LORD 17ff. u n d ELSPERGER 6 f f .

431

Zur Vorsicht mahnt freilich der Umstand, daß in einer Dublette Nr.2 das Scholion Eun 563.1 zu einem bloßen verisimile est verkürzt worden ist. So wird man u.U. auch bei anderen Kurznoten zum verisimile mit dem Unterdrücken von Äußerungen zu rechnen haben, in denen ein Anstoß zum Ausdruck gekommen war. Der Terminus ist innerhalb der lateinischen Scholienliteratur dem Donat eigen. Servius spricht in der Regel von prooeconomia, die bei Donat wiederum nur Eun 719 begegnet. Auch der Begriff praeparatio scheint nur bei Donat Verwendung zu finden. Ich verweise hier auf das Kapitel Ethopoiie, in dem das verisimile als Kriterium der Charakterzeichnung ausführlich behandelt ist. Dabei soll der Dichter seine Kunst der Disposition möglichst verdecken: in multis enim οικονομία comicorum poetarum ita se habet ut casu putet spectator venisse, quod Consilio scriptoris factum sit (An 459.1) bzw. vide quam molliter et sine intellectu spectatoris ad argumenti spectati ordinem poeta perveniat (Eun 356.3) und vide quemadmodum latenter poeta festinet ad rerum cognitionem (Hec 715.2). Die Herkunft dieser Kategorie ist unschwer zu ermitteln: artis est artem celare ist ein Kernbegriff der Rhetorik. Ähnliche Interpretamente zur πιύανότης in der Komödienhandlung begegnen in den griechischen Scholiencorpora in der gleichen Terminologie. Die Belege für alle Arten von Handlungsmotivation aus den Homerscholien (e.gr. Schol. Τ ad Σ 312-3 τιϋανη ή οικονομία) hat GRIESINGER 29-62 gesichtet; vgl. auch G.E. DUCKWORTH, ΠΡΟΑΝΑΦΩΝΗΣΙΣ in the Scholia to Homer, AJPh 52 (1931) 320-338. Eine Reihe von Belegen aus den Sophokles- und Euripides-Scholien hat jetzt MEUERING 184FF. besprochen. Wie sehr Donats exegetische Methodik der griechischen Dichtererklärung verpflichtet ist, zeigen Übernahmen selbst von Formeln wie hoc ex argumento

432

433

434

435

156

Handlungsstruktur und -Ökonomie

Die Kunst des Dichters erweist sich sowohl in der Motivierung der Handlung als auch darin, diese bisweilen (a) hinauszuzögern oder (b) zu beschleunigen. (a) Alia ratio est currentis ad argumenta, alia actuum comicorum; sed perfecti poetae est ita servire argumento, ut tarnen spectator novis delectationibus teneatur. nam in hac scaena, donee perveniat ad Pamphilum Parmeno, hoc ίΰρημα inducitur, cum ostenditur, quid mali sit navigatio (Hec 415.1). Eine Retardierung des Tempos ist dann angebracht, wenn sie aus dramatischen Gründen (donec perveniat) erforderlich ist436. (b) Weit häufiger findet sich der Hinweis, daß der Dichter ein compendium angewandt habe, um die Handlung zu straffen: frequenter hoc modo Terentius compendium facit, ut egrediens loquatur persona de eo, quod est gestura, et simul doceat, quid ab altera gestum sit (An 228.2). Nicht nur mittels der geschickten Szenenverknüpfung, sondern auch vermöge der Ersetzung einer Szene durch einen Bericht wird Beschleunigung erreicht: brevitati consulit Terentius, nam in Graeca haec aguntur, non narrantur (Hec 825.2). Eine Straffung werde auch durch die inventio einer Person möglich, die nur einer bestimmten dramatischen Absicht wegen eingeführt werde: inventa™ persona est, propter quam gesta hic narrai Chaerea, ut et populus et miles instruantur et sciant, quid intus gestum sit (Eun 1034). Schon die Alexandriner haben die Einführung einer Person, deren einziger Zweck ein augenblickliches dramaturgisches Erfordernis ist, gewürdigt438. Ebenso auf die alexandrinische Homererklärung geht das Prinzip des κατά το σιωπώμενον zurück439, mit Hilfe dessen im Rahmen der Dra-

436

est (An 849.5) und e re argumenti est (Ph 59.1): vgl. προς birôdtaiv (Schol. A ad Β 220; s. zuletzt MEIJERING 173f.). Das ίϋρημα ist an sich ein Mittel zur Steigerung des Bühnenspaßes, Bedingung ist aber auch hier, daß der Dichter nicht die Erfordernisse der Ökonomie außer acht läßt: haec sunt inventionis poeticae, ut ad οϊκονομίαν facetiae aliquid addant; nam οικονομία est, ut accersatur obstetrix et conveniatur Pamphilus; facetia scribentis in his verbis est, quod Archylis compotricem potissimum adduci iubere fingitur (An 228.1).

437

Bene

438

Schol. A ad O 212; bT ad Β 112; vgl. GRIESINGER 48f. Vgl. NlCKAU, Zenodot 140ff.

439

inventa

E . FRAENKEL, Μ Η 2 5 ( 1 9 6 8 ) 2 3 9 .

157

Handlungsstruktur und -Ökonomie

menerklärung ein Handlungsfortschritt durch hinterszenisches Geschehen erklärt wird440: quia apparet illam militi quoque κατά το σιωπώμενον Phaedriae ( E u n 435) 4 4 1 .

ostendisse,

quod

dixit

Somit bestätigt diese knappe Übersicht über die wichtigsten Interpretamente zur Handlungsführung ein weiteres Mal einen Grundtenor aller hier angestellten Untersuchungen: Alle exegetischen Kategorien, von denen sich Donat in seinem Terenzkommentar leiten läßt, waren bereits integraler Bestandteil der alexandrinischen Homer- und kaiserzeitlichen Tragikerkommentierung. Hier sind die Wurzeln der Exegese Donats zu suchen.

440

441

E.gr. Schol.Eur.Or. 1554, wo ausgeführt wird, daß Menelaos zwischenzeitliche Ereignisse κατά το σιωπωμενον erfahren habe; vgl. LORD 23f. Daneben begegnet der Terminus noch Hec 711.1. Vorausgesetzt ist das Prinzip in Ph 348.2 iam instructi sunt advocati, et recte: longum enim fuerat omnia haec per scaenam gerì.

X. Ethopoiie Bekannt ist das Wort Varros, daß unter den römischen Komödiendichtern dem Caecilius in der Handlungsführung, dem Plautus in der Dialogführung, Terenz aber der erste Preis in der Charakterzeichnung zustehe442. Was aber anerkanntermaßen die Kunst des Dichters ausmacht, wird auch von seinem Interpreten in den Mittelpunkt seiner Erklärung gestellt: Bereits die Frequenz der Interpretamente - ihre Zahl ist vierstellig - zeigt an, daß wir hier den zentralen Punkt der "ästhetischen" Analyse Donats greifen können. Doch damit nicht genug: In den Kapiteln zur grammatischen, sprachlichen und stilistischen Analyse wurde bereits darauf hingewiesen, daß die diesbezüglichen Noten häufig in einem Hinweis et congruum personae gipfeln, also auch dem Bereich der Ethopoiie zuzurechnen sind. Doch man wird noch einen zweiten, praktischeren Grund dafür anführen dürfen, daß gerade die Ethopoiie im Zentrum der Terenzkommentierung steht. Quintilian hatte darauf hingewiesen, daß der zukünftige Redner gerade aus dem Studium der Komödie besonderen Gewinn ziehe für die eigene, dem jeweiligen Ethos entsprechende adlocutio (inst.l,8,7f.). Daß man bei diesem Urteil in der Rhetoriklehre gerade Menander bzw. Terenz im Auge hatte, bekundet Grillius in seinem Kommentar zu Ciceros 'De inventione': Terentius noster ideo est magnus eloquens, quia secundum personas

loqui-

tur ( p . 4 7 , 2 6 M.) 4 4 3 .

Ähnlich wie beim Aufweis des purus sermo wird man die Intensität, mit der Donat in diesem Bereich seinen Schwerpunkt in der höheren Kritik

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Frg.99 FUN.(= Men.fig.399 A.) in quibus partibus in argumentis Caecilius poscit palmam, in ethesin Terentius, in sermonibus Plautus. Vgl. DAHLMANN 116-118.146, C.O.BRINK, Horace and Varrò, in: Varron (Entret.Fond.Hardt 9), Vandœuvres-Genève 1962,176-81 und H.GELLER, Varros Menippea 'Parmeno', Diss. Köln 1966,48ff. Dem Komiker wird also dediziert, was Theon an Homer rühmt, nämlich on οικείους λόγους -KtpiTtdtwtv έκάστω των ίίσαγομίνων προσώπων (progymn. 1 [I 149,If. W . = II 60,28 SP.]. Vgl. J.MARTIN, Grillius. Ein Beitrag zur Geschichte der Rhetorik (Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums XIV 2-3), Paderborn 1927, 108ff.

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setzt, nicht zuletzt mit der Relevanz für das Publikum erklären dür/-

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fen. Das nahezu vollständige Fehlen einer Kritik an der Charakterzeichnung der νέα wird nach dem Gesagten verständlich, ist aber dennoch auffällig, insofern in einem nicht unbedeutenden Teil der entsprechenden Noten der Homer- und Tragiker-Scholien Verstöße gegen Prinzipien der Ethopoiie angemerkt werden. Das unausgeglichene, teils 'unheroische' Verhalten des Achill (Schol.bT ad Ω 569) oder die Tränen der euripideischen Medea (Schol.Eur.Med.922) wurden als dem Wesen dieser Figur nicht gemäß getadelt, im Extremfall änderte man sogar allein aus diesem Grund den Wortlaut per Konjektur oder tilgte ganze Verse445. Wie sich die Exegeten der vta zu eventuellen Verstößen geäußert haben, kann nicht mehr beantwortet werden, weil die Kommentare etwa eines Didymus, der sich noch im Falle der Tragiker geradezu als Euripidomastix bewiesen hatte, verloren sind; aber aus dem Schweigen der Stilkritiker und Rhetoren, bei denen - wenn man von einigen Attizisten absieht - gerade, wie etwa die Synkrisis zwischen Aristophanes und Menander zeigt, letzterer als Muster der Ethopoiie galt (853 D), wird man auf eine ähnliche Grundtendenz der Interpretation schließen dürfen, wie sie im Lateinischen für Terenz bei Varrò greifbar ist. Auch Donat teilt nur in verschwindend wenigen Fällen Kritik seitens eines früheren Interpreten mit, aber seine eigenen Interpretamente sind jeweils im Sinne einer Abwehr vorgefundener irriger Auffassungen anzusehen, e.gr. Ph 1005 MI HOMO DI MELIVS DVINT quaerit Probus, an matrona tamfamiliariter recte dicat alieno, sed frustra; nam feminarum oratio, etsi non blanditur, blanda est."6

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Vgl. Η.NORTH, The U s e of Poetry in the Training of the Ancient Orator, Traditio 8 (1952) Iff; E.P. PARKS, The Roman Rhetorical Schools as a Preparation for the Courts under the Early Empire (Johns Hopkins Univ.Stud. in Hist, and Polit. Science 63.2), Baltimore 1945 und P.WOLF, Vom Schulwesen der Spätantike. Studien zu Libanios. Baden-Baden 1952, 75fF. Die entsprechenden Interpretamente des Zenodotos hat NICKAU gründlich besprochen (154fF.). Zu der in den Tragikerscholien gerade gegenüber Euripides geübten Kritik vgl. ELSBERGER 88ff. und LORD 44-58. Im ganzen Corpus findet sich lediglich eine Stelle, an der von Seiten Donats vorsichtig Kritik geäußert wird: hoc videtur sapientius et facetius dici quam ab ebrio rustico adulescentulo debuisset. hoc vitium tunc fit, cum ingenium suum poetae in personas confermi (Eun 736.3). Vgl. WESSNER, Aemilius Asper 31 und DORN 43-53. Letzterer hat in der Nachfolge von H.GEORGII (Die antike Aeneiskritik, Stuttgart 1891) in einer Reihe unschuldiger bene/mire-Noten zur Charakterzeich-

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Aus der Vielzahl der den Dichter lobenden Interpretamente sei zunächst nur Ad 342 (es spricht die Matrona Sostrata) congrue et pro persona et pro mutiere et in malis constantem esse demonstrat

angeführt. Mit dieser Note sind gleich drei poetologische Forderungen an den Dramatiker zum Ausdruck gebracht: Die Ethopoiie muß die Einheitlichkeit einer Rolle im Stück selbst wahren (pro persona), die Darstellung soll lebenswahr und nah sein (pro muliere)·, zudem habe der Charakter vorbildlich zu sein, so daß der Zuschauer oder Leser aus dessen Handlungen oder Worten einen Nutzen ziehen könne. Ein weiteres Prinzip, an der die Darstellung gemessen wird, stellt die Wahrung des Typischen dar, d.h. ob der Dichter die personae pervulgatae der véa auch in der dem Zuschauer vertrauten Weise auf die Bühne gestellt hat. Unter dem Blickwinkel dieser vier die Diskussion in dem Terenzkommentar bestimmenden Kriterien sollen im folgenden Donats Interpretationen zur Charakterzeichnung gewürdigt werden447.

A. Die Kriterien der Charakterzeichnung 1. Einheitlichkeit Servatur autem per totam fabulam mitis Micio, saevus Demea, leno avarus, callidus Syrus, timidus Ctesipho, liberalis Aeschinus, pavidae mulieres, gravis Hegio.

Eine solche Bestimmung, wie sie hier in der praefatio des Adelphenkommentars gegeben wird (III 6), kann als allgemeines Programm und Wertung gelten, finden sich doch auch wörtlich gleichlautende Interpretamente zu allen Komödien, unabhängig davon, ob sie auf Menander

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nung eine apologetische Absicht erkennen wollen. Aber ebenso wie GEORGIIS Ausführungen über die Natur solcher Wertungen von G.WALTER und V.USSANI zurückgewiesen worden sind, wird man DORNS Einlassungen allenfalls in dem Sinne beipflichten können, daß in e i n i g e n Fällen nicht Donat, sondern ein Rezensent eine abwägende Stellungnahme zu einer bene/mire-Note verkürzt hat. Dankbar zurückgegriffen wird dabei auf die gegenüber TRENDELENBURG erweiterte, aber immer noch nicht vollständige Sammlung STEINMANNS, der bereits die Noten Donats nach diesen durch die Scholien selbst nahegelegten Kriterien zu ordnen unternommen hat, wobei eine Reihe von congrue-Interpretamenten mit zum verisimile bzw. vice versa verschlagen sind. Im wesentlichen auf STEINMANN fußen die Erörterungen v o n KLIEN-PAWELETZ 1 4 0 - 1 7 6 .

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oder Apollodor zurückgehen448, so daß die von STRUCK aufgestellte Behauptung, Donats Kommentierungstechnik unterscheide sich in den Apollodor-Bearbeitungen, woraus folge, daß ein Donat zugrundeliegender früherer Erklärer lediglich verschiedene griechische Kommentare auf den lateinischen Text hin übertragen habe449, wenig für sich hat450. Als Beispiel für den Aufweis der Konstanz451 der Charakterzeichnung durch ein ganzes Stück hindurch und zugleich als Beleg für die einheitliche Kommentierungstechnik Donats seien die Noten zum Ethos des Demea in den Adelphen beleuchtet, zumal die Diskussion über Konstanz und Wertung des Charakters dieser Figur nicht abgeklungen ist452. Wie oben bereits angeführt, bietet die praefatio die Grundlage der Interpretation: servatur autem per totamfabulam mitis Micio, saevus Demea (III 6). Beim ersten Auftritt, dem Gespräch Micios mit Demea, bemerkt Donat zu Eingang der Szene I 2 in hoc actu diversi homines, diversi patres, diversa studia proponuntur: hic lenis hic amarus, hic facetus hic impolitus, hic facilis hic pertinax et difficilis in delictis (81.1)453.

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Aus der Vielzahl der Belege seien nur zwei Noten zu Stücken, die auf Vorlagen verschiedener Dichter beruhen, zitiert: Hec 193.3 bene quia curiosus est Parmeno et idem garrulus, nam per totam fabulam talis inducitur bzw. An 533.5 placabilis et lenis amicus per totam fabulam inducitur Chremes. E.STRUCK, De Terentio et Donato, Diss.Rostock, Leipzig 1910, passim. Die These wurde immerhin von einem Kenner wie WESSNER akzeptiert (WKPh 27 [1910] 996-1001), aber von Späteren zu Recht stillschweigend übergangen. Das von STEINMANN gesammelte Material stellt in seiner einheitlichen Kommentierungstechnik eine überwältigende Gegeninstanz dar. Abweichende Verhaltensnormen sind natürlich generell gestattet, wenn sie durch einen zeitlich befristeten Affekt oder etwa durch Trunkenheit hervorgerufen sind: Eun 320 non hoc personae attribuendum est, sed affectui; non enim quia Chaerea est, sed quia amator, dicit se parvi facere, quemadmodum potiatur, dum potiatur bzw. Ad 780.2 hoc iam ebrìo convenit, non Uli quem cognovimus Syro. Die weitaus meisten der bei STEINMANN 65ff. gesammelten Belege wie etwa An 444.1 liquido apparet Pamphilum voluntatem propositumque mutasse oder Ph praef.II mutato Consilio (II 348,8 W.) gehören nicht zur Sache. Eine eigene Rubrik 'de morum mutatione' läßt sich aus Donat nicht entwickeln. Der Kommentar zu den Adelphen bietet zudem die meisten Belege zum Gegenstand. Entsprechende Aufzählungen für alle Figuren der terenzischen Komödien hat STEINMANN 19ff. z u s a m m e n g e s t e l l t .

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In der Note werden die Charaktere als exemplarisch im Sinne der Lebenswirklichkeit gedeutet, als Beispiel der urbana et rustica vita (praef.I 9). Dieses Kriterium der Interpretation wird ausführlich im zweiten Paragraphen dieses Kapitels behan-

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Dieser Note folgt der Hinweis, daß Terenzens Charakterzeichnung des Demea noch konsequenter durchgeführt sei als die seiner Vorlage: melius quam Menander, quod hie illum ad iurgium promptiorem quam resalutantem facit (81,2)454. Der Zorn Demeas wird nun nahezu aus jeder Äußerung herauspräpariert: 84.1 animadvertendum, ut interrogate interroget more indignantium etc. Seine Neigung zu maßloser Übertreibung wird hervorgehoben vide qua pompa, qua vociferatione dilatatur accusatio de moribus Demeae nihil non in maius efferentis (88.2), was durch die non 'χ' sed 'y'-Note 89.2 am Wort selbst veranschaulicht wird: bene 'alienas' dicit quia 'lenonis' si diceret, parva res era?55. Es folgen ein ύττο/φΐσις-Scholion 96.2 hoc cum admiratione indienantis est pronuntiandum et ardentibus in Micionem oculis456 und die stilistische Note Ad 97.1 deest 'x', sed ferventius άσυνδέτως dicitur. Nach dieser indirekt aus den Worten Demeas gewonnenen Charakterisierung457 wird sein Ethos von Micio selbst direkt in 98f. beschrieben: homine imperito numquam quicquam iniustiust, / qui nisi quod ipse fecit nil rectum putat, wozu Donat bemerkt: ίδιωτοΧογια: hoc enim proprium rusticorum atque imperitorum (99.3)458. Invidiose dicta (101.3) und quasi imperito dicit (101.4) führen innerhalb der Noten zur Wortwahl des Micio den angeschlagenen Ton der Ethopoiie fort. Wenn Demea wieder in l l l f . spricht, rückt in Donats Interpretation sogleich wieder der Aufweis des Ethos in den Vordergrund:

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delt. Schon die letzte Bemerkung zu I 1, auf die Bezug genommen wird, galt dem Auftritt des Demea: ut asperior ostendatur Demea, etiam salutatur ab eo, quem obiurgaturus est (80). In diesem Sinne ist auch 90.4 aufzufassen ERIPVITMVLIEREMnon 'abduxit', sed 'eripuit'. Fortgeführt in 97.2 et hoc 'tibi' et 'tu' pronuntiandum est intento digito et infestis in Micionem oculis; nam hoc agi stomacho adversum dissimulatores solet. Vgl. Ad 288.3 personae aut suis verbis aut ex alienis insinuantur. Dazu die Dublette 99.1 proprie 'putat', nam hoc verbum imperitorum est.

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tu homo' dicens negat illi (sc. Micioni) familiaritatem (111.2), moraliter indignatici expressa est isdem verbis quae frater dixerat repetitis (112). Die Note zum Auftakt des erregten Wortwechsels in 124 ist ausgefallen, kann aber aus 127.1 apertior contumelia rekonstruiert werden. Selbst die Bestimmung rhetorischer Finessen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ethos: et ideo exclamat dolens et transit in iracundiam concessionemque, quae έπιτροτή dicitur (132) Rusticani stomachi est repetere semper verba, quae invitus audierit (136.3) satis cum stomacho (137.3) gelten dann dem Abtritt des saevus senex. Wir haben gesehen, daß alle Worte Demeas unter dem maßgebenden Gesichtspunkt des Ethos gedeutet wurden. Sprachliche, stilistische und rhetorische Bestimmungen wie auch Anweisungen zur Hypokrisis treten in den Dienst der Herausarbeitung der Charakterzeichnung. Es würde zu weit führen, Donats Kommentierungen zu jedem einzelnen Auftritt Demeas in gleicher Ausführlichkeit zu beleuchten. Als Beleg für die Einheitlichkeit der Notierung seien aus den späteren Szenen nur ausgewählte Interpretamente angeführt. In III 2 weiß Demea, daß auch Ctesipho an dem "Raubzug" des Aeschinus teilgenommen hat: Sein Zorn hat eine zusätzliche Steigerung erfahren: vide αΰξηatv stomachi reservatam (369.1.) bzw. 372.1 eipœveia est maioris stomachi und 380.3 in tota comoedia opera danda est, ut stomachetur Demea. Zum Auftritt des senex querulus (542) in IV 2 bemerkt Donat vide initium conveniens perpetuo maerori Demeae: per totam fabulam aut 'disperii'(355) dicit aut 'defessus sum' (713) aut tale quid semper, quo queratur, ita tarnen, ut cum augmento sit miseria, quotienscumque processerit. nam plus est quod nunc dixit 'ne ego sum infelix' quam 'disperii' (540.3), ähnlich die einleitenden Worte zu IV 6 hic exemplum inducitur saevi patris ex affectu vero (713.1) bzw. IV 7 in hac scaena exemplum est intempestivae obiurgationis (719.1) und die Konkretisierung 728.4 vide amaritudinem Demeae contra omnes, ut nec virgini ipsi parcat und 758 kWenττικώς omnia utpote stomachatus secum loquens. In V 3 erreicht Demeas Zorn seinen Höhepunkt, wozu Donat in einem Rückblick auf das ganze Stück ausführt (789.4) vide hic gradus doloris et iracundiae in tantum auetos, ut iam crescere non possint. quippe in initio fabulae tantum tristis est Demea, nam sic audit a Micione (82sq.) 'quid tristis es?' et ipse 'rogas me, ubi nobis Aeschinus

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siet? quid tristis ego sim?' Inde mox459 procedit in peius adeo, ut sic incipiat (355) 'disperii!. Ctesiphonem audivi filium una fuisse in raptione cum Aeschino ', inde postea dicit (540) 'ne ego homo sum infelix ad postremum (789) 'ei mihi! quid faciam? quid agami' et naturali quodam modo postquam summus furor ad extrema pervenit, repente senex mutatur et mitis est. Am Ende der Szene ist Demea wieder der Alte, e.gr. 842.3 ET ISTAM PSALTRIAM VNA ILLVD MECVM ABSTRAHAM vide singulas syllabas imbuías amaritudine rustica atque agresti und 843.1 non 'abducam', sed quod est saevientis 'abstraham'. Mit der Szene V 4 erleben wir einen verwandelten Demea, aber lt. dem antiken Interpreten nur scheinbar verwandelten Alten, der nicht aus besserer Einsicht, sondern aus äußerem Zwang seine starren Züge unterdrücke: et adeo favet Terentius clementioribus atque mitissimis patribus, ut hunc quodque ducat ad sententiam Micionis, non tarnen hoc sentientem quod ita fieri oporteat, sed quod ita res cogat (855.1)460 Aber selbst jetzt könne er seine wahre Natur nicht unterdrücken: vide remunere in Demea non penitus eiectam severitatem (881). Dies wird nun auch in den Schlußszenen der Komödien, in denen sich Demea schmeichlerisch gibt, weiter am Text belegt, so im Verhalten gegenüber dem Sklaven Syrus in V 5: SERWM HAVD INLIBERALEM dura et importuna repente commutatio ex tanta vituperatione in laudem Syri ostendit contra naturam suam niti Demeam (886.1)461. Eine umständliche Wiederholung eines Versprechens in V 6 gilt Donat als defectus quidam rustici...praeter naturam blandientis (895.2). Auch gegenüber Aeschinus (V 7) setze Demea seine Freundlichkeit nur taktisch ein: apparet Demeam experiendi causa assentari, non quod animo facit (911). Zu guter Letzt zeige sich Demea wieder von seiner wahren Seite

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So lese ich mit V dett. (in Demea C; vgl. 540.3 nam plus est quod nunc dixit). WESSNERS in Demea ist unnötig. Schon zum vorletzten Vers von V 3 hatte Donat bemerkt IAMIAM DESINO et hic velut necessitatem queritur imponi sibi (853). Die Konstanz seines Grundcharakters hatte Donat bereits in 880.1 herausgestellt: bene naturam secutus ignorât artem, putans agi (supplevi) veris omnia debere, non agi 'dando atque obsequendo '.

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attendendum est indulgentiam a Dentea culpae ascribi denuo (988.1); prope rediit rursus ad amaritudinem pristinam (991.2); hic ostendit Terentius magis Demeam simulasse mutatos mores, quam mutavisse (992) und vor allem 986.3 bene in postremo dignitas personae huius servata est, ut nont62 perpetuo commutata videretur, ut Truculenti apud Plauturrta. Die nur in Auswahl aufgeführten Noten zeigen, daß es Donats Bestreben war, gerade die Einheitlichkeit innerhalb der Charakterzeichnung aufzuweisen. Diese konstituiert neben dem sprachlichen Ausdruck eine Qualität, in der Terenz dem Plautus voranstehe. Bereits Horaz hatte die non adstricto socco über die Bühne schlurfenden Charaktertypen des Plautus getadelt464, eine Anschauung, die - wie man wahrscheinlich gemacht hat - varronischen Einfluß verrät465. Es wird kenntlich, welche lange Tradition hinter Donats literaturkritischen Maßstäben aufleuchtet.

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So alle Hss.; WESSNERS Angabe im Apparat (ne W.: ut codd.) beruht auf einem Versehen. Gleiches gilt natürlich auch für den - nach dem Urteil vieler moderner Exegeten gänzlich unterlegenen Micio (aber vgl. H.TRÄNKLE, Micio und Demea in den terenzischen Adelphen, MH 29 [1972] 241-255; zuletzt G.LIEBERG, Das pädagogisch-dramatische Problem der Adelphen des Terenz, GB 15 [1988] 73-84 bzw. II monologo e le parole conclusive di Demea negli Adelphoe di Terenzio, in: Mnemosynum, Studi in onore di ALFREDO GHISELLI, Bologna 1989,355-373), dem die parallele Note 997.2 gilt: bene et Micio non discessit de proposito suo, qui ut pecasse alias estenderei fratrem ob nimiam asperìtatem, cum exceptione quadam laudans verba eius 'istuc recte ' dixit, quasi diceret 'non ut cetera ' etc. Epist.2,1,170ff. ; es handelt sich m.W. um die beiden einzigen Stellen in der lateinischen Literatur, in denen eine Kritik an der plautinischen Ethopoiie geäußert wird. Vgl. auch ZWIERLEIN, Zur Kritik und Exegese I 12. V g l . KIESSLING-HEINZE u n d BRINK z . S t .

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2. Lebensnähe und Glaubwürdigkeit Eine der häufigsten interpretatorischen Formulierungen, derer sich Donat zur Kennzeichnung eines sprachlichen Ausdrucks einer Person bedient, ist ein moraliter/(dé) more466 bzw. ήϋικώς und de consuetudine/τφ ίδιωτισμω. Die Noten dieses Typus gelten in der Regel dem nebst der Konstanz entscheidenden Kriterium der Charakterzeichnung, der Lebensnähe und Glaubwürdigkeit. Man braucht nur Ad 143.3 anzuführen: (nam ita est homo) moraliter 'homo' dixit: sic enim de his dicimus, quos parce reprehendimus. Der Gebrauch der 1. Person Plural sic dicimus erweist, daß Donats moraliter im Sinne von "lebenswahr", "eine für (je)den Menschen typische Verhaltensweise in einer bestimmten Situation" aufzufassen ist467. In seinem häufig zitierten Aufsatz Έι> i)#ei468 hatte W.KROLL indes versucht, jedem moraliter oder ev f/ôei eine ganz bestimmte Nuancierung hinsichtlich eines Affekts zu vindizieren, daß nämlich einmal der Ausdruck etwa im Sinne von "bitter", ein anderes Mal hingegen mit "ruhiger Entschiedenheit", dann wiederum mit "zärtlich" wiederzugeben sei469. Seine fein verästelte Differenzierung, die über zwanzig verschiedene Möglichkeiten der Wiedergabe mit sich bringt, hat ihren Urheber selbst in einer gewissen Aporie enden lassen470. Stellen wie Eun 405.3 proprie hoc morale est stolidis inerudite loquentibus

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Dazu gelegentlich morís est wie etwa Ad 688.1. Dies ist verkannt im ThLL-Artikel moraliter, wo der Ausdruck mit 'ita ut moribus conveniat' unter Hinweis auf 1473,32 'morum alicuius hominis proprius' erläutert wird, also, wie es scheint, mit dem congrue verwechselt ist (VIII 1474,28).- Einige weitere zufällig ausgesuchte Stellen, an denen das Wort in Verbindung mit der l.Pers. begegnet, sind Ad 343 'non faciam' dixit pro 'non tacebo', quasi 'tacere' actionem aliquam habeat. sed moralis significano est et communis omnibus, sicut advocatum dicimus 'male fecisse', quia tacuerit oder 914.6 nimis morale est, cum de absente quasi cum praesente aeimus. Philologus 75 (1919) 68-76 (Ndr. in: Rhetorika, Schriften zur aristotelischen und hellenistischen Rhetorik, hrsg. von R.STARK, Hildesheim 1968, 464-472). a.a.O. 72. Ebd. 76.- Eine Kritik an KROLLS Differenzierung hat m.W. erst BLUNDELL in seinem Kommentar zu Don.Eun 499.2 geäußert. Das Richtige hatte vor KROLL bereits STEINMANN gesehen, der entsprechende Floskeln in seinem Kapitel 'de personarum veritate' eingegliedert hat (56f.).

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Ad 688.1 FECERE ALU SAEPE ITEM BONI morís est exemplo lenire quod purgare non possis 852.3 FORTVNATVS QVIISTO ANIMO SIES non laudantis est quod ait 'fortunatus ', sed moraliter reprehendentis, ut si dicas, cum te aliquid cura offenderli, fortunatos stultos qui nihil sentiant legen vielmehr nahe, das Wort nicht im Sinne eines bestimmten Affektes wiederzugeben, sondern im übergeordneten Sinne der Abbildung eines allgemeinmenschlichen Verhaltens aufzufassen: de more repetitum est 'hic'...sic enim solemus onerare audientem meritis suis, quem laudamus (Ad 967.3). Während Ausdrücke wie moraliterlkv r\ûei dem jeweiligen Wort einer Person gelten, kennzeichnen Floskeln wie vitae color oder consuetudinem expressit in allgemeiner Form - vornehmlich am Anfang einer Szene - die Lebenswirklichkeit der Charaktere: specta in hac scaena (An III 2), quam s cite expressa sit consuetude medici vel medicae egredientis ex aegri domo: nam veniens de negotiis eius loquitur, abiens de morbo (An 481.1). Innerhalb der Szene wird Donat wenig später zu Vers 485 bemerken: vide ut auctoritatem et iactantiam medicorum imitetur dicendo 'quod iussi '. Neben dem Aufweis einer Spiegelung typischer Verhaltensweisen eines Berufsstandes oder etwa von Alter und Geschlecht (z.B. Hec 741 imitatur hic et senile et femineum tardiloquiumf71 begegnet auch ein Lob der allgemeinen Lebensnähe, e.gr. An 470.1 pulchro colore vitae inducto poeta ostendit non minus falli suspiciosum, quam qui stultus est; huic enim Veritas fallacia videtur, dum nimis est acutus ac perspicax Ad 697.3 et recte 'ludis': est enim amantis etc. Aus dem Ideal des color vitae folgt, daß die dargestellten Handlungen und Worte auch glaubwürdig sein müssen: Die Ankündigung des verliebten Phaedria, gar drei Tage lang fernab von der Geliebten zu weilen, kommentiert Donat: sie coepit, tamquam aliquid forte dicturus et magnificum. non autem est παοά ποοσδοκίαν. sed vere amator magnum hoc putat (Eun 223.1).

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Man erinnere sich an Horazens Forderungen für die Darstellung des senex: difficilis, querulus, laudator temporis acti (ars 173), wo Brink auf Aristot.rhet. 2 , 1 3 , 1 3 9 0 a 22 ödev όδνρτικοí eiaiv, και ουκ (ϋτράπεΧοι ούδί