Die CFC-Legislation (Hinzurechnungsbesteuerung) im Spannungsfeld zwischen europäischer Kapitalverkehrsfreiheit und weltweiter Kapitalliberalisierung (WTO): Eine Analyse der Grenzen der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Steuerordnung der WTO in Hinblick auf Auswirkungen für Ausgleichsmaßnahmen im internationalen Steuerwettbewerb [1 ed.] 9783428518647, 9783428118649

Seitens der großen Industriestaaten wird eine CFC-Legislation gefordert, um im internationalen Steuerwettbewerb zu beste

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Die CFC-Legislation (Hinzurechnungsbesteuerung) im Spannungsfeld zwischen europäischer Kapitalverkehrsfreiheit und weltweiter Kapitalliberalisierung (WTO): Eine Analyse der Grenzen der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Steuerordnung der WTO in Hinblick auf Auswirkungen für Ausgleichsmaßnahmen im internationalen Steuerwettbewerb [1 ed.]
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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 39

Die CFC-Legislation (Hinzurechnungsbesteuerung) im Spannungsfeld zwischen europäischer Kapitalverkehrsfreiheit und weltweiter Kapitalliberalisierung (WTO) Von

Stefan Lütke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN LÜTKE

Die CFC-Legislation (Hinzurechnungsbesteuerung) im Spannungsfeld zwischen europäischer Kapitalverkehrsfreiheit und weltweiter Kapitalliberalisierung (WTO)

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 39

Die CFC-Legislation (Hinzurechnungsbesteuerung) im Spannungsfeld zwischen europäischer Kapitalverkehrsfreiheit und weltweiter Kapitalliberalisierung (WTO) Eine Analyse der Grenzen der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Steuerordnung der WTO in Hinblick auf Auswirkungen für Ausgleichsmaßnahmen im internationalen Steuerwettbewerb

Von

Stefan Lütke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-11864-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation angenommen. In der Druckfassung wurden Literatur und Rechtsprechung bis September 2005 berücksichtigt. Für die Betreuung der Arbeit möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Doktorvater Herrn Univ.-Prof. Dr. Wolfram Reiß bedanken. Die wertvollen Gespräche mit ihm haben mir über manche gedankliche Hürde meiner Dissertation hinweg geholfen. Herr Univ.-Prof. Dr. Wolfram Reiß hatte einen nicht hinweg zu denkenden Einfluss auf den Werdegang meiner Arbeit. Weiterhin danke ich meinem Zweitkorrektor, Herrn Univ.-Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, für die Erstellung des Zweitgutachtens. Nicht zuletzt bin ich meinen Eltern für die vielfältige Unterstützung dankbar, die sie mir entgegengebracht haben. Finanziell gefördert wurde diese Arbeit durch die Graduiertenförderung des Landes Bayern, der Hermann Gutmann Stiftung sowie den Nürnberger Steuergespräche e. V. Nürnberg, im Januar 2006

Stefan Lütke

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil Ausgleichsmaßnahmen im internationalen Steuerwettbewerb

26

1. Kapitel Ausgleichsmaßnahmen

26

A. Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

B. Controlled foreign corporations’ legislation (CFC-Legislation) . . . . . . . . .

27

C. Die Ausprägungsformen der CFC-Legislation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

D. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung. . . . . . . . . . . 1. Inländerbeherrschte ausländische Gesellschaft § 7 AStG . . . . . . . . . . . . 2. Einkünfte aus passivem Erwerb § 8 Abs. 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Niedrigbesteuerung im Ausland § 8 Abs. 3 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter § 7 Abs. 6 lit. a) AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolge – Hinzurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschüttungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Repräsentationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 31 31 32 36

E. Die zwei Wirkebenen der CFC-Legislation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Missbrauchsnorm auf Steuersubjektebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenmaßnahme/Ausgleichsmaßnahme im Steuerwettbewerb. . . . . . . . . .

40 42 44

37 38 38 39 40

2. Kapitel Der unfaire Steuerwettbewerb

46

A. EU-Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

B. OECD-Report – Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue I. Die Regelungen des OECD-Reports 1998 im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien zur Identifikation von Steueroasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 53 54

8

Inhaltsverzeichnis 2. Kriterien zur Identifikation von bevorzugenden Regimen . . . . . . . . . . . 3. Abwehrmaßnahmen (Counteracting Harmful Tax). . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Folgeberichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. EU-Verhaltenskodex und OECD-Report – ein Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Kriterien der Schädlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Soft Law“-Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 61 62 63

Zweiter Teil Hinzurechnungsbesteuerung und die europäische Kapitalverkehrsfreiheit

66

1. Kapitel Kapitalverkehrsfreiheit

68

A. Die Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit für den Binnenmarkt . . . . . .

68

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff „Kapitalverkehr“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichweite des Beschränkungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 73 74 78 79 81

C. Verstoß der Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

2. Kapitel Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit I – Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

86

A. Ausnahmeregelung der Mitgliedstaaten Art. 58 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten I. Ausnahmen für den Kapitalverkehr mit Drittländern Art. 57 EGV. . . . . . 1. Die „stand-still“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der sachliche Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verordnung 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 . . . . . . . . b) Wahrung der Interessen der Gemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutzmaßnahmen gegenüber Drittländern Art. 59 EGV . . . . . . . . . . . . . . III. Embargomaßnahmen gegenüber Drittländern Art. 60 EGV . . . . . . . . . . . .

92 94 94 96 98 102 103 105 107 109

Inhaltsverzeichnis

9

3. Kapitel Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit II – Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

112

A. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses – ein Überblick. . . . . . . . . . . . 112 I. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . 113 II. Die globale Konzeption der Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Ausgleich des steuerlichen Belastungsniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtssache „Kommission/Frankreich“ vom 28. Januar 1986 . . . . . . . . . . II. Rechtssache „Asscher“ vom 27. Juni 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtssache „Eurowings AG“ vom 26. Oktober 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtssache „Verkooijen“ vom 6. Juni 2000. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Binnenmarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtssache „Bachmann“ vom 28. Januar 1992. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtssachen „Wielockx“, „Svensson/Gustavsson“ und „Eurowings“ . . . III. Rechtssachen „Baars“ und „Verkooijen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtssache „Metallgesellschaft“ vom 24. September 2002 . . . . . . . . . . . . V. Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ vom 12. Dezember 2002. . . . . . . . . . . . VI. Rechtssache „Manninen“ vom 7. September 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Gefahr der Steuerumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtssache „Kommission/Frankreich“ vom 28. Januar 1986 . . . . . . . . . . II. Die Rechtsprechung zu den Richtlinien – Rechtssachen „Denkavit“ u. „Leur-Bloem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtssache „ICI“ vom 16. Juli 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtssache „Metallgesellschaft“ und Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerung im Sitzstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hinzurechnungsbesteuerung – eine typisierende Missbrauchsregelung?

139 141 142 144 146 147 148 149

E. Wirksamkeit der Steueraufsicht/Steuerkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die frühe Rechtsprechung – Rechtssachen „Bachmann“ bis „Wielockx“ II. Rechtssache „Futura Participations und Singer“ vom 15. Mai 1997 . . . . . III. Rechtssache „Baxter“ vom 8. Juli 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtssache „Vestergaard“ vom 28. Oktober 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ vom 12. Dezember 2002. . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erschwernis der Sachverhaltsaufklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hinzurechnungsbesteuerung und Steueraufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 151 152 154 155 156 158 158 159

10

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

160

A. Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Missbrauch auf Subjektebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unfairer Steuerwettbewerb auf Staatenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Missbrauch auf Subjektebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unfairer Steuerwettbewerb auf Staatenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen für Gegenmaßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten 1. Art. 60 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 57 Abs. 1 EGV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 57 Abs. 2 EGV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

169 170 170 173 174 174 175 179

Dritter Teil Hinzurechnungsbesteuerung und die Welthandelsordnung (WTO)

180

1. Kapitel Ausgleichsmaßnahmen und die WTO

180

A. Direkte Steuern und die WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 B. CFC-Legislation und die WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Kapitel Die WTO im Überblick

186

A. Vom GATT zur WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Die drei Säulen der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. TRIPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Die Grundprinzipien der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung der Meistbegünstigungsverpflichtung in der WTO . . . . . . . II. Das Gebot der Inländerbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Reziprozitätsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 196 196 198 201 204

Inhaltsverzeichnis

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3. Kapitel GATT 1994 und direkte Steuern

205

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. III Abs. 1 GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. III Abs. 2 GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innere Abgaben und Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Argument der Steuerinzidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das System des Grenzausgleichs der Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Direkte Steuern im GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Art. III Abs. 4 GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen. . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über den Subventionstatbestand des ASCM. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbotene Subventionen („red-light“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuersubvention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichteinhebung von fälligen Einnahmen („otherwise due“-Test). . c) De-jure oder de-facto an die Ausfuhrleistung gebunden. . . . . . . . . . d) Fußnote 59 ASCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verbot der Import ersetzenden Subventionierung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtbare Subventionen („yellow-light“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schädigungen des inländischen Wirtschaftszweiges des Mitgliedstaates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schmälerung der aus dem GATT 1994 erwachsenden Vorteile . . . c) Ernsthafte Schädigungen der Interessen eines anderen Mitgliedstaates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtanfechtbare Subventionen („green-light“). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen . . . . . . . . . . . . . . . I. Domestic International Sales Corporations – (DISC-Regime) 1972–1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die US-Steuergesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Steuersystem Frankreichs, Belgiens und der Niederlande . . . . . . . 3. Das begleitende Understanding 1981. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Foreign Sales Corporations (FSC)-Regime 1984–2000 . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die US-Steuergesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Panel- und Appellate Body-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Extraterritorial Income Exclusion Act (ETI-Regime) 2000–2004 . . . . . . . 1. Die US-Steuergesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 21 Abs. 5 DSU-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbotene Exportsubvention Art. 3 ASCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gebot der Inländerbehandlung Art. III Abs. 4 GATT 1994 . . . . . . c) Annahme durch den Dispute Settlement Body . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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246 247 250 253 255 255 256 260 260 262 262 268 271

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Inhaltsverzeichnis IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freie Systemwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung durch eine systembedingte Benachteiligung? . . . . . . . . 3. Belastungsniveau im Ausland – Besteuerungspflicht für den Exportanteil im Ausland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Arms length principle“ der Fußnote 59 und der unfaire Steuerwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Art. I GATT Meistbegünstigungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meistbegünstigungsverpflichtung und direkte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meistbegünstigungsverpflichtung und Art. III Abs. 2 GATT 1994 . . . . . . III. Meistbegünstigungsverpflichtung und Art. III Abs. 4 GATT 1994 . . . . . .

272 272 273 276 277 279 280 281 284

4. Kapitel Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994 A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATT . . . . . . . . . . . . . I. Art. III GATT 1994. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. I GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten einer CFC-Legislation durch das ASCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATT – Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung als steuerliche Gegenmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steueroasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Diskriminierende Steuerregime. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbotene Subventionen Art. 3 Abs. 1 ASCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtbare Subvention Art. 5 ASCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inländerbehandlung Art. III GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Meistbegünstigungsverpflichtung Art. I GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 285 285 286 286

287 288 290 290 291 293 295 296 297

5. Kapitel GATS und direkte Steuern A. Art. XVII GATS Gebot der Inländerbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Direkte Steuern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. XIV lit. d) GATS Ausnahmeklausel für direkte Steuern . . . . . . . . . . . 1. Die Frage der „gerechten und effektiven“ Besteuerung – Fußnote 6 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schranken-Schranke des Art. XIV GATS („Chapeau“) . . . . . . . . . . . . .

297 302 305 306 307 309

Inhaltsverzeichnis

13

a) Willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung . . . . . . . . . . . . 310 b) Verschleierte Beschränkung des Handels mit Dienstleistungen. . . . 311 B. Art. XV GATS – Subventionen im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestehende Subventionsregelung des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Working Party on GATS Rules – Subsidies and Trade in Services . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

312 313 315 316

C. Art. II GATS Meistbegünstigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. XIV lit. e) GATS Steuerklausel für Doppelbesteuerungsabkommen II. Schranken-Schranke des Art. XIV GATS („Chapeau“) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meistbegünstigungsverpflichtung im Wechselspiel mit Art. XVII GATS

317 321 323 324

D. Marktzutritt Art. XVI GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 6. Kapitel Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS. . . . . . . . . . . . . . I. Art. XVII GATS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mögliche Beschränkungen der Dienstleistungserbringung durch eine CFC-Legislation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerklausel und Schrankenwirkung des Art. XIV GATS . . . . . . . . . . II. Art. XVI GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Art. II GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überschneidungen der Hinzurechnungsbesteuerung mit dem Schutzbereich des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329 330 330 331 334 336 337 339

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATS – Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung als steuerliche Gegenmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I. Steueroasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 II. Diskriminierende Steuersysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

Vierter Teil Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

347

Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Sachwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abl. EG Abs. AG AO Art. ASA ASCM AStG BB Bd. BGBl. BHG BISD BStBl. CFC CML Rev. COM DB DBA d.h. DS DSB DStJG DStR DStZ DSU EATLP EC EG EGV EStG EU EuG EuGH EuR

andere Auffassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Abgabenordnung Artikel Archiv für Schweizerisches Abgaberecht (Zeitschrift) Agreement on Subsidies and Countervailing Measures Außensteuergesetz Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Basic Instruments and Selected Documents Bundessteuerblatt Controlled Foreign Corporations Common Market Law Review (Zeitschrift) European Commission Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen das heißt Dispute Settlement Dispute Settlement Body Veröffentlichung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Dispute Settlement Understanding European Association of Tax Law Professors European Community Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (n. F.) Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäisches Gericht 1. Instanz Europäischer Gerichtshof Europarecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis EUV EuZW EWG EWR EWS FDI ff. FR FuE GASP GATS GATT GG GmbH GmbHR h. M. Hrsg. i. d. R. i. e. S. IFSt-Schrift IRC i. S. d. IStR ITO i. V. m. IWB IWF JIEL JWT JWTL KOM KStG LIEI NJW NWB ÖBA OECD OECD-MA ÖStZ Randnr. RIW Rs.

15

Vertrag zur Gründung der Europäischen Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschaft- und Steuerrecht (Zeitschrift) Foreign Direct Investement folgende Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Forschung und Entwicklung Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH Rundschau (Zeitschrift) herrschende Meinung Herausgeber in der Regel im engeren Sinn Schriftenreihe des Instituts „Finanzen und Steuern“ Internal Revenue Code im Sinne des/der Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International Trade Organization in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) Internationaler Währungsfond Journal of International Economic Law (Zeitschrift) Journal of World Trade (Zeitschrift) Journal of World Trade Law (Zeitschrift) Europäische Kommission Körperschaftsteuergesetz Legal Issues of European Integration (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen (Zeitschrift) Organization for Economic Cooperations and Development OECD-Musterabkommen Österreichische Steuerzeitung (Zeitschrift) Randnummer Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rechtssache

16 Sec. Slg. StÄndG StAnpG StuB StuW SWI TRIMS TRIPS UNO UnStFG verb. Rs. WIPO WM WTO WuW YEL

Abkürzungsverzeichnis Section Amtliche Sammlung der Entscheidungen des EuGH Steueränderungsgesetz Steueranpassungsgesetz Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift) Trade Related Investment Measures Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights United Nations’ Organisation Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz verbundene Rechtssachen World Intellectual Property Organisation Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) World Trade Organization Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Yearbook of European Law (Zeitschrift)

Einleitung Liegt die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung in Scherben?1 Einerseits ist zweifelhaft, ob die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung mit den Anforderungen des EG-Vertrages vereinbar ist.2 Demgegenüber steht die seitens der großen Industriestaaten vehement erhobene politische Forderung eine CFC-Legislation3 einzuführen, um im internationalen Steuerwettbewerb bestehen zu können.4 Aus dieser Sicht wird die Hinzurechnungsbesteuerung als ein Mittel zur Herstellung der internationalen Steuergerechtigkeit angesehen5 oder etwa als unilaterales Korrektiv für das Fehlverhalten mancher Staaten im internationalen Steuerwettbewerb als notwendig erachtet.6 Entsprechend existiert eine breite Strömung, die die Hinzurechnungsbesteuerung als unabdingbar ansieht oder sie gar über ihre derzeitige Fassung auszudehnen sucht. Der wissenschaftliche Beirat beim BMF etwa sympathisiert mit einem breiten Ausbau der Hinzurechnungsbesteuerung auf aktive ausländische Einkünfte.7 Auch aus Gründen der Prophylaxe will die Finanzverwaltung nicht auf die Hinzurechnungsbesteuerung verzichten.8 So steht das heutige deutsche Außensteuerrecht zwischen der Forderung nach Abschaffung9 und gleichzeitig erhobenen Rufen nach einer Erweiterung.10 In dieser 1 Vgl. Wassermeyer, EuZW 2000, S. 513; vgl. auch Krüger, in: Lüdicke, Unternehmenssteuerreform (2001), S. 114. 2 Vgl. Zweiter Teil der vorliegenden Arbeit. 3 CFC-Legislation stellt einen Sammelbegriff der steuerlichen Normen dar, die unter bestimmten Voraussetzungen die juristische Selbstständigkeit der Unternehmen negiert und einen Zugriff des Sitzstaates des Anteilseigners auf die Gewinne der Gesellschaft ermöglicht. Die CFC-Legislation geht ursprünglich auf die KennedySteuerreform zurück, in der erstmals der Durchgriff für bestimmte Firmen eingeführt wurde. Vgl. Biehl, Ausfuhrland-Prinzip (1969), S. 267–277. 4 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 370 u. 372–373. 5 Vgl. Fischer, FR 2001, S. 1. 6 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 232. 7 Vgl. BMF, Reform der internationalen Kapitaleinkommensbesteuerung (1999), S. 40–44. 8 Vgl. Wassermeyer, SWI 2001, S. 334. 9 Werra sieht im deutschen Außensteuergesetz einen Standortnachteil Deutschlands. Vgl. Werra, IStR 2001, S. 438. 10 Nach Auffassung des BMF ist auch zukünftig eine Zugriffsbesteuerung unverzichtbar. Das sachliche Bedürfnis ist nach Meinung des BMF in den letzten Jahren sogar gestiegen, da immer mehr auch Hochsteuerländer ihre Ertragsteuersysteme gezielt als Mittel der Wettbewerbspolitik einsetzen und sektorale oder regionale Steu-

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Kontroverse erscheint die Zukunft der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung ungeklärt. Globalisierung, verstanden als Öffnung nationaler Märkte für internationalen Handel und Kapitalverkehr, impliziert einen verstärkten weltweiten Wettbewerb. Aus industrieökonomischer Sicht, insbesondere auf der Grundlage der Theorie des komparativen Kostenvorteils, ist eine weltweite Verschränkung der Kapitalmärkte – was wiederum eine globale Kapitalliberalisierung voraussetzt – zu begrüßen. Seit Adam Smith und David Ricardo wird volkswirtschaftlich allgemein anerkannt, dass eine Liberalisierung des Außenhandels mit einer Erhöhung der weltweiten Wohlfahrt verbunden ist.11 Eine am Freihandel orientierte Wirtschaftsordnung führt nach vorherrschender Auffassung zu einer verbesserten Allokation der Produktionsfaktoren. Zudem wird durch den Freihandel eine internationale Arbeitsteilung ermöglicht. Die Spezialisierung der Volkswirtschaften erlaubt einen Produktivitätsgewinn.12 So sind aus volkswirtschaftlicher Sicht möglichst weitgehend die Verzerrungen des internationalen Handels und damit auch des Kapitalverkehrs zu beseitigen, um eine größtmögliche Wohlfahrt zu erzielen.13 Vor diesem Hintergrund kann eine durch das nationale Steuersystem bedingte Beschränkung des Kapitalverkehrs nur ihre Rechtfertigung finden, falls anderen Zielen in einer Güterabwägung eine höhere Bedeutung beigemessen wird.14 So stehen im Widerstreit zu der volkswirtschaftlichen Außenhandelstheorie gewichtige Argumente, die die Grenzen der globalen Kapitalverkehrsfreiheit im Sozialprinzip sehen15 und auf demokratische als ervergünstigungen einräumen, um mobile Investitionen anzulocken. Vgl. Wolf, IStR 2001, S. 440. 11 Vgl. Schachtschneider, in: Neuhaus, Der Mensch in der globalisierten Welt (2003), S. 9–10; vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 166; vgl. Hauser/Schanz, WTO (1995), S. 193. Zur Theorie des komparativen Vorteils etwa Ehtier, 1997, S. 7 ff.; Die volkswirtschaftlichen Thesen sind nicht ohne Kritik, so fordert Samuelson das Tempo der Globalisierung zu drosseln. Vgl. Handelsblatt v. 20. September 2004. 12 Vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 166. 13 Vgl. Neumann, Gesellschaftliche Funktionen internationalen Wettbewerbs, Vortrag am 28. Mai 2002 im Rahmen der Ludwig-Erhard-Ringvorlesung „Grundfragen internationaler Wirtschaft“ der WiSo-Fakultät im Sommersemester 2002. Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 172. „In einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist weitgehende Liberalisierung des Kapitalverkehrs geradezu die ökonomische Logik.“ vgl. Schachtschneider, in: Neuhaus, Der Mensch in der globalisierten Welt (2003), S. 11. 14 Andererseits wird von Vertretern der OECD gerade die Gegenmeinung vertreten. Ein ungehinderter Steuerwettbewerb führt zu Verzerrrungen des Kapitalverkehrs, die eine effiziente Allokation verhindern. Vgl. Current Status of OECD’s Harmful Tax Practices Initiative, Randnr. 1. 15 Vgl. Schachtschneider, in: Kumar/Osterloh/Schreyögg, Unternehmensethik (1999), S. 416–417. Auch wenn unterschiedliche Ansätze festzustellen sind, ist es

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auch soziale Defizite der Globalisierung verweisen.16 Der nicht bestrittene Effizienzvorteil des liberalisierten Außenhandels muss sich nach dieser Ansicht den Interessen des staatlichen Gemeinwohls fügen.17 So könnte die Kapitalliberalisierung durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums ihre Schranken finden.18 Beschränkt man den Betrachtungshorizont auf die Auswirkungen der Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages oder auf die darüber hinaus reichende globale Kapitalliberalisierung auf das nationale Steuersystem, so können bereits hier unerwünschte Folgen festzustellen sein. Diese lassen zumindest eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen einer unbeschränkten Kapitalliberalisierung auf die Steuerhoheit der EU-Mitgliedstaaten als sinnvoll erscheinen. Denn das in Art. 56 EGV kodifizierte Bekenntnis der Europäischen Union zur Kapitalverkehrsfreiheit ist mit weit reichenden Auswirkungen für das nationale Steuersystem der Mitgliedstaaten verbunden. Schon immer galt die uneingeschränkte Souveränität in der Ausgestaltung des Fiskalsystems als Lebensnerv des Staates.19 Diese Souveränität der Mitgliedstaaten wird nicht nur aufgrund der Regelungen des EG-Vertrages eingeschränkt.20 Vielmehr ist infolge der realwirtschaftlichen Entwicklung die Steuersouveränität insgesamt zunehmend infrage gestellt.21 Der intensive zwischenstaatliche Wettbewerb um das flüchtige Steuersubstrat ist mit einer Aufweichung der früheren Monopolstellung22 des Staates im Verhältnis zum Steuerpflichtigen verbunden.23 Dies gilt umso mehr, als zu beobachten ist, dass die Mobilität der Produktionsfaktoren weiter ansteigt und dies unmittelbar mit der Aufgabe der Vorstellung eines einfachen, geschlossenen politischen Systems verbunden ist. Der Einzelstaat doch als vorherrschende Auffassung anzusehen, dass die Marktkräfte durch den Staat in sinnvolle Kanäle gelenkt werden sollten. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 4 ff. 16 Vgl. Schachtschneider, in: Neuhaus, Der Mensch in der globalisierten Welt (2003), S. 10. 17 Vgl. Schachtschneider, Zeitschrift für Sozialökonomie 2000, S. 6 ff.; selbst die Verfechter des freien Handels geben zu, dass es durch den Freihandel zwar in der Summe allen besser geht, aber auch einzelne Verlierer gegeben sind. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 15. 18 Vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft (2002), S. 297–305. 19 Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 131; vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 161. 20 Vgl. Schaumburg, DB 2005, S. 1332. 21 Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 1–3. 22 Vgl. Malherbe, Intertax 2002, S. 220. 23 Bühler verweist auf Gestaltungsalternativen für Großkonzerne, denen eine nur schwer über die Ländergrenzen auszuweitende Finanzverwaltung gegenübersteht. Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 115. Ein Ausweg stellt die Übertragung der Steuerhoheit auf übergeordnete Instanzen dar. Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 348.

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sowie auch Staatengemeinschaften stehen mit ihrem Angebot an Standortfaktoren im weltweiten Wettbewerb und damit neben dem Güterangebot, dem Sozialsystem und sonstigen Ausgleichsleistungen auch als wesentlicher Teil mit dem Steuersystem.24 Je flexibler und schneller internationale Konzerne auf Standortfaktoren reagieren, desto stärker sind die Auswirkungen der Steuerpolitik von ausländischen Staaten, die mit „spill over“-Effekten auf das Inland verbunden sind. Als besonders problematisch sind aus dieser Sicht transnationale Unternehmen einzustufen, die sich der Gesetzgebungshoheit des Staates entziehen.25 Diese entnationalisierten Unternehmen, ohne gesellschaftliche oder soziale Verantwortung gegenüber einem Heimatstaat, zwingen die Staaten in einen Deregulierungswettbewerb.26 Überdies ist der dienstleistungsorientierte Wirtschaftssektor zunehmend örtlich flexibel, da nur geringe „sunk cost“ vorliegen.27 Für solche Unternehmen ist das Besteuerungsmonopol des Staates kaum mehr gegeben. In abgestufter Intensität gilt diese Entwicklung für alle mobilen Faktoren. Diese Entwicklung ist nicht neu und auch nicht alleine mit dem Schlagwort Globalisierung zu erklären.28 Dennoch ist der sich verschärfende Steuerwettbewerb auch eine unmittelbare Folge der Globalisierung.29 Infolgedessen kann die Steuerpolitik eines Staates nicht mehr, wie früher üblich, ausschließlich auf die sozialen und wirtschaftlichen Erfordernisse des jeweiligen Landes ausgerichtet sein.30 Dieses Phänomen kann unter 24 Vgl. Müller, Die europäische Politik gegen den „schädlichen Steuerwettbewerb“ (2002), S. 133; vgl. Müller, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 154–157; vgl. Werra, in: Lüdicke, Unternehmenssteuerreform (2001), S. 58–59; vgl. Jackstein, in: Burmester/Endres, Außensteuerrecht (1997), S. 181–186. 25 Vgl. Höppner, der auf die schwierige Verhandlungssituation der nationalen Finanzbehörde im Verhältnis zu internationalen Konzernen berichtet, die oftmals bei unkooperativem Verhalten mit Abwanderung drohen. Vgl. Höppner, in: Müller/ Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 89–90; vgl. Werra, in: Lüdicke, Unternehmenssteuerreform (2001), S. 58–59. 26 Vgl. Schachtschneider, in: Neuhaus, Der Mensch in der globalisierten Welt (2003), S. 24–26; vgl. Schachtschneider, in: Kumar/Osterloh/Schreyögg, Unternehmensethik (1999), S. 428–431. 27 Vgl. Weber, in: Lüdicke, Unternehmenssteuerreform (2001), S. 58. 28 Unter anderem sind auch politische Faktoren für die Zunahme der grenzüberschreitenden Direktinvestitionstätigkeit von Bedeutung. Vgl. Easson, Bulletin for Fiscal Affairs 2001, S. 266–267. 29 Denn die Globalisierung ist mit dem Steuerwettbewerb eng verknüpft. Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 227; vgl. Büttner, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 53; vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 8 Randnr. 75. 30 Vgl. OECD-Report (1998), S. 13, Nr. 20.

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dem Schlagwort des „offenen Steuerstaates“31 zusammengefasst werden. In diesem Umfeld reduziert sich die Zielsetzung der betroffenen Staaten in zunehmendem Umfang darauf, zumindest ein bestimmtes Maß an Entscheidungsgewalt zu sichern. Insoweit erkennen die Staaten an, dass „spill over“-Effekte durch andere Staaten nicht vermieden werden können.32 Um das Steueraufkommen zu erhalten, orientieren sich die Staaten teilweise an Elementen des Welteinkommensprinzips unter Berücksichtigung einer kapitalexportneutralen Besteuerung.33 Hierunter fällt auch die in der vorliegenden Arbeit zu erörternde CFC-Legislation.34 Auch wenn die Folgen der Kapitalliberalisierung und die damit verbundene Intensität des internationalen Steuerwettbewerbs ambivalent bewertet werden können35, festzuhalten bleibt, dass unabhängig von der Unterscheidung zwischen einem „fairen“ oder „unfairen“ Steuerwettbewerb36 die Steuerhoheit des einzelnen Fiskus über direkte Steuern zunehmend verloren geht. Der Wettbewerb um das flüchtige Steuersubstrat ist voll entbrannt.37 Die Folgen dieser Entwicklung sind im internationalen Trend zu einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und allgemein niedrigeren Nominalsteuersätzen ersichtlich.38 Das oftmals in diesem Umfeld angeführte Schlagwort des „race to the bottom“ verweist auf die mit einem unkontrollierten Steuerwettbewerb verbundene Gefahr der Erosion des Steueraufkommens.39 Dies würde den Staat in seiner Existenz bedrohen und seine Souveränität in der Entscheidung der steuerlichen Belastung der einzelnen Faktoren erheblich einschränken. Im Ergebnis würde dies zu einer übermäßigen, verteilungspolitisch fragwürdigen steuerlichen Belastung der immobilen Faktoren führen, da diese sich dem Zugriff des Fiskus nicht entziehen können. Durch 31

Vgl. Menck, in: Burmester/Endres, Außensteuerrecht (1997), S. 306. Vgl. Menck, in: Burmester/Endres, Außensteuerrecht (1997), S. 306. 33 So die Forderung der OECD, die Freistellung als international gebräuchliche Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aufzugeben und vermehrt auf die Anrechnungsmethode zu setzen. 34 Vgl. Schön, DB 2001, S. 940; vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 413, Randnr. 391. Umgekehrt grenzt die Anerkennung der juristischen Abschirmwirkung das Welteinkommensprinzip ein. Vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen (1985), 8–9. 35 Für die positiven Effekte eines fairen Steuerwettbewerbs etwa Schön, ASA 2002/2003, S. 341–344. 36 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 344–345. 37 Werra verweist auf die Notwendigkeit der Staaten, ihr Unternehmssteuerrecht attraktiv zu gestalten. Vgl. Werra, in: Lüdicke, Unternehmenssteuerreform (2001), S. 59; vgl. Easson, Bulletin for Fiscal Affairs 2001, S. 267. 38 Auch eine Tarifspreizung, verbunden mit allgemein niedrigen Körperschaftsteuersätzen ist als eine Folge des Steuerwettbewerbs anzusehen. Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 8 Randnr. 76–78. 39 Vgl. Steingen, The EC Tax Journal 2002, S. 31; vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 14. 32

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den Steuerwettbewerb wird von außen das Niveau der Steuern sowie der Sozialtransferleistungen vorgegeben. Die Globalisierung entzieht somit dem Staat zum Teil die politische Entscheidungsfreiheit über das Angebot der öffentlichen Güter.40 Dieser Argumentation schließen sich im Ergebnis auch die OECD und der ECOFIN-Rat an, die durch einen unkontrollierten Steuerwettbewerb negative verteilungspolitische Konsequenzen befürchten.41 Eine vorgeschlagene Lösung ist die grundsätzliche Akzeptanz der positiven Auswirkungen des „fairen“ Steuerwettbewerbes. Dagegen soll der „unfair“ angesehene Steuerwettbewerb geahndet werden. Damit entsteht die Notwendigkeit, griffige, allgemein akzeptierte Identifikationskriterien für einen unfairen Steuerwettbewerb zu entwickeln. Diesbezüglich ist der durch den ECOFIN-Rat im Dezember 1997 verabschiedete Verhaltenskodex unfairer Steuerpraktiken neben dem OECD-Report aus dem Jahr 1998 ein erster Ansatz.42 Gelingt die Identifikation eines unfairen Verhaltens, so müssen in einem nächsten Schritt geeignete Defensiv- oder Sanktionsmaßnahmen diskutiert werden. Hierfür wird seitens der OECD unter anderem die breit angelegte Einführung einer CFC-Legislation gefordert. Unabhängig von der Frage, ob eine CFC-Legislation überhaupt dazu geeignet ist, als Sanktion im internationalen Steuerwettbewerb eingesetzt zu werden, ist die von der OECD vorgeschlagene Lösung einer generellen CFC-Legislation aufgrund einer möglichen Beschränkung des Kapitalverkehrs unter Umständen nicht mit den vertraglichen Bestimmungen des EG-Vertrages und der WTO vereinbar.43 Darüber hinaus muss allerdings hinterfragt werden, ob die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung überhaupt erforderlich ist oder möglicherweise bereits in den bestehenden WTO-Regelungen rudimentäre Rahmenbedingungen für den internationalen Steuerwettbewerb vorgegeben sind.44 Denn das internationale Steuerrecht und die internationalen Handelsabkommen stehen nicht voneinander getrennt.45 Auch für die EU lässt sich dieser Gedanken40 Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 7–8. Bei nationalem Marktversagen kann der Staat nicht mehr uneingeschränkt aktiv werden. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 14. 41 Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel. 42 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 217. 43 Für eine kritische Einschätzung in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Prinzipien des internationalen Steuerrechts und dem EG-Vertrag. Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 370–371. 44 Vgl. Müller, Konjunkturpolitik 1998, S. 331. 45 Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 22–23; andere Auffassung vgl. Fischer-Zernin, der auf die unterschiedliche Entwicklung der zwischenstaatlichen Handelsabkommen und des internationalen Steuerrechts hinweist; insbesondere unterliegen diese unterschiedlichen Regelungsprinzipien. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 103.

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gang ohne weiteres fortführen. Die Ahndung eines falschen Verhaltens kann in einem Rechtssystem und einer Solidargemeinschaft kaum im Geist des tit-for-tat (wie Du mir, so ich Dir) erfolgen.46 Versteht man die Entwicklung der EU als regional begrenzte Globalisierung47, so können Lehren aus den Erkenntnissen des EU-Binnenmarktes für die zukünftige Entwicklung des Welthandels gezogen werden. Denn im Binnenmarkt haben die Mitgliedstaaten Teile ihrer Souveränität bezüglich der steuerlichen Gesetzgebung aufgegeben. So sind durch die Normen des EG-Rechts, insbesondere der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Rahmenbedingungen geschaffen48, die von den nationalen Gesetzgebern zu beachten sind. Zwar ist für die direkten Steuern die Steuerhoheit bei den Mitgliedstaaten verblieben, nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH49 endet diese jedoch dort, wo das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die wirtschaftlichen Freiheitsrechte, eingeschränkt werden. Auch im europäischen Binnenmarkt steht damit das Steuersystem keineswegs unabhängig vom Binnenmarkt. Monti macht dies durch die Verknüpfung der europäischen Beihilfenkontrolle mit der Steuerpolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten deutlich. Das Steuersystem wird von ihm als wichtigstes Element des gemeinsamen Marktes bezeichnet; führt dieses zu Verzerrungen, so kann der gemeinsame Markt nicht funktionieren.50 Die verbleibende Steuerhoheit der Mitgliedstaaten entfaltet einen erheblichen Einfluss auf die Realisation des Binnenmarktes.51 Damit können die in vielen Industriestaaten in Mode gekommenen innerstaatlichen Abwehrmaßnahmen gegen unfairen Steuerwett46

Maßnahmen gegen einen unfairen Steuerwettbewerb könnten im Geiste des titfor-tat einerseits in Schaffung gleichartiger unfairer Steuervorteile erfolgen, einen anderen Weg stellt die Einführung einer CFC-Legislation dar. Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 370. 47 So etwa Neumann in dem Vortrag „Gesellschaftliche Funktionen internationalen Wettbewerbs“, am 28. Mai 2002 im Rahmen der Ludwig-Erhard-Ringvorlesung „Grundfragen internationaler Wirtschaft“ der WiSo-Fakultät im Sommersemester 2002. 48 Die europäische Gemeinschaft hat als Ziel die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums. Der Binnenmarkt umfasst gem. Art 14 EGV den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. 49 Vgl. EuGH v. 12.12.2002; Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 26; EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16, EuGH v. 27. 6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 36, EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 19; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-02787, Randnr. 17; EuGH v. 8.3.2001, verb. Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-1727, Randnr. 37. 50 Vgl. Monti, EU Policy towards fiscal state aid, Vortrag an der Universität Nyenrode am 22.01.2002. 51 Vgl. Hirsch, DStZ 1998, S. 491.

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bewerb den Binnenmarkt schädigen. Schöpft man die bestehenden Möglichkeiten im Rahmen der multilateralen Systeme aus und verzichtet auf unilaterale Gegenmaßnahmen, so könnte eine Verletzung der wirtschaftlichen Freiheitsrechte des EG-Vertrages verhindert und nicht zuletzt die internationale Liberalisierung des Kapitalverkehrs begünstigt werden. Gilt dies im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten zueinander uneingeschränkt, so fehlt im Verhältnis zu Drittstaaten ein Normensystem, welches eine effektive Verurteilung eines unfairen steuerlichen Angebots ermöglicht. Welche Schlussfolgerung ist hieraus für eine CFC-Legislation zu ziehen? Für den Binnenmarkt sieht sich die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung gleichsam einer Zangenbewegung ausgesetzt. So ist diese Regelung aus Sicht der weitgehend wirtschaftlichen Freiheitsrechte des EG-Vertrages, aber auch aus der Perspektive der europäischen Rechtsgemeinschaft, die eine nationale Gegenmaßnahme innerhalb der Gemeinschaft kaum als gemeinschaftskonform erscheinen lässt, zu kritisieren. Blickt man über den Binnenmarkt hinaus, so bleibt alleinig die Frage der Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der Kapitalverkehrsfreiheit bestehen. Eine der EU vergleichbare Solidargemeinschaft ist im Verhältnis zu Drittstaaten nicht gegeben. Dennoch, auch den Regelungen der WTO können erste Ansätze einer Kapitalliberalisierung entnommen werden. So unterliegt auch über den europäischen Binnenmarkt hinaus die nationale Steuerhoheit aufgrund der Verpflichtungen, die aus der Mitgliedschaft in der WTO entstehen, gewissen Grenzen.52 Die multilateralen Verträge entfalten eine bedeutende Auswirkung auf die Handlungsmöglichkeiten der nationalen Politik.53 Gerade durch die Erfolge der WTO, die einen weitgehend liberalisierten Realgütermarkt zeitigten, tritt aus dem Blickwinkel des Welthandels das nationale Steuersystem als nichttarifäres Handelshemmnis in den Vordergrund. Die Forderung nach einem liberalen Welthandel ist damit zunehmend auch mit der Frage des internationalen Steuerwettbewerbs verknüpft. Somit ist auch für die Bestimmungen der WTO einerseits die Zulässigkeit der CFC-Legislation als Gegenmaßnahme zu prüfen. In gleicher Weise stellt sich andererseits die Frage, ob nicht dem regelorientierten Ansatz der WTO für eine Streitbeilegung zu folgen ist und damit ob auf der Grundlage der WTO 52 Siehe hierzu die EuGH Vorlage durch Beschluss des FG Köln vom 24.08.2005, IStR 2005, S. 706–708 und Anmerkungen Nagler/Rehm, IStR 2005, S. 708–710. 53 Allerdings sieht Jackson in der zu beobachtenden wirtschaftlichen Entwicklung einen stärkeren Einschnitt gegeben, als dies etwaigen Auswirkungen der Vertragstexte zu entnehmen ist. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 1–3; vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 186. Zunehmend ist das Bewusstsein der Bürger für die Tatsache geschärft, dass ihr Leben in hohem Maße durch andere Staaten beeinflusst ist. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 7–8.

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gegen einen unfairen Steuerwettbewerb vorgegangen werden kann. Sollten sich Drittstaaten einer Verständigung oder auch eines entsprechenden bilateralen Drucks entziehen, so könnte in einer länderspezifischen Form der CFC-Legislation die Zukunft eines nationalen Außensteuerrechts zu finden sein. Der CFC-Legislation würde so in dem vorgestellten Kontext der Status einer länderbezogenen letzten Abwehrmöglichkeit zukommen.54

54

So bereits Luja, Intertax 2000, S. 238.

Erster Teil

Ausgleichsmaßnahmen im internationalen Steuerwettbewerb 1. Kapitel

Ausgleichsmaßnahmen A. Hintergrund Infolge der dynamischen Entwicklung der Exporttätigkeit der Industriestaaten in den 50er-Jahren bildeten große, grenzüberschreitend tätige Unternehmen in erheblichem Umfang dezentrale Konzernstrukturen, die Leitungs- und Lenkungsaufgaben vor Ort übernahmen und so eine verbesserte Betreuung des lokalen Marktes ermöglichen.1 Verbunden mit der Einrichtung von landesbezogenen Holdinggesellschaften ist aber auch die Gelegenheit, die Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaften im Ausland zu belassen. So ist unter Ausnutzung des im internationalen Steuerrecht grundsätzlich anerkannten Trennungsprinzips2 eine aus Sicht des Exportunternehmens steuerlich günstige, teilweise steuerfreie Thesaurierung der Gewinne im Ausland ermöglicht. Dies betrifft sowohl Gewinne der Holdinggesellschaft selbst als auch der funktional nachgelagerten Tochtergesellschaften im Ausland.3 Somit können durch eine Holdinggesellschaft sowohl der laufende Gewinn der Tochtergesellschaft als auch etwaige Veräußerungserlöse bei einer Umstrukturierung des Konzerns dem regelmäßig höheren Steuerniveau der Konzernmutter vorenthalten werden. 1

Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 108–109. Vgl. Raupach, Durchgriff (1968), S. 146; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.2; vgl. Schaumburg, in: Streck, Internationales Steuerrecht (2000), S. 83–84. 3 Diese Entwicklung fand ihren Ausgangspunkt bereits in den 20er Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie mit neuer Dynamik fortgeführt. Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 31. Bis heute ist für die Gründung einer Holdinggesellschaft das jeweilige Steuerniveau für die Standortwahl von hoher Bedeutung. Vgl. Krawitz/Büttgen, IStR 2001, S. 626. 2

B. Controlled foreign corporations’ legislation (CFC-Legislation)

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Das auf Ebene der Holdinggesellschaft thesaurierte Kapital ist dem Konzernverbund dennoch nicht entzogen, da es über fremdvergleichsfeste Kredite wieder zur Verfügung gestellt werden kann und damit trotz der unterlassenen Ausschüttung nicht im Ausland verbleiben muss.4 Aufgrund der hohen Mobilität des Faktors Kapital besteht weiter gehend für international tätige Konzerne die Möglichkeit, schnell auf Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen im jeweiligen Sitzstaat der Vermögensgesellschaft zu reagieren und so kurzfristig eine steuerlich günstige Standortwahl zu treffen.5 Das Phänomen der Nutzung des internationalen Steuergefälles durch Ansiedelung von Holdinggesellschaften, auch als Basisgesellschaften6 bezeichnet, entwickelte sich bei grenzüberschreitend tätigen Unternehmen schnell zu einem beliebten Mittel zur Steuervermeidung durch Verlagerung des Vermögens.7 Ausgangspunkt dieser steuerlichen Gestaltungsmodelle war die USA.8 Dortige Unternehmen nutzten insbesondere die vergleichsweise niedrigen Steuersätze in den klassischen „tax havens“. 1961 traten hierbei vornehmlich Kanada, Schweiz, Panama, Liberia und die Bahamas in den Vordergrund.9 Im Unterschied zu einem klassischen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch im Sinne einer „Briefkastengesellschaft“ sind bei Basisgesellschaften die zugrunde liegenden ausländischen Gesellschaftsstrukturen grundsätzlich als Rechtsträger anzuerkennen.10 Dennoch wurde die hiermit verbundene fiskalpolitisch unerwünschte Auswirkung, die unter Umständen eine weit reichende Vermeidung der Besteuerung ermöglicht, durch die hoch besteuernden Industriestaaten als Steuerflucht oder Steuerumgehung angesehen und entsprechende Abhilfemaßnahmen wurden entwickelt.

B. Controlled foreign corporations’ legislation (CFC-Legislation) Nicht nur die Idee der Basisgesellschaften, sondern auch eine mögliche Gegenmaßnahme gegen dieses von Seiten der Industriestaaten als Steuer4

Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 112. Vgl. Scherrer, Doppelbesteuerung (1995), S. 194. 6 Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 3; vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 3–8; vgl. Selling, DB 1988, S. 930; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.33; vgl. von Waldthausen, Steuerlastgestaltung (1999), S. 7–8. 7 Vgl. Raupach, Durchgriff (1968), S. 148–152; vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 108–109. 8 Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 113–114. 9 Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 109–110. 10 Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 124. 5

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

flucht der Steuersubjekte empfundene Verhalten fand ihren Ursprung in den USA.11 So wurde bereits 1962, im Rahmen der Kennedy-Steuerreform, im US-amerikanischen Steuergesetz durch die controlled foreign corporations’ legislation (CFC-Legislation) versucht, die bestehenden Möglichkeiten, unter Zuhilfenahme einer Basisgesellschaft Gewinne dem Zugriff des nationalen Fiskus zu entziehen, zu bekämpfen.12 Letztlich greift der US-Fiskus mit der CFC-Legislation auf der Grundlage einer Ausschüttungsfiktion durch die steuerrechtliche Abschirmwirkung der ausländischen Kapitalgesellschaften hindurch.13 So wurden dem US-Anteilseigner einer ausländischen Kapitalgesellschaft das sog. „subpart F income“ unter der Voraussetzung zugerechnet, dass diese Kapitalgesellschaft zu mehr als 50% mittelbar oder unmittelbar US-Anteilseignern gehörte14 und die Kapitalgesellschaft ein bestimmtes Einkommen generierte. Hierzu zählten Einkommen der Basisgesellschaft sowie unter bestimmten Bedingungen auch Versicherungsprämien US-amerikanischen Ursprungs.15 Da nur der Anteilseigner besteuert wird und nicht die ausländische Gesellschaft, wahrt der Staat, der eine CFC-Legislation einsetzt, zumindest pro forma die Steuersouveränität des ausländischen Staates. Dennoch lotet eine CFC-Legislation die Grenzen der Steuerhoheit des ausländischen Staates aus16, da sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Gewinne der ausländischen Gesellschaft im Inland besteuert17 und das inländische Recht der Besteuerung auf der fiktiven Ausschüttung an den Anteilseigner oder auf der Besteuerung der Vermögenssubstanz des Anteilseigners fußt.18 11

Vgl. OECD, Controlled Foreign Company Legislation (1996), S. 21. Vgl. Bellstedt, DStR 1962/63, S. 331; vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 115; vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 3; die heutige Fassung der US-amerikanischen CFC-Legislation findet sich weiterhin im Subpart F – Controlled Foreign Corporations geregelt. Vgl. Sec. 951–964 IRC. 13 Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 117; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 35. 14 Eine Beteiligung von unter 10% wurde nicht berücksichtigt. Entsprechend einfach konnte die Wirkung der CFC-Legislation durch eine entsprechende Aufteilung der Beteiligung an der Gesellschaft umgangen werden. Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 116. 15 Vgl. Bellstedt, DStR 1962/1963, S. 332–334; vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 116–118; vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 115–121. 16 Kluge verweist auf völkerrechtliche Probleme der Hinzurechnungsbesteuerung. Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 412, Randnr. 390. 17 Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 118–119; vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 40–41. 18 Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften 1974, S. 184; vgl. Wassermeyer, RIW 1983, S. 352. Von der völkerrechtlichen Ebene der Rechtfertigung sind Aspekte der Steuergerechtigkeit auf der Subjektebene im Inland zu trennen. Hier wird teilweise 12

C. Die Ausprägungsformen der CFC-Legislation

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Auch in Deutschland wurden die Gewinn- und Kapitalverlagerungsbemühungen der international tätigen Unternehmen von der Öffentlichkeit misstrauisch verfolgt. Dies betrifft insbesondere solche Transaktionen, die nicht durch die Entfaltung aktiver wirtschaftlicher Tätigkeiten, wie etwa der Produktion, begründet sind. Wird also eine Gestaltung, die durch Basisgesellschaften Gewinne der inländischen Besteuerung entzieht, aus vornehmlich steuerlichen Gründen vorgenommen, so ist dies auch in Deutschland als missbräuchlich empfunden worden. Entsprechend wurden bereits im Oasenbericht vom 23.6.196419 Maßnahmen gegen eine auf Steuersparmotivation begründete Verlagerung gefordert.20 Zunächst erfolgte die Bekämpfung der Steuerflucht infolge des Oasenerlasses vom 14.6.1965 auf Basis des § 6 StAnpG21, dem späteren § 42 AO. Schließlich wurde 1972 infolge der kritischen BFH-Rechtsprechung die Bekämpfung der Basisgesellschaften in ein an die US-amerikanische CFC-Legislation angelehntes Außensteuergesetz überführt, wo sich die Hinzurechnungsbesteuerung nunmehr in §§ 7–14 AStG geregelt findet.22

C. Die Ausprägungsformen der CFC-Legislation Seit der ursprünglichen Einführung der CFC-Legislation in den USA wurde eine kaum zu überblickende Vielzahl an unterschiedlichen Ausprägungsformen der CFC-Legislation international eingeführt. Selbst für die in der OECD vereinigten Industriestaaten ist kaum eine einheitliche Regelung zu finden.23 So wird die Hinzurechnungsbesteuerung teilweise länderbezodie Frage erhoben, ob eine CFC-Legislation nicht mit unverhältnismäßigen Härten verbunden ist, da eine fiktive Ausschüttung besteuert wird. Insoweit bestehen Ähnlichkeiten zu der personalisierten Besteuerung einer Personengesellschaft. Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 118. Eine Vermögensmehrung auf der Ebene der Gesellschaft ist auch mit einer mittelbaren Vermögensmehrung auf der Ebene der Anteilseigner verbunden. Diese Übereinstimmung findet jedenfalls ihre Grenzen bei Splitterbeteiligungen, bei denen der Anteilseigner keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft findet. Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 12–13. 19 Vgl. Oasenbericht v. 23.6.1964, BT-Drucksache IV/2412. 20 Vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 8–10. 21 Vgl. Kluge, RIW 1975, S. 525–526. 22 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 31 u. 35; vgl. Saß, DB 2002, S. 2342, vgl. OECD, Controlled Foreign Company Legislation 1996, S. 22–23; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.8; vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 10–12. 23 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 40. Eine Übersicht der jeweiligen Ausprägungsform der CFC-Legislation der OECD Mitgliedstaaten findet sich etwa in der OECD Studie Controlled

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

gen erhoben. Dies erfolgt sowohl in Form einer Negativliste, der „black list“, als auch einer Positivliste, der „white list“. Bei der ersteren werden unlauter agierende, schädliche Staaten identifiziert und in eine Liste übernommen, bei der zweiten umgekehrt diejenigen Staaten, deren Steuersystem grundsätzlich als fair eingestuft wird.24 Teilweise wird auch allein in Abhängigkeit vom ausländischen Steuerniveau eine CFC-Legislation erhoben oder zwischen steuerschädlichen, passiven Einkünften und steuerunschädlichen, aktiven Einkünften, wie etwa bei der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, unterschieden.25 Fasst man die international anzutreffenden Ausprägungsformen der CFC-Legislation zusammen, so lassen sich diese grob in drei Ansätze gliedern.26 • Der „jurisdictional designated list approach“ stellt einen Listenansatz dar. In diesem Fall sind Niederlassungen in bestimmten Staaten, welche sich durch ein als inakzeptabel eingestuftes Steuersystem auszeichnen, mit einer CFC-Legislation bedroht. Hierunter sind die „white list“ und die „black list“ einzuordnen. • Dagegen findet sich bei dem „jurisdictional comparable tax approach“ ein Steuerlastvergleich der betroffenen Staaten. Die Hinzurechnungssteuer wird erhoben, sofern der Effektiv- oder Nominalsteuersatz unter einem bestimmten Niveau liegt oder der ausländische Gewinn bei der Berechnung der Steuerlast ein bestimmtes Belastungsquorum nicht erreicht. • Der „transactional approach“ belegt schließlich bestimmte Einkunftsarten ausländischer Herkunft mit der Hinzurechnungssteuer, unabhängig von der tatsächlichen Herkunft und der ausländischen Steuerlast.

D. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Hinzurechnungsbesteuerung für eine Kombination des „jurisdictional comparable tax approach“ und des „transactional approach“ entschieden. Entsprechend bleibt bei der deutschen Foreign Company Legislation. Vgl. OECD, Controlled Foreign Company Legislation (1996), S. 21–30. 24 Vgl. OECD, Controlled Foreign Company Legislation (1996), S. 98. Der „black list“-Ansatz wurde jüngst in Italien eingeführt. Vgl. Troiano, Intertax 2002, S. 111–112; daneben verfolgen in der EU beispielsweise auch Spanien und Portugal einen „black list“-Ansatz. Vgl. Thömmes, Intertax 2003, S. 188; vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7; einen „white list“-Ansatz verfolgt etwa Großbritannien. Vgl. Krawitz/Büttgen, IStR 2001, S. 660. 25 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff , Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 40. 26 Vgl. OECD, Controlled Foreign Company Legislation (1996), S. 98; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 121–122.

D. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung

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Variante der CFC-Legislation das internationale Steuergefälle für bestimmte aktive Einkünfte erhalten. Dagegen kann bei Einkommen aus passiver Tätigkeit, verbunden mit einer niedrigen Besteuerung i. S. d. § 8 Abs. 3 AStG, eine Hinzurechnung des Einkommens erfolgen.

I. Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung Die Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7–14 AStG sieht drei Tatbestandsvoraussetzungen vor, die sich in der Eingangsvorschrift § 7 AStG geregelt finden.27 Damit ist eine ausländische und gemäß § 7 Asb. 1 AStG von Inländern beherrschte Gesellschaft Zwischengesellschaft i. S. d. § 7–14 AStG, wenn sie ihre Einkünfte aus bestimmten, passiven Tätigkeiten i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG bezieht und gemäß § 8 Abs. 3 AStG einer Ertragsteuerbelastung von weniger als 25% unterliegt.28 Aufgrund des in § 8 AStG enthaltenen Aktivitätskatalogs unterliegen alle nicht ausdrücklich steuerunschädlichen Tätigkeiten der Hinzurechnungsbesteuerung. Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer ausländischen Körperschaft zu mehr als 50% beteiligt, so ist der Zwischengewinn für alle inländischen Anteilseigner zu ermitteln. Dies gilt auch für Bagatellbeteiligungen. In § 9 AStG ist eine Freigrenze geregelt, welcher infolge der niedrigen Schwelle nur eine geringe praktische Bedeutung zukommt.29 Neben der Hinzurechnungsbesteuerung findet sich in § 7 Abs. 6 AStG die sog. erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung geregelt. Subsidiär zur Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter – hierunter fallen insbesondere Holding und Finanzierungsgesellschaften – der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung.30 1. Inländerbeherrschte ausländische Gesellschaft § 7 AStG Eine ausländische Gesellschaft i. S. d. § 7 Abs. 1 AStG ist eine „Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 des Körper27 Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 421, Randnr. 400; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.9. 28 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8, Randnr. 12. 29 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7, Randnr. 4. 30 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht 1998, Randnr. 10.305.

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

schaftsteuergesetzes von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist“. Damit überträgt das Außensteuergesetz die gesellschaftsrechtliche Würdigung aus dem Inland auf ausländische Gesellschaften. Demzufolge kann eine ausländische Personengesellschaft im Inland u. U. als ausländische Gesellschaft i. S. d. § 7 Abs. 1 AStG einzustufen sein, sofern diese, hätte sie ihren Sitz im Inland, der Körperschaftsteuer unterläge.31 Umgekehrt unterliegen Gesellschaften, die als Personengesellschaft der Mitunternehmerkonzeption unterliegen, nicht der Hinzurechnungsbesteuerung.32 Schließlich liegt eine inländerbeherrschte, ausländische Gesellschaft vor, sobald an einer ausländischen Gesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtige zu mehr als der Hälfte beteiligt sind oder über mehr als die Hälfte der Stimmrechte verfügen. Neben der unmittelbaren Beteiligung sind für die Bestimmung der Inländerbeherrschung auch mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen. Eine mittelbare Beteiligung ist gemäß § 7 Abs. 2 AStG in der Vermittlung von Anteilen oder Stimmrechten durch andere Gesellschaften, gemäß § 7 Abs. 3 AStG bei Beteiligungen, die durch Personengesellschaften gehalten werden, sowie gemäß § 7 Abs. 4 AStG bei Beteiligungen, die durch weisungsgebundene Personen gehalten werden, gegeben.33 Ist eine ausländische Gesellschaft als inländerbeherrscht anzusehen, wird der Gewinn für die gesamte ausländische Gesellschaft ermittelt und der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen. Eine Einkunftskorrektur ist damit nicht auf die beherrschenden Beteiligungen beschränkt, sondern umfasst auch Splitterbeteiligungen. Im Gegensatz zur Tatbestandsvoraussetzung der Inländerbeherrschung kommt es für die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung nicht auf die Beteiligungshöhe an.34 2. Einkünfte aus passivem Erwerb § 8 Abs. 1 AStG Die Hinzurechnungsbesteuerung greift nur, soweit eine schädliche Tätigkeit gegeben ist. Für die Hinzurechnungsbesteuerung findet sich in § 8 Abs. 1 AStG ein Aktivitätskatalog geregelt.35 In einer abschließenden Aufzählung werden all diejenigen Tätigkeiten genannt, die als steuerunschädliche – weil aktive – Tätigkeiten anzusehen sind. Die so genannten Katalogtätigkeiten i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–9 AStG umfassen Einkünfte aus 31

Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7, Randnr. 15. 32 Vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 12–13. 33 Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 425–426, Randnr. 403–405. 34 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7, Randnr. 18.1. 35 Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 429, Randnr. 408.

D. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung

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• Land- und Forstwirtschaft, • Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, der Energieerzeugung sowie der Gewinnung von Bodenschätzen, • dem Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen, • Handel, • Dienstleistungen, • Vermietung und Verpachtung, • Finanzierungsgeschäften, • Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften • sowie aus der Veräußerung von Anteilen an anderen Gesellschaften oder aus deren Auflösung oder der Herabsetzung des Kapitals. Nicht für alle Katalogeinkünfte gilt die Einordnung als aktive Tätigkeit vorbehaltlos. Teilweise sind umfangreiche Ausnahmen sowie Rückausnahmen der Ausnahmen im Gesetzestext enthalten.36 So sind von der uneingeschränkten, aktiven Einstufung insbesondere ausländische Gesellschaften ausgeschlossen, die sich in besonderer Weise zur Verlagerung des Steueraufkommens durch Transferpreisgestaltung eignen. Sind diese ausländischen Gesellschaften dagegen allgemein wirtschaftlich tätig, gelingt also der sog. Funktionsnachweis, so wird dagegen die Tätigkeit als aktiv eingestuft und umgekehrt eine wirtschaftlich angemessene Zuordnung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses unterstellt. Als uneingeschränkt aktiv einzustufen sind lediglich Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft, Einkünfte aus der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Gegenständen, der Energieerzeugung, der Gewinnung von Bodenschätzen sowie Gewinnausschüttungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften.37 Dagegen ist der Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen nur als aktiv anzusehen, sofern diese einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten und die Geschäfte nicht überwiegend mit unbeschränkt Steuerpflichtigen, die nach § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, oder ihnen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahe stehenden Personen erfolgen. Auch für den Handel sind durch § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG in ähnlicher Weise vorgenommene Einschränkungen enthalten. So sind Einkünfte aus dem Handel gleichermaßen als passiv anzusehen und als Zwischeneinkünfte zu berücksichtigen, soweit der Handel zwischen der ausländischen Gesell36 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8, Randnr. 1. 37 Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 429, Randnr. 408.

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

schaft und dem inländischen Anteilseigner oder ihnen nahe stehenden Personen erfolgt. Dies betrifft sowohl den Warenexport, beispielsweise an eine ausländische Vertriebsgesellschaft, als auch den umgekehrten Vorgang, der Warenlieferung aus dem Ausland durch eine ausländische Einkaufsgesellschaft. In beiden Fällen wird die Intention des Gesetzgebers deutlich, bei abhängigen Gesellschaften einen unnangemessenen Transferpreis zu bekämpfen.38 Durch Unterpreislieferungen an das Ausland oder Überpreislieferungen aus dem Ausland könnten Gewinne dem Zugriff des nationalen Fiskus entzogen werden. Weist der Steuerpflichtige dagegen nach, dass die ausländische Gesellschaft einen für derartige Handelsgeschäfte in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält und der Steuerpflichtige oder eine ihm nahe stehende Person nicht an der Abwicklung des Handelsgeschäftes mitwirkt, so ist der Handel auch in diesem Fall als aktiv anzusehen.39 In ähnlicher Weise findet sich der Ausnahmetatbestand der Dienstleistungen in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG normiert. Grundsätzlich sind Einkünfte aus Dienstleistungstätigkeit als aktiv anzusehen.40 Wie schon für den Handel mit Gegenständen sind auch für Dienstleistungen Ausnahmen vorgesehen. Dies betrifft den Bedienentatbestand sowie den Erbringungstatbestand.41 § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) AStG regelt den so genannten Bedienentatbestand.42 Grenzüberschreitende Dienstleistungen sind ausnahmsweise nicht als aktiv einzustufen, sofern sich zu deren Erfüllung die ausländische Gesellschaft eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners i. S. d. Art. 7 AStG oder einer ihm i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG nahe stehenden Person bedient. Für den Fall des Bedienentatbestands schuldet die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung und greift zur Erfüllung auf Anteilseigner oder ihnen nahe stehende Personen zurück, die im Namen der Gesellschaft, beispielsweise in Form eines Angestellten- oder Subunternehmerverhältnisses die geschuldete Dienstleistung erbringen.43 Eine weitere Ausnahmeregelung stellt der in § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) AStG normierte sog. Erbringungstatbestand dar. Erbringt eine ausländische Gesellschaft eine Dienstleistung an einen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Per38 Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 435, Randnr. 414; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8, Randnr. 124 u. 133. 39 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.89–10.90. 40 Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 437, Randnr. 415; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.91. 41 Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 438, Randnr. 415. 42 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 180 ff. 43 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 182.

D. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung

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son, so ist dies ebenfalls als passive Tätigkeit einzustufen. Es sei denn, der ausländischen Gesellschaft gelingt als Ausnahme-Ausnahme-Tatbestand der in § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) AStG geforderte Funktionsnachweis, um eine Einstufung als aktive Tätigkeit zu erreichen. Dies verlangt, wie schon für den Handel, einen für das Bewirken der Dienstleistung eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Zudem dürfen die Dienstleistungen nicht unter Mitwirkung der unbeschränkt Steuerpflichtigen Anteilseigener oder einer ihnen nahe stehenden Person erfolgen.44 Insbesondere für die Einkünfte aus Vermietungstätigkeit wurden durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG erhebliche Ausnahmen von der grundsätzlich aktiven Einstufung vorgenommen. Entsprechend ist in der Praxis nahezu jede Vermietungstätigkeit als passiv anzusehen.45 So unterliegt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) AStG zunächst die Nutzung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen der Hinzurechnungsbesteuerung, es sei denn, dem Steuerpflichtigen gelingt der Nachweis, dass die ausländische Gesellschaft die Ergebnisse eigener FuE-Bemühungen auswertet und hieran weder der inländische Anteilseigner noch eine ihm nahe stehende Person mitwirkt. Durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. b) AStG ist die Vermietung von Grundstücken und durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. c) AStG schließlich die Vermietung beweglicher Gegenstände, mithin Leasinggesellschaften, berührt. Ein Funktionsnachweis führt auch im Fall des § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. c) AStG zu einer Einstufung als aktive Tätigkeit. Durch § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG wird die Finanzierungstätigkeit größtenteils als passiv eingestuft.46 Auch die Tätigkeit der Finanzierungsgesellschaften ist aus der Sicht des Fiskus in besonderem Maße dazu geeignet, eine Gewinnverlagerung zu erzielen.47 Nur ausnahmsweise ist die Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital als aktiv anzusehen, sofern die ausländische Gesellschaft das Kapital ausschließlich im Ausland aufnimmt und es Betrieben oder Betriebstätten, die außerhalb des Geltungsbereiches des Außensteuergesetzes liegen, zur Verfügung stellt. Um eine Einstufung als aktiv zu erreichen, ist es weiterhin erforderlich, dass diese im Ausland gelegenen Betriebe ausschließlich oder fast ausschließlich Tätigkeiten i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG nachgehen. Wird dagegen das Kapital einem innerhalb des 44

Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.97. Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff (Hrsg.), Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 216; vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 439, Randnr. 416; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.98. 46 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 241. 47 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 244. 45

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

Geltungsbereichs des Außensteuergesetzes gelegenen Betrieb zugeführt, so entfällt das Aktivitätserfordernis. Entsprechend ist die Darlehensvergabe an inländische Betriebe als aktiv einzustufen.48 Im Zuge des UntStFG v. 20.12.200149 wurden schließlich Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften sowie Veräußerungen von Anteilen an Gesellschaften ebenfalls als aktiv eingestuft.50 Im Gegensatz zu den Gewinnausschüttungen des § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG gilt dies infolge des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG für die Veräußerung von Anteilen an einer Gesellschaft nicht uneingeschränkt. So wird eine Veräußerung von Anteilen nur als aktiv eingestuft, soweit es sich bei der Veräußerung um Wirtschaftsgüter handelt, welche nicht Tätigkeiten dienen, die als Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter i. S. d. § 7 Abs. 6 lit. a) AStG anzusehen sind. 3. Niedrigbesteuerung im Ausland § 8 Abs. 3 AStG Die dritte Tatbestandsvoraussetzung der Niedrigbesteuerung ist in Art. 8 Abs. 3 AStG geregelt. Die durch § 8 Abs. 1 AStG eingegrenzten passiven Einkünfte werden nur der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen, soweit diese zudem einer niedrigen Besteuerung unterliegen.51 Diese Unterscheidung ist auf die ursprüngliche Zielsetzung des Gesetzgebers zurückzuführen, durch das Außensteuergesetz eine als missbräuchlich empfundene Verlagerung der unternehmerischen Aktivität in Steueroasen zu verhindern.52 Für die Beurteilung, ob eine niedrige Besteuerung vorliegt, unterscheidet der Gesetzestext zwei Alternativen. Zunächst wird durch den ersten Halbsatz des § 8 Abs. 3 AStG auf die Ertragsteuerlast der Zwischengesellschaft Bezug genommen. Unterliegen also die Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft einer Ertragsteuerbelastung von weniger als 25%, so ist diese als niedrig besteuert anzusehen. Hierbei ist die steuerliche Bemessungsgröße von Sondereinflüssen zu bereinigen, um die Steuerlast zu ermitteln. Für die Bestimmung der Belastungsgrenze ist auf die einschlägigen Vorschriften des deutschen Steuerrechts zurückzugreifen. Die tatsächlich im Ausland erhobene Steuer bleibt ohne Auswirkung. Es handelt sich vielmehr um einen abstrakt fälligen Steuerbetrag.53 Im zweiten Halbsatz des § 8 Abs. 3 AStG findet sich eine zweite, unabhängige Alternative für die Beur48 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 244. 49 Vgl. Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz v. 20.12.2001, BStBl. I 2002, S. 35. 50 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 16. 51 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.120. 52 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.121.

D. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung

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teilung passiver Einkünfte wieder. So werden allgemein alle Zwischeneinkünfte als niedrig besteuert angesehen, welche nach dem Recht des betreffenden Staates um die Steuern gemindert werden, die die Gesellschaft zu tragen hat, von der die Einkünfte stammen. 4. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter § 7 Abs. 6 lit. a) AStG Durch das StÄndG vom 25.02.199254 wurde die Hinzurechnungsbesteuerung um die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erweitert.55 Die Legaldefinition der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter findet sich mittlerweile in § 7 Abs. 6 lit. a) AStG normiert. Entsprechend sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft, die aus dem Halten, der Verwaltung, der Werterhaltung oder der Werterhöhung von Kapitalanlagen stammen.56 Ausgenommen hiervon sind diejenigen Einkünfte, für die die durch das Gesetz vorgesehenen Ausnahmen greifen. Zunächst sind Einkünfte i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 AStG von den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter ausgenommen. Des Weiteren werden auch Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter nicht den Vorschriften für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter unterworfen, soweit diese aus Vermögenswerten stammen, die einer aktiven Tätigkeit i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG dienen. Für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter gilt die sog. verschärfte oder erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung des § 7 Abs. 6 AStG. Diese greift allerdings nur, sofern die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung nicht einschlägig ist, und ist damit nur subsidiär anwendbar.57 Im Unterschied zur Hinzurechnungsbesteuerung findet die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung bereits bei einer Beteiligung eines inländischen unbeschränkt Steuerpflichtigen von 1% an der ausländischen Gesellschaft, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt, Anwendung. Auch für die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter ist eine dem § 9 AStG entsprechende Freigrenze vorgegeben.58 Durch die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung werden insbesondere ausländische Holding- und Finanzdienstleister erfasst.59 53

Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 392–393. 54 Steueränderungsgesetz v. 25.2.1992, BStBl. I 1992, S. 146. 55 Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht (2000), S. 411, Randnr. 388; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 Randnr. 3.1. 56 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.124. 57 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 3.12. 58 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 Randnr. 3.13. 59 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.305.

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

II. Rechtsfolge – Hinzurechnung Sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, so kommt es in der Rechtsfolge zur Hinzurechnung der ausländischen Einkünfte zu den Einkünften der inländischen Steuersubjekte.60 Die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages ist in § 10 AStG geregelt. Dort wird für die Feststellung des Hinzurechnungsbetrages durch § 10 Abs. 3 AStG auf die entsprechende Anwendung der deutschen steuerrechtlichen Vorschriften zurückgegriffen.61 Die Bestimmung des Hinzurechnungsbetrages erfolgt in Höhe der Beteiligung der inländischen Anteilseigner an der ausländischen Gesellschaft. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG findet für natürliche Personen das Halbeinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 Satz 1 lit. d) EStG keine Anwendung. Gleichermaßen sind für Kapitalgesellschaften die Vorschriften des § 8 b Abs. 1 KStG auf den Hinzurechnungsbetrag nicht anwendbar. III. Dogmatische Grundlage Die Grundsatzentscheidung des deutschen Gesetzgebers, eine CFC-Legislation zur Bekämpfung unerwünschter Steuervorteile zu erheben, wurde in der Literatur durch verschiedene Ansätze begleitet, die diese neue Form der Besteuerung einer grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeit in das bestehende Verständnis des internationalen Steuerrechts einzubetten suchten. So wurde bereits bei der Einführung der CFC-Legislation in den USA eine Ausschüttungsfiktion bemüht, um die formale Grenze der Steuerhoheit der übrigen Staaten zu wahren.62 Dennoch blieb die Hinzurechnungsbesteuerung nicht ohne Kritik. So wurde insbesondere ein Verstoß gegen die in den Doppelbesteuerungsabkommen übliche Zuordnung des Besteuerungsrechts der ausländischen Niederlassungen zum jeweiligen Sitzstaat gerügt.63 Nachdem der ausländische Staat in den seltensten Fällen die Wertung des Staates, der die Hinzurechnungsbesteuerung erhebt, übernimmt und so auf sein Besteuerungsrecht verzichtet, wird bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise letztlich durch eine Hinzurechnungsbesteuerung doppelt auf dasselbe Steuersubstrat zugegriffen. Damit könnte durch eine Hinzurechnungsbesteuerung ein Verstoß gegen das internationale Abkommensrecht festzustellen sein.64 60

Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.133. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.138. 62 Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 117. 63 Vgl. Wassermeyer, RIW 1983, S. 352. 64 Vgl. Wassermeyer, RIW 1983, S. 352; vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 180; dennoch ist die CFC-Legislation international anerkannt. Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14 Randnr. 76; vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7. 61

D. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung

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Um dieses Konfliktpotenzial zu umgehen und die Hinzurechnungsbesteuerung mit dem bestehenden internationalen Abkommensrecht zu vereinbaren, wurden im Wesentlichen zwei Theorien entwickelt.65 1. Ausschüttungstheorie Die vorherrschende Meinung in der Literatur vertritt die Ausschüttungstheorie.66 Dies entspricht auch der Einführungsidee der US-amerikanischen Urfassung der CFC-Legislation.67 Die Besteuerung wird durch eine vorweggenommene Gewinnausschüttung begründet.68 Infolge der Fiktion einer vorweggenommenen Gewinnausschüttung werden dem Inländer die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Gewinne fiktiv zugerechnet. Damit ist zunächst durch die Fiktivdividende die Rechtfertigung der Besteuerung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gedeckt.69 Zudem entsteht durch die Ausschüttungsfiktion das Recht des Wohnsitzstaates, auf das Steuersubstrat zuzugreifen. Entsprechend werden durch diesen gedanklichen Ausschüttungsvorgang auch die Grenzen der DBA-Vorschriften eingehalten.70 Infolge des Systemwechsels der deutschen Unternehmensbesteuerung stößt die Ausschüttungstheorie jedoch als Erklärungsansatz für die Hinzurechnungsbesteuerung zunehmend an ihre Grenzen. Zwar kann unter Zuhilfenahme der Ausschüttungstheorie die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Empfängerstaat abgeleitet werden, es erscheint aber kaum mehr einsichtig, warum eine tatsächliche Dividende durch § 8 b Abs. 1 KStG steuerfrei gestellt wird oder dem Halbeinkünfteverfahren i. S. d. § 3 Nr. 40 EStG unterliegt, einer Ausschüttungsfiktion dieser Vorteil jedoch verwehrt bleibt.71 65 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14 Randnr. 46 u. 50; der von Wassermeyer verfolgte dritte Ansatz, die Zweistufentheorie, welche die Repräsentationstheorie und die Ausschüttungstheorie verbinden sollte, konnte sich nicht durchsetzen. Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 55. 66 Vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 144; vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen (1985), S. 13. 67 Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 117. 68 Vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 135–137; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 412–413; vgl. Wassermeyer, in: Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 46–55; vgl. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 2, Randnr. 38. 69 Vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen (1985), 13. 70 Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 185; vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 142–143. 71 Folgt man der Ausschüttungstheorie, so müsste der Hinzurechnungsbetrag konsequenterweise einer Ausschüttung gleichgestellt werden. Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 7 u. 23.

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

Das Konzept der Hinzurechnungsbesteuerung entspricht dem US-amerikanischen Verständnis des Welteinkommensprinzips unter Berücksichtigung der allgemein üblichen Anrechung ausländischer Steuern. In einem am Territorialprinzip orientierten Steuersystem, welches in den Doppelbesteuerungsabkommen üblicherweise eine Freistellung der ausländischen Einkünfte vorsieht, lässt sich eine konzeptionelle Stimmigkeit nur schwer ableiten.72 2. Repräsentationstheorie Die Repräsentationstheorie sieht in der Hinzurechnungsbesteuerung eine Steuerpflicht sui generis. Zwar wird der Hinzurechnungsbetrag in Abhängigkeit des Gewinns der ausländischen Firma ermittelt, dennoch ist die Rechtsfolge ausschließlich beim inländischen Anteilseigner gegeben. Lediglich zur Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages wird auf den Gewinn der ausländischen Gesellschaft Bezug genommen. Entsprechend ist mit der Repräsentationstheorie die fehlende Identität des Hinzurechnungsbetrages mit dem Gewinn der ausländischen Gesellschaft verbunden. Die Rechtfertigung der inländischen Hinzurechnungsbesteuerung findet sich durch Berücksichtigung der Vermögensmehrung auf der Ebene der Gesellschaft. Diese Vermögensmehrung ist als mittelbare Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des inländischen Gesellschafters anzuerkennen. Sie findet jedoch ihre Grenzen bei Splitterbeteiligungen, bei denen der Anteilseigner keine Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Gesellschaft findet.73 Da es sich um eine vom ausländischen Unternehmen unabhängige, getrennte Steuerpflicht des inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners handelt, entfällt aus Sicht der Repräsentationstheorie die Notwendigkeit, eine Vereinbarkeit mit den Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen abzuleiten.74

E. Die zwei Wirkebenen der CFC-Legislation Im Gegensatz zum aufgezeigten Ursprung der CFC-Legislation, bei dem letztlich die missbräuchliche Ausnutzung des internationalen Steuergefälles durch Basisgesellschaften auf der Subjektebene im Vordergrund der Betrachtung stand75, ist die heute festzustellende Tendenz seitens der Indus72

Vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen des internationalen Steuerrechts 1985, S. 9–10. 73 Unter Verweis auf die Unterschiede zur Besteuerung nach der Mitunternehmerkonzeption. Vgl. Sullivan/Wallner/ Wübbelsmann, IStR 2003, S. 12–13. 74 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14 Randnr. 50.

E. Die zwei Wirkebenen der CFC-Legislation

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triestaaten, eine CFC-Legislation einzuführen, in zunehmendem Maß auf den internationalen Standortwettbewerb zurückzuführen. Die Sicherung des Steueraufkommens wird in den Industriestaaten als eine immer drängendere politische Aufgabe empfunden. In diesem Zusammenhang kann auch die internationale Tendenz zur CFC-Legislation festgestellt werden und, damit verbunden, eine zunehmende Verbreitung der grenzüberschreitenden Zurechnung passiver Einkünfte. Viele Industriestaaten haben mittlerweile eine dem deutschen Hinzurechnungsgesetz vergleichbare Regelung eingeführt. In der EU gilt dies neben Deutschland etwa auch für Dänemark, Frankreich, die Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden, Großbritannien sowie Italien.76 Die gemeinsame politische Zielsetzung der Kapital exportierenden Länder im internationalen Steuerwettbewerb zeigt sich im OECD-Fiskalausschuss. Die OECD forderte 1998 ihre Mitgliedstaaten im Rahmen des OECD-Reports „Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue“ auf, eine CFC-Legislation einzuführen oder, soweit bereits vorhanden, diese weiter auszudehnen.77 Damit verbleibt es bei dem prinzipiell wesensgleichen Rechtfertigungsgedanken einer CFC-Legislation, der letztlich in der Ausnutzung des Steuergefälles durch die Steuersubjekte zu finden ist. Waren bereits bei der Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung beide Komponenten, einerseits die subjektbezogene Missbrauchsabwehr und andererseits der Ausgleich der steuerlich niedrigen Belastung, gegeben, so scheint sich zunehmend die Gewichtung der CFC-Legislation hin zu einer Gegenmaßnahme oder Ausgleichsmaßnahme im internationalen Steuerwettbewerb zu wandeln. Für den Bereich des unfairen Steuerwettbewerbs sind bei einer missbräuchlichen Umgehung der Besteuerung zwei Ebenen berührt. Einerseits die Unternehmen, die die gebotenen Möglichkeiten des Staates ausnützen, andererseits aber auch die Staaten, die ein entsprechendes Angebot offerieren.78 Dementsprechend sehen der OECD-Report und der EU-Kodex denn eine Mitverantwortung der Anbieterstaaten im internationalen Steuerwettbewerb hinsichtlich der Vermeidung einer missbräuchlichen Ausnutzung der Steuerangebote.79 Naturgemäß kann auch auf diesen beiden unterschiedenen Ebenen gegen einen als unfair empfundenen Steuerwettbewerb vorgegangen werden. Den75

Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 21. 76 Vgl. Schön, DB 2001, S. 940; vgl. zu Italien, Gazzo, Bulletin for International Fiscal Documentation 2002, S. 77. 77 Vgl. OECD, Report (1998), S. 40 ff. 78 Vgl. Wartenburger, IStR 2001, S. 402. 79 Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, C.I.

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

noch ist Adressat der Hinzurechnungsbesteuerung der inländische Steuerpflichtige. Dies gilt unabhängig davon, ob für die Hinzurechnungsbesteuerung vermehrt eine missbräuchliche Steuerumgehung in den Vordergrund tritt oder aber das inländische Steueraufkommen im Verhältnis zu Drittstaaten gesichert werden soll.80 Damit erscheint schon im ersten Ansatz – zumindest für den Fall des unfairen Steuerwettbewerbs – eine Hinzurechnungsbesteuerung nur bedingt als Ausgleichsmaßnahme geeignet, da sie die inländischen Anteilseigner belastet und nicht den unfair agierenden staatlichen Wettbewerber. I. Missbrauchsnorm auf Steuersubjektebene Eine erste Ebene des Regelungscharakters der Hinzurechnungsbesteuerung kann als Steuersubjektebene bezeichnet werden. Der Staat geht zur Bekämpfung von als missbräuchlich empfundenen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsformen selbst gegen das Steuersubjekt vor. Dies entspricht der klassischen, historischen Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung in der Tradition der Besteuerung von Basisgesellschaften81 und der Verhinderung der Steuerflucht.82 Die Abschirmwirkung auf Ebene der ausländischen Gesellschaft wird aufgehoben, der Gesellschaftsgewinn dem inländischen Anteilseigner hinzugerechnet. Die anfänglich diskutierten völkerrechtlichen Bedenken konnten sich nicht durchsetzen. Eine CFC-Legislation wird bezüglich der Besteuerungshoheit als allgemein anerkannt erachtet.83 Der Heimatstaat hat das Recht, in vollem Umfang auf das Vermögen des Staatsbürgers zuzugreifen.84 Dies gilt auch unabhängig von der tatsächlichen Durchsetzbarkeit des Ausschüttungsanspruchs des Anteilseigners. Der Grundidee der Hinzurechnungsbesteuerung folgend, setzt diese beim Anteilseigner an, um eine Verletzung der DBA und der Besteuerungsrechte des Sitzstaates der Gesellschaft zu vermeiden.85 In neueren DBAs, wie etwa dem DBA 80 Wassermeyer sieht denn auch keinen Widerspruch in einer möglichen Europarechtswidrigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung und einer politischen Notwendigkeit der CFC-Legislation. Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 81. 81 Andererseits sieht Wassermeyer die Hinzurechnungsbesteuerung nicht in der Missbrauchsabwehr begründet. Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 82. 82 Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7. 83 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 76. 84 Dies ist von der Frage nach der Verhältnismäßigkeit der steuerlichen Belastung zu unterscheiden. Ob diese im Rahmen deren verfassungsmäßiger Rechte erfolgt, ist eine innerstaatliche Frage. 85 Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 185.

E. Die zwei Wirkebenen der CFC-Legislation

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Österreich/Deutschland v. 24.8.2000, findet sich nun auch in Art. 28 Abs. 2 eine explizite, bilaterale Anerkennung der Berechtigung des jeweiligen Ansässigkeitsstaates, innerstaatliche Rechtsvorschriften gegen Steuerumgehung, missbräuchliche Gestaltungen oder einen unfairen Steuerwettbewerb einzusetzen.86 Die erste Wirkungsebene lässt sich steuertheoretisch durch die Allgemeinheit der Besteuerung begründen. Die inländischen Anteilseigner einer ausländischen Kapitalgesellschaft werden mit Anteilseignern inländischer Kapitalgesellschaften gleichgestellt. Es handelt sich um eine Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips hinsichtlich der Gleichheit der Besteuerung.87 Die Hinzurechnungsbesteuerung fügt sich so in ein System der kapitalexportneutralen Besteuerung ein und stellt einen Aspekt des Welteinkommensprinzips dar.88 Für eine erste Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung auf dieser Betrachtungsebene stellt sich die grundsätzliche Frage, wie ein als Steuerflucht empfundenes Verhalten im Vergleich zu einer Steuerhinterziehung zu bewerten ist. Kann die Ausnutzung eines Steuergefälles, welche an sich nicht missbräuchlich, sondern aus Sicht des Sitzstaates lediglich im Ergebnis als unvorteilhaft angesehen wird, geahndet werden?89 Gilt dies auch für eine missliebige Konzernstruktur, die betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint? Wo sind die Grenzen zwischen einer üblichen Geschäftstätigkeit zu ziehen und wo ist eine missbräuchliche Gewinnverlagerung gegeben, die nicht mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar ist?90 Ist also die Verhältnismäßigkeit des Gesetzes hinsichtlich der Regelungswirkung gewahrt oder verletzt die Hinzurechnungsbesteuerung aufgrund der dem Gesetz immanenten Typisierung in unverhältnismäßiger Weise die wirtschaftlichen Freiheitsrechte des EG-Vertrages? Diese Frage soll im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit sowohl für den Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten diskutiert werden.

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Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 378. Vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 145. 88 Vgl. Schön, DB 2001, S. 940. Umgekehrt grenzt die Anerkennung der juristischen Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaften das Welteinkommensprinzip ein. Vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen (1985), 8–9. 89 Frischmuth unterscheidet eine Belastungs- und Missbrauchszielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung. Vgl. Frischmuth, IStR 2005, S. 365–366. 90 Vgl. Höppner, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 101. Vielfach handelt es sich um Graubereiche, die keine eindeutige Schlussfolgerung zulassen. Vgl. Höppner, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 84. 87

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1. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen

II. Gegenmaßnahme/Ausgleichsmaßnahme im Steuerwettbewerb Im Zuge der jüngst verstärkt geführten Diskussion um einen unfairen internationalen Steuerwettbewerb der Staaten kristallisiert sich eine zweite Regelungsebene heraus. Die Hinzurechnungsbesteuerung soll nicht nur einer als unangemessen angesehenen steuerlichen Gestaltung der Steuersubjekte entgegenwirken, sondern dient gleichermaßen als unilaterales Korrektiv gegen steuerlich unfair agierende Staaten.91 Durch die Hinzurechnungsbesteuerung wirkt der Staat einer als missbräuchlich empfundenen Steuergesetzgebung eines Konkurrenten um das Steuersubstrat entgegen. Damit löst sich die Hinzurechnungsbesteuerung in ihrer Rechtfertigung von einer Norm, die gegen eine Steuerpflicht auf Steuersubjekte selbst gerichtet ist, hin zu einer steuerlichen Gegenmaßnahme auf Staatenebene. Daher lässt sich die zweite Ebene einer CFC-Legislation als Ausgleichsmaßnahme im internationalen Steuerwettbewerb charakterisieren. In welchem Fall ist eine solche Ausgleichsmaßnahme gerechtfertigt? Zunächst erscheint bereits die Definition eines unfairen Steuerwettbewerbs als problematisch. Weder dem OECD- noch dem EU-Ansatz kann eine einfache, griffige Formulierung für eine praxisbezogene Unterscheidung entnommen werden.92 Hinzu tritt die Problematik der Inkompatibilität der jeweiligen Steuersysteme.93 Eine niedrige Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft kann kaum als missbräuchlich gewertet werden, wenn diese dem Anspruch der Allgemeinheit der Besteuerung im Sitzstaat gerecht wird. Es handelt sich vielmehr um das Ergebnis des fairen Steuerwettbewerbs.94 Entsprechend ist einem niedrigen ausländischen Steuerniveau allein kaum eine Berechtigung für eine Hinzurechnungsbesteuerung als steuerliche Ausgleichsmaßnahme zu entnehmen.95 Umgekehrt betont die OECD in ihrem dritten Verlaufsbericht aus dem Jahre 2004, dass es aus Sicht der OECD für die Zulässigkeit einer nationalen Maßnahme, wie einer CFC-Legislation, unerheblich sei, ob ein ausländisches steuerliches Regime als schädlich im Sinne der OECD-Kriterien eingestuft wird.96 91

Vgl. Müller, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 165. Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, C. 93 Eine unterschiedliche Gewichtung der direkten und indirekten Steuern kann zur Einstufung als niedrig besteuernd führen, obwohl die gesamte Steuerquote vergleichsweise hoch anzusehen ist. Überdies kann das Steuerniveau nicht unabhängig von anderen Belastungsfaktoren beurteilt werden. Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7. 94 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 345–346; vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 8 Randnr. 76. 95 Vgl. Rosembuj, Intertax 1999, S. 320–321; vgl. Hansjürgens, in: Müller/ Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 76. Allgemein für Defensivmaßnahmen, vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 8 Randnr. 77. 92

E. Die zwei Wirkebenen der CFC-Legislation

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Dem Heimatstaat bleibt es unbenommen, auf das Vermögen des unbeschränkt Steuerpflichtigen zuzugreifen. Denn wie schon bei der Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung durch Grossfeld festgestellt, führt eine „undifferenzierte Erfassung der inländischen Anteilseigner an einer ausländischen Kapitalgesellschaft nicht zu einem völkerrechtlichen Verbot“97 der Besteuerung. Einschränkend kann eine Berücksichtigung des nicht ausgeschütteten Gewinns der ausländischen Gesellschaft im Wohnsitzstaat der Anteilseigner aufgrund der damit verbundenen, erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen nur bei außergewöhnlichen Verhältnissen gerechtfertigt sein.98 Nun mag man dieser Begründung bei einer missbräuchlichen Gestaltung auf der Ebene des Steuersubjektes zustimmen. Dies bleibt auf der zwischenstaatlichen Betrachtungsebene jedoch ausgeklammert. Folglich muss ein Staat, der aufgrund eines als unfair eingestuften Verhaltens eines anderen Staates eine Hinzurechnungsbesteuerung als steuerliche Gegenmaßnahme erheben will, die Rechtfertigung auf der Ebene der missbräuchlichen Steuergesetzgebung des ausländischen Staates führen. Da die Hinzurechnungsbesteuerung hier gegen den ausländischen Staat gerichtet ist, aber auch inländische Steuersubjekte mit berechtigten wirtschaftlichen Interessen treffen kann, muss die Frage aufgeworfen werden, ob dieses Verhalten des Staates grundsätzlich geeignet scheint, das Gebot der Verhältnismäßigkeit in der Beziehung zu den Steuerpflichtigen zu wahren. Darf der sicherlich im internationalen Steuerwettbewerb zum Teil erforderliche Druck auf andere Staaten sich zulasten einzelner Steuerpflichtiger auswirken?99 Nach der hier vertretenen Auffassung sollte der betroffene Staat zunächst bestehende europa- und völkerrechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, um gegen ein unfaires Steuerregime auf Staatenebene vorzugehen. Einer CFC-Legislation sollte nur der Status einer letzten Möglichkeit zukommen.100 Eine andere Vorgehensweise würde bedeuten, den internationalen Steuerwettbewerb auf dem Rücken des Steuerpflichtigen auszufechten.101 Überdies lässt sich eine einseitige Ausgleichsmaßnahme nur schwerlich mit den Grundsätzen einer Rechtsgemeinschaft vereinbaren. Entsprechend scheint für den europäischen Binnenmarkt schon im ersten Ansatz einer unilateralen Gegenmaßnahme ein Verstoß gegen die Idee der Europäischen Union immanent.102 96

Vgl. OECD, The OECD’s Project on Harmful Tax Practices (2004), Randnr. 18. Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 184. 98 Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaften (1974), S. 184. 99 Vgl. Wassermeyer, DB 1998, S. 32. 100 Vgl. Luja, Intertax 2000, S. 238. 101 Gleichsam sieht Schön auch keine Berechtigung, bei Streitigkeiten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Besteuerungsrechte diese auf dem Rücken der Steuerpflichtigen auszufechten. Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 770–771. 97

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

2. Kapitel

Der unfaire Steuerwettbewerb In der volkswirtschaftlichen Markttheorie ist weitgehend anerkannt, dass Wettbewerb nur spannungsfrei funktioniert, wenn bestimmte Systemregeln eingehalten werden. Überträgt man allgemeine wettbewerbspolitische Erfahrungen auf den internationalen Steuerwettbewerb, so wird insbesondere das Fehlen eines ordnungspolitischen Rahmens festgestellt.103 Mit einem unkontrollierten Wettbewerb ist die Gefahr von markttechnisch unerwünschten Effekten verbunden. Diese Annahme lässt sich in ähnlicher Weise auf den internationalen Steuerwettbewerb der Staaten übertragen und berührt den sog. unfairen oder unlauteren Steuerwettbewerb, oder anders, die als missbräuchlich empfundene Ausübung der Steuergewalt bestimmter Staaten zulasten von Drittstaaten.104 So ist eine Vielzahl an Staaten mit Angeboten zur Steuerminimierung in den weltweiten Markt um das Steuersubstrat getreten. Dies könnte zu einer unerwünscht hohen Erosion der Steuerbasis aller Staaten führen. Aufgrund der hohen ethnischen Schranken für die Mobilität des Faktors Arbeit105 reduziert sich der Wettbewerb der Steuersysteme im Wesentlichen auf den Faktor Kapital.106 Umgekehrt lässt dies erwarten, dass sich die Steuerlast auf weniger mobile Faktoren verschiebt, und damit negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gegeben sind.107 So ist letztlich für die Entscheidung zwischen einem Systemwettbewerb und einer Systemangleichung108 eine Abwägung zwischen den befürchteten negativen Verteilungseffekten im Inland einerseits und dem steuerlichen Wettbewerb 102 103 104

Vgl. Zweiter Teil, 4. Kapitel, A.II. Vgl. Müller, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 166. Vgl. Hansjürgens, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001),

S. 76. 105 Selbst für einen hoch integrierten Binnenmarkt wie der EU ist die Mobilität der Bevölkerung nur eingeschränkt gegeben. Vgl. Büttner, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 54; vgl. Feld/Kirchgässner, in: Müller/ Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 46. 106 Entsprechend ist die Situation des europäischen Binnenmarktes auch deutlich von den Vereinigten Staaten zu unterscheiden. In den USA ist sowohl der Arbeitsmarkt als auch der Finanzmarkt vollständig liberalisiert. Für die EU-Mitgliedstaaten gilt dies insbesondere für den Arbeitsmarkt nur sehr begrenzt. Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 340. 107 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 348; vgl. Zorn, in: Pelka, Unternehmensbesteuerung (2000), S. 257; vgl. Kuttin, ÖStZ 1998, S. 23. Der Standortwettbewerb (. . .) zwingt die Staaten zu einer Steuer- und einer Sozialpolitik, welche der sozialgerechten Beschäftigungspolitik keine Chance lässt.“ Vgl. Schachtschneider, Zeitschrift für Sozialökonomie 2000, S. 6. 108 Vgl. Schön, in: Pelka, Unternehmensbesteuerung (2000), S. 195–200.

A. EU-Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung

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als Korrektiv des Systemversagens der Politik und der hierdurch zu erwartenden Effizienzsteigerungen im öffentlichen Sektor109 andererseits vorzunehmen.110 Ein fairer Steuerwettbewerb111 soll beide Ansätze miteinander verknüpfen und so die Vorteile eines Standortwettbewerbs ohne die finanzpolitisch fraglichen Folgen sicherstellen.112 Damit ist die Unterscheidung zwischen einem fairen oder unfairen Steuerwettbewerb von der grundsätzlichen Entscheidung für einen Standortwettbewerb, der auch Steuern umfasst, zu trennen.113 Entscheidend für die Abgrenzung des zulässigen, gar erwünschten Steuerwettbewerbs von ihrer negativen Ausprägungsform ist offensichtlich die Identifikation des unlauter geführten Wettbewerbs um das Steueraufkommen. Im Folgenden soll daher der Begriff des unfairen Steuerwettbewerbs erörtert werden und ein Vergleich der Konzeptionen erfolgen. Festzuhalten bleibt der bestehende, allgemeine Konsens, gegen unfairen Steuerwettbewerb vorzugehen. Bei der Frage, was der unfaire Steuerwettbewerb sei oder auf welcher Grundlage gegen ein als unfair anzusehendes Verhalten eines anderen Staates vorzugehen ist, geht dieser Konsens jedoch schnell verloren. Entsprechend soll diese Frage auf der Grundlage der bestehenden Vorschläge durch die EU und die OECD erörtert werden.

A. EU-Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung Auf der Grundlage der Mitteilung der Europäischen Kommission zum Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs, dem sog. Monti-Paket114, stimmte der ECOFIN-Rat, also die Versammlung der Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union, am 1. Dezember 1997 dem Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung115 zu.116 Neben dem Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung wurde eine Initia109 Vgl. Feld/Kirchgässner, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 45–46. 110 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 341–344; vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 8 Randnr. 76–77. 111 Der Steuerwettbewerb an sich ist nicht schädlich. Ein unterschiedliches Steuersystem sowie ein unterschiedliches Steuerniveau sind zu akzeptieren. Auch im internationalen Steuerwettbewerb ist, ähnlich wie bei einem Missbrauch auf Subjektebene, für eine Abgrenzung der Schädlichkeit der Steuergesetzgebung auf die Intention des beteiligten Staates abzustellen. Vgl. Rosembuj, Intertax 2003, S. 320–321. 112 Vgl. Randzio-Plath, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 249. 113 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 344. 114 Vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 220–221; vgl. Randzio-Plath, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 241.

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

tive zur Beseitigung von Verzerrungen bei der Besteuerung von Kapitalerträgen beschlossen. Entsprechend forderte der Rat die Kommission auf, einen Richtlinienvorschlag für die Besteuerung der grenzüberschreitenden Zins- und Lizenzzahlungen vorzulegen.117 Dieser Forderung kam die Kommission mit den Richtlinienvorschlägen 1998 und 2000 nach.118 Der ECOFIN-Rat wies in der Sitzung vom 1. Dezember 1997 ausdrücklich darauf hin, dass er die Überschneidungen der EU-Beihilfenkontrolle und eines fairen Steuerwettbewerbs und damit verbunden die Verpflichtung der Kommission, staatliche Beihilfen steuerlicher Art zu kontrollieren, zur Kenntnis genommen hat.119 Im März 1998 wurde, wie im Verhaltenskodex vorgesehen, eine Expertenkommission – die Primarolo-Gruppe – eingesetzt, die in regelmäßigen Abständen über kritische Regeln der Mitgliedstaaten berichtet.120 Im November 1999 erstellte die Primarolo-Gruppe einen Bericht, der 66 steuerliche Maßnahmen als schädlich einstuft.121 In der Sitzung vom 26./27. November 2000 des ECOFIN-Rates in Feira wurde vereinbart, dass die durch die Primarolo-Gruppe identifizierten, schädlichen Maßnahmen bis Ende 2005 zurückgenommen werden. Weiter soll mit Ablauf 2001 der EU-Beitritt mit einem entsprechenden Regime nicht mehr möglich sein.122 Die Gruppe Verhaltenskodex wird weiterhin dem Rat insbesondere über die Fortschritte bei der Rückführung der schädlichen Regelungen berichten.123 Durch den Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung soll die allgemein akzeptierte Kompromisslinie der europäischen Unternehmens115 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1. Dezember 1997 über einen Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung 1.12.1997, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5. 116 Vgl. Malherbe, Intertax 2002, S. 219; vgl. Morrs, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 198–199; vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 45–47; vgl. Zorn, in: Pelka, Unternehmensbesteuerung (2000), S. 258; vgl. Kuttin, ÖStZ 1998, S. 23. 117 Vgl. Hansjürgens, in: Müller/From/ Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 78–79; vgl. Büttner, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 64. 118 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 349; vgl. Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3.6.2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen; vgl. Blumers/Kinzl, DB 2004, S. 401. 119 Vgl. Sitzung des ECOFIN-Rats vom 19.12.1997. 120 Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt H, I, N. 121 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 349; vgl. Nanneti/Mameli, EC Tax Review 2002, S. 186; vgl. Morrs, in: Müller/Fromm/Hansjürgen, Systemwettbewerb (2001), S. 197. 122 Vgl. ECOFIN-Rat vom 27.11.2000. 123 Vgl. Morrs, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 198.

A. EU-Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung

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besteuerung, die letztlich in einer Koordinierung der nationalen Steuerpolitik besteht, flankiert werden. Bei dem Kodex handelt sich um ein sog. europäisches „Soft Law“.124 Das politische Gewicht des Verhaltenskodex ergibt sich, ohne juristische Bindungswirkung, aus der einstimmigen Annahme durch die Mitgliedstaaten und aus den politischen Konsequenzen eines Bruchs der Vereinbarung.125 Der EU-Verhaltenskodex stellt keine Richtlinie dar, entsprechend hat er keine verbindliche Wirkung, damit fehlt ihm die Durchsetzungsmöglichkeit.126 Kerninhalt des Verhaltenskodex ist die indizienartige Charakterisierung des unfairen Steuerwettbewerbs anhand der steuerlichen Auswirkungen einer Regelung. Als schädlich werden so alle Maßnahmen des Sitzstaates eingestuft, die „gemessen an dem üblicherweise in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Besteuerungsniveau, eine deutlich niedrigere Effektivbesteuerung, einschließlich einer Nullbesteuerung, bewirken.“127

In die Belastungsbetrachtung sind der Nominalsteuersatz, aber auch die Besteuerungsgrundlage und andere relevante Faktoren, wie das Verhalten der Verwaltung und die konkrete Durchsetzung der Steuernormen128, einzubeziehen. Für die Beurteilung der Schädlichkeit einer steuerlichen Maßnahme sind des Weiteren die in lit. B des Verhaltenskodex aufgeführte Indizien zu berücksichtigen. • So spricht für eine Schädlichkeit, wenn Vorteile ausschließlich Gebietsfremden oder für Transaktionen mit Gebietsfremden gewährt werden.129 • Negativ i. S. d. Verhaltenskodex sind auch Regelungen, wenn sie Vorteile gewähren, die völlig von der inländischen Wirtschaft isoliert sind und keine Auswirkung auf die innerstaatliche Steuergrundlage des Landes haben.130 • Auch Vorteile, die gewährt werden, ohne entsprechende wirtschaftliche Bindung zu dem Vorteil gewährenden Land, . . . 124

Vgl. Nanneti/Mameli, EC Tax Review 2002, S. 185. Vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 228. 126 Vgl. Steingen, The EC Tax Journal 2002, S. 22; vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 227; vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgen, Systemwettbewerb (2001), S. 217; vgl. Zorn, in: Pelka, Unternehmensbesteuerung (2000), S. 258; vgl. Kuttin, ÖStZ 1998, S. 23. 127 Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt B. 128 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 219. 129 Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt B Nr. 1. 130 Dies betrifft „ring fencing“ oder auch „offshore-Klauseln“. Vgl. Hansjürgens, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 76. 125

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

• . . . wie die Nichtanwendung der allgemein anerkannten Gewinnermittlungsgrundsätze in multinationalen Unternehmen, insbesondere der Verrechnungspreisregeln der OECD, sprechen für die Schädlichkeit einer Regelung.131 • Schließlich ist in einer mangelnden steuerlichen Transparenz sowie in einer laxen Handhabung der entsprechenden Rechtsvorschriften durch die Verwaltung ein weiteres Indiz für die Schädlichkeit einer Regelung gegeben.132 Durch den Verhaltenskodex wird ausschließlich die steuerliche Bevorzugung ausländischer Firmen verhindert. Die allgemeine Steuerhöhe der inländischen Unternehmensbesteuerung ist nicht betroffen.133 Damit soll der Verhaltenskodex nach den Vorstellungen des ECOFIN-Rats nicht in den lauter geführten Standortwettbewerb eingreifen.134 Bezüglich der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung ersucht der Rat die Mitgliedstaaten gemäß lit. E, einen uneingeschränkten Informationsaustausch bzgl. der steuerlichen Maßnahmen zu gewähren.135 Lit. L des Kodex verweist schließlich auf Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen und der Steuergesetze zur Missbrauchsbekämpfung und weist diesen eine „grundlegende Bedeutung bei der Bekämpfung der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung“ zu.136 Der Kodex unterscheidet damit einerseits zwischen einem unlauter geführten Steuerwettbewerb zwischen den Staaten, der anhand der aufgeführten Kriterien identifiziert werden soll, und einer Steuervermeidung/hinterziehung andererseits. Regelungsinhalt sind neben den steuerlichen Maßnahmen ausdrücklich Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie auch Verwaltungspraktiken, die den Standort für wirtschaftliche Aktivitäten beeinflussen können. Darüber hinaus ist die Rücknahmeverpflichtung „roll-back“ und die Stillhaltevereinbarung „stand-still“ für den Abbau von als schädlich eingestuften Regelungen von hoher politischer Bedeutung, wenn auch juristisch letztendlich nicht durchsetzbar. Nicht nur die Identifizierung, sondern auch die effektive Rückführung von bestehenden und die Verhinderung der Einführung neuer schädlicher Maßnahmen sollen im Ergebnis zu einem lauteren Wettbewerb führen.137 So kann gemäß lit. F des Verhaltenskodex jeder Mitglied131

Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt B Nr. 2–4. Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt B Nr. 5. 133 Vgl. Morrs, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 200; vgl. Wartenburger, IStR 2001, S. 401; vgl. Kuttin, ÖStZ 1998, S. 25. 134 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 227. 135 Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt E. 136 Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt L. 132

B. OECD-Report – Harmful Tax Competition

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staat eine Überprüfung der steuerlichen Maßnahmen eines anderen Staates verlangen. Bei der Beurteilung der Schädlichkeit in der Auswirkung auf anderen Mitgliedstaaten ist eine sorgfältige Prüfung vorgesehen. Eine regionale Förderung wird durch den Verhaltenskodex nicht grundsätzlich verurteilt. Diese Regelung ist aber auf ihre Zieleignung hin zu untersuchen. Da die Effektivität des Kodex unmittelbar von der räumlichen Ausdehnung der Geltung abhängt, fordert lit. M des Kodex die Mitgliedstaaten auf, ihren Einfluss auf assoziierte oder abhängige Gebiete geltend zu machen. Lit. J beschäftigt sich mit der Überschneidung zwischen staatlichen Beihilfen und gemäß dem Kodex als schädlich eingestuften Steuerregeln. Die Kommission verpflichtete sich, hierfür eine entsprechende Leitlinie bis Ende 1998 zu veröffentlichen. Dieser Verpflichtung kam die Kommission mit der Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuern nach.138

B. OECD-Report – Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue Der OECD-Report wurde 1998 unter der Bezeichnung „Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue“ veröffentlicht. Er ist Bestandteil der breiter angelegten „good governance in a globalised economy“-Initiative der OECD.139 Der Report beinhaltet im Wesentlichen Kriterien zur Identifikation schädlicher Steuersysteme, die sowohl in Form eines „tax havens“, den Steueroasen, als auch diskriminierender Regime in Erscheinung treten können. Damit sind als Adressaten des Reports nicht nur die klassischen Steuerparadiese, sondern auch die Industriestaaten anzusehen.140 Darüber hinaus soll durch den OECD-Report die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden. Damit verfolgt die OECD einen zweigleisigen Ansatz zur Vermeidung des unfairen Steuerwettbewerbs.141 Nach Ansicht der OECD tritt die Verknüpfung zwischen Handel, Investitionen und Steuern im sich ändernden Charakter des internationalen Han137

Vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 46. Zum Zusammenhang des unfairen Steuerwettbewerbs und der Beihilfenregelung vgl. Nanneti/Mameli, EC Tax Review 2002, S. 187–189; vgl. Vanistendael, in: Pelka, Unternehmensbesteuerung (2000), S. 299–300 u. 308 ff.; vgl. Schön, in: Pelka, Unternehmensbesteuerung (2000), S. 214–216; vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 200–202; vgl. Osterweil, The EC Tax Journal 1999, S. 97–98. 139 Vgl. Current Status of OECD’s Harmful Tax Practices Initiative (14.11.2001), Randnr. 1. 140 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 350. 141 Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 391. 138

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

dels deutlicher hervor.142 Neben den erheblichen Chancen, die mit dem Welthandel für die Wohlfahrt verbunden sind, warnt die OECD vor den Risiken eines ungezügelten Steuerwettbewerbes. Zwar hatte die Globalisierung positive Effekte auf die Steuersysteme der Länder143, der OECD-Report hebt aber auch die schädliche Wirkung von Steueroasen und diskriminierenden Systemen hervor. Diese führen nicht nur zu Verzerrungen der Finanzströme und damit indirekt zu Verzerrungen der Investitionsentscheidung. Darüber hinaus verursachen derartige steuerliche Angebote seitens der Staaten eine niedrige Belastung mobiler wirtschaftlicher Aktivitäten und untergraben sowohl die Fairness der inländischen Besteuerung als auch die Steuermoral aller Steuersubjekte. Dies ist mit einer unerwünschten Auswirkung auf die Zusammensetzung der Steuern und öffentlichen Ausgaben eines Staates sowie der Verschiebung der Steuerlast auf weniger mobile Faktoren, wie Arbeit, Vermögen oder Verbrauch verbunden. Den Staaten wird von außen ein Steuerbelastungsniveau aufgezwungen. Weiter sind durch einen unfairen Steuerwettbewerb, aber auch durch die Maßnahmen hiergegen, erhöhte administrative Kosten gegeben.144 Durch den Report beabsichtigt die OECD, insbesondere bei geographisch mobilen, steuersensitiven Aktivitäten wie Finanz- und anderen Dienstleistungen, schädlichen Vergünstigungen zu begegnen, da hier das Risiko höher als bei anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten eingestuft wird. Wenn Allokationsverzerrungen der mobilen Faktoren reduziert werden, so dient dies dem fairen Wettbewerb im Realsektor. Ziel ist die Schaffung einer steuerlichen Entscheidungsneutralität für mobile Faktoren.145 Der Report dient zunächst als Leitlinie zur Identifikation von Steueroasen und diskriminierenden Regimen. Weiter soll eine Liste der Steueroasen erstellt, Empfehlungen zum Umgang mit unfairem Steuerwettbewerb auf der Ebene der nationalen Gesetzgebung gegeben sowie weitere Arbeitsfelder für später festgelegt werden.146 Im Folgenden wurde durch die OECD das „Forum on Harmful Tax Practices“ eingerichtet. Analog zum EU-Verhaltenskodex erschien im Juni 2000 ein erster Verlaufsbericht, „Towards Global Tax Co-operation: Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices“, im November 2001 unter der Bezeichnung „The OECD’S Project On Harmful Tax Practices: The 2001 Progress Report“ ein zweiter und 142

Vgl. OECD-Report (1998), Randnr. 8. Vgl. OECD-Report (1998), Randnr. 23 u. Verweis auf Randnr. 8 und Randnr. 21. 144 Vgl. OECD-Report (1998), S. 16, Randnr. 30. 145 Zumindest soll das Steuersystem nicht als dominanter Faktor über Kapitalinvestitionen entscheiden. Vgl. OECD Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 5. 146 Vgl. OECD-Report (1998), S. 9, Randnr. Nr. 10. 143

B. OECD-Report – Harmful Tax Competition

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schließlich wurde 2004 der dritte Verlaufsbericht „The OECD’s Project on Harmful Tax Practices: The 2004 Progress Report“ veröffentlicht. I. Die Regelungen des OECD-Reports 1998 im Einzelnen In einer Generalnorm stuft der OECD-Report die Schädlichkeit einer steuerlichen Vergünstigung anhand ihrer Auswirkungen auf die Steuerbasis anderer Staaten ein. Gemäß Nr. 31 OECD-Report 1998 hat bei der Identifikation eines unlauteren Regimes die Abwägung aller Faktoren zu erfolgen. Kommt es aber zu erheblichen „spill over“-Effekten, so ist dies grundsätzlich als schädlich einzustufen.147 Eine negative Auswirkung auf Nachbarländer ist allerdings nicht notwendig, um die Schädlichkeit eines Steuerregimes zu benennen. Der OECD-Report verweist auch auf andere mögliche, ökonomische Schäden, die bei der Bewertung zu berücksichtigen sind.148 Durch den Report werden drei Arten von Ländern mit einer geringen Steuerlast nach der jeweiligen Ursache der geringen Steuerbelastung und der unterstellten Bereitschaft zur Zusammenarbeit unterschieden. Zunächst, gleichsam als Archetypus eines schädlichen Systems, Steueroasen mit einer offensichtlich nur geringen Bereitschaft zur internationalen Kooperation. Einen weiteren Typus stellen Staaten mit einer relativ hohen Steuerlast dar, die mobile Faktoren durch diskriminierende Regelungen attirieren. Hier unterstellt die OECD eine grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit, da kein Interesse an einer allgemeinen Erosion des Steuersubstrats anzunehmen ist. Dem dritten Typus, Ländern mit einer allgemein niedrigen Belastung der Steuersubjekte, kann kein missbräuchliches Verhalten unterstellt werden – auch wenn auf der Grundlage der Generalnorm des OECD-Reports 1998 die Einstufung als schädlich nicht auszuschließen ist. Die mit einem effizienten Steuersystem u. U. verbundene geringe Steuerbelastung ist als Folge eines fairen Steuerwettbewerbes zu akzeptieren. Gleichermaßen sind auch hiermit verbundene „spill over“-Effekte in Hochsteuerländern hinzunehmen. Entsprechend dieser ersten Einstufung werden durch den OECD-Report jeweils vier Schlüsselindikatoren zur Identifizierung sowohl der Steueroasen als auch der bevorzugenden Regime vorgegeben.149 Eine Gewichtung der jeweiligen Kriterien wurde nicht vorgenommen. Daneben werden auch weitere, nicht steuerliche Faktoren in die Bewertung des jeweiligen Steuersystems einbezogen.150 147

Vgl. OECD-Report (1998), S. 16, Randnr. 31. Vgl. OECD-Report (1998), S. 34, Randnr. 80. 149 Vgl. OECD-Report (1998), S. 23. 150 Vgl. OECD-Report (1998), Randnr. 56. Beispielsweise eine mangelnde Infrastruktur oder die fehlende Äquivalenz der Abgabenlast. 148

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

1. Kriterien zur Identifikation von Steueroasen So spricht für eine Einstufung des Landes als Steueroase, wenn keine oder nur eine geringe Steuer erhoben wird.151 Damit bietet der Standort die Möglichkeit zur Vermeidung der Wohnsitzbesteuerung. Dies gilt als Indiz sowohl für die generelle Besteuerung als auch in Spezialfällen der Besteuerung. Ein fehlender oder ineffektiver Informationsaustausch mit dem Wohnsitzstaat bezüglich der Steuerpflichtigen wird vom Report als besonders schädliches Verhalten, als „one of the key factors in identifying a tax haven“ dargestellt, da dies illegale Handlungen besonders begünstigt und folglich anzieht.152 Ein weiteres Indiz stellt eine fehlende Transparenz des Verhaltens der Regierung und der Finanzbehörden dar. Fehlt dem Land eine gesetzliche Regelung, die sicherstellt, dass die wirtschaftliche Niederlassung substanziell ist, so deutet dies ebenfalls auf eine Steueroase hin, da das Fehlen einer substanziellen Aktivität auf reine Steuerinvestitionen hinweist.153 2. Kriterien zur Identifikation von bevorzugenden Regimen Indikatoren, die für ein bevorzugendes Regime154 sprechen, sind – in analoger Anwendung der Grundsätze zur Identifizierung einer schädlichen Steueroase – niedrige Nominalsteuersätze oder eine niedrige Effektivbesteuerung aufgrund einer eng eingegrenzten Steuerbasis des relevanten Einkommens. Sowohl für „tax havens“ als auch für bevorzugende Steuerregime ist das entscheidende Eingangskriterium in einer niedrigen Steuerlast zu sehen, was eine weitere Überprüfung erfordert.155 Steuerliche und administrative Maßnahmen mit dem Ziel, stark mobiles Kapital oder sonstige Produktionsfaktoren zu attirieren, sind als bevor151 Vgl. OECD-Report (1998), S. 22; gemeint ist keine oder eine nur geringe Steuerlast. Dieses Kriterium wurde durch die Folgeberichte infolge heftiger Kritik erheblich in seiner Wirkung relativiert. Vgl. OECD The OECD’s Project on Harmful Tax Practices (2001), S. 7, Randnr. 16. Dennoch bleibt sowohl der EU-Kodex als auch der OECD-Report die Erklärung schuldig, wann von einer niedrigen Besteuerung auszugehen ist. Vgl. Osterweil, The EC Tax Journal 1999, S. 91. 152 Vgl. OECD-Report (1998), S. 24, Randnr. 53 u. 54. 153 Die Frage, welche Tätigkeit als nicht substanziell einzustufen ist, bleibt ungeklärt. Auch der OECD-Report verweist lediglich auf die Probleme, die bei der Unterscheidung zwischen substanziellen und nicht substanziellen Wirtschaften entstehen. 154 Vgl. OECD-Report (1998), S. 27 ff. 155 Die OECD spricht insoweit von einem gateway criterion. „(. . .) no or nominal taxes in the case of tax havens and no or low effective tax rates on the relevant income in the case of preferential regimes – is a gateway criterion to determine those situations in which an analysis of the other criteria is necessary.“ Vgl. OECD, The OECD’S Project On Harmful Tax Practices (2001), S. 5.

B. OECD-Report – Harmful Tax Competition

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zugendes Regime einzustufen. Insbesondere steuerliche Vorteile für passive Einkünfte und Buchgewinne werden vom OECD-Report 1998 genannt.156 Wie bei der Identifikation der Steueroasen ist auch hier der Ausgangspunkt eine niedrige Steuerbelastung. Der Report benennt zunächst Indikatoren, die für die schädliche Wirkung eines Regimes sprechen. In einem zweiten Schritt sind diese mit den ökonomischen Auswirkungen zu verbinden. Eine Schädlichkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn keine wirtschaftlichen Gründe für eine Sitzverlegung sprechen und diese in der Ausnutzung des Steuerregimes begründet sind.157 Somit sind Regelungen der Staaten betroffen, die eine Sitzverlegung von Unternehmen ohne wirtschaftliche Begründung ermöglichen oder ohne, dass eine nennenswerte Aktivitätsentfaltung über den ursprünglichen Standort hinaus erfolgt, und die Sitzverlegung letztlich im bevorzugenden Regime begründet ist. Nach Ansicht der OECD ist dies nur mit volkswirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Die Schädlichkeit eines „ring fencing“158 wird durch den OECD-Report in besonderer Weise herausgestellt. Denn „ring fencing“ verletzt das Prinzip der Allgemeinheit der Besteuerung und verschont überdies den Sitzstaat vor den schädlichen Auswirkungen seines eigenen Steuerregimes. Im Ergebnis wird so eine fiskalpolitisch schädliche „beggar-my-neighbour“ Politik ermöglicht.159 Im Report werden zwei Varianten des „ring fencing“ unterschieden. Einerseits Regime, die bestimmte steuerliche Regelungen auf ausländische Firmen beschränken, oder – als zweite Möglichkeit – ein Steuersystem, das Firmen oder Investoren, die selbst von den Vorteilen des „ring fencing“ profitieren, ihrerseits den heimischen Marktzugang verwehrt.160 Eine mangelnde Transparenz der rechtlichen Rahmenbedingungen des Sitzstaates ist ein weiterer Indikator, der für das Vorliegen eines schädlichen steuerlichen Regimes spricht. Eine Folge mangelnder Transparenz ist die Erschwernis etwaiger Korrekturmaßnahmen durch den Wohnsitzstaat. Daher 156

Vgl. OECD-Report (1998), S. 25, Randnr. 57. Vgl. OECD-Report (1998), S. 33–34, Randnr. 81–84. 158 Das „ring-fencing“ beinhaltet eine Abgrenzung zwischen einem Steuerregime und dem allgemeinen Steuersystem des Staates. In einer Ausprägungsform ist die steuerliche Erleichterung nur für Ausländer zugänglich, die zweite Variante isoliert die einheimische Wirtschaft von den Auswirkungen des Steuerregimes durch das Verbot der Geschäftsbeziehungen zwischen Gesellschaften, die von den Steuererleichterungen profitieren, und der übrigen heimischen Wirtschaft. Ziel des „ring fencing“ ist die Attirierung ausländischer Direktinvestitionen, ohne das allgemeine inländische Steuerniveau abzusenken und damit das inländische Steueraufkommen zu gefährden. Vgl. Malherbe, Intertax 2002, S. 221; vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687. 159 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 345. 160 Vgl. OECD, Report (1998), S. 26, Randnr. 62. 157

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

sollten nach Ansicht der OECD idealerweise alle steuerlichen und administrativen Maßnahmen so ausgestaltet sein, dass sie klar die Anwendbarkeit regeln. Informationen über die steuerlichen Regeln und deren Anwendbarkeit auf bestimmte Steuerpflichtige müssen den anderen Staaten, die davon berührt sind, zukommen. Eine fehlende Transparenz kann auch aufgrund bevorzugender administrativer Regelungen gegeben sein.161 Weitergehend können auch Korruption oder eine mangelhafte Durchsetzbarkeit der bestehenden steuerlichen Regelungen zu einer indirekten Steuererleichterung führen.162 Gesetze oder Regelungen des Sitzstaates, die auf der Grundlage des Steuer- oder Bankgeheimnisses den effektiven Informationsaustausch über die Geschäftstätigkeit der Firmen verhindern, können als Indiz für ein steuerschädliches, präferierendes Regime gewertet werden. Durch den Report werden weitere Faktoren, die bei der Bewertung des Steuersystems eines Landes zu berücksichtigen sind, aufgezählt. So sind allgemein steuerliche Regelungen kritisch zu betrachten, die die Steuerbasis vermindern, durch eine entsprechende Definition eine uneingeschränkte Anrechnung von Aufwendungen oder eine hohe Rückstellungsbildung ermöglichen oder die Bemessungsgrundlage und/oder den Steuertarif frei verhandelbar stellen, um etwa eine ausländische CFC-Legislation zu umgehen. Eine fehlende oder nur eingeschränkt wirksame CFC-Legislation, die Nichtanwendung der „transfer pricing guideline“ sowie eine uneingeschränkte Anwendung des Freistellungsverfahrens oder der Zugang zu einem Netz an Steuerabkommen, welche nicht mit einer Aktivitätsklausel versehen sind, sind ebenfalls als negatives Kriterium zu berücksichtigen. Wirbt gar der Staat mit den Möglichkeiten zur Minimierung der Steuerlast oder verhindert durch ein intransparentes Steuersystem oder allgemeine Informationsbeschränkung den Zugriff des Wohnsitzstaates, so spricht dies ebenfalls für ein unfaires Steuerregime.163 3. Abwehrmaßnahmen (Counteracting Harmful Tax) Im Gegensatz zum europäischen Verhaltenskodex, der sich auf die Rückführung der als schädlich identifizierten Regeln konzentriert, enthält der OECD-Report konkrete Vorschläge an Abwehrmaßnahmen, um gegen einen internationalen schädlichen Steuerwettbewerb vorzugehen.164 Im Einzelnen fordert die OECD die nationale Steuerpolitik u. a. auf, spezielle Besteuerungsregeln für ausländisch beherrschte Unternehmen zu un161 162 163 164

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

OECD, Report (1998), S. 29, Randnr. 63. OECD, Report (1998), S. 29, Randnr. 63. OECD, Report (1998), S. 30–34. Malherbe, Intertax 2002, S. 220.

B. OECD-Report – Harmful Tax Competition

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terbinden und damit den gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen, die der Steuervermeidung dienen, die gesetzliche Grundlage zu entziehen. Flankierend soll eine verbesserte Transparenz und ein internationaler Informationsaustausch sowie die Anwendung der „transfer pricing guideline“ diesen Vorstoß unterstützen. Zur Vermeidung einer Nichtbesteuerung fordert die OECD die Mitglieder auf, eine unbegrenzte Freistellungsmethode zu vermeiden und empfiehlt die Einführung von Regeln, die sicherstellen, dass Einkünfte, die aus schädlichen Steuerregimen stammen, nicht die Voraussetzungen für die Anwendung der Freistellungsmethode erfüllen. Alternativ soll zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die Anrechnungsmethode zurückgegriffen werden. Weitergehend werden durch den Report die Staaten konkret aufgefordert, eine CFC-Legislation einzuführen.165 Für die bilateralen Steuerabkommen sollen uneindeutige Doppelbesteuerungsabkommen beseitigt sowie Doppelbesteuerungsabkommen mit Steueroasen vermieden werden. Generell soll eine bessere Zusammenarbeit der Fisci erreicht, gemeinsame Steuerdurchführungsmaßnahmen erarbeitet und eine gegenseitige Amtshilfe für die Steuerdurchsetzung gewährt werden. Eine verstärkte internationale Werbung für einen Steuerkodex sowie Richtlinien gegen schädliche Steuerpraktiken sollen überdies helfen, den unlauter geführten Steuerwettbewerb zu bekämpfen.166 II. Die Folgeberichte Im Juni 2000 wurde auf der Grundlage des OECD-Reports der erste Verlaufsbericht, namens „Towards Global Tax Co-operation: Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices“167 veröffentlicht. In diesem Bericht werden 47 diskriminierende Systeme168 und 35 Steueroasen169, die als potenziell schädlich eingestuft sind, aufgelistet. Holdingregime wurden, 165 Diese wird bereits in dem 1996 erschienenen Bericht der OECD „Controlled Foreign Company Legislation“ als unilaterale Maßnahme zur Sicherung der Integrität des nationalen Steuersystems begründet. Vgl. OECD, Controlled Foreign Company Legislation (1996), S. 97; vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 370 u. 372. 166 Vgl. OECD, Report (1998), Kapitel 3, S. 37–62; vgl. Gross, Intertax 2003, S. 393–394; vgl. Malherbe, Intertax 2002, S. 220; vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/ Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 226–227; vgl. Osterweil, The EC Tax Journal 1999, S. 96; vgl. Owens, Intertax 1998, S. 232–234. 167 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000). 168 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 12–14. Die Auflistung ist nicht als abschließend zu verstehen. Vgl. OECD, Towards Global Tax Cooperation (2000), S. 12, Fußnote 5. 169 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 17.

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

obwohl sie gleichzeitig als mögliche schädliche Steuerregime identifiziert wurden, aufgrund der gegebenen komplexen Einbettung in das Steuersystem der Mitgliedsländer und Unsicherheiten in der Bewertung ihrer Wirkung nicht in die Liste der bevorzugenden Systeme aufgenommen. Dennoch sollen Holdingregime auch weiterhin in Hinblick auf ihre mögliche schädigende Wirkung im internationalen Steuerwettbewerb untersucht werden.170 Des Weiteren wird erneut die globale Dimension des internationalen Steuerwettbewerbs betont. Insbesondere Nicht-OECD-Mitglieder, die besonders durch ein starkes Engagement im Finanzsektor auffallen, können aufgrund ihrer unfairen Steuerangebote erheblichen Schaden anrichten. Entsprechend sei es von entscheidender Bedeutung, auch diese Länder in die Bestrebungen der OECD einzubinden.171 Der Verlaufsbericht differenzierte in Anerkennung der Bemühung der Staaten, die zu einer Zusammenarbeit bereit sind172, zwischen Staaten, die als kooperative und Staaten, die als unkooperative Steueroasen bezeichnet werden müssen. Etwaige Gegenmaßnahmen sind nur für als unkooperativ eingestufte Steueroasen vorgesehen.173 Der im November 2001 veröffentlichte, zweite Verlaufsbericht konzentriert sich auf Steueroasen174 und stellt in Ergänzung des Reports von 1998 fest, dass eine niedrige Steuerlast allein nicht als ausreichend anzusehen ist, um einen Staat als Steueroase einzustufen. Vielmehr komme jedem Staat das Recht zu, direkte Steuern in unterschiedlicher Höhe zu erheben, oder eben auch auf dieses Recht zu verzichten.175 Dies ist nur als eines von vier Kriterien anzusehen. Die OECD verweist auf die anderen drei Schlüsselfaktoren, die für eine Einstufung als Steueroase heranzuziehen sind. Die ausdrückliche Anerkennung der Steuerhoheit der Staaten steht in der Fortführung zum Verlaufsbericht 2000. Dort findet sich bereits eine in der Grundintention ähnliche Formulierung. So sei es nicht Ziel der OECD, eine Harmonisierung der internationalen Besteuerung zu erreichen oder einzelnen Staaten vorzuschreiben, welches Steuerniveau als angemessen anzusehen ist.176 Diese Haltung unterscheidet sich deutlich von der noch im Re170

Betroffen hiervon sind nach Auffassung der OECD die Holdingregeln in Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Island, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, Spanien und der Schweiz. Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 15, Randnr. 12. 171 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 22. 172 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 18, Randnr. 18–20. 173 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 18, Randnr. 20. 174 Vgl. OECD, The 2001 Progress Report (2001), S. 6, Randnr. 11. 175 Vgl. OECD, The 2001 Progress Report (2001), S. 7, Randnr. 16. 176 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 5.

C. EU-Verhaltenskodex und OECD-Report

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port 1998 vorgesehenen Formulierung, wonach eine geringe Steuerlast als Ausgangspunkt der Betrachtung anzusehen ist.177 Schließlich wurde am 18. April 2002 durch die OECD, wie im Verlaufsbericht 2000 vorgesehen178, eine Liste der als unkooperativ eingestuften Steueroasen veröffentlicht. Diese umfasst Andorra, Liechtenstein, Liberia, Monaco, die Marshallinseln, Nauru und Vanuatu.179 Mittlerweile wurden am 20. Mai 2003 Vanuatu und am 12. Dezember 2003 Nauru von der Liste gestrichen.180 Im März 2004 wurde der bisher letzte, dritte Verlaufsbericht der OECD veröffentlicht.181 Der Bericht verweist erneut auf die steuerliche Souveränität der Staaten182 und unterstreicht die Erfolge der OECD im Abbau der diskriminierenden Steuersysteme. Zudem betont der Verlaufsbericht, dass die Einstufung einer Regelung als „fair“ aus Sicht der OECD kein Mitgliedstaat daran hindert, nationale Maßnahmen – wie etwa eine CFCLegislation – gegen dieses „faire“ Regime zu ergreifen.183

C. EU-Verhaltenskodex und OECD-Report – ein Vergleich Während sich der OECD-Report klar auf Finanz- und andere Serviceleistungen beschränkt184, beinhaltet der EU-Kodex keine vergleichbare Einschränkung und untersucht die Unternehmensbesteuerung insgesamt, und ist damit vom Grundansatz deutlich breiter angelegt.185 Weitergehend zieht der EU-Kodex auch staatliche Beihilfen in die Betrachtung mit ein.186 Die OECD befasst sich neben bevorzugenden Steuersystemen schwerpunktmäßig mit dem Problemfeld der internationalen Steueroasen.187 Im EU-Kodex finden diese nur eine indirekte Erwähnung.188 Andererseits spricht der 177 Sullivan/Wallner/Wübbelsmann sehen dann auch in den Folgereporten 2000 und 2001 die OECD bei der Einstufung der Steueroasen und der Frage der niedrigen Steuerbelastung auf dem Rückzug. Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7. 178 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 18, Randnr. 19. 179 Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 390. 180 Vgl. OECD, The 2004 Progress Report (2004), Randnr. 19. 181 Vgl. OECD, The 2004 Progress Report (2004). 182 Vgl. OECD, The 2004 Progress Report (2004), Randnr. 1. 183 Vgl. OECD, The 2004 Progress Report (2004), Randnr. 18. 184 Vgl. OECD, Report (1998), S. 11, Randnr. 18. 185 Vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 170; vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 198; vgl. OECD, Report (1998), S. 11, Randnr. 18. 186 Vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 199. 187 Vgl. OECD, Report (1998), S. 11, Randnr. 18. 188 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 222; vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 198.

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1. Teil, 2. Kap.: Der unfaire Steuerwettbewerb

OECD-Report sowohl OECD-Mitglieder als auch Nichtmitglieder an189 und ist damit vom Adressatenkreis geographisch weiter gefasst als der Kodex, der sich primär an die EU-Mitglieder wendet.190 Denn der EU-Kodex dient als politische Direktive für den Umgang der EU-Staaten untereinander. Konkrete Handlungsempfehlungen für unilaterale Gegenmaßnahmen im Steuerwettbewerb finden sich nicht. Die OECD gibt 19 Empfehlungen auf drei Ebenen im Umgang mit unfairem Steuerwettbewerb vor.191 Sowohl der EU-Kodex als auch der OECD-Report zur Bekämpfung eines unfairen Steuerwettbewerbs sind ordnungspolitisch sinnvolle erste Ansätze, ohne diese in ihrer Bedeutung zu überhöhen. Denn beiden Ansätzen fehlt als EU-„soft law“ oder als OECD-„good governance“-Initiative ein wirkungsvoller Sanktionsmechanismus.192 Ohne rechtlichen oder politischen Druck ausgestattet, wird an den guten Willen der beteiligten Staaten appelliert. Bereits bei der Grundfrage, was unter einem unfairen Steuerwettbewerb zu verstehen ist, scheitern die Ansätze überdies an der Formulierung einer griffigen Definition.193 Auch gelingt es nicht, die Auswirkungen eines schädlichen Steuerwettbewerbs zu quantifizieren.194 Der EU-Verhaltenskodex zieht sich in dem Versuch einer Definition eines diskriminierenden, schädlichen Systems auf die Generalformel einer unter dem allgemeinen Besteuerungsniveau liegenden Effektivbesteuerung zurück – während der OECD-Report die Schädlichkeit eines Regimes wirkungsbezogen in den negativen „spill over“-Effekten auf die Steuerbasis anderer Staaten sieht.195

189

Vgl. Owens, Intertax 1998, S. 230. Vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 198. 191 Vgl. OECD, Report (1998), S. 11, Randnr. 18. 192 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 227. 193 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 217. 194 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 218. Denn es fehlt sowohl an einer Durchsetzbarkeit als auch an theoretischen Überlegungen, was denn sinnvoll wäre. Der OECD-Report unterliegt einer eher einseitigen Betrachtung aus der Sicht der Kapital exportierenden Industriestaaten. Die aufgenommen Kriterien zur Identifikation der Schädlichkeit bleiben schwammig. So können kleinere Staaten auch mit geringeren Kosten ein „günstigeres“ Angebot im Steuerwettbewerb stellen. Damit reduziert sich die Fragestellung auf die Vermeidung des „Free Rider“-Problems. Also im Ergebnis die Frage des fiskalischen Äquivalenzniveaus. Die Nutzer staatlicher Leistungen entscheiden über deren Angebot und die zu tragenden Kosten. Vgl. Rosembuj, Intertax 1999, S. 319–320. 195 Vgl. OECD, Report (1998), S. 16, Randnr. 31. 190

C. EU-Verhaltenskodex und OECD-Report

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I. Die Kriterien der Schädlichkeit Führt man eine Klassifikation der einzelnen Indikatoren für die Schädlichkeit der steuerlichen Regelungen durch, so wird die Ähnlichkeit der beiden politischen Ansätze deutlich. Im EU-Kodex Abschnitt B dienen, neben der formulierten Generalklausel, fünf Kriterien zur Beurteilung der Schädlichkeit einer Regelung. Die beiden ersten Kriterien beziehen sich auf das Verhalten der Staaten zueinander. Gewähren die Staaten steuerliche Vorteile ausschließlich Gebietsfremden oder für Transaktionen mit Gebietsfremden, oder haben diese Vorteile keine Auswirkung auf das innerstaatliche Steuersubstrat, so ist dies schädlich. Der EU-Kodex formuliert damit „ring fencing“ als wesentliches Kriterium für die Schädlichkeit einer Steuergesetzgebung.196 Dies entspricht der Kernaussage des OECD-Reports, der ebenfalls „ring fencing“ als besonders schädlich einstuft.197 Das dritte von der EU benannte Kriterium stuft die Gewährung von Steuervorteilen an Steuersubjekte als schädlich ein, wenn diese im Inland keine „substanzielle wirtschaftliche Präsenz“ aufweisen.198 Auch hier stimmt der OECD-Report in der Wertung mit dem Kodex überein.199 An diesem Aspekt wird die Perspektive der beiden Ansätze in der Bekämpfung eines als unfair angesehenen Steuerwettbewerbs besonders deutlich. Denn abgesehen davon, dass versäumt wird festzulegen, was nach dem EU-Kodex unter einer „substanziellen wirtschaftlichen Tätigkeit“ oder gemäß dem Report als „signifikant neue Aktivität“ zu verstehen ist, lässt sich die Tendenz erkennen, dem Niederlassungsstaat die Verantwortung für das Wohlverhalten der Steuersubjekte zu übertragen. Dieser hat, nach Auffassung der sich geschädigt fühlenden Staaten, steuerliche Vorteile nur an aktive, wirtschaftliche Tätigkeiten zu vergeben. Nicht der Wohnsitzstaat soll bei den Steuerpflichtigen die Informationen sichern und etwaige Steuerumgehungstatbestände ahnden, sondern der Niederlassungsstaat wird auf der Staatenebene in die Verantwortung genommen und das Steuersystem des Staates, der eine entsprechende steuerliche Gestaltung nicht unterbindet, als „unfair“ eingestuft. Betroffen hiervon ist die schwierige Einordnung der betriebswirtschaftlichen Aktivität eines Unternehmens zwischen einer rechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeit und einer nicht akzeptierten, missbräuch196 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 219. 197 Vgl. OECD (Hrsg.), OECD-Report – Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue 1998, S. 27. 198 Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt B Nr. 3. 199 Vgl. OECD, Report (1998), S. 34–35.

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lichen Verlagerung des Steuersubstrates. Voraussetzung für eine sinnvolle Anwendung einer Aktivitätsklausel ist darüber hinaus die Einigung auf einen einheitlichen Aktivitätsbegriff zwischen den Staaten. Das vierte Kriterium200 des EU-Kodex erfordert die Anwendung der OECD-Verrechnungspreise für die Gewinnermittlung multinationaler Unternehmen. Dies entspricht der Forderung des OECD-Reports.201 Auch das fünfte Kriterium202, eine Einstufung als schädliches Steuersystem bei mangelnder Transparenz sowie laxer und undurchsichtiger Handhabung der Steuerdurchsetzung durch die Verwaltung, gleicht den Vorstellungen der OECD.203 Handelt es sich doch um das zentrale Anliegen der „good governance“-Initiative der OECD. Entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass auch der OECD-Report, der zeitlich nach dem EU-Kodex entstand, eine breite Vereinbarkeit der beiden Ansätze sieht.204 Beide Ansätze sind damit bzgl. der Kriterien zur Identifikation bevorzugender Regime zueinander kompatibel. Aufgrund des unterschiedlichen Regelungsumfangs in verschiedenen Bereichen, wie etwa der Kriterien zur Identifikation von Steueroasen, ergänzen sie sich darüber hinaus in ihren jeweiligen Schwerpunktthemen.205 II. Die Zielsetzung Dennoch verfolgen der EU-Kodex und der OECD-Report eine differierende Zielsetzung. Die OECD setzt den Schwerpunkt auf den Kampf gegen eine willkürliche Steuergesetzgebung sowie mangelnde Transparenz der Staaten und die damit verbundenen Problematik der Gefahr einer Untergrabung der allgemeinen Steuermoral.206 Der EU-Kodex sieht dagegen die vordringliche Zielsetzung in der Vermeidung der unerwünschten Verlagerung der Steuerlast auf immobile Faktoren. Der EU-Ansatz ist klar auf den Binnenmarkt konzentriert. Die dortige Problemstellung ist nicht ohne weiteres auf die Anforderungen in der übrigen Welt zu übertragen. Denn im Binnenmarkt sind die Mitgliedstaaten politisch eng miteinander verbunden. Es existiert in den Institutionen der EU eine übergeordnete Instanz, die mit 200

Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt B Nr. 4. Vgl. OECD, Report (1998), S. 31–32. 202 Vgl. Verhaltenskodex, Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5, Abschnitt B Nr. 5. 203 Vgl. OECD, Report (1998), S. 29, Randnr. 63. 204 Vgl. OECD, Report (1998), S. 11, Randnr. 18. 205 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb, S. 227; vgl. OECD, Report (1998), S. 11; Randnr. 18. 206 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 227. 201

C. EU-Verhaltenskodex und OECD-Report

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Sanktionspotenzial gegenüber den Mitgliedstaaten ausgestattet ist. Zudem ist zwischen den Mitgliedstaaten eine zwischenstaatliche Solidarität gegeben, die sich in Art. 10 EGV konkretisiert und die auf Drittstaaten nicht übertragen werden kann. Zwar ist die Mobilität der steuersensitiven Faktoren aufgrund der wirtschaftlich vergleichbaren Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten vergleichsweise hoch ausgeprägt. Dennoch besteht offensichtlich ein erhebliches Eigeninteresse der relativ homogenen EU-Industriestaatengemeinschaft, ein bestimmtes Steuerniveau nicht zu unterschreiten, freilich ohne sich auf ein konkretes Steuerniveau zu einigen.207 III. „Soft Law“-Ansatz Sowohl der OECD-Report als auch der EU-Kodex sind als „soft law“-Ansatz anzusehen.208 Nicht nur das gemeinschaftsweite Verständnis eines europäischen Steueraufkommens sowie die politische gegenseitige Abhängigkeit der Mitgliedstaaten, welche über eine rein wirtschaftliche Verflechtung weit hinausgeht, sondern auch eine ähnliche Ausgangsbasis im Standortwettbewerb wie auch das europäische Beihilfensystem lassen trotz des „soft law“-Ansatzes einen Erfolg des EU-Kodex erwarten.209 Im Vergleich zum EU-Kodex verfügt die Initiative der OECD, sieht man vom faktischen Sanktionspotenzial wirtschaftlich potenter Staaten ab, über keine vergleichbaren politischen Durchsetzungsmöglichkeiten.210 Überdies ist zu erwarten, dass die Bereitschaft der Nicht-OECD-Mitglieder zur Kooperation deutlich geringer ausgeprägt sein dürfte, als dies für die EU-Mitgliedstaaten festzustellen ist.211 Die durch die OECD vorgeschlagenen Möglichkeiten, gegen einen als unfair eingestuften Steuerwettbewerb vorzugehen, erfolgen naturgemäß aus der Sichtweise der Industriestaaten212 und damit regelmäßig der Kapitalexport207 Schön verweist auf die ergebnislosen Versuche auf politischer Ebene, für die Mitgliedstaaten der EU ein Mindestkörperschaftsteuerniveau zu bestimmen. Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 355. 208 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 356–357; vgl. Wartenburger, IStR 2001, S. 400–402. 209 Vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 228–230. Auch Mors beurteilt den Verhaltenskodex „insgesamt als erfolgreich“. Vgl. Mors, in: Müller/Fromm/ Hansjürgens, Systemwettbewerb, S. 227; vgl. OECD, Harmful Tax Competition (1998), S. 208. Kütting sieht ergänzend eine Mindeststeuerhöhe innerhalb des Binnenmarktes erforderlich. Vgl. Kuttin, ÖStZ 1998, S. 25. 210 Vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 202. 211 Vgl. Larbig, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 228–229. 212 Vgl. Schön, DB 2001, S. 940; vgl. Rosembuj, Intertax 1999, S. 319.

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länder.213 Die Empfehlungen der OECD entsprechen daher weitestgehend den Vorstellungen der Länder, die sich im internationalen Steuerwettbewerb geschädigt fühlen. Das Hauptproblem ist in einer klaren, parteilosen Abgrenzung zwischen einem „fairen“ und einem „unfairen“ Steuerwettbewerb zu sehen214, die eine durchaus als aggressiven oder unfreundlichen Akt anzusehende Abwehrmaßnahme wie eine CFC-Legislation rechtfertigen könnte.215 Der weitgehenden Forderung nach einer allgemeinen CFC-Legislation kann nicht ohne weiteres zugestimmt werden. Denn diese kann auch Staaten treffen, die ein als „fair“ eingestuftes Steuersystem aufweisen.216 Zumindest die isolierende Bewertung auf Grundlage der ausländischen Steuerhöhe ist zwischenzeitlich durch die OECD als wesentliches Kriterium für die Identifikation eines „unfairen“ Steuerwettbewerbs aufgegeben worden. Folglich kann wohl auch keine CFC-Legislation, die allein von der ausländischen Steuerhöhe abhängig ist, gerechtfertigt sein.217 Auch ein Listenansatz erscheint schwer umsetzbar, beinhaltet er doch zumindest eine Ermessensentscheidung seitens der OECD218 und offenbart das Dilemma des bestehenden, wirtschaftspolitischen Machtungleichgewichtes zwischen den OECD-Mitgliedern und den Drittstaaten. So war denn auch die OECD-Initiative den Vorwürfen seitens der Nicht-OECD-Mitglieder ausgesetzt, ihre Steuersouveränität nicht ausreichend zu respektieren.219 Die Interessen kleinerer Staaten oder auch der Entwicklungsländer finden kaum Berücksichtigung. Entsprechende Bedenken der potenziellen Steueroasen waren zu erwarten.220 213 Dies gilt nicht für alle Industriestaaten in einheitlicher Weise; die USA weisen beispielsweise einen hohen Kapitalbedarf auf. Dennoch verfügen die Industriestaaten über eine ähnlich gelagerte steuerliche Interessenstruktur. In diesem Umfeld dient eine CFC-Legislation der Sicherung der Besteuerung nach dem Prinzip der Kapitalexportneutralität. Vgl. Schön, DB 2001, S. 945. 214 Vgl. Rosembuj, Intertax 1999, S. 320; vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 357. 215 Vgl. Rosembuj, Intertax 1999, S. 319–320. 216 Vgl. Luja, Intertax 2000, S. 232; vgl. Rosembuj, Intertax 1999, 321. 217 Überdies kann das Steuerniveau nicht unabhängig von anderen Belastungsfaktoren beurteilt werden. Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7. 218 Sullivan/Wallner/Wübbelsmann verweisen auf einen „smell test“. Ein Steuersystem sei entsprechend missbräuchlich, sofern es eben seitens der OECD als nicht „ausreichend“ angesehen wird. Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7. Auch die OECD verweist auf die politischen Probleme bei der Einführung eines Listenansatzes für die CFC-Legislation. Vgl. OECD, Controlled Foreign Company Legislation (1996), S. 98. 219 Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 400. In diesem Aspekt ähnelt die Frage des unfairen Steuerwettbewerbs der Diskussion um einen macht- oder regelorientierten Ansatz der WTO. Vgl. Dritter Teil, 2. Kapitel. 220 Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 400; vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 202.

C. EU-Verhaltenskodex und OECD-Report

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Ein weiterer Schwachpunkt des OECD-Ansatzes ist die Begrenzung auf den Steuerwettbewerb selbst. Steuerpolitik ist nur eine Facette des weltweiten Standortwettbewerbs. Besonders bei diskriminierenden Steuerregimen besteht die Gefahr, dass die Staaten außerhalb des Binnenmarktes auf Beihilfen ausweichen. Für diesen wichtigen Bereich bietet die OECD keinen wirkungsvollen Ansatz. Allerdings erkennt der OECD-Report ebenfalls diese Lücke und weist darauf hin, dass ein unfairer Steuerwettbewerb nicht auf steuerliche Normen beschränkt ist und dieser Aspekt zukünftig möglicherweise auch Berücksichtigung finden soll.221

221 Vgl. OECD, Report (1998), S. 62, Randnr. 171; vgl. Osterweil, European Taxation 1999, S. 199.

Zweiter Teil

Hinzurechnungsbesteuerung und die europäische Kapitalverkehrsfreiheit Wie im 1. Teil der Arbeit verdeutlicht, wird auf politischer Ebene – insbesondere durch die OECD infolge des internationalen Wettbewerbs um das Steueraufkommen – die Einführung einer CFC-Legislation seitens der OECD-Mitglieder gefordert.1 Nun stellt sich die Frage, ob eine derartige Steuergesetzgebung mit den Zielen des EG-Vertrages vereinbar ist.2 Zunächst gehört das Steuerrecht nicht zu den Gemeinschaftsaufgaben und verbleibt damit nach Willen der Vertragsparteien auf der Ebene der Mitgliedstaaten geregelt.3 Dennoch finden sich auch steuerliche Normen im EG-Vertrag geregelt. Dies betrifft einerseits sowohl den Harmonisierungsauftrag für indirekte Steuern i. S. d. Art. 93 EGV als auch andererseits den durch Art. 90 bis 92 EGV in ähnlicher Weise wie im GATT ausgestalteten Grenzausgleich für indirekte Steuern. Weitergehend wurde durch die allgemeine Rechtsangleichung auf Grundlage des Art. 94 EGV auch die Möglichkeit der Angleichung direkter Steuern in den Vertragstext aufgenommen.4 Die Harmonisierungsbemühungen für direkte Steuern in der Gemeinschaft sind spärlich gesät und konzentrieren sich auf die durch das Richtlinienpaket eingeführten Steuerrichtlinien.5 Dennoch sind die Mitgliedstaaten in ihrer Steuergesetzgebung nicht durch das primäre Gemeinschaftsrecht unberührt. 1 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Vor §§ 7–14, Randnr. 40; vgl. Schön, DB 2001, S. 940. 2 So leitete die Kommission ein Vorverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren gegen die französische CFC-Legislation ein. Vgl. Stefaner, SWI 2002, S. 419 f. Diese verblieb allerdings ergebnislos. Vgl. Stefaner, SWI 2004, S. 339 Fußnote 5. Am 6.6.2004 wurde dem EuGH die Vorlagefrage gestellt, ob die britische CFC-Legislation mit dem Europarecht vereinbar ist. Vgl. Stefaner, SWI 2004, S. 339 ff.; vgl. Lieber/Rasch, GmbhR 2004, S. 1572 ff. Sollte die britische CFC-Regelung vom EuGH verworfen werden, so wäre auch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung zukünftig kaum zu halten. Vgl. Körner, IStR 2004, S. 703. 3 Vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, Außensteuerrecht (1997), S. 435–436. 4 Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 533–543; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1188. 5 Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1192–1194; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, Außensteuerrecht, (1997), S. 418–419; vgl. Mick,

2. Teil: Hinzurechnungsbesteuerung und europ. Kapitalverkehrsfreiheit

67

Denn auch wenn direkte Steuern weiterhin unter die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, gelten die Grundfreiheiten nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH auch im Bereich der direkten Steuern.6 Der EuGH formuliert dies in einheitlicher Weise: „Zwar fällt der Bereich der direkten Steuern als solcher beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft, die Mitgliedstaaten müssen die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben.“7

Der Binnenmarkt, aus Sicht der erklärten Zielsetzung des Art. 1 und 2 EGV, umfasst gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV und Art. 14 Abs. 2 EGV vier Grundfreiheiten, die entsprechend der Bedeutung des Binnenmarktes für die EU selbst auch ein Kernelement der europäischen Rechtsordnung darstellen. Es handelt sich im Einzelnen um den freien Verkehr der Waren i. S. d. Art. 23–31 EGV, die Freizügigkeit von Personen i.S.d. Art. 39–42 EGV, die Niederlassungs- u. Dienstleistungsfreiheit i.S.d. Art. 43 und 49 EGV sowie die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs i. S. d. Art. 56–60 EGV.8 Alle Grundfreiheiten entfalten seit dem Vertrag von Maastricht nunmehr eine unmittelbare Wirkung und begründen somit individuelle Rechte der natürlichen und juristischen Personen innerhalb der europäischen Gemeinschaft.9 Da die vier Grundfreiheiten parallel Anwendung finden und die Kapitalverkehrsfreiheit in ihrer Schutzreichweite über die übrigen Grundfreiheiten Steuerkonzeption (1995), S. 123–142. Für eine Darstellung der Harmonisierungsbemühungen. Vgl Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 128–203. 6 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 294; vgl. Jones, EC Tax Review (1998), S. 99–100. 7 Vgl. EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21; EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16, EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 36; EuGH v. 29.4. 1999, Rs. C-311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 19; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Randnr. 17; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-1727, Randnr. 37; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 26; EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00, X und Y, Slg. 2002, I-10829, Randnr. 32; EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02, de Lasteyrie du Saillant, Slg 2004, n.n. v., Randnr. 44. 8 Vgl. Epiney, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 408–487; vgl. Herdegen, Europarecht (2003), S. 224–270; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 618–692. 9 Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 469. Das allgemeine Diskriminierungsverbot i. S. d. Art. 12 Abs. 1 EGV wird im Bereich der Grundfreiheiten durch die lex specialis verdrängt. Ein eigenständiger Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbotes verbleibt nicht. Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 296.

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

hinausreicht10, kann die europarechtliche Betrachtung der Vereinbarkeit einer CFC-Legislation auf die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt werden.11 Aufgrund der Schutzreichweite der Kapitalverkehrsfreiheit, die gemäß Art. 56 EGV einerseits den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch den Kapitalverkehr im Verhältnis zu Drittstaaten schützt, ist ein Schwerpunkt der folgenden Überlegungen in der Bestimmung möglicher Divergenzen in der europarechtlichen Beurteilung einer CFC-Legislation gegenüber Mitgliedstaaten sowie im Verhältnis zu Drittstaaten zu sehen.12

1. Kapitel

Kapitalverkehrsfreiheit A. Die Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit für den Binnenmarkt Voraussetzung und von herausragender Bedeutung für die Realisation des gemeinsamen Europäischen Binnenmarktes und der europäischen Währungsunion ist der freie, ungehemmte Fluss des Kapitals.13 Bereits in der Rechtssache „Casati“14 wurde durch den EuGH die Freiheit des Kapitalund Zahlungsverkehrs als „eine der Grundfreiheiten der Gemeinschaft“ bezeichnet. Dennoch lehnte der Gerichtshof mit der damaligen Entscheidung im Ergebnis die unmittelbare Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit ab.15 Erst durch den Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992 wurde im Rahmen der Errichtung der Wirtschafts- und Währungsreform eine grundlegende Reform der Kapitalverkehrsfreiheit durchgeführt16 und die Kapitalverkehrsfrei10

Vgl. Zweiter Teil, 1. Kapitel, B. Für eine Analyse der Vereinbarkeit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung mit den übrigen wirtschaftlichen Grundfreiheiten vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 130–169. Sowie zur Hinzurechnungsbesteuerung und der Niederlassungsfreiheit im Zusammenhang mit dem ICI-Urteil vgl. Hahn, IStR 1999, S. 609–612. Für die französische CFC-Legislation und die Niederlassungsfreiheit vgl. Stefaner, SWI 2002, S. 415–420. 12 Denn die Auswirkungen des Art. 56 EGV auf die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten für Normen, die im Verhältnis zu Drittstaaten gültig sind, ist noch als weitgehend ungeklärt anzusehen. Vgl. Jones, EC Tax Review 1998, S. 95–96. 13 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 233; vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 44; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 1. 14 Vgl. EuGH, v. 11.11.1981, 203/80, Rs. Casati, Slg. 1981, 2595. 15 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 117. 16 Vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 763. 11

A. Die Bedeutung für den Binnenmarkt

69

heit aus ihrem, im Vergleich mit den anderen wirtschaftlichen Freiheitsrechten gegebenen Schattendasein17 befreit.18 Die Kapitalverkehrsfreiheit in der seit Maastricht reformierten Form stellt neben der Warenverkehrsfreiheit, der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit einen unabdingbaren Bestandteil des Binnenmarktes dar.19 Entsprechend wird in Art. 3 lit. c) EGV neben den anderen wirtschaftlichen Freiheitsrechten der freie Kapitalverkehr als Voraussetzung für einen funktionierenden Binnenmarkt genannt. Die Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages steht in konsequenter Fortführung der Liberalisierungsverpflichtung der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/ EWG20 und ist nunmehr in ihrer unmittelbaren Wirkung gegenüber dem Marktbürger als gleichberechtigte Grundfreiheit anzusehen.21 Entsprechend wurde sie auf der Regelungsebene vom Sekundärrecht in das Primärrecht überführt.22 Die Kapitalverkehrsfreiheit ist sowohl als Voraussetzung für die Realisation der anderen Marktfreiheiten als auch gleichermaßen als unmittelbare Reflexion der Ausübung der Freiheitsrechte anzusehen. Diese enge Verknüpfung der Kapitalverkehrsfreiheit mit den übrigen Grundfreiheiten verdeutlicht sich in besonderer Weise bei der Niederlassungsfreiheit, die re17 Vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 1; vgl. Seidel, in: Leßmann/ Großfeld/Vollmer, FS für Rudolf Lukes (1989), S. 575. 18 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 24; vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 773; Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 482; vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung (1997), S. 63; vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Erberhard Grabitz (1995), S. 765; vgl. de Bont, EC Tax Review 1995, S. 136. 19 Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 745; so auch Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1997), S 180; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 68–69. 20 Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24.06.1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages; Abl. Nr. L 178/5 v. 8.7.1988. Die Richtlinie stellt den großen Durchbruch für die Kapitalliberalisierung der europäischen Union dar. Vgl. Seidel, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer, FS für Rudolf Lukes (1989), S. 575. Kimms stellt die Entwicklung der Kapitalverkehrsfreiheit in einem historischen Abriss dar. Für eine Darstellung der Umsetzung der Liberalisierungsverpflichtung, vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 82–96. 21 Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 45; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1490; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 748; vgl. Ress/Ukrow, Kapitalverkehrsfreiheit (1997), S. 39–41; vgl. Ohler, WM 1996, S. 1801; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 562. Für eine Darstellung der Rechtsentwicklung der Kapitalverkehrsfreiheit vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 18–27. 22 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 25; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 722. „Die Richtlinie stand Pate für den Vertrag von Maastricht.“ Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1486; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 561.

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

gelmäßig einen grenzüberschreitenden Kapitalverkehr voraussetzt.23 Neben der Bedeutung der Kapitalmobilität für die anderen Grundfreiheiten ist die Liberalisierung des Kapitalverkehrs von essenzieller Bedeutung für die Funktionsfähigkeit einer Wirtschafts- und Währungsunion mit einem einheitlichen Währungsgefüge und der Realisation eines einheitlichen Kapitalmarktes.24 Ergänzend zu dem in Art. 56 Abs. 1 EGV normierten Verbot aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten verbietet Art. 56 Abs. 2 EGV, gleichsam als fünftes Freiheitsrecht des Binnenmarktes, in einer Parallelformulierung alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs.25 In der Neuformulierung der Zahlungsverkehrsfreiheit durch den Vertrag von Maastricht löst sich Art. 56 Abs. 2 EGV von der Bindung an die anderen Grundfreiheiten. So gilt nunmehr das Verbot für alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs unabhängig von der Einstufung des ihr zugrunde liegenden Geschäftes.26

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit Die Ausstrahlung der Kapitalverkehrsfreiheit auf nationale steuerrechtliche Normen ist – wie auch der Vielzahl an EuGH-Urteilen in der jüngsten Zeit zu entnehmen ist, in der durch das europäische Gericht nationale steuerrechtliche Regelungen verworfen wurden – sehr weitreichend. Die direkte Besteuerung obliegt gemäß der ständigen Rechtsprechung des EuGH der alleinigen Kompetenz der Mitgliedstaaten, soweit diese ihr Recht 23

Die Kapitalverkehrsfreiheit geht allerdings über den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit hinaus. Vgl. Saß, FR 2000, S. 1271. 24 Eine europäische Währungsunion vollendet zwangsläufig den innergemeinschaftlichen freien Geldverkehr. Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1483 u. 1490; vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 257–258. Die Begriffe europäischer Kapitalmarkt und Kapitalverkehrsfreiheit sind zu trennen. Ein einheitlicher europäischer Kapitalmarkt beinhaltet neben einer Kapitalverkehrsfreiheit einen einheitlichen rechtlichen Rahmen und damit weitgehende Liberalisierungfortschritte. Vgl. Seidel, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer, FS für Rudolf Lukes (1989), S. 576. 25 Vgl. Herdegen, Europarecht (2003), S. 224. Die Zusammenlegung der Kapitalverkehrsfreiheit und der Zahlungsverkehrsfreiheit lässt eine gemeinsame Auslegung sinnvoll erscheinen. Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1494. 26 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 41; vgl. Haag, in: Beutler/ Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union 5. Auflage (2001), S. 486, Randnr. 842. Von Interesse für die Frage der Vereinbarkeit direkter Steuern mit dem Gemeinschaftsrecht ist die Frage des Kapitalverkehrs. Der Zahlungsverkehr erscheint nicht berührt, da auch die wirtschaftlichen Folgetransaktionen einer Kapitalanlage unter den Schutz des Kapitalverkehrs subsumiert werden. Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 723.

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

71

im Rahmen der durch Grundfreiheiten vorgegebenen Möglichkeiten ausüben.27 Die Steuerhoheit der einzelnen Staaten steht damit im Wechselspiel mit der Schutzreichweite der einzelnen Grundfreiheiten. Das Recht der Mitgliedstaaten, frei über das Steuersystem zu entscheiden, wird umso mehr ausgehöhlt, je weiter durch die Rechtsprechung des EuGH der Schutzbereich der Grundfreiheiten ausgedehnt wird. Überdies wurde durch die weitgehende Reform der Kapitalverkehrsfreiheit im Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992, wie Schön zu Recht formuliert, ein Eckpfeiler für das europäische Steuerrecht bzgl. des Kapitalverkehrs28 gesetzt, was mit einem erheblichen Einfluss auf den Gestaltungsspielraum der einzelnen Staaten hinsichtlich der nationalen Steuernormen verbunden ist.29 Wie weitgehend der postulierte Einfluss der Kapitalverkehrsfreiheit auf das nationale Steuerrecht tatsächlich sein wird, ist neben der Frage des abzugrenzenden Umfangs des Beschränkungsverbotes entscheidend vom Verständnis der möglichen Rechtfertigungsgründe im Bereich des direkten Steuerrechts abhängig. Auch die Europäische Kommission erkannte bei Einführung der Kapitalverkehrsrichtlinie frühzeitig die Probleme, die sich durch eine vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs insbesondere in Hinblick auf die Gefahren einer Steuerumgehung, Steuerflucht und Steuerhinterziehung für Kapitaleinkünfte ergab, und bemühte sich um eine Harmonisierung der steuerlichen Vorschriften.30 Das besondere Gefährdungspotenzial eines unbeschränkten Kapitalverkehrs ist durch die hohe Mobilität des geschützten wirtschaftlichen Gutes bedingt. So ist die Frage der Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit neben der Bedeutung für die Wahrung des nationalen Steueraufkommens auch für eine mögliche Bekämpfung krimi27

Vgl. EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 36; EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 19; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Randnr. 17; EuGH v. 8.3.2001 in den verb. Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-1727, Randnr. 37, EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, LankhorstHohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 26; EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00, X und Y, Slg. 2002, I-10829, Randnr. 32; EuGH v. 11.3.2004, C-9/02, de Lastey-rie du Saillant, Slg 2004; n.n. v.; Randnr. 44. 28 Vgl. Schön, DB 2001, S. 943. 29 Vgl. Schaumburg, DB 2005, S. 1132. 30 Art. 6 Abs. 5 der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG sieht vor, dass die Kommission dem Rat Vorschläge unterbreitet, die darauf abzielen, Gefahren von Steuerumgehungen, Steuerflucht und Steuerhinterziehung infolge der Unterschiede in den nationalen Regelungen zur Besteuerung von Sparerträgen und in der Kontrolle der Anwendung dieser Regelungen zu beseitigen oder zu vermindern. Vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 94; vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 113.

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

neller Strukturen von Interesse. Dies berührt beispielswiese eine grenzüberschreitende Kapitalanlage, die der internationalen Geldwäsche dient.31 Da der ungehinderten Kapitalmobilität und damit der Kapitalverkehrsfreiheit eine entscheidende Bedeutung für die Realisierung eines einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraumes zukommt32, galt die fehlende primärrechtliche Liberalisierung des Kapitalverkehrs lange Zeit als Schwachstelle des Binnenmarktes.33 Die Mitgliedstaaten haben erst mit der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG vom 24. Juni 1988 für den Binnenmarkt die Liberalisierung des Kapitalverkehrs auf einer sekundärrechtlichen Ebene umgesetzt. Aber bereits die Kapitalverkehrsrichtlinie enthielt eine Absichtserklärung für eine vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs.34 Der in Art. 56 EGV kodifizierte generelle Schutz des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs führt entsprechend die Grundintention der Kapitalverkehrsrichtlinie fort35 und schreibt nunmehr auf primärrechtlicher Ebene die verbindliche, unbedingte Freiheit des Kapitals sowohl im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten als auch in Bezug auf Drittstaaten einseitig vor.36 Allerdings nehmen Schutzklauseln im EG-Vertrag die globale Verpflichtung der Europäischen Gemeinschaft zur Kapitalliberalisierung insbesondere im Verhältnis zu Drittstaaten wieder weitgehend zurück37, ohne jedoch im Kern den erreichten Stand der Kapitalliberalisierung infrage zu stellen.38 Es verbleibt die Signalwirkung der Gemeinschaft39, die sich der Realisierung einer weltweiten Kapitalliberalisierung verpflichtet fühlt40 und den Balanceakt zwischen den Interessen der Gemeinschaft sowie den ökonomischen 31

Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 151 ff. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 24–26. 33 Vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 1. Ähnlich auch Seidel, der einen Rückstand in Vergleich zu den anderen Grundfreiheiten feststellt. Vgl. Seidel, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer, FS für Rudolf Lukes (1989), S. 575; vgl. Eilmansberger, ÖBA 2001, S. 377. 34 Eine Darstellung der historischen Entwicklung der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG findet sich etwa bei Mohamed. Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 66 ff. 35 Die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG wird hierdurch nicht aufgehoben. Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 22; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1486. 36 Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs war vorher nicht verbindlich. Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 484–485; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 25. 37 Vgl. hierzu Zweiter Teil, 1. Kapitel. 38 Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1492. 39 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 219. 40 So ist das Bekenntnis zum freien Kapitalverkehr als ein wesentlicher Bestandteil der Politik der EU zu charakterisieren. Vgl. Schachtschneider, in: Neuhaus, Der Mensch in der globalisierten Welt (2003), S. 10. 32

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

73

Vorzügen eines freien Kapitalverkehrs sucht. Auch wenn die im Vertragstext vorgesehenen Ausnahmen eher restriktiv zu interpretieren sind, ist das bestehende Regelungsgeflecht von dem in Art. 56 EGV im Verhältnis zu Drittstaaten zunächst zu entnehmenden, unabdingbaren Freiheitsrecht jedoch weit entfernt.41 I. Sachlicher Schutzbereich Soweit das Kapital die Grenze überschreitet, verbietet Art. 56 Abs. 1 EGV alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten untereinander sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Wie schon für die Niederlassungsfreiheit festzustellen war, entfaltet auch die Kapitalverkehrsfreiheit keine Schutzwirkung für rein innerstaatliche Vorgänge.42 Verboten sind Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs.43 Der sachliche Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit und damit der Umfang des Beschränkungsverbotes des Art. 56 EGV ist unmittelbar mit der Frage verbunden, was unter dem Begriff Beschränkung des Kapitalverkehrs zu verstehen ist, und von der Frage der Zahlungsverkehrsfreiheit zu trennen. Diese Unterscheidung bleibt auch nach der Reform der Kapitalverkehrsfreiheit weiterhin wichtig, da Art. 57 EGV eine Beschränkung des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten ermöglicht. Eine analoge Einschränkung für den Zahlungsverkehr mit Drittstaaten ist nicht gegeben.44 Die Schutznormen des Art. 58, 59 und 60 EGV gelten dagegen in gleicher Weise für den Kapital- als auch Zahlungsverkehr.45 In Abgrenzung zum Kapitalverkehr ist unter dem Begriff Zahlungsverkehr der Fluss von Zahlungsmitteln zu verstehen, der sich regelmäßig als Gegenleistung einer Transaktion ergibt.46 Im Vertragstext selbst und damit im Primärrecht findet sich weder der Begriff „Kapitalverkehr“ noch der Begriff „Beschränkung“ näher erläutert.47 41 Vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 785; vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 232; vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 221; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 244–245; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 205. 42 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 50–51; vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 784. 43 Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 25. 44 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 39. 45 Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 486, Randnr. 842. 46 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 56 Randnr. 5; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 153; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 25; vgl. Ohler, WM 1996, S. 1801–1802.

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

1. Der Begriff „Kapitalverkehr“ Auch der EuGH nimmt in seiner Rechtsprechung nur einzelfallorientiert zum jeweiligen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit Stellung. Eine allgemeine Definition, was unter dem Begriff „Kapitalverkehr“ zu verstehen ist, lässt sich der Rechtsprechung nicht entnehmen.48 Zwar wurde durch den Vertrag von Maastricht die Kapitalverkehrsfreiheit grundlegend weiterentwickelt und in Art. 56 EGV überführt49, die Durchführungsrichtlinie des alten Art. 67 EGV wurde hierbei jedoch nicht aufgehoben50 und ist, bestätigt durch die Rechtsprechung des EuGH51, weiterhin als Interpretationshilfe zu berücksichtigen. Entsprechend kann zur weiteren Auslegung des Kapitalbegriffes auf das Sekundärrecht in Form der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG vom 24.6.1988 zur Durchführung des Art. 67 EGV52 a. F. zurückgegriffen werden.53 Dennoch ist der Kapitalverkehr begrifflich auf das Primärrecht zurückzuführen. Im Kollisionsfall steht aufgrund der Normenhierarchie die Anwendbarkeit des Sekundärrechts hinter dem Primärrecht zurück.54 Allerdings ist auch der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG keine Definition des Begriffs Kapitalverkehr zu entnehmen.55 Im Anhang ist zur Er47

Vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 153, vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1491; vgl. Seidel, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer, FS für Rudolf Lukes (1989), S. 577. 48 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 34; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 154; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 23. 49 Die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG lag dem EG-Vertrag zugrunde. Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 561. 50 Vgl. Ohler, WM 1996, S. 1801. 51 Vgl. EuGH v. 1.6.1999, Rs. C-302/97, Konle, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 22; EuGH v. 14.12.1995, verb. Rs. C-163/94, C-165/94 u. C-250/94, Sanz de Lera, Slg. 1995, I-4821. 52 Vgl. Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, Amtsblatt Nr. L 05/178. 53 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 28–31; vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft (2002), S. 255; vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 786; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 224; vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 484–485, Randnr. 839; vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 46; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1486; vgl. Ohler, WM 1996, S. 1801; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 26; vgl. Bentley, The EC Tax Jornal 1996, S. 49; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 561. 54 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 30–31, vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 119; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 22; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 747; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 26.

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

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leichterung der Klassifikation eine nicht als abschließend zu verstehende Aufzählung einschlägiger Rechtsgeschäfte enthalten, die gemäß Art. 1 der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG heranzuziehen ist. So umfasst der Kapitalverkehr gemäß Anhang I der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG zunächst „alle für die Durchführung des Kapitalverkehrs erforderlichen Geschäfte“ sowohl zwischen „Gebietsansässigen verschiedener Staaten“ als auch „von einer einzigen Person für eigene Rechnung“. Weiter sind alle „von natürlichen oder juristischen Personen getätigten Geschäfte“ sowie der „Zugang des Marktteilnehmers zu allen Finanzverfahren, die auf dem für die Durchführung des Geschäfts in Anspruch genommenen Markt zur Verfügung stehen“ von der Kapitalverkehrsfreiheit betroffen. In der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG werden dreizehn ökonomische Fallgruppen des Kapitalverkehrs unterschieden. So findet sich explizit genannt: Direktinvestitionen, Immobilieninvestitionen, Geschäfte mit Wertpapieren, die normalerweise am Kapitalmarkt gehandelt werden, Geschäfte mit Anteilsscheinen von Organismen für gemeinsame Anlagen, Geschäfte mit Wertpapieren und anderen Instrumenten, die normalerweise am Geldmarkt gehandelt werden, Kontokorrent- und Termingeschäfte mit Finanzinstitutionen, Kredite im Zusammenhang mit Handelsgeschäften oder Dienstleistungen, an denen ein Gebietsansässiger beteiligt ist, Darlehen und Finanzkredite, Bürgschaften, andere Garantien und Pfandrechte, Transferzahlungen in Erfüllung von Versicherungsverträgen, Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter, Ein- und Ausfuhr von Vermögenswerten sowie der „Sonstige Kapitalverkehr“.56 Die aufgeführte Katalogisierung ist, wie die Kategorie „Sonstiger Kapitalverkehr“ verdeutlicht, nicht als abschließend zu verstehen.57 Bereits die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG sieht innerhalb der Gemeinschaft eine Verpflichtung zur Liberalisierung aller monetären Geschäfte vor.58 Aufgrund der dem Art. 56 EGV zugrunde liegenden globalen Liberalisierungsverpflichtung und des Ziels des „effet utile“59 des Vertragswerkes ist eher eine weite Abgrenzung des Begriffs „Beschränkung des Kapitalver55

Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 23. Vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 14–15. 57 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 24; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 154; vgl. Seidel, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer, FS für Rudolf Lukes (1989), S. 577. 58 Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 484, Randnr. 839. 59 Der Grundsatz des „effet utile“ oder der größmöglichen Wirksamkeit in der juristischen Auslegung sichert die Einheitlichkeit des Rechtsraums und ermöglicht die tatsächliche Umsetzung der Zielsetzung der vertraglichen Vorschriften. Vgl. Epiney, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 294–295; Randnr. 537. 56

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

kehrs“ gegeben.60 Eine einfache, griffige Definition des Kapitalverkehrs erscheint aufgrund der Vielfalt der betroffenen wirtschaftlichen Sachverhalte nur schwer möglich. Greift man für eine Definition und damit für eine Abgrenzung des sachlichen Schutzbereiches der Kapitalverkehrsfreiheit auf die einschlägige Literaturmeinung zurück, so ist nach vorherrschender Auffassung unter dem Begriff Kapitalverkehr ein einseitiger Transfer von Sachkapital61 oder Geldkapital von einem Staat in einen anderen Staat, soweit hierbei ein Mitgliedstaat der EU beteiligt ist, zu verstehen.62 Vielfach wird die in der Literatur vorherrschende Formulierung hinsichtlich des Kriteriums „einseitig“ als missverständlich und irreführend kritisiert. Denn mit einem Kapitaltransfer ist regelmäßig eine Gegenleistung im Sinne einer hierdurch begründeten Rechtsposition wie etwa ein Guthaben oder eine Beteiligung verbunden.63 Die Einseitigkeit des Transfers ist jedoch als sinnvolle Abgrenzung zum Zahlungsverkehr anzusehen, versteht man sie als Antagonist zum dort verwendeten Kriterium des Zahlungsflusses als Gegenleistung im Verständnis eines Reflexes der zugrunde liegenden Transaktion.64 Verschiedentlich wird für eine Abgrenzung zum Zahlungsverkehr auch auf das Kriterium einer Vermögensanlage zurückgegriffen. Nachdem durch die Kapitalverkehrsfreiheit mit der Reform von Maastricht nunmehr jeglicher grenzüberschreitende Kapitalverkehr und damit beispielsweise auch rein spekulative Kapitaltransfers berührt sind, erscheint dieses Kriterium nicht mehr geeignet.65 60

Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1491. Teilweise wird diese Formulierung modifiziert, um den Gedanken Rechnung zu tragen, dass Sachkapital nur teilweise mobil ist und die Kapitalverkehrsfreiheit auch die Übertragung von geldwerten Rechten an Sachkapital umfasst. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 35–36. 62 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 37; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 152; vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 483, Randnr. 836; vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 15; vgl. Ress/ Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 24. 63 Eine Ausnahme hiervon ist beispielsweise in einer Erbschaft oder Schenkung gegeben. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 36; so etwa auch Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 157; vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 15; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk 1997, S. 748; vgl. Seidel, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer, FS für Rudolf Lukes (1989), S. 578. 64 Für die Definition des Zahlungsverkehrs vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 56, Randnr. 5; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 153; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 25. 65 Vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 158–159; Haferkamp hält an dem Kriterium fest, sieht hierin allerdings eine Abgrenzungshilfe des Kapitalverkehrs zum Zahlungsverkehr. Eine zwingende Voraussetzung sei dagegen nicht gege61

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

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Schließlich umfasst die Kapitalverkehrsfreiheit – im Unterschied zur Niederlassungsfreiheit – auch Minderheitsbeteiligungen an Kapitalgesellschaften, die keine Kontrolle oder Leitung über die ausländische Tochter ermöglichen. Berührt vom Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit sind neben Finanzinvestitionen auch die passive Geldanlage66, die kurzfristige, spekulative Anlage von Kapital67 sowie alle Beteiligungen am Sach- oder Geldkapital eines Unternehmens.68 Wird für die Niederlassungsfreiheit in den Tatbestandsvoraussetzungen die Beteiligung am wirtschaftlichen Leben des Binnenmarktes gefordert, so verzichtet die Kapitalverkehrsfreiheit auf diese Anforderung. Daher ist eine wirtschaftliche Betätigung des Kapitals nicht erforderlich. Sowohl die Beschränkung der Anlagezeitdauer als auch eine Begrenzung der Höhe des Kapitalverkehrs ist Art. 56 EGV nicht zu entnehmen und bleibt damit für eine Subsumtion des grenzüberschreitenden Kapitaltransfers unter den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit unerheblich.69 Entsprechend können sich Kapitalanleger unabhängig von Art oder Umfang der Beteiligung und der Geschäftstätigkeit einer ausländischen Gesellschaft auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen. Damit kommt der Schutzwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit eine wesentliche Bedeutung für Portfolio- und andere Minderheitsbeteiligungen zu70, die von der Niederlassungsfreiheit nicht geschützt sind.71 Im Ergebnis geht die Kapitalverkehrsfreiheit in ihrer Wirkung weit über die übrigen wirtschaftlichen Freiheitsrechte des europäischen Binnenmarktes hinaus. Ihr kommt, aufgrund des Verzichts der wirtschaftlichen Zweckbestimmung und ihrer globalen Zielsetzung im System der europäischen Marktfreiheiten, eine Sonderrolle zu.72

ben. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 37. Hahn sieht die Freiheit des Kapitals auf die einseitige, langfristige Wertübertragung beschränkt, die meist in einer Vermögensanlage besteht. Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 45; Ress/Ukrow spricht nach der bisherigen Konzeption vom Anfordernis einer Vermögensanlage. Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 24. 66 Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 750. 67 Vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft (2002), S. 255–256; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 33; vgl. Seidel, in: GS für Erberhard Grabitz (1995), S. 764–765. 68 Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 483. 69 Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 33. 70 Vgl. Lang, IStR 2002, S. 218; vgl. Schön, DB 2001, S. 942. 71 Vgl. Saß, FR 2000, S. 1271. 72 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 219; vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 785.

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

2. Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot Wie schon für den Begriff Kapitalverkehr festzustellen war, ist dem Vertragstext auch nach der inhaltlichen Reform durch den Vertrag von Maastricht für die Frage, was unter einer Beschränkung zu verstehen ist, keine Definition zu entnehmen.73 Aufgrund der mit dem Vertragstext verbundenen Verpflichtung zu einer globalen Kapitalliberalisierung ist im Sinne des „effet utile“ eine weite Begriffsauslegung vorzunehmen.74 Ziel der Norm ist es, alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs – und damit auch versteckte protektionistische Regelungen – zu verbieten.75 Im Gegensatz zu der Fassung der Kapitalverkehrsfreiheit vor dem Maastricht-Vertrag in Art. 67 EGV a. F. wird in Art. 56 EGV nunmehr nicht mehr ausdrücklich zwischen einer Beschränkung und einer Diskriminierung unterschieden. Vielmehr wurden die beiden Bereiche unter das allgemeine Beschränkungsverbot des Art. 56 EGV subsumiert. Das schlichte Verbot „aller“ Beschränkungen des Art. 56 EGV beinhaltet somit, wie bei den übrigen Grundfreiheiten, auch das gleichheitswidrige Diskriminierungsverbot.76 Diese Aussage kann unmittelbar aus dem in Art. 58 Abs. 3 EGV enthaltenen Verbot einer durch Art. 58 Abs. 1 EGV bedingten willkürlichen Diskriminierung gefolgert werden.77 Denn ein normiertes Diskriminierungsverbot wäre sinnentleert, sollte durch die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 56 Abs. 1 EGV keine Diskriminierung erfasst sein. Überdies ist in der Neuformulierung der Kapitalverkehrsfreiheit kein Rückschritt für das bereits erreichte Liberalisierungsniveau zu sehen. Damit ist das Verbot der Beschränkung des Kapitalverkehrs vielmehr als Oberbegriff zu verstehen, welcher eine Beschränkung des Kapitalverkehrs als auch das Diskriminierungsverbot im Sinne des Gebots der Inländergleichbehandlung als Unterkategorie einer Beschränkung umfasst.78 73

Vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 765. Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 31. 75 Vgl. Eilmannsberger, ÖBA 2001, S. 381; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 562. 76 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 54–55; vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 484; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 33. 77 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 227. 78 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 286; Haferkamp kritisiert, dass durch die Aufgabe der expliziten Aufzählung des Diskriminierungsverbotes ein Verlust an redaktioneller Prägnanz für die Kapitalverkehrsfreiheit gegeben sei. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 54; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 64; Ress/Ukrow sehen in der Neuformulierung daher auch in redaktioneller Hinsicht eine Zunahme an Prägnanz. Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 33; vgl. Ohler, WM 1996, S. 1806; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 563. 74

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

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3. Reichweite des Beschränkungsverbotes Durch Art. 56 Abs. 1 EGV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Dies gilt sowohl für direkte Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs79 als auch für indirekte, mittelbare Beschränkungen, die ihre Ursache unter anderem in steuerlichen Regelungen oder Anlagevorschriften finden.80 Da der Kapitalverkehrsfreiheit keine allgemeine Liberalisierungsverpflichtung für eine Harmonisierung der Rechtsnormen innerhalb der Gemeinschaft bezüglich eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes entnommen werden kann81, bezieht sich das Beschränkungsverbot nur auf eine direkte oder mittelbare Beschränkung, die den grenzüberschreitenden Kapitaltransfer berühren. Kann man diese Aussage zunächst in einem restriktiven Verständnis auf den Kapitaltransfer selbst beziehen, so ist dies durch den EuGH um eine wesentliche Komponente erweitert worden. Denn durch Art. 56 EGV ist nicht nur der Kapitalverkehr an sich geschützt, sondern auch das Halten von Kapital82 sowie, wie der EuGH in der Rechtssache „Verkooijen“83 verdeutlicht, die hieraus resultierenden wirtschaftlichen Vorgänge, wie etwa Zinszahlungen, Dividenden, Gewinnausschüttungen oder Mietzahlungen, die nicht unmittelbar mit dem grenzüberschreitenden Kapitalverkehr im Zusammenhang stehen.84 Damit hat der EuGH ein weites Verständnis des Schutzbereichs hinsichtlich der Kapitalverkehrsfreiheit für das Steuerrecht aufgestellt. Infolgedessen umfasst das Beschränkungsverbot der Kapitalverkehrsfreiheit nicht nur steuerliche Normen, die die Kapitalanlage in ihrem Transaktionsvorgang selbst beschränken, sondern die gesamte direkte Besteuerung, die für die 79 Haferkamp spricht insoweit vom Eingriff in den Kernbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 86. 80 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 86–90; vgl. Eilmansberger, ÖGA 2001, S. 381; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 723; vgl. Haag, in: Beutler/ Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 483; vgl. Ress/ Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 32; vgl. Seidel, in: GS für Erberhard Grabitz (1995), S. 766. 81 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 55–58. 82 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 37–38. 83 EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071. 84 Vgl. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071; vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 777. Zahlungsströme die eine wirtschaftliche Folge der Kapitalanlage sind, fallen ebenfalls unter den Begriff Kapitalverkehr. Die Überlegung, die wirtschaftlichen Folgetransaktionen als Zahlungsverkehr einzustufen, erübrigt sich somit. So beispielsweise noch Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 46–47.

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

Totalperiode die grenzüberschreitende Kapitalanlage mittelbar beschränken oder weniger attraktiv gestalten können.85 Für die Feststellung einer möglichen Beschränkung bietet es sich aufgrund der Parallelität der Ausprägung der Kapitalverkehrsfreiheit zur Warenverkehrsfreiheit an, auf die durch das Urteil „Dasson- ville“86 für die Warenverkehrsfreiheit entwickelte Formel zur Bestimmung einer Beschränkung zurückzugreifen.87 Für ein einheitliches Verständnis des Beschränkungsverbotes der Grundfreiheiten spricht das konvergierende Normziel aller Grundfreiheiten, das in der Realisierung des innergemeinschaftlichen Binnenmarktes zu sehen ist. Dies gilt insbesondere auch für die Kapitalverkehrsfreiheit, da sich die Kapitalverkehrsfreiheit und die Warenverkehrsfreiheit ähneln – sowohl vom Schutzbereich in Hinblick auf eine Verkehrsfreiheit als auch in der Formulierung des einschlägigen Vertragstextes.88 Somit lässt sich das breite Verständnis einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit in Fortführung der durch den EuGH entwickelten Rechtsgrundsätze der Rechtssachen „Dassonville“, „Cassis de Dijon“ und „Keck“89 pauschal formulieren als „alle unmittelbaren oder mittelbaren, aktuellen oder potenziellen Behinderungen, Begrenzungen oder Untersagungen für den Zufluss, Abfluss oder Durchfluss von Kapital“.90 Nicht nur die tatsächliche Beschränkung, sondern bereits die bestehende Möglichkeit, d.h. eine potenzielle Beschränkung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs, ist für eine Verletzung des Schutzbereichs der Kapitalverkehrsfreiheit ausreichend, da 85 Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 723–724. Mit dem Begriff „weniger attraktiv gestalten“ ist nicht zwingend die Frage der Inländerdiskriminierung berührt. Vielmehr handelt es sich um den Verweis auf eine mögliche indirekte Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs. So auch Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 54–55; Andere Auffassung vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 242. 86 Vgl. EuGH v. 11.7.1974, Rs. 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837. 87 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 286–287; vgl. Eilmansberger, ÖBA 2001, S. 380; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit 1997, S. 31–32; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 561. 88 Art. 56 EGV und Art. 58 EGV ähneln in der Formulierung dem Art. 28 EGV und Art. 30 EGV. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 82. 89 Zur „Keck“-Rechtsprechung als Schranken-Schranke des Beschränkungsverbots; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 286. Zur Frage der Übertragbarkeit der „Keck“-Rechtsprechung auf die Kapitalverkehrsfreiheit; vgl. Glöckner, EuR 2000, S. 616–620. 90 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 60 ff.; vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 17–18; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 162; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 31 u. 34; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 562. Haferkamp dagegen ablehnend; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit im System der Grundfreiheiten des EG-Vertrages 2003, S. 82–83.

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

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sie die Ausnutzung der durch die Kapitalverkehrsfreiheit geschützten Rechte weniger attraktiv gestaltet.91 Zwar umfasst die Kapitalverkehrsfreiheit, ohne dass dies getrennt im Vertragstext formuliert ist, sowohl die Kapitalimport- als auch Kapitalexportfreiheit.92 Dies beinhaltet nicht zwingend eine gleiche Bewertung des jeweiligen Transfersegmentes. So kann in einer analogen Differenzierung, wie sie auch für den Warenverkehr gegeben ist, eine unterschiedliche Herangehensweise erforderlich sein. Insbesondere die globale Reichweite der Kapitalverkehrsfreiheit, die sich auch auf Drittländer erstreckt, lässt eine differenziertere Herangehensweise an die Prüfung der Schutzreichweite des Art. 56 EGV als notwendig erscheinen. Diese Unterscheidung ist für den Kapitalverkehr im Binnenmarkt nicht von einschneidender Relevanz, da jeweils die Paarbildung der am Kapitalverkehr beteiligten Individuen sowohl den Kapitalimport als auch den Kapitalexport innerhalb des Binnenmarktes umfasst. Zudem können sich die beteiligten Parteien jeweils als Marktteilnehmer des Binnenmarktes auf den Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit berufen. Diese Aussage kann für einen Kapitaltransfer in ein Drittland nicht ungeprüft übernommen werden. Damit kann auch einer Trennung in eine Importkomponente und Exportkomponente für die Unterscheidung des persönlichen Anwendungsbereiches durchaus eine Berechtigung zukommen.93 II. Persönlicher Schutzbereich Neben der Frage der Reichweite des Beschränkungsverbotes der Kapitalverkehrsfreiheit ist für den Schutzbereich der Norm auch der Umfang des persönlichen Anwendungsbereiches zu klären. Im Gegensatz zur Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG ist nunmehr der Kreis derjenigen, die sich auf den Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit berufen können, durch die Neuordnung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht mehr auf in der Gemeinschaft Ansässige beschränkt.94 Damit begrenzt Art. 56 EGV den persönlichen Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nicht auf die Unionsbürger oder Unternehmen mit Sitz im 91

Vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 783; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 724. Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 56, Randnr. 6. 93 Haferkamp lehnt unter Berücksichtigung der binnenmarktorientierten Auslegung der Kapitalverkehrsfreiheit den pauschalen Ansatz und die folgende Reduktion des Schutzbereiches ab und präferiert ein abgestuftes System, das die Marktfreiheit als Zutrittsfreiheit und als zweite Komponente die Marktgleichheit im Inland umfasst. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 83 ff. 94 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 37–104; vgl. Ohler, WM 1996, S. 1806. 92

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

Binnenmarkt. Vielmehr kann sich jeder, und damit auch natürliche und juristische Personen, die nicht gemeinschaftsansässig sind und sich in dem Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten untereinander, aber auch zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten beschränkt sehen, auf die Freiheit des Kapitals berufen.95 Für die Subsumtion unter den persönlichen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit kommt es primär auf den gemeinschaftsbezogenen Kapitalfluss an. Das Ziel der Liberalisierungsbemühungen ist zunächst der Kapitalverkehr selbst.96 Der Kapitaltransfer, der den gemeinschaftsweiten Kapitalmarkt tangiert, ist geschützt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein Zu- oder Ab- oder Durchfluss aus der Sicht der Gemeinschaft handelt. Zwar kann damit grundsätzlich auf die vorgenannte Abgrenzung des Begriffs „Kapitalverkehr“ zurückgegriffen werden, aber die Schlussfolgerung, dass die Subsumtion unter den Schutzbereich sich einzig auf den Kapitalstrom reduzieren ließe, wäre verkürzt. Eine Reinvestition von ausländischen Erträgen durch einen Gebietsansässigen würde ebenfalls einen hinreichenden Gemeinschaftsbezug aufweisen, der dem Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit unterläge. Überdies findet sich dieser Fall in der Kapitalverkehrsrichtlinie im Anhang I genannt.97 Auch wenn damit nicht der Kapitalgeber oder Kapitalempfänger im Vordergrund steht98, ist in einer Strombetrachtung sowohl der aktive Anlagevorgang als auch die passive Finanzierungsfreiheit der Gesellschaft geschützt.99 Art. 56 EGV umfasst gleichsam als aktive Komponente der Kapitalverkehrsfreiheit einerseits das Recht des Anbieters in der Gemeinschaft, das Kapital ungehindert anzulegen. In analoger Weise ist andererseits auch die Kapitalnachfrage berührt. Der Kapitalempfänger ist als Marktteilnehmer in seiner Finanzierungsfreiheit durch das ungehinderte Zugangsrecht auf das Kapital der Mitgliedstaaten geschützt.100 Für den Binnenmarkt kann sich das Unternehmen als Marktteilnehmer auf die passive Komponente der Kapitalverkehrsfreiheit berufen.101 Dieser Schutz gilt grundsätzlich auch ge95 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 104; vgl. Ohler, WM 1996, S. 1806. 96 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 104–106; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 226; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 149; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 593. 97 Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 42. 98 Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 563. 99 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 104–106 und S. 112–113. 100 Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 724; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 85. 101 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 106; für die passive Finanzierungsfreiheit vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 35.

B. Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

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genüber dem jeweiligen Wohn- und Sitzstaat.102 Eine Diskriminierung aufgrund des Wohn- oder Anlageortes ist nicht zulässig.103 Damit lässt sich wiederum die Parallele zur Warenverkehrsfreiheit heranziehen. Befindet sich das Kapital im Gemeinschaftsgebiet, so kann sich der Kapitaleigner in gleicher Weise wie der Eigner einer Ware, die sich physisch im Binnenmarkt befindet, auf die jeweilige Binnenfreiheit berufen, unabhängig von Staatsangehörigkeit, Sitz oder Ansässigkeit der Person. Die geschützte Ware oder das Kapital als solche sichern den Gemeinschaftsbezug. Soweit der zu prüfende Kapitalverkehr innerhalb der Gemeinschaft erfolgt, ist es auch unerheblich, ob eine Beschränkung im Export- oder Importstaat gegeben ist. Ein etwaiger einseitiger Kapitalabfluss aus einem Mitgliedstaat ist in der Gemeinschaft in Hinblick auf die optimale Kapitalallokation im Binnenmarkt zu akzeptieren.104 Für den Kapitalverkehr mit Drittländern könnte eine andere Bewertung erfolgen. Da ein Drittstaat nicht den Regelungen des EG-Vertrages unterliegt, kann für eine mögliche Importbeschränkung durch den Drittstaat der Adressat nicht der ausländische Staat sein. Das Gemeinschaftsrecht bindet nur die Mitgliedstaaten. Damit kann einerseits für den Fall des Kapitalexportes aus der Gemeinschaft der Kapitalanbieter, unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit oder seinem Wohnsitz, sich darauf berufen, dass er in seiner Anlagefreiheit beschränkt wird. Durch den Kapitalfluss selbst ist der Gemeinschaftsbezug gewahrt. Berücksichtigt man Sinn und Zweck der Wirtschaftsfreiheiten des Binnenmarktes, welche die wirtschaftliche Betätigung im Markt schützen, so kann sich ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat nur dann selbst auf die Marktfreiheiten berufen, wenn es seinerseits eine eigenständige wirtschaftliche Betätigung im Binnenmarkt ausübt. Der Gemeinschaftsbezug muss auch insoweit gewahrt sein.105 102

Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 107; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 746. 103 Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 33; zur möglichen Rechtfertigung durch Art. 58 Abs. 1 EGV siehe Zweiter Teil, 2. Kapitel, A. 104 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 106–113. 105 Andererseits wird teilweise bezweifelt, ob mit dem Maastricht-Vertrag die ablehnende Haltung des EuGH in Hinblick auf den Schutz grenzüberschreitender Sachverhalte nichtwirtschaftlicher Art aufrechterhalten werden kann. Unter Verweis auf die Einführung der Freizügigkeit durch Art. 18 EGV vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 427. Entsprechend könnte auch für die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV die wirtschaftliche Bindung an den Binnenmarkt entfallen.

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2. Teil, 1. Kap.: Kapitalverkehrsfreiheit

Auch wenn diese Aussage sich nur bedingt auf die Kapitalverkehrsfreiheit übertragen lässt, da diese über den Binnenmarkt hinausreicht und ihr damit eine Sonderstellung im System der Grundfreiheiten zukommt, ist die prinzipielle Verpflichtung zur Kapitalverkehrsfreiheit vor dem Hintergrund ihrer Zielsetzung der Stärkung des gemeinschaftsweiten Kapitalmarktes zu verstehen. Damit kann der Kapitalempfänger sich nicht auf die passive Finanzierungsfreiheit berufen, soweit keine tatsächliche Transaktion gegeben ist. Denn die Rechtstellung ausländischer Unternehmen ist nicht Gegenstand des EG- Vertrages.106 Konsequent weitergeführt, würde sonst jedes ausländische Unternehmen sich auf die Kapitalverkehrsfreiheit beziehen können, so denn nur die Möglichkeit einer Kapitalanlage an dem Unternehmen durch Kapital, welches sich im Gemeinschaftsgebiet befindet, gegeben ist.

C. Verstoß der Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit Durch die Kapitalverkehrsfreiheit ist grundsätzlich jegliche Ausprägungsform eines grenzüberschreitenden Kapitalflusses erfasst.107 Im Unterschied zur Niederlassungsfreiheit kann daher auf eine weitergehende Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung verzichtet werden.108 Denn durch das weit gefasste Kapitalverständnis des Art. 56 EGV sind vollumfänglich Investitionen und Beteiligungen an Unternehmen berührt, die passive Einkünfte im Sinne des § 8 AStG generieren und damit durch die Hinzurechnungsbesteuerung erfasst sind. Entsprechend stellt Art. 56 EGV eine CFC-Legislation als Ganzes deutlich infrage. Aufgrund der durch den Maastricht-Vertrag erfolgten Ausdehnung des Schutzbereiches der Kapitalverkehrsfreiheit auf alle Beschränkungen zwischen Mitgliedstaaten wie auch zwischen den Mitgliedstaaten und einem Drittstaat, gilt dies sowohl für die Kapitalanlage in Unternehmen mit Sitz im Gemeinschaftsgebiet als auch für eine Anlage in Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten. Nach ständiger Rechtsprechung sieht der EuGH eine Beschränkung einer Grundfreiheit gegeben, sofern durch die zu prüfende Norm eine Nutzung der Freiheit behindert oder weniger attraktiv gestaltet wird.109 Unterliegt also der vergleichbare inländische Sachverhalt im Sinne eines 106

So Eckhoff und Steichen in Bezug auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV. Vgl. Eckhoff, § 17, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuerund Abgabenrechts (1995), S. 481–482; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 429. 107 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 57, Randnr. 7. 108 Für eine Prüfung der Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der Niederlassungsfreiheit vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 133–164.

C. Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit

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Paarvergleiches einer günstigeren formellen oder materiellen Behandlung, so ist hierin eine Beschränkung zu sehen. Aufgrund der Tatbestandvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt gemäß § 7 AStG die Beteiligung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen an einer ausländischen Körperschaft potenziell der Besteuerung. Dagegen ist für den gleichartigen inländischen Sachverhalt die Hinzurechnungsbesteuerung grundsätzlich nicht einschlägig. Damit ist durch die Hinzurechnungsbesteuerung eine Norm gegeben, die eine Investition im Ausland im Vergleich zum Inland entsprechend weniger attraktiv gestaltet.110 Greift man sich einzelne Aspekte der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung heraus, so wird etwa an § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG – dort findet sich die Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital geregelt – der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit überdeutlich.111 Die Hinzurechnungsbesteuerung behindert einerseits die aktive Anlage von Kapital. Weitergehend ist als zweite Komponente im Verständnis des Schutzbereichs der Kapitalverkehrsfreiheit die Finanzierungsfreiheit der Unternehmen durch Art. 56 EGV geschützt. Nachdem die Hinzurechnungsbesteuerung steuertechnisch am Anteilseigner ansetzt, könnte insoweit fraglich sein, ob durch die Hinzurechnungsbesteuerung auch die passive Komponente beeinträchtigt ist. Auch hier ist innerhalb der Gemeinschaft zu berücksichtigen, dass durch die Möglichkeit der Hinzurechnungsbesteuerung eine Investition in eine Gesellschaft, die niedrig besteuert ist, und damit potenziell der Anleger der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt, im Vergleich zum rein inländischen Sachverhalt unattraktiv ist. Ein Anleger würde unter sonst gleichen Bedingungen auf eine Anlage in einem durch die Hinzurechnungsbesteuerung potenziell bedrohten Unternehmen verzichten. Mithin ist auch das ausländische Unternehmen in seinen Finanzierungsmöglichkeiten eingeschränkt und auch aus dieser Sicht eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu bejahen.112 109 Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 724; vgl. Eilmannsberger, ÖBA 2001, S. 382. 110 Ähnliche Überlegungen zur britischen CFC-Regelung finden sich bei Körner. Körner veweist auf die Beschränkung des Steuerpflichtigen in einer Rechtsform seiner Wahl grenzüberschreitend tätig zu werden. Vgl. Körner, IStR 2004, S. 701. Zur Hinzurechnungsbesteuerung; vgl. Thömmes, Intertax 2003, S. 188; vgl. Lang, IStR 2002, S. 218–219; vgl. Stefaner, SWI 2002, S. 418–419; vgl. Schön, DB 2001, S. 943; vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 152. Kluge gibt dagegen zu bedenken, ob ein mittelbarer Zwang zur Ausschüttung bereits als Beschränkung angesehen werden kann. Entsprechend sei zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen das Europarecht gegeben ist. Vgl. Kluge, Internationales Steuerrecht 2000, S. 419, Randnr. 396. 111 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff (Hrsg.), Außensteuerrecht, § 8, Randnr. 245.

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

2. Kapitel

Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit I – Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages Der Verstoß der Hinzurechnungsbesteuerung gegen den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit führt nicht grundsätzlich zu einem Verbot der Norm. Nach der Diagnose einer kapitalverkehrsbeschränkenden Wirkung einer Norm ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob für diesen Verstoß eine Rechtfertigung gefunden werden kann oder ob im Vertragstext einschlägige Ausnahmen von der Grundfreiheit vorgesehen sind. Auch die Kapitalverkehrsfreiheit ist, trotz oder auch gerade aufgrund ihrer Sonderolle im System der europäischen Grundfreiheiten, nicht ohne Schranken.113 Zulässige Schranken, die einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten rechtfertigen, sind deklaratorisch im EG-Vertrag für alle Grundfreiheiten enthalten.114 Ergänzend zu den im Vertragstext enthaltenen Schranken hat der EuGH in der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten eine Systematik für mögliche Rechtfertigungsgründe einer Verletzung des Schutzbereiches der Grundfreiheiten entwickelt.115 In der Formulierung des EuGH ist für eine mögliche Rechtfertigung der Beschränkung einer Grundfreiheit zu prüfen, „ob eine nationale Maßnahme (. . .) ein legitimes Ziel verfolgt, das mit dem EGVertrag vereinbar und durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Erforderlich ist zudem, dass die Maßnahme zur Erreichung des fraglichen Zieles geeignet ist und nicht über das hinaus geht, was hierzu erforderlich ist.“116

So ist für ein nationales Steuerregime gleichsam ein duales System für eine Rechtfertigung einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen.117 Einerseits kann durch eine im Vertragstext normierte Schranke eine Beschränkung durch eine steuerliche Norm legitimiert sein. Aufgrund der hohen wirtschaftspolitischen Brisanz einer unbeschränkten Kapitalverkehrs112 Ähnlich argumentiert der EuGH bei der Prüfung des finnischen Körperschaftsteueranrechnungssystems in der Rechtssache Manninen v. 7.09.2004, RS. C-319, Randnr. 23. 113 Vgl. Ohler, WM 1996, S. 1801; vgl. Seidel, in: Randelzhofer (Hrsg.), GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 766. 114 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 297. 115 Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 623, Randnr. 1491. 116 Ständige Rechtsprechung. Vgl. etwa EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 33; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 43; Vgl. EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 26. 117 Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 563.

A. Ausnahmeregelung der Mitgliedstaaten Art. 58 EGV

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freiheit sind in den einschlägigen Normen des Vertragstextes für die Kapitalverkehrsfreiheit Schutz- oder Ausnahmeklauseln sowohl für den Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten enthalten. Durch die Reform der Kapitalverkehrsfreiheit im Vertrag von Maastricht wurde auch für die Kapitalverkehrsfreiheit der in Art. 4 der Kapitalverkehrsrichtlinie vorgesehene Schutz um die allgemeine Gefahrenabwehr erweitert.118 Dies betrifft für den Binnenmarkt und im Verhältnis zu Drittstaaten Art. 58 EGV, der durch Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV ausdrücklich Ausnahmen für den Bereich der Steuern vorsieht. Auch durch die allgemeine Gefahrenabwehr des Art. 58 Abs. 1 lit. b) EGV sind Maßnahmen als zulässig bezeichnet, die notwendig sind, um eine Zuwiderhandlung gegen innerstaatliches Recht – und hier insbesondere auch im Bereich des Steuerrechts – zu verhindern. Aufgrund der hohen wirtschaftspolitischen Bedeutung des Kapitalverkehrs und aufgrund des mit einem grundsätzlichen Bekenntnis zur globalen Kapitalverkehrsfreiheit verbundenen, volkswirtschaftlichen Gefährdungspotenzials für den Binnenmarkt sieht der Vertragstext im Verhältnis zu den Drittstaaten durch Art. 57 EGV, Art. 59 EGV und Art. 60 EGV zudem weit reichende Schutzklauseln vor. Diese ermöglichen es dem Rat, die durch Art. 56 EGV gegebene grundsätzliche Liberalisierungsverpflichtung der Gemeinschaft einzuschränken.119 Obgleich in Art. 56 EGV kein Unterschied zwischen dem Kapitalverkehr im Binnenmarkt und dem Kapitalverkehr mit Drittstaaten gemacht wird, ist infolge der Schutzklauseln die Liberalisierung des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten deutlich geringer ausgeprägt.120

A. Ausnahmeregelung der Mitgliedstaaten Art. 58 EGV Die besondere Sensibilität, die bei den Mitgliedstaaten in Hinblick auf die Erhebung des Steueraufkommens gegeben ist, verdeutlicht die ausdrückliche Berücksichtigung der steuerlichen Vorschriften als Schutzklausel des Art. 58 EGV.121 So wurden sowohl für den Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten durch die „ordre-public“-Klausel Art. 58 Abs. 1 lit. a) und b) EGV ausdrücklich Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit er118 Eine Darstellung der Rechtsentwicklung findet sich etwa bei Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 763 ff. 119 Bereits in der Kapitalverkehrsrichtlinie wurde wiederholt auf mögliche Verwerfungen des Devisenmarktes und der Zahlungsbilanz der Mitgliedstaaten Bezug genommen. Siehe hierzu Art. 3 und Art. 7 der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/ EWG. 120 Vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 785. 121 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 114.

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

möglicht.122 Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV ist geprägt von der Befürchtung der Mitgliedstaaten, unterschiedliche steuerliche Normen würden gerade die Verlagerung des Steueraufkommens ermöglichen und das nationale Steueraufkommen gefährden.123 Andererseits ist der Formulierung in einem Anhang des Schlussprotokolls zum EG-Vertrag zu entnehmen, dass die Ausnahme des Art. 73 d Abs. 1 lit. a) EGV, dies entspricht dem heutigen Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV, nur für steuerliche Vorschriften gelten sollte, die bis Ende 1993 bestanden.124 Diese Klausel bezog sich allerdings nur auf den Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Damit könnte hier ein Ansatz gesehen werden, welcher darauf hindeutet, dass die Vertragsparteien auch in Art. 58 EGV eine Unterscheidung zwischen dem Kapitalverkehr im Binnenmarkt und dem mit Drittstaaten vorsahen.125 Allerdings enthält Art. 57 Abs. 1 EGV eine ähnliche „stand-still“-Klausel im Verhältnis zu Drittstaaten, sofern die beschränkenden Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Direktinvestitionen, der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten stehen.126 Hinsichtlich der juristischen Einordnung der in der Anmerkung zum Schlussprotokoll enthaltenen, steuerrechtlichen „stand-still“-Klausel bestand Uneinigkeit. Entgegen der ausdrücklich im Vertragstext aufgenommenen „stand-still“-Möglichkeit des Art. 57 EGV, blieb die Klausel des Art. 58 EGV jedoch im Ergebnis ohne materielle Funktion.127 Während in der allgemeinen Schutzklausel des Art. 58 Abs. 1 lit. b) EGV die Frage der Steuerhinterziehung behandelt ist128 und sich diese be122 Vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 793; vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 235; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 139; vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 58, Randnr. 1. 123 Vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 232, S. 47–49; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 80–81. 124 „Die Konferenz bekräftigt, dass das in Artikel 73 d Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erwähnte Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, nur für die einschlägigen Vorschriften gilt, die Ende 1993 bestehen. Diese Erklärung betrifft jedoch nur den Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.“ Vgl. Erklärung zu Artikel 73 d des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Abl. Nr. C 191/95. 125 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 229–231. 126 Vgl. Zweiter Teil, 2. Kapitel, B.I.1. 127 Die zwischenzeitliche Rechtsentwicklung hat die Klausel weitestgehend ignoriert. Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 768. Für den juristischen Gehalt der Klausel, vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 24; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 80 ff.

A. Ausnahmeregelung der Mitgliedstaaten Art. 58 EGV

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reits in ähnlicher Form in Art. 4 der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG geregelt fand129, wurde Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV neu eingeführt.130 Dort wird die materielle Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Steuersachverhalte behandelt.131 Im Unterschied zur Niederlassungsfreiheit findet sich im Vertragstext für die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV explizit eine Ausnahme, die es den Mitgliedstaaten dem Anschein nach ermöglicht, die Steuerpflichtigen mit unterschiedlichen Wohn- oder Kapitalanlageorten132 unterschiedlich zu besteuern.133 Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV sieht vor, dass durch das allgemeine Beschränkungsverbot des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, „die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtigen mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich (zu) behandeln“.134 Nach der Intention der Vertragsparteien sollte aufgrund der fehlenden Harmonisierung der direkten Steuern die Unterscheidung zwischen Steuerinländer und Steuerausländer und einer Kapitalanlage im In- oder Ausland ermöglicht werden.135 Art. 58 Abs. 1 lit. b) EGV, die sog. Rechtsbruchsverhinderungsklausel136, normiert schließlich in ähnlicher Ausführung wie für die übrigen Grundfreiheiten die allgemeine Gefahrenabwehr 128 Vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 20; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 764. 129 „Das Recht der Mitgliedstaaten, auf insbesondere steuerrechtlichem oder bankenaufsichtsrechtlichem Gebiet die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern und Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen, wird durch die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht berührt. Die Anwendung dieser Maßnahmen und Verfahren darf keine Behinderung des im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht abgewickelten Kapitalverkehrs zur Folge haben.“ Vgl. Art. 4 der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 476; vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 795; vgl. Ress/Ukrow, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuergerechtigkeit 1997, S. 50. 130 Vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 769. 131 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 478–479. Der Unterscheidung kommt bei Berücksichtung der Rechtsprechung des EuGH zu den ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen keine weitere Bedeutung zu. Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 764. 132 Für eine Diskussion der Begriffe Anlageort und Wohnort vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 121–127; vgl. Dautzenberg, RIW 1998, 538–540; vgl. Matzka, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 80–86. 133 Vgl. Saß, FR 2000, S. 1274; vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 19–20. 134 Vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 793; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 725. 135 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 58, Randnr. 2. 136 Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 50.

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit und legitimiert unter anderem eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch steuerliche Maßnahmen, die einer Steuerumgehung begegnen137, oder auch durch Informations- und Kontrollmaßnahmen.138 Denn gemäß Art. 58 Abs. 1 lit. b) EGV verbleibt den Mitgliedstaaten das Recht, unerlässliche Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts zu verhindern. Aufgrund der aufgezeigten Tragweite der Kapitalverkehrsfreiheit für das nationale Steuerrecht und den europäischen Steuerwettbewerb wurde die Formulierung des Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV zunächst kontrovers diskutiert. Manche Autoren sahen einen Rückschritt zur Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG, welche das erreichte Liberalisierungsniveau infrage stellt, da in der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG keine steuerliche Ausnahmeregelung enthalten war.139 Sollte aus dem Beschränkungsverbot des Art. 56 EGV eine steuerliche Diskriminierung ausgespart und in Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV, wie es die Formulierung „Artikel 56 EGV berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten“ nahe legt, eine Bereichsausnahme von der Verpflichtung zur Beseitigung aller Beschränkungen des Kapitalverkehrs zu sehen sein140, so wäre der durch die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG erreichte Liberalisierungsgrad aufgrund der Bedeutung der steuerlichen Normen für den Kapitalverkehr in der Tat infrage gestellt.141 Im Sinne der herrschenden Literaturmeinung ist die missverständliche Formulierung des Art. 58 EGV jedoch zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Verkooijen“142 klargestellt. Für 137

Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 126–127. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 476; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 94. 139 Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 724; Honrath sieht darin eher ein Zugeständnis an die realen Bedingungen. Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 82. 140 Noch vor dem Verkooijen-Urteil: vgl. De Bont, EC Tax Review 1995, S. 140; vgl. Eckhoff, § 17, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 473; Steichen sieht etwa in Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV einen für das Souveränitätsbestreben der Mitgliedstaaten ermutigenden Ansatz, verweist aber gleichermaßen darauf, dass es vorschnell sei, hieraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Souveränität der Mitgliedstaaten unangetastet bleibe. Vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 420. Auch Hahn ist wohl so zu verstehen, wenn er auf die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit im Vergleich zur Kapitalverkehrsfreiheit verweist. Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 150. 141 Vgl. Saß, FR 2000, S. 1270–1271; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 765; vgl. Matzka, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 72 ff. 142 EuGH v. 6. Juni 2000, Rechtssache C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071. 138

A. Ausnahmeregelung der Mitgliedstaaten Art. 58 EGV

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Art. 58 Abs. 1 lit. a) und 1 lit. b) EGV ist das Verhältnis der Normen zu Art. 58 Abs. 3 EGV von entscheidender Bedeutung, da sich nur im Kontext mit dem dritten Absatz das Verständnis für die Reichweite der Ausnahmeregelung für die Mitgliedstaaten eröffnet.143 Entsprechend führt der EuGH in der Rechtssache „Verkooijen“ aus, dass das Recht der Mitgliedstaaten, steuerlich zwischen dem Wohnort oder dem Anlageort zu unterscheiden, bereits vor dessen Kodifizierung in Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV durch den EuGH anerkannt wurde. Unter Bezugnahme auf Art. 58 Abs. 3 EGV weist der EuGH darauf hin144, dass dieses Recht eben nur besteht, sofern die durch die Mitgliedstaaten vorgenommene steuerliche Unterscheidung nicht in diskriminierender Weise erfolgt.145 Denn Art. 58 Abs. 3 EGV sieht vor, dass die in den Absätzen 1 und 2 des Art. 58 EGV genannten Maßnahmen und Verfahren nur zulässig sind, sofern dies nicht mit einer Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des Kapitalverkehrs verbunden sind. Art. 58 Abs. 3 EGV führt die in Art. 58 Abs. 1 EGV genannten Rechtfertigungsgründe auf das allgemeine Rechtfertigungssystem einer Verletzung des Schutzbereiches der Freiheitsrechte zurück. Die Prüfung der Vereinbarkeit einer steuerlichen Norm mit der Kapitalverkehrsfreiheit unterscheidet sich entsprechend nicht von den übrigen wirtschaftlichen Freiheitsrechten.146 Auch wenn die Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit im Verhältnis zu Drittstaaten einem anderen Maßstab unterliegen könnte, sind Art. 58 Abs. 1 lit. a) und lit. b) EGV als Rechtfertigungsgrund, und nicht als Bereichsausnahme des Art. 56 EGV zu verstehen.147 Folglich kommt dem Steuervorbehalt des Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV nur eine deklaratorische Funktion zu.148 143

Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 764. „Jedenfalls ist in Artikel 73d Absatz 3 EG-Vertrag klargestellt, dass die nationalen Vorschriften, auf die sich Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe a bezieht, weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73 b darstellen dürfen.“ Vgl. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 44. 145 Vgl. EuGH v. 6. Juni 2000, Rechtssache C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 43. 146 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 750; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 725. Die Frage, ob denn Art. 58 EGV nur subsidiär Anwendung findet, sofern eine andere Grundfreiheit einschlägig ist, ist somit unerheblich, da der gleiche Rechtfertigungstatbestand zu klären ist. Andere Auffassung vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 235. Jedenfalls unterliegen die Bereiche, die nicht der Niederlassungsfreiheit unterliegen, und damit insbesondere der Kapitalverkehr mit Drittstaaten, dem Art. 58 EGV. So dann auch Usher; vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 235–236. 147 Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 12; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 710; vgl. Müller, IStR 2002, S. 109; vgl. Schön, DB 2001, S. 943; vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 72–73; 144

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

Damit ist auch durch Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV keineswegs eine willkürliche Diskriminierung oder Beschränkung des Zahlungs- oder Kapitalverkehrs durch die Steuergesetzgebung ermöglicht. Vielmehr unterliegt die steuerliche Gesetzgebung der Mitgliedstaaten dem allgemeinen Beschränkungsverbot.149 Da die Kapitalverkehrsfreiheit über die Schutzwirkung der Niederlassungsfreiheit hinausreicht und neben dem Kapitalverkehr mit Drittländern auch einen nicht unternehmerisch geprägten, spekulativ orientierten Kapitaltransfer umfasst, ist diese Feststellung für eine Beurteilung der europarechtlichen Vereinbarkeit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung von hoher Bedeutung.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten Der Schutz des Kapitalverkehrs i. S. d. Art. 56 EGV gilt unabhängig davon, ob der Transfer im Verhältnis zu Drittstaaten oder Mitgliedstaaten der EG erfolgt. Insoweit folgt die EG, in Anerkennung der mit einem freien Kapitalverkehr verbundenen volkswirtschaftlichen Vorteile150, einer globalen Konzeption151 und gibt damit im ersten Ansatz einseitig das Prinzip der Reziprozität152 im Verhältnis zu Drittstaaten auf.153 Damit entsteht durch Art. 56 EGV ein Beschränkungsverbot154 hinsichtlich des Kapitalverkehrs, sowohl im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander als auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Dies ist als konsequente Fortführung der mit der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG begonnenen Verpflichtung zur globalen Kapitalverkehrsfreiheit anzusehen155 und realisiert den durch Art. 4 Abs. 1 EGV vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 765. Eine Bereichsausnahme sah etwa Seidel; vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 769; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 80. 148 Vgl. Saß, FR 2000, S. 1272; vgl. Ruppe, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 26. 149 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 229. 150 Weber verweist auf die Zielsetzung des Art. 3 EGV und sieht in der globalen Konzeption der Kapitalverkehrsfreiheit die konsequente Umsetzung der dort formulierten Ziele. Vgl. Weber, EuZW, S. 564. So auch Kimms; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 204–205. 151 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 208; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 564. 152 Die Reziprozität beinhaltet das Prinzip der Gegenseitigkeit bei völkerrechtlichen Verträgen. Zum Reziprozitätsprinzip in der WTO, vgl. Zweiter Teil, 2. Kapitel, C.III. 153 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 208; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 25; vgl. Bentley, The EC Tax Journal 1996, S. 49. 154 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 208; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 187.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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vorgegebenen Grundsatz der Verpflichtung der Gemeinschaft zu einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb.156 Art. 56 EGV geht damit über den Schutzbereich der übrigen Grundfreiheiten hinaus.157 Der Kapitalverkehr selbst ist auch im Verhältnis zu Drittstaaten geschützt.158 Für die Frage der europarechtlichen Vereinbarkeit einer Hinzurechnungsbesteuerung, die sich auf Drittstaaten beschränkt, sind mögliche Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit in Bezug auf Drittstaaten von entscheidender Bedeutung. Denn die Niederlassungsfreiheit entfaltet nur für den Binnenmarkt eine Schutzwirkung. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist dagegen global angelegt und kann, da die Freiheitsrechte des Binnenmarktes parallel Anwendung finden159, auch bei Unanwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit einschlägig sein.160 Damit müssen die im EG-Vertrag vorgesehenen Schutzklauseln, die eine Beschränkung des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten ermöglichen, erörtert werden. Trotz des prinzipiell bestehenden, globalen Ansatzes der Kapitalverkehrsfreiheit durch den EG-Vertrag erfolgt die Liberalisierung des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten, im Gegensatz zum Binnenmarkt, nicht bedingungslos und unterliegt nicht annähernd dem gleichen Liberalisierungsniveau.161 So könnte eine nationale CFC-Legislation im Verhältnis zu Drittstaaten ermöglicht sein. Im Einzelnen ist durch Art. 57 EGV eine Ausnahmeklausel geregelt, die im Gegensatz zu Art. 58 EGV keine Anwendung für das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten findet.162 In Art. 57 Abs. 1 EGV ist eine „standstill“-Verpflichtung für bestehende, kapitalverkehrsbeschränkende Rechtsvorschriften geregelt. Art. 57 Abs. 2 EGV beeinhaltet eine Ermächtigung 155

Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 564. Vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft (2002), S. 255; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 204–205; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 564. 157 Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 25. 158 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 208. 159 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 58 Randnr. 5; vgl. Sedlaczek, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 46–50; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 206; vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 91; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 754–755. 160 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 211. 161 Vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 785; vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 232; vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999),S. 221; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 244–245; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 205. 162 Vgl. Juillard, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 185. 156

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

des Rates, auf Vorschlag der Kommission kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten neu einzuführen. Daneben findet sich durch Art. 59 EGV eine Schutzklausel für kapitalinduzierte Störungen der Wirtschafts- und Währungsunion im Vertragstext wieder. Schließlich sind durch Art. 60 EGV politisch motivierte Embargomaßnahmen aus Gründen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber Drittstaaten ermöglicht.163 I. Ausnahmen für den Kapitalverkehr mit Drittländern Art. 57 EGV Auch wenn die Bewertungen des Art. 57 EGV in der Literatur in Hinblick auf die Möglichkeiten zur Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit divergieren – so sehen Müller und Honrath in Art. 57 EGV eine beträchtliche oder starke Einschränkung164, Haferkamp dagegen nur eine Zurücknahme des Beschränkungsverbotes in besonders sensiblen Bereichen165 –, ist hier die zentrale Norm zu sehen, die es der Gemeinschaft ermöglicht, auf einseitige kapitalverkehrsbeschränkende Handlungen durch Drittstaaten flexibel zu reagieren und wesentliche Bereiche der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten wieder einzuschränken. Denn Art. 57 Abs. 2 EGV sieht die Möglichkeit vor, unter bestimmten Voraussetzungen auf der Ebene der Gemeinschaft Kapitalverkehrsrestriktionen im Verhältnis zu Drittstaaten einzuführen. Überdies ermöglicht es Art. 57 Abs. 1 EGV den Mitgliedstaaten, zum 31. Dezember 1993 bestehende Beschränkungen weitgehend beizubehalten. 1. Die „stand-still“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV Zunächst ist dem Art. 57 Abs. 1 EGV nur eine Sicherung des bestehenden Liberalisierungsniveaus des Kapitalverkehrs durch die Gemeinschaft und der einzelnen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Drittstaaten zu entnehmen.166 So sieht Art. 57 Abs. 1 EGV vor, dass die zum 31. Dezember 1993 bestehenden einzelstaatlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die eine Beschränkung des Kapitalverkehrs beinhalten, beibehalten werden können. Insoweit kann Art. 57 Abs. 1 EGV als „stand-still“-Klausel im Ver163 Vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft (2002), S. 256. 164 Vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 188; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 138. 165 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 213. 166 Vgl. Juillard, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 185.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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hältnis zu Drittstaaten verstanden werden.167 Denn eine Verpflichtung zum Abbau der bestehenden Regelungen ist in den Vertragstext nicht aufgenommen worden.168 Die „stand-still“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV ist ausschließlich für den Bereich der Direktinvestitionen, einschließlich der Anlagen in Immobilien, der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen sowie der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten einschlägig. Die Katalogaufzählung des Art. 57 Abs. 1 EGV ist als abschließend zu verstehen169 und ermöglicht der Gemeinschaft oder den Mitgliedstaaten unter anderem, bestehende Vorschriften, die eine Reziprozitätsklausel beinhalten, auch zukünftig anzuwenden.170 Die Begrenzung der „stand-still“-Reichweite auf Rechtsvorschriften, die zum 31. Dezember 1993 bestanden, ist Folge der unbedingten Verpflichtung zur Kapitalverkehrsfreiheit i. S. d. Art. 56 EGV und ermöglicht langfristig einen Abbau der kapitalverkehrsbeschränkenden Normen.171 Einerseits können aufgrund der „stand-still“-Klausel keine neuen beschränkenden Rechtsvorschriften hinzutreten. Andererseits lässt sich umgekehrt für kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten durch die Restriktion der „stand-still“-Klausel auf den sachlichen Katalogbereich des Art. 57 EGV die Verpflichtung entnehmen, die Maßnahmen, die nicht unter die „standstill“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV fallen, abzubauen. Art. 57 Abs. 1 EGV beinhaltet keine Beurteilung der Angemessenheit möglicher Kapitalrestriktionen. Auch ist eine Rechtfertigung der bestehenden, kapitalverkehrsbeschränkenden Normen nicht erforderlich. Da durch die „stand-still“-Klausel zum 31. Dezember 1993 alle bestehenden Kapitalverkehrsbeschränkungen erfasst sind, beinhaltet dies auch steuerliche Nor167 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 211; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 185; vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 255; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 205; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 564. 168 Vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 232; vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), 773. 169 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 209; vgl. Geiger, EUV/ EGV, Art. 57, Randnr. 1. 170 Dies betrifft auf der Gemeinschaftsebene beispielsweise Harmonisierungsrichtlinien, wie zum Beispiel die Verkaufsprospektsrichtlinie. Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 57, Randnr. 2; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 211; vgl. Flynn, CML Rev. 2002, S. 774. Ob nun solche Harmonisierungsrichtlinien einen weitergehenden Liberalisierungsgedanken beinhalten und damit Art. 57 Abs. 1 EGV auch in Hinblick auf die „Standstill“-Klausel in einer konsequenten Linie mit der Zielsetzung einer möglichst weitgehenden Liberalisierung des Kapitalverkehrs steht, kann hier offen bleiben. Vgl. hierzu Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 212; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 204. 171 Vgl. Juillard, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 186.

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

men auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Art. 57 Abs. 1 EGV stellt damit eine wichtige Einschränkung hinsichtlich der Verpflichtung zur Kapitalverkehrsfreiheit für Steuernormen der Mitgliedstaaten dar. 2. Die Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV Korrespondierend zur „stand-still“-Klausel verlagert Art. 57 Abs. 2 EGV die Kompetenz zur Einführung kapitalverkehrsbeschränkender Maßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten auf die Gemeinschaftsebene.172 Dem Rat obliegt die Möglichkeit, auf Vorschlag der Kommission Maßnahmen einzuführen, die eine Beschränkung des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten beinhalten.173 Hierfür ist eine qualifizierte Mehrheit des Rates ausreichend.174 Für Maßnahmen, die einen Rückschritt der Liberalisierung im Rahmen des Gemeinschaftsrechts beinhalten, besteht ein darüber hinaus gehendes Erfordernis der Einstimmigkeit. Art. 57 Abs. 2 EGV überträgt damit ausdrücklich die Kompetenz auf den Rat, eine weitergehende Liberalisierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten zu erreichen, aber auch die Befugnis, diese wieder rückgängig zu machen und somit das bestehende Liberalisierungsniveau zu reduzieren.175 Dem Vertragstext ist nicht zu entnehmen, welche Maßnahmen durch Art. 57 Abs. 2 EGV legitimiert sind und welches Instrumentarium, wie etwa Richtlinien oder Verordnungen, zur Verfügung stehen.176 Entsprechend weit gefasst sind die ermöglichten Maßnahmen zu verstehen. In einer Normkonkurrenz zwischen Art. 58 EGV und Art. 57 EGV wird teilweise eine inhaltliche Beschränkung der Reichweite des Art. 57 Abs. 2 EGV in Hinblick auf Maßnahmen, die durch Art. 58 EGV erfasst sind, ge172 Vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 186; vgl. Juillard, in: Weber/ Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 186; vgl. auch Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 206; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 565–566. 173 Die Ermächtigung zur Ausgestaltung von Kapitalverkehrsvorschriften ist von der Regulierung des Kapitalmarktes und eines möglichen europäischen Kapitalmarktes zu trennen. Die Kompetenz zur Regulierung des Kapitalmarktes verbleibt weiterhin auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 207–208; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 565. 174 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 57, Randnr. 2; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 212. 175 Vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 232; vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 773. 176 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 212–213; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 138–139; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 187; vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 255; vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 206; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 566.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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sehen.177 Denn Art. 58 EGV spräche den einzelnen Mitgliedstaaten, auch im Verhältnis zu Drittstaaten, die Regelungskompetenz für steuerliche Normen und der allgemeinen Gefahrenabwehr zu und sei damit als lex specialis im Verhältnis zu der allgemeineren Norm des Art. 57 EGV zu sehen. Gegen diese Auslegung spricht die in Art. 57 EGV ausdrücklich enthaltene Ermächtigung der Gemeinschaft, kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen zu erlassen. Überdies ist dem EG-Vertrag keine inhaltliche Beschränkung der Maßnahmen, die auf der Basis des Art. 57 EGV erlassen werden können, zu entnehmen. Zudem ist für die Rücknahme des erreichten Liberalisierungsniveaus auf der Grundlage des Art. 57 Abs. 2 EGV die Einstimmigkeit des Rates erforderlich; dies gilt in gleicher Weise für die allgemeine Rechtsangleichung des Art. 94 EGV. Nachdem die einstimmige Entscheidung des Rates auf Basis des Art. 94 EGV auch für den steuerlichen Bereich bindend ist, kann auch die subsidiaritätsorientierte Zuordnung der Steuerhoheit des Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV nicht den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 57 Abs. 2 EGV beschränken, solange hierbei die allgemeinen Prinzipien der europäischen Rechtsordnung gewahrt bleiben. Im Übrigen ist dem Grundsatz der Subsidiarität kein anderes Ergebnis zu entnehmen. Der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 5 EGV sieht zwar vor, dass die Gemeinschaft nur tätig wird, soweit die gesetzten Ziele nicht auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten erreicht werden können, umgekehrt ist aber der Grundsatz der Subsidiarität zurückzustellen, soweit die Maßnahmen auf der Gemeinschaftsebene aufgrund ihrer im Vergleich zu den Mitgliedstaaten besseren Wirkung dort anzusiedeln sind.178 Soweit handelspolitische und steuerpolitische Konflikte auf der Ebene der Gemeinschaft besser ausgefochten werden können179, kann durch Art. 58 EGV nicht ausgeschlossen sein, dass dies basierend auf Art. 57 EGV auf der Ebene der Gemeinschaft erfolgt. Auch erscheint es nicht einsichtig, dass der Bereich der Steuern im Verhältnis zu Drittstaaten, der für die handelspolitischen Interessen der Gemeinschaft von besonderer Bedeutung ist, einer erweiterten Beschränkung i. S. d. Art. 58 Abs. 3 EGV unterliegt, welche in Art. 57 Abs. 2 EGV selbst nicht vorgesehen ist. Damit ist durch die weitgehende Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV der Rat in der Einführung kapitalverkehrsbeschränkender Maßnahmen im Wesentlichen nur in Hinblick auf die sachliche Zielsetzung eingeschränkt. So müssen etwaige kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen im 177 178

So etwa Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 139. Vgl. Zorn, in: Pelka, Grenzen der Unternehmensbesteuerung (2000), S. 228–

229. 179

Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 212.

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

Zusammenhang mit Direktinvestitionen stehen, einschließlich der Anlagen in Immobilien, der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen sowie der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten.180 Auch dem Art. 57 EGV liegt die Zielsetzung der Aufrechterhaltung des globalen Ansatzes des Art. 56 Abs. 1 EGV zugrunde. Art. 57 Abs. 2 EGV eröffnet der Europäischen Gemeinschaft den Weg zur Reziprozität181, stärkt die Verhandlungsposition der Gemeinschaft durch die Verlagerung der kapitalverkehrsbeschränkenden Maßnahmen auf die Gemeinschaftsebene und ermöglicht die flexible Reaktion auf Maßnahmen durch Drittstaaten182, die die Interessen der Gemeinschaft nachteilig beeinflussen können.183 Entsprechend ist der Rat, wie es Art. 57 Abs. 2 EGV formuliert, „unbeschadet der anderen Kapitel dieses Vertrags sowie seiner Bemühungen um eine möglichst weitgehenden Verwirklichung des Zieles eines freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (. . .)“ berechtigt, Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten vorzunehmen.184 3. Der sachliche Anwendungsbereich Sowohl die „stand-still“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV als auch die Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV ist jeweils auf Maßnahmen beschränkt, die im Zusammenhang mit Direktinvestitionen stehen, einschließlich der Anlagen in Immobilien, der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen sowie der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten. Da die Kapitalverkehrsfreiheit in ihrem Schutzbereich über die anderen Grundfreiheiten hinausreicht185 und die Grundfreiheiten des Binnenmarktes ihre Wirksamkeit parallel entfalten186, ist der direkte Ver180 Vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 187; vgl. Smits, in: Weber/ Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 255; vgl. Weber, EuZW 1992, S. 566. 181 Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 137. 182 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 210. 183 So etwa die Formulierung in der Präambel der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich ergebenden Maßnahmen, Abl. Nr. L 309 v. 29.11.1996, berichtigt durch Abl. Nr. L 179 v. 8.7.1997, zuletzt geändert durch Verordnung EG Nr. 807/2003 des Rates v. 14. April 2003. 184 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 176. 185 Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit 1997, S. 25. 186 Vgl. etwa Sedlaczek, in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht (2000), S. 46–50; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 206; vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 91; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 754–755.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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weis auf die Kapitalströme, die im Zusammenhang mit einer Niederlassung stehen, klarstellend zu verstehen. Der mit dem Niederlassungsvorgang verbundene Kapitalverkehr ist nicht nur durch Art. 43 EGV, sondern auch durch den Schutzbereich des Art. 56 EGV erfasst. Durch Art. 57 EGV ist eine Beschränkung in Hinblick auf Direktinvestitionen ermöglicht. In Abgrenzung des mit einer Niederlassung verbunden Kapitalverkehrs besteht hierfür keine Anforderung an die Kontrolle und Leitung des Unternehmens.187 Für das Verständnis der Direktinvestition kann wiederum auf die Kapitalverkehrsrichtlinie zurückgegriffen werden.188 Im Anhang der Kapitalverkehrsrichtlinie findet sich unter der Rubrik Begriffsbestimmungen folgende Formulierung: „Im Sinne dieser Nomenklatur und ausschließlich zur Anwendung der Richtlinie gelten als: Direktinvestitionen Investitionen jeder Art durch natürliche Personen, Handels-, Industrie- oder Finanzunternehmen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmern oder Unternehmen, für die die Mittel zum Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind. Der Begriff der Direktinvestitionen ist also im weitesten Sinne gemeint.“189

Zudem wird im Anhang I der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG der Begriff Direktinvestition weiter erläutert. So fallen unter den Begriff Direktinvestitionen nicht nur Zweigniederlassungen, die im vollständigen Eigentum des Kapitalgebers stehen, sondern auch Beteiligungen an Unternehmen sowie darüber hinaus auch langfristige Darlehen und die Reinvestition von Erträgen, soweit diese jeweils zur Erhaltung der wirtschaftlichen Beziehung dienen.190 Naturgemäß ist die Abgrenzung nicht eindeutig zu führen. Vielmehr ist die mit der Anlage verfolgte Intention zu berücksichtigen. So ist eine Direktinvestition mit einer unternehmerischen Zielsetzung verknüpft191, während in Abgrenzung hierzu unter einer Portfolioanlage eine reine Vermögensanlage ohne strategische Zielsetzung zu verstehen ist. Berücksichtigt man den durch Art. 57 Abs. 2 EGV verfolgten Regelungszweck, der der Gemeinschaft eine Reaktionsmöglichkeit auf das Verhalten 187

Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 750. Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 47–49; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 209–210. 189 Vgl. Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, Amtsblatt Nr. L 05/178. 190 Vgl. Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, Amtsblatt Nr. L 05/178. 191 „Nach den Begriffsbestimmungen ist insbesondere die Direktinvestition durch die Möglichkeit gekennzeichnet, sich tatsächlich an der Verwaltung einer Gesellschaft und an deren Kontrolle zu beteiligen.“ Vgl. EuGH v. 4.6.2002, C-503/99, Rs. Kommission/Belgien, Slg. 2002, I-4809 Randnr. 38. 188

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

der Drittstaaten für den Bereich des Kapitalverkehrs erlaubt, ist der Gemeinschaft ein weitgehender Handlungsspielraum zu eröffnen, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Aus dieser Perspektive ist auch für die sachliche Einschränkung des Anwendungsbereiches nur ein geringes Anforderungskriterium zu stellen.192 Nichts anderes ist auch der Definition der Direktinvestitionen aus der Kapitalverkehrsrichtlinie zu entnehmen. Hier wird auf das Kriterium der Schaffung oder Aufrechterhaltung einer dauerhaften Wirtschaftsbeziehung zurückgegriffen.193 Versucht man, diese Frage inhaltlich auf eine Beteiligungshöhe zu reduzieren, so ist dies tendenziell im unteren Bereich einer denkbaren Beteiligungsbandbreite anzusiedeln. Auch wenn der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG keine Prozentangaben hinsichtlich einer Beteiligungshöhe zu entnehmen sind, werden verschiedentlich 1–5% genannt.194 Dennoch sind weder eine Portfolioinvestition noch eine kurzfristige, spekulative Anlage in der als abschließend zu verstehenden Aufzählung der sachlichen Begrenzung des Art. 57 EGV enthalten. Und dies, obwohl neben Finanzinvestitionen auch die passive Geldanlage195 sowie alle Beteiligungen am Sach- oder Geldkapital eines Unternehmens196 vom Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV umfasst sind. Damit verbleibt eine sachliche Regelungslücke in der Ermächtigungsklausel für eine mögliche Einschränkung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs mit Drittstaaten.197 Eine Ausdehnung auf alle Arten des Kapitalverkehrs lässt sich dem Wortlaut der Norm, auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung, nicht entnehmen. Die ausdrückliche, aufzählende Nennung des Anwendungsbereichs des Art. 57 EGV verdeutlicht, dass diese Lücke von den Vertragsparteien erwünscht ist. Denn den beiden Schutzklauseln, Art. 59 EGV und Art. 60 EGV, ist im Verhältnis zu Drittstaaten keine analoge, sachliche Beschränkung zu entnehmen. Damit kann die begriffliche Weitung der Direktinvesti192 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 209–210. Auch Honrath betont, dass die unter Art. 57 EGV fallenden Transaktionen großzügig auszulegen und damit fast alle Kapitaltransaktionen erfasst seien. Nicht geschützt sei ein Bargeldtransfer, der nicht über eine Finanzinstitution geführt wird. Diese seien nicht durch Art. 57 Abs. 2 EGV erfasst. Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 137 u. 138. 193 Vgl. Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, Amtsblatt Nr. L 05/178. 194 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 219. 195 Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 750. 196 Vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 483. 197 Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 138.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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tion nicht beliebig überdehnt werden. Unabhängig von einer eindeutigen Abgrenzung der Portfolioinvestition ist dem Wortlaut des Art. 57 Abs. 2 EGV zu entnehmen, dass der Rat nicht ermächtigt ist, jegliche Ausprägungsform des grenzüberschreitenden Kapitaltransfers zu beschränken.198 So bleiben spekulative Geldströme aus dem Anwendungsbereich der Ermächtigungsklausel ausgenommen und können entsprechend nicht beschränkt werden.199 Für kurzfristige, kapitalstrominduzierte Verwerfungen, die etwa die Stabilität der europäischen Währung gefährden könnten200, sieht der Vertrag mit Art. 59 EGV eine gesonderte Schutzklausel vor, die es dem Rat ermöglicht, auch für diesen Bereich des internationalen Kapitalverkehrs entsprechende Schutzmaßnahmen zu erlassen. Im Verständnis der weltweiten, nichtunternehmerischen Anlageströme bleibt der freie Kapitalverkehr im Verhältnis zu Drittstaaten durch die sachliche Einschränkung des Art. 57 EGV aus der politischen Manövriermasse ausgespart. Insoweit hat die Gemeinschaft die Befugnis zu einer eigenständigen Kapitalverkehrspolitik aufgegeben.201 Diese Unterscheidung des EG-Vertrages bezüglich der internationalen Kapitalströme lässt sich auch in der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG finden, an die die Ausnahmeregelungen des EG-Vertrages für den Kapitalverkehr weitestgehend angelehnt sind. Bereits in der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG wurden in der für die Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten einschlägigen Art. 7 Richtlinie 88/361/EWG kurzfristige Kapitalbewegungen differenziert. Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 88/361/EWG sah für kurzfristige Kapitalbewegungen aus oder in Drittländer, die die monetäre oder finanzielle Lage der Mitgliedstaaten ernsthaft stören, eine Beratung der Maßnahmen vor. Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 88/361/EWG nahm aus der Liberalisierungsverpflichtung wiederum die Niederlassungsgeschäfte, Erbringung von finanziellen Dienstleistungen und die Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten heraus. Damit wurde die grundlegende Struktur der Kapitalverkehrsrichtlinie beibehalten und Art. 7 Abs. 1 Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG in abgewandelter Form in Art. 57 EGV überführt, während Art. 7 Abs. 2 Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG in Art. 59 EGV aufgenommen wurde und 198

Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 138. Berücksichtigt man die Bedeutung der spekulativen Kapitalströme, ohne realökonomischen Hintergrund für den internationalen Kapitalverkehr, so ist „das gemeinschaftsrechtliche Verbot, den Kapitalverkehr zu beschränken, (. . .) fast unbegrenzt.“ Vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft (2002), S. 255–256. 200 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 213–214. 201 Vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft (2002), S. 256. 199

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

die Ermächtigungsgrundlage für kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen infolge der Wirtschafts- und Währungsunion jeweils auf die Ebene der Gemeinschaft verlagert wurde. Eine Regelung auf Gemeinschaftsebene verstärkt einerseits das handelspolitische Gewicht der Gemeinschaft202 und erhöht andererseits die Wirksamkeit der Maßnahmen mit der Zielsetzung des Schutzes des gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraumes.203 4. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip Die große Hürde der Einstimmigkeit, die der Vertragstext für die Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV im Gegensatz zu den Embargomaßnahmen des Art. 60 EGV vorsieht, verdeutlicht, dass Art. 57 EGV den Grundsätzen des Art. 56 EGV verpflichtet bleibt. Das erreichte Liberalisierungsniveau ist nicht grundlos infrage zu stellen. Eine wahllose Entliberalisierung des Kapitalverkehrs auf Basis der Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV ist als unerwünscht anzusehen.204 Entsprechend ist die Grenze der Gemeinschaft in der Anwendung des Art. 57 Abs. 2 EGV in den allgemeinen Grundsätzen der europäischen Rechtsordnung zu sehen. So ist neben dem Gebot der Subsidiarität i. S. d. Art. 5 EGV auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.205 Nun sind den Bestimmungen des Art. 57 EGV keine direkten Beschränkungen hinsichtlich der zu legitimierenden Maßnahmen zu entnehmen. Unabhängig von deren Eingriffsschärfe stehen dem Rat damit prinzipiell alle kapitalverkehrsbeschränkenden Maßnahmen zur Verfügung.206 Im Gegensatz zu Art. 58 EGV ist dem Art. 57 EGV auch kein dem Art. 58 Abs. 3 EGV vergleichbares Verbot der verschleierten Beschränkung und Diskriminierung zu entnehmen.207 Überdies wird durch Art. 57 EGV nicht das in Art. 58 Abs. 1 lit. b) EGV enthaltene Kriterium der unerlässlichen Maßnahmen oder die durch Art. 59 EGV normierte unbedingte Erforderlichkeit der 202 Da der Außenhandel im Verhältnis zu Drittstaaten gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b) EGV u. Art. 133 EGV eine Gemeinschaftsaufgabe ist, erscheint dies nur konsequent. 203 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 212. 204 Vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 206. 205 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 212–213; vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 187. Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 566, vgl. Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich ergebenen Maßnahmen, Abl. L 309 v. 29.11.1996, berichtigt durch Abl. L 179 v. 8.7.1997, zuletzt geändert durch Verordnung EG Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003. 206 Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 566. 207 Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 139.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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Maßnahme als Schranke gesetzt. Damit erschließt sich für mögliche, kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen, die auf der Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV erlassen werden, eine andere Bewertung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, als dies dem äquivalenten Passus der Ausnahmeregelung des Art. 58 EGV zu entnehmen ist. Für einen einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum sind kapitalstrominduzierte, wirtschaftliche Verwerfungen in den einzelnen Mitgliedstaaten hinzunehmen.208 Entsprechend werden auch wirtschaftliche Erwägungen der Mitgliedstaaten im Bereich der Rechtfertigung der Beschränkung einer Grundfreiheit innerhalb des Binnenmarktes nicht durch den EuGH anerkannt.209 Diese Aussage kann nicht in gleicher Weise für den Kapitalverkehr mit Drittstaaten übertragen werden. Die grundsätzlich zu führende Güterabwägung hinsichtlich des Schutzes der Funktion des Binnenmarktes und der Frage der handelspolitischen Reziprozität unterliegt einer divergierenden Wertung gegenüber Drittstaaten.210 Eine gegenseitige Unterstützungsverpflichtung i. S. d. Art. 10 EGV, die geeignet erscheint, das Grundprinzip der Reziprozität aufzuheben und an deren Stelle ein übergeordnetes Interesse der Gemeinschaft zu setzen, ist im Verhältnis zu Drittstaaten nicht gegeben. Auch wenn Art. 56 EGV als ein Signal der Gemeinschaft in Hinblick auf die Anerkennung der globalen Verantwortung zu verstehen ist, stellt dies andererseits nicht die Prüfung der potenziell kapitalverkehrsbeschränkenden Maßnahme auf Angemessenheit und Eignung in Hinblick auf die mit der Maßnahme verfolgte Zielsetzung infrage. Insoweit unterliegen auch Maßnahmen, die auf Grundlage des Art. 57 Abs. 2 EGV erhoben werden, dem allgemeinen, einzelfallorientierten Prüfungsmaßstab der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme hinsichtlich des verfolgten Zieles.211 a) Verordnung 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 Für diese Auffassung spricht auch die auf Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV erlassene Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 „zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von 208

Vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 763 ff. Vgl. EuGH v. 6. Juni 2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 48; vgl. Saß, FR 2000, S. 1272–1273; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 769. 210 Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 139. 211 Auch die Handlungen des Rates unterliegen einer juristischen Überprüfung; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 139. Dennoch kommt den politisch motivierten Handlungen des Rates ein hoher Ermessenspielraum zu. Vgl. Gündisch/Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union 2003, S. 114; vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 230 EGV, Randnr. 29. 209

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von hierauf beruhenden oder sich ergebenden Maßnahmen“.212 Mit der VO (EG) Nr. 2271/96 reagierte die EG auf die US-amerikanische Gesetzgebung, die Sanktionen für den Handel mit Kuba, Iran und Libyen vorsehen. In der Präambel der Verordnung weist der Rat ausdrücklich darauf hin, dass die Gemeinschaft sich zwar dem freien Kapitalverkehr und entsprechend dem schrittweisen Abbau dessen Beschränkung verpflichtet fühlt, die Beseitigung etwaiger Beschränkungen allerdings nicht vorbehaltlos erfolgt, sondern in Abwägung der Interessen der Gemeinschaft und der Ziele des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Dass die Gemeinschaft nicht gewillt ist, das Prinzip der Reziprozität vollständig aufzugeben, wird auch deutlich, wenn man berücksichtigt, dass ausländische Rechtsakte sowohl einerseits in Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen das Völkerrecht als auch andererseits auf ihre Auswirkungen auf die Interessen der Gemeinschaft bewertet werden. So sieht sich der Rat aufgrund der „außergewöhnlichen Umstände“ in Form der durch ein Drittland erlassenen Rechtsakte213 gezwungen, Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zu ergreifen. Ziel der VO (EG) Nr. 2271/96 ist es, „durch Aufhebung, Neutralisierung, Blockierung oder anderweitige Bekämpfung der Auswirkungen der betreffenden ausländischen Rechtsakte“ die bestehende Rechtsordnung und die Interessen der Gemeinschaft zu schützen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.214

212 Vgl. Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich ergebenden Maßnahmen, Abl. Nr. L 309 v. 29.11.1996, berichtigt durch Abl. Nr. L 179 v. 8.7.1997, zuletzt geändert durch Verordnung EG Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003. 213 Art. 1 VO (EG) 2271/96 verweist bezüglich der Rechtsakte, die die Interessen der Personen i. S. d. Art. 11 VO (EG) 2271/96 gefährden, auf den Anhang der VO (EG) 2271/96. Dort werden drei Gesetze sowie eine Verordnung der Vereinigten Staaten aufgezählt. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um „National Defence Authorization Act for Fiscal Year 1993, Title XVII – Cuban Democracy Act 1992, sections 1704 and 1706“, „Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act of 1996“, „Iran and Libya Sanctions Act of 1996“ sowie um die Verordnung „31 CFR (Code of Federal Regulations) Ch. V (7–1–95 edition) Part 515 – Cuban Assets Control Regulations, subpart B (Prohibitions), E (Licenses, Authorizations and Statements of Licensing Policy) and G (Penalties)“. 214 Vgl. Präambel der VO (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich ergebenden Maßnahmen, Abl. Nr. L 309 v. 29.11.1996, berichtigt durch Abl. Nr. L 179 v. 8.7.1997, zuletzt geändert durch Verordnung EG Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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b) Wahrung der Interessen der Gemeinschaft Vergleicht man die Formulierungen der VO (EG) Nr. 2271/96 mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Rechtfertigung der Beschränkung einer Grundfreiheit, so werden Parallelen deutlich. Die Maßnahmen auf Basis der VO (EG) Nr. 2271/96 erfolgen, so die Formulierung in der Präambel, in Übereinstimmung mit den Zielen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und dienen der Wahrung der Interessen der Gemeinschaft. Der EuGH prüft insoweit in der einschlägigen Rechtsprechung der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“, ob ein legitimes Ziel gegeben ist, welches mit dem EG-Vertrag vereinbar ist.215 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip konkretisiert sich im Gebot der Erfordernis in der Präambel der Verordnung216 sowie in der Beschränkung der möglichen Sanktionen der Mitgliedstaaten durch Art. 9 VO (EG) Nr. 2271/96 in Hinblick auf Wirksamkeit, Abschreckung und Verhältnismäßigkeit der erhobenen Maßnahmen. Nichts anderes lässt sich dem einzelfallorientierten Abwägungsmaßstab der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des EuGH entnehmen. Denn dort ist zu prüfen, ob „die Maßnahmen zur Erreichung des fraglichen Zieles“ geeignet sind und nicht über das hinaus gehen, was hierzu erforderlich ist.217 Damit wendet der Rat in der auf Basis der Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV erlassenen VO (EG) Nr. 2271/96 die zentralen Prüfungsmaßstäbe an, die der EuGH hinsichtlich einer Rechtfertigung der Beschränkung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten auf Grundlage der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses entwickelt hat. Dennoch sind Unterschiede sowohl in Hinblick auf das gesetzte Ziel als auch auf die Frage der Erforderlichkeit der Maßnahme festzustellen.218 So 215 Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 33; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 43; EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 26. 216 So wird in der Verordnung darauf hingewiesen, dass die in der „Verordnung vorgesehenen Maßnahmen (. . .) erforderlich sind, um die Ziele des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu verwirklichen.“ Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich ergebenden Maßnahmen, Abl. Nr. L 309 v. 29.11.1996, berichtigt durch Abl. Nr. L 179 v. 8.7.1997, zuletzt geändert durch Verordnung EG Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003. 217 Ständige Rechtsprechung, Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg.2002, I-11779, Randnr. 33; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 43; vgl. EuGH v. 15.5.1997, Rs C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 26.

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

wurden für den Binnenmarkt in der Rechtsprechung wirtschaftliche Interessen der Mitgliedstaaten nicht als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannt.219 Für den Bereich der direkten Steuern ist von besonderer Bedeutung, dass sowohl die Sicherung des Steueraufkommens als auch eine kompensatorische Besteuerung als Rechtfertigungsgrund abgelehnt wurden.220 Innerhalb eines Binnenmarktes, so das Ergebnis der Ausführungen des EuGH, sind Standortunterschiede hinzunehmen. Diese Wertung muss jedoch nicht zwangsläufig ohne weiteres auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ausnahmeklauseln im Verhältnis zu Drittstaaten zu übertragen sein. Im Gegensatz zu Art. 58 EGV, der sowohl im Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt, stellen Art. 57 EGV, 59 EGV und 60 EGV Sondernormen dar, die als solche nahe legen, dass die Rechtsprechung des EuGH bzgl. der ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe, die sich auf den Binnenmarkt beziehen, nicht unmodifiziert zu übernehmen sind. Hierfür spricht auch, dass in den Schutz-, und Ausnahmenormen für den Kapitalverkehr Bezug auf wirtschaftspolitische Erwägungen genommen wird. Zwar ist dies dem Art. 57 Abs. 2 EGV nicht unmittelbar zu entnehmen. Aber Art. 57 Abs. 2 EGV enthält auch kein Erfordernis der inhaltlichen Konkretisierung. Führt man den Ursprung des Art. 57 Abs. 2 EGV auf den handelspolitischen Reziprozitätsgedanken zurück221, dann müssen durch Art. 57 Abs. 2 EGV auch wirtschaftliche Interessen der Gemeinschaft umfasst sein. Gerade die Erwägung, die Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten zu schützen, führt zu der weit reichenden Ausnahmeregelung des Art. 57 Abs. 2 EGV. Im Gegensatz zum Binnenmarkt selbst, wo ein einheitliches Rechtssystem die Mitgliedstaaten und die Marktteilnehmer bindet, unterliegt ein Drittstaat nicht dem EG-Vertrag. Fehlt die Möglichkeit einer Sanktion im Rahmen eines Rechtssystems, so muss zumindest das wirtschaftspolitische Drohpotenzial aufrechterhalten werden, um das erwünschte Wohlverhalten der Drittstaaten zu erreichen. Entsprechend ermöglicht Art. 57 Abs. 2 EGV wirtschaftspolitische Sanktionen und wahrt damit wirtschaftliche Interessen der Gemeinschaft. Mag dies für die einzelnen Mitgliedstaaten im Binnenmarkt abzulehnen sein, um die Funktionsweise des Binnenmarktes nicht zu stören, ist umgekehrt auf der Ebene der Gemeinschaft die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Gemeinschaft im Verhältnis zu Drittstaaten erforderlich, um die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes zu sichern. 218 Vgl. etwa bereits für Unterschiede in der Frage der Erforderlichkeit der unterschiedlichen Grundfreiheiten bei der einheitlichen Rechtfertigungsrechtsprechung des EuGH. Vgl. Roth, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 742. 219 Vgl. Saß, FR 2000, S. 1272–1273; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 769. 220 Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel. 221 So etwa Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 139.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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Das wirtschaftliche Verständnis der Schädigung der Gemeinschaft lässt sich auch der VO (EG) 2271/96 entnehmen. In der Verordnung wird der Schutz der Interessen der Gemeinschaft im Sinne der Vermeidung „nachteiliger Auswirkungen“ verwendet. Hinsichtlich der möglichen Schädigung der EG-Interessen durch die im Anhang aufgeführten US-amerikanischen Gesetze und Verordnungen werden konkretisierend u. a. Einfuhr- oder Ausfuhrbeschränkungen, Entschädigungen, Bußgelder sowie der Verlust von Eigentum oder Rechten oder auch, bezüglich natürlicher Personen, die Gefängnisstrafe genannt.222 II. Schutzmaßnahmen gegenüber Drittländern Art. 59 EGV Neben Art. 57 EGV ermächtigt Art. 59 EGV den Rat, mit qualifizierter Mehrheit den Kapitalverkehr gegenüber Drittländern kurzfristig zu beschränken.223 Eine äquivalente Regelungskompetenz der einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht vorgesehen.224Auch Art. 59 EGV berücksichtigt in der Rechtfertigung der Beschränkung eines grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs ökonomische Interessen der Gemeinschaft.225 Ziel des Art. 59 EGV ist es, den Rat zu ermächtigen, etwaige kapitalstrominduzierte Krisenlagen zu bekämpfen, die geeignet scheinen, die Preisstabilität, die Zahlungsbilanzsituation oder die Kapitalverkehrsbilanz zu gefährden. Durch die Schutzmaßnahmen des Art. 59 EGV können sowohl die Kapitalimporte als auch die Kapitalexporte begrenzt werden.226 Art. 59 EGV steht damit in einem engen Zusammenhang mit der Gründung der europäischen Währungsunion.227 Im Gegensatz zu Art. 57 EGV ist der Ermächtigung des Rates, auf der Basis des Art. 59 EGV Schutzmaßnahmen zu erlassen, keine sachliche Einschränkung zu entnehmen. Voraussetzung für etwaige Schutzmaßnahmen auf der Basis des Art. 59 EGV ist eine schwerwiegende Störung oder auch die Drohung einer schwerwiegenden Störung der Wirtschafts- und Wäh222 Vgl. VO (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich ergebenden Maßnahmen, Abl. Nr. L 309 v. 29.11.1996, berichtigt durch Abl. Nr. L 179 v. 8.7.1997, zuletzt geändert durch Verordnung EG Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003. 223 Teilweise wird diese Regelung kritisiert. So z. B. Seidel, der die heikelste Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sieht und das Fehlen eines Einstimmigkeitserfordernisses bemängelt. Vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 775. 224 Vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 195. 225 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 213. 226 Vgl. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 188. 227 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 224.

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rungsunion.228 Überdies müssen diese Schutzmaßnahmen gemäß Art. 59 EGV „unbedingt erforderlich“ sein, um das Funktionieren der Wirtschaftsund Währungsunion zu sichern. Damit ist im Sinne der Erforderlichkeit eine Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebotes gefordert.229 Der Ausnahmecharakter, den der Vertragstext den Schutzmaßnahmen auf der Basis des Art. 59 EGV zuweist, kann der zeitlichen Restriktion der jeweiligen Maßnahmen entnommen werden. So sieht Art. 59 EGV eine Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten vor.230 Die normierte zeitliche Befristung etwaiger Schutzmaßnahmen ist im Zusammenhang mit der Zielsetzung des Art. 59 EGV zu verstehen, der die Währungsunion vor kurzfristigen, schockartigen, spekulativen Attacken auf den europäischen Kapitalmarkt schützen soll.231 Entsprechend dürfen die ergriffenen Maßnahmen nicht von dauerhafter Natur sein.232 Umgekehrt ist aus diesem Grund die niedrigere Schwelle für die Einführung der Schutzmaßnahmen verständlich. Im Gegensatz zu Art. 57 Abs. 2 EGV, in dem bei einstimmigem Einverständnis des Rates ein dauerhaftes Unterschreiten des erreichten Liberalisierungsniveaus ermöglicht ist, ist für die Schutzmaßnahmen des Art. 60 EGV lediglich das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit vorgesehen. Des Weiteren erfolgt auch keine sachliche Begrenzung der Schutzmaßnahmen. Der Verzicht auf das Einstimmigkeitserfordernis kann der Intention der Vertragsparteien entnommen werden, die Handlungsfähigkeit des Rates zu erhalten. Da zur Abwehr spekulativer Attacken eine rasche Reaktion der Gemeinschaft unabdingbar erscheint, soll eine Schutzmaßnahme nicht ins Leere laufen. Dem Schutz des Binnenmarktes vor spekulativen Attacken kommt bei einer Güterabwägung eine hohe Bedeutung zu. Nichts anderes ist auch der Formulierung „Drohung einer schweren Störung“ zu entnehmen, die dem Rat einen erheblichen Einschätzungsspielraum hinsichtlich einer möglichen, zukünftigen Störung eröffnet – auch wenn der Rat nicht grundlos tätig werden kann233 und sich entsprechend 228 Für eine Darstellung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer schweren Störung des Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion, vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 214–216; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 221–227. 229 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 225–226; vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 256–267; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 232–233; vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 775. Kimms sieht in der Formulierung gar ein strenges Verhältnismäßigkeitsgebot. Vgl. Kimms, Kapitalverkehrsfreiheit (1996), S. 195. 230 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 214; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 231. 231 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 214–215. 232 Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 231.

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bei etwaigen Sanktionen, die dazu dienen, das wirtschaftspolitische Wohlverhalten anderer Staaten zu bewirken, nicht auf Art. 59 EGV stützen kann. Denn vom Grundsatz erfordert Art. 59 EGV die Drohung einer schwerwiegenden Störung der Wirtschafts- und Währungsunion und kann nur in diesem engen Anwendungsbereich Wirkung entfalten. III. Embargomaßnahmen gegenüber Drittländern Art. 60 EGV Embargomaßnahmen, die etwa ausländische Vermögensgegenstände oder Konten „einfrieren“ und den Kapitalverkehr gegenüber bestimmten Drittstaaten blockieren, können gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen.234 Entsprechend ermöglicht es Art. 60 Abs. 1 EGV dem Rat, Sofortmaßnahmen im Rahmen der GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik)235 zu ergreifen, die den Kapital- und Zahlungsverkehr beschränken. Eine Embargomaßnahme, die auf Art. 60 Abs. 1 EGV basiert, erfordern das Embargoverfahren gemäß Art. 301 EGV.236 Im Rahmen des Art. 301 EGV ist eine qualifizierte Mehrheit des Rates ausreichend.237 In ähnlicher Weise wie für Art. 57 Abs. 2 EGV bleibt die Wahl der Maßnahmen dem Rat überlassen.238 Damit eröffnet Art. 60 Abs. 1 EGV dem Rat die Möglichkeit, im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik politisch motivierte Embargomaßahmen einzuleiten, die kapital- oder zahlungsverkehrsbeschränkende Komponenten beinhalten.239 233 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 214; Honrath fordert entsprechend den Nachweis einer drohenden, schweren Störung und sieht entsprechend eine enge Anforderung an die Ermessensausübung des Rates gestellt. Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 225; vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/ Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 267. 234 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 227; vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), 257. 235 Die GASP stellt eine der drei Säulen der Europäischen Union dar. Vgl. Herdegen, Europarecht (2003), S. 51–52. Für eine Darstellung des GASP, vgl. Bieber, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 730–736. 236 Dies beinhaltet das GASP-Verfahren und erfordert die Festsetzung eines gemeinsamen Standpunktes i. S. d. Art. 15 EUV oder durch die Annahme einer gemeinsamen Aktion i. S. d. Art. 14 EUV. Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 227–228; vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 301, Randnr. 2. 237 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 228; vgl. Zeleny, ZÖR 1997, S. 223. 238 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 217. 239 So beispielsweise die Verordnung (EG) Nr. 1727/2003 des Rates vom 29. September 2003 über bestimmte restriktive Maßnahmen gegenüber der Demokratischen Republik Kongo, Amtsblatt Nr. L 249 vom 01/10/2003 S. 5–10; Verordnung (EG) Nr. 1210/2003 des Rates vom 7. Juli 2003 über bestimmte spezifische Be-

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2. Teil, 2. Kap.: Ausnahmevorschriften des EG-Vertrages

Eine Besonderheit im System der Ausnahme- und Schutzklauseln der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten stellt die verbliebene, autonome Möglichkeit der Mitgliedstaaten dar, ebenfalls unilaterale Embargomaßnahmen einzuleiten.240 Jeder Mitgliedstaat kann bei Vorliegen schwerwiegender politischer Umstände aus Gründen der Dringlichkeit selbstständig tätig werden.241 Entsprechend ist die zunächst durch Art. 60 Abs. 1 EGV vorgenommene Verlagerung der Kompetenz auf die Ebene der Gemeinschaft wiederum relativiert. Denn Art. 60 Abs. 2 EGV ermöglicht dann wieder den Mitgliedstaaten, selbstständig tätig zu werden, solange der Rat nicht auf Basis des Art. 60 Abs. 1 EGV Gebrauch von seinem Recht macht.242 Dennoch unterstreicht Art. 60 EGV die Intention, politische Sanktionen auf die Ebene der Gemeinschaft zu verlagern. So ist Art. 60 EGV als eine unmittelbare Konsequenz der globalen Verpflichtung der Europäischen Union zur Kapitalverkehrsfreiheit zu sehen. Das Fehlen einer politisch motivierten Öffnungsklausel würde die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik einschränken. Auch verdeutlicht Art. 60 EGV, dass der Wahrung der Interessen der Europäischen Gemeinschaft im Verhältnis zu Drittstaaten im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik durch die Vertragsparteien eine höhere Bedeutung zugewiesen wurde als der grundsätzlichen Verpflichtung zur Schaffung eines weltweiten, liberalisierten Kapitalverkehrs.243 Der Regelungsumfang des Art. 60 EGV zeigt erneut auf, dass die durch Art. 56 EGV vorgesehene Verpflichtung zur globalen, unbedingten Kapitalverkehrsfreiheit mitnichten in vollem Umfang gegenüber den Drittstaaten realisiert wurde.244 Art. 60 Abs. 2 EGV ist eine ähnliche Formulierung zu entnehmen, wie sie bereits in Art. 59 EGV enthalten ist. Beide Normen finden gleichermaßen schränkungen in den wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zum Irak und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2465/1996, Amtsblatt Nr. L 169 vom 08/07/2003 S. 6–23; Verordnung (EG) Nr. 2488/2000 des Rates vom 10. November 2000 über die Aufrechterhaltung des Einfrierens von Geldern betreffend Herrn Milosevic und Personen seines Umfelds und die Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 1294/1999 und (EG) Nr. 607/2000 sowie des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 926/98, Amtsblatt Nr. L 287 vom 14/11/2000, S. 19–37. 240 Vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 259–260; vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 774. 241 Vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 234; vgl. Zeleny, ZÖR 1997, S. 224. 242 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 227; vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 259–260; vgl. Zeleny, ZÖR 1997, S. 225. 243 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 227–228. 244 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 218–219.

B. Ausnahmeregelungen des Kapitalverkehrs

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ihre Begründung in einer möglichen kurzfristigen Bedrohungskulisse. Während durch Art. 59 EGV Störungen der Wirtschafts- und Währungsunion begegnet werden, sind es bei Art. 60 EGV politische Krisen, die eine schnelle Gegenmaßnahme erfordern. In Abwägung eines durch den unbeschränkten Kapitalverkehr gegebenen Gefährdungspotenzials ist eine entsprechende, niedrige Anforderungsschwelle gegeben. Es liegt im Ermessen des Rates oder der Mitgliedstaaten, ob und welche Maßnahmen auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs getroffen werden. Wird in Art. 59 EGV die niedrige Eingriffsgrenze durch die zeitliche Befristung relativiert, so sieht Art. 60 EGV keinerlei zeitlichen Vorgaben für etwaige Embargomaßnahmen vor.245 Überdies sind im Gegensatz zu Art. 59 EGV, der ausschließlich Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ermöglicht, durch Art. 60 Abs. 2 EGV für den Fall einer politischen Krise Gegenmaßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten zulässig, wenn eine Dringlichkeit des Handlungsbedarfs auf der Ebene der Mitgliedstaaten gegeben ist.246 Auch wenn in der Norm kein zeitlicher Automatismus vorgesehen ist, unterliegen die Maßnahmen, die auf Basis des Art. 60 Abs. 2 EGV erlassen werden, auf Gemeinschaftsebene der ständigen Kontrolle des Rates.247 Denn auf Vorschlag der Kommission ist der Rat berechtigt, Maßnahmen der Mitgliedstaaten mit einfacher Mehrheit zu ändern oder aufzuheben. Darüber hinaus verdrängt eine gemeinschaftsweite Embargomaßnahme das Recht der Mitgliedstaaten, selbstständig tätig zu werden. Das Recht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 60 Abs. 2 EGV, eine Embargomaßnahme einzuleiten, besteht nur, solange keine Regelung i. S. d. Art. 60 Abs. 1 EGV auf Gemeinschaftsebene erfolgt.248 In Hinblick auf eine Abgrenzung der Maßnahmen, die der Rat berechtigt ist durchzuführen, lässt sich Art. 60 EGV keine weitere Einschränkung entnehmen. Allerdings ist Art. 60 EGV in das allgemeine Normensystem der europäischen Gemeinschaft einzuordnen. Der hierdurch implizierte, allgemeine Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit ist für die Gemeinschaft durch das Erfordernis der Notwendigkeit der Embargomaßnahme in Art. 60 Abs. 1 EGV geregelt. In analoger Weise gilt dies für Maßnahmen auf 245

Entsprechend sieht Seidel in der Norm eine Art Freibrief für kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen. Vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 775. 246 Vgl. Smits, in: Weber/Gramlich/Häde/Zehetner, FS für Hugo J. Hahn (1997), S. 259–260. 247 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 228; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 218–219. 248 Strittig ist dagegen, ob die Entscheidung des Rates gegen die Umsetzung einer Embargomaßnahme die Mitgliedstaaten gleichsam in ihre Handlungsmöglichkeit durch Art. 60 Abs. 2 EGV bindet. Gegen diese Auffassung spricht die in Art. 60 Abs. 2 EGV vorgesehene Kontrollmöglichkeit des Rates. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 217; vgl. Zeleny, ZÖR 1997, S. 225.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Ebene der Mitgliedstaaten durch die Begrenzung auf schwerwiegende politische Umstände sowie durch das Erfordernis der Dringlichkeit des Art. 60 Abs. 2 EGV. 3. Kapitel

Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit II – Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe Neben den im Vertragstext normierten Rechtfertigungsgründen hat der EuGH den Rechtsbegriff der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ geprägt, welcher geeignet ist, eine Verletzung der Grundfreiheiten zu rechtfertigen, sofern die Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheitsrechte in verhältnismäßiger Weise erfolgt.249 Entsprechend könnte eine CFC-Legislation auch auf Basis der ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe ermöglicht sein.

A. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses – ein Überblick Der Ursprung der Rechtsprechung zum Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses, welches eine Verletzung der Grundfreiheit rechtfertigen kann, findet sich im zur Warenverkehrsfreiheit erlassenen Urteil „Cassis de Dijon“.250 Dort wurden durch den EuGH in einer nicht als abschließend zu verstehenden Aufzählung insbesondere das Erfordernis einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, der Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz als „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ oder „rule of reason“251 hervorgehoben.252 Im Zusammenspiel mit dem ebenfalls zur Warenverkehrsfreiheit ergangenen Urteil „Dassonville“253, welches mit dem zu Art. 28 EGV ergangenen Verbot einer jeglichen „Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die ge249

Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 70; vgl. Kokott, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 20–21; vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 64–65. 250 Vgl. EuGH v. 20.02.1979, Rs. 120/78, REWE/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, 649. 251 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 146; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 60–61. 252 Vgl. EuGH, v. 20.02.1979, Rs. 120/78, REWE/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649; vgl. Glöckner, EuR 2000, S. 596; vgl. Geiger, EUV/ EGV, Art. 28, Randnr. 15. 253 Vgl. EuGH v. 11.7.1974, Rs. 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837.

A. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses

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eignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“, den Boden für ein sehr weites Verständnis der potenziellen Beeinträchtigung der Grundfreiheiten bereitete, wurde durch den EuGH die Prüfung der Vereinbarkeit einer Norm mit den Grundfreiheiten weitestgehend auf den Bereich der Rechtfertigung verlagert.254 I. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Steuerrecht Aufgrund der ähnlichen Struktur der vier wirtschaftlichen Freiheitsrechte sowie deren einheitlicher Zielsetzung in Hinblick auf die Realisierung des Binnenmarktes ist ein homogenes Verständnis der möglichen ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe als sinnvoll anzusehen.255 So gesehen erscheint auch eine Übertragung der im Rahmen der Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit entwickelten Grundsätze auf die anderen wirtschaftlichen Freiheitsrechte zulässig.256 In der Rechtsprechung hat der EuGH den Grundsatz der Rechtfertigung einer Verletzung der Freiheitsrechte auf der Grundlage der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ auch auf die übrigen Grundfreiheiten übertragen. Dies gilt gleichermaßen für die Niederlassungsfreiheit wie für die Dienstleistungsfreiheit sowie zeitverzögert auch für die Kapitalverkehrsfreiheit.257 254 Auch wenn das später ebenfalls zur Warenverkehrsfreiheit ergangene „Keck“-Urteil das weit gefasste Verständnis der „Dassonville“- und „Cassis de Dijon“-Rechtsprechung teilweise wieder relativiert hat. Vgl. Glöckner, EuR 2000, S. 596–597; vgl. Everling, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 641–615; vgl. Roth, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 740–741; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 65. Zur Frage der Übertragbarkeit der „Keck“-Rechtsprechung auf die Kapitalverkehrsfreiheit vgl. Glöckner, EuR 2000, S. 616–620. 255 Auch wenn dies unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten der verschiedenen Bereiche erfolgen muss. Vgl. Everling, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 618; Roth verweist insbesondere auf Unterschiede in der Beurteilung der Erforderlichkeit. Vgl. Roth, in: Schön, GS für Brigitte KnobbeKeuk (1997), S. 741–742. 256 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 147; vgl. Glöckner, EuR 2000, S. 592. 257 Es ist eher von rechtshistorischem Interesse, ob bereits in der Rechtssache „Veronica“ die Rechtfertigung auf der Basis des zwingenden Allgemeininteresses durch den EuGH für die Kapitalverkehrsfreiheit angewendet wurde. Dafür Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 71 ff.; vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 148; a. A. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit (2000), S. 170 ff.; Rättig/ Protzen verweist auf die Rechtssache „X und Y“ (EuGH v. 21.11.2002, C-436/00, Slg 2002, I-10829, Randnr. 70) und dortige Verweise auf die ausdrückliche Nennung des gleichen Prüfungsmaßstabs für die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit. Vgl. Rättig/Protzen, IStR 2003, S. 199.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Somit sind Maßnahmen, die die Kapitalverkehrsfreiheit beschränken, auf ihre Rechtfertigung im Rahmen der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ zu prüfen.258 Bestätigt wurde diese Auffassung auch in der Rechtssache „Kommission/Belgien“.259 Dort wurde durch den EuGH formuliert: „Der freie Kapitalverkehr kann als tragender Grundsatz des Vertrages nur dann durch eine nationale Regelung beschränkt werden, wenn diese aus den in Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag genannten Gründen oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, die für alle im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten. Ferner ist die nationale Regelung nur dann gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinaus geht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist, so dass sie dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit entspricht.“260

Die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ fügen sich somit in ein einheitliches Rechtfertigungskonzept der allgemeinen Schutzklausel im Sinne des „ordre public“ ein261, welches nunmehr nach der Änderung des Vertrages von Maastricht auch seinen Niederschlag bei der Formulierung der Kapitalverkehrsfreiheit in Form des Art. 58 EGV findet. Das zur Kapitalverkehrsfreiheit ergangene Grundsatzurteil in der Rechtssache „Verkooijen“ ist von zentraler Bedeutung für eine Abgrenzung der möglichen ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe steuerlicher Natur.262 Neben den in Art. 58 EGV normierten Gründen wurde durch den EuGH bezüglich der Frage der strittigen Befreiung der Dividenden von der Einkommensteuer eben auch ausdrücklich die Rechtfertigungsmöglichkeit auf Basis der „Zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ geprüft. Die Anerkennung genereller, schützenswerter Interessen der Allgemeinheit und die damit verbundene Erweiterung der Rechtfertigungsgründe beinhaltet andererseits die Gefahr einer grenzenlosen Ausdehnung der mög258

Vgl. Seidel, in: Randelzhofer, GS für Eberhard Grabitz (1995), S. 766. Vgl. EuGH v. 4.6.2002, Rs. C-503/99, Kommission/Belgien, Slg. 2002, I-04809. 260 EuGH v. 4.6.2002, Rs. C-503/99, Kommission/Belgien, Slg. 2002, I-04809, Randnr. 45 unter Verweis auf Urteile vom 14.12.1995, Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94, Sanz de Lera u. a., Slg. 1995, I-4821, Randnr. 23, und v. 14.3.2000, Rs. C-54/99, Église de scientologie, Slg. 2000, I-1335, Randnr. 18. 261 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 152–153. Die „rule of reasons“ sind auf der Rechtfertigungsebene anzusiedeln. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 68–69. 262 EuGH v. 6.6.2000, Rechtssache C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 725; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 741. 259

A. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses

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lichen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.263 Umgekehrt wird teilweise in der Literatur auch die Gefahr gesehen, durch ein zu weit gehendes Verständnis des Schutzbereiches der Kapitalverkehrsfreiheit das nationale Steuersystem der Mitgliedstaaten infrage zu stellen.264 Beginnend mit der Rechtssache „Kommission/Frankreich“265, welche für den Bereich der direkten Steuern von grundlegender Bedeutung ist266, wurde von den Regierungen der Mitgliedstaaten ein Sammelsurium möglicher Ideen der Rechtfertigung entwickelt sowie teilweise ähnliche Beweggründe in abgewandelter Form in späteren Fällen erneut dem EuGH vorgestellt.267 Der EuGH hat demgegenüber in der einschlägigen Rechtsprechung sowohl in Hinblick auf die schützenswerten Interessen als auch auf die möglichen Maßnahmen enge Grenzen gesetzt. So ist in einer negativen Abgrenzung nicht jedes mitgliedstaatliche Interesse geeignet, eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit zu rechtfertigen. Insbesondere nationale Normen, die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten dienen, sind nicht durch das Argument der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ gedeckt.268 Die Sicherung des Steueraufkommens und die Rechtfertigung auf der Grundlage etwaiger Steuermindereinnahmen ist nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls nicht als „zwingender Grund des Allgemeininteresses“ anzusehen.269 263

Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 769. Vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 87; vgl. Vanistendael, Common Market Review 1994, S. 310–311. 265 EuGH-Urteil v. 28.01.1986, Rs. 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, S. 273. 266 Vgl. Bachmann, RIW 1994, S. 851. 267 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 818. 268 „Nach ständiger Rechtsprechung kann ein rein wirtschaftliches Ziel keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine Beschränkung einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit rechtfertigen könnte (Urteile vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-120/95, Decker, Slg. 1998, I-1831, Randnr. 39, und Kohll, C-158/96, Slg. 1998, I-1931, Randnr. 41).“ Vgl. EuGH v. 6. Juni 2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 48; Saß unter Verweis auf die praktische Bedeutung für das Steuerrecht der Mitgliedstaaten, vgl. Saß, FR 2000, S. 1272–1273; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 769. 269 So in der Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“: „Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach Steuermindereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses anzusehen sind, mit dem eine Maßnahme gerechtfertigt werden kann, die grundsätzlich einer Grundfreiheit zuwiderläuft.“ EuGH v. 12. Dezember 2002; Rechtssache C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 36. Mit Hinweis auf die Urteile v. 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-4695, Randnr. 28, v. 21. September 1999 in der Rechtssache C-307/97, Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 51; v. 14.11.1995, 264

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Dagegen wurden das Prinzip der Kohärenz des Steuersystems und die Frage der wirksamen Steuerkontrolle für den Bereich der direkten Steuern durch die EuGH-Rechtsprechung als „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ anerkannt.270 Neben den steuerspezifischen Rechtfertigungsgründen finden auch die allgemein bereits für die übrigen Grundfreiheiten entwickelten Rechtfertigungsmöglichkeiten Anwendung für die Kapitalverkehrsfreiheit.271 Daneben sind auch spezifische, der Kapitalverkehrsfreiheit aufgrund ihres Regelungsumfangs eigene Schutzgründe, wie etwa der Gedanke des Anlegerschutzes, denkbar.272 II. Die globale Konzeption der Kapitalverkehrsfreiheit Die analoge, einheitliche Handhabung der Rechtfertigungssystematik für alle wirtschaftlichen Freiheitsrechte spricht auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit für ein weites Verständnis der ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe. So verdeutlicht der EuGH in der Rechtssache „Verkooijen“273, dass Art. 58 EGV nicht losgelöst als steuerliche Bereichsausnahme anzusehen ist. Damit ist auch eine unterschiedliche Besteuerung i. S. d. Art. 58 Abs. 1 EGV nur zulässig, sofern dies eben durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ seine Rechtfertigung findet. Insoweit umfasst Art. 58 Abs. 1 EGV nichts anderes, als durch den EuGH bereits vor der ausdrücklichen Kodifizierung im Vertragstext anerkannt wurde.274 Rs. C-484/93, Svensson/Gustavson, Randnr. 15; vgl. auch Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 824. 270 Für eine Darstellung der verschiedenen Rechtfertigungsgründe siehe Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 818 ff.; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 445–450. 271 So etwa die Sicherung der Energieversorgung in Krisenfällen. Vgl. EuGH v. 4.6.2002, Rs. C-503/99, Kommission/Belgien, Slg. 2002, I I-04809, Randnr. 46. 272 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 156–157. 273 Vgl. EuGH v. 6. Juni 2000, Rechtssache C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071. 274 „Die den Mitgliedstaaten durch Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe a EG-Vertrag eingeräumte Möglichkeit, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln, war vom Gerichtshof bereits zugelassen worden. Schon vor Inkrafttreten des Artikels 73d Absatz 1 Buchstabe a EG-Vertrag konnten nämlich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nationale steuerrechtliche Vorschriften der in diesem Artikel bezeichneten Art, die bestimmte Unterscheidungen, insbesondere nach dem Wohnort der Steuerpflichtigen, vorsahen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein, sofern sie auf Situationen angewendet wurden, die nicht objektiv vergleichbar (vgl. insbesondere Urteil vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225) oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere der Kohärenz der Steuerregelung, gerechtfertigt

A. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses

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Wenn aber im Verständnis des EuGH Art. 58 EGV in die Systematik der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ fällt, dann ist hiervon sowohl die unterschiedliche Besteuerung im Binnenmarkt als auch im Drittland umfasst, denn Art. 58 EGV entfaltet seine Wirkung sowohl für den Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten.275 Andererseits geht die Kapitalverkehrsfreiheit in ihrer Schutzreichweite über die übrigen Freiheitsrechte hinaus.276 Hierdurch ist ein wesentlicher Unterschied im Verhältnis zu den übrigen Grundfreiheiten gegeben, welcher auch mit einer anderen Bewertung der Rechtfertigung einer Grundfreiheitsverletzung auf Basis der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ verbunden sein kann. So ähnelt die Kapitalverkehrsfreiheit als Verkehrsfreiheit eben nur im Ansatz der Warenverkehrsfreiheit i. S. d. Art. 28 EGV. Die Warenverkehrsfreiheit ist nur zwischen den Mitgliedstaaten wirksam277 und beschränkt sich auf Gemeinschaftswaren, also Waren, die aus dem Gemeinschaftsgebiet stammen oder sich bereits im Gemeinschaftsgebiet befinden.278 Die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV schützt dagegen ausdrücklich auch den Kapitalverkehr mit Drittstaaten. Die häufiger angeführte Ähnlichkeit der Warenverkehrsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit lässt sich entsprechend auch nur für den Binnenmarkt selbst finden.279 Außerhalb des Binnenmarktes steht die Kapitalverkehrsfreiheit für den Kapitalimport durch Drittstaaten und den Kapitalexport in Drittstaaten in ihrer Sonderrolle isoliert. Entsprechend ist wohl die Rechtsprechung zur Rechtfertigung einer Verletzung der Grundfreiheit auf der Grundlage der „Dassonville“-/„Cassis de Dijon“-/„Keck“-Rechtsprechung für die Kapitalverkehrsfreiheit nur auf den Binnenmarkt zu übertragen. Wenn auch bei einer möglichen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten, gleichermaßen wie im Binnenmarkt, die Prüfung weitgehend auf die Ebene der Rechtfertigung verlagert ist, so ist doch eine unterschiedlich weite Auslegung der Verhältnismäßigkeit durch den EuGH für eine mögliche Beschränkung des Kapitalwaren (Urteile vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-249, und Kommission/Belgien, C-300/90, Slg. 1992, I-305).“ Vgl. EuGH v. 6. Juni 2000, Rechtssache C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 43. 275 Vgl. Zweiter Teil, 1. Kapitel, B. 276 Vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 25. 277 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 28 EGV, Randnr. 4; der Warenverkehr mit Drittstaaten unterliegt der gemeinsamen Handelspolitik. 278 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 28 EGV, Randnr. 5. 279 Für die Gemeinsamkeiten der Warenverkehrsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit bezüglich des Binnenmarktes. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 82; Cordewener klammert entsprechend das zusätzliche Verbot der Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten aus seiner vergleichenden Betrachtung aus. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 222–227, Fußnote 177.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

verkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten zu erwarten. Zudem spricht für ein unterschiedliches Ergebnis in Hinblick auf die Prüfung der Erforderlichkeit der Maßnahme auch das im Verhältnis zu Drittstaaten festzustellende Fehlen eines einheitlichen Rechtssystems sowie die unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Verfahrensmöglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung.280 Auch die im Vertragstext enthaltenen Schutzklauseln Art. 57 EGV, Art. 59 EGV und Art. 60 EGV, die sich nicht in den Rechtfertigungsrahmen der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ einordnen lassen, bekräftigen die Sonderrolle der Kapitalverkehrsfreiheit. Die im Vertragstext enthaltenen, weit reichenden Schutzklauseln im Verhältnis zu Drittstaaten sind, unabhängig von der Einordnung des Art. 58 EGV, nicht auf die Rechtfertigung durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ zurückzuführen, die das Interesse des Einzelnen hinter die Interessen der Allgemeinheit zurücktreten lassen. Vielmehr sind durch Art. 57 EGV, Art. 59 EGV und Art. 60 EGV, wie bereits aufgezeigt, Möglichkeiten vorgesehen, handels- und wirtschaftspolitische Konflikte auf Staatenebene auszutragen sowie einer kurzfristigen kapitalstrominduzierten Gefährdung der Wirtschafts- und Währungsunion zu begegnen. In den bestehenden Schutzklauseln finden sich damit auch Erwägungen der Außen- und Sicherheitspolitik der Gemeinschaft wieder, welche in der auf den Binnenmarkt bezogenen Rechtsprechung keine Berücksichtung finden.

B. Ausgleich des steuerlichen Belastungsniveaus Nun wird durch eine CFC-Legislation primär das ausländische, niedrige steuerliche Belastungsniveau ausgeglichen. Dies beinhaltet nichts anderes als die Frage, ob ein Vorteilsausgleich als Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit anerkannt werden kann. Ist durch den Vorteilsausgleich der Steuerpflichtige selbst berührt und somit der Steuervorteil und der Nachteil in einem Steuersubjekt gleichsam so eng verbunden, dass die beiden Normen sich gegenseitig bedingen, dann ist nach Auffassung des EuGH ein Vorteilsausgleich im Rahmen der Rechtfertigung der Kohärenz des Steuersystems denkbar.281 Soll jedoch ein ausländisches Steu280

Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, D. und E. Siehe hierzu Zweiter Teil, 3. Kapitel, C. Steichen verweist auf eine unterschiedliche Zwecksetzung und sieht entsprechend keine einheitliche Regelung für die Rechtfertigungsmöglichkeit des Belastungsniveaus und der Kohärenz. Vielmehr ermögliche die Kohärenz eine diskriminierende Regelung, die aus steuersystematischen Gründen hingenommen werde. Dagegen ist im Fall des steuerlichen Belastungsausgleichs bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände keine Benachteiligung des EG-Ausländers gegeben. Vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 446. Reimer sieht entsprechend die Frage der möglichen Kom281

B. Ausgleich des steuerlichen Belastungsniveaus

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erniveau im Sinne einer steuerlichen Gegenmaßnahme ausgeglichen werden, dann ist dies nicht mit der Idee der Kohärenz zu rechtfertigen, sondern vielmehr als Vorteilsausgleich zu verstehen. Mit der Gesamtbetrachtung einer steuerlichen Belastung unter Berücksichtigung anderer Vorteile, wie etwa Sozialleistungen, ist dann auch die Frage einer sinnvollen Abgrenzung der staatlichen Belastung, die auf den Wirtschaftssubjekten liegt und in einen Belastungsvergleich eingeht, aufgeworfen.282 I. Rechtssache „Kommission/Frankreich“ vom 28. Januar 1986 Bereits in der Rechtssache „Kommission/Frankreich“283 aus dem Jahr 1986 wurde die Problematik der Rechtfertigung auf der Grundlage eines Vorteilsausgleichs aufgeworfen. Der französische Fiskus versagte beschränkt steuerpflichtigen Versicherungsgesellschaften die Anrechnung des französischen Körperschaftsteuerguthabens („avoir fiscal“) und verwies auf eine verschiedenartige Besserstellung der ausländischen Unternehmen im Vergleich zu französischen Gesellschaften, die schließlich den bestehenden steuerlichen Nachteil der ausländischen Anbieter in anderen Bereichen ausgleichen würde.284 Der EuGH folgte der Argumentation der französischen Regierung nicht und prüfte vielmehr in einer isolierenden Betrachtungsweise, die eine mögliche kompensatorische Auswirkung anderer Rechtsnormen nicht beachtet, ausschließlich die diskriminierende Wirkung der steuerlichen Norm selbst.285 Mit der Ablehnung der Argumentation der französischen Finanzverwaltung in der Rechtssache „Kommission/Frankreich“ hat der EuGH entsprechend auch der Idee einer andersartigen Kompensation der festgestellten, diskriminierenden, steuerlichen Belastung durch Versagung der Körperschaftsteueranrechnung eine klare Absage erteilt.286 pensation aufgrund ihrer Zwitterstellung auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und verweist auf ein dann zu berücksichtigendes, enges Kriterium der Personenidentität. Vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 69–70. 282 In diese Richtung wohl auch die Vorstellung der deutschen Regierung in der Rs. „Eurowings“. Allerdings gab die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung den Gedanken wieder auf. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 566–567. Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, B.III. 283 EuGH v. 28.01.1986, Rs. C-270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, S. 273. 284 Vgl. EuGH v. 28.01.1986, Rs. C-270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 21. 285 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 819; vgl. Bachmann, RIW 1994, S. 851. 286 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 396; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 443–444; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 819.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

II. Rechtssache „Asscher“ vom 27. Juni 1996 Auch wenn der EuGH durch die Ausführungen in der Rechtssache „Kommission/Frankreich“ bereits frühzeitig eine ablehnende Haltung zur Idee eines globalen Vorteilsausgleichs unter Berücksichtigung von Belastungen, die in keinem direkten Zusammenhang stehen, einnimmt, trug die niederländische Regierung dennoch diesen Rechtfertigungsgrund in abgewandelter Form erneut in der Rechtssache „Asscher“287 vor. Die Niederlande erhoben für Gebietsfremde einen erhöhten Steuersatz und sahen diesen steuerlichen Nachteil durch einen unterschiedlichen Steuerdruck auf die gebietsansässigen Steuerpflichtigen und die gebietsfremden, nicht sozialversicherungspflichtigen Steuerpflichtigen gerechtfertigt. Denn, so die Auffassung der niederländischen Regierung, „ohne die Anwendung eines erhöhten Satzes würden die gebietsfremden, nicht beitragspflichtigen Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung gegenüber den Gebietsansässigen und den diesen gleichgestellten Personen erhalten, für die der Wegfall der Abzugsfähigkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu einer Erhöhung des zu versteuernden Einkommens und einer entsprechenden Erhöhung der Steuer geführt habe.“288 Damit trug die niederländische Regierung die Idee einer Art sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Gesamtbelastung vor, die eine steuerliche Mehrbelastung durch sozialversicherungsrechtliche Vorteile kompensieren könne. In Fortführung der bereits in der „Kommission/Frankreich“-Entscheidung vorgetragenen Auffassung nahm der EuGH auch in der Rechtssache „Asscher“ eine isolierende Betrachtung vor, die einen Ausgleich einer steuerlichen Mehrbelastung durch eine fehlende Belastung mit sozialversicherungsrechtlichen Lasten nicht zulässt. Nach Auffassung des EuGH könne der niederländische Staat den Anschluss des gebietsfremden Steuerpflichtigen an das Sozialsystem durchführen. In diesem Fall stünde dem Steuerpflichtigen ebenfalls der geringere Steuersatz zur Verfügung. Oder aber er unterliegt nicht dem Sozialversicherungssystem der Niederlande. In diesem Fall, so der EuGH, „(. . .) kommt es nicht infrage, ihn durch einen steuerlichen Ausgleich dafür zu bestrafen, dass er in den Niederlanden keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.“289

287

Vgl. EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089. Vgl. EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089; Randnr. 51. 289 Vgl. EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089; Randnr. 53–54. 288

B. Ausgleich des steuerlichen Belastungsniveaus

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III. Rechtssache „Eurowings AG“ vom 26. Oktober 1999 Während sowohl in den Rechtssachen „Kommission/Frankreich“ als auch „Asscher“ eine allgemeine Kompensation gegenüber Vorteilen im steuerlichen Bereich und in anderen Rechtsbereichen verhandelt wurde, sollte sich der Rechtfertigungsversuch der deutschen Regierung in der Rechtssache „Eurowings“290 nur auf den steuerlichen Bereich beschränken. Der EuGH sah letztlich auch keinen Unterschied in der Bewertung, ob nun der zu kompensierende Vorteil in den Sozialabgaben, Steuern oder den allgemeinen Standortbedingungen zu sehen ist. In der zu entscheidenden Rechtssache leaste die deutsche Fluggesellschaft Eurowings AG von einer irischen Kapitalgesellschaft Flugzeuge. Gemäß § 8 Nr. 7 GewStG sind bei der Festsetzung der Gewerbesteuerlast der Eurowings AG in Deutschland die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen wieder hinzuzurechnen, sofern diese beim Vermieter nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Dies traf in dem zu entscheidenden Sachverhalt für den Vermieter mit Sitz in Irland zu. Würde die Eurowings AG einen Leasing-Vertrag mit einem inländischen Anbieter abschließen, so entfiele die Gewerbesteuerlast der Eurowings AG.291 Bei der gewerbesteuerlichen Norm handelt es sich zunächst um eine Regelung, die tatbestandsmäßig nicht zwischen In- und Ausland unterscheidet und gleichermaßen wirksam ist. Somit ist eine Diskriminierung nicht direkt ersichtlich. Bei der Vergleichspaarbildung verdeutlicht der EuGH schließlich seine Auffassung, wonach es sich bei der deutschen Regelung dennoch um eine faktisch diskriminierende Regelung handelt. Durch die Norm ist zumindest die Auftragsvergabe durch das Unternehmen mit Sitz im Inland auch davon abhängig, ob der Vermieter die Gewerbesteuerlast trägt. Bei einem vergleichbaren, inländischen Anbieter würde dieser selbst die Gewerbesteuer tragen. Der Mieter wäre entsprechend entlastet.292 Zunächst sah die deutsche Regierung keine Benachteiligung der ausländischen Gesellschaft gegeben, da letztlich im Fall des grenzüberschreitenden Leasinggeschäfts keine Mehrbelastung des inländischen Anbieters ersichtlich ist. Ein inländischer Anbieter, der der Gewerbesteuer unterliegt, könne seine Gewerbesteuerlast über die Mischkalkulation des Angebotes auf den Mieter überwälzen. Im Ergebnis sei daher, nach Auffassung der deutschen Regierung, immer der Mieter der Träger der Gewerbesteuerlast, unabhängig von der tatsächlichen Steuerbelastung.293 Wie Generalanwalt 290

Vgl. EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-7447. Vgl. Kämper, FR 2001, S. 665–666. 292 Vgl. EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-7447; Randnr. 35–37. 291

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Mischo in seinen Schlussanträgen zu Recht feststellt, kann jedoch eine generelle Überwälzbarkeit der Steuer nicht unterstellt werden. Diese hängt wesentlich von der Wettbewerbssituation der Marktteilnehmer ab.294 Überdies rechtfertigt eine potenzielle Besteuerung im Inland keine unterschiedliche Behandlung der grenzüberschreitenden Rechtsbeziehung, bei der eine Besteuerung des Mieters immer erfolgt, da die ausländische Gesellschaft nicht der Gewerbesteuer unterliegt und entsprechend kraft Gesetz die Steuerlast umgekehrt wird. Es macht aber einen erheblichen Unterschied, ob eine Steuer möglicherweise überwälzt wird oder der andere Vertragspartner die Steuerlast per se trägt.295 In einem weiteren Versuch der Rechtfertigung der hier zugrunde gelegten Gewerbesteuernorm verwies die deutsche Finanzverwaltung in ihrer Argumentation schließlich auf den steuerlichen Vorteilsausgleich. Denn durch diese diskriminierende steuerliche Norm sei eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nicht gegeben. Vielmehr unterliegt der inländische Anbieter in einem Vergleich, der die gesamte Steuerbelastung berücksichtigt, aufgrund der fehlenden Gewerbesteuer und einer im Vergleich niedrigeren Körperschaftsteuer in Irland einer faktischen Diskriminierung gegenüber dem ausländischen Anbieter. Zwar sei die abstrakte Diskriminierung gegeben, faktisch aber aufgrund der insgesamt höheren Steuerlast des vergleichbaren Anbieters im Inland irrelevant.296 Dieser Argumentation konnte so nicht gefolgt werden. Zunächst ist eine Mehrbelastung des inländischen Anbieters europarechtlich unproblematisch. Jedoch kann dies nicht eine, bei einer isolierenden Betrachtung gegebene diskriminierende Behandlung der ausländischen Marktteilnehmer rechtfertigen. Würde man den aufgeworfenen Gedankengang der deutschen Regierung weiterführen, so könnte nahezu jegliche grenzüberschreitende Diskriminierung, wohlgemerkt des ausländischen Geschäftspartners, durch eine entsprechend höhere inländische Belastung des Vergleichsobjekts begründet werden. Weitergehend drängt sich die Frage auf, wo das Ende der gedanklichen Rechtfertigung einer gesamtsteuerlichen Betrachtung erreicht sein sollte, oder ob weitere Standortfaktoren neben dem jeweiligen Steuerniveau in den Belastungsvergleich einzubeziehen sind. Ist etwa neben den Steuerlasten auch das Sozialsystem eines Staates in die Vorteilsbetrachtung ein293 Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26.1.1999. Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-07447, Randnr. 49. 294 Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26.1.1999. Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-07447, Randnr. 55–56. 295 Vgl. EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-7447; Randnr. 38–40. 296 Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26. Januar 1999, Rs. C-294/97, Slg. 1999, I-07447, Randnr. 58.

B. Ausgleich des steuerlichen Belastungsniveaus

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zubeziehen, so müssten konsequenterweise auch die begünstigenden Leistungen Berücksichtigung finden.297 So können deutsche Unternehmen, beispielsweise aufgrund der vergleichsweise hohen Soziallasten und des hohen Lohnniveaus, gegenüber den Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten benachteiligt sein.298 Würden neben den steuerlichen Faktoren auch andere Standortunterschiede oder das generelle Sozialniveau einbezogen, so würde dies aber, wie die Kommission zu Recht anführt, an den Grundfesten des Binnenmarktes rütteln. Entsprechend deutlich dann auch die Formulierung der Kommission: „Könnten nämlich Unterschiede in der direkten Unternehmensbesteuerung durch kompensierende Abgaben der Mitgliedstaaten im innergemeinschaftlichen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr neutralisiert werden, so bliebe von diesen Grundfreiheiten nur noch wenig übrig. Fast der gesamte Waren- und Dienstleistungsverkehr würde im Verhältnis der einzelnen Mitgliedstaaten zueinander irgendwelchen Ausgleichsabgaben unterworfen. (. . .) Unterschiede in der Steuerbelastung müssen ebenso wie Unterschiede in der Belastung mit Sozialabgaben oder unterschiedlichen Lohnkosten von Mitgliedstaaten und Betrieben grundsätzlich hingenommen werden.“299

Zudem würde eine fiskalische Nivellierung der jeweiligen Standorte das Konzept des Binnenmarktes ad absurdum führen, da eine Spezialisierung sowie spezielle Standortvorteile ohne wirtschaftlichen Vorteil für die Gemeinschaft insgesamt verblieben. Die Möglichkeit einer nicht als missbräuchlich zu verstehenden Steuerwahl ist unmittelbare Folge, aber auch Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb der Standorte im Binnenmarkt.300 Überdies entspricht eine überspitzte „Gleichmacherei“ nicht dem Gebot des Subsidiaritätsprinzips. Denn die Subsidiaritätsklausel des Art. 5 EGV spricht den Mitgliedstaaten im bestehenden Wettbewerb der Systeme die Möglichkeit zu, auf unterschiedliche Standortbedingungen zu reagieren.301 In einer einheitlichen Rechtsprechung versagt der EuGH schließlich auch in der Rechtssache „Eurowings“ der Argumentation der Bundesregierung die Zustimmung und wendet erneut die isolierende Betrachtungsweise für die Prüfung einer möglichen Diskriminierung an und stellt schließlich fest, dass „(. . .) eine solche Ungleichbehandlung auch nicht damit gerechtfertigt 297 Dautzenberg lehnt dies ab, da es kein geeignetes Kriterium sei. Vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung (1997), S. 45–46, insbesondere Fußnote 135. 298 Eine Analyse der Standortfaktoren findet sich etwa bei Jackstein. Vgl. Jackstein, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 181–186. 299 Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26.1.1999. Rechtssache C-294/97, Slg. 1999, I-07447, Randnr. 59. 300 Vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung (1997), S. 26–27. 301 Vgl. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung (1997), S. 44–47.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

(ist), daß der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Vermieter möglicherweise einer geringeren steuerlichen Belastung unterliegt.“302 Überdies bestätigte der EuGH die Auffassung der Kommission und des Generalanwaltes Mischo und bekräftigte in seinem Urteil die Auffassung, dass eine kompensatorische Abgabe den Binnenmarkt in seinen Grundlagen beeinträchtigen würde.303 IV. Rechtssache „Verkooijen“ vom 6. Juni 2000 Mit der Rechtssache „Verkooijen“304 wurde der vorgenannte Grundsatz des Kompensationsverbotes auch für die Kapitalverkehrsfreiheit305 bestätigt.306 In der Rechtssache „Verkooijen“ sah sich ein niederländischer Aktionär einer belgischen Gesellschaft in seinen Freiheitsrechten verletzt. Denn die niederländische Steuergesetzgebung sieht einen Sparerfreibetrag für Dividenden heimischer Gesellschaften vor. Umgekehrt ist für Dividenden ausländischer Gesellschaften diese Freistellung nicht zu gewähren. Unter Berücksichtigung der isolierenden Betrachtungsweise lehnt es der EuGH ab, eine diskriminierende steuerliche Benachteiligung, die gegen eine Grundfreiheit verstößt, durch etwaige andere steuerliche Vorteile zu rechtfertigen. Das Urteil steht damit in einer einheitlichen Rechtsprechungstradition, indem der EuGH konsequent etwaige kompensatorische Belastungsunterschiede als Rechtfertigungsgrund eines Verstoßes einer Norm gegen die Grundfreiheiten ausschließt.307

302 Vgl. EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-07447; Randnr. 43. 303 Vgl. EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-07447; Randnr. 45. 304 EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071. 305 Das Urteil erfolgte noch auf der Basis der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG. 306 Vgl. Lang, IStR 2002, S. 220; vgl. Saß, FR 2000, S. 1274; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 725. 307 Vgl. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 61; unter Verweis auf die Urteile vom 28.1.1986 in der Rechtssache 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 21; vom 27.6.1996 in der Rechtssache C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 53, und vom 21.9.1999 in der Rechtssache C-307/97, Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I-6161, Randnr. 54; vgl. Artikel 59 EG-Vertrag [nach Änderung jetzt Artikel 49 EG], Urteil vom 26.10.1999 in der Rechtssache C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-7447, Randnr. 44.

B. Ausgleich des steuerlichen Belastungsniveaus

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V. Zwischenergebnis Die ablehnende Haltung des EuGH gegen die Argumentation eines kompensatorischen Vorteilsausgleichs ist in der Rechtsprechung des EuGH für die verschiedenen Grundfreiheiten einheitlich verankert und sieht, bis auf die engen Voraussetzungen der Kohärenz des Steuersystems, keine weiteren Ausnahmen zur Rechtfertigung einer Beschränkung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten vor.308 Mit der grundsätzlichen Ablehnung der Berücksichtigung einer möglichen Kompensation steuerlicher Nachteile durch andere Vorteile hat der EuGH implizit auch zur möglichen Rechtfertigung einer steuerlichen Gegenmaßnahme im internationalen Steuerwettbewerb, die letztlich den Ausgleich einer geringeren steuerlichen Belastung im Ausland bedingt, Stellung genommen. 1. Binnenmarkt Damit kommt der ständigen Rechtsprechung des EuGH zum Verbot des Vorteilsausgleichs eine erhebliche Bedeutung für eine Rechtfertigung der CFC-Legislation als steuerliche Gegenmaßnahme zu. Zwar diskutiert der EuGH in der „Eurowings“-Entscheidung lediglich die Vereinbarkeit einer diskriminierenden Regelung des nationalen Gewerbesteuerrechts mit dem Europarecht, der ausländische Bezug der Regelung ist dagegen nur indirekt gegeben. Denn es handelt sich um ein System, das im Inland sicherstellt, dass die Gewerbesteuer nur einmalig erhoben und eine Doppelbesteuerung vermieden wird.309 Auch wenn tatbestandsmäßig nicht zwischen In- und Ausland unterschieden wird, handelt es sich bei dieser gewerbesteuerlichen Regelung für den grenzüberschreitenden Vorgang, wenn auch nur indirekt, um eine steuerliche Ausgleichsmaßnahme, die insoweit in ihrer Wirkung einer CFC-Legislation ähnelt. Wenn es der deutschen Regierung ermöglicht wäre, aufgrund einer fehlenden ausländischen Gewerbesteuerbelastung im Inland diese zu erheben und so bei zwei getrennten Steuersubjekten gleichsam eine Gesamtsteuerbelastung durchzusetzen, dann wäre auch der Weg eröffnet, eine nicht erhobene ausländische Körperschaftsteuer kompensatorisch im Inland beim Anteilseigner aufzufangen. Entsprechend ist durch die EuGH-Urteile „Eurowings“ und „Verkooijen“ das Grundkonzept der CFCLegislation als kompensatorische Gegenmaßnahme, zumindest für den Binnenmarkt, deutlich infrage gestellt.310 Überdies würde eine denkbare, gene308

Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 769–770. Vgl. Kämper, FR 2001, S. 665–666. 310 Vgl. Steingen, The EC Tax Journal 2002, S. 29; vgl. Lang, IStR 2002, S. 219–220; vgl. Stefaner, SWI 2002, S. 420; vgl. Schaumburg, DB 2005, S. 1133. 309

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

relle Durchgriffsbesteuerung die Wahl des Steuerniveaus in der Gemeinschaft aushöhlen und den Wettbewerb der Steuersysteme im Binnenmarkt einschränken.311 2. Drittstaaten Zunächst ist im Verhältnis zu Drittstaaten naturgemäß keine direkte Beeinträchtigung der Funktionsweise des Binnenmarktes durch eine kompensatorische Belastung gegeben. Auch der Wettbewerb der Steuersysteme unterliegt keiner politischen Kontrolle, wie dies für den Binnenmarkt durch den EU-Verhaltenskodex gegeben ist. So ist letztlich die wirtschaftliche Rechtfertigung des Kompensationsverbots aus dem Binnenmarkt nicht ohne weiteres auf den Kapitalverkehr mit Drittstaaten zu übertragen. Dennoch spricht der in Art. 56 EGV verfolgte globale Ansatz der Kapitalverkehrsfreiheit für die Anwendung des Kompensationsverbotes auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Nicht zuletzt soll durch das Bekenntnis zum freien Kapitalverkehr die Attraktivität des Kapitalanlageortes Binnenmarkt gesteigert werden. Eine kompensatorische Besteuerung erscheint geeignet, dieses Ziel zu unterminieren. Unabhängig von einer etwaigen negativen Auswirkung auf die Funktionsweise des Binnenmarktes und dem Wettbewerb der Systeme innerhalb des Binnenmarktes scheint dem EuGH aber bereits die Grundidee eines Belastungsausgleichs mit einer eindeutig präferierten, isolierenden Betrachtungsweise fremd. Der ständigen Rechtsprechung zufolge ist eine beschränkende steuerliche Norm, unabhängig von ihrer Begründung und ihrer möglichen Einbettung in das Regelungssystems des Mitgliedstaates, auf einen Verstoß gegen den Schutzbereich der Grundfreiheiten hin zu prüfen. Überträgt man diesen formaljuristischen Grundsatz der isolierenden Betrachtungsweise des EuGH auf den Kapitalverkehr mit Drittstaaten, dann ist dies gleichwohl auch im Verhältnis zu Drittstaaten nicht zu rechtfertigen und der Grundsatz des Kompensationsverbots auch hier anzuwenden.312 Für dieses Ergebnis sprechen auch die im EG-Vertrag vorgesehenen, weit reichenden Möglichkeiten, auf Ebene der Gemeinschaft wirtschaftspolitisch tätig zu werden. Im Verhältnis zu Drittstaaten ist damit das Problemfeld eines kompensatorischen Belastungsausgleichs im Verständnis einer handelspolitischen Maßnahme m. E. eher den wirtschaftlich orientierten Ausnahmeklauseln des Art. 57 EGV oder Art. 60 EGV zuzuordnen. Umso mehr, als 311

Vgl. Steingen, The EC Tax Journal 2002, S. 28. Steingen verweist auf mögliche Auswirkungen der Rs. „Verkooijen“ auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Vgl. Steingen, The EC Tax Journal 2002, S. 29. Saß zieht dagegen aus der Rechtssache „Verkooijen“ nur ein Verbot der Kompensation mit Vorteilen im EU Ausland. Vgl. Saß, FR 2000, S. 1274. 312

C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems

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der Vertragstext mit Art. 57 Abs. 2 EGV explizit die Möglichkeit schafft, aus politischen Gründen eine Norm einzuführen, die geeignet ist, die Kapitalverkehrsfreiheit zu beschränken.

C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems Die Sicherstellung der Kohärenz des nationalen Steuersystems stellt eine der wenigen, durch die Rechtsprechung des EuGH anerkannten Rechtfertigungsgründe dar.313 Unter der Kohärenz eines steuerlichen Systems versteht der EuGH allgemein den engen Zusammenhalt der steuerrechtlichen Normen, der es nahezu zwingend erscheinen lässt, einen Vorteil nur im Zusammenhang mit dem entsprechenden Nachteil zu ermöglichen. Anders formuliert muss das Normengefüge so eng sein, dass die Aufgabe der einen Norm das Regelungssystem insgesamt gefährdet.314 Folglich muss die steuerliche Norm, die eine Beschränkung der Grundfreiheiten beinhaltet, mit einer weiteren Norm im Kohärenzverhältnis stehen – mithin ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Steuervorteil und der diesen Vorteil ausgleichenden belastenden Norm bei dem Steuerpflichtigen gegeben sein.315 Damit stellt eine mögliche Rechtfertigung auf der Basis der Kohärenz des Steuersystems eine Schnittmenge eines weiter angelegten Vorteilsausgleichs dar316 und korrigiert insoweit die sonst vom EuGH verfolgte, isolierende Betrachtungsweise, indem sie die steuerliche Norm in ihrer Gesamtheit betrachtet und unter bestimmten engen Voraussetzungen, trotz des grundsätzlichen Kompensationsverbotes, einen Vorteilsausgleich ermöglicht.317 Entsprechend unterscheidet auch der EuGH in seinem Urteil etwa in der Rechtssache „Asscher“ und auch in der Rechtssache „Eurowings AG“ die Rechtfertigung auf der Basis der Kohärenz des Steuersystems von der Prüfung einer Rechtfertigung unter Berücksichtigung eines sozialen Vorteilsausgleichs oder der Betrachtung der gesamten steuerlichen Umstände.318 313 Vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 446–450; vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 164–166; vgl. Hahn, IStR 1999, S. 614. 314 Vgl. Müller, IStR 2002, S. 112; vgl. Eicker/Müller, RIW 2001, S. 441. 315 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 819. 316 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 819. 317 Dautzenberg sieht daher im Kompensationsverbot und der Kohärenz des Steuersystems zwei Seiten derselben Medaille. Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 725. 318 Auch Generalanwalt Mischo prüft in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache „Eurowings“ die Kohärenz unabhängig von der Frage der steuerlichen Gesamtbelastung. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26.1.1999, Rs. C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-07447; für die Kohärenz Randnr. 44–48 sowie für den Vergleich der gesamten steuerlichen Umstände Randnr. 58–60.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

I. Rechtssache „Bachmann“ vom 28. Januar 1992 Erstmals wurde der Kohärenzgedanke des Steuersystems als möglicher Rechtfertigungsgrund einer Verletzung der Grundfreiheiten in der Rechtssache „Bachmann“319 in Bezug auf das belgische Steuerrecht aufgeworfen.320 In der Sache ging es um die Entscheidung, ob Versicherungsbeiträge an deutsche Versicherungsgesellschaften steuerlich in Belgien abzugsfähig sind. Im belgischen Steuerrecht waren Beiträge an ausländische Versicherungsgesellschaften von dieser steuerlichen Bevorzugung ausgeschlossen.321 Dennoch sah der EuGH eine Rechtfertigung der Benachteiligung der ausländischen Versicherungsanbieter auf der Grundlage der Wahrung der Kohärenz des belgischen Steuersystems gegeben.322 Da die Entscheidung über die Struktur des nationalen Steuersystems unter Wahrung der wirtschaftlichen Freiheitsrechte weiterhin bei dem jeweiligen Mitgliedstaat verbleibt, ist es dem jeweiligen Mitgliedstaat auch überlassen, sein Steuersystem kohärent zu gestalten.323 So akzeptierte der EuGH auch die Grundsatzentscheidung des belgischen Staates, Zahlungen an die Versicherungsgesellschaft steuermindernd zu berücksichtigen und im Auszahlungsfall eine spätere Besteuerung zu erheben. Entsprechend müsste Belgien für den Fall der ausländischen Versicherungsgesellschaften, so Belgien denn den Steuerabzug der dort entrichteten Beiträge zuließe, ein entsprechender Zugriff auf die späteren Zahlungen der Versicherungsgesellschaften an den Beitragszahler ermöglicht sein. Hier sah der EuGH nun die Kohärenz des belgischen Steuersystems gefährdet, da keine „hinreichende Garantie“ für eine spätere Besteuerung gegeben sei.324 Entsprechend ist die belgische Norm durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.325 Die Entschei319

Vgl. EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249. Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 155; vgl. Dietrich, Sitzverlegung im Binnenmarkt (2001), S. 222–225; vgl. Eicker/Müller, RIW 2001, S. 441; vgl. Lupo, European Taxation 2000, S. 272; vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 140; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 819. 321 Für eine Darstellung des Sachverhaltes vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 437; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 87; vgl. Bachmann, RIW 1994, S. 855. 322 Vgl. EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249, Randnr. 28. 323 Dies umfasst auch die Mittel zur Durchsetzung des Steueranspruchs. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 447. 324 Vgl. EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249, Randnr. 24–26; Eine andere Auffassung vertrat Generalanwalt Mischo, der geeignete administrative Möglichkeiten gegeben sah, diesen Besteuerungsanspruch sicherzustellen und deshalb in der Begrenzung des steuerlichen Abzugs auf Versicherungsbeiträge an inländische Unternehmen einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeits320

C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems

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dung des EuGH in der Rechtssache „Bachmann“ wurde in der Literatur heftig kritisiert, fand doch in dem Urteil die durch das Doppelbesteuerungsabkommen Belgien-Deutschland erfolgte Zuordnung des Besteuerungsrechtes keine Berücksichtigung.326 II. Rechtssachen „Wielockx“, „Svensson/Gustavsson“ und „Eurowings“ Während in der Folgezeit der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz in mehreren Entscheidungen Erwähnung fand327, enthielt sich der EuGH dennoch einer weiteren Stellungnahme.328 Erst durch die Rechtssache „Wielockx“329 wurde schließlich der durch die Rechtssache „Bachmann“ eingeführte Grundsatz der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems durch den EuGH erneut aufgegriffen und konkretisiert.330 Es wurde die Frage der Zuweisung des Besteuerungsrechtes auf Basis der Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen und somit die Frage der Kohärenz vom direkten, unmittelbaren steuerlichen Vor- und Nachteil auf Subjektebene um eine zweite Ebene erweitert, die gleichsam die Kohärenz des gesamten nationalen Steuersystems berücksichtigt.331 So bedingt der Gedanke der Kohärenz des Steuersystems eine enge Wechselbeziehung zwischen dem gewährten Vorteil und dem steuerlichen Nachteil. Verzichtet der Mitgliedstaat auf sein Besteuerungsrecht durch das Doppelbesteuerungsabkommen, so verwirkt er insoweit auch die Möglichkeit, im Inland ein kohärentes Steuersystem zu wahren.332 prinzip feststellte. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mischo v. 17.9.1991, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249. 325 Vgl. Saß, DB 2000, S. 176. 326 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 827; vgl. Wattel, CML Rev. 1996, S. 240–241; vgl. Knobbe-Keuk, EC Tax Review 1994, S. 80–81; 327 So etwa EuGH v. 14.2.1995, Rs. C279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089. 328 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 828–829. 329 EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493. 330 Vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 446–447; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 829; vgl. Wattel, CML Rev. 1996, S. 238–243. 331 Dies wird auch als Makro-Kohärenz bezeichnet. Vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 770–771; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 446–447; vgl. Wattel, CML Rev. 1996, S. 238–243. 332 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 524; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 830–831; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 770–771. Die DBA stellen gleichsam einen

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Wie bereits in der Rechtssache „Wielockx“ ausgeführt, setzt der EuGH auch in der Rechtssache „Svensson/Gustavsson“333 für eine mögliche Rechtfertigung der diskriminierenden steuerlichen Norm auf der Basis der Kohärenz des Steuersystems die Personenidentität voraus. Denn nur der Abzug und die Besteuerung der Zahlungen bei ein und derselben Person sei geeignet, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren.334 Diese Haltung des EuGH wurde schließlich auch in der Rechtssache „Eurowings AG“ bestätigt.335 Dort wurde lediglich die steuerliche Behandlung des Steuerpflichtigen selbst berücksichtigt und entschieden, dass eine Berücksichtigung der steuerlichen Situation des fremden Geschäftspartners nicht in die Kohärenzbetrachtung einbezogen wird. Entsprechend deutlich dann auch die Folgerung des EuGH. Ein mittelbarer Zusammenhang reicht nicht aus, um eine diskriminierende Norm zu rechtfertigen.336 So blieb in der Folge der „Eurowings AG“-Entscheidung noch offen, ob ausnahmsweise die wirtschaftliche Nähe der Anteilseigner zu der Gesellschaft, an der sie die Beteiligung halten, eine Vermischung der beiden juristisch getrennten steuerlichen Ebenen der Gesellschaft und des Eigners ermöglicht.337 III. Rechtssachen „Baars“ und „Verkooijen“ Diese Thematik wurde schließlich in der Rechtssache „Baars“338 erneut aufgeworfen. In der Sache ging es um den niederländischen Staatsbürger Baars, der Gesellschaftsanteile an einer irischen Gesellschaft mit Sitz in Dublin hielt. Die niederländische Finanzverwaltung sah die im niederländischen Vermögenssteuergesetz vorgesehene Ermäßigung für Gesellschaftsanteile auf inländische Gesellschaften beschränkt und versagte entsprechend die Freistellung für die Beteiligung des Herrn Baars an der irischen Gesellschaft. Durch den EuGH wurde eine Diskriminierung festgestellt, da der inländische Steuerpflichtige unterschiedlich behandelt wird, je nachdem, ob der Sitz des Unternehmens, an dem er die Beteiligung hält, im Inland oder im Ausland gegeben ist. Daher ist die unternehmerische Tätigkeit im Ausintegralen Bestandteil der nationalen Steuersysteme dar. Vgl. Rainer, IStR 1995, S. 476. 333 Vgl. EuGH-Urteil v. 14.11.1995, Rs. C-484/93, Svensson/Gustavsson, Slg. 1995, I-3955. 334 Vgl. EuGH-Urteil v. 14.11.1995, Rs. C-484/93, Svensson/Gustavsson, Slg. 1995, I-3955, Randnr. 18. 335 Vgl. Saß, DB 2000, S. 176. 336 Vgl. EuGH-Urteil v. 26.10.1999, RS C-294/97, Eurowings AG, Slg. 1999, I-7447; Randnr. 20. 337 Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 726; a. A. Kämper, FR 2001, S. 672. 338 Vgl. EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-02787.

C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems

131

land weniger attraktiv, der inländische Staatsbürger also in seiner Anlagefreiheit beschränkt. Die holländische Regierung war bemüht, die diskriminierende Regelung durch die Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems zu rechtfertigen. So findet durch die Freibetragsregelung lediglich eine Berücksichtigung der inländischen Körperschaftsteuer statt und damit sei nur eine Abmilderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung verbunden. Dagegen würde eine ausländische Gesellschaft nicht der inländischen Körperschaftsteuer unterliegen, womit auch keine Rechtfertigung für die Freistellung gegeben sei. Ohne jedoch den Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems aufzugeben, weist der EuGH aber die Vermischung zwischen der Ebene der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter zurück und stellt fest, es bestehe aufgrund der Belastung der Gesellschaft mit Körperschaftsteuer und der vermögenssteuerlichen Belastung des Anteilseigners keine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne.339 Auch wenn die Argumentation in Hinblick auf die wirtschaftliche Doppelbelastung nicht überzeugen kann340, zieht sich der EuGH in der Beurteilung auf die schon früher – wie etwa in der Rechtssache „Kommission/ Frankreich“ – vertretene, sehr enge formalistische Betrachtung zurück, die eine Berücksichtigung einer Kohärenz nur eröffnet, soweit es sich um eine steuerliche Norm handelt, deren Vor- und Nachteil sich zudem in einer Person konkretisiert.341 Schließlich wurde auch in der Rechtssache „Verkooijen“342 die Frage der Kohärenz in Hinblick auf eine Norm erneut aufgegriffen, die einen Sparerfreibetrag für Dividenden auf Inlandsdividenden begrenzte. Für den zu entscheidenden Sachverhalt wurde eine Rechtfertigung abgelehnt, da der steuerliche Vor- und Nachteil auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und des Anteilseigners ansetze und damit kein Argument für die Kohärenz des Steuersystems zu finden sei, welches das postulierte Kriterium der engen Wechselbeziehung zwischen dem steuerlichen Vorteil und Nachteil erfülle. Vielmehr sei sowohl für die Muttergesellschaft als auch für die Tochtergesellschaft eine jeweils getrennte steuerliche Sphäre gegeben.343 Sowohl in der 339 Vgl. EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-02787, Randnr. 39–40. 340 Wie Cordewener zu Recht bemerkt, ist diese Argumentation nicht überzeugend. Denn unter Berücksichtigung der gegebenen Nähe des Gesellschafters zu der Gesellschaft muss eine vermögenssteuerliche Erfassung der Beteiligung an der Gesellschaft auch ohne Ausschüttung bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Doppelbesteuerung angesehen werden. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 725–726. 341 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 819. 342 Vgl. EuGH v. 6. Juni 2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Rechtssache „Baars“ als auch in der Rechtssache „Verkooijen“ wurde für die Anerkennung der Kohärenz die formale Subjektidentität gefordert.344 IV. Rechtssache „Metallgesellschaft“ vom 24. September 2002 Weniger deutlich erscheint die Argumentation infolge der Rechtssache „Metallgesellschaft“.345 Zwar lehnt der EuGH ebenfalls die Rechtfertigung auf der Grundlage der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems des Vereinigten Königreichs ab346, im Gegensatz zu den vorherigen Urteilen „Baars“ und „Verkooijen“ begründete der EuGH die Ablehnung jedoch nicht mit der einfachen Feststellung, dass der Steuervorteil und Steuernachteil schlicht nicht beim gleichen Steuersubjekt ansetzt. Vielmehr prüft der EuGH ausdrücklich, trotz fehlender Subjektidentität, ob ein ausreichender Zusammenhang zwischen den Steuervorteilen und Steuernachteilen der Dividendenbesteuerung bei der Konzernmutter und der Tochtergesellschaft gegeben ist.347 Entsprechend wurde auch teilweise in dem Urteil im Ansatz eine Abkehr von der bisher verfolgten, streng formalen Betrachtungsweise des Kohärenzgedankens gesehen, die zumindest für eine Konzernkonstellation eine wirtschaftliche Betrachtungsweise in den Vordergrund treten lässt.348 V. Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ vom 12. Dezember 2002 In der danach ergangenen Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“349 wurde dagegen die isolierende Betrachtungsweise des EuGH erneut bekräftigt. Zwar 343 „Im vorliegenden Fall besteht jedoch kein derartiger unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährung eines Einkommensteuerfreibetrags für erhaltene Dividenden an Anteilsinhaber, die in den Niederlanden wohnen, und der Besteuerung des Gewinns von Gesellschaften, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten haben. Es handelt sich um zwei getrennte Besteuerungen von verschiedenen Steuerpflichtigen.“ EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 58. 344 Vgl. EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-02787; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 831; vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 725; vgl. Lupo, European Taxation 2000, S. 273–274. 345 Vgl. EuGH v. 8.3.2001, Rs C-397/98 und C-410/98 Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-01727. 346 Vgl. EuGH v. 8.3.2001, Rs C-397/98 und C-410/98 Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-01727, Randnr. 73. 347 Vgl. EuGH v. 8.3.2001, Rs C-397/98 und C-410/98 Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-01727, Randnr. 66–73. 348 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 815; vgl. Eickers/ Müller RIW 2001, S. 441. 349 Vgl. EuGH v. 12.12.2002; Rechtssache C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779.

C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems

133

führt der Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen einen Belastungsvergleich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Tochtergesellschaft bei einer gebietsfremden Muttergesellschaft im Vergleich zu einer inländischen Muttergesellschaft durch, stellt aber hierbei fest, dass diese unterschiedliche Behandlung selbst einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellen kann.350 Doch ist dieser Aspekt von der Frage der Kohärenz zu trennen. Das Argument der Kohärenz wurde durch den Generalanwalt aufgrund des fehlenden Nachweises der deutschen Regierung, durch welchen Steuervorteil der festgestellte Steuernachteil der Tochtergesellschaft ausgeglichen werden soll, abgelehnt.351 Vielmehr verdeutlicht die Berücksichtigung der Muttergesellschaft sowie der Tochtergesellschaft in dem aufgeführten Belastungsvergleich das bestehende Recht sowohl der Muttergesellschaft als auch der Tochtergesellschaft, sich auf den Schutz der wirtschaftlichen Freiheitsrechte zu berufen. Der EuGH lehnt schließlich auch in der Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ eine mögliche Rechtfertigung der deutschen körperschaftsteuerlichen Regelung auf Basis der Kohärenz des Steuersystems ab, „(. . .) da hier die Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft steuerlich nachteilig behandelt wird, ohne dass sich die deutsche Regierung auf irgendeinen Steuervorteil berufen hat, der eine derartige Behandlung bei diesem Steuerpflichtigen ausgleichen könnte.“352

Zwar ist im vorliegenden Fall die Kohärenz schon mangels des Nachweises der Kompensation des steuerlichen Nachteils durch einen korrespondierenden, steuerlichen Vorteil abzulehnen, dennoch kann dem Urteil durch die deutliche Betonung des Kriteriums der Kompensation auf der Ebene der Tochtergesellschaft für die Kohärenz des Steuersystems353 die Tendenz entnommen werden, dass der EuGH auch für Konzernsachverhalte von getrennten steuerlichen Sphären ausgeht. 350 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26.9.2002, Rs. C-324/00, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 51. 351 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26.9.2002, Rs. C-324/00, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 86. 352 Vgl. EuGH v. 12.12.2002; Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 42. Unter Verweisung auf die ständige Rechtsprechung. Vgl. EuGH v. 14.11.1995, Rs. C-484/93, Wielockx, Randnr. 24; EuGH v. 14.11.1995, Rs. C-484/93, Svensson/Gustavsson, Slg. 1995, I-3955, Randnr. 18; EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97, EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98, Verkooijen, Slg 2000, I-04071, Randnr. 56 bis 58; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-02787, Randnr. 40. 353 In der Tat lässt sich für den vorliegenden Fall kaum eine Argumentation finden, die eine Konzernbetrachtung berücksichtigt, da schlicht kein Steuervorteil ersichtlich ist, der die Mehrbelastung der Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft rechtfertigen könnte.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Damit hält der EuGH in dem vorliegenden Urteil in Fortführung der Rechtsprechung „Verkooijen“ die formale Trennung, auch unter Berücksichtigung der engen wirtschaftlichen Verflechtung der Anteilseigner mit der Gesellschaft, aufrecht. Entsprechend muss auch bei Konzernsachverhalten ein Vorteil, der nur im Zusammenhang mit dem entsprechenden Nachteil zu ermöglichen ist, bei dem gleichen Steuerpflichtigen ansetzen. VI. Rechtssache „Manninen“ vom 7. September 2004 In der Rechtssache „Manninen“354 blieb der EuGH schließlich bei der Prüfung der Rechtfertigung des finnischen Körperschaftsteueranrechnungssystems bezüglich des Erfordernisses der strengen Subjektidentität deutlich zurückhaltender. Durch die Anrechnung der finnischen Körperschaftsteuer wird eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermieden, da im Ergebnis die Dividenden inländischer Gesellschaften beim Anteilseigner nicht besteuert werden.355 Das finnische Körperschaftsteueranrechnungssystem berücksichtigt jedoch nur die inländische Körperschaftsteuer bei der Einkommensteuer. Dagegen besteht für Dividenden, die von ausländischen Gesellschaften an finnische Steuerpflichtige ausgeschüttet werden kein Anspruch auf eine Steuergutschrift.356 Die finnische Regierung versuchte das bestehende Anrechnungssystem durch den Verweis auf die Notwendigkeit der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems zu rechtfertigen. Der enge Zusammenhang der steuerlichen Entlastung auf der Ebene des Anteilseigners mit der Belastung der Gesellschaft sei insbesondere deswegen anzuerkennen, da die Entlastung für finnische Dividenden berücksichtigt, ob die betreffende Gesellschaft tatsächlich die Körperschaftsteuer auf ihre Gewinne entrichtet hat.357 Liegt die Körperschaftsteuerbelastung der Gesellschaft unter der Steuergutschrift des Anteilseigners, so wird bei der Gesellschaft eine Ergänzungssteuer in Höhe der Differenz erhoben.358 Sollte bei ausländischen Gesellschaften eine Steuervergünstigung bei Bezug von Dividenden gewährt werden, so müsste dies erfolgen, ohne dass die Körperschaftsteuer im gleichen Mitgliedstaat vereinnahmt wurde. Zudem könnte keine Ergänzungsabgabe durch den finnischen Staat erhoben werden. Damit würde die Anrechnung der Körperschaftsteuer einer ausländischen Gesellschaft die Kohärenz des finnischen Steuersystems in Frage stellen.359 354 355 356 357 358

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH

v. v. v. v. v.

7.09.2004, 7.09.2004, 7.09.2004, 7.09.2004, 7.09.2004,

RS. RS. RS. RS. RS.

C-319, C-319, C-319, C-319, C-319,

Manninen. Manninen, Manninen, Manninen, Manninen,

Randnr. Randnr. Randnr. Randnr.

20. 13. 40. 33 u. 44.

C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems

135

Der EuGH verwarf in der Rechtssache „Manninen“ – wie es vor dem Hintergrund des Kriteriums der strengen Subjektidentität zu erwarten gewesen wäre – nicht ohne weitere Prüfung die Rechtfertigung des finnischen Körperschaftsteueranrechnungssystems auf der Grundlage der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems. Zunächst erkennt der EuGH an, dass die finnische Steuerregelung auf einen Zusammenhang zwischen der Steuergutschrift bei dem Anteilseigner und der Ergänzungssteuer auf der Ebene der Gesellschaft beruht.360 Das Anrechnungssystem dient der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der Dividenden. Die durch die finnische Steuerregelung verfolgte Zielsetzung wird durch den EuGH auch nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Vielmehr führt der EuGH aus: „Denn im Hinblick auf das mit der finnischen Steuerregelung verfolgte Ziel bleibt die Kohärenz des Steuersystems gewährleistet, soweit der Zusammenhang zwischen der dem Aktionär gewährten Steuervergünstigung und der geschuldeten Körperschaftsteuer aufrechterhalten wird.“361

Damit berücksichtigt der EuGH bei seinen Erwägungen die steuerliche Belastung der Gesellschaft und ihrer Anteilseigner. Dennoch konnte das finnische Körperschaftsteueranrechnungssystem nicht vor dem EuGH bestehen. Denn die Kohärenz des finnischen Steuersystems wäre nach Auffassung des EuGHs auch gewährleistet, falls Finnland eine Steuergutschrift an einen in Finnland unbeschränkt steuerpflichtigen Aktionär in Höhe der ausländischen Körperschaftsteuer gewährt. Diese Maßnahme würde den freien Kapitalverkehr weniger beschränken als die bestehende finnische Regelung.362 Auch wenn die generelle Anrechnung das Steueraufkommen Finnlands mindern würde, ist in diesem Fall die Kohärenz des Steuersystems in Hinblick auf die Vermeidung einer Doppelbesteuerung gewährleistet. Zudem ist eine Verringerung der Steuereinnahmen nach ständiger Rechtsprechung nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt.363 VI. Zwischenergebnis Obwohl der EuGH, sieht man von der Rechtssache „Bachmann“ ab, in der erstmals die Kohärenz des Steuersystems Erwähnung fand, in keinem der folgenden Urteile die Rechtfertigung auf der Basis des Kohärenzgedankens ermöglichte364, nimmt die Prüfung der Kohärenz des Steuersystems weiterhin einen umfangreichen Bestandteil der einschlägigen Rechtspre359 360 361 362 363

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH

v. v. v. v. v.

7.09.2004, 7.09.2004, 7.09.2004, 7.09.2004, 7.09.2004,

RS. RS. RS. RS. RS.

C-319, C-319, C-319, C-319, C-319,

Manninen, Manninen, Manninen, Manninen, Manninen,

Randnr. Randnr. Randnr. Randnr. Randnr.

40–41. 40–41. 46. 45–46. 49.

136

2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

chung ein.365 Damit verbleibt, wenn auch nur unter engen Voraussetzungen, eine Rechtfertigung der Grundfreiheiten auf der Grundlage des Prinzips der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems prinzipiell ermöglicht.366 Ob die praktische Bedeutung der Kohärenz des Steuersystems als gering einzustufen ist367, gar in der Wahrung der Kohärenz eine Leerformel zu sehen ist368 oder in Zukunft verstärkt eine mögliche Rechtfertigung auf der Grundlage des Kohärenzgedankens zu berücksichtigen bleibt, hängt in besonderer Weise von der zukünftigen Haltung des EuGH in Bezug auf das Anforderungskriterium der Personenidentität ab.369 In der Rechtssache „Metallgesellschaft“ und „Manninen“ deutete sich an, dass der EuGH von der noch in der Rechtssache „Verkooijen“ und Rechtssache „Baars“ vertretenen, starren formalistischen Haltung teilweise abrückt und bei enger wirtschaftlicher Verflechtung der Anteilseigner und der Gesellschaft nicht von vornherein eine Vermischung der steuerlichen Betrachtung auf der Ebene des Anteilseigners und der Gesellschaft ablehnt.370 Dem Kohärenzgedanken ist der enge, zwingende Zusammenhang der Normen, der einen steuerlichen Vorteil mit einem kohärenten Nachteil verknüpft, immanent. Demnach kann die Rechtfertigung einer CFC-Legislation 364 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 156; vgl. Lupo, European Taxation 2000, S. 272; vgl. Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 770. 365 Ausführlich zur Entwicklung des Kohärenzgedankens in der Rechtsprechung des EuGH. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002). 366 Vgl. Hahn, IStR 2001, S. 614; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 449; vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 60. 367 So etwa Bauschatz, IStR 2002, S. 297–298. 368 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 831. 369 Entsprechend sieht Dautzenberg aufgrund der verfolgten, engen, formalen Betrachtungsweise für die Anerkennung der Rechtfertigung durch die Kohärenz des Steuersystems in der Rechtssache „Verkooijen“ den zentralen, ablehnenden Grundtenor für das nationale Außensteuerrecht, da eine rein formale Betrachtung der Kohärenz eine Berücksichtigung der ausländischen Belastung nicht ermöglicht. Vgl. Dautzenberg, StuB 2000, S. 726; ähnlich Steingen, der im Kohärenzgedanken die einzig mögliche Rechtfertigungsmöglichkeit für eine restriktive Maßnahme wie eine CFC-Legislation sieht. Vgl. Steingen, The EC Tax Journal 2002, S. 27. 370 Vgl. EuGH v. 8.3.2001, verb. RS. C-397/98 u. C-410/98, Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-01727. Vgl. Eickers/Müller, RIW 2001; auch Schön unterzieht die formale Einstufung einer kritischen Prüfung und stellt infrage, ob der EuGH richtigerweise die Beurteilung der Besteuerung der Anteilseigner und die der Gesellschaft trennt. Diese Trennung sei binnenmarktrechtlich nur erforderlich, sofern Rechtsverkehr zwischen unverbundenen Wirtschaftssubjekten betroffen ist. Vgl. Schön, DB 2001, S. 944; auch Cordewener sieht die Frage nicht abschließend geklärt, ob steuerliche Vorteile und Nachteile zwingend bei der gleichen Person eintreten müssen. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 522.

C. Wahrung der Kohärenz des Steuersystems

137

vor dem Hintergrund der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems nur gelingen, sofern die CFC-Legislation als steuerlicher Nachteil einen steuerlichen Vorteil ausgleicht, welcher in der gleichen Person zusammentrifft, oder wenn dieser Vorteil zumindest bei einem teilweise in der Rechtsprechung angedeuteten, weiteren Kohärenzverständnis in einem funktionalen Systemzusammenhang mit dem steuerlichen Nachteil steht. Zunächst ist durch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung steuertechnisch nur der Inländer berührt. Die Hinzurechnungsbesteuerung erweitert die inländische Steuerlast für den Anteilseigner.371 Damit sind zwei unterschiedliche Steuersubjekte gegeben. Einerseits die ausländische, niedrig besteuerte Gesellschaft und andererseits der inländische Gesellschafter. Bei einer streng formalen Betrachtung scheitert die Rechtfertigung auf der Basis der Kohärenz des Steuersystems bereits an dem Kriterium der Subjektidentität. Auch wenn der Staat steuertechnisch nur auf den Anteilseigner zugreift, ist dennoch die Höhe der inländischen Steuerlast aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 AStG sowohl von der ausländischen Steuerhöhe als auch von der Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft abhängig.372 Damit ist im Ansatz eine Vermischung der beiden Ebenen, der des Anteilseigners und der der Gesellschaft selbst, gegeben. Die ausländische Gesellschaft realisiert den Besteuerungstatbestand, welcher in der Besteuerungsfolge den inländischen Anteilseigner trifft.373 Doch selbst bei Berücksichtigung der in der Rechtsprechung angedeuteten Vermengung der steuerlichen Belastung innerhalb von Konzernen gelingt kaum eine Rechtfertigung der Hinzurechnungsbesteuerung auf der Basis des Kohärenzgedankens.374 Unter Bezugnahme auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise könnte die These aufgestellt werden, dass eine Vermögensmehrung durch einen Gewinn auf der Ebene der Gesellschaft auch mittelbar als eine Vermögensmehrung des Anteilseigners anzusehen ist – mithin die fehlende Dividendenausschüttung durch eine Wertsteigerung der Gesellschaftsanteile kompensiert wird. Entsprechend könnte in der niedrigen ausländischen Steuerlast ein mittelbarer Steuervorteil des Anteilseigners gesehen werden.375 371

Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 167. Vgl. Wassermeyer, RIW 1983, S. 354; vgl. zur Voraussetzung der Hinzurechnungsbesteuerung etwa Schaumburg, Internationales Steuerrecht 1998, S. 416 ff; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8. 373 Vgl. Wassermeyer, RIW 1983, S. 354. 374 Überdies ist die Hinzurechnungsbesteuerung nicht als Konzernbesteuerung aufzufassen, da sie auch nichtunternehmerische Personen erfasst. Vgl. Wassermeyer, SWI 2001, S. 334 ff. 372

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Aber auch bei der Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Unternehmen letztlich ein Konstrukt der Anteilseigner ist und sich die beiden Ebenen kaum voneinander trennen lassen, ist in der Hinzurechnungsbesteuerung dennoch ein entscheidender Unterschied zur beim Kohärenzgedanken diskutierten Dividendenbesteuerung gegeben. Es erfolgt ein Durchgriff durch die gesellschaftliche Struktur unter Beseitigung der steuerrechtlich abschirmenden Wirkung.376 Der Hinzurechnungsbesteuerung ist damit ein typisierender Missbrauchsgedanke eigen. Wenn es aber inhaltlich um die Wahrung des inländischen Steueraufkommens im Sinne einer falschen, ungerechtfertigten Zuordnung der Einkünfte des Anteilseigners geht, ist dies auf Ebene der Durchsetzung eines bestehenden Steueranspruchs zu rechtfertigen und nicht eine Frage der Kohärenz des Steuersystems. Einer CFC-Legislation können zwei Zielsetzungen entnommen werden. Einerseits ist mit einer Hinzurechnungsbesteuerung ein Ausgleich der geringen steuerlichen Belastung im Ausland beabsichtigt. In diesem Fall ist nicht die Frage der Vermischung verschiedener steuerlicher Ebenen betroffen, sondern die Grundsatzfrage, ob ein Vorteilsausgleich oder eine kompensatorische Besteuerung mit der Idee des Binnenmarktes vereinbar ist.377 Auch wenn die Frage des Vorteilsausgleichs der Kohärenz nahe steht378, ist die Rechtfertigung der Hinzurechnungsbesteuerung dann nicht auf der Basis der Kohärenz des Steuersystems zu führen. Denn auch bei Aufgabe des Kriteriums der Subjektidentität steht die Hinzurechnungsbesteuerung nicht mit einer anderen, begünstigenden steuerlichen Norm in engem Wechselspiel, welches die Zusatzbelastung rechtfertigen und dem Argument der Kohärenz Auftrieb geben könnte. Ein generell niedriges, ausländisches Steuersystem kann nicht als kohärente Steuervergünstigung gewertet werden. Entsprechend kann eine Rechtfertigung der Hinzurechnungsbesteuerung auf Basis der Kohärenz des Steuersystems sowohl für den Binnenmarkt379 als auch im Verhältnis zu Drittstaaten nicht gelingen. Der allgemeine Ausgleich des ausländischen Belas375 Vgl. Schön, DB 2001, S. 944. Dies entspricht der Repräsentationstheorie. Zur Repräsentationstheorie vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 50. 376 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht 1998, S. 411–412. 377 „Die gesamte Logik der Hinzurechnungsbesteuerung beruht darauf, dass eine geringe steuerliche Belastung beim inländischen Anteilseigner ausgeglichen werden soll. Dies wird aber vom EuGH als gemeinschaftsrechtlich unmögliche Vermengung von zwei Ebenen angesehen.“ Dautzenberg, StuB 2000, S. 726; vgl. auch Schön, DB 2001, S. 944. 378 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 819. 379 Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 13; vgl. Lang, IStR 2002, S. 221.

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tungsniveaus wäre vielmehr auf Grundlage des weiter gefassten Vorteilsausgleichs zu rechtfertigen.380 Ist hingegen die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung in einer Missbrauchsbekämpfung auf Subjektebene zu sehen, so muss die Rechtfertigung auf der Grundlage des seit der Entscheidung „Cassis de Dijon“381 anerkannten Rechtfertigungsgrundes der „wirksamen Steuerkontrolle“ geführt werden.

D. Gefahr der Steuerumgehung Der grenzüberschreitenden, wirtschaftlichen Betätigung durch Steuersubjekte ist die Tatsache eigen, dass steuererhebliche Sacherverhalte teilweise außerhalb der Reichweite des nationalen Fiskus realisiert werden. Entsprechend wird oftmals vonseiten der Finanzverwaltung die Gefahr gesehen, dass sich Steuerpflichtige unter Ausnutzung des im Verhältnis zu einem rein inländischen Sachverhalt bestehenden Informationsgefälles einen ungerechtfertigten Vorteil erschleichen könnten. Infolgedessen wurde in der Entscheidung „Cassis de Dijon“382 bereits frühzeitig das Erfordernis einer wirksamen steuerlichen Kontrolle als möglicher Rechtfertigungsgrund durch den EuGH anerkannt.383 Das mit einem grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr verbundene, gesteigerte Missbrauchspotenzial fand überdies auch seine Berücksichtigung in den einschlägigen sekundärrechtlichen Steuerrichtlinien.384 Entsprechend findet sich jeweils in der Mutter-/Tochterrichtlinie 90/435/EWG385 und der Fusionsrichtlinie 90/434/EWG386 ein Missbrauchstatbestand geregelt.387 380

Vgl. hierzu Zweiter Teil, 3. Kapitel, B. Vgl. EuGH, v. 20.02.1979, Rs. 120/78, REWE/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649, Randnr. 8. 382 Vgl. EuGH, v. 20.02.1979, Rs. 120/78, REWE/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649, Randnr. 8. 383 Vgl. Hahn, IStR 1999, S. 612; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 449–450. 384 Ein Überblick über die Steuerrichtlinien findet sich etwa bei Förster/Schollmeier, § 30, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 813–899. 385 Vgl. Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Amtsblatt Nr. L 225 vom 20/08/1990, S. 6–9. 386 Vgl. Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, Amtsblatt Nr. L 225 vom 20/08/1990 S. 1–5. 387 Für die Fusionsrichtlinie vgl. Schollmeier, § 30, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 840–841. Für die Verhinderung von 381

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Wenn einerseits dem Marktteilnehmer die Möglichkeit der Ausnutzung der wirtschaftlichen Freiheitsrechte im Sinne eines „in dubio pro libertate“ ermöglicht werden soll und überdies etwaige Standortunterschiede im Binnenmarkt hingenommen werden müssen388, dann kann die Ausnutzung der Freiheitsrechte auf der Subjektebene seine Grenzen nur in einer missbräuchlichen Ausnutzung der damit verbundenen Rechte finden.389 Eine steuerliche Norm, die der Sicherung des nationalen Steuersubstrates dient, kann daher nur rechtens sein, falls der Steueranspruch dem Grunde nach mit den Grundfreiheiten vereinbar ist und dieser Anspruch gegenüber den Steuerpflichtigen lediglich durchgesetzt werden soll.390 Dies ist deutlich zu unterscheiden von der grundsätzlich ablehnenden Haltung des EuGH gegenüber der Rechtfertigung durch mögliche abstrakte Steuermindereinnahmen.391 Durch die wirksame Steuerkontrolle ist ausschließlich die Durchsetzung der bestehenden Steueransprüche umfasst. In diesem Fall können grundsätzlich Normen, die einer Steuerumgehung, Steuervermeidung oder Steuerflucht entgegenwirken, europarechtlich gerechtfertigt sein.392 Verstößt das Besteuerungsrecht des Mitgliedstaates selbst gegen die Grundfreiheiten, so kann der Rechtfertigungsgrund der wirksamen steuerlichen Kontrolle i. S. d. „Cassis de Dijon“-Formel diesen Verstoß nicht rechtfertigen.393 Die mögliche Rechtfertigung der Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch das Argument der wirksamen steuerlichen Kontrolle umfasst gleichermaßen zwei Teilbereiche: zunächst die Verhinderung einer Steuerumgehung durch die Steuersubjekte unter Zuhilfenahme einer unangemessenen Verlagerung wirtschaftlicher Vorgänge in das Ausland sowie, gleichermaßen als zweite ergänzende Komponente, die Wirksamkeit der Steueraufklärung im Sinne einer Sachverhaltsermittlung im Ausland durch den heimischen Fiskus.394 Wesentlich für die Abgrenzung des Missbrauchs von Missbräuchen der Mutter-/Tochterrichtlinie vgl. Förster, § 30, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 867–869. 388 Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, B. 389 Vgl. Kokott, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 21; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 78 f. 390 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 297. 391 Vgl. etwa Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“: „Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach Steuermindereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses anzusehen sind, mit dem eine Maßnahme gerechtfertigt werden kann, die grundsätzlich einer Grundfreiheit zuwiderläuft.“ EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 36; vgl. auch Thömmes, Rechtfertigung, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 824. 392 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 297; vgl. Hahn, IStR 1999, S. 612; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 449. 393 Vgl. Hahn, IStR 1999, S. 612.

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einer grundsätzlich als zulässig anzusehenden Ausnutzung des Steuergefälles in der Gemeinschaft ist die Frage, wann von einer Steuerumgehung seitens des Steuersubjektes auszugehen ist, die eine die Freiheitsrechte einschränkende Sanktionierung rechtfertigen kann.395 I. Rechtssache „Kommission/Frankreich“ vom 28. Januar 1986 Erst in der – oftmals als Grundsatzurteil aus dem Gebiet der direkten Steuern angesehenen – Rechtssache „Kommission/Frankreich“396 wurde schließlich die in der „Cassis de Dijon“-Formel enthaltene, wirksame Steuerkontrolle397 von der französischen Regierung als Rechtfertigungsgrund vorgetragen.398 Die französische Regierung vertrat die Ansicht, dass ausländische Versicherungsgesellschaften ihren Bestand an französischen Aktien im Wesentlichen zu dem Zweck auf ihre Niederlassungen in Frankreich übertrugen, um den Vorteil der Körperschaftsteueranrechung zu erhalten. Um diesem als Steuerflucht empfundenen Verhalten zu begegnen, sollte, nach Auffassung der französischen Regierung, den Niederlassungen ausländischer Versicherungsgesellschaften generell der Vorteil der französischen Körperschaftsteuergutschrift versagt werden.399 Infolge der „Kommission/ Frankreich“-Entscheidung entstanden in der Literatur Unsicherheiten, wie das Urteil in Hinblick auf eine mögliche Rechtfertigung durch die Gefahr einer Steuerumgehung zu interpretieren sei, da der EuGH einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit auf der Grundlage der vorgetragenen Argumentation der französischen Regierung nicht zuließ. Dies konnte einerseits im Widerspruch zu der „rule of reasons“-Rechtsprechung als generelle Ablehnung des vorgetragenen Rechtfertigungsgrundes verstanden werden oder letztlich auf den mangelnden Zusammenhang zwischen der durch die französische Regierung zu rechtfertigenden Norm und einer möglichen Steuerflucht zurückgeführt werden.400 394

Vgl. hierzu Zweiter Teil, 3. Kapitel, E. Zu den unterschiedlichen Ansätzen der Bestimmung eines Missbrauchs im Europarecht vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit (1997), S. 78 ff. 396 EuGH-Urteil v. 28.01.1986, Rs. 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, S. 273. 397 Vgl. EuGH v. 20.02.1979, Rs. 120/78, REWE/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649; vgl. Glöckner, EuR 2000, S. 596; vgl. Geiger, EUV/ EGV, Art. 28, Randnr. 15. 398 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 397–398; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 822. 399 Vgl. EuGH-Urteil v. 28.01.1986, Rs. C-270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, S. 273. 400 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 397 mit Fußnote 71; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 823. 395

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Auch wenn der EuGH in der Sache nicht der Auffassung der französischen Regierung folgte, da schlicht in der zu rechtfertigenden Norm keine Maßnahme zur Begegnung einer Steuerumgehung gesehen wurde, kann der „Kommission/Frankreich“-Entscheidung nicht unmittelbar entnommen werden, dass der EuGH die grundsätzliche Idee einer Missbrauchsnorm völlig ablehnt. Wohl findet sich in der Rechtssache „Kommission/Frankreich“ bereits die Andeutung, dass der EuGH einer generellen Norm grundsätzlich skeptisch gegenüber steht, die vordringlich der Verhinderung einer möglichen Steuerumgehung dient, daneben aber auch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen erfasst, bei denen dagegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Ausnutzung der wirtschaftlichen Freiheitsrechte ersichtlich sind.401 II. Die Rechtsprechung zu den Richtlinien – Rechtssachen „Denkavit“ u. „Leur-Bloem“ Später beschäftigte sich der EuGH wiederholt mit der Reichweite der Missbrauchsklauseln in der sekundärrechtlichen Fusionsrichtlinie 90/434/ EWG und der Mutter-/Tochterrichtlinie 90/435/EWG. Gleichzeitig wurde zur möglichen Reichweite einer typisierenden Missbrauchsnorm durch den EuGH Stellung genommen. So wurde bereits in der Rechtssache „Denkavit“402 die deutsche Umsetzung der Richtlinie weitgehend als unzulässig kritisiert.403 In der Sache ging es um Art. 3 Abs. 2 Mutter-/Tochterrichtlinie 90/435/EWG, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die durch Art. 5 Abs. 1 Mutter-/Tochterrichtlinie 90/435/EWG vorgesehene Ermäßigung der ausländischen Dividendenerträge von der Quellensteuer zu suspendieren, sofern die Muttergesellschaft nicht für einen Mindestzeitraum im Besitz der Beteiligung ist. Die konkrete Mindestbehaltedauer wurde dem Ermessensspielraum der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, wobei durch die Mutter-/Tochterrichtlinie 90/435/EWG eine Begrenzung des Mindestzeitraums auf zwei Jahre vorgegeben ist.404 Die deutsche Umsetzung der Richtlinie fand sich in § 44 d EStG wieder. Entsprechend ist nach deutscher Auslegung eine Muttergesellschaft eine Gesellschaft, die nachweislich mindestens zwölf Monate ununterbrochen die Beteiligung von mindestens einem Viertel des Nennkapitals an einer Toch401

Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 822–823. Vgl. EuGH v. 17.10.1996, verb. Rs. C-283/94, Denkavit, C-291/94, Vitic und C-292/94, Voormeer Slg. 1996, I-05063. 403 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 823. 404 Vgl. EuGH v. 17.10.1996, verb. Rs. C-283/94, Denkavit, C-291/94, Vitic, und C-292/94, Voormeer, Slg. 1996, I-05063, Randnr. 23. 402

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tergesellschaft hält.405 Die niederländischen Gesellschaften „Denkavit“, „Vitic“ und „Voormeer“ hielten jeweils Beteiligungen an deutschen Tochtergesellschaften und begehrten jeweils die Steuervergünstigung für Ausschüttungen der Tochtergesellschaften, obwohl die Behaltefrist von zwölf Monaten nicht erfüllt war.406 Nun dient die Mindesthaltefrist der Bekämpfung einer missbräuchlichen Ausnutzung der Steuervergünstigung. Auch sind die Mitgliedstaaten frei in ihren Maßnahmen zur Sicherstellung der Mindestbehaltdauer.407 Dies ermöglicht es aber nicht, einer Muttergesellschaft die vorgesehene steuerliche Vergünstigung zu versagen, sofern die Mindestbeteiligungszeit später eingehalten wird.408 Andererseits verpflichtet die Richtlinie den Mitgliedstaat auch nicht, die Steuervergünstigung sofort zu gewähren. Einzig die generelle Versagung der Steuervergünstigung auf der Grundlage der nicht erfüllten Haltefrist zum Zeitpunkt der Ausschüttung der Tochtergesellschaft ist nicht mit der Richtlinie vereinbar.409 Auch in der Rechtssache „Leur-Bloem“410 wurde unter Bezugnahme auf die Missbrauchsnorm des Art. 11 der Fusionsrichtlinie 90/434/EWG durch den EuGH Stellung zur Frage der Steuerumgehung und der Verhältnismäßigkeit einer Ausgleichsmaßnahme genommen. So ist ein Missbrauch im Sinne des Art. 11 Fusionsrichtlinie 90/434/EWG gegeben, sofern der hauptsächliche Beweggrund oder einer der hauptsächlichen Beweggründe des Steuersubjektes in der Steuerumgehung zu sehen ist und nicht wenigstens ein darüber hinaus gehender, wirtschaftlicher Hintergrund ersichtlich ist.411 Für die Abgrenzung der missbräuchlichen Ausnutzung der Fusionsrichtlinie muss nach Auffassung des EuGH in jedem Fall eine globale Untersuchung des Sachverhaltes erfolgen, welcher überdies dem Gebot der gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegen muss.412 Es obliegt zwar den Mitgliedstaaten, adäquate innerstaatliche Normen einzurichten, die eine Ab405 Vgl. EuGH v. 17.10.1996, verb. Rs. C-283/94, Denkavit, C-291/94, Vitic, und C-292/94, Voormeer, Slg. 1996, I-05063, Randnr. 6. 406 Vgl. EuGH v. 17.10.1996, verb. Rs. C-283/94, Denkavit, C-291/94, Vitic, und C-292/94, Voormeer, Slg. 1996, I-05063, Randnr. 7–16. 407 Vgl. EuGH v. 17.10.1996, verb. Rs. C-283/94, Denkavit, C-291/94, Vitic, und C-292/94, Voormeer, Slg. 1996, I-05063, Randnr. 31–33. 408 Vgl. EuGH v. 17.10.1996, verb. Rs. C-283/94, Denkavit, C-291/94, Vitic, und C-292/94, Voormeer, Slg. 1996, I-05063, Randnr. 32. 409 Vgl. EuGH v. 17.10.1996, verb. Rs. C-283/94, Denkavit, C-291/94, Vitic, und C-292/94, Voormeer, Slg. 1996, I-05063, Randnr. 36. 410 Vgl. EuGH v. 17.7.1997, Rs. C-28/95, Leur-Bloem, Slg. 1997, I-4161. 411 Vgl. EuGH v. 17.7.1997, Rs. C-28/95, Leur-Bloem, Slg. 1997, I-4161, Randnr. 48 b; vgl. auch Schollmeier, § 30, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 840–841. 412 Vgl. EuGH v. 17.7.1997, Rs. C-28/95, Leur-Bloem, Slg. 1997, I-4161, Randnr. 48 b.

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grenzung des Missbrauchs vom zulässigen wirtschaftlichen Handeln ermöglichen, in der Ausgestaltung der konkreten Missbrauchsnormen ist dann aber das Verhältnismäßigkeitsgebot durch den Mitgliedstaat zu wahren. Entscheidend ist hierfür die Auffassung des EuGH, dass das Verhältnismäßigkeitsgebot eine Einzelfallprüfung sowie den tatsächlichen Nachweis einer missbräuchlichen Steuerumgehung fordert. Eine Norm, die aufgrund eines bestimmten wirtschaftlichen Sachverhaltes automatisch einen steuerlichen Vorteil ausschließt, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung vorliegt, ist als unverhältnismäßig anzusehen, da es über das zur Vermeidung einer Steuerumgehung erforderliche Maß hinausgeht.413 Sowohl in der Rechtssache „Denkavit“ als auch in der Rechtssache „Leur-Bloem“ tritt im Bestreben der Finanzverwaltung, eine Verwaltungsvereinfachung durch pauschalierende Regelungen zu erreichen, oder auch im Widerstreit zwischen einer einzelfallorientierten Gerechtigkeitsvorstellung und der dem Gebot der Rechtssicherheit eigenen Typisierung ein deutliches Konfliktpotenzial im Verhältnis zum EG-Recht zu Tage. Erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Sicht des EuGH eine strenge Einzelfallbetrachtung414, so sind generell typisierende, steuerliche Missbrauchsnormen aus europarechtlichem Blickwinkel deutlich infrage gestellt.415 III. Rechtssache „ICI“ vom 16. Juli 1998 Während sich in der Rechtssache „Leur-Bloem“ die Argumentation der Finanzverwaltung noch auf die in der Steuerrichtlinie enthaltene Missbrauchsnorm stützt, wurde schließlich in der Rechtssache „ICI“416 aus dem Jahr 1998 der bereits in „Kommission/Frankreich“ angedeutete Rechtfertigungsgrund der Gefahr der missbräuchlichen Steuerumgehung erneut erörtert.417 Dort sollte eine nationale Missbrauchsnorm des allgemeinen, direkten Steuersystems durch die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ihre Rechtfertigung finden. Dem Urteil in der Rechtssache „ICI“ kommt entsprechend eine wesentliche Bedeutung für die grundlegende Frage der Vereinbarkeit einer nationalen Missbrauchsnorm mit dem Gemeinschafts413

Vgl. EuGH v. 17.7.1997, Rs. C-28/95, Leur-Bloem, Slg. 1997, I-4161, Randnr. 48 b; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 648. 414 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 823. 415 Vgl. Saß, DB 2002, S. 2345–2346. 416 EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-04695. 417 Cordewener sieht hier eine Korrektur der noch in der Rechtssache „avoir fiscal“ vertretenen Auffassung des EuGH. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 647. Der festgestellte Unterschied zur Fusionsrichtlinie ist eher theoretischer Natur. Vgl. Hahn, IStR 1999, S. 613.

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recht und für die Frage der gegebenen Restriktionen in deren Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten zu. In der Sache hält „ICI plc“ 49% und die „Wellcome Foundation Ltd.“ 51% an einer gemeinsamen Holding. Die Tätigkeit der Holding besteht ausschließlich im Halten der Aktien von 23 Tochtergesellschaften. Davon 4 im Vereinigten Königreich, 6 in anderen Mitgliedstaaten und 13 in Drittländern.418 Die „ICI“ beantragte bei der britischen Finanzverwaltung die Berücksichtigung der anteiligen Verluste der durch die Holding gehaltenen Enkelgesellschaft „CAH“. Sowohl die „ICI“ als auch die „CAH“ haben ihren Sitz im Vereinigten Königreich. Die britische Finanzverwaltung versagte den Verlustabzug, da die Holding hauptsächlich Aktien an nicht gebietsansässigen Tochtergesellschaften hält. Eine mögliche Verlustverrechnung sei dagegen nur auf Holdingkonstruktionen mit Tochtergesellschaften im Inland beschränkt.419 Die „ICI“ sah sich durch die Norm in ihrem Niederlassungsrecht i. S. d. Art. 43 EGV verletzt.420 In der Rechtfertigung ihrer Holdingregelung beruft sich die Regierung des Vereinigten Königreichs ausdrücklich auf die bestehende Gefahr der Steuerumgehung. Denn das Unternehmen mit Sitz im Inland könne durch die Tochtergesellschaften dem Fiskus steuerbare Gelder entziehen.421 Entscheidend für die Rechtfertigung einer typisierenden Norm ist die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der britischen Regelung durch den EuGH. Nun sind die britischen Steuerregeln nicht nur gegen rein „künstliche Konstruktionen“ gerichtet, die auf eine Umgehung des inländischen Steuerrechts zielen, sondern treffen generell die Mehrzahl der Gesellschaften, die ihren Sitz außerhalb des Vereinigten Königsreichs haben.422 Die typisierende Unterstellung eines Missbrauchs durch die britische Gesetzgebung wird vom EuGH indes als unverhältnismäßig abgelehnt. Weitergehend ist für die Niederlassung einer Gesellschaft außerhalb des Staatsgebietes des Vereinigten Königreichs jedenfalls keine Steuerumgehung zu unterstellen, da das Unternehmen dann im Niederlassungsstaat dem Steuerrecht unterliegt.423 Wie bereits früher in der Rechtsprechung zu den in der Mutter-/Tochterrichtlinie 90/435/EWG und der Fusionsrichtlinie 90/434/EWG enthaltenen Missbrauchsvorschriften durch den EuGH ent418

EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-04695, Randnr. 3–4. Vgl. EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-04695, Randnr. 7. 420 Vgl. EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-04695, Randnr. 10. 421 Vgl. EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-04695, Randnr. 25. 422 Vgl. EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-04695, Randnr. 26; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 647. 423 Vgl. EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998 Seite I-04695, Randnr. 26. 419

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schieden, fordert das Verhältnismäßigkeitsgebot eine Einzelfallprüfung und den Nachweis einer konkreten, missbräuchlichen Steuerumgehung.424 Dies beinhaltet eine gewisse Künstlichkeit der Konstruktion.425 Dieser engen Betrachtungsweise bleibt der EuGH auch in der Rechtssache „ICI“ treu.426 Infolgedessen verbleibt in der EuGH-Rechtsprechung auch kein Raum für typisierende Missbrauchsregelungen des nationalen Steuerrechts.427 IV. Rechtssache „Metallgesellschaft“ und Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ Die grundsätzliche Bedeutung des „ICI“-Urteils für die Frage der Zulässigkeit einer Missbrauchsnorm wird in den späteren Rechtssachen „Metallgesellschaft“428 und „Lankhorst-Hohorst“429 erneut verdeutlicht. In beiden Urteilen wird durch den EuGH die Rechtfertigung einer Norm durch die Gefahr der Steuerumgehung unter Berufung auf die einschlägige Rechtsprechung in der Rechtssache „ICI“ abgelehnt. Eine Rechtsvorschrift, so der EuGH in der Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“, die sich in ihrer Rechtfertigung auf die Gefahr der Steuerumgehung stützen soll, muss speziell auf die Versagung steuerlicher Vorteile für rein künstliche Konstruktionen ausgerichtet sein. Wie schon im „ICI“-Urteil festgestellt, ist eine nationale steuerliche Norm die generell jede Situation erfasst, in der die Muttergesellschaft ihren Sitz außerhalb des nationalen Steuergebietes hat, hierfür ungeeignet. Sie unterstellt eine Steuerumgehung, obgleich das Unternehmen im jeweiligen Sitzstaat dem dortigen Steuerrecht unterliegt.430 In analoger 424 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 648; vgl. Hahn, IStR 1999, S. 613; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk 1997, S. 823. 425 Dies ist auch keine wesentlich andere Wertung als der BFH für das deutsche Steuerrecht hinsichtlich einer Steuerumgehung vorgenommen hat. Der Missbrauch erfordert eine einzelfallbezogene Beurteilung, ob die gewählte Gestaltung in Hinblick auf das Erstrebte objektiv unangemessen ist, zu einer Steuerminderung oder Steuervergünstigung führt und nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche, nichtsteuerliche Gründe zu rechtfertigen ist. Vgl. Lammerding, Abgabenordnung (1997), S. 105. 426 Vgl. Hahn, IStR 1999, S. 613. 427 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 297; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 648; vgl. Stefaner, SWI 2002, S. 420; vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 63. 428 Vgl. EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u. a.; Slg 2001, I-01727. 429 Vgl. EuGH v. 12.12.2002; Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779. 430 Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 37.

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Weise entschied der EuGH in der Rechtssache „Metallgesellschaft“, ebenfalls unter Berufung auf die „ICI“-Rechtsprechung, dass eine Niederlassung im Ausland noch keine Steuerumgehung impliziere.431 V. Zwischenergebnis Bereits in der Rechtssache „Kommission/Frankreich“ wurde durch den EuGH die Möglichkeit der Verhinderung einer Steuerflucht erörtert und die ablehnende Haltung des EuGH in Hinblick auf typisierende Missbrauchsbestimmungen deutlich.432 Eine pauschale Missbrauchsformel bietet zwar Rechtssicherheit, widerspricht aber dennoch regelmäßig dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Eine generelle Missbrauchsvermutung, die den unterstellten Missbrauch alleinig auf den ausländischen Sitz reduziert, ist genauso unzulässig433 wie das Fehlen der Widerlegbarkeit der Vermutung. Überdies muss diese Entscheidung einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein.434 Das „ICI“-Urteil ist insoweit richtungweisend für die Beurteilung nationaler, steuerlicher Gegenmaßnahmen auf der Subjektebene.435 Zwar hat der EuGH die Rechtfertigung auf der Basis der Vermeidung des Missbrauchs einer Grundfreiheit anerkannt, aber entsprechend dem allgemeinen Rechtsverständnis einen engen Rahmen hierfür gesetzt. So kann einzig die Bekämpfung rein künstlicher Konstruktionen, die nachweislich auf eine Steuerumgehung abzielen, vor dem EuGH Anerkennung finden.436 Damit ist dem EuGH die allgemeine Vorstellung „in dubio pro liberalitate“ und im Zweifel für den Marktbürger, im Sinne eines Nutzens der Marktfreiheiten und nicht des missbräuchlichen Ausnutzens dieser Rechte, eigen.437 Eine Missbrauchsvermutung würde dieses Konzept auf den Kopf stellen und ein generelles Misstrauen gegenüber dem Marktteilnehmer ausdrücken. Auch die Möglichkeit der Exkulpation würde keine Änderung dieser Grundintention nach sich ziehen. Damit ist dem einzelnen Marktbürger ausdrücklich das Recht der Selektion der für ihn vorteilhaften Rahmenbedingungen für 431

Vgl. EuGH v. 8.3.2001, Rs C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u. a., Slg 2001, I-01727, Randnr. 57. 432 Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 823. 433 Vgl. EuGH v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, ICI, Slg. 1998 Seite I-04695, Randnr. 26; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 823. 434 Vgl. Thömmes, DB 2001, S. 776. 435 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 647. 436 Vgl. Schaumburg, DB 2005, S. 1133; vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 11; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 82; vgl. Lang, IStR 2002, S. 217. 437 Vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 63; vgl. Ress/Ukrow, Steuergerechtigkeit 1997, S. 78–79.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

seine Tätigkeit zugebilligt. Dies muss auch, solange keine Harmonisierung der direkten Steuern in der Gemeinschaft erfolgt, das Recht beinhalten, einer spezifischen steuerlichen Belastung auszuweichen438, soweit dies eben nicht durch eine rein künstliche Konstruktion erfolgt. Eine missbräuchliche Ausnutzung dieser Freiheitsrechte muss infolge des Verhältnismäßigkeitsgebotes dem Marktteilnehmer im Einzelnen nachgewiesen werden.439 1. Besteuerung im Sitzstaat In allen drei Rechtsfällen erfolgte die Ablehnung des EuGH unter der Betonung auf die gegebene Besteuerung im Sitzland. Andererseits ist nicht unmittelbar einsichtig, in welchem Zusammenhang die potenzielle Besteuerung im Sitzland mit dem Tatbestand einer Steuerumgehung steht.440 Nun lehnt der EuGH einheitlich eine generelle Missbrauchsnorm ab. Einzig gegen rein künstliche Konstruktionen steht es dem Mitgliedstaat zu, geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens zu ergreifen. Die geforderte Künstlichkeit der Konstruktion kann überdies die Begründung nicht in der Sitzverlagerung in das Ausland finden. Der EuGH lehnt damit das verbreitete typisierende Misstrauen gegenüber der erhöhten Missbrauchsgefährdung einer wirtschaftlichen Betätigung im Ausland ab. Eine niedrige oder eben auch gar keine Besteuerung im Sitzland mag eine oder gar die wesentliche Begründung für eine Sitzverlagerung auf der Subjektebene sein.441 Dies ist jedoch nicht als ausreichend anzusehen, um eine missbräuchliche Steuerumgehung zu unterstellen.442 Hierzu müssen andere Kriterien hinzutreten. Damit lässt sich die Rechtsprechung zur Rechtfertigung auf Basis der Gefahr der Steuerumgehung in einem einheitlichen Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Verbot der kompensatorischen Besteuerung sehen. Denn einerseits ist es Sache des Sitzstaates, ob 438 Die Frage, ob das Angebot des anderen Staates fair ist, betrifft den Standortwettbewerb der Staaten und sollte nach der hier vertretenen Auffassung auf der Ebene der beteiligten Staaten gelöst werden. Vgl. zusammenfassend Zweiter Teil, 4. Kapitel. 439 Auch die Fusionsrichtlinie 90/434/EWG stellt auf den Beweggrund des Steuersubjektes ab. Dies muss die konkrete subjektive Absicht berücksichtigen. Vgl. Schollmeier, § 30, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 840–841. 440 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 647. 441 Entsprechend sind die Umgehungsmöglichkeiten innerhalb des Binnenmarktes auch größtenteils auf die steuerlich fragmentierten Märkte zurückzuführen. Vgl. Randzio-Plath, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 239. 442 Hahn sieht hierin denn auch eine explosive Aussage für Missbrauchstatbestände. Vgl. Hahn, IStR 1999, S. 613–614; vgl. Kokott, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 21.

D. Gefahr der Steuerumgehung

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er das ihm zustehende Besteuerungsrecht tatsächlich ausübt; diese Entscheidung obliegt dem politischen Diskurs des jeweiligen Staates. Andererseits kann der Staat, der sich in seinem Besteuerungsaufkommen bedroht fühlt, seinerseits auch mit der Begründung einer erhöhten Missbrauchsgefahr der wirtschaftlichen Betätigung im Ausland eine Besteuerung nicht nachholen. Zulässig ist es hingegen, den legitimen Steueranspruch durchzusetzen.443 Entsprechend könnte ein zukünftiger Weg einer Sicherung des nationalen Steueraufkommens mit verstärktem Gewicht auf der Durchsetzung der Transferpreise liegen.444 2. Hinzurechnungsbesteuerung – eine typisierende Missbrauchsregelung? Nun stellt sich infolge oben genannter Aussagen unmittelbar die Frage, ob es sich bei der Hinzurechnungsbesteuerung um eine typisierende Missbrauchsregelung handelt. Für eine Klassifikation der Hinzurechnungsbesteuerung kann einerseits auf ihre Entstehungsgeschichte zurückgegriffen werden. So wurde die Steuer in Deutschland infolge des „Oasenberichtes“445 und der Rechtsprechung des BFH in das Außensteuergesetz überführt.446 Nimmt man eine bestimmte Fallgruppe aus dem § 42 AO heraus und versucht diese durch ein Einzelgesetz zu fassen, so ist dies ohne Zweifel mit einem bestimmten Grad an Typisierung verbunden. Aber auch ein Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung ermöglicht die entsprechende Einordnung als typisierende Norm. Nur die passiven, als schädlich eingestuften Tätigkeiten werden als Zwischeneinkünfte besteuert. Der deutsche Gesetzgeber akzeptiert damit auch eine ausschließlich aus Gründen der niedrigen Besteuerung im Ausland ausgeübte Geschäftsaktivität.447 Dies entspricht insoweit den durch die Rechtsprechung bestätigten Anforderungen des Binnenmarktes. Tritt zu dem niedrigen Steuerniveau eine passive Tätigkeit hinzu, so unterstellt der Gesetzgeber bei der Hinzurechnungsbesteuerung einen Miss443 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 297; vgl. Hahn, IStR 1999, S. 612; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 449. 444 Vgl. Werra, in: Lüdicke, Unternehmenssteuerreform (2001), S. 69. 445 Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen in das Ausland und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben, Oasenbericht v. 23.6.1964, BT-Drucks. IV/2412. 446 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 31. 447 Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 159–160.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

brauch oder eine nicht dem wirtschaftlichen Sachverhalt korrespondierende Aufteilung des Steuersubstrates. In ähnlicher Weise wie bei der durch den EuGH in der Rechtssache „ICI“ verworfenen britischen Norm trifft die Hinzurechnungsbesteuerung aber nicht nur die Gesellschaften, die missbräuchlich ihren Gewinn verlagern, sondern generell alle Gesellschaften mit Sitz im Ausland, die neben den anderen Voraussetzungen des Außensteuergesetzes durch das Raster des Aktivitätskatalogs des § 8 AStG fallen. So ist die Hinzurechnungsbesteuerung als typisierende Missbrauchsregelung zu interpretieren448, die gleichsam weit über den Regelungszweck einer Missbrauchsnorm hinaus reicht und eben nicht nur künstliche Konstruktionen erfasst.449 Da zudem durch § 42 AO auch eine ausreichende, einzelfallorientierte Alternative gegeben ist, die einer missbräuchlichen Gewinnverlagerung begegnet450, kann die Hinzurechnungsbesteuerung keine Rechtfertigung durch die Gefahr der Steuerumgehung finden. Dieses Ergebnis ist in ähnlicher Weise auf die Rechtfertigung einer Beschränkung im Verhältnis zu Drittstaaten zu übertragen. Der generellen Ablehnung einer typisierenden Missbrauchsnorm des EuGH kann auch in diesem Fall keine andere Wertung entnommen werden. Auch wenn das Gefährdungspotenzial aufgrund der gegebenen, schlechteren Informationsmöglichkeiten weit höher einzustufen ist, muss ein bestehender, legitimer Steueranspruch auf Basis der Wirksamkeit der Steueraufsicht gerechtfertigt sein oder dem einzelnen Steuersubjekt jeweils eine missbräuchliche Ausnutzung der wirtschaftlichen Freiheitsrechte nachgewiesen werden.

E. Wirksamkeit der Steueraufsicht/Steuerkontrolle In einem engen inhaltlichen Kontext zum Rechtfertigungsgrund auf Basis der Vermeidung der Steuerflucht steht die mögliche Rechtfertigung einer die Grundfreiheiten verletzenden, nationalen Norm, die sich auf die Wahrung der Steueraufsicht und der Wirksamkeit der Steuerkontrolle bezieht. Schon frühzeitig wurde durch die nationalen Finanzverwaltungen die Gefahr erkannt, dass durch grenzüberschreitende, wirtschaftliche Vorgänge die 448

Vgl. BMF, Reform der internationalen Kapitaleinkommensbesteuerung 1999,

S. 40. 449 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Vor §§ 7–14, Randnr. 82; vgl. Saß, DB 2002, S. 2345–2346; vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 160–163; vgl. Mersch, Hinzurechnungsbesteuerung (1986), S. 149–150. 450 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 127. Für die Rechtfertigung des Einzelfallmissbrauchs und der Frage der europarechtlichen Grenzen des § 42 AO vgl. Rättig/Protzen, IStR 2003, S. 201–202; vgl. Höppner, in: Breuninger, FS für Albert J. Rädler (1999), S. 305–341.

E. Wirksamkeit der Steueraufsicht/Steuerkontrolle

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erforderlichen Informationen zur Festsetzung der Steuer nur erschwert zu ermitteln seien. Verbunden hiermit ist die Unsicherheit, ob die nationale Steueraufsicht im Ausland in ausreichendem Maß gewährleistet sei, um die bestehenden, nationalen Steueransprüche in gleichem Maß wie im inländischen Territorium durchzusetzen.451 I. Die frühe Rechtsprechung – Rechtssachen „Bachmann“ bis „Wielockx“ Der EuGH zeigte sich in der Rechtsprechung gegenüber dieser Argumentation eher skeptisch. So wurde in der Rechtssache „Bachmann“452 schlicht die Frage der Schwierigkeit der Sachverhaltsermittlung für die Festsetzung der inländischen Steuer aufgrund der in anderen Mitgliedstaaten realisierten Tatbestandsmerkmale unter Verweis auf die Amtshilferichtlinie 77/799/ EWG453 zurückgewiesen.454 Gleichzeitig wurde durch den EuGH jedoch auch der aus der Rechtssache „Cassis de Dijon“ zu entnehmende Rechtfertigungsgrund der wirksamen Steuerkontrolle bestätigt. Verbunden damit ist die Anerkennung des grundsätzlich als berechtigt anzusehenden Interesses der Mitgliedstaaten zur Erfassung der für die Festsetzung der nationalen Steuer nötigen Daten. Allerdings wurde bereits in der Rechtssache „Bachmann“ auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit verwiesen. Denn nach Ansicht des EuGH ist in der vorgenannten Rechtssache ein generelles Verbot des Abzugs der sozialversicherungsrechtlichen Beiträge nicht erforderlich, sofern der erwünschte Kontrolleffekt im Rahmen eines einzelfallorientierten Ansatzes gleichermaßen zu erzielen ist.455 Überdies kann hierzu die Steuerbehörde vom Steuerpflichtigen selbst Belege erlangen, die zur Beurteilung des steuerlichen Sachverhaltes erforderlich sind.456 In analoger Weise wies der EuGH unter Hinweis auf die durch die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG gegebenen Auskunftsmöglichkeiten457 in der 451

Vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 822–823. Vgl. EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249. 453 Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, bestimmter Verbrauchsteuern und der Steuern auf Versicherungsprämien, ABl. Nr. L 336 vom 27.12.1977, S. 15. 454 Vgl. EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249, Randnr. 17. Für eine Darstellung der steuerlichen Amtshilfe innerhalb der EG vgl. Wolffgang, § 32, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), 989–1017. 455 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 440. 456 Vgl. EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249, Randnr. 18 u. 20. 452

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

Rechtssache „Halliburton Services“458 das Vorbringen der niederländischen Regierung zurück, eine Beschränkung der Befreiung von der Grunderwerbsteuer für nach nationalem Recht errichtete Gesellschaften, die für die Umstrukturierungen von Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorgesehen sei, sei erforderlich, da die Finanzbehörde nicht über die Möglichkeit verfüge, die Gleichwertigkeit der ausländischen Rechtsform zu überprüfen.459 Das gleiche Ergebnis lässt sich folglich auch der Rechtssache „Schumacker“460 entnehmen. Denn der EuGH wies auch hier die vorgetragene Argumentation der deutschen Regierung zurück, dass die Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung der im Wohnsitzstaat des beschränkt Steuerpflichtigen realisierten Tatbestandsmerkmale die diskriminierende Versagung der Steuererleichterungen rechtfertigen würden, die einem unbeschränkt Steuerpflichtigen zustehen. Gleichfalls hielt der EuGH der deutschen Regierung die gegebenen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung im Rahmen der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG entgegen.461 Eine pauschale Ablehnung der Rechtfertigung durch die gegebene Erschwernis der Sachverhaltsermittlung findet sich wenig später bestätigend auch in der Rechtssache „Wielockx“462 wieder. Nach Ansicht des EuGH können auch in diesen Fall die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG alle erforderlichen Informationen beschaffen.463 II. Rechtssache „Futura Participations und Singer“ vom 15. Mai 1997 Die bis dahin festzustellende, grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber der Rechtfertigung einer beschränkenden steuerlichen Norm auf Grundlage der Erschwernis der Informationsbeschaffung wurde allerdings durch das Urteil vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache „Futura Participations und Singer“464 teilweise relativiert.465 In der Sache ging es um die 457 Vgl. EuGH v. 12.4.1994, Rs. C-1/93, Halliburton, Slg. 1994, I-01137, Randnr. 22. 458 Vgl. EuGH v. 12.4.1994, Rs. C-1/93, Halliburton, Slg. 1994, I-01137. 459 Vgl. EuGH v. 12.4.1994, Rs. C-1/93, Halliburton, Slg. 1994, I-01137, Randnr. 21. 460 Vgl. EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225. 461 Vgl. EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 43. 462 Vgl. EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493. 463 Vgl. EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 26. 464 Vgl. EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471. 465 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 640–641.

E. Wirksamkeit der Steueraufsicht/Steuerkontrolle

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Frage, ob die luxemburgische Finanzbehörde einen Steuerausländer, der über eine Zweigniederlassung in Luxemburg verfügt, zur Buchführung nach luxemburgischen Recht verpflichten kann, wenn dieser für die Zweigniederlassung einen Verlustvortrag nach luxemburgischen Steuerrecht begehrt, um den in Luxemburg angefallenen Verlust zu bestimmen.466 In Verbindung mit der Verpflichtung zur Buchführungspflicht nach nationalem Steuerrecht äußert sich der EuGH dann auch zur Notwendigkeit der steuerlichen Kontrolle. Zwar verwies der EuGH, wie schon bei den vorherigen Urteilen, auf die prinzipiell gegebene Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung auf Basis der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG467, dennoch sieht auch der EuGH die Möglichkeiten der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG in diesem Fall als nicht ausreichend an, um die für die Festsetzung der nationalen Steuern erforderlichen Informationen zu beschaffen. So ist aufgrund der fehlenden Harmonisierung der Bemessungsgrundlage für direkte Steuern nicht sichergestellt, dass die ausländische Finanzbehörde die nach luxemburgischem Recht erforderlichen Informationen zur präzisen Bestimmung der Steuerlast der Zweigniederlassung in Luxemburg zur Verfügung stellen kann. In einem zweiten Prüfungsschritt lehnt der EuGH dann allerdings eine generelle Verpflichtung zur zusätzlichen Buchführung für die Zweigniederlassung nach luxemburgischem Recht ab, da dies nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entspreche. Zwar besteht einerseits ein berechtigtes Interesse des luxemburgischen Fiskus, die Höhe des zu berücksichtigenden Verlustes nach luxemburgischem Recht zu bestimmen, andererseits erfordert dies aber nicht zwingend die Buchführung nach luxemburgischem Recht. Sofern der ausländische Steuerpflichtige auf andere Weise die benötigten Informationen für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage zur Verfügung stellen könne, kann keine Verpflichtung zur Buchführung nach luxemburgischen Recht erzwungen werden.468 In der Rechtssache „Futura Participations und Singer“ wurde entsprechend auch ein Wiederaufleben des in der Rechtssache „Cassis de Dijon“ begründeten, verfahrensrechtlichen Kontrollgedanken gesehen.469 Angesichts der prinzipiellen Bereitschaft des EuGH, eine Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen anzuerkennen, verwundern die Ausführungen des EuGH 466 Vgl. EuGH v. 15.05.1997, Rs. C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 28. 467 Vgl. EuGH v. 15.05.1997, Rs. C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 41. 468 Vgl. EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 39–40. 469 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 640.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

in der Rechtssache „Futura Participations und Singer“ wenig, zeigte sich der EuGH doch bereits in der Rechtssache „Bachmann“470 bereit, die grundsätzliche Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen an der Sachverhaltsermittlung anzuerkennen, soweit diese eben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. III. Rechtssache „Baxter“ vom 8. Juli 1999 Auch in der Rechtssache „Baxter“471 wird die Rechtfertigung einer beschränkenden steuerlichen Norm auf der Grundlage der wirksamen Steuerkontrolle thematisiert. Im Jahr 1995 beschloss die französische Regierung Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts der sozialen Sicherheit. Bestandteil dieser Eilmaßnahme war die in der Rechtssache „Baxter“ strittige Regelung, die Unternehmen, die Arzneispezialitäten in Frankreich verwerten, mit drei außerordentlichen Abgaben belegt. Bemessungsgrundlage dieser Abgabe war der im Jahr 1995 in Frankreich erfolgte Umsatz mit Arzneimitteln abzüglich der in Frankreich getätigten Forschungsausgaben. Die Firma „Baxter“, eine in Frankreich tätige Tochtergesellschaft, konnte dagegen die ausländischen Forschungsausgaben der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft nicht von der Besteuerungsgrundlage steuermindernd geltend machen. Entsprechend waren regelmäßig französische Unternehmen, die über nationale Forschungsabteilungen verfügen und folglich die im Jahr 1995 anfallenden Kosten für die wissenschaftliche und technische Forschung geltend machen konnten, bevorteilt.472 Die französische Regierung versuchte, die Begrenzung der Berücksichtigung der steuerlichen Abzugsfähigkeit auf im Inland getätigte Forschungsausgaben durch die im Ausland gegebenen Probleme der Überprüfung der tatsächlich getätigten Forschungsausgaben zu rechtfertigen.473 In Fortführung der in der Rechtssache „Futura Participations und Singer“ vertretenen Ansicht bestätigte der EuGH erneut, dass es dem Mitgliedstaat überlassen ist, eine nationale Maßnahme durchzuführen, die es ihm ermög470 Vgl. EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-00249, Randnr. 18 u. 20. 471 Vgl. EuGH v. 8.7.1999, Rs. C-254/97, Baxter, Slg. 1999, I-04809. 472 Vgl. EuGH v. 8.7.1999, Rs. C-254/97, Baxter, Slg. 1999, I-04809, Randnr. 3–4. 473 „(. . .) In diesem Zusammenhang sei eine Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Forschungsausgaben auf Ausgaben für solche Forschungstätigkeiten, die im Erhebungsmitgliedstaat durchgeführt würden, unerlässlich, damit die Steuerbehörden dieses Staates prüfen könnten, welche Ausgaben tatsächlich geleistet worden seien.“ EuGH v. 8.7.1999, Rs. C-254/97, Baxter, Slg. 1999, I-04809, Randnr. 16.

E. Wirksamkeit der Steueraufsicht/Steuerkontrolle

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licht, die zur Festsetzung der Steuer erheblichen Informationen zu beschaffen. Dies umfasst im vorliegenden Fall die Möglichkeit der eindeutigen Feststellung der Höhe der als Forschungsabgaben abziehbaren Beträge.474 Eine solche nationale Maßnahme zur Sicherung des Steueraufkommens ist jedenfalls dann als unverhältnismäßig anzusehen, wenn diese es dem Steuerpflichtigen unmöglich macht, über eine eigene Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung, beispielsweise in Form einer Belegerbringung, den steuerlichen Vorteil der Abzugsfähigkeit der ausländischen Forschungsausgaben zu erzielen.475 Entsprechend kann die Wirksamkeit der Steuerkontrolle schon im Grundsatz keine nationalen Normen rechtfertigen, die keine Nachweisklausel vorsehen und gleichsam unwiderruflich den transnationalen Sachverhalt gegenüber dem rein nationalen Vorgang benachteiligen. IV. Rechtssache „Vestergaard“ vom 28. Oktober 1999 Wenig später wird durch den EuGH in der Rechtssache „Vestergaard“476 erneut auf die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung durch die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG verwiesen. In der Sache ging es bei der Bestimmung der dänischen Steuerlast um die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Fortbildungsveranstaltung in Griechenland. Verbunden hiermit ist die Abwägung der beruflichen Veranlassung und der mit einer Reise ins Ausland verbundenen Urlaubsvermutung des dänischen Fiskus, sofern die Veranstaltung an einem üblichen, ausländischen Urlaubsort stattfindet und kein gegenteiliger Nachweis durch den Steuerpflichtigen erbracht wird. Findet dagegen eine Fortbildungsveranstaltung an einem dänischen Urlaubsort statt, so entfällt die Verpflichtung zum Nachweis über die überwiegend beruflich veranlasste Ortswahl.477 Nach Auffassung der dänischen Finanzverwaltung sei die geforderte Mitwirkungsverpflichtung des Steuerpflichtigen im Ausland gerechtfertigt, da der in der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG vorgesehene Informationsaustausch nicht ausreichend sei, um die Einstufung der Fortbildungsreise als steuerlich abzugsfähig zu ermöglichen.478 Die dänische Regierung versuchte in ihrer Argumentation in ähnlicher Weise wie die luxemburgische Regie474

Vgl. EuGH v. 8. Juli 1999, Rs. C-254/97, Baxter, Slg. 1999, I-04809, Randnr. 18. 475 Vgl. EuGH v. 8. Juli 1999, Rs. C-254/97, Baxter, Slg. 1999, I-04809, Randnr. 19–20. 476 Vgl. EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98, Vestergaard, Slg. 1999, I-07641. 477 Vgl. EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98, Vestergaard, Slg. 1999, I-07641, Randnr. 7. 478 Vgl. EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98, Vestergaard, Slg. 1999, I-07641, Randnr. 27.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

rung, in der Rechtssache „Futura Participations und Singer“ aufgrund der unterschiedlichen nationalen, steuerlichen Regelungen die Wirksamkeit der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG infrage zu stellen. Die Bewertung des steuerlich erheblichen Sachverhaltes könne daher auch nur durch den nationalen Fiskus erfolgen.479 Der Generalanwalt Saggio verneinte in seinen Schlussanträgen die Erforderlichkeit der Nachweisverpflichtung des Steuerpflichtigen und sah insbesondere durch die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG die Möglichkeit gegeben, alle für die steuerliche Bewertung der Fortbildungsveranstaltung im Ausland erforderlichen Informationen zu beschaffen, sodass die diskriminierende, dänische steuerliche Norm schlicht nicht erforderlich sei.480 Der EuGH schloss sich in seinem Urteil letztlich dieser Auffassung an und lehnte entsprechend die Rechtfertigung der Norm auf der Grundlage des zwingenden Allgemeininteresses an der wirksamen Steuerkontrolle ab. So ermöglicht der Rechtfertigungsgrund der wirksamen Steuerkontrolle den Mitgliedstaaten, Maßnahmen durchzuführen, die eine eindeutige und exakte Festsetzung der nationalen Steuerlast ermöglichen. Sie erlaubt es aber nicht, die Abzugsfähigkeit der Fortbildungsmaßnahmen im Inland und in den anderen Mitgliedsländern von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig zu machen.481 Überdies ermögliche es die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG, gerade die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Schließlich könne in der Sachverhaltsermittlung auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen selbst zurückgegriffen werden.482 V. Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ vom 12. Dezember 2002 Andererseits ist zwischen der u. U. erweiterten Mitwirkungspflicht des Steuersubjektes an der Sachverhaltsaufklärung im Ausland und einer typisierenden Besteuerung, die ihre Begründung letztlich in der Schwierigkeit der Ermittlung der erforderlichen Informationen zur Festsetzung der Steuer findet, nachdrücklich zu differenzieren. Entsprechend wurde auch in der Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“483 das erneut vorgetragene Argument der Wirksamkeit der Steueraufsicht durch 479 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saggio vom 10.6.1999, Rs. Vestergaard, Slg. 1999, I-07641 Randnr. 32. 480 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saggio vom 10.6.1999, Rs. Vestergaard, Slg. 1999, I-07641 Randnr. 33–34. 481 Vgl. EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98, Vestergaard, Slg. 1999, Randnr. 25. 482 Vgl. EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98, Vestergaard, Slg. 1999, Randnr. 28.

C-55/98, C-55/98, I-07641, I-07641,

E. Wirksamkeit der Steueraufsicht/Steuerkontrolle

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den EuGH zurückgewiesen. § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG sah, soweit bestimmte Anforderungskriterien an die Eigenkapitalstruktur („safe haven“) nicht erfüllt sind, die Berücksichtigung von gewinn- oder umsatzabhängigen Vergütungen für Gesellschafter-Fremdkapital als verdeckte Gewinnausschüttung vor, sofern der Darlehensgeber nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigt war.484 § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG dient damit der Bekämpfung einer Unterkapitalisierung („thin capitalization“). Nachdem ein vergleichbarer inländischer Darlehensgeber den Folgen des § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG nicht unterliegt485, ist in der Norm eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gegeben.486 Die britische Regierung versuchte in der Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“ etwas nebulös, unter Bezugnahme auf die Rechtssache „Futura Participations und Singer“ die in § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG enthaltene Regelung durch die Möglichkeit der Kontrolle der steuerpflichtigen Einkünfte zu rechtfertigen.487 Der EuGH wies jedoch die Argumentationslinie der britischen Regierung zurück, da es die vortragende Partei unterließ darzulegen, in welcher Weise diese Norm zur Wirksamkeit der Steuerkontrolle durch den deutschen Fiskus beitragen könne.488 Dieses Ergebnis erstaunt wenig, handelt es sich doch auch bei der körperschaftsteuerlichen Regelung des § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG um eine typisierende Norm. In welcher Weise eine steuerliche Regelung, die bei Verstoß gegen eine gesetzlich unterstellte, betriebswirtschaftlich sinnvolle Kapitalstruktur einer Tochtergesellschaft eine Steuerumgehungsvermutung normiert und eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben sieht, der Sachverhaltsaufklärung dienlich sein kann, ist nicht unmittelbar einsichtig. Entsprechend deutlich auch die Stellungnahme von Generalanwalt Mischo in den Schlussanträgen vom 26. September 2002. Im Gegensatz zur Rechtssache „Futura Participations 483 Vgl. EuGH v. 12.12.2002; Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779. 484 Der Sachverhalt bezog sich auf das Körperschaftsteuerrecht in der Fassung vor dem Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 23.10.2000. 485 Der vorgetragene Rechtfertigungsversuch, dass auch im Inland bestimmte Anteilseigner nicht zur Körperschaftsteuer anrechnungsberechtigt waren, wurde durch den EuGH unter Verweis auf die große Mehrheit der anrechnungsberechtigten Muttergesellschaften im Inland zurückgewiesen. Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rechtssache C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 28. 486 Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 32. 487 Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst Slg. 2002, I-11779, Randnr. 43. 488 Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 44.

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2. Teil, 3. Kap.: Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe

und Singer“ ist durch § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG die Steueraufsicht im eigentlichen Sinn nicht betroffen.489 VI. Zwischenergebnis Letztlich können somit der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Rechtfertigung auf der Basis der Wirksamkeit der Steuerkontrolle zwei grundsätzliche Schlussfolgerungen entnommen werden. 1. Erschwernis der Sachverhaltsaufklärung Zunächst ist, wie aufgezeigt, in der Rechtsprechung des EuGH wiederholt darauf verwiesen worden, dass die gegebene Erschwernis der grenzüberschreitenden Sachverhaltsaufklärung im Binnenmarkt nicht als Rechtfertigungsgrund für eine, die Grundfreiheiten beschränkende, steuerliche Norm anerkannt wird. Vielmehr ist durch die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG eine ausreichende Möglichkeit gegeben, die für die Sachverhaltsaufklärung erforderlichen Informationen von den übrigen Mitgliedstaaten zu beschaffen.490 Durch die Richtlinie 2003/48/ EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen491 wurde für den Binnenmarkt neben der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG eine weitere Informationsmöglichkeit geschaffen.492 Sind die durch die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG gegebenen Möglichkeiten nicht hinreichend, da die erforderlichen Informationen im anderen Mitgliedstaat schlicht nicht zur Verfügung stehen, kann eine Mitwirkungspflicht der Steuersubjekte an der Sachverhaltsaufklärung als angemessen angesehen werden. Wie schon für die Rechtfertigung von Maßnahmen gegen eine Steuerumgehung festzustellen war, erscheint auch für eine Rechtfertigung einer beschränkenden Norm auf Basis der Wirksamkeit der Steueraufsicht keine generelle Verpflichtung geeignet, dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden. Folglich muss ein Mitgliedstaat wohl auch in diesem Fall dediziert vortragen, welcher Art die erwünschte Kontrollwirkung sein soll, und begründen, ob die vorgesehene Mitwirkungsverpflichtung für das er489 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 26.9.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779, Randnr. 97. 490 Vgl. Sedemund, IStR 2002, S. 392; vgl Schön, in: Schön, GS für Brigitte Knobbe-Keuk (1997), S. 770; vgl. Thömmes, in: Schön, GS für Brigitte KnobbeKeuk (1997), S. 824. 491 Richtlinie 2003/48/ EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, Abl. Nr. L 157 v. 26.6.2003, S. 38. 492 Vgl. Blumers/Kinzl, DB 2004, S. 401.

E. Wirksamkeit der Steueraufsicht/Steuerkontrolle

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wünschte Ziel adäquat ist. Das Gebot der Erforderlichkeit der beschränkenden Maßnahme begrenzt die zur Verfügung stehenden Alternativen im Binnenmarkt.493 Im Verhältnis zu Drittstaaten ist hier eine großzügigere Handhabung in der Abwägung der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit der steuerlichen Maßnahme zu erwarten. Wenn bereits für den Binnenmarkt die Grenzen einer transnationalen Sachverhaltsermittlung aufgrund der fehlenden Harmonisierung der direkten Steuern aufgezeigt werden, dann ist auch im Verhältnis zu Drittstaaten die Problematik der mangelnden Kompatibilität der Steuersysteme der jeweiligen Staaten verstärkt zu berücksichtigen. Zumal nur für den Binnenmarkt die Möglichkeit einer gegenseitigen Amtshilfe besteht. Die Amtshilferichtlinie 77/799/EWG ist für Drittstaaten schlicht nicht bindend. Überdies besteht keine äquivalente Möglichkeit zur Informationsbeschaffung im Verhältnis zu Drittstaaten.494 Auch die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung auf Basis des Art. 26 OECD-MA sind nicht als gleichwertig anzusehen.495 Folglich dürfte auch ein weit geringerer Anspruch an die Rechtfertigung einer Beschränkung einer Grundfreiheit aufgrund der fehlenden Informationsmöglichkeit in Bezug auf Drittstaaten zu stellen sein. 2. Hinzurechnungsbesteuerung und Steueraufsicht Zweitens kann eine typisierende Besteuerung nicht durch die fehlende Wirksamkeit der Steueraufsicht ihre Rechtfertigung finden. Denn einerseits ist der Sicherung des Steueraufkommens im Sinne der Wirksamkeit der Steueraufsicht eine deutlich andere Zielsetzung zu entnehmen, als es für die Idee der CFC-Legislation gegeben ist. Die CFC-Legislation bezweckt ausdrücklich einen Ausgleich der ausländischen, als zu niedrig empfundenen steuerlichen Belastung. Andererseits sollen im Unterschied hierzu Normen, die der Wirksamkeit der Steueraufsicht dienen oder die die zur Festsetzung der Steuer erforderlichen Daten beschaffen, einen bestehenden Steueranspruch sichern. Die Durchsetzung der mit den Grundfreiheiten zu vereinbarenden Steuernormen kann damit keine kompensatorische Erweiterung der sonst für einen inländischen Sachverhalt üblichen Steuerpflicht beinhalten, welche die Rechtfertigung in einer mangelnden Steuerkontrolle der transnationalen wirtschaftlichen Vorgänge finden soll. 493

Vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 64. Zur gegenseitigen Unterstützung der Staaten bei der Steuereinhebung vgl. Prats, Intertax 2002, S. 56–78. 495 Vgl. Blumers/Kinzl, DB 2004, S. 402. 494

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

Wenn eine typisierende Besteuerung für den Tatbestand der Steuerumgehung und der hiermit verbundenen Missbrauchsvermutung durch den EuGH als unverhältnismäßig angesehen wird, ist eine typisierende Norm für den Fall, dass der Steuerpflichtige schlicht die geforderten Informationen nicht erbringt oder gar als Minderheitsgesellschafter nicht erbringen kann, auch im Verhältnis zu Drittstaaten abzulehnen.496 Vielmehr erscheint für diese Fallkonstellation eine einzelfallbezogene Schätzung angebracht. Im Ergebnis ist eine Rechtfertigung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung durch mangelnde Wirksamkeit der Steueraufsicht weder im Binnenmarkt noch im Verhältnis zu Drittstaaten ermöglicht. Einerseits dient die Hinzurechnungsbesteuerung nicht unmittelbar der Sachverhaltsaufklärung und kann zum anderen auch nicht als etwaige Kontrollmaßnahme seitens der Finanzverwaltung angesehen werden. 4. Kapitel

Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung Versteht man die „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ und den in Art. 58 EGV vorgesehenen „ordre public“-Vorbehalt in einem einheitlichen Kontext, so lassen sich zur möglichen Rechtfertigung einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zwei Säulen unterscheiden, welche grundsätzlich geeignet erscheinen, eine kapitalverkehrsbeschränkende steuerliche Maßnahme zu ermöglichen. Für den Binnenmarkt ist dies denkbar, sofern die CFC-Legislation die Rechtfertigung durch die seit der Rechtssache „Cassis de Dijon“ anerkannten „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ oder „rule of reason“497 findet. Im Verhältnis zu Drittstaaten treten neben die Prüfung der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ die im Vertragstext ausdrücklich enthaltenen Ausnahmeklauseln für den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten hinzu. Eine mögliche Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereich der Grundfreiheiten steht unter dem strikten Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit.498 Hierbei ist bei einer allgemeinen Abwägung des Einzelfalls die kon496 So auch Kokott: „Vorschriften, die lediglich einer besseren oder transparenten Kontrolle der Steuererhebung dienen oder als Nebeneffekt der Steuerumgehung entgegenwirken, dürfen kaum als Rechtfertigung ausreichen.“ Kokott, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 22. Kritisch dagegen Vanistendael. Unter Hinweis auf die verwaltungstechnischen Probleme ist eine Einzelfalllösung zur Sachverhaltsermittlung kaum geeignet. Vgl. Vanistendael, CML Rev. 1996, S. 267–268. 497 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 146; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 60–61.

2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

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krete Zielsetzung der Freiheitsrechte zu berücksichtigen.499 Eine Maßnahme, die die Freiheitsrechte beschränkt und damit das individuelle Recht des Einzelnen einschränkt, muss einerseits geeignet sein, um das gesetzte Ziel zu erreichen, und darf andererseits im Sinne eines Übermaßverbotes nicht über das gesetzte Ziel hinausgehen.500 Entsprechend ist eine beschränkende Maßnahme daraufhin zu prüfen, ob kein probateres Mittel existiert, welches mit einem weniger starken Eingriff in die Freiheitsrechte des Binnenmarktes verbunden ist. Dies beinhaltet einen Vergleich anderer möglicher Mittel, die dazu geeignet erscheinen, die Zielerreichung zu gewährleisten.501 Weiter konkretisiert sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in einer Abwägung der durch die Beschränkung verursachten Nachteile im Verhältnis zum angestrebten Ziel.502 Auch steht die Wahl der Mittel nicht allein im Ermessen der jeweiligen Finanzverwaltung der Mitgliedstaaten.503 Insoweit behält sich der EuGH einen weitgehenden Ermessensspielraum für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Norm in Hinblick auf den damit verbundenen „Schaden“ für den Binnenmarkt vor.504 Bezogen auf die Möglichkeit der Durchführung einer CFC-Legislation lassen sich entsprechend vier Fallgruppen unterscheiden. Einerseits ist die Unterscheidung vorzunehmen, ob eine CFC-Legislation innerhalb der Gemeinschaft oder im Verhältnis zu Drittstaaten mit den Anforderungen des EG-Vertrages im Einklang steht. Weiter muss die CFC-Legislation im Verhältnis zur beabsichtigten Zielsetzung beurteilt werden. Hierbei ist dann im Verhältnis zu Drittstaaten und den anderen Mitgliedstaaten zu hinterfragen, ob eine CFC-Legislation erforderlich und geeignet ist, um einerseits als 498 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 115; vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 64–65; Vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. S. 450. Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip vgl. EmmerichFritsche, Verhältnismäßigkeit (2000). 499 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 157–158. 500 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 297. 501 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 133, vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 64–65. 502 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 134. 503 Die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit „(. . .) insbesondere als Ausnahme von dem grundlegenden Prinzip des freien Kapitalverkehrs, sind eng zu verstehen, sodass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Gemeinschaft bestimmt werden kann. (. . .) So kann die öffentliche Sicherheit nur geltend gemacht werden, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.“ Vgl. EuGH v. 14.3.2000, Rs. C-54/99, Église de scientologie, Slg. 2000, I-01335, Randnr. 17. 504 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 134. Allgemein zum Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schranke der EG-Rechsetzung vgl. Emmerich-Fritsche, Verhältnismäßigkeit (2000).

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

Ausgleichsmaßnahme gegen einen unfairen internationalen Steuerwettbewerb auf Staatenebene eingesetzt zu werden, oder ob sie andererseits als Missbrauchsnorm zur Bekämpfung einer Steuerumgehung auf Subjektebene als angemessene Maßnahme betrachtet werden kann. Die CFC-Legislation soll nunmehr in allen vier unterschiedenen Bereichen einer Würdigung unterzogen werden.

A. Binnenmarkt Ordnet man Art. 58 EGV in die allgemeine Rechtfertigungssystematik des EuGH ein, so lässt sich die Beurteilung der Rechtfertigung einer CFCLegislation für den Binnenmarkt auf die „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ reduzieren. I. Missbrauch auf Subjektebene Der durch die wirtschaftlichen Freiheitsrechte garantierte Kernbestandteil des Binnenmarktes ist die Freiheit der Marktteilnehmer, die für sie günstigsten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu wählen und so aus der Sicht des gemeinsamen Marktes eine optimale Allokation der Binnenproduktionsfaktoren zu erreichen. Verbunden hiermit ist auch eine mögliche Verlagerung des Steuersubstrates. Dies ist gemeinschaftsweit hinzunehmen. Die Mitgliedstaaten sind gleichsam kollektiv verpflichtet, die steuerlichen Rahmenbedingungen für den gemeinsamen Markt zu schaffen.505 Damit sind selbst für den Fall, dass Handlungen der Steuerpflichtigen ausschließlich darauf gerichtet sind, nur eine bessere steuerliche Kondition in einem anderen Mitgliedstaat zu nützen, diese Handlungen grundsätzlich zu akzeptieren.506 Das Ausnützen eines Steuergefälles allein kann nicht als missbräuchlich angesehen werden.507 Es müssen weitere Komponenten hinzutreten, die für eine missbräuchliche Gestaltung des Steuersubjektes sprechen. Dem jeweiligen Staat steht die Entscheidung zu, welche Steuer er in welcher Höhe im Rahmen seines Besteuerungsrechtes erhebt. Das Binnenmarktkonzept wäre ad absurdum geführt, würde eine kompensatorische Besteuerung auf der Ebene der Mitgliedstaaten ermöglicht, also die Besteuerung des inländischen Steuersubjektes davon abhängig gemacht, in welcher Höhe und auf welche Art der ausländische Staat sein Besteuerungsrecht ausübt.508 505

Vgl. Thömmes, DB 2002, S. 2402. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 647; vgl. Hahn, IStR 1999, S. 614. 507 Vgl. Hahn, IStR 1999, S. 613–614; vgl. Kokott, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 21. 506

A. Binnenmarkt

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Damit lassen sich für die Bewertung einer Missbrauchsnorm auf Subjektebene zwei Unterfälle unterscheiden. Ist das ausländische Steuerangebot „fair“ und ist dem Steuersubjekt kein Missbrauch nachzuweisen, so ist infolge des grundsätzlichen Verbotes von Ausgleichsmaßnahmen keine kompensatorische Besteuerung denkbar. Nutzt dagegen ein Steuersubjekt die wirtschaftlichen Freiheitsrechte des Binnenmarktes missbräuchlich aus, so kann im Einzelfall gegen eine festgestellte Steuerumgehung vorgegangen werden. Eine typisierende Missbrauchsnorm wie die CFC-Legislation lässt sich jedoch nicht mit der Forderung der Verhältnismäßigkeit vereinbaren.509 Damit kann eine CFC-Legislation für den Binnenmarkt auf Subjektebene keine Rechtfertigung finden.510 Eine ähnliche Schlussfolgerung ist auch in Hinblick auf den einer CFC-Legislation eigenen Abschreckungsgedanken zu ziehen. Die Idee des Binnenmarktes zielt darauf ab, dass die Marktteilnehmer die Freiheitsrechte nützen können. Ein damit verbundener Druck auf das nationale Steuerniveau ist gemeinschaftsweit zu tolerieren.511 Die Grenze ist erst zu ziehen, wenn diese Rechte nicht genützt, sondern missbräuchlich ausgenutzt werden. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist aber geeignet, von der grenzüberschreitenden Tätigkeit selbst abzuschrecken und die Ausübung der grenzüberschreitenden Grundfreiheiten im Vergleich zum Inland weniger attraktiv zu gestalten. Gerade eine derartige nationale Gesetzgebung ist nicht mit dem EG-Vertrag vereinbar.512 II. Unfairer Steuerwettbewerb auf Staatenebene Auf der Ebene des unfairen Steuerwettbewerbs ist eine CFC-Legislation als steuerliche Ausgleichsmaßnahme zu betrachten.513 Allerdings werden Maßnahmen, die dem Ausgleich des unterschiedlichen steuerlichen Belastungsniveaus dienen, durch den EuGH abgelehnt.514 Grundlegend hierfür ist die Ausführung des EuGH in der Rechtssache „Eurowings“, die sich im 508

Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, B. Vgl. Rättig/Protzen, IStR 2003, S. 200; vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, C. 510 Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 14. 511 Vgl. Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 24. 512 Vgl. Blumers/Kinzl, DB 2004, S. 403. 513 Und wird in dieser Sichtweise durch die OECD ausdrücklich gefordert. Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, B.I.3. 514 Lang sieht dagegen unter Verweis auf die entsprechende Regelung der Mutter-/Tochterrichtlinie die Möglichkeit einer Durchgriffbesteuerung in Abhängigkeit von der effektiven Besteuerung im Ausland prinzipiell gegeben. Dagegen ist nach seiner Auffassung die bestehende Differenzierung der Hinzurechnungsbesteuerung nach unterschiedlichen Einkunftsarten unzulässig. Vgl. Lang, IStR 2002, S. 221–222. 509

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

Ergebnis indirekt auch mit der Frage beschäftigt, ob eine steuerliche Ausgleichsmaßnahme zulässig ist.515 Weiterhin kann die Hinzurechnungsbesteuerung auch nicht durch das Prinzip der Kohärenz ihre Rechtfertigung finden, da sie schlicht mit keiner anderen Norm in einem Kohärenzverhältnis steht.516 Entsprechend ist auch für den Fall, dass ein steuerliches Angebot als „unfair“ einzustufen ist, keine kompensatorische Besteuerung durchführbar. Zumindest lässt sich der Rechtsprechung insoweit keine unterschiedliche Wertung entnehmen, ob das zu kompensierende Steuergefälle durch ein faires Steuerangebot oder durch ein unfaires Steuerregime entsteht. Jedenfalls kann es im System des Binnenmarktes nicht dem einzelnen Mitgliedstaat zukommen, diese Beurteilung einseitig zu fällen. Denn eine Hinzurechnungsbesteuerung kann auf Staatenebene durchaus als Gegenmaßnahme517 oder Sanktion angesehen werden.518 Innerhalb einer Rechtsgemeinschaft wie der Europäischen Gemeinschaft519 kann jedoch nicht ein falsches Verhalten eines Mitgliedstaates durch einseitige Repressalien eines anderen Mitgliedes geahndet werden.520 Dies widerspricht der Zielsetzung einer Solidargemeinschaft.521 Vielmehr haben sich die Mitgliedstaaten, solange sie der Gemeinschaft angehören, aufgrund der gemeinschaftsweiten einheitlichen Interessenlage auf die im Rahmen der Gemeinschaft vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten zu beschränken.522 Die Möglichkeit der Selbsthilfe – durch den sich im Steuerwettbewerb geschädigt fühlenden Mitgliedstaat – ist im Rahmen des EG-Vertrages nicht gegeben.523 Entsprechend kann gemäß des Verständnisses der Verpflichtung zur Rechtsgemeinschaft Europäische Gemeinschaft keine steuerliche Gegenmaßnahme durch einen Mitgliedstaat im Verhältnis zu einem anderen Mitgliedstaat gerechtfertigt sein. Weitergehend erscheint eine CFC-Legislation 515

Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, B. Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, C. 517 Vgl. Schön, ASA 2002/2003, S. 370. 518 Vgl. Rosembuj, Intertax 1999, S. 319–320. 519 Vgl. Ortlepp, Vertragsverletzungsverfahren (1987), S. 63. 520 Vgl. Teske, EuR 1992, S. 266. 521 Sanktionen oder Repressalien sind höchstens denkbar, falls der Mitgliedstaat auch Strafmaßnahmen, die auf Art. 228 Abs. 2 EGV fußen, nicht beachtet; vgl. Herdegen, Europarecht (2003), S. 162; vgl. Teske, EuR 1992, S. 267. Dann würde der betroffene Mitgliedstaat allerdings seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen und das System der Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft insgesamt infrage stellen. Unter engen Voraussetzungen, falls ein Mitgliedstaat fundamentale Grundsätze der EU verletzt, ist auf der Grundlage des Art. 7 EUV i. V. m. Art. 309 EGV eine Aussetzung bestimmter Vertragsrechte möglich. Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 260, Randnr. 694. 522 Vgl. Teske, EuR 1992, S. 266. 523 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 227, Randnr. 22. 516

A. Binnenmarkt

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bereits europarechtlich problembehaftet, da sie aufgrund ihrer systembedingten Unschärfe durch die europäische Kommission genehmigte steuerliche Beihilfen erfassen könnte.524 Für die Mitgliedstaaten der EU bestehen weit reichende andere Möglichkeiten, ein als unfair angesehenes Steuerregime eines anderen Mitgliedstaates zu bekämpfen. So ermöglicht es der „soft law“-Ansatz des Verhaltenskodex, unfaire Steuerregime innerhalb des Binnenmarktes gezielt zu identifizieren.525 Durch die Anwendung der europäischen Beihilferegelung auf steuerrechtliche Normen kann zudem der „unfaire“ Steuerwettbewerb gemeinschaftsweit zumindest teilweise bekämpft werden.526 Beabsichtigt ein Mitgliedstaat dennoch selbst gegen das als unfair empfundene Steuersystem eines anderen Mitgliedstaates vorzugehen, so ist auf die bestehenden EG-rechtlichen Mittel, und hier insbesondere die Klagemöglichkeiten des EG-Vertrages, zu verweisen. Dies muss auch für den Fall gelten, dass die Gemeinschaftsorgane nicht autonom tätig werden und etwa die Beihilfeordnung des Art. 87–89 EGV auf steuerliche Systeme anderer Mitgliedstaaten nicht im ausreichenden Umfang anwenden. Auch in diesem Fall kann keine nationale Gegenmaßnahme gerechtfertigt sein. Insoweit besteht in der Gemeinschaft gegenüber den Gemeinschaftsorganen das Mittel der Untätigkeitsklage.527 Eine Untätigkeitsklage durch einen Mitgliedstaat könnte sich auf Basis des Art. 232 EGV gegen die Kommission richten und die Aufforderung beinhalten, gegen ein Steuersystem eines anderen Mitgliedstaats vorzugehen. Dies könnte die Kommission dazu veranlassen, eine Prüfung der strittigen steuerlichen Normen auf Vereinbarkeit mit den Bei524

So etwa Luja, Intertax 2000, S. 228 unter Verweis auf die Auffassung von De Hosson, Bijzondere fiscale regimes en het communautaire recht, Weekblad voor Fiscaal recht, 1996, S. 1111–1137; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 121–122; vgl. von Waldthausen, Steuerlastgestaltung (1999), S. 26–27; Kutting sieht die Auffassung als umstritten an; vgl. Kuttin, ÖStZ 1998, S. 22. Höppner vertritt dagegen die Auffassung, dass eine Beihilfegenehmigung durch die Kommission keine Auswirkung auf die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten beinhaltet und bejaht entsprechend die Anwendbarkeit des § 42 AO für diesen Fall. Vgl. Höppner, in: Breuninger, FS für Albert J. Rädler, 1999, S. 314–316. 525 Vgl. auch Steingen. „After the roll-back of harmful tax measures identified by the Primarolo Report at the latest, there will be a case for the argument that certain CFC rules are no longer acceptable in the EU.“ Steingen, The EC Tax Journal 2002, S. 33. 526 Vgl. Saß, FR 2001, S. 1044. Für eine Analyse der Vereinbarkeit von Steuersubventionen und Art. 87 EGV vgl. Luja, Intertax 2000, S. 227–230; vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 40–45. Vanistendael sieht allerdings neben der Beihilferegelung des Art. 87 EGV einen weitergehenden Bedarf an allgemeinen steuerlichen Regelungen gegeben. Vgl. Vanistendael, in: Pelka, Unternehmensbesteuerung (2000), S. 318. 527 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 227, Randnr. 22.

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

hilfevorschriften des Art. 87 EGV durchzuführen528 und ein Verfahren auf Basis des Art. 88 Abs. 2 EGV einzuleiten.529 Als Hüterin der Gemeinschaftsverträge530 ist die Kommission überdies berechtigt, gemäß Art. 226 EGV ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den betroffenen Mitgliedstaat anzustreben.531 Denn für die Ahndung eines unfairen Steuersystems ist neben den Beihilferegeln des Art. 87–89 EGV auch die Möglichkeit des Vertragsverletzungsverfahrens i. S. d. Art. 226–228 EGV eröffnet. Klagebefugt sind einerseits gemäß Art. 226 EGV die Kommission und andererseits gemäß Art. 227 EGV jeder Mitgliedstaat.532 Auch wenn dem Art. 227 EGV eine geringe praktische Bedeutung zugesprochen wird533, kann dennoch durch den sich geschädigt fühlenden Mitgliedstaat bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen des Vertragstextes durch einen anderen Mitgliedstaat direkt vorgegangen werden.534 Der Begriff des Vertragsverstoßes i. S. d. Art. 226 EGV und Art. 227 EGV ist weit zu verstehen. Er beinhaltet sowohl einen Verstoß gegen das europäische Primär- und Sekundärrecht als auch eine Verletzung allgemeiner Verpflichtungen, die aus dem Gemeinschaftsrecht insgesamt erwachsen.535 Hie528

Die Untätigkeitsklage setzt gem. Art. 232 EGV eine vorherige Aufforderung an das infrage stehende Gemeinschaftsorgan voraus, tätig zu werden. Ein Aufforderungsschreiben könnte insbesondere im Beihilfeverfahren i. S. d. Art. 87 ff. EGV von Bedeutung sein. Vgl. Gündisch/Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union (2003), S. 114–115. 529 Vgl. Gündisch/Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union (2003), S. 95; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1146. 530 Vgl. Däubler, NJW 1968, S. 325; vgl. Ortlepp, Vertragsverletzungsverfahren (1987), S. 63. 531 Eine Untätigkeitsklage i. S. d. Art. 232 EGV kann dagegen nicht auf Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat gerichtet sein; vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 232 EGV, Randnr. 10. Die Erhebung einer der Vertragsverletzungsklage i. S. d. Art. 226 EGV liegt im Ermessen der Kommission. Vgl. Däubler, NJW 1968, S. 329. 532 Vgl. Gündisch/Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union (2003), S. 94; vgl. Epiney, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union (2001), S. 299; vgl. Kort, DB 1996, S. 1323, vgl. Ortlepp, Vertragsverletzungsverfahren (1987), S. 127. 533 Vgl. Herdegen, Europarecht 2003, S. 162; vgl. Gündisch/Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union (2003), S. 94; vgl. Epiney, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 297; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 276, Randnr. 733; vgl. Ortlepp, Vertragsverletzungsverfahren (1987), S. 128. 534 Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 276, Randnr. 734. 535 Vgl. Kort, DB 1996, S. 1323–1324; vgl. Ortlepp, Vertragsverletzungsverfahren (1987), S. 103; vgl. Däubler, NJW 1968, S. 326–327.

A. Binnenmarkt

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runter könnte etwa auch die Verpflichtung zum gemeinschaftstreuen Handeln fallen.536 Nun sind in der Gemeinschaft steuerliche Unterschiede grundsätzlich hinzunehmen. Die Mitgliedstaaten haben sich gegen eine steuerliche Harmonisierung und für den Wettbewerb der Systeme entschieden.537 Damit verbleibt die Steuerhoheit für direkte Steuern auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Den Mitgliedstaaten steht es entsprechend auch frei, das nationale Steuersystem nach ihren Vorstellungen auszugestalten.538 Dies gilt allerdings nur, solange dieses Steuersystem mit den Anforderungen des EGVertrages vereinbar ist.539 Die Rechtssetzungskompetenz der Mitgliedstaaten findet m. E. ihre Grenze, wenn das Steuerangebot ersichtlich eine unfaire Schädigung anderer Mitgliedstaaten beabsichtigt.540 Denn die Idee des Binnenmarktes i. S. d. Art. 2 i. V. m. Art. 3 EGV sowie der Wirtschafts- und Währungsunion i. S. d. Art. 4 EGV beinhaltet ein Bekenntnis zum freien Wettbewerb. Der Schutz des Wettbewerbes i. S. d. Art. 3 lit. g) EGV bedarf auch der Schaffung von gemeinsamen Rahmenbedingungen, die einen verzerrenden Einfluss des einzelnen Mitgliedstaates auf den zwischenstaatlichen Handel vermeidet.541 536

Vgl. Däubler, NJW 1968, S. 326. Die Harmonisierung der direkten Steuern erfolgte bis heute nur sehr begrenzt. Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 470–471, Randnr. 1192–1194; vgl. Steichen, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 418–419; vgl. Mick, Steuerkonzeption (1995), S. 123–142. 538 Teilweise wird auch vertreten, dass eine Harmonisierung der direkten steuerlichen Normen erforderlich sei, soweit diese den Wettbewerb zwischen den Unternehmen innerhalb des gemeinsamen Marktes verzerren. Dies könne beispielsweise auf Basis der Rechtsangleichung des Art. 94 EGV erfolgen. Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 469, Randnr. 1189. 539 Vgl. EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21; EuGH v. 11. 8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 36; EuGH v. 29.4. 1999, Rs. C-311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 19; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Randnr. 17; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-1727, Randnr. 37; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-1177, Randnr. 26; EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00, X und Y, Slg. 2002, I-10829, Randnr. 32; EuGH v. 11.3.2004, C-9/02, de Lasteyrie du Saillant, Slg 2004; n.n. v.; Randnr. 44. 540 Hierfür spricht etwa die in den Vorbemerkungen des EU-Verhaltenskodex zu findende Formulierung „In Anerkennung der positiven Auswirkungen eines lauteren Wettbewerbs und der Notwendigkeit einer Konsolidierung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten, zugleich jedoch in dem Bewußtsein, daß der Steuerwettbewerb auch zu schädlichen steuerlichen Maßnahmen führen kann“. Vgl. Abl. Nr. C 2 v. 6.1.1998, S. 2–5. Für die Ausgeglichenheit der Vorteile und Lasten, die ein Mitgliedstaat aus der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft zieht; vgl. Ortlepp, Vertragsverletzungsverfahren (1987), S. 106. 541 Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 424, Randnr. 1095. 537

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

Für den Fall eines unfairen Steuerwettbewerbs, beispielsweise in Form eines „ring fencings“, zeigt der Mitgliedstaat durch sein unfaires Angebot im Wettbewerb der Systeme ein Verhalten, welches geeignet scheint, dieser Zielsetzung des EG-Vertrages entgegenzustehen. Beabsichtigt also ein Mitgliedstaat, sich durch eine steuerliche Norm einen unlauteren Vorteil in dem an sich erwünschten und als sinnvollen erachteten Wettbewerb der Mitgliedstaaten zu verschaffen, so ist diese „beggar-my-neighbour“-Politik schwerlich mit den Rechtsgrundsätzen der Gemeinschaft vereinbar. Insoweit könnte auch auf die Kriterien der Beihilfevorschrift des EG-Vertrages zurückgriffen werden und diese auf den allgemeinen Steuerwettbewerb der Staaten übertragen werden. So findet sich in Art. 87 Abs. 1 EGV etwa die Formulierung, dass staatliche Maßnahmen – hier bezogen auf Beihilfen, die dazu dienen, den Wettbewerb zu verfälschen oder zu verfälschen drohen – mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar sind.542 Aber auch dem „soft law“-Ansatz des EU-Kodex kann eine entsprechende Zielsetzung entnommen werden und demzufolge die Kriterien des EU-Kodex zur Beurteilung eines vertragswidrigen Verhaltens herangezogen werden.543 III. Zwischenergebnis Im Ergebnis lässt sich für den Binnenmarkt keine Rechtfertigung für eine steuerliche Gegenmaßnahme in Form einer CFC-Legislation finden. Diese Aussage gilt gleichermaßen als Missbrauchsmaßnahme auf Subjektebene als auch als Ausgleichsmaßnahme im unfairen Steuerwettbewerb auf der Staatenebene. Im Übrigen ist ein Zugriff auf ausländische Unternehmen im Binnenmarkt insoweit wenig zielgerichtet, als Unternehmen in der Europäischen Union infolge der Niederlassungsfreiheit den Sitz verlegen können und so einer nationalen CFC-Legislation entgehen. So könnte die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung das Ziel der Sicherung des Steueraufkommens konterkarieren und sich vielmehr zu einem Standortnachteil entwickeln.544 Nachdem die französische Wegzugsbesteuerung durch das EuGH-Urteil v. 11. März 2004 in der Rechtssache „de Lasteyrie du Saillant“ inzwischen als mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar erklärt wurde545, ist diesem Argument eine zu542 Zur Beihilfe i. S. d. Art. 87 EGV vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), Randnr. 1108–1116. 543 Auch wenn es sich um „soft-law“ handelt steht der EU-Kodex nicht ohne politische Bindungswirkung. Vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 228–230. 544 Vgl. Werra, in: Lüdicke, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 59. 545 „Folglich ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass der in Artikel 52 EG-Vertrag verankerte Grundsatz der Niederlassungsfreiheit dahin auszulegen ist,

B. Drittstaaten

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nehmende Gewichtung beizumessen.546 Will die Gemeinschaft nicht auf die Vorteile eines Steuerwettbewerbs im Binnenmarkt verzichten, und sollen andererseits die Mitgliedstaaten auch nicht schutzlos gegenüber etwaigen Verlagerungsmaßnahmen seitens der Unternehmen sein, so könnte ein dem US „formula apportionment“547 zur Gewinnaufteilung ähnliches Verfahren auch für den Binnenmarkt einen gangbaren Weg darstellen, um das nationale Steueraufkommen zu sichern.548 Eine Verfahren ähnlich dem US „formula apportionment“ wäre allerdings mit erheblichen Eingriffen in die verbleibende Steuersouveränität der Mitgliedstaaten verbunden.

B. Drittstaaten Während eine CFC-Legislation im Binnenmarkt m. E. scheitern muss, könnte die analoge Beurteilung im Verhältnis zu Drittstaaten zu deutlich anderen Schlussfolgerungen führen. Soll eine Gegenmaßnahme im internationalen Steuerwettbewerb auf Basis der Schutznormen des EG-Vertrages ihre Begründung finden, so ist hierdurch die unterschiedene zweite Regelungsebene, der Missbrauch auf Staatenebene, betroffen. Steuerliche Normen, die im internationalen Steuerwettbewerb als Gegenmaßnahmen dienen, können zunächst sowohl für den Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten grundsätzlich durch die „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein“. dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, zur Vorbeugung gegen die Steuerflucht eine Regelung wie die in Artikel 167 bis CGI vorgesehene einzuführen, wonach latente Wertsteigerungen besteuert werden, wenn ein Steuerpflichtiger seinen steuerlichen Wohnsitz ins Ausland verlegt“. EuGH v. 11.3.2004, C-9/02, de Lasteyrie du Saillan, Slg 2004; n.n. v.; Randnr. 69. 546 Zur Kritik an der deutschen Wegzugsbesteuerung. Reimer sieht etwa den § 6 AStG nicht mit dem Gebot der Erforderlichkeit vereinbar. Vgl. Reimer, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 98–99; andere Auffassung dagegen Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 66–81. Eine ähnliche Regelung findet sich in Art. 12 KStG für den Fall des Wegzugs eines unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Steuersubjektes in das Ausland. Die Norm dient der Sicherung der Besteuerung der stillen Reserven bei der Sitzverlegung in das Ausland. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 318–321. Dietrich sieht hier ebenfalls eine europarechtswidrige Beschränkung. Vgl. Dietrich, Sitzverlegung (2001), S. 76–83 u. 242–243; zweifelnd in Hinblick auf die europarechtliche Vereinbarkeit der Norm auch ein Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats vom BMF. Vgl. BMF, Reform der internationalen Kapitaleinkommensbesteuerung (1999), S. 38–39 insbesondere Fußnote 13. 547 Zum US formula apportionment vgl. etwa Kaminski, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 133–152. 548 Vgl. Hansjürgens, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 85; vgl. Büttner, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 66.

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

Im Verhältnis zu Drittstaaten kann darüber hinaus eine steuerliche Gegenmaßnahme aufgrund ihrer Bedeutung im transnationalen Handel sowohl als ein Bestandteil der politisch orientierten, gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik i. S. d. Art. 60 EGV als auch als Maßnahme zur Wahrung der Interessen der Gemeinschaft i. S. d. Art. 57 EGV interpretiert werden. Art. 59 EGV stellt dagegen keine Basis für eine steuerliche Gegenmaßnahme dar, da ausschließlich kurzfristige Schutzmaßnahmen geregelt sind und steuerliche Normen aufgrund ihres gegebenen Wirkmechanismus nicht als kurzfristige Maßnahme geeignet sind. I. Missbrauch auf Subjektebene Art. 56 EGV schützt neben dem Kapitalverkehr im Binnenmarkt auch uneingeschränkt den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten. Damit ist auch für die Marktteilnehmer im Verhältnis zu Drittstaaten zunächst eine zulässige Nutzung der Kapitalverkehrsfreiheit zu unterstellen. Ist also das ausländische Steuerangebot als „fair“ anzusehen, so ist eine missbräuchliche Ausnutzung des durch Art. 56 EGV geschützten Kapitalverkehrs auch im Verhältnis zu Drittstaaten nicht per se zu unterstellen. Entsprechend ist eine CFC-Legislation aufgrund der ihr eigenen Typisierung, wie schon für den Binnenmarkt, nur schwerlich zu rechtfertigen. Ein möglicher Ansatz hierfür könnte allenfalls eine widerlegbare Vermutung einer Steuerumgehung im Verhältnis zu bestimmten Drittstaaten sein.549 Europarechtlich unbedenklich erscheint eine Länderliste, die im Sinne einer vorherigen Warnung eine wirtschaftliche Tätigkeit in bestimmten Drittstaaten mit einer erweiterten Nachweispflicht versieht – sofern im Verhältnis zu Drittstaaten keine ausreichenden Informationsmöglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung gegeben sind –, um dann, sofern die Informationsund Mitwirkungspflicht in unzureichender Weise erfüllt wird, eine Schätzung vorzunehmen.550 II. Unfairer Steuerwettbewerb auf Staatenebene Ist dagegen das steuerliche Angebot von Drittstaaten als missbräuchlich anzusehen, so ist durch die im EG-Vertragstext normierten Ausnahmeklauseln grundsätzlich auch eine CFC-Legislation im Verhältnis zu Drittstaaten 549 Ähnlich Saß für den Binnenmarkt bezüglich der Einstufung passiver Einkünfte durch § 8 Abs. 1 AStG. Saß sieht dagegen eine Verlagerung der Beweislast auf den Steuerpflichtigen als nicht zulässig an, sofern dieser sich auf plausible Gründe beruft. Vgl. Saß, DB 2002, S. 2346. 550 Vgl. Zweiter Teil, 3. Kapitel, D. und E.

B. Drittstaaten

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denkbar. Parallel zu den Ausnahmeklauseln findet im Verhältnis zu Drittstaaten das Spektrum der ungeschriebenen Rechtfertigungsmöglichkeiten Anwendung. Auch wenn der EuGH zu dieser Frage nicht explizit Stellung genommen hat, spricht vieles für eine großzügigere Anwendung der Rechtfertigungsmöglichkeiten im Verhältnis zu Drittstaaten.551 So wurde in der Rechtssache „Manninen“ durch den EuGH angedeutet, dass bei der Prüfung der Rechtfertigung eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten ein anderer Prüfungsmaßstab Anwendung finden könnte.552 Dies entspricht wohl auch der Intention der Mitgliedstaaten, die im Verhältnis zu Drittstaaten eine restriktivere Haltung einnahmen. So sahen die Vertragsparteien in der Erklärung zur Schlussakte des Vertrags über die europäische Union eine unterschiedliche Behandlung der Mitgliedstaaten und der Drittstaaten für Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV vor. „Die Konferenz bekräftigt, dass das in Artikel 73 d Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erwähnte Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, nur für die einschlägigen Vorschriften gilt, die Ende 1993 bestehen. Diese Erklärung betrifft jedoch nur den Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.“553

In der Erklärung erfolgte ausdrücklich keine Begrenzung auf den Kapitalund Zahlungsverkehr im Verhältnis zu Drittstaaten.554 Zudem wird durch Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV gerade eine unterschiedliche Besteuerung der Steuerpflichtigen mit unterschiedlichem Wohn- oder Kapitalanlageort unterschieden. Auch wenn durch die Rechtsprechung der Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV im Zusammenspiel mit Art. 58 Abs. 3 EGV in das allgemeine Rechtfertigungsverständnis der Grundfreiheiten zurückgeführt wurde, wird teilweise in der ausdrücklichen Normierung der Unterscheidung sowie in der isolierten Stellung der Kapitalverkehrsfreiheit in ihrer Schutzwirkung gegenüber Drittstaaten ein Argument gesehen, welches dafür spricht, Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV im Verhältnis zu Drittstaaten einer anderen Bewertung als im Binnenmarkt zu unterziehen.555 Gleichermaßen lässt sich die Idee der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes sowie die Verpflichtung zur gegenseitigen Solidarität 551 Vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 235–238; vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 229. 552 Vgl. EuGH v. 7.09.2004, RS. C-319, Manninen, Randnr. 51. 553 Vgl. Erklärung zu Artikel 73 d des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Abl. Nr. C 191/95. 554 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 145. 555 Unter Verweis auf die Chapeau-Regelung des Art. XX GATT 1994 vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 235–238.

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

i. S. d. Art. 10 EGV nicht auf Drittstaaten übertragen. Zudem besteht im Verhältnis zu Drittstaaten weder ein der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG vergleichbares Instrumentarium zur Sachverhaltsaufklärung im Ausland noch entsprechende politische Möglichkeiten der Bekämpfung eines unfairen Steuerwettbewerbes. Diese unterschiedliche Beurteilung hinsichtlich der Angemessenheit einer Missbrauchsnorm im Verhältnis gegenüber Mitgliedstaaten und Drittstaaten könnte man ansatzweise aus der Argumentation des EuGH zum Rechtfertigungsgrund der wirksamen Steuerkontrolle entnehmen. Denn sowohl in der Rechtssache „ICI“, der Rechtssache „Metallgesellschaft“ als auch in der Rechtssache „Lankhorst-Hohorst“556 betonte der EuGH, dass keine Steuerumgehung zu unterstellen sei, da das Steuersubjekt der Besteuerung im Niederlassungsstaat unterliege. Zunächst erstaunt das Abgrenzungskriterium, da die bloße Möglichkeit der Besteuerung im Niederlassungsstaat kaum als ein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung einer Steuerumgehung seitens des Anteileigners in dessen Staat angesehen werden kann.557 Allerdings könnte dies auch als Ausdruck dessen angesehen werden, dass das Steuerangebot der anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich als „fair“ anzuerkennen ist. Für diese Einschätzung spricht das Bekenntnis des ECOFIN-Rates zum „fairen“ Steuerwettbewerb, sowie die Rückführung der mitgliedstaatlichen Steuerangebote auf der Grundlage der Arbeit der Primarolo-Gruppe.558 Da alle drei Urteile zur Niederlassungsfreiheit ergangen sind und diese auf den Binnenmarkt beschränkt ist, nahm der EuGH keine Differenzierung in Hinblick auf den Sitzstaat vor. Damit könnte allerdings umgekehrt aus obiger Aussage des EuGH die Schlussfolgerung gezogen werden, dass im Verhältnis zu Drittstaaten eine andere Bewertung vorzunehmen ist, da hier nicht sichergestellt ist, dass diese Staaten mit einem fairen Steuerangebot im Standortwettbewerb auftreten und entsprechend ein erhöhtes Missbrauchspotenzial auf Subjektebene gegeben ist. Gegen diese Auffassung spricht das gewichtige Argument des weitgehenden Liberalisierungsverständnisses des Art. 56 EGV, welches gerade einseitig die unbedingte Kapitalverkehrsfreiheit vorsieht und entsprechend eine eher restriktiven Handhabung der Rechtfertigungsgründe und Ausnahmeklauseln erwarten lässt.559 Letztlich bleibt abzuwarten, wie der EuGH sich 556

Vgl. EuGH 16.07.1998, RS C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-04695, Randnr. 26; Vgl. EuGH vom 24.9.2002, Rs C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u.s., Slg 2001, I-01727, Randnr. 57; Vgl. EuGH v. 12.12.2002; Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002 Seite I-11779, Randnr. 37. 557 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten (2002), S. 647. 558 Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, A.

B. Drittstaaten

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hierzu äußern wird. Überträgt man die zum Binnenmarkt entwickelte Rechtsprechung bezüglich des Ausgleichs des steuerlichen Belastungsniveaus, so lässt die isolierende Betrachtungsweise erwarten, dass auch im Verhältnis zu Drittstaaten die CFC-Legislation als steuerliche Ausgleichsmaßnahme auf Basis der ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe keine Rechtfertigung finden kann.560 Insoweit ist m. E. infolge der restriktiven Haltung des EuGH in Bezug auf Art. 58 EGV ausschließlich auf die wirtschaftspolitisch orientierten Ausnahmeklauseln des Art. 57 EGV oder Art. 60 EGV zu verweisen. Überdies erscheint für den internationalen Steuerwettbewerb eine einheitliche Haltung der Mitgliedstaaten des Binnenmarktes wünschenswert. III. Schlussfolgerungen für Gegenmaßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten Im Gegensatz zu den übrigen wirtschaftlichen Freiheitsrechten, deren Wirkung auf den Binnenmarkt beschränkt sind, kommt der Kapitalverkehrsfreiheit mit ihrer globalen Verpflichtung im Verhältnis zu Drittstaaten eine Sonderrolle zu, die geeignet erscheint, diese wirtschaftlichen Freiheitsrechte aus dem allgemeinen Systemverständnis herauszuheben. Im Bezug auf die herausragende Bedeutung, die der Kapitalverkehrsfreiheit für die nationale Steuerkompetenz der Mitgliedstaaten zukommt, wären zunächst erhebliche Einschränkungen für eine steuerliche Gegenmaßnahme im internationalen Wettbewerb zu erwarten. Allerdings sind im Verhältnis zu Drittstaaten weit reichende Ausnahmen und Schutznormen im Vertragstext enthalten, die die grundsätzliche Verpflichtung der Gemeinschaft zum freien Kapitalverkehr in wesentlichen Bereichen wieder zurücknehmen.561 Trotz der Sonderstellung innerhalb des Systems der wirtschaftlichen Freiheitsrechte des Binnenmarktes bleibt, wie aufgezeigt, auch für die Kapitalverkehrsfreiheit die Wirkung der primär binnenmarktorientierten wirtschaftlichen Freiheitsrechte im Verhältnis zu Drittstaaten nur eingeschränkt bestehen. In vollem Umfang ist die Kapitalverkehrsfreiheit nur für den Binnenmarkt gegeben.562 Inwieweit kann eine steuerliche Ausgleichsmaßnahme 559

Vgl. Weber, EuZW 1992, S. 563. Die Berücksichtigung der teilweise erheblich eingeschränkten Möglichkeiten zur steuerlichen Sachverhaltsaufklärung in Drittstaaten – verbunden mit einem erhöhten Missbrauchspotentials auf Subjektebene – in Hinblick auf die Prüfung der Angemessen der CFC-Legislation soll hier unberücksichtigt bleiben. Vgl. hierzu Zweiter Teil, 4. Kapitel, A.I. 561 Vgl. Zweiter Teil, 2. Kapitel, B. 562 Vgl. Mohamed, Free Movement of Capital (1999), S. 118–119; vgl. Honrath, Freiheit des Kapitalverkehrs (1998), S. 244–245. 560

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

nun ihre Rechtfertigung durch die normierten Schutzklauseln des EG-Vertrages finden? 1. Art. 60 EGV Zunächst können Embargomaßnahmen im Verhältnis zu Drittländern sowohl einerseits im Rahmen des GASP-Verfahrens i. S. d. Art. 60 Abs. 1 EGV als auch andererseits gemäß Art. 60 Abs. 2 EGV aufgrund schwerwiegender politischer Umstände aus Gründen der Dringlichkeit auf der Ebene der Mitgliedstaaten erlassen werden. Eine weitergehende inhaltliche Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzung ist nicht gegeben. Zwar sind die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten gemäß Art. 60 Abs. 2 EGV spätestens bei Inkrafttreten dieser Maßnahme zu informieren und weitergehend unterliegt die Maßnahme auch der Kontrolle durch den Rat, allerdings verpflichtet erst eine qualifizierte Mehrheit des Rates den betreffenden Mitgliedstaat, die kritisierte Norm zu ändern oder aufzuheben. In ähnlicher Weise, wie schon für Art. 57 Abs. 2 EGV festzustellen ist, bleibt die Wahl der Embargomaßnahmen dem Rat respektive dem Mitgliedstaat überlassen.563 Versteht man die Frage der Sicherung des nationalen Steueraufkommens im Verhältnis zu einem im internationalen Steuerwettbewerb unfair agierenden Drittstaat als schwerwiegenden politischen Umstand, der eine Dringlichkeit des Handlungsbedarfs auf der Ebene der Mitgliedstaaten beinhaltet, so wäre eine steuerliche Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit möglich. Entsprechend könnte auch auf der Basis des Art. 60 Abs. 2 EGV eine CFC-Legislation im Sinne einer steuerlichen Gegenmaßnahme erhoben werden. Auch in diesem Fall unterliegt dies der inhaltlichen Kontrolle durch den Rat. Dennoch scheint es, als ob eine nationale CFC-Legislation nur schwerlich mit den in Art. 60 Abs. 2 EGV enthaltenen Anforderungen der Dringlichkeit und der Schwere der politischen Umstände in Einklang zu bringen ist. 2. Art. 57 Abs. 1 EGV Art. 57 Abs. 1 EGV ist ausschließlich gegen Drittländer gerichtet und ermöglicht es den Mitgliedstaaten, kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen, die bereits am 31. Dezember 1993 bestanden, beizubehalten. Dies umfasst, da der Norm in Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Maßnahmen keine inhaltlichen Einschränkungen zu entnehmen sind, auch Maßnahmen steuerlicher Natur, die den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr 563

Vgl. Zweiter Teil, 2. Kapitel, B.III.

B. Drittstaaten

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beschränken. Folglich sind Restriktionen des Kapitalverkehrs auf Einzelstaatenebene möglich, sofern diese vor dem Stichtag der „stand-still“-Klausel bereits gegeben waren. Dies gilt ausschließlich für den durch den Katalog des Art. 57 EGV aufgezählten Bereich des Kapitalverkehrs und findet entsprechend für Portfolioinvestitionen keine Anwendung. Da die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 Abs. 1 AStG potenziell bei einer unternehmerischen Beteiligung am ausländischen Unternehmen greift564, ist sie bei einer entsprechend weiten Auslegung des Begriffs Direktinvestition im Verhältnis zu Drittstaaten grundsätzlich durch Art. 57 Abs. 1 EGV in der Fassung vom 31. Dezember 1993 ermöglicht. Nicht zulässig ist dagegen die bestehende Erfassung von Splitterbeteiligungen durch die Hinzurechnungsbesteuerung. Eine inhaltliche Weitung der zum 31. Dezember 1993 bestehenden Regelung kann ebenfalls nicht durch die „standstill“-Klausel gestützt werden. 3. Art. 57 Abs. 2 EGV Weiter können steuerliche Gegenmaßnahmen auf Basis der Ermächtigungsklausel des Art. 57 Abs. 2 EGV zulässig sein. Denn Art. 57 Abs. 2 EGV ermöglicht es, auf Gemeinschaftsebene kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten einzuführen. Auch wenn diese Ermächtigung ebenfalls der inhaltlichen Beschränkung durch die im Vertragstext vorgesehene Ausnahme der Portfolioinvestitionen unterliegt, ist in Art. 57 Abs. 2 EGV eine Verlagerung der möglichen Gegenmaßnahmen im Kampf gegen einen unfairen Steuerwettbewerb auf die Ebene der Gemeinschaft zu sehen.565 Zunächst ist unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Wettbewerb um das Steuersubstrat im Wesentlichen um die unternehmerisch motivierten Investitionen, bedingt durch eine Verlagerung des Steuersubstrates innerhalb des Konzerns, geführt wird, die Herausnahme der Portfolioinvestition bei einer etwaigen steuerlichen Gegenmaßnahme auf Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV nicht von entscheidender Bedeutung. Steuerliche Gegenmaßnahmen wie die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung sind einerseits als direkte steuerliche Normen der Steuersouveränität der Mitgliedstaaten überlassen. Andererseits steht eine steuerliche Ausgleichsmaßnahme als wirtschaftspolitische Sanktionsmöglichkeit gleichermaßen dem Gedanken des Art. 57 Abs. 2 EGV nahe. Durch Art. 57 Abs. 2 EGV beabsichtigen die Vertragsparteien die Kompetenzverlagerung auf die 564 565

Vgl. Erster Teil, 1. Kapitel, D.I. Vgl. Zweiter Teil, 2. Kapitel, B.I.2.

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

Ebene der Gemeinschaft für die Einführung kapitalverkehrsbeschränkender Maßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten. Diese Verlagerung steht im Zusammenhang mit der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion. Denn die Kapitalverkehrsfreiheit ist neben ihrer Funktion als wirtschaftliche Verkehrsfreiheit ursächlich mit der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion zu verbinden. Sind in einem einheitlichen Währungsraum wirtschaftliche Verwerfungen hinzunehmen, so gilt dies nicht unmittelbar im Verhältnis zu Drittstaaten. Die Sicherung der Interessen der Gemeinschaft, und hierunter ist m. E. auch die Wahrung des gemeinschaftsweiten Steueraufkommens einzuordnen, geht der grundsätzlichen Verpflichtung zur unbedingten Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV vor.566 Obwohl die Steuersouveränität bei den Mitgliedstaaten verbleibt, bedeutet dies nicht, dass die Gemeinschaft nicht auch im Bereich der direkten Steuern tätig werden kann. Wie schon bezüglich der Überschneidung des Art. 57 Abs. 2 EGV und Art. 58 Abs. 1 EGV ausgeführt567, ist für die Rücknahme des erreichten Liberalisierungsniveaus auf der Grundlage des Art. 57 Abs. 2 EGV eine einstimmige Entscheidung des Rates erforderlich. Soweit handelspolitische oder steuerpolitische Konflikte im Verhältnis zu Drittstaaten auf der Ebene der Gemeinschaft besser ausgefochten werden können568, kann durch den Grundsatz der Subsidiarität für das Steuerrecht nicht ausgeschlossen sein, dass dies, basierend auf Art. 57 EGV, auf der Ebene der Gemeinschaft erfolgt.569 Auch wenn der Souveränität der Mitgliedstaaten und damit dem Grundsatz der Subsidiarität gerade für direkte Steuern eine erhebliche Bedeutung zukommt570, sprechen dennoch wirtschaftspolitische Überlegungen dafür, in diesem Fall entsprechende Maßnahmen gegen Drittstaaten auf die Ebene der Gemeinschaft zu verlagern. Somit erscheint für diejenigen steuerlichen Normen, die auch als handelspolitisches Instrumentarium anzusehen sind, eine gemeinschaftsweite einheitliche Haltung sinnvoll. Überdies entspricht 566 Vgl. insoweit die Erwägungen zum Verhältnismäßigkeitsprinzip in Zweiter Teil, 2. Kapitel, B.I.4. 567 Vgl. Zweiter Teil, 2. Kapitel, B.I.2. 568 Vgl. Haferkamp, Kapitalverkehrsfreiheit (2003), S. 212. 569 Der Subsidiaritätsgrundsatz des Art. 5 EGV sieht vor, dass die Gemeinschaft nur tätig wird, soweit die gesetzten Ziele nicht auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten erreicht werden kann. Umgekehrt ist der Grundsatz der Subsidiarität zurückzustellen, soweit die Maßnahmen auf der Gemeinschaftsebene aufgrund ihrer im Vergleich zu den Mitgliedstaaten besseren Wirkung dort anzusiedeln sind. Vgl. Zorn, in: Pelka, Grenzen der Unternehmensbesteuerung (2000), S. 228–229. 570 Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 292; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 469, Randnr. 1188.

B. Drittstaaten

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dies dem erklärten Willen der Vertragsparteien, die gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b) EGV eine gemeinsame Handelspolitik anstreben.571 Entsprechend steht auch der Grundsatz der Subsidiarität und der verbleibenden Steuerhoheit der Mitgliedstaaten einer möglichen Gegenmaßnahme auf der Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV nicht entgegen. Ein solcher Eingriff in die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten, basierend auf Art. 57 Abs. 2 EGV, ist nur bei Einstimmigkeit des Rates denkbar. Dies muss in gleicher Weise gelten wie für die allgemeine Rechtsangleichung auf Basis des Art. 94 EGV, die direkte Steuernormen der Mitgliedstaaten berührt. Der aufgezeigte Konflikt zwischen der erwünschten Verlagerung kapitalverkehrsbeschränkender Maßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten auf die Ebene der Gemeinschaft und der bei den Mitgliedstaaten verbleibenden Steuerhoheit könnte durch eine Verordnung auf Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV gelöst werden, die die Mitgliedstaaten zu steuerlichen Gegenmaßnahmen ermächtigt oder auch verpflichtet. Damit würde einerseits durch Art. 57 Abs. 2 EGV die kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahme auf Gemeinschaftsebene legitimiert, zudem bliebe die Umsetzung einer steuerlichen Gegenmaßnahme unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips dem einzelnen Mitgliedstaat überlassen. Auch ein Listenansatz für eine CFC-Legislation auf der Ebene der Gemeinschaft, der für bestimmte steuerlich „unfair“ agierende Länder Gegenmaßnahmen ermöglicht, wäre damit denkbar.572 Berücksichtigt man den Charakter der CFC-Legislation als Ausgleichsmaßnahme auf der Staatenebene im Sinne einer Sanktion für „unfaires“ Verhalten im internationalen Steuerwettbewerb und betrachtet man die EU als Wirtschaftseinheit, so erfordert dies die Aufrechterhaltung einer Drohkulisse seitens der Gemeinschaft. Dies spricht für eine über eine bloße Ermächtigung hinaus gehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, der gemeinschaftsweiten Vorgabe bzgl. der Einführung einer CFC-Legislation nachzukommen. In diesem Fall würde überdies die Einheitlichkeit des europäischen Kapitalmarktes auch in Hinblick auf eine etwaige Beschränkung des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten gewahrt. Im Ergebnis wird im Gegensatz zu der Schlussfolgerung, die für den Binnenmarkt selbst zu ziehen war, im Verhältnis zu Drittstaaten eine CFC-Le571

Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999), S. 748 ff. Zum engen Zusammenhang des internationalen Handels und der nationalen Steuerpolitik vgl. die Ausführungen im Dritten Teil der vorliegenden Arbeit. 572 Ähnliche Überlegungen bzgl. einer „Schwarzen Liste“ finden sich bei Frischmuth, IStR 2005, S. 365. Für mögliche WTO Restriktionen bei einer „Schwarzen Liste“ siehe die Ausführungen im Dritten Teil der vorliegenden Arbeit. Vgl. insbesondere Dritter Teil, 6. Kapitel, A.III. Für die erwarteten politischen Probleme bei der Einführung eines Listenansatzes für die CFC-Legislation siehe auch die Diskussion über den Listenansatz der OECD, vgl. 1. Teil, 2. Kapitel, C.III.

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2. Teil, 4. Kap.: Beurteilung der Hinzurechnungsbesteuerung

gislation durch Art. 57 Abs. 2 EGV ermöglicht. Wie schon für die „standstill“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV festzustellen war, gilt auch für eine mögliche Ermächtigung auf Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV, dass eine Erfassung von Splitterbeteiligungen auf Grundlage des Art. 57 Abs. 2 EGV nicht zulässig ist. Umgekehrt ist damit die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, soweit sie nicht durch die in Art. 57 Abs. 1 EGV normierte „stand-still“-Klausel gedeckt ist, auch im Verhältnis zu Drittstaaten nicht ohne Legitimation durch Art. 57 Abs. 2 EGV haltbar.573 Denn auch wenn das Steuerrecht weiterhin in der Souveränität der Mitgliedstaaten verbleibt, steht dies nicht ohne die Schranken des EG-Vertrages.574 Die „stand-still“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV enthält neben der Möglichkeit der Aufrechterhaltung kapitalverkehrsbeschränkender Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten gleichermaßen die Verpflichtung, alle nationale Maßnahmen, die nicht unter die „standstill“-Klauseln fallen, aufzuheben.575 Entsprechend verstößt eine nationale CFC-Legislation, soweit sie nicht durch Art. 57 Abs. 1 EGV gedeckt ist, gegen Art. 56 EGV. Gleiches gilt für die bestehende deutsche Hinzurechnungsbesteuerung. Diese könnte zwar über die „stand-still“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV hinaus im Verhältnis zu Drittstaaten auf Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV eine Legitimation finden, dies ist jedoch derzeit nicht gegeben. Abschließend verbleibt darauf zu verweisen, dass auch die Handlungen des Rates grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH unterliegen.576 Dennoch kommt den politisch motivierten Handlungen des Rates 573 Offen bleibt, wie unter Zweiter Teil, 4. Kapitel, B.II. ausgeführt, dagegen die Haltung des EuGH in Hinblick auf eine mögliche Rechtfertigung der Norm auf Basis der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ im Verhältnis zu Drittstaaten. 574 Vgl. EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21; EuGH v. 11. 8.1995, Rs. C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 36; EuGH v. 29.4. 1999, Rs. C-311/97, Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I-2651, Randnr. 19; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98, Baars, Slg. 2000, I-2787, Randnr. 17; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98, Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, I-1727, Randnr. 37; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-1177, Randnr. 26; EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00, X und Y, Slg. 2002, I-10829, Randnr. 32; EuGH v. 11.3.2004, C-9/02, de Lasteyrie du Saillant, Slg 2004; n.n. v.; Randnr. 44. 575 Vgl. Zweiter Teil, 2. Kapitel, B.I.1. 576 So ist einerseits durch die Mitgliedstaaten in Art. 232 EGV eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission respektive den Rat vorgesehen. Vgl. Epiney, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 305, Randnr. 553 u. S. 315–318; vgl. Gündisch/Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union (2003), S. 102–114; vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Auflage (1999),

B. Drittstaaten

179

ein hoher Ermessensspielraum zu.577 Dies muss auch für die Einführung einer handels- oder steuerpolitisch begründeten Beschränkung des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten gelten. IV. Zwischenergebnis Aufgrund der engen Verzahnung der Steuer- und Wirtschaftspolitik muss sich im Verhältnis zu Drittstaaten die Steuerpolitik in das Gefüge der Handelspolitik der Gemeinschaft einfügen. Entsprechend ist auch eine steuerliche Gegenmaßnahme als handelspolitische Sanktion – oder auch zur Aufrechterhaltung eines derartigen Drohpotenzials – gegen einen unfairen Steuerwettbewerb durch die prinzipielle Verpflichtung zur unbedingten Liberalisierung des Kapitalverkehrs i. S. d. Art. 56 EGV nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Art. 57 Abs. 2 EGV sieht ausdrücklich handelspolitisch motivierte Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene vor. Eine nationale CFC-Legislation ist, soweit sie nicht durch die „standstill“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV ermöglicht oder auf Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV legitimiert ist, auch im Verhältnis zu Drittstaaten nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar.

S. 281, Randnr. 748; Des Weiteren ist prinzipiell vonseiten der Mitgliedstaaten, als privilegierte Kläger, eine Nichtigkeitsklage i. S. d. Art. 230 EGV gegen die Handlung des Rates denkbar, soweit die Handlungen des Rates formell oder materiell rechtswidrig sind. Vgl. Epiney, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 314, Randnr. 564; vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 230 EGV, Randnr. 8; hierunter fallen auch allgemeine Rechtsgrundsätze; vgl. Gündisch/ Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union (2003), S. 112–114. 577 Vgl. Gündisch/Wienhus, Rechtsschutz in der Europäischen Union (2003), S. 114; vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 230 EGV, Randnr. 29.

Dritter Teil

Hinzurechnungsbesteuerung und die Welthandelsordnung (WTO) Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit konnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass jedenfalls auf europarechtlicher Ebene auf Basis des Art. 57 EGV im Verhältnis zu Drittstaaten eine CFC-Legislation als Ausgleichsmaßnahme oder Gegenmaßnahme in der Vorstellung der OECD ermöglicht ist. Nunmehr soll, aufbauend auf diesem Ergebnis, im Folgenden untersucht werden, ob einerseits eine CFC-Legislation gegen die Bestimmungen der Welthandelsordnung verstößt oder durch das WTO-Übereinkommen selbst andere Wege zur Bekämpfung des unfairen Steuerwettbewerbs eröffnet sind. In diesem Fall könnte eine steuerliche Gegenmaßnahme seitens eines Mitgliedstaates der WTO als unverhältnismäßig angesehen werden. 1. Kapitel

Ausgleichsmaßnahmen und die WTO Zieht man einen Vergleich zwischen der Entstehung des Europäischen Wirtschaftsraumes und der multilateralen Regelung des internationalen Handels in Form der WTO, so finden sich Parallelen für die zu führende Diskussion um eine mögliche Auswirkung der WTO auf direkte Steuernormen der Mitgliedstaaten. Dies ist umso augenfälliger, als durch die Uruguay-Runde erstmals die Handelsverträge im Rahmen der WTO über den reinen Warenverkehr hinausgehen.1 Auch wenn sich die EU inzwischen auf dem Weg zu einer politischen Gemeinschaft befindet, lag der Ursprung der EU gleichermaßen in einem Wirtschaftsbündnis.2 Die WTO kann als Zwi1

Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 78. Vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 57–58. Die EWG begann bereits 1958. Erst 1992 wurde der gemeinsame Markt eingeführt, welcher durch den Maastricht-Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion weiterführte. Vgl. Bieber, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 42–48. Die politische Komponente wird durch den 2002/2003 abgehaltenen Verfassungskonvent flankiert. Insoweit unterscheidet sich die EU aufgrund der politischen Komponente von den anderen regionalen Wirtschaftsbündnissen, wie etwa 2

3. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen und die WTO

181

schenstufe auf dem Weg von einer multilateralen Handelsordnung hin zu einer globalisierten Wirtschaftsordnung angesehen werden. Die EG hingegen kann in diesem Kontext als weit fortgeschrittene Globalisierung im Kleinen, verstanden als Wirtschaftsraum mit weit reichenden ökonomischen Freiheiten, gesehen werden.3 So finden sich teilweise Überschneidungen zwischen den WTO-Teilabkommen und dem EG-Vertrag.4 Auch wenn die Intensität der Regelungen und die Möglichkeiten ihrer Durchsetzung im EG-Vertrag deutlich ausgeprägter sind, können Vergleiche zwischen den normierten Bereichen gezogen werden.5 So ist in der WTO der grenzüberschreitende Warenverkehr geregelt. Weiter finden sich durch das „Agreement on Subsidies and Countervailing Measures“ (ASCM)6 nicht nur Regelungen bezüglich der ertragsteuerlichen Beihilfen, sondern darüber hinaus ist die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen in Ansätzen durch das „General Agreement on Trade NAFTA, MERCOSUR oder APEC. Die Regionalisierung wird teilweise als Gefahr für die WTO gesehen. Vgl. McCalman, Journal of International Economics 2002, S. 171–172; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 921. Wobei zutreffend nicht die Handelsblöcke an sich als die Gefahr für den multilateralen Ansatz der WTO anzusehend sind, sondern die Ballung wirtschaftlicher Macht und deren handelspolitischer Ausnutzung durch die jeweiligen Blöcke auf Kosten der nicht entsprechend organisierten Länder. Für eine Übersicht der jeweiligen Systeme, vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 150. 3 So etwa Neumann, Gesellschaftliche Funktionen internationalen Wettbewerbs, Vortrag am 28. Mai 2002 im Rahmen der Ludwig-Erhard-Ringvorlesung „Grundfragen internationaler Wirtschaft“ der WiSo-Fakultät im Sommersemester 2002. 4 Teilweise wurden Regelungen des GATT wörtlich in den EGV übernommen. Dies gilt beispielsweise für Art. 90 EGV für eine diskriminierende, innerstaatliche Abgabenbelastung. Vgl. Ehring, JWT 2002, S. 948; vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 57–59; vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 534. Eine vergleichbare Regelung bzgl. Dienstleistungen findet sich im EG-Vertrag nicht. Vgl. Williams, EC TAX Law (1998), S. 127. Auch das nach außen gerichtete Antisubventionsinstrument der EU, die Antisubventionsverordnung, ist zum großen Teil aus dem Subventionsübereinkommen der WTO übernommen worden. Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 25–27. Zudem werden auch im Art. 58 Abs. 3 EGV Überschneidungen zum Chapeau des Art. XX GATT 1994 gesehen. Vgl. Usher, The Law of Money (2000), S. 237–238. Für einen Vergleich der GATT-Regeln und des Gemeinschaftsrechts vgl. Tumlir, in: Hilf/Petersmann, GATT (1986), S. 101–107. 5 Das Streitbeilegungsverfahren der WTO wurde durch die Uruguay-Runde verrechtlicht. Dennoch kommt dem DSU (Dispute Settlement Understanding) bei weitem nicht die gleiche Bedeutung zu, wie es für den EuGH in der EU gegeben ist. Vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 924. 6 Das ASCM findet nur für das GATT 1994 und nicht für GATS und TRIPS Anwendung, da es zu den multilateralen Übereinkünften im Bereich des Warenhandels gehört.

182

3. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen und die WTO

and Services“ (GATS) geregelt. Ein bedeutender Unterschied zum europäischen Binnenmarkt dürfte aber im Fehlen einer unternehmerischen Niederlassungsfreiheit für Güteranbieter gegeben sein. Auch die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen ist nur unter großen Einschränkungen bezüglich des Regelungsumfangs seitens der Mitgliedstaaten akzeptiert worden. Zudem wurde aus politischen Erwägungen durch Steuerklauseln die Wirksamkeit des GATS für den Bereich der direkten Steuern weitgehend aufgehoben.7 Der Ruf nach der Sicherung des inländischen Steuersubstrates sowie der internationale Systemwettstreit verdeutlichen, dass internationale Industriepolitik in zunehmendem Maße von der nationalen Steuerpolitik geprägt ist. Der Welthandel und die internationale Besteuerung werden zukünftig nur schwerlich voneinander zu trennen sein8, zu stark sind die Auswirkungen der Steuer- und Sozialsysteme auf den internationalen Wettbewerb der Güter und Dienstleistungen. Je erfolgreicher die tarifären Handelshemmnisse auf der Grundlage der WTO abgebaut werden, desto gewichtiger werden zwangsläufig andere, nichttarifäre Hindernisse. Infolgedessen wandeln sich steuerliche Normen zunehmend zu einem protektionistischen Mittel der Regierungen. Aber auch die Sicherung des nationalen Steuersubstrats kann im Widerspruch zu den Zielen eines freien Welthandels stehen.

A. Direkte Steuern und die WTO Das Problemfeld der direkten Steuern als mögliches, nichttarifäres Handelshemmnis ist im WTO-Vertragstext nur am Rande geregelt. Erst mit den überaus großen Erfolgen der WTO im Abbau der Zölle wurde auch die Frage der direkten Steuern verstärkt als mögliches Handelshemmnis in das Blickfeld der WTO gerückt. Steuern wurden umso gewichtiger, als auch natürliche Grenzen infolge der technologischen Entwicklung der letzten Jahre zunehmend in den Hintergrund traten.9 Hier erwiesen sich wieder einmal die beiden großen Handelsblöcke USA und EG als streitfreudig. So führte die Frage des steuerlichen Grenzausgleiches und der verbotenen Exportsubventionen im DISC/FSC/ETI-Fall zu einem über 30 Jahre andauernden Disput, der in der Verurteilung der USA und der damit verbundenen Genehmigung von Gegenmaßnahmen durch die EG gipfelte.10 So ist dem WTO-Ver7

Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel; vgl. Williams, EC TAX Law (1998), S. 128. So auch Jackson, der eine weite Überschneidung verschiedenster politischer Bereiche mit der internationalen Handelspolitik sieht. Unter anderem gilt dies auch für Steuern. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 22–23. 9 Vgl. Jackson, Journal of Economic Law 2001, S. 69; vgl. Menck, in: Burmester/Endres, Außensteuerrecht (1997), S. 306. 8

A. Direkte Steuern und die WTO

183

tragstext eine rudimentäre Rahmenordnung für das Steuerrecht der Mitgliedstaaten zu entnehmen. Denn die zentrale Zielsetzung der WTO ist die Sicherung eines unverzerrten, grenzüberschreitenden Wettbewerbs. Darunter fällt unter bestimmten Voraussetzungen, was hier von besonderer Bedeutung ist, auch die Vermeidung einer steuerlichen Benachteiligung ausländischer Anbieter und der damit verbundene Wettbewerbsvorteil für Inländer.11 Das Primat eines unverzerrten, grenzüberschreitenden, internationalen Wettbewerbs umfasst für den steuerrechtlichen Bereich zunächst zwei Themenkomplexe. Die WTO schützt grundsätzlich ausländische Anbieter vor einer Schlechterstellung im Importland auf der Grundlage des Gebotes der Inländerbehandlung. Übertragen auf das zu diskutierende Problemfeld der Steuern ist diesem Grundsatz das Verbot der diskriminierenden Steuerstrukturen zu entnehmen.12 Umgekehrt kann es dem Exportstaat auch verboten sein, eigene Anbieter steuerlich zu subventionieren.13 Entsprechend lassen sich dem WTO-Vertragstext Regeln für die Besteuerung entnehmen, soweit diese den grenzüberschreitenden Handel mit geschützten Waren oder Dienstleistungen betreffen und diese Steuern die Exporte oder Importe diskriminierend be- oder entlasten. Eine Steuerstruktur, die Importvorgänge höher belastet als vergleichbare inländische Anbieter oder Exporte niedriger besteuert als der entsprechende nationale Tatbestand, ist als mögliche Importbarriere oder eben Exportsubvention kritisch zu hinterfragen.14 Die Frage der Subvention und des Abbaus der Importhemmnisse ist überdies eng miteinander verknüpft, da Subventionen zudem auch als verschleierte Importhemmnisse wirken können.15 Unbestritten enthält die WTO Steuerregeln, die, soweit sie Import- und Exportvorgänge betreffen, in ihrer Bedeutung allgemein anerkannt sind.16 Wie angedeutet ist primäres Ziel der WTO die Vermeidung einer Beschrän10

Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, C. Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 170. 12 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 170; vgl. Art. III Abs. 1 u. 2 GATT, Art. XVII Abs. 3 GATS. 13 Vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 167–168 u. S. 171. 14 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 14. 15 Vgl. Hufbauer, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 93. In der ETI-Gesetzgebung wurde nicht etwa nur ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM (verbotene Ausfuhrsubvention), sondern aufgrund der vorgesehenen Voraussetzungen für die Gewährung der Steuererleichterung auch ein Verstoß gegen Art. III Abs. 4 1994 gerügt. Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/RW, adopted 29. January 2002, Abschnitt C. Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 558–559. 16 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 207. 11

184

3. Teil, 1. Kap.: Ausgleichsmaßnahmen und die WTO

kung des Güter- und Dienstleistungswettbewerbs, jeweils aus der Sicht des ausländischen Anbieters. Also der umgekehrte Fall eines Steuerdumpings in Form des „ring fencings“, welche eine Attirierung ausländischen Kapitals und damit eben die steuerliche Benachteiligung des inländischen Anbieters im Vergleich zum allgemein gültigen Steuersystem beinhaltet.17 Nachdem das WTO-System ein Diskriminierungsverbot der ausländischen Waren oder Dienstleistungen in Form des Gebots der Inländerbehandlung beinhaltet, bleibt es zwar jedem Mitgliedstaat überlassen, inländische Firmen schlechter zu stellen, dennoch ist bereits bei einer ersten oberflächlichen Betrachtung festzustellen, dass sich ein mögliches „ring fencing“ nicht völlig von den Bestimmungen der WTO trennen lässt. Denn erfolgt auf Basis einer solchen steuerlichen Besserstellung ausländischer Firmen wiederum ein Export, so kann diese steuerliche Konstruktion unter die Subventionsordnung der WTO fallen.

B. CFC-Legislation und die WTO Möchte man nun diesen ersten Ansatz auf die Frage der CFC-Legislation übertragen, so ist der Zusammenhang zwischen steuerrechtliche Normen und einer möglichen Beschränkung des Kapitalverkehrs herauszuarbeiten. Hierbei sind zwei Komponenten zu unterscheiden. Dies betrifft einerseits den Kapitalexport.18 Also, soweit man auf die Vorstellung der Kapitalverkehrsfreiheit i. S. d. Art. 56 EGV zurückgreift, erfolgt die Beschränkung des Inländers in der Anlagefreiheit aber auch der ausländischen Kapitalgesellschaft in ihrer Finanzierungsfreiheit durch den Kapitalexportstaat. Umgekehrt kann auch durch den Importstaat eine Beschränkung des Kapitalverkehrs erfolgen, welche möglicherweise unter den Freihandelsregelungen der WTO verboten ist. So könnte als zweite Komponente die nationale steuerrechtliche Norm für den ausländischen Güter- oder Dienstleistungsanbieter eine Marktzutrittsbarriere generieren. Dies beinhaltet die Frage der Investitionsfreiheit oder Regeln der internationalen Investitionstätigkeit, die ansatzweise auch in der WTO geregelt sind. Reduziert auf die unmittelbare Auswirkung der CFC-Legislation für den internationalen Kapitalverkehr, ist im Binnenmarkt sowohl die Komponente 17 Wie Hauser zu Recht herausstellt, ist die Zielsetzung der WTO nicht unmittelbar gegen einen als unfair empfundenen Steuerwettbewerb gerichtet. Der unfaire Steuerwettbewerb zwischen den Staaten wird vorherrschend über gezielte Steuervorteile für ausländische Unternehmen geführt und regelt damit genau den umgekehrten Weg. Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 170. 18 Vgl. Zweiter Teil, 1. Kapitel, A.

B. CFC-Legislation und die WTO

185

der Beschränkung des Inländers als auch der ausländischen Kapitalgesellschaft durch den Kapitalexportstaat zu beachten.19 Nun unterliegt durch die CFC-Legislation der Kapitalimport des Importstaates keiner Beschränkung. Denn die CFC-Legislation erfasst den inländischen Anteilseigner einer ausländischen Gesellschaft. Im Gegensatz zum Binnenmarkt ist für das Handelssystem der WTO eine Benachteiligung des Inländers bei der grenzüberschreitenden Anlagetätigkeit unbeachtlich. Gleichermaßen ist die Finanzierungsfreiheit der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht durch ein Handelssystem geschützt. Erst wenn durch eine steuerrechtliche Norm eine Wettbewerbsbenachteilung eines ausländischen Anbieters von Waren oder Dienstleistungen im Sinne einer Importbarriere gegeben oder durch die steuerrechtliche Norm eine Beihilfe realisiert ist, ist ein Verstoß gegen die Verpflichtungen des WTO-Vertrages denkbar. Für eine nationale CFC-Legislation verbleibt damit als potenzieller Verstoß gegen die Bestimmungen der WTO die Frage zu klären, ob unter Beachtung von Überwälzungsvorgängen die mittelbare Schlechterstellung der ausländischen Kapitalgesellschaft durch die Besteuerung der Anteilseigner im Importstaat als verbotene Importbarriere zu betrachten ist.20 Des Weiteren ist durch eine länderspezifische CFC-Legislation ein Verstoß gegen die Meistbegünstigungsverpflichtung denkbar. Schließlich kann aus diesen ersten Überlegungen der zu untersuchende Sachverhalt abgegrenzt werden. Zunächst muss geklärt werden, inwieweit direkte Steuern als Importbarriere im Sinne der WTO wirken können. Dies ist essenziell für die Frage, ob steuerliche Gegenmaßnahmen in Form einer CFC-Legislation mit dem WTO-Vertragstext vereinbar sind.21 In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob auf der Grundlage der WTO gegen ein als unfair klassifiziertes Steuerregime vorgegangen werden kann. Hierbei soll auf die klassische Unterteilung der OECD22 in Steueroasen sowie diskriminierende Steuerregime zurückgegriffen werden. Für beide Aspekte ist jeweils die Steuerordnung der WTO zu bestimmen, bevor ein Urteil über die Vereinbarkeit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung mit der WTO gefällt werden kann. Dies soll, nachdem einleitend das System der WTO und die hierin enthaltenen Grundprinzipien vorgestellt werden, in den folgenden Kapiteln jeweils gesondert für das GATT und das GATS erfolgen. 19

Vgl. Zweiter Teil, 1. Kapitel, B. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 40–43. 21 Denn die Rechtfertigung eines Verstoßes einer durch die OECD empfohlenen Gegenmaßnahme im unfairen Steuerwettbewerb gegen die aus der WTO erwachsenden Verpflichtungen kann nicht auf der Basis der Empfehlung der OECD geführt werden. Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 392–393. Dies gilt gleichermaßen für eine CFC-Legislation. 22 Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, B. 20

186

3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

2. Kapitel

Die WTO im Überblick Mit der Gründung der WTO wurde 1994 ein für die Idee des multilateralen Freihandels überaus wichtiger Schritt vollzogen.23 Nicht nur, dass die Zersplitterung der GATT-Verträge beendet und diese in ein einheitliches Vertragssystem überführt wurden, zudem wurde auch der Rechtsschutz in Form der Dispute Settlement Understandings (DSU) gestärkt24, sodass nunmehr ein wesentlicher Kritikpunkt am Welthandelssystem behoben ist und infolgedessen auch für die EG der Vorrang der WTO-Regelung durch die herrschende Meinung nicht weiter bestritten wird.25

A. Vom GATT zur WTO Das WTO-Vertragswerk26 geht auf das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen, das General Agreement on Tarifs and Trade (GATT), aus dem Jahre 1947 zurück. Infolge der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre und des Zweiten Weltkriegs kollabierte der internationale Handel.27 Mit dem GATT versuchte man, die Lehren aus den katastrophalen Folgen protektionistischer Handelspolitik früherer Zeiten zu ziehen und durch einen freien Welthandel eine Steigerung der weltweiten Wohlfahrt zu erzielen.28 Erstmals in der Geschichte des internationalen Handels wurde ein umfassendes, multilaterales, völkerrechtliches Abkommen zur Sicherung des Freihandels geschlossen. Entsprechend wurden durch das GATT-System zunächst vornehmlich die nach dem Zweiten Weltkrieg erheblichen Einfuhrzölle29 ge23

Vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 920. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 17 u. 19. 25 Die neue DSU macht die Kritikpunkte des EuGH obsolet. Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 164–165; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 227–229; vgl. Weber/Moos, EuZW 1999, S. 229–236. Strittig ist eine unmittelbare Anwendbarkeit der WTO-Regelungen. Vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 238–246. Die unmittelbare Anwendbarkeit wird auch von anderen WTO Staaten infrage gestellt. Vgl. Behrens, in: Nowak/Cremer, Individualrechtsschutz (2002), S. 204–210; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 927–928. Auch falls keine unmittelbare Anwendbarkeit gegeben ist, kann dagegen eine Auswirkung auf die nationalen Gerichte nicht ausgeschlossen werden. Vgl. Jackson, JIEL 2001, S. 18. 26 Für eine deutsche Textsammlung der wichtigsten Vertragsbestandteile der WTO siehe Hummer/Weiss, Vom GATT’47 zur WTO’94 (1997). 27 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 3. 28 Darüber hinaus sollte das GATT-System dazu beitragen, weitere Weltkriege zu verhindern, vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 180. 29 So erhob die USA bis 50% Zollabgaben. Vgl. Beise, Die Welthandelsorganisation (2001), S. 39. In den sieben Welthandelsrunden wurden die Zölle durchschnitt24

A. Vom GATT zur WTO

187

senkt. Nach dem erfolgreichen Abbau der Zölle traten mit der KennedyRunde (1964–67), spätestens aber mit der Tokio-Runde (1973–79), auch andere, nichttarifäre Handelshemmnisse30 in das Blickfeld der internationalen Handelsdiplomatie. Der am 1.01.1948 in Kraft getretene GATT-Vertrag war ein Provisorium.31 Die vorgesehene internationale Handelsorganisation ITO32 scheiterte jedoch und sollte erst 50 Jahre später mit der WTO in anderer Form verwirklicht werden.33 Mit Abschluss der nahezu acht Jahre dauernden Uruguay-Runde (1986–93), der achten Welthandelsrunde, am 15.12.1993 und Gründung der WTO gelang der große Durchbruch in der Geschichte der internationalen Handelsdiplomatie.34 Das lange verfolgte Ziel, die Schaffung einer supranationalen Organisation zur Regelung handelspolitischer Dispute, wurde schließlich erreicht. Erstmals wurde für den multilateralen Handel ein Rechtssystem geschaffen, das entgegen dem früheren, oft recht zahnlos erscheinenden Verhandlungsclub des GATT, eine effektive Verurteilung handelspolitischer Verstöße ermöglicht.35 Während im GATT de facto das Konsensprinzip galt, da ein Panel-Bericht nur einstimmig angenommen werden konnte und infolgedessen in der Praxis die verfehlende Vertragspartei ihrer eigenen Verurteilung zustimmen musste, ist nunmehr im WTO Streitbeilegungsverfahren ein „negatives“ oder „umgekehrtes“ Konsensprinzip realisiert.36 Alle beteiligten Parteien müssen gemäß Art. 6 Abs. 1 DSU die Einrichtung eines Panels ablehnen. Gleiches gilt gemäß Art. 16 Abs. 4 DSU für eine Ablehnung des Panelberichtes. Darüber hinaus wurde ein restriktiver Zeitrahmen eingeführt.37 Ein regelorientiertes, multilaterales Hanlich von 35% auf 5% reduziert. Für eine kurze Darstellung der 7 Welthandelsrunden vgl. etwa Senti, WTO (2000), S. 70 ff. 30 Hierbei sind insbesondere Importquoten, Importverbote sowie technische Beschränkungen zu nennen. Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 153 f. 31 Vgl. Jackson, JIEL 2001, S. 68; vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 180–181; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 33; vgl. Senti, WTO (2000), S. 20; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 920. 32 Die ITO sollte neben dem IWF und der Weltbank den dritten Teil einer weltweiten Handelsordnung bilden, scheiterte 1950 aber an der fehlenden Zustimmung der USA. Zur Geschichte der ITO vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 36 ff.; vgl. Senti, WTO (2000), S. 15–19. 33 Vgl. Benedek, Welthandelsordnung (1998), S. 33; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 920. 34 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 16; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 3–7 u. 37. 35 Vgl. Feddersen, IStR 2002, S. 555; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 52; 60 u. S. 81 u. 211. 36 Vgl. Feddersen, IStR 2002, S. 555; vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 32. 37 Vgl. Art. 6 ff. DSU. Vgl. Jackson, JIEL 1998, S. 19–20; eine Darstellung des WTO-Streitbeilegungsverfahrens und der Änderungen durch die Uruguay-Runde fin-

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

delsabkommen trägt wesentlich dazu bei, die bestehenden Machtasymmetrien der Handelspartner zu bekämpfen, da es die politische Einflussnahme auf den internationalen Handel durch die jeweiligen Mitgliedstaaten einschränkt. Entsprechend ist durch die Uruguay-Runde unter Aufgabe des Konsensprinzips38 für eine Verurteilung ein gewichtiger Schritt in diese Richtung gegeben.39 Die Verrechtlichung des Streitbeilegungssystems ist als Abkehr vom völkerrechtlichen Verhandlungssystem, verbunden mit der Etablierung einer eigenständigen Rechtsordnung, anzusehen.40 Mit der Uruguay-Runde wurde, um der zunehmenden Bedeutung des weltweiten Handels mit Dienstleistungen41 gerecht zu werden, auch hinsichtlich des durch das Vertragswerk geregelten Schutzbereiches ein großer Schritt vollzogen und der Dienstleistungssektor in die Handelsordnung einbezogen.42 Damit hat man das bis dato rein auf grenzüberschreitenden Warenaustausch beschränkte GATT 194743 um den Handel mit Dienstleistungen und geistigem Eigentum im „Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“ oder „General Agreement on Trade and Services“ (GATS) sowie im „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ (TRIPS) erweitert.44 Das WTO-System ruht nunmehr auf drei Säulen, dem Warenabkommen GATT 199445, dem det sich bei Mauderer, Der Wandel (2001) S. 28–620. Vgl. auch Lowenfeld, Economic Law (2002), S. 152–196. 38 Auch wenn formal weiterhin die Streitbeilegung im Konsens erfolgt, da kein unabhängiges Gericht eingesetzt wurde. Vgl. Oeter, in: Nowak/Cremer, Individualrechtsschutz (2002), S. 225. 39 Vgl. Jackson, JIEL 2001, S. 69–70. Während große Staaten aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichtes in bilateralen Verträgen in der Regel ihre Vorstellungen umsetzen können, steht kleineren Staaten diese Möglichkeit nicht offen. Durch multilaterale Handelsverträge steigt dagegen der Einfluss der kleinen Staaten. Vgl. McCalman, Journal of International Economics 2002, S. 153–154; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 924. Zum Unterschied eines machtorientierten oder regelorientierten Ansatz einer Welthandelsordnung vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 148–149. 40 Vgl. Oeter, in: Nowak/Cremer: Individualrechtsschutz (2002), S. 221–222. 41 Der weltweite Handel mit Dienstleistungen betrug 2002 1,54 Billionen Dollar. Dagegen wurden Waren im Wert von 6,24 Billionen Dollar gehandelt. Vgl. Handelsblatt v. 24.04.03 S. 8. „Deutschland ist zweitgrößte Exportnation.“ In der Nachkriegszeit lag der Anteil des Handels mit Dienstleistungen am weltweiten Handel noch um die 10%. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 564; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 306. Auf die zunehmende Bedeutung des Handels mit Dienstleistungen verweist auch Schott/Buurmann. Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 99; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 192–193. 42 Beise spricht von einer Weitung des Rechtssystems der WTO. Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 21; vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 179; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 920. 43 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 41.

A. Vom GATT zur WTO

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Dienstleistungsabkommen GATS und dem Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums TRIPS.46 Auch nach der achten Welthandelsrunde ist die Entwicklung der Welthandelsorganisation bis heute bei weitem nicht beendet.47 Die Doha-Runde, die neunte Welthandelsrunde48 sollte bis zum 1. Januar 2005 ihren Abschluss finden.49 Das Scheitern der fünftägigen Konferenz vom 9.–14. September 2003 in Cancffln stellt den Zeitplan der Doha-Runde allerdings deutlich infrage. Erst am 31. Juli 2004 konnten sich die 147 Mitgliedstaaten über die weitere Vorgehensweise in der Doha-Runde einigen.50 Wie bereits bei früheren Handelsrunden der WTO festzustellen war, erlebt zum Zeitpunkt schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen oftmals der Protektionismus eine Renaissance. Eine relativ neue Erscheinung ist jedoch, dass der grundsätzliche WTOAnsatz des Multilateralismus unter der Zielsetzung des globalen Freihandels in zunehmendem Maße durch den Trend zum Regionalismus der großen Handelsblöcke51 infrage gestellt wird.52 So halten sowohl die EU als auch die USA trotz erfolgreichen Abschlusses der Uruguay-Runde an bilateralen 44 Weitere neue Bereiche stellten die handelsbezogenen Investitionsmaßnahmen (TRIMS) sowie das Agrarabkommen dar. Vgl. Jackson, The World Trading System (1996), S. 305; vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 179; vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 8; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 13. 45 Mit der Uruguay-Runde ersetzt das GATT 1994 das GATT 1947. Vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 181. 46 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 91; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 195; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923. 47 Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 33–37. 48 Eine Darstellung der bisherigen acht Welthandelsrunden findet sich etwa bei Senti. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 41–103. 49 Vgl. WTO, The road to Doha and beyond – a road map for successfully concluding the Doha development agenda 2002; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 267–271. 50 Vgl. Pressemeldung der WTO v. 31. Juli 2004. http://www.wto.org. Derzeit ist offen ob die Doha Runde in 2006 erfolgreich abgeschlossen werden kann. 51 Die Zugeständnisse innerhalb der Integrationsräume selbst fallen nicht unter das Gebot der Meistbegünstigung. Vgl. Art. XXIV GATT und Art. V GATS. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 172–173. 52 Vgl. McCalman, Journal of International Economics 2002, S. 171–172; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 921. Hasse sieht eine bilateral orientierte Gegenordnung zum multilateralen Ansatz der WTO, der eine zunehmende Anzahl von Freihandelszonen, verbunden mit unilateralen oder bilateralen Verfahrensregeln der EU und der USA enthält. Eine weit verbreitete Politik der aggressiven Reziprozität, verbunden mit handelspolitischen Maßnahmen, die mengenmäßige Beschränkungen beinhalten, stellen die WTO vor wichtige Herausforderungen. Vgl. Hasse, Welthandelsordnung (1997), S. 3–6. Zum Begriff der aggressiven Reziprozität, vgl. Senti, WTO (2000), S. 206–210.

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

Handelsverträgen fest.53 Da auch die Schwellenländer in einem Zusammenschluss der G-21, darunter vornehmlich Brasilien, China und Indien, in jüngster Zeit deutlich selbstbewusster auftreten und weit reichende Zugeständnisse der Industriestaaten hinsichtlich des Abbaus der Agrarsubventionen fordern, ist die Bereitschaft für Kompromisslösungen entsprechend niedrig ausgeprägt. Entwicklungsländer ohne wirtschaftliche Macht laufen dagegen Gefahr, in das wirtschaftspolitische Abseits zu geraten.54 Zum 27.04.2004 sind 147 Länder Mitglied der WTO.55 Darunter als Besonderheit neben den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten seit der UruguayRunde auch die Europäische Gemeinschaft selbst.56 Durch den Beitritt Chinas erzielte die multilaterale Handelsdiplomatie 2001 einen wichtigen Erfolg und konnte die Bedeutung der WTO unterstreichen. Die erheblichen materiell rechtlichen Erweiterungen gegenüber dem warenorientierten GATT 1947 zeigen den Weg der WTO für die Zukunft auf. Aber schon in der bestehenden Fassung kann das Rechtssystem der WTO als Rückgrat des internationalen Welthandels angesehen werden.57

B. Die drei Säulen der WTO Bei der Gründung der WTO wurden die einzelnen multilateralen Handelsverträge58 des GATT im Zuge eines „single package deals“ zusammengeführt und damit die Fragmentierung des GATT-Systems beendet.59 Das Rahmenabkommen der WTO bildet die Klammer über die verschiedenen Vertragstexte der Uruguay-Runde, die als Anhang dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation beigefügt und gemäß Art. 2 Abs. 2 53

Vgl. McCalman, Journal of International Economics 2002, S. 154. Die Industriestaaten wollen insbesondere die Investitionsfreizügigkeit erhöhen und scheiterten hierbei am Widerstand der G-21. Vgl. Handelsblatt, Rückschlag für den Welthandel, vom 16.09.03, S. 2. 55 Für aktuelle Daten der WTO sowie der Vertragstexte und des Dispute Settlement siehe http://www.wto.org. 56 Vgl. Art. XI u. XIV WTO 1994. Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 174–181; vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Weltwirtschaft (2002), S. 234. 57 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 20. 58 Die GATT-Agreements konnten einzeln von den Staaten gezeichnet werden, was zu einer sehr unübersichtlichen Normenvielfalt führte. Zumal auch die Änderungen der jeweiligen Agreements nur von den zustimmenden Vertragsparteien übernommen wurden. Neben dem GATT gab es Zusatzabkommen, wie etwa das ASCM, technische Handelshemmnisse, Regierungskäufe und spezielle, sektorbezogene Abkommen. 59 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98; vgl. Benedek, Welthandelsordnung (1998), S. 15; vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 182; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 922; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 14–16. 54

B. Die drei Säulen der WTO

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WTO gegenüber den Mitgliedern verbindlich sind. Dies betrifft neben dem GATT 1994 auch das GATS und TRIPS. Des Weiteren findet sich nun in der WTO auch ein Verfahrensrecht, realisiert durch das Verfahren zur Regelung und Beilegung von Streitigkeiten (DSU) und durch den Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPRM). Für die Diskussion um die Bedeutung der WTO hinsichtlich direkter Steuern sind, neben den Teilabkommen selbst, insbesondere auch die vielfältigen Nebenabkommen der WTO, die die einzelnen Abkommen ergänzen, von Bedeutung. I. GATT 1994 Das GATT 1994 stellt den wichtigsten Bestandteil des WTO-Systems dar. Es regelt in Fortführung des alten GATT-1947-Vertrages den Handel mit Waren, Gütern, Erzeugnissen und Produkten. Das GATT 1947 wird hierbei nicht aufgehoben oder in das GATT 1994 überführt, sondern bleibt neben dem GATT 1994 rechtlich selbstständig bestehen.60 Das GATT 1994 selbst definiert diese Begriffe nicht. Der Schutzbereich des GATT gemäß Art. 1 Abs. 1 GATT umfasst eine Ware „(. . .) welche aus einem anderen Land stammt oder für dieses bestimmt ist (. . .)“. In Abgrenzung zum GATS erstreckt sich der Warenbegriff des GATT nicht auf Dienstleistungen, sondern ausschließlich auf physische, greifbare Güter.61 Der GATT 1994 Vertragstext und die jeweiligen Durchführungsübereinkommen sind als Anhang 1A dem WTO-Mantel beigefügt. Dem mit der Tokio-Runde eingeführten Subventionskodex 197962, der später weiterentwickelt als „Agreement on Subsidies and Countervailing Measures“ (ASCM) Bestandteil der WTO wurde, kommt neben dem Antidumpingabkommen im Regelwerk der WTO eine besondere Bedeutung zu. Es ist jedoch zu beachten, dass sich die jeweiligen Durchführungsvereinbarungen ausschließlich auf die zugehörigen GATT-Artikel beziehen und nicht für das GATS oder TRIPS gelten. Im zweiten Teil des Anhangs 1A finden sich mehrere eigenständige Zusatzabkommen zum GATT, die sich auf bestimmte Bereiche des Welthandels, wie etwa die Landwirtschaft oder die handelsbezogenen Investitionsmaßnahmen (TRIMS) beziehen.63 Erste Ansätze zum Schutz der grenzüberschreitenden Investition finden sich im TRIMS, ASCM, GATS und TRIPS.64 60 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 53; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 14–16. 61 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 328. 62 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 173. 63 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 326.

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

Das Zusatzabkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMS)65 verbietet eine mögliche Behinderung der ausländischen Direktinvestitionstätigkeit im Inland, soweit diese gemäß Art. 1 TRIMS den Warenhandel betreffen. Portfolioinvestitionen sind dagegen durch das TRIMS grundsätzlich nicht erfasst. Im Anhang des TRIMS sind abschließend diejenigen Maßnahmen aufgezählt, die Gegenstand des TRIMS sind. Darunter fallen u. a. Maßnahmen, die mit Art. III Abs. 4 GATT 1994 unvereinbar sind, da sie Kauf oder Nutzen einer bestimmten Menge inländischer Waren („local content“)66 voraussetzen oder die Menge an importierten Vorprodukten limitieren. Das TRIMS betont im Wesentlichen nochmals das Gebot der Inländerbehandlung für Bereiche, die in der Vergangenheit zu vermehrten Problemen bei der grenzüberschreitenden Investitionstätigkeit geführt haben. Aufgrund der fehlenden Verweisung auf Absatz 2 des Art. III GATT 1994 unterliegt der spezifische Bereich der Inländerbehandlung, der sich auf innere Abgaben und Belastungen bezieht, nicht dem TRIMS. II. GATS Das mit der Uruguay-Runde in das WTO-System eingeführte GATS regelt erstmals multilateral die grenzüberschreitende Dienstleistungswirtschaft.67 Wie schon im GATT für den Warenbegriff festzustellen war, findet sich auch im GATS keine Definition des Dienstleistungsbegriffs.68 Dienstleistungen umfassen, in Abgrenzung zum Warenbegriff des GATT, regelmäßig immaterielle Güter. Dienstleistungen sind häufig nicht lagerungsfähige oder transportable Leistungen, die davon geprägt sind, dass die Erbringung der Dienstleistung die gleichzeitige Anwesenheit des Dienstleistungserbringers und Kunden erfordert69 oder auch Güter, bei denen der physische Anteil des Wertes weniger als 50% des Warenwertes beträgt.70 Das 64

Vgl. Brewer/Young, JIEL 1998, S. 460–464. Vgl. Lowenfeld, Economic Law (2002), S. 94–97; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 316–317. Für eine Erläuterung des TRIMS vgl. Senti, WTO (2000), S. 533 ff.; vgl. Geist, Law & Policy (1995), S. 675. Schott/Buurmann sieht im TRIMS einen ersten wichtigen, aber noch kleinen Schritt in Hinblick auf die Anerkennung der Bedeutung der Investitionstätigkeit für den internationalen Handel. Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 112–114. 66 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 536. 67 Vgl. Lowenfeld, Economic Law (2002), S. 120; vgl. Grave, Subvention (2002), S. 57; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 193–194; vgl. Barth, EuZW 1994, S. 455. 68 Vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 105; vgl. Barth, EuZW 1994, S. 455. 69 Viele Dienstleistungen können nur gleichzeitig produziert und konsumiert werden. So etwa der Besuch eines Theaters, Restaurants oder Friseurs. Vgl. Weiß/Herr65

B. Die drei Säulen der WTO

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GATS findet sich im Anhang 1B des WTO-Vertragstextes wieder. Als Pate für den Vertragstext des GATS stand das über 50 Jahre lang erprobte GATT zur Verfügung. Daher finden sich in ähnlicher Weise die Meistbegünstigungsklausel und das Gebot der Inländergleichbehandlung auch im GATS.71 Dennoch sind in den Details der Regelung einschneidende Unterschiede zum GATT festzustellen, da naturgemäß eine möglicherweise zu kritisierende Beschränkung der grenzüberschreitenden Dienstleistungswirtschaft eher in deren Erbringung vor Ort, als in einem dem Warenverkehr vergleichbaren, länderübergreifenden Dienstleistungsverkehr zu sehen ist. Dies lässt eine ungeprüfte Übertragung der Erfahrungen und Prinzipien des GATT auf die Normen des GATS als fraglich erscheinen. Grundsätzlich regelt das GATS alle Ausprägungsformen der grenzüberschreitenden Dienstleistungstätigkeit. Es handelt sich um einen universellen Ansatz mit einer sehr weit gefassten Definition.72 Gemäß Art. I Abs. 3 lit. b) GATS schließt der Begriff Dienstleistungen „jede Art von Dienstleistung in jedem Bereich“ ein. Ausgenommen hiervon sind solche Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Damit umfasst Art. I GATS sowohl die grenzüberschreitende Erbringung einer Dienstleistung als auch eine Freizügigkeit des Dienstleisters oder eines Verbrauchers.73 Allerdings relativiert sich der zunächst umfassende Ansatz des GATS, da sich die Mitgliedstaaten bei Vertragsabschluss viele Sonderrechte einräumen ließen und damit die Wirksamkeit des GATS stark beschnitten wurde. Bei den Vertragsverhandlungen bezüglich des Schutzbereiches trafen die Interessen der großen Industriestaaten und der Entwicklungsländer aufeinander. Die Industriestaaten, allen voran die USA, wollten den freien Zugang zu den Märkten für Niederlassungen erreichen, gleichzeitig jedoch den wichtigen Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit vom Anwendungsbereich des GATS ausnehmen.74 Es handelt sich im Ergebnis um ein Rahmenabkommen, das bei weitem nicht das gleiche Regelungsniveau wie das GATT aufweist.75 In seiner Entwicklung ist das GATT dem GATS 50 mann, Welthandelsrecht (2003), S. 347–349; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 206–207; vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 132. 70 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 568. 71 Vgl. Lorenz, Die Europäische Gemeinschaft (2000), S. 40; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 13. 72 Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 206; vgl. Barth, EuZW 1994, S. 455. 73 Vgl. Lorenz, Die Europäische Gemeinschaft (2000), S. 41. 74 Vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 141. 75 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 603; vgl. Jackson, The World Trading System (1996), S. 307.

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

Jahre der praktischen Anwendung voraus.76 Das GATS ist somit lediglich als gewichtiger Anfang zu verstehen.77 Weitere in Art. XIX GATS vorgesehene Verhandlungsrunden werden über die zukünftige Bedeutung des GATS entscheiden.78 Die in Art. XIX GATS verankerte Verpflichtung über weitere Liberalisierungsverhandlungen wurde zwischenzeitlich eingelöst und ist nunmehr im Rahmen der Doha-Handelsrunde Gegenstand der Vertragsverhandlungen.79 III. TRIPS Der dritte Bestandteil des WTO-Systems ist im Anhang 1C des Vertragstextes zu finden und dient dem Schutz der handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums.80 Das TRIPS wurde, insbesondere auf Druck der USA, als Reaktion auf die weltweit zunehmende Verletzung geistigen Eigentums während der Uruguay-Runde beschlossen und trat am 1. Januar 1995 in Kraft.81 Damit ergänzt die WTO nunmehr als zweite multilaterale Einrichtung die Tätigkeit der UNO-Sonderorganisation WIPO (World Intellectual Property Organisation), die seit 26. April 1970 den Schutz der Patente, Marken und Urheberrechte weltweit unterstützen soll und der es obliegt, die internationalen Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums zu verwalten. Da die WIPO neben der WTO weiterhin ihrer Aufgabe nachgeht, bestehen zwei unabhängige Schutzsysteme82, die allerdings über ein Kooperationsabkommen miteinander verknüpft sind.83 In Art. 1 Abs. 2 TRIPS findet sich der Begriff des geistigen Eigentums geregelt. Im zweiten Teil des TRIPSVertragstextes werden die einzelnen Rechte am geistigen Eigentum definiert. Hier finden sich u. a. Bestimmungen über Urheberrechte, Marken und Pa76 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 307; vgl. Senti, WTO (2000), S. 603. 77 Vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 103; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923; vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 143. Erstmalig besteht ein multilateraler Ansatz zur Liberalisierung des internationalen Handels mit Dienstleistungen. Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 12; vgl. Langhammer, Das GATT am Ende? (1994), S. 11. 78 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 120; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 99–100. 79 Vgl. WTO (Hrsg.), Doha Agenda, Par. 15. 80 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 310; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923. 81 Vgl. Lowenfeld, Economic Law (2002), S. 98–109; vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 26; vgl. Senti, WTO (2000), S: 611; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 311–312; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923. 82 Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 26; vgl. Senti, WTO (2000), S. 609–610; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 13. 83 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 616.

C. Die Grundprinzipien der WTO

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tente.84 Auch im TRIPS findet sich das Prinzip des Diskriminierungsverbotes aus dem GATT wieder.85 Darüber hinaus sind die Vertragsparteien gemäß Art. 2 Abs. 1 TRIPS verpflichtet, die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums anzuerkennen.86

C. Die Grundprinzipien der WTO In der Präambel der WTO spiegelt sich die allgemeine Zielsetzung der Vertragsparteien wider. So sollen die internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen einer Erhöhung des Lebensstandards, einer Vollbeschäftigung und einem höheren, steigenden Realeinkommen dienen.87 Die Vertragsparteien erkennen weiter an, dass die Zielsetzung der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen in einer nachhaltigen Steigerung der Produktion und des Handels mit Waren und Dienstleistungen, unter Berücksichtigung des Umweltschutzes und einer Förderung der Entwicklungsländer, zu sehen ist.88 Um diese Ziele zu verwirklichen, kommen die Vertragsparteien im WTO-System überein, auf der Grundlage von Gegenseitigkeit einen Abbau der Zölle und Handelsschranken sowie die Beseitigung einer Diskriminierung im internationalen Handel vorzunehmen.89 Die Präambel, gleichsam die allgemeine Zielsetzung der Vertragsparteien, weist den Weg zu den Grundprinzipien der WTO, die im Wesentlichen ohne Veränderung aus dem GATT 1947 in die WTO übernommen wurden.90 Neben der Forderung nach Transparenz der Vertragsparteien untereinander und im Verhältnis zur WTO ist das Diskriminierungsverbot als Kernbestandteil der WTO, sowohl für das GATT als auch für das GATS und TRIPS, normiert.91 Das Diskriminierungsverbot definiert sich durch das nach außen gerichtete Prinzip der multilateralen Meistbegünstigung, die „most favored nation clause“92, und durch den gleichsam nach innen gerichteten Bestandteil des allgemeinen Diskriminierungsverbots in Form des 84

Eine genaue Darstellung der durch das TRIPS geschützten Werte findet sich bei Senti, WTO (2000), S. 620 ff. 85 Vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923. 86 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 612. 87 Vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 91–92. 88 Vgl. Hauser/Schanz, GATT 1995, S. 11. Das Ziel des Umweltschutzes ist bei der Gründung der WTO neu hinzugekommen. Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 97. 89 Vgl. Präambel der WTO; vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 166. 90 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 96. 91 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98–99; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923. 92 Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 11.

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

Gebotes der Inländergleichbehandlung.93 Weiter ist das hierzu ergänzende Prinzip der Reziprozität zu berücksichtigen. I. Die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung Durch die allgemeine Meistbegünstigung verpflichten sich die Vertragsparteien zur gegenseitigen Nichtdiskriminierung. Seinen Ursprung findet diese Regelung in bilateralen Handelsverträgen.94 Das politische Prinzip der Gegenseitigkeit stellte einen zentralen Bestandteil der unilateralen Handelspolitik der vergangenen Jahrhunderte dar.95 Das System der Meistbegünstigungsklausel ermöglicht u. a. den beteiligten Staaten eine unkomplizierte und rasche Anpassung der Handelsverträge an aktuelle Entwicklungen, ohne jeweils langwierige Vertragsverhandlungen zu durchlaufen.96 Überdies sichert die allgemeine Meistbegünstigungsklausel den multilateralen Ansatz des WTO-Handelssystems, da sie bestehende handelspolitische Machtasymmetrien der Mitgliedstaaten verringert.97 So müssen beispielsweise Zugeständnisse, die durch eine gewichtige Handelsnation wie die USA erzielt werden, unmittelbar auch allen anderen Mitgliedstaaten zugebilligt werden. Dies bevorzugt in besonderem Maße Staaten, die aufgrund ihres mangelnden Sanktionspotenzials bilateral äquivalente Zugeständnisse nicht erzielen können. Neben den gegebenen Vorteilen einer allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung finden sich auch negative Implikationen, wie etwa das „Free Rider“-Phänomen98 und die oftmals festgestellte Tendenz, in den Vertragsverhandlungen nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu realisieren.99 1. Definition Die Verpflichtung zur Meistbegünstigung als Ausprägung des allgemeineren Diskriminierungsverbotes zwingt die Vertragspartner, den anderen Vertragspartnern eine mindestens ebenso gute Behandlung zukommen zu lassen, wie diese im Verhältnis jedem beliebigen anderen Staat gewährt 93 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 45; vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 166–167; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98. Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 14. 94 Vgl. Jackson, Journal of International Law 2001, S. 72–73. 95 Vgl. Jackson, The World Trading System (1996), S. 157. 96 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 106–107; vgl. Jackson, Journal of International Law 2001, S. 72–73. 97 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 47. 98 Vgl. McCalman, Journal of International Economics 2002, S. 152. 99 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 106–107; vgl. Jackson, Journal of International Law 2001, S. 72–73; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 159–160.

C. Die Grundprinzipien der WTO

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wird.100 Gewährt also Staat A dem Staat B einen Vorteil, so muss dieser Vorteil unverzüglich auch dem Staat C gewährt werden.101 Grundsätzlich ist eine Meistbegünstigungsklausel in zwei Ausprägungsformen denkbar. Einerseits in der „conditional“ oder bedingten Ausführung. Die „conditional“ Meistbegünstigungsklausel berücksichtigt auch die in einem bilateralen Vertrag geregelten Gegenleistungen.102 Gewährt beispielsweise ein Staat A einem Staat B eine handelsbezogene Besserstellung, so würde dem Staat A zur Gleichbehandlung des Staates C mit dem Staat B nur insoweit eine „conditional“ Meistbegünstigungsverpflichtung entstehen, als Staat C gleichermaßen den Preis für die Besserstellung entrichtet.103 Eine entsprechende Vergünstigung, die auf der Grundlage der Meistbegünstigungsverpflichtung eingefordert wird, muss nur dann gewährt werden, wenn die jeweilige Gegenleistung, die der konkrete Verhandlungspartner erbracht hat, ebenfalls durch den Staat geleistet wird, der sich auf die Meistbegünstigungsklausel bezieht. Die zweite Grundform einer Meistbegünstigungsverpflichtung ist eine „unconditional“ und damit bedingungslos auszuführende Verpflichtung zur nicht schlechteren Behandlung der Vertragsparteien. In diesem Fall sind unabhängig von etwaigen Gegenleistungen, die in die jeweiligen Vertragsverhandlungen eingeflossen sind, die anderen Vertragsparteien nicht schlechter zu stellen. Hiervon ist die durch die Zersplitterung der GATT-Verträge entstandene Unterform der „conditional“ Meistbegünstigung zu trennen. Jackson bezeichnet dieses Phänomen, in Abgrenzung einer „conditional“ Klausel, als „code-conditional“.104 Der Hintergrund hierfür war die verbreitete Gewohnheit der Mitgliedstaaten, nur an bestimmten Teilverträgen des zersplitterten Vertragswerks des GATT 1947 teilzunehmen. Teilweise wurden die Zugeständnisse in den Meistbegünstigungsklauseln von den Vertragsparteien nur gegenüber denjenigen Mitgliedstaaten gewährt, die ebenfalls dem jeweiligen Einzelabkommen beitraten.105 Dieses System schwächte die Wirksamkeit des GATT 1947 erheblich. Erst mit dem „single package deal“ bei 100

Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160–161. Dies stellt nur eine der möglichen Ausprägungsformen einer multilateralen Meistbegünstigungsklausel dar. Vgl. Horn/Mavroidis, European Journal of Political Economy, S 273; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160–161. 102 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 103; vgl. Hufbauer/Erb/Starr, Law (1980), S. 69; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160–161; vgl. Wang, JWT 1996, S. 107. 103 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160–161. 104 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 161. 105 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 162. 101

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

Gründung der WTO wurde diese Möglichkeit 1994 aufgehoben.106 Die Meistbegünstigungsklausel gilt nunmehr uneingeschränkt gegenüber allen Mitgliedstaaten der WTO. 2. Bedeutung der Meistbegünstigungsverpflichtung in der WTO Die Verpflichtung zur Meistbegünstigung stellt den Kernbestandteil des multilateralen Handelssystems dar.107 Seit der Uruguay-Runde hat die GATT 1947 Meistbegünstigungsklausel eine weitgehend inhaltlich Erweiterung erfahren. Sie gilt nunmehr auch für das GATS und das TRIPS.108 Die Meistbegünstigungsverpflichtung liegt in der WTO in der Ausprägungsform einer „unconditional“ Klausel vor109 und findet sich in den drei Teilverträgen in Art. I GATT 1994, Art. II GATS und Art. 4 TRIPS wieder. Räumt ein Vertragsstaat einem zweiten Staat Vergünstigungen ein, die im Zusammenhang mit dem Handel mit Gütern, Dienstleistungen oder handelsbezogenen Aspekten des geistigen Eigentums stehen, so sind diese auch gegen alle anderen Vertragsparteien wirksam. Dies gilt unabhängig von der WTO-Mitgliedschaft des zweiten beteiligten Staates. Ohne zeitliche Verzögerung und ohne weitere Bedingungen oder etwa Gegenleistungen sind gleichartige Güter, Dienstleistungen oder handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums verschiedener Länder zueinander gleich zu behandeln. Damit ist das Ergebnis der allgemeinen Meistbegünstigungsklausel der WTO eine Gleichstellung der beteiligten Vertragspartner.110 Bei der Formulierung der jeweiligen WTO-Teiltexte bleibt das Vertragswerk für die Meistbegünstigungsklausel in erstaunlicher Weise uneinheitlich. Insoweit wirft Jackson wohl zu Recht die Frage auf, ob aufgrund der unterschiedlichen Formulierungen des Vertragstextes eine einfache Übertragung der Meistbegünstigungsklausel aus dem Warenbereich auf den 106 Vgl. Benedek, Welthandelsordnung (1998), S. 15; vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 182; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 922; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 14–16. 107 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98; vgl. Senti, WTO (2000), S. 159; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 103; vgl. Schwartz/Sykes, International Review of Law and Economics 1996, S. 27; vgl. Hufbauer/Erb/Starr, Law and policy in international business 1980, S. 59. 108 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 46; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 157; vgl. Oppermann, RIW 1995, S. 923. 109 Für Art. I GATT, vgl. Senti, WTO (2000), S. 160; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 105; vgl. Wang, JWT 1996, S. 107; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 161; vgl. Hufbauer/Erb/Starr, Law and policy in international business 1980, S. 69. 110 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 161.

C. Die Grundprinzipien der WTO

199

Handel mit Dienstleistungen und den Handel mit geistigem Eigentum möglich ist.111 So sind gemäß Art. I Abs. 1 GATT 1994 alle „Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die eine Vertragspartei für eine Ware gewährt, (. . .) unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren(. . .)“ der anderen Vertragsparteien zu gewähren. Die Verpflichtung zur Meistbegünstigung entsteht unabhängig davon, ob die Besserstellung gegenüber einem Mitgliedstaat oder einem Drittstaat eingeräumt wird, und verbietet ausdrücklich die Diskriminierung bezüglich der Grenzabgaben sowie auf Grundlage des Querverweises auf Art. III Abs. 2 und 4 GATT in Bezug auf innere Abgaben oder sonstige Belastungen.112 Für Niederlassungen entfaltet Art. I GATT 1994 keine Gültigkeit.113 In Fortführung der historischen Präferenzen und Ausnahmegenehmigungen („waivers“) gelten Ausnahmevorschriften. Die Wirksamkeit der Meistbegünstigungsverpflichtung wird in diesem Bereich eingeschränkt.114 Weiter kann die Meistbegünstigung ausgesetzt werden, wenn die Vertragsparteien den Entwicklungsländern eine günstigere Behandlung („enabling clause“) gewähren.115 Ausgenommen von der allgemeinen Meistbegünstigung sind gemäß Art. XXIV GATT 1994 auch Vereinbarungen zur Handelsliberalisierung innerhalb von Integrationsräumen oder Freihandelszonen.116 Eine enge Begrenzung für den Wirkungsbereich der Meistbegünstigungsverpflichtung stellt überdies die Beschränkung des Art. 1 GATT 1994 auf „like products“117 dar.118 Aufgrund der immer wieder anzutreffenden 111 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 157 u. 308; Abu-Adeel stellt dies weitergehend grundsätzlich infrage. Die Meistbegünstigungsklausel des GATS weist einen deutlich weiteren Regelungsumfang auf. Vgl. hierzu den Artikel „The MFN as it Applies to Service Trade – New Problems for an Old Concept“, Abu-Akeel, JWT 1999, S. 103 ff. 112 Vgl. Schwartz/Sykes, International Review of Law and Economics 1996, S. 27; vgl. Ehring, JWT 2002, S. 930–931. 113 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 161. 114 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 49; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 12; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98. 115 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 49; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 163–165. 116 Die EU stellt den bekanntesten Typus eines Integrationsraumes dar. Ein Beispiel für eine Freihandelszone ist die NAFTA. Vgl. Schwartz/Sykes, International Review of Law and Economics 1996, S. 45; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 165–167. 117 Für das Verständnis des „like“ oder „similar products“ wird durch das Panel regelmäßig auf die Definition der Working Party on Border Tax Adjustment verwiesen. „(. . .)the interpretation of the term should be examined on a case-by-case basis. This would allow a fair assessment in each case of the different elements that con-

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Begriffs „like products“ ist zur endgültigen Klärung eines Streitfalls regelmäßig eine Panel Entscheidung erforderlich.119 Die Meistbegünstigungsregel des Art. II GATS entspricht vom Grundansatz der Formulierung des Art. I GATT 1994. So verpflichten sich die Mitgliedstaaten in Art. II Abs. 1 GATS in Hinblick auf Dienstleistungen und Erbringer von Dienstleistungen eines anderen Mitglieds, unverzüglich und bedingungslos eine nicht weniger günstige Behandlung einzuräumen, als sie Dienstleistungen oder Erbringern von Dienstleistungen eines anderen Landes gewähren. Im Anhang des Abkommens finden sich weitgehende Ausnahmen von der Anwendung des Art. II GATS. Diese Ausnahmen sollen jedoch langfristig auslaufen.120 Die Meistbegünstigungsverpflichtung ist im GATS mit einem erheblichen Regelungsumfang ausgestattet. Zwar ist auch die GATS-Meistbegünstigungsklausel auf „like service“ und „like service suppliers“ begrenzt, dennoch ist in der Zielrichtung einer nicht weniger günstigen Behandlung hinsichtlich aller Maßnahmen ein im Vergleich zu Art. I GATT deutlich weiterer Regelungsumfang gegeben.121 Insbesondere bleibt sie nicht auf Waren beschränkt, sondern erfasst auch die Produzenten der Dienstleistungen.122 Wie schon für das GATT sind auch im GATS Ausnahmeregelungen vorgesehen. So sind durch Art. V GATS ebenfalls Integrationsräume geschützt. Darüber hinaus wurde in Art. II Abs. 3 GATS ein weiterer Ausnahmebereich für den Handel in Grenzzonen aufgenommen. Daneben finden sich in Art. XIV GATS allgemeine und in Art. XIV bis GATS sicherheitspolitische Ausnahmen geregelt. Zusätzlich bestand für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, über die allgemeinen Ausnahmen hinaus weitere Maßnahmen länderspezifisch von der Verpflichtung zur Meistbegünstigung auszuschließen. Diese Ausnahmen mussten dem Rat vor Inkrafttreten des Abkommens vorgelegt werden.123 stitute a ‚similar‘ product. Some criteria were suggested for determining, on a caseby-case basis, whether a product is ‚similar‘: the product’s end-uses in a given market; consumers’ tastes and habits, which change from country to country; the product’s properties, nature and quality.“ Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, L/3464, adopted 2. Dezember 1970, Randnr. 18, 118 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 162–163; vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 140. Für das GATT 1947, vgl. WTO, GATT Analytical Index (1994), S. 35–40. 119 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 48. 120 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 187; vgl. Senti, WTO (2000), S. 175. 121 Vgl. hierzu den Artikel „The MFN as it Applies to Service Trade – New Problems for an Old Concept“, Abu-Akeel, JWT 1999, S. 103 ff. 122 Vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 108.

C. Die Grundprinzipien der WTO

201

In ähnlicher Formulierung zu der Meistbegünstigungsverpflichtung des GATT und GATS124 sind schließlich gemäß Art. 4 TRIPS Vorteile, Begünstigungen, Vorrechte und Befreiungen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Landes gewährt werden, „unmittelbar und unbedingt den Staatsangehörigen aller anderen Mitglieder“ zu gewähren. Wie schon für die anderen Teilabkommen festzustellen war, sind auch für das TRIPS durch Art. 4 TRIPS verschiedene Ausnahmen von der Meistbegünstigungsklausel vorgesehen. II. Das Gebot der Inländerbehandlung Den zweiten Bestandteil des multilateralen Diskriminierungsverbots der WTO stellt das Gebot der Inländerbehandlung dar.125 Während die Meistbegünstigung die Nichtdiskriminierung der ausländischen Staaten im Verhältnis zueinander normiert, sind infolge des Gebotes der Inländerbehandlung ausländische Waren oder Dienstleistungen, nachdem sie die Grenze passiert haben, verglichen mit gleichartigen heimischen Waren oder Dienstleistungen nicht weniger günstig zu behandeln.126 Es handelt sich gleichsam um die nach innen gerichtete Komponente des allgemeinen Diskriminierungsverbotes der WTO.127 Im WTO-Regelwerk findet sich der Grundsatz der Inländerbehandlung in Art. III GATT 1994 sowie in Art. XVII GATS und Art. 3 TRIPS geregelt. So dürfen gemäß Art. III GATT 1994 innere Abgaben und sonstige Belastungen auf eingeführte oder inländische Waren nicht derart angewendet werden, dass die inländischen Erzeugnisse direkt oder indirekt geschützt werden. Inländische Waren sind gemäß Art. III GATT 1994 den ausländischen Waren gleichzustellen. Tragendes Element des Art. III GATT 1994 ist die Verhinderung einer protektionistischen Wirkung der inneren Abgaben.128 Art. III GATT 1994 ist von großer Bedeutung für die Souveränität der Mitgliedstaaten, da die Norm, im Gegensatz zu den Grenzabgaben, direkt in die Binnengesetze des Mitgliedstaates eingreift.129 Damit besteht die Gefahr, dass die Aufnahme de facto diskriminierender Handelsbarrieren die inner123

Vgl. Senti, WTO (2000), S. 574–576. Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98. 125 Vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 166–167; vgl. Lorenz, Die Europäische Gemeinschaft (2000), S. 35; vgl. Hauser/Schanz, GATT 1995, S. 14. 126 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 213. 127 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 98. 128 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 51. 129 Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 115; vgl. Neven, Art. III GATT disputes (2000), S. 5; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 213. 124

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

staatliche Selbstbestimmung weitgehend beeinflusst.130 So wird vertreten, dass der gegebene Zielkonflikt zwischen dem Gebot der Inländerbehandlung und dem des öffentlichen Interesses das Gebot der Inländerbehandlung zurückdrängen könne. Dies kann z. B. für den Umweltschutz gelten.131 Daneben können aber auch andere wirtschafts- und sozialpolitische Bereiche, die mit dem internationalen Handel verknüpft sind – wie etwa Normen zur Regelung der Arbeitsbedingungen, eine Produktstandardisierung, Sozialstandards, der Investitionsschutz oder auch das Steuersystem –, zukünftig verstärkt in die Beurteilung mit einzubeziehen sein.132 Weiter gedacht könnte dies zu einer Art Subsidiaritätsklausel auf Ebene der WTO führen.133 Diese Argumentation beruht im Wesentlichen auf dem „aims and effect“-Test, der seinen Ursprung in Art. III Abs. 1 GATT 1994 findet. Der „aims and effect“-Test unterscheidet zwischen der den inländischen Normen zugrunde liegenden Intention und der damit letztlich verbundenen Wirkung.134 Zielt diese nicht vordringlich auf einen protektionistischen Schutz der heimischen Produkte ab, so können andere politische Erwägungen das Gebot der Inländerbehandlung zurückdrängen.135 Der „aims and effect“-Test findet sich etwa im Panel Report aus dem Jahr 1994 wieder, der sich mit der amerikanischen Luxussteuer für Autos mit einem Preis über 30.000 US-Dollar beschäftigt. Überdies wurde hierbei auch die Frage der de-facto-Diskriminierung aufgeworfen. Denn die Luxussteuer wurde sowohl für inländische als auch für ausländische Wagen erhoben. Schließlich lehnt das Panel einen Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung ab und stellt fest, dass Art. III Abs. 1 S. 1 GATT 1947 nur eine diskriminierende, unterschiedliche Belastung verbietet, die auf eine protektionistische Wirkung abzielt. Ist eine Mehrbelastung der importierten Produkte gleichsam nur das Nebenprodukt der allgemeinen steuerlichen Gesetzgebung, so ist dies mit Art. III Abs. 1 GATT 1947 vereinbar.136 Die Anwendbarkeit des aufgezeigten „aims and effect“-Tests ist allerdings als fraglich einzustufen. Zunächst wurde der erwähnte Panelbericht nicht durch das DSB angenommen. Ohnehin wurde wenig später im Panel130

Vgl. Ehring, JWT 2002, S. 922. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 194–195. 132 Vgl. hierzu Jackson, Journal of International Law 1998, S. 23–24; vgl. Senti, WTO (2000), S. 194–195. 133 Vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 186. 134 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 53. 135 Für die Frage der möglichen diskriminierenden Wirkung inländischer Standards, vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 221–224. 136 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 218. 131

C. Die Grundprinzipien der WTO

203

bericht „Japan – Taxes on Alcoholic Beverages II“137 die Anwendung des „aims and effect“-Tests für Art. III Abs. 2 S. 1 GATT 1994 abgelehnt.138 Der weitergehende Einbezug politischer Ziele in das allgemeine Diskriminierungsverbot birgt die Gefahr der Aushöhlung der hieraus entstehenden Verpflichtungen und ist dementsprechend abzulehnen.139 Überdies findet sich im Vertragstext selbst durch Art. XX GATT 1994 eine allgemeine Ausnahmevorschrift normiert.140 In Art. XVII GATS verpflichten sich die Mitgliedstaaten grundsätzlich zur Inländerbehandlung bzgl. einer Dienstleistung und deren Erbringung durch ein anderes Mitglied. Entsprechend ist durch den Mitgliedstaat dem anderen Vertragspartner eine Behandlung zu gewähren, „(. . .) die nicht weniger günstig ist als die, die es seinen eigenen gleichen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern gewährt.“ Der Rahmencharakter des Vertragstextes zeigt sich bei der erheblichen Einschränkung im gleichen Artikel. Denn die Inländerbehandlung i. S. d. Art. XVII GATS gilt nicht automatisch für alle Dienstleistungen. Nur für gesondert verhandelte Bereiche besteht, dem „bottom up“-Ansatz entsprechend, die Verpflichtung für eine nicht weniger schlechte Behandlung im Inland.141 Zukünftig soll jedoch dem Inländerprinzip auch im GATS eine größere Bedeutung zukommen.142 Dies scheint mit weit reichenden Konsequenzen für die nationale Gesetzgebungshoheit verbunden zu sein.143 Wie schon im GATT ist auch für das GATS durch Art. XIV GATS eine allgemeine Ausnahmevorschrift normiert.144 Gleichermaßen findet der „aims and effects“-Test im GATS keine Anwendung. Wie der Appellate Body im Fall „EC-Bananas III“ ausführt, findet sich im GATS schon grundsätzlich keine dem Art. III Abs. 1 GATT 1994 entsprechende Regelung, die eine Abwägung der Zielsetzung berücksichtigen könne.145 Auch im TRIPS ist das Gebot der Inländerbehandlung realisiert. Entsprechend haben gemäß Art. 3 Abs. 1 TRIPS die Mitgliedstaaten „ (. . .) den Staatsangehörigen der anderen Mitglieder eine Behandlung, die nicht weni137

Vgl. Appellate Body Report, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/ DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R, adopted 1. November 1996. 138 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 218. 139 Vgl. Knobbe-Keuk, EC Tax Review 1994, S. 74–75. 140 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 218; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 60–66. 141 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, A. 142 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 186. 143 Vgl. Chanda, Economic and Political Weekly 2003, S. 1567. 144 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 586; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 193. 145 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 1119.

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3. Teil, 2. Kap.: Die WTO im Überblick

ger günstig ist als diejenige, die sie ihren eigenen Staatsangehörigen in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums gewähren (. . .)“ zu gewähren. III. Das Reziprozitätsprinzip Wie bereits im GATT 1947 findet sich auch in der Präambel der WTO das Gebot zur Wahrung der allgemeinen Interessen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen wieder. Mithin wird in der Präambel ein weiteres zentrales Grundelement der WTO, das Reziprozitätsprinzip, formuliert.146 Zentrale Zielsetzung der WTO ist es, durch den Abbau von Handelshemmnissen den Wohlstand der Vertragsparteien zu mehren. Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien sollen hierbei ausgewogen erfolgen. Dies beinhaltet einen Abbau von Handelshemmnissen im Gleichschritt und eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Export- und Importstrukturen der beteiligten Vertragsparteien. So werden durch die WTO die gesonderten Bedürfnisse der Entwicklungsländer anerkannt und ihnen durch Präferenzen Rechnung getragen.147 Neben der ausdrücklichen Nennung des Reziprozitätsprinzips in der Präambel haben die Staaten, insbesondere aber ihre gewählten Repräsentanten, ein erhebliches politisches Eigeninteresse, in den Verhandlungen über den Abbau von Handelsbarrieren Vorteile und Nachteile auszutarieren. Sollen die Vorteile der Handelserleichterung im Inland politisch als Erfolg darstellbar sein, so müssen etwaige Verwerfungen im Inland, etwa in Form von Arbeitslosigkeit, durch einen nationalen Wohlstandsgewinn kompensiert werden. Schließlich führt auch das gegenseitige Interesse, Handelskonflikte nicht eskalieren zu lassen, zu dem Grundprinzip der Reziprozität als Bestandteil eines multilateralen Handelsystems.148

146 Vgl. Senti, WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung 2000, S. 201. Mauderer sieht eine zentrale Stellung der Reziprozität, der gleichsam eine verfassungsmäßige Bedeutung zukommt. Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 135. Siebold sieht dagegen eine abgestufte Bedeutung der Reziprozität, da sie nicht als eigenständiges Prinzip im Vertragstext normiert ist. Vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 100–101. 147 Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 167; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 101; vgl. Hauser/Schanz, GATT 1995, S. 27. 148 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 40–42; vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 135; vgl. Senti, WTO (2000), S. 203–206.

C. Die Grundprinzipien der WTO

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3. Kapitel

GATT 1994 und direkte Steuern Fundamentale Zielsetzung des GATT ist, wie in der Präambel formuliert, der Abbau der Handelshemmnisse und die Beseitigung der Diskriminierung im internationalen Warenhandel. Auch wenn sich im GATT Normen finden, die direkte Steuern regeln, so liegt der Fokus des GATT-Systems dennoch auf den warenbezogenen, indirekten Steuern und Abgaben.149 Im GATT-System wird zwischen Zöllen oder Grenzabgaben und den sonstigen Steuern unterschieden. Zwar werden Zölle im Allgemeinen Steuerrecht ebenfalls als Steuern eingestuft150, jedoch sind Grenzabgaben und damit Zölle im spezifischen Verständnis des GATT als tarifäre Handelshemmnisse Gegenstand der jeweiligen Handelsrunden. Eine diskriminierende Behandlung ist hier im Rahmen der Zugeständnisse des Art. II GATT prinzipiell ermöglicht.151 Damit ist deutlich zwischen einer Grenzabgabe, die Bestandteil der tarifären Handelsbestimmungen ist, und einer Steuer als nichttarifäre interne Abgabe oder Belastung, die als Importbarriere den Bestimmungen des Art. III GATT 1994 zuzuordnen ist, zu unterscheiden.152 Nun ist vor dem Hintergrund des Abbaus der Handelshemmnisse eine steuerlich induzierte Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs zu verhindern. Idealtypischerweise sollten die importierten Waren den gleichen steuerlichen Belastungen unterworfen sein, wie die im Inland produzierten Waren, um eine Gleichbehandlung der Anbieter im Absatzmarkt zu gewährleisten. Das GATT bedient sich hierbei des Systems des Grenzausgleichs. Dieses ist für den Import in Art. II GATT 1994 i. V. m. Art. III GATT 1994 sowie für den Export in Art. XVI GATT 1994 geregelt.153 So 149

Vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 167. Vgl. für das deutsche Recht, § 3 AO. 151 Tarifäre Importbarrieren können aus wirtschaftspolitischen Erwägungen des Mitgliedstaates berechtigt sein. Diese sind durch das GATT auch nicht grundsätzlich verboten, unterliegen aber den Regelungen des Art. II GATT. Gem. Art. II Abs. 1 GATT dürfen Grenzbelastungen von Importen nicht höher sein als in den Verpflichtungen festgehalten. Damit sind Grenzbelastungen nur in der Höhe der ausgehandelten Konzessionen möglich. Vgl. Senti, GATT (1986), S. 151. 152 Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 115; vgl. Demaret/Stevenson, JWT 1994, S. 16 ff., vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 176. 153 Vgl. WTO, GATT Analytical Index (1994), S. 145; sowie weiterführend zum System des Grenzausgleichs mit indirekten Steuern vgl. Demaret/Stevenson, JWT 1994. Für die Frage der Symmetrie des Grenzausgleichs bezüglich der Entlastung im Exportfall und der Belastung im Importfall vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 50–56. 150

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

ist der Exportstaat gemäß Art. XVI GATT 1994 berechtigt, die warenbezogene Belastung von inneren Abgaben und Belastungen aufzuheben. Die Waren selbst gelangen so unbelastet von produktbezogenen Abgaben des Ursprungslandes in den weltweiten Warenhandel.154 Die für das Grenzausgleichssystem zuständige Working Party des GATT formulierte dann auch in Hinblick auf die durch die Bestimmungen beabsichtigte Zielsetzung, dass diese in der Wahrung der Wettbewerbsneutralität zu sehen sei.155 Durch das realisierte System des Grenzausgleiches soll eine Verzerrung des internationalen Güterwettbewerbs reduziert werden, da eine Preiswirkung der warenbezogenen inneren Abgaben vermieden wird. Umgekehrt steht dem importierenden Staat gemäß Art. II Abs. 2 lit. a) GATT 1994 das Recht zu, bei der Einfuhr jederzeit eine Abgabe zu erheben, die der Belastung der gleichartigen inländischen Waren entspricht, soweit diese mit Art. III Abs. 2 GATT vereinbar ist und damit in nicht diskriminierender Weise erhoben wird.156 Da durch Art. III GATT nur die Diskriminierung der importierten Waren verboten ist und umgekehrt der Exportstaat berechtigt ist, die warenbezogene Belastung von inneren Abgaben und Belastungen aufzuheben, besteht grundsätzlich die Möglichkeit für die Realisierung des Bestimmungslandprinzips.157 Die Verpflichtung hierzu ist nicht gegeben. Eine Schlechterstellung der inländischen Waren im internationalen Wettbewerb durch den Verzicht auf die Freistellung der zu exportierenden Waren oder die Nichtbelastung der importierten Waren mit warenbezogenen inländischen Abgaben oder Belastungen ist zwar grundsätzlich denkbar, aufgrund nahe liegender wirtschaftspolitischer Erwägungen der beteiligten Staaten in der Praxis allerdings kaum zu erwarten.158

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere In Art. III GATT 1994 finden sich die Bestimmungen zur Gleichstellung ausländischer und inländischer Waren auf dem Gebiet der inneren Abgaben und Rechtsvorschriften wieder. Dementsprechend stellt Art. III GATT 1994 die zentrale Norm dar, die gegen nichttarifäre Importbarrieren gerichtet ist.159 Für die Frage des Einflusses der GATT-Bestimmungen auf nationale 154

Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 218. „(. . .) philosophy behind these provisions was the ensuring of a certain trade neutrality. “ Vgl. WTO, GATT Analytical Index (1994), S. 145. 156 Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 55–56. 157 Es handelt sich jeweils um eine „kann“-Vorschrift. Vgl. Hauser, in: Müller/ Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 171. 158 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 172–173. 159 Vgl. Neven, Art. III GATT disputes? (2000), S. 2. 155

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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Steuernormen und der Problematik des unfairen Steuerwettbewerbs können die Grenzabgaben oder zollartigen Abgaben des Art. II GATT 1994 außer Acht gelassen werden. Bei den in Art. II GATT 1994 geregelten Grenzabgaben handelt es sich um klassische tarifäre Handelshemmnisse, die jeweils Gegenstand der Vereinbarungen der jeweiligen Handelsrunden sind und damit nicht in das Diskriminierungsverbot des Art. III GATT 1994 fallen. Von weit größerer Bedeutung ist die Gefährdung des internationalen Wettbewerbs durch eine interne Abgabe, die mit einer zollgleichen Wirkung verbunden ist und einen Wettbewerbsvorteil für die inländischen Waren ermöglicht. Denn eine Anwendung der inneren Abgaben kann einerseits entsprechende Vereinbarungen der Handelsrunden bzgl. des Abbaus tarifärer Hindernisse umgehen oder aufgrund der Struktur der inneren Abgaben zu einer Importbarriere führen. Die Bedeutung, die die Vertragsväter den nichttarifären Importbarrieren in Form von nationalen Rechtsvorschriften und internen Abgaben beimaßen, wird bereits an der Position der Norm im Vertragswerk ersichtlich.160 Sie folgt unmittelbar nach der Meistbegünstigungsverpflichtung und der Regelung der tarifären Handelshemmnisse. Diese Gewichtung ist nicht verwunderlich, ist doch die wirtschaftliche Substanz des Vorgangs ähnlich. Erhebt ein Vertragspartner keine Zölle, sondern eine Steuer bei der Einfuhr, so ist die Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Handel vergleichbar.161 Wie zu erwarten, wurde der Versuch, das Verbot von Zöllen durch gleichartige innere Abgaben zu ersetzen, in der Vergangenheit mehrmals vom Panel untersucht.162 Art. III GATT 1994 verhindert einerseits ein Unterlaufen der Tarifvereinbarungen der Handelsrunden des Art. II GATT 1994 und realisiert gleichzeitig das Prinzip der Inländerbehandlung für Importgüter, nachdem sie die Grenze überschritten haben.163 I. Art. III Abs. 1 GATT 1994 Eine Importbarriere verletzt das Prinzip der Inländerbehandlung für den Warenverkehr. Entsprechend regelt Art. III Abs. 1 GATT 1994, gleichsam als Generalklausel164 im Sinne des Vertragstextes der WTO165, das grundlegende Verbot der protektionistischen Nutzung inländischer Gesetze und 160

Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 115; vgl. Jackson, JIEL 2001, S. 70. Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 117. 162 Vgl. Senti, GATT (1983), S. 151; vgl. Senti, WTO (2000), S. 190 f. 163 „It was considered (. . .) that the intention of the drafters of the Agreement was clearly to treat the imported products in the same way as the like domestic products once they had been cleared through customs. Otherwise indirect protection could be given.“ Vgl. WTO, GATT Analytical Index (1994), S. 124. 161

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Regulierungen.166 Innere Abgaben und sonstige Belastungen dürfen auf eingeführte oder inländische Waren nicht derart angewendet werden, dass die inländischen Erzeugnisse geschützt werden. Während für Grenzabgaben eine Differenzierung grundsätzlich möglich ist167, ist durch Art. III GATT 1994 die Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Waren auf dem Gebiet der inneren Abgaben und Rechtsvorschriften gefordert. In Art. III Abs. 2 bis Abs. 10 GATT 1994 sind jeweils Einzelvorschriften für unterschiedliche Bereiche der inneren Abgaben und Rechtsvorschriften geregelt. Für innere Abgaben oder sonstige Belastungen, hierunter sind die nationalen Steuervorschriften zu subsumieren, stellt Art. III Abs. 2 GATT 1994 die einschlägige Spezialvorschrift dar. Daneben kann auch Art. III Abs. 4 GATT 1994 – hier findet sich das Gebot der nicht weniger günstigen Behandlung in Hinblick auf Rechtsvorschriften über Verkauf, Angebot, Einkauf, Beförderung, Verteilung oder Verwendung von Waren geregelt – für direkte Steuernormen von Belang sein. Für die Einzelvorschriften des Art. III GATT 1994, und damit auch des Art. III Abs. 2 und Abs. 4 GATT 1994, ist Art. III Abs. 1 GATT 1994 als Leitgedanke und Interpretationsgrundlage zu berücksichtigen.168 II. Art. III Abs. 2 GATT 1994 Art. III Abs. 2 GATT 1994 selbst regelt wiederum zwei Tatbestände. So fordert Art. III Abs. 2 S. 1 GATT 1994 die Gleichbehandlung importierter Waren und gleichartiger heimischer Güter, den sog. „like products“169. Dementsprechend regelt Art. III Abs. 2 S. 1 GATT 1994: 164 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 214; vgl. Dam, The GATT (1977), S. 115. 165 Vgl. Appellate Body Report, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/ DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R, adopted 1. November 1996, Randnr. 7.10; vgl. Panel Report, Chile – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/ DS87/R, WT/DS110/R, adopted 12. January 2000, Randnr. 7.7. 166 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 51; vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/ Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 174 u. 176. Wie die protektionistische Wirkung zu beurteilen ist, ist nicht abschließend geklärt. Vgl. Neven, Art. IIII GATT disputes? (2000), S. 3–4. 167 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 176. 168 „Article III:1 articulates a general principle that internal measures should not be applied so as to afford protection to domestic production. This general principle informs the rest of Article III. The purpose of Article III:1 is to establish this general principle as a guide to understanding and interpreting the specific obligations contained in Article III:2 and in other paragraphs of Article III.“ Vgl. Appellate Body Report, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS8/AB/R, WT/ DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R, adopted 1. November 1996, S. 16.

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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„Waren, die aus dem Gebiet einer Vertragspartei in das Gebiet einer anderen Vertragspartei eingeführt werden, dürfen weder direkt noch indirekt höheren inneren Abgaben oder sonstigen Belastungen unterworfen werden als gleichartige inländische Waren.“

Als zweite Komponente ist in Art. III Abs. 2 Satz 2 GATT 1994 geregelt, dass innere Abgaben und Belastungen auf eingeführte oder inländische Waren auch nicht in jeder anderen Form erhoben werden dürfen, was direkt oder indirekt heimische Güter schützt und damit gegen den Grundsatz des Art. III Abs. 1 GATT 1994 verstößt. „Auch sonst darf eine Vertragspartei innere Abgaben oder sonstige Belastungen auf eingeführte oder inländische Waren nicht in einer Weise anwenden, die den Grundsätzen des Absatzes 1 widerspricht.“

Art. III Abs. 2 Satz 2 GATT ist nur im Zusammenhang mit der zugehörigen Anmerkung in Anlage I des GATT 1994 richtig zu interpretieren.170 Denn dort findet sich die ergänzende Regelung: „Eine Abgabe, die dem Absatz 2 Satz 1 entspricht, gilt nur dann als mit Satz 2 unvereinbar, wenn die belastete Ware mit einer anderen unmittelbar konkurrierenden oder zum gleichen Zweck geeigneten, aber nicht mit einer ähnlichen Abgabe belasteten Ware im Wettbewerb steht.“171

Zunächst ist das Verhältnis der beiden Teilvorschriften des Art. III Abs. 2 GATT 1994 zueinander zu klären. Auf Grundlage einer grammatikalischen Auslegung kann für Art. III Abs. 2 S. 2 GATT 1994 die Schlussfolgerung gezogen werden, dass ein Exklusivitätsverhältnis zu Satz 1 gegeben ist.172 Die Formulierung „auch sonst“ ist dann so zu interpretieren, dass nur diejenigen Fälle, die nicht unter den Satz 1 fallen, in den Regelungsbereich von Satz 2 gelangen. Dies entspricht auch der üblichen mehrstufigen Prüfung der protektionistischen Wirkung innerer Abgaben und Belastungen. Hierbei wird zunächst ein möglicher Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehand169 Für das Verständnis des „like products“ oder „similar products“ wird durch das Panel regelmäßig auf die Definition der Working Party on Border Tax Adjustment verwiesen. „(. . .)the interpretation of the term should be examined on a caseby-case basis. This would allow a fair assessment in each case of the different elements that constitute a ‚similar‘ product. Some criteria were suggested for determining, on a case-by-case basis, whether a product is ‚similar‘: the product’s end-uses in a given market; consumers’ tastes and habits, which change from country to country; the product’s properties, nature and quality.“ Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, L/3464, adopted 2. Dezember 1970, Randnr. 18, vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 48. 170 Vgl. Appellate Body Report, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/ DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R, adopted 1 November 1996, S. 24; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 52. 171 Vgl. Anmerkungen zu Art. III Abs. 2 GATT. 172 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 23.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

lung von Satz 1 geprüft; erst wenn dies verneint wurde, ist der Tatbestand von Satz 2 zu prüfen.173 Einige Autoren argumentieren, dass „auch sonst“ eine Betonung auf das Wort „auch“ beinhaltet, in dem Sinne, dass Satz 2 auch die Fälle von Satz 1 umfasst.174 Dies ließe sich auch der Anmerkung in Anlage I entnehmen. Wenn dort geregelt ist, dass „eine Abgabe, die dem Absatz 2 Satz 1 entspricht, (. . .) nur dann als mit Satz 2 unvereinbar (gilt) (. . .)“, so ist ein überlappender Regelungsbereich gegeben. Diese Auffassung könnte auch eine Rechtfertigung in der englischen Originalfassung finden. Dort findet sich die Formulierung „moreover“. Versteht man nun „moreover“ im Sinne von „zudem“, so ist darin eine Ausweitung von Satz 1 gegeben.175 Die Abgrenzung zwischen dem strengen Diskriminierungsverbot der „like products“ in Satz 1 und dem allgemeinen, dann als Generalklausel zu verstehenden Verbot der protektionistischen Anwendung inländischer Abgaben und Belastungen auf importierte Konkurrenzprodukte würde an Bedeutung verlieren. Dann ist einzig die protektionistische Wirkung der inneren Abgaben von Relevanz.176 Unabhängig von der grammatikalischen Auslegung kann das Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 Art. III GATT 1994 aus dem entsprechenden GATTFallmaterial bzgl. der alkoholischen Getränke entnommen werden. Grundlegend sind hierfür die Fälle Japan – Taxes on Alcoholic Beverages177 aus dem Jahr 1987 und Japan – Taxes on Alcoholic Beverages II178 aus dem Jahr 1996.179 Im späteren Fall Chile – Taxes on Alcoholic Beverages findet sich, unter Bezugnahme der Ausführungen im Japan Panelbericht, folgende Feststellung des Panels: „Thus, the first sentence of Article III:2 examines whether products of an exporting country are taxed in excess of the taxes on the „like“ domestic product. The second sentence examines whether products of an exporting country are taxed similarly to domestic products which are ‚directly competitive or substitutable.‘ 173

Vgl. Hauser, WTO in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 180. 174 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 23. 175 Gemeint ist dann eine über den Satz 1 hinaus gehende Regelung. Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 118. 176 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 180. 177 Panel Report, Japan – Customs Duties, Taxes and Labelling Practices on Imported Wines and Alcoholic Beverages, L/6216–34S/83, adopted 10. November 1987. 178 Vgl. Appellate Body Report, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/ DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R, adopted 1. November 1996. 179 Für eine kurze Darstellung der einschlägigen Fundstellen in den Panel und Appellate Body Reports. Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 178–180.

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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Both sentences first examine the relationship between the domestic and imported products; however, the second sentence involves additional and different inquiries with respect to two other elements; namely, an examination of the extent of the difference in taxation and whether the taxation differences are applied so as to afford protection to the domestic industry.“180

Im Unterschied zu Satz 1 ist in Satz 2 kein Bezug auf den Begriff „like products“ gegeben. Satz 2 bezieht sich dagegen gemäß der Anmerkung I im Anhang des GATT 1994 auf Ware, die mit einer anderen, unmittelbar konkurrierenden oder zum gleichen Zweck geeigneten Ware im Wettbewerb steht. Zunächst ist also die Wettbewerbsbeziehung zwischen dem inländischen Produkt und dem importierten Produkt zu bestimmen. Erst in einem zweiten Schritt sind dann die unterschiedlichen Auswirkungen einer diskriminierenden Belastung mit inneren Abgaben und Belastungen zu klären. Denn Art. III Abs. 2 Satz 2 GATT 1994 betont im Unterschied zu Satz 1 nochmals die Generalklausel des Art. III Abs. 1 GATT 1994. Damit sind nach Auffassung des Appellate Body drei Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen, um einen Verstoß gegen Art. III Abs. 2 Satz 2 GATT 1994 feststellen zu können: „the imported products and the domestic products are directly competitive or substitutable products“; the directly competitive or substitutable imported and domestic products are „not similarly taxed“; and the dissimilar taxation of the directly competitive or substitutable imported domestic products is „applied so as to afford protection to domestic production.“181

Vergleicht man das durch den Appellate Body entwickelte Anforderungsprofil mit den Tatbestandsvoraussetzungen von Satz 1, so wird der Unterschied deutlich. Während es für einen Verstoß gegen Satz 1 bereits als ausreichend anzusehen ist, dass eine Importware gegenüber einem „like product“ einer höheren inneren Abgabe oder Belastung unterworfen ist182, muss für einen Verstoß gegen Satz 2 zusätzlich als dritte Komponente eine protektionistische Wirkung der diskriminierenden Besteuerung nachgewiesen werden. Dagegen ist für „like products“ bereits jegliche höhere Abgabe ausreichend für die Feststellung des Verstoßes gegen das Inländerprinzip.183 180 Vgl. Panel Report, Chile – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS87/R, WT/ DS110/R; adopted 12. January 2000, Randnr. 7.7. 181 Vgl. Panel Report, Chile – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS87/R, WT/ DS110/R, adopted 12. January 2000, Randnr. 7.7; vgl. Appellate Body Report, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT/DS31/AB/R, adopted 30. July 1997, S. 24–25; vgl. Appellate Body Report, Korea – Taxes on Alcoholic Beverage, WT/DS75/AB/R, WT/DS84/AB/R, adopted 17. February 1999, Randnr. 107. 182 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 178.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Der zweite Satz regelt damit alle inneren Abgaben, die nicht „like products“ berühren und denen dennoch eine diskriminierende Wirkung zukommen kann.184 Grundlage der Abgrenzung ist die Frage der Definition des Begriffs „like products“ gegenüber dem Begriff „directly competitive or substitutable products“.185 Nichts anderes ist dann auch der Anmerkung im Anhang I zu entnehmen. Zwar ist der Satz 2 von der Formulierung deutlich allgemeiner gehalten als Satz 1, allerdings kann dieser allgemeineren Formulierung nicht entnommen werden, dass „auch sonst“ so zu verstehen ist, dass neben einer direkten oder indirekten höheren Belastung der „like products“ auch alle anderen steuerlichen Belastungen im Sinne eines allgemeinen Diskriminierungsverbotes zu berücksichtigen sind. Wenn Fischer-Zernin zu Recht feststellt, dass durch das Tatbestandsmerkmal Konkurrenzprodukt eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereiches von Satz 2 erfolgt186, so ist dies vor dem Hintergrund der durch die WTO verfolgten Zielsetzung eines neutralen Handels nur konsequent. Der Vertragstext meint offensichtlich nur produktbezogene Steuern. Dies gilt sowohl für Satz 1 als auch für Satz 2. Satz 2 ist damit nicht so zu verstehen, dass er hinsichtlich der Anwendung eines irgendwie gearteten Verbotes der inneren Abgaben weiter geht als Satz 1.187 Die gegebene unterschiedliche Formulierung ist vielmehr so zu interpretieren, dass für „like products“ bereits jegliche höhere Belastung der Waren mit inneren Abgaben zu einem Verstoß gegen das Inländergebot führt. Entsprechend kann damit ein Verweis auf Art. III Abs. 1 GATT für den Satz 1 unterbleiben, da dann eben kein Nachweis der protektionistischen Wirkung der Abgabe erforderlich ist. Folglich beinhaltet „auch sonst“ in Satz 2 den Fall, dass kein „like product“ vorliegt, sondern lediglich ein Konkurrenzprodukt. Innere Abgaben und Belastungen dürfen somit nicht in einer protektionistischen Weise auf andere, in einer konkreten Wettbewerbssituation stehende Waren erhoben werden.188 Der Satz 2 ist also durchaus allgemeiner gehalten, eine unterschiedliche Bewertung hinsichtlich der Relevanz für direkte Steuern lässt 183 „(. . .) even the smallest tax burden differential is in violating of Art. III:2 (. . .)“ Vgl. Panel Report, Argentina – Measures Affecting the Export of Bovine Hides and the Import of Finished Leather, WT/DS155/R u. WT/DS155/R/Corr.1, adopted 16. February 2001, Randnr. 11.245. 184 Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 118. 185 So bereits Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 174–175. 186 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 24. 187 So aber Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 23. 188 Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 118.

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

213

sich den beiden Tatbeständen jedoch nicht entnehmen, insbesondere auch kein allgemeines Verbot einer unterschiedlichen Belastung durch innere Abgaben und Belastungen für Konkurrenzprodukte. So ist eine de-jure diskriminierende Besteuerung nicht verboten, solange eine vergleichbare oder höhere Belastung auf die inländischen Produkte erhoben wird189 oder diese nicht mit einer protektionistischen Wirkung verbunden ist.190 Satz 2 umfasst die Fälle, in denen formal keine Diskriminierung gegeben ist, da die Waren nicht direkt vergleichbar sind. Faktisch ist jedoch eine Diskriminierung des Konkurrenzproduktes gegeben. Ein typisches Beispiel für eine indirekt diskriminierende Besteuerung von Waren, die mit einer grenzüberschreitenden Diskriminierung verbunden ist, ist die Ausnutzung der Kreuzpreiselastizität bei der Nachfrage nach verschiedenen Produkten.191 Diese Unterscheidung lässt sich auch aus der Zielsetzung des GATT ableiten. Ist ein „like product“ gegeben, dann ist die Ähnlichkeit zwischen den Produkten so groß, dass jede noch so geringe Unterscheidung in der Belastung mit inneren Abgaben mit einer wettbewerbsverzerrenden Wirkung auf dem Gütermarkt verbunden ist. Ist dagegen nur eine Ähnlichkeit gegeben, die zu einer prinzipiellen Wettbewerbssituation führt, so kann die „de minimis“-Regel angewendet werden.192 Daher ist für Waren, die in einer konkreten Wettbewerbssituation stehen, im Einzelfall zu prüfen, ob eine protektionistische Wirkung gegeben ist. Dies kann für den Fall der „like products“ in Satz 1 unterbleiben. So ist, was den Anwendungsbereich betrifft, der Satz 2 hinsichtlich der zu vergleichenden Güter umfassender angelegt, da eine geringere Anforderung an die Wettbewerbsnähe der Waren gefordert ist193; bezüglich der zu prüfenden Schwelle für den Belastungsvergleich ist Satz 1 dann wieder weitergehend als Satz 2, da kein Nachweis 189

Vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 170–171; vgl. Dam, The GATT (1977), S. 116. „We must also note that this examination of whether products are similarly taxed or not involves no evaluation of the purpose or effect of the differences. Dissimilar taxation is not in itself inconsistent with Article III:2, second sentence. It is only inconsistent if such tax differentials are applied in a manner so as to afford protection.“ Vgl. Panel Report, Chile – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/ DS87/R, WT/DS110/R, adopted 12. January 2000, Randnr. 7.92. 191 Eine Kreuzpreiselastizität ist etwa zwischen Butter und Margarine gegeben. Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 118. 192 „If the products are determined to be ‚like‘ then any taxation of the imported product in excess of the domestic product is prohibited. There is no de minimis possibility as there is under the second sentence where Ad Article III provides only that they must be ‚similarly taxed‘.“ Vgl. Panel Report, Chile – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS87/R, WT/DS110/R, adopted 12 January 2000, Randnr. 7.91–7.92; vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 171. 193 Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 118. 190

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

der protektionistischen Wirkung der inneren Abgaben erforderlich ist. Allein die diskriminierende Belastung mit inneren Abgaben und Belastungen, so gering diese auch sei, ist für die Feststellung eines Verstoßes gegen Satz 1 ausreichend. 1. Innere Abgaben und Belastungen Der Schutzbereich des Art. III GATT 1994 verbietet eine durch die protektionistische Instrumentalisierung innerer Abgaben und Belastungen verursachte Wettbewerbsverzerrung.194 Inländische und ausländische Produkte sind hinsichtlich der Belastung mit inneren Abgaben und Belastungen gleichzustellen. Für die notwendige Abgrenzung der Steuerarten, welche durch Art. III GATT 1994 geregelt sind, ist eine nähere Bestimmung des Begriffs „innere Abgaben oder sonstige Belastungen“ erforderlich.195 Zunächst findet sich in Art. III Abs. 3 Satz 1 GATT 1994 die Formulierung, dass „weder direkt noch indirekt“ diese „inneren Abgaben oder Belastungen“ zu einer erhöhten Belastung im Vergleich zu heimischen „like products“ führen dürfen. Dem Begriffspaar „direkt oder indirekt“ könnte man zunächst entnehmen, dass hier eben auch eine direkte steuerliche Belastung erfasst ist und entsprechend die Norm ausdrücklich auf indirekte sowie auf direkte Steuern Anwendung findet.196 In der Folge wären direkte Steuern, mithin auch Ertragsteuern und damit eine CFC-Legislation, in den Regelungskreis des Art. III Abs. 2 GATT 1994 einzubeziehen. Diese Interpretation geht jedoch fehl. Denn aus der Wortwahl des Art. III Abs. 2 GATT 1994 lässt sich eine Unterscheidung zwischen direkten oder indirekten Steuern nicht entnehmen. Das Begriffspaar „direkt oder indirekt“ bezieht sich aufgrund der Zielsetzung des GATT-Systems nicht auf die technische Perspektive der Steuererhebung, sondern hat die indirekte oder direkte warenbezogene Belastung des Produzenten im Blickfeld.197 So findet sich durch das Panel im Zusammenhang mit Art. III Abs. 2 GATT 1947 folgende Formulierung: „The Panel further found that the wording ‚directly or indirectly‘ and ‚internal taxes . . . of any kind‘ implied that, in assessing whether there is tax discrimina194 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 51; vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/ Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 174 u. 176. Wie die protektionistische Wirkung zu beurteilen ist, ist nicht abschließend geklärt. Vgl. Neven, Art. III GATT disputes? (2000), S. 3–4. 195 In der englischen Originalfassung des Vertragstextes findet sich der Begriff „internal taxes“ und „internal charges“. 196 Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 124–125. 197 Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 124–125; vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 17.

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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tion, account is to be taken not only of the rate of the applicable internal tax but also of the taxation methods (e. g. different kinds of internal taxes, direct taxation of the finished product or indirect taxation by taxing the raw materials used in the product during the various stages of its production) and of the rules for the tax collection (e. g. basis of assessment).“198

Nach Auffassung des Panels beinhaltet die Differenzierung zwischen einer direkten und indirekten Besteuerung im Kontext des Art. III Abs. 2 GATT 1994 lediglich die Unterscheidung zwischen der unmittelbaren Besteuerung des fertigen Produkts und einer Besteuerung der Vorprodukte, welche damit in die letztendlich festzustellende steuerliche Gesamtbelastung eingeht. Demzufolge lässt sich aus der Formulierung „direkte oder indirekte“ Belastung keine Aussage darüber entnehmen, ob nun direkte Steuern durch Art. III Abs. 2 GATT 1994 abgedeckt sind. Wie bereits festgestellt, ist es für die Anwendung des Art. III GATT 1994 von entscheidender Bedeutung, dass lediglich produktbezogene Steuern vom Gebot der Inländerbehandlung erfasst sind.199 Welche Steuern sind nun als produktbezogene innere Abgaben und Belastungen anzusehen? Oder anders formuliert, wie ist nun der Begriff Produktsteuer zu interpretieren und ist aufgrund steuerinzidenzbasierter Überlegungen eine direkte Steuer ebenfalls unter diesen Begriff zu subsumieren? 2. Das Argument der Steuerinzidenz Hierbei herrscht Einigkeit in Hinblick auf die Klassifikation der indirekten Steuern. Diese sind anerkanntermaßen mit einer Preiswirkung auf Waren verbunden. Strittig ist allein die Subsumtion von Ertragsteuern unter Art. III GATT 1994. Eine Mindermeinung vertritt die Auffassung, dass die herkömmliche Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Steuern nicht gehalten werden könne, da auch für direkte Steuern eine Preiswirkung auf importierte Waren nicht ausgeschlossen sei. So wird die These200 auf198 Vgl. Panel Report, Japan – Customs Duties, Taxes and Labelling Practices on Imported Wines and Alcoholic Beverages, adopted 10. November 1987, L/6216–34S/83, Randnr. 5.8. 199 Jackson entsprechend, „it is important to note that both Arcticle III and the remainder of the language of Article II refers to taxes on products.“ Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 219. 200 So Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 22; Fischer-Zernin verweist hierbei auf den Meinungsstand Senti’s aus dem Jahr 1982, dort findet sich die Formulierung „Eine Einkommensteuer zum Beispiel, die Gewinne aus Importgeschäften stärker belastet als solche aus Inlandsgeschäften, würde Art. III GATT eindeutig widersprechen.“ Vgl. Senti, GATT (1982), S. 152; Auch Senti bleibt später weit zurückhaltender und subsumiert unter den Begriff inländische und sonstige Abgaben „alle Abgaben, Gebühren, Steuern und Sonderaufwendungen, die vom Staat auf Im-

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

gestellt, dass auch eine direkte Steuer, soweit sie diskriminierend Gewinne aus Importvorgängen belastet, zwar keinen Verstoß gegen Art. III Abs. 2 S. 1 GATT 1994 darstelle, da der faktische Nachweis eines andauernden Überwälzungseffektes nicht gelingen könne und somit eine juristische Erfassung nicht möglich scheine201, allerdings könne durch eine diskriminierende Ertragsbesteuerung ein Verstoß gegen Art. III Abs. 2 Satz 2 GATT 1994 nicht ausgeschlossen werden.202 Dann ist hier nicht nur die Frage aufgeworfen, ob direkte Steuern, die die ausländischen Unternehmen etwa durch die Besteuerung einer Betriebsstätte direkt belasten, betroffen sind, sondern auch die Frage nach der Besteuerung der Anteilseigner des ausländischen Unternehmens.203 Hierzu lässt sich dem Panel Report aus dem Jahr 1984 über „Canada – Administration of the Foreign Investment Review Act“ zunächst folgende Stellungnahme entnehmen: „. . . the Panel does not consider it relevant nor does it feel competent to judge how the foreign investors are affected by the purchase requirements, as the naportgüter erhoben oder auf inländische Güter rückvergütet oder erlassen werden.“ Vgl. Senti, WTO (2000), S. 190. Allerdings sieht Senti für das GATS-Inländerprinzip auch aufgrund der international umstrittenen Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Steuern Streitpotenzial. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 586. Hiervon ist die Kritik an dem bestehenden Grenzausgleichssystem zu unterscheiden, welche aufgrund ähnlicher Überlegungen die bestehende Abgrenzung der ausgleichsfähigen Steuern infrage stellt. Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 63–67 und S. 70; vgl. auch Jackson, der allerdings bezüglich des Systems des Grenzausgleichs die Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Steuern unabhängig von tatsächlichen, nachweisbaren Überwälzungseffekten der Steuern als sinnvollen juristischen Kompromiss ansieht. Vgl. Jackson, The World Trading System 1997, S. 221. Siehe auch die Diskussion im 3. Teil, 3. Kapitel, C.IV. 201 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 22. 202 Damit kann nach Fischer-Zernin eine „Einkommensteuer, die Gewinn aus Importen stärker belastet als solche aus Inlandsgeschäften, dem Art. III des GATT widersprechen.“ Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 16–17. FischerZernin, sieht zwar für Satz 1 die Problematik der mangelnden Überwälzbarkeit, argumentiert dann aber, dass die „like products“ auch unter Satz 2 fallen würden. Und dann, zumindest über Satz 2, nicht auf die Überwälzbarkeit der direkten Steuern abzustellen wäre, sondern hier die protektionistische Wirkung der Steuerstruktur zu prüfen ist. Diese umfasst dann jedenfalls auch direkte Steuern. Im Gegensatz zu Satz 1 sei aufgrund der allgemeineren Formulierung des Tatbestands von Satz 2 keine konkrete Überwälzung nachzuweisen. Damit ist nach Auffassung von FischerZernin die Möglichkeit der Überwälzung von direkten Steuern für einen Verstoß gegen Art. III Abs. 2 Satz 2 GATT ausreichend. Nur wenn eine Überwälzung nicht möglich ist, verneint der Autor die Anwendbarkeit, dann läge keine innere Abgabe auf Waren vor. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 25. 203 Eine Übersicht der nationalen Normen, die ein Konfliktpotenzial aufweisen, findet sich bei Fischer-Zernin. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 26–46.

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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tional treatment obligations of Article III of the General Agreement do not apply to foreign persons or firms but to imported products and serve to protect the interests of producers and exporters established on the territory of any contracting party“204

Nicht die mögliche Benachteilung der Unternehmen oder der Investoren ist durch Art. III GATT 1994 geschützt, sondern ausschließlich das Produkt im Wettbewerb. Zentrale Zielsetzung des Art. III GATT 1994 ist die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen Importgütern und heimischen „like products“.205 So endet dieser Gedanke, bezogen auf Art. III Abs. 2 GATT 1994 zwangsläufig wieder bei der Frage, welche Steuerarten als produktbezogene innere Abgaben i. S. d. GATT anzusehen sind. Die These, dass hierunter möglicherweise auch Ertragsteuern fallen, kann nicht ohne weiteres verworfen werden. Zieht man den Normzweck des Art. III GATT 1994 heran, so soll dieser vordringlich eine Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der Importwaren im Bestimmungsland verhindern. Inländische Normen dürfen nicht zum Schutz der heimischen Produktion protektionistisch eingesetzt werden.206 Zunächst beinhaltet dieses Prinzip, dass alle inländischen Steuern, die den Preis der Waren beeinflussen können, auf Übereinstimmung mit dem Gebot der Inländerbehandlung geprüft werden müssen. Unmittelbar berührt von dieser Fragestellung ist die finanzwirtschaftliche Problematik der Überwälzbarkeit der Steuern. Unbestritten ist die Preiswirkung indirekter Steuern. Schwieriger fällt die Beurteilung für direkte Steuern. Soll nun eine direkte Besteuerung als verbotene Importbarriere klassifiziert werden, so ist zunächst die Frage der Steuerinzidenz von direkten Steuern zu klären. Nähert man sich dem Problem der Überwälzbarkeit direkter steuerlicher Belastung aus einem betriebswirtschaftlichen Blickwinkel, so erscheint es durchaus einsichtig, dass durch eine direkte Besteuerung eine Preiswirkung gegeben ist. Möchte der Unternehmer die gleiche Nachsteuerrendite erwirtschaften, so müsste das Unternehmen die Preise seiner Produkte am Markt entsprechend erhöhen. Infolge dieser Argumentation kann eine Preiswirkung der direkten Steuern und damit eine Wirkung auf den Güterwettbewerb nicht ausgeschlossen werden. Führt man diesen Gedanken konsequent fort, so wären auch die direkten Steuern unter Art. III GATT 1994 zu subsumieren, soweit diese auf Gewinne aus einem Importvorgang erhoben werden, welche die Importware im Verhältnis zu einem inländischen 204 Panel Report, Canada – Administration of the Foreign Investment Review Act, L/5504, adopted 7. Februar 1984, Randnr. 6.5; vgl. WTO, GATT Analytical Index 1994, S. 125. 205 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 172, Randnr. 89. 206 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 51.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Konkurrenzprodukt benachteiligt und somit mit einer protektionistischen Wirkung verbunden ist.207 Auch die Vertreter dieser Mindermeinung erkennen an, dass die Durchsetzbarkeit der erhöhten Preise auf dem Markt erheblich von der jeweiligen Wettbewerbssituation des einzelnen Unternehmens abhängt. Eine allgemeine Überwälzbarkeit der direkten Steuern kann dementsprechend nicht unterstellt werden. Andere Autoren argumentieren daher auf der Grundlage einer makroökonomischen, volkswirtschaftlich geprägten Sichtweise ablehnender. Folgt man den ursprünglichen, neoklassischen Vorstellungen, so ist eine Überwälzung direkter Steuern bei Gültigkeit der neoklassischen Grundannahmen208 prinzipiell nicht möglich. Allerdings hat bezüglich dieser Haltung in den letzten Jahren auch in der volkswirtschaftlichen Theorie ein Umdenken eingesetzt.209 So wird nach heutiger Auffassung eine Überwälzbarkeit, und damit eine Preiswirkung der direkten Steuern, auch hier nicht ausgeschlossen. Die Behauptung, dass direkte Steuern grundsätzlich nicht geeignet sind, die Preise der Waren zu beeinflussen, geht daher fehl.210 Ob letztlich der Konsument oder der Produzent, respektive der Kapitalgeber, die Steuer trägt und damit ein steuerlich induzierter Preiseffekt, verbunden mit einer Wettbewerbsverzerrung durch direkte Steuern festzustellen ist, ist unter anderem insbesondere auch von der Marktstruktur und der konkreten Wettbewerbssituation abhängig.211 Kann aber nun hieraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Ertragsteuern allgemein durch Art. III Abs. 2 S. 2 GATT reglementiert sind? Hierzu muss man sich vergegenwärtigen, dass das WTO-System ein juristisches Vertragswerk darstellt. Die Vertragsväter mussten eine juristisch griffige Unterscheidung zwischen den zu unterlassenden internen Belastungen auf der Grundlage des Gebots der Inländerbehandlung festlegen. Denn auch in der steuerjuristischen Gedankenwelt unterscheiden die Begriffe „indirekte Steuern“ und „direkte Steuern“ die grundsätzliche Intention einer produktbezogenen von einer ertragsbezogenen Steuer.212 Erstere Steuer ist vom Verbraucher zu tragen und wird lediglich steuertechnisch 207

Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 25–26. Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 185. 209 Vgl. Petersen, Finanzwissenschaft I (1993), S. 318 ff. 210 Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 86; vgl. Förster, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 762–763. 211 Vgl. Jackson, World Trading System 1997, S. 220; vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. Dezember 1970, L/3464, Randnr. 21. 212 Zu der Begriffsabgrenzung vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 8 Randnr. 20. 208

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

219

durch das Unternehmen als Steuerschuldner abgeführt. Die indirekte Steuer beabsichtigt also eine Überwälzung der Steuerlast. Die direkte Steuer wird dagegen beim Steuerdestinär erhoben. Steuerschuldner und Steuerdestinär sind hier ein und dasselbe Steuersubjekt. Auch wenn in der Finanzwissenschaft nicht ausgeschlossen werden kann, dass direkte Steuern eine Preiswirkung haben und umgekehrt auch indirekte Steuern nicht vollständig den gewünschten Steuerdestinär treffen213, so sind im Ergebnis indirekte Steuern eher vom Endverbraucher zu tragen, wohingegen direkte Steuern eher die Firma oder die Anteilseigner treffen und damit eine geringe Preiswirkung festzustellen ist. Unabhängig von der betriebswirtschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Grundsatzdiskussion ist für das GATT-System die Problematik der Steuerinzidenz auf den steuertheoretischen Idealbegriff zu reduzieren. Denn auch, wenn die Abgrenzung direkter und indirekter Steuern international umstritten ist214, ermöglicht erst diese idealtypische Klassifikation der Steuerarten eine sinnvolle juristische Unterscheidung, für welche Steuerarten das Gebot der Inländerbehandlung des Art. III Abs. 2 GATT besteht. 3. Das System des Grenzausgleichs der Steuern Für eine Begriffsbestimmung der produktbezogenen inneren Abgaben und Belastungen kann auf die Gründungspapiere der Havanna-Konferenz 1947 zurückgegriffen werden. Durch das für Art. 18 der Havanna-Charta zuständige Subkomitee wurde festgehalten, dass eine Einkommensteuer nicht in den Anwendungsbereich des Art. 18 der Havanna-Charta fällt, da dieser ausschließlich innere Abgaben auf Produkte umfasst. Das Subkomitee reagierte damit auch auf die Aussagen zu Art. 25 der Havanna-Charta, dem späteren Art. XVI GATT 1947, worin festgehalten wurde, dass eine Befreiung von Einkommensteuern zu den Subventionen zählt und entsprechend nicht zu Art. 18, dem späteren Art. III GATT 1947, gerechnet werden kann.215 Unabhängig davon, dass die Intention der Vertragsväter offensichtlich nicht darin lag, direkte Steuern unter Art. III GATT 1994 zu subsumieren, wird durch vorstehende Ausführung auch deutlich, dass Art. III GATT 1994 in seinem Regelungsgebiet nicht alleine steht. Vielmehr ist eine 213 Vgl. Petersen, Finanzwissenschaft I (1993), S. 310–318; vgl. Jackson, World Trading System (1997), S. 220; vgl. Förster, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 762–763. 214 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 586; vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 64–67. 215 Vgl. WTO, GATT Analytical Index (1994), S. 144; vgl. Dam, The GATT (1977), S. 125.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Wechselbeziehung zum Subventionsartikel gegeben. Beide bilden einen Bestandteil des WTO-Grenzausgleichssystems („Border Tax Adjustment“).216 Nur im Zusammenspiel der Normen mit dem für das WTO-System wichtigen Prinzip des Grenzausgleichs kann Art. III GATT richtig interpretiert werden. Greift man nochmals die Position der Vertreter der Mindermeinung auf, die für eine diskriminierende Belastung der Importe durch Ertragsteuern gemäß Art. III Abs. 2 S. 2 GATT 1994 ein potenzielles Verbot sehen, so missachten diese Autoren das bestehende Prinzip des Grenzausgleichs. Der Grenzausgleich soll den abgabeneutralen Warenwettbewerb für Waren, die in den internationalen Wettbewerb gelangen, realisieren.217 Richtig ist, dass im Idealfall alle Preiswirkungen innerer Abgaben, die vom Konsumenten zu tragen sind, neutralisiert werden müssen. Das Produkt soll unbelastet von derartigen inneren Abgaben in den internationalen Handel gelangen und der Importstaat „seine“ Belastung an produktbezogenen Steuern erheben. Entsprechend wäre im Idealfall eine Doppelbesteuerung der Konsumenten durch produktbezogene Steuern im Verbrauchsland vermieden.218 Nun könnte eine direkte Steuer aufgrund von Überwälzungseffekten auch unter den Grenzausgleich fallen. Führt man diesen Gedanken einen Schritt weiter, so werden die Konsequenzen überdeutlich. Folgt man dem Ergebnis, dass jede potenzielle Überwälzbarkeit einer inneren Abgabe einen Grenzausgleich rechtfertigt – und dieses lässt sich, wie ausgeführt für direkte Steuern in der Finanzwissenschaft durchaus begründen219 – dann müsste mit dem gleichen Argument infrage gestellt werden, dass nur indirekte Steuern zum Grenzausgleich zugelassen sind und nicht auch direkte Steuern entlastet werden können.220 216 Für das System des Grenzausgleichs im GATT vgl. Jackson, World Trading System (1997), S. 218 ff.; vgl. Stewardson, JWT 1994, S. 5–64; vgl. Hufbauer/ Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 47–56. 217 Auch wenn das Wort Grenzausgleich dies nahe legt, muss diese Steueranpassung nicht notwendigerweise an der Grenze erfolgen. Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. Dezember 1970, L/3464, Randnr. 5. 218 Vgl. Jackson, World Trading System 1997, S. 219–220; vgl. Mick, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts (1995), S. 665–666. 219 Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II.2. 220 Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. Dezember 1970, L/3464, Randnr. 14. Ein Grenzausgleich von direkten Steuern oder Sozialabgaben widerspricht dem Grundprinzip des bestehenden WTO-Grenzausgleichsystems. Andererseits verdeutlichen Hufbauer/Gabyzon, dass die Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Steuern nicht den Anforderungen des Grenzausgleichsystems gerecht werden und schlagen daher eine Reform des bestehenden GATTGrenzausgleichsystems unter Berücksichtigung bestimmter Unternehmenssteuern vor. Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 56 u. 63–70.

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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Letztlich handelt es sich hierbei um eine notwendige Entscheidung des GATT und der WTO, um eine praktikable Unterscheidung zu finden, für welche Belastungen durch den Staat ein Grenzausgleich zulässig ist und bei welchen inneren Abgaben in einer Befreiung eine Subvention zu sehen ist. Schon in der Havanna-Konferenz wurde diese Grenze bei indirekten Steuern gezogen. Diese Auffassung wurde 1970 durch die zuständige Working Party bestätigt. „(. . .) The question was raised by some members why only indirect taxes should be eligible for adjustments since the economic basis for such a clear distinction between indirect and direct taxes for adjustment purposes has not been demonstrated. Most delegations stated, however, that in their opinion such a distinction was already justified by the fact alone that indirect taxes by their very nature bear an internal consumption and were consequently levied, according to the principle of destination, in the country of consumption, while direct taxes – even assuming that they were partly passed on into prices – were borne by entrepreneurs’ profits or personal income.“221

Dies kann auch steuertheoretisch begründet werden. Da indirekte Steuern eher den Konsumenten belasten und direkte Steuern den Produzenten, ist die Realisierung des Bestimmungslandprinzips für indirekte Steuern und des Ursprungslandprinzips für direkte Steuern üblich.222 So werden die Verbraucher, unabhängig von der Herkunft des Produktes, mit der gleichen Konsumsteuer belastet. Desgleichen bleibt für die Ertragsteuer die Steuerhoheit des Sitzstaates gewahrt. Denn würde man die direkten Steuern als preiswirksam einstufen, so müssten in aller Konsequenz auch andere Standortunterschiede einbezogen werden. Diese Unterschiede sind aber auch aus dem Blickwinkel der WTO grundsätzlich zu akzeptieren und rechtfertigen weder eine Subvention noch einen Grenzausgleich. Diese Grundsatzentscheidung bezüglich der unterschiedlichen Behandlung der jeweiligen Steuerart spiegelt sich sowohl im EG-Vertrag als auch im WTO-Vertragstext wider.223 Bei direkten Steuern ist auf der Grundlage der Inländergleichbehandlung das Ursprungslandprinzip gegeben und umgekehrt für die Fallkonstellation der Exportsubventionen eine Befreiung von direkten Steuern ausdrücklich ausgeschlossen. Der Vertragstext zählt hierbei auf, welche Steuern als direkte Steuern zu verstehen sind. Entsprechend fin221 Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. Dezember 1970, L/3464, Randnr. 21. 222 Vgl. Jackson, World Trading System 1997, S. 220; vgl. Menk, in: Burmester/ Endres, Außensteuerrecht (1997), S. 311. 223 Vgl. Genschel, Steuerharmonisierung (2002), S. 54–61. So ist Art. 90 EGV dem Art. III Abs. 2 GATT 1994 sehr ähnlich. Vgl. Ehring, JWT 2002, S. 948; vgl. Haag, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 5. Auflage (2001), S. 534.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

det sich im Subventionsartikel folgende Formulierung: „Es gilt nicht als Subvention, wenn eine ausgeführte Ware von Zöllen oder sonstigen Abgaben befreit wird, die von einer gleichartigen, zum freien Verkehr im Inland bestimmten Ware erhoben werden (. . .)“224 Umgekehrt ermöglicht Art. II Abs. 2 lit. a) GATT 1994 dem Importstaat, eine der inneren Abgabe gleichwertige Belastung zu erheben, soweit sie mit Art. III Abs. 2 GATT 1994 vereinbar ist. Damit kann der einführende Staat eine Einfuhrumsatzsteuer geltend machen.225 Ein Grenzausgleich der unterschiedlichen steuerlichen Belastungen mit direkten Steuern ist im GATT 1994 dagegen verboten. Wie 1970 die zuständige Arbeitsgruppe „Border Tax Adjustments“ des GATT ausgearbeitet hat, ist der Grenzausgleich auf indirekte Steuern beschränkt. Direkte Steuern und Sozialabgaben sind hiervon ausgenommen. Entsprechend dürfen im Rahmen des Grenzausgleichs weder Exportgüter von der direkten Besteuerung befreit noch auf Importgüter inländische direkte Steuern erhoben werden.226 Diese Aussage betrifft aufgrund der Symmetrie des Grenzausgleichs gleichermaßen auch den Importvorgang.227 Auch hier darf kein Grenzausgleich erfolgen und kein Ausgleich für direkte Steuern oder inländische Sozialabgaben erhoben werden.228 224

Vgl. Anmerkungen zu Art. XVI GATT. Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 219. 226 „On the question of eligibility of taxes for tax adjustments under the present rules, the discussion took into account the term ‚. . . directly or indirectly . . .‘ (inter alia Article III:2). The Working Party concluded that there was convergence of views to the effects that taxes directly levied on products were eligible for tax adjustments. Examples of such taxes comprised specific excise duties, sales taxes and cascade taxes and the tax on value added. It was agreed that the TVA, regardless of its technical construction (fractioned collection), was equivalent in this respect to a tax levied directly – a retail or sales tax. Furthermore, The Working Party concluded that there was convergence of views to the effect that certain taxes that were not directly levied on products were not eligible for tax adjustments. Examples of such taxes comprised social security charges whether on employers or employees and payroll taxes.“ (Hervorhebung nicht im Orginal); vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. Dezember 1970, L/3464, Randnr. 14; vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 172; vgl. Hufbauer/ Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 53–56. 227 „The Working Party also noted that there were differences in the terms used in these articles, in particular with respect to the provisions regarding importation and exportation: for instance, the terms ‚borne by‘ and ‚levied on‘. It was established that these differences in wording had not led to any differences in interpretation of the provisions. It was agreed that GATT provisions on tax adjustments applied the principle of destination identically to imports and exports. (Hervorhebung nicht im Orginal) Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. Dezember 1970, L/3464, Randnr. 10. 228 Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 53–56. 225

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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Eine Diskriminierung der Importwaren durch eine höhere Belastung an indirekten Steuern, als dies für vergleichbare Waren im Inland erfolgt, kann auch nicht mit einer höheren inneren Belastung mit direkten Steuern der Konkurrenzprodukte begründet werden. Denn eine höhere direkte Besteuerung der einheimischen Güter rechtfertigt keine höhere indirekte, produktbezogene Belastung der Importwaren.229 Dagegen ist eine direkte Besteuerung der Importeure, wohlgemerkt nicht der Produkte – und dieser Unterschied ist wegen der zugrunde liegenden Bedeutung nochmals zu unterstreichen – nicht Bestandteil des Art. III GATT 1994 und muss nicht durch eine inländische Steuer gerechtfertigt werden. 4. Direkte Steuern im GATT Welche Steuern sind nun als direkte Steuern anzusehen und entsprechend nicht dem Anwendungsbereich des Art. III GATT 1994 unterworfen? Auch für diese Frage kann auf den Art. XVI GATT 1994 zurückgegriffen werden. Im ergänzenden Subventionsübereinkommen (ASCM) findet sich folgende Unterscheidung wieder: Direkte Steuern i. S. d. Abkommens werden in der Fußnote 58 ASCM definiert als die „Steuern auf Löhne, Gewinne, Zinsen, Mieten, Lizenzgebühren und alle anderen Einkommensformen sowie die Steuern auf Grundbesitz“. Indirekte Steuern sind „die Verkaufssteuern, Verbrauchssteuern, Umsatzsteuern, Mehrwertsteuern, Konzessionssteuern, Grenzabgaben und alle Steuern, die nicht zu den direkten Steuern und Eingangsabgaben zählen.“230 Zur Interpretationshilfe kann auch auf die Begriffsbestimmung der direkten Steuern im GATS zurückgegriffen werden. In Art. XXVIII lit. o) GATS findet sich die Bestimmung, dass unter dem Begriff direkte Steuern „(. . .) alle Steuern auf die Gesamteinkünfte, das Gesamtkapital oder auf einen Teil der Gesamteinkünfte und des Gesamtkapitals, einschließlich Steuern auf Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen, auf Grundbesitz, Erbschaften und Schenkungen sowie Steuern auf die von Unternehmen gezahlte Gesamtlohn- oder -gehaltssumme sowie Steuern auf den Kapitalzuwachs“ fallen. Gilt diese Differenzierung für den in Art. XVI GATT 1994 geregelten Exportfall, so muss diese Unterscheidung aufgrund der inneren Logik des Grenzausgleichs auch für den in Art. III GATT 1994 geregelten Importfall seine Gültigkeit behalten. 229

Vgl. Dam, The GATT (1977), S. 125. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Eine unterschiedliche Einstufung der jeweiligen direkten und indirekten Steuern durch die Mitgliedstaaten kann zu Problemen für den Grenzausgleich führen. In der Abgrenzung ist ein Test der Intention der Steuer üblich. Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 64–66. 230

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

5. Zwischenergebnis Vergegenwärtigt man sich, dass durch das GATT der grenzüberschreitende Warenhandel geregelt ist, dann muss zunächst überlegt werden, in welcher Form eine direkte Steuernorm diesen grenzüberschreitenden Handel beeinflussen kann. Denkbar, mit einem protektionistischen Potenzial versehen, wäre somit eine Quellenbesteuerung einer im Importland gelegenen unternehmerischen Betätigung des ausländischen Unternehmens, soweit sich diese auf den Importvorgang bezieht. Aber auch die Besteuerung eines Anteilseigners einer ausländischen Gesellschaft, in Form einer CFC-Legislation, könnte als protektionistische Norm anzusehen sein.231 Die Annahme, dass Ertragsteuern oder allgemein direkte Steuern als produktbezogene Steuern anzusehen sind, geht vom grundlegenden Ansatz fehl. Eine Überwälzbarkeit der inländischen direkten Steuer kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dennoch kann der These, auch Ertragsteuern fallen unter Art. III Abs. 2 GATT 1994, nicht zugestimmt werden. Dies würde die bestehende Systematik des Grenzausgleichs ad absurdum führen. In Art. III Abs. 2 GATT 1994 ist letztlich nicht die Frage geregelt, wer die Steuern zu tragen hat, sondern ist das Bestimmungslandprinzip für Verbrauchssteuern als Bestandteil des Grenzausgleichsystems realisiert. Die Alternative wäre eine Freistellung der inländischen Firmen von der Ertragsbesteuerung im Exportfall; dann müsste dem importierenden Staat in gleicher Weise wie bei produktbezogenen Steuern das Recht zukommen, eine der Ertragsteuerbelastung auf die eingeführten Waren oder Dienstleistungen äquivalente Belastung zu erheben. Jedem anderen Ergebnis würde die bestehende Symmetrie des Grenzausgleichs widersprechen. Damit würde dann allerdings in letzter Konsequenz auch die Möglichkeit des Bestimmungslandprinzips für direkte Steuern eingeführt. Das System des Grenzausgleichs ermöglicht eine gleiche Belastung an indirekten Steuern für Import- und Inlandswaren nach der Einfuhr und designiert das Bestimmungsland für indirekte Steuern. Gleichzeitig ist durch das Grenzausgleichssystem die Erhebung von direkten Steuern auf die eingeführten Waren untersagt. Dies berührt aber nicht – und diese Unterscheidung ist wichtig – die direkte Besteuerung der ausländischen Unternehmen im Inland, etwa durch die inländische Besteuerung einer Betriebsstätte.232 Dies steht nicht im Fokus der Inländerbehandlung i. S. d. Art. III Abs. 2 GATT 1994. Denn nicht die ausländische Firma oder deren unternehmerische Betätigung im Importstaat untersteht dem Schutz der Inländerbehand231 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 96–97; vgl. FischerZernin, Welthandelsordnung (1996), S. 26–46. 232 Andere Auffassung vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 36–37.

A. Art. III GATT 1994 – Importbarriere

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lung, sondern der grenzüberschreitende Handel der Waren. Eine Niederlassung im Inland unterliegt, ebenso wie ein inländischer Anteilseigner der ausländischen Gesellschaft, der uneingeschränkten Steuerhoheit des Importstaates. Eine mögliche Benachteiligung durch eine diskriminierende Besteuerung einer Zweigniederlassung fand im Gebot der Inländerbehandlung i. S. d. Art. III Abs. 2 GATT 1994 wohl auch deswegen keine Berücksichtigung, da für den grenzüberschreitenden Warenhandel im Gegensatz zum GATS eine nationale Niederlassung nicht erforderlich scheint. Ein anderer, noch zu klärender Sachverhalt ist eine mögliche Einschränkung der nationalen direkten Steuernormen durch das im ASCM enthaltenen Verbot der importersetzenden Subventionen sowie der Restriktionen des Art. III Abs. 4 GATT 1994. Denn unabhängig von Art. III Abs. 2 GATT kann in der diskriminierenden Besteuerung einer Niederlassung eines ausländischen Warenanbieters eine i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. b) ASCM verbotene Subvention gegeben sein, soweit der gewährte steuerliche Vorteil an den Verbrauch inländischer Waren im Verhältnis zu ausländischen Waren gebunden ist. Überdies kann in Steuernormen aufgrund ihrer Wirkung auf den „Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung im Inland“ ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung i. S. d. Art. III Abs. 4 GATT 1994 gegeben sein. III. Art. III Abs. 4 GATT Damit findet sich neben der möglichen Verletzung des Inländerprinzips durch eine innere Abgabe oder sonstige Belastung durch Art. III Abs. 4 GATT 1994 ein weiterer Aspekt für das nationale Steuerrecht der Mitgliedstaaten geregelt. So erstreckt sich gemäß Art. III Abs. 4 GATT 1994 die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der grenzüberschreitenden Waren auch auf „alle Gesetze, Verordnungen, und sonstige Vorschriften über den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung im Inland“. Die Vorschrift des Art. III Abs. 4 GATT berührt zunächst inländische Verkaufsvorschriften, wie etwa eine Kennzeichnungsverpflichtung für ausländische Waren oder eine diskriminierende Erteilung von Verkaufslizenzen in Abhängigkeit der Herkunft der Waren.233 Folgt man dem Wortlaut des Art. III Abs. 4 GATT 1994, so ist nicht unmittelbar ersichtlich, ob hiervon auch direkte Steuernormen berührt sind.234 Denn an erster Stelle sind Steuernormen durch Art. III Abs. 2 GATT 1994 erfasst. Reduziert auf die formale Tatbestandsvoraussetzung, 233 234

Vgl. Senti, WTO (2000), S. 191–192. Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 559.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

handelt es sich bei einem Steuergesetz zunächst um ein Gesetz. Zwar sind durch Art. III Abs. 4 GATT 1994 nicht alle gesetzlichen Regelungen erfasst, sondern nur diejenigen, die den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung im Inland betreffen. In der englischen Originalfassung findet sich die Formulierung „in respect of all laws, regulations and requirements affecting their internal sale, offering for sale, purchase, transportation, distribution or use“. Entsprechend ist die deutsche Formulierung „Gesetz, Verordnung und sonstige Vorschriften über“ in einem eher weiteren Sinn zu verstehen. Damit fällt eine nationale Rechtsvorschrift unter Art. III Abs. 4 GATT 1994, soweit diese auch nur den „Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung im Inland“ beeinflussen kann.235 Demzufolge kann auch durch ein Steuergesetz eine Maßnahme getroffen sein, die die Verwendung ausländischer Waren im Inland im Verhältnis zu gleichartigen heimischen Waren weniger günstig behandelt.236 Entsprechend hat das Panel und der Appellate Body im „Extraterritorial Income Exclusion Act (ETI)“-Fall Art. III Abs. 4 GATT 1994 auf die Normen des Internal Revenue Codes der USA angewandt.237 Im Unterschied zur bisher im Rahmen des Art. III Abs. 2 GATT 1994 vordringlich untersuchten Betrachtungsperspektive entfaltet Art. III Abs. 4 GATT 1994 keine Auswirkung für direkte Steuernormen, die etwa den nationalen Anteilseigner betreffen, sondern regelt vielmehr umgekehrt, ob die ausländische Importware aufgrund einer steuerlichen Norm im Inland diskriminiert wird. Damit müssen nationale Steuernormen das Gebot der Inländerbehandlung für eingeführte Waren wahren, soweit sie „den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung im Inland“ beeinflussen können und eine weniger günstige Behandlung von Importwaren im Verhältnis zu heimischen Waren beinhalten. Unter diesem Aspekt ergänzt das Gebot der Inländerbehandlung bei etwaigen Restriktionen durch nationale Steuernormen die Subventionsordnung des GATT.238

235 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 208–210. 236 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 559. Im Unterschied zu den Einfuhr ersetzenden Subventionen des Art. 3 Abs. 1 lit. b) ASCM, muss diese Regelung keine Subvention beinhalten und auch nicht in Abhängigkeit von Einfuhr ersetzender Wirkung gewährt werden. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.1.e). 237 Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, C.III.2.b). 238 Subventionen selbst unterliegen infolge Art. III Abs. 8 lit. b) GATT 1994 nicht dem Gebot der Inländerbehandlung.

B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen

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B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen Während Art. III Abs. 2 GATT 1994 mögliche Importbarrieren infolge einer diskriminierenden Belastung der Importwaren mit internen Abgaben regelt, ist im Subventionsartikel Art. XVI GATT 1994 und dem dazugehörigen Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (ASCM) der umgekehrte Sachverhalt normiert. Das Subventionsverbot stellt einen überaus wichtigen Bestandteil des WTO-Systems dar. Da Subventionen direkt in den Marktmechanismus eingreifen können, sind damit unmittelbar Wettbewerbsverzerrungen verbunden.239 Das Subventionskonzept des GATT ist primär warenorientiert. Entsprechend findet sich in Art. XVI Abs. 1 GATT 1994 die Formulierung, dass ein Verhalten eines Mitgliedstaates kritisch zu hinterfragen ist, soweit dieser „(. . .) eine Subvention gewährt oder beibehält, die mittelbar oder unmittelbar240 die Wirkung hat, die Ausfuhr einer Ware aus ihrem Gebiet zu steigern oder die Einfuhr einer Ware in ihr Gebiet zu vermindern (. . .)“ und diese zu einer „(. . .) ernsthaften Schädigung der Interessen einer Vertragspartei führt oder zu führen droht (. . .)“.

Mit der Uruguay-Runde ersetzt das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (ASCM) den in der Tokio-Runde 1979 eingeführten Subventionskodex „Agreement on Interpretation and Application of Art. VI, XVI, and XIII“.241 Das Subventionsübereinkommen oder ASCM ergänzt als Nebenabkommen die Vorschrift des Art. XVI GATT 1994 und stellt im Verhältnis zum Subventionskodex aus dem Jahr 1979 eine bedeutende Neuregelung und Erweiterung des GATT für den Bereich der Exportsubventionen dar.242 Zum 239

Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 86. Hier meint der Text eben auch eine mittelbare Entlastung. „The New York Report notes, with regard to the draft Charter provision corresponding to Article XVI:1, „It will be observed that the provision in this sentence as now drafted applies to cases in which the subsidy operates, ‚directly or indirectly’, to increase exports or reduce imports of any product and can thus not be interpreted as being confined to subsidies operating directly to affect trade in the product under consideration.“ Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 448. 241 Der Subventionskodex 1979 stellte den ersten multilateralen Ansatz dar, der lokale Subventionen durch einen Staat betraf und eine mögliche Auswirkung dieser Subventionen auf die Industrie von Drittstaaten berücksichtigte. Für einen kurzen Abriss der Entwicklung siehe Grave, Subvention (2002), S. 66–81; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2000), S. 275 ff.; vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 49; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 10–11. 242 Wobei der grundlegende Ansatz des Subventionskodex 1979 übernommen wurde. Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 11; vgl. Fischer-Zernin, Welthandels240

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

einen wird nunmehr deutlicher zwischen Subventionen unterschieden, die eine negative Auswirkung auf den internationalen Handel entfalten, und solchen, die nicht in den Anwendungsbereich der WTO-Handelssubventionen fallen.243 Zum anderen wurde mit dem Subventionsübereinkommen eine effektive Subventionsdisziplin eingeführt, welche das Verfahren insgesamt verrechtlicht.244 Eine Subventionierung kann durch direkte Kapitaltransfers, aber auch durch steuerrechtliche Maßnahmen zur Exportförderung im Rahmen des nationalen Steuersystems erfolgen. Werden auf Exportvorgänge niedrigere Steuern im Vergleich zum allgemein gültigen inländischen Steuerniveau erhoben, so kann es sich um eine Exportsubvention handeln245, da die Ausfuhr nicht den allgemeinen Abgabenbelastungen der im Inland produzierten Güter unterliegt. Das ASCM wirkt als Nebenabkommen des GATT ausschließlich auf Waren, die durch das GATS erfassten Dienstleistungen fallen dagegen nicht unter das ASCM.246 Mit der Neuregelung des Subventionsübereinkommens durch die Uruguay-Runde ist aufgrund der begrifflichen Schärfung eine erhebliche Zunahme der Relevanz des Subventionsübereinkommens für steuerliche Subventionen zu erwarten.247 So ist Luja nur zuzustimmen, wenn er formuliert, dass das ASCM in seiner Auswirkung auf direkte Steuern noch oftmals unterschätzt wird.248 Die ähnliche Ausgestaltung des ASCM und des Art. 87 EGV lassen zukünftig eine verstärkte Berücksichtigung der WTO Bestimmungen für direkte Steuern erwarten. Allerdings ist im Unterschied zur EG, in der WTO keine Klagemöglichkeit der natürlichen und juristischen Personen vorgesehen.249 Die Einhaltung der WTO Bestimmungen kann nur durch die WTO Mitgliedstaaten selbst eingefordert werden. Dies erscheint weniger effektiv250 als der Individualrechtsschutz in der EG. Dagegen ist zu beachten, dass unter Umständen die Möglichkeit für natürliche und jurisordnung (1996), S. 78; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 12 u. 86. 243 Vgl. Kleinfeld/Kaye, JWT 1995, S. 43; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 5. 244 Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 62–64. Für eine Darstellung des Streitbeilegungsverfahrens vgl. Weiß/Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 111–155; vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 28–65; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 321–326. 245 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 59. 246 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 126; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 26. 247 Vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 167. 248 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 126. 249 Vgl. BFH v. 17.11.2004, I-R-75/01. 250 Vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 212.

B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen

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tische Personen eröffnet ist, die Organe der EG in Anspruch zu nehmen, um die Durchsetzung der WTO-Bestimmungen zu erzielen.251 I. Überblick über den Subventionstatbestand des ASCM Während Art. XVI GATT 1947 sowie der Subventionskodex 1979 keine Definition des Subventionsbegriffes enthielt, ist im ASCM nunmehr auch erstmals eine Definition des Begriffs Subvention enthalten.252 Im ASCM ist die Subvention in einem zweiteiligen Ansatz definiert.253 Gemäß Art. I Abs. 1 des Subventionsübereinkommens ist eine Subvention gegeben, wenn eine Regierung oder eine öffentliche Körperschaft im Gebiet eines Mitglieds einen finanziellen Beitrag leistet, oder eine Einkommens- oder Preisstützung i. S. d. Art. XVI GATT 1994 vorliegt, die dem Empfänger einen Vorteil gewährt.254 Damit umfasst dieser Subventionsansatz grundsätzlich auch eine steuerliche Beihilfe an einen Steuerpflichtigen.255 Art. 1 Abs. 1 ASCM gibt eine Reihe an Fallgruppen vor, die als Subvention anzusehen sind. Hierunter fallen neben direktem Kapitaltransfer, der Ankauf von Waren oder eine über das allgemeine Infrastrukturangebot hinausgehende Bereitstellung von Dienstleistungen und Waren. Der zunächst in Art. 1 ASCM sehr weit gefasste Subventionsbegriff unterliegt dann aber erheblichen Einschränkungen, da nur den grenzüberschreitenden Warenwettbewerb betreffende Subventionen durch das ASCM geregelt sind.256 Zunächst sind vom Subventionsübereinkommen grundsätzlich nur spezifische Subventionen erfasst.257 Das Kriterium der Spezifität dient der Ab251

Vgl. Behrens, in: Nowak/Cramer, Invidvidualrechtsschutz (2002), S. 210 ff. Sowohl Art. XVI GATT 1947 als auch der Subventionskodex 1979 enthielt den Begriff Subvention, ohne ihn weiter zu definieren. Durch Art. XVI GATT 1947 war lediglich eine Notifikationsverpflichtung vorgesehen. Der Subventionskodex 1979 enthielt allerdings eine beispielhafte Liste an Ausfuhrsubventionen. Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 125–129; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 551–552; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 110; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2000), S. 280–282; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 10–11; vgl. Kleinfeld/ Kaye, JWT 1995, S. 44–45; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 86. 253 Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 11; vgl. Kleinfeld/Kaye, JWT 1995, S. 45. 254 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 124; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 89. 255 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 552. 256 Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 140; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 126. 257 Streng genommen stellt das Kriterium der Spezifität keinen Bestandteil der Definition dar, da gem. Art. 8 Abs. 1 lit. a) ASCM auch nichtspezifische Subventio252

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

grenzung zu Maßnahmen, die allgemein und damit jedem im exportierenden Land zur Verfügung stehen.258 In Abgrenzung zu allgemeinen Infrastrukturmaßnahmen des Staates, sind spezifische Subventionen mit einer Wettbewerbswirkung verbunden, da die Fördermaßnahmen einer regionalen oder branchenbezogenen Limitierung unterliegen.259 Als spezifisch im Sinne des ASCM sind Subventionen anzusehen, die gemäß Art. 2 Abs. 1 ASCM ausdrücklich bestimmten Unternehmen, einem Wirtschaftszweig oder einer Gruppe von Unternehmen oder Wirtschaftszweigen gewährt werden.260 Auch eine regional begrenzte Förderung ist gemäß Art. 2 Abs. 2 ASCM als spezifisch anzusehen. Das Kriterium der Spezifität erfasst gleichermaßen de-jure und de-facto spezifische Subventionen, da auch eine allgemein wirksame Subvention spezifisch wirken kann.261 Darüber hinaus werden durch Art. 2 Abs. 3 ASCM die verbotenen Ausfuhrsubventionen i. S. d. des Art. 3 ASCM immer als spezifisch eingestuft. Ein Nachweis der Spezifität der Subvention im engeren Sinne kann entfallen. Das Abkommen unterscheidet zwischen der Subventionsdisziplin, dem „Track II“-Verfahren und der Möglichkeit der Erhebung von Ausgleichsmaßen im „Track I“-Verfahren.262 In Teil II bis IV des Abkommens finden sich die Normen, die sich unmittelbar mit der Subventionsdisziplin der Mitnen im Abkommen Erwähnung finden. Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 124; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 110; vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 207; vgl. Senti, WTO (2000), S. 391; vgl. Kleinfeld/Kaye, JWT 1995, S. 45–46; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S 20–21; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 89. 258 Vgl. Lowenfeld, Economic Law (2002), S. 241; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 296. 259 Subventionen können in verschiedene Kategorien eingeordnet werden. So können Subventionen direkt oder indirekt erfolgen, auf den Export oder das Inland beschränkt werden sowie generell oder spezifisch Anwendung finden. Nach Auffassung Rydelskis ermöglicht die Unterscheidung zwischen spezifischen und generellen Subventionen am ehesten die Abgrenzung zwischen Subventionen, die eine Wettbewerbsverzerrung des internationalen Handels verursachen können. Würden dagegen allen Unternehmen die gleichen Subventionen zustehen, dann hätte dies keine Auswirkung. Denn verbunden hiermit wäre eine Änderung des Belastungsniveaus insgesamt. Dies sei vergleichbar mit generell niedrigeren Steuern oder Sozialabgaben. Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2000), S. 286; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 6–9 und 11–12. 260 Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 87. 261 Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S 12 u. 21; vgl. Hufbauer, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 102; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 87. Für das Kriterium der Spezifität in der europäischen Subventionsordnung vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 40. 262 Die Bezeichnung „Track I“- und „Track II“-Verfahren ist auf die Gliederung des Subventionskodex 1979 zurückzuführen. Dort waren die Ausgleichsmaßnahmen vor den Normen, die sich mit der Subventionsdisziplin beschäftigen, geregelt. Vgl.

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gliedstaaten beschäftigen und damit das „Track II“-Verfahren des Subventionskodex 1979 weiterführen. Das Verbot einer Subvention führt nicht zu der automatischen Aufhebung der Wirkung. Vielmehr muss das Verbot durch die Mitgliedstaaten in nationales Gesetz umgesetzt werden.263 Mit dem ASCM wurde ein dreistufiger Ansatz für die Einstufung der Subventionen realisiert, der in der Literatur als Ampellösung Eingang fand.264 So signalisiert das rote Licht das grundsätzliche Verbot der im Teil II des Abkommens geregelten spezifischen Subventionen i. S. d. Art. 2 ASCM. Teil III regelt die Subventionen, die als gelb einzustufen sind. Diese Subventionen sind als anfechtbar anzusehen und können bei einer nachteiligen Wirkung auf andere Mitgliedstaaten verboten sein. Die grünen Subventionen finden sich schließlich im Teil IV ASCM geregelt. Die grüne Farbe zeigt an, dass es sich um nichtanfechtbare Subventionen handelt.265 Das „Track I“-Verfahren des Subventionskodex 1979, welches die Mitgliedstaaten unter Umständen zu unilateralen Gegenmaßnahmen berechtigt, ist nunmehr durch Teil V des Abkommens geregelt.266 So ist im Fall, dass ein inländischer Wirtschaftszweig durch eine ausländische Subventionsmaßnahme geschädigt i. S. d. Art. VI GATT 1994 wird, die Möglichkeit einer Ausgleichsmaßnahme in Form eines Ausgleichszolls vorgesehen. Unter dem Begriff Ausgleichszoll ist somit ein Sonderzoll zu verstehen, der erhoben wird, um etwaige Subventionen eines Handelspartners auszugleichen und damit diese in ihrer Wirkung zu neutralisieren.267 1. Verbotene Subventionen („red-light“) Mit Ausnahme der im Übereinkommen für Landwirtschaft vorgesehenen Subventionen sind i. S. d. Art. 1 ASCM all diejenigen Subventionen verLuja, Tax Incentives (2002); S. 125; vgl. Grave, Subvention (2002), S. 83; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 288–289. 263 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 555. 264 Auch wenn sich die Metapher der Ampelfarben im Text des ASCM nicht wiederfindet. Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 83; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 132; vgl. Lowenfeld, Economic Law (2002), S. 234–237; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 552; vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 326; vgl. Gilles/O’Brien/Spencer, in: Sauvé/Stern, GATS (2000), S. 179; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2000), S. 283; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 291; vgl. Kleinfeld/Kaye, JWT 1995, S. 44; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 90. 265 Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 140–141; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2000), S. 283; vgl. Kleinfeld/Kaye, JWT 1995, S. 43; vgl. Luja, Intertax 1999, S. 207 f. 266 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 83; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 292. 267 Vgl. Art. 10 ASCM, Fußnote 35; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 133.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

boten, die nach Art. 3 Abs. 1 lit a) des Subventionsübereinkommens je nach Ausfuhrleistung des Leistungsempfängers gewährt werden und als Ausfuhrsubventionen anzusehen sind. Hierbei kann die Frage, ob die subventionierte Ausfuhr in einen anderen WTO-Mitgliedstaat oder in einen Drittstaat erfolgt, außer Acht gelassen werden.268 Auch ist kein Konkurrenzverhältnis der Exportware im Sinne des „like products“-Konzepts gefordert. Die zweite Komponente des Verbotes bezieht sich auf Subventionen, die an den bevorzugten Gebrauch inländischer Produkte zulasten ausländischer Erzeugnisse geknüpft sind, und wird als Import ersetzende Subvention bezeichnet.269 Beide Bestandteile des Subventionsverbotes sind anreizorientiert zu verstehen. Zielsetzung einer verbotenen Subvention ist jeweils die Besserstellung der heimischen Produzenten im internationalen Wettbewerb, sei dies in einer allgemeinen Ausweitung des Exportes oder einer Bevorzugung der heimischen Produktion gegenüber dem Importprodukt gegeben.270 Die Subventionierung eines Exportunternehmens allein ist nicht ausreichend für die Einstufung als verbotene Ausfuhrsubvention. Erst die „gesetzliche oder tatsächliche“ Anknüpfung an eine bereits erfolgte oder zukünftig zu erwartende Ausfuhr oder Ausfuhrerlöse ist gemäß Art. 3 ASCM verboten und sichert gleichsam den Warenbezug der Subvention.271 Das Verbot der Subventionen wirkt unmittelbar. Der Nachweis einer nachteiligen Auswirkung, wie in Art. 5 ASCM für anfechtbare Subventionen gefordert, entfällt. Auch muss die Subvention nicht spezifisch im engeren Sinne erfolgen, denn gemäß Art. 2 Abs. 3 ASCM ist jede i. S. d. Art. 3 ASCM verbotene Subvention als spezifisch anzusehen. Das grundsätzliche Verbot der Ausfuhrsubvention und der Einfuhr ersetzenden Subvention ist vor dem Hintergrund der Idealvorstellung eines freien Welthandels einsichtig. Solche Subventionen sind mit einer unmittelbaren Wirkung auf den Warenwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten verbunden.272 Entsprechend verpflichten sich die Mitglieder der WTO gemäß Art. 3 Abs. 2 ASCM, keine derartigen Subventionen zu gewähren und die bestehenden Subventionen abzuschaffen. 268

Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 84. Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 131; vgl. Grave, Subvention (2002), S. 86; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 12; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 87–88. 270 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 84 u. 86–87. 271 „This standard is met when the facts demonstrate that the granting of the subsidy, without having been made legally contingent upon export performance, is in fact tied to actual or anticipated exportation or export earnings.“ Vgl. Art. 3 ASCM, Fußnote 4; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 552; vgl. Senti, WTO (2000), S. 392. 272 Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 288. 269

B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen

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Art. 3 Abs. 1 ASCM verweist auf die nicht abschließende, illustrative Beispielliste für Ausfuhrsubventionen, die sich im Anhang I zum ASCM befindet. Auf der Beispielliste sind zwölf Ausprägungsformen von Ausfuhrsubventionen aufgeführt. Auch wenn aufgrund des nicht abschließenden Charakters der Auflistung andere Formen einer Ausfuhrsubvention auftreten können, sind staatliche Maßnahmen, die gemäß der Beispielliste im Anhang I ausdrücklich nicht als Ausfuhrsubvention anzusehen sind, im Umkehrschluss als mit dem ASCM vereinbar anzusehen. Dies wird durch die Fußnote 5 zu Art. 3 Abs. 1 ASCM ausdrücklich bestätigt. a) Steuersubvention Welche Subventionen, die in den Bereich der Besteuerung fallen, sind nun unter ASCM zu subsumieren? Unter den Subventionsbegriff des ASCM sind neben direkten staatlichen Leistungen an Unternehmen in Form von Kapitaltransferleistungen auch gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a 1 (ii) ASCM Subventionen in Form eines „Verzicht(s) auf oder Nichteinhebung von fälligen staatlichen Einnahmen (zum Beispiel steuerliche Anreize wie Steuergutschriften)“ zu berücksichtigen.273 Im Sinne des ASCM sind „direkte Steuern die Steuern auf Löhne, Gewinne, Zinsen, Mieten, Lizenzgebühren und alle anderen Einkommensformen sowie die Steuern auf Grundbesitz“ sowie „indirekte Steuern die Verkaufssteuern, Verbrauchssteuern, Umsatzsteuern, Mehrwertsteuern, Konzessionssteuern, Grenzabgaben und alle Steuern, die nicht zu den direkten Steuern und Eingangsabgaben zählen.“274 Für eine nähere Bestimmung der gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM verbotenen steuerlichen Subventionen kann auf die Beispielliste von Ausfuhrsubventionen im Anhang I des ASCM zurückgegriffen werden. Dort finden sich insbesondere auch zwei Fallgruppen geregelt, die sich mit der Frage der direkten Steuern als Ausfuhrsubvention beschäftigen.275 So ist unter Anhang I lit. e) ASCM als verbotene Ausfuhrsubvention „die vollständige oder teilweise Freistellung und vollständiger oder teilweiser Erlass oder Aufschub von direkten Steuern oder Sozialabgaben“ aufgeführt, die normalerweise vom Unternehmen geschuldet sind, soweit diese Freistellung oder der Erlass ausfuhrgebunden ist. Eine Steuerstundung stellt keine Steuersubvention dar, solange angemessene Zinsen dafür in Rechnung gestellt werden und damit der durch den steuerlichen Vorteil bedingte Exportvorteil nivelliert wird.276 Gemäß Anhang I lit. f) ASCM ist schließlich auch eine Ver273

Vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 167–168; vgl. Sørenson, European Taxation 2002, S. 206–207; vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 140. 274 Vgl. Anhang I lit. e) sowie Fußnote 59 zu Anhang I ASCM. 275 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 208.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

minderung der Bemessungsgrundlage als Exportsubvention zu betrachten und somit verboten, soweit sie unmittelbar an die Ausfuhr oder Ausfuhrleistung gebunden ist und über die Möglichkeiten hinausgeht, die für den heimischen Verbrauch gegeben sind. b) Nichteinhebung von fälligen Einnahmen („otherwise due“-Test) Auch eine Steuersubvention i. S. d. Definition des Art. 3 Abs. 1 ASCM i. V. m. Anhang I lit. e) ASCM muss dem allgemeinen Subventionsverständnis des ASCM entsprechen. Dort findet sich, wie bereits erläutert, unter Art. 1 Abs. 1 lit. a 1 (ii) der Begriff „Nichteinhebung von fälligen Einnahmen“, im englischen Original „revenue otherwise due is foregone“. Nur, was nun unter eine „normalerweise“ geschuldeten Steuer zu subsumieren ist, findet sich nicht geregelt und beschäftigte entsprechend ausführlich das Panel und den Appellate Body. Grundsätzlich ist ein Mitgliedstaat berechtigt, ein Steuersystem seiner Wahl einzuführen. Dies beinhaltet nicht nur die Entscheidung, welches Einkommen in welcher Höhe besteuert werden soll, sondern ausdrücklich auch die Möglichkeit, eben keine Steuer zu erheben. Zur Abgrenzung zwischen einer Subvention und einem allgemeinen Bestandteil des Steuersystems führte das Panel unter Bestätigung des Appellate Body im FSC-Fall den sog. „otherwise due“-Test ein.277 Damit ist der Subventionstatbestand erfüllt, sobald Steuern oder Abgaben auf Exportgewinne nicht in gleicher Weise wie für den vergleichbaren inländischen Sachverhalt erhoben werden und damit ein Verstoß gegen den „otherwise due“-Test zu konstatieren ist.278 Später wurde im ETI-Fall diese Vorgehensweise durch den Appellate Body konkretisiert. So ist als Vergleichsmaßstab nicht notwendigerweise eine generelle Steuerkonzeption zu bestimmen und in einem zweiten Schritt eine Ausnahme hiervon nachzuweisen. Vielmehr ist es im Verständnis des Appellate Body für einen Verstoß nach dem „otherwise due“-Test als ausreichend anzusehen, eine Einkommensgruppe zu identifizieren, die genügend Ähnlichkeiten im Sinne eines „like“-Einkommens aufweist und ungünstiger besteuert wird, um daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass 276 Vgl. Fußnote 59 zu Anhang I ASCM. Über die Höhe des Zinses enthält das ASCM keine weiteren Angaben. Andererseits lässt der Regelungszweck erwarten, dass ein Zins dann als angemessen anzusehen ist, wenn er den durch die Steuerstundung entstehenden Vorteil ausgleicht. Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 552. 277 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 888, Randnr. 5; vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/ DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 90. 278 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 192.

B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen

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das zu untersuchende Einkommen legitimerweise der gleichen Besteuerung zu unterwerfen sei und eine Subvention vorliege.279 c) De-jure oder de-facto an die Ausfuhrleistung gebunden Während der Nachweis einer gesetzlichen Ausfuhrsubvention in Form einer Steuererleichterung oder Freistellung anhand der Tatbestandsvoraussetzungen leicht zu führen sein dürfte, ist eine indirekte Ausfuhrsubvention steuerlicher Natur de-facto an eine Ausfuhr oder an einen Ausfuhrerlös gebunden280 und damit deutlich schwieriger zu beurteilen.281 Vergleicht man die beiden Ausprägungsformen einer Subvention, liegt der Schwerpunkt einer de-jure-Subvention nicht auf der ausdrücklichen, wortgenauen Benennung der Gewährung der Subvention, in Abhängigkeit von der Ausfuhrleistung. Auch eine implizite Normierung der Bindung an die Ausfuhrleistung kann für eine de-jure-Einstufung als ausreichend anzusehen sein.282 Dagegen ist eine de-facto an die Ausfuhrleistung gebundene Leistung nicht unmittelbar dem Gesetzestext zu entnehmen. Vielmehr ist gemäß Fußnote 4 ASCM auf die Umstände des Einzelfalls Bezug zu nehmen, um zu klären, ob eine Subvention, ohne dass diese rechtlich von der Ausfuhrleistung abhängig ist, dennoch tatsächlich an gegebene oder erwartete Ausfuhr oder Ausfuhrerlöse gebunden ist. Aufgrund der sehr offenen Formulierung in der Fußnote 4 des ASCM muss für das Verständnis einer de-facto-Ausfuhrsubvention auf Fallmaterial der WTO zurückgegriffen werden.283 Zunächst ist der Zusammenhang einer Steuersubvention mit der Ausfuhr herzustellen. Hierzu muss nachgewiesen werden, dass die Subvention an eine gegenwärtige oder zu erwartende Ausfuhr oder Ausfuhrerlöse gebunden ist („tied to“). Für die Beurteilung des geforderten Zusammenhangs der Subvention mit der Exporttätigkeit bleibt zunächst unberücksichtigt, ob der Exporteur, der die Subvention erhält, von der Abhängigkeit der Steuersubvention wusste. Adressat der Subventionsordnung ist ausschließlich der Mitgliedstaat, der die Subvention gewährt, nicht aber der Empfänger dieser Subvention.284 279

Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 91. 280 Vgl. Art. 3 ASCM, Fußnote 4. 281 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 128. 282 Vgl. Appellate Body Report, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT/DS70/AB/R, adopted 20. August 1999, Randnr. 170. 283 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 900–907; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 128–129.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Auch wenn gemäß der Fußnote 4 des ASCM die Gewährung einer Subvention an ein Ausfuhrunternehmen nicht alleinig für eine Einstufung als Exportsubvention ausreichend ist, ist dennoch die Exporttätigkeit des Empfängers in die Betrachtung mit einzubeziehen.285 Für ein Verbot der Subvention ist es nicht ausreichend, dass der Mitgliedstaat, der die Subvention vergibt, eine Ausfuhrwirkung der Subvention erwartet oder sich gar über diese Wirkung sicher ist. Denn das Verbot für Ausfuhrsubventionen des Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM bezieht sich ausschließlich auf Subventionen, die von einer Ausfuhrleistung abhängig sind. Dies muss in gleicher Weise auch für eine de-facto-Ausfuhrsubvention gelten. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls müssen die Tatsachen verdeutlichen, dass die Subvention „abhängig von“ oder „gebunden an“ eine Ausfuhr ist.286 Die bloße Erwartung einer Exportwirkung ist hierfür nicht als ausreichend anzusehen.287 Hiervon ist das Kriterium der Bindung an gegenwärtige oder erwartete Ausfuhren der Fußnote 4 deutlich zu unterscheiden.288 Es ist ein erheblicher Unterschied, ob durch die Subvention eine Ausfuhr erwartet wird oder ob die Subvention an eine erwartete Ausfuhr gebunden ist. Im ersten Fall soll eine Ausfuhr initiiert werden. Konkreter ist im zweiten Fall die Subvention an eine bereits erwartete Ausfuhr gebunden. d) Fußnote 59 ASCM Der Ursprung der beiden steuerlichen Regelungen in der Fußnote 59 ASCM liegt im zum DISC-Panelbericht ergangenen Understanding 1981 begründet.289 Infolge des Territorialitätsprinzips im Steuerrecht wurden die 284 Vgl. Appellate Body Report, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT/DS70/AB/R, adopted 20. August 1999, Randnr. 170. 285 Vgl. Appellate Body Report, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT/DS70/AB/R, adopted 20. August 1999, Randnr. 173. 286 Vgl. Appellate Body Report, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT/DS70/AB/R, adopted 20. August 1999, Randnr. 169 u. 171. 287 „A subsidy may well be granted in the knowledge, or with the anticipation, that exports will result. Yet, that alone is not sufficient, because that alone is no proof that the granting of the subsidy is tied to the anticipation of exportation.“ Vgl. Appellate Body Report, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT/DS70/AB/R, adopted 20. August 1999, Randnr. 172. Vgl. so schon Luja, Tax Incentives (2002), S. 128–129. 288 Vgl. Appellate Body Report, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT/DS70/AB/R, adopted 20. August 1999, Randnr. 172. 289 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 553. In der Fußnote werden zwei der drei Kernaussagen aus dem den DISC-Panelbericht begleitenden Understanding 1981 übernommen und somit bestätigt. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 79.

B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen

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Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom grundsätzlichen Verbot der Ausfuhrsubvention ausgenommen. Dies ermöglicht die Aufrechterhaltung des bestehenden Steuersystems insbesondere auch in vielen europäischen Staaten.290 Im letzten Satz der Fußnote 59 des ASCM findet sich dann die für das internationale Steuerrecht wichtige Regelung wieder, welche den Zusammenhang zwischen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und verbotenen Ausfuhrsubventionen herstellt. Denn gemäß Fußnote 59 beabsichtigt die Regelung des Anhangs I lit. e) ASCM nicht, etwaige Vorschriften zu vereiteln, die einem Mitglied dazu dienen, eine Doppelbesteuerung von Einkünften aus ausländischen Quellen zu vermeiden.291 Der Fußnote 59 liegt die Intention zugrunde, das bestehende System zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aufrechtzuerhalten. Dies berührt insbesondere die durch die OECD vorgesehene Anrechnungsmethode und Freistellungsmethode, die damit nicht als Steuersubvention einzustufen sind.292 Eine allzu großzügige Einordnung in die Fußnote 59 des Anhangs I ASCM würde entsprechend Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM die Frage der Steuersubventionen weitgehend aus dem Anwendungsgebiet des ASCM herausnehmen. Denn gemäß Fußnote 5 zu Art. 3 Abs. 1a) ASCM sind alle Maßnahmen, die gemäß Anhang I nicht als Ausfuhrsubvention zu betrachten sind, auch durch keine andere Bestimmung des ASCM verboten und stellen damit keine Subvention dar.293 Dann wären Steuersubventionen als Bereichausnahme jedenfalls nicht verboten, sofern sie der Vermeidung einer Doppelbesteuerung dienen.294 Andererseits kann die Freistellung der sonst gültigen Steuern nicht als Freibrief für die Mitgliedstaaten zu verstehen sein, eine willkürliche Freistellung ausländischer Quelleneinkünfte zu ermöglichen. Zunächst grenzt die Definition der ausländischen Quelleneinkünfte die Wirkung ein. Denn nur Einkünfte, die im Inland und Ausland potenziell der Besteuerung unterliegen, können einer Doppelbesteuerung ausgesetzt sein und nur in diesem Fall kann eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als Bereichsausnahme greifen. Würde allein eine vage Möglichkeit als ausreichend angesehen, dann würde die Steuersubvention größtenteils aus dem Subventionsübereinkommen herausgenommen und entsprechend das Abkommen in steuerlicher Hinsicht ins Leere laufen.295 Ob das 290

Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1688. Der letzte Satz der Fußnote 59 spielte eine bedeutende Rolle im ETI-Verfahren und wird dort näher erläutert. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, C.III.2. 292 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 129; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 553. 293 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 210. 294 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 553. 291

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Ausland dann tatsächlich sein Besteuerungsrecht ausübt, bleibt unberücksichtigt. Entscheidend ist, dass nach international gültigen Besteuerungsprinzipien beide Staaten auf das Steuersubstrat zugreifen können. Der für die Frage der steuerlichen Exportsubventionen geforderte „otherwise due“-Test dürfte auch bei steuerlichen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung finden. So ist insbesondere eine funktionale Segmentierung der Freistellung in Hinblick auf Exportgeschäfte kritisch zu hinterfragen und wohl nicht durch die Doppelbesteuerungsklausel der Fußnote 59 gedeckt.296 Überdies muss die zu rechtfertigende Maßnahme vorherrschend zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ausländischer Quelleneinkünfte dienen. Eine eher zufällige Eignung der verbotenen Ausfuhrsubvention, „auch“ als Maßnahme zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ist nicht ausreichend, den engen Anforderungskriterien, die an eine Bereichsausnahme zu stellen sind, gerecht zu werden.297 Daneben findet sich in Fußnote 59 der Hinweis, dass für Warenlieferungen zwischen inländischen Ausfuhrunternehmen und ausländischen Unternehmen, die Tochtergesellschaften derselben sind oder die beide unter einheitlicher Leitung stehen, das „arms length principle“298 Anwendung finden sollte. Auch der Verzicht oder die lasche Anwendung des „arms length principle“ kann zu Steuererleichterungen im Exportfall führen, falls die dem ausländischen Unternehmen zugeordneten Einkünfte im Ausland einer niedrigeren Besteuerung unterliegen oder etwa aufgrund von Zuordnungskonflikten Teile der Bemessungsgrundlage nicht der Besteuerung unterliegen.299 Nachdem sich der Vertragstext ausdrücklich auf „beträchtliche“ Ersparnisse an direkten Steuern bei Ausfuhrgeschäften bezieht, erscheint eine begrenzte Abweichung vom „arms length principle“ möglich.300 Im Unterschied zum internationalen Steuerwettbewerb – dort spricht etwa die Nichtanwendung der „transfer pricing guideline“ für die Einstufung als präferierendes Steuersystem301 – steht bei der Einhaltung des „arms length 295 Vgl. so bereits Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 73–74. Bestätigen dann auch die Ausführungen des Panels beim FSC- und ETI-Fall. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, C.II.2. und C.III.2.; vgl. Quereshi/Grynberg, JOT 2002, S. 986. 296 So bereits Luja, Tax Incentives (2002), S. 130. 297 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.94–8.95. 298 Dies beinhaltet regelmäßig einen Drittvergleichsmaßstab. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 901–911. 299 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 594–595; vgl. Burmester, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 63–64; vgl. die Argumentation der USA im FSC-Fall, Dritter Teil, 3. Kapitel, C.2. 300 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 130.

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principle“ allerdings nicht die Erosion des nationalen Steueraufkommens im Vordergrund. Vielmehr soll anhand der Einhaltung des „arms length principle“ geprüft werden, inwieweit durch eine Transferpreisregelung eine steuerliche Ausfuhrsubvention gewährt wurde. Entsprechend findet sich in der Fußnote 59 auch der Hinweis: „Jedes Mitglied kann einem anderen Mitglied administrative oder andere Praktiken zur Kenntnis bringen, die diesem Grundsatz zuwiderlaufen und die zu einer beträchtlichen Ersparnis an direkten Steuern bei Ausfuhrgeschäften führen.“302 Allerdings verweist der WTO-Vertragstext insoweit auf die Möglichkeiten, die durch die Doppelbesteuerungsabkommen eröffnet sind. Gleichzeitig unterstreicht Fußnote 59, dass das Recht auf Konsultationen auf der Basis des GATT 1994 und der Fußnote 59 ASCM hiervon unberührt bleibt. e) Verbot der Import ersetzenden Subventionierung Die zweite Komponente der untersagten Subventionen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 ASCM stellt das Verbot dar, Unternehmen in Abhängigkeit der bevorzugten Nutzung heimischer Waren im Vergleich zu Importwaren eine Subvention zu gewähren. Im Unterschied zu Art. III GATT 1994 ist hier nicht allgemein das Gebot der Inländerbehandlung bzgl. der inneren Abgaben und Rechtsvorschriften geregelt, sondern ausschließlich die Abhängigkeit einer Subvention von bestimmten warenbezogenen Anforderungsmerkmalen. Damit regelt Art. III GATT 1994 nicht zwingend eine Subvention, umgekehrt ist Art. 3 Abs. 1 lit. b) ASCM auch nicht die Gleichbehandlung hinsichtlich der inneren Rechtsvorschriften zu entnehmen.303 Für die Import ersetzende Subventionierung kann die obige Darstellung der verbotenen Ausfuhrsubventionen übernommen werden. Analog dazu lässt sich der „otherwise due“-Test zur Bestimmung einer steuerlichen Subventionierung sowie das Kriterium der de-jure- oder de-facto-Abhängigkeit der Subvention auf den bevorzugten Verbrauch inländischer Waren übertragen. Im Gegensatz zu den Ausfuhrsubventionen findet sich im Vertragstext selbst keine vergleichbare Beispielliste wieder. Einschränkend ist erneut anzumerken, dass sich die gemäß Art. 3 Abs. 1 ASCM verbotenen Subventionen einzig auf die Abhängigkeit von warenbezogenen Kriterien beziehen.304 Dies gilt sowohl für die Gewährung einer Subvention in Abhängigkeit von der Aus301

Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, B.1. Vgl. Anhang I Fußnote 59 ASCM 303 Vgl. Panel Report, Indonesia – Measures Affecting the Automotive Industry, WT/DS54/R, WST/DS55/R, WT/DS59/R, WT/DS64/R, adopted 23. July 1998, Randnr. 14.33–14.36. 304 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 131. 302

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

fuhr einer Ware, als auch in Hinblick auf die Abhängigkeit von einem Import ersetzenden inländischen Verbrauch. 2. Anfechtbare Subventionen („yellow-light“) Der III. Teil des ASCM normiert die anfechtbaren Subventionen. Eine Subvention i. S. d. Art. 1 ASCM ist als gelbe Subvention einzuordnen, soweit sie mit einer nachteiligen Wirkung i. S. d. Art. 5 ASCM auf die Interessen anderer Mitglieder verbunden ist.305 Nur eine Verzerrung des internationalen Handels und eine Beeinträchtigung der Interessen anderer Mitgliedstaaten durch eine Subvention sind zu ahnden.306 Etwaige Auswirkungen, die sich auf den Inlandsmarkt beschränken, sind vom ASCM, wie schon früher mit Art. XVI GATT 1947, nicht erfasst.307 Für die Anfechtbarkeit der Subvention muss sowohl das Kriterium der Spezifität als auch die nachteilige Wirkung erfüllt sein. Zunächst entscheidet die Spezifität einer Subvention, ob diese grundsätzlich als anfechtbar anzusehen ist. Der ausdrücklichen Nennung unter Art. 8 Abs. 1 lit. a) ASCM kommt nur eine klarstellende Funktion zu. Als spezifisch im Sinne des ASCM sind Subventionen anzusehen, die gemäß Art. 2 Abs. 1 ASCM ausdrücklich bestimmten Unternehmen, einem Wirtschaftszweig oder einer Gruppe von Unternehmen oder Wirtschaftszweigen gewährt werden.308 Auch eine regional begrenzte Förderung ist gemäß Art. 2 Abs. 2 ASCM als spezifisch anzusehen.309 Dagegen ist durch Art. 2 Abs. 2 ASCM die Festsetzung oder Änderung allgemein gültiger Steuersätze durch die hierzu befugten öffentlichen Organe („by all levels of government entitled to do so“) ausdrücklich nicht als spezifisch einzustufen. Unmittelbar berührt von dieser Regelung ist das Steuersystem föderaler Staaten.310 So könnte die Anfechtbarkeit einer steuerlichen Subvention daran scheitern, dass die steuerliche Regelung für eine abgegrenzte Region gilt und dort allgemein Anwendung findet und zudem von dem hierzu befugten öffentlichen Organ erhoben wird. In diesem Fall muss die Spezifität für das jeweilige abzugrenzende Steuerterritorium nachgewiesen werden. Eine be305 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 87; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 136; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 131; vgl. Senti, WTO (2000), S. 393; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 289. 306 Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 86. 307 Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 21. 308 Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 87. 309 Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 286. 310 Zu den finanzwissenschaftlichen Besonderheiten eines föderalen Staates vgl. etwa Wellisch, Theory of Public Finance in a Federal State (2000).

B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen

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liebige föderale Segmentierung oder die Schaffung autonomer Regionen unter Übertragung der Steuerhoheit in einen nichtföderalen Staat, verbunden mit der Zielsetzung, eine steuerliche Subventionierung durch ein „downsize“ der zuständigen Behörde auf der Grundlage der dann dort „allgemein anwendbaren Steuersätze“ zu rechtfertigen, erscheint aufgrund der Zielsetzung der Norm nur begrenzt möglich. Teilweise wird hierzu die Erfüllung bestimmter Kriterien im Bereich des Angebots der öffentlichen Güter und ein gewisser Grad an Autonomie der Verwaltung gefordert.311 Ohne die Steuerklausel auszunutzen, könnte aber auch in einer kulturellen oder sprachlichen Abgrenzung ein Kriterium für die Rechtfertigung von Sonderwirtschaftszonen zu sehen sein. In Hinblick auf das zweite unterscheidende Tatbestandsmerkmal für eine anfechtbare Subvention, der nachteiligen Wirkung auf die Interessen anderer Mitgliedstaaten, unterscheidet der Vertragstext drei Konstellationen. So ist eine Subvention als mit einer nachteiligen Wirkung verbunden anzusehen, wenn sie gemäß Art. 5 lit. a) ASCM den inländischen Wirtschaftszweig eines anderen Mitgliedstaates schädigt („injury the domestic industry“) oder gemäß Art. 5 lit. b) ASCM etwaige Vorteile, die einem anderen Mitgliedstaat gemäß dem GATT 1994 und den gebundenen Zugeständnissen nach Art. II GATT 1994 zustehen, zunichte macht oder schmälert („nullifications or impairment of benefits“). Schließlich ist in einer ernsthaften Schädigung der Interessen eines anderen Mitgliedstaates („serious prejudice“) gemäß Art. 5 lit. c) ASCM ebenfalls eine nachteilige Auswirkung zu sehen.312 Für die Anfechtbarkeit der strittigen Subvention ist die Erfüllung einer der drei Tatbestandsvoraussetzungen als ausreichend anzusehen. a) Schädigungen des inländischen Wirtschaftszweiges des Mitgliedstaates Für die inhaltliche Konkretisierung des Begriffs „Schädigung des inländischen Wirtschaftszweiges“ verweist die Fußnote 11 zu Art. 5 lit. a) ASCM auf die Regelungen des V. Teils des Abkommens. Dort stellt der Begriff der Schädigung des inländischen Wirtschaftszweiges die Voraussetzung für die Erhebung eines Ausgleichszolls dar.313 Entsprechend ist bei einer Schä311

Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 138. Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 87; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 138; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002); S. 131–132; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2000), S. 289 und 291; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 292; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 13; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 88–89. 313 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 87. 312

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

digung des inländischen Wirtschaftszweiges des Mitgliedstaates sowohl ein Ausgleichzoll als auch das multilaterale Streitbeilegungsverfahren ermöglicht.314 Unter einer Schädigung i. S. d. Art. 5 lit. a) ASCM ist eine bereits bestehende bedeutende oder zukünftig zu erwartende bedeutende Schädigung eines inländischen Wirtschaftszweiges zu verstehen. Der inländische Wirtschaftszweig i. S. d. Art. 16 ASCM ist im Rahmen der Produktion gleicher oder gleichartiger Waren abzugrenzen. Nur wenn durch die steuerliche Subvention des exportierenden Staates ein inländischer Wirtschaftszweig betroffen ist und die Subvention der Exportwaren im importierenden Staat kausal für die Schädigung des betroffenen Wirtschaftszweiges ist, kann eine Verzerrung des Güterwettbewerbs festgestellt werden.315 Eine Schädigung des inländischen Wirtschaftszweiges wird gemäß Art. 15 Abs. 1 ASCM anhand des Umfanges der subventionierten Importwaren, deren Preiswirkung auf gleichartige heimische Waren im Inlandsmarkt und der hierdurch bedingten schädigenden Folgen auf den inländischen Produzenten bestimmt. Art. 15 Abs. 4 ASCM erläutert weiter, welche Aspekte in die Beurteilung der schädigenden Folgen für den relevanten Wirtschaftskreis einzubeziehen sind. Unter Berücksichtigung der einschlägigen Wirtschaftsfaktoren, wie etwa Absatz, Marktanteil, Gewinnspanne, Löhne, Investitions- und Kapitalbeschaffungsmaßnahmen, ist die Auswirkung der subventionierten Einfuhren auf den Inlandsmarkt zu prüfen.316 Einschränkend muss die festgestellte Schädigung „erheblich“ sein und einen gewissen Umfang umfassen.317 Zudem muss zwischen der Schädigung des inländischen Wirtschaftszweiges und den subventionierten Waren eine Kausalität bestehen.318 Nicht erforderlich ist dagegen, dass die erhebliche Schädigung bereits eingetreten ist. Wie die Fußnote 45 zum ASCM klarstellt, ist vielmehr bereits die Drohung einer erheblichen Schädigung als ausreichend anzusehen. Umgekehrt kann gemäß Art. 15 Abs. 7 ASCM die Drohung einer Schädigung nicht ausschließlich auf Vermutungen oder Erwartungen gestützt werden. Erforderlich sind vielmehr nachprüfbare, objektive Tatsachen, die für ein konkretes Auftreten der Schädigung eines Wirtschaftszweiges sprechen.

314

Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 129–130. Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 87. 316 Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2000), S. 292–293; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 139. 317 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 88. 318 Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 293–294. 315

B. Art. XVI GATT 1994 und ASCM – Ausfuhrsubventionen

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b) Schmälerung der aus dem GATT 1994 erwachsenden Vorteile Eine nachteilige Wirkung i. S. d. Art. 5 ASCM ist alternativ gemäß Art. 5 lit. b) ASCM auch für eine Schmälerung oder Zunichtemachung der aus dem GATT 1994 und hierbei insbesondere aus Art. II GATT 1994 erwachsenden Vorteile gegeben. Kernbestandteil der Vorschrift ist das Unterbinden des Unterlaufens von Zollbindungsverpflichtungen durch Subventionen.319 Werden Verpflichtungen, die den Mitgliedstaaten aus den Vorschriften des GATT 1994 erwachsen, verletzt, so ist dies als Schmälerung oder Zunichtemachung der aus dem GATT 1994 erwachsenden Vorteile anzusehen.320 c) Ernsthafte Schädigungen der Interessen eines anderen Mitgliedstaates Der Zugang zu dem Begriff „ernsthafte Schädigung“ eröffnet sich über Art. 6 ASCM. Gemäß Art. 6 Abs. 3 ASCM ist eine ernsthafte Schädigung gegeben, sobald die Subvention gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. a) ASCM eine Verdrängung oder Verhinderung der Einfuhren gleichartiger Waren („like products“) auf den Markt des subventionierenden Mitglieds zur Folge hat. Dies regelt den Fall, dass durch die Subvention die heimischen Produktionen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Importwaren gewinnen und eine Marktverschiebung zuungunsten von Importwaren in den subventionierenden Staat festzustellen ist.321 Der umgekehrte Fall findet sich in Art. 6 Abs. 3 lit. b) ASCM geregelt. Führt die relevante Subvention zu einer Verdrängung oder Verhinderung der Ausfuhr einer gleichartigen Ware eines anderen Mitgliedstaates in einen Drittlandsmarkt, so ist dies ebenfalls mit einer ernsthaften Schädigung der Interessen verbunden.322 Es sei denn, die Verdrängung oder Verhinderung des Imports respektive Exports ist durch Art. 6 Abs. 7 ASCM ausnahmsweise zulässig, da die Subvention nicht kausal ist und die Nebeneffekte der Subvention vielmehr durch den Beschwerde führenden Mitgliedstaat selbst verursacht sind.323 Während Art. 6 Abs. 3 lit. a) und b) ASCM die Mengenwirkung einer Subvention behandeln, berücksichtigt Art. 6 Abs. 3 lit. c) ASCM die Preis319

Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 89. Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 295; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 138, Fußnote 66. 321 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 140. 322 Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 296–297. 323 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 141; vgl. Grave, Subvention (2002), S. 90; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 297–298. 320

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

wirkung einer Subvention. Eine ernsthafte Schädigung der Interessen tritt auch ein, sobald eine bedeutende Preiswirkung der Subvention auf dem relevanten Markt gegeben ist. Ermöglicht die Subvention eine bedeutende Preisunterschreitung im Vergleich zum gleichartigen Produkt oder eröffnet die Subvention einen Preisdruck und führt zu einem Preisrückgang oder zu Absatzeinbußen, so ist dies als ernsthafte Schädigung anzusehen. Schließlich kann gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. d) ASCM auch ein Zuwachs des Weltmarktanteils des subventionierenden Mitglieds bzgl. eines Grundstoffes oder eines Erzeugnisses als schwerwiegende Schädigung zu berücksichtigen sein. Der zur Vereinfachung der Bewertung einer potenziellen ernsthaften Schädigung 1995 durch die Uruguay-Runde eingeführte Art. 6 Abs. 1 ASCM findet seit 1. Januar 2000 keine Anwendung mehr. Der hierzu durch Art. 31 ASCM erforderliche Konsens zur Verlängerung der Wirkung der Vorschrift konnte nicht erzielt werden.324 Art. 6 Abs. 1 ASCM normierte für bestimmte Tatbestände die widerlegbare Vermutung einer ernsthaften Schädigung. So war Art. 6 Abs. 1 ASCM zu entnehmen, dass unter dem Begriff „ernsthafte Schädigung der Interessen“ zunächst gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) bis c) ASCM das Überschreiten der Subventionierung einer 5%-Grenze des Wertes einer Ware zu sehen ist. Weiter ist die Subventionierung, die zur Deckung von Betriebsverlusten eines Wirtschaftszweiges oder eines Unternehmens dient, sowie der direkte Erlass von Schulden an die Regierung oder Zuschüsse zur Rückzahlung derselben als ernsthafte Schädigung anzusehen. Durch Art. 6 Abs. 1 lit. d) ASCM war für den Erlass einer regelmäßig geschuldeten Steuerlast durch den Staat ebenfalls die Vermutung einer ernsthaften Schädigung gegeben. Art. 6 Abs. 2 ASCM sah eine Eingrenzung der Vermutung vor. Denn auch bei Vorliegen der durch Art. 6 Abs. 1 ASCM vorgesehenen Kriterien ist keine ernsthafte Schädigung der Interessen eines Mitgliedstaates zu unterstellen, soweit dies nicht mit den in Art. 6 Abs. 3 lit. a) bis d) ASCM enthaltenen Auswirkungen verbunden ist. 3. Nichtanfechtbare Subventionen („green-light“) Unter den nichtanfechtbaren Subventionen, im Teil IV des Abkommens geregelt, werden vier Bereiche unterschieden.325 Zunächst fallen klarstellend gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a) ASCM alle Subventionen, die nicht spezifisch im Sinne des Art. 2 ASCM sind, in diese Kategorie. Hierbei handelt 324 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 141; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 132; vgl. WTO Annual Report (2001), S. 63. 325 Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 13–14.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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es sich beispielsweise um allgemeine Infrastrukturmaßnahmen.326 Darüber hinaus gelten Subventionen als nicht anfechtbar, soweit es sich um Subventionen für Forschungstätigkeiten327 i. S. d. Art. 8 Abs. 2 lit. a) ASCM handelt oder gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. b) ASCM um Beihilfen für Regionen, die im Sinne des Abkommens als benachteiligt gelten und nicht spezifisch i. S. d. Art. 2 ASCM in dieser Region wirken. Gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. c) ASCM sind auch Beihilfen für die Anpassung bestehender Einrichtungen an durch Gesetze oder Abgaben geänderte Umwelterfordernisse als nichtanfechtbar anzusehen.328 Sind Subventionen als nichtanfechtbar einzustufen, so können sie nicht ausgeglichen werden oder Bestandteil des Subventionsverfahrens sein.329 Die Vorschriften über die nichtanfechtbaren Subventionen im IV. Teil des Subventionsübereinkommens waren gemäß Art. 31 ASCM auf fünf Jahre befristet und fanden entsprechend nur bis 31. Dezember 1999 Anwendung. Nach Ablauf der Frist sollte über ein Fortbestehen der Regelung entschieden werden. Nachdem kein Konsens gefunden wurde, sind die Vorschriften über nichtanfechtbare Subventionen zum 1. Januar 2000 nicht mehr anwendbar.330

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen Grundlegend für die Bedeutung des GATT-Beihilferegimes im internationalen Steuerrecht ist der „Domestic International Sales Corporations (DISC)“-/„Foreign Sales Corporations (FSC)“-/„Extraterritorial Income Exclusion Act (ETI)“-Disput. Der über 30 Jahre andauernde Streit ermöglicht einen Einblick in die Anwendung der Subventionsdisziplin auf das internationale Steuerrecht. Allen drei Regelungen ist gemein, dass die USA Unternehmen, die bestimmten Anforderungen genügten, eine Steuererleichterung für Exportgewinne gewährten, die auf bestimmte Waren („export property“) entfielen.331 Das FSC- und ETI-Regime versuchte jeweils, die durch die USA mit dem DISC verfolgte Zielsetzung WTO-konform durchzusetzen. 326

Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 552. Eine Diskussion über mögliche Grenzen einer Forschungssubvention durch das ASCM findet sich bei Kleinfeld/Kaye, JWT 1995, S. 46–63. 328 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 92–94; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 127; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 132; vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 290–291; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 92–93; vgl. Schott/ Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 89–91. 329 Vgl. Grave, Subvention (2002), S. 92; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 127; vgl. Senti, WTO (2000), S. 395–396. 330 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 127; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 132; vgl. WTO Annual Report (2001), S. 63. 327

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Nicht zuletzt die Angewohnheit der USA, die im jeweils vorhergehenden Fall gesetzten Grenzen auszuloten und in ihrem Sinne umzusetzen, führte zu einer zunehmenden Konkretisierung der Auswirkungen der einzelnen Normen der WTO-Subventionsordnung. Beachtenswert ist die Zäsur zwischen dem DISC-Verfahren und den nachfolgenden FSC-/ETI-Verfahren, die durch die Gründung der WTO und die hiermit verbundenen grundlegenden Schärfung des Subventionsverfahrens verbunden war. I. Domestic International Sales Corporations – (DISC-Regime) 1972–1982 Dem „Domestic International Sales Corporations (DISC)“-Fall liegt ein Systemkonflikt der Steuersysteme der beiden großen Handelsblöcke der Welt, namentlich der USA und der europäischen Staaten, zugrunde. Entsprechend musste im Zusammenhang mit dem DISC-Regime bereits frühzeitig die zentrale Fragestellung geklärt werden, ob aus dem GATT-System die Vorgabe für ein bestimmtes Steuersystem zu entnehmen ist. Das USSteuersystem basiert auf dem Welteinkommensprinzip mit einem Anrechnungssystem.332 Entsprechend unterliegt auch die ausländische Geschäftstätigkeit einer US-Gesellschaft der heimischen Besteuerung.333 In den europäischen Staaten sind dagegen oftmals Einkünfte, die im Ausland erzielt werden, infolge des Territorialitätsprinzips von der inländischen Besteuerung freigestellt.334 Überdies ist der Anteil der indirekten Steuern335 am 331 Die Anforderung des „export property“ ist für das ETI nicht gegeben. Vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 979 u. 982. Das ETI beinhaltet dagegen ein Limit von maximal 50% des Marktwertes an ausländischen Waren oder Arbeitsleistungen, die in die Exportware eingehen dürfen. Vgl. Sec. 943 (a) (1) (C) IRC; vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 159; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 556. 332 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98, Randnr. 7. 333 Dieser Umstand kann durch die Gründung einer ausländischen Tochtergesellschaft vermieden werden. In Verbindung mit einer niedrigen Steuerlast im Sitzland der Tochtergesellschaft kann damit der steuerliche Vorteil bis zur Ausschüttung gewahrt werden. Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 750. Entsprechend fand auch die steuerliche Diskussion über Basisgesellschaften ihren Ausgang in den USA. Vgl. Bühler, Prinzipien (1964), S. 108 ff. sowie Erster Teil, Kapitel 1 vorliegender Arbeit. 334 Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 750. Der völkerrechtliche Grundsatz der Territorialität verbietet einen Hoheitsakt auf fremdem Staatsgebiet. Hierdurch ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein inländischer Hoheitsakt auf einen im Ausland realisierten Sachverhalt zurückgreift. Vgl. Raupach, Durchgriff (1968), S. 174–178; vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, § 2 Randnr. 33. Eine Darstellung des Territorialitätsprinzips und Universalprinzips im internationalen Steuerrecht findet sich beispielsweise bei Bühler,

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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Steueraufkommen der USA deutlich geringer, als dies in Europa gegeben ist.336 Da das im GATT-System verankerte Grenzausgleichssystem eine Befreiung von indirekten Steuern vorsieht, dagegen für direkte Steuern einen Grenzausgleich ausdrücklich verbietet, sah sich die amerikanische Wirtschaft im Exportgeschäft benachteiligt.337 1. Die US-Steuergesetzgebung Um diesen Nachteil auszugleichen, führten die USA zum 1. Januar 1972 das „Domestic International Sales Corporations (DISC)338“-Regime ein.339 Das DISC-Regime sah eine teilweise unbegrenzte Stundung der sonst üblichen amerikanischen Unternehmensbesteuerung vor, sofern das in den USA ansässige Unternehmen340 einerseits 95% der Einkünfte des Unternehmens aus Exporterlösen mit „export property“341 erzielt und andererseits gleichzeitig 95% des Anlagevermögens des Unternehmens diesem Exportgeschäft dienen.342 Zunächst wurden der Muttergesellschaft 50% des Gesamtgewinns der durch die DISC erzielten Exporte zugerechnet und dort besteuert. Überdies wurde für wiederum 50% eine Ausschüttungsfiktion für den Restgewinn, der der DISC-Tochtergesellschaft zuzurechnen war, unterstellt und diese entsprechend beim Anteilseigner besteuert. Während damit effektiv 75% der Exportgewinne bei der Muttergesellschaft versteuert wurden, verblieb für 25% der Exportgewinne, die dem DISC-Unternehmen zugePrinzipien (1964), S. 163–166; vgl. auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 107–110; vgl. Lornsen, Unilaterale Maßnahmen (1987), S. 24–25; vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen (1985), S. 4–9. 335 In den USA wird auf Ebene des Bundes keine Umsatzsteuer erhoben. Die Staaten und die Gemeinden erheben im Einzelhandel eine sales tax ohne Vorsteuerabzug i.H.v. 0 bis 10,75%. Ein Vorsteuerabzug ist nicht vorgesehen. Vgl. Bundesamt für Finanzen, Umsatzsteuer im In- und Ausland, Stand Juli 2003, htttp://www. bff-online.de. 336 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 211; vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 1. 337 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 150; vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/ Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 185; vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 750–751. 338 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 10. 339 Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 750–751. 340 Vgl. Gray, Harvard International law journal 1985, S. 294. 341 „Property manufactured, produced, grown, or extracted in the United States“, Ausgenommen waren u. a. „subsidized property, property in short supply, oil, gas, coal, uranium, and other depletable minerals“ Gray, Harvard International law journal 1985, S. 294, Randnr. 8. 342 Vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 61.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

rechnet wurden, eine nahezu unbegrenzte Steuerstundung der sonst fälligen Steuerlast.343 Der gewährte Aufschub der Besteuerung wurde nur aufgehoben, falls eine Ausschüttung an die Muttergesellschaft erfolgte, die USTochtergesellschaft liquidiert wurde, Aktienanteile eines Anteilseigners veräußert wurden oder die US-Tochtergesellschaft nicht mehr die Voraussetzungen für das DISC-Regime erfüllte.344 Ziel der DISC-Gesetzgebung war die Nachbildung der steuerlichen Vorteile für Exportgeschäfte, die das Territorialitätsprinzip birgt, ohne jedoch solch ein Steuersystem einzuführen.345 Bereits 1974, also drei Jahre nach Einführung dieser steuerlichen Regelung, wurden über 6738 DISC-Gesellschaften Waren im Gegenwert von 43,5 Milliarden US-Dollar und damit 61% des Exportvolumens aus dem Jahr 1973 ausgeführt.346 Die EG und Kanada sahen im DISC-Regime eine Exportsubvention i. S. d. Art. XVI GATT 1947, da im Ergebnis durch das DISC-Regime Warenexporte geringer besteuert wurden als bei einem vergleichbaren inländischen Sachverhalt, und trugen den Sachverhalt einem Panel zur Beurteilung vor.347 Wenig verwunderlich, ließ die US-Regierung das DISC-Regime nicht ohne Verteidigung und legte dem Panel im Gegenzug die Steuersysteme Frankreichs, Belgiens und der Niederlande zur Beurteilung vor. In der Folge wurden 1973 vier Panels eingerichtet, die die jeweiligen steuerlichen Regelungen zu untersuchen hatten.348 So entwickelte sich der DISC-Fall zu einem grundsätzlichen Disput hinsichtlich der Frage, inwieweit das GATT respektive die WTO durch den Subventionsartikel das nationale Steuersystem der Mitgliedstaaten beeinflusst. Gleichermaßen wurde die Frage aufgeworfen, ob in der Freistellung bestimmter Teile der Exporterlöse, wie etwa in Form der international üblichen Freistellung von Einkünften ausländischer Betriebsstätten, ebenfalls eine Subvention zu sehen sei. Denn auch 343 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 14; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 61; vgl. Luja, Intertax 1999, S. 211; vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 753. 344 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 12. 345 Vgl. Gray, Harvard International Law Journal 1985, S. 294. 346 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 17 unter Verweis auf 1974 Annual Report on the Operation and Effect of the DISC legislation. 347 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 27; vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 129; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 62. 348 Die Besetzung des jeweiligen Panels war identisch. Alle vier Panelberichte wurden am 2. November 1976 veröffentlicht.

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in diesem Fall unterliegt der vergleichbare rein innerstaatliche Sachverhalt einer anderen Ertragsteuerbelastung durch den Exportstaat.349 Die US-Regierung war bestrebt, unter Zuhilfenahme des DISC einen Ausgleich für die konstatierte Benachteiligung der inländischen Firmen aufgrund einer höheren Belastung mit direkten Steuern im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz in Europa zu schaffen.350 Entsprechend reduzierte das DISC-Regime ausdrücklich die direkte Steuerlast der Exporteure.351 An diesem Punkt offenbart sich schließlich auch der Systemkonflikt zwischen einem Welteinkommenssystem unter Anrechnung der ausländischen Steuerlast und einem Territorialsteuersystem, welches die Einkünfte ausländischer Niederlassungen freistellt. Denn nach Ansicht der USA würde das US-amerikanische Steuersystem ohne das DISC-Regime die heimischen Exporteure im Verhältnis zu Anbietern aus Europa benachteiligen. So können europäische Firmen mit einer Niederlassung in einem niedrig besteuernden Land den lokalen Steuervorteil für die Niederlassung aufgrund der Freistellung ausländischer Einkünfte nutzen. Dagegen stehen infolge des Welteinkommenssystems US-amerikanischen Firmen die steuerlichen Vorteile in Niedrigsteuerländern für amerikanische Exporteure nicht in gleicher Weise zur Verfügung. Entsprechend verwies die USA dann in der Rechtfertigung des Regimes schlicht darauf, dass das DISC unter Berücksichtung der Gesamtsteuerbelastung der jeweiligen Vergleichsgruppe keine Wettbewerbsverzerrungen produziere, sondern vielmehr dazu beitrage, bestehende Verzerrungen des Wettbewerbs zu bekämpfen.352 Neben dem allgemeinen Verweis auf das Steuersystem der europäischen Staaten nahm die US-Regierung ausdrücklich auf die Steuersysteme Frankreichs, Belgiens und der Niederlande Bezug, die keine Besteuerung für ausländische Niederlassungen vorsahen.353 In Verbindung mit einer laschen Regelung oder Anwendung der Verrechnungspreise sei eine weitgehende Exporterleichterung für die heimische Industrie ermöglicht, die oftmals im Ergebnis eine niedrigere steuerliche Belastung des Exportvorgangs ergebe, als dies für die DISC-Gesetzgebung der Fall sei.354 349 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 554; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 67. 350 Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 128–129; vgl. Luja, Intertax 1999 S. 211; vgl. Gray, Harvard International law journal 1985, S. 294. 351 Vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 983. 352 Vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 64. 353 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 35; vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 208. 354 Unter Verweis auf die im DISC vorgesehene 75%-/25%–Aufteilung der Exporterlöse zwischen besteuerbaren Erlösen und solchen Erlösen, die der Steuerstun-

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Das Panel nahm in seinem Bericht eine restriktive, isolierende Sichtweise ein und sah in der zinsfreien Steuerstundung, die das DISC-Regime vorsah, eine Exportsubvention gegeben. Überdies sei der nachgewiesene Anteil an der Exporttätigkeit der USA als erheblich einzustufen und somit ein Verstoß gegen die Verpflichtung des Art. XVI Abs. 4 GATT gegeben.355 Auch könne eine Wettbewerbsverzerrung durch steuerliche Normen anderer Mitgliedstaaten nicht die Einführung einer vergleichbaren US-Regelung rechtfertigen. Vielmehr seien die kritisierten Normen selbst durch das Beihilferegime zu prüfen.356 2. Das Steuersystem Frankreichs, Belgiens und der Niederlande Der Gegenvorwurf der USA betraf zunächst das französische Steuersystem.357 Aufgrund des in Frankreich realisierten Territorialsteuersystems unterlag eine französische Kapitalgesellschaft nur für die im Inland anfallende Geschäftstätigkeit der französischen Körperschaftsteuer.358 Gleichermaßen unterlagen auch ausländische Tochtergesellschaften grundsätzlich nicht der französischen Besteuerung. Ab einer Mindestbeteiligung von 10% an einer ausländischen Kapitalgesellschaft gewährte Frankreich überdies ein Schachtelprivileg für Dividendenausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften. In Belgien galt das Welteinkommenssystem für Gebietsansässige.359 Aber auch hier wurden die Einkünfte der ausländischen Tochtergesellschaften belgischer Unternehmen nicht mit belgischer Körperschaftsteuer belegt. Vielmehr unterlagen diese ausschließlich der Ertragsbesteuerung durch den jeweiligen Sitzstaat. Dividendenzahlungen ausländischer Gesellschaften an dung unterliegen. Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 38. 355 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 67–76; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 554; vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 981; vgl. Luja, Intertax, 1999, S. 211. Diese Entscheidung blieb nicht ohne Kritik. So sei die Preiswirkung der zinsfreien Steuerstundung minimal. Insbesondere stehe sie in keinem Verhältnis zu der in Europa gegebenen vollständigen Freistellung der ausländischen Einkünfte. Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, 772–773. Gem. Art. XVI Abs. 4 GATT 1947 war eine Ausfuhrsubvention nur verboten, sofern diese mit einer Preiswirkung verbunden war. 356 Vgl. GATT Panel Report, United States Tax Legislation (DISC), L/4422, 2. November 1976, BISD/23S/98; Randnr. 79. 357 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by France, L/4423, 2. November 1976, BISD/23S/114; vgl. Luja, Intertax 1999, S. 211 u. 212; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 62–64. 358 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by France, L/4423, 2. November 1976, BISD/23S/114, Randnr. 8. 359 Vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 64–65.

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die belgische Mutter wurden zu 95% von der belgischen Steuer freigestellt.360 In gleicher Weise galt schließlich für die Niederlande im Grundsatz das Welteinkommensprinzip. Durch unilaterale Maßnahmen seitens der Niederlande wurde für die Fälle, in denen keine Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen waren und die ausländischen Einkünfte einer Besteuerung im Ausland unterlagen, eine weit reichende Steuerentlastung ermöglicht.361 Damit war im Ergebnis sowohl für Belgien als auch für die Niederlande eine vergleichbare Regelung wie in Frankreich gegeben,362 die nach Ansicht der USA trotz des bestehenden Welteinkommenssystems für die Besteuerung ausländischer Betriebsgesellschaften in der Praxis eine Besteuerung nach dem Territorialitätsprinzips ergab.363 Umso mehr, als die USA einheitlich sowohl Frankreich eine nicht ausreichende Sicherstellung der Anwendung des „arms length principle“ vorwarf364 als auch beim belgischen und niederländischen Steuersystem eine mangelnde Kontrolle der Konzernverrechnungspreise365 und damit gleichfalls einen Verstoß gegen das „arms length principle“366 monierte. Die laxe Anwendung des „arms length principle“ sei nach Auffassung der USA infolge des Territorialitätsprinzips besonders bedenklich, da ausländische Vertriebsgesellschaften nicht der inländischen Besteuerung unterlägen und somit die jeweiligen Regierungen verstärkt der Versuchung ausgesetzt seien, über die Zuweisung des Steuersubstrates eine weitergehende steuerliche Subventionierung des Exportvorgangs zu erzielen. Insgesamt betrachtet unterlägen im Ergebnis bei allen drei Steuersystemen, so der Vorwurf der USA, Exportgewinne einer geringeren Steuerlast als der vergleichbare, rein inländische Sachverhalt367, 360 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by Belgium, L/4424, 2. November 1976, BISD/23S/127, Randnr. 8–13. 361 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by the Netherlands, L/4425, 2. November 1976, BISD/23S/137; Randnr. 12 u. 23; vgl. FischerZernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 65–66. 362 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 212; vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, 774. 363 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by Belgium, L/4424, 2. November 1976, BISD/23S/127, Randnr. 15; vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by the Netherlands, L/4425, 2. November 1976, BISD/23S/137; Randnr. 14. 364 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by France, L/4423, 2. November 1976, BISD/23S/114, Randnr. 26. 365 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by Belgium, L/4424, 2. November 1976, BISD/23S/127, Randnr. 13 u.23. 366 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by the Netherlands, L/4425, 2. November 1976, BISD/23S/137; Randnr. 8–12. 367 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 150–151; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 66.

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sofern das ausländische Ertragsteuerniveau niedriger sei als das inländische Steuerniveau. In den Steuersystemen Frankreichs, Belgiens und der Niederlande sei daher ein Verstoß gegen Art. XVI Abs. 4 GATT 1947 gegeben.368 Zum Verständnis der Argumentation soll der wesentliche Unterschied zwischen der DISC-Gesetzgebung und den durch die USA kritisierten europäischen Steuersystemen nochmals kurz verdeutlicht werden.369 Die DISCGesetzgebung sieht eine diskriminierende Freistellung der inländischen Besteuerung für Exportfirmen mit Sitz im Inland vor. Zudem war durch die US-Gesetzgebung ausdrücklich beabsichtigt, Exporte im Vergleich zum Inland steuerlich besser zu stellen, womit ein Export begünstigender Verstoß gegen das allgemeine Steuersystem des Landes gegeben war.370 Ob dies letztlich dazu diente, einen vermuteten Wettbewerbsnachteil auszugleichen, ist für die Beurteilung, ob hierin eine Exportsubvention zu sehen ist, irrelevant. Entscheidend ist der diskriminierende Belastungsunterschied im Vergleich zum Binnenhandel, welcher mit einer Preiswirkung für die Exportwaren verbunden ist. Im Gegensatz zur DISC-Gesetzgebung ist durch den Vorwurf gegen das Steuersystem der genannten europäischen Staaten die gesamte steuerliche Belastung des Exportvorgangs zu beurteilen. Zunächst unterliegt der Exportvorgang für die im Inland erfolgte Geschäftsaktivität keiner anderen Belastung mit direkten Steuern, als dies auch für eine identische Geschäftsaktivität des vergleichbaren Binnenvorgangs gegeben wäre. Die kritisierte Entlastung des Exportgeschäfts entsteht erst bei Berücksichtung einer niedrigeren Besteuerung ausländischer Vertriebsgesellschaften oder ähnlicher Unternehmensorganisationen im Ausland, die infolge des Territorialsystems generell nicht der inländischen Besteuerung unterliegen. An dieser Stelle ist ein zweiter entscheidender Unterschied zur DISC-Regelung festzustellen. Die europäischen Steuersysteme sehen allgemein keine Besteuerung für eine ausländische Geschäftstätigkeit vor. Die Entscheidung, welche Geschäftstätigkeit im Ausland in welcher Höhe besteuert wird, steht dem ausländischen Staat zu.371 Dies kann in bestimmten Konstellationen zu einer steuerlichen Begünstigung einer ausländischen Vertriebsgesellschaft führen, die auch geeignet erscheint, einen Export zu fördern. Allein ist die Export368 Vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by France, L/4423, 2. November 1976, BISD/23S/114, Randnr. 18; vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by Belgium, L/4424, 2. November 1976, BISD/23S/127, Randnr. 15; vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by the Netherlands, L/4425, 2. November 1976, BISD/23S/137; Randnr. 14. 369 Vgl. hierzu bereits ausführlich Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 66–68. 370 Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 775. 371 Vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen (1985), S. 6–7.

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förderung selbst nicht Ziel der steuerlichen Regelung, sondern ein Nebeneffekt des Territorialitätsprinzips, welches überdies bereits lange vor Geltung des GATT 1947 Anwendung fand.372 Der Panelbericht kam dennoch zu dem Ergebnis, dass die Steuernormen Frankreichs, Belgiens und der Niederlande infolge des Territorialitätsprinzips ausländische Aktivitäten einer niedrigeren Belastung unterwerfe, als dies für die gleichen wirtschaftlichen Aktivitäten im Inland gegeben wäre. Auch wenn eine Subventionierung des Exportes nicht die politische Zielsetzung der Norm widerspiegele, sondern vielmehr als Nebeneffekt des jeweiligen Steuersystems anzusehen sei, entschied das Panel dennoch in allen drei Fällen, dass die gegebenen direkten Steuersysteme mit den Anforderungen des Art. XVI Abs. 4 GATT 1947 nicht vereinbar seien.373 Wäre das Ergebnis der Panelberichte unverändert übernommen worden, dann wäre das Territorialitätsprinzip für die direkte Besteuerung weitgehend infrage gestellt.374 Aber auch die erheblichen Konfliktpotenziale in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen, die zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung eine Freistellung vorsehen, sind offensichtlich.375 3. Das begleitende Understanding 1981 Aufgrund des im GATT 1947 enthaltenen Konsensprinzips, welches das Streitbeilegungsverfahren des GATT 1947 in seiner Wirkung erheblich einschränkte, aber auch in Hinblick auf die beträchtlichen politischen Differenzen, die mit dem Steuerstreitfall verbunden waren, sollte es fünf Jahre dauern, bis die USA schließlich der Annahme der Panelberichte zustimmte376, ohne jedoch zuzugeben, dass durch die DISC-Gesetzgebung ein Verstoß gegen das GATT 1947 gegeben war.377 Um die Annahme letztendlich zu erreichen, wurden die Ergebnisse des Panelberichts durch ein begleitendes Understanding modifiziert. Entsprechend erfolgte 1981 nach kontroverser 372 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 151; vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 775. 373 GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by France, L/4423, 2. November 1976, BISD/23S/114; Randnr. 47–48; vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by Belgium, L/4424, 2. November 1976, BISD/23S/127, Randnr. 35; vgl. GATT Panel Report, Income Tax Practices Maintained by the Netherlands, L/4425, 2. November 1976, BISD/23S/137, Randnr. 35. 374 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 151; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 70. 375 Vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 71. 376 Allein die Frage der personellen Besetzung des GATT-Panels nahm zweieinhalb Jahre in Anspruch. Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 762–763. 377 Vgl. Gray, Harvard International law journal 1985, S. 296–297.

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Diskussion durch den GATT-Rat unter Berücksichtigung des begleitenden Understandings 1981 die Annahme des Steuerfalls.378 Das die Panelberichte ergänzende Understanding 1981 trifft drei Kernaussagen, die für das internationale Steuerrecht von Interesse sind. „The Council adopts these reports on the understanding that with respect to these cases, and in general, economic processes (including transactions involving exported goods) located outside the territorial limits of the exporting country need not be subject to taxation by the exporting country and should not be regarded as export activities in terms of Article XVI:4 of the General Agreement. It is further understood that Article XVI:4 requires that arm’s-length pricing be observed, i. e., prices for goods in transactions between exporting enterprises and foreign buyers under their or the same control should for tax purposes be the prices which would be charged between independent enterprises acting at arm’s length. Furthermore, Article XVI:4 does not prohibit the adoption of measures to avoid double taxation of foreign source income.“379

So sind im Sinne des Understandings 1981 erstens wirtschaftliche Prozesse – dies beinhaltet klarstellend auch Exportgüter betreffende Transaktionen, die außerhalb des Territoriums eines exportierenden Mitgliedstaates stattfinden – nicht als Exportaktivität i. S. d. Art. XVI Abs. 4 GATT anzusehen. Ein Verzicht der Besteuerung derartiger Prozesse stellt somit keine Exportsubvention dar. Mit dem Verzicht auf eine etwaige Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Besteuerung des ausländischen Anteils eines Exportvorgangs ermöglicht das Understanding 1981 den Mitgliedstaaten weiterhin die Besteuerung nach dem Territorialitätsprinzip.380 Eine Freistellung ausländischer Einkünfte, auch wenn diese funktional in den wirtschaftlichen Exportprozess integriert sind, bleibt ohne Auswirkung für den Tatbestand der Exportsubvention. Um einer möglichen Exportsubvention in Form der Verlagerungen des Steuersubstrates in ein Niedrigsteuerland zu begegnen, sind die Mitgliedstaaten zweitens dazu angehalten, das „arms length principle“ anzuwenden. So ist sicherzustellen, dass der Anteil des Exportes, der dem Exportstaat zuzurechnen ist, der inländischen, allgemein gültigen Ertragsteuerbelastung unterliegt. Dieses Prinzip fand in der Folge Eingang in das ASCM in Form der Fußnote 59, der Beispielliste verbotener Exportsubven378 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 151; vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 208; vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 128–129; vgl. Hauser, in: Müller/ Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 187; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 71. 379 Vgl. Tax Legislation, BISD 28S/114, v. 7–8 December 1981. 380 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 212; vgl. Gray, Harvard International Law Journal 1985, S. 296–297. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kaum vereinbar, berücksichtigt man die tatsächliche Bedeutung der Freistellung der ausländischen Einkünfte für die internationalen Handelsströme. Jackson noch vor dem begleitenden Understanding 1981. Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 780.

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tionen im Anhang I ASCM. Drittens verbietet Art. XVI Abs. 4 GATT keine steuerlichen Regelungen, die zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausländischer Einkünfte dienen.381 Auch dieser Teil des Understandings 1981 findet sich heute in der Fußnote 59 des ASCM geregelt. II. Foreign Sales Corporations (FSC)-Regime 1984–2000 Die USA reagierten durch eine Änderung der Gesetzgebung, ohne im Kern das dem DISC-Regime innewohnende Konzept aufzugeben.382 Das in der Folge 1984 eingeführte „Foreign Sales Corporations (FSC)“-Regime383 ermöglichte daher eine ähnliche Steuererleichterung wie das DISC384, wurde aber so ausgestaltet, dass es auf der Grundlage der WTO nur schwer angreifbar war. Denn in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Understandings 1981 wurde durch das FSC-Regime die Vertriebsgesellschaft nunmehr ins Ausland verlagert.385 1. Die US-Steuergesetzgebung Die Foreign Sales Corporation musste sich hierbei in einem durch die amerikanische Finanzverwaltung akzeptierten Land, einem sog. „qualified foreign country or US possession outside the customs territory of the United States“386, welches der USA Steuerinformationen zur Verfügung stellt, niederlassen. Um die Voraussetzungen des FSC-Regimes zu erfüllen, musste die US-Muttergesellschaft ihre Güter über den Umweg ihrer FSC an die Endverbraucher verkaufen. Die Besteuerung der FSC unterschied sich 381 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 553; vgl. Luja, Intertax 1999, S. 212; vgl. Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern (1996), S. 72. 382 „(. . .) that the FSC legislation was designed to be functionally equivalent to the DISC.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20 March 2000, S. 34, Randnr. 4.176. 383 Eine ausführliche Darstellung des FSC-Falles findet sich beispielsweise bei Stehmann, JWT 2000, S. 127–156. 384 Entsprechend warf die EG auch der USA vor, dass das FSC-Regime eine Exportsubvention in ähnlicher Höhe wie das frühere DISC System generiert. Eine ähnliche Steuererleichterung war andererseits auch die erklärte Intention des US-Kongresses. Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 128 u. 130 sowie S. 140; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 554. 385 Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 130; vgl. Luja, Intertax 1999, S. 212. Entsprechend ging die Regierung der USA bei der Einführung der FSC-Gesetzgebung auch davon aus, dass die Gesetzgebung mit Art. XVI Abs. 4 GATT 1947 vereinbar ist. Vgl. Gray, Harvard International Law Journal 1985, S. 302. 386 Üblicherweise die Virgin Islands oder Barbados. Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 154, Randnr. 131.

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in drei Bereichen von der sonst im Internal Revenue Code der USA vorgesehenen Vorgehensweise.387 Erfüllte die FSC388 die gestellten Anforderungen an deren wirtschaftliche Substanz und trat als Vertriebsgesellschaft für „export property“389 auf, dann wurde ein bestimmter Anteil der ausländischen Einkünfte ohne weitere Nachprüfung als „foreign source income which is not effectively connected with the conduct of trade or business within the United States“ angesehen und von der Besteuerung freigestellt.390 Die Aufteilung der Einkünfte zwischen der Mutter und der FSC erfolgte auf der Grundlage dreier administrativer Transferpreisregeln.391 Der verbleibende Anteil der ausländischen Einkünfte der FSC unterlag der Besteuerung in den USA.392 Üblicherweise unterliegen in den USA Ausschüttungen ausländischer Gesellschaften der Besteuerung. Dagegen war eine mögliche Ausschüttung der FSC an die Mutter in dem Umfang der Einkünfte, die mit dem „export property“ erzielt und entsprechend als qualifizierte Transaktion eingestuft wurden, in den USA steuerfrei.393 Des Weiteren fanden anti-deferral Regeln, wie die CFC-Legislation, keine Anwendung.394 2. Der Panel- und Appellate Body-Bericht Die EG sah auch im FSC-Regime den Tatbestand einer Exportsubvention erfüllt395 und ging 1998, nunmehr im Rahmen der WTO, auf der Grundlage 387

Vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 209. „An FSC is a corporation created or organised in certain foreign countries or US possessions to obtain a US tax exemption on a portion of its earnings generated by the sale or lease of export property.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 35, Randnr. 4.180. 389 „(1) manufactured, produced, grown, or extracted in the United States by a person other than an FSC; (2) held primarily for sale, lease, or rental, in the ordinary course of trade or business, by or to an FSC, for direct use, consumption, or disposition outside the United States; and (3) not more than 50% of the fair market value of which is attributable to articles imported into the United States.“ Wie schon in der DISC-Gesetzgebung waren hiervon bestimmte Bereiche ausgenommen. Dies betraf unter anderem Konzernleasinggeschäfte, immaterielle Güter wie Patente, Erfindungen, Verfahren oder ähnliches sowie Öl und Gas. Vgl. Gray, Harvard International Law Journal 1985, S. 300, Randnr. 42. 390 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 189; vgl. Gray, Harvard International Law Journal 1985, S. 300. 391 Vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 209. 392 Vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 983. 393 Vgl. Gray, Harvard International Law Journal 1985, S. 301. 394 Vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 209; vgl. Hauser, in: Müller/ Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 189. 388

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des reformierten Subventionsverfahrens gegen das amerikanische Steuerregime vor.396 Nach Ansicht der USA seien die FSC im Ausland angesiedelt und würden aufgrund der Anforderungen im Rahmen des FSC-Regimes dort auch funktionale Verantwortung für bestimmte wirtschaftliche Prozesse im Ausland tragen, um die steuerlichen Vorteile des FSC zu generieren.397 Durch das FSC-Regime wurden die verkaufsbezogenen, wirtschaftlichen Aktivitäten im Ausland freigestellt. Einkommen, welche im Ausland generiert würden, so die Schlussfolgerung der USA aus dem Understanding 1981, müssten auch bei einem Welteinkommenssystem nicht mit direkten Steuern belastet werden.398 Der Verzicht der Besteuerung des Einkommens, welches auf ausländische Exportaktivitäten entfällt, ist laut ASCM gleichermaßen nicht als Exportsubvention anzusehen. Auch wenn diese Regelung nicht direkt Eingang in Fußnote 59 des ASCM fand, ist sie dennoch als Grundprinzip durch die WTO-Mitglieder und insbesondere die europäischen Staaten anerkannt.399 Überdies sei die Anwendung des „arms length principle“, welches in die Fußnote 59 aufgenommen worden sei und der ausdrücklich erwünschten Abgrenzung des Einkommens zwischen den am Export beteiligten Staaten diene, sinnentleert, wenn synchron eine Verpflichtung zur Versteuerung des gesamten Exportvorgangs im Inland entstehe.400 Weiter argumentierte die US-amerikanische Regierung, es müsse auch bei Anwendung des Welteinkommenssystems mit Anrechnung jedem Land die Möglichkeit offen stehen, Steuernormen einzufügen, die im Ergebnis die gleiche Wirkung für ausländische Niederlassungen entstehen ließen, wie es bei Anwendung des Territorialitätsprinzips gegeben sei.401 395 Die EG wurde in dieser Auffassung durch Japan und Kanada unterstützt. Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 127. 396 Auch durch die OECD wurde das amerikanische „Foreign Sales Corporation“-Regime als präferierendes Steuerregime, welches für den internationalen Steuerwettbewerb potenziell schädlich ist, eingestuft. Einschränkend wird in einer Fußnote diese Einschätzung insoweit revidiert, als dies nur für den Bereich der mobilen Finanz- und anderer Serviceaktivitäten gelte und überdies aus der Bewertung im OECD-Report keinerlei Auswirkung für Handelsdispute zu entnehmen sei. Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 14 und Fußnote 11. 397 Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 144–145. 398 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 153. 399 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 66, Randnr. 4.367. 400 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 66, Randnr. 4.366. 401 Gemeint ist die Freistellung der Einkünfte ausländischer Niederlassungen. Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“,

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Die juristische Einordnung des Understandings 1981 war dann auch der neuralgische Punkt des FSC-Falles. Während die USA die Ansicht vertraten, dass das Understanding 1981 weiter Gültigkeit behalten solle402, kam das Panel in Übereinstimmung mit der europäischen Sichtweise403 zu der Überzeugung, dass das Understanding aus dem Jahr 1981 keinen Bestandteil des GATT 1994 darstelle und keine weitere Bedeutung für das ASCM entfalte.404 Dieser Auffassung schloss sich auch der Appellate Body, gleichsam die zweite Instanz des Streitbeilegungsverfahrens, an. Denn der Regelungsumfang des Art. 3 Abs. 1 ASCM im Vergleich zum Art. XVI Abs. 4 GATT 1994 sei erheblich erweitert, sodass das Understanding 1981 nicht zur Interpretation herangezogen werden könne.405 Überdies wurde bei Annahme des Understandings 1981 eine Auswirkung auf den zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Subventionskodex 79 ausgeschlossen.406 Damit konnte die Rechtfertigung des FSC durch die USA nicht greifen. Denn die Argumentation stützte sich im Wesentlichen darauf, dass im Understanding 1981 eine steuerliche Freistellung des ausländischen Exportanteils nicht als Subvention eingestuft wurde. Durch die steuerliche Begünstigung der FSCGesetzgebung wäre bei dieser Auslegung des Understandings 1981 dann auch kein Verstoß gegen den „otherwise due“-Test gegeben. WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 282, Randnr. 4.320; vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 130. 402 Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 144; vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20 March 2000, S. 259, Randnr. 7.50. 403 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 259, Randnr. 7.51. 404 „In conclusion, we do not consider that the 1981 understanding is part of GATT 1994, nor that it represents subsequent practice in the application of GATT 1947 establishing the agreement of the contracting parties regarding its interpretation. The 1981 understanding is in our view a ‚decision‘ within the meaning of Article XVI:1 of the WTO Agreement which shall ‚guide‘ the WTO to the extent relevant. However, we consider that the 1981 understanding cannot provide guidance in understanding detailed provisions of the SCM Agreement which did not exist at the time the understanding was adopted.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 271, Randnr. 7.85; vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 986. 405 Während durch Art. XVI Abs. 4 GATT 1947 nur Ausfuhrsubventionen verboten waren, die mit einem niedrigeren Preis der Exportwaren im Vergleich zu den „like products“ im Inland verbunden waren, ist durch Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM potenziell jede Subvention, die an eine Ausfuhr gebunden ist, erfasst. Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/ DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 117. 406 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 118. Der Subventionskodex 79 war der Vorläufer des heutigen ASCM. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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Auch das zweite Argument der USA, dass dann jedenfalls – bei Einhaltung des „arms length principle“ zur Gewinnabgrenzung – durch das FSCRegime ein Mittel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gegeben sei, konnte den Appellate Body nicht überzeugen.407 Die USA hatten es versäumt, diesen Rechtfertigungsgrund in erster Instanz dem Panel vorzutragen. Entsprechend versagte der Appellate Body aus verfahrensrechtlichen Erwägungen die Beurteilung dieses Aspektes.408 Die Auswirkung des letzten Satzes der Fußnote 59, der Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für Einkommen aus ausländischen Quellen ermöglicht, wurde erst im Rahmen des ETI-Falles durch das Panel und den Appellate Body diskutiert.409 Im Ergebnis sah das Panel in der FSC-Gesetzgebung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM gegeben. Hierbei verglich das Panel die Steuerbelastung von Unternehmen, die nicht auf das FSC-Regime zurückgreifen können und dementsprechend dem allgemeinen Steuerniveau des Exportlandes unterliegen, mit der Steuerlast der Unternehmen, die sich eines FSCRegimes bedienen. In diesem Belastungsvergleich wurde deutlich, dass eine diskriminierende Besteuerung gegeben ist. So wurden Exporteinkommen mit bis zu 30% von der sonst fälligen Besteuerung befreit. Damit ist im FSC-Regime eine Exportsubvention zu sehen.410 Auch der Appellate Body schloss sich dieser Auffassung an.411 Am 20. März 2000 wurde der „Appellate Body“-Report durch den Dispute Settlement Body angenommen und die Entscheidung entsprechend rechtsverbindlich.412 Die USA hoben in der Folge die FSC-Gesetzgebung durch den „FSC Repeal and Extraterritorial Income Exclusion Act“ vom 15. November 2000, verbunden mit einer Übergangsfrist zum 31. Dezember 2001, auf.413 407 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 154; vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 983–984; vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 130. 408 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 100–103. 409 Vgl. Drittter Teil, 3. Kapitel, C.III.; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 558. 410 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 276 Randnr. 7.103 u. S. 293 Randnr. 8.1 lit. a); vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 985. 411 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 177 lit. a). 412 Vgl. Feddersen, ISTR 2001, S. 555. Angenommene Panel- und „Appellate Body“-Berichte binden die beteiligten Streitparteien. Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 44. 413 Vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 985. Bei dem FSC-Fall wurde gleichzeitig die Effizienz des neuen Dispute Settlement Body (DSB) ersichtlich. Die oftmals als quälend empfundene Verhandlungsdauer wurde beim FSC-Fall deutlich reduziert. Vgl. Stehmann, JWT 2000, S. 131.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

III. Extraterritorial Income Exclusion Act (ETI-Regime) 2000–2004 Wie bereits infolge der DISC-Entscheidung ersetzte die USA auch dieses Mal das durch die WTO verurteilte Regime durch ein System, das eine ähnliche Steuererleichterung für Exportfirmen vorsieht. Erneut versuchten die USA, die Verpflichtungen aus dem FSC-Fall umzusetzen, ohne die zugrunde liegende Zielrichtung einer steuerlichen Exporterleichterung aufzugeben. Dieses Mal stützte die US-Regierung das Vorhaben insbesondere auf die Aussage des Appellate Body, dass eine steuerliche Freistellung bestimmter Einkommensarten, sofern sie als Bestandteil des allgemeinen steuerlichen Systems anzusehen sind, nicht als Subvention einzustufen sind.414 1. Die US-Steuergesetzgebung Das ETI-Regime verzichtet im Unterschied zur FSC-Gesetzgebung auf die Einrichtung einer Zwischengesellschaft und ermöglicht damit, wie in der DISC-Gesetzgebung, die Steuererleichterung direkt bei der amerikanischen Exportfirma.415 Steuertechnisch setzt das ETI direkt an die Bemessungsgrundlage des Internal Revenue Codes (IRC) an. So wird gemäß Sec. 114 a) IRC „extraterritorial income“ für die Bestimmung des „gross income“ nicht berücksichtigt, sofern dies gemäß Sec 114. b) IRC als „foreign trade income“ anzusehen ist. Weitergehend erläutert Sec. 114 (e) IRC, dass das „extraterritorial income“ das Bruttoeinkommen beinhaltet, welches ein Steuerpflichtiger aus Auslandseinnahmen i. S. d. Sec. 942 IRC erzielt. Dort findet sich schließlich wiederum der Verweis auf alle Einnahmen des Steuerpflichtigen, die dieser aus Verkauf, Leasing oder Vermietung des „qualifying foreign trade property“416 oder aus in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen erzielt.417 Voraussetzung hierfür ist gemäß Sec. 942 (a) 2 IRC allerdings, dass eine Ausfuhr erfolgt, d.h. der Verbrauch der Waren im Ausland erfolgt.418 414

„A Member, in principle, has the sovereign authority to tax any particular categories of revenue it wishes. It is also free not to tax any particular categories of revenues. But, in both instances, the Member must respect its WTO obligations. What is ‚otherwise due‘, therefore, depends on the rules of taxation that each Member, by its own choice, establishes for itself.“ Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 90. 415 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 557. 416 Vgl. Sec. 942 (a) (1) (a) und (b) IRC. 417 Vgl. Sec. 942 (a) (1) (c) IRC. 418 Vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 984–985.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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Der Begriff „qualifying foreign trade property“ i. S. d. Sec 943 (a) IRC beinhaltet Güter unabhängig davon, ob deren Ursprung innerhalb oder außerhalb der USA liegt, die für Verkauf, Leasing oder Vermietung vorgesehen sind und im üblichen Geschäftsverlauf außerhalb der USA verwendet werden. Überdies darf der wertmäßige Anteil der Waren zu Marktwerten, die von außerhalb der USA stammen – d.h. der im Ausland anfallende Anteil der Arbeitskosten gemessen zu Marktwerten –, nicht 50% des Gesamtwertes der Waren übersteigen.419 Im Ergebnis müssen daher Exportwaren im Ausland konsumiert werden und bezüglich der materiellen Warenanteile und der Arbeitsleistung zu mindestens 50% des Marktwertes in den USA generiert werden, um als „qualifying foreign trade property“ eingestuft zu werden.420 Dagegen kann der Anteil an immateriellen Gütern hinsichtlich der Wertschöpfung beliebig seinen Ursprung im In- oder Ausland finden. Entsprechend ist u. U. auch bei einem ausländischen Anteil von mehr als 50% an der Wertschöpfung zu fair value der Exportgüter eine Steuererleichterung i. S. d. ETI ermöglicht.421 Sec. 114. b) IRC begrenzt die Abzugsfähigkeit des „extraterritorial income“ auf das „foreign trade income“. Die Kappung des durch das ETI vorgesehenen Steuervorteils findet sich in Sec. 941 IRC normiert und beinhaltet drei alternative Obergrenzen. So kann, je nach Transaktion, das Bruttoeinkommen um das „foreign trade income“ in einer Höhe reduziert werden, welche dem Gegenwert von gemäß Sec. 941. (a) (1) (A) IRC 30% des durch den Steuerpflichtigen im Ausland erzielten Verkaufs- oder Leasingeinkommens, gemäß Sec 941. (a) (1) (B) IRC 1,2% der im Ausland erzielten Einnahmen oder schließlich gemäß Sec. 941 (a) (1) (C) IRC 15% des durch den Außenhandel generierten Einkommens des Steuerpflichtigen entspricht.422 Schließlich ist durch Sec. 114 (d) IRC die Anrechenbarkeit ausländischer Steuern, die auf das „extraterritorial income“ entfallen, ausgeschlossen. Vergleicht man die durch das ETI vorgesehene Steuererleichterung mit seinem Vorgänger, so ist augenfällig, dass Sec. 941 (a) 1(1) (A) IRC 419

Vgl. Sec. 943 (a) (1) (c) IRC. Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 157. 421 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.131; vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 211. 422 Als weitere Kappungsgrenze darf ein Abzug, der auf Basis des Sec. 941 (a) (1) (B) IRC erfolgt, 200% des unter Sec. 941 (a) (1) (C) IRC ermittelten Abzugsbetrags nicht überschreiten. Vgl. Sec. 941 (a) (1) IRC. 420

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

ebenfalls eine Reduktion des zu versteuernden US-Bruttoeinkommens um bis zu 30% des Exporteinkommens vorsieht. Dies entspricht im Wesentlichen der steuerlichen Erleichterung i. H. v. 15–30%, die auch für das FSC gegeben war.423 2. Art. 21 Abs. 5 DSU-Verfahren Erneut zeigte die EG sich mit der US-Reaktion unzufrieden und strengte ein weiteres Verfahren gegen die nunmehr geltende Regelung an. Dieses Mal erfolgte die Einrichtung des Panels und des Appellate Body auf Grundlage des Art. 21 Abs. 5 DSU.424 Hierbei handelt es sich um ein Überprüfungsverfahren, welches Anwendung findet, falls Streitigkeiten zwischen den beteiligten Parteien über die erfolgte Umsetzung der aus den DSBEmpfehlungen zu entnehmenden Verpflichtungen entstehen.425 a) Verbotene Exportsubvention Art. 3 ASCM Zunächst ist in der durch Sec. 114 IRC vorgesehenen Steuererleichterung für „qualifying foreign trade income“ eine steuerliche Entlastung gegeben, die als Subvention i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. a) (1) (ii) ASCM einzustufen ist. In gleicher Weise wie beim „otherwise due“-Test des FSC-Falles426 wurde auch hier der Vergleich zwischen der Besteuerung des „extraterritorial income“ und der für den rein inländischen Sachverhalt üblichen Besteuerung geprüft.427 Das Panel folgte hierbei nicht der Auffassung der USA, dass hier keine Subvention vorliege, da „extraterritorial income“ im Allgemeinen nicht in die Bemessungsgrundlage eingehe und damit generell nicht der Besteuerung unterliege. Im Sinne des durch den Appellate Body im FSC-Fall geforderten Benchmarks sei also der Vergleichsmaßstab für diese Einkom423 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 276, Randnr. 7.103; entsprechend sieht auch Feddersen weitgehende Übereinstimmungen. Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 557. Ähnlich Quereshi/Grynberg: „The ETI and the excluded income are calculated in very similar ways to the foreign trade income and the exempted income under the FSC regime.“ Vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 983–984. 424 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 158–160; vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 210; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 555. 425 Vgl. Mauderer, Der Wandel (2001), S. 39–40. 426 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 90. 427 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.25; vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 986; vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 557.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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mensart die generelle Freistellung. Der „otherwise due“-Test müsse sich eben mit diesem „Normalfall“ auseinander setzen.428 Zwar kann, wie der Appellate Body im FSC-Bericht herausstellt, ein Mitgliedstaat auch bestimmte Erlöse und damit auch eine Einkommensart von der Besteuerung freistellen, diese Freistellung muss aber dennoch den durch die WTO entstehenden Verpflichtungen genügen.429 Dieser Anforderung kann, nach Auffassung des Panels, eine rein formal begründete Entscheidung nicht entsprechen.430 Überdies ist durch die ETI-Gesetzgebung nicht jedes „extraterritorial income“ von der Besteuerung ausgenommen, sodass die genannte Einkommenskategorie an sich schon inkonsistent ist. Denn Einkommen, welches nicht im Zusammenhang mit „foreign trade income“ i. S. d. Sec. 941 IRC durch „qualifying foreign trade property“ erzielt wird, unterliegt durchaus der Besteuerung. Entsprechend ist umgekehrt durch die Freistellung des Einkommens, welche den speziellen Anforderungen des ETI genügt, ein Verzicht auf die hier sonst anfallenden Steuern gegeben.431 Überdies ist die durch das ETI vorgesehene Steuererleichterung an eine Ausfuhr gebunden. Auch wenn der US-Regierung zuzustimmen ist, wenn sie argumentiert, dass die im ETI vorgesehene Steuererleichterung nicht nur Exportwaren zur Verfügung steht, sondern beispielsweise auch auf eine Produktion im Ausland entfällt (in diesem Fall müssen die dort produzierten Güter entsprechend auch nicht aus den USA exportiert werden), ist dennoch durch die gesetzliche Regelung des ETI eben auch eine Subventionierung der heimischen Exportgüter gegeben.432 Für die Einstufung als eine verbotene Subvention ist es nicht erforderlich, dass diese ausschließlich an die Ausfuhr gebunden ist. Entscheidend für die Einstufung als verbotene Ausfuhrsubvention i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM ist, dass die Steuerver428 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.33. 429 „A Member, in principle, has the sovereign authority to tax any particular categories of revenue it wishes. It is also free not to tax any particular categories of revenues. But, in both instances, the Member must respect its WTO obligations.“ Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 90. 430 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.37. 431 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.41 u. 8.43. 432 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.61 u. 8.64.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

günstigung für die in den USA produzierten Waren nur im Exportfall gewährt wird, während bei Verbleib der Waren im Inland keine vergleichbare Steuererleichterung gegeben ist. Die Möglichkeit, dass auch andere Steuerpflichtige in den Genuss des steuerlichen Vorteils gelangen können, bleibt für diese Beurteilung entsprechend unbeachtlich.433 Nach Auffassung der USA sei jedenfalls in der ETI-Gesetzgebung eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gegeben. Entsprechend ist die vorgesehene Steuerfreistellung, auch wenn sie als Exportsubvention einzustufen sei, nicht verboten. Solche Maßnahmen sind gemäß Fußnote 59 ASCM ausdrücklich von dem bestehenden Verbot der Ausfuhrsubventionen ausgenommen. Dagegen vertraten die Vertreter der EG die Ansicht, Fußnote 59 ASCM könne hier keine Anwendung finden, da die ETI-Gesetzgebung schlicht keine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens aus ausländischen Quellen darstellt. Während es die USA im FSC-Fall versäumt hatten, dieses Argument dem Panel vorzutragen, sollte sich für die Prüfung des ETI das Panel ausführlich mit dieser Frage beschäftigen.434 Das Panel suchte die Klärung der vorgetragenen Rechtfertigung in einer näheren Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen, mithin in der näheren Eingrenzung der Begriffe „Einkommen aus ausländischen Quellen“ („foreign source income“) und „Vermeidung der Doppelbesteuerung“ („to avoid double taxation“). Obgleich sich der Begriff „foreign source income“, wie das Panel zugesteht, auf eine bestimmte Besteuerungskonzeption bezieht, lässt sich der Fußnote 59 dennoch keine feste Definition entnehmen. Das Panel zeigte sich aber auch nicht bereit, eine Definition, die in anderen internationalen Organisationen wie etwa der OECD genutzt wird, zu übernehmen. Andererseits kann der Begriff nicht ausschließlich auf Basis der jeweiligen Steuergesetzgebung des Mitgliedstaates, der sich auf die Fußnote 59 beruft, ausgelegt werden. Ein entsprechender Verweis, wie in Art. XIV GATS enthalten, ist für die Fußnote 59 des ASCM nicht gegeben.435 Damit verbleibt die inhaltliche Präzisierung des Begriffs „Einkommen aus ausländischen Quellen“ durch das Panel vage. Einzig sei aufgrund der mit der Norm verbundenen Zielsetzung der Vermeidung einer Doppelbesteuerung als Grenze zu be433 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.71–8.72. 434 Vgl. Feddersen, IStR 2001, S. 558. 435 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.93, Fußnote 190.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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rücksichtigen, dass ein Einkommen, welches als „Einkommen aus ausländischen Quellen“ anzusehen ist, zumindest potenziell einer Doppelbesteuerung unterliegen müsse.436 In Hinblick auf den zweiten Tatbestand der Vermeidung der Doppelbesteuerung konkretisiert das Panel die Anforderung insoweit, als eine Maßnahme dem Zweck der Vermeidung einer Doppelbesteuerung dienen müsse. Denn letztlich sei es für nahezu jede Norm nicht auszuschließen, dass sie auch eine Doppelbesteuerung vermeiden könne. Diese rein zufällige Wirkung kann dagegen nicht als ausreichend angesehen werden, um eine Rechtfertigung auf Basis der Fußnote 59 ASCM zu ermöglichen. Überdies würde ein solch weites Verständnis der Zielsetzung der Fußnote 59 widersprechen, da sie die Wirkung des Anhang I lit. e) ASCM nahezu komplett aufheben würde.437 Andererseits ist aufgrund der Komplexität der internationalen Besteuerung auch keine Norm denkbar, die exakt nur die Doppelbesteuerung vermeidet. Entsprechend sei für eine Maßnahme, die unter Fußnote 59 zu subsumieren sei, auch nicht erforderlich, dass diese ausschließlich der Vermeidung der Doppelbesteuerung diene. Vielmehr sei hierfür ausreichend, dass diese Zielsetzung deutlich erkennbar sei.438 Übertragen auf das zu beurteilende ETI stellt das Panel zunächst fest, dass die ETI-Gesetzgebung einen sehr weiten Regelungsumfang für eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung umfasst, welcher insbesondere auch ausländisches Einkommen einschließt, das regelmäßig nicht einer ausländischen Besteuerung unterliegt. Hierbei zielt das Panel auf die durch die ETI-Gesetzgebung ermöglichte steuerliche Bevorzugung von Exportgeschäften ab. Diese umfasst auch Einkommen, welches durch Direktgeschäfte generiert werden und regelmäßig nicht der Besteuerung im Importland unterliegen. Die meisten Staaten sehen eine Besteuerung nur für ständige Niederlassungen, beispielsweise in Form einer Betriebstätte, vor. Diese Abgrenzung ist in der ETI-Gesetzgebung nicht zu finden. Zudem ist durch ETI ein weites Spektrum an Einkünften, die potenziell der Besteuerung im Ausland unterliegen, nicht erfasst. So unterliegt auch ein Export, der den spezifischen Anforderungen an Eingangswaren und Arbeitsleistungen ausländischen Ursprungs nicht entspricht, potenziell einer Besteuerung. Darüber hinaus fand das Panel schließlich in den bestehenden 436 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.93. 437 Und damit möglicherweise auch Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM. Die Frage der Reichweite der Ausnahmeregelung in der Fußnote 59 ließ das Panel offen. 438 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.94–8.95.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen der USA ein weiteres Argument. Während ein bestehendes Doppelbesteuerungsabkommen nicht ausschließt, dass andere Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung getroffen werden, ist dennoch in der ETI-Gesetzgebung nicht ersichtlich, dass etwaige Lücken im bestehenden Geflecht der Doppelbesteuerungsabkommen durch das ETI geschlossen werden sollen.439 Damit folgerte das Panel, dass in der ETI-Gesetzgebung keine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Sinn der Fußnote 59 des ASCM zu sehen sei. Auch der Appellate Body bestätigte im Wesentlichen die Ergebnisse des Panels. In seiner Analyse des Falles thematisiert er erneut die drei Hauptaspekte des ETI-Falles. Für die Frage, wann von einer Nichteinhebung der sonst fälligen Steuern ausgegangen werden kann, wurde nochmals der Vergleichsmaßstab analysiert. Zunächst ist grundsätzlich keine steuerliche Subvention gegeben, nur weil der Staat auf die Einhebung einer Steuer verzichtet, die er erheben könnte. Es ist auch nicht erforderlich, ein generell gültiges Besteuerungssystem eines Mitgliedstaates zu identifizieren, um dann die möglicherweise gegebene Ausnahme hiervon zu prüfen. Ein Verstoß gegen einen Vergleichsmaßstab, der einen ähnlichen Sachverhalt besteuert, sodass ein gewisser innerer Zusammenhang zwischen den unterschiedenen Einkommensgruppen ersichtlich ist, kann für die Frage, ob hierin ein Verstoß gegen die sonst fällige Besteuerung gegeben ist, genügen. In den Worten des Appellate Body: „Given the variety and complexity of domestic tax systems, it will usually be very difficult to isolate a ‚general‘ rule of taxation and ‚exceptions‘ to that ‚general‘ rule. Instead, we believe that panels should seek to compare the fiscal treatment of legitimately comparable income to determine whether the contested measure involves the foregoing of revenue which is ‚otherwise due‘, in relation to the income in question“440

Für den US-Steuerpflichtigen, so die Schlussfolgerung des Appellate Body, ist durch die ETI-Gesetzgebung für Einkommen aus ausländischen Quellen die Wahlmöglichkeit zwischen der inländischen Besteuerung unter Anrechnung der ausländischen Steuer und, unter Beachtung der spezifischen Voraussetzungen des ETI, der partiellen Freistellung von der inländischen Besteuerung ermöglicht. Entsprechend sieht das ETI auch eine Freistellung der sonst fälligen Abgaben vor und ist als Subvention i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. a) (ii) ASCM anzusehen.441 439 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.98.–8.105. 440 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 91.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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Hinsichtlich der Abhängigkeit der Subvention von einer Ausfuhr stellt der Appellate Body schlicht fest, dass die ETI-Gesetzgebung zwar sowohl für Waren, die im Inland produziert werden und für den Verbrauch im Ausland bestimmt sind, als auch für Waren, die im Ausland produziert werden und ebenfalls für den Verbrauch im Ausland dienen, Anwendung findet. Allein ist dies für die Einstufung der ersten Warengruppe irrelevant. Denn für Waren, die im Inland produziert werden und im Inland verbleiben, besteht keine Möglichkeit, die gleiche steuerliche Vergünstigung zu erhalten. Für diese Warengruppe ist eine Ausfuhrabhängigkeit der steuerlichen Normen und damit eine verbotene Ausfuhrsubvention festzustellen.442 Einer möglichen Rechtfertigung der ETI-Gesetzgebung auf Basis der Fußnote 59 des ASCM nähert sich der Appellate Body auf der Grundlage einer formaljuristischen Betrachtung. Zunächst ist nach Auffassung des Appellate Body eine Doppelbesteuerung gegeben, falls das gleiche Einkommen desselben Steuerpflichtigen in verschiedenen Staaten der Besteuerung unterliegt. Unter Berücksichtigung des Wortlautes der Norm ist die Fußnote 59 nur auf Maßnahmen anwendbar, die eine Doppelbesteuerung des Einkommens eines inländischen Steuerpflichtigen, welches dieser in einem anderen Mitgliedstaat erzielt, vermeiden. Denn der Begriff „ausländische Quelle“ bedinge, dass das betreffende Einkommen ausländischer Herkunft sei.443 Auch der Appellate Body versäumt es nicht, darauf hinzuweisen, dass der Charakter einer Bereichsausnahme eine restriktive Vorgehensweise in der Bestimmung der Maßnahmen, die zur Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen, gebietet. Entsprechend kann es nicht einem WTO-Mitgliedstaat überlassen sein zu entscheiden, welches Einkommen er als „Einkommen aus einer ausländischen Quelle“ ansieht. In der Bemühung eine Abgrenzung zu finden, greift der Appellate Body in seiner weiteren Argumentation auf die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zurück. Entsprechend wird ein ausgleichsfähiges Einkommen als ein solches Einkommen abgegrenzt, welches ein nichtansässiger Steuerpflichtiger in einem ausländischen Staat aus Aktivitäten bezieht, die mit dem ausländischen Staat dergestalt verbunden sind, dass dies dort zu Recht Gegenstand der Besteue441 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European nities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 105–106. 442 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European nities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 119–120. 443 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European nities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 137.

„Foreign Commu„Foreign Commu„Foreign Commu-

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

rung sein kann.444 Umgekehrt ist eine Freistellung des Einkommens, welches jedenfalls alleinig dem Exportstaat zuzuordnen ist, nicht durch die Fußnote 59 gedeckt. In diesem Fall ist schlicht keine potenzielle Doppelbesteuerung gegeben. Übertragen auf das ETI zieht der Appellate Body den Schluss, dass die Norm sowohl geeignet ist, eine Doppelbesteuerung i. S. d. Fußnote 59 zu vermeiden als auch in erheblichem Umfang Einkommen, welches in keinerlei Verbindung zu ausländischen Tätigkeiten steht und alleinig der Besteuerung der USA unterliegt, von der Besteuerung freizustellen.445 b) Gebot der Inländerbehandlung Art. III Abs. 4 GATT 1994 Die in der ETI-Gesetzgebung für das „foreign trade property“ enthaltene Limitierung ausländischer Waren und Arbeitsleistung führte schließlich zu dem durch die Europäische Gemeinschaft erhobenen Vorwurf, durch diese Regelung sei ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung des Art. III Abs. 4 GATT 1994 gegeben.446 Dieser liegt vor, sofern eine importierte Ware mit einer heimischen gleichartigen Ware im Wettbewerb steht, die Maßnahme als „Gesetze, Verordnungen und sonstige Vorschriften über Verkauf, Angebot, Einkauf, Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland“ anzusehen ist und diese eine weniger gute Behandlung der importierten Waren im Vergleich zu den inländischen Waren beinhalte. Zunächst nahm das Panel zur Frage über die Eingrenzung der Wirksamkeit der Inländerbehandlung in Hinblick auf das Kriterium der „like products“ Stellung und zog die hierdurch gesetzte Grenze weit. Da durch die ETI-Gesetzgebung keine speziellen Güter betroffen sind, sondern potenziell alle US-Waren in den steuerlichen Vorteil gelangen können, so sie denn als „foreign trade property“ eingestuft werden, sieht das Panel auch keine Notwendigkeit, den tatsächlichen Nachweis eines inländischen „like product“ zu führen. Insoweit überträgt das Panel die Vorgehensweise bezüglich 444 „Accordingly, in our view, ‚foreign-source income‘, in footnote 59 to the SCM Agreement, refers to income generated by activities of a non-resident taxpayer in a ‚foreign‘ State which have such links with that State, so that the income could properly be subject to tax in that State.“ Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 145. 445 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/ABRW, adopted 29. January 2002, Randnr. 184–186. 446 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.124.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

269

Art. III Abs. 2 GATT 1994 aus dem Fall Indonesia – Measures Affecting the Automotive Industry447. Dort wurde die Herkunftsunterscheidung als Basis für die Erhebung einer inneren Abgabe als ausreichender Nachweis einer Verletzung gegen das Gebot der Inländerbehandlung gesehen. Der tatsächliche Nachweis der Existenz eines „like products“ war hierzu nicht erforderlich.448 Nun richtete sich der Vorwurf der EG nicht gegen den durch das ETI gewährten Steuervorteil, sondern spezifisch gegen die durch die Gesetzgebung vorgesehene Limitierung ausländischer Waren, welche den Verkauf oder den Verbrauch auf dem US-Markt beeinflusse. Entsprechend des Normzwecks des Art. III GATT 1994, der eine protektionistische Wirkung innerer Abgaben und Rechtsvorschriften untersagt, ist für einen US-Produzenten in der Möglichkeit der Erzielung des Steuervorteils ein ausreichender Anreiz gegeben, im Zweifel heimische Vorprodukte zu präferieren.449 Unter Art. III Abs. 4 GATT 1994 fallen grundsätzlich Maßnahmen seitens des Staates, die einen Vorteil an eine bestimmte Voraussetzung zulasten der ausländischen Waren knüpfen. Aufgrund eines weit zu fassenden Verständnisses im Sinne einer größtmöglichen Wirksamkeit der Norm fallen hierunter auch Maßnahmen, die steuerliche Vorteile in Abhängigkeit bestimmter Waren gewähren. Ein anderes Ergebnis würde nach Auffassung des Panels einen gewichtigen Aspekt der „Inneren Abgaben und Rechtsvorschriften“ dem Gebot der Inländerbehandlung entziehen. Zumindest könne dem Wortlaut des Art. III GATT 1994 keine Ausnahme für direkte Steuernormen entnommen werden. Das Gleiche gelte auch für die Aussage der Havanna-Charta.450 Zwar wurde damals ausdrücklich die direkte Besteuerung aus dem Anwendungskreis des Artikel 18, dem späteren Art. III GATT 1994, herausgenommen, dies gelte aber nur für Art. III Abs. 2 GATT 1994 und nicht für Art. III GATT 1994 insgesamt.451 447 Vgl. Panel Report, Indonesia – Measures Affecting the Automotive Industry, WT/DS54/R, WST/DS55/R, WT/DS59/R, WT/DS64/R, adopted 23. July 1998. 448 Unter Verweis auf eine ähnlich Haltung des Panels zu indirekten Steuernormen des Art. III Abs. 2 GATT 1994. Vgl. Panel Report, Indonesia – Measures Affecting the Automotive Industry, WT/DS54/R, WST/DS55/R, WT/DS59/R, WT/ DS64/R, adopted 23. July 1998, Randnr. 14.113, „(. . .) an origin-based distinction in respect of internal taxes suffices in itself to violate Article III:2, without the need to demonstrate the existence of actually traded like products.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.133–8.134. 449 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.137. 450 Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II.2.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Schließlich sei in der steuerlichen Maßnahme eine Beeinflussung des inländischen Verbrauchs von Importwaren gegeben. Dies gilt auch, wenn in der ETI-Gesetzgebung neben Waren andere Eingangsleistungen für die mögliche Gewährung des Steuervorteils Berücksichtigung finden.452 Als dritte Tatbestandsvoraussetzung blieb dem Panel zu prüfen, ob durch die ETI-Gesetzgebung eine weniger günstige Behandlung der ausländischen Waren im Verhältnis zu heimischen „like products“ gegeben ist. Die Argumentation der USA stützte sich hier dann auch auf die warenbezogene Restriktion des Art. III Abs. 4 GATT 1994. Denn eine Beschränkung des „fair value“-Anteils ausländischer Waren und Arbeitsleistungen bedinge nicht notwendigerweise, dass US-Waren verwendet werden müssen. Vielmehr könnten auch andere ausländische Leistungen in den Warenwert eingehen. Das Panel lehnte die Argumentation ab. Auch wenn andere Vorleistungen in die Waren eingehen können, lässt dies keine andere Beurteilung für den Bereich der Waren selbst zu.453 In der zweiten Instanz schloss sich der Appellate Body der Auffassung des Panels an und betonte nochmals den weiten Ansatz des Art. III Abs. 4 GATT 1994, sowohl in Hinblick auf den Regelungsumfang als auch auf dessen Zielsetzung. Damit sind auch direkte Steuernormen durch das Gebot der Inländerbehandlung erfasst, soweit diese den inländischen Verbrauch an Importwaren beeinflussen können.454 Demzufolge ist in der durch die ETIGesetzgebung vorgesehenen Begrenzung des Steuervorteils auf Waren, in die ein maximaler ausländischer Warenanteil am fair value eingeht, eine Beeinflussung des US-Produzenten in seiner Wahl zwischen einer heimischen Ware und einer Importware gegeben, welche den Verbrauch der Importwaren beeinflusst.455 Schließlich sah auch der Appellate Body eine weniger günstige Behandlung der Importwaren im Verhältnis zu inländischen Waren gegeben. Auch wenn die ETI-Voraussetzungen nicht zwin451 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.139–8.146. 452 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.147–8.148. 453 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.157. 454 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/AB/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 208–210. 455 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/AB/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 211–212.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

271

gend die Importwaren im Verhältnis zu inländischen Waren benachteiligen, ist dennoch in der Begrenzung des „fair value“-Anteils an ausländischen Vorprodukten für die mögliche Steuerfreiheit ein für US-Produzenten ausreichender Anreiz zur Bevorzugung inländischer Waren gegeben, womit Importwaren im Vergleich zu heimischen Waren weniger günstig behandelt werden.456 c) Annahme durch den Dispute Settlement Body Im Ergebnis wurde durch das Panel und den Appellate Body letztlich die Auffassung der Europäischen Gemeinschaft bestätigt. Die USA ist nur unzureichend ihren Verpflichtungen zur Umsetzung der aus der zur FSC-Gesetzgebung ergangenen Panel-Empfehlung nachgekommen.457 Schließlich wurde durch den Dispute Settlement Body am 29. Januar 2002 der Panelund „Appellate Body“-Report und damit der Verstoß des ETI gegen Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM und Art. III Abs. 4 GATT 1994 angenommen. Nachdem die USA der hieraus erwachsenden Verpflichtung zur Aufhebung der ETI-Gesetzgebung nicht nachkamen, autorisierte der Dispute Settlement Body schließlich die Europäischen Gemeinschaft in der Sitzung am 7. Mai 2003, basierend auf dem Antrag der Europäischen Gemeinschaft vom 25. April 2003458, zur Erhebung von Sanktionen in Höhe von 4,043 Mrd. Dollar. Dies entspricht in vollem Umfang dem durch den Arbitration Report vom 30. August 2003 festgelegten Sanktionsrahmen.459 Durch die Verordnung (EG) Nr. 2193/2003 des Rates vom 8. Dezember 2003 wurden den USA nunmehr gestaffelte Strafzölle auf bestimmte US-Exporte i. H. v. 5% bis 17%, beginnend mit dem 1. März 2004, angedroht.460 456

Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/AB/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 220. 457 Des Weiteren ist der Verstoß des ETI gegen Art. 3 Abs. 3, Art. 8 und Art. 10 Abs. 1 des Landwirtschaftsabkommens sowie Art. III Abs. 4 GATT 1994 gegeben. Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/AB/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 256; Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 9.1. 458 Vgl. United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“: Recourse by the European Communities to Article 4.10 of the SCM Agreement and Article 22.7 of the DSU; WT/DS108/26 v. 25. April 2003. 459 Vgl. Decision of the Arbitrator; United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“ Recourse to Arbitration by the United States under Article 22.6 of the DSU and Article 4.11 of the SCM Agreement; WT/DS108/ARB v. 30 August 2002; Randnr. A34.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

IV. Bewertung In dem inzwischen über 30 Jahre andauernden Disput zwischen der EU und den USA, welcher jüngst in der Genehmigung von Gegenmaßnahmen durch die WTO seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, wurden durch die WTO drei Sachverhalte erörtert, die für das internationale Steuerrecht und damit auch den internationalen Steuerwettbewerb von Bedeutung sind. Im Folgenden soll erörtert werden, welche Auswirkungen nunmehr der WTO für ein nationales Steuersystem zu entnehmen sind, und entsprechend, welches Verhalten eines Mitgliedstaats in Ausübung der steuerlichen Gesetzgebungsgewalt als mit den Bestimmungen der WTO unvereinbar anzusehen ist. 1. Freie Systemwahl Bei einem weiten Verständnis der handelsbezogenen Auswirkungen politischer Entscheidungen der Mitgliedstaaten kann nahezu keinem staatlichen Bereich eine Wirkung auf den internationalen Handel abgesprochen werden. Dies erscheint auf der Ebene der WTO kaum sinnvoll regelbar. Insoweit ist auch für das WTO-System eine spezifische Form des Subsidiaritätsgedanken denkbar, die den jeweiligen Regierungen vor Ort Entscheidungsspielräume eröffnet.461 Zweifellos steht dem jeweiligen Mitgliedstaat das Recht zu, ein beliebiges Steuersystem einzuführen und damit seine spezifischen innerstaatlichen Ziele umzusetzen.462 Auf Ebene des multilateralen Handelssystems der WTO findet die grundsätzliche Entscheidung der Mitgliedstaaten für ein bestimmtes Steuersystem und damit für eine spezifische, inländische Belastungshöhe keine Berücksichtigung. Dies berührt neben der Thematik der Steuern auch die Verteilung der sozialen Lasten. In Ausübung dieser hoheitlichen Rechte unterliegt der Mitgliedstaat aber der Verpflichtung, diese so auszugestalten, dass das nationale System nicht mit den An460 Verordnung (EG) Nr. 2193/2003 des Rates vom 8. Dezember 2003 zur Einführung zusätzlicher Zölle auf die Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika; Amtsblatt Nr. L 328 vom 17/12/2003 S. 3–12. Zwischenzeitlich wurden die Strafzölle ausgesetzt. Vgl. Verordnung (EG) Nr. 171/2005 zur Aussetzung der Anwendung der mit der Verordnung (EG) Nr. 2193/2003 des Rates eingeführten Zusatzzölle, Abl. L 28 vom 01/02/2005. 461 Vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 186. 462 „Members of the WTO are free to pursue their own domestic policy goals through internal taxation or regulation so long as they do not do so in a way that violates Article III or any of the other commitments they have made in the WTO Agreement.“ Vgl. Appellate Body Report, Japan – Taxes on Alcohol Beverages, WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R, adopted 1. November 1996, S. 16; Vgl. Quereshi/Grynberg, JWT 2002, S. 988.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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forderungen der WTO kollidiert.463 Wie das Panel im FSC-Fall bezüglich der diskutierten steuerlichen Exportsubventionen herausstellt, ist es den USA freigestellt, jedes Steuersystem ihrer Wahl einzuführen und auch beizubehalten. Dies fällt nicht in die Zuständigkeit der WTO.464 Wohl aber darf das Steuersystem dann, in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Subventionsordnung, keine ausfuhrgebundene Entlastung von allgemein geschuldeten, direkten Steuern beinhalten. Damit gewinnt die Abgrenzung zwischen einer möglicherweise verbotenen steuerlichen Exportsubvention und den Normen, die Bestandteile des allgemeinen Steuersystems sind, erheblich an Bedeutung.465 2. Rechtfertigung durch eine systembedingte Benachteiligung? Nun war die zentrale Rechtfertigungsidee der USA im DISC-/FSC-Fall eine steuerliche Gesamtbelastung. Abstrahiert von der konkret verhandelten Konstellation wurden damit zwei Aspekte berührt. Einerseits das Belastungsniveau im Inland, andererseits aber auch die Belastung eines vergleichbaren Produktes im Ausland. Denn auch wenn exemplarisch die Benachteiligung in einem, umgekehrt auch als Exportsubvention gerügten Aspekt des Territorialitätsprinzips gesehen wurde, ist die geführte Diskussion nicht einzig auf die angeführten Unterschiede zwischen dem Territorialitätsprinzip und dem Welteinkommensprinzip zu reduzieren. Vielmehr wurde vielerorts konkret die unterschiedliche Belastung der Exportwaren mit direkten Steuern gerügt und hierin ein Wettbewerbsnachteil der USA gesehen.466 Wenig verwunderlich kursieren in Staaten mit einem hohen Anteil der direkten Steuern am Gesamtsteueraufkommen, wie eben den USA, infolge der bestehenden Grenzausgleichssystematik der WTO auch Ideen, das Steuersystem auf indirekte Steuern umzustellen. Ergänzend wird vorgeschlagen, durch die WTO einen Grenzausgleich für bestimmte Unternehmenssteuern zu ermöglichen467 oder zumindest das System des Grenzausgleichs der 463 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 90. 464 „Thus, the United States is free to maintain a world wide tax system, a territorial system or any other type of system it sees fit. This is not the business of the WTO.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 282, Randnr. 7.122; vgl. Jackson, LIEI 1996, S. 186. 465 Vgl. McDaniel, Intertax 2002, S. 169. 466 Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 750–751. 467 Hufbauer/Gabyzon sehen entsprechend die Unterscheidung zwischen direkten Steuern (nicht ausgleichbar) und indirekten Steuern (ausgleichbar) als altmodisch an

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

WTO in Hinblick auf Export fördernde Auswirkungen der Bestimmungslandbesteuerung mit indirekten Steuern zu überprüfen.468 Ob nun handelspolitische Erwägungen das Steuersystem der Mitgliedstaaten in diesem Umfang prägen sollten, ist eine andere Frage. Hierbei gibt Jackson zu Recht zu bedenken, ob nebulöse handelspolitische Vorteile den richtigen Ansatzpunkt bilden, um die Ausgestaltung eines nationalen Steuersystems zu überdenken.469 Nun kann bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Argumentation der USA nicht von vorneherein abgelehnt werden.470 Dennoch kann eine niedrigere Steuerbelastung mit direkten Steuern im Ausland nicht als Argumentationsgrundlage für eine diskriminierende Freistellung von innerstaatlichen Belastungen dienen. Dies würde in letzter Konsequenz auch die Soziallasten des jeweiligen Staates tangieren. Auch eine durch das jeweilige Steuersystem bedingte, höhere Steuerlast der inländischen Unternehmen im Vergleich zu ausländischen Unternehmen und ein hierdurch verursachter Wettbewerbsnachteil kann keine diskriminierende Freistellung von direkten Steuern rechtfertigen.471 Insoweit ist wieder der Zusammenhang zwischen dem Grenzausgleichssystem und einer Steuersubvention zu verdeutlichen. Wenn aufgrund der Grenzausgleichssystematik eine mögliche Freistellung der Exportgüter auf indirekte Steuern begrenzt ist, muss eine weitergehende Entlastung an direkten Steuern als Exportsubvention eingestuft werden. Wollte man diese Unterscheidung aufheben, würde dies an den Grundfesten des bestehenden Grenzausgleichssystems rütteln. Denn das Verbot der Befreiung der Exporte von der Belastung mit direkten Steuern dient dazu, dass diese Waren im Ursprungsland zum dort allgemein gültigen Steuersatz besteuert werden. und schlagen einen differenzierten Ansatz vor, der auch für bestimmte Unternehmenssteuern einen Grenzausgleich ermöglicht. Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 63–67 und S. 70. 468 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 150 unter Verweis auf Westin/Vasek, Tax Notes International 2001, S. 337–369. 469 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 221. 470 Vgl. so auch Stehmann, JWT 2000, S. 154; vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/ Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 192; so sei die erwartete Preiswirkung in der DISC-Gesetzgebung marginal. Jedenfalls sei die erwartete Auswirkung auf den Handel deutlich geringer, als dies für das Territorialitätsprinzip gilt. Vgl. Jackson, The American Journal of International Law 1978, S. 772–773. 471 „What is not free to do is to establish a regime of direct taxation, provide an exemption from direct taxes specifically related to exports, and then claim that is entitled to provide such an export subsidy because it is necessary to eliminate a disadvantage to exports created by the US tax system itself.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 282, Randnr. 7.122.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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Die Zuordnung des Steueraufkommens erfolgt im Sinne des jeweilig zugrunde liegenden Steuerkonzeptes. Die indirekten Steuern stehen als Verbrauchssteuern dem Bestimmungsland zur Verfügung, während die direkten Steuern als Produktionsgewinn im Herkunftsland verhaftet sind.472 Hinter dieser Konzeption steht die Idee der Abgeltung der dortigen Infrastrukturmaßnahmen.473 Auch die Höhe der indirekten Steuern, im Verständnis einer Verbrauchssteuer, enthält die Entscheidung des jeweiligen Mitgliedstaates, in welcher Höhe der nationale Konsum besteuert wird.474 Sicherlich ist die Abgrenzung zwischen den beiden Steuerarten problembehaftet und finanzwissenschaftlich mit Unschärfen verbunden.475 Zudem muss die dem Grenzausgleichssystem eigene Symmetrie beachtet werden, da der Export aus einem Mitgliedstaat gleichermaßen den Import in einen anderen Mitgliedstaat beinhaltet.476 Letztendlich kann Jackson nur zugestimmt werden, wenn er die bestehende Abgrenzung der ausgleichsfähigen Steuern als sinnvollen, zumindest aber umsetzbaren Kompromiss im Grenzausgleichssystem verteidigt.477 Damit kann das allgemeine Belastungsniveau im Herkunftsland mit direkten Steuern und Soziallasten keine über die indirekten Steuern hinausgehende Entlastung rechtfertigen. Eine als zu niedrig empfundene Belastung mit direkten Steuern der Konkurrenzprodukte im Ausland muss ebenso unberücksichtigt bleiben wie umgekehrt eine als im internationalen Vergleich zu hoch empfundene Besteuerung der heimischen Waren. Sollte man dennoch die Idee aufgreifen und eine relative Steuerlast in die Entscheidung über das Grenzausgleichssystem einbeziehen wollen, so müssten m. E. im Übrigen auch relevante Gegenleistungen des jeweiligen Staates für die Besteuerung in eine Gesamtbeurteilung einfließen. Neben nationalen Infrastrukturleistungen könnte dies insbesondere für Export unterstützende Maß472 Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. Dezember 1970, L/3464, Randnr. 21. 473 Unter dem Hinweis, dass diese Zuordnung von den Marktverhältnissen abhängig ist. Vgl. Menck, in: Burmester/Endres, FS für Helmut Debatin (1997), S. 311. 474 Vgl. Mick, § 25, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer und Abgabenrechts (1995), S. 665–666. 475 Vgl. die Diskussion zur Abgrenzung direkter und indirekter Steuern in Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II. 476 Dem Grenzausgleichssystem ist eine Symmetrie eigen. Eine Freistellung von sozialen Leistungen würde eine fundamentale Reform des GATT erfordern. Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 56. 477 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 221. So bereits die mehrheitliche Auffassung der Working Party on Border Tax Adjustment. „(. . .) the current practices of tax adjustment were as consistent as possible with the objectives of trade neutrality.“ Vgl. Working Party Report, Border Tax Adjustments, adopted 2. December 1970, L/3464, Randnr. 22.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

nahmen seitens des Staates, wie etwa Exportbürgschaften oder eine aktive Industriepolitik, die den Marktzugang ermöglicht, gelten. Schließlich kann aus dem FSC-Fall die Schlussfolgerung gezogen werden, dass in Hinblick auf Exportwaren weder ein Belastungsvergleich noch andere Rechtfertigungsgründe gegeben sind, die einen möglichen Verstoß gegen das Prinzip der Allgemeingültigkeit der steuerlichen Normen auf der Basis des „otherwise due“-Tests rechtfertigen.478 Obgleich zunehmend Regelungen zum Schutz der Entwicklungsländer Eingang in die WTO fanden, ist in der WTO eine multilaterale Handelsorganisation zu sehen und eben kein Binnenmarkt, welcher in vergleichbarer Weise zu Art. 87 EGV die gemeinsamen wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Mitgliedstaaten unterstreicht und unter bestimmten Bedingungen Beihilfen ermöglicht.479 3. Belastungsniveau im Ausland – Besteuerungspflicht für den Exportanteil im Ausland? Im FSC-Fall wurde weitergehend auch die Frage aufgeworfen, ob für die Mitgliedstaaten aus den WTO-Bestimmungen die Verpflichtung erwächst, Einkommen aus dem Ausland zu besteuern.480 Von besonderem Interesse hierfür ist die Revision zum Understanding 1981. Wenn im FSC-Fall festgestellt wurde, dass das Understanding 1981 keinen Bestandteil des GATT 1994 darstellt, dann ist damit eine weit reichende Konsequenz verbunden. Denn eine der zentralen Aussagen des Understandings 1981 war, dass wirtschaftliche Prozesse, die außerhalb des Territoriums eines exportierenden Mitgliedstaates stattfinden, nicht als Exportaktivität i. S. d. Art. XVI Abs. 4 GATT 1947 anzusehen sind. Folglich stellt ein Verzicht auf die Besteuerung solcher Prozesse keine Exportsubvention dar. Im Gegensatz zu den anderen beiden Themenkomplexen, den Verrechnungspreisen und der Vermeidung der Doppelbesteuerung ausländischer Einkünfte, ist diese Aussage auch nicht in das ASCM übernommen worden. Damit lässt sich – zumindest nach Gründung der WTO und der hierdurch verbundenen Reformierung des Subventionskodex – die These in dieser Form nicht aufrechterhalten, es sei infolge des Subventionsverbotes lediglich eine Besteuerung für den inländischen Teil des Exportes vorgeschrie478 Diese Aussage gilt mit Ausnahme der im ASCM vorgesehenen Sonderregeln. Aufgrund der Suspendierung der Regelung für nicht anfechtbare Subventionen betrifft dies derzeit ausschließlich Entwicklungsländer. Vgl. Art. 27 ASCM. 479 Für eine Darstellung der zulässigen staatlichen Beihilfen im Binnenmarkt, Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 120–146. 480 Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 282, Randnr. 7.123.

C. DISC-/FSC-/ETI-Fall – Verbotene Ausfuhrsubventionen

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ben. So ist es für den ausländischen Teil des Exportes, beispielsweise realisiert durch eine Betriebstätte, auch nicht freigestellt, ob eine Besteuerung erfolgt oder nicht.481 4. „Arms length principle“ der Fußnote 59 und der unfaire Steuerwettbewerb Auch wenn sich die US-amerikanische FSC-Gesetzgebung nicht auf die generelle Freistellung der Besteuerung ausländischer Aktivitäten berufen konnte, da diese Aussage aus dem Understanding 1981 nicht in das ASCM übernommen wurde, kann dennoch aus dem Fallmaterial nicht umgekehrt die Schlussfolgerung gezogen werden, dass damit die generelle Verpflichtung zur Besteuerung ausländischer wirtschaftlicher Prozesse entstehe. Entscheidend für die Einstufung als steuerliche Subvention ist, dass dem Exporteur in irgendeiner Weise im Rahmen des Exportvorganges eine steuerliche Erleichterung gewährt wird, welche das allgemeine Steuerniveau verletzt. Damit ist allerdings das Territorialsteuersystem, sofern es nicht durch die Vermeidung einer Doppelbesteuerung gerechtfertigt ist, auch wieder infrage gestellt.482 Zwar vermeidet das Panel zu dieser Frage eine Stellungnahme483, tendenziell ist aber wohl die Haltung der EG im FSC-Fall als richtig einzustufen. Demnach sei eine generelle, systembedingte Freistellung der ausländischen Einkünfte, soweit diese eben diskriminierungsfrei erfolgt, mit der WTO vereinbar.484 481

Zweifelnd bereits vor dem FSC-Fall vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 72. 482 „Finally, we note the United States’ view that, if we were to rule in favour of the European Communities and reject the principle that foreign-source income need not be taxed, the result would be to condemn not only the FSC, but also territorial tax systems, including the tax systems of EC member States.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 282, Randnr. 7.123. 483 „Here, we must emphasize that the WTO-consistency of other Members’ tax systems, whether territorial or otherwise, is outside our terms of reference. Thus, we should not and will not speculate on the implications of our findings in this dispute, if any, for other Members’ tax systems. It would be up to any future panels that might be established to examine the consistency of the tax regime before it in accordance with WTO requirements.“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 282, Randnr. 7.123. 484 „WTO Members are not prevented by the ASCM from not taxing foreign source income if this is done on a general basis“ Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20 March 2000, S. 115, Randnr. 4.668.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

Nun könnte man aus der Sichtweise einer verboten Exportsubvention argumentieren, dass diese systembedingte Freistellung der ausländischen Quelleneinkünfte nur gerechtfertigt ist, solange im Ausland auch die Aktivitäten entsprechend dem wirtschaftlichen Anfall besteuert werden. Hierfür spricht auch die Aufnahme des „arms length principle“ in die Fußnote 59 des ASCM. Denn eine Abgrenzung der Steuersubstanz zwischen dem Inund Ausland hätte nur Sinn, sofern im Ausland eine angemessene Besteuerung erfolgt. Insoweit würde sich der argumentative Kreis mit der bestehenden Verzahnung zur Problematik des unfairen internationalen Steuerwettbewerbs schließen. Denn dann wäre der Subventionstatbestand, wie bereits der Verweis auf die Einhaltung der Gewinnabgrenzung auf der Basis des „arms length principle“ verdeutlicht485, auf eine entsprechende Begriffsbestimmung angewiesen, um die Besteuerung der Exporte auf Basis des allgemein gültigen, innerstaatlichen Steuerniveaus sicherzustellen und eine unfaire Exportsubvention, verbunden mit einer unangemessen niedrigen Besteuerung im Importland, zu begegnen. Nur ändert sich für die Frage der Exportsubventionen die Intention der beteiligten Staaten. Ein Exportland hat kein unmittelbares Interesse daran, dass seine Exporte im Ausland einer angemessenen Besteuerung unterworfen sind. Offensichtlich liegt dieses Interesse bei den Konkurrenten eines Landes, welches wiederum die niedrigen Steuersätze eines Drittstaates nützt, um seinen Export günstiger zu stellen. Andererseits adressiert das ASCM nur den Exportstaat. Dieser kann, muss aber nicht kompensatorisch tätig werden, um im Ergebnis eine Subventionierung „seiner“ Waren durch ein niedriges ausländisches Steuerniveau zu unterbinden. Das „arms length principle“ findet eben aus der Handelsperspektive, und nicht aus der Steuerperspektive, Anwendung; dies impliziert die umgekehrte Sichtweise. Eine unrechtmäßige Verlagerung des Steuersubstrates aus der Steuerhoheit des Exportstaates ist zu unterbinden. Was mit einem zu Recht verlagerten Steuersubstrat im Ausland erfolgt, ist dagegen nicht im Fokus des ASCM. Die Anwendung des „arms length principle“ stellt sicher, dass das im Exportstaat anfallende Steueraufkommen im Inland besteuert wird. Ist dies in einer nicht diskriminierenden Weise erfolgt, so sind gleicherma485 Die Einhaltung bestimmter Gewinnabgrenzungsregeln und die Freistellung ausländischer Einkünfte sind zwei Seiten einer Medaille. Entsprechend wurde im FSC-Fall von der EU auch die Bedeutung der beiden Themenkomplexe herausgestellt. Das Panel vermied auch hier eine weitere Beurteilung, da das FSC-Regime an sich als Exportsubvention eingestuft wurde. Die Frage, ob die Administrative Pricing Rules selbst mit den Anforderungen der WTO vereinbar sind, blieb offen. Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/R, adopted 20. March 2000, S. 283, Randnr. 7.124–7.129.

D. Art. I GATT Meistbegünstigungsverpflichtung

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ßen die Verpflichtungen des Exportstaates aus Sicht des Territorialitätsprinzips erfüllt. Ob dann der ausländische Staat sein Besteuerungsrecht tatsächlich ausübt oder nicht, bleibt unbeachtlich. Aus dem Verstoß des ausländischen Steuersystems gegen das Äquivalenzprinzip kann u. U. ein unfaires Verhalten im internationalen Steuerwettbewerb gefolgert werden. Eine Besteuerungspflicht für die ausländischen Vorgänge kann dennoch aus Sicht des GATT 1994 für den Exportstaat nicht erwachsen.486 Wohl unterliegt der Exportstaat der Verpflichtung, eine Besteuerung ausländischer Quelleneinkünfte diskriminierungsfrei durchzuführen.

D. Art. I GATT Meistbegünstigungsverpflichtung Die allgemeine Meistbegünstigungsverpflichtung des GATT stellt eines der tragenden Grundprinzipien des WTO-Systems dar.487 Generell verpflichtet die Meistbegünstigungsklausel des Art. I GATT 1994 als Bestandteil des allgemeinen Diskriminierungsverbotes die Vertragspartner, den anderen Vertragspartnern eine zumindest gleich gute Behandlung zukommen zu lassen, wie diese im Verhältnis jedem beliebigen anderen Staat gewährt werden.488 In Art. I GATT 1994 ist die Meistbegünstigungsverpflichtung in der „unconditional“ Ausführung vorgesehen.489 Somit kann dem Argument, dass die Doppelbesteuerungsabkommen länderspezifisch ausgeprägt sind und jeweils das Ergebnis spezifischer, zwischenstaatlicher Verhandlungen darstellen und daher nicht der multilateralen Meistbegünstigung unterliegen490, schon im Ansatz nicht zugestimmt werden. Die Vertragsintention der Vertragsparteien in den bilateralen Verträgen bleibt für die Anwendung einer multilateralen Meistbegünstigungsklausel ohne Bedeutung.491

486

Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 101–102. Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 103; vgl. Schwartz/Sykes, International Review of Law and Economics, 1996, S. 27; vgl. Hufbauer/Erb/Starr, Law and policy in international business 1980, S. 59. 488 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160–161. 489 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 160; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 105; vgl. Wang, JWT 1996, S. 107; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 161; vgl. Hufbauer/Erb/Starr, Law and Policy in International Business 1980, S. 69. 490 So beispielsweise Luja, Intertax 1999, S. 211. 491 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 52. 487

280

3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

I. Meistbegünstigungsverpflichtung und direkte Steuern Zunächst ist für eine mögliche steuerliche Auswirkung der Meistbegünstigungsklausel die überaus enge Eingrenzung im Regelungsumfang des Art. I GATT zu beachten.492 Die Meistbegünstigungsklausel des GATT unterliegt weit reichenden Freistellungen und Ausnahmen.493 Teilweise sind diese direkt im Vertragswerk zu finden494, teilweise aber auch durch eine entsprechende Abgrenzung der Begrifflichkeit geregelt.495 Die Meistbegünstigungsklausel in Art. I GATT 1994 gilt nur für den Import oder Export von Waren und beinhaltet nur eine Gleichbehandlung mit „like products“. Entsprechend grenzt die Definition des Begriffs „Waren“ automatisch die Wirkung der Meistbegünstigungsverpflichtung erheblich ein.496 In Art. I GATT 1994 findet sich folgende Regelung: „Bei Zöllen und Belastungen aller Art, die anläßlich oder im Zusammenhang mit der Einfuhr oder der Ausfuhr (. . .) auferlegt werden (. . .), bei allen Vorschriften und Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr und bei allen in Artikel III Absätze 2. und 4. behandelten Angelegenheiten werden alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die eine Vertragspartei für eine Ware gewährt, welche aus einem anderen Land stammt oder für dieses bestimmt ist, unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren gewährt, die aus den Gebieten der anderen Vertragspartner stammen oder für diese bestimmt sind.“

Für die Meistbegünstigungsklausel des GATT lassen sich somit drei Regelungsbereiche unterscheiden.497 Im Verständnis der gleichen Kosten des Marktzugangs der beteiligten Vertragspartner betrifft die Meistbegünstigungsverpflichtung primär Grenzabgaben.498 Daher entsteht im Fall der Einfuhr oder Ausfuhr von Waren die Verpflichtung zu einer nicht weniger günstigen Behandlung für Zölle und Grenzabgaben. Gemäß Art. I Abs. 1 GATT 1994 sind aber auch alle Fälle, die Art. III Abs. 2 und 4 GATT 1994 betreffen, in den Anwendungsbereich des Art. I GATT 1994 einbezogen. Demnach entfaltet die Meistbegünstigungsklausel, gleichsam als zweiter Bestandteil, eine Wirkung für die in Art. III Abs. 2 492

Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160–161. Für eine Darstellung der Ausnahmen vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 163–166; vgl. Senti, WTO (2000), S. 168 ff.; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 163 ff. 494 Von besonderer Bedeutung ist hierbei Art. XIX GATT 1994 sowie für Zollunionen u. Freihandelszonen Art. XXIV GATT. 495 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160–161. 496 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 160. 497 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 123. 498 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 127. 493

D. Art. I GATT Meistbegünstigungsverpflichtung

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GATT 1994 geregelten inneren Abgaben oder sonstigen Belastungen.499 Dieser Verweis ist erforderlich, um einen verzerrungsfreien Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Güteranbietern im Inland zu gewährleisten. Würde ein „like product“ im Inland nicht produziert, so entfiele entsprechend die Verpflichtung zur Inländergleichbehandlung. Aufgrund der fehlenden inländischen Vergleichsgüter wäre prinzipiell eine Schlechterstellung des ausländischen Anbieters B im Verhältnis zum ausländischen Anbieter C durch innere Rechtsvorschriften ermöglicht. Für den Fall eines inländischen „like products“ würde dagegen über die bestehende Kreuzverpflichtung automatisch eine gleiche Behandlung der ausländischen Güteranbieter zueinander und im Verhältnis zum inländischen „like product“ entstehen.500 Schließlich trifft der dritte Anwendungsbereich gemäß Art. III Abs. 4 GATT 1994 auf die Gleichstellung hinsichtlich dem Gebot der Inländerbehandlung für alle „(. . .) Gesetze, Verordnungen und sonstige Vorschriften über Verkauf, Angebot, Einkauf, Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland (. . .)“ zu. Dies betrifft den Bereich der nichttarifären Handelshemmnisse in Form innerer Belastungen und Abgaben sowie administrativer Hemmnisse.501 Gewährt ein Vertragspartner einem anderen Staat bilateral eine bessere Behandlung für den Bereich der Importhemmnisse i. S. d. Art. III Abs. 4 GATT 1994, so sind auch diese gemäß Art. I Abs. 1 GATT 1994 auf Basis der Meistbegünstigungsverpflichtung unmittelbar allen anderen Vertragspartnern zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung erwächst nicht nur für die nicht weniger schlechte Behandlung der ausländischen Waren zueinander, sondern auch für das Verhältnis zu inländischen Waren auf dem Gebiet der inneren Abgaben und Rechtsvorschriften.502 II. Meistbegünstigungsverpflichtung und Art. III Abs. 2 GATT 1994 Wie bereits ausgeführt, sind durch Art. III Abs. 2 GATT 1994 im Verständnis der WTO keine direkten Steuern umfasst.503 In der Folge ist auch 499 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 162; vgl. Ehring, JWT 2002, S. 930; vgl. Panel Report, Indonesia – Measures Affecting the Automotive Industry, WT/DS54/R, WST/DS55/R, WT/DS59/R, WT/DS64/R, adopted 23. July 1998, Randnr. 14.139. 500 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 126; vgl. Ehring, JWT 2002, S. 931. 501 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 126. 502 Vgl. Ehring, JWT 2002, S. 931. 503 Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II.

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3. Teil, 3. Kap.: GATT 1994 und direkte Steuern

eine bilaterale Besserstellung eines Staates für den Bereich der direkten Steuern nicht durch die Meistbegünstigungsklausel, zumindest nicht über den Verweis des Art. I Abs. 1 i. V. m. Art. III Abs. 2 GATT 1994, erfasst. Sollte man dagegen der Auffassung der dargestellten Mindermeinung folgen, die unter den Anwendungsbereich des Art. III Abs. 2 GATT 1994 auch direkte Steuern subsumiert504, so kann für diesen Fall die Möglichkeit einer Auswirkung der Meistbegünstigungsklausel für den Bereich der direkten Besteuerung nicht ausgeschlossen werden. Denn sollten unilateral Gewinne aus grenzüberschreitenden Geschäften durch bilaterale Verträge, wie etwa Doppelbesteuerungsabkommen, eingeschränkt werden, so könnte darin eine Besserbehandlung i. S. d. Meistbegünstigungsklausel des Art. I GATT 1994 gegeben sein. Diese müsste dann unmittelbar auch auf die Besteuerung transnationaler Geschäfte im Verhältnis zu den anderen Vertragspartnern Anwendung finden.505 Damit wäre die Möglichkeit, dass die Meistbegünstigungsklausel auch direkte Steuern umfasst, unabhängig davon, ob die direkten Steuern i. S. d. Art. I GATT 1994 anlässlich einer Einfuhr oder Ausfuhr erhoben werden oder aber über den Verweis auf Art. III Abs. 2 GATT 1994 in deren Anwendungsbereich gelangen, gegeben.506 Für dieses Ergebnis soll auch sprechen, dass in der parallelen Regelung des GATS durch Art. XIV lit. e) GATS die Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. II GATS suspendiert wird, sofern Doppelbesteuerungsabkommen oder andere internationale Vorschriften zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung dem entgegenstehen.507 Durch die im GATS vorgesehene Steuerklausel, die die Meistbegünstigung für den Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen ausdrücklich außer Kraft setzt, sei von den Vertragsparteien die grundsätzliche Möglichkeit einer Auswirkung der Meistbegünstigungsklausel für Doppelbesteuerungsabkommen und damit auch für direkte Steuern anerkannt. Da zudem in der Uruguay-Runde auf die Aufnahme einer entsprechenden Klausel für Art. I GATT 1994 verzichtet wurde, könne eine entsprechende Anwendung für das GATT nicht ausgeschlossen werden.508 504

Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II.2. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 47 ff. 506 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 211; vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 48; vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 168. 507 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, C.I. 508 So etwa Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 51. Für die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. III GATT 1994 auf direkte Steuernormen verwies das Panel in gleicher Weise auf die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS. Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.143. 505

D. Art. I GATT Meistbegünstigungsverpflichtung

283

M. E. ist die aufgezeigte Argumentation, die für eine Anwendung der GATT-Meistbegünstigungsklausel auch für direkte Steuern sprechen soll, nicht überzeugend. Vielmehr ist die geschilderte Unterscheidung zwischen dem GATS und dem GATT sowie die im GATS durch Art. XIV lit. e) GATS enthaltene Steuerklausel eine unmittelbare Folge des unterschiedlichen Regelungsumfangs des jeweiligen Teilvertrages der WTO. Das GATT bezieht sich ausschließlich auf den grenzüberschreitenden Handel mit Waren. Die Beschränkung des Art. I GATT 1994 auf indirekte Steuern findet sich in analoger Weise, wie für Art. III Abs. 2 GATT 1994 festzustellen war, im ausdrücklichen Verweis auf die Warenbezogenheit der zu berücksichtigenden Belastungen.509 Die Meistbegünstigungsklausel des GATS ist dagegen spezifisch auf die Bedürfnisse des grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs zugeschnitten. Diese unterscheiden sich erheblich von den Anforderungen an den im GATT geregelten Warenhandel.510 Ziel des GATT ist ein diskriminierungsfreier, grenzüberschreitender Warenhandel. Die Wettbewerbsfähigkeit der importierten Waren soll im inländischen Markt gesichert werden.511 Dagegen regelt das GATS aufgrund des dem Abkommen zugrunde liegenden universellen Dienstleistungsbegriffs nicht nur den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen in Form der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen, sondern auch die Niederlassung des Dienstleisters sowie die Freizügigkeit des Verbrauchers.512 Damit ist die GATS-Meistbegünstigungsklausel im Vergleich zur ausschließlich auf den grenzüberschreitenden Warenhandel limitierten GATT-Version in ihrem Anwendungsbereich erheblich weiter gefasst.513 Infolgedessen sind im ersten Ansatz durch die Meistbegünstigungsklausel nicht nur indirekte, produktbezogene Steuern, sondern auch direkte Steuern tangiert.514 Um einen unerwünschten, weit reichenden Eingriff in die Steuerhoheit des jeweiligen Mitgliedstaates zu vermeiden, ist die Steuerklausel des Art. XIV lit. e) GATS erforderlich.515

509 Teilweise wird angeführt, dass im Versäumnis der klarstellenden Einschränkung für den Bereich der direkten Steuern Argumente für einen möglichen Konflikt gefunden werden könnten. Vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 168. 510 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 104; vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, C. 511 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 126. 512 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 567–568; vgl. Lorenz, Die Europäische Gemeinschaft (2000), S. 41; ähnlich Jackson, The World Trading System (1997), S. 308; vgl. Wang, JWT 1996, S. 94; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 195 u. 206. 513 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 128. 514 Vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 168. Auch Subventionen fallen als Maßnahme unter die Meistbegünstigungsverpflichtung des GATS. Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 326. 515 Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 196.

284

3. Teil, 4. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994

Eine entsprechende Steuerklausel im GATT hätte nur eine klarstellende Funktion. Auch etwaige unilaterale steuerliche Vergünstigungen werden durch die Meistbegünstigungsklausel nicht erfasst. Entsprechend kann sich auch ein Staat, welcher einen unfairen Steuerwettbewerb führt, nicht auf die Meistbegünstigungsklausel beziehen, um einer etwaigen Gegenmaßnahme des geschädigten Staates mit der Begründung zu begegnen, dass dieser einem anderen durch den Verzicht einer CFC-Legislation eine bessere steuerliche Bedingung einräume. III. Meistbegünstigungsverpflichtung und Art. III Abs. 4 GATT 1994 Ein anderes Ergebnis ist für steuerliche Normen festzustellen, die gegen Art. III Abs. 4 GATT 1994 verstoßen. Diese Verpflichtung zur Meistbegünstigung erwächst nicht unmittelbar in ihrer Funktion als steuerliche Norm, sondern allgemein als nationales Gesetz, welches „Verkauf, Angebot, Einkauf, Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland“ von ausländischen Importwaren i. S. d. Art. III Abs. 4 GATT 1994 länderspezifisch verletzt. In diesem Kontext unterliegen auch direkte Steuernormen der Verpflichtung zur Meistbegünstigung. 4. Kapitel

Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994 Nunmehr ist zu klären, ob eine CFC-Legislation als Ausgleichsmaßnahme mit den steuerlichen Rahmenbedingungen des GATT 1994 vereinbar ist. Insoweit soll auf die im vorherigen Kapitel erarbeiteten Vorgaben des GATT 1994 für die nationale Steuernormen der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden. In einem zweiten Schritt ist die Verhältnismäßigkeit der erhobenen steuerlichen Gegenmaßnahme zu hinterfragen. Hierzu muss untersucht werden, ob die spezifischen Aspekte eines nationalen Steuersystems, die zu der Einstufung als unfaires Steuerregime führen, den Anforderungen des GATT 1994 entsprechen oder ob diese unfairen steuerlichen Normen nicht bereits auf Basis des Streitbeilegungsverfahrens der WTO zu bekämpfen sind. Denn auch für das Vertragssystem der WTO widersprechen einseitige Gegenmaßnahmen oder Sanktionen für die Mitgliedstaaten untereinander dem Sinn und Zweck des regelorientierten Ansatzes der WTO, welches ein Streitbeilegungsverfahren für Handelskonflikte vorsieht.

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATT

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A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATT Zunächst ist für die Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit dem GATT die Auswirkung des Gebots der Inländerbehandlung des Art. III GATT 1994 sowie der Meistbegünstigungsklausel des Art. I GATT auf direkte Steuernormen zu berücksichtigen. Daneben sind etwaige Restriktionen, die aus dem Subventionsverbot für die Ausgestaltung einer CFC-Legislation entstehen, zu beachten. I. Art. III GATT 1994 Aus Sicht der WTO-Bestimmungen fallen alle Steuern auf das Einkommen oder das Kapital sowie eine Besteuerung des Vermögens unter den Begriff direkte Steuern. Diese Definition lässt sich sowohl dem ASCM für das GATT als auch dem Art. XXVIII GATS für den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen entnehmen.516 Somit ist die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung nach der Kategorisierung der WTO als direkte Steuer anzusehen. Die Hinzurechnungsbesteuerung belastet den heimischen Anteilseigner. Ein unmittelbarer Schutz der ausländischen Gesellschaft, welche in ihrer Finanzierungsfreiheit beeinträchtigt sein könnte, ist dem Art. III GATT 1994 nicht zu entnehmen. Dennoch bilden die Anteilseigner und die Gesellschaft unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Trennungstheorie eine wirtschaftliche Einheit. Eine juristische Gesellschaft, verbleibt letztendlich ein Instrument in der Hand der Anteilseigner. Dementsprechend kann bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise einer Belastung des ausländischen Unternehmens durch eine Hinzurechnungsbesteuerung des inländischen Anteilseigners nicht grundsätzlich widersprochen werden. Dennoch findet diese mittelbare Belastung dann aber keine Berücksichtigung, da eine ertragsteuerliche Mehrbelastung der importierenden Firma nicht durch Art. III Abs. 2 GATT 1994 erfasst ist.517 Eine diskriminierende Ertragsbesteuerung von Anteilseignern, die an einer ausländischen Firma beteiligt sind, welche wiederum in das Inland Waren exportiert, kann damit auch nicht gegen Art. III Abs. 2 GATT 1994 verstoßen.518

516

Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II.4. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II. 518 Fischer-Zernin sieht dagegen in der Hinzurechnungsbesteuerung eine diskriminierende Ertragsbesteuerung des Warenhandels, da der rein innerstaatliche Handel keiner vergleichbaren Besteuerung unterliegt. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 42. 517

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3. Teil, 4. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994

II. Art. I GATT 1994 Nachdem durch Art. III Abs. 2 GATT 1994 im Verständnis der WTO keine direkten Steuern berührt sind519, ist auch eine bilaterale Besserstellung eines Staates, beispielsweise durch den Verzicht auf die Erhebung einer CFC-Legislation, nicht durch die Meistbegünstigungsklausel des Art. I Abs. 1 i. V. m. Art. III Abs. 2 GATT 1994 erfasst. Entsprechend ist der Meistbegünstigungsklausel des GATT 1994 für die Fallkonstellation der Hinzurechnungsbesteuerung keine Restriktion zu entnehmen. III. Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten einer CFC-Legislation durch das ASCM Umgekehrt kann aus der Perspektive der Exporttätigkeit durch eine selektive CFC-Legislation eine Exportsubvention gegeben sein, welche mit Art. XVI GATT 1994 i. V. m. ASCM unvereinbar ist. Wird durch den Exportstaat in Form einer CFC-Legislation für ein im Ausland generiertes Einkommen eine Besteuerung erhoben, so sind in dieser Hinsicht Elemente eines Welteinkommensprinzips realisiert.520 Besteuert ein Exportstaat grundsätzlich ausländische Einkünfte durch eine CFC-Legislation, dann erwächst m. E. auch für diese Besteuerung die Verpflichtung, diese diskriminierungsfrei auszugestalten. Zwar wird eine Besteuerung durch eine CFC-Legislation im Verständnis einer typisierenden Missbrauchsnorm üblicherweise nur unter bestimmten Voraussetzungen erhoben, unter Berücksichtigung der ablehnenden Haltung des Panels/Appellate Body gegenüber der rechtfertigenden Argumentation, dass das generelle System keine Besteuerung vorsieht, sondern nur ausnahmsweise eine Besteuerung erfolgt, könnte jedoch auch eine CFC-Legislation durch das Verbot der Ausfuhrsubventionen i. S. d. Art. 3 ASCM betroffen sein.521 Denn in einer CFC-Legislation offenbart sich das Dilemma, dass diese oftmals gegen passive Einkünfte gerichtet ist, dagegen aktive ausländische Einkünfte nicht erfasst.522 Eine Nichtbesteuerung ausländischer Einkünfte, die durch Exportaktivitäten erzielt werden, könnte als Verstoß gegen den „otherwise due“-Test in der Vergleichsgruppe der ausländischen Quelleneinkünfte gewertet werden. In diesem Fall könnte eine CFC-Legislation, die 519

Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.II. Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1683 ff.; vgl. Schön, DB 2001, S. 946; vgl. Vogel, in: Vogel, Grundfragen (1985), S. 8–10. 521 Vgl. die analoge Argumentation im ETI-Fall, Dritter Teil, 3. Kapitel, C.III.2. 522 Für die möglichen Ausprägungsformen einer CFC-Legislation. Vgl. Erster Teil, 1. Kapitel, C. 520

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATT

287

einkunftsspezifisch erfolgt, eine Subvention darstellen, die de facto an eine Ausfuhr gebunden ist.523 Aber auch die ausdrückliche Freistellung von Exporterlösen ausländischer Basisgesellschaften von der CFC-Legislation könnte als Exportsubvention anzusehen sein. So war in der ursprünglichen Fassung der US-amerikanischen CFC-Legislation von 1962 für Verkaufseinkommen („foreign sales company income“) eine Steuererleichterung vorgesehen. Unter der Voraussetzung, dass die Basisgesellschaft 90% ihrer Einnahmen außerhalb der USA erzielte und 75% der Einnahmen aus Waren entstammten, die in der USA hergestellt wurden und an nicht verbundene Personen verkauft wurden, unterlag das „foreign sales company income“ nicht der US-CFC-Legislation.524

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATT – Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung als steuerliche Gegenmaßnahme Nun ist eine CFC-Legislation, unter den aufgezeigten Restriktionen, mit den Anforderungen des GATT vereinbar. Dennoch würde eine unilaterale steuerliche Gegenmaßnahme weder dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, noch wäre sie mit der Zielsetzung eines regelorientierten Handelssystems vereinbar, falls durch die Subventionsordnung des GATT ein Instrumentarium zur effektiven Bekämpfung eines „unfair“ geführten Steuerwettbewerbs eines anderen Mitgliedstaates gegeben ist. Folglich ist zu klären, ob eine als „unfair“ angesehene steuerliche Gesetzgebung unter den Subventionsbegriff des ASCM fällt. Für die Prüfung soll auf die Zweiteilung der OECD für die typischen Ausprägungsformen eines unfairen Steuerwettbewerbs zurückgegriffen werden.525 Zunächst müssen die erheblichen Restriktionen, denen das ASCM als Zusatzabkommen zum Art. XVI GATT 1994 unterliegt, für eine Beurteilung eines Steuerwettbewerbs nochmals hervorgehoben werden. Das ASCM regelt ausschließlich den grenzüberschreitenden Warenverkehr und findet damit für den wichtigen Bereich der Dienstleistungen keine Anwendung.526 Neben der Subventionsordnung sind auch dem Gebot der Inländerbehandlung i. S. d. Art. III GATT 1994 Rest523 So verweist Hahn etwa auf die Interessen der deutschen Auslandswirtschaft, deren Konkurrenzfähigkeit im niedrig besteuernden Ausland durch die Hinzurechnungsbesteuerung nicht beeinträchtigt werden sollte. Vgl. Hahn, Normen des deutschen internationalen Steuerrechts (1999), S. 159. 524 Diese Regelung wurde 1971 wieder aufgehoben. Vgl. Grossfeld, Basisgesellschaft (1974), S. 117–118. 525 Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, B.I. 526 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 126; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 26.

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3. Teil, 4. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994

riktionen für ein Steuersystem zu entnehmen. Dies gilt sowohl im Verhältnis der ausländischen Waren zu den inländischen Waren als auch infolge der Verweisung der Meistbegünstigungsklausel des Art. I GATT 1994 auf die Gleichstellung der ausländischen Staaten. I. Steueroasen Nach dem OECD-Ansatz lassen sich zwei typische Ausprägungsformen eines unfairen Steuerwettbewerbs unterscheiden. Dies betrifft einerseits klassische Steueroasen sowie andererseits auch Staaten, die durch ein präferierendes Steuersystem bestimmte Bereiche von der sonst üblichen Steuerlast im Inland befreien. Klassische Steueroasen zeichnen sich durch eine generell wirksame, niedrige direkte Steuerlast aus oder verzichten gänzlich auf die Erhebung direkter Steuern.527 Demzufolge sind solche steuerlichen Systeme nur schwer durch das Subventionsübereinkommen des GATT zu erfassen. Der Grund hierfür findet sich im Subventionsbegriff selbst. Zwar können Subventionen mit einer negativen Auswirkung auf den internationalen Handel verbunden sein und die optimale Faktorallokation stören, andererseits sind Subventionen aber auch geeignet, korrigierend in den Markt einzugreifen und etwaige Standortnachteile auszugleichen.528 Das Spezifitätskriterium grenzt unzulässige Subventionen von den allgemeinen Infrastrukturmaßnahmen oder hier dem allgemeinen Belastungsniveau der Produktionsfaktoren durch Steuern und Abgaben seitens des Staates ab und kann als notwendige Vereinfachung angesehen werden, um eine juristisch praktikable Lösung zu finden.529 Entsprechend gilt die Festsetzung oder Anwendung allgemeiner Steuersätze nicht als spezifische Subvention und ist folglich auch nicht anfechtbar.530 Dies wird ausdrücklich durch Art. 2 Abs. 2 ASCM bestätigt. Eine Verpflichtung zur Erhebung einer bestimmten Steuerart oder gar eines bestimmten Steuerlevels kann der WTO nicht entnommen werden. Dies unterliegt allein der Steuerhoheit des Mitgliedstaates und findet seine Begrenzung erst, wenn diese nicht diskriminierungsfrei ausgestaltet wird und gegen die Verpflichtungen der WTO-Abkommen verstößt.531 527

Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687. Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 17–20. 529 Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 20. 530 Vgl. Luja, Intertax 1999, S. 209. Außer es gelänge der Nachweis, dass defacto eine spezifische Subvention gegeben ist. Vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 20–2; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 87. 531 Vgl. Appellate Body Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT/DS108/AB/R, adopted 20. March 2000, Randnr. 90. 528

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATT

289

Die Einstufung einer Steueroase als spezifische Subvention scheitert jedenfalls, da es sich bei dieser Ausprägungsform des unfairen Steuerwettbewerbs nicht um eine branchenbezogene oder regional begrenzte Subvention i. S. d. Art. 2 Abs. 1 und 2 ASCM handelt. Insbesondere liegt aber auch bei einer klassischen Steueroase keine ausfuhrgebundene Entlastung oder Stundung von allgemein geschuldeten direkten Steuern oder Sozialabgaben vor. Folglich ist durch eine Steueroase auch keine Ausfuhrsubvention i. S. d. Art. 2 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 ASCM gegeben. Ein generell niedriges Steuersystem ist nicht unter die Tatbestandsmerkmale einer Ausfuhrsubvention zu subsumieren. Dies verdeutlicht der in der Vergleichspaarbildung des Panels übliche „otherwise due“-Test. Denn bei einer klassischen Steueroase unterliegen Exportfirmen in gleicher Weise wie inländisch tätige Unternehmen der niedrigen direkten Steuerlast. Die politische Einstufung des Staates als Steueroase beispielsweise seitens der OECD allein kann an dieser Aussage nichts ändern. Auch eine rein praktische Erwägung lässt die effektive Bekämpfung einer Steueroase auf der Grundlage des WTO-Abkommens zweifelhaft erscheinen. Denn regelmäßig ist zu erwarten, dass typische „Anbieter“ der Steueroasen keine Mitglieder der WTO sind.532 Es handelt sich vornehmlich um Zwergstaaten, die selbst kaum Warenhandel betreiben, sondern in der Regel lediglich als Kapitalanlagestandort im internationalen Standortwettbewerb in Erscheinung treten.533 In diesem Fall scheitert eine mögliche Bekämpfung schon an der fehlenden Bindung der Steueroase an die Subventionsdisziplin des GATT 1994. Aber auch bei gegebener Mitgliedschaft in der WTO muss eine mögliche Verurteilung aufgrund der mangelnden Warenbezogenheit des Regimes misslingen. Denn eine passive Investmenttätigkeit ist grundsätzlich nicht durch das GATT 1994 erfasst. Die Bekämpfung klassischer Steueroasen auf der Grundlage des Art. XVI GATT 1994 i. V. m. ASCM erscheint daher kaum möglich.534

532 Von der am 18. April 2002 durch die OECD veröffentlichten Liste der als unkooperativ eingestuften Steueroasen ist zum Stand 5. Februar 2003 lediglich Liechtenstein Mitglied der WTO. 533 Eine ähnliche Bewertung nimmt die OECD in Hinblick auf Nichtmitglieder der OECD vor. Insbesondere Nicht-OECD-Mitglieder, die überdies besonders durch ein starkes Engagement im Finanzsektor hervorstechen, können aufgrund ihrer unfairen Steuerangebote erheblichen Schaden anrichten. Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 22. 534 Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687.

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3. Teil, 4. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994

II. Diskriminierende Steuerregime Differenzierter als für eine Steueroase stellt sich die Beurteilung eines diskriminierenden Steuerregimes dar. Diskriminierende Steuerregime können in den unterschiedlichsten Ausprägungsformen in Erscheinung treten. Die OECD unterscheidet etwa zwischen neun Kategorien, wobei die neunte als Sammelkategorie „Verschiedenes“ dient.535 Bindet ein Steuerregime die Steuererleichterung de-jure oder de-facto an eine gegenwärtige oder erwartete Ausfuhr, so kann dies als verbotene Ausfuhrsubvention anzusehen sein.536 Handelt es sich dagegen nicht um eine Ausfuhrsubvention, so kann ein Steuerregime dennoch als anfechtbare Subvention eingestuft werden, sofern es sich um eine spezifische Subvention handelt und diese mit einer Schädigung der Interessen der anderen Mitgliedstaaten verbunden ist.537 Eine Einstufung als grüne, nicht anfechtbare Subvention, etwa für regionale Beihilfen in Notgebieten oder bestimmte steuerliche Beihilfen für Forschungstätigkeit, entfällt mit Suspendierung der Wirksamkeit des Art. 8 ASCM.538 Diskriminierende Steuersysteme sind allgemein eher im Steuerwettbewerb zwischen Industriestaaten zu erwarten. Diese Staaten sind regelmäßig Mitglieder der WTO und unterliegen entsprechend auch den Bestimmungen des Subventionsübereinkommens. 1. Verbotene Subventionen Art. 3 Abs. 1 ASCM Ist bei der Bekämpfung des unfairen Steuerwettbewerbs allgemein die Achillesferse im Spezifitätskriterium einer Subvention zu sehen, so entfällt diese Anforderung im Falle verbotener Ausfuhrsubventionen und Einfuhr ersetzender Subventionen. Denn eine verbotene Subvention i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. a) ASCM setzt lediglich einen Zusammenhang zwischen der gewährten Subvention und der Ausfuhrleistung oder der Einfuhr ersetzenden Verwendung voraus.539 Den heimischen Waren darf kein Vorteil gegenüber dem allgemeinen inländischen Steuersystem eingeräumt werden. Insbesondere eine ausfuhrgebundene Entlastung oder Stundung von sonst geschuldeten direkten Steuern oder Sozialabgaben inländischer Unternehmen ist untersagt.540 Die Spezifität der Regelung ergibt sich in diesem Fall unmittelbar aus Art. 2 Abs. 3 ASCM. Damit ist der Subventionstatbestand erfüllt, falls Steuern oder Abgaben auf Exportgewinne nicht in gleicher Weise wie 535 536 537 538 539 540

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 12–14. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.1. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.2. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.3. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.1.c). Art. 2 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 ASCM und Anhang I lit. e) ASCM.

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATT

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für den vergleichbaren inländischen Sachverhalt erhoben werden und damit ein Verstoß gegen den „otherwise due“-Test zu konstatieren ist. Dieser Test lässt sich in analoger Weise auf eine Begrenzung für verbotene, Einfuhr ersetzende Subventionen übertragen. So ist ein Steuerregime, welches eine steuerliche Subvention an die bevorzugte Verwendung inländischer gegenüber ausländischer Waren bindet, gleichermaßen verboten. Entsprechend sind alle Steuerregime, die eine Steuererleichterung für den Handel oder die Produktion von Waren gewähren und diese, beispielsweise in Form eines „ring fencing“, de jure oder de facto an die Ausfuhrleistung von Waren oder an die vorrangige Verwendung inländischer Waren statt eingeführter Waren binden, nicht mit der GATT-Subventionsordnung vereinbar.541 2. Anfechtbare Subvention Art. 5 ASCM Ein diskriminierendes Steuerregime, welches nicht als verbotene Subvention eingestuft wird, kann dennoch grundsätzlich angefochten werden. Dieser Weg ist eröffnet, sofern das fragliche steuerliche Regime auf die Einhebung von fälligen staatlichen Einnahmen verzichtet, mithin eine Subvention i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. a) (ii) ASCM gegeben ist und zudem diese steuerliche Subvention spezifisch i. S. d. Art. 2 ASCM erfolgt.542 Diskriminierende Steuerregime sind ein typisches Instrument der Industriestaaten im internationalen Standortwettbewerb543 und zeichnen sich gerade durch eine spezifische, meist branchenbezogene oder regionale Differenzierung der Steuernormen aus. Ziel der Staaten ist es, steuersensitive Faktoren zu attirieren, ohne die allgemeine Steuerbasis im Inland zu gefährden.544 Hier ist eine Überschneidung, aber auch ein Unterschied zwischen einem diskriminierenden Steuersystem und der Abgrenzung zu einer Subvention im Sinne des Subventionsübereinkommens ersichtlich. Für eine Einstufung als unfaires Steuerregime spricht der Verstoß gegen die Allgemeinheit der Besteuerung im unfair agierenden Staat.545 Verbunden hiermit ist eine Minderung des Steueraufkommens, unter Umständen in Verbindung mit einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip im geschädigten Staat.546 Dies entspricht nur teilweise dem Spezifitätskriterium, sofern bestimmte Unterneh541

Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687. Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 194. 543 Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 12–14. 544 Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687. 545 Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 195. 546 Diesen negativen „spill over“-Effekt betont auch die OECD bei der Einstufung eines diskriminierenden Steuersystems. Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, B.I.2. 542

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3. Teil, 4. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994

men oder bestimmte wichtige Wirtschaftsbranchen oder Regionen diesen Vorteil zugewendet bekommen.547 So ist jedoch eine ertragsteuerliche Entlastung einzelner Unternehmen i. S. d. Art. 2 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 1 Abs. 1 lit. a) (ii) ASCM, aber auch eine regional begrenzte Förderung durch steuerliche Vorteile regelmäßig als spezifisch i. S. d. Art. 2 Abs. 2 ASCM anzusehen. Für diesen überlappenden Bereich zwischen dem Kriterium der Spezifität und einem diskriminierenden Steuersystem kann grundsätzlich eine anfechtbare Subvention im Sinne des III. Teils des ASCM gegeben sein. Hierfür ist die Einstufung als spezifisch allein nicht ausreichend. Vielmehr muss die steuerliche Regelung zudem mit einer nachteiligen Wirkung auf die Interessen anderer Mitgliedstaaten i. S. d. Art. 5 ASCM verbunden sein.548 Der Nachweis einer nachteiligen Auswirkung könnte gelingen, wenn durch das spezifische Steuerregime der inländische Wirtschaftszweig eines anderen Mitgliedslandes i. S. d. Art. 5 lit. a) ASCM geschädigt wird.549 Wenn also der steuerlich unfair agierende Staat A über das spezifische Steuerregime einen Wettbewerbsvorteil für Waren erlangt und damit im Staat B eine Schädigung des heimischen Wirtschaftszweiges verursacht. Dagegen ist eine etwaige Schädigung des Mitgliedstaates selbst, etwa in Form der Schmälerung des inländischen Steueraufkommens, nicht ausreichend für die Einstufung als anfechtbare Subvention. Diese Schlussfolgerung kann unmittelbar Art. 15 ASCM entnommen werden. Denn der Nachweis einer Schädigung des inländischen Wirtschaftszweiges wird gemäß Art. 15 Abs. 1 ASCM anhand des Umfangs der subventionierten Waren und deren Preiswirkung auf gleichartige Waren im Inland sowie anhand der festzustellenden Auswirkung für den inländischen Wirtschaftszweig geführt. Folglich kann nur gegen das diskriminierende System vorgegangen werden, falls die steuerliche Subvention des unfair agierenden Mitgliedstaates im sich geschädigt fühlenden Staat wiederum mit einer bedeutenden Schädigung der heimischen Wirtschaft verbunden ist. Sind dagegen keine heimischen gleichartigen Waren gegeben, so wäre die steuerliche Subvention nicht auf Grundlage des Art. 5 lit. a) ASCM anfechtbar. Dieses Ergebnis erstaunt nur wenig, berücksichtigt man, dass durch das Subventionsübereinkommen warenbezogene Wettbewerbsverzerrungen verhindert und somit 547

Hauser folgert, dass ein unfairer Steuerwettbewerb nicht mit WTO/GATT-Regeln zu bekämpfen ist. Er verweist auf eine andere Regulierungsperspektive. Die wirkungsvolle Bekämpfung eines unfairen Steuerwettbewerbs setzt die inhaltliche Überprüfung der Regeln voraus; die WTO prüft nur nationale Regeln auf Diskriminierungseffekte. Vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 194. 548 Vgl. Luja, Intertax 1999 S. 209; vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 21. 549 Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.2.a).

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATT

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der konkurrierende Produzent und Wirtschaftszweig geschützt werden sollen und nicht das Steueraufkommen des importierenden Staates.550 Das gleiche Ergebnis muss der Alternative in Art. 5 lit. c) ASCM, der „ernsthaften Schädigung der Interessen eines anderen Mitgliedstaates“, entnommen werden.551 Zunächst ist hier ein viel weiterer Ansatz zu sehen, denn der Begriff „ernsthafte Schädigung der Interessen eines anderen Mitgliedstaates“ erweist sich als sehr vage und ist mit erheblichen Bewertungsspielräumen verbunden.552 Aber auch in diesem Fall verdeutlichen die Restriktionen der Norm, dass das Subventionsübereinkommen nicht einen unfairen Steuerwettbewerb ahndet. Vielmehr ist die umgekehrte Perspektive, nämlich der Schutz des grenzüberschreitenden Warenwettbewerbs geregelt. Zwar ist nicht auszuschließen, dass ein präferierendes steuerliches Regime mit einer ernsthaften Schädigung der Interessen eines anderen Mitgliedstaates verbunden ist, dies dürfte sich jedoch spätestens dann auf Einzelfälle reduzieren, wenn man berücksichtigt, dass dies im Sinne des Subventionsübereinkommens eine konkrete handelsbezogene Schädigung eines Mitgliedstaates erfordert. Eine Schädigung in Form der Schmälerung des Steueraufkommens bleibt auch für den Fall der ernsthaften Schädigung i. S. d. Art. 5 lit. c) i. V. m. Art. 6 ASCM ohne Bedeutung. Vielmehr muss gemäß Art. 6 Abs. 3 ASCM der konkrete Nachweis geführt werden, dass durch das Steuerregime eine Ein- oder Ausfuhrstörung und damit eine Preiswirkung für gleichartige Waren eines anderen Mitgliedstaates verursacht wurde. 3. Inländerbehandlung Art. III GATT 1994 Art. III Abs. 2 GATT 1994 verbietet nicht die diskriminierende direkte Besteuerung der inländischen Unternehmertätigkeit, da durch Art. III Abs. 2 GATT 1994 direkte Steuern schlicht nicht umfasst sind.553 Entsprechend kann aus Art. III Abs. 2 GATT 1994 nur die Verpflichtung zur diskriminierungsfreien indirekten Besteuerung entnommen werden. Überdies würde ein diskriminierendes Steuerregime, welches eine steuerliche Besserstellung einer ausländischen Niederlassung umfasst, nicht gegen das Gebot der Inländerbehandlung verstoßen. Denn durch ein Steuersystem, welches inländische Waren diskriminierend schlechter stellt, wäre jedenfalls eine nicht weniger günstige Behandlung der ausländischen Waren gegeben. Dennoch las550 Vgl. S. 193. 551 Vgl. 552 Vgl. 553 Vgl.

Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.1.e). Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 132. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.

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3. Teil, 4. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994

sen sich auch dem Gebot der Inländerbehandlung Restriktionen für die Ausgestaltung eines diskriminierenden Steuersystems entnehmen. Ein überaus wichtiger Nebenaspekt im FSC-/ETI-Fall war die Panel-Untersuchung, ob in der ETI-Gesetzgebung ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung i. S. d. Art. III Abs. 4 GATT 1994 gegeben ist. Wie im Dritten Teil, 3. Kapitel, C.III.2.b) erläutert, berührt dies nicht unmittelbar die Anwendbarkeit der steuerlichen Normen auf ausländische oder heimische Waren in Hinblick auf die produktbezogene Steuerlast, sondern die mittelbare Auswirkung auf die Konkurrenzfähigkeit der ausländischen Güter. Art. III Abs. 4 GATT 1994 gebietet für Waren, die aus einem anderen Mitgliedsland eingeführt werden, eine nicht weniger günstige Behandlung hinsichtlich „aller Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften über Verkauf, Angebot, Einkauf, Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland“. Folglich ist durch Art. III Abs. 4 GATT nicht die diskriminierende direkte Steuerlast an sich berührt. Sollte aber das Steuerregime aufgrund spezifischer Anwendungsvoraussetzungen ausländische Waren im Inland benachteiligen, so wäre das Gebot der Inländerbehandlung verletzt. Damit kann neben den Schlussfolgerungen, die aus dem Subventionsübereinkommen zu ziehen waren, für diskriminierende Steuersysteme ein zweiter Eckpunkt identifiziert werden. Eine Gesetzgebung, welche einen steuerlichen Vorteil an ein bestimmtes inländisches Warenkontingent bindet, verstößt gegen das Gebot der Inländerbehandlung, da es den Verbrauch oder die Nutzung ausländischer Waren im Inland beeinflusst. Eine analoge Schlussfolgerung wäre für diskriminierende steuerliche Abschreiberegelungen oder eine unterschiedliche Berücksichtigung von steuerlichen Aufwendungen u. Ä. denkbar. Diese Aussage behält ihre Gültigkeit, unabhängig davon, ob durch die steuerliche Norm selbst eine Subvention gegeben ist. Auch wenn Subventionen aufgrund Art. III Abs. 8 lit. b) GATT 1994 nicht unter das Gebot der Inländerbehandlung fallen, sind durch Art. III Abs. 4 GATT 1994 sowohl steuerliche Subventionen554 als auch steuerliche Regelungen berührt, die nicht als Subvention i. S. d. Subventionsübereinkommens einzustufen sind. Aufgrund der beabsichtigten Verhinderung der protektionistischen Nutzung innerer Abgaben und Rechtsvorschriften geht das Gebot der Inländerbehandlung im Regelungsumfang über das Subventionsübereinkommen hinaus. 554 „Subsidies granted in respect of direct taxes are generally not covered by Article III:2, but may infringe Article III:4 to the extent that they are linked to other conditions which favour the use, purchase, etc. of domestic products.“ Vgl. Panel Report, Indonesia – Certain Measures Affecting the Automotive Industry, WT/ DS54/R, WT/DS55/R, WT/DS59/R, WT/DS64/R, adopted 23. July 1998, Randnr. 14.38.

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATT

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Unabhängig davon, ob die Waren exportiert werden, könnte beispielsweise ein diskriminierendes steuerliches Regime, welches Steuervorteile von dem Gebrauch oder Verbrauch eines bestimmten inländischen Warenkontingent abhängig macht, gegen Art. III Abs. 4 GATT 1994 verstoßen. 4. Meistbegünstigungsverpflichtung Art. I GATT 1994 Unter Berücksichtigung der Meistbegünstigungsverpflichtung könnte eine diskriminierende Besteuerung der Niederlassungen der Unternehmen unterschiedlicher Mitgliedstaaten einen Verstoß gegen die Meistbegünstigungsklausel darstellen. Dann könnte ein diskriminierendes System, das dazu dient, ausländische Direktinvestitionen zu attirieren, begrenzt sein, sofern dieses durch den lokalen Staat für verschiedene ausländische Staaten unterschiedlich ausgeprägt ist. Denn eine solche länderspezifische, diskriminierende steuerliche Behandlung würde gegen die Meistbegünstigungsklausel verstoßen.555 Einschränkend betrifft dies wieder ausschließlich die durch Art. III Abs. 2 GATT erfassten indirekten Steuern. Insoweit findet das Gebot der Allgemeinheit der Besteuerung im Inland für zwei unterschiedliche Staaten zueinander Anwendung556, während aus Art. III Abs. 2 GATT 1994 allein nur die nicht weniger günstige Behandlung der ausländischen Waren gegenüber den inländischen Waren gefolgert werden kann. Wie der ETI-Fall gezeigt hat, kann eine steuerliche Gesetzgebung auch Regelungen beinhalten, die gegen Art. III Abs. 4 GATT 1994 verstoßen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gesetzgebung insgesamt als Bestandteil des direkten Steuersystems, welches grundsätzlich nicht unter Art. III Abs. 2 GATT 1994 fällt, oder als verbotene Exportsubvention anzusehen ist. Eine steuerliche Norm, die geeignet erscheint, „den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung“ von ausländischen Waren im Inland zu beeinflussen, und überdies ausländische Waren im Vergleich zu inländischen Waren weniger günstig behandelt, verstößt gegen Art. III Abs. 4 GATT 1994. Sollte eine derartige Gesetzgebung importierte Waren länderspezifisch benachteiligen, dann würde dies gegen die Meistbegünstigungsverpflichtung verstoßen. Unter diesem Aspekt kann der Meistbegünstigungsverpflichtung auch für diskriminierende Steuerregime eine Bedeutung zukommen. In beiden Fällen ist die 555

Vgl. Horn/Mavroidis, European Journal of Political Economy 2001, S. 275. Vgl. Panel Report, Indonesia – Measures Affecting the Automotive Industry, WT/DS54/R, WST/DS55/R, WT/DS59/R, WT/DS64/R, adopted 23 July 1998, Randnr. 14.139. 556

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3. Teil, 4. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATT 1994

Beschränkung der Meistbegünstigungsklausel des GATT auf gleichartige Waren zu berücksichtigen. 5. Zwischenergebnis Wird ein unfairer Steuerwettbewerb über diskriminierende Steuersysteme ausgetragen, so sind diese, soweit sie unmittelbar an eine Ausfuhr gebunden sind und das allgemeine Steuerniveau i. S. d. „otherwise due“-Tests verletzen, als verboten anzusehen. Speziell ein „ring fencing“, welches bestimmte Steuervorteile mit einer Ausfuhr verknüpft, die vergleichbaren inländischen Aktivitäten nicht offen stehen, kann unter den aufgezeigten Restriktionen auf der Grundlage des ASCM bekämpft werden.557 So erscheint ein produktionsbezogenes „export ring fencing“ auf Basis des Art. 3 ASCM effektiv bekämpfbar.558 Ist keine Ausfuhrsubvention gegeben, so engt sich der Handlungsspielraum gegen diskriminierende Steuersysteme aufgrund des Spezifitätskriteriums erheblich ein.559 Mag eine regional beschränkte Förderung oder eine Subvention bestimmter Unternehmen noch unter das Spezifitätskriterium fallen und anfechtbar sein, so ist die Beurteilung einer steuerlichen Regelung, die eine sektorale Freistellung beinhaltet, heikel. Die Entscheidung, wer letztlich die Steuerlast trägt, obliegt dem politischen Diskurs des jeweiligen Mitgliedstaates. Das System der Spezifität des Subventionsübereinkommens muss bei einzelnen Steuerregeln, die Bestandteil des allgemeinen Steuersystems sind und bestimmte Felder, wie etwa Ausgaben für Forschung und Entwicklung, steuerlich besser stellen, vollends versagen. Diese Aussage lässt sich gleichermaßen auf die Holdingbesteuerung der Mitgliedstaaten übertragen.560 557

Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687; vgl. Hauser, in: Müller/Fromm/Hansjürgens, Systemwettbewerb (2001), S. 195. Ähnlich in Hinblick auf eine Bekämpfung von Investitionssubventionen auf der Basis des ASCM vgl. Beviglia Zampetti, JWT 1995, S. 26–27. 558 Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687. 559 Wie Wartenburger für das europäische Beihilferecht feststellt, ist dem Beihilferecht insbesondere durch das Selektivitätskriterium eine erhebliche Begrenzung im Kampf gegen den unfairen Steuerwettbewerb gesetzt. Vgl. Wartenburger, IStR 2001, S. 399. Diese Aussage ist, sieht man von den verbotenen Subventionen ab, m. E. in analoger Weise auch für das WTO-Subventionsübereinkommen zu übernehmen. Das Kriterium der Spezifität findet sich auch in der europäischen Antisubventionsverordnung wieder, die zu großen Teilen aus dem Subventionsübereinkommen der WTO übernommen wurde. Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 25–27 und 286–287. 560 Wobei für die Holdingbesteuerung bereits Unsicherheiten bzgl. der Einstufung als unfaires Steuerregime herrscht. Von einer konkreten Einstufung als unfaires

3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

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Ist ein Steuerregime als spezifisch anzusehen, so ist schließlich der Nachweis der durch die Subvention bedingten nachteiligen Auswirkungen auf die Interessen anderer Mitgliedstaaten durch den Beschwerde führenden Mitgliedstaat zu führen. III. Zusammenfassung Auf Grundlage der GATT-Regeln ist, wie aufgezeigt, nur sehr begrenzt die Möglichkeit eröffnet, gegen einen unfairen Steuerwettbewerb anderer Staaten vorzugehen. Damit erscheint eine CFC-Legislation im Verständnis einer steuerlichen Ausgleich- oder Gegenmaßnahme vor dem Hintergrund des GATT 1994 mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Nachdem eine CFC-Legislation als steuerliche Gegenmaßnahme mit den steuerlichen Rahmenbedingungen des GATT vereinbar ist, steht somit das GATT 1994 der Einführung einer CFC-Legislation durch die Mitgliedstaaten der WTO nicht entgegen. Entsprechend ist auch die politische Forderung der weit reichenden Einführung einer CFC-Legislation seitens OECD mit den Bestimmungen des GATT 1994 vereinbar. 5. Kapitel

GATS und direkte Steuern In analoger Weise wie für das GATT 1994 sind auch für das GATS die steuerlichen Rahmenbedingungen des Vertragswerkes zu erarbeiten, bevor eine Beurteilung der Vereinbarkeit der CFC-Legislation mit dem Bestimmungen des GATS erfolgen kann. Denn neben dem GATT kann auch das durch die Uruguay-Runde in das WTO-System eingeführte Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen eine beschränkende Wirkung für nationale direkte Steuernormen entfalten.561 Nicht nur, dass infolge des Wandels der Industriegesellschaft zu einer Dienstleistungsgesellschaft der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen eine immer größere Bedeutung zukommt562, zudem ist für den zu diskutierenden Problembereich des unfairen Steuerwettbewerbs der Dienstleistungssektor von besonderer Relevanz. Denn ein als unfair empfundener Steuerwettbewerb wird oftmals nicht über die Besteuerung des klassischen Warensektors geführt, sondern Steuerregime schreckt auch die OECD zurück, auch wenn ein gewisses Unbehagen dem Folgereport 2000 durchaus zu entnehmen ist. Vgl. OECD, Towards Global Tax Co-operation (2000), S. 15, Randnr. 12. 561 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 82–83; vgl. Hufbauer/ Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 56. 562 Vgl. Lowenfeld, Economic Law (2002), S. 111.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

betrifft in besonderem Maße spezielle Regelungen, die Steuervergünstigungen für Dienstleistungen in Form von Konzerndienstleistungen oder internationalen Finanzzentren vorsehen. In diesem Umfeld ist potenziellen Restriktionen für steuerliche Normen der Mitgliedstaaten eine nicht zu unterschätzende Relevanz beizumessen. Dies gilt sowohl aus Sicht des unfair agierenden Staates als auch für den geschädigten Staat in Hinblick auf zulässige steuerliche Gegenmaßnahmen. Da sich die Mitgliedstaaten bei Vertragsabschluss weitgehende Sonderrechte einräumen ließen und die Wirksamkeit des GATS sektoral stark beschnitten wurde, ist der zunächst umfassende Ansatz des GATS erheblich zu relativieren.563 Im Unterschied zum GATT 1994 ist das GATS noch weitgehend unvollständig.564 Diejenigen Artikel des GATS, die sich mit der Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen oder der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen befassen, sind nicht annähernd auf dem Niveau der äquivalenten Regelungen des GATT 1994. Insbesondere findet sich im GATS derzeit kein Grenzausgleichssystem realisiert.565 Aber bereits die ersten Ansätze im bestehenden Rahmenvertrag deuten die mögliche, zukünftige Tragweite, die das GATS auf die nationale Gesetzgebung für den Bereich der direkten Steuern entfalten könnte, an. Gemäß Art. I Abs. 2 GATS sind für die Erbringung von Dienstleistungen durch das Vertragswerk vier verschiedene Klassifikationen zu unterscheiden: • „cross border supply“ – die grenzüberschreitende Dienstleistung gemäß Art. I Abs. 2 lit. a) GATS, • „consumption abroad“ – der Konsum einer Dienstleistung in einem anderen Land durch ein Mitglied eines anderen Mitgliedstaates gemäß Art. I Abs. 2 lit. b) GATS, • „commercial presence“ – die Erbringung einer Dienstleistung durch eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. I Abs. 2 lit. c) GATS, • „presence of natural persons“ – die Erbringung einer Dienstleistung vor Ort durch eine Firma, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat und hierfür natürliche Personen entsendet gemäß Art. I Abs. 2 lit. d) GATS. 563

Einerseits suspendieren Ausnahmelisten die Verpflichtung zur Meistbegünstigung, während das Inländergebot nur für länder- oder fallspezifische Zugeständnisse entsteht. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 589. 564 Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 688; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 307; vgl. Senti, WTO (2000), S. 603–604. 565 Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 56–57.

3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

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Aufgrund des hierdurch im GATS realisierten universellen Ansatzes für Dienstleistungen umfasst Art. I GATS sowohl die grenzüberschreitende Erbringung einer Dienstleistung als auch die Niederlassung des Dienstleisters oder des Verbrauchers, realisiert durch das Gebot der Freizügigkeit und den Schutz der durch den Niederlassungsvorgang bedingten Direktinvestitionen.566 Die Erbringung von Dienstleistungen ist in den meisten Fällen durch eine unabdingbare Nähe des Dienstleistungserbringers und Empfängers geprägt.567 Mithin ist die grenzüberschreitende Faktormobilität des Kapitals und der Arbeit in diesem Fall Voraussetzung für einen grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen.568 Waren sind dagegen als materielle Güter regelmäßig problemlos grenzüberschreitend transportabel.569 Damit bestehen grundlegende Unterschiede zwischen dem GATT 1994 und dem GATS, da naturgemäß eine mögliche zu kritisierende Beschränkung der Dienstleistung eher in deren Erbringung vor Ort, als in der Behinderung eines länderübergreifenden Dienstleistungsverkehrs gegeben ist.570 Entsprechend liegt der Schwerpunkt des GATT auf der Reduktion tarifärer Handelshemmnisse. Der Abbau von Grenzabgaben sowie Importhemmnissen in Kombination mit der Meistbegünstigungsklausel und dem Subventionsverbot im gegenseitigen Wechselspiel soll einen gleichberechtigten Marktzutritt der importierten und der lokalen Waren ermöglichen. Für das GATS verschiebt sich der Schwerpunkt in stärkerem Maß auf den Themenkomplex der Kontrolle und des Abbaus einer Begrenzung des Marktzutritts durch nichttarifäre Handelshemmnisse. Zum einen sind Dienstleistungen nur schwer an der Grenze durch Zölle und Grenzabgaben fassbar. Zum anderen wird die gegebene Verlagerung des Kontrollschwerpunkts verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass regelmäßig die Regelungsdichte der nationalen, nichttarifären Rechtsvorschriften für den Bereich 566 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 359–360; vgl. Senti, WTO (2000), S. 567–568; vgl. Lorenz, Die Europäische Gemeinschaft (2000), S. 41; ähnlich Jackson, The World Trading System (1997), S. 308; vgl. Wang, JWT 1996, S. 94; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 195 u. 206. 567 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 348–349; vgl. Hauser/ Schanz, GATT (1995), S. 206–207; vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 132. 568 Vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 120; vgl. Schanz/Hauser, GATT (1995), S. 195 u. S. 208; vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 131. 569 Vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 131. 570 Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 195; vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 131.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

der Dienstleistungen wesentlich ausgeprägter ist, als dies im Warensektor üblich ist.571 Da neben der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen aus einem anderen Staat auch die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderliche Entsendung von natürlichen Personen durch Art. I Abs. 2 GATS erfasst ist, ist im Ansatz die Personenfreizügigkeit geschützt.572 Weitergehend sind durch den Schutz der „commercial presence“ auch die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlichen Direktinvestitionen geschützt.573 Daher wird das bestehende GATS zum Teil auch als ein internationales Investitionsabkommen angesehen.574 Im Unterschied zum Zusatzabkommen des GATT über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMS)575 geht der im GATS realisierte Investitionsschutz über das Gebot der Inländerbehandlung für ausländische Waren hinaus.576 Denn letztlich verweist das TRIMS auf das bestehende GATT-Recht.577 Eine vergleichbare Einschränkung des Verbots der Beschränkungen von handelsbezogenen Investitionsmaßnahmen, etwa auf bestimmte „local content“ Bestimmungen, wie sie für das TRIMS gegeben ist, ist dem GATS nicht zu entnehmen. Durch das GATS sind vielmehr alle Beschränkungen der Erbringung von Dienstleistungen erfasst. Entsprechend schwierig ist für das GATS, die Grenzen zwischen der steuerlichen Regelung, die Direktinvestitionen berühren, und dem internationalen Handel an Dienstleistungen zu ziehen.578 571

Vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 132–133. Vgl. hierzu Chanda, World Economy 2001, S. 631–654. 573 Vgl. Weiß/Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 342. 574 Vgl. Chanda, Economic and Political Weekly 2003, S. 1571; vgl. Brewer/ Young, JIEL 1998, S. 460–462; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 309–310; so etwa Schott/Buurmann, die hierin den entscheidenden Unterschied zum GATT sehen. Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 101. Fischer-Zernin sieht eine multilaterale Form der Niederlassungsfreiheit durch die Uruguay-Runde nicht erreicht, dieses Ziel sei aber weiterhin auf der Agenda der WTO zu finden. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 104. Für eine Analyse der möglichen Weiterentwicklung der bestehenden GATS-Investitionsregeln. Vgl. Sauvé/Wilkie, in: Sauvé/Stern, GATS (2000), S. 346–358. 575 Für das TRIMS vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 316–317; vgl. Senti, WTO (2000), S. 533 ff. 576 Vgl. Weiß/Hermann, Welthandelsrecht (2003), S. 342, Randnr. 804; Hauser/ Schanz wollen dagegen einen engen Zusammenhang zwischen dem Schutz der Direktinvestitionen im GATS und dem TRIMS erkennen. Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 195. 577 So ist auch in der getrennten Regelung der handelsbeschränkenden Maßnahmen für Waren durch das TRIMS eher der Beginn einer eigenständigen Investitionsordnung zu sehen. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 535–536. 578 Vgl. Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1686. 572

3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

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Denn die Verpflichtung der Mitgliedstaaten durch das GATS zur Ermöglichung des Marktzutritts umfasst für die gesondert geregelten Bereiche die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlichen Zahlungen und den Kapitaltransfer.579 Gemäß der Fußnote 8 zu Art. XVI GATS betrifft dies für Art. I Abs. 2 lit. a) GATS den Kapitalimport, soweit dieser wesentlicher Bestandteil der Dienstleistungserbringung ist. In analoger Weise ist der Kapitalimport für durch Art. I Abs. 2 lit. c) GATS vorgesehene Direktinvestitionen durch Art. XVI GATS geschützt.580 Abstrahiert man die vorgenannten Einschränkungen der Wirksamkeit des GATS, so könnte grundsätzlich in analoger Vorgehensweise wie für das GATT ein Verstoß eines Mitgliedstaates gegen die Normen des GATS gegeben sein, wenn die ausländische Erbringung der Dienstleistung schlechter gestellt ist oder durch steuerliche Normen ein Angebot ausländischer Dienstleistungen im Inland erschwert wird und damit ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung zu konstatieren wäre.581 Bezogen auf den zu klärenden Sachverhalt der Vereinbarkeit einer steuerlichen Gegenmaßnahme mit den allgemeinen Steuerregeln des GATS, betrifft dies wiederum die Frage, ob eine CFC-Legislation als Marktzutrittsbegrenzung anzusehen ist, die möglicherweise gegen das Gebot der Inländerbehandlung des GATS verstößt. Berührt hiervon ist die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen in Form des „cross border supply“ i. S. d. Art. I Abs. 2 lit. a) GATS. Auch ist hier eine mögliche Auswirkung des Schutzes des Kapitalverkehrs zu klären, der den spezifischen Marktzugang der „commercial presence“ i. S. d. Art. XVI GATS sichert. Art. XVI GATS gewährleistet den freien Marktzugang der grenzüberschreitenden Dienstleistung und der Erbringung vor Ort und schützt die hierzu erforderlichen Kapitalströme. Der im Rahmen der Abwicklung der Geschäfte be579

Vgl. Senti, WTO (2000), S. 568. Insoweit ist eine parallele Entwicklung in der EG bzgl. der Dienstleistungsfreiheit ersichtlich. Das GATS umfasst ansatzweise Komponenten der Dienstleistungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit und der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerfreizügigkeit, ohne in der Schutzwirkung eine ähnliche Bedeutung zu entfalten, da sich im GATS kein dem EG-Vertrag entsprechendes, allgemeines Beschränkungsverbot findet. Vgl. im Ansatz so auch Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 208–209. Auch Hindley zieht den Vergleich zur EG. Dort haben sich ebenfalls zunächst die Anstrengungen auf den grenzüberschreitenden Handel mit Waren, und hier im Wesentlichen auf den tarifären Bereich, konzentriert. Aufgrund des starken Einflusses der Dienstleistungserbringung auf die nationalen Rechtsvorschriften, welche auch nichttarifäre Hemmnisse betreffen, wurde auch in der EG erst spät die Frage der gemeinschaftsweiten Dienstleistungserbringung diskutiert. Vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 134–135. 581 So bereits Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 82–83; vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 99. 580

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

dingte Zahlungs- und Überweisungsverkehr ist dagegen getrennt in Art. XI GATS geregelt.582 Aus dem Blickwinkel eines unfairen Steuerwettbewerbs ist der umgekehrte Sachverhalt, die Zulässigkeit der steuerlichen Subventionierung der Dienstleistungsexporte zu diskutieren. Ein potenzieller Verstoß gegen eine mögliche, zukünftig abzufassende Subventionsordnung wäre für das GATS denkbar, sofern ein Dienstleistungsanbieter im Inland bei einem grenzüberschreitenden Dienstleistungsangebot besser gestellt wird als bei dem vergleichbaren, rein innerstaatlichen Vorgang. Überdies könnten aus dem Gebot der Inländerbehandlung sowie der Meistbegünstigungsverpflichtung Restriktionen für das Steuersystem der Mitgliedstaaten erwachsen. Parallel zur Darstellung der Auswirkungen des GATT auf direkte Steuernormen, sollen nunmehr auch für das GATS der Grundsatz der Inländerbehandlung in Art. XVII GATS, der Subventionsartikel XV GATS, die Meistbegünstigungsklausel des Art. II GATS und die Verpflichtung zum Marktzutritt i. S. d. Art. XVII GATS in Hinblick auf etwaige Auswirkungen auf die Frage der direkten Steuern und möglichen Implikationen für den internationalen Steuerwettbewerb untersucht werden.

A. Art. XVII GATS Gebot der Inländerbehandlung Das Gebot der Inländerbehandlung verpflichtet gemäß Art. XVII Abs. 1 GATS die Vertragsparteien, den übrigen Mitgliedstaaten im Grundsatz eine Behandlung zu gewähren, „(. . .) die nicht weniger günstig ist als die seinen eigenen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eingeräumte Behandlung.“ Das Gebot der Inländerbehandlung des GATS umfasst auch jene Maßnahmen, die die Erbringung der Dienstleistung i. S. d. Art. I GATS vor Ort nach Markteintritt betreffen. Der Vertragstext unterscheidet zwischen der Phase des Marktzugangs als Voraussetzung für die lokale Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen einerseits, dieser findet sich in Art. XVI GATS geregelt, und der Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Gleichbehandlung der Dienstleistungserbringung vor Ort mit den inländischen Wettbewerbern andererseits.583 Das Gebot der nicht weniger günstigen Behandlung in Bezug auf den Marktzugang i. S. d. Art. XVI GATS ergänzt damit das Gebot der Inländerbehandlung des Art. XVII Abs. 1 GATS, da es den ideellen Augenblick des Marktzugangs erfasst, mithin den Moment, in dem der ausländische Dienstleistungsanbieter noch nicht im Inland tätig ist. 582 583

Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 200. Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 126.

A. Art. XVII GATS Gebot der Inländerbehandlung

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Der Rahmencharakter des bestehenden GATS verdeutlicht sich in besonderer Weise in der derzeitigen Ausgestaltung des Gebotes der Inländerbehandlung. Im Unterschied zum GATT unterliegt der GATS-Ansatz der Inländerbehandlung einer weiteren, weit reichenden sachlichen Einschränkung. Während im GATT die Inländerbehandlung gemäß Art. III GATT 1994 für alle Waren zu gewährleisten ist, findet, dem „bottom up“-Ansatz folgend, Art. XVII GATS nur für die gesondert ausgehandelten, listengebundenen Sektoren Anwendung.584 Lediglich für diese gesondert verhandelten Bereiche, in denen die Mitgliedsländer ihrerseits das Zugeständnis zur Inländerbehandlung machen, entsteht gemäß Art. XVII Abs. 1 GATS die Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Behandlung der importierten Dienstleistung oder des ausländischen Dienstleistungserbringers im Vergleich zu inländischen Dienstleistungen oder inländischen Dienstleistungserbringern.585 Entsprechend unterliegt das bestehende GATS-System auch der Kritik, denn der „bottom up“-Ansatz ist sehr restriktiv. Ohne Verhandlungen können neue Entwicklungen im Bereich Dienstleistungen keine Berücksichtigung finden.586 Es handelt sich, wie von Schott/Baumann treffend ausgeführt, bei der derzeitigen Fassung des GATS nicht um ein „General Agreement“, sondern vielmehr um ein „Special Agreement“.587 Schon im Grundsatz kann also das GATS, im Unterschied zum GATT, über das Gebot der Inländerbehandlung nur eine normative Bedeutung für innere Abgaben in den gesondert ausgehandelten Sektoren entwickeln.588 In das weit gefasste Vergleichssystem des Art. XVII GATS sind alle Maßnahmen, die die Erbringung von Dienstleistungen betreffen, in die Prüfung der wettbewerbsverzerrenden Wirkung einzubeziehen. Gemäß Art. XVII Abs. 3 GATS kann auch bei einer formalen Gleichbehandlung ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung gegeben sein, sofern sich de facto eine Wettbewerbsbeschränkung zugunsten der inländischen 584 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 371–372; vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 676; vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 113–114; vgl. Beise, Welthandelsorganisation (2001), S. 116–117; vgl. Senti, WTO (2000), S. 603; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 187; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 123; vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 172; vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 57; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 201; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 101–102. 585 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 308. 586 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 603; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 123; vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 172; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 101–102. 587 Vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 102. 588 Vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 172.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

Dienstleistung oder des inländischen Dienstleistungserbringers ergibt. Umgekehrt führt auch eine formal ungleiche Behandlung nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung. Für die Beurteilung der Wirkung einer inneren Maßnahme ist eine Gesamtbetrachtung der Umstände vorzunehmen.589 Die Fußnote 10 zu Art. XVII GATS nimmt ausdrücklich etwaige Wettbewerbsnachteile aus dieser Gesamtbetrachtung aus, die ihre Ursache in der ausländischen Herkunft des Dienstleisters oder der Dienstleistungen finden. Die Mitgliedstaaten sind entsprechend nicht verpflichtet, einen Ausgleich im Sinne einer Entlastung im Inland für die ausländischen Anbieter zu gewähren, nur um die ausländische Herkunft des Anbieters zu nivellieren. Wohlgemerkt gilt der zu führende Vergleich ausschließlich für „like services“ und „like service suppliers“. Stehen die ausländischen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer nicht im Wettbewerb zu einer inländischen, gleichartigen Dienstleistung oder einem gleichartigen Dienstleistungserbringer, so entfällt aufgrund des fehlenden Vergleichsmaßstabes die Verpflichtung zur Inländerbehandlung. Denn wie schon für Art. III GATT 1994 festzustellen war, bezieht sich auch im GATS das Gebot der Inländerbehandlung ausschließlich auf „like services“ und „like service suppliers“.590 Entsprechend legt die Begriffsdefinition von „like service“ und „like service suppliers“ gleichsam den Rahmen des Anwendungsgebotes der Inländerbehandlung fest. Dem handelsorientierten Grundverständnis der WTO entsprechend, verbietet Art. XVII GATS wettbewerbsverzerrende Strukturen nur für zueinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer. Aufgrund der offenen Formulierung birgt das Verhältnis von Art. XVII Abs. 2 GATS zu Art. XVII Abs. 3 GATS Konfliktpotenzial für den zu diskutierenden Bereich der Steuern. Denn um die aus Art. XVII GATS erwachsende Verpflichtung für Steuern zu erfüllen, ist grundsätzlich keine formal gleiche Besteuerung erforderlich, sofern hieraus eben keine Wettbewerbsbenachteiligung im Vergleich zu den heimischen Anbietern erwächst. Entsprechend weit ist der durch Art. XVII GATS gesetzte Rahmen 589 Aufgrund der hohen Bedeutung der innerstaatlichen Gesetzgebung für die Erbringung von Dienstleistungen wurde durch die Mitgliedstaaten eine starke Beeinträchtigung der Gesetzgebungshoheit befürchtet. Ein gewisser Grad an Harmonisierung im Sinne einer Standardisierung erscheint jedoch als Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Z. B. Anerkenntnis der ausländischen Diplome, u. ä. Die wesentlich weiter reichende Bedeutung des GATS auf die inneren staatlichen Normen wird hier deutlich. Während für das GATT dies von vorneherein nicht erwünscht war, kann für das GATS diese Auswirkung nicht verhindert werden. Vgl. Hindley, in: Schott, Uruguay Round (1990), S. 135 ff. 590 Zur Abgrenzung der „like services“ und „like service suppliers“ vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 1119, Randnr. 62; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 52; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 108–118.

A. Art. XVII GATS Gebot der Inländerbehandlung

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für die nationalen Steuernormen gefasst. Unter Berücksichtigung der Fußnote 10 GATS erscheint für ausländische Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer die Realisierung des Bestimmungslandsprinzips im Inland sowohl für direkte als auch für indirekte Steuern zulässig.591 Einen weiteren wesentlichen Unterschied zum rein warenorientierten GATT findet sich in der ausdrücklichen Berücksichtigung der Dienstleistungserbringer in Art. XVII GATS. Dementsprechend kann eine protektionistische Wirkung einer nationalen Maßnahme einerseits durch eine Beeinträchtigung der Erbringung einer Dienstleistung von Land A nach Land B gegeben sein. Der Schutz des „cross border supply“ entspräche dann dem klassischen GATT-Verständnis im Sinne eines grenzüberschreitenden Warenhandels. Ergänzend hierzu unterliegt auch die Erbringung einer Dienstleistung durch eine Niederlassung – „commercial presence“ – oder durch eine natürliche Person im Inland – „presence of natural persons“ – dem Gebot der Inländerbehandlung. I. Direkte Steuern Bezüglich der Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern im GATS ist auf die allgemeine Begriffsbestimmung des Art. XXVIII lit. o) GATS zu verweisen. Dort findet sich für direkte Steuern die Formulierung „(. . .) alle Steuern auf die Gesamteinkünfte, das Gesamtkapital oder auf einen Teil der Gesamteinkünfte und des Gesamtkapitals, einschließlich Steuern auf Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen, auf Grundbesitz, Erbschaften und Schenkungen sowie Steuern auf die von Unternehmen gezahlte Gesamtlohn- oder -gehaltssumme sowie Steuern auf den Kapitalzuwachs.“ Zudem ist für das Gebot der Inländerbehandlung des GATS die Fußnote 6 zu Art. XIV lit. d) GATS zu berücksichtigen. So sind für alle Maßnahmen, die unter die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS zu subsumieren sind, die einschlägigen Definitionen und Begriffe aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates zu entnehmen. Für die Verpflichtung zur Inländerbehandlung in Art. XVII Abs. 1 GATS findet sich zunächst die weit gefasste Begrifflichkeit in Hinblick auf „(. . .) alle Maßnahmen, die die Erbringung von Dienstleitungen betreffen (. . .)“. Auch für die Abgrenzung des Umfangs der hierdurch entstehenden Verpflichtung kann auf die in Art. XXVIII GATS enthaltene Begriffsbestimmung zurückgegriffen werden. Die für „like service“ und „like service supplier“ zu berücksichtigenden Maßnahmen umfassen im Verständnis des GATS gemäß Art. XXVIII lit. a) GATS u. a. Gesetze, sonstige Vorschriften 591

Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 58.

306

3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

und Verwaltungshandlungen. Weiter findet sich ergänzend in Art. XXVIII lit. c) GATS eine nicht als abschließend zu verstehende Aufzählung der Maßnahmen, die die Erbringung von Dienstleistungen berühren.592 Folglich sind durch den Tatbestand „alle Maßnahmen“ auch direkte Steuern erfasst, die inländische Niederlassungen eines ausländischen Dienstleisters oder eine grenzüberschreitende Dienstleistung weniger günstig behandeln als die heimischen gleichartigen Dienstleistungen oder Erbringer von Dienstleistungen. Für dieses Ergebnis spricht auch die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS. Dort werden direkte Steuern ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Art. XVII GATS ausgenommen. Eine solche Klausel wäre sinnentleert, würden direkte Steuern nicht dem Gebot der Inländerbehandlung im Sinne des GATS unterliegen.593 II. Art. XIV lit. d) GATS Ausnahmeklausel für direkte Steuern Art. XIV lit. d) GATS unterbindet weitgehend die Anwendung des Art. XVII GATS, mithin das Gebot der Inländerbehandlung für direkte Steuern. Damit ist ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung zulässig, sofern das Ziel dieser „(. . .) unterschiedlichen Behandlung darin besteht, eine gerechte und effektive Besteuerung oder die Einhebung von direkten Steuern in Bezug auf Dienstleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen anderer Mitglieder zu gewährleisten (. . .)“.594 Die Ursache dieser Ausnahmeklausel ist in Unterschieden bei der Erhebung direkter Steuern für inländischen und ausländischen Unternehmen zu sehen. Art. XIV lit. d) GATS ermöglicht der nationalen Finanzverwaltung einen Spielraum, um den spezifischen Anforderungen der Erhebung von direkten Steuern nachzukommen.595 Entsprechend bezieht sich die Ausnahmeklausel im Wesentlichen auf die unterschiedliche Besteuerung von Firmen, die im ausländischen Besitz stehen, sowie der Besteuerung Nichtansässiger.596 Auch unterstreicht die konkrete Ausnahme der direkten Steuern die Bedeutung, die diese für die Dienstleistungserbringung entwickelt. 592

Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 678–679. Vgl. Panel Report, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Recourse to Article 21.5 of the DSU by the European Communities, WT/ DS108/RW, adopted 29. January 2002, Randnr. 8.143. 594 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 586; vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 58–59. 595 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 586. 596 So ist die US-Administration der Auffassung, dass unterschiedliche Berichtspflichten, unterschiedliche Quellensteuern, nationale Transferpreisregelungen und auch unterschiedliche Steuerkonzepte, wie das Welteinkommensprinzip, sowie Steuersätze, die ausländische Firmen berühren, durch die Ausnahmeklausel gedeckt sind. 593

A. Art. XVII GATS Gebot der Inländerbehandlung

307

Im Unterschied zum grenzüberschreitenden Warenhandel werden Dienstleistungen ausländischer Herkunft oftmals durch eine lokale Niederlassung erbracht. Die Belastung einer ausländischen Niederlassung mit direkten Steuern im Inland gewinnt im Vergleich zum Grenzausgleichssystem des GATT an Bedeutung. Nachdem „alle Maßnahmen“ i. S. d. Art. XVII GATS auch indirekte Steuern umfassen und diese in den Ausnahmetatbeständen des Art. XIV GATS keine Erwähnung finden597, gilt dagegen das Gebot der Inländerbehandlung des GATS in gleicher Weise wie für Art. III Abs. 2 GATT 1994 für indirekte Steuern.598 Dagegen ist ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung durch eine direkte Steuernorm auf Basis des Art. XIV lit. d) GATS prinzipiell ermöglicht. Neben den nicht listengebundenen Sektoren, ist auch für die speziellen, listengebundenen Sektoren, für die zunächst Art. XVII GATS Anwendung findet, der Bereich der direkten Besteuerung wieder weitgehend ausgenommen, so dies dann einer gerechten und effektiven Besteuerung dient.599 1. Die Frage der „gerechten und effektiven“ Besteuerung – Fußnote 6 GATS Die zunächst nur sehr schwer greifbare, allgemein gehaltene Formulierung einer „gerechten und effektiven Besteuerung“, welche sich in Art. XIV lit. d) GATS wieder findet, erfährt durch die zugehörige Fußnote 6 eine weitere inhaltliche Konkretisierung.600 Dort sind diejenigen steuerlichen Maßnahmen erläutert, die nach Ansicht der Vertragspartner für das Bestehen eines gerechten und effektiven Steuersystems als notwendig erachtet werden und entsprechend ausdrücklich durch Art. XIV lit. d) GATS legitimiert sind.601 • Zunächst sichert lit. i) u. lit. ii) der Fußnote 6, gleichsam als erste Kategorie, die Steuerhoheit über das Steueraufkommen des Mitgliedstaates, in dessen Grenzen die grenzüberschreitenden Dienstleistungen erbracht werden. Entsprechend ist eine beschränkte Steuerpflicht für gebietsfremde Dienstleistungserbringer sowie etwaige Maßnahmen des Mitgliedstaates, Vgl. unter Verweis auf das US-Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Uruguay-Runde Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 58–59. 597 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 586. 598 Vgl. Williams, EC TAX Law (1998), S. 128. 599 Vgl. Williams, EC TAX Law (1998), S. 128; vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 83. 600 Vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 212. 601 Vgl. auch Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 82–83.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

die der Besteuerung oder Einhebung der Steuern im Gebiet des Mitgliedstaates für Gebietsfremde dienen, durch lit. i) und lit. ii) der Fußnote 6 gebilligt. • Mit der Ermöglichung der Besteuerung der Konsumenten ist durch lit. iv) der Fußnote 6 als zweite Kategorie der Gegenpart zur ersten Kategorie behandelt. So sind alle Besteuerungsmaßnahmen durch den Mitgliedstaat ermöglicht, die für Empfänger von Dienstleistungen Anwendung finden, um die Festsetzung und Erhebung der Steuern aus Quellen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates sicherzustellen. • Weiter ist in lit. vi) die Zulässigkeit von steuerlichen Maßnahmen zur Ermittlung und Aufteilung der Steuerbemessungsgrundlage von gebietsansässigen Personen oder Niederlassungen oder damit verbundenen Personen oder Niederlassungen in Hinblick auf die Sicherung des inländischen Steueraufkommens ermöglicht. Entsprechend wird durch lit. vi) steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten begegnet, die eine Gewinnverlagerung der inländischen Niederlassung an die ausländische Mutter vorsehen und die inländische Bemessungsgrundlage gefährden.602 • Ergänzend erlaubt lit. iii) der Fußnote 6 alle Maßnahmen, die Gebietsansässige und Gebietsfremde betreffen, um eine Steuerflucht oder Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Dies beinhaltet auch etwaige Vollzugsmaßnahmen. Schließlich sind nach lit. v) ausdrücklich steuerliche Maßnahmen gebilligt, die erforderlich sind, um Dienstleistungserbringer, die der weltweiten Besteuerungspflicht unterliegen, hinsichtlich des Unterschiedes der Bemessungsgrundlage von den anderen Erbringern von Dienstleistungen zu unterscheiden. Die durch die Fußnote 6 zu Art. XIV lit. d) GATS ausdrücklich legitimierten steuerlichen Maßnahmen sind nicht als abschließende Auflistung zu 602 Wie Fischer-Zernin anmerkt, findet sich keine ausdrückliche Nennung des „arms length principle“. Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 86–87. Dies ist für die Sicherung des Steueraufkommens aus Sichtweise des GATS m. E. allerdings auch nicht erforderlich. Denn durch Art. XIV lit. d) GATS wird die Besteuerungshoheit im Inland gewahrt. Eine Schlechterstellung der eigenen Dienstleistungserbringer ist generell durch das GATS ermöglicht. Überdies unterliegen Niederlassungen, die im Besitz ausländischer Anteilseigner stehen, aufgrund der Steuerklausel weitgehend nur der Meistbegünstigungsverpflichtung. In diesem Fall besteht auch kein prinzipielles Verbot der Schlechterstellung im Vergleich zum Inland, solange diese Schlechterstellung im Außenverhältnis diskriminierungsfrei erfolgt. Der ausdrückliche Verweis auf das „arms length principle“ im GATT ist genau aus der umgekehrten Perspektive in die Fußnote 59 der Subventionsordnung aufgenommen worden. Eine Verlagerung in ein niedrig besteuerndes Land durch eine lasche Anwendung der Transferpreisregelung kann als Exportsubvention wirken und ist entsprechend zu unterlassen. Dieser Sachverhalt würde in einer möglichen Subventionsordnung geregelt werden. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.1.d).

A. Art. XVII GATS Gebot der Inländerbehandlung

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verstehen. Darüber hinaus sind durch Art. XIV lit. d) GATS alle steuerlichen Normen legitimiert, so sie denn einer „gerechten und effektiven“ Festsetzung oder Erhebung der direkten Steuern eines Mitgliedstaates in Bezug auf Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer dienen. Zunächst ist der Begriff „gerechte und effektive“ Festsetzung und Erhebung direkter Steuern sehr offen formuliert. Da zudem infolge des letzten Satzes der Fußnote 6 GATS die Rechtsvorschriften des jeweiligen Staates Anwendung für die Steuerklausel finden und darüber hinaus jegliche diskriminierende Besteuerung, so sie denn zu einer gerechten Besteuerung führt, durch Art. XIV lit d) GATS legitimiert ist, könnte man Art. XIV lit. d) i. V. m. Art. XVII GATS entnehmen, dass nahezu jede international übliche Form der direkten Besteuerung einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung im Empfängerland der Dienstleistung gerechtfertigt ist.603 2. Schranken-Schranke des Art. XIV GATS („Chapeau“) Etwas differenzierter stellt sich das Ergebnis für die direkte Besteuerung durch die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Missbrauchschranke des Art. XIV GATS, dem Chapeau, dar. Die Formulierung findet sich in Art. XIV GATS in gleicher Weise wie im allgemeinen Ausnahmetatbestand des Art. XX GATT 1994.604 Auch wenn sich in Art. XX GATT 1994 keine zu Art. XIV lit. d) GATS vergleichbare Ausnahme für direkte Steuern findet, spricht die übereinstimmende Formulierung des einleitenden Kopfes, gleichsam der Präambel des Ausnahmetatbestands, für die Übernahme der GATT-Rechtspraxis bezüglich der Interpretation. Im einleitenden Satz des Art. XIV GATS findet sich gleichsam das internationale Rechtsprinzip des Treu und Glaubens wieder.605 Die durch Art. XIV GATS vorgesehenen Ausnahmeklauseln stehen nicht schrankenlos, sondern müssen einen Ausgleich zwischen den Rechten des Mitgliedstaates und dessen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den anderen Mitgliedstaaten beinhalten. Entsprechend soll der einleitende Satz eine missbräuchliche Ausnutzung der Ausnahmeklausel durch die Mitgliedstaaten unterbinden.606 Demgemäß ist gemäß Art. XIV Satz 1 GATS eine steuerliche Maßnahme, die gegen das Gebot der Inländerbehandlung des 603

Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 87. Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 193; vgl. Senti, WTO (2000), S. 586. 605 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 64–65. 606 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 343–346, in Hinblick auf die Verhinderung der missbräuchlichen Ausnutzung, Randnr. 488, sowie dem Prinzip des Treu und Glaubens, Randnr. 490. Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), 604

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

Art. XVII GATS verstößt und durch die Steuerklausel ihre Rechtfertigung findet, wiederum nicht als zulässig anzusehen, falls sie zu einer willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung von Ländern, in denen gleiche Verhältnisse bestehen, dient. Gleichermaßen ist eine Maßnahme, die als eine verschleierte Beschränkung des Handels mit Dienstleistungen anzusehen ist, unzulässig.607 Letztlich ist durch die Chapeau-Klausel der willkürlichen Umsetzung nationaler politischer Ziele eine Schranke gesetzt.608 In Hinblick auf die Anwendung einer steuerlichen Maßnahme sind damit aufgrund der Missbrauchschranke zwei Aspekte zu wahren. a) Willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung Zunächst könnte die Formulierung des Diskriminierungsverbots des Art. XIV GATS nahe legen, dass dieses keine Anwendung auf das Gebot der Inländerbehandlung finden kann, da für die zu prüfenden Vergleichsobjekte kein Drittstaat in die Betrachtung einbezogen wäre. Diese Interpretation greift jedoch zu kurz. Nach Auffassung des Appellate Body greift das Verbot der willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung in Hinblick auf die einschränkende Formulierung „zwischen Ländern, in denen die gleichen Verhältnisse bestehen“ sowohl im Verhältnis der Bedingungen im einführenden Land zu denjenigen im Exportland als auch gleichermaßen im Verhältnis zweier Exportstaaten zueinander.609 Entsprechend ist die Wirkung des Chapeaus sowohl für das Gebot der Inländerbehandlung als auch für das der Meistbegünstigungsverpflichtung gegeben. Eine andere Interpretation entspräche kaum dem Sinn und Zweck der Schrankenregelung, die gerade für die im Art. XIV GATS geregelten Ausnahmetatbestände Anwendung finden soll. Denn die in Art. XIV GATS enthaltenen Ausnahmevorschriften nehmen gleichermaßen Maßnahmen, die sowohl gegen die Verpflichtung zur Meistbegünstigung als auch gegen das Gebot der Inländerbehandlung verstoßen, aus der Vertragsverpflichtung heraus.610 Das Verbot der willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung besteht damit auch für die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS. So darf eine weniger günstige Behandlung einer ausländischen Dienstleistung oder S. 213–214; vgl. Herdegen, Wirtschaftsrecht (2003), S. 141–143; vgl. Jackson, The World Trading System 1997, S. 233–234. 607 Vgl. Wang, JWT 1996, S. 100. 608 Vgl. Knobbe-Keuk, EC Tax Review 1994, S. 74–75; vgl. Wang, JWT 1996, S. 100. 609 Zu Art. XX GATT 1994 vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 346, Randnr. 493. 610 Ähnlich zum Art. XX GATT 1994, WTO, Analytical Index (2003), S. 346, Randnr. 493.

A. Art. XVII GATS Gebot der Inländerbehandlung

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eines ausländischen Dienstleistungserbringers im Vergleich zu einer gleichartigen inländischen Dienstleistung oder einem Dienstleistungserbringer durch eine direkte Steuernorm nicht willkürlich erfolgen. Das Gebot der Willkürfreiheit bezieht sich auf die Maßnahme selbst. Dies umfasst einen anderen Bewertungsmaßstab als bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung gegeben ist. Aus dem Chapeau wird auch die Schlussfolgerung gezogen, dass die Mitgliedstaaten im Sinne der Wahrung der Verhältnismäßigkeit zunächst verpflichtet sind, mit dem anderen Mitgliedstaat über Abhilfemaßnahmen zu verhandeln.611 b) Verschleierte Beschränkung des Handels mit Dienstleistungen Abgesehen von dem Verbot der willkürlichen Diskriminierung darf durch die Ausnahmeklausel auch keine verschleierte Beschränkung des Handels mit Dienstleistungen entstehen. Neben der Transparenz der nationalen Gesetzgebung612 berührt dies auch die Intention der nationalen Maßnahme. Die zu untersuchende Maßnahme darf von ihrem zugrunde liegenden Zweck oder ihrer Zielsetzung nicht dem protektionistischen Schutz der heimischen Anbieter dienen.613 Damit unterstreicht das Verbot der verschleierten Beschränkung des Handels mit Dienstleistungen nochmals den Missbrauchsgedanken des Chapeaus. Zwar ist das grundlegende Gebot der Wahrung der Inländerbehandlung durch Art. XIV lit. d) GATS aufgehoben, aber nur soweit dies für den gewünschten Schutzzweck, hier der gerechten und effektiven Besteuerung oder Einhebung direkter Steuern, erforderlich ist.614 Eine steuerliche Regelung, welche eine verdeckte Beeinflussung des Marktes beinhaltet und etwa einen steuerlichen Vorteil in Abhängigkeit an den Ursprung der Dienstleistungen knüpft, könnte als ein verschleiertes Handelshemmnis anzusehen sein. Dies betrifft sowohl eine steuerliche Subventionierung, die grundsätzlich ebenfalls unter das Gebot der Inländerbehandlung fällt615, als auch allgemeine steuerliche Maßnahmen, die die Wettbewerbsbedingungen zugunsten der heimischen Dienstleistungen oder 611 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht 2003, S. 214; vgl. Herdegen, Wirtschaftsrecht 2003, S. 143; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 65. 612 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 351. 613 Vgl. Stoll/Schorkopf, WTO – Welthandelsordnung und Welthandelsrecht 2002, S. 65. 614 Jackson bezeichnet das Chapeau entsprechend als eine „softer“ obligation of MFN and national treatment. Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 234. 615 Aufgrund des Listenansatzes der Inländerbehandlung nur, sofern ein Mitgliedstaat auf die spezifische Verpflichtung hierzu eingegangen ist. So haben einige Mitgliedstaaten die nationalen Subventionen aus der Verpflichtung zur Inländerbehand-

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

Dienstleistungserbringer im Vergleich zu den ausländischen vergleichbaren Anbietern verschieben. Verdrängt also das Normziel der protektionistischen Wirkung den Gedanken der Sicherung der „gerechten und effektiven Besteuerung“ i. S. d. Art. XIV lit. d) GATS, so ist m. E. die Grenze des Chapeaus erreicht. Denn wie Art. III GATT 1994 für den internationalen Warenhandel, verbietet Art. XVII GATS, wie Absatz 3 der Norm nochmals unterstreicht, die protektionistische Verwendung innerstaatlicher Gesetze mit der Wirkung einer Wettbewerbsverzerrung zulasten ausländischer Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer. Entsprechend ist für nationale Steuernormen auch in dieser Hinsicht eine analoge Schlussfolgerung wie für Art. III Abs. 4 GATT zu ziehen.616 Sofern steuerliche Normen etwaige „local content“-Bestimmungen enthalten und damit nicht aufgrund der Belastung mit inneren Abgaben, sondern infolge der protektionistischen Wirkung als allgemeine Norm eine nachteilige Auswirkung auf die ausländischen „like services“ und „like service suppliers“ entfalten, ist auch in dieser Hinsicht das Gebot der Inländerbehandlung zu berücksichtigen. Denn Art. XVII Abs. 3 GATS zieht für das Gebot der Inländerbehandlung ausdrücklich alle Maßnahmen in die Betrachtung der Wettbewerbssituation ein, die eine Benachteiligung der ausländischen Anbieter bewirken. In diesem Fall scheint eine Rechtfertigung der steuerlichen Norm auf Basis des Art. XIV lit. d) GATS gleichermaßen nicht zulässig.

B. Art. XV GATS – Subventionen im GATS Im Gegensatz zu dem im GATT realisierten Zusatzabkommen ASCM findet sich für den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen keine entsprechende Regelung wieder. Das ASCM selbst findet als Zusatzabkommen des GATT keine Anwendung für das GATS.617 Somit ist eine Subventionierung des grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen lediglich im Subventionsartikel, dem Art. XV GATS, geregelt. Dort findet sich die Einsicht der Vertragsparteien wieder, dass Subventionen auch für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr von Bedeutung sind und unter Umständen mit einer Wettbewerbsverzerrung verbunden sein können.618 Es blieb allerdings in der Uruguay-Runde bei einer Absichtserklälung ausgeschlossen. Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 326; vgl. Note by Secretariat, Subsidies and Trade in Services, S/WPGR/W/9, 6. März 1999, Randnr. 8. 616 Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.III. 617 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 126. Zu den Vertragsbestandteilen des GATT siehe Dritter Teil, 2. Kapitel, B.II.

B. Art. XV GATS – Subventionen im GATS

313

rung, die die Verpflichtung zur Aufnahme von Verhandlungen gemäß Art. XV Abs. 1 GATS über eine multilaterale Subventionsdisziplin vorsieht.619 Bei dem derzeitigen Stand des Vertragswerks findet sich weder die Definition einer Subvention im Dienstleistungsbereich wieder, noch sieht Art. XV GATS ein Abhilfeverfahren vor.620 Dementsprechend kann ein Mitgliedstaat, der sich durch eine Subvention eines anderen Staates geschädigt sieht, lediglich auf die in Art. XV Abs. 2 GATS vorgesehene Möglichkeit zurückgreifen, eine Konsultation i. S. d. Art. XXII GATS einzuleiten. I. Bestehende Subventionsregelung des GATS Dennoch steht die Subventionierung der Dienstleistungen nicht völlig ohne Schranken. Neben dem Art. XV GATS unterliegen Subventionen als Maßnahmen eines Mitgliedstaates, welche den Handel mit Dienstleistungen berühren, sowohl der Verpflichtung zur Meistbegünstigung i. S. d. Art. II GATS als auch, soweit die Subvention die listengebundenen Sektoren berührt, dem Gebot der Inländerbehandlung.621 Im Gegensatz zum GATT liegt eine Subventionierung, beispielsweise in Form einer nationalen steuerlichen Maßnahme, die eine ausländische Niederlassung im Inland betrifft, nicht von vorneherein außerhalb des Regelungsumfangs der Inländerbehandlung oder der Meistbegünstigungsverpflichtung des GATS. Denn einerseits ist eine vergleichbare Regelung wie in Art. III Abs. 8 lit. b) GATT 1994, die eine Subventionierung der heimischen Erzeuger aus dem Gebot der Inländerbehandlung ausschließt, im GATS nicht gegeben.622 Andererseits findet sich gleichermaßen auch für die Meistbegünstigungsverpflichtung keine dem Art. I GATT entsprechende Beschränkung des Regelungsumfangs. So sind Subventionen, sieht man von der Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS ab, bereits aufgrund der weit gefassten Formulierung „hinsichtlich aller Maßnahmen, die die Erbringung von Dienstleistungen betreffen“ im Gebot der Inländerbehandlung enthalten. Das Gebot der Inländerbehandlung entfaltet folglich für nationale Subventionen in Hinblick auf 618

Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 88. Vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 200; vgl. Barth, EuZW 1994, S. 457; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 104. 620 Vgl. Rydelski, Antisubventionsrecht (2001), S. 320. 621 Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 326; vgl. Gilles/O’Brien/Spencer, in: Sauvé/Stern, GATS (2000), S. 177; vgl. Note by Secretariat, Subsidies and Trade in Services, S/WPGR/W/9, 6. März 1999, Randnr. 6–8. 622 Allerdings ist im GATT im Rahmen des Gebotes der Inländerbehandlung durch eine Subvention eine Auswirkung möglich, sofern hierdurch eine Auswirkung auf Importwaren in Hinblick auf den „Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung im Inland“ gegeben ist. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A.III. 619

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

eine nicht diskriminierende Ausgestaltung dieser Maßnahme bereits eine weit reichende Auswirkung.623 Zunächst erscheint es erstaunlich, dass trotz des Rahmencharakters des bestehenden GATS eine weiter reichende Beschränkung für steuerliche Subventionen im allgemeinen Diskriminierungsverbot enthalten ist, als dies den vergleichbaren Bestimmungen des GATT entnommen werden kann. Dies lässt sich allerdings durch den unterschiedlichen Verhandlungsansatz des GATS erklären. Im GATT sind die vertraglichen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten allgemein gültig. Entsprechend repräsentieren die vertraglichen Bestimmungen einen kleinsten gemeinsamen Nenner der beteiligten Parteien. Dagegen liegt es infolge der listengebundenen Zugeständnisse im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates, in welchem Umfang er den inländischen Dienstleistungsbereich der multilateralen Handelsordnung überantwortet.624 Mag im derzeitigen Stadium des GATS noch nicht die allgemeine Wirksamkeit realisiert sein, so ist dennoch in Verbindung mit der Status-Quo-Verpflichtung und der durch das Vertragswerk nicht vorgesehenen Begrenzungen der Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen das Regelungspotenzial höher einzustufen als im GATT.625 Bezieht man die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS in Hinblick auf mögliche Restriktionen für eine Subventionierung im Rahmen der direkten Besteuerung in die Betrachtung mit ein, so wird die Wirksamkeit der Inländerbehandlung weitgehend suspendiert.626 Denn der Nachweis, dass in einer steuerlichen Subvention kein Bestandteil einer gerechten Besteuerung zu sehen ist oder ein Verstoß gegen den Chapeau des Art. XIV GATS vorliegt, dürfte m. E. schwerlich gelingen. Jedenfalls bleibt für steuerliche Subventionen die Meistbegünstigungsklausel bestehen. Denn für das Außenverhältnis des Diskriminierungsverbotes findet sich im GATS keine dem Art. XIV lit. d) GATS vergleichbare Ausnahmebestimmung wieder.627

623

Vgl. Note by Secretariat, Subsidies and Trade in Services, S/WPGR/W/9, 6. März 1999, Randnr. 6–8. 624 Entsprechend schwanken beispielsweise die Zugeständnisse der Mitgliedstaaten bzgl. der Inländerbehandlung sektorenspezifisch erheblich. Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 372. 625 Vgl. Note by Secretariat, Subsidies and Trade in Services, S/WPGR/W/9, 6. März 1999, Randnr. 9. 626 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, A.II. 627 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, C.

B. Art. XV GATS – Subventionen im GATS

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II. Working Party on GATS Rules – Subsidies and Trade in Services Infolge der Absichtserklärung zur Gestaltung einer GATS-Subventionsordnung ist zukünftig zu bestimmen, in welcher Form Subventionen, die mit einer Wettbewerbsverzerrung verbunden sind, im Dienstleistungsbereich vorliegen.628 Sollte das GATT 1994, und hier insbesondere das ASCM, eine mögliche, zukünftige Entwicklung für den Art. XV GATS widerspiegeln, dann könnte einem GATS-Subventionstatbestand eine bedeutende Auswirkung für die Frage des unfairen Steuerwettbewerbs zukommen. Vieles spricht für diesen Weg. Die zuständige Arbeitsgruppe „Working Party on GATS Rules“629, die auf Grundlage des Art. XV GATS die Verhandlungen aufgenommen hat, kam überein, das ASCM als Diskussionsgrundlage zu verwenden.630 Offensichtlich treten jedoch bei einer Übertragung der Subventionsordnung aus dem GATT Probleme zutage. So lässt sich für einen möglichen Subventionstatbestand im GATS keine so klare Abgrenzung finden wie für die Subventionierung einer Ware. Entsprechend kann die Regelung nur im Fall einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung ohne großen Anpassungsbedarf aus dem ASCM in ähnlicher Form übertragen werden. Hier könnten in analoger Weise die Grundsätze der verbotenen Ausfuhrsubventionen oder der Einfuhr ersetzenden Subventionen Anwendung finden.631 Differenzierter erscheint dagegen, die Gewährung von Subventionen für eine „commercial presence“ zu bewerten. Denn die Subvention einer „commercial presence“ berührt zwei Aspekte. Zunächst eine mögliche Subventionierung einer ausländischen Niederlassung durch den heimischen Staat – dies entspräche der im FSC-Fall aufgeworfenen Problematik einer Exportsubvention632 – sowie andererseits die Gewährung von Subventionen im Inland an eine ausländische „commercial presence“, um Investitionen zu attirieren. In diesem Fall verschwimmen die klaren Grenzen des grenzüberschreitenden Warenhandels. Für den Bereich der Subvention wurde überdies durch das GATS anerkannt, dass nicht alle Subventionen in ihrer Wirkung für den internationalen 628

Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 324–325. Vgl. Note by Secretariat, Subsidies and Trade in Services, S/WPGR/W/9, 6. März 1999. 630 Vgl. Luja, Tax Incentives (2002), S. 182; vgl. Senti, WTO (2000), S. 588. 631 Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft (2002), S. 324–325 u. 333; vgl. Gilles/O’Brien/ Spencer, in: Sauvé/Stern, GATS (2000), S. 179. 632 Sauvé sieht dagegen diese Form der Subventionierung als wenig wahrscheinlich an. Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 329; vgl. auch Gilles/O’Brien/Spencer, in: Sauvé/Stern, GATS (2000), S. 180. 629

316

3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

Handel mit Dienstleistungen als schädlich anzusehen sind. Zumindest werden durch Art. XV GATS nationale, wirtschaftspolitische Ziele anerkannt und sollen in die Verhandlungen über eine zukünftige GATS-Subventionsdisziplin einfließen. Ein generelles Verbot der Subventionen im Dienstleistungsbereich erscheint daher unwahrscheinlich.633 Sollte man von der Steuerhoheit des Mitgliedstaates abweichen und beispielsweise für die Subventionierung einer „commercial presence“, gleichsam als Unterfall der Inländerbehandlung, die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS zukünftig unberücksichtigt lassen, so wären hiermit ähnliche Probleme wie im internationalen, unfairen Steuerwettbewerb verbunden. Zwar ist durch eine Subventionierung einer „commercial presence“ möglicherweise eine Wettbewerbsverzerrung des internationalen Dienstleistungshandels verbunden, doch wo tritt diese zutage und wie soll sie für eine mögliche Subventionsdisziplin erfasst oder bewertet werden? Letztendlich müsste für eine GATS-Subventionsdisziplin die Frage beantwortet werden, welche Subventionen im internationalen Dienstleistungswettbewerb verboten und als „unfair“ anzusehen sind. Ebenso müssten sich die Vertragsparteien darauf einigen, welche politischen Ziele zur Rechtfertigung einer Subvention zukünftig durch das GATS anerkannt werden.634 III. Zwischenergebnis Für den heutigen Stand verbleibt dennoch festzustellen, dass über die Verpflichtung hinaus, die der Meistbegünstigungsklausel und dem Gebot der Inländerbehandlung zu entnehmen ist, mit dem GATS keine Regelungen für etwaige Steuersubventionen für den Importfall gegeben sind. Infolgedessen findet sich im GATS gleichsam die Ausfuhrkomponente eines Grenzausgleichssystems nicht geregelt. Aufgrund der fehlenden Subventionsbestimmung steht es den Mitgliedstaaten vielmehr frei, im Fall des Exports von Dienstleistungen eine Freistellung von direkten oder indirekten Steuern vorzunehmen. Damit können die Mitgliedstaaten, gleichermaßen wie im GATT-Grenzausgleichssystem, das Bestimmungslandprinzip für in633 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht 2003, S. 382; vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 330–331. 634 Sauvé möchte den politischen Aspekt dann auch in eine Fortentwicklung des TRIMS einfließen lassen. Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 330 u. 333. Die besondere Schwierigkeit der Einigung auf zulässige Subventionen verdeutlicht das Schicksal, welchem die grünen Subventionen, die nationale Interessen unter Umständen berücksichtigt haben, im GATT 1994 unterlagen. Für die Subventionsordnung des GATT 1994 wurde zwischenzeitlich die Wirksamkeit der Bestimmungen über zulässige Subventionen nicht verlängert und entsprechend aufgehoben. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.3.

C. Art. II GATS Meistbegünstigungsklausel

317

direkte Steuern realisieren. Einer Verpflichtung hierzu unterliegen sie allerdings nicht.635

C. Art. II GATS Meistbegünstigungsklausel Wie schon im GATT, ist auch für das GATS die Meistbegünstigungsklausel von großer Bedeutung.636 Dies gilt für das GATS umso mehr, als im Unterschied zum Gebot der Inländerbehandlung die Meistbegünstigungsklausel nicht nur eine Wirkung für die listengebundenen Sektoren entfaltet, sondern grundsätzlich für alle Maßnahmen Anwendung findet, die unter das GATS fallen.637 Die Meistbegünstigungsklausel stellt gleichsam die nach außen gerichtete Komponente des allgemeinen Diskriminierungsverbotes der WTO dar. Sie findet sich in Art. II Abs. 1 GATS, analog zu ihrem Vorbild im GATT, in Form einer „unconditional“ Meistbegünstigungsverpflichtung geregelt.638 So finden ebenso etwaige günstigere Maßnahmen der Vertragsparteien im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten wie auch günstigere Maßnahmen im Verhältnis zu Drittstaaten Berücksichtigung.639 Wie schon für das GATT festzustellen war, ist hierbei sowohl eine dejure- als auch eine de-facto-Diskriminierung der Mitgliedstaaten im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten erfasst.640 Die Verpflichtung zu einer nicht weniger günstigen Behandlung entsteht allerdings nur im Verhältnis zu den Vertragspartnern. Folglich ist gegenüber Drittstaaten prinzipiell eine Schlechterstellung ermöglicht und eine ergänzende, bilaterale Meistbegünstigungsklausel im Verhältnis zu Drittstaaten denkbar.641 635

Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 60–61. Erstmals wurde eine Meistbegünstigungsverpflichtung in einem multilateralen Vertragstext aufgenommen, der sich mit dem Handel von Dienstleistungen befasst. Vgl. Senti, WTO (2000), S. 603; vgl. Wang, JWT 1996, S. 91. 637 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 589. 638 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 107 u. 123; vgl. Wang, JWT 1996, S. 96–97; vgl. Schott/Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 101. 639 Vgl. Wang, JWT 1996, S. 97–98. 640 Während eine de-jure-Diskriminierung einer Maßnahme ausdrücklich an die ausländische Herkunft anknüpft, ist unter einer de-facto-Diskriminierung eine formal gleiche Behandlung durch nationale Maßnahmen berührt, welche dennoch im Ergebnis eine Ungleichbehandlung beinhaltet. Unter einer faktischen Diskriminierung wären z. B. eine allgemeine Berufsanforderung oder sprachliche Zugangsbeschränkungen zu verstehen. Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 1097; vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 680; vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht 2003, S. 365. 641 Vgl. Wang, JWT 1996, S. 104. 636

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

Die Meistbegünstigungsklausel des GATS findet Anwendung, falls eine der vier möglichen Arten der Dienstleistungserbringung des Art. I Abs. 2 GATS zweier unterschiedlicher Staaten betroffen ist und die Maßnahmen des Mitgliedstaates den Handel mit Dienstleistungen beeinflussen.642 Der Begriff „Maßnahmen der Mitglieder“ umfasst gemäß Art. I Abs. 3 lit. a) i) GATS alle Maßnahmen „zentraler, regionaler und lokaler Regierungen und Behörden“ sowie gemäß Art. I Abs. 3 lit. a) ii) „nichtstaatlicher Stellen in Ausübung der ihnen von zentralen, regionalen oder lokaler Regierungen oder Behörden übertragenen Zuständigkeit“. Zusammenfassend unterliegen die Mitgliedstaaten der Meistbegünstigungsverpflichtung für alle Maßnahmen, in allen Dienstleistungssektoren, die den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen der vier vorgegebenen Ausprägungen beeinflussen können.643 Gleichwohl finden sich auch für die Meistbegünstigungsverpflichtung des GATS weit reichende Ausnahmen vom Grundsatz der allgemeinen Meistbegünstigung, die ihre Begründung einerseits im derzeitigen Rahmencharakter des Vertrages und andererseits in den bestehenden, wirtschaftlichen Asymmetrien der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Entwicklung des Dienstleistungssektors finden. So findet die Meistbegünstigungsverpflichtung beispielsweise keine Anwendung für grenznahe Gebiete gemäß Art. 2 Abs. 3 GATS, für die Integrationsräume i. S. d. Art. V GATS sowie für integrierte Arbeitsmärkte gemäß Art. V bis GATS. Weitere allgemeine Ausnahmen sind in Art. XIV GATS zur Sicherung der öffentlichen Moral und Ordnung, der Gefahrenabwehr und der Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehen. Daneben ist in Art. XIII GATS eine Befreiung des öffentlichen Beschaffungswesens und in Art. XII GATS eine Ausnahme für bestehende oder drohende, schwere Zahlungsbilanzstörungen gegeben.644 Art. II Abs. 2 GATS suspendiert die Mitgliedstaaten von der Verpflichtung zur Anwendung der Meistbegünstigungsverpflichtung in Hinblick auf sektorale Ausnahmeregelungen.645 Zum Vertragsabschluss besaß jeder Mitgliedstaat das Recht, jene Maßnahmen aufzulisten, die nicht der Meistbegünstigungsklausel unterliegen sollen. Insbesondere die USA nahmen diese Möglichkeit für eine weitgehende Ausnahme in Hinblick auf die Besteuerung in Anspruch.646 Weiter liegt der Meistbegünstigungsklausel des 642 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 1095; vgl. Wang, JWT 1996, S. 94–95; vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 680. 643 Vgl. Wang, JWT 1996, S. 94–95. 644 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 168 ff.; vgl. Wang, JWT 1996, S. 99. 645 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 365–366; vgl. Stoll/Schorkopf, WTO (2002), S. 187; vgl. Senti, WTO (2000), S. 575–576; vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 308. 646 Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 396–397.

C. Art. II GATS Meistbegünstigungsklausel

319

GATS der Gedanke des progressiven Abbaus der Wirkungseinschränkung zugrunde. Ziel ist es, zukünftig einen jeweils höheren Stand der Liberalisierung zu erreichen.647 Entsprechend wurde mit den gelisteten Ausnahmen der Status Quo zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung festgeschrieben. Ein Unterschreiten des Status Quo ist nicht zulässig.648 Um eine möglichst effektive Anwendung der Meistbegünstigungsverpflichtung zu ermöglichen, sollen überdies die bestehenden Ausnahmen der Meistbegünstigungsklausel zukünftig abgebaut und längerfristig vollständig aufgehoben werden.649 Wie schon bei dem Gebot der Inländerbehandlung festzustellen war, findet sich auch bei der GATS-Meistbegünstigungsklausel aufgrund der spezifischen Anforderungen, die mit dem grenzüberschreitenden Handel an Dienstleistungen verbunden sind, eine abweichende Formulierung vom historischen, warengeprägten Vorbild. Eine ungeprüfte Übertragbarkeit der Erfahrungen des GATT auf die GATS-Normen erscheint daher fraglich.650 Während die GATT-Meistbegünstigungsklausel den Schwerpunkt auf warenbezogene Grenzabgaben setzt sowie innere Abgaben und Rechtsvorschriften i. S. d. Art. III Abs. 2 und 4 GATT 1994 berücksichtigt651, lässt sich eine analoge Einschränkung der GATS-Meistbegünstigungsklausel nicht entnehmen. Vielmehr ist bezüglich der Dienstleistungen gemäß Art. II Abs. 1 GATS die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur sofortigen und bedingungslosen Gewährung einer nicht weniger günstigen Behandlung auf alle Maßnahmen, die unter das GATS-Übereinkommen fallen, gegeben.652 Damit trägt die GATS-Meistbegünstigungsklausel dem im Kern wesentlich breiter gefassten Regelungsumfang der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung, der Dienstleistung durch eine Niederlassung vor Ort sowie dem „consumption abroad“ Rechnung.653 647

Art. XIX GATS verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Aufnahme weiterer Verhandlungen zur fortschreitenden Liberalisierung. 648 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 576. 649 Die Ausnahmen von Art. II GATS sollten nach 5 Jahren durch den Rat für den Handel mit Dienstleistungen auf ihre Berechtigung überprüft werden, Ausnahmen von der allgemeinen Meistbegünstigung sollen eine Dauer von 10 Jahren nicht überschreiten. Vgl. Art. 3 und 6 der Anlage zu den Ausnahmen von Art. II GATS. Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 681; vgl. Senti, WTO (2000), S. 175; vgl. Wang, JWT 1996, S. 101–102. Allerdings wurde diese Klausel durch den ausdrücklichen Verweis in den Ausnahmen seitens der Mitgliedstaaten auf die unbeschränkte Gültigkeit der sektoralen Ausnahmen weitgehend aufgehoben. Entsprechend gelten die meisten Ausnahmen von der Meistbegünstigung unbefristet. Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 681; vgl. Senti, WTO (2000), S. 576. 650 Vgl. Jackson, The World Trading System (1997), S. 157 u. 308; vgl. Wang, JWT 1996, S. 92. 651 Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, D. 652 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 123; vgl. Wang, JWT 1996, S. 93–94.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

Entsprechend dem Grundkonzept der allgemeinen Meistbegünstigung ist der Mitgliedstaat A in Hinblick auf grenzüberschreitende „like services“ und „like service suppliers“ zu einer diskriminierungsfreien Behandlung der Mitgliedstaaten B und C zueinander654 verpflichtet. Eine Grundkomponente des Meistbegünstigungsprinzips stellt die Begrenzung der geforderten zwischenstaatlichen Gleichbehandlung auf die jeweils gleichartigen Kategorien wie für das begünstigte Land dar.655 Erscheint bereits die Abgrenzung eines „like products“ im GATT schwierig, so dürfte dies für die vielfältigen Begriffe des „like service“ oder „like service suppliers“656 nochmals erschwert sein.657 Neben der sehr offen formulierten Verpflichtung zur nicht weniger günstigen Behandlung in Bezug auf alle Maßnahmen, die unter das GATS fallen, ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten durch die Meistbegünstigungsklausel, bedingt durch den vielschichtigen Begriff Dienstleistungen, weiter gefasst als für den äquivalenten Schutzbereich des grenzüberschreitenden Handels mit Waren i. S. d. Art. I GATT. Damit ist zu erwarten, dass für die Meistbegünstigungsklausel des GATS eine weitergehende Auswirkung als die bereits für das GATT diskutierten Effekte auf das Steuersystem der Mitgliedstaaten gegeben ist. Die diesbezüglich relevante Steuerklausel des Artikel XV lit. e) GATS verdeutlicht die Bedeutung, die die Vertragsparteien den direkten Steuern für das allgemeine Diskriminierungsverbot der WTO in Bezug auf den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen zumaßen. Steuerliche Handelshemmnisse können in Form von bilateralen Verträgen abgebaut werden oder unilateral im Steuergesetz des Mitgliedstaates verankert sein.658 Die durch Art. II GATS erfassten Maßnahmen steuerlicher Art sind grundsätzlich in zwei Ausprägungsformen denkbar. Dies betrifft, übertragen auf eine direkte Steuernorm, sowohl die Quellenbesteuerung 653

Vgl. Wang, JWT 1996, S. 105. In den zu wahrenden Vergleichsmaßstab gehen auch Drittstaaten, die nicht Mitglieder der WTO sind, ein. Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 365. 655 Vgl. Wang, JWT 1996, S. 94–95. 656 Eine Definition der Begriffe „like service“ und „like service suppliers“ findet sich im Vertragstext nicht. Vgl. Senti, WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung 2000, S. 189. Das Panel sieht den Tatbestand eines „like service suppliers“ erfüllt, sobald der Dienstleistungsanbieter unabhängig von einem möglichen differierenden Vertriebsweg einen „like service“ anbietet. Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 1098, Randnr. 19–20. Zur Frage der Abgrenzung des „like service“ und „like service suppliers“ ausführlich Abu-Akeel, JWT 1999, S. 108–118; vgl. Wang, JWT 1996, S. 98–99. 657 Vgl. Wang, JWT 1996, S. 94–95. 658 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. S. 88–91. 654

C. Art. II GATS Meistbegünstigungsklausel

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ausländischer Einkünfte als auch eine Besteuerung der ausländischen Niederlassungen und Personen im Inland.659 Die Meistbegünstigungsklausel würde, sofern durch eine steuerliche Maßnahme des Mitgliedstaates eine weniger günstige Besteuerung des „like service“ oder „like service suppliers“ eines anderen Mitgliedstaates verglichen mit einem Drittstaat erfolgt, den betroffenen Mitgliedstaat verpflichten, unverzüglich und bedingungslos eine nicht weniger günstige Behandlung auch im Vergleich zu allen anderen Mitgliedstaaten zu gewähren. Nachdem steuerliche Subventionen im Sinne einer Maßnahme eines Mitgliedstaates ebenfalls der allgemeinen Meistbegünstigung unterliegen können660, gilt diese Aussage gleichermaßen für steuerliche Maßnahmen im Allgemeinen, sowie für Steuersubventionen im Besonderen.661 Damit kann die Meistbegünstigungsverpflichtung erstens als Grenze für die Ausgestaltung diskriminierender Steuersysteme im Inland zu berücksichtigen sein. Zweitens können nationale, steuerliche Normen, etwa in Form einer CFC-Legislation, als steuerliche Gegenmaßnahme gegen die Verpflichtung zur Meistbegünstigung verstoßen. I. Art. XIV lit. e) GATS Steuerklausel für Doppelbesteuerungsabkommen Sieht man von den durch Art. II Abs. 2 GATS vorgesehenen, länderspezifischen Ausnahmen der Meistbegünstigungsverpflichtung ab, so finden sich im Vertragstext weitergehend Ausnahmevorschriften von der Verpflichtung zur Meistbegünstigung normiert. Hierunter fällt, wie schon für das Gebot der Inländerbehandlung, auch Art. XIV GATS. Durch Art. XIV lit. e) GATS ist in ähnlicher Weise wie schon durch Art. XIV lit. d) GATS die Wirksamkeit des Abkommens für den Bereich der direkten Steuern teilweise aufgehoben.662 Denn gemäß Art. XIV lit. e) GATS ist Art. II GATS nicht anwendbar, falls Bestimmungen in Doppelbesteuerungsabkommen 659

Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. S. 89–90. Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2002, S. 326; vgl. Note by Secretariat, Subsidies and Trade in Services, S/WPGR/W/9, 6. März 1999, Randnr. 6–8. 661 Die Definition einer Subvention findet sich im GATS derzeit nicht. Übernimmt man die Definition des GATT, so wäre allgemein ein finanzieller Beitrag einer Regierung im Gebiet eines Mitglieds, welcher mit einem Vorteil für den Empfänger verbunden ist, als Subvention anzusehen. Bezogen auf Steuern, entsprechend gleichermaßen der Verzicht oder die Nichteinhebung von fälligen steuerlichen Einnahmen i. S. d. Art. 1 Abs. 1 lit. a) (ii) ASCM. Vgl. Sauvé, Außenwirtschaft 2003, S. 326; vgl. Note by Secretariat, Subsidies and Trade in Services, S/WPGR/W/9, 6. März 1999, Randnr. 4. 662 Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 56–57. 660

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

oder anderen internationalen Vereinbarungen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung dem entgegenstehen.663 Aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen entfällt die Ausnahmeklausel bei Staaten, zu denen kein Doppelbesteuerungsabkommen oder kein anderes entsprechendes internationales Abkommen besteht. Vergleicht man den Inhalt der für das Gebot der Inländerbehandlung vorgesehenen Ausnahmeklausel mit der Regelung des Art. XIV lit. e) GATS, so ist hier ein deutlich geringerer Anwendungsbereich festzustellen. Nicht alle steuerlichen Maßnahmen, die der „gerechten und effektiven“ Erhebung von direkten Steuern dienen, sind von der Verpflichtung der Meistbegünstigung ausgenommen, sondern ausschließlich solche Maßnahmen, die gegen die Verpflichtung der Meistbegünstigung verstoßen und ihre Ursache in internationalen Abkommen oder Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung finden. Ziel der Ausnahmevorschrift war es, durch das GATS eine Auswirkung auf das bestehende Geflecht an internationalen Doppelbesteuerungsabkommen zu vermeiden.664 Steuerliche Bestimmungen sollen weitgehend den Steuerabkommen überlassen bleiben.665 Die Ausnahmevorschrift lässt sich aber auch durch die unterschiedlichen Regelungsansätze des GATS erklären. Denn das in Art. II GATS geregelte Gebot der Meistbegünstigung entspricht weitestgehend dem GATT-System. Es ist von seinem Regelungsumfang breiter gefächert als das Gebot der Inländerbehandlung, andererseits aber in seiner Auswirkung für das nationale Normensystem der Mitgliedstaaten deutlich zurückhaltender ausgestaltet. So ist auch für den bestehenden Rahmenvertrag, zumindest in der Außenwirkung, das Diskriminierungsverbot weitgehend einzuhalten. Im Inland kann, folgt man dem listengebundenen „bottom up“-Ansatz, durch die Mitgliedstaaten das Diskriminierungsverbot angewendet werden, muss jedoch nicht. Sollten sich die Mitgliedstaaten für die Anwendung des Inländergebotes entscheiden, so können fiskalpolitische Erwägungen in den Vordergrund treten, die für die direkte Besteuerung eine weit reichende Schutzregelung sinnvoll erscheinen lassen, während diese Erwägung durch das multilaterale Diskriminierungsverbot im Verhältnis zum Ausland verdrängt wird. Denn sollte durch eine steuerliche Maßnahme einem anderen Staat eine bessere Behandlung zugebilligt werden, so kann durch eine multilaterale Handelsordnung eine diskriminierende Schlechterstellung nicht gedeckt sein. Viel663

Vgl. Sørensen, European Taxation 2002, S. 212; vgl. Williams, EC TAX Law (1998), S. 128; vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 91; vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 60. 664 Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 60. 665 Vgl. Heydt, in: Lehner, Grundfreiheiten (2000), S. 27; vgl. Jones, EC Tax Review 1998, S. 105; vgl. Williams, EC Tax Law (1998), S. 128.

C. Art. II GATS Meistbegünstigungsklausel

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mehr müssen alle Maßnahmen im Verhältnis zwischen den anderen Mitgliedstaaten diskriminierungsfrei erfolgen. Dies beinhaltet allerdings nicht in jedem Fall, dass diese genauso gut sind wie die Maßnahmen, die im Inland gelten.666 II. Schranken-Schranke des Art. XIV GATS („Chapeau“) Auch für die Ausnahmevorschrift des Art. XIV lit. e) GATS ist, wie schon für Art. XIV lit. d) GATS, die allgemeine Schrankenbestimmung des Art. XIV GATS zu berücksichtigen. Denn eine Maßnahme, die zu einem Verstoß der Verpflichtung aus der Meistbegünstigungsklausel führt, ist, auch wenn sie ihre Rechtfertigung durch ein Doppelbesteuerungsabkommen oder eine andere internationale Vorschrift zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung findet, verboten, sofern dies eine willkürliche oder unberechtigte Diskriminierung unter Ländern bewirkt, in denen die gleichen Bedingungen gelten, oder wenn in dieser Maßnahme eine verdeckte Beschränkung des grenzüberschreitenden Dienstleistungshandels zu sehen ist. Entsprechend verbietet der Chapeau eine missbräuchliche Nutzung der allgemeinen Ausnahmen, welchem der Sinn und Zweck der Schutzklausel entgegensteht.667 Doppelbesteuerungsabkommen spiegeln die jeweiligen speziellen, zwischenstaatlichen Gegebenheiten und Verhandlungsergebnisse wider. Entsprechend kann aufgrund der spezifischen Vertragsbedingungen eine Schlechterstellung der nicht in die Verhandlungen eingebundenen Mitgliedstaaten gegeben sein. Dies dürfte aber kaum als Vertragsintention der beteiligten Vertragsparteien anzusehen sein; somit ist zunächst eine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung anderer Mitgliedstaaten aufgrund einer Regelung innerhalb eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht zu unterstellen.668 Schließlich könnte ein Verstoß gegen Art. II GATS keine Rechtfertigung im Art. XIV lit. e) GATS finden, sofern die Regelung eine verdeckte Beschränkung des Handels mit Dienstleistungen beinhaltet. Sollte nun ein bilateraler Abbau der steuerlichen Handelshemmnisse i. S. d. Art. XIV lit. e) GATS wiederum zu einem verdeckten Handelshemmnis in Bezug auf einen anderen Mitgliedstaat führen, so würde im Ergebnis jede Besserstellung eines Staates, die durch Art. XIV lit. e) GATS ihre Rechtfertigung findet, aufgrund der allgemeinen Schranken-Schranke des Art. XIV GATS aufgehoben, denn die Ausnahme von der Verpflichtung zur allgemei666

Das Zusammenspiel der Meistbegünstigungsverpflichtung und des Gebotes der Inländerbehandlung wird im Dritten Teil, 5. Kapitel, C.III. näher erläutert. 667 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, A.II.2. 668 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 92.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

nen Meistbegünstigung bedingt zwangsläufig eine mittelbare, handelsbezogene Schlechterstellung eines Drittstaates.669 M. E. wäre eine missbräuchliche Ausnutzung der Schutzklausel gegeben, falls in einem Doppelbesteuerungsabkommen auch außersteuerliche Bereiche geregelt werden, die nicht der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen. Denn die Vertragsintention der Parteien lag augenscheinlich darin, das bestehende Vertragsgeflecht an Doppelbesteuerungsabkommen aufrechtzuerhalten und für das Problemfeld der Vermeidung oder des Abbaus der Doppelbesteuerung auf die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zurückzugreifen. Konsequenterweise werden durch Art. XIV lit. e) GATS, neben den Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, auch für andere internationale Abkommen nur diejenigen Bereiche als anwendbar anerkannt, die Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung beinhalten. Für eine begriffliche Abgrenzung der Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung könnte auf die einschlägigen Ausführungen des Panels und Appellate Body bezüglich der Fußnote 59 des GATT-Subventionsübereinkommens zurückgegriffen werden. Dort findet sich eine ähnliche Ausnahmeklausel vom grundsätzlichen Verbot der Ausfuhrsubvention für diejenigen Maßnahmen normiert, die der Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen aus ausländischen Quellen dienen.670 III. Meistbegünstigungsverpflichtung im Wechselspiel mit Art. XVII GATS Der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. II GATS kommt im Vertragssystem des GATS im Vergleich zur Inländerbehandlung nur eine nachrangige Bedeutung zu. Diese zunächst erstaunliche Feststellung liegt darin begründet, dass im Unterschied zum GATT in aller Regel bereits durch das weitgehende Gebot der Inländerbehandlung automatisch eine potenzielle Diskriminierung seitens eines Mitgliedstaates gegenüber zweier anderer Mitgliedstaaten zueinander vermieden ist. Vorausgesetzt, dem Mitgliedstaat B wird die gleiche Behandlung der „like services“ und „like service suppliers“ zuteil wie dem inländischen Vergleichsobjekt A, und dies gilt in analoger Weise auch für einen Mitgliedstaat C, so müssen in Anwendung des Transitivgesetzes die Staaten B und C, verglichen miteinander, durch das Land A gleich behandelt sein. Dieses gilt jedoch auch im GATS nicht uneingeschränkt. So finden sich in dem Vertragstext zwei wesentliche Ausnahmen geregelt, die das Gebot der Inländerbehandlung und damit auch die Wirkung des Transitivgesetzes 669 670

Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 92–93. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, B.I.1.d).

C. Art. II GATS Meistbegünstigungsklausel

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beschränken. Zunächst unterliegen die Mitgliedstaaten nur in den listengebundenen Sektoren der Verpflichtung der Inländerbehandlung gemäß Art. XVII GATS.671 Weiter ermöglicht die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS eine diskriminierende Besteuerung der ausländischen Dienstleistungen gegenüber den „like services“ und „like service suppliers“ im Inland, soweit das Ziel dieser Besteuerung darin besteht, eine gerechte und effektive Besteuerung, die Einhebung direkter Steuern in Bezug auf Dienstleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen anderer Mitglieder zu gewährleisten.672 In diesen Fällen ist nicht zwangsläufig eine diskriminierungsfreie Belastung der jeweiligen ausländischen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringung zu gewährleisten. Wie bereits aufgezeigt, kann ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung durch Art. XIV lit. d) GATS gerechtfertigt sein, sofern die nationale Maßnahme ihre Begründung in einer gerechten oder effektiven Erhebung der direkten Steuern findet. Dies kann dazu führen, dass eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung durch den Staat B in Übereinstimmung mit der Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS höher belastet ist als die gleichartige Dienstleistungserbringung durch den Staat C, der gemäß der Anforderung der Inländerbehandlung i. S. d. Art. XVII GATS besteuert wird. Somit könnte ein Verstoß gegen die Meistbegünstigungsverpflichtung gegeben sein, da offensichtlich der Staat B durch eine Maßnahme, die unter dieses Übereinkommen fällt, weniger günstig behandelt wird als das Land C. Auch ist diese Diskriminierung, sofern sie nicht auf der Grundlage eines Abkommens zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung erfolgt, nicht durch Art. XIV lit. e) GATS gerechtfertigt. Könnte sich nun das Land B, welches auf der Grundlage der Klausel zur Sicherung des Steueraufkommens einer weniger günstigen Behandlung unterliegt, erfolgreich auf die allgemeine Meistbegünstigung des Art. II GATT berufen und so eine gleiche Behandlung bezüglich der steuerlichen Maßnahmen zu Land C einfordern, so würde die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS in ihrer Wirkung eingeschränkt. Zunächst sind durch den in Art. II GATS verwendeten Begriff „alle Maßnahmen“ i. S. d. Art. I GATS auch diejenigen Maßnahmen erfasst, die dem Gebot der Inländerbehandlung i. S. d. Art. XVII GATS unterliegen. Folglich bilden die Maßnahmen, die der listengebundenen Inländerbehandlung unterliegen, sieht man von den länderbezogenen Ausnahmen i. S. d. Art. II Abs. 2 GATS ab, eine Schnittmenge der vom Anwendungsbereich weiter gefassten 671 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 603; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 123; vgl. Quereshi, JWT 1996, S. 172; vgl. Hauser/Schanz, GATT (1995), S. 201; vgl. Schott/ Buurmann, The Uruguay Round (1994), S. 101–102. 672 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, A.II.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

Verpflichtung zur Meistbegünstigung. Ein zusätzlicher Verweis auf die Inländerbehandlung, wie etwa in Art. I GATT 1994 enthalten, erübrigt sich und käme einer rein klarstellenden Funktion zu.673 Entsprechend sind die Mitgliedstaaten auch für nicht listengebundene Dienstleistungen i. S. d. Art. XVII GATS nicht völlig frei in der Gestaltung der Maßnahmen, die sich auf die „like services“ und „like service suppliers“ beziehen, sofern sie nicht gleichzeitig den Anwendungsvorbehalt für die Meistbegünstigungsklausel zurückbehalten haben.674 Damit grenzt die Meistbegünstigungsverpflichtung den Vorbehalt der listengebundenen Inländerbehandlung i. S. d. Art. XVII GATS sowie die Rechtfertigung einer Diskriminierung auf der Grundlage des Art. XIV lit. d) GATS ein, sofern dem Mitgliedstaat, der sich auf die Meistbegünstigung beruft, der Nachweis einer besseren Behandlung des „like service“ oder „like service suppliers“ verglichen mit einem Drittstaat gelingt.675 Für das Außenverhältnis gilt parallel die Verpflichtung zur Meistbegünstigung bezüglich der Länder zueinander. Da das Feld der direkten Steuern für die Inländerbehandlung weitgehend aufgehoben ist und zudem für die Meistbegünstigungsklausel keine dem Art. XIV lit. d) GATS vergleichbare Steuerklausel gegeben ist676, kommt der Meistbegünstigungsverpflichtung des GATS eine entscheidende Bedeutung für das Feld der direkten Steuern zu. Zusammenfassend kann die durch Art. II GATS erwachsene Verpflichtung der Meistbegünstigung einerseits durch die Gleichbehandlung aller drei beispielhaft genannten Länder erfüllt werden. Dann unterliegen die „like services“ und „like service suppliers“ aus den Staaten A, B und C einem gleichen steuerlichen Belastungsniveau.677 Alternativ erfüllt auch eine diskriminierende Schlechter- oder Besserstellung678 der ausländischen Länder im Vergleich zum Inland die Anforderung aus Art. II GATS und Art. XVII GATS, sofern die grenzüberschreitenden Dienstleistungen der Staaten B und C zueinander diskriminierungsfrei durch inländische steuerliche Maßnahmen 673

Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 126–127. Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 372. 675 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 128–129. 676 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, C.I. 677 Nicht erforderlich ist dagegen, alle ausländischen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer formal gleichzustellen. Ziel ist eine wettbewerbsneutrale Gleichstellung der jeweiligen Anbieter in materieller Hinsicht. Vgl. Art. XVII Abs. 3 GATS. 678 Eine Besserstellung würde das Gebot der Inländerbehandlung überkompensieren, da lediglich eine Verpflichtung zur nicht schlechteren Behandlung der ausländischen Anbieter besteht. Überdies kann sich ein inländischer Dienstleistungserbringer nicht auf die Meistbegünstigungsverpflichtung berufen. Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 122. 674

D. Marktzutritt Art. XVI GATS

327

des Staates A belastet sind. Denn die Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. II GATS allein gebietet keine Gleichbehandlung mit den Inländern.679 Für steuerliche Maßnahmen, die listengebundene Dienstleistungssektoren erfassen, und wenn überdies eine diskriminierende Behandlung nicht durch Art. XIV lit. d) GATS eröffnet ist, ergibt sich zwangsläufig die Gleichstellung der drei Länder in Form der ersten Alternative. Folgerichtig entsteht, unter Berücksichtung der Auswirkung der Meistbegünstigungsklausel, die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, eine grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen aus verschiedenen Staaten und die Besteuerung von Niederlassungen im Eigentum von Angehörigen unterschiedlicher Staaten übereinstimmend zu besteuern. Umgekehrt würde eine unterschiedliche Besteuerung der Niederlassungen verschiedener Länder, beispielsweise in Form einer länderspezifischen Freistellung von der Besteuerung, einen Verstoß gegen die Meistbegünstigungsverpflichtung implizieren.680 Ausgenommen ist eine divergierende Behandlung, die ihre Rechtfertigung in Art. XIV lit. e) GATS findet.

D. Marktzutritt Art. XVI GATS Sowohl für die Meistbegünstigungsverpflichtung des GATT als auch für die des GATS gilt die Verpflichtung der Meistbegünstigung auch für den Marktzutritt.681 Während dies im GATT in Art. I GATT 1994 geregelt ist, findet sich die Regelung bezüglich des Marktzutritts für Dienstleistungen getrennt von der allgemeinen Meistbegünstigung im III. Kapitel des GATS wieder. Die Verpflichtung, einen Marktzutritt zu gewährleisten, bezieht sich gemäß Art. XVI GATS auf alle durch Art. I GATS unterschiedenen Erbringungsarten der Dienstleistungen.682 Entsprechend weit gefächert sind denkbare Möglichkeiten der Beeinträchtigungen des Marktzugangs für ausländische Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer. Während für den grenzüberschreitenden Handel mit Waren die Meistbegünstigungsverpflichtung hinsichtlich des Marktzugangs vergleichsweise einfach durchsetzbar erscheint, da die Waren im Moment des Grenzübergangs einer bestimmten Grenzabgabe unterliegen und somit etwaige Unterschiede in der tarifären Belastung der Waren verschiedener Länder leicht nachweisbar sind683, stellt 679

Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 365; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 128–129. 680 Siehe auch die ähnliche Argumentation für die Meistbegünstigungsklausel des GATT durch Horn/Mavroidis, European Journal of Political Economy 2001, S. 275. 681 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 124. 682 Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 681. 683 Vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 125.

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3. Teil, 5. Kap.: GATS und direkte Steuern

sich die entsprechende Zugangsverpflichtung des GATS aufgrund des möglichen Spektrums an Dienstleistungen als schwer durchsetzbar dar. Da den ausländischen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern der Marktzugang nur entsprechend der spezifischen Zugeständnisse der Mitgliedstaaten in ähnlicher Weise wie für das Gebot der Inländerbehandlung zu gewähren ist, gilt auch für den Marktzugang der „bottom up“-Ansatz des GATS.684 Durch die spezifische Begrenzung der Möglichkeiten einer Einschränkung des Marktzutritts für ausländische Dienstleistungsanbieter, die den Mitgliedstaaten sowohl sektoral als auch inhaltlich weitgehende Freiräume für Beschränkungen, Bedingungen und Bestimmungen schaffen, wurde den Mitgliedstaaten ermöglicht, einen teilweisen Zugang nach ihren jeweiligen Wünschen zu realisieren.685 Für den jeweils gewährten Marktzugang entsteht dann allerdings gemäß Art. XVI Abs. 1 GATS die Meistbegünstigungsverpflichtung, sodass allen WTO-Mitgliedern der Zutritt zum inländischen Markt zu den gleichen Konditionen offen steht.686 Die Meistbegünstigungsverpflichtung könnte damit nicht nur aufgrund des weit gefassten Anwendungsbereiches des GATS für das nationale Steuersystem in Hinblick auf innere Abgaben, sondern auch aufgrund der Verpflichtung zu einem nicht weniger günstigen Marktzugang Geltung für das nationale Steuersystem erlangen. Wie sich für den Binnenmarkt gezeigt hat, könnten durch steuerliche Normen etwaige Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit gegeben sein. In analoger Weise wäre für das GATS ein Verstoß der steuerlichen Norm gegen die in Fußnote 8 zu Art. XVI Abs. 1 GATS verankerte Verpflichtung, einen Kapitalverkehr zuzulassen, der im Zusammenhang mit einer Dienstleistung, die in Form der in Art. I Abs. 2 lit. c) GATS geregelten Erbringungsart erfolgt, denkbar. Sollten nationale steuerliche Strukturen den Marktzutritt beschränken, so muss dies aufgrund des Art. XVI Abs. 1 GATS sowohl hinsichtlich einer etwaigen Beeinträchtigung des Kapitaltransfers i. S. d. der Fußnote 8 zu Art. XVI Abs. 1 GATS als auch möglicher steuerlicher Restriktionen, die eine grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen sowie die Niederlassung eines ausländischen Dienstleistungsanbieters erschweren, im Außenverhältnis diskriminierungsfrei erfolgen. Eine Öffnungsklausel vergleichbar mit Art. XIV lit. d) oder e) GATS ist nicht gegeben. Dennoch ist eine Auswirkung auf die nationalen steuerlichen Normen durch Art. XVI GATS kaum ersichtlich. Zunächst unterliegt nur derjenige 684

Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 369. Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 680–681; vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 112–113. 686 Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 681; vgl. Abu-Akeel, JWT 1999, S. 126. 685

D. Marktzutritt Art. XVI GATS

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der Mitgliedstaaten der Verpflichtung zur Ermöglichung eines durch die Erbringung der Dienstleistung bedingten Kapitalverkehrs, der für eine Dienstleistung in Form des Art. I Abs. 2 lit. a) und lit. c) GATS eine Marktzugangsverpflichtung eingeht. Überdies fordert der Vertragstext in Art. XVI Abs. 1 GATS von den Mitgliedstaaten, lediglich den Kapitalverkehr in diesem Rahmen auch zuzulassen. In der englischen Originalfassung findet sich die Formulierung „to allow“. Ein allgemeines Beschränkungsverbot lässt sich der Formulierung „zulassen“ oder „to allow“ nicht entnehmen.687 Art. XVI Abs. 1 GATS gesteht vielmehr den Mitgliedstaaten ausdrücklich zu, der jeweiligen Marktzugangsverpflichtung spezifische Beschränkungen zu unterwerfen. Aufgrund des Rahmencharakters des GATS oblag es den Vertragsparteien zu entscheiden, in welchem Umfang sie den Marktzugang für ausländische Dienstleistungen ermöglichen. Ein generelles Beschränkungsverbot für den damit verbundenen Kapitalverkehr würde diese Intention weitgehend konterkarieren. Gleichermaßen ist eine Gleichstellung mit dem inländischen Vorgang ist Art. XVI GATS nicht zu entnehmen, da dieser Sachverhalt in Art. XVII GATS seine Regelung findet. Auch der im Ansatz durch Art. XVI GATS geregelten Kapitalverkehrsfreiheit kann keine weitergehende Beschränkung der Mitgliedstaaten in Hinblick auf die Steuergesetzgebung entnommen werden. Der Schutz durch das GATS ist, anders als die Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages, nicht zweigleisig aufgebaut. Denn im GATS ist nur der Kapitalimport etwa für eine „commercial presence“ gesichert. Nicht betroffen ist dagegen der umgekehrte Fall des Schutzes der Refinanzierung einer Firma mit Sitz im Ausland. Damit kann der jeweilige Mitgliedstaat etwaige Kapitalverkehrsbeschränkungen in Form einer CFC-Legislation aus Sicht des Art. XVI GATS durchführen. 6. Kapitel

Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS Aufbauend auf die im 5. Kapitel erarbeiteten steuerlichen Rahmenbedingungen ist nun in analoger Weise zu dem bereits für das GATT 1994 verfolgten, zweistufigen Ansatz die Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit den Bestimmungen des GATS zu prüfen. Wiederum sind die Ver687 Pitschas sieht dagegen den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten eingeschränkt, da sie gehalten sind, „den mit einer entsprechenden Dienstleistungserbringung verbundenen Kapitalverkehr nicht zu beschränken“. Vgl. Pitschas, RIW 2003, S. 681, Fußnote 73.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

pflichtungen, die aus dem Gebot der Inländerbehandlung sowie der allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung entstehen, auf eine potenzielle Kollision mit einer CFC-Legislation zu übertragen. Anschließend ist die Verhältnismäßigkeit der CFC-Legislation vor dem Hintergrund der im GATS vorgesehenen Mittel zur Bekämpfung eines unfairen Steuerwettbewerbs zu erörtern.

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS Nachdem die Subventionsordnung im GATS nur rudimentär ausgestaltet ist688, sind aus dieser Perspektive etwaige Restriktionen für eine nationale CFC-Legislation nicht gegeben. Andererseits unterliegen direkte Steuernormen unmittelbar als Maßnahme i. S. d. Art. I GATS den Bestimmungen des GATS. Somit ist für eine CFC-Legislation sowohl das Gebot der Inländerbehandlung i. S. d. Art. XVII GATS als auch das Gebot der Meistbegünstigung des Art. II GATS und des Marktzutritts i. S. d. Art. XVI GATS zu beachten. I. Art. XVII GATS Im Gegensatz zu den Bestimmungen des GATT sind durch Art. XVII GATS direkte Steuern umfasst. Damit unterliegen im Geltungsbereich des GATS steuerliche Normen sowohl in ihrer steuerlich belastenden Wirkung, vergleichbar mit Art. III Abs. 2 GATT 1994, als auch in den handelsverzerrenden Auswirkungen, etwa den Beschränkungen der Verwendung oder des Verkaufs ausländischer Dienstleistungen im Inland i. S. d. Art. III Abs. 4 GATT 1994, grundsätzlich dem Gebot der Inländerbehandlung. Dies lässt zunächst ein anderes Ergebnis für die Frage der Vereinbarkeit einer CFCLegislation mit den Bestimmungen des GATS erwarten. Berücksichtigt man allerdings die in Art. XIV lit. d) GATS normierte steuerliche Ausnahmeklausel für das Gebot der Inländerbehandlung, so ist gleichwohl eine zum Art. III GATT 1994 ähnliche Schlussfolgerung in Hinblick auf die Auswirkungen der Bestimmung für direkte Steuern zu ziehen.689 Nur ist im Zusammenspiel der grundsätzlichen Verpflichtung zur Beachtung des Gebotes der Inländerbehandlung und der hierauf aufbauenden Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS der umgekehrte Weg beschritten. Im Übrigen bleibt für die listengebundenen Sektoren die uneingeschränkte Verpflichtung zur Inländerbehandlung für indirekte Steuern, in analoger Weise wie dies auch für Art. III Abs. 2 GATT 1994 realisiert ist, bestehen.690 688 689

Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, B. Vgl. Williams, EC TAX Law (1998), S. 128.

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS

331

1. Mögliche Beschränkungen der Dienstleistungserbringung durch eine CFC-Legislation Nun ist bei einer formaljuristischen Betrachtung durch die Hinzurechnungsbesteuerung nur der Anteilseigener mit Wohnsitz im Inland und nicht das ausländische Unternehmen selbst berührt. Durch das GATS sind kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen für den Fall des Kapitalexportes ermöglicht. Diese Stoßrichtung der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit ist durch ein Handelssystem nicht geschützt. Entsprechend kann das GATS auch nicht als territoriale Erweiterung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verständnis des EG-Vertrages angesehen werden.691 Geschützt durch das GATS ist ausschließlich der ausländische Anbieter und damit, auch bezogen auf eine CFC-Legislation, die ausländische Kapitalgesellschaft. Nicht dagegen der Inländer oder der inländische Wettbewerber des ausländischen Anbieters. Eine Schlechterstellung der Inländer in ihrer grenzüberschreitenden Betätigung ist folglich zulässig. Nur der umgekehrte Sachverhalt, die protektionistische Wirkung der steuerrechtlichen Norm, kann zu einem Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung führen. Entsprechend kann sich der inländische Anteilseigner, anders als im europäischen Binnenmarkt im Rahmen des GATS, nicht auf eine Beschränkung seiner grenzüberschreitenden Kapitalanlage berufen. Betrachtet man die ausländische Kapitalgesellschaft, so könnte die durch die CFC-Legislation eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft eine Benachteiligung der ausländischen Gesellschaft im Vergleich zur inländischen Gesellschaft verursachen. Die Kapitalbeschaffung der ausländischen Gesellschaft ist erschwert und damit eine höhere Kostenbelastung der Kapitalbeschaffung denkbar. Aber auch diese Perspektive der Kapitalverkehrsfreiheit i. S. d. Art. 56 EGV ist durch das Handelssystem nicht erfasst. Dem GATS ist kein Schutz der Finanzierungsmöglichkeiten der ausländischen Gesellschaft zu entnehmen. Damit wäre die Hinzurechnungsbesteuerung auch aus dieser Sicht nicht als Maßnahme anzusehen, für die die Verpflichtung zur Inländerbehandlung oder auch zur Beachtung der Meistbegünstigungsklausel erwächst. Berücksichtigt man allerdings, dass bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise durch die CFC-Legislation eine mittelbare Schlechterstellung der ausländischen Gesellschaft im Vergleich zu einer inländischen Gesellschaft gegeben ist, so könnte sich ein anderes Ergebnis ableiten lassen. 690 Vgl. Senti, WTO (2000), S. 586. Dies ermöglicht die Realisation des Bestimmungslandprinzips für indirekte Steuern im Importfall. Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 58. 691 Vgl. Schachtschneider, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 256.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

Denn unabhängig davon, ob durch die CFC-Legislation die ausländische Gesellschaft oder der inländische Gesellschafter belastet wird, sind für das Gebot der Inländerbehandlung des GATS gemäß Art. XVII GATS alle inländischen Maßnahmen, die den ausländischen Dienstleistungsanbieter schlechter stellen, verboten.692 Um den Unterschied nochmals herauszustellen: Nicht die Refinanzierung der ausländischen Firma ist durch das GATS geschützt, sondern eine mögliche Beschränkung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung. Erfolgt also durch die Hinzurechnungsbesteuerung eine diskriminierende Mehrbelastung einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung im Inland und ist somit der Importvorgang in protektionistischer Weise gegenüber „like service“ und „like service suppliers“ benachteiligt, so ist zunächst ein potenzieller Verstoß gegen die Inländerbehandlung des Art. XVII GATS festzustellen. Anders als im GATT gehen beim GATS auch etwaige Belastungsdifferenzen der direkten Besteuerung in das Gebot der Inländerbehandlung ein. Für das GATS kann nun auf die in der Diskussion über den grenzüberschreitenden Warenverkehr verworfene Argumentation der Steuerinzidenz zurückgegriffen werden. Erforderlich erscheint die Zuhilfenahme der möglichen finanztheoretischen Überwälzbarkeit der Steuern nicht, da das GATS keinen Bezug auf den Steuerträger erfordert und bereits eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen des ausländischen Dienstleisters durch die innerstaatliche Maßnahme für den Nachweis eines Verstoßes ausreichend ist.693 Überträgt man diese ersten Gedanken auf die spezifischen Überschneidungen einer CFC-Legislation mit dem GATS, so wird schnell deutlich, dass diese nur in einem sehr eng begrenzten Bereich gegeben sind. Durch das GATS sind im Grundsatz vier Formen der Dienstleistungserbringung zu unterscheiden. Nur für zwei der unterschiedenen Dienstleistungsformen ist eine Kollision mit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung denkbar. So könnte fraglich sein, ob durch eine CFC-Legislation ein Importhemmnis bezüglich einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung, und damit eines „cross border supply“ i. S. d. Art. I Abs. 2 lit. a) GATS, vorliegt. Darüber hinaus könnte durch die CFC-Legislation auch der Bereich der „commercial presence“, Art. I Abs. 2 lit. c) GATS, betroffen sein. Nun ist nicht der Kapitalexport durch den Mitgliedstaat, sondern lediglich eine potenzielle Restriktion des Kapitalimportes im Sinne der Beschränkung des 692

Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, A. Im Unterschied zum GATT 1994 sind durch das GATS ausdrücklich auch direkte Steuern erfasst. Die Frage der mittelbaren Belastung einer ausländischen Kapitalgesellschaft durch die Besteuerung der nationalen Anteilseigner ist überdies von der Frage der im GATT diskutierten Preiswirkung direkter Steuern auf die Güter im internationalen Warenhandel zu trennen. 693

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS

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Marktzutritts durch die Normen des GATS berührt.694 Diese Fallkonstellation wird wiederum nicht durch die CFC-Legislation erfasst. Denn der durch die Investitionsfreiheit des GATS geschützte Niederlassungsvorgang eines ausländischen Unternehmens im Inland ist selbst nicht durch die CFC-Legislation berührt. Überdies unterliegt schließlich der regelmäßige Geschäftsbetrieb der Niederlassung, da es sich um einen rein inländischen Vorgang handelt, nicht der Hinzurechnungsbesteuerung. Eine denkbare mittelbare Restriktion der Dienstleistungserbringung vor Ort durch eine Schlechterstellung der Dienstleistungserbringung der ausländischen Mutter an die inländische Tochtergesellschaft würde bei der ausländischen Gesellschaft ansetzen. Diese untersteht dann allerdings wieder originär dem Schutzbereich des GATS. Entsprechend können auch solche Überwälzungsvorgänge unberücksichtigt bleiben. Damit reduziert sich die Fragestellung der Hinzurechnungsbesteuerung auf eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in Form des „cross border supply“. Da in diesem Fall ein vergleichbarer, inländischer Vorgang nicht der CFC-Legislation unterliegt, ist ein grundsätzlicher Verstoß des Gebots der Inländerbehandlung des Art. XVII GATS festzustellen. Auch kann der festgestellte Verstoß der CFC-Legislation gegen das Gebot der Inländerbehandlung nicht durch Art. XVII Abs. 3 GATS gerechtfertigt sein. Denn die Möglichkeit der Exkulpation i. S. d. Art. XVII Abs. 3 GATS beinhaltet nicht die Rechtfertigung auf der Grundlage eines allgemeinen, zwischenstaatlichen Steuerbelastungsvergleichs. Die Normen des GATS besagen nur, dass im Importfall die Belastung eines ausländischen Anbieters und seiner angebotenen Dienstleistungen nach Überschreiten der Landesgrenze nicht höher sein darf als die eines gleichartigen inländischen Angebotes oder Anbieters. Im Gegensatz zur Einstufung eines „fairen“ oder „unfairen“ Steuerwettbewerbs ist eine gedankliche Berücksichtigung der ausländischen steuerlichen Vorbelastung nicht vertretbar. Sinn des Inländergebotes ist hier, unabhängig vom ausländischen Belastungsniveau der Dienstleistungen jeglicher Art, für inländische Steuern und Abgaben im Importland wettbewerbsverzerrende Strukturen im Sinne einer Dienstleistungsimportneutralität zu verhindern. Das ausländische Steuerniveau und eine Beurteilung, ob hierin eine Exportförderung gegeben ist, fände in einer möglichen Subventionsordnung ihre Berücksichtigung.695

694 695

Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, D. Für die Subventionsbestimmungen des GATS. Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, B.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

2. Steuerklausel und Schrankenwirkung des Art. XIV GATS Ist ein Verstoß gegen das Gebot der Inländerbehandlung festgestellt, so ist im nächsten Schritt zu klären, ob durch die Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS eine Rechtfertigung des Verstoßes ermöglicht ist. Zunächst kann die Rechtfertigung durch die Steuerklausel für eine diskriminierende Besteuerung gefunden werden, sofern diese einer gerechten oder wirksamen Festsetzung oder Erhebung direkter Steuern dient. Eine unilaterale steuerliche Gegenmaßnahme, die ausschließlich gegen eine Steuerhinterziehung oder Steuerflucht gerichtet ist, kann daher im Einzelfall gerechtfertigt sein. Dieser Fall ist in der Fußnote 6 Ziffer iii) zu Art. XIV GATS explizit normiert.696 Bei einer einzelfallorientierten Missbrauchsnorm handelt es sich auch nicht um eine verdeckte Beschränkung des internationalen Handels mit Dienstleistungen. Ein Verstoß gegen die Schranken-Schranken-Bestimmung des Art. XIV GATS ist entsprechend nicht gegeben. Damit wäre eine einzelfallbezogene Missbrauchsnorm mit dem GATS vereinbar. Anders könnte die Beurteilung einer typisierenden Missbrauchsbestimmung in Form einer CFC-Legislation erfolgen. Denn die Einstufung der Funktionsverlagerung eines Unternehmens unter Ausnutzung des internationalen Steuergefälles als Missbrauch, und damit die Rechtfertigung der unilateralen Gegenmaßnahmen auf Interstaatenebene, ist auch auf der Grundlage des Art. XIV lit. d) GATS zweifelhaft. Die Bekämpfung eines unfairen Steuerwettbewerbs soll der Sicherung des inländischen Steueraufkommens dienen und eine Verlagerung des Steueraufkommens in das Ausland verhindern. Ist durch die grenzüberschreitende Erbringung der Dienstleistung keine Steuerflucht gegeben, dann müsste die Rechtfertigung einer kompensatorischen Besteuerung auf der Basis des in der Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS Erwähnung findenden Begriffs eines gerechten Steuersystems geführt werden. Andererseits könnte eine mittelbare Mehrbelastung der ausländischen Kapitalgesellschaft in Form einer Besteuerung der Anteilseigner als verschleiertes Handelshemmnis anzusehen sein, welche den Import von Dienstleistungen gegenüber dem „like service“ oder „like service suppliers“ benachteiligt. Damit ist eine Abwägung der Zielsetzung einer gerechten Besteuerung und der Möglichkeit eines verdeckten Handelhemmnisses erforderlich. Stellt man die Frage einer gerechten Besteuerung in einen Kontextzusammenhang mit dem zentralen Problem des unfairen Steuerwettbewerbs und 696

Nach Auffassung von Gross fallen alle der durch die OECD vorgeschlagenen Abwehrmaßnahmen unter Fußnote 6 in Ziffer iii) zu Art. XIV GATS. Damit wohl auch die hierin enthaltene CFC-Legislation. Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 398.

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS

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unterstellt man, dass die Sicherung des inländischen Steueraufkommens als gerecht im Sinne einer Verhinderung einer „beggar-my-neighbour“-Politik durch den Drittstaat anzusehen ist, so ist hierin ein gewichtiges Argument für eine steuerliche Gegenmaßnahme eröffnet. Mag man für die Binnenmarktkonzeption der EG eine gemeinsame Zielsetzung und ein gemeinsames Steuersubstrat akzeptieren, so ist dies weltweit nicht gegeben. Denn die WTO ist eine supranationale Handelsorganisation ohne jeglichen föderalen Hintergrund. Sie dient ausschließlich der Liberalisierung des Welthandels. So ist keine gegenseitige Unterstützungsverpflichtung im Sinne des Art. 10 EGV gegeben. Ebenso wenig besteht die Möglichkeit – in ähnlicher Weise wie im Binnenmarkt auf politischer Ebene, zumindest auf der Basis eines „soft law“, das durch den EU Verhaltenskodex gegeben ist –, gegen einen unfairen Steuerwettbewerb vorzugehen. Daher ist im Rahmen des GATS-Systems der Sicherung des nationalen Steueraufkommens der Mitgliedstaaten eine höhere Priorität beizumessen, als dies bei einem hoch integrierten Binnenmarkt anzunehmen ist. Zumal auch auf der Grundlage des GATS im Gegensatz zum europäischen Binnenmarkt keine über eine Konsultation hinausgehenden Möglichkeiten gegeben sind, gegen spezifische Subventionen vorzugehen. Auch auf Mittel zur Durchsetzung des Steueraufkommens, wie etwa die Amtshilfe, kann nicht zurückgegriffen werden. Dennoch muss ein Mitgliedstaat für die Rechtfertigung einer Abwehrmaßnahme, wie der CFC-Legislation, auf Grundlage des Art. XIV lit. d) GATS nachweisen, dass er zu Recht die Besteuerung erhebt.697 Damit ist aus Sicht der Inländerbehandlung eine CFC-Legislation gerechtfertigt, solange sie willkürfrei erfolgt. Diese Restriktion erwächst aber nicht, wie für das GATT festzustellen war698, aus der Subventionsdisziplin, sondern aus der Grenze, die durch die Schrankenregelung des Art. XIV GATS gesetzt ist. In ähnlicher Weise wie für die Beschränkung einer wirtschaftlichen Grundfreiheit des EG-Vertrages durch den EuGH dürfte zukünftig durch das Panel zu klären sein, welche Rechtfertigung für eine verdeckte Beschränkung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs als zulässig anzuerkennen ist. Von besonderer Bedeutung dürfte insoweit die Frage sein, in welchem Umfang die Sicherung des Steueraufkommens i. S. d. Art. XIV lit. d) GATS hierunter zu subsumieren ist. Wie im Binnenmarkt durch den EuGH, wird auch hier durch das Panel zu prüfen sein, ob eine vernünftige oder schonende Alternative gegeben ist.699 Meines Erachtens lässt sich der

697 698 699

Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 398. Vgl. Dritter Teil, 4. Kapitel, B.III. Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht (2003), S. 143.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

Schrankenbestimmung allerdings kein Verbot einer typisierenden Missbrauchsnorm entnehmen. Denn für die WTO ist eine andere Bewertung erforderlich, als dies für die ähnlich gelagerte Problemstellung im europäischen Binnenmarkt gegeben ist. Der für das Europarecht festgestellte Verstoß einer typisierenden Missbrauchsnorm gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip entsteht in der Beziehung zum Steuersubjekt selbst.700 Dieser Aspekt ist dagegen nicht durch den Chapeau des Art. XIV GATS geregelt. Hier ist vielmehr das internationale Rechtsprinzip des Treu und Glaubens im Verhältnis zu den Vertragsverpflichtungen gegenüber den anderen Mitgliedstaaten zu wahren. Dies könnte allerdings die Verpflichtung beinhalten, erst die Möglichkeiten der Subventionsdisziplin auszuschöpfen und die in Art. XV GATS vorgesehene Konsultation i. S. d. Art. XXII GATS einzuleiten, bevor eine länderbezogene, unilaterale steuerliche Gegenmaßnahme erhoben wird.701 Darüber hinaus sind für eine Gegenmaßnahme die Restriktionen der Meistbegünstigungsklausel zu berücksichtigen. Nachdem dem Gebot der Inländerbehandlung des Art. XVII GATS i. V. m. Art. XIV lit. d) GATS regelmäßig keine Beschränkung für eine CFC-Legislation zu entnehmen ist, sind in einem nächsten Schritt die Auswirkungen des Art. XVI GATS und Art. II GATS zu untersuchen. Dies berührt einerseits die Frage des Marktzutritts sowie andererseits die Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Ausgestaltung der steuerlichen Gesetzgebung im Außenverhältnis. II. Art. XVI GATS Das Diskriminierungsverbot des GATS umfasst, wie ausgeführt, auch die Frage des Marktzugangs, und hier naturgemäß die im GATS rudimentär enthaltene Kapitalverkehrsfreiheit.702 Man könnte daher daran denken, in ähnlicher Weise wie für den europäischen Binnenmarkt einen möglichen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu prüfen, da durch das GATS auch die Erbringung einer Dienstleistung durch die Niederlassung eines ausländischen Unternehmens geschützt ist. Durch eine CFC-Legislation beschränkt jedoch nicht der aufnehmende Staat, sondern potenziell der Kapi700

Vgl. Zweiter Teil, 1. Kapitel, B. Hier ist ein Unterschied zu der Regelung Art. III GATT 1994 gegeben. Da dort direkte Steuern grundsätzlich nicht erfasst sind, sind entsprechend auch keine Schrankenbestimmung für eine Ausnahmeklausel zu berücksichtigen. Diese Unterscheidung ist aber auf den unterschiedlichen Regelungsinhalt des im GATT und GATS realisierten Inländergebotes zurückzuführen. Vgl. Dritter Teil, 3. Kapitel, A. 702 Für die Frage des Marktzutritts vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, D. 701

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS

337

talexportstaat eine wirtschaftliche Betätigung. Da durch eine CFC-Legislation der Kapitalimport nicht berührt ist, kann ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Gewährung des Marktzutritts i. S. d. Art. XVI GATS nicht gegeben sein. III. Art. II GATS Erbringt eine Gesellschaft A mit Sitz in einer Steueroase eine Dienstleistung im Inland, so muss diese auf Grundlage der Meistbegünstigungsverpflichtung einer gleichen Besteuerung unterliegen wie die Dienstleistungserbringung aus einem „fair“ agierenden Staat, sofern beide Staaten Vertragsparteien des GATS sind.703 Überträgt man dieses Ergebnis in Bezug auf eine wettbewerbsneutrale Gleichbehandlung der unfair agierenden Staaten im Steuerwettbewerb, so muss erneut hinterfragt werden, ob eine CFCLegislation vor den Anforderungen der GATS-Bestimmungen Bestand haben kann. Durch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung wird nicht unmittelbar eine Maßnahme getroffen, die die Dienstleistung oder den Dienstleistungsanbieter selbst betrifft. Zunächst wird der Anteilseigner einer ausländischen Gesellschaft im Inland besteuert. Aufgrund des weiten Regelungsverständnisses des GATS ist in der Hinzurechnungsbesteuerung dennoch eine Maßnahme zu sehen, welche die Wettbewerbsbedingungen der Anbieter zueinander beeinflussen kann.704 Damit ist auf Grundlage der Meistbegünstigungsverpflichtung auch die Erfassung einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person durch die direkte Besteuerung, sofern diese die Erbringung von Dienstleistungen beeinflusst, staatenübergreifend äquivalent vorzunehmen.705 Entsprechend kann einer CFC-Legislation, im weitesten Sinne verstanden als Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen, eine mögliche protektionistische Auswirkung nicht abgesprochen werden. Ist bilateral eine Rechtfertigung des Verstoßes gegen das Gebot der Inländerbehandlung auf der Grundlage eines gerechten Steuersystems i. S. d. Art. XIV lit. d) GATS möglich706, so ist diese Begründung nicht auf die Meistbegünstigungsverpflichtung übertragbar. Hier findet ausschließlich 703 Die USA hat diesen Sachverhalt allerdings ausdrücklich aus der Meistbegünstigungsverpflichtung ausgeschlossen. Zur Vereinbarkeit der OECD-Ausgleichsmaßnahmen mit Art. II GATS. Vgl. Gross, Intertax 2003, S. 396–397. 704 Vgl. die analogen Überlegungen in Dritter Teil, 6. Kapitel, A.I. 705 In ähnlicher Weise zum GATT Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 42–43. 706 Vgl. Dritter Teil, 6. Kapitel, A.I.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

Art. XIV lit. e) GATS Anwendung. Diese Klausel ermöglicht eine unterschiedliche Besteuerung der Dienstleistungsanbieter verschiedener Staaten, sofern die Ursache in einem Doppelbesteuerungsabkommen oder einem anderen multilateralen Vertrag zur Vermeidung der Doppelbesteuerung liegt. Auch wenn daher, für den heutigen Stand des Vertragswerkes über die allgemeine Meistbegünstigungsklausel des GATS, die Frage der Besteuerung im Empfängerland weitergehend den Doppelbesteuerungsabkommen überlassen wurde707, kann durch eine CFC-Legislation ein Verstoß gegen die Meistbegünstigungsklausel verursacht sein. Denn eine CFC-Legislation dient nicht der Vermeidung einer Doppelbesteuerung und findet entsprechend auch keinen Niederschlag in entsprechenden internationalen Verträgen.708 Vielmehr greift der Staat, der die CFC-Legislation erhebt, neben dem Sitzstaat auf das Steuersubstrat der ausländischen Kapitalgesellschaft zu.709 Selbst wenn der Staat, der die CFC-Legislation erhebt, ausschließlich auf den inländischen Anteilseigner zurückgreift, und damit eine juristische Doppelbesteuerung vermeidet, so ist dies nur eine formalrechtliche Betrachtung. Bei Berücksichtung der engen Beziehung zwischen den Anteilseignern und der ausländischen Kapitalgesellschaft entspricht dies der klassischen Konstellation einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung.710 Überdeutlich wird der Verstoß gegen die Meistbegünstigungsverpflichtung, wenn die CFC-Legislation in Form eines „black list“-Ansatzes711 erfolgt, wie sie etwa zur Identifikation niedrig besteuernder Staaten geführt werden. Gelangt der sich als geschädigt ansehende Staat beispielsweise auf der Grundlage der OECD-Kriterien zu dem Ergebnis, dass ein unfairer Steuerwettbewerb gegeben ist, so werden inländische Anteilseigner einer Gesellschaft mit Sitz in diesem Staat der CFC-Legislation unterworfen. Hier ist die länderspezifische Schlechterstellung der jeweiligen Dienstleistungserbringer aus den durch die „black list“ erfassten Ländern evident. Aber auch eine nicht länderspezifisch ausgeformte CFC-Legislation er707 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 83; vgl. Williams, EC TAX Law (1998), S. 128. 708 Vgl. Fischer-Zernin, Welthandelsordnung (1996), S. 57. 709 Vgl. Wassermeyer, RIW 1983, S. 352. 710 Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist gegeben, wenn das im Wesentlichen gleiche Besteuerungsgut durch unterschiedliche Staaten doppelt erfasst wird. Neben der Objektidentität betrifft dies auch eine mögliche Subjektidentität. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht 1998, Randnr. 12.3–12.5. 711 Diesen Ansatz verfolgen in der EU beispielsweise Italien, Spanien und Portugal. Vgl. Thömmes, Intertax 2003, S. 188; vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7.

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS

339

scheint problembehaftet, da sie oftmals unter Berücksichtigung des ausländischen Steuerniveaus unterscheidet, ob eine Besteuerung des inländischen Anteilseigners erfolgt. Zwar ist das Gesetz gegenüber allen Staaten in gleicher Weise gültig, faktisch liegt jedoch eine unterschiedliche Besteuerung der ausländischen Dienstleistungsanbieter vor.712 Dies indiziert eine mittelbare Benachteiligung des ausländischen Anbieters im inländischen Markt. Eine Rechtfertigung auf der Grundlage der Berücksichtigung der ausländischen Vorbelastung erscheint nicht möglich. Die Gleichbehandlung zwischen den Vertragsparteien muss gemäß Art. II GATS bedingungslos erfolgen und kann folglich auch nicht von einer unterschiedlichen ausländischen Steuerbelastung abhängig gemacht werden. Damit vermag sich ein Staat zur Abwehr der CFC-Legislation als unilaterale steuerliche Gegenmaßnahme auf die allgemeine Meistbegünstigung berufen. Dies gilt auch, falls er nach den Kriterien der OECD713 als im internationalen Steuerwettbewerb unfair agierend eingestuft wird. IV. Überschneidungen der Hinzurechnungsbesteuerung mit dem Schutzbereich des GATS Wie oben aufgezeigt, ist eine CFC-Legislation als potenziell unvereinbar mit den Bestimmungen des GATS anzusehen. Auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung lässt sich diese Aussage nur übertragen, soweit Überschneidungen zwischen dem Schutzbereich des GATS und der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung festzustellen sind. Entsprechend ist die Begrifflichkeit der Dienstleistungen des GATS und die des Aktivitätskataloges des § 8 AStG voneinander abzugrenzen. Ein Verstoß der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung gegen die GATSBestimmungen ist denkbar, soweit der geschützte grenzüberschreitende Handel mit Dienstleistungen in Form des „cross border supply“ durch die Hinzurechnungsbesteuerung erfasst ist. Dem GATS liegt für die Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffes ein weit gefasster Ansatz zugrunde. Gemäß Art. I Abs. 3 lit. b) GATS sind grundsätzlich alle Arten einer grenzüberschreitenden Dienstleistung, mit Ausnahme von Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden, durch das GATS geschützt. Im Vergleich zum GATS ist das Dienstleistungsverständnis des § 8 AStG restriktiver ausgeprägt. Zunächst findet sich in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG der 712 Durch die Verpflichtung zur Meistbegünstigung ist gleichermaßen eine defacto- als auch eine de-jure-Diskriminierung erfasst. 713 Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, B.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

Begriff der Dienstleistung selbst wieder. Vergleicht man den GATS-Schutzbereich hinsichtlich der Dienstleistungen mit den Kriterien des Aktivitätskatalogs der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, so sind aus der Sicht des Außensteuergesetzes Dienstleistungen grundsätzlich als aktiv einzustufen. Sieht man von den Sonderregeln des § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit a) und lit. b) AStG ab, so wäre infolgedessen kein Verstoß gegen das GATS ersichtlich. Diese These lässt sich jedoch nur soweit aufrechterhalten, als der Dienstleistungsbegriff im Außensteuerrecht und im GATS deckungsgleich zu verstehen ist. Nun findet sich im deutschen Steuergesetz keine Definition der Dienstleistungen.714 Zur Abgrenzung der zugrunde liegenden Tätigkeit findet die funktionale Betrachtungsweise Anwendung.715 Demnach folgt eine untergeordnete Dienstleistung dem Schicksal der beherrschenden Tätigkeit. Nur falls eine eigene, selbstständige Funktion gegeben ist, kann eine getrennte Subsumtion unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG erfolgen. Gleichermaßen ist der Dienstleistungsbegriff des GATS nicht näher definiert.716 Wie der Appellate Body in EC-Bananas III717 ausführt, ist eine Dienstleistung, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Warenhandel erbracht wird, einerseits durch das GATT, andererseits auch durch das GATS geschützt. Grundsätzlich ist jede Dienstleistung, unabhängig davon, ob die Hauptleistung als aktiv oder passiv i. S. d. Außensteuergesetzes eingestuft wird oder diese von untergeordneter Bedeutung im Verhältnis zu der grenzüberschreitenden Warenleistung anzusehen ist, jeweils als grenzüberschreitende Dienstleistung durch das GATS geschützt. Eine denkbare Kollision des Aktivitätskatalogs mit dem Schutzbereich des GATS kann nicht auf den Dienstleistungsbegriff des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG begrenzt werden. Auch andere Katalogbereiche, oder auch eine wirtschaftliche Betätigung, die nicht durch die Positivliste des Außensteuerrechts geregelt ist und dementsprechend als passiv einzustufen ist, kann unter den Dienstleistungsbegriff des GATS fallen.718 So ist nur schwerlich 714 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 171. 715 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.72; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 174; vgl. BMF-Schreiben vom 14. Mai 2004 – IV B 4 – S 1340–11/04, Randnr. 8.0.2. 716 Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), S. 357, Randnr. 838; vgl. Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen (2002), S. 105–106; vgl. Barth, EuZW 1994, S. 455. 717 Vgl. WTO, Analytical Index (2003), S. 1091, Randnr. 12. 718 In der Praxis wird im GATS ein sektoraler Ansatz zur Unterscheidung der Dienstleistungen vorgenommen. Die WTO führt eine Liste, die regelmäßig einer

A. Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit GATS

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eine exakte Abgrenzung möglich. Der GATS-Dienstleistungsbegriff ist damit nicht nur durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG berührt. Dennoch soll exemplarisch auf den Dienstleisleistungsbegriff des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG zurückgegriffen werden, da oftmals Konzerndienstleistungen unter den Dienstleistungsbegriff des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG fallen. Hiervon betroffen ist beispielsweise die international häufig anzutreffende Auslagerung von Konzernversicherungsleistungen an sog. „captive insurance companies“. Diese Versicherungsleistungen sind ebenfalls unter den Dienstleistungsbegriff einzuordnen.719 In Abweichung von der Einstufung der Dienstleistungen als aktive Tätigkeit sind durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG weit reichende Ausnahmen vorgesehen. Diese können unabhängig von Unterschieden in der Definition des Dienstleistungsbegriffs selbst auch für die Schnittmenge der Dienstleistungen, die zunächst als aktiv eingestuft werden, als ein verbotenes Importhemmnis anzusehen sein. § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) AStG regelt den sogenannten Bedienentatbestand. So sind grenzüberschreitende Dienstleistungen ausnahmsweise nicht als aktiv einzustufen, soweit zu deren Erfüllung die ausländische Gesellschaft einen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner i. S. d. Art. 7 AStG oder eine ihm i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG nahe stehende Person bedient. Für den Fall des Bedienentatbestands schuldet die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung und greift zur Erfüllung auf Anteilseigner oder ihm nahe stehende Personen zurück, die im Namen der Gesellschaft, beispielsweise in Form eines Angestellten- oder Subunternehmerverhältnisses, die geschuldete Dienstleistung erbringen.720 Ein inländischer Anbieter unterliegt in der analogen Fallkonstellation nicht der gleichen Belastung. Hier käme nur eine Gewinnkorrektur infrage.721 Revision unterliegt. Vgl. Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht (2003), Randnr. 838. Derzeit handelt es sich um die Sektoren Business services and Professional services (Accountancy services; Advertising services; Architectural and engineering services; Computer and related services; Legal services), Communication services (Audiovisual services; Postal and courier, express mail services; Telecommunications), Construction and related services, Distribution services, Education services, Energy services, Environmental services, Financial services, Health and social services, Tourism services, Transport services (Air transport services; Maritime transport services; Services auxiliary to all modes of transport), Movement of natural persons. Vgl. http://www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/serv_sectors_e.htm. 719 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), S. 449, Randnr. 10.79; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8, Randnr. 98. 720 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 182. 721 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 180.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

Damit ist eine weniger günstige Behandlung der ausländischen Gesellschaft im Vergleich zum inländischen „like service supplier“ festzustellen. Eine weitere Ausnahmeregelung stellt der in § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) AStG normierte sog. Erbringungstatbestands dar. Erbringt eine ausländische Gesellschaft an einen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person eine Dienstleistung, so kann dies ebenfalls als passive Tätigkeit einzustufen sein.722 Damit unterscheidet § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) AStG die Besteuerung in Abhängigkeit vom Empfänger. Eine derartige Unterscheidung ist im GATS nicht vorgesehen. Auch ist der Schutzbereich durch das GATS vom Grundsatz ohne Begrenzung auf eine geforderte Nachhaltigkeit ausgelegt. Somit ist auch eine singuläre Dienstleistungstätigkeit, deren Nachhaltigkeit fraglich erscheint, nicht dem Schutz des GATS zu entziehen. Entsprechend kann an dieser Feststellung mit der im Außensteuerrecht vorgesehenen Ausnahmeregelung keine Änderung verbunden sein. Sowohl für den Bedienentatbestand i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) AStG als auch für den Erbringungstatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) AStG kann ein Verstoß gegen das GATS gegeben sein. Überdies sind durch den Dienstleistungsbegriff des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG nicht annähernd alle Ausprägungsformen einer Dienstleistung im Verständnis des Art. I GATS erfasst. So sieht § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) AStG eine passive Tätigkeit für die zeitlich begrenzte Überlassung der Nutzung an Rechten im weiteren Sinne vor. Dies umfasst beispielsweise auch die grenzüberschreitende Lizenzierung.723 Damit kann auch durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) ASTG ein Verstoß gegen das GATS verursacht sein. Denn das Außensteuergesetz sieht auch in der Vermietung oder Verpachtung beweglicher Sachen, und damit auch für den Fall der Leasinggesellschaften, regelmäßig eine passive Tätigkeit vor.724 Nachdem ein „like service“ oder „like service supplier“ im Inland nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt, kann auch in diesem Fall ein Verstoß gegen die aus Art. XVII GATS erwachsenen Anforderungen einer nicht schlechteren Behandlung der ausländischen Dienstleistungsanbieter gegeben sein.

722 Es sei denn, der ausländischen Gesellschaft gelingt als Ausnahme-Ausnahme Tatbestand der in § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) AStG geforderte Funktionsnachweis, um eine Einstufung als aktive Tätigkeit zu erzielen. 723 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.100; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 224. 724 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (1998), Randnr. 10.105; vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 Randnr. 235.

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATS

343

B. Unfairer Steuerwettbewerb und das GATS – Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung als steuerliche Gegenmaßnahme Gleichermaßen wie schon für die Beurteilung einer möglichen Bekämpfung des „unfairen“ Steuerwettbewerb auf der Grundlage des GATT 1994, soll die Zweiteilung der OECD für die typischen Ausprägungsformen eines „unfairen“ Steuerwettbewerbs auch bei der Prüfung der Auswirkung des GATS auf einen „unfairen“ Steuerwettbewerb Verwendung finden.725 Überträgt man die vorgenannten Ergebnisse der steuerlichen Rahmenbedingungen des GATS auf die Frage des „unfairen“ Steuerwettbewerbs, so ist aufgrund der fehlenden Subventionsbestimmungen die Besteuerung einer ausländischen Gesellschaft durch den Sitzstaat nicht erfasst. Vielmehr steht es aufgrund der fehlenden Subventionsbestimmung den Mitgliedstaaten frei, im Exportfall eine Freistellung von direkten oder indirekten Steuern vorzunehmen.726 Etwaige Regeln oder gar Maßstäbe für den internationalen Steuerwettbewerb sind damit dem Art. XV GATS in der derzeitigen Fassung kaum zu entnehmen. Entsprechend reduziert sich für ein unfaires Steuerregime die Auswirkung des GATS auf die Schlussfolgerungen, die hierzu aus dem Gebot der Inländerbehandlung und der allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung zu ziehen sind. I. Steueroasen Ein unfaires Steuerregime in Form einer klassischen Steueroase zeichnet sich durch ein allgemein niedriges Steuersystem aus. Demzufolge unterliegen regelmäßig sowohl heimische Dienstleistungen, und Dienstleistungserbringer der Steueroase als auch der ausländischen Wettbewerber der gleichen steuerlichen Belastung. Entsprechend ist auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des GATS gegeben. Wohl entsteht für bestimmte steuerliche Maßnahmen seitens der Steueroase, die im Außenverhältnis diskriminierend erfolgen, die Verpflichtung zur Meistbegünstigung. In gleicher Weise, wie schon für das GATT festzustellen war, kann aufgrund der regelmäßig fehlenden WTO-Mitgliedschaft derjenigen Staaten, die als Steueroasen anzusehen sind, die praktische Bedeutung des Diskriminierungsverbotes als gering eingestuft werden. Auch das Argument, dass die Steuerklausel der Meistbegünstigungsverpflichtung für Steueroasen weitestgehend leer läuft, da mit diesen Staaten kaum Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen sind727, kann an dieser Grundaussage keine Änderung bewirken. 725 726

Vgl. Erster Teil, 2. Kapitel, B.I. Vgl. Hufbauer/Gabyzon, Fundamental Tax Reform (1996), S. 60–61.

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

II. Diskriminierende Steuersysteme Wie bereits im Dritten Teil, 3. Kapitel B. für den Bereich der Subventionen ausgeführt, begrenzt die Meistbegünstigungsverpflichtung die Möglichkeiten einer länderspezifisch ausgestalteten, diskriminierenden Subventionierung. Diese Feststellung lässt sich gleichermaßen auf ein länderspezifisch diskriminierendes FDI(„foreign direct investment“)-Regime übertragen. Im Unterschied zur Analyse im GATT-Fall ist dem GATS jedoch nur im Importfall eine Regelungskomponente zu entnehmen.728 Damit sind für das GATS in Hinblick auf diskriminierende Steuersysteme zwei Schlussfolgerungen zu ziehen. Für das Gebot der Meistbegünstigung muss aufgrund einer möglichen Benachteiligung der ausländischen Anbieter729 eine steuerliche Belastung zwischen dem „like service“ oder dem „like service supplier“ unterschiedlicher Mitgliedstaaten, diskriminierungsfrei erfolgen. Beachtet man, dass die bilateralen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der Regel auf der Grundlage des OECDMusterabkommens erfolgen, so sind durch Art. XIV lit. e) GATS nahezu alle Bereiche der grenzüberschreitenden direkten Besteuerung für eine potenzielle zwischenstaatliche Diskriminierung aus der Verpflichtung zur Meistbegünstigung ausgeschlossen.730 Umgekehrt unterliegen aber, soweit dies nicht aufgrund des Art. II Abs. 2 GATS durch den jeweiligen Mitgliedstaat ausgeschlossen wurde, die nationalen Steuermaßnahmen der Verpflichtung zur Meistbegünstigung. In diesem Fall greift die Steuerklausel des Art. XIV lit. e) GATS nicht. Daher gilt die Verpflichtung zur Meistbegünstigung insbesondere auch für ein „ring fencing“. Damit entsteht durch das GATS die Verpflichtung, steuerliche Regelungen, soweit sie den Handel mit Dienstleistungen berühren, im Außenverhältnis diskriminierungsfrei auszugestalten. In abgestufter Form, unter Berücksichtigung der erheblichen Einschränkungen für das Gebot der Inländerbehandlung i. S. d. Art. XVII GATS gilt dies auch im Vergleich der ausländischen „like services“ oder „like service suppliers“ zur heimischen Vergleichsgruppe. Dennoch lässt sich ein „ring fencing“ nicht auf Basis des Gebots der Inländerbehandlung bekämpfen. Im Vergleich zum allgemein gültigen, inländischen Steuerniveau enthält ein FDI-Regime regelmäßig eine steuerliche Besserstellung. Die hiermit ver727

So etwa Avi-Yonah, Brooklyn Journal of International Law 2001, S. 1687. Der Exportfall fände sich einer Subventionsordnung geregelt. Eine Subventionsordnung ist für das derzeitige GATS jedoch nicht gegeben. Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, B. 729 Soweit dies nicht aufgrund Art. II Abs. 2 GATS ausgeschlossen wurde. 730 Vgl. Dritter Teil, 5. Kapitel, C.I. 728

C. Zusammenfassung

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bundene Schlechterstellung der Inländer ist durch das Gebot der Inländerbehandlung nicht untersagt. Das oben festgestellte Verbot eines „export ring fencing“ im System des GATT 1994 beruht auf einen denkbaren Verstoß gegen die Subventionsordnung. Im GATS findet sich dieser Aspekt derzeit nicht geregelt.

C. Zusammenfassung Zunächst sind auf der Grundlage des GATS nur begrenzt Möglichkeiten eröffnet, um gegen einen unfairen Steuerwettbewerb vorzugehen. Einem steuerlichen Regime droht auf Basis des GATS kein Verbot. Vielmehr kann für einen unfair agierenden Mitgliedstaat einzig die Verpflichtung entstehen, dieses steuerliche „Angebot“ auf alle Unternehmen der jeweiligen Vertragsparteien auszuweiten. Umgekehrt unterliegt eine CFC-Legislation als „Maßnahme“, die unter das GATS fällt, dem Diskriminierungsverbot. Aufgrund der Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS ist eine CFC-Legislation für das Gebot der Inländerbehandlung unbedenklich. Wohl kann dagegen eine CFC-Legislation gegen die Verpflichtung zur allgemeinen Meistbegünstigung verstoßen. So ist eine länderspezifische Ausgestaltung einer CFC-Legislation unzulässig. Dies ist gleichermaßen auch auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung zu übertragen. Der verbleibende Kollisionsbereich zwischen einer CFC-Legislation und dem GATS ist als gering anzusehen und reduziert sich letztlich auf die Fallkonstellation eines Dienstleistungsimports. Eine mögliche Restriktion des Kapitalexports ist durch das GATS dagegen grundsätzlich nicht umfasst. Mögliche Ansätze zur Anpassung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung an die Bestimmungen des GATS können einerseits bei der Dienstleistungsdefinition zu finden sein. Eine einfache Lösung wäre mit einer Überarbeitung des Aktivitätskatalogs verbunden, der schlicht alle Dienstleistungen im Sinne des GATS als aktiv einstuft. Bedenkt man, dass durch die WTO in Form des GATS nur der Handel von Dienstleistungen geschützt ist, so könnte eine entsprechende Klausel die Hinzurechnungsbesteuerung aus dem Schutzbereich des GATS herausnehmen. Eine andere denkbare steuerliche Alternative, die mit der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. II GATS vereinbar wäre, ist eine allgemein gültige, vom Steuerniveau unabhängige CFC-Legislation. Denn das GATS beschränkt grundsätzlich nicht die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten. Wohl muss diese Besteuerung, sofern sie als Maßnahme im Sinne des GATS anzusehen ist, für alle Staaten eine äquivalente Belastung beinhalten. In Doppelbesteuerungsabkommen könnte eine Besserstellung der im internationalen Steuerwettbewerb „fair“

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3. Teil, 6. Kap.: Die Hinzurechnungsbesteuerung und das GATS

agierenden Staaten vorgenommen werden. Diese Ausnahme würde unter die Steuerklausel des Art. XIV lit. e) GATS fallen. Darüber hinaus steht es einem Mitgliedstaat natürlich frei, gegenüber einem Nichtvertragspartner eine beliebige CFC-Legislation einzuführen.

Vierter Teil

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen Erster Teil Grundlagen (1) Der Ursprung der Hinzurechnungsbesteuerung ist in der Diskussion um die Steuerfluchtproblematik der 50er- und 60er-Jahre zu sehen. Das internationale Steuergefälle wurde unter Zuhilfenahme von Basisgesellschaften verstärkt zur Steuerreduktion genutzt. (2) Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung des §§ 7–14 AStG geht inhaltlich auf die US-amerikanische CFC-Legislation zurück und wurde 1972 eingeführt. (3) Fasst man die international anzutreffenden Ausprägungsformen der CFC-Legislation zusammen, so lassen sich diese grob in drei Ansätze gliedern. Der „jurisdictional designated list approach“ stellt einen Listenansatz dar. In diesem Fall sind Niederlassungen in Staaten mit einem als inakzeptabel eingestuften Steuersystem mit einer CFC-Legislation bedroht. Dagegen findet sich bei dem „jurisdictional comparable tax approach“ ein Steuerlastvergleich der betroffenen Staaten. Der „transactional approach“ belegt schließlich bestimmte Einkunftsarten ausländischer Herkunft mit der Hinzurechnungssteuer, unabhängig von der tatsächlichen Herkunft und der ausländischen Steuerlast. (4) Der internationale Standortwettbewerb enthält als wesentliche Komponente die Besteuerung der unternehmerischen Tätigkeit. Um die befürchteten, negativen, verteilungspolitisch fragwürdigen Auswirkungen des internationalen Steuerwettbewerbs zu vermeiden, versuchen die sich geschädigt fühlenden Industriestaaten, Maßstäbe für ein faires Verhalten im Steuerwettbewerb aufzustellen. Erste multilaterale Ansätze zur Schaffung von Rahmenbedingungen für den internationalen Steuerwettbewerb sind in dem EU-Verhaltenskodex aus dem Jahr 1997 und dem OECDReport von 1998 zu sehen. Beide Ansätze sind zueinander kompatibel, unterscheiden sich jedoch in ihrer Zielsetzung. Eine juristisch griffige Definition, was unter dem Begriff „unfairer“ Steuerwettbewerb zu verstehen ist, gelingt weder dem OECD-Ansatz noch der EU-Initiative.

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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

(5) Um das Steueraufkommen im Inland zu sichern, wird von politischer Seite, insbesondere durch die OECD, im internationalen Steuerwettbewerb die Einführung einer weitgehenden CFC-Legislation gefordert. (6) Die nationale Steuerpolitik steht nicht ohne Schranken. Sowohl dem EG-Vertrag als auch den WTO-Bestimmungen sind Restriktionen für die Ausgestaltung der nationalen Steuersysteme zu entnehmen, die auch für eine CFC-Legislation zu berücksichtigen sind. Zweiter Teil Hinzurechnungsbesteuerung und die europäische Kapitalverkehrsfreiheit (7)

Steuerrecht gehört nicht zu den Gemeinschaftsaufgaben und verbleibt damit nach Willen der Vertragsparteien auf der Ebene der Mitgliedstaaten geregelt. Die Mitgliedstaaten haben jedoch in der Ausgestaltung des Steuersystems die Vorgaben des EG-Vertrages zu berücksichtigen. Insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV ist mit erheblichen Auswirkungen für das nationale Steuerrecht der Mitgliedstaaten verbunden.

(8)

Die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV schützt in einer Strombetrachtung sowohl die aktive Anlagefreiheit des Inländers als auch die passive Finanzierungsfreiheit der ausländischen Kapitalgesellschaft. Im Unterschied zu den anderen Grundfreiheiten erstreckt sich das Beschränkungsverbot sowohl auf den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten als auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit umfasst auch den nicht unternehmerisch motivierten, grenzüberschreitenden Kapitalverkehr und damit auch Portfolioinvestitionen und kurzfristige spekulative Kapitalströme.

(9)

Eine CFC-Legislation verstößt sowohl im Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten gegen den Schutzbereich des Art. 56 EGV.

(10) Die Rechtsprechung des EuGH sieht die Rechtfertigung auf der Grundlage der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ und den in Art. 58 EGV vorgesehenen „ordre public“-Vorbehalt in einem einheitlichen Kontext. Art. 58 EGV gilt sowohl im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten als auch im Verhältnis zu Drittstaaten. (11) Im Binnenmarkt kann eine CFC-Legislation sowohl als typisierende Missbrauchsnorm auf Subjektebene als auch als steuerliche Ausgleichsmaßnahme auf Staatenebene keine Rechtfertigung finden. Einerseits ist eine typisierende Missbrauchsnorm nicht mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren, andererseits widerspricht eine

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nationale Ausgleichsmaßnahme der Grundidee des Binnenmarktes. Auch die Rechtfertigungsgründe der Wahrung der Kohärenz und der Wirksamkeit der Steueraufsicht können für eine CFC-Legislation nicht greifen. (12) In der europäischen Rechtsgemeinschaft sind einseitige Ausgleichsmaßnahmen unzulässig. Dem einzelnen Mitgliedstaat stehen die Möglichkeit der Untätigkeitsklage i. S. d. Art. 232 EGV gegen die Kommission sowie die Vertragsverletzungsklage gegen den anderen Mitgliedstaat i. S. d. Art. 227 EGV offen. Eine CFC-Legislation ist im Verhältnis zu EG-Mitgliedstaaten nicht zu halten. (13) Die Kapitalverkehrsfreiheit gilt uneingeschränkt auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Aufgrund der hohen wirtschaftspolitischen Bedeutung des Kapitalverkehrs sieht der EG-Vertragstext im Verhältnis zu den Drittstaaten durch Art. 57 EGV, Art. 59 EGV und Art. 60 EGV weit reichende Schutzklauseln vor, die es dem Rat ermöglichen, die durch Art. 56 EGV gegebene grundsätzliche Liberalisierungsverpflichtung der Gemeinschaft einzuschränken. Infolge dieser Schutzklauseln ist die Liberalisierung des Kapitalverkehrs im Verhältnis zu Drittstaaten deutlich geringer ausgeprägt. (14) Auf Basis des Art. 57 EGV sind steuerlich induzierte Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten ermöglicht. Art. 57 EGV eröffnet ausschließlich eine Beschränkung der Kapitalströme, die im Zusammenhang mit Direktinvestitionen stehen. (15) An eine mögliche Rechtfertigung einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sind im Verhältnis zu Drittstaaten geringere Anforderungen zu stellen. Die Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung i. S. d. Art. 10 EGV lässt sich nicht auf Drittstaaten übertragen. Zudem besteht im Verhältnis zu Drittstaaten weder ein der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG vergleichbares Instrumentarium zur Sachverhaltsaufklärung im Ausland noch entsprechende politische Möglichkeiten der Bekämpfung eines unfairen Steuerwettbewerbs. Im Verhältnis zu Drittstaaten gewinnt die Wahrung der Interessen der Gemeinschaft an Gewicht. Hierunter fällt auch die Sicherung des gemeinschaftsweiten Steueraufkommens. (16) In Verhältnis zu Drittstaaten ist eine CFC-Legislation zulässig, soweit diese durch die „stand-still“-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV gedeckt ist oder sie eine Legitimation auf der Grundlage des Art. 57 Abs. 2 EGV findet. (17) Eine CFC-Legislation, verstanden als außenpolitisch motivierte steuerliche Ausgleichsmaßnahme im Verhältnis zu Drittstaaten, ist als Kom-

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ponente der Handelspolitik auf Ebene der Gemeinschaft anzusiedeln. Eine Verordnung auf Basis des Art. 57 Abs. 2 EGV, welche die Mitgliedstaaten zur Einführung einer CFC-Legislation ermächtigt, könnte den Zielkonflikt, der sich aus der wünschenswerten Einheitlichkeit eines gemeinsamen Kapitalmarktes und der Steuersouveränität der Mitgliedstaaten ergibt, lösen. Dritter Teil Hinzurechnungsbesteuerung und die Welthandelsordnung (WTO) (18) Mit der Gründung der WTO wurde 1994 das GATT grundlegend reformiert. Die Zersplitterung der GATT-Verträge wurde beendet. Der Rechtsschutz in Form der Dispute Settlement Understandings (DSU) wurde gestärkt und so ein wesentlicher Kritikpunkt am Welthandelssystem behoben. Die WTO umfasst drei Säulen. Diese beinhalten das GATT, das GATS und das TRIPS. (19) Das allgemeine Diskriminierungsverbot der WTO konkretisiert sich in dem nach innen gerichteten Gebot der Inländerbehandlung und der nach außen gerichteten Verpflichtung zur allgemeinen Meistbegünstigung. (20) Auf Ebene des multilateralen Handelssystems der WTO findet die Entscheidung der Mitgliedstaaten für ein bestimmtes Steuersystem keine Berücksichtigung. In Ausübung dieser hoheitlichen Rechte unterliegt der Mitgliedstaat aber der Verpflichtung, diese so auszugestalten, dass das nationale System nicht mit den Anforderungen der WTO kollidiert. (21) Das Problemfeld der direkten Steuern als mögliches, nichttarifäres Handelshemmnis ist im WTO-Vertragstext nur am Rande geregelt. Erst mit den überaus großen Erfolgen der WTO im Abbau der Zölle rückte auch die Frage der direkten Steuern als mögliches Handelshemmnis verstärkt in das Blickfeld der WTO. (22) Mit der Neuregelung des Subventionsübereinkommens durch die Uruguay-Runde (1986–93) ist eine Zunahme der Relevanz des Subventionsübereinkommens für steuerliche Subventionen verbunden. Zugleich lässt der umfassende Ansatz des GATS zukünftig erhebliche Auswirkungen auf das nationale Steuersystem erwarten.

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GATT 1994 (23) Das Grenzausgleichssystem des GATT 1994 ermöglicht die Freistellung der Exportwaren von indirekten Steuern. Direkte Steuern sind hingegen nicht durch das Grenzausgleichssystem des GATT 1994 umfasst. (24) Auch wenn finanzwirtschaftliche Unschärfen in der Abgrenzung von direkten und indirekten Steuern gegeben sind, ist die bestehende Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Steuern als sinnvoller Kompromiss anzusehen. (25) Direkte Steuernormen unterliegen als direkte steuerliche Belastung nicht dem Gebot der Inländerbehandlung oder der Meistbegünstigung, können allerdings als nationale Rechtsvorschrift gegen das Diskriminierungsverbot des Art. III Abs. 4 GATT 1994 verstoßen, soweit diese den „Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, die Verteilung oder die Verwendung im Inland“ beeinflussen. (26) Das Subventionsübereinkommen des GATT 1994 ist mit erheblichen Auswirkungen auf die direkten Steuern der Mitgliedstaaten verbunden. Das ASCM unterscheidet zwischen verbotenen, anfechtbaren und erlaubten Subventionen. Eine steuerliche Exportsubvention und eine Import ersetzende Subventionierung ist unabhängig von der Spezifität der Subvention verboten. Für anfechtbare Subventionen schränkt das Kriterium der Spezifität die Wirksamkeit der Beihilferegelung auf steuerliche Normen erheblich ein. (27) Die Abgrenzung einer verbotenen steuerlichen Exportsubvention erfolgt auf Basis der Nichteinhebung der sonst fälligen Steuern („otherwise due“-Test“). Hierzu ist es nicht erforderlich, ein generell gültiges Besteuerungssystem eines Mitgliedstaates zu identifizieren. Ein Verstoß gegen einen Vergleichsmaßstab, der einen ähnlichen Sachverhalt besteuert, sodass ein gewisser innerer Zusammenhang zwischen den unterschiedenen Einkommensgruppen ersichtlich ist, kann für die Frage, ob hierin ein Verstoß gegen die sonst fällige Besteuerung gegeben ist, genügen. (28) Die Besteuerung durch den Mitgliedstaat muss aus Sicht des ASCM diskriminierungsfrei erfolgen. Dies gilt gleichermaßen auch für die Besteuerung ausländischer Quelleneinkünfte. Das „arms length principle“ findet aus der Handelsperspektive, und nicht aus der Steuerperspektive, Anwendung. Eine unrechtmäßige Verlagerung des Steuersubstrates aus der Steuerhoheit des Exportstaates ist zu unterbinden. Was mit einem zu Recht verlagerten Steuersubstrat im Ausland erfolgt, ist dagegen nicht im Fokus des ASCM.

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(29) Eine CFC-Legislation und damit auch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt als direkte Steuernorm nicht dem Gebot der Inländerbehandlung oder der Verpflichtung zur Meistbegünstigung des GATT 1994. (30) Durch das ASCM können Restriktionen für die nationale Ausgestaltung einer CFC-Legislation entstehen. Auch eine CFC-Legislation ist diskriminierungsfrei auszugestalten. Eine selektive Freistellung der Exportaktivitäten von einer CFC-Legislation ist als verbotene Exportsubvention anzusehen. (31) Auf Basis des GATT 1994 kann gegen ein „export ring fencing“ vorgegangen werden. Diskriminierende Steuersysteme und klassische Steueroasen lassen sich dagegen kaum mit den Mitteln des GATT 1994 bekämpfen. GATS (32) Mit der Gründung der WTO wurde durch das GATS auch der Dienstleistungssektor in das multilaterale Vertragswerk aufgenommen. (33) Bezüglich der Erbringung von Dienstleistungen sind im Rahmen des GATS vier verschiedene Klassifikationen zu unterscheiden: die grenzüberschreitende Dienstleistung, der Konsum einer Dienstleistung in einem anderen Land durch ein Mitglied eines anderen Mitgliedstaates, die Erbringung einer Dienstleistung durch eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat sowie die Erbringung einer Dienstleistung vor Ort durch eine Firma, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat und hierfür natürliche Personen entsendet. (34) Das GATS unterliegt in der derzeitigen Fassung erheblichen Einschränkungen. Die Mitgliedstaaten ließen sich bei Vertragsabschluss weitgehende Sonderrechte einräumen. Die Wirksamkeit des GATS ist sektoral stark begrenzt. Das GATS ist noch weitgehend unvollständig. Diejenigen Artikel des GATS, die sich mit der Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen und der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen befassen, sind nicht annähernd auf dem Niveau der äquivalenten Regelungen des GATT 1994. (35) Direkte Steuern der Mitgliedstaaten unterliegen den Vorschriften des GATS. Damit ist bei den nationalen direkten Steuernormen sowohl das Gebot der Inländerbehandlung als auch der allgemeinen Meistbegünstigungsverpflichtung zu beachten. (36) Das GATS beinhaltet weit reichende Steuerklauseln. Art. XIV lit. d) GATS suspendiert weitgehend die Auswirkungen des Gebotes der In-

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länderbehandlung auf direkte Steuern. Eine ähnliche Schlussfolgerung ist für die Steuerklausel der Meistbegünstigungsverpflichtung Art. XIV lit. e) GATS zu ziehen. Für beide Ausnahmevorschriften dient das Chapeau des Art. XIV GATS als Schranken-Schranke. (37) Im GATS findet sich kein Grenzausgleichssystem realisiert. Aufgrund der fehlenden Subventionsbestimmung steht es den Mitgliedstaaten frei, im Fall des Exports von Dienstleistungen eine Freistellung von direkten oder indirekten Steuern vorzunehmen. Damit können die Mitgliedstaaten, gleichermaßen wie im GATT-Grenzausgleichssystem, das Bestimmungslandprinzip für indirekte Steuern realisieren. Einer Verpflichtung hierzu unterliegen sie allerdings nicht. (38) Die Kapitalverkehrsfreiheit ist im GATS rudimentär als Schutz des Kapitalimports realisiert. Ein Schutz des Kapitalexports lässt sich dem GATS, im Unterschied zur Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV, nicht entnehmen. (39) Eine CFC-Legislation kann eine protektionistische Wirkung auf den Dienstleistungsimport entfalten. (40) Die festgestellte Überschneidung zwischen dem Schutzbereich des GATS und der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung ist gering. Die Erfassung des Dienstleistungsimports durch die Hinzurechnungsbesteuerung kann gegen die Bestimmungen des GATS verstoßen. (41) In der Güterabwägung zwischen einer gerechten und effektiven Besteuerung in Sicht der Steuerklausel des Art. XIV lit. d) GATS und einer sich hierdurch u. U. ergebenden verschleierten Beschränkung des internationalen Dienstleistungshandels im Verständnis des Chapeaus ist in einem multilateralen Handelssystem der Wahrung des nationalen Steueraufkommens ein größeres Gewicht beizumessen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass eine CFC-Legislation aus Sicht des Gebotes der Inländerbehandlung erhoben werden kann. (42) Auch in Hinblick auf die Meistbegünstigungsverpflichtung unterliegt eine CFC-Legislation den Vorschriften des GATS. Für die Meistbegünstigungsverpflichtung findet als Steuerklausel ausschließlich Art. XIV lit. e) GATS Anwendung. Diese Klausel ermöglicht eine unterschiedliche Besteuerung der Dienstleistungsanbieter verschiedener Staaten, sofern dies ihre Ursache in einem Doppelbesteuerungsabkommen oder einem anderen multilateralen Vertrag zur Vermeidung der Doppelbesteuerung findet. Dies ist für eine CFC-Legislation regelmäßig nicht gegeben. Ein Mitgliedstaat, der durch eine CFC-Legislation eines anderen Mitgliedstaates im Verhältnis zu anderen Staaten schlechter gestellt ist, kann sich zur Abwehr der CFC-Legislation auf

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die Meistbegünstigungsklausel berufen. Ein „black list“-Ansatz für eine CFC-Legislation ist nicht mit Anforderungen des GATS vereinbar. (43) Eine mögliche Lösung für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung stellt die Überarbeitung des Aktivitätskatalogs in Hinblick auf den Dienstleistungsbegriff dar. Eine andere denkbare steuerliche Alternative ist eine allgemein gültige, vom Steuerniveau unabhängige CFCLegislation. In Doppelbesteuerungsabkommen könnte eine Besserstellung der im internationalen Steuerwettbewerb fair agierenden Staaten vorgenommen werden. Diese Ausnahme würde unter die Steuerklausel des Art. XIV lit. e) GATS fallen. (44) Auf der Grundlage des GATS sind nur begrenzt Möglichkeiten eröffnet, um gegen einen unfairen Steuerwettbewerb vorzugehen. Einem steuerlichen Regime droht auf Basis des GATS kein Verbot. Vielmehr kann für einen unfair agierenden Mitgliedstaat einzig die Verpflichtung entstehen, dieses steuerliche „Angebot“ auf alle Unternehmen der jeweiligen Vertragsparteien auszuweiten.

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Sachwortverzeichnis Abschirmwirkung 27, 42 Agreement on Subsidies and Countervailing Measures siehe Subventionsübereinkommen (ASCM) Allgemeinheit der Besteuerung 55 Allokation 18, 52, 83, 162, 288 Amtshilferichtlinie – Drittstaaten 159 – Informationsbeschaffung 155 – Wirksamkeit der Steuerkontrolle 151–152 Anrechnungsmethode 57, 237 Anteilseigner 28, 32, 42, 125, 136, 185, 216, 247, 285, 331, 341–342 Äquivalenzprinzip 43, 279, 291 arms length principle 238–239, 251, 257, 259, 278 Asscher 120–121, 127 Ausfuhrsubvention siehe Exportsubvention Ausgleichsmaßnahme siehe Gegenmaßnahme Ausschüttungsfiktion 28, 38, 247 Außen- und Sicherheitspolitik siehe GASP avoir fiscal 115, 120–121, 131, 144 – Steuerflucht 147 – Wirksamkeit der Steuerkontrolle 141 Baars 130, 136 Bachmann 128, 135, 151 Basisgesellschaft 27–28, 40, 42, 287 Baxter 154 beggar-my-neighbour 55, 168, 335 Beihilfen 23, 48, 51, 65, 165, 245, 290 Beschränkungsverbot 92

– Begriff 78–81 – GATS 329 – Reichweite 79 – Steuervorbehalt 89 Besteuerung – kapitalexportneutral 21, 43 – kompensatorische 163 – Monopol des Staates 19 – Steuerflucht siehe dort – Steuerhoheit siehe dort Besteuerungsrecht 38, 42, 140 – Binnenmarktkonzept 162–169 – GATT 238, 279 Bestimmungslandprinzip – GATS 316 – GATT 205–206, 219–223 Betriebsstätte 216, 224 Binnenmarkt 23, 62, 108, 117 – Drittstaaten 73, 82, 86, 103 – EU-Kodex 62 – Funktionsfähigkeit 103, 106 – Gegenmaßnahme 44, 163–169 – Grundfreiheiten 67–68 – Harmonisierung 66, 71, 159 – Interessen der Gemeinschaft 106 – Kapitalanlage, Attraktivität 126 – Kapitalmarkt 84 – kompensatorische Besteuerung 138, 162 – Solidargemeinschaft 23, 63, 171 – Standortunterschiede 106, 123, 162, 167 – Steuerhoheit 23, 162–163 – Wettbewerb der Systeme 167 – WTO, Unterschiede zu 276, 328, 331, 335

Sachwortverzeichnis Border Tax Adjustment siehe Grenzausgleich Canada – Administration of the Foreign Investment Review 216–217 Casati 68 Cassis de Dijon 80, 139 – Wirksamkeit der Steuerkontrolle 139, 151 – zwingende Gründe des Allgemeininteresses 112, 160 CFC-Legislation – Abschreckungsgedanke 163 – Ausschüttungstheorie 39 – Begriff 27–30 – Beihilfen 164 – Binnenmarkt 125, 162–168 – dogmatische Rechtfertigung 38–40 – Drittstaaten 93, 169–179 – GATS 329–342, 345 – GATT 284–297 – Gegenmaßnahme 24, 41, 57, 64, 125, 163 – Hinzurechnungsbesteuerung siehe dort – Inländerbehandlung, GATS 336 – Kapitalverkehrsfreiheit 68, 84 – Kohärenz 138, 164 – kompensatorische Besteuerung 138 – Listenansatz 30, 64, 170, 177 – Marktzutritt, GATS 337 – Niederlassungsfreiheit 168 – OECD 22, 56–59, 66 – otherwise due – Test 268 – Rechtfertigungsgründe siehe dort – Standortwettbewerb 17, 41, 45 – Steuerhoheit 28, 42 – Subjektebene 40, 163, 170 – Subventionsübereinkommen (ASCM) 286 – typisierende Missbrauchsnorm 149–150, 334 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 150, 287, 330

373

– Wirksamkeit der Steueraufsicht 159–160 Chapeau 309–311, 314, 323 Chile – Taxes on Alcoholic Beverages 210 cross border supply 305, 339 Dassonville 80, 112 de Lasteyrie du Saillant 168 Denkavit 142 Dienstleistungsfreiheit 67, 113 direkte Steuern 269 – Ausfuhrsubvention 233 – GATS 297–329 – GATT 205–284 – Vorteilsausgleich 275 Direktinvestitionen – Kapitalverkehrsfreiheit 88, 95, 98–102 – GATS 191, 299–302 – GATT 191–192, 300 diskriminierendes Steuerregime – Begriff 54–56 – GATS 344–345 – GATT 290–297 – Subventionsübereinkommen (ASCM) 290–294 Diskriminierung 83, 122, 130 – faktische 121–122 – potentielle 113 – Steuerklausel, EG-Vertrag 90 Diskriminierungsverbot – EG-Vertrag 78–81 – GATS 195–204, 302–305, 310–312, 322–323 – GATT 195–204, 205–208, – TRIPS 195 Doha 189, 194 Domestic International Sales Corporations (DISC) 246–255 – Understanding 1981 253 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) – Anrechnungsmethode 57 – Chapeau 323–324

374

Sachwortverzeichnis

– Freistellungsmethode 57, 253 – GATS 321–324, 338 – GATT 239, 251, 279 – Kohärenz 129 – Meistbegünstigung 281–282 – Standortwettbewerb 50, 57 Drittstaaten, EG-Vertrag – Amtshilferichtlinie 159 – Ausnahmeklauseln, EG-Vertrag 94–112, 126–127, 150, 159, 169–179 – Drohpotenzial 106 – Embargomaßnahmen 109–112 – Gegenmaßnahmen 173–179 – Hinzurechnungsbesteuerung 169–179 – Kompatibilität der Steuersysteme 159 – Kompensationsverbot 126–127 – Sachverhaltsaufklärung 172 – Wirksamkeit der Steueraufsicht 159 Durchgriffsbesteuerung 126, 138 Embargomaßnahmen 94, 102 – Drittstaaten 109–112, 174 – GASP 109 – Gemeinschaftsebene 111 Ermächtigungsklausel 97, 101 EuGH – direkte Steuern 66–69, 71, 112–160 – Ermessensspielraum 161 – isolierende Betrachtungsweise 119–127 – Kapitalverkehr 73–77 – Standortunterschiede 106 – Steuerhoheit 23, 71 – Steuervorbehalt 87–92 Europäische Kommission – Beihilfen 165 – Kapitalverkehr Drittstaaten 96 – Steuerwettbewerb 47 – Untätigkeitsklage 165 – Vertragsverletzungsverfahren 166 Europäischer Rat 96, 174 – Embargomaßnahmen 109–112

– Ermächtigungsklausel 97, 101, 105 – Ermessensspielraum 178 – kapitalverkehrsbeschränkende Maßnahmen 94, 102, 207 Eurowings 121–124, 125, 127, 130 – Ausgleichsmaßnahme 163–164 EU-Verhaltenskodex 22, 47–51 – Beihilfen 51, 59 – OECD-Report 59–65 – ring fencing 61 – Standortwettbewerb 50 – Steueroase 59 – Steuerwettbewerb (unfairer) 165 Exportsubvention 182, 227–245 – arms length principle 278 – Besteuerungspflicht Ausland 276 – CFC-Legislation 287 – Domestic International Sales Corporations (DSIC) 247–250 – Extraterritorial Income Exclusion Act (ETI) 264 – GATS 315 – Grenzausgleich 221 – Steuerwettbewerb 277–279, 295 – Subventionsübereinkommen (ASCM) siehe dort Extraterritorial Income Exclusion Act (ETI) 226, 245, 260–271 Foreign Sales Corporation (FSC) 245, 255–259 formula apportionment 169, 184–186, 199 Freihandel 18 Freistellungsmethode 57, 237 Fusionsrichtlinie 139, 143, 145 Futura Participations und Singer 152 GASP 109–112, 170 GATS – Begriff 192–194 – bottom-up Ansatz 203, 303, 322, 342 – CFC-Legislation 329

Sachwortverzeichnis – – – – –

Chapeau 309–312, 323–324 Dienstleistung 297–302 direkte Steuern 297–329 Direktinvestitionen siehe dort diskriminierendes Steuerregime 344–345 – gerechte und effektive Besteuerung 307 – Grenzausgleich siehe dort – Hinzurechnungsbesteuerung 339–342, 345 – Kapitalliberalisierung siehe dort – Marktzugang 301 – Meistbegünstigung siehe dort – Niederlassungsfreiheit 299–301 – Personenfreizügigkeit 300 – Steuerklausel 182, 283, 321–323 – Subsidies and Trade in Services 315–316 GATT – Begriff 191–192 – CFC-Legislation 284–297 – direkte Steuern 205, 284 – diskriminierendes Steuerregime 290–297 – Grenzausgleich 205, 219–223 – Hinzurechnungsbesteuerung 284–286 – Importbarriere 206–227 – Inländerbehandlung 207 – Meistbegünstigung siehe dort – Subventionsübereinkommen (ASCM) siehe dort Gegenmaßnahme – CFC-Legislation 27, 41, 125–127, 164, 185 – Drittstaaten 173–179 – EG-Vertrag 99–100, 111, 119, 147–150 – GATS 301, 343–346 – GATT 185, 231, 287–297 – Hinzurechnungsbesteuerung 164, 175 – Steuerwettbewerb 44–45, 60, 125–127, 169

375

– unilaterale 24, 45, 164–165, 231 Gesellschafterfremdfinanzierung (thin capitalization) 157 Grenzausgleich 247, 273 – GATS 297, 307, 316 – GATT 205–206, 219–223 – indirekte Steuern 66, 221 – Symmetrie, des 275 Grundfreiheiten – Begriff 67 – Dienstleistungsfreiheit 67 – direkte Steuern siehe dort – Kapitalmarkt 84 – Kapitalverkehrsfreiheit siehe dort – Niederlassungsfreiheit 67, 69 – unmittelbare Anwendbarkeit 67 – Zahlungsverkehrsfreiheit 68 Halliburton Services 152 Harmonisierung – Besteuerung 58, 66, 71, 89, 148, 153, 159 – Kapitalmarkt 79 – Wettbewerb der Systeme 167 Havanna-Charta 219–220, 269 Hinzurechnungsbesteuerung – Begriff 30–40 – Binnenmarkt 24, 163–168 – Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) 42 – Drittstaaten 92–93, 169–179 – erweiterte 31, 37 – GATS 329–342, 345 – GATT 285–287, 297 – Gegenmaßnahme siehe dort – Kohärenz 137–139 – Listenansatz 27 – Rechtfertigung 38–40, 137–139, 160–179 – Schutzbereich Kapitalverkehrsfreiheit 85 – Subjektebene 42–43, 139 – typisierende Missbrauchsnorm 43, 138, 149–150

376

Sachwortverzeichnis

– Verhältnismäßigkeit 22, 345 – völkerrechtliche Bedenken 45 – WTO 184–185 ICI 144–146, 172 Indonesia – Measures Affecting the Automotive Industry 239, 269 Inländerbehandlung – Begriff 201–204 – CFC-Legislation 331–336 – Chapeau 309–310 – diskriminierendes Steuerregime 294 – EG-Vertrag 78 – Extraterritorial Income Exclusion Act (ETI) 268, 271 – GATS 302–312, 324–327 – GATT 206–226, 281–284, 293–295 – Meistbegünstigung 281–284, 316 – Steuerklausel 305 – Subvention 294 innere Abgabe 192, 199, 207–226, 281, 303, 328 Internal Revenue Code 226, 256, 260 ITO 187 Japan – Taxes on Alcoholic Beverages II 210 Kapitalliberalisierung – Europäische Gemeinschaft 72–73, 96 – Liberalisierungsniveau 70–73, 93–94, 102–103, 107 – Steuerwettbewerb 19–22 – WTO 24, 299–302, 327–329 Kapitalverkehr – Begriff, EG-Vertrag 74–77 – Direktinvestition 98 – Drittstaaten 68, 81, 83, 92–112, 117 – Export 81–83, 332 – GATS 299–302, 327–329 – Gemeinschaftsbezug 83 – Import 81–83, 332 – Kapitalliberalisierung siehe dort

– Kapitalverkehrsrichtlinie 74–75 Kapitalverkehrsfreiheit – Anlage-/Finanzierungsfreiheit 76–77, 82–85, 130–131 – Ausnahmeklauseln Mitgliedstaaten 86–112 – Begriff 68–84 – Beschränkungsverbot 71, 73, 78–91 – Binnenmarkt 69, 82, 117 – CFC-Legislation siehe dort – Direktinvestition 75, 95, 98–102 – Diskriminierungsverbot 78 – Drittstaaten 81, 83, 92, 94–112, 169–173 – Embargomaßnahmen 109–112 – globaler Ansatz 77, 81–82, 86, 93, 110 – Kapitalliberalisierung siehe dort – Kapitalverkehr siehe dort – Kapitalverkehrsrichtlinie 90, 100 – Kohärenz siehe dort – Kompensationsverbot 121–126 – Niederlassungsfreiheit 93, 99 – persönlicher Schutzbereich 81–84 – Portfolioinvestition 77, 100, 175 – sachlicher Schutzbereich 73–81 – Schutzklauseln 87–112 – Steuerflucht siehe dort – Steuervorbehalt 90–92 – unmittelbare Anwendbarkeit 67 – Warenverkehrsfreiheit 80, 117 – wirtschaftspolitische Maßnahmen 115 Kapitalverkehrsrichtlinie 69–74, 87, 100 – Direktinvestition 99 – Drittstaaten 101 – Kapitalverkehr siehe dort Keck 80, 117 Kohärenz – Begriff 127 – CFC-Legislation 136–137, 164 – Doppelbesteuerungsabkommen 129 – Subjektidentität 130, 132, 137

Sachwortverzeichnis – Vorteilsausgleich 115, 118, 127, 138 Körperschaftsteuer 31, 119, 122, 125, 131, 133, 141, 250 Lankhorst-Hohorst 132–134, 146–147, 156–158, 172 Leistungsfähigkeitsprinzip 39 Leur-Bloem 143 like products 199, 206, 208, 217, 232, 268 like services 304, 312, 320, 326, 344 Maastrichtvertrag 68, 71, 74, 78, 84, 87, 114 Marktzugang 55, 276, 280, 327, 336 Meistbegünstigung – Art. III Abs. 4 GATT 284 – Begriff 197–201 – CFC-Legislation 185, 321 – Chapeau 310 – direkte Steuern 282–284, 317–329 – Doppelbesteuerung 282, 318 – GATS 283, 317–327 – GATT 279–284 – innere Abgaben 281–284 – Marktzutritt 327–329 – Steuerklausel 321–324 – unilaterale steuerliche Vergünstigung 284 Metallgesellschaft 132, 136, 146, 172 Missbrauchsnorm – Steuerrichtlinien, Definition 139–144 – typisierend 142, 144–145 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 144, 171–173 Mutter-/Tochterrichtlinie 139, 142, 145 Niederlassungsfreiheit siehe Grundfreiheiten Oasenbericht 29, 149 OECD 41 – CFC-Legislation 57, 297

377

– good governance 51 – Steuerharmonisierung 58 OECD-Report 22, 51–59 – Abwehrmaßnahmen 56–57 – Allokationsverzerrungen 52 – CFC-Legislation 57 – diskriminierendes Steuerregime 54 – Folgeberichte 57–59 – Steueroase 54 otherwise due – Test 234–235, 262, 276 – diskriminierendes Steuerregime 291 – Steueroase 289 Primarolo-Gruppe 48 Rechtfertigungsgründe 71, 112 – Ausnahmevorschriften, EG-Vertrag 86–112 – Drittstaaten 169–179 – Kohärenz siehe dort – ungeschriebene 112–160 – Vorteilsausgleich siehe dort – Wirksamkeit der Steuerkontrolle siehe dort – wirtschaftspolitische Maßnahmen 115 – WTO 202, 272–276 Reziprozität – Begriff WTO 204 – EG-Vertrag 98, 103, 105–107 ring fencing 55, 61, 168, 184, 291, 344 – export ring fencing 296 rule of reason siehe Rechtfertigungsgründe Sanktion siehe Gegenmaßnahme Schumacker 152 Standortwettbewerb 19–23 – Binnenmarkt 123–124, 126 – Drittstaaten 126–127, 173 – EU-Verhaltenskodex 50–51, 63 – GATS 343–344

378

Sachwortverzeichnis

– GATT 289–290 – OECD 60, 64 – Steuerwettbewerb siehe dort Steueraufkommen 21–22, 115, 149 – Erosion 21, 46–47 Steuerflucht 27–28, 42–43, 71, 140, 147–149, 334–335 Steuergefälle 119, 162 Steuerharmonisierung siehe Harmonisierung Steuerhinterziehung 43, 50, 71, 88, 144, 308 Steuerhoheit 19, 28, 64 – EG-Vertrag 71, 97, 167, 176–177 – GATS 283, 316–317 – GATT 272–273, 288–289 Steuerinzidenz 215–219, 332 Steueroase 27, 51–52, 54, 59 – Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) 57 – Exportsubvention 289 – GATS 337, 343 – GATT 272–273, 288 – Kriterien zur Identifikation 54 – Listenansatz 64 – otherwise due – Test 289, 296 Steuersystem – diskriminierendes Steuerregime siehe dort – freie Systemwahl, WTO 272–276 – spill-over Effekte 53 – Steueroasen siehe dort Steuerumgehung siehe Steuerflucht Steuerwettbewerb (unfairer) – Aktivitätsklausel 62 – Begriff 22, 46–47, 60, 64 – Beihilfen 65, 165 – Binnenmarkt 163–168 – CFC-Legislation 22, 44–45, 63, 297 – diskriminierendes Steuerregime 54–56, 296 – Drittstaaten 46, 173–179 – EU-Verhaltenskodex 47–51 – GATS 297, 302, 330, 334, 343–346

– GATT 277, 287–297 – Gegenmaßnahme 44–45, 56–57, 60, 125–127, 168–170 – OECD 51, 56–57, 60, 64 – ordnungspolitische Rahmenbedingungen 46 – ring fencing siehe dort – Schutzklauseln EG-Vertrag 169–179 – spill over Effekt 53 – Steueraufkommen 21, 46–47 – Steueroase siehe dort – Subvention siehe dort – Subventionsübereinkommen (ASCM) 238–239, 287, 293 Streitbeilegungsverfahren 253, 258, 284 Subsidiarität – EG-Vertrag 97, 102, 123, 176–177 – WTO 202, 272–276 Subvention – Begriff 229–233 – GATS 312–314 – GATT siehe Subventionsübereinkommen (ASCM) – Grenzausgleich 274–275 – Meistbegünstigung 313–314 – otherwise due-Test 234–235, 263, 276, 286, 290–291, 296 – Spezifitätskriterium 229, 288 – Steuerklausel, GATS 314 – Steuerwettbewerb (unfairer) 290–291 – Wettbewerbswirkung 227, 230 – wirtschaftspolitische Ziele 315 Subventionskodex 227, 258 Subventionsübereinkommen (ASCM) – Ampellösung 231 – arms length principle 278 – Ausgleichsmaßnahmen (Track I) 230–231 – Begriff 227–231 – direkte Steuern 223, 233–235 – diskriminierendes Steuerregime 290–293

Sachwortverzeichnis – Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) 237–238 – Fußnote 59 236–239, 264, 277 – ring fencing 296 – Steueroase 288–289 – Steuersubvention 233–234 – Subventionsdisziplin (Track II) 230–231 – Understanding 1981 258 – Uruguay-Runde 228 Svensson/Gustavsson 129–130 tax haven siehe Steueroase Territorialitätsprinzip 40, 246, 251, 257, 273, 279 Territorialsteuersystem 250, 277 transfer pricing guideline 56–57, 238 TRIMS 191–192, 300 TRIPS 194–195 Uruguay-Runde 187–190, 192, 244, 282, 297 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 43, 45, 91, 102–107, 108, 117–118 – Einzelfallbetrachtung 144 – Embargomaßnahme 111 – GATS 310–311 – GATT 284 – Missbrauchsvermutung 147–148 Verkooijen 79, 90, 114, 116, 124–125, 131, 134, 136 Vertragsverletzungsverfahren 166 Vestergaard 155 Völkerrecht 104 Vorteilsausgleich 122, 125–127

– – – – –

379

globaler Belastungsausgleich 120 Kohärenz 118–119, 127 kompensatorische Besteuerung 138 Sozialsystem 122–123 WTO 273–277

Wegzugsbesteuerung 168 Welteinkommensprinzip 40, 43, 246, 250, 257 – CFC-Legislation 21, 286–287 Wielockx 129, 152 Wirksamkeit der Steuerkontrolle 150–160 – Amtshilferichtlinie 152 – Drittstaaten 159 – Erforderlichkeit 158 – Nachweisklausel 155 – Sachverhaltsermittlung 140 Wirtschafts- und Währungsunion 68–70, 94, 102, 107, 118 – Störung, der 109, 111, 176 WTO – Begriff 186–204 – Individualrechtsschutz 228 – Investitionsfreiheit 184, 191–193, 298–300 – Meistbegünstigung 196–201 – Subsidiarität 202, 272–273 Zahlungsverkehrsfreiheit 70 zwingende Gründe des Allgemeininteresses siehe Rechtfertigungsgründe Zwischeneinkünfte 37, 149 Zwischengesellschaft 31, 36, 260