Gesundheitsschutz im Recht der Welthandelsorganisation (WTO): Die WTO und das SPS-Übereinkommen im Lichte von Wissenschaftlichkeit, Verrechtlichung und Harmonisierung [1 ed.] 9783428513055, 9783428113057

Das Recht der WTO-Mitglieder, selbst zu bestimmen, welche Schutzniveaus für die Gesundheit der Bevölkerung auf ihrem Hoh

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Gesundheitsschutz im Recht der Welthandelsorganisation (WTO): Die WTO und das SPS-Übereinkommen im Lichte von Wissenschaftlichkeit, Verrechtlichung und Harmonisierung [1 ed.]
 9783428513055, 9783428113057

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Rechtsfragen der Globalisierung Band 8

Gesundheitsschutz im Recht der Welthandelsorganisation (WTO) Die WTO und das SPS-Übereinkommen im Lichte von Wissenschaftlichkeit, Verrechtlichung und Harmonisierung

Von

Tilman Makatsch

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

TILMAN MAKATSCH

Gesundheitsschutz im Recht der Welthandelsorganisation (WTO)

Rechtsfragen der Globalisierung Herausgegeben von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Erlangen-Nürnberg

Band 8

Gesundheitsschutz im Recht der Welthandelsorganisation (WTO) Die WTO und das SPS-Übereinkommen im Lichte von Wissenschaftlichkeit, Verrechtlichung und Harmonisierung

Von

Tilman Makatsch

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-0890 ISBN 3-428-11305-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Vorwort Diese Arbeit ist in den Jahren 2000 und 2002 entstanden und lag der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Wintersemester 2002/2003 als Dissertation vor. Literatur wurde bis einschließlich August 2002 berücksichtigt. Bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Armin von Bogdandy, möchte ich mich ganz besonders für die hervorragende Betreuung und die anregenden Diskussionen bedanken. Ihm verdanke ich meine Begeisterung für das WTO-Recht. Ebenfalls ein herzlicher Dank gebührt meinem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Michael Bothe, der schon während des Studiums mein Interesse für internationale Rechtsfragen und das Völkerrecht weckte. Großen Dank schulde ich insbesondere meinen Eltern Hans-Georg und Gisela Makatsch für ihre Unterstützung. Ohne sie wäre dieses „Projekt“ kaum zu realisieren gewesen. Meiner Freundin Jana, die mich während einiger anstrengender Phasen – insbesondere in Rom, aber auch in Kapstadt und Brüssel, wo Teile dieser Arbeit entstanden sind – ertragen mußte und mich in jeder erdenklichen Weise unterstützte, danke ich für ihre Hilfe. Frankfurt am Main, im November 2003

Tilman Makatsch

Inhaltsübersicht A. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ziel der Studie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das I. II. III. IV. V.

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SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens Verfahren zum Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse und Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. „Verwissenschaftlichung“ der WTO? (Die neue Rolle der Naturwissenschaft im WTO-System) . . . . . . . . . . . . . . I. Naturwissenschaft: zwischen Objektivität und Rationalität . . . . . . . . . . . II. Wissenschaft und Regulierung im nationalen Rechtsetzungsprozeß . . . . III. Risikobewertung als zentrale Pflicht des SPS-Übereinkommens . . . . . . . IV. Das Recht auf Vorsorge als Ausnahme von der „Wissenschaftlichkeit“ V. Kritische Würdigung der Fokussierung auf Wissenschaft . . . . . . . . . . . . .

97 98 99 112 128 137

D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen (Erweiterung der Pflichten des GATT?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Normative Grundlagen in GATT und SPS-Übereinkommen. . . . . . . . . . II. Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 5 SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnisse und Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Verrechtlichung der WTO? (WTO-Streitschlichtungsorgane im Spannungsfeld zwischen angemessener Kontrolldichte bei SPS-Maßnahmen und nationalem Beurteilungsspielraum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Souveränität und Ermessen der WTO-Mitglieder bei SPS-Maßnahmen II. Kontrolldichte und objektive Beurteilung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . III. Beurteilung der Risikobewertung durch WTO-Streitschlichtungsorgane IV. Lösungsansätze des deutschen Rechts im Vergleich zum WTO-System. V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse und Schlußfolgerungen unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsübersicht

F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO? (Die Rolle der Codex Alimentarius Kommission im WTO-System) . . . . . I. Harmonisierung von Schutzstandards als Ziel des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Struktur der Codex Alimentarius Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen des SPS-Übereinkommens auf die Codex-Standards. . . . IV. Verfahren der Codex Alimentarius Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 202 204 218 228 243

G. Schlußbetrachtung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Anhang 1: SPS-Agreement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Anhang 2: Dispute Settlement Understanding (DSU). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ziel der Studie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entwicklung vor der Uruguay-Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politischer und rechtlicher Hintergrund am Beispiel des Hormonstreits. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Hormonregime in der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Politische Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftliche und finanzielle Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesundheits- und gesellschaftspolitische Dimension . . . . . . . . . . . d) Der Hormonstreit unter dem GATT-System von 1947. . . . . . . . . . 3. Die neue Welthandelsordnung nach Abschluß der Uruguay-Runde a) Schaffung der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das neue Streitbeilegungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ablauf des Streitbeilegungsverfahrens im Überblick . . . bb) Anwendbares Recht in Streitbeilegungsverfahren. . . . . . . . . . c) Abschluß des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielsetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesundheitspolizeilicher oder pflanzenschutzrechtlicher Art cc) Auswirkungen auf den internationalen Handel . . . . . . . . . . . . b) Örtlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überblick über die grundlegenden Rechte und Pflichten der WTOMitglieder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenverantwortliche Festlegung von Schutzniveaus . . . . . . . . . . . aa) Schutzniveau, das den internationalen Schutzstandards entspricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis bb) Schutzniveau, das über internationale Schutzstandards hinausgeht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wissenschaftliche Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Risikobewertung und Festlegung des angemessenen Schutzniveaus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot der Diskriminierung und verschleierten Handelsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismäßigkeit und wirtschaftliche Vertretbarkeit . . . . . . . . . d) Vorübergehende Schutzmaßnahmen in Dringlichkeitsfällen . . . . . 4. Abgrenzung zu anderen Übereinkommen des WTO-Systems . . . . . . a) Verhältnis von SPS- und TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis von SPS-Übereinkommen und GATT . . . . . . . . . . . . . . aa) Selbständigkeit gegenüber dem GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkurrenz zwischen SPS-Übereinkommen und Art. XX (b) GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konfliktfälle, Transparenz, Auskunft, Notifikation . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verwaltung des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überblick über Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens 1. EC – Hormones (1997) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die rechtliche Argumentation der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entscheidungen und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der aktuelle Stand des Konfliktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Australia – Salmon (1998) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Japan – Agricultural Products (1999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfahren zum Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesundheitsschutz im Rahmen des GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Normative Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bisherige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Thailand – Cigarettes (1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) US – Alcoholic Beverages (1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) EC – Asbestos (2001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesundheitsschutz im Rahmen des TBT-Übereinkommens . . . . . . . . a) Normative Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EC – Sardines (2002). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnisse und Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. „Verwissenschaftlichung“ der WTO? (Die neue Rolle der Naturwissenschaft im WTO-System) . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Naturwissenschaft: zwischen Objektivität und Rationalität . . . . . . . . . . . 98 II. Wissenschaft und Regulierung im nationalen Rechtsetzungsprozeß . . . . 99

Inhaltsverzeichnis

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1. Wissenschaft als Basis regulatorischer Entscheidungsfindung . . . . . . 2. Staatliche Entscheidung unter wissenschaftlicher Unsicherheit . . . . . a) Risikowahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wissenschaftliche Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wissenschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Risikobewertung als zentrale Pflicht des SPS-Übereinkommens . . . . . . . 1. Durchführung der Risikobewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Risikobewertung bei nahrungsmittelbedingten Gefahren. . . . . . . . b) Risikobewertung bei Gefahren von Tierkrankheiten oder Schädlingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Voraussetzungen für die Risikobewertung (Auslegung des Art. 5 Abs. 1 SPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis von SPS-Maßnahme und Risikobewertung . . . . . . bb) Berücksichtigung wissenschaftlicher Mindermeinungen . . . . cc) Wissenschaftliche Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Quantifizierbare Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Eigenständige Risikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Faktoren für die Risikobewertung (Auslegung des Art. 5 Abs. 2 SPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Recht auf Vorsorge als Ausnahme von der „Wissenschaftlichkeit“ 1. Allgemeine Ausführungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegung des Art. 5 Abs. 7 SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Japan – Agricultural Products . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EC – Hormones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kritische Würdigung der Fokussierung auf Wissenschaft . . . . . . . . . . . . .

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D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen (Erweiterung der Pflichten des GATT?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Normative Grundlagen in GATT und SPS-Übereinkommen. . . . . . . . . . . 1. Nichtdiskriminierung im GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 5 SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschiedene Schutzniveaus in unterschiedlichen aber vergleichbaren Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede der Schutzniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des internationalen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EC – Hormones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auffassung des Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auffassung des Berufungsgremiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Australia – Salmon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnisse und Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Verrechtlichung der WTO? (WTO-Streitschlichtungsorgane im Spannungsfeld zwischen angemessener Kontrolldichte bei SPS-Maßnahmen und nationalem Beurteilungsspielraum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Souveränität und Ermessen der WTO-Mitglieder bei SPS-Maßnahmen 1. Der Souveränitätsbegriff im Kontext der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigenständige Festlegung eines angemessenen Schutzniveaus . . . . . . a) Einschränkung durch Wissenschaft und Risikobewertung. . . . . . . b) Einschränkung durch Elemente der Verhältnismäßigkeit. . . . . . . . II. Kontrolldichte und objektive Beurteilung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . 1. Objektive Sachverhaltsbeurteilung des Panels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrollbefugnis des Berufungsgremiums in Sachverhaltsfragen . . . 3. Prüfungsmaßstab bei Verstößen gegen die objektive Sachverhaltsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beurteilung der Risikobewertung durch WTO-Streitschlichtungsorgane 1. Kompetenz von Panels zur Entscheidung wissenschaftlicher Fragen a) Eigene Erkenntnisse des Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rolle von Sachverständigen in WTO-Verfahren . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkrete Einbeziehung der Sachverständigen in das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfügbare wissenschaftliche Beweise des Panels . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lösungsansätze des deutschen Rechts im Vergleich zum WTO-System V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweislast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweislastumkehr am Beispiel des Hormonstreits . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweismaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse und Schlußfolgerungen unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 150 150 152 155 155

158 159 159 161 163 164 166 167 169 171 172 174 174 176 176 176 178 181 187 188 190 192 193 196

F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO? (Die Rolle der Codex Alimentarius Kommission im WTO-System) . . . . . 202 I. Harmonisierung von Schutzstandards als Ziel des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Die Struktur der Codex Alimentarius Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Inhaltsverzeichnis

13

Aufbau und Organisation der Codex Alimentarius Kommission . . . . Die Untergremien der Codex Alimentarius Kommission . . . . . . . . . . Ziele der Codex Alimentarius Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren für die Ausarbeitung von Schutzstandards . . . . . . . . . . . . . Annahme der Codex-Standards durch die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . a) Uneingeschränkte Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Annahme mit spezifischen Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erklärung der freien Verkehrsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bedeutung und Völkerrechtscharakter von Codex-Standards . . . . . . . a) Anwendung der Codex-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Codex-Standards als „soft-law“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen des SPS-Übereinkommens auf die Codex-Standards . . . 1. Verbindliche Wirkung der Codex-Standards? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Harmonisierung nach Art. 3 SPS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 3 Abs. 2 SPS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 3 Abs. 1 SPS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 3 Abs. 3 SPS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung und Anmerkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfahren der Codex Alimentarius Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines Beschlußverfahren der Codex Alimentarius Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verfahren in den Codex-Komitees. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rolle von Industrieverbänden in den Codex-Verfahren . . . . . . . . 4. Die Rolle von Verbraucherverbänden und Öffentlichkeit in den Codex-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligung von Verbraucherverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beobachterstatus von Nichtregierungsorganisationen (NGO) . . . . 5. Fallstudie: Codex-Standards für Hormone zur Wachstumsförderung a) Der Streit: Welche Aspekte finden bei Standards Berücksichtigung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Grundsatzmodifizierung: Berücksichtigung wissenschaftlicher Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Folge: Festsetzung von Codex-Höchstwerten. . . . . . . . . . . . . . d) Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielverlagerung der Codex Alimentarius Kommission . . . . . . . . . . . . 2. Demokratiedefizit in den Codex-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Harmonisierung durch die Hintertür? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

205 207 209 210 213 213 214 214 214 215 215 216 218 218 222 223 223 223 225 228

1. 2. 3. 4. 5.

229 230 230 232 232 233 234 236 237 238 239 241 243 243 244 246

G. Schlußbetrachtung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

14

Inhaltsverzeichnis

Anhang 1: SPS-Agreement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Anhang 2: Dispute Settlement Understanding (DSU). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. AB ABlEG Abs. ADI a. E. a. F. AJIL AJP Am. U. Int’l L. Rev. AöR Art. ASIL Aufl. Bd. BGBl. BGH BISD BSE BT-Dr. BVerfG BVerwG bzgl. bzw. CAK CCRVDF CMLR Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y ColLR Colum. J. Eur. L. Cornell ILJ CTE

anderer Ansicht am angegebenen Ort Appellate Body Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Acceptable Daily Intake am Ende alte Fassung The American Journal of International Law Aktuelle Juristische Praxis American University International Law Review Archiv des öffentlichen Rechts Artikel American Society of International Law Auflage Band Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Basic Instruments and Selected Documents (GATT) Bovine Spongiforme Encephalopathy Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise Codex Alimentarius Kommission Codex Committee on Residues of Veterinary Drugs in Food Common Market Law Review Colorado Journal of International Environmental Law and Policy Columbia Law Review Columbia Journal of European Law Cornell International Law Journal Committee in Trade and Environment

16 d. ders. DES Drake J. Agric. L. DS DSB DSU DVBl EC ECJ Ed(s). EG EGV EJIL EL ELRev. engl. EP EPA EPIL etc. EU EuG EuGH EuGHE EUV EUR EuZW EWG EWGV EWS f., ff. FAO FAZ FDA FR FT GATS GATT

Abkürzungsverzeichnis des, der Derselbe Dethylstilbeostrol (Hormon) Drake Journal of Agricultural Law Dispute Settlement Dispute Settlement Body Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes Deutsches Verwaltungsblatt European Communities European Court of Justice editor(s) Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften European Journal of International Law Ergänzungslieferung European Law Review englisch Europäisches Parlament Environment Protection Agency Encyclopedia of Public International Law et cetera Europäische/European Union Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes Vertrag zur Gründung der Europäischen Union Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende, fortfolgende Food and Agricultural Organisation of the United Nations Frankfurter Allgemeine Zeitung Food and Drug Administration Frankfurter Rundschau Financial Times General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade

Abkürzungsverzeichnis

17

Geo. Int’l Envt’l L. R. Georgetown International Environmental Law Review GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GMO Genetically Modified Organism GPVD Good Practice in the use of Veterinary Drugs GRUR (Int.) Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Internationaler Teil) GVO gentechnisch veränderte Organismen GYIL German Yearbook of International Law Harvard Int’l L. J. Harvard International Law Journal Harvard UP Harvard University Press HB Handelsblatt Hdb. Handbuch HdbVN Handbuch der Vereinten Nationen HdUR Handwörterbuch des Umweltrechts H. Env. L. R. Harvard Environmental Law Review Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland IARC International Agency for Research on Cancer ICJ International Court of Justice ICLQ International and Comparative Law Quaterly IGH Internationaler Gerichtshof ILC International Law Commission ILM International Legal Materials Int. international/-er/-es Int. Lawyer The International Lawyer Int.TLR International Trade Law and Regulation IPPC International Plant Protection Convention i. S. d. im Sinne des i. S. v. im Sinne von ITO International Trade Organisation ITR International Trade Reporter i.V. m. in Verbindung mit JbUTR Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts JECFA Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives JIEL Journal of International Economic Law JWT Journal of World Trade KJ Kritische Justiz Law & Pol’y Int’l Bus. Law and Policy in International Business

18 lit. Max Planck UNYB McGill L. J. MEA MFN MGA Minn. J. Global Trade MJIL MRL MRLVD m. w. N. NAFTA Neth YB Int’l L n. F. NGO NILR NJW (-RR) No. NOEL Nr. NuR NVwZ Nw. J. Int’l L. & Bus. N.Y. Times N.Y.U. OIE ÖzöRV

Abkürzungsverzeichnis

litera Max Planck Yearbook of United Nations Law McGill Law Journal Multilateral Environment Agreement Most-Favoured Nation Melengesterol Acetat (Hormon) Minnesota Journal of Global Trade Michigan Journal of International Law Maximum Residue Level Maximum Residue Limit in Veterinary Drugs mit weiteren Nachweisen North American Free Trade Agreement Netherlands Yearbook of International Law neue Fassung Non-governmental organisation Netherlands International Law Review Neue Juristische Wochenschrift (Rechtsprechungsreport) Number No Observable Effect Level Nummer Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Northwestern Journal of International Law and Business New York Times New York University Office international des épizooties (Int. Tierseuchenamt) Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht p. page(s) Pac. Rim L. & Pol’y J. Pacific Rim Law & Policy Journal para(s). paragraph(s) ppm process and production method R. Report RdC Recueil des Course (Académie de droit international) Rdn. Randnummer RECIEL Review of European Community and International Environmental Law RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung s. siehe

Abkürzungsverzeichnis S. SCVPH

sec. Slg. Sp. SPS (Agreement) Syracuse JILC SZ TBT (Agreement) TREM TRIMS (Agreement) TRIPS UNCTAD UNEP UNICEF UNO UNTS UPR USA USDA USTR usw. v. v. a. Vand. L. Rev. Vand. JTL Verf. VerwArch VG vgl. Virginia Envtl. L. J. Virg. JIL VN vol. vs. WHO

19

Seite, Satz Scientific Commitee of Veterinary Measures Relating to Public Health (Wissenschaftlicher Ausschuß für Veterinärmaßnahmen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit) Section Sammlung Spalte Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures Syracuse Journal of International Law and Commerce Süddeutsche Zeitung (Agreement on) Technical Barriers to Trade Trade Related Environmental Measure (Agreement on) Trade-Related Investment Measures (Agreement on) Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights United Nations Conference on Trade and Development United Nations Environmental Programme United Nations International Children’s Emergency Fund United Nations Organization United Nations Treaty Series Umwelt- und Planungsrecht United States of America United States Department of Agriculture United States Trade Representative und so weiter vom vor allem Vanderbilt Law Review Vanderbilt Journal of Transnational Law Verfasser Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht vergleiche Virginia Environmental Law Journal Virginia Journal of International Law Vereinte Nationen Volume versus World Health Organisation

20 WSJ WT WTO WVK Yale JIL Yale L. R. ZaöRV z. B. ZEuS ZLR z. T. ZUR

Abkürzungsverzeichnis Wall Street Journal World Trade World Trade Organisation Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Yale Journal of International Law Yale Law Review Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht

A. Einleitung „The millennium subject is globalization. I wish that word had never been invented. The word conjures up a vision of an uncaring, unrepresentative future where ordinary people, parliaments, cultures and Nations lose their character, power and sovereignty. In the absence of an ,ism‘ to hate and to march against, globalism has become the target. Globalization is a process, an idea not an ideology. But every great lie has within a germ of truth. There is injustice, the world is unequal and we are faced with unequalled opportunity and challenges. These must be answered.“ Mike Moore1

I. Problemstellung Staaten haben die grundlegende Pflicht, die Gesundheit2 ihrer Bürger zu schützen.3 Diese Pflicht korreliert mit dem Recht der Bürger auf Gesundheit und Sicherheit.4 1 Auszug aus einer Rede von Mike Moore – der bis zum 31. August 2002 als Generalsekretär der Welthandelsorganisation (WTO) amtierte – anläßlich der 11th International Military Chiefs of Chaplains Conference am 9. Februar 2000 (http:// www.wto.org/english/news_e/spmm_e/spmm22_e.htm). 2 Im ersten Erwägungsgrund der Constitution of the World Health Organisation („WHO“) ist Gesundheit folgendermaßen positiv definiert: „Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“ Dieses Abkommen wurde auf der Internationalen Gesundheitskonferenz in New York vom 19. Juni bis 22. Juli 1946 verabschiedet und trat am 7. April 1948 in Kraft. 3 Correa, Implementing National Public Health Policies in the Framework of WTO Agreements, JWT 34 (2000), S. 89 ff. m. w. N. In Deutschland ergibt sich diese Pflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG; weiterführend: Seewald, Gesundheitsschutz, in: Kimminich/v. Lersner/Storm, HdUR, Sp. 888. Zu den Ursprüngen des Gesundheitsschutzes als Säule des Umweltrechts im internationalen Vergleich, Bothe/Gründling, Neuere Tendenzen des Umweltrechts im internationalen Vergleich, S. 91 f.; vgl. zur geschichtlichen Entwicklung auch: Fidler, Trade and Health, GYIL 40 (1997), S. 300 ff. (309).

22

A. Einleitung

Um diesen Pflichten nachzukommen sind Staaten (und die EG5) aus ihrer Souveränität heraus grundsätzlich berechtigt, selbst zu bestimmen, welche Schutzniveaus für öffentliche Gesundheit und Sicherheit in ihrem Hoheitsgebiet gelten sollen.6 Dieses Recht darf jedoch nach dem Verständnis der Welthandelsorganisation (WTO) nicht dazu führen, daß in dem multilateralen Handelssystem Barrieren aufgebaut werden. Wenn WTO-Mitglieder Regelungen zum Gesundheitsschutz erlassen, dann haben diese Maßnahmen (nachfolgend: „SPS-Maßnahmen“)7 aber nicht selten nachteilige Effekte auf den internationalen Handel (insbesondere auf den Handel mit Lebensmitteln). Zudem können solche Maßnahmen auch gezielt dazu genutzt werden, unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes Handelsbarrieren aufzubauen und so nationale Produkte im internationalen Wettbewerb zu schützen. Wie andere nationale Regelungen auch, sind SPS-Maßnahmen in demokratischen Systemen Ergebnis eines politischen Ausgleichsprozesses. Ein entsprechender Schutzstandard entsteht durch das Zusammenspiel innerstaatlicher Interessengruppen (einschließlich Produzenten, verarbeitender Industrie und Verbrauchern), Wissenschaftlern und Politikern, denen parteipolitisch und durch die öffentliche Meinung von Wählern Grenzen gesetzt sind. Bei Festlegung der meisten SPS-Maßnahmen spielt die Naturwissenschaft eine wichtige Rolle. Aber auch wirtschaftliche und finanzpolitische Elemente fließen bei der Entscheidungsfindung in die Frage mit ein, wann und wie eine SPS-Maßnahme anzuwenden ist. Interessengruppen können 4 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33 f.; ausführlich zu der historischen Entwicklung von Gesundheit und Recht: Jung, Das Recht auf Gesundheit, S. 7 ff.; zur Entwicklung der Gewährung von Sicherheit als Staatszweck: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 35 ff. Es können drei Aspekte des Rechts auf Gesundheit unterschieden werden: der negative Aspekt, wonach der Staat alles zu unterlassen hat, was sich nachteilig auf die Gesundheit des Einzelnen auswirken könnte; der positive Aspekt, der den Staat zur aktiven Förderung der Gesundheit verpflichtet; und der egalitäre Aspekt, der eine Ungleichbehandlung verbietet. Völkerrechtlich läßt sich inzwischen zumindest ein Recht auf Gesundheitsschutz als Abwehrrecht (status negativus) gewohnheitsrechtlich nachweisen; hierzu schon ausführlich: Bothe, Les concepts fondamentaux du droit à la santé. Le point de vue juridique, in: Dupuy, „Le droit à la santé en tant que droit de l’homme“, S. 14 ff. (25). 5 Die EU ist – unter der Rechtspersönlichkeit der EG – einziges Nicht-Staatliches Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO), da sie nach außen ihre Mitgliedstaaten in Handelssachen vertritt. Aus diesem Grund wird folgend, soweit es die Stellung der EU in der WTO betrifft, nicht von der EU, sondern von der EG gesprochen. 6 Ambrose, Science and WTO, Law & Pol’y Int’l Bus. 31 (2000), S. 861, m. w. N. 7 „Sanitary and Phytosanitary („SPS“) Measures“.

I. Problemstellung

23

diesen regulatorischen Prozeß durch extensives Lobbying nicht nur stark beeinflussen, sondern auch lenken und das entsprechende Ergebnis weitgehend mitbestimmen, wenn sie, etwa durch starke „Meinungsmache“ in den Medien, die breite Öffentlichkeit auf ihre Seite ziehen.8 In diesem Spannungsfeld sind auf der Ebene der WTO Lösungen zu finden, welche einerseits die Einflußnahmemöglichkeiten von Interessengruppen bei der Einführung von SPS-Maßnahmen abmildern und andererseits ein angemessenes Gleichgewicht zwischen gesundheitsschützenden Maßnahmen und unerwünschtem Protektionismus herstellen können. Insbesondere der Konflikt zwischen den USA/Kanada und der EG über das Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Rindfleisch (sog. „Hormonstreit“)9 verdeutlicht exemplarisch die Verknüpfung von Schutzpflichten für Leben und Gesundheit mit den Erfordernissen des Welthandels im multilateralen WTO-System. Im wesentlichen behandelt dieser Konflikt als „leading case“ im Rahmen des Übereinkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (im folgenden „SPS-Übereinkommen“ oder „SPS“)10 die Spannungen zwischen dem Abbau von Handelsbeschränkungen und der Souveränität der WTOMitglieder, Gesundheitsschutz zu regulieren. Die in dieser Arbeit analysierten Streibeilegungsverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens gehen jedoch über die Thematik bloßer Souveränitätsbeschränkungen von WTO-Mitgliedern hinaus: Sie behandeln die grundsätzliche Frage, wie Gesellschaften mit Risiken und den daraus resultierenden Konflikten umgehen. Ein wesentliches Charakteristikum offener Gesellschaften ist der Drang nach Kontrollierbarkeit.11 Die Mentalität der modernen Wohlstandsgesellschaft ist durch ein ausgeprägtes Streben nach einer Minimalisierung der Risiken gekennzeichnet. 12 Unsicherheiten und Gefahren passen nicht in die8

Diese Tatsache ist in ökonomischen Regulierungstheorien anerkannt: Roberts/ Orden, Determinations of Technical Barriers to Trade: The Case of US Phytosanitary Restrictions on Mexican Avocados, in: Orden/Roberts, „Understanding Technical Barriers to Agricultural Trade“, S. 117 ff. In der Praxis bestätigte sich diese Theorie im Vorfeld des Hormonstreits, siehe unten B.I.2.a). 9 EC Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), im folgenden: „Hormonstreit“ oder „EC – Hormones“. Panelberichte, WT/DS26/R/USA und WT/ DS48/R/CAN; Berufungsberichte, WT/DS26/AB/R und WT/DS48/AB/R; angenommen am 13. Februar 1998. 10 „Agreement on the Application on Sanitary and Phytosanitary Measures“ vom 15. April 1994; in Kraft seit 1. Januar 1995 (ABlEG Nr. L 336, v. 23. Dezember 1994, 40 ff.; deutsche Fassung: BT-Dr. 12/7986, 84 ff.). 11 Perez, Reconstructing Science: the Hormone Conflict between the EU and the United States, European Foreign Affairs Review 3 (1998), S. 563 ff. m. w. N. 12 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 3 f.

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A. Einleitung

ses Bild. Hierdurch wächst die Gefahr der staatlichen Allzuständigkeit für gesellschaftliche Entwicklungen.13 Dennoch werden die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens aufgrund eingeschränkter Prognosefähigkeit und fortschreitender technologischer Entwicklung offensichtlich.14 Ein unvermeidliches Restrisiko bleibt immer bestehen. Totale Sicherheit für die Bevölkerung ist in einem freiheitlichen Staat nicht möglich.15 Diese zunehmende Suche nach Kontrollierbarkeit berührt zwangsläufig nationale Entscheidungsprozesse, indem diese ex ante komplexer gemacht und ex post neuen Konzepten der Verantwortlichkeit geöffnet werden. Durch Globalisierung – das heißt, der zunehmenden internationalen Verflechtung von Wirtschaft und internationaler Arbeitsteilung – werden diese Prozesse erschwert, indem neue Unsicherheiten und neue Formen internationaler institutioneller Entscheidungsfindung geschaffen werden. Vor dem Hintergrund dieser beiden Entwicklungen – Globalisierung und der Suche nach Kontrollierbarkeit – werden die Konflikte im Bereich des Gesundheitsschutzes im WTO-System zu analysieren sein.

II. Ziel der Studie Gegenstand dieser Arbeit ist der Gesundheitsschutz im WTO-System, nicht die hiervon abzugrenzende Umweltschutzthematik.16 Ausgehend von 13 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 447. Staatliche Allzuständigkeit besagt, daß der Staat sich grundsätzlich aller öffentlichen Aufgaben annehmen kann, aber nicht muß; weiterführend: Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 57, Rdn. 132 ff. und 156 ff. 14 Beispielhaft sei hier nur die Problematik um gentechnisch veränderte Organismen („GVO“) aufgeführt. Vergleichbar mit der Verwendung von Wachstumshormonen in der Viehzucht, lassen sich auch hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine eindeutigen wissenschaftlichen Aussagen zu möglichen gesundheitsschädigenden Auswirkungen treffen. Insbesondere die Frage, ob und wie solche GVO’s gekennzeichnet werden müssen, sorgt auch im Zusammenhang mit der WTO für Konfliktstoff; hierzu näher: Burchardi, Labelling of Genetically Modified Organisms: Possible Conflict with the WTO?, ZLR 2000, S. 83 ff.; Cottier, The Protection of Genetic Resources and Traditional Knowledge: Towards more Specific Rights and Obligations in World Trade Law, JIEL 1 (1998), S. 555 ff.; Stewart/Johanson, Policy in Flux: The European Union’s Laws on Agricultural Biotechnology and their effects on International Trade, Drake J. Agric. L. 4 (1999), S. 243 ff. 15 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 41 f. 16 Trotz einiger Berührungspunkte verlagert sich die Kontroverse über den Umweltschutz im WTO-System auf Problembereiche, die sich von denen des Gesundheitsschutzes unter dem SPS-Übereinkommen erheblich unterscheiden (an geeigneten Stellen wird im Laufe dieser Studie punktuell auf Gemeinsamkeiten zum Umweltschutz eingegangen).

II. Ziel der Studie

25

den Vorschriften des SPS-Übereinkommens und den Entscheidungen der WTO-Streitschlichtungsorgane wird die WTO17 im Hinblick auf die Rolle von Wissenschaft, das Diskriminierungsverbot und die Verrechtlichung ihres Streitbeilegungsverfahrens unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten analysiert. Hierbei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum deutschen Rechtssystem, insbesondere im Umgang mit Wissenschaft und Risiken sowie deren Justiziabilität herausgearbeitet.18 Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage nach einer möglichen Harmonisierung von Schutzstandards im WTO-Recht mit Hilfe der Codex Alimentarius Kommission. Im Gegensatz zu den Arbeiten, die das Thema Umweltschutz in der WTO unter der Überschrift „Handel contra/und Umweltschutz“19 behandeln, wurde in dieser Arbeit bewußt ein Titel gewählt, der kein solches gegensätzliches Verhältnis zwischen Handel und Schutz der Gesundheit (bzw. Umwelt) impliziert. Nach dem in dieser Studie gefolgten Verständnis der WTO-Konzeption besteht kein Dualismus zwischen Handel und Gesundheitsschutz im Sinne von sich widersprechenden Zielen, sondern dieser Arbeit liegt ein einheitlicher Ansatz zugrunde. Dieser einheitliche Ansatz ergibt sich aus folgenden Prämissen: 1. Grundlage ist die Weiterführung einer Konzeption der offenen äußerlichen Staatlichkeit. Danach ist ein souveräner Staat aus seiner rechtsbegrifflichen Isolation herauszulösen und in einem Geflecht internationaler Beziehungen zu verankern. Staatliche Souveränität heißt, internationale Verantwortung zu tragen und bei souveränen Entscheidungen jeweils auch die internationalen Verpflichtungen zu berücksichtigen.20 Die WTO 17 Der Begriff „WTO“ wird in dieser Studie – falls nicht anderweitig gekennzeichnet – sowohl für die WTO in ihrer Funktion als institutionelles Dach als auch für den materiellrechtlichen Inhalt der einzelnen Abkommen verwendet; siehe hierzu ausführlich B.I.3.a). 18 K. Redeker sagt in bezug auf die Relevanz dieser Rechtsproblematik im deutschen Verwaltungsrecht: „Beherrschendes Thema der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird auch in den nächsten Jahrzehnten die Reichweite richterlicher Kontrolldichte sein.“ (Redeker, 50 Jahre – Rückblicke und Ausblicke aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NJW 1997, S. 374). 19 Hierzu beispielsweise: Trachtmann, Trade and . . . Problems, EJIL 9 (1989), S. 32 ff.; Altemöller, Handel und Umwelt im Recht der Welthandelsorganisation WTO; Altkammer, Handelsliberalisierung contra Umweltschutz?; Carr, Environment versus International Trade: Where are we now?, Int.TLR 4 (1997), S. 130 ff.; Diem, Freihandel und Umweltschutz in GATT und WTO; Hilf, Freiheit des Welthandels contra Umweltschutz, NVwZ 19 (2000), S. 481 ff.; Hohmann, Der Konflikt zwischen freiem Handel und Umweltschutz in WTO und EG, RIW 2000, S. 88 ff. 20 Ein solcher offener Souveränitätsbegriff wurde wesentlich von S. Langer (weiter-)entwickelt: Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfassung, S. 25 f. und 43 ff. Zu dem Souveränitätsbegriff im Kontext der WTO, siehe C.I.1.

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A. Einleitung

ist als internationale Organisation ein System zwischenstaatlicher Verantwortung. Die Bereiche Handel und Gesundheitsschutz sind schon im Vorfeld einer nationalen Entscheidung zu beachten. Auf WTO-Ebene hingegen ist eine einheitliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen. 2. Der internationale Handel ist grundsätzlich zum Wohle der Bevölkerung in der Staatengemeinschaft sinnvoll. Die Außenhandelstheorie der komparativen Kosten umschreibt dies folgendermaßen: Jeder Staat spezialisiert sich auf die Erzeugung jener Güter, bei denen er einen komparativen Vorteil besitzt, und tauscht die nicht selbst verbrauchten Überschüsse gegen andere Güter, die er nur mit komparativen Nachteilen erzeugen könnte.21 Die WTO legt diese Theorie zugrunde und versucht durch Abbau von Handelsschranken und Beseitigung der Diskriminierung ihr übergeordnetes Ziel zu erreichen: die weltweite Erhöhung des Lebensstandards.22 Im Gegensatz zu den meisten anderen nichttarifären Handelshemmnissen23 sind SPS-Maßnahmen nicht nur legitim, sondern potentiell wohlstandsfördernd, denn sie können externe Marktverfehlungen korrigieren, die von eingeführten Gütern mit gesundheitsschädigender Wirkung etwa durch Krankheiten oder falsch vertriebene Produktinformationen herrühren.24 Sowohl die WTO als auch SPS-Maßnahmen haben die übergreifende Aufgabe, den Wohlstand zu fördern. Gesundheitsschutz steht grundsätzlich nicht in Konflikt zu den Zielen der WTO, sondern ergänzt diese. 21 David Ricardo beschreibt die von ihm ursprünglich entwickelte Freihandelstheorie im Jahre 1817 mit folgenden Worten: „Bei einem System des vollkommen freien Handels wendet natürlich jedes Land sein Kapital und seine Arbeit solchen Zweigen zu, die jedem am vorteilhaftesten sind. Dieses Verfolgen des individuellen Vorteils ist bewundernswert mit dem allgemeinen Wohle des Ganzen verbunden.“ Bei aller möglichen Kritik an dieser Aussage konnte bislang noch keine überzeugendere Erklärung für den internationalen Handel und seine universell wohlfahrtsfördernde Wirkung gefunden werden; weiterführend: Rose/Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, S. 380 ff. 22 Dieses übergeordnete Ziel der WTO ergibt sich aus dem ersten und dritten Erwägungsgrund der Präambel zum Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (nachfolgend: „WTO-Übereinkommen“ oder „WTO“); ILM 33 (1994), S. 1125; deutsche Fassung: BGBl. 1994 II, 1625; weiterführend: Krajewski, Verfassungsperspektiven und Legitimation des Rechts der Welthandelsorganisation (WTO), S. 132 f. 23 Unter nichttarifäre Handelshemmnisse („non-tariff barriers to trade“) fallen alle Beschränkungen, die nicht auf Zöllen als dem klassischen Instrument staatlicher Handelspolitik beruhen. Hierzu ausführlich: Tietje, Normative Grundstrukturen der Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse in der WTO/GATT-Rechtsordnung, S. 30 ff. 24 Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 378.

III. Gang der Untersuchung

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3. Die Systematik des SPS-Übereinkommens unterscheidet sich ganz wesentlich von der des Allgemeinen Zoll und Handelsabkommens („GATT“)25. Im Gegensatz zu den Vorschriften des GATT bestehen in dem SPS-Übereinkommen keine Rechtfertigungsgründe, mit denen auf Tatbestandsebene festgestellte Vertragsverletzungen kompensiert werden können.26 Nach dem SPS-Übereinkommen ist die Rechtmäßigkeit einer nationalen SPS-Maßnahme zusammen mit der ihr zugrundeliegenden Begründung auf Tatbestandsebene einschichtig zu prüfen.27 In einem funktionierenden Welthandelssystem sind solche nationalen Maßnahmen herauszufiltern, die protektionistisch und handelsbeschränkend wirken und somit im Widerspruch zu den Zielen der WTO stehen. Abzugrenzen ist demnach nicht zwischen Handel und Gesundheitsschutz, sondern zwischen zulässigen und unzulässigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz. Die entscheidende Frage lautet daher: „protection or protectionism?“28

Um eine solche Abgrenzung vornehmen zu können, bedient sich das SPS-Übereinkommen einer neuartigen Konzeption, die im Laufe dieser Studie vorgestellt und in ihrer praktischen Anwendung anhand der Streitbeilegungsverfahren analysiert wird.

III. Gang der Untersuchung Die Arbeit unterteilt sich in fünf Abschnitte. 1. Im ersten Abschnitt wird zunächst das SPS-Übereinkommen als normativer Rahmen der Untersuchung vorgestellt. Hierbei werden politische Hintergründe und Entwicklungen erläutert, die für das Verständnis der Ziele und konkrete Anwendung einzelner Vorschriften unumgänglich sind. Es zeigt sich, daß insbesondere der enge funktionale Zusammenhang mit dem Hormonstreit von fundamentaler Bedeutung für die Entwicklung des Abkommens war. Nachdem ein Überblick über die grundlegenden Rechte und Pflichten nach dem SPS-Übereinkommen gewährt wird, folgt anhand einschlägiger Entscheidungen die Klärung konkreter 25 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1947 („General Agreement on Tariffs and Trade“); deutsche Fassung: BGBl. II 1951, 173. 26 Hierbei ist insbesondere das Verhältnis zwischen Artt. III und XI zu Art. XX GATT zu beachten; zu der Systematik des GATT: v. Bogdandy, Eine Ordnung für das GATT, RIW 1991, S. 55 ff. 27 Siehe hierzu ausführlich B.II.3. 28 Diese Frage wurde als Überschrift in dem Dokument des WTO-Sekretariats „Understanding the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measuers“ vom Mai 1998 gestellt (http://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/spsund_e.htm).

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A. Einleitung

verfahrensrechtlicher Fragen, wie Anwendungsbereich, Abgrenzung zu anderen WTO-Abkommen sowie anwendbares Recht und Auslegungshilfen. Zudem wird ein Überblick über alle bisher nach den Vorschriften der unterschiedlichen WTO-Abkommen zu entscheidenden Verfahren im Bereich Gesundheitsschutz gegeben. 2. Der zweite Abschnitt befaßt sich mit der Funktion von (Natur-)Wissenschaft im WTO-System. Hierbei wird ausführlich auf die konkreten Anforderungen zur Risikobewertung und das Recht auf Vorsorge eingegangen. Mit Hilfe der Entscheidungen der WTO-Streitschlichtungsorgane werden die entscheidenden Vorschriften detailliert ausgelegt und analysiert. Anschließend wird die Rolle von Wissenschaft in Regulierungsverfahren und des rechtlichen Umgangs mit wissenschaftlicher Unsicherheit untersucht, wobei Vergleiche zum deutschen Recht und dem hierzu entstandenen Diskurs in der Literatur gezogen werden. 3. Das Diskriminierungsverbot als „Herzstück“ des WTO-Rechts wird im dritten Abschnitt behandelt. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, welche Lösungen das SPS-Übereinkommen bereithält, um auf die spezifischen Erfordernisse nichttarifärer Handelshemmnisse einzugehen. Es wird sich zeigen, ob das „klassische“ Diskriminierungsverbot des GATT durch die Vorschriften des SPS-Übereinkommens und ihrer Auslegung in den WTO-Verfahren weiterentwickelt und den aktuellen Gegebenheiten angepaßt wurde. 4. Thema des vierten Abschnittes ist die zunehmende Verrechtlichung des WTO-Systems. Im Spannungsfeld zwischen Kontrolldichte von Streitschlichtungsorganen und nationalem Beurteilungsspielraum hat die WTO Lösungen zu finden, die der Souveränität der Mitglieder Rechnung trägt und gleichzeitig ein Normen-basiertes Streitbeilegungssystem vorantreibt, das die Legitimität der WTO stärkt und den Respekt der Mitglieder genießt. Der Umgang von Panels mit wissenschaftlichen Unsicherheiten sowie SPS-Maßnahmen, die auf wissenschaftlicher Grundlage erlassen worden sind, bilden einen Schwerpunkt, um diese Problematik zu veranschaulichen und zu analysieren. Hierbei werden auf wichtige Beweisfragen eingegangen und Bezüge zu hilfreichen Lösungsansätzen aus dem deutschen Recht hergestellt. 5. Die Frage, inwieweit zum gegenwärtigen Zeitpunkt die internationale Harmonisierung von Schutzvorschriften durch die WTO vorstellbar ist, wird im fünften Abschnitt thematisiert. Es wird insbesondere untersucht, welche Rolle die Codex Alimentarius Kommission hierfür im Bereich des Lebensmittelhandels einnehmen kann. Die Arbeit befaßt sich daher ausführlich mit den Auswirkungen des SPS-Übereinkommens auf die Codex-Standards. Hierbei wird das Verfahren der Codex AlimentariusKommission unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten kritisch analysiert.

B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens 1. Die Entwicklung vor der Uruguay-Runde Vor Abschluß der Uruguay-Runde 1986–1993 („Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations“) gab es kein Abkommen, das sich speziell mit der handelsbeschränkenden Wirkung von SPS-Maßnahmen befaßte. Vielmehr hatten sich SPS-Maßnahmen nach Vorschriften des Allgemeinen Zollund Handelsabkommens vom 30. Oktober 1947 („GATT“)1 und des ursprünglich als „Standards Code“ geschlossenen Vorläufers des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse („TBT-Übereinkommen“)2 zu richten. Die Schaffung des GATT ging nach dem zweiten Weltkrieg vor allem auf die amerikanische Initiative zurück. Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt unterzeichnete der amerikanische Präsident Roosevelt das nach dem Namen seines Staatssekretärs als „Hull Programm“ bekanntgewordene Handelsgesetz von 1934. Dieses Gesetz verfolgte im wesentlichen drei Ziele: Abbau der Handelshemmnisse, Nichtdiskriminierung zwischen Handelspartnern und Reziprozität.3 Alle diese Ziele fanden sich im späteren GATT wieder. Der Grundstein der heutigen Welthandelsordnung wurde in der Atlantikcharta von 1941 gelegt. Roosevelt und der britische Premierminister Churchill beschlossen damals, die Vorarbeiten für die Neugestaltung der weltweiten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen aufzunehmen.4 Im Jahre 1945 folgte die Gründung der Vereinten Nationen. Nachdem die als UN Sonderorganisation geplante sogenannte „Havanna Charter for an International Trade Organisation“ („ITO“) vor allem wegen der Ablehnung in Kreisen der Wirtschaft und Politik an den USA scheiterte, trat am 1. Januar 1948 das erste GATT zunächst für acht Staaten in Kraft.5 1

Im folgenden: „GATT“ oder „GATT-Übereinkommen“. Diese einheitliche Bezeichnung gilt in dieser Arbeit grundsätzlich für GATT 1947 und GATT 1994 gleichermaßen. Unterschiede werden an entsprechenden Stellen kenntlich gemacht. 2 Im folgenden: „TBT“ oder „TBT-Übereinkommen“. 3 Senti, WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung, Rdn. 10 f. 4 Bereits ein Jahr vor Kriegsende einigten sich mehrere westliche Staaten in Bretton Woods auf die Errichtung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Die Vertragsstaaten begnügten sich mit einer provisorischen Inkraftsetzung des Abkommens in der Meinung, das Vertragswerk werde später in die bis dahin zu schaffende ITO eingefügt.6 Damit konnte nach dem 2. Weltkrieg zumindest das Ziel erreicht werden, in den Kernbereichen der internationalen Handelsbeziehungen eine Liberalisierung in Gang zu setzen, die endgültig mit der Hochzollpolitik und dem im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 aufgekommenen Protektionismus brach. Die weitere Ausgestaltung der Welthandelsordnung vollzog sich in sogenannten Handelsrunden. Bisher haben im Rahmen des GATT – dem inzwischen 144 Staaten und die EG beigetreten sind – acht Handelsrunden stattgefunden:7 In den ersten sechs Runden ging es vor allem um die Aufnahme neuer GATT-Vertragspartner und den Abbau von Zöllen. Gegenstand der siebten Runde (Tokio-Runde) war erstmals auch die Reduktion nichttarifärer Handelshemmnisse.8 Zu diesem Zweck wurde im Jahre 1979 nach der Tokio Runde der Standards Code (als Grundlage des heutigen TBT-Übereinkommens) geschlossenen.9 Unter den Verhandlungsparteien der folgenden Uruguay-Runde bestand weitgehend Konsens, daß weder GATT noch TBT-Übereinkommen in der Lage waren, die durch SPS-Maßnahmen und technischen Beschränkungen verursachten nichttarifären Handelsirritationen zu beheben. So konnte nach der Tokio-Runde beispielsweise gegen keine einzige SPS-Maßnahme erfolgreich vorgegangen werden.10 Es gab insbesondere drei Mängel im Rechtssystem des GATT, welche die Effizienz der Disziplinierung von nichttarifären Handelsbeschränkungen abstumpften: (1) Erstens fehlte ein einheitliches integriertes Regelungssystem. Dadurch war es den Vertragsparteien des GATT möglich zu wählen, ob sie 5 Hierunter befanden sich die Staaten Australien, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Luxemburg, Niederlande und die USA. 6 Senti, WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung, Rdn. 25 ff. Zu dieser Integration in eine ITO kam es allerdings nie, da der amerikanische Kongreß die Ratifikation der Havanna Charter verweigerte. 7 Die neunte Handelsrunde wurde mit der WTO-Ministerkonferenz in Doha vom 9. bis 14. November 2001 eingeleitet; hierzu mit Bezug auf die Umweltschutzthematik: Oppermann/Beise, Freier Welthandel und Umweltschutz nach der WTODoha-Konferenz 2001, RIW 2002, S. 269 ff. 8 Zudem wurde in dieser Handelsrunde die Neuregelung des Dumping, der Subventionen, des öffentlichen Beschaffungswesens und der Zöllpräferenzen zugunsten der wirtschaftlich schwachen Länder thematisiert. 9 Weiterführend: Beise, Die Welthandelsorganisation, S. 34 ff. 10 Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 380 m. w. N.

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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durch andere Abkommen gebunden sein wollten, die die GATT-Pflichten erweitern (sogenanntes GATT à la carte). So waren die meisten Vertragsparteien des GATT nicht Partei des TBT-Übereinkommens (hierunter auch so wichtige landwirtschaftliche Erzeuger wie Australien), wodurch einige auf technischen Handelsbeschränkungen basierenden Konflikte nicht vor die Panels des GATT gebracht werden konnten.11 (2) Zweitens erlaubte es das Streitbeilegungssystem des GATT durch sein Konsensprinzip den Beschwerdegegnern regelmäßig, die Einberufung eines Panels oder die Annahme eines Panelberichts zu verhindern. (3) Drittens war die Definition von „Maßnahme“ im TBT-Übereinkommen zu eng. Sie hat ihrem Wortlaut nach nicht solche Maßnahmen umfaßt, die sich auf Produktions- und Verarbeitungsmethoden („PPM’s“) beziehen. Festzustellen ist, daß das ursprüngliche GATT-System hauptsächlich Handelsbeschränkungen aufgrund nationaler Zollbestimmungen bekämpfen sollte. Die Vorschriften zeigten sich jedoch in bezug auf die vermehrt auftretenden nichttarifären Handelsbeschränkungen insbesondere im Bereich des Gesundheitsschutzes als weitgehend wirkungslos.12 2. Politischer und rechtlicher Hintergrund am Beispiel des Hormonstreits In dem bis zur Uruguay-Runde ungelösten Konflikt zwischen USA/Kanada und der EG über das Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Rindfleisch („Hormonstreit“) sahen einige Mitglieder eines der augenscheinlichsten Beispiele für das Versagen des Streitbeilegungssystems und des GATT.13 Die Entwicklung des SPS-Übereinkommens ist eng mit dem Hormonstreit verknüpft, der bis in das Jahr 1980 zurückgeht. Im folgenden wird daher die politische und rechtliche Entwicklung des Hormonstreits dargestellt und analysiert, um die Brisanz dieses Konflikts darzustellen und anhand dieses plastischen Beispiels die Defizite des damaligen GATT-Systems bis zum Abschluß der Uruguay-Runde vor Augen zu führen. 11 Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 380. 12 Bail, Das Profil einer neuen Welthandelsordnung, EuZW 1990, S. 437 f.; Christoforou, Settlement of Science-Based Trade Disputes in the WTO, NYU Environmental Law Review 8 (2000), S. 625. 13 Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 24; Stanton, Implications of the WTO-Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, in: Orden/Roberts, Understanding Technical Barriers to Agricultural Trade, S. 75 ff.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

a) Das Hormonregime in der EG Die Sorge der Verbraucher in Europa über die Anwendung von Wachstumshormonen in der Viehzucht ist während der siebziger Jahre ständig gewachsen. Diese Besorgnis rührt her vom illegalen Gebrauch von dethylstilbeostrol, gemeinhin bekannt als DES14 in der Viehzucht, insbesondere in Frankreich. In Italien wurden Vorfälle bekannt, wonach Jugendliche unter hormonellen Unregelmäßigkeiten litten und es wurde vermutet, daß diese Störungen durch Fleischkonsum von hormonbehandelten Tieren hervorgerufen wurden. Europäische Verbraucherverbände riefen daraufhin zum Fleischboykott auf, und der Fleischmarkt in der EG wurde hierdurch stark beeinflußt.15 Nach massiven Protesten europäischer Verbraucherschutzverbände, die durch vorangegangene „Hormonskandale“ ausgelöst wurden, hat die Europäische Gemeinschaft zu Anfang der achtziger Jahre begonnen, sich mit dem Thema der Verwendung von Hormonen in der Viehzucht zu beschäftigen.16 Es folgte ein schrittweises Verbot der Verwendung von Stoffen mit hormonaler Wirkung zu Mastzwecken in der EG. aa) Politische Entwicklung Am 20. September 1980 haben die Landwirtschaftsminister der EG eine Erklärung verabschiedet, worin die Abschaffung der Östrogen-Verwendung in der Viehzucht, eine größere Harmonisierung der Gesetze über die Anwendung von Tierarzneimitteln sowie eine bessere Kontrolle der Viehzucht und Fleischverwertung gefordert wurde. Die EG-Kommission hat am 31. Oktober 1980 und 6. Januar 1981 vorgeschlagen, Rechtsakte zu erlassen, die den Gebrauch von Hormonen in der Viehzucht mit Ausnahme von therapeutischen Zwecken verbieten.17 Am 13. Februar 1981 hat das Europäische Parlament den sog. „Nielsen-Bericht“ 14

DES ist wahrscheinlich das bekannteste künstliche Hormon für Wachstumszwecke in der Viehzucht. 15 Meng, Hormonstreit zwischen der EG und den USA im Rahmen des GATT, RIW 1989, S. 544 ff.; Slotboom, The Hormones Case: An Increased Risk of Illegality of Sanitary and Phytosanitary Measures, CMLR 36 (1999), S. 471 ff.; Thomas, Where’s the Beef? Mad Cows and the Blight of the SPS-Agreement, Vand. JTL 32 (1999), S. 487 ff.; Wagner/Goldmann, Comments to the Appellate Body of the World Trade Organisation Concerning European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), S. 4 ff. 16 Zu dieser Entwicklung auch: Quick/Blüthner, Has the Appellate Body erred? An Appraisal and Criticism of the Ruling in the WTO Hormones Case, JIEL (1999), S. 605 f.

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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verabschiedet, worin den Vorschlägen der Kommission im wesentlichen zugestimmt wird. Die Kommission hat eine Arbeitsgruppe von Sachverständigen unter Prof. Lamming einberufen, die erforschen sollte, welche Entwicklungen und Auswirkungen der Hormongebrauch in der Viehzucht aus wissenschaftlicher Sicht nach sich zieht. Diese Arbeitsgruppe veröffentlichte am 22. September 1982 einen Zwischenbericht („Lamming-Bericht“).18 Hierin kam die Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis, daß die Verwendung von Oestradiol17b, Testosteron und Progesteron keine gefährlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher hat, wenn diese Hormone unter angemessenen Bedingungen in niedrigen Dosen zur Wachstumsförderung bei der Viehzucht eingesetzt werden.19 In Reaktion auf diesen Bericht hat die Europäische Kommission am 12. Juni 1984 einen Vorschlag veröffentlicht, wonach ein kontrollierter Gebrauch der drei natürlichen Hormonen zur Wachstumsförderung gestattet ist und das Verbot der zwei künstlichen Hormone zu überprüfen ist, bis die wissenschaftlichen Untersuchungen fertiggestellt sind. Dieser Vorschlag der Kommission wurde jedoch vom Europäischen Parlament, dem EG-Wirtschafts- und Sozialrat und dem EG Ministerrat zurückgewiesen.20 Nachdem in einer Reihe von EG-Mitgliedstaaten vermehrt die Verwendung von illegalen wachstumsfördernden hormonalen Substanzen bekannt wurde, verabschiedete das Europäische Parlament am 7. Februar 1989 den sog. „Collins-Bericht“21 und am 29. März 1989 den „Pimenta-Bericht“22. 17 COM (80)614, COM (80)920, COM (80)922; betroffen hiervon waren die Hormone Oestradiol-17b, Testosteron und Progesteron (natürliche Hormone) sowie Trenbolon und Zeranol (künstliche Hormone). 18 1982 Report of the EC Scientific Veterinary Committee, Scientific Committee for Animal Nutrition and the Scientific Committee for Food on the Basis of the Report of the Scientific Group on Anabolic Agents in Animal Production. 19 Die Auswertung der Daten in bezug auf die künstlichen Hormone Trenbolon und Zeranol haben zu diesem Zeitpunkt noch gefehlt, da die Arbeitsgruppe für diese beiden Hormone noch weitere Informationen benötigte. Die Wissenschaftler sahen es in dem Lamming-Bericht daher als erforderlich an, die wissenschaftlichen Untersuchungen über schädliche Einflüsse von Hormonen auf den menschlichen Organismus fortzusetzen. 20 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 2.29. 21 European Parliament, Committee on the Environment, Public Health and Consumer Protection „The USA’s Refusal to comply with Community legislation on slaughterhouses and hormones and the consequences of this refusal“, EP 128 381/B, 7. Februar 1989. Nach Auffassung der Sachverständigen sei eine Einbeziehung von sozialen, landwirtschaftlichen und umweltpolitischen Elementen bei der Bewertung der Verwendung von wachstums- und ertragsfördernden Arzneimitteln bei der Viehzucht erforderlich, da diese Verwendung sich erheblich von dem auf rein therapeuti-

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Der Pimenta-Bericht bestätigte das zwischenzeitlich durch die Richtlinie des Rates 88/146/EWG23 vom 07.03.1988 verhängte Verbot der Verwendung hormonaler Substanzen für nicht-therapeutische Zwecke. Hierfür wurden als Argumente unter anderem aufgeführt, daß – dies der einzige Weg sei, das Vertrauen der Verbraucher in Fleischprodukte zurückzugewinnen; – ein absolutes Verbot die Durchführung und Kontrolle erleichtern würde; – sich Zweifel bzgl. der Langzeitfolgen der Anwendung und eines potentiellen Krebsrisikos ergeben; – sozial-wirtschaftliche Wünsche der Bevölkerung bei der Akzeptanz von bio-chemischen Wachstumsförderern in der Viehzucht eine Rolle spielen müßten; – die Kommission das Prinzip des Tierschutzes in der landwirtschaftlichen Produktion unterstützen sollte. Vom 29. November bis 1. Dezember 1995 hat die Europäische Kommission eine Wissenschafts-Konferenz über Wachstumsförderung in der Fleischproduktion („Hormonkonferenz“) organisiert.24 In bezug auf die drei natürlichen Hormone kamen die Wissenschaftler auf der Konferenz zu dem Schluß, daß es zum jetzigen Zeitpunkt keine Beweise für mögliche Gesundheitsrisiken für Verbraucher aufgrund der Verwendung solcher Hormone zur Wachstumsförderung gebe.25 In bezug auf die beiden künstlichen Hormone Zeranol und Trenbolon stellten die Wissenschaftler auf der Konferenz fest, daß sich die Rückstandswerte im Bereich der Dosierung, die für Wachstumsförderung gebraucht wird, weit unter den als gesundheitsgefährdend eingestuften Levels befinden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gebe es daher keine Anzeichen einer möglichen Gefahr für die menschliche Gesundheit bei artgerechter Verwendung dieser Hormone.26 sche Zwecke ausgerichteten herkömmlichen System unterscheidet (impact assessment). 22 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 2.31. 23 ABlEG Nr. L 70 v. 16.03.1988, 16 ff. 24 Anläßlich dieser Konferenz haben sich ca. 90 Wissenschaftler in Brüssel versammelt, um sich über die Verwendung wachstumsfördernder Mittel bei der Viehzucht auszutauschen. Berichte hierüber in: Lebensmittel Zeitung v. 8.12.1995, Nr. 49, 18; AGRA-EUROPE v. 4.12.1995, Nr. 49, Europa-Nachrichten, S. 17. 25 Vielmehr seien die gemessenen Rückstandswerte im Fleisch behandelter Tiere vergleichbar mit den Werten im Fleisch unbehandelter Tiere. Zudem sei die Menge der täglichen Produktion dieser Hormone bei Menschen wesentlich höher als die Menge, die möglicherweise durch das Fleisch eingenommen werden kann; „Assessment of Health Risk – Working Group II“, in 1995 EC Scientific Conference Proceedings, S. 20 f.

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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bb) Rechtliche Entwicklung Parallel zu der politischen Diskussion, vollzog sich eine rechtliche Entwicklung, deren wichtigste Rechtsakte im Bereich des Hormonverbots im folgenden skizziert werden.27 Der Rat beschränkte durch die Richtlinie 81/602/EWG28 vom 31.07. 1981 den Einsatz von Wachstumshormonen in der Viehwirtschaft.29 Mit qualifizierter Mehrheit im ordnungsgemäßen Verfahren erging die Richtlinie des Rates 88/146/EWG30 vom 07.03.1988 zum Verbot des Gebrauchs von bestimmten Stoffen mit hormonaler Wirkung im Tierbereich.31 Durch diese Richtlinie wurde jeglicher Gebrauch von Stoffen mit hormonaler Wirkung im Tierbereich untersagt. Damit durften europäische Landwirte auch die natürlichen Hormone Östradiol 17/b, Progesteron und Testosteron sowie die künstlichen Hormone Trenbolon und Zeranol nicht mehr zu Mastzwecken an Nutztiere verabreichen. Insbesondere Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie ist für den Handelskonflikt von Bedeutung: Diese Vorschrift ordnete ein Importverbot für hormonbehandelte Rindfleischprodukte an, sofern Exporteure nicht garantieren konnten, daß ihr Rindfleisch keine Hormonrückstände enthalte bzw. die in der Richtlinie des Rates 88/299/EWG32 vom 17.05.1988 näher ausgestalteten Ausnahmetatbestände erfülle. 26 „Assessment of Health Risk – Working Group II“, in 1995 EC Scientific Conference Proceedings, S. 20 ff. 27 Zu dieser Entwicklung aus Sicht der USA: Hammonds, A US Perspective on the EC Hormone Directive, MJIL 11 (1990), S. 840 ff. 28 ABlEG Nr. L 222 v. 07.08.1981, 32 ff. 29 Hierin wurde zwar ein generelles Verbot der Verabfolgung sowie des Inverkehrbringens von Stilbenen und Thyreostatika mit Wirkung von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Richtlinie ausgesprochen. Zudem wurde die Verwendung von Stoffen mit thyreostatischer, östrogener oder androgener Wirkung, zwölf Monate nach Bekanntgabe der Richtlinie, verboten. Es konnte jedoch keine Einigung über die Verwendung der natürlichen Hormone Östradiol-17/b, Progesteron und Testosteron sowie der künstlichen Hormone Trenbolon und Zeranol erzielt werden. Diese Richtlinie erlaubte daher die Aufrechterhaltung nationaler Bestimmungen hinsichtlich der Anwendung dieser fünf Substanzen zu Mastzwecken. 30 ABlEG Nr. L 70 v. 16.03.1988, 16 ff.; zu Vorgeschichte und Gesetzgebungsverfahren weiterführend: Meng, The Hormone Conflict between the EEC and the United States within the Context of GATT, MJIL 11 (1990), S. 819. 31 Der Europäische Gerichtshof („EuGH“) hatte zuvor die nahezu wortgleiche Richtlinie des Rates 85/649/EWG vom 31.12.1985 (ABlEG Nr. L 382 v. 31.12. 1985, 228) aufgrund einer Klage des Vereinigten Königreichs in seinem Urteil vom 23. Februar 1988 wegen Formfehlern beim Abstimmungsverfahren im Ministerrat für nichtig erklärt; EuGH, Rs. 68/86 – Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 855. 32 ABlEG Nr. L 128 v. 21.05.1988, 36 ff.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

In der Fedesa-Entscheidung33 vom 13.11.1990 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Vorlageverfahren die Richtlinie 88/146/EWG sowie die Kompetenz und Ermessensfreiheit der EG-Gesetzgebungsorgane zum Hormonverbot überprüft.34 Antragsteller des Ausgangsverfahrens waren Hersteller, Erzeuger oder Verkäufer von Tierarzneimitteln oder international im Tiergesundheitswesen tätige Verbände, sowie ein Tierarzt und ein Landwirt. Hierzu gehören neben einem französischen Hormonhersteller und einem amerikanischen Pharmazieunternehmen die „Europäische Vereinigung für Tiergesundheit“ (FEDESA), die von acht amerikanischen Gesellschaften gegründet wurde, von denen sieben Hormone produzierten. Der Rechtstreit wurde durch den High Court of Justice, Queen’s Bench Division („High Court“) in London gemäß Art. 177 EG-Vertrag (jetzt Art. 234 EG) dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Sie bestritten vor dem High Court die Zulässigkeit einer nationalen gesetzgeberischen Maßnahme35 mit der die Richtlinie 88/146/EWG teilweise durchgeführt wird und machen zur Begründung geltend, diese Richtlinie sei ungültig, d.h. die Verwendung der fünf Hormone in der Viehzucht dürften nicht verboten werden. Neben verfahrensrechtlichen Fragen wurden insbesondere fünf materiellrechtliche Fragen an den EuGH gestellt. Hierbei ging es um die Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Gleichheitsgrundsatz, sowie Fragen des Ermessensmißbrauchs durch den Rat und der Begründung bei Erlaß der Richtlinie. Der Generalanwalt Jean Micho kam in seinen Schlußanträgen zu dem Ergebnis, daß eine Verletzung der gerügten Grundsätze nicht vorliegt und die Gültigkeit der Richtlinie 88/146/EWG nicht zu beanstanden ist.36 Der EuGH hat die Auffassungen des Generalanwalts in seiner Entscheidung im wesentlichen übernommen. In dieser Entscheidung des EuGH kommt zum Ausdruck, daß der Rat auch ohne konkrete wissenschaftliche Nachweise einer Gesundheitsgefährdung zum Erlaß dieser Richtlinie mit dem Hormonverbot ermächtigt war. Der Gerichtshof hat in dieser Entscheidung seine Kontrollbefugnis in bezug auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erheblich eingeschränkt und den Rechtssetzungsorganen der EU einen weiten Ermessensspielraum zugebilligt. 33

EuGH, Rs. C-331/88 – Fedesa, Slg. 1990, I-4023. Hierzu auch Slotboom, The Hormones Case: An Increased Risk of Illegality of Sanitary and Phytosanitary Measures, CMLR 36 (1999), S. 488. 35 Statutory Instrument 1988, Nr. 705: The Medicines (Hormone Growth Promoters) (Prohibition of Use) Regulations 1988. 36 Schlußanträge des Generalanwalts Jean Mischo in EuGH, Rs. C-331/88 – Fedesa, Slg. 1990, I-4023 Rdn. 82. 34

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Beurteilungen bezüglich der Verwendung von Wachstumshormonen in der Viehwirtschaft durften die Wirtschaftsteilnehmer nicht erwarten, daß ein Verbot der Verabfolgung der fraglichen Stoffe an Tiere nur auf wissenschaftliche Daten gestützt werden konnte, so der Gerichtshof.37 Der EuGH wies ebenfalls das Vorbringen zurück, wonach das Hormonverbot offensichtlich ungeeignet sei, andere Ziele zu erreichen, als die – angeblich unbegründeten – Besorgnisse der Verbraucher zu beschwichtigen.38 Der Gerichtshof sah den Rat innerhalb seiner Kompetenzen als ermächtigt an,39 die Ansicht zu vertreten, daß den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gerecht werden könnte, wie etwa eine bessere Verbreitung von Informationen bei den Verbrauchern und der Kennzeichnung des Fleisches. Am 1. Juli 1997 ist die Richtlinie des Rates 96/22/EG40 vom 29.04.1996 in Kraft getreten und hat die bisherigen Richtlinien 81/602, 88/146 und 88/ 299 aufgehoben und ersetzt. In dieser Richtlinie wurde das Importverbot für hormonbehandeltes Rindfleisch im wesentlichen bestätigt.41 Neben der angestrebten Harmonisierung und Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen wurden zur Begründung dieser Richtlinie unter anderem Gesundheitsschutz42 angegeben sowie die Steigerung der Absatzmöglichkeiten für aus Fleisch hergestellte Lebensmittel43.

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EuGH, Rs. C-331/88 – Fedesa, Slg. 1990, I-4023, Rdn. 8 ff. EuGH, Rs. C-331/88 – Fedesa, Slg. 1990, I-4023, Rdn. 16. 39 Diese Kompetenzen haben ihm die Artikel 40 und 43 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 34 und 37 EG) übertragen. 40 ABlEG Nr. L 125 v. 23.05.1996, 3 ff. 41 Erlaubt wird lediglich die Verabreichung an Nutztiere zu therapeutischen Zwecken von 17 b-Östradiol, Testosteron und Progesteron oder von Derivaten dieser Stoffe, die nach der Resorption an der Vergleichungsstelle durch Hydrolyse leicht wieder in die Ausgangsverbindung zurückgeführt werden. 42 Dritte Begründungserwägung der Richtlinie 96/22/EG: „Bestimmte Stoffe mit thyreostatischer, östrogener, androgener oder gestagener Wirkung können aufgrund der Rückstände, die sie in Fleisch und anderen Lebensmitteln tierischen Ursprungs hinterlassen, die Gesundheit des Verbrauchers gefährden und die Qualität von Lebensmitteln tierischen Ursprungs beeinträchtigen.“ 43 Achte Begründungserwägung der Richtlinie 96/22/EG: „Im übrigen ist sicherzustellen, daß alle Verbraucher unter denselben Angebotsbedingungen Fleisch und aus Fleisch hergestellte Lebensmittel kaufen können und daß diese Erzeugnisse ihren Anliegen und Erwartungen soweit wie möglich gerecht werden. Angesichts der kritischen Haltung der Verbraucher können sich die Absatzmöglichkeiten für die betreffenden Erzeugnisse dadurch nur verbessern.“ 38

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

b) Wirtschaftliche und finanzielle Dimension Unter dem Importverbot für hormonbehandeltes Rindfleisch hatten insbesondere die US-amerikanischen und kanadischen Exporteure zu leiden. Um Kosten zu senken und die Produktion zu steigern, verwenden dort viele Farmer seit den fünfziger Jahren zulässigerweise traditionell Hormone bei der Viehzucht.44 Die Hormone werden von Farmern und Tierärzten hinter den Ohren der Kälber verabreicht und können durch regelmäßige Zufuhr inzwischen bis zu 21 Tage Fütterungszeit während der wichtigen Wachstumsjahre ersetzen.45 Die US-amerikanische Food and Drug Administration („FDA“) hat seit 1954 mit verschiedenen Hormonen im Bereich der Viehzucht experimentiert.46 Verschiedene Hormone haben zur Wirkung, daß ein hormonbehandeltes Tier das Marktgewicht siebzehn Tage früher oder 15 % schneller erreicht als ein unbehandeltes Tier.47 In einer Studie hat das U.S. Department of Agriculture („USDA“) herausgefunden, daß der wirtschaftliche Nutzen einer solchen Hormonbehandlung in etwa 30–80 US-$ pro Tier beträgt.48 Außerdem trägt die Hormonbehandlung nach Schätzungen der Forscher etwa 12.000 Tonnen zu dem Gesamtgewicht an verwertbarem Rindfleisch in den USA bei. Durch das Einfuhrverbot der EG für das mit einem der fünf Hormone Östradiol 17/b, Progesteron, Testosteron, Trenbolon Acetat und Zeranol behandelten Tiere wird nach Angaben dieser Studie die jährliche weltweite Fleischproduktion um 588 Millionen Pfund reduziert.49 Es wird hierin ferner hervorgehoben, daß diese Hormonbehandlung in einem freien Markt letztlich dem Verbraucher zugute komme, da dieser von der größeren Masse an Fleisch und den dadurch entstehenden niedrigeren Preisen profitiere. Die Auswirkungen des europäischen Importverbots für hormonbehandeltes Rindfleisch lassen sich exemplarisch am Beispiel der bilateralen Handelsbeziehungen zwischen USA und der Gemeinschaft belegen. 44 In den USA werden nach Angaben der National Cattlemen’s Beef Association (NCBA), dem Verband der US-Rinderfarmer, rund 90% der Rinder mit Masthormonen behandelt (zitiert aus: Greenpeace, Hormone im Tiermast, 1). 45 Castro, Time vom 16. Januar 1989, S. 44. 46 Anfänglich sogar mit dem als krebserzeugend geltenden DES, das erst in den späten siebziger Jahren verboten wurde, McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg.JIL 39 (1998), S. 99. 47 McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg. JIL 39 (1998), 100. 48 U.S. Department of Agriculture, Economic Impact of the European Economic Community’s Ban on Anabolic Implants 72, tbl. 7 (1987). 49 U.S. Department of Agriculture, Economic Impact of the European Economic Community’s Ban on Anabolic Implants (1987), xiv und xvi.

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Der Ausfall des Exportmarktes EG hat auf der einen Seite zu einem erhöhten Angebot von Fleisch in den USA, zu Preissenkungen und damit zu Einkommensverlusten bei den Landwirten und Exporteuren geführt.50 Da ein großer Anteil der amerikanischen Farmer Wachstumshormone einsetzte, erlitten sie nach Einführung des Importverbots auf dem europäischen Markt Exportausfälle im Wert von mindestens 100 Mio. US-Dollar jährlich.51 Setzt man diese Summe in das Verhältnis zu dem Gesamtvolumen der transatlantischen Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EG, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf etwa 165 Milliarden US-Dollar beliefen, so machte dieses Einfuhrverbot einen Anteil von weniger als einem Prozent des Gesamtvolumens aus.52 Auf der anderen Seite hat dieses Einfuhrverbot auch Fleisch-Importfirmen in der Gemeinschaft betroffen, die in engen Geschäftsbeziehungen mit den USA stehen. An diesem Beispiel wird die generelle Zweischneidigkeit von Handelssanktionen deutlich: Handelssanktionen treffen neben den ausländischen Staaten und ihren Unternehmern auch die Importeure ihrer Güter im eigenen Staat. Leidtragende sind außerdem diejenigen pharmazeutischen Unternehmen, welche Hormonpräparate zu Mastzwecken herstellen. Diese Unternehmen erleiden zum Teil erhebliche finanzielle Einbußen.53 c) Gesundheits- und gesellschaftspolitische Dimension Der festgestellte relativ geringe finanzielle Schaden steht im Kontrast zu der hohen Aufmerksamkeit, die dieser Konflikt in den Medien und in Kreisen von Wirtschaft und Politik genießt.54 Daraus wird ersichtlich, daß dieser 50

Meng, Hormonstreit zwischen EG und den USA im Rahmen des GATT, RIW 1989, S. 547. 51 Meng, The Hormone Conflict between the EEC and the United States within the Context of GATT, MJIL 11 (1990), S. 825 f. 52 Froman, The United States – European Community Hormone Treated Beef Conflict, Harvard Int’l L.J. 30 (1989), S. 551. Argentinien hingegen erhoffte sich von dem Importverbot der EG einen Konkurrenzvorteil. Da Argentinien nach eigenen Angaben den geringsten Verbrauch von Hormonen für Aufzuchtzwecke in der Welt hat, begrüßte es neben anderen Exportländern in Lateinamerika das Verbot (Bulletin Quotidien Europe Nr. 4665 vom 23./24.11.1987, 8). 53 Wie die dargestellte Fedesa-Entscheidung des EuGH zeigt, hat eine betroffene Gruppe bereits vergeblich versucht, dieses Hormonverbot auf dem Klageweg in Europa abzuschaffen. 54 Vgl. nur: „Keine Lösung im Streit um Rindfleischimporte“, FAZ v. 22. April 1999, S. 6; „Konflikt um behandeltes Fleisch eskaliert“, FAZ v. 5. Mai 1999, S. 17; „Strafzölle bedrohen deutsche Lebensmittelexporte“, FAZ v. 15. Mai 1999, S. 13; „Konflikt um Hormone“; Wirtschaftswoche, Nr. 23, v. 3. Juni 1999, S. 26; „Cow-

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Streit schon längst mehr war als ein bloßer Konflikt über den Rückgang von Marktanteilen. Es handelte sich hierbei um ein Politikum, das grundsätzliche Fragen transatlantischen Handels, staatlicher Souveränität, Demokratie, Gesundheitsschutz und der internationalen Welthandelsordnung berührte. Die von Europäischen Kommission und Europäischem Parlament in Auftrag gegebenen Studien konnten eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch die Verwendung hormonaler Substanzen in der Viehzucht wissenschaftlich nicht nachweisen. Dennoch hat die EG durch ihre Richtlinien die Verwendung von wachstumsfördernden Hormonen und den Import von hormonbehandeltem Fleisch verboten. Dieses Verbot gründete sich nicht auf einem wissenschaftlichen Nachweis der objektiven Gefährlichkeit für den Verbraucher. Die EG hat sich bei der Etablierung ihres Hormonregimes vielmehr von anderen Aspekten, wie ethisch-moralischen Faktoren, Ängste der Verbraucher, Umwelt- und Tierschutz, wirtschaftlich-soziale Faktoren und potentiellen Langzeitfolgen leiten lassen. Die EG nimmt bis zur endgültigen wissenschaftlichen Klärung der gesundheitsschädigenden Wirkung von hormonbehandeltem Fleisch für sich unter Anwendung einer vorsorgeorientierten Politik das Recht in Anspruch, ein Verwendungs- und Importverbot dieser Produkte verhängen zu dürfen. Hierdurch sollte das Vertrauen der Verbraucher in Fleischprodukte zurückgewonnen werden. Die ökonomische Belastung des innereuropäischen Fleischmarktes durch erneute Proteste bzw. Boykott und die damit verbundenen finanziellen Einbußen der europäischen Fleischindustrie waren demnach offensichtlich ebenfalls ein wichtiger Beweggrund für das Verbot. Entscheidend für dieses Verbot war jedoch die öffentliche Kritik der Bevölkerung in bezug auf die unsachgemäße Verwendung von Hormonen.55 Nach mehreren sogenannten „Hormonskandalen“, bei denen illegaler Handel und Mißbrauch von Hormonen in der Viehzucht bekannt wurden, hatten die Verbraucher ernsthafte Bedenken gegen den Verzehr von hormonbehandeltem Fleisch, die durch Berichte in den Medien verstärkt wurden.56 Diese Ängste rührten hauptsächlich von der mißbräuchlichen Verwendung des boys in Rage“, Die Woche v. 14. Mai 1999; „Gewinnt Amerika im Handelsstreit“, SZ v. 17. Mai 1999, S. 4; „Der EU mangelt es an Glaubwürdigkeit“, HB v. 19. Mai 1999; „Where’s the Beef?“, WSJ v. 26. April 1999, S. 13. 55 Howse, Democracy, Science and Free Trade: Risk Regulation on Trial at the World Trade Regulation, Michigan Law Review 98 (2000), S. 2344 m. w. N. 56 Zum Beispiel: „Is the Veal Real?“, Newsweek v. 13. Oktober 1980, S. 16; „Östrogen-Affäre“, Der Spiegel v. 10. November 1980, S. 130–134; „Tier-Droge auf dem Schwarzmarkt“, Der Spiegel v. 27. Oktober 1980, S. 112–126. Zu dem Mißbrauch von Wachstumshormonen in der US-Rindermast nur: „Hormone auf dem Schwarzmarkt“, Der Spiegel 1/1999; „Krank durch Fleisch“, Brigitte v. 25. Oktober 1997.

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Hormons DES in der Viehzucht her, das ein rapides Wachstum bei Rindern bewirkt. In Italien haben Mütter vermutet, daß Baby-Nahrung, die hormonbehandeltes Rindfleisch enthielt, bei ihren Kindern Brustwachstum und Menstruation verursachte, ohne daß diese Folge wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte.57 Zudem hielten die Verbraucher die Verwendung von Wachstumshormonen für unnatürlich und unethisch.58 Darüber hinaus blieben Zweifel im Hinblick auf Langzeitfolgen der Anwendung von wachstumsfördernden hormonalen Substanzen und eines potentiellen Krebsrisikos.59 Der damalige Kommissar für Landwirtschaft, Franz Fischler, stellte bezüglich der Macht der Verbraucher fest: „Consumer fears often overpower scientific arguments“.60

d) Der Hormonstreit unter dem GATT-System von 1947 Während Viehzüchter und Exporteure in den meisten größeren Exportländern (wie Australien, Neuseeland, Brasilien und Argentinien) dieses Verbot hinnahmen, sind die USA frühzeitig gegen das Einfuhrverbot für hormonbehandeltes Rindfleisch vorgegangen.61 Schon im März 1987 haben die USA diesen Konflikt unter dem GATTSystem zur Sprache gebracht.62 Nachdem die bilateralen Verhandlungen mit der EG gescheitert waren, wollten die USA unter dem GATT eine technische Sachverständigengruppe einberufen, um die wissenschaftliche Grund57

„A Short History of Hormones“, Economist vom 7. Januar 1989, S. 22. Southey, „Hormones Fuel a Meaty EU Row“, FT vom 7. September 1995, S. 2. 59 Sierra Club Legal Defence Fund, Comments on Behalf of Cancer Prevention Coalition. Public Citizen, and Institute for Trade and Agricultural Policy vom 4. Oktober 1996, S. 3 f. 60 Fischler, „New Politics and Global Trade, Address Before the World Meat Congress“ in: Commission of the European Communities, Press Release vom 2. Juni 1995, S. 103. 61 Zur Vorgeschichte des Hormonstreits im einzelnen: Meng, The Hormone Conflict between the EEC and the United States within the Context of GATT, MJIL 11 (1990), S. 819 ff.; Jackson, World Trade and Environment Policies, Washington and Lee Law Review 19 (1992), S. 1227 ff.; Barceló, Product Standards to Protect the Local Environment – the GATT and the Uruguay Round Sanitary and Phytosanitary Agreement, Cornell ILJ 27 (1994), S. 755 ff.; Carter, Selling Science Under the SPS Agreement: Accomodating Consumer Preference in the Growth Hormones Controversy, Minn. J. Global Trade 6/7 (1997/1998), S. 626 ff.; Froman, The United States – European Community Hormone Treated Beef Conflict, Harvard Int’l L. J. 30 (1989), S. 549 f. 62 Quick/Blüthner, Has the Appellate Body erred? An Appraisal and Criticism of the Ruling in the WTO Hormones Case, JIEL 2 (1999), S. 606 m. w. N. 58

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

lage dieses Importverbots beurteilen zu lassen.63 Diese Anfrage wurde damals von der EG mit der Begründung abgelehnt, daß es sich bei der Verwendung von Wachstumshormonen in der Viehzucht um Produktions- und Verarbeitungsmethoden handelt, die nicht vom Begriff der Maßnahme im TBT-Übereinkommen erfaßt werden. Daher verstößt, so die damalige Argumentation der EG, das Einfuhrverbot nicht gegen die Verpflichtungen des TBT-Übereinkommens. Der Konflikt konnte somit nicht gelöst werden.64 Im Laufe der Zeit ist der Streit eskaliert und die USA haben gegen das Importverbot Vergeltungsmaßnahmen in Form von Zöllen über 100 % auf diverse EG-Produkte, wie Tomaten, Säfte und Rindfleischprodukte eingeführt.65 Die Strafzölle gegen diese Produkte, die am 1. Januar 1989 in Kraft traten, beliefen sich auf etwa 100 Millionen US-Dollar und wurden nach section 301 des amerikanischen Trade Act von 1974 verhängt.66 Die USA wiederum verhinderten die Einberufung eines von der EG beantragten Panels mit Hilfe des damals geltenden Konsensprinzips, um diese Vergeltungsmaßnahmen zu überprüfen. Im Februar des Jahres 1989 haben die USA und die EG dann eine Übergangslösung ausgehandelt, worin teilweise der Rindfleisch-Export von den USA in die EG wieder aufgenommen wurde, nachdem die USA ihrerseits die Strafzölle reduziert hatten.67 Der schwelende Konflikt über das Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Fleisch in die EG hatte besondere Brisanz, als es im Vorfeld der Uruguay-Runde um wesentliche Fragen des GATT-Systems ging. Er entwikkelte sich in einer Zeit, in der das Funktionieren des GATT grundsätzlich in Frage gestellt wurde und die Zukunft dieses internationalen Handelssystems offen war. Dieser Streit ist im Kontext mit dieser bevorstehenden Handelsrunde des GATT und dem Bemühen der EG um einen gemeinsamen Binnenmarkt im Jahre 1992 zu sehen.68 Der Konflikt war einerseits ein Indiz dafür, daß das GATT einer Reform bedurfte, zugleich war er auch 63 Minutes of the Meeting Held on 23 July and 28 July 1987, GATT Doc. TBT/ MSpec/7 (Oct. 7 1987). 64 Non-Applicability of the Code to Processes and Production Methods and Application of Article 14.25, GATT Doc. TBT/Spec/21 (24. Juli 1987). 65 Presidential Proclamation No. 5759 vom 24. Dezember 1987, 52 Fed. Reg. 49, 131 (1987); Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 381. 66 19 U.S.C. § 2411 (1998), Carter, Selling Science Under the SPS Agreement: Accomodating Consumer Preference in the Growth Hormones Controversy, Minn. J. Global Trade 6/7 (1997/1998), S. 628. 67 USDA, Ambassador Hills and Secretary Yeutter Announce Progress on Hormones Dispute, News Release No. 544-89 (3. Mai 1989). 68 Froman, The United States – European Community Hormone Treated Beef Conflict, Harvard Int’l L. J. 30 (1989), S. 551 ff.

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ein Hindernis für die notwendige Reform des GATT-Systems. Ein Vertreter der USA sagte am 19. Februar 1989, nachdem für diesen Konflikt eine Übergangslösung gefunden wurde: „We [the United States and the EC] both agreed that the Uruguay Round was too important to be sidetracked by hormones in beef“.69

3. Die neue Welthandelsordnung nach Abschluß der Uruguay-Runde Nachdem durch den ungelösten Hormonstreit die Schwächen des GATTSystems offensichtlich wurden, haben die Verhandlungsparteien in der Uruguay-Runde Regelungen ausgehandelt, mit denen sichergestellt werden sollte, daß solche Konflikte künftig rechtsförmig kontrolliert und zu einer Lösung gebracht werden können. Hierzu wurden insbesondere drei wichtige Neuerungen eingeführt: (1) Erstens wurden alle Parteien Mitglieder eines einheitlichen integrierten Regelungssystems der WTO, in dem zum Beispiel das plurilaterale TBT-Übereinkommen („Agreement on Technical Barriers to Trade“) in ein multilaterales Abkommen umgewandelt wurde und so alle Mitglieder verpflichtete, seine Regelungen zu beachten. Zusätzlich wurde das TBT-Übereinkommen revidiert und sein Anwendungsbereich erweitert. (2) Zweitens wurden neue Regelungen zum Streitschlichtungsverfahren („Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes“) vereinbart, die es einzelnen Mitgliedern zukünftig unmöglich machen sollten, das Verfahren vor den Streitbeilegungsorganen der WTO unilateral zu blockieren. (3) Drittens wurde das SPS-Übereinkommen („Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures“) abgeschlossen, das den Mitgliedern speziell für die SPS-Maßnahmen als nichttarifäre Handelshemmnisse besondere Pflichten auferlegt. a) Schaffung der WTO Als sich im September 1986 die Verhandlungsparteien in Punta del Este in Uruguay trafen, wurde eine Deklaration entworfen (sog. „Punta del Este Deklaration“ 70), welche die Uruguay-Runde einleitete, die letztlich zum 69

N.Y. Times vom 20. Februar 1989, D3, col. 5. Ministerial Declarations on the Uruguay Round: Declaration of 20 September 1986, GATT B.I.S.D. (22rd Supp.) (1987), S. 19. 70

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Abschluß des WTO-Abkommens führte.71 In der Punta del Este Deklaration, die die übergeordneten Ziele wie weitere Liberalisierung des Welthandels und Stärkung der Regelungen und Überwachung des GATT festlegte, wurde als ein Ziel der Verhandlungen beschrieben, Regelungen zu schaffen, die nachteilige Effekte durch gesundheits- und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen für den internationalen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten minimieren sollten.72 Mit dem Abschluß der über siebenjährigen komplexen Verhandlungen der Uruguay-Runde am 15. Dezember 1993 in Genf und der Unterzeichung der Schlußakte am 15. April 1994 in Marrakesch (Marokko) entstand eine neue Welthandelsordnung.73 Diese neue Welthandelsordnung ist die Fortschreibung des GATT 1947, ergänzt und ausgeweitet durch die Verhandlungsergebnisse der Uruguay-Runde von 1986 bis 1993. Die fast fünfzigjährige GATT-Institution wurde hiermit in die neu geschaffene Welthandelsorganisation überführt.74 Die Verträge traten zum 1. Januar 1995 in Kraft.75 In der Uruguay-Runde wurde die Welthandelsordnung über den Güterhandel auf die grenzüberschreitenden Dienstleistungen („General Agreement on Trade in Services“: GATS) und den Schutz der geistigen Eigentumsrechte („Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights“: TRIPS) ausgedehnt und institutionell in die übergeordnete WTO eingebettet. Zudem wurde das bisherige GATT 1947 als GATT 1994 in das Übereinkommen zur Errichtung der WTO eingegliedert.76 Mit der UruguayRunde konnten vor allem zwei Ziele erreicht werden: Erstens das Zusammenfassen, Aufeinanderabstimmen und Verbindlicherklären der vielen bis dahin nebeneinander bestehenden Einzelverträge („Balkanisierung“) und 71 Zu den Ursprüngen der Uruguay-Runde ausführlich: Stoll, Die WTO: Neue Welthandelsorganisation, neue Welthandelsordnung. Ergebnisse der Uruguay Runde des GATT, ZaöRV 54 (1994), S. 245 ff. 72 Ministerial Declarations on the Uruguay Round: Declaration of 20 September 1986, GATT B.I.S.D. (22rd Supp.) (1987), S. 24 und 40. 73 Die „Schlußakte über die Ergebnisse der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde“ wurde unterzeichnet von 111 Staaten und der EG, als einziges selbständiges nicht-staatliches Mitglied. Dies hat historische Gründe, da die EG bereits Vertragspartei des GATT 1947 war. 74 Für Einzelheiten des Verfahrens, der Zeichnung, Annahme und Inkraftsetzung: Senti, WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung, Rdn. 54; Dolzer, Wirtschaft und Kultur im Völkerrecht, in: Vizthum, Völkerrecht, Rdn. 63 ff. 75 Nachdem über 80 Unterzeichner, darunter die Bundesrepublik Deutschland („Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation und zur Änderung anderer Gesetze vom 30.8.1994“, BGBl. II 1994, 1438), die EG, die USA und Japan die Schlußakte ratifiziert haben. 76 Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), ILM 33 (1994), S. 1125; deutsche Fassung: BGBl. II 1994, 1625 (im folgenden: „WTO“ oder „WTO-Übereinkommen“).

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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zweitens die Schaffung einer gemeinsamen Organisation mit einem einheitlichen Streitbeilegungssystem. Die WTO genießt als Internationale Organisation den Status eines Völkerrechtssubjekts. Aufgabe der WTO ist es, einen organisatorischen Rahmen für die Umsetzung der Vertragsverpflichtungen zu liefern und die Mitglieder organisatorisch und personell zu unterstützen. Die WTO stellt zudem eine Plattform für weitere Verhandlungen zwischen den Mitgliedern dar und verfügt über ein wirksames Streitschlichtungsverfahren. Oberstes Organ der WTO ist die Ministerkonferenz („Ministerial Conference“), die zu ordentlichen Sitzungen alle zwei Jahre einberufen wird. Sie ist als politisches Leitorgan mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet und besteht aus den Vertretern aller Mitgliedstaaten.77 Der Allgemeine Rat („General Council“) als zentrales operatives Organ der WTO besteht ebenfalls aus Vertretern aller Mitglieder und übernimmt die Aufgaben der Ministerkonferenz zwischen ihren Sitzungen. Er gibt sich eine eigene Geschäftsordnung und tritt zusammen, wann immer dies zweckdienlich ist.78 Der Aufsicht des Allgemeinen Rates unterstehend sind spezielle nachgeordnete Hauptorgane der drei die WTO-Rechtsordnung materiell tragenden Übereinkommen über den Warenhandel (GATT), über Dienstleistungen (GATS) und über Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS). Wie bei jeder internationalen Organisation wurde durch das WTO-Übereinkommen ein Sekretariat der Organisation geschaffen, das unter Leitung eines von der Ministerkonferenz zu bestimmenden Generalsekretärs („Director-General“) steht.79 Der umfassende Rahmencharakter der WTO kommt darin zum Ausdruck, daß die Übereinkommen und die dazugehörigen Rechtsinstrumente, die in den Anlagen 1, 2 und 3 enthalten sind („multilaterale Handelsübereinkommen“) Bestandteile des WTO-Übereinkommens und für alle Mitglieder verbindlich sind.80 Einbezogen werden auch die in Anlage 4 enthaltenen „plurilateralen Handelsübereinkommen“, die allerdings nur für diejenigen Mitglieder verbindlich sind, die sie angenommen haben.81 Insgesamt werden die 30 Übereinkommen der Uruguay-Runde und die ca. 200 früheren im Rahmen des GATT getroffenen Übereinkommen in das WTO-Übereinkommen integriert.82 77

Art. IV Abs. 1 WTO. Art. IV Abs. 2 WTO. 79 Art. VI WTO. Seit dem 1. September 1999 nimmt der Neuseeländer Mike Moore diese Aufgabe wahr, dessen Amtszeit bis zum 31. August 2002 lief. Anschließend übernahm Supachai Panitchpakdi aus Thailand das Amt und wird dieses bis zum 31. August 2005 ausüben. 80 Art. II Abs. 2 WTO. 81 Art. II Abs. 3 WTO. 78

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

b) Das neue Streitbeilegungsverfahren In der Uruguay-Runde wurde insbesondere die überaus wichtige Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (nachfolgend: „DSU“)83 ausgehandelt. Dieser Streitbeilegungsmechanismus wird inzwischen – zu Recht – als Kernstück der WTO gesehen.84 Fundamentale Prinzipien des DSU sind die Schaffung von Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem und die sofortige Klärung streitiger Situationen zur Erhaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Rechten und Pflichten der Mitglieder.85 Durch Auferlegung eines – nicht zwingenden – Zeitplans soll ein Streitbeilegungsverfahren einschließlich Berufung nicht länger als 12–15 Monate dauern. Starke Betonung erhalten die gegenseitigen Konsultationen der beteiligten Mitglieder im Vorfeld und in jeder Phase des Verfahrens, so daß ein Großteil der Streitigkeiten „außergerichtlich“ beigelegt werden kann.86 aa) Der Ablauf des Streitbeilegungsverfahrens im Überblick Das Streitbeilegungsverfahren beginnt im Vorfeld mit gegenseitigen Konsultationen, Vermittlung oder Mediation. Führen diese zu keinem Erfolg, so kann zur Streitschlichtung die Einsetzung eines Panels beantragt werden.87 Dieses Panel wird von dem Dispute Settlement Body („DSB“) eingesetzt.88 Das DSB selbst entspricht in seiner Zusammensetzung dem Allgemeinen Rat der WTO, besteht also aus Vertretern aller Mitglieder, hier in ihrer Funktion als Organ der Streitbeilegung.89 Das Panel setzt sich grundsätzlich aus drei Mitgliedern zusammen,90 die nach dem Verfahren des Art. 8 DSU 82 Petersmann, The Dispute Settlement System of the World Trade Organisation and the Evolution of the GATT Dispute Settlement System since 1948, CMLR 31 (1994), S. 1161. 83 „Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes“ (ABlEG Nr. L 336, v. 23. Dezember 1994, 234), beigefügt als Anhang 2 zu dieser Arbeit. 84 Hierzu nur: Schroeder/Schonard, Die Effektivität des WTO-Streitbeilegungssystems, RIW 2001, S. 658 m. w. N.; Hohmann, Die WTO-Streitbeilegung im Jahr 2000, RIW 2001, S. 649 m. w. N.; Reinisch, Der Streit um das Forum – oder: Was gehört eigentlich vor die WTO-Panels?, RIW 2002, S. 449 f. 85 Art. 3 Abs. 2 und 3 DSU. 86 Dörmer, Streitbeilegung und neue Entwicklungen im Rahmen von TRIPS: eine Zwischenbilanz nach vier Jahren, GRUR Int. 1998, S. 921. 87 Art. 6 DSU. 88 Art. 2 DSU. 89 Art. IV Abs. 2 WTO. 90 Art. 8 Abs. 5 DSU.

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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ausgewählt werden. Dem Antrag eines Mitglieds auf Einsetzung eines Panels muß spätestens auf der nächsten DSB-Sitzung Folge geleistet werden, sofern nicht das DSB durch Konsens die Nichteinsetzung beschließt.91 Das Panel leitet das Verfahren ein und untersucht alle von den Beteiligten vorgebrachten Argumente, wobei es hinsichtlich Prüfungsumfang und -gegenstand („Mandat“) an diejenigen Vorschriften aller unter das DSU fallenden Übereinkommen92 gebunden ist, auf die sich die Streitparteien beziehen.93 Es entscheidet durch einen Report („Panelbericht“). Der endgültige Panelbericht wird an alle Mitglieder verteilt und danach innerhalb von 60, nicht aber vor Ablauf von 20 Tagen durch den DSB zur Annahme vorgesehen.94 Die Ablehnung einer Panelentscheidung wird durch ein Konsensprinzip erschwert, wonach ein Panelbericht schon dann als angenommen gilt, wenn der DSB die Annahme nicht einstimmig ablehnt (umgekehrtes Konsensprinzip). Durch diese Neuerung sind die Panels nun von der Pflicht befreit, den Interessen aller Parteien gerecht zu werden und können ihre Berichte auf die Klärung der streitentscheidenden rechtlichen Fragestellungen konzentrieren.95 Der Panelbericht ist auch dann nicht angenommen, wenn eine Streitpartei förmlich ihre Entscheidung anzeigt, Rechtsmittel einzulegen.96 Legt eine Streitpartei Rechtsmittel ein, so wird die Angelegenheit dem ständigen Berufungsgremium („Appellate Body“) vorgelegt, das ebenfalls vom DSB eingesetzt wird.97 Dieses Gremium besteht aus sieben Personen, von denen drei sich jeweils mit einem Fall befassen.98 Das Berufungsgremium ist eine reine Rechtsinstanz, das heißt das Rechtsmittel beschränkt sich auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung durch das Panel.99 Es hat weitreichende Kompetenz, die Rechtsfindung des Panels aufrechtzuerhalten, abzuändern oder aufzuheben, jedoch nicht die 91

Art. 6 Abs. 1 DSU. Diese Übereinkommen sind aufgezählt in Anhang 1 und 2 zum DSU. 93 Art. 7 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2 DSU. 94 Art. 16 Abs. 1 und Abs. 4 DSU. 95 Cameron/Gray, Principles of International Law in the WTO Dispute Settlement Body, ICLQ 50 (2001), S. 249. 96 Art. 16 Abs. 4 DSU. R. Ziegler hat die Rolle des Berufungsgremiums im WTO-System näher untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß gegen fast alle Panel-Entscheidungen Rechtsmittel eingelegt werden; Ziegler, Scope and Function of the WTO Appellate System, Max Planck UNYB 3 (1999), S. 440 ff. (466). 97 Hierzu ausführlich Ziegler, Scope and Function of the WTO Appellate System, Max Planck UNYB 3 (1999), S. 439 ff.; Vermulst, The functioning of the Appellate Body after four years: towards rule integrity, JWT 33 (1999), S. 1 ff. 98 Art. 17 Abs. 1 DSU. 99 Art. 17 Abs. 6 DSU. 92

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Möglichkeit der Zurückverweisung an das Panel. Es hat sich in der Praxis gezeigt, daß in fast allen Berufungsberichten die Panelentscheidungen abgeändert werden.100 Der Bericht des Berufungsgremiums wird vom DSB angenommen, sofern das DSB nicht im Konsens beschließt, diesen Bericht nicht anzunehmen.101 Kommt ein Panel oder das Berufungsgremium zu dem Ergebnis, daß eine Maßnahme mit einem unter das DSU fallenden Übereinkommen unvereinbar ist, so empfiehlt es, daß das betreffende Mitglied („Partei“) die Maßnahme mit dem Übereinkommen in Einklang bringt. Es kann zugleich eine Empfehlung aussprechen, wie dieser Verstoß zu beheben ist.102 Die Parteien sind zur umgehenden Beachtung der Entscheidung verpflichtet.103 Für die Umsetzung wird dem betreffenden Mitglied ein angemessener Zeitraum eingeräumt, wobei dieser Zeitraum auch durch eine gemeinsame Vereinbarung der Streitparteien festgelegt werden kann.104 Wenn die Umsetzungsfrist nicht eingehalten wird, können unter den Voraussetzungen des Art. 22 DSU die Streitparteien eine Entschädigung vereinbaren oder das DSB die Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen Pflichten beschließen (regelmäßig in Form sogenannter „Strafzölle“).105 Die angenommenen Berichte des Panels oder des Berufungsgremiums entfalten eine Bindungswirkung nur zwischen den Streitparteien des Verfahrens, sie haben keine erga omnes-Wirkung.106 Dadurch werden die Entscheidungen keine Präzedenzfälle bilden, da die „stare decisis“-Doktrin (Grundsatz der bindenden Kraft der Präjudizien) auf WTO-Entscheidungen nicht anwendbar ist, obwohl die Entscheidungsträger bei der formellen Streitbeilegung Präzedenzfälle oft bis ins Detail hin erwähnen.107 Dadurch, daß die Spruchkörper – trotz Fehlens einer entsprechenden Vorschrift im DSU – immer wieder auf frühere Entscheidungen des WTO-Rechts zurückgreifen,108 entwickelt sich jedoch ein stets wachsendes Fallrecht, das in fol100 Ziegler, Scope and Function of the WTO Appellate System, Max Planck UNYB 3 (1999), S. 467 f. 101 Art. 17 Abs. 14 DSU. 102 Art. 19 Abs. 1 DSU. 103 Art. 21 Abs. 1 DSU. 104 Art. 21 Abs. 3 b) DSU. 105 Dieses Verfahren zur Umsetzung der Entscheidung wird ausführlich am Beispiel des Hormonstreits behandelt, siehe B.III.1.b). 106 Art. 17 Abs. 14 DSU. 107 Jackson, The World Trading System: Law and Policy of International Economic Relations, S. 88 ff.; Cameron/Gray, Principles of International Law in the WTO Dispute Settlement Body, ICLQ 50 (2001), S. 252 und 297. 108 Beispielhaft: Japan – Measures Affecting Agricultural Products, WT/DS76/ AB/R, Berufungsbericht vom 22. Februar 1999, in dem das Berufungsgremium bei

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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genden Verfahren als Orientierungsquelle dienen kann und so Rechtssicherheit und Kontinuität herstellt.109 Seit Inkrafttreten des neuen WTO-Systems im Januar 1995 wurden bis April 2002 knapp 250 Konflikte vor dem DSB angestrengt.110 Diese Zahl steht in scharfem Kontrast zu der relativ geringen Anzahl an Verfahren, die unter dem System von GATT 1947 geführt worden sind.111 An dieser Entwicklung wird ersichtlich, daß mit der Erweiterung des internationalen Handelsregimes der WTO durch die Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane ein klarer und besser verständlicher Rechtsrahmen für internationale Handelsbeziehungen zur Verfügung steht, der zunehmend intensiver genutzt wird.112 bb) Anwendbares Recht in Streitbeilegungsverfahren Nach Art. 3 Abs. 2 DSU erkennen die Mitglieder an, daß das Streitbeilegungssystem dazu dient, „die Rechte und Pflichten der Mitglieder aus den unter diese Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu bewahren und die geltenden Bestimmungen dieser Übereinkommen mit den herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts zu klären.“ seinen Ausführungen zur Beweislast audrücklich auf seine früheren Entscheidungen United States – Measures Affecting Imports of Woven Shirts and Blouses from India, WT/DS33TAB/R, Berufungsbericht vom 23. Mai 1997 (im folgenden: „United States – Shirts and Blouses“) sowie EC – Hormones zurückgreift (Japan – Agricultural Products, Paras. 121 und 122). 109 In diesem Sinne: v. Bogdandy, Verfassungsrechtliche Dimension der Welthandelsorganisation, KJ 2001, S. 274 f. Die Bedeutung dieser Entscheidungen wird teilweise mit der Bedeutung der Rechtsprechung des EuGH für das Europarecht verglichen, so z. B. Dörmer, Streitbeilegung und neue Entwicklungen im Rahmen von TRIPS: eine Zwischenbilanz nach vier Jahren, GRUR Int. 1998, S. 930. 110 Einen Überblick über die Streitbeilegungsverfahren ist im Internet allgemein zugänglich abrufbar, unter http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/dispu_e. htm. 111 Von 1991–1994 wurden 36 Beschwerden eingereicht, von denen 12 zu Panelberichten geführt haben und nur 4 vom DSB angenommen wurden. In den 80er Jahren hat es 115 Beschwerden gegeben, von denen 47 in Panelberichten entschieden wurden. Während der 70er Jahre wurden lediglich 32 Beschwerden eingereicht, von denen 16 zu Panelberichten geführt haben (weiterführend hierzu: Hudec, Enforcing International Trade Law: The Evolution of the Modern GATT Legal System, S. 4 ff.; Steger/Hainsworth, New Directions in International Trade Law: WTO Dispute Settlement, in: Cameron/Campbell, „Dispute Settlement in the World Trade Organisation“, S. 112 ff.). 112 So im Ergebnis auch Hohmann, Die WTO-Streitbeilegung im Jahr 2000, RIW 2001, S. 649; Hudec, The New Dispute Settlement Procedure: An Overview of the First Three Years, Minn. J. Global Trade 8 (1999) S. 2 ff.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Es stellt sich die Frage, welches Recht in den WTO-Verfahren anwendbar ist und anhand welcher Maßstäbe die einzelnen Bestimmungen der Verträge auszulegen sind. Möglicherweise ist neben den unter das DSU fallenden Übereinkommen in Streitbeilegungsverfahren auch allgemeines Völkerrecht anwendbar. In Art. 3 Abs. 2 DSU wird ausdrücklich auf das allgemeine Völkerrecht bezug genommen, wenn auch nur auf die allgemeinen Auslegungsregeln. Die WTO-Streitschlichtungsorgane haben folglich in verschiedenen Verfahren zur Auslegung des SPS-Übereinkommens und anderer WTO-Abkommen gemäß Art. 3 Abs. 2 DSU-Vorschriften des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens („WVK“)113 angewendet.114 Untersucht man die bisherigen WTO-Verfahren, so wird deutlich, daß von den WTO-Streitschlichtungsorganen neben diesen allgemeinen Auslegungsregeln auch weitere Aspekte des Völkergewohnheitsrechts und allgemeine Rechtsgrundsätze zur Entscheidungsfindung herangezogen wurden.115 Hierunter fallen Grundsätze zur Beweislastverteilung, der Verfahrensökonomie und des fairen Verfahrens. Zudem wurden Aspekte der Staatenverantwortlichkeit von den Panels herangezogen.116 Im Hormonstreit hat das Panel das Recht auf Vorsorge als relevant erachtet und in die Auslegung des SPS-Übereinkommens mit einbezogen.117 Zurückhaltender verhalten sich die Streitschlichtungsorgane mit der Anwendung von sonstigen völkerrechtlichen Verträgen.118 113

Abgeschlossen am 23. Mai 1969 in Wien, 1155 UNTS 331; ILM 8 (1969), S. 679 ff. (deutsche Fassung: BGBl. II 1985, 926). Zu den Schwierigkeiten des internationalen Kodifikationsprozesses anhand der Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen vom 21. März 1986, vgl. ausführlich: Bothe, Die Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen, NJW 1991, S. 2169 ff. (2174). 114 So z. B. Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, Berufungsbericht vom 1. November 1996, WT/DS8/AB/R, Paras. 10–12; United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, Berufungsbericht vom 20. Mai 1996, WT/ DS2/AB/R, Paras. 16 f.; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Paras. 8.28 und 8.38; Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 126 ff. 115 Cameron/Gray, Principles of International Law in the WTO Dispute Settlement Body, ICLQ 50 (2001), S. 276 ff.; Pauwelyn, The Role of Public International Law in the WTO: How far can we go?, AJIL 95 (2001), S. 535 ff. (552); in diesen instruktiven Studien wurden die Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane ausführlich hinsichtlich der Anwendung von allgemeinem Völkerrecht untersucht. 116 Hierbei insbesondere die Zurechnungsregeln: Cameron/Gray, Principles of International Law in the WTO Dispute Settlement Body, ICLQ 50 (2001), S. 292 f. 117 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.160.

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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In WTO-Streitbeilegungsverfahren ist demnach neben den Verträgen die ausdrücklich unter das DSU fallen auch allgemeines Völkerrecht im Sinne des Art. 38 IGH-Statut, wie Völkergewohnheitsrecht oder allgemeine Rechtsgrundsätze anwendbar.119 Darüber hinaus ist die WTO als internationale Organisation nach der ständigen Rechtsprechung des IGH Völkerrechtssubjekt und als solches an die Bestimmungen des allgemeinen Völkerrechts gebunden.120 Der Umfang völkerrechtlicher Rechte und Pflichten bestimmt sich – abgesehen vom zwingenden Völkerrecht – nach dem Statut der internationalen Organisationen und dem Willen ihrer Gründer.121 Aus diesen Ausführungen lassen sich folgende Ergebnisse herleiten: (1) Erstens wird deutlich, daß das WTO-Regelwerk einschließlich des SPSÜbereinkommens kein „self-contained regime“ ist. Das multilaterale WTO-System ist kein abgeschlossenes System, das unabhängig von allgemeinen Völkerrechtsregeln existieren kann. Vielmehr werden die Verträge des WTO-Systems in das System des Völkerrechts integriert.122 Hieraus folgt, daß die WTO-Abkommen selbst nicht statisch sind, sondern dynamisches Recht darstellen.123 (2) Zweitens erfolgt die Auslegung der WTO-Verträge in Übereinstimmung mit allgemeinem Völkerrecht.124 Völkerrechtliche Entwicklungen fließen daher über das Wiener Vertragsrechtsübereinkommen in die 118

Cameron/Gray, Principles of International Law in the WTO Dispute Settlement Body, ICLQ 50 (2001), 263 ff.; In dem Verfahren United-States – Import Prohibition on Certain Shrimp and Shrimp Products hat das Berufungsgremium zur Auslegung die Präambel des WTO-Übereinkommens und allgemeines Umweltvölkerrecht herangezogen (WT/DS58/AB/R, Berufungsbericht vom 12. Oktober 1998, insbesondere Para. 129). Das Verhältnis von den WTO-Verträgen zu sonstigen völkerrechtlichen Abkommen konnte noch nicht abschließend geklärt werden und bietet ausreichend Stoff für zukünftige wissenschaftliche Studien. 119 So im Ergebnis auch: Palmeter/Mavroidis, The WTO Legal System: Sources of Law, AJIL 92 (1998), S. 398 und Pauwelyn, The Role of Public International Law in the WTO: How far can we go?, AJIL 95 (2001), S. 535 ff. (577). 120 Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt, ICJ Reports 1980, S. 73 und 89 f. 121 Reparations for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, S. 174, 179 f. 122 Vgl. auch Howse, Democracy, Science and Free Trade, Michigan Law Review 98 (2000), S. 2339. 123 In diesem Sinne auch: Pauwelyn, The Role of Public International Law in the WTO: How far can we go?, AJIL 95 (2001), S. 577. 124 Hierzu zuletzt: European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, WT/DS135/AB/R, Berufungsbericht vom 12. März 2001 (im folgenden: EC – Asbestos), Para. 114.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Auslegung der WTO-Verträge mit ein.125 Dies wiederum kann zu mehr Rechtssicherheit in WTO-Verfahren führen. Da sich die allgemeinen Rechtsgrundsätze häufig auf dem Gedanken der Gerechtigkeit und Moral gründen, ist es für ein legitimes Rechtssystem im eigenen Interesse auch erforderlich diese Grundsätze anzuwenden, um so mehr Akzeptanz für das Streitschlichtungsverfahren bei den WTO-Mitgliedern zu schaffen.126 (3) Drittens tragen die Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane durch die Einbeziehung des allgemeinen Völkerrechts in das WTO-Streitschlichtungsverfahren auch dazu bei, das Völkerrecht selbst weiterzuentwickeln.127 Vom Völkerrecht profitiert demnach nicht einseitig das WTO-System, sondern es handelt sich bei dem Verhältnis zwischen allgemeinem Völkerrecht und WTO-Recht um einen gegenseitigen, bereichernden und fruchtbaren Prozeß.128 c) Abschluß des SPS-Übereinkommens Obwohl durch diese gravierenden Änderungen im ursprünglichen GATTSystem einige Schwächen behoben werden konnten, wuchs während der Vorbereitungen zur Uruguay-Runde die Unterstützung für die Ausarbeitung eines separaten Abkommens zur Regelung von Maßnahmen zum Gesundheits- und Umweltschutz. Als ausschlaggebender Faktor für die Motivation der Verhandlungsparteien, ein solches separates Regelungswerk zu schaffen, wird der Hormonstreit gesehen.129 Die Entwicklung des SPS-Übereinkommens geht schon auf das Jahr 1974 zurück, in dem GATT-Mitglieder klare Regeln für die Überprüfung von handelsbeschränkenden SPS-Maßnahmen gefordert hatten.130 125 Hilf, Power, Rules and Principles – Which Orientation for WTO/GATT Law?, JIEL 4 (2001), S. 112 ff. 126 Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 17. 127 So im Ergebnis auch: Cameron/Gray, Principles of International Law in the WTO Dispute Settlement Body, ICLQ 50 (2001), S. 297. 128 Pauwelyn, Joost, The Role of Public International Law in the WTO: How far can we go?, AJIL 95 (2001), S. 578. 129 So beispielsweise: Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 824 f, Stanton, Implications of the WTO-Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, in: Orden/Roberts, „Understanding Technical Barriers to Agricultural Trade“, S. 75; zur neuen Uruguay-Runde im Konflikt mit US-amerikanischer Gesetzgebung: Cromer, Sanitary And Phytosanitary Measures: What They Could Mean for Health and Safety Regulations Under GATT, Harvard Int’l L. J. 36 (1995), S. 561 ff. 130 Knapper Überblick über die Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens: Summary Report on the SPS Risk Analysis Workshop vom 3. November 2000, G/SPS/GEN/209, Paras. 6–10.

I. Entstehungsgeschichte des SPS-Übereinkommens

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Im Vorfeld der Verhandlungen zum SPS-Übereinkommen befürchteten einige Staaten, die größere Mengen landwirtschaftlicher Produkte exportieren, daß ein solches Abkommen den importierenden Staaten eine zu weite Möglichkeit zubilligt, SPS-Maßnahmen zu erlassen, unabhängig davon, wie wahrscheinlich eine Gefahr für Gesundheit oder Umwelt tatsächlich ist. Andererseits gaben Umwelt- und Verbraucherschutzgruppen zu bedenken, daß die Anforderungen an die nationale Einführung von SPS-Maßnahmen zu hoch sein könnten. Ihrer Ansicht nach sollte das Abkommen nicht die Möglichkeit von Staaten einschränken, nationale Standards zur Nahrungsmittelsicherheit zu erhöhen oder vorsorgliche Maßnahmen festzulegen, um die Gesundheit ihrer Bevölkerung auch in den Fällen zu schützen, in denen biologische Risiken gegenwärtig noch nicht absehbar sind.131 Hinzu kam, daß durch anstehende Verhandlungen eines Landwirtschaftsabkommens während der Uruguay-Runde die Regierungen teilweise gezwungen waren, die einheimischen Erzeuger in diesem politisch sensiblen Bereich mit Zugeständnissen im Bereich von SPS-Maßnahmen zu beschwichtigen.132 Vor dem Hintergrund dieser Interessenkonflikte wollten die Parteien ein Abkommen aushandeln, das als wichtige Neuerung unter anderem Einflüsse von nationalen Interessengruppen bei der Einführung von SPS-Maßnahmen erfolgreich eindämmen kann. Als große Herausforderung bei den Verhandlungen sollten in dem neuen Abkommen Regelungen geschaffen werden, die einerseits den Mitgliedern das Recht zugestehen, gesundheitsschützende Maßnahmen einzuführen und ihr eigenes angemessenes Schutzniveau selbst zu bestimmen. Andererseits sollte ein Instrumentarium bereitgestellt werden, das hilft, hierbei die unerwünschten Effekte eines regulatorischen Protektionismus zu vermeiden. Nachdem absehbar war, daß dieses Ziel nicht durch eine Erweiterung des TBT-Übereinkommens zu erreichen war, wurde im Jahre 1988 eine eigenständige Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Entwurfs für ein SPS-Übereinkommen gegründet. Die Verhandlungen zur Ausarbeitung eines SPSÜbereinkommens wurden hauptsächlich in der sogenannten Achter-Gruppe („SPS-Arbeitsgruppe“) geführt.133 131 Ausführlich zur Entstehung des SPS-Übereinkommens: Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreements on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 379 f., m. w. N. 132 Zur Entstehung des Landwirtschaftsübereinkommens, das die nichttarifären Handelshemmnisse regelt: Josling/Tangerman/Warley, Agriculture in the GATT, London 1996. 133 Folgende Länder arbeiteten den Entwurf hauptsächlich aus: Argentinien, Australien, Kanada, die EG, Japan, Neuseeland, Thailand und die USA. Auffällig bei dieser Aufzählung ist, daß mit den USA, Kanada, Japan, Australien und Neuseeland

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Diese SPS-Arbeitsgruppe, der Vertreter nationaler Verwaltungsbehörden, Landwirtschaftsministerien und Wirtschaftsministerien angehörten, verfaßte im April 1990 einen Vorschlag für ein Abkommen, das neue materielle und formelle Pflichten für eine große Anzahl von Gesundheits- und Umweltschutzmaßnahmen begründete. Großer Wert wurde auf die Rolle der Wissenschaft bei Einführung und Beibehaltung von SPS-Maßnahmen gelegt.134 Schließlich wurde während der Uruguay-Runde speziell für SPS-Maßnahmen das SPS-Übereinkommen geschlossen. Das SPS-Übereinkommen trat mit der Schlußakte der Uruguay-Runde am 1. Januar 1995 in Kraft und umfaßt 14 Artikel und drei Anhänge.135

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens 1. Zielsetzungen Die übergeordneten Ziele des SPS-Übereinkommens sind, die Gesundheit von Menschen und Tieren und die pflanzenschutzrechtliche Lage im Gebiet aller Mitglieder zu verbessern und nachteilige Auswirkungen nationaler Maßnahmen auf den internationalen Handel auf ein Mindestmaß zu beschränken.136 Um diese Ziele zu erreichen, sollen Schutzstandards international harmonisiert werden, indem internationale Normen, Richtlinien und Empfehlungen in das SPS-Übereinkommen miteinbezogen werden.137 Darüber hinaus sind alle SPS-Maßnahmen auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu stützen. Es heißt in einem begleitenden WTO-Dokument wörtlich: „Measures to ensure food safety and to protect the health of animals and plants should be based as far as possible on the analysis and assessment of objective and accurate scientific data.“138

die Mehrzahl dieser G8-Länder wachstumsfördernde Hormone bei der Viehzucht verwenden; Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreements on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 396. 134 Summary Report on the SPS Risk Analysis Workshop vom 3. November 2000, G/SPS/GEN/209, Para. 9. 135 Das SPS-Abkommen ist dieser Studie als Anhang 1 beigefügt. 136 Zweiter und Vierter Erwägungsgrund in der Präambel zum SPS-Übereinkommen; weiterführend zu den Zielen des SPS-Übereinkommens: McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg. JIL 39 (1989), S. 95 f. 137 So der 5. und 6. Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens. Die Frage, ob eine solche Harmonisierung zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich gewünscht ist, wird unten erörtert, siehe F.I.

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens

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Um wissenschaftliche oder technische Fragen in einem Streitbeilegungsverfahren zu klären, soll sich das Panel von Sachverständigen beraten lassen, die im Einvernehmen mit den Streitparteien ausgewählt werden.139 Die Mitglieder dürfen jedoch nicht gezwungen werden, das ihnen angemessen erscheinende Niveau des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu ändern.140 Kein Land soll daran gehindert werden „Maßnahmen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu treffen, sofern solche Maßnahmen nicht so angewendet werden, daß sie ein Mittel zur willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen die gleichen Bedingungen herrschen, oder eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels darstellen“.141

2. Anwendungsbereich a) Sachlicher Anwendungsbereich Das SPS-Übereinkommen findet Anwendung auf alle gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen („SPS-Maßnahmen“), die sich mittelbar oder unmittelbar auf den internationalen Handel auswirken können.142 Voraussetzung für die Eröffnung des Anwendungsbereiches ist somit: 1. Das Vorliegen einer Maßnahme eines Mitglieds, die 2. gesundheitspolizeilicher oder pflanzenschutzrechtlicher Art ist, und sich 3. mittelbar oder unmittelbar auf den internationalen Handel auswirken kann. aa) Maßnahme Zunächst muß es sich demnach um eine Maßnahme handeln. Der Begriff der „Maßnahme“ (engl. „measure“) als solcher ist im SPS-Übereinkommen sehr weit gefaßt. 138 Zitiert aus: WTO, Understanding the World Trade Organisation Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, abrufbar unter: www.wto.org/wto/goods/ spsund.htm. 139 Art. 11 Abs. 2 SPS. 140 6. Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens. 141 Erster Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens. 142 Art. 1 Abs. 1 SPS.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Er umfaßt „alle einschlägigen Gesetze, Erlasse, Verordnungen, Auflage und Verfahren einschließlich Kriterien in bezug auf das Endprodukt, ferner Verfahren und Produktionsmethoden, Prüf-, Inspektions-, Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahren [. . .]“.143

Der Begriff schließt zudem, abgesehen von den speziellen pflanzenschutzrechtlichen Aspekten, die „Verfahren der Probenahme und Risikobewertung sowie unmittelbar mit der Sicherheit von Nahrungsmitteln zusammenhängende Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften“144 mit ein. Hierunter fallen somit auch technische Standards, die inhaltliche Spezifikationen festlegen. Zu unterscheiden sind hierbei Standards, die sich auf Herstellungsverfahren und -methoden beziehen („processes and production methods“, sogenannte PPMs) und solchen, die sich auf die Charakteristika des Endproduktes selbst beziehen. bb) Gesundheitspolizeilicher oder pflanzenschutzrechtlicher Art Die zweite Voraussetzung, wonach die Maßnahme gesundheitspolizeilicher oder pflanzenschutzrechtlicher Art sein muß, kann im Einzelfall schwierig darzulegen sein, da sie sich nach dem Ziel der Maßnahme richtet, welches grundsätzlich der künftige Beschwerdegegner festlegt.145 Der Begriff der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen wird in Anhang A Nr. 1 SPS sehr weit definiert. So fallen darunter Maßnahmen: – „zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Tieren oder Pflanzen im Gebiet des Mitglieds vor Gefahren, die durch Einschleppung, das Auftreten oder die Verbreitung von Schädlingen, Krankheiten, krankheitsübertragenden oder krankheitsverursachenden Organismen entstehen“;146 – „zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Tieren oder Menschen im Gebiet des Mitglieds vor Gefahren, die durch Zusätze, Verunreinigungen, Toxine oder krankheitsverursachende Organismen in Nahrungsmitteln, Getränken oder Futtermitteln entstehen“;147 – „zum Schutz der Gesundheit von Menschen [. . .] vor Gefahren, die durch von Tieren, Pflanzen oder Waren daraus übertragene Krankheiten [. . .] entstehen.“148 143

Nr. 1, 2. Unterabsatz des Anhangs A zum SPS-Übereinkommen. Nr. 1, 2. Unterabsatz des Anhangs A zum SPS-Übereinkommen. 145 McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg. JIL 39 (1989), S. 113. 146 Nr. 1 a Anhang A zum SPS-Übereinkommen. 147 Nr. 1 b Anhang A zum SPS-Übereinkommen. 144

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens

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Hierbei schließt der Begriff „Verunreinigungen“ auch Rückstände von Pestiziden und Tierarzneimitteln mit ein.149 Durch diese weite Definition des Begriffs kommt klar zum Ausdruck, daß alle dem Gesundheitsschutz dienenden Maßnahmen sich rechtlich auch am Regelungswerk des SPSÜbereinkommens messen lassen müssen.150 cc) Auswirkungen auf den internationalen Handel Drittens muß sich diese SPS-Maßnahme mittelbar oder unmittelbar auf den internationalen Handel auswirken können. Bei dieser Voraussetzung handelt es sich um eine hypothetische Frage, die zu bejahen ist, wenn der Beschwerdeführer in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren darlegt, daß die Maßnahme einen negativen Effekt auf den Handel haben kann.151 b) Örtlicher Anwendungsbereich Das SPS-Übereinkommen findet nur Anwendung auf Maßnahmen im Hoheitsgebiet des Mitglieds. Diese territoriale Begrenzung geht hervor aus Ziffer 1 des Anhangs A zum SPS-Übereinkommen, das die Anwendung auf solche Schutzmaßnahmen begrenzt, die „im Gebiet des Mitglieds“ wirken. Wenn eine streitige Maßnahme zum Ziel hat, die Gesundheit oder das Leben von Menschen und Tieren außerhalb seines Territoriums zu schützen, fällt diese Maßnahme demnach nicht in den Anwendungsbereich des SPSÜbereinkommens. c) Zeitlicher Anwendungsbereich Zu untersuchen ist, inwieweit das SPS-Übereinkommen auf nationale Maßnahmen Anwendung findet, die vor Inkrafttreten des Übereinkommens (am 1. Januar 1995) erlassen worden sind.152 Diese Frage ist im SPS-Übereinkommen nicht geregelt. 148

Nr. 1 c Anhang A zum SPS-Übereinkommen. Fußnote 4 zum Anhang A zum SPS-Übereinkommen. 150 So auch Ritter, Das WTO-Übereinkommen und seine Auswirkungen auf das Deutsche und Europäische Lebensmittelrecht, EuZW 1997, S. 134. 151 So das Panel im Hormonstreit; Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.23. 152 So wurden beispielsweise die EG-Richtlinien, durch die verboten wurde, Hormone bei der Viehzucht zu verwenden und hormonell behandelte Fleischprodukte zu importieren, teilweise vor Inkrafttreten des SPS-Übereinkommens erlassen, siehe hierzu bereits B.I.2.a)bb). 149

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Die Streitschlichtungsorgane wiesen im Hormonstreit übereinstimmend153 die vorgebrachte Auffassung der EG zurück, nach der die Anwendung des SPS-Übereinkommens zeitlich auf solche Maßnahmen begrenzt sei, die nach Inkrafttreten des SPS-Übereinkommens eingeführt wurden.154 Danach ist in Übereinstimmung mit Art. 28 WVK das SPS-Übereinkommen anwendbar, da die Maßnahmen zur Begründung des Hormonverbots auch nach dem 1. Januar 1995 noch fortgelten. Art. 28 WVK besagt: „Sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, binden seine Bestimmungen eine Vertragspartei nicht in bezug auf eine Handlung oder Tatsache, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags hinsichtlich der betreffenden Vertragspartei vorgenommen wurde oder eingetreten ist, sowie in bezug auf eine Lage, die vor dem genannten Zeitpunkt zu bestehen aufgehört hat.“

Bereits in Brazil – Measures Affecting Desiccated Coconut hat das Berufungsgremium auf Basis des Art. 28 WVK entschieden: „Absent a contrary intention, a treaty cannot apply to acts or facts which took place, or situations which ceased to exist, before the date of entry into force.“155

Hieraus schloß das Berufungsgremium im Hormonstreit a contrario, daß das SPS-Übereinkommen als Vertrag grundsätzlich auch auf solche Maßnahmen anwendbar ist, die vor Inkrafttreten erlassen wurden und noch fortgelten, wenn aus dem SPS-Übereinkommen keine andere Absicht erkennbar ist.156 Aus dem SPS-Übereinkommen ergibt sich nicht, daß seine zeitliche Anwendbarkeit auf Maßnahmen beschränkt sind, die nach seinem Inkrafttreten eingeführt wurden. Das Berufungsgremium nimmt an, daß insbesondere die zentralen Bestimmungen in Art. 5 SPS auch auf Maßnahmen Anwendung finden sollen, die vor 1995 eingeführt wurden, aber zum jetzigen Zeitpunkt noch Bestand haben. Falls solche Maßnahmen von der Anwendung des SPS-Übereinkommens ausgeschlossen werden sollten, so wäre dies ausdrücklich zu formulieren gewesen.157

153 Hormonstreit USA Panelbericht, Para. 8.25; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.28. 154 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Para. 264. 155 Brazil – Measures Affecting Desiccated Coconut, angenommen am 20. März 1997, WT/DS22/AB/R, S. 15. 156 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 128. 157 In Art. 5 SPS sei jedoch nicht zwischen Maßnahmen vor dem 1. Januar 1995 und darauffolgenden Maßnahmen zu unterschieden; Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 128 ff.

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens

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d) Anmerkungen Der Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens ist außerordentlich weit gefaßt. Das SPS-Übereinkommen ist auf alle SPS-Maßnahmen im Hoheitsgebiet eines Mitglieds anwendbar, die zum Zeitpunkt des Verfahrens noch in Kraft sind, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Erlasses. Die WTO-Mitglieder sind somit gehalten, sämtliche ihrer noch in Kraft befindlichen SPS-Maßnahmen anhand der Anforderungen des SPS-Übereinkommens zu überprüfen.158 Aus dem sachlichen Anwendungsbereich ergeben sich zwei wichtige Folgerungen: Zum einen werden SPS-Maßnahmen im Hinblick auf das regulatorische Ziel hin definiert, nicht nach dem politischen Instrument selbst (im Gegensatz zu anderen WTO-Regelungen, wie zum Beispiel Zöllen).159 Folglich werden von dieser Definition verschiedene Politikinstrumente mit unterschiedlich starken Auswirkungen auf den Handel umfaßt; diese reichen vom kompletten Einfuhrverbot über Produktions- und Verarbeitungsmethoden bis hin zu Informationsmitteln wie Kennzeichnungen und Warnhinweisen (z. B. bei potentiell allergieauslösenden Stoffen). Wenn eine nationale Maßnahme mit dem Ziel eingeführt wurde, das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu schützen, so ist diese Maßnahme grundsätzlich als SPS-Maßnahme zu definieren. Zum anderen umfaßt die Definition der Pflanzen und Tiere neben der natürlichen Flora und Fauna auch kommerziell produziertes Getreide und Vieh. Das SPS-Übereinkommen regelt somit sowohl Maßnahmen zum Schutz von Handelswaren (wie Getreide und Vieh) als auch zum Schutz von Nicht-Handelswaren (wie die menschliche Gesundheit und die natürliche Umwelt), für die kein allgemeingültiger Marktpreis festlegbar ist. 3. Überblick über die grundlegenden Rechte und Pflichten der WTO-Mitglieder Der folgende Abschnitt soll zum besseren Verständnis des SPS-Übereinkommens einen knappen Überblick über die grundlegenden Rechte und Pflichten für WTO-Mitglieder geben. Im weiteren Verlauf dieser Studie werden die wichtigsten Vorschriften des SPS-Übereinkommens dann anhand der Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane im einzelnen ausgelegt.160 158 In diesem Sinne: Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three Disputes, JIEL 2 (1999), S. 645. 159 McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg. JIL 39 (1998), S. 112 f.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

a) Eigenverantwortliche Festlegung von Schutzniveaus Gemäß Art. 2 Abs. 1 SPS haben die WTO-Mitglieder das Recht, die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Mitglieder stellen sicher, daß diese Maßnahmen auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen und mit Ausnahme der vorläufigen Maßnahmen nicht ohne hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis beibehalten werden.161 Nach dem SPS-Übereinkommen ist das angemessene gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Schutzniveau „das Schutzniveau, das von dem Mitglied, welches eine gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen in seinem Gebiet trifft, für angemessen [„appropriate“] erachtet wird.“162

Das SPS-Übereinkommen betont somit an dieser Stelle das Recht jedes Mitglieds, sein angemessenes Schutzniveau eigenverantwortlich festzulegen. aa) Schutzniveau, das den internationalen Schutzstandards entspricht Die WTO-Mitglieder stützen sich bei ihren SPS-Maßnahmen auf internationale Normen, Richtlinien oder Empfehlungen.163 Maßnahmen zum Schutz des Lebens oder Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen gelten dann als notwendig, wenn sie internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen „entsprechen“.164 Die Vereinbarkeit mit den Vorschriften des SPS-Übereinkommens wird dann vermutet. Alle sich hieraus ergebenden Handelsbarrieren sind somit zulässig.165 Die „internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen“ sind ihrerseits definiert in Anhang A Nr. 3 SPS. Hinsichtlich der Nahrungsmittelsicherheit sind es gemäß Nr. 3a dieses Anhangs „die Normen, Richtlinien und Empfehlungen der Kommission des Codex Alimentarius in bezug auf Nahrungsmittelzusätze, Rückstände von Tierarzneimitteln und 160 Für einen kurzen Überblick der wichtigsten Rechte und Pflichten des SPSÜbereinkommens und deren Einführung in koreanisches Recht: Shin, An Analysis of the WTO-Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures and Its Implementation in Korea, JWT 32 (1998), S. 85 ff. 161 Art. 2 Abs. 2 SPS. 162 Ziffer 5, Anhang A zum SPS-Übereinkommen. 163 Art. 3 Abs. 1 SPS. 164 Art. 3 Abs. 2 SPS. 165 Hilf/Eggers, Die WTO-Panelberichte im EG/USA-Hormonstreit, EuZW 1997, S. 560. Hinter diesen Regelungen steht das Ziel, eine möglichst weitgehende internationale Harmonisierung der SPS-Maßnahmen zu erreichen, Art. 3 Abs. 1 SPS.

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens

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Pestiziden, Verunreinigungen, Analyse- und Probenahmemethoden sowie Verhaltenskodizes und Richtlinien für die Praxis“.

bb) Schutzniveau, das über internationale Schutzstandards hinausgeht Ein Mitglied kann jedoch auch SPS-Maßnahmen einführen oder beibehalten, die ein höheres Schutzniveau bewirken als das, welches durch Maßnahmen auf der Grundlage der einschlägigen internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen erreicht würde. Sofern ein Mitglied der WTO ein solches höheres Schutzniveau anstrebt, muß es hierfür entweder eine wissenschaftliche Begründung vorlegen oder seine Einschätzung unter Beachtung bestimmter Vorgaben für die Risikobewertung und die Festlegung nach Maßgabe des Art. 5 SPS rechtfertigen.166 Gleiches gilt, wenn (noch) keine solcher internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen existieren. (1) Wissenschaftliche Begründung Als Rechtfertigung für eine nationale Maßnahme, die ein höheres Schutzniveau bewirkt, nennt das SPS-Übereinkommen ausdrücklich die wissenschaftliche Begründung.167 Wie in einer Fußnote zu dieser Bestimmung beschrieben, liegt eine wissenschaftliche Begründung vor, „wenn ein Mitglied auf der Grundlage einer Prüfung und Bewertung verfügbarer wissenschaftlicher Angaben gemäß den einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens festlegt, daß die einschlägigen internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen nicht ausreichen, um das für angemessen erachtete Schutzniveau zu erreichen.“

Nach dieser erläuternden Formulierung ist jedoch nicht genau ersichtlich, welche Kriterien erfüllt werden müssen, um den Anforderungen der „wissenschaftlichen Begründung“ nach dem SPS-Übereinkommen zu genügen. Es läßt sich nicht entnehmen, welcher Art die wissenschaftlichen Angaben sein müssen und welche Anforderungen an das Kriterium der Verfügbarkeit gestellt werden. Zudem ist es das entsprechende Mitglied selbst, das über das für als angemessen erachtete Schutzniveau entscheidet. Es wird in dieser Erläuterung der unbestimmte Rechtsbegriff der „wissenschaftlichen Begründung“ durch andere unbestimmte Begriffe definiert.168 166

Art. 3 Abs. 3 SPS. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SPS („scientific justification“). 168 So auch Ritter, Das WTO-Übereinkommen und seine Auswirkungen auf das Deutsche und Europäische Lebensmittelrecht, EuZW 1997, S. 134. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe sind daher mit Hilfe der einschlägigen Entscheidungen der 167

62

B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

(2) Risikobewertung und Festlegung des angemessenen Schutzniveaus Mit der Risikobewertung in Art. 5 SPS wird der Versuch unternommen, objektive Bewertungskriterien und Beurteilungsmaßstäbe für die Prüfung der Angemessenheit des von einem Mitglied eigenständig festgelegten Schutzniveaus und damit für die Notwendigkeit einer SPS-Maßnahme darzustellen. Die acht Absätze des Art. 5 SPS regeln ausführlich die Risikobewertung und Festlegung des angemessenen gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Schutzniveaus.169 Die Mitglieder stellen nach Art. 5 Abs. 1 SPS sicher, daß ihre gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen auf einer Bewertung der Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen beruhen.170 Es handelt sich bei dieser Bestimmung wohl um die entscheidende Vorschrift des SPS-Übereinkommens, an deren Maßstab zu messen ist, ob eine SPS-Maßnahme als eine unzulässige, protektionistische oder eine nach WTO-Recht zulässige Maßnahme zum Gesundheitsschutz zu qualifizieren ist.171 Auf diese in Art. 5 SPS niedergelegten Risikobewertungssätze wird daher näher einzugehen sein.172 b) Verbot der Diskriminierung und verschleierten Handelsbeschränkung Art. 2 Abs. 3 SPS untersagt den Mitgliedern eine Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des internationalen Handels durch SPS-Maßnahmen. In Verbindung mit Art. 5 Abs. 5 SPS verlangt das SPS-Übereinkommen von den Mitgliedern eine konsequente Anwendung der SPS-Maßnahme. Die Mitglieder haben hierbei willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede des Schutzniveaus zu vermeiden, wenn solche Unterschiede zu Diskriminierung oder verschleierten Beschränkungen des internationalen Handels führen.173

WTO-Streitschlichtungsorgane im Verlauf dieser Studie genau zu analysieren und auszulegen. 169 Vgl. hierzu nur: Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 372. 170 In Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 SPS sind die zu berücksichtigenden Faktoren für eine solche Bewertung der Gefahren aufgeführt. 171 So auch Eggers, Die Entscheidung des WTO Appellate Body im Hormonfall, EuZW 1998, S. 150. 172 s. hierzu ausführlich C.III.1. 173 s. C.II.

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens

63

c) Verhältnismäßigkeit und wirtschaftliche Vertretbarkeit Die Art. 5 Abs. 4 und 6 SPS stellen Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von SPS-Maßnahmen.174 Gemäß Art. 5 Abs. 4 SPS haben die Mitglieder die nachteiligen Auswirkungen auf den internationalen Handel auf ein Mindestmaß zu beschränken. Nach Art. 5 Abs. 6 SPS haben die Mitglieder sicherzustellen, daß die Maßnahmen nicht handelsbeschränkender als notwendig sind, um unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit das angemessene Schutzniveau zu erreichen. Eine Maßnahme ist dann nicht handelsbeschränkender als notwendig, wenn keine andere Maßnahme unter vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur Verfügung steht, die das angemessene Schutzniveau erreicht und wesentlich weniger handelsbeschränkend ist.175 d) Vorübergehende Schutzmaßnahmen in Dringlichkeitsfällen Bedeutsam ist ebenfalls der Art. 5 Abs. 7 SPS. Nach dieser Vorschrift sind vorübergehende Schutzmaßnahmen in Dringlichkeitsfällen auch bei nicht ausreichendem wissenschaftlichem Beweismaterial zulässig.176 Die Mitglieder sind verpflichtet, innerhalb einer vertretbaren Frist eine Überprüfung der SPS-Maßnahmen nach Einholung zusätzlicher Informationen für eine „objektive Risikobewertung“ vorzunehmen.177 4. Abgrenzung zu anderen Übereinkommen des WTO-Systems a) Verhältnis von SPS- und TBT-Übereinkommen Da sich auch das in der Uruguay-Runde erneuerte TBT-Übereinkommen auf Maßnahmen zum Gesundheitsschutz beziehen kann, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit im konkreten Fall. Gemäß Art. 1 Abs. 5 TBT schließen sich die Übereinkommen gegenseitig aus.178 Danach findet das TBT-Übereinkommen auf die einschlägigen gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen keine Anwendung. Der Anwen174

s. im einzelnen unten E.I.2.b). Fußnote 3 zu Art. 5 Abs. 6 SPS. 176 s. ausführlich C.IV. 177 Das SPS-Übereinkommen macht keine Angaben darüber, wie weit diese Frist gesetzt ist, so daß diese Vorschrift genau auszulegen ist, siehe C.IV.2. 178 So auch Art. 1 Abs. 4 SPS. 175

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

dungsbereich des TBT-Übereinkommens ist daher auf alle technischen Vorschriften im lebensmittelrechtlichen Bereich oder zum Schutz der menschlichen Gesundheit beschränkt.179 Für die Abgrenzung der Anwendbarkeit des SPS-Übereinkommens oder des TBT-Übereinkommens ist das Ziel der entsprechenden Maßnahme als subjektives Kriterium entscheidend.180 So kann beispielsweise eine Maßnahme, die einen bestimmten Zusatz in einem Produkt regelt, sowohl zum Schutze der menschlichen Gesundheit (dann gilt sie als SPS-Maßnahme) als auch zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Produkts (dann gilt sie als TBT-Maßnahme) eingeführt werden. Diese feine Abgrenzung ist zwar nicht immer einfach zu ziehen, aber sie ist wichtig, da das SPS-Übereinkommen höhere Anforderungen an nationale Maßnahmen stellt als das TBT-Übereinkommen.181 Demnach werden sich die nationalen Behörden künftig sorgfältig mit dem Ziel und dem Regelungsgehalt einer einzuführenden Maßnahme auseinandersetzen müssen, damit diese nach dem jeweils einschlägigen Abkommen als WTO-konform betrachtet werden kann.182 Das TBT-Übereinkommen bleibt somit einschlägig für alle Maßnahmen zum Gesundheitsschutz, die aufgrund ihrer Zielsetzung nicht unter das SPS-Übereinkommen fallen (beispielsweise Kennzeichnungsvorschriften, Sicherheitsvorschriften oder Zulassungsregeln).183 b) Verhältnis von SPS-Übereinkommen und GATT In dem Hormonstreit hat sich das Panel detailliert zu dem Verhältnis zwischen Vorschriften des GATT und des SPS-Übereinkommens geäußert. Auf diesen Streit wären sowohl Vorschriften des GATT als auch des SPS-Übereinkommens anwendbar gewesen. Da sich an die Anwendung des jeweiligen Abkommens in verfahrensrechtlicher und materieller Hinsicht unter179 McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg. JIL 39 (1998), S. 116; in seiner früheren Form als „Standards Code“ war TBT noch in vollem Umfang auf Lebensmittel anwendbar: Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 375. 180 Landwehr, Globalisierung, Freihandel und Gesundheitsschutz, S. 145 f. m. w. N. 181 Pauwelyn, An overview of the WTO agreements on health and technical standards and their impact on communication, ZLR 2000, S. 845 f. 182 Die nationalen Behörden haben daher schon an dieser Stelle zu entscheiden, ob und wie sie beispielsweise die Einfuhr von gentechnisch behandelten Produkten einschränken oder Standards für natürliche Nahrungsmittel entwickeln wollen. 183 Zum konkreten Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens in der Auslegung durch ein Panel, siehe ausführlich B.IV.2.

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens

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schiedliche Anforderungen an die Mitglieder knüpfen, ist eine Abgrenzung erforderlich. aa) Selbständigkeit gegenüber dem GATT Zu entscheiden war die Frage, ob sich ein beschwerdeführendes Mitglied erst nach einer Darlegung einer GATT-Verletzung auf Vorschriften des SPSÜbereinkommens berufen kann; dies hatte die EG im Hormonstreit vorgetragen. Um diese Frage zu beantworten, hat das Panel Art. 31 Abs. 1 WVK angeführt, der besagt, daß ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte ihres Zieles und Zwekkes auszulegen ist. Primär sind hierfür der Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen heranzuziehen.184 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des SPS Übereinkommens ist das Vorliegen einer SPS-Maßnahme, die sich mittelbar oder unmittelbar auf den internationalen Handel auswirken kann.185 Nach Ansicht des Panels werden zusätzliche Anforderungen an die Anwendbarkeit des SPS-Übereinkommens nicht gestellt. Bei Anwendung der Auslegungsregeln des Art. 31 WVK kommt das Panel zu dem Schluß, daß es im SPS-Übereinkommen keine Anforderung gebe, nach der zunächst ein Rückgriff auf Art. XX GATT zu erfolgen hat, bevor das SPS-Übereinkommen Anwendung findet.186 Diese Auslegung verdeutlicht, daß die Vorschriften des SPS-Übereinkommens selbständig bestehen können und dessen Anwendungsbereich bewußt weit gefaßt werden soll, um möglichst viele Maßnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes der Prüfung anhand der Normen des SPS-Übereinkommens zu unterwerfen. bb) Konkurrenz zwischen SPS-Übereinkommen und Art. XX (b) GATT Art. XX (b) GATT besagt: „Unter dem Vorbehalt, daß die folgenden Maßnahmen nicht so angewendet werden, daß sie zu einer willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen gleiche Verhältnisse bestehen, oder zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen, darf keine Bestimmung dieses Abkommens so ausgelegt werden, daß sie eine Vertragspartei daran hindert, folgende [notwendigen] Maßnahmen zu beschließen oder durchzuführen: 184 185 186

Art. 31 Abs. 2 WVK. Art. 1 Abs. 1 SPS. Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.39.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

b) Maßnahmen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen.“

Das SPS-Übereinkommen ist nicht nur eine Interpretations- und Durchführungsregelung zur Rechtfertigung nach Art. XX (b) GATT, so das Panel im Hormonstreit. Vielmehr enthält es gegenüber dem GATT neue, eigenständige und speziellere Anforderungen an Handelsmaßnahmen im gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Bereich.187 Die Verpflichtungen, die das SPS-Übereinkommen den Mitgliedern auferlegt, gehen wesentlich weiter als die des Art. XX (b) GATT. Nach Auffassung des Panels im Hormonstreit ist bei SPS-Maßnahmen zunächst zu prüfen, ob Bestimmungen des SPS-Übereinkommens verletzt wurden.188 Sobald das Panel zu dem Schluß kommt, daß eine Maßnahme gegen das SPS-Übereinkommen verstößt, dann müssen die Vorschriften des GATT nicht mehr herangezogen werden. Auf der anderen Seite gilt eine SPS-Maßnahme, die nicht gegen Vorschriften des SPS-Übereinkommens verstößt als vereinbar mit den Vorschriften des GATT, insbesondere mit Art. XX (b) GATT.189 Die Vorschriften des SPS-Übereinkommens sind demnach lex specialis gegenüber denen des GATT. Das Panel begründet diese Ansicht damit, daß ein Verstoß gegen Art. III oder XI GATT niemals durch Art. XX (b) GATT gerechtfertigt sein kann, wenn zuvor eine Verletzung des SPS-Übereinkommens festgestellt wurde. Denn zur Auslegung des Art. XX (b) GATT als Rechtfertigungsvorschrift müßte wieder auf das SPS-Übereinkommen zurückgegriffen werden, gegen das ein Verstoß bereits festgestellt worden ist.190 Darüber hinaus hat das Panel die Zielrichtung von Art. XX (b) GATT und dem SPS-Übereinkommen systematisch als grundlegend verschieden eingeordnet: Art. XX (b) GATT ist danach nicht auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen beschränkt, sondern bildet eine allgemeine Ausnahmeregelung, die zur Rechtfertigung von GATT-Verletzungen vorgebracht werden kann. Dagegen beinhaltet das SPS-Übereinkommen spezielle Verpflichtungen, die bei Erlaß oder Fortgeltung von nationalen SPS-Maßnahmen zu beachten sind.191

187 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.41 und 8.43; so auch schon: Esty, Greening the GATT: Trade Environment and the Future, 50; Barcello, Product Standards to Protect the Local Environment, Cornell ILJ 27 (1994), S. 755. 188 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.45. 189 Art. 2 Abs. 4 SPS. 190 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Paras. 8.275 und 8.276. 191 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.42. Diese Auslegung wurde vor dem Berufungsgremim nicht beanstandet.

II. Der normative Rahmen des SPS-Übereinkommens

67

5. Konfliktfälle, Transparenz, Auskunft, Notifikation Wesentlich für das Funktionieren des multilateralen Handelssystems der WTO ist ein effektives Streitschlichtungsverfahren auch für Konflikte über Vorschriften des SPS-Übereinkommens. Art. 11 SPS verweist auf Art. XXII und XXIII GATT und das DSU. Es finden auf SPS-Maßnahmen demnach die allgemeinen Regeln über Konsultationen und Streitbeilegung Anwendung. Jedoch ergibt sich aus Art. 11 Abs. 2 SPS eine Besonderheit: Danach soll sich das Panel in wissenschaftlichen oder technischen Fragen von Sachverständigen beraten lassen, die vom Panel im Einvernehmen mit den Streitparteien ausgewählt werden.192 Zusätzlich sind besondere Auskunfts- und Notifikationsverfahren geregelt.193 So kann ein Mitglied, dessen Ausfuhren von einer Maßnahme eines anderen Mitglieds beschränkt werden oder beschränkt werden könnten, gemäß Art. 5 Abs. 8 SPS von diesem die Erläuterung der Gründe für die Maßnahme verlangen, wenn sich die betreffende Maßnahme nicht auf die einschlägigen internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen stützt. Das Mitglied, das diese Maßnahme beibehält, ist verpflichtet, diese Erläuterung der Gründe zu liefern. Art. 7 i.V. m. Anhang B SPS beinhaltet das Transparenzgebot.194 Danach sind die Mitglieder verpflichtet, Erlasse oder Änderungen ihrer SPS-Maßnahmen beim SPS-Sekretariat zu notifizieren und zu veröffentlichen, damit jedes interessierte Mitglied davon Kenntnis nehmen kann.195 Insbesondere wenn eine nationale gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Vorschrift vom Inhalt einer internationalen Norm, Richtlinie oder Empfehlung abweicht und erhebliche Auswirkungen auf den internationalen Handel haben kann, ist eine solche Notifikation an detaillierte Anforderungen geknüpft. So ist die beabsichtigte Einführung einer bestimmten Vorschrift zu einem angemessenen Zeitpunkt so bekanntzuma192

s. zu der Rolle von Sachverständigen in WTO-Verfahren: E.III.1.b). Diese Pflichten können als Ausfluß der aus dem völkerrechtlichen Nachbarschaftsrecht entwickelten Informations-, Konsultations- oder Verhandlungspflichten qualifiziert werden. Solche Pflichten sind inzwischen – zumindest im Umweltvölkerrecht – als Völkergewohnheitsrecht anerkannt; so schon Bothe, Transfrontier Environmental Management, in: Bothe (Hrsg.), „Trends in Environmental Policy and Law“, S. 394 f. 194 Die WTO hat hierzu im November 2000 das Handbuch „How to apply the transparency provisions of the SPS-Agreement“ veröffentlicht; abrufbar unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/spshand_e.pdf. 195 Als Sprache ist englisch, französisch oder spanisch zugelassen; Anhang B, Nr. 7 SPS. 193

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

chen, daß interessierte Mitglieder davon Kenntnis nehmen können. Zudem sind die anderen Mitglieder möglichst frühzeitig über das Sekretariat über die Erzeugnisse mitsamt Begründung in Kenntnis zu setzen, für die die entworfenen Vorschriften gelten sollen. Desweiteren sind auf Ersuchen den anderen Mitgliedern Kopien der entworfenen Vorschriften zur Verfügung zu stellen. Hierdurch haben diese die Möglichkeit, diese Vorschrift schon vor Inkrafttreten zu kommentieren. Es muß ihnen für diese schriftlichen Bemerkungen eine angemessene Frist eingeräumt werden. Zudem muß jedes Mitglied eine Auskunftsstelle errichten, die alle sinnvollen Anfragen in diesem Bereich beantworten soll, insbesondere über – alle gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften in seinem Gebiet; – alle Kontroll- und Inspektionsverfahren, Erzeugungs- und Quarantänevorschriften sowie Genehmigungsverfahren; – Risikobewertungsverfahren; – die Mitgliedschaft oder Teilnahme des Mitglieds in internationalen Organisationen oder Übereinkünften. Unter diese Vorschriften fallen alle SPS-Maßnahmen in seinem Hoheitsgebiet, wie Gesetze, Erlasse oder Verordnungen mit allgemeiner Geltung.196 Diese Aufzählung ist nicht als abschließend anzusehen. Das Berufungsgremium hat in Japan – Measures Affecting Agricultural Products197 entschieden, daß diese Verpflichtungen auch für andere Rechtsinstrumente gelten, die allgemeine Geltung haben und vom Charakter her ähnlich Gesetzen, Erlassen oder Verordnungen sind, aber nicht unbedingt zwingend sein müssen.198 Sämtliche Informationen zu den Transparenzvorschriften, sowie den neuesten Notifikationen und den einzelnen nationalen Auskunftsstellen werden regelmäßig vom SPS-Sekratariat allgemein zugänglich veröffentlicht.199 196

Anhang B zum SPS-Übereinkommen, Fußnote 5. Japan – Measures Affecting Agricultural Products, Panelbericht WT/DS76/R; Berufungsbericht WT/DS76/AB/R, beide angenommen am 19. März 1999 (nachfolgend: „Japan – Agricultural Products“). 198 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Paras. 105 und 108; das Panel führte hierzu aus: „a non-mandatory government measure is also subject to WTO provisions in the event compliance with this measure is necessary to obtain advantage from the government or, in other words, if sufficient incentives or disincentives exist for that measure to be abided by [. . .].“ (Japan – Agricultural Products, Panelbericht, Para. 8.111). 199 Abrufbar unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/sps_e.htm. 197

III. Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens

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6. Verwaltung des SPS-Übereinkommens Die Verwaltung des SPS-Übereinkommens obliegt gem. Art. 12 SPS dem Ausschuß für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen („SPS-Ausschuß“).200 Die Aufgabe des Ausschusses besteht primär darin, die Harmonisierung und die Anwendung einschlägiger internationaler Normen, Richtlinien und Empfehlungen zu fördern.201 Zudem ist dem Ausschuß die Aufgabe zugewiesen, ein Verfahren für die Überwachung des Prozesses der internationalen Harmonisierung und der Anwendung internationaler Normen, Richtlinien und Empfehlungen zu entwickeln.202 Hierzu unterhält der Ausschuß enge Kontakte mit den zuständigen internationalen Organisationen im Bereich des gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Schutzes, insbesondere mit der Codex Alimentarius Kommission (im folgenden auch: „CAK“).203 Die Arbeit des SPS-Ausschusses kann regelmäßig anhand verschiedener Dokumente verfolgt werden, die öffentlich zugänglich sind.204

III. Überblick über Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens Betrachtet man die bisherigen WTO-Streitbeilegungsverfahren nach dem SPS-Übereinkommen, so erscheinen zwei Tatsachen bemerkenswert: Zum einen konnten während der 47 Jahre des GATT bis zum Abschluß des SPS-Übereinkommens keine Handelskonflikte über nationale SPS-Maßnahmen von den damaligen Streitschlichtungsorganen entschieden werden. Bereits zwei Jahre nach Inkrafttreten des SPS-Übereinkommens wurden sieben unterschiedliche Konflikte in diesem Bereich an die Streitschlichtungsorgane herangetragen, von denen vier Streitigkeiten bereits ohne abschließende Berichte der Streitschlichtungsorgane beigelegt werden konnten.205 Diese Steigerung legt nahe, daß nach der Uruguay-Runde die Aussichten 200

„Commitee on Sanitary and Phytosanitary Measures“. Art. 12 Abs. 2 SPS. 202 Art. 12 Abs. 4 SPS. 203 Art. 12 Abs. 3 SPS. Zu der Codex Alimentarius Kommission ausführlich, unten F.II. 204 Im Internet abrufbar unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/sps_e. htm. 205 Aufzählung, auch der beigelegten Streitigkeiten bei: Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreements on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 399. Bis zum 1. Juni 2002 sind keine weiteren Streitbeilegungsverfahren anhand von Vorschriften des SPS-Übereinkommens entschieden worden. 201

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

gestiegen sind, handelsbeschränkende SPS-Maßnahmen wie das Importverbot der EG für hormonbehandeltes Fleisch zu judizieren. Zum anderen sind alle bisherigen Konflikte über SPS-Maßnahmen zwischen hochentwickelten Industriestaaten entstanden. Diese Tatsache widerlegt diejenigen Stimmen, die während der Uruguay-Runde eine Benachteiligung der Entwicklungsländer durch das SPS-Übereinkommen befürchteten.206 Die WTO-Streitschlichtungsorgane haben bisher unter dem SPS-Übereinkommen neben dem Hormonstreit die Fälle Australia – Measures Affecting the Importation of Salmon (nachfolgend: „Australia – Salmon“)207 und Japan – Measures Affecting Agricultural Products (nachfolgend: „Japan – Agricultural Products“) 208 entschieden. Interessant sind diese drei Entscheidungen, weil hierdurch alle Schutzgüter des SPS-Übereinkommens, nämlich Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen (Hormonstreit), Tieren (Australia – Salmon) und Pflanzen (Japan – Agricultural Products) abgedeckt werden. Diese drei Konflikte werden folgend knapp skizziert. 1. EC – Hormones (1997) Als erster Konflikt, der unter dem neuen SPS-Übereinkommen vor die WTO-Streitbeilegungsorgane gebracht wurde, kann der Hormonstreit als Test dieses neuen Regimes angesehen werden. Bei dem Hormonstreit ging es um den Schutz der menschlichen Gesundheit. Im wesentlichen behandelte der Konflikt die Rechtmäßigkeit des Importverbots der EG für hormonbehandeltes Rindfleisch nach dem SPS-Übereinkommen. Die USA und Kanada (nachfolgend auch: „Beschwerdeführer“) setzen bei der Rindermast sechs der Karzinogenität verdächtigen Wachstumshormone ein und wandten sich gegen dieses Einfuhrverbot von Rindfleisch.209 Nachdem bereits das 1987 eingeleitete Konsultationsverfahren erfolglos verlaufen war, haben die Beschwerdeführer im Jahre 1996 kurz nach Schaffung der WTO die Einsetzung eines Panels beim DSB der WTO bean206 Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreements on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 398. 207 Australia – Measures Affecting the Importation of Salmon, Panelbericht WT/ DS18/R; Berufungsbericht WT/DS18/AB/R, beide angenommen am 6. November 1998. 208 Japan – Measures Affecting Agricultural Products, Panelbericht WT/DS76/R; Berufungsbericht WT/DS76/AB/R, beide angenommen am 19. März 1999. 209 Bei diesen Hormonen handelte es sich um Östradiol 17b, Testosteron, Progesteron, Zeranol, Trenbolonacetat und Melengesterol Acetat (MGA); zu Hintergrund und Entstehung dieses Konflikts, siehe B.III.1.

III. Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens

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tragt.210 Das DSB richtete im Mai und Oktober 1996 zwei Panels ein, denen jeweils dieselben Mitglieder angehörten.211 Die Berichte der Streitbeilegungsorgane zum Hormonstreit sind als erste und bislang wichtigste Auslegung der Regelungen des SPS-Übereinkommens für das gesamte WTO-System von überragender Bedeutung. Daher haben sich im Laufe der Zeit zu Recht viele wissenschaftliche Arbeiten kontrovers mit diesem „leading case“ und den in diesen Berichten behandelten Rechtsfragen auseinandergesetzt.212 210 Hormonstreit, USA-Verfahren: WT/DS26/6, vom 25. April 1996; KanadaVerfahren: WT/DS48/5, vom 17. September 1996. 211 Thomas Cottier (Schweiz) als Vorsitzenden sowie Peter Palecka (Tschechien) und Jun Yokata (Japan). 212 Desmedt, Hormones: „Objective Assessment“ and (or as) Standard of Review, JIEL 1 (1998), S. 695 ff.; Douma, The Beef Hormone Dispute: Does WTO Law Preclude Precautionary Health Standards, in: Heere/Wybo, „International Law and The Hagues 759th Anniversary“, S. 333 ff.; Douma/Jacobs, The Beef Hormones Dipute and the Use of National Standards under WTO Law, European Environmental Law 1999, S. 137 ff.; Eggers, Die Entscheidung des WTO Appellate Body im Hormonfall, EuZW 1998, S. 147; Fromann, The United States – European Community Hormone Treated Beef Conflict, Harvard Int’l L. J. 30 (1989), S. 549 ff.; Godt, Der Bericht des Appellate Body der WTO zum EG-Einfuhrverbot von Hormonfleisch, EWS 1998, S. 202 ff.; Goh/Ziegler, A Real World Where People Live, Work and Die: Australian SPS-Measures after the WTO Appelate Body’s Decision in the Hormones Case, JWT 32 (1998), S. 271 ff. Hilf/Eggers, Der WTO Panelbericht im EG/ USA-Hormonstreit, EuZW 1997, S. 559 ff.; Hughes, Limeting the Jurisdiction of Dispute Settlement Panels: The WTO Appellate Body Beef Hormone Decision, Geo. Int.’l Envt’l L. R. 10 (1997/1998), S. 915 ff.; Hurst, Hormones: European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products, EJIL 9 (1998), S. 182 ff.; Kramb, Die Entscheidungen des „Dispute-settlement“-Verfahren der WTO im Hormonstreit zwischen der EU und den USA; MacDonald, Big Beef Up or Consumer Health Threat?, The Environmental and Planning Law Journal 15 (1998) S. 115 ff.; McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg. JIL 39 (1998), S. 89 ff.; Mueller, Hormonal Imbalance: An Analysis of the Hormone Treated Beef Dispute Between the United States and the European Union, Drake J. Agric. L. 1 (1997), S. 1 ff.; Perez, Reconstructing Science: the Hormone Conflict Between the EU and United States, European Foreign Affairs Review 3 (1998), S. 563 ff.; Quick/Blüthner, Has the Appellate Body erred? An Appraisal and Criticism of the Ruling in the WTO Hormones Case, JIEL 2 (1999), S. 603 ff.; Slotboom, The Hormones Case: An Increased Risk of Illegality of Sanitary and Phytosanitary Measures, CMLR 36 (1999), S. 471 ff.; Thomas, Where’s the Beef? Mad Cows and the Blight of the SPS-Agreement, Vand. JTL 32 (1999), S. 487 ff.; Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“: Scientific Uncertainty, Science Policy, and Factfinding in the Growth Hormones Dispute, Cornell ILJ 31 (1998), S. 251 ff.; Wagner/Goldmann, Comments to the Appellate Body of the World Trade Organisation Concerning European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), http://www.citizen.org/pctrade/gattwto/meat.htm; Wetzig, Bedeutung des SPS-Übereinkommens der WTO für das europäische Lebensmittelrecht und umgekehrte Dis-

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

a) Die rechtliche Argumentation der Parteien Die Beschwerdeführer haben die Auffassung vertreten, daß die Maßnahmen der EG zum Hormonverbot in den Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens fallen. Die Maßnahmen der EG, wonach der Import von Fleisch und Fleischprodukten von Tieren, die mit einem der sechs Hormone Östradiol 17/b, Progesteron, Testosteron, Trenbolon Acetat, Zeranol und Melengestol Aztat (MGA) zur Wachstumsförderung behandelt wurden, verboten wurde, seien mit dem SPS-Übereinkommen (insbesondere Artikel 2, 3 und 5 SPS) unvereinbar. Die Beschwerdeführer behaupten, die EG-Maßnahmen stützen sich nicht auf eine angemessene Risikobewertung, haben internationale Standards, Richtlinien und Empfehlungen ohne einer wissenschaftlichen Rechtfertigung fälschlicherweise nicht beachtet, wurden teilweise als Maßnahmen benutzt, um die innereuropäische Produktion zu kontrollieren und waren einschränkender als notwendig, um ihr angestrebtes Schutzniveau zu erreichen. Das Schutzniveau für wachstumsfördernde Hormone sei zudem weit höher als für andere wachstumsfördernde Substanzen und Tierarzneimittel. Nach Ansicht der Beschwerdeführer sind die Maßnahmen gegenüber anderen Rindfleischimporten daher diskriminierend und stellen eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels dar.213 Die EG (im folgenden auch „Beschwerdegegner“) hat vorgetragen, daß die streitgegenständliche Richtlinie 96/22/EG in Übereinstimmung mit den Pflichten aus dem SPS-Übereinkommen stehe. Das Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Rindfleisch beruhe nach Auffassung der EG auf wissenschaftlichen Grundsätzen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 SPS. Das SPS-Übereinkommen erkenne das Recht jeden Mitglieds an, innerhalb seines Territoriums dasjenige Schutzniveau einzuführen, das es für angemessen halte. Das SPS-Übereinkommen zwinge die Mitglieder nicht, ihr gesundheitliches Schutzniveau, das vor Inkrafttreten des SPS-Übereinkommens bestand, nachträglich zu ändern. Die EG-Maßnahme basiere auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die gezeigt hätten, daß der Konsum von hormonbehandeltem Fleisch schädlich und potentiell krebserzeugend sei. Im übrigen hätten die WTO-Panels nicht die Kompetenz, das Schutzniveau oder dessen wissenschaftliche Grundlage selbst zu überprüfen; Panels seien lediglich zu der Prüfung befugt, ob die Maßnahmen selbst in Übereinstimmung mit den Verfahrensanforderungen des SPS-Übereinkommens stehen. kriminierung am Beispiel des Hormonverbots, ZLR 2000, S. 11 ff.; Wirth, European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products, AJIL 92 (1998), S. 755 ff. 213 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 3.1.

III. Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens

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Zweck des SPS-Übereinkommens sei es, willkürliche oder ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen bei der Anwendung des eingeführten Schutzniveaus zu vermeiden, wenn diese diskriminierend wirken oder zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen. Die Richtlinie und das hierin festgelegte Schutzniveau seien weder diskriminierend noch eine verschleierte Handelsbeschränkung. Die EG führt zur Begründung ihres Hormonverbots ferner ihr Recht auf Vorsorge an. b) Die Entscheidungen und ihre Folgen Die Panels haben am 18.08.1997 in nahezu wortgleichen Berichten (im folgenden „USA Panelbericht“ und „Kanada Panelbericht“214) ihre Entscheidungen gefällt.215 Danach verstoßen die einschlägigen EG-Richtlinien 88/146/EWG (ersetzt durch 96/22/EG), die das Importverbot im Falle der Verwendung von Wachstumshormonen bei der Rinderaufzucht begründen gegen das SPS-Übereinkommen, insbesondere gegen die Pflichten aus Art. 3 und Art. 5 SPS. Die EG habe das Überschreiten der internationalen Höchstwerte nicht ausreichend wissenschaftlich begründen können. Das Panel hatte zudem einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 5 Abs. 5 SPS festgestellt, weil die EG den Einsatz für Wachstumshormone in der Rinderzucht verbietet, andererseits aber ihren Einsatz zu therapeutischen Zwecken weiter gestattet. Diese Entscheidungen des Panels hatte aus unterschiedlichen Gründen heftige Kritik in der Gemeinschaft hervorgerufen. Der EU Kommissar für Landwirtschaft, Franz Fischler, hat den Panelbericht scharf verurteilt und die WTO als undemokratisch bezeichnet.216 Von den Verantwortlichen der USA wurde die Entscheidung hingegen hochgehalten und als richtig gewürdigt.217 Gegen diese Entscheidungen legten im Oktober 1997 neben den drei Streitparteien auch Australien, Neuseeland und Norwegen als Dritte Rechtsmittel ein. Das DSB hat die beiden Verfahren miteinander verbunden und 214 Im folgenden wird der Übersichtlichkeit halber auf den – etwas ausführlicheren – Kanada Panelbericht zurückgegriffen. Abweichungen zu dem USA Panelbericht sind an gegebener Stelle kenntlich gemacht. 215 Panelbericht „EC Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones)“ v. 18.08.1997, WT/DS26/R/USA und WT/DS48/R/CAN. 216 Bruce Bernard, Food (Safety) Fights Puts Big Strain on US-EU Ties, J. Com., 5. September 1997, 3A; EU Appeals EU Appeals WTO Ruling on Meat Hormone Imports, J. Com., 26. September 1997, 2A. 217 House of Representatives, Committee on Agriculture, Smith, Pombo Praise WTO Ruling on EU Beef Hormone Ban, Press Release (8. Mai 1997), www.house. gov/agriculture/pr970508.htm.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

aus dem sieben Mitglieder zählenden Standing Appellate Body drei Mitglieder als Berufungsgremium bestimmt.218 In der Entscheidung des Berufungsgremiums vom 16.01.1998219 wurden die gefundenen Ergebnisse der Panels in erster Instanz im wesentlichen bestätigt. Zwar wurden rechtliche Ausführungen des Panels teilweise zurückgewiesen und die Voraussetzungen der entscheidenden Vorschriften im SPSÜbereinkommen anders ausgelegt. Im Ergebnis befand das Berufungsgremium das Importverbot der EG für hormonbehandelte Fleischprodukte jedoch grundsätzlich ebenfalls als nicht vereinbar mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 SPS. Die SPS-Maßnahmen der EG seien nicht auf internationale Standards gestützt und beruhten auch nicht auf einer Risikobewertung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 SPS. Die Ausführungen des Panels hinsichtlich des Diskriminierungsverbotes in Art. 5 Abs. 5 SPS wies das Berufungsgremium jedoch zurück. Die Unterschiede im Schutzniveau bezüglich verschiedener Maßnahmen der EG stellen danach keine Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des internationalen Handels dar, da die streitige SPS-Maßnahme nicht aus protektionistischen Zielen erlassen worden sei. Die Reaktionen auf den Berufungsbericht waren in den beiden Lagern der Streitparteien unterschiedlich. Sowohl die USA als auch die EG sahen die Entscheidung des Berufungsgremiums als Sieg an. Der US-Sekretär für Landwirtschaft, Dan Glickman, betrachtete den Berufungsbericht als „clear win“ für die USA.220 Der Vertreter der USA für Handelsfragen (U.S. Trade Representative: „USTR“) behauptete, daß die EG keine wissenschaftliche Rechtfertigung für das Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Fleisch hätten und bezeichnete den Berufungsbericht als Zeichen dafür, daß das WTOStreitbeilegungssystem in der Lage ist, auch komplexe und sehr schwierige Konflikte wie den Hormonstreit zu lösen.221 Der Berufungsbericht wurde von den Verantwortlichen der EG dagegen als klarer Erfolg für die europäischen Verbraucher gewertet.222 Nach Annahme des Berufungsberichtes durch das DSB war die EG als Unterlegene verpflichtet, ihre Maßnahmen, sofern sie nach der Berufungsentscheidung noch gegen das SPS-Übereinkommen verstoßen, mit den Ver218 Florentino Feliciano (Philippinen) als Vorsitzender, Claus-Dieter Ehlermann (Deutschland) und Mitsuo Matsuashita (Japan). 219 EC Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) WT/DS26/ AB/R, WT/DS48/AB/R. 220 Both Sides Claim Win in WTO Beef Hormone Dispute Ruling, Food and Fiber Letter v. 26. Januar 1998, S. 2. 221 USTR, Appellate Body Finds EC Hormone Ban Inconsistent with WTO-Obligations Under SPS-Agreement, USTR Press Release No. 09-02 (15. Januar 1988). 222 Both Sides Claim Win in WTO Beef Hormone Dispute Ruling, Food and Fiber Letter v. 26. Januar 1998, S. 2.

III. Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens

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pflichtungen aus diesem Übereinkommen in Einklang zu bringen.223 Wenn es nicht möglich ist, diese Entscheidungen sofort umzusetzen, so regelt Art. 21 Abs. 3 DSU, daß dem betreffenden Mitglied ein angemessener Zeitraum dafür eingeräumt wird. Nachdem sich die Parteien nicht auf einen solchen Zeitraum einigen konnten, gewährte der WTO-Schlichter in dem folgenden Schiedsverfahren („Arbitration“) der Gemeinschaft eine angemessene Frist von 15 Monaten, um ihre Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem SPS-Übereinkommen zu bringen.224 Da diese Frist ab dem Tage der Annahme des Berufungsberichts durch den DSB beginnt, wurde der EU hierzu eine Frist bis zum 13. Mai 1999 gesetzt. Die Kommission der EG hat daraufhin eine zusätzliche Risikobewertung veranlaßt und insgesamt 17 wissenschaftliche Forschungsstudien über die gesundheitsschädigende Wirkung von Hormonen in der Viehzucht in Auftrag gegeben. In diesen von der Kommission genehmigten und finanzierten Forschungsstudien wurde die potentiell gesundheitsschädigende Wirkung der Verwendung der sechs streitgegenständlichen Hormone untersucht.225 Die Handelsvertreter der USA protestierten heftig gegen die Ankündigung der EU, eine neue Risikobewertung durchzuführen anstatt das Einfuhrverbot unverzüglich aufzuheben.226 Ihrer Ansicht nach gebe es für das Importverbot keine wissenschaftliche Grundlage.227 Die von Brüssel in Auftrag gegebenen Studien wurden schließlich nicht rechtzeitig bis zum 13. Mai 1999 fertiggestellt.228 223 Eine Kompensationszahlung der EG würde den Zielen des Streitbeilegungssystems nicht gerecht werden: Jackson, The WTO Dispute Settlement Understanding – Misunderstanding on the Nature of Legal Obligations, AJIL 91 (1997), S. 60 ff. Ein von J. H. Bello vertretenes Wahlrecht des im Verfahren unterlegenen Mitglieds zwischen Kompensationszahlung oder Änderung der nationalen Vorschrift in Einklang mit WTO-Recht ist daher abzulehnen; Bello, The WTO Dispute Settlement Understanding: Less is More, AJIL 90 (1996), S. 416 ff. 224 Die Entscheidungen des WTO-Schlichters ergingen am 26. Mai 1998; WT/ DS26/15 und WT/DS46/13. 225 Zur Kurzbeschreibung dieser wissenschaftlichen Studien, Kommission der EG, KOM(1999) 81 endg., S. 9 f. 226 Yerkey/Pruzin, US Opposes New Risk Assessment in Dispute with EU over Beef Hormones, ITR 15 (1998), S. 76. 227 „[. . .] given the underlying science respecting the effects of such hormones, the EC will confront extraordinary difficulty in concluding a risk assessment that supports its hormones ban.“ USTR, EC Hormone Ban Relating to Meat Imports Violates SPS Agreement According to Appellate Body, Press Release No. 98-04 (20. Januar 1998). 228 Dennoch gab der wissenschaftliche Ausschuß für Veterinärmaßnahmen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit („SCVPH“) am 30. April 1999 eine Stellungnahme ab, in der er auf Grundlage einiger wissenschaftlicher Studien eine aktualisierte Risikobewertung der sechs betreffenden Hormone vorlegte. Die Wissenschaftler haben hierin ein Risiko für Verbraucher festgestellt, wobei die Nach-

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Das DSU sieht zwei Möglichkeiten vor, die ergriffen werden können, wenn bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt die unzulässigen Maßnahmen nicht in Einklang mit WTO-Recht gebracht worden sind: (1) Die erste Maßnahme ist die Entschädigung. Art. 22 Abs. 2 DSU regelt, inter alia, daß ein Mitglied, dem es nicht gelingt, eine Maßnahme innerhalb der angemessenen Frist mit der Vereinbarung in Einklang zu bringen, mit der beschwerdeführenden Partei in Verhandlung tritt, um eine vorübergehende Entschädigung zu vereinbaren. (2) Die zweite Maßnahme betrifft die Aussetzung von Zugeständnissen (z. B. im Bereich der Zölle) durch die beschwerdeführenden Parteien, falls eine zufriedenstellende Einigung hinsichtlich der Entschädigung nicht erzielt wird. Jede Partei, die das Streitbeilegungsverfahren angestrengt hat, kann das DSB um Genehmigung bitten, die Anwendung von Zugeständnissen oder sonstigen Pflichten aus den unter das DSU fallenden Übereinkommen gegenüber dem betreffenden Mitglied auszusetzen.229 Nach Ablauf des angemessenen Zeitraums hat das DSB den Beschwerdeführern am 3. Juni 1999 auf Antrag die Genehmigung erteilt, Zugeständnisse oder sonstige Verpflichtungen auszusetzen.230 Nachdem die EG gegen die Höhe der von den USA und Kanada festgelegten Sanktionen Einspruch erhob, gab es in dieser Angelegenheit zwei Schiedsverfahren.231 Am 12. Juli 1999 sind die Entscheidungen der weise der Risiken für die sechs untersuchten Hormone unterschiedlich schlüssig sind. Der damalige Kenntnisstand ließ keine quantitative Einschätzung des Risikos zu, da mit Ausnahme des Hormons 17b-Östradiol die vorgelegten wissenschaftlichen Informationen nicht ausreichten. Für 17b-Östradiol kam der SCVPH zu dem Ergebnis, daß es umfangreiche neuere und zuverlässige wissenschaftliche Erkenntnisse gebe, die nahelegen, daß diese Substanz als Karzinogen betrachtet werden muß. Diese Ergebnisse hat der SCVPH später auch unter Berücksichtigung der inzwischen fertiggestellten 17 wissenschaftlichen Gutachten ausdrücklich bekräftigt (Kommission der EG, Opinion of the Scientific Committee on Veterinary Measures Relating to Public Health, vom 10. April 2002, S. 21 ff.). 229 Nach Art. 22 Abs. 8 DSU können Zugeständnisse oder sonstige Verpflichtungen nur ausgesetzt werden, bis eine beiderseitig zufriedenstellende Lösung gefunden wurde. 230 Die europäische Kommission (damalige Verbraucherkommissarin Emma Bonino) protestierte unter Berufung auf die Regelung über Verbraucherschutz in Art. 153 EG heftig gegen die von Washington geplanten Sanktionen; SZ v. 27. Mai 1999. 231 Die USA forderten Kompensationszahlungen i. H. von 202 Mio. US-Dollar, Kanada i. H. von 75 Mio. kanadischen Dollar. FAZ v. 4. Juni 1999, SZ v. 4. Juni 1999. Diese Sanktionen wurden allerdings nach Art. 22 Abs. 6 S. 2 und S. 4 DSU ausgesetzt; FAZ v. 20. Juli 1999.

III. Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens

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Schiedsgerichte über die Höhe der Aussetzungen von Zugeständnissen und Pflichten ergangen.232 Danach werden den USA in Übereinstimmung mit Art. 22 Abs. 4 DSU Strafzölle in Höhe von 116,8 Mio. US-Dollar pro Jahr genehmigt.233 Bereits am 19. Juli 1999 haben die USA Strafzölle in dieser Höhe gegen europäische Agrarwaren verhängt.234 Kanada wurden Strafzölle in Höhe von 11,3 Mio. kanadische Dollar pro Jahr zugebilligt,235 die von Kanada ebenfalls umgehend erhoben wurden.236 Diese Sanktionen gelten noch solange fort, bis die EG ihre Maßnahmen mit den Verpflichtungen aus dem SPS-Übereinkommen in Einklang gebracht hat. Die entsprechenden hundertprozentigen Strafzölle auf eine Reihe von EG-Erzeugnissen werden jedes Jahr auf die vom Schiedsgericht genehmigten Produkte verhängt, wodurch die betroffenen europäischen Export-Unternehmen in erheblichem Maße geschädigt werden können.237 c) Der aktuelle Stand des Konfliktes Unter Berücksichtigung zweier Stellungnahmen des wissenschaftlichen Ausschusses für Veterinärmaßnahmen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit („SCVPH“) vom 30. April 1999 und 3. Mai 2000 hat die Europäische Kommission am 24. Mai 2000 einen Vorschlag vorgelegt, für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 96/22/EG über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung von b-Agonisten in der tierischen Erzeugung.238 Die Kommission hat hierin vorgeschlagen, die Verabreichung von 17b-Östradiol und seinen esterartigen Derivaten an Nutztiere endgültig zu verbieten und das Verbot unter Verwendung aller anderen Stoffe mit östrogener, gestagener oder androgener Wirkung zur Wachstumsförderung vorläufig aufrechtzuerhalten bis umfassende wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Dieses Verbot soll regelmäßig überprüft werden.239 232 WTO-Dokumente WT/DS48/ARB vom 12. Juli 1999 für das Kanada-Verfahren („Kanada-Schiedsgericht“) und WT/DS26/ARB vom 12. Juli 1999 für das USA-Verfahren („USA-Schiedsgericht“). 233 USA-Schiedsgericht, Para. 83 i.V. m. Anhang 1. 234 Zur Aufzählung der von den USA vorgeschlagenen Waren, gegenüber denen Zugeständnisse ausgesetzt werden sollen: USA-Schiedsgericht, Anhang 2. 235 Kanada-Schiedsgericht, Para. 72 i.V. m. Anhang 1 und 2. 236 Zur Aufzählung der von Kanada vorgeschlagenen Waren, gegenüber denen Zugeständnisse ausgesetzt werden sollen, Kanada-Schiedsgericht, Anhang 2. 237 Inwieweit diesen Unternehmen ggf. über Art. 288 Abs. 2 EG eine Entschädigung gegen die Gemeinschaft zusteht ist streitig, wird aber überwiegend verneint: Reinisch, Entschädigung für die unbeteiligten „Opfer“ des Hormon- und Bananenstreites nach Art. 288 II EG?, EuZW 2000, S. 42 ff. 238 ABlEG Nr. C 180, v. 26. Juni 2001, 190 ff.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Anfang 2002 wurden die 17 wissenschaftlichen Gutachten abgeschlossen und der SCVPH hat nach Auswertung dieser Studien darauf hingewiesen, keine neuen Erkenntnisse über die gesundheitsgefährdende Wirkung der Wachstumshormone erhalten zu haben. Ausnahme hiervon bildet das Hormon 17b-Östradiol, bei dem die wissenschaftlichen Erkenntnisse nahelegen, daß es als Karzinogen betrachtet werden muß.240 Für das Verbot der übrigen fünf Hormone liegt somit eine eindeutige wissenschaftliche Grundlage für deren Gesundheitsschädlichkeit nicht vor. Die EG steht nun vor der schwierigen Entscheidung, das generelle Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Rindfleisch WTO-widrig aufrechtzuerhalten und die jährlich anfallenden Strafzölle in Höhe von rund 125 Mio. US-Dollar in Kauf zu nehmen oder die Einfuhr wieder zuzulassen. Die zweite Möglichkeit läßt erhebliche Proteste der Verbraucher erwarten, obwohl eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch den Verzehr von hormonbehandeltem Fleisch wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnte. Hauptaufgabe der EG wird daher die Kommunikation mit den europäischen Verbrauchern und deren Unterrichtung über tatsächlich bestehende oder nicht existierende Gefahren sein. Hierzu könnte sie sich der zum 1. Januar 2002 neugegründeten Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit bedienen.241 2. Australia – Salmon (1998) Bei dem zweiten Konflikt, der unter dem SPS-Übereinkommen durch die WTO-Streitschlichtungsorgane zu entscheiden war, handelt es sich um Australia – Salmon. In diesem Streit wurden SPS-Maßnahmen zum Schutz von Tieren überprüft.242 Gegenstand dieses Verfahrens nach dem SPS-Übereinkommen war ein australisches Importverbot für frischen, gekühlten und gefrorenen Lachs, 239 Der Vorschlag wurde nach der ersten Lesung auf der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments am 1. Februar 2001 angenommen. Die Kommission wartet derzeit auf einen gemeinsamen Standpunkt des Rates. 240 Kommission der EG, Opinion of the Scientific Committee on Veterinary Measures Relating to Public Health, vom 10. April 2002, S. 21 ff. 241 Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat ihre Rechtsgrundlage in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 und hat ihre Tätigkeit rückwirkend zum 1. Januar 2002 aufgenommen (ABlEG Nr. L 31, v. 1. Februar 2002, 1 ff.). 242 Zur Literatur nur: Taylor, Comment: The WTO Panel Decision on Australia Salmon Import Guidelines: Evidence That the SPS Agreement can Effectively Protect Human Health Interests, Pac. Rim L. & Pol’y J., 9 (2000), S. 473 ff.; Douma/ Jacobs, „The Beef Hormones Dispute and the Use of National Standards under WTO Law“, European Environmental Law Review 1999, 143 f.; Trüeb, Umweltrecht in der WTO, S. 536 f.

III. Streitverfahren im Rahmen des SPS-Übereinkommens

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Lachsprodukte und andere Salmoniden. Eine Einfuhrgenehmigung wurde unter anderem nur dann erteilt, wenn die Fischprodukte vor dem Export in genau vorgegebener Weise erhitzt wurden. Damit sollte die Einschleppung von 24 verschiedenen exotischen Tierkrankheiten verhindern werden. Die schon im Hormonstreit ausgearbeiteten Kriterien zu Art. 5 SPS und der Risikobewertung wurden in diesem Fall weitgehend bestätigt. Da es bei Australia – Salmon jedoch nicht um die Bewertung der Gefährlichkeit von Tierarzneimittelrückständen, sondern um das Auftreten von Tierkrankheiten ging, wurde die Risikobewertung entsprechend angepaßt. So waren nach Art. 5 Abs. 1 SPS die Risikobewertungsmethoden des internationalen Tierseuchenamtes (Office internationale des épizooties – OIE) zugrundezulegen. Die von Australien vorgelegten wissenschaftlichen Nachweise wurden von den Streitschlichtungsorganen wiederum nicht als SPS-konforme Risikobewertung akzeptiert.243 Das australische Importverbot war damit WTOwidrig. Der vom Panel festgestellte Verstoß gegen Art. 5 Abs. 6 SPS wurde vom Berufungsgremium hingegen aufgehoben, da das Panel bei der Prüfung eines milderen Mittels auf die falsche Maßnahme abstellte.244 Gleichzeitig bekannte sich das Berufungsgremium, wie schon die Vorinstanz hinsichtlich des Schutzniveaus zu einer weitgehenden Autonomie der Mitglieder. Die Höhe des Schutzniveaus sei danach Sache der Mitglieder und von den Streitschlichtungsorganen nicht nachprüfbar.245 3. Japan – Agricultural Products (1999) Die dritte Entscheidung, die sich mit den Anforderungen des SPS-Übereinkommens auseinandersetzt, ist der Fall Japan – Agricultural Products.246 Hierbei richtete sich die Beschwerdeführerin USA gegen eine SPS-Maßnahme Japans zum Schutz von Äpfeln, Kirschen und anderen insgesamt acht landwirtschaftlichen Produkten. Danach bestand ein Importverbot für alle Arten landwirtschaftlicher Produkte, die von dem Schädling codling moth befallen werden können, bis durch separate Tests für jedes einzelne landwirtschaftliche Produkt die Wirksamkeit einer Behandlung mit einem Schädlingsvernichtungsmittel (Methylbromid) festgestellt werden 243

Australia – Salmon, Berufungsbericht, Paras. 121 ff. Australia – Salmon, Berufungsbericht, Paras. 241 f. 245 Vgl. hierzu Trüeb, Umweltrecht in der WTO, S. 538. 246 Hierzu nur: Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), S. 641 ff. 244

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

konnte. Mit dieser Maßnahme sollte die Einschleppung dieses in Japan bisher nicht vertretenen Schädlings verhindert werden. Panel und Berufungsgremium sahen in diesem Einfuhrverbot einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 1 SPS. Japan habe es versäumt, die obligatorische Risikobewertung als „Wissenschaftlichkeits-Test“ durchzuführen. Die Streitschlichtungsorgane entschieden, daß Japans Importverbot nicht auf einer Risikobewertung für Schädlinge beruhte und somit SPSwidrig sei.247 Der von Japan vorgebrachte Einwand, es handele sich hierbei lediglich um eine vorläufige Maßnahme im Sinne des Art. 5 Abs. 7 SPS wurde von den Streitschlichtungsorganen zurückgewiesen, da Japan nicht darlegen konnte, daß es innerhalb einer vertretbaren Frist eine Überprüfung der Maßnahmen nach Einholung zusätzlicher Informationen für eine objektive Risikobewertung vorgenommen hatte.248

IV. Verfahren zum Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen 1. Gesundheitsschutz im Rahmen des GATT a) Normative Grundlagen SPS-Maßnahmen wurden bis zum Abschluß des SPS-Übereinkommens regelmäßig nach der allgemeinen Ausnahmeregelung des Art. XX (insbesondere Ziff. b und g) GATT beurteilt.249 Nach Art. XX (b) GATT darf kein Mitglied daran gehindert werden, Maßnahmen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu beschließen oder durchzuführen, vorausgesetzt diese Maßnahmen führen zu keiner verschleierten Beschränkung des internationalen Handels oder willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen die gleichen Verhältnisse bestehen. Es handelt sich hierbei um einen Rechtfertigungstatbestand für solche SPS-Maßnahmen, die auf Tatbestandsebene Pflichten aus Art. III oder XI GATT verletzt haben.250 Art. XX GATT erlegt den Mitgliedern jedoch keine eigenständigen Pflichten auf. 247

Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Paras. 84 ff. Japan – Agricultural Products, Panelbericht, Para. 8.54 ff., Berufungsbericht, Para. 84. 249 Charnovitz, Exploring the Environmental Exceptions on GATT Article XX, JWT 25 (1991), S. 37 ff. Diese Vorschrift diente als Vorlage des inhaltlich sehr ähnlichen Art. 30 EG. 250 Zu der Struktur im GATT, s. insbesondere: v. Bogdandy, Internationaler Handel und nationaler Umweltschutz: Eine Abgrenzung im Lichte des GATT, EuZW 1982, S. 243 ff.; ders., Eine Ordnung für das GATT, RIW 1991, S. 55 ff.; Epiney, 248

IV. Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen

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In mehreren Berichten der Streitschlichtungsorgane des GATT (später dann WTO) wurde das Verhältnis des Art. XX GATT zu den Tatbeständen der Art. III und XI GATT ausführlich behandelt und konkretisiert. Hierbei ging es in der Regel um die Rechtfertigung von Umweltschutzmaßnahmen.251 Dieses Verhältnis von Handel und Umweltschutz war folglich auch Gegenstand einer inzwischen nahezu unüberschaubaren Zahl an wissenschaftlichen Studien und Aufsätzen.252 Angesichts der neueren Entwicklung Welthandel und Umwelt – Ein Beitrag zur Dogmatik der Art. III, XI, XX GATT, DVBl 2000, S. 77 ff.; Petersmann, International Trade Law and International Environmental Law – Prevention and Settlement of International Environmental Disputes in GATT, JWT 27 (1993), S. 43 ff. 251 United States – Taxes on Petroleum and Certain Imported Substances, Panelbericht, L/6175 v. 17. Juni 1987; United States – Taxes on Automobiles, Panelbericht, DS31/R v. 29. September 1994; United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, Panelbericht, WT/DS2/R v. 29. Januar 1996; Berufungsbericht, WT/DS2/AB/R, 29. April 1996; United States – Prohibition of Imports of Tuna and Tuna Products from Canada, Panelbericht, L/5198 v. 22. Februar 1982; Canada – Measures Affecting Exports of unprocessed Herring and Salmon, Panelbericht, L/6268 v. 22. März 1988; United States – Restrictions on Imports of Tuna, Panelbericht, DS21/R v. 3. September 1991; Panelbericht DS29/R v. 16. Juni 1994 : (ebenfalls abgedruckt in ILM 30 (1991), 1594; ILM 31 (1992), 1588; ILM 33 (1994), 839); United States – Import Prohibitions of Certain Shrimp and Shrimp Products, Panelbericht WT/DS58/R v. 15. Mai 1998, Berufungsbericht, WT/DS58/ AB/R, vom 6. November 1998. 252 Der „Klassiker“: Esty, Greening the GATT: Trade, Environment and the Future. Stellvertretend für alle: Ala’i, Free Trade or Sustainable Development? An Analysis of the WTO Appellate Body’s Shift to a More Balanced Approach to Trade Liberalization, Am. U. Int’l L.Rev. 14 (1999), S. 1129 ff.; Carr, Environment versus International Trade: Where are we now?, Int.TLR 4 (1997), S. 130; Calster, The WTO Appellate Body in Shrimp/Turtle: Picking up the Pieces, European Environmental Law Review 1999, S. 111 ff.; Diem, Freihandel und Umweltschutz in GATT und WTO; Ginzky, Umweltschutz und der internationale Handel mit Waren, ZUR 1997, S. 124 ff.; Godziers, Nationale Umweltpolitiken und internationaler Handel nach WTO und GATT; Grote, Umweltstandards und internationale Wettbewerbsfähigkeit: Analyse und Bedeutung im Rahmen der WTO; McRae, Trade and the Environment: The Development of WTO Law, Otago Law Review 9 (1998), S. 221 ff.; Meier, GATT,WTO and the Environment: To What Extent DO GATT/ WTO Rules Permit Member Nations to Protect the Environment When Doing So Adversely Affects Trade?, Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y 8 (1997), S. 241 ff.; Moncayo von Hase, Umweltschutz im internationalen und regionalen Freihandel; Petersmann, International and European Trade and Environmental Law after the Uruguay Round; Pfahl, Internationaler Handel und Umweltschutz: Zielkonflikte und Ansatzpunkte des Interessenausgleichs; Sander, Umweltschutz im Welthandel; Schoenbaum, International Trade and Protection of the Environment: The Continueing Search for Reconciliation, AJIL 91 (1997), S. 268 ff.; Steinberg, Trade-Environment Negotiations in the EU, NAFTA and WTO: Regional Trajectories of Rule Development, AJIL 91 (1997), S. 231 ff.; Zunft, Welthandel und Umweltschutz: das Spannungsfeld von Welthandelsorganisation und Nichtregierungsorganisation.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

nach der Uruguay-Runde ist jedoch nicht auszuschließen, daß sich dieses Konfliktfeld von den allgemeinen GATT-Vorschriften auf speziellere Vorschriften der WTO zur Regelung nichttarifärer Handelshemmnisse (wie etwa das SPS-Übereinkommen) verlagert hat. b) Bisherige Verfahren Es gab bisher drei Verfahren, in denen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz nach GATT-Vorschriften beurteilt wurden. Anhand dieser drei Fälle läßt sich das Verhältnis der Artt. III, XI und XX GATT praxisnah veranschaulichen. aa) Thailand – Cigarettes (1990) Thailand – Restrictions on Importation of Internal Taxes on Cigarettes253 ist der erste Fall unter dem GATT, in dem eine handelsbeschränkende Maßnahme mit dem Schutz der Gesundheit der eigenen Bevölkerung begründet wurde. Die USA gingen in diesem Verfahren unter dem GATT 1947 gegen Vorschriften des thailändischen Tabakgesetzes vor, die die Einfuhr von Tabak und Zigaretten vom Besitz einer Lizenz abhängig machen. Eine solche Lizenz erhielt ausschließlich das „Thai Tobacco Monopoly“. Thailand rechtfertigte diese Importbeschränkung nach Art. XI GATT mit Art. XX (b) GATT. Diese Maßnahme sei zum Schutz der Gesundheit erforderlich, um den Zigarettenkonsum in Thailand einzudämmen. Zudem enthielten amerikanische Zigaretten zusätzliche chemische Stoffe, welche die Gesundheit beeinträchtigen. Gestützt auf Studien der Weltgesundheitsorganisation („WHO“) bestätigte das Panel die Ansicht Thailands, wonach Rauchen eine ernste Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle und somit der Anwendungsbereich des Art. XX (b) GATT eröffnet sei.254 Das Panel kam jedoch zu dem Ergebnis, daß das von Thailand verhängte Importverbot nicht erforderlich sei, um dieses Ziel zu erreichen, da andere GATT-konforme oder zumindest weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung standen.255 Nach dem Zu den aktuellen Entwicklungen in diesem Feld zuletzt: Oppermann/Beise, Freier Welthandel und Umweltschutz nach der WTO-Doha-Konferenz 2001, RIW 2002, S. 269 ff. 253 Thailand – Restrictions on Importation of Internal Taxes on Cigarettes, Panelbericht DS10/R, angenommen am 7. November 1990, BISD 37S/200 (nachfolgend: „Thailand – Cigarettes“). 254 Thailand – Cigarettes, Panelbericht, Para. 73.

IV. Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen

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„necessity“-Test des Art. XX(b) GATT ist eine GATT-widrige Maßnahme zum Gesundheitsschutz jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn eine zumutbare alternative Handlungsmöglichkeit besteht, die nicht gegen das GATT verstößt. Falls nur GATT-verletzende Maßnahmen zur Verfügung stehen, so ist die am wenigsten handelsbeschränkende Maßnahme auszuwählen.256 Das Panel machte eigene konkrete Vorschläge für ein milderes Mittel als ein Importverbot sowohl hinsichtlich der Qualität, als auch der Quantität von Zigaretten. Hierbei stützte es sich auf Aussagen von WHO und Sachverständigen. Hinsichtlich der Quantität sah es in einem diskriminierungsfreien Werbeverbot für Tabakwaren eine weniger handelsbeschränkende und gleich wirksame Maßnahme zum Gesundheitsschutz.257 Als GATT-konforme Maßnahme in Hinblick auf die Qualität der Zigaretten sah es den Erlaß von Kennzeichnungsvorschriften („labelling“) für schädliche Zusatzstoffe vor, die diskriminierungsfrei anzuwenden seien.258 Der Verstoß nach Art. XI GATT konnte somit von Thailand nicht mit einer gesundheitsschützenden Maßnahme i. S. d. Art. XX (b) GATT zulässigerweise gerechtfertigt werden. bb) US – Alcoholic Beverages (1992) Gegenstand des zweiten Verfahrens zum Gesundheitsschutz, United States – Alcoholic and Malt Beverages259, war die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Bier in einer Reihe von US-Bundesstaaten, abhängig von der Höhe ihres Alkoholgehaltes. Als Grund für den reduzierten lizensierten Verkauf von Bier mit höherem Alkoholgehalt wurde von den USA die gesundheitsschädigende Wirkung von Alkohol angeführt. Kanada rügte einen Verstoß der USA gegen Art. III GATT, da kanadische Brauer traditionell höherprozentiges Bier als die amerikanischen Produzenten herstellen. Nach Auffassung Kanadas sei eine solche Unterscheidung willkürlich und verstoße gegen Art. III Abs. 4 GATT, der die Ungleichbehandlung „gleichartiger“ Waren verbietet. Das Panel legte diese Vorschrift teleologisch aus und kam zu dem Schluß, daß Bier mit niedrigem und Bier mit hohem Alkoholgehalt trotz ähnlicher Beschaffenheit nicht als „gleichartig“ im Sinne des Art. III Abs. 4 255

Thailand – Cigarettes, Panelbericht, Para. 81. Thailand – Cigarettes, Panelbericht, Para. 75. 257 Thailand – Cigarettes, Panelbericht, Para. 78 f. 258 Thailand – Cigarettes, Panelbericht, Para. 77. 259 United States – Alcoholic and Malt Beverages, Panelbericht DS23/R, angenommen am 19. Juni 1992, BISD 39S/206 (nachfolgend: „US – Alcoholic Beverages“). 256

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

GATT qualifiziert werden könne. Bewerkenswert ist, daß das Panel neben der physischen Gleichartigkeit der Waren insbesondere die subjektive Zielrichtung der Maßnahme zur Auslegung heranzog. Wenn eine (indirekte) Benachteiligung ausländischer Waren nicht durch protektionistische Ziele motiviert sei, könne eine Ware trotz ähnlicher physischer Beschaffenheit nicht als gleichartig angesehen werden. Vorausgesetzt werde allerdings ein legitimes Ziel, wie der Schutz der menschlichen Gesundheit.260 Nach Ansicht des Panels sei die unterschiedliche Behandlung der Biersorten diskriminierungsfrei erfolgt und der Gesundheitsschutz als legitimes Ziel der Maßnahme sei durch den Gesetzgebungshintergrund belegt worden.261 Die Beschwerde Kanadas wurde daher zurückgewiesen. cc) EC – Asbestos (2001) European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos Containing Products (im folgenden: „EC – Asbestos“)262 ist die jüngste Entscheidung in der sich die Streitschlichtungsorgane mit dem Gesundheitsschutz im WTO-System auseinandergesetzt haben.263 Auch dieses Verfahren hatte Vorschriften des GATT zum Gegenstand. Frankreich hat die Verwendung von Asbest und asbesthaltigen Produkten mit Dekret vom 1. Januar 1997 mit wenigen Ausnahmen verboten.264 Asbest ist ein hochtoxischer Stoff, dessen krebsauslösende Wirkung beim Menschen wissenschaftlich nachgewiesen ist. Kanada produziert und exportiert Chrysotil (Weissband-Asbest), was für die Provinz Quebec eine hohe wirtschaftliche und politische Bedeutung hat. 260

US – Alcoholic Beverages, Panelbericht, Para. 5.74. US – Alcoholic Beverages, Panelbericht, Para. 5.77. 262 European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos Containing Products, Panelbericht WT/DS135/R, angenommen am 18. September 2000; Berufungsbericht WT/DS135/AB/R, angenommen am 12. März 2001 (folgend: „EC – Asbestos“). 263 Dieses Verfahren wurde auch in der Literatur als wichtig erachtet: Howse/ Tuerk, The WTO Impact on Internal Regulations: A Case Study of the Canada-EC Abestos Dispute, in: de Búrca/Scott, The EU and the WTO S. 283 ff.; BreiningKaufmann, Ein Sieg für die Umwelt? – Der Entscheid der WTO im Asbest-Streit zwischen Kanada und der Europäischen Union, AJP 10 (2001), S. 1169 ff.; Calster, Getting There Slowly: International Trade Law and Public Health in the WTO Asbestos Panel, European Environmental Law Review (2001), S. 113 ff. 264 Die EG wurde Beschwerdegegnerin, da der Handel mit Gütern aufgrund der Kompetenzverteilung in der Europäischen Union in den Aufgabenbereich der Gemeinschaftsorgane und nicht der einzelnen Mitgliedstaaten fällt; Artt. 3 und 131– 134 EG (geändert durch den Vertrag von Nizza, ABlEG Nr. C 80, v. 10. März 2001, S. 15 ff.). 261

IV. Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen

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Kanada machte vor dem Panel einen Verstoß gegen Vorschriften des TBTÜbereinkommens sowie Artt. XI und III Abs. 4 GATT geltend. Nach der Argumentation Kanadas lasse sich Asbest mit anderen Substitutionsprodukten vergleichen, eine Schlechterbehandlung sei deshalb nicht gerechtfertigt. Zudem hätte Frankreich seine Pflicht verletzt, weniger einschneidende Maßnahmen zu prüfen, um den angemessenen Gesundheitsschutz zu erreichen. Darüber hinaus behauptete Kanada, daß Asbest nicht generell gefährlich sei, sondern daß dies von der Art des Einsatzes und der Verwendung abhänge. Das Panel sah den Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens nicht eröffnet, da es sich bei dem französischen Dekret insgesamt nicht um eine technische Vorschrift handele.265 Es prüfte daher nur die Vereinbarkeit des Verbots mit Art. III Abs. 4 GATT. Entscheidend war, inwieweit es sich bei der potentiellen Diskriminierung von Asbestprodukten im Vergleich zu ungefährlichen Substitutionsprodukten um „gleichartige“ Produkte im Sinne von Art. III Abs. 4 GATT handelte.266 Hierbei verwirft das Berufungsgremium die Ansicht des Panels, wonach gesundheitliche Risiken nicht in die Prüfung der Produktgleichheit einbezogen werden dürfen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes sei danach bei den physischen Eigenschaften des Produkts zu berücksichtigen.267 Als wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen Asbest und asbesthaltigen Produkten gegenüber Ersatzprodukten betrachtet das Berufungsgremium die unterschiedliche Toxizität und Gefährlichkeit dieser Produkte. Das Berufungsgremium kommt nach eingehender Prüfung aller zur Diskussion stehenden Produkte zu dem Schluß, daß die mit Asbest und asbesthaltigen Produkten verbundenen gesundheitlichen Risiken eine im Vergleich zu inländischen Erzeugnissen ungünstigere Behandlung unter Art. III Abs. 4 GATT rechtfertigen.268 Einerseits ist diese Entscheidung des Berufungsgremiums deshalb beachtlich, da sie mit einer Abkehr von der traditionellen Auslegung der Artt. III 265

s. hierzu im einzelnen B.IV.2.a)bb). Zu dem Begriff der Gleichartigkeit und den einschlägigen Streitschlichtungsverfahren zu Art. I und Art. III GATT im einzelnen: Hudec, „Like Product“: The Differences in Meaning in GATT Articles I and III, in: Cottier/Mavroidis, „Regulatory Barriers and the Principle of Non-Discrimination in World Trade Law“, S. 101 ff.; Mavroidis, Like Products: Some Thoughts at the Positive and Normative Level, in: Cottier/Mavroidis, „Regulatory Barriers and the Principle of Non-Discrimination in World Trade Law“, S. 125 ff. 267 EC – Asbestos, Berufungsbericht, Para. 113 f. 268 Ein Mitglied des Berufungsgremiums hat hierzu ein concurring statement formuliert: Danach wird zwar das Ergebnis des Berufungsberichts geteilt, jedoch mit einer anderen Begründung, um so dem Art. III Abs. 4 GATT nicht seine antiprotektionistische Wirkung nehmen zu können; EC – Asbestos, Berufungsbericht, Paras. 149–154. 266

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

und XX GATT einhergeht. Während in bisherigen Verfahren Fragen nach dem Gesundheitsschutz oder Umweltschutz erst auf der Rechtfertigungsebene des Art. XX GATT herangezogen wurden, fließt diese Problematik hier schon auf Tatbestandsebene des Art. III GATT in die Bewertung mit ein.269 Art. XX GATT kommt nach dieser Richtungsänderung der Rechtsprechung gar nicht zur Anwendung und hat hierdurch möglicherweise auch in Zukunft viel von seiner Entscheidungserheblichkeit eingebüßt. Es ist nicht auszuschließen, daß das Berufungsgremium hierdurch auf die massive Kritik in der Literatur an früheren Entscheidungen zum Umweltschutz eingeht.270 In diesen vorangegangenen Verfahren war das Berufungsgremium stets um eine enge Auslegung der Produktgleichheit in Art. III Abs. 4 GATT bemüht und hat Aspekte ausgeklammert, die sich nicht im Handelsprodukt selbst manifestieren.271 Andererseits deutet sich hierin eine Weiterführung des in US – Alcoholic Beverages eingeschlagenen Weges an, worin die enge Auslegung des Begriffs der Produktgleichheit in Art. III Abs. 4 GATT erstmals im Bereich Gesundheitsschutz aufgeweicht worden ist. Es wird abzuwarten sein, ob sich diese Tendenz in den Berichten der Streitschlichtungsorgane durchsetzt und so für die Begründung von gesundheitsschützenden Maßnahmen im Rahmen des GATT weiteren Raum läßt. 2. Gesundheitsschutz im Rahmen des TBT-Übereinkommens Das TBT-Übereinkommen geht auf den „Standards Code“ der TokioHandelsrunde des GATT zurück.272 Es hatte vor der Uruguay-Runde keine gravierenden Auswirkungen auf den Handel mit Lebensmitteln.273 Grund 269 Damit wird auch die wichtige Beweislast umgekehrt: Früher oblag dem Beschwerdegegner der Nachweis, daß die Verletzung des GATT sich mit der Wahrung von nach Art. XX GATT geschützten Interessen rechtfertigen läßt. Wenn jetzt die gesundheitlichen Risiken schon in die Analyse der Gleichartigkeit unter Art. III GATT einbezogen werden, so obliegt die Beweislast für eine solche Gleichartigkeit dem Beschwerdeführer. 270 Hierzu nur m. w. N.: Howse/Regan, The Product/Process Distinction – An Illusory Basis for Disciplining Unilateralism in Trade Policy, EJIL 11 (2000), 249 ff. Befürwortend für eine enge Auslegung des Art. III GATT zur Eindämmung protektionistischer Maßnahmen: Jackson, Comments on Shrimp/Turtle and the Product/ Process Distinction, EJIL 11 (2000), S. 303 ff. 271 So beispielsweise das Panel in United States – Restrictions on Imports of Tuna (US – Tuna/Dolphin II), DS29/R, Panelbericht, Para. 5.9. 272 Code for preventing Technical Barriers to Trade, veröffentlicht in GATT (1980), BISD, 26th S. 8 ff., weiterführend: v. Bogdandy/Meehan, in: Grabitz/v. Bogdandy/Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 450 ff.; Trouet, Technische Handelshemmnisse und der GATT-Normencodex, ÖzöRV 38 (1987), S. 35.

IV. Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen

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hierfür war zum einen der relativ enge Anwendungsbereich. Zum anderen waren in dem ursprünglichen Abkommen wenige Regelungen enthalten, die den Mitgliedern selbständige Pflichten für technische Maßnahmen auferlegten.274 Darüber hinaus hatte das Übereinkommen plurilateralen Charakter und war nur für diejenigen Mitglieder bindend, die es angenommen hatten.275 Für Mitglieder, die das TBT-Übereinkommen nicht angenommen hatten, begründete es weder Rechte noch Pflichten.276 In der Uruguay-Runde wurde das TBT-Übereinkommen in ein multilaterales Abkommen umgewandelt, so daß jetzt alle Mitglieder verpflichtet sind, seine Regelungen zu beachten.277 Das 15 Artikel und drei Anhänge umfassende Abkommen hat seinen Anwendungsbereich ausgedehnt und um neue Pflichten erweitert. a) Normative Grundlagen aa) Zielsetzung Das TBT-Übereinkommen soll unter anderem sicherstellen, daß technische Vorschriften und Normen einschließlich Erfordernisse der Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung sowie Verfahren zur Bewertung der Übereinstimmung mit technischen Vorschriften und Normen keine unnötigen Hemmnisse für den internationalen Handel schaffen.278 Technische Standardisierungen stellen wohl die größte Gruppe nichttarifärer Handelshemmnisse dar. Zudem sollte kein Land daran gehindert werden, „auf als geeignet erachteter Ebene Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um die Qualität seiner Ausfuhren zu erhalten, das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen sowie die Umwelt zu schützen oder irreführende Praktiken zu verhindern“.279 273 Zum Hintergrund und der Entwicklung des TBT-Übereinkommens: Wiemer, Produktsicherheit und freier Warenverkehr in GATT, WTO, 46 ff.; Senti, WTO-System und Funktionsweise der Welthandelsordnung, Rdn. 1120 ff. 274 Nusbaumer, The GATT Standards Code in Operation, JWT 18 (1984), S. 542. 275 Der ursprüngliche Standards Code wurde von der Europäischen Gemeinschaft durch Entscheidung des Rates 80/45/EWG nach der Tokio-Handelsrunde innergemeinschaftlich umgesetzt. 276 Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996–97), S. 757. 277 „Agreement on Technical Barriers to Trade“ vom 15. April 1994 (ABlEG Nr. L 336, v. 23. Dezember 1994, 86.); in Kraft seit dem 1. Januar 1995. 278 5. Erwägungsgrund in der Präambel zum TBT-Übereinkommen. 279 6. Erwägungsgrund in der Präambel zum TBT-Übereinkommen.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Solche Maßnahmen dürfen jedoch nicht so angewendet werden, daß sie ein Mittel zur willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen die gleichen Bedingungen herrschen, oder eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels darstellen und müssen ansonsten mit dem TBT-Übereinkommen übereinstimmen.280 bb) Anwendungsbereich Das TBT-Übereinkommen erstreckt sich ganz generell auf technische Handelshemmnisse und umfaßt „alle Waren einschließlich Industrieprodukte und landwirtschaftliche Erzeugnisse“.281 Der Anwendungsbereich wurde in der Uruguay-Runde durch die in Anhang 1 enthaltenen Begriffe konkretisiert. Der Begriff „technische Vorschrift“ bezieht sich sowohl auf die Beschaffenheit des Produkts sowie die Herstellungsverfahren und Produktionsmethoden, als auch auf alle Regelungen über die Bezeichnung, Kennzeichnung und Verpackung.282 Ein Schwachpunkt des ursprünglichen Standards Code, das nur die Spezifikationen des Endproduktes, nicht aber die Herstellungsverfahren und Produktionsmethoden umfaßte, konnte damit ausgeräumt werden. Nach der Auslegung des Panels in EC – Asbestos müssen folgende drei Voraussetzungen vorliegen, damit von einer technischen Vorschrift im Sinne des TBT-Übereinkommens ausgegangen werden kann: (1) „the measure affects one or more given products; (2) the measure specifies the technical characteristics of the product(s) which allow them to be marketed in the Member that took the measure; (3) compliance is mandatory.“283 280

6. Erwägungsgrund, 2. HS der Präambel zum TBT-Übereinkommen. Art. 1 Abs. 3 TBT. 282 Anhang 1 Ziff. 1 zum TBT-Übereinkommen. 283 EC – Asbestos, Panelbericht, Para. 8.57. Wenig überzeugend hat das Panel argumentiert, das Asbestverbot Frankreichs sei ein allgemeines Verbot, das nicht spezifiziert, welche Produkte vom Verbot erfaßt werden und daher Voraussetzung (2) nicht erfülle (EC – Asbestos, Panelbericht, Para. 8.63). Das Berufungsgremium weist diese Auslegung des Panels folglich auch zurück und kommt zu dem Schluß, daß es sich bei dem Verbot um eine technische Vorschrift im Sinne des TBT-Übereinkommens handele. Da das Panel auf die rechtliche Beurteilung nach dem TBTÜbereinkommen jedoch verzichtet hatte, sah sich das Berufungsgremium unter Verweis auf Art. 17 Abs. 6 DSU außerstande, diese Frage anhand des TBT-Übereinkommens zu beurteilen (Berufungsbericht, Para. 64 ff.). Art. 17 Abs. 6 DSU besagt: „Ein Rechtsmittel beschränkt sich auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung durch das Panel“. 281

IV. Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen

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Das TBT-Übereinkommen hat somit einen sehr weiten Anwendungsbereich. Da es die im GATT anerkannte strikte Trennung zwischen produktund produktionsspezifischen Methoden aufgegeben hat, könnte es in Zukunft von erheblicher Relevanz für Konflikte über technische Vorschriften zum Gesundheitsschutz werden.284 Ebenso wie bei SPS-Maßnahmen ist das TBT-Übereinkommen auch auf solche technischen Vorschriften anzuwenden, die vor Inkrafttreten des TBT-Übereinkommens erlassen worden und zum Zeitpunkt des Verfahrens noch gültig sind.285 Zudem sind die Vorschriften des TBT-Übereinkommens als lex specialis gegenüber den Vorschriften des GATT vorrangig zu prüfen.286 cc) Regelungsgehalt Art. 2 ist die zentrale materielle Vorschrift des TBT-Übereinkommens. In Art. 2 Abs. 1 TBT ist das Diskriminierungsverbot niedergelegt, und zwar in seiner Form als Meistbegünstigungsgrundsatz sowie als Inländergleichbehandlung. Art. 2 Abs. 2 TBT bestimmt darüber hinaus: „Die Mitglieder stellen sicher, daß technische Vorschriften nicht in der Absicht oder mit der Wirkung ausgearbeitet, angenommen oder angewendet werden, unnötige Hemmnisse für den internationalen Handel zu schaffen. Zu diesem Zweck sind technische Vorschriften nicht handelsbeschränkender als notwendig, um ein berechtigtes Ziel zu erreichen, wobei die Gefahren, die entständen, wenn dieses Ziel nicht erreicht würde, berücksichtigt werden.287 Berechtigte Ziele sind unter anderem [. . .] Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Menschen [. . .]. Bei der Bewertung solcher Gefahren werden unter anderem verfügbare wissenschaftliche und technische Informationen [. . .] zugrundegelegt. (Hervorhebungen vom Verfasser)

Diese Vorschrift geht über den „necessity-test“ in Art. XX GATT hinaus, denn Art. 2 Abs. 2 TBT umfaßt auch Normen, die unterschiedslos angewendet werden. 284 Zu dem Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens in Abgrenzung zum GATT weiterführend: Howse/Tuerk, The WTO Impact on Internal Regulations, in: de Búrca/Scott, „The EU and the WTO“, S. 306 ff. 285 Zuletzt: European Communities – Trade Description of Sardines, Panelbericht vom 29. Mai 2002, WT/DS231/R, noch nicht angenommen (im folgenden: „EC – Sardines“), Para. 7.53 ff. 286 Dieses Verhältnis wurde erst kürzlich konkretisiert: EC – Sardines, Panelbericht, Para. 7.14 ff. In vorangegangenen Verfahren haben die Panels dessen Vorschriften nachrangig zum GATT geprüft: US – Gasoline, Panelbericht WT/DS2/R, Para. 6.43; US – Taxes on Automobiles, Panelbericht, Paras. 5.47 ff. 287 Die deutsche Übersetzung des Orginaltextes ist an dieser Stelle unpräzise. Daher wird zum besseren Verständnis der authentische englische Text hinzugefügt: „For this purpose, technical regulations shall not be more trade-restrictive than necessary to fulfil a legitimate objetive, taking account of the risks non-fulfilment would create.“

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

Nach Art. 2 Abs. 4 TBT sollen Mitglieder ihre Vorschriften grundsätzlich auf der Grundlage internationaler Standards erstellen. Ausgenommen sind solche internationalen Normen, die ein unwirksames oder ungeeignetes Mittel zur Erreichung der angestrebten berechtigten Ziele darstellen. Für eine technische Vorschrift zum Gesundheitsschutz, die mit einschlägigen internationalen Normen konform ist, wird die Vereinbarkeit mit den Vorschriften der WTO – widerlegbar – vermutet.288 Auf Grundlage internationaler Normen soll eine weitgehende Harmonisierung der technischen Vorschriften erreicht werden.289 b) EC – Sardines (2002) Kürzlich hat ein Panel das erste Verfahren unter dem neuen TBT-Übereinkommen entschieden, bei dem ein Verstoß gegen TBT-Vorschriften festgestellt werden konnte. Am 29. Mai 2002 erging der Panelbericht in dem Verfahren European Communities – Trade Description of Sardines (im folgenden: „EC – Sardines“).290 In diesem Verfahren ging es im wesentlichen um die Auslegung von Art. 2 Abs. 4 TBT, der besagt: „Soweit technische Vorschriften erforderlich sind und einschlägige internationale Normen bestehen [. . .], verwenden die Mitglieder diese [. . .] als Grundlage für ihre technischen Vorschriften, es sei denn, diese internationalen Normen [. . .] wären unwirksame, oder ungeeignete Mittel zur Erreichung der angestrebten berechtigten Ziele [. . .].“

Der Beschwerdeführer Peru wendet sich gegen die EG, die in der Verordnung (EWG) Nr. 2136/89 des Rates vom 21. Juni 1989 (nachfolgend: „Verordnung“) Normen für die Vermarktung von Sardinenkonserven innerhalb der Gemeinschaft festgelegt hat.291 Gemäß Art. 2 der Verordnung dürfen ausschließlich Fische der Art „sardina pilchardus Walbaum“ mit dem Namen „Sardinen“ als Sardinenkonserven vermarktet und bezeichnet werden.292 Kennzeichnungsvorschriften über die im pazifischen Ozean an den 288

Art. 2 Abs. 5 TBT. Art. 2 Abs. 6 TBT. 290 Dieser Konflikt ist dem Berufungsgremium zur Entscheidung vorgelegt worden. Daher haben die folgenden Ausführungen zum Panelbericht vorläufigen Charakter. 291 ABlEG Nr. L 212 v. 22. Juli 1989, S. 79. 292 Im Wortlaut des Art. 2 der Verordnung heißt es (auszugsweise): „Als Sardinenkonserven vermarktet und gemäß Artikel 7 bezeichnet werden dürfen ausschließlich Erzeugnisse, die die nachstehenden Anforderungen erfüllen: [. . .] – Sie müssen ausschließlich aus Fischen der Art „sardina pilchardus Walbaum“ zubereitet worden sein; [. . .].“ 289

IV. Gesundheitsschutz nach GATT und TBT-Übereinkommen

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Küsten von Peru und Chile vorkommende Art „sardinops sagax“ wurden in dieser Verordnung nicht geregelt. Solche Fische können daher in der EG nicht unter dem Namen „Sardinen“ vertrieben werden. Für Sardinenkonserven bestehen Standards der Codex Alimentarius Kommission („Codex Stan 94“).293 Nach Art. 6 des Codex Stan 94 sind konservierte Sardinen der Art „sardina pilchardus Walbaum“ als „Sardinen“ zu kennzeichnen, während andere Arten und Sardinen aus anderen Regionen als „Sardinen“ mit einem entsprechenden Zusatz zu versehen sind.294 Peru ist der Ansicht, daß die EG gegen Art. 2 Abs. 4 TBT verstoße, indem sie es nicht gestattet, die Fischart „sardinops sagax“ unter der Bezeichnung „Sardinen“ – versehen mit einem entsprechenden Zusatz – zu vermarkten (etwa „Peruanische Sardinen“ oder „Pazifische Sardinen“). Das Panel ist im Ergebnis der Auffassung Perus gefolgt. Es hat Art. 2 der Verordnung als technische Vorschrift im Sinne von Ziff. 1 Anhang 1 zum TBT-Übereinkommens qualifiziert, wodurch der Anwendungsbereich des TBT-Übereinkommens eröffnet wurde.295 Hierbei hat das Panel die Definition der „technischen Vorschrift“ unter Bezugnahme der Ausführungen des Berufungsgremiums in EC – Asbestos ausgelegt.296 Das Panel hat entschieden, daß Art. 6 des Codex Stan 94 der Codex Alimentarius Kommission eine internationale Norm gemäß Art. 2 Abs. 4 TBT sei.297 Die EG habe ihre Vorschrift nicht auf Grundlage dieser internationalen Norm erlassen.298 Daher habe die EG als Beschwerdegegnerin nachzuweisen, daß diese internationalen Codex-Standards „unwirksame oder 293 Zu Aufbau, Struktur und Verfahren der Codex Alimentarius Kommission ausführlich unten F.II. 294 Art. 6 des Codex Stan 94 besagt wörtlich: „6. LABELLING In addition to the provisions of the Codex General Standard for the Labelling of Prepackaged Foods (CODEX STAN 1-1985, Rev. 3-1999) the following specific provisions shall apply: 6.1 NAME OF THE FOOD The name of the products shall be: (i) „Sardines“ (to be reserved exclusively for Sardina pilchardus (Walbaum)); or (ii) „X sardines“ of a country, a geographic area, the species, or the common name of the species in accordance with the law and custom of the country in which the product is sold, and in a manner not to mislead the consumer.“ 295 EC – Sardines, Panelbericht, Paras. 720 ff. 296 Die Auslegung des Berufungsgremiums in EC – Asbestos wurde beibehalten; EC – Sardines, Panelbericht, Paras. 724 ff. 297 EC – Sardines, Panelbericht, Para. 7.61 ff. 298 EC – Sardines, Panelbericht, Paras. 7.100 ff.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

ungeeignete Mittel zur Erreichung der angestrebten berechtigten Ziele“ sind.299 Aus dieser Beweislastverteilung wird deutlich, daß das Ziel einer internationalen Harmonisierung gewünscht ist, und Ausnahmen hiervon detailliert zu rechtfertigen sind. Diese Vorschrift könnte sich in Zukunft zu der entscheidenden Norm des TBT-Übereinkommens entwickeln. Da die Auslegung des Panels insbesondere im Hinblick auf die Beweislastverteilung nicht ganz eindeutig ist, sollte in dieser Frage jedoch eine Entscheidung des Berufungsgremiums abgewartet werden. Das Panel entschied hierzu wörtlich: „Although the burden of proof rests with the European Communities to prove that Codex Stan 94 is an ineffective or inappropriate means for the fulfilment of the legitimate objectives pursued, we note that Peru has provided sufficient evidence and legal arguments, as set out below, to demonstrate that Codex Stan 94 is not an ineffective or inappropriate means to fulfil the legitimate objectives pursued by the EC Regulation.“300

Nach Auffassung des Panels seien die angestrebten Ziele der EG – Verbraucherschutz, Markttransparenz und lauterer Wettbewerb – zwar berechtigt.301 Jedoch sei nicht zu erkennen, inwieweit die Codex-Standards unwirksame oder ungeeignete Mittel zur Erreichung dieser Ziele darstellen.302 Somit liege ein Verstoß der EG gegen Art. 2 Abs. 4 TBT vor.303 Durch diese Entscheidung wurde ein weiterer Schritt in Richtung einer internationalen Harmonisierung von technischen Vorschriften unternommen.304 Es wird abzuwarten sein, ob EC – Sardines als erstes unter dem TBT-Übereinkommen entschiedene Verfahren für das TBT-Übereinkommen eine vergleichbare Stellung einnehmen wird, wie der überragend wichtige Hormonstreit für das SPS-Übereinkommen.

V. Ergebnisse und Anmerkungen Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen die bipolare Bedeutung des SPS-Übereinkommens: Erstens beinhaltet das SPS-Übereinkommen Durchführungsbestimmungen zum GATT und ist somit insbesondere zur Auslegung des Art. XX (b) GATT heranzuziehen. Zweitens beinhaltet das SPS-Übereinkommen eigen299

EC – Sardines, Panelbericht, Paras. 7.50 und 7.114. EC – Sardines, Panelbericht, Para. 7.114. 301 EC – Sardines, Panelbericht, Para. 7.122 f. 302 EC – Sardines, Panelbericht, Para. 7.138. 303 EC – Sardines, Panelbericht, Paras. 7.139 und 8.1. 304 Die Möglichkeit einer Harmonisierung im WTO-System mit Hilfe der Codex Alimentarius Kommission wird unten eingehend untersucht, F.I. 300

V. Ergebnisse und Anmerkungen

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ständige weitergehende Pflichten, an deren Maßstab SPS-Maßnahmen zu überprüfen sind. Es zeigt sich eine neue Qualität im Recht der WTO. Zukünftig werden alle SPS-Maßnahmen der Mitglieder, die in den weiten Anwendungsbereich des SPS-Übereinkommens fallen, anhand der Vorschriften des SPS-Übereinkommens rechtsförmig überprüfbar sein. Für einen Verstoß gegen WTORecht wird nicht – wie bisher – vorausgesetzt, daß eine solche Maßnahme diskriminierend wirkt, gegen das Meistbegünstigungsprinzip verstößt oder sonstige Pflichten des GATT verletzt.305 Die Normen des SPS-Übereinkommens unterscheiden sich strukturell von der Ausnahmeregelung des Art. XX GATT. Während mit Art. XX GATT unter engen Voraussetzungen Diskriminierungen im internationalen Handel (im wesentlichen Verstöße gegen Artt. III und XI GATT) gerechtfertigt werden können, legt das SPSÜbereinkommen (wie auch das TBT-Übereinkommen) den Mitgliedern eigenständige neue Anforderungen auf, an deren Maßstab bestehende und zukünftige nationale Rechtsetzungsakte im Bereich Gesundheitsschutz zu messen sind. Mit Einführung des SPS-Übereinkommens wurden den WTO-Mitgliedern Pflichten auferlegt, die unmittelbar in ihre nationale Gesetzgebung einwirken.306 Das dem Souveränitätsprinzip entstammende Recht der Mitglieder, ihr eigenes angemessenes Schutzniveau festzulegen, wird durch die neuen Pflichten des SPS-Übereinkommens eingeschränkt.307 Die nationalen SPSMaßnahmen sind entweder auf Grundlage international anerkannter Standards zu erlassen oder auf wissenschaftliche Grundsätze in Form einer Risikobewertung zu stützen. Zudem verbietet das SPS-Übereinkomen den Mitgliedern, willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede des Schutzniveaus zu vermeiden, wenn solche Unterschiede zu Diskriminierung oder verschleierten Beschränkungen des internationalen Handels führen. Darüber hinaus verpflichtet das SPS-Übereinkommen die Mitglieder von mehreren möglichen SPS-Maßnahmen diejenige auszuwählen, die am wenigsten handelsbeschränkend ist, um das gewünschte Schutzniveau zu erreichen. Die Konzeption des SPS-Übereinkommens ist einerseits territorial begrenzt, da es nur Anwendung auf SPS-Maßnahmen im Hoheitsgebiet desjenigen Mitglieds findet, das die entsprechende SPS-Maßnahme erlassen hat.308 Der Text des SPS-Übereinkommens stimmt damit überein mit der bisherigen Auslegung des Art. XX GATT durch die Streitschlichtungsor305 Correa, „Implementing National Public Health Policies in the Framework of WTO Agreements“, JWT 34 (2000), S. 100 m. w. N. 306 Howse, Democracy, Science and Free Trade, Michigan Law Review 98 (2000), S. 2329. 307 Hierzu ausführlich unten C.III.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

gane, wonach eine GATT-widrige Maßnahme nicht zum Schutz extraterritorialer Rechtsgüter gerechtfertigt werden kann.309 Andererseits ist das Abkommen geschlossen in seiner Tendenz, wissenschaftliche Rationalität zu privilegieren. Das SPS-Übereinkommen verwendet Naturwissenschaft als Abgrenzungskriterium, um zulässige von WTOwidrigen protektionistischen SPS-Maßnahmen zu unterscheiden. Durch diese „Verwissenschaftlichung“ sollen Streitigkeiten entpolitisiert und versachlicht werden. In der Pflicht zur Durchführung einer Risikobewertung liegt folglich der wesentliche Kern des SPS-Übereinkommens.310 Im Laufe dieser Studie wird zu untersuchen sein, inwieweit diese Konzeption trägt und Naturwissenschaft tatsächlich in der Lage sein kann, als objektives universelles Kriterium, protektionistische von WTO-konformen SPS-Maßnahmen abzugrenzen.311 Die Analyse der Entscheidungen der WTO-Streitschlichtungsorgane werden neue Erkenntnisse dafür liefern, ob das SPSÜbereinkommen so stark wie gewünscht zu einem effektiven Funktionieren des multilateralen Handelssystems der WTO beitragen kann, indem es Handelsbeschränkungen vermeidet ohne gleichzeitig den Mitgliedern die Möglichkeit zu nehmen, eigenständig Schutzstandards für die Gesundheit festzulegen.312 308 Zu dem Versuch der USA, ihre Handelsmacht zur Durchsetzung umweltpolitischer Standards auch gegenüber anderen Staaten einzusetzen: Bothe, Wandlungen der amerikanischen Umweltpolitik, S. 29 f. 309 Das Panel hat in Tuna I Art XX (b) und (g) GATT nur zum Schutz innerhalb des Hoheitsgebietes anerkannt (US – Restrictions on Imports of Tuna I, Paras. 5.26, 5.32). In Tuna II wurden Maßnahmen, die sich auf Gegebenheiten außerhalb territorialer Hoheitsgewalt erstrecken, hingegen nicht grundsätzlich ausgeschlossen (US – Restrictions on Imports of Tuna II, Paras. 5.15 ff., 531). Das Panel sah in US – Shrimp Turtle in Importverboten zum Schutz extraterritorialer Rechtsgüter eine ungerechtfertigte Diskriminierung (Panelbericht, Para. 7.49). Hier ließ das Berufungsgremium in seinem Bericht die Problematik extrateritorialer Anwendbarkeit von Art. XX GATT offen (US – Shrimp Turtle, Berufungsbericht, Paras. 141 ff.). Weiterführend hierzu: Calster, The WTO Appellate Body in Shrimp/ Turtle, European Environmental Law Review (2001), S. 113 ff.; Howse, The Turtles Panel: Another Environmental Desaster in Geneva, JWT 32 (1998), S. 73 ff.; Jackson, Comments on Shrimp/Turtle and the Product/Process Distinction, EJIL 11 (2000), S. 303 ff.; Mavroidis, Trade and Environment after the Shrimps-Turtles Litigation, JWT 34 (1999), S. 73 ff.; Ohlhoff, Beteiligung von Verbänden und Unternehmen in WTO-Streitbeilegungsverfahren – Das Shrimps-Turtle-Verfahren als Wendepunkt?, EuZW 1999, S. 139 ff. 310 So auch: Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 25. 311 s. hierzu ausführlich unten C. 312 Das Berufungsgremium stellte im Hormonstreit in bezug auf den nicht immer eindeutigen Wortlaut des SPS-Übereinkommens fest: „The treaty language itself is evidently not a model of clarity in drafting and communication“; Berufungsbericht, Para. 175 (in bezug auf Art. 3 Abs. 3 SPS).

V. Ergebnisse und Anmerkungen

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Das SPS-Übereinkommen ist im Bereich des Gesundheits- und Pflanzenschutzes lex specialis gegenüber dem GATT und als solches auch auf Maßnahmen anwendbar, die vor Inkrafttreten eingeführt wurden und zum jetzigen Zeitpunkt noch fortbestehen. Es wird den Streitschlichtungsorganen ein Instrumentarium an die Hand gegeben, das es ihnen ermöglicht, auch länger schwelende Konflikte, wie den Streit über das EG-Importverbot für hormonbehandeltes Fleisch anhand strenger Anforderungen mit Hilfe des DSU rechtsförmig zu judizieren.313 Die Vorschriften zur Transparenz und Auskunftserteilung im SPS-Übereinkommen sind überaus wichtige Regelungen, um die anvisierten Ziele des SPS-Übereinkommens zu erreichen.314 Für Exporteure stellt es ein nicht zu vernachlässigendes Hindernis für den Marktzugang dar, wenn sie mit undokumentierten de facto Maßnahmen im gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Bereich übereinstimmen müssen.315 Handelspartner müssen in der Lage sein, über mögliche Änderungen durch SPS-Maßnahmen schon im Vorfeld Informationen zu erlangen. Auf dem entsprechenden Notifikationsformular sind die Mitglieder gehalten, die von den neuen Regelungen betroffenen Produkte genau darzulegen und eine Begründung für die Einführung der entsprechenden Maßnahme anzugeben. Diese Pflichten begründen ein Überwachungssystem der WTO, das eine dezentralisierte Handhabe von vielen SPS-Maßnahmen ermöglicht, die im Laufe der Zeit von den Mitgliedern eingeführt und veröffentlicht werden. Die Daten sind für jedermann abrufbar und können zudem von interessierten Exporteuren bei den nationalen Auskunftsstellen abgefragt werden.316 Inwieweit durch diese neuen Notifikationspflichten das Ziel einer umfassenden Transparenz erreicht werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Obwohl diese Vorschriften für alle Mitglieder verbindlich sind, haben mehr als die Hälfte der WTO-Mitglieder bisher noch keine ein313 M. Trebilcock und R. Howse sehen in diesem Hormonverbot wohl keinen Verstoß gegen die Vorschriften des GATT wenn sie sagen: „[. . .] an internal non-discriminatory regulation which prohibited the sale, for instance, of a product which may adversely affect health, would be consistent with GATT obligations notwithstanding that the regulation had the effect of an absolute ban on imports.“ (Trebilcock/Howse, The Regulation of International Trade, S. 139). In diesem Sinne auch Jackson, The World Trading System, S. 233. 314 Das TBT-Übereinkommen regelt umfangreiche Kooperations-, Informationsund Notifikationsverpflichtungen, die sogar noch weiter gehen als die Vorschriften des SPS-Übereinkommens (insbesondere Art. 10 TBT). 315 Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 399. 316 Regelmäßig aktualisiert abrufbar, unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/ sps_e/sps_e.htm.

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B. Das SPS-Übereinkommen als Teil des WTO-Systems

zige SPS-Maßnahme notifiziert.317 Der Trend zeigt jedoch in Richtung zunehmender Transparenz durch Notifikation. Bis zum März 1999 wurden von den Mitgliedern mehr als 1.100 SPS-Maßnahmen notifiziert.318 Hiervon entfiel bis Ende 2001 die höchste Anzahl auf die USA mit 526, gefolgt von der EG mit ihren Mitgliedstaaten (235), Mexiko (175), Neuseeland (161) und Australien (135).319 Allein diese fünf WTO-Mitglieder sind inzwischen für die Notifikation von mehr als 1.200 SPS-Maßnahmen verantwortlich.

317 Die meisten Notifikationen erfolgten von hoch entwickelten WTO-Mitgliedern. Jedoch kommen auch zunehmend Mitglieder mit niedrigerem Bruttoinlandsprodukt ihrer Notifikationspflicht nach; WTO, Jahresbericht 2002, S. 37. 318 Bericht des SPS-Ausschusses, „Review of the Operation and Implementation of the Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures“, vom 11. März 1999, G/SPS/12. 319 WTO, Jahresbericht 2002, S. 37.

C. „Verwissenschaftlichung“ der WTO? (Die neue Rolle der Naturwissenschaft im WTO-System) Im WTO-System soll jedes Mitglied das souveräne Recht beibehalten, solche gesundheitsschützenden Maßnahmen einzuführen, durch die ein Schutzniveau erreicht wird, das dieses Mitglied als angemessen für seine Bevölkerung erachtet. Auf der anderen Seite soll sichergestellt werden, daß Maßnahmen nicht diskriminierend angewendet werden und den internationalen Handel nicht mehr beschränken als notwendig. Aufgabe der WTO ist es unter anderem, dort eine Grenze zu ziehen, wo das berechtigte Interesse ihrer Mitglieder, Gesundheitsschutzmaßnahmen zu erlassen, aufhört und „grüner“ Protektionismus anfängt. Das Diskriminierungsverbot des GATT hat sich lange Zeit als geeignetes Abgrenzungskriterium erwiesen, wenn es um die protektionistische Benachteiligung von Partnern im internationalen Handel ging.1 Wenn eine solche Diskriminierung durch eine Maßnahme jedoch auf de-facto Diskriminierung oder ungleiche Auswirkungen nichttarifärer Handelshemmnisse auf Produkte ausgeweitet wird, ist das Diskriminierungsverbot des GATT als Abgrenzungskriterium zwischen legitimer nationaler Regulierung und protektionistischen Maßnahmen nicht ausreichend.2 Das SPS-Übereinkommen nutzt daher als zentrale Strategie (Natur)Wissenschaft3 zur Unterscheidung zwischen erlaubten und unzulässigen protektionistischen SPS-Maßnahmen.4 Die „neutrale“ oder „objektivierbare“ Wissenschaft soll helfen, protektionistische Maßnahmen herauszufiltern, ohne den Mitgliedern das eigenständige Recht zum Gesundheitsschutz zu nehmen.5 1 Howse, Democracy, Science, and Free Trade, Michigan Law Review, 98 (2000), S. 2332. 2 Trebilcock/Howse, Trade Liberalization and Regulatory Diversity, European Journal of Law and Economics 6 (1998), S. 21 f. 3 Der in dieser Arbeit verwendete Begriff „Wissenschaft“ wird im Sinne von „Naturwissenschaft“ („science“) verwendet. 4 Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 253; Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 825; Maruyama, A new Pillar of the WTO: Sound Science, Int. Lawyer 32 (1998), S. 651 ff. 5 Hughes, Limeting the Jurisdiction of Dispute Settlement Panels, Geo. Int’l Envt’l L. R. 10 (1997/1998), S. 926 f.; McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement, Virg JIL 39 (1998), S. 116 f.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

Nachfolgend wird anhand der einschlägigen WTO-Verfahren untersucht, ob diese Strategie trägt und das SPS-Übereinkommen mit dieser wissenschaftlichen Fokussierung tatsächlich, wie gewünscht, zu einem effektiver funktionierenden multilateralen Handelssystem beitragen kann.

I. Naturwissenschaft: zwischen Objektivität und Rationalität Im SPS-Übereinkommen tauchen die Begriffe „Wissenschaft“ („science“) oder „wissenschaftlich“ („scientific“) an verschiedenen Stellen auf.6 Jedoch ist im SPS-Übereinkommen der Begriff Wissenschaft nicht definiert. Es wurde von den Vertragsparteien nicht festgelegt, wann eine nationale SPS-Maßnahme auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, die den Anforderungen des SPS-Übereinkommens genügt. In seiner eigentlichen Bedeutung wird science folgendermaßen definiert: „Knowledge about the structure and behaviour of the natural and physical world, based on facts that you can prove, for example by experiments“.7

Absolut sichere Aussagen sind in der Wissenschaft nicht möglich; vielmehr kennen die empirischen Wissenschaften nur Aussagen über Wahrscheinlichkeiten.8 Von der Wissenschaft sind demnach im besten Fall Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt und die Wirkung eines Ereignisses zu erwarten. Je komplexer Organismen sind, desto geringer fällt die Berechenbarkeit durch Wissenschaft aus. So können beispielsweise beim menschlichen Organismus wissenschaftliche Aussagen nur aufgrund von empirischen Untersuchungen gemacht werden. Solche Untersuchungen sind jedoch gerade bei neueren zu untersuchenden Unregelmäßigkeiten (wie z. B. Probleme mit BSE,9 gentechnisch modifizierten Produkten oder hormonbehandelten Nahrungsmitteln) sehr zeit- und kostenaufwendig. Es fehlen zudem die empirischen Daten. Deren wissenschaftliche Aussagekraft ist umso geringer, je weniger man über die Verursacher eines Gesundheitsrisikos, seine Auswirkungen oder den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung weiß.10 Da empirische Ergebnisse jederzeit durch neue Ergebnisse widerlegbar sind, kann die wissenschaftliche Ergebnisfindung niemals ein abgeschlossener Prozeß sein. 6

So in Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 7 SPS. Oxford Advanced Learner’s Dictionary, 6. Auflage, Oxford 2000, S. 1142. 8 Zur Bedeutung von scientific auch United States’ Statement of Administrative Action. Uruguay Round Agreement Act, 203d Congress, 2d Session, House Document 103-316, Vol. 1, 27. September 1994, 90. 9 Hierzu im einzelnen Wolters, Die BSE-Krise, S. 25 ff. 10 Landwehr, Globalisierung, Freihandel und Gesundheitsschutz, S. 64 f. 7

II. Wissenschaft und Regulierung im nationalen Rechtsetzungsprozeß

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Die Rolle der Wissenschaft im Recht ist eine vieldiskutierte Thematik, die unter Rechtswissenschaftlern, Naturwissenschaftlern, Philosophen, Soziologen und Kulturtheoretikern international viel Literatur hervorgebracht hat. Einer der zentralen Punkte in dieser Literatur ist die (leicht variierende) Zurückweisung der positivistischen Konzeption, nach der Naturwissenschaft eine objektive Wahrheit liefern kann.11 Soziologen haben beobachtet, daß Wissenschaft, ähnlich wie Politik, eine soziale Konstruktion darstellt. Wissenschaft kann sich daher auch nicht losgelöst von sozialen, kulturellen und politischen Einflüssen entwickeln. Atik stellt hierzu fest: „Scientists receive a framework which colours all they observe [. . .]. Conditioning also results from the dominant paradigms into which observations are fitted and reconciled.“12

Auf der anderen Seite sind Meinungen im Vormarsch, die eine demokratiefördernde Funktion der Wissenschaft erkennen. Danach kann Wissenschaft zu einer gewünschten demokratischen Rationalität beitragen.13 Fraiberg und Trebilcock beschreiben dies folgendermaßen: „Scientific analysis is valuable in a democracy because scientific procedures are systematic and can be well documented. When decisions are made on a scientific basis, they are available for public inspection or review.“14

Zum besseren Verständnis der Konzeption des SPS-Regimes ist es erforderlich, sich zunächst mit der Funktion von Wissenschaft in der staatlichen Regulierung auseinanderzusetzen.

II. Wissenschaft und Regulierung im nationalen Rechtsetzungsprozeß Da anhand der Vorschriften des SPS-Übereinkommens nationale SPSMaßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden sollen, ist zunächst die Rolle der Wissenschaft im nationalen Rechtssetzungsprozeß zu untersuchen. Nur wenn Wissenschaft auf nationaler Ebene im Sinne des SPS-Übereinkommens angewendet wird, kann auch die Konzeption des SPS-Übereinkommens als solche funktionieren. Anhand der potentiellen Objektivierbar11 Hierzu nur Scott, On Kith and Kine (and Crustaceans), in: Weiler, „The EU, the WTO and the NAFTA“, S. 157 f. m. w. N. 12 Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996–97), S. 750. 13 So beispielsweise Howse, Democracy, Science, and Free Trade, Michigan Law Review 98 (2000), S. 2337 f., 2343. 14 Fraiberg/Trebilcock, Risk Regulation: Technocratic and Democratic Tools for Regulatory Reform, McGill L. J. 43 (1998), S. 857.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

keit von Wissenschaft, der Rolle der Wissenschaft im nationalen Rechtsetzungsprozeß und dem Umgang mit wissenschaftlichen Unsicherheiten soll das Spannungsfeld von Wissenschaft und Regulierung näher ausgeleuchtet werden. Diese Ausführungen beschränken sich – soweit nicht anders gekennzeichnet – auf die rechtliche Lage in Deutschland.15 1. Wissenschaft als Basis regulatorischer Entscheidungsfindung Der Gesetzgeber ist in Deutschland durch die demokratische Legitimation materiell und durch die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes auch formell berechtigt, in bestimmten Materien gesetzliche Regelungen zu treffen.16 Hinzu kommt, daß Schutz und Förderung der öffentlichen Gesundheit – zumindest in Deutschland und den meisten anderen westlichen Staaten – eine grundlegende Pflicht von Staaten ist.17 In einem nationalen regulatorischen Prozeß wird vor Erlaß eine Schutzmaßnahme in der ersten Stufe zunächst die wissenschaftliche Grundlage geschaffen, aufgrund derer die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Gesundheitsgefährdung eingeschätzt wird. Ziel der Verwendung von Wissenschaft bei Risikoermittlung und Risikobewertung ist die rechtliche Rationalisierung der zu treffenden Entscheidungen.18 In der zweiten Stufe ist zu entscheiden, welche regulatorischen Maßnahmen aufgrund dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ergreifen sind.19 Subjektive Wertungen sind auf dieser Stufe unumgänglich. Zum einen ist Wissenschaft nur in seltenen Fällen unumstritten und eindeutig. Zum ande15 Grundlegend: Ladeur, The Integration of Scientific and Technological Expertise into the Process of Standard-Setting According to German Law, in: Joerges/ Ladeur/Vos, „Integrating Scientific Expertise into Regulatory Decision-Making“, S. 77 ff. 16 Art. 70 ff. GG. 17 Correa, Implementing National Public Health Policies in the Framework of WTO Agreements, JWT 34 (2000), S. 89 ff. m. w. N. Zur Gewährung von Sicherheit als Staatszweck: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 35 ff.; das Gegenstück hierzu bilden grundrechtliche Schutzpflichten als status positivus libertatis, die in ihrer Gesamtheit als Grundrecht auf Sicherheit bezeichnet werden: so Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 27 ff. 18 Summary Report on the SPS Risk Analysis Workshop, G/SPS/GEN/209 vom 3. November 2000, Para. 13; Wahl/Appel, Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl, „Prävention und Vorsorge“, S. 106 f. 19 In Art. 95 EG, der als Rechtsgrundlage für die Rechtsangleichung im Binnenmarkt der EU dient, heißt es: „Die Kommission geht in ihren Vorschlägen [. . .] in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus und berücksichtigt dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser).

II. Wissenschaft und Regulierung im nationalen Rechtsetzungsprozeß

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ren wird vom Gesetzgeber erwartet, aufgrund des verfügbaren wissenschaftlichen Materials auch bei wissenschaftlichen Unsicherheiten die regulatorischen Konsequenzen zu ziehen.20 Nationale Rechtssetzungsakte, auch im Bereich gesundheitsschützender Maßnahmen, werden demnach nicht ausschließlich aufgrund eindeutiger wissenschaftlicher Kriterien erlassen. Wissenschaft ist in der Lage, bestimmte Bereiche zu umschreiben, die reguliert werden müssen; aber in einen nationalen legislativen Prozeß fließen auch ethisch-moralische Vorstellungen, kulturelle und politische Aspekte sowie häufig eine Politik der Vorsorge mit ein.21 Wirth schreibt hierzu: „Regulations to protect public health involve social policy choices. Because the regulatory process is not wholly scientific, science cannot provide all the answers.“22

Nicht-wissenschaftliche Aspekte spielen insbesondere bei der Entscheidung eine Rolle, welches Gefahrenrisiko für die eigene Bevölkerung akzeptabel ist und auf welchem Level die Schutzstandards zu setzen sind. So hat das Europäische Parlament beispielsweise neben den von der Codex Alimentarius Kommission angewendeten Kriterien der Qualität, Sicherheit und Leistungsfähigkeit („efficacy“) ein viertes Kriterium bei der Festsetzung von Lebensmittelstandards vorgeschlagen. Nach diesem sogenannten „social need test“ sollen auch Faktoren wie Tierschutz, Einwirkungen auf die Umwelt, wirtschaftliche Auswirkungen auf die Landwirte und die Gesellschaft, sowie soziale und wirtschaftliche Effekte berücksichtigt werden.23 Wissenschaft kann daher einen regulatorischen Prozeß in Gang setzen und unterstützen, aber Wissenschaft ist nicht in der Lage, das Ergebnis dieses Prozesses allein zu entscheiden.24 Wenn zum Beispiel wissenschaftlich 20 Hughes, Limeting the Jurisdiction of Dispute Settlement Panels, Geo. Int’l Envt’l L. 10 (1997/98), S. 929. 21 In dem Verfahren United States – Restrictions on Imports of Tuna haben die USA das Einfuhrverbot von mexikanischem Thunfisch damit begründet, daß bei den Fangmethoden der Mexikaner der Delphinbestand gefährdet wäre. Aus rein wissenschaftlicher Sicht ist die hierbei getötete Anzahl an Delphinen jedoch so gering, daß die Art der Delphine nicht gefährdet wird. Beweggründe für dieses Einfuhrverbot waren demnach neben handelspolitischen Aspekten auch ethisch-moralische Faktoren. Panelbericht, DS21/R v. 3. September 1991; Panelbericht DS29/R v. 16. Juni 1994; ebenfalls abgedruckt: Panel Bericht I: ILM 30 (1991), S. 1594; Panel Bericht II: ILM 31 (1992), S. 1588; Panel Bericht III: ILM 33 (1994), S. 839. 22 Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 833. 23 Mueller, Hormonal Imbalance, Drake J. Agric. L. (1997), S. 2 ff. m. w. N. Hierzu insbesondere auch die Ausführungen der Europäischen Kommission zum Recht auf Vorsorge: Kommission der EG, Communication from the Commission on the Precautionary Principle, S. 19 ff.

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nachgewiesen wird, daß die Wahrscheinlichkeit einer Person, aufgrund eines bestimmten Stoffes an Krebs zu erkranken, eins zu einer Millionen beträgt, so ist es letztlich eine politisch-soziale Entscheidung, dieses Risiko durch ein Totalverbot dieses Stoffes auf Null zu reduzieren oder nicht zu berücksichtigen. 2. Staatliche Entscheidung unter wissenschaftlicher Unsicherheit Die Entscheidungen staatlicher Organe sollen idealerweise präzise und bestimmt sein. Voraussetzung hierfür ist die Sicherheit in der tatsächlichen Einschätzung. Doch auch in Fällen von Unsicherheit, also bei unvollkommenen Informationen,25 werden staatliche Entscheidungen erwartet. Spätestens hier beginnen die legislativen Schwierigkeiten, da sich die gewohnte Präzision nicht ohne weiteres erreichen läßt.26 Aus der Dynamik naturwissenschaftlicher, technischer und gesellschaftlicher Vorgänge in der Zukunft und ihrer Unvorhersehbarkeit in der Gegenwart entsteht die Unsicherheit, die Individuen, Gesellschaft und Staat zunehmend wahrnehmen.27 Die meisten der bisher im Bereich Risikoforschung und Risikoentscheidung in der Rechtswissenschaft veröffentlichten Beiträge haben sich mit der Fragen des effektiven Risikomanagements und richterlicher Kontrolldichte auseinandergesetzt, also dem Zustand nach der staatlichen Entscheidung unter wissenschaftlicher Unsicherheit.28 An dieser Stelle soll dagegen 24 Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 833. 25 Unsicherheit ist Folge fehlender Information. An dieser Stelle werden nur solche Unsicherheiten behandelt, deren Ursache in fehlender Information über Tatsachen aus dem naturwissenschaftlich-technischen Kontext liegen. Regelmäßig handelt es sich hierbei um Unsicherheiten bei Zurechnung und Kausalität sowie naturwissenschaftlich erfaßbarer Zusammenhänge und die Wirkung menschlicher Intervention auf solche Zusammenhänge. 26 Grundlegend: Engel, Rechtliche Entscheidungen unter Unsicherheit. 27 Hierzu die ausführliche Analyse von Spiecker, Staatliche Entscheidungen unter Unsicherheit. 28 Breuer, Probalistische Risikoanalysen und Gentechnikrecht, NuR 1994, S. 157 ff.; Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat; ders., Entscheidungsprobleme der Risikoverwaltung, NuR 1991, S. 353; ders., Verwaltungsentscheidung durch externen Sachverstand, VerwArch 1990, S. 193 ff.; Engel, Risikovorsorge im demokratischen Rechtsstaat, Die Verwaltung 1986, S. 265 ff.; Ladeur, Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft; ders., Gefahrenabwehr und Risikovorsorge bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen nach dem Gentechnikgesetz, NuR 1992, S. 254 ff.; Pildes/Sunstein, Reinventing the Regulators State, The University of Chicago Law Review 62 (1995), S. 1 ff.; Scherzberg, Risiko als Rechtsproblem, VerwArch 1993, S. 484 ff.; Wahl, Prävention und Vorsorge. Zu vertraglichen Risikozuordnungen nach der Privatautonomie: Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand.

II. Wissenschaft und Regulierung im nationalen Rechtsetzungsprozeß

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bereits der Zeitpunkt vor oder während der Entscheidung selbst untersucht werden.29 Entscheidungssituationen des Staates30 – solche Situationen, in denen eine Wahlmöglichkeit zwischen mindestens zwei Handlungsalternativen bestehen – setzten Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungsreife voraus.31 Zunächst steht das Bestreben im Vordergrund, die Ungewißheit zu verringern.32 Falls diese Ungewißheit nicht behoben werden kann, so stehen dem Staat jedenfalls mindestens zwei Handlungsalternativen zur Wahl: Verzicht auf jegliches Handeln oder Erlaß einer staatlichen regulatorischen Maßnahme. In beiden Fällen können Legislative und Exekutive die letzte verbleibende Unsicherheit im Rahmen ihres legislativen Prognose- und Entscheidungsspielraums33 sowie exekutivischen Beurteilungsspielraumes34 ausfüllen, die der richterlichen Kontrolle nationaler Gerichte unterworfen ist.35 Hierbei bedient sich der Gesetzgeber diverser Hilfsmittel (Wissenschaftspolitik, Risikomanagement, Verhältnismäßigkeitsprinzip), die in diesem Abschnitt vorgestellt werden. Zuvor ist allerdings noch eine subjektive Komponente zu untersuchen. 29 Der Problemkomplex nationaler Ermessensspielraum und Kontrolldichte der WTO-Streitschlichtungsorgane wird erst unten behandelt, siehe E.II. 30 Mit „Staat“ wird im folgenden sowohl der Gesetzgeber als auch die Verwaltung in ihrer normkonkretisierenden Eigenschaft und als Entscheidungsträger im Einzelfall bezeichnet. Zur Literatur über die normenkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften nur: Erbguth, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, DVBl 1989, S. 473; Gerhardt, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, NJW 1989, S. 223; Hill, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, NVwZ 1989, S. 401 und Faßbender, Neues zur Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, UPR 2002, S. 15 ff. 31 Spiecker, Staatliche Entscheidungen unter Unsicherheit, S. 13. 32 Hierbei gibt es die Möglichkeit der Erhebung von zusätzlichen Tatsachen (Informationsgewinnung) sowie der Übertragung von Erkenntnissen über Zusammenhänge aus anderen Themen- und Informationsfeldern. Ob grundsätzlich eine dementsprechende Pflicht des Staates besteht, weitere Informationen zur Verminderung von Unsicherheiten zu erlangen, ist zweifelhaft. Eine solche Pflicht bestünde wohl nur unter bestimmten Voraussetzungen, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem darin verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ableiten ließen; weiterführend: Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: mit einer exemplarischen Darstellung seiner Geltung im Atomrecht, S. 27 ff. 33 Dieser legislative Spielraum ist geltendes Recht und durch die Rechtsprecheung als gefestigt anzusehen; vgl. nur BVerfGE 52, 1 (20); 20, 292 (317); 50, 290 (332 f.); 62, 1 (50); 76, 1 (50 f.); 78, 249 (287); 90, 145 (173). 34 Hierzu nur: BVerwGE 8, 272 (273 f.); 34, 301 (304); 39, 197 (203 f.); 62, 330 (338 ff.); Kloepfer, Umweltrecht, Rdn. 46 m. w. N. 35 Zur Problematik „Beurteilungsspielraum und Kontrolldichte der Streitschlichtungsorgane im WTO-Kontext“ siehe ausführlich unten E.2.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

a) Risikowahrnehmung Risiko wird als Gefahr planwidriger Entwicklung verstanden.36 „Risiko“ kann als ein die „Gefahr“ umfassender Oberbegriff angesehen werden.37 Für die regulatorische Entscheidungsfindung stellt sich das Problem der unterschiedlichen Wahrnehmung von Risiken.38 Hierbei unterscheidet sich die Risikowahrnehmung nicht nur von Fachleuten und Laien, sondern auch innerhalb der Bevölkerung auf Laienebene.39 Als Grund für diese erheblichen Unterschiede in der Wahrnehmung wird die subjektiv selektive Wahrnehmung von Individuen angeführt:40 Risiken werden viel stärker wahrgenommen, wenn die Betroffenen in der nahen Vergangenheit mit einer ähnlichen Gefahr konfrontiert worden sind. Risiken, die freiwillig eingegangen wurden, bewerten die meisten Personen viel niedriger als die gleich große Gefahr, der sie durch Dritte ausgesetzt sind.41 Darüber hinaus ist die Furcht vor lebensbedrohlichen Krankheiten wie Krebs oder Aids und vor Katastrophen – wie etwa einem Nuklearunfall – wesentlich höher, als es der mathematischen Wahrscheinlichkeit entsprechen würde.42 Zudem sind potentielle Gefahren schneller ersichtlich, wenn man zuvor hierfür sensibilisiert worden ist und gezielt danach sucht.43 Hieraus folgt ein Bild der Gesellschaft, deren Mitglieder objektiv sicherer leben denn je, sich jedoch paradoxerweise subjektiv immer unsicherer fühlen.44 Aus diesen Zusammenhängen können sich aus neutraler Sicht auch irrationale Wahrnehmungen ergeben, die weder logisch noch konsequent sind. 36

Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 23. Ladeur, Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft – von der Gefahrenabwehr zum Risikomanagement, S. 76 ff.; zur Entwicklung des Risikobegriffs im Recht: Wahl, Risikobewertung und Risikobewältigung im Lebensmittelrecht, ZLR 1998, S. 278 ff. 38 Hierzu ausführlich: Pildes/Sunstein, Reinventing the Regulatory State, The University of Chicago Law Review 62 (1995), S. 33 ff. Diese Studie ist erkenntnisreich, da sie auf breit angelegten empirischen Untersuchungen über Risikowahrnehmung und Risikobewertung fußt. 39 Pildes/Sunstein, Reinventing the Regulatory State, The University of Chicago Law Review 62 (1995), S. 37. 40 In diesem Sinne Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 8. 41 Das haben Befragungen von Forschern und ihren Hilfskräften bei riskanten Laborexperimenten ergeben: Pildes/Sunstein, Reinventing the Regulatory State, The University of Chicago Law Review 62 (1995), S. 50 und 58. 42 Pildes/Sunstein, Reinventing the Regulatory State, The University of Chicago Law Review 62 (1995), S. 51 und 57. 43 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 62 f., 242. 44 Wahl/Appel, Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl, „Prävention und Vorsorge“, S. 107. 37

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Als Beispiel hierfür können die Bedenken europäischer Verbraucher gegen hormonbehandeltes Rindfleisch angeführt werden. Die Verbraucher sind durch Medienberichte über Mißbrauch von Wachstumshormonen und Spekulationen über deren mögliche krebserzeugende Wirkung so stark sensibilisiert worden, daß teilweise panische Ängste und schließlich allgemeiner Boykott von Rindfleisch die Folge waren.45 Diese Reaktionen standen aus objektiver Sicht im krassen Mißverhältnis zu den wissenschaftlich tatsächlich nachweisbaren Risiken.46 Aus diesen Ängsten können Situationen entstehen, in denen nationale Gesetzgeber durch ihre Verbraucher faktisch gezwungen werden, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, bevor ein endgültiger wissenschaftlicher Nachweis für Gesundheitsgefahren vorliegt.47 Diese Tatsache wird von der Europäischen Kommission ebenfalls gesehen und unter anderem auch auf die fortschreitende technologische Entwicklung zurückgeführt: „Due to the advances in communication technology, the public is becoming aware of potential risks and demands governmental action before scientific research has been able to fully illuminate the problems.“48

b) Wissenschaftliche Unsicherheit Der Begriff Unsicherheit wird in dieser Studie entscheidungsorientiert verwendet, da Unsicherheit der Legislative oder Exekutive zwangsläufig mit einer Entscheidungssituation verknüpft ist. Unsicherheit beruht auf Informationsdefiziten in bezug auf zweck-, aufgaben- oder entscheidungsorientiertes Wissen.49 Unsicherheit erfaßt den Zustand vor einer Entscheidung zwischen mehreren Handlungsalternativen unter bestehenden Wissensdefiziten. Im Zusammenhang mit nationalen SPS-Maßnahmen geht es regelmäßig um Unsicherheiten, die wissenschaftlichen Ursprungs sind, d. h. wissenschaftlich nicht nachgewiesene Fakten. Da Wissenschaft nur in Ausnahmefällen eindeutig ist, scheint es unvermeidlich, wissenschaftliche Unsicherheiten in die Risikobewertung mit ein45 „Is the Veal Real?“, Newsweek vom 13. Oktober 1980, S. 16; „ÖstrogenAffäre“, Der Spiegel vom 10. November 1980, S. 130 ff.; „Tier-Droge auf dem Schwarzmarkt“, Der Spiegel vom 27. Oktober 1980, S. 112 ff. 46 Kommission der EG, Opinion of the Scientific Committee on Veterinary Measures Relating to Public Health, S. 21 ff. Zu den wissenschaftlichen Untersuchungen in der EG siehe ausführlich B.I.2.a). 47 So die Gesetzgebungsorgane der EG bei dem Verbot von hormonbehandeltem Fleisch; siehe B.I.2.a). 48 Kommission der EG, Communication from the Commission on the Precautionary Principle, S. 8. 49 Spiecker, Staatliche Entscheidungen unter Unsicherheit, S. 2 f.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

zubeziehen. Diese bergen bei Risikobewertungen ein nicht unerhebliches Fehlerpotential und machen diese unpräzise. Solche Unsicherheiten resultieren aus der Wahl spezifischer Variablen zur Erlangung von Daten, den getätigten Messungen, den entnommenen Stichproben, den verwendeten mathematischen Formeln sowie den herangezogenen Vergleichsmaßstäben.50 Die United States Environmental Protection Agency („EPA“) klassifiziert wissenschaftliche Unsicherheiten in drei weitgefaßte Kategorien: – Messungsunsicherheiten, – Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Verwendung wissenschaftlicher Muster, – Datenlücken.51 Das Ausmaß an Unsicherheit ist einerseits von Materie zu Materie verschieden; andererseits können sich im Laufe der Zeit wissenschaftliche Erkenntnisse über Kausalverläufe vertiefen.52 Aus Sicht staatlicher Organe, die unter wissenschaftlichen Unsicherheiten handeln müssen, stellt sich das Problem, daß von ihnen jederzeit klare und eindeutige Aussagen und Maßnahmen erwartet werden. Sie können sich im Einzelfall regelmäßig nicht darauf berufen, aufgrund unsicherer Daten untätig bleiben zu müssen.53 Hieraus wird ersichtlich, daß der Dialog zwischen Entscheidungsträgern und Naturwissenschaftlern von unterschiedlichen Verständnissen und Interessen geprägt ist: Während es bei Naturwissenschaftlern primär um die Feststellung von Wahrscheinlichkeiten geht, beginnt für die staatliche Entscheidungsträger das Problem in aller Regel dort, wo die Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten schwierig oder unmöglich ist, aber dennoch gehandelt werden muß. Naturwissenschaftler ermitteln und analysieren objektive Wahrscheinlichkeiten, dagegen steht für staatliche Entscheidungsträger die Frage im Vordergrund, welcher Grad von Gewißheit gegeben sein muß, um Maßnahmen einführen zu können oder zu müssen.54 Sie stehen vor dem 50 U. S. Environmental Protection Agency (EPA), Memorandum: EPA Risk Characterization Program, S. 21. März 1995 (www.epa.gov/ordntrnt/ORD/spc/ rccover.htm). 51 EPA, Science Policy Council, Guidance for Risk Characterisation, Februar 1995, S. 8 f., (www.epa.gov/ordntrnt/ORD/spc/rcguide.htm); die Umschreibung wissenschaftlicher Unsicherheit der Europäischen Kommission geht in dieselbe Richtung: Kommission der EG, Communication from the Commission on the Precautionary Principle, S. 14. 52 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 88 und 162. 53 Bazelon, Science and Uncertainty, H. Env. L. R. 5 (1981), S. 213. 54 Wahl/Appel, Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl, „Prävention und Vorsorge“, S. 108 f. m. w. N.

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Dilemma, sich für oder gegen eine Maßnahme entscheiden zu müssen. Um diesem Dilemma zu entkommen, sind Lösungen zu finden, die sich regelmäßig im Bereich der Politik finden lassen. c) Wissenschaftspolitik Derjenige, der eine Risikobewertung durchführt, muß häufig zwischen wissenschaftlich plausiblen Alternativen wählen, nachdem er alle verfügbaren wissenschaftlichen Informationen berücksichtigt hat. Wenn jedoch die verfügbaren wissenschaftlichen Informationen keine eindeutigen Antworten liefern, dann müssen zwangsläufig Wertungen in die Risikobewertung integriert werden (sog. „science policies“ – Wissenschaftspolitik). Zu dieser Wissenschaftspolitik gehört beispielsweise die auf einer Vermutung basierende Schlußfolgerung, daß ein bestimmter Stoff, der bei Labortieren Krebs erzeugt, auch für Menschen krebserzeugend wirken kann.55 Bei Einführung regulatorischer SPS-Maßnahmen wird eine solche Wissenschaftspolitik deshalb erforderlich, weil den rein wissenschaftlichen Erkenntnissen Grenzen gesetzt sind. Zwar sollte eine Risikobewertung so wissenschaftlich wie möglich und mit so wenig politischen Einflüssen wie nötig durchgeführt werden, aber spätestens beim Auftauchen wissenschaftlicher Unsicherheiten und der Wahl zwischen wissenschaftlich plausiblen Alternativen müssen andere als rein wissenschaftliche Erwägungen miteinbezogen werden.56 Es handelt sich hierbei eher um eine Politik, welche die weiteren Ziele der Gefahrenregulierung miteinbezieht. Hierbei ist politischwertend über Wahrscheinlichkeiten eines ausreichenden Schutzes zu entscheiden. Die Art und Weise dieser Entscheidung und das Wissen um ihren „kompromißhaft-konsensualen“ Charakter kann als Gradmesser gesehen werden für die Reife und die Bereitschaft einer Gesellschaft, sich den Risiken zu stellen, die sie selbst produziert.57 d) Risikomanagement Jene Faktoren außerhalb rein wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie der Ausgleich von gegensätzlichen gesellschaftlichen Zielen (z. B. Kosten und 55 Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 260. 56 Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996–97), S. 737. 57 In diesem Sinne: Wahl/Appel, Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl, „Prävention und Vorsorge“, S. 110 m. w. N.

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Nutzen einer Maßnahme) und die Behandlung wissenschaftlicher Unsicherheiten können als Risikomanagement („risk management“) umschrieben werden.58 Zu diesem Risikomanagement gehört insbesondere auch die Entscheidung des Gesetzgebers, welche Maßnahmen aufgrund von verfügbaren wissenschaftlichen Daten ergriffen werden. Der Staat muß eine solche Maßnahme aus mehreren potentiellen Möglichkeiten auswählen und in diese Entscheidung mehrere Faktoren miteinbeziehen. Folgende Faktoren sind bei Einführung einer nationalen SPS-Maßnahme zu berücksichtigen; sie sind dem Oberbegriff Risikomanagement unterzuordnen:59 – Auswirkungen der SPS-Maßnahme auf den internationalen Handel, – diskriminierende Wirkungen der SPS-Maßnahme, – ökonomische Effizienz und technische Durchführbarkeit (Kosten-NutzenAnalyse), – Kohärenz des Schutzniveaus, – Stellungnahmen tangierter Verbände und Individuen, – Umwelt- und Tierschutz, – andere Gemeinwohlziele wie etwa soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Wertvorstellungen, – Gesichtspunkte des vorbeugenden Gesundheitsschutzes, – Berücksichtigung der wissenschaftlichen Entwicklung. Für die nationale Regulierung von Gefahren sind zudem folgende Elemente und Fragen relevant:60 – die Gefahr in ihrer Eigenschaft als Katastrophe; – ob die Gefahr kontrollierbar bleibt; – inwieweit die Gefahr irreparable oder bleibende Schäden verursacht; – die sozialen Bedingungen, unter denen eine spezifische Gefahr entsteht und kontrolliert wird (in diesem Zusammenhang werden Einwilligung, Freiwilligkeit und demokratische Kontrolle genannt); – wie verteilbar oder konzentriert sich die Gefahr darstellt bezüglich identifizierbarer, unschuldiger oder traditionell benachteiligter Opfer (hier 58 So auch das Panel im Hormonstreit, USA Panelbericht, Paras. 8.94 und 8.95; Kanada Panelbericht, Paras. 8.97 und 8.98. 59 Hierzu unter anderem Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 833 f.; Landwehr, Globalisierung, Freihandel und Gesundheitsschutz, S. 68. 60 Sunstein/Pildes, Reinventing the Regulatory State, The University of Chicago Law Review 62 (1995), S. 133.

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werden Elemente von Gemeinschaft und Moral gleichermaßen berücksichtigt); – wie gut die Gefahr verstanden wird und zu vermitteln ist; und – die Zeitdimension von Unsicherheit: Es ist zu fragen, wann die Folgen der Entscheidung und ein potentieller Schaden eintreten können (innerhalb kurzer Frist oder erst in den nächsten Generationen). Risikomanagement ist als Begriff im deutschen Gesetzgebungsverfahren anerkannt.61 Auf WTO-Ebene ist dieser Begriff in den Vertragstexten nicht niedergelegt. Obwohl – wie das Berufungsgremium im Hormonstreit richtigerweise feststellte62 – der Term Risikomanagement selbst im SPS-Übereinkommen nicht auftaucht, wurde das SPS-Übereinkommen von den Streitschlichtungsorganen dahingehend ausgelegt, daß es den Mitgliedern Raum läßt, unterschiedliche Politik anzuwenden, solange diese in wissenschaftlichen Grundsätzen begründet ist.63 e) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Regelmäßig erfolgt die Überprüfung gesetzgeberischen Handelns in Deutschland im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.64 Staatliche Organe haben daher schon zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung einer SPS-Maßnahme den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen Maßnahmen zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist im Rechtsstaatsprinzip begründet65 und völkerrechtlich66 sowie europarechtlich67 anerkannt.68 Auch im 61 Hierzu nur Ladeur, Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft – von der Gefahrenabwehr zum Risikomanagement; Riedel, Risikomanagement im öffentlichen Recht; Kischel, Risikomanagement im öffentlichen Recht aus rechtsvergleichender Sicht, UPR 1996, S. 437 ff. 62 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 180 f. 63 Zu diesem Recht der WTO-Mitglieder, ihr angemessenes Schutzniveau eigenständig festzulegen, siehe E.I.2. 64 Üblicherweise wird der Prognosespielraum bei den Punkten Geeignetheit und Erforderlichkeit des durch den Gesetzgeber gewählten Mittels thematisiert. 65 Zu den Anfängen der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, s. nur Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 98 (1973), S. 568 ff.; zu der politikentscheidenden Funktion des Bundesverfassungsgerichts mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Engel, The Constitutional Court – applying the proportionality principle – as a subsidiary authority for the assessment of the political outcomes, S. 13 ff., 24. 66 Hierzu nur Case Concerning the Gabcikovo-Nagymaros Projekt (Ungarn – Slowakei), Urteil v. 25. September 1997, ICJ Rep. 1997 (7), Para. 85.

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SPS-Übereinkommen finden sich Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wieder.69 Die Anwendung des Kontrollinstrumentes Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Überprüfung staatlichen Prognose- und Entscheidungsspielraums wird bei wissenschaftlicher Unsicherheit zunehmend schwieriger.70 Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen eine SPS-Maßnahme erlassen wurde, obwohl aufgrund wissenschaftlicher Unsicherheit noch gar nicht geklärt ist, ob überhaupt eine Gesundheitsgefährdung und damit staatlicher Handlungsbedarf besteht. Vom Gesetzgeber ist vor Einführung einer SPS-Maßnahme bei wissenschaftlicher Unsicherheit auf Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes folgende Prüfung durchzuführen:71 – Zunächst ist das Ziel der Maßnahme zu ermitteln. Bei SPS-Maßnahmen ist das legitime Ziel grundsätzlich der Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen. – In der Geeignetheitsprüfung stellt sich häufig das Problem, daß bei wissenschaftlichen Unsicherheiten zum Zeitpunkt der Einführung der Maßnahme noch nicht absehbar ist, welche Maßnahmen konkret geeignet sind, das anvisierte Ziel zu erreichen. Somit ist es wahrscheinlich, daß der Gesetzgeber bei schweren potentiellen Gefahren das Risiko auf null reduziert, und ein Totalverbot ausspricht (so hat etwa die EG die Verwendung von Hormonen in der Viehzucht und die Einfuhr von hormonbehandeltem Fleisch gänzlich verboten). – In die Prüfung der Erforderlichkeit kann nur eine Maßnahme einbezogen werden, die mit gleicher Sicherheit wie eine in Betracht gezogene andere Maßnahme das anvisierte Ziel zu erreichen verspricht. Da das angestrebte Ziel solcher Maßnahmen bei wissenschaftlichen Unsicherheiten häufig unpräzise gefaßt ist, kann eine Vergleichbarkeit bei einer unter Unsicherheit ergangenen Zielformulierung meist gar nicht hergestellt werden; das mildere Mittel läßt sich kaum bestimmen, wenn sichere und unsichere Maßnahmen einander gegenüberstehen. – Die Erforderlichkeit gesetzgeberischen Handelns hat sich daran zu orientieren, daß Ungewißheit Wandlungen unterworfen ist, die sich aus Informationszuwachs ergeben. 67 Zum erstenmal wohl in EuGH, Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft gegen Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, Slg. 1970, S. 1125. 68 Zusammenfassend: Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 27 ff. 69 Art. 5 Abs. 6 SPS; siehe hierzu ausführlich E.I.2.b). 70 Spiecker, Staatliche Entscheidungen unter Unsicherheit, S. 21 f. m. w. N. 71 Ausführlich hierzu: Spiecker, Staatliche Entscheidungen unter Unsicherheit, S. 23 ff.

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– In der Angemessenheit sind die Schutzgüter zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen. Hierbei ist zu berücksichtigen, in welcher Intensität die Schutzgüter beeinträchtigt sind. 3. Anmerkungen Im Ergebnis haben staatliche Organe in Deutschland bei Erlaß einer SPSMaßnahme unter wissenschaftlicher Unsicherheit eine Reihe von Kriterien zu berücksichtigen, was in der Konsequenz zu einer „vergleichenden Nachteiligkeitsprognose“ führt.72 Der Gesetzgeber hat die von ihm ermittelten Handlungsalternativen hinsichtlich der Intensität potentieller Nachteile zwischen gegenwärtigem und zukünftigen Handeln zu bewerten. Er darf handeln, wenn zu erwarten ist, daß bei Verwirklichung eines Risikos ähnlich wirksame Gegenmaßnahmen in Zukunft nicht den gleichen Erfolg erzielen können.73 Die Wiederherstellbarkeit bedrohter Rechtsgüter ist bei dieser Entscheidung maßgeblich, so daß Gefahren für nicht restitutive Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit gewichtiger zu beurteilen sind, als Risiken für ersatzfähige Rechtsgüter wie Eigentum. Die obenstehenden Ausführungen werfen bei bloßem Risikopotential eine Reihe von Fragen auf: Ob und inwieweit hypothetische Risiken einbezogen werden müssen und können, wie wahrscheinlich hypothetische Risikoszenarien sein dürfen und ab wann ein hypothetisches Risiko als plausibel gilt, ist national noch klärungsbedürftig.74 Der Gesetzgeber stößt mit seinen Risikobewertungen in zunehmenden Maße an die Grenzen des Normierbaren. Angesichts bestehender Unsicherheiten und einer dynamischen wissenschaftlichen Entwicklung kann er nicht ein für alle mal gültige, für jeden Einzelfall gleichermaßen brauchbare Vorgaben treffen. Für komplexe und dynamische Sachbereiche ist daher weitgehend anerkannt, daß die konkrete Aufgabe der Risikobewertung und die Verarbeitung von Unsicherheiten auf die Exekutive und den von dieser einzuschaltenden wissenschaftlichen Sachverstand verlagert werden kann.75 Bei Bewältigung von Unsicherheiten kann dem Recht durch Nachbarwissenschaften wie Naturwissenschaft geholfen werden. Sie erweitern und 72 Zu diesem Begriff: Spiecker, Staatliche Entscheidungen unter Unsicherheit, S. 25. 73 In diese Richtung BVerfGE 25, 17. 74 Zum Beispiel des Elektrosmogs: OVG, NVwZ 1993, S. 1115; Roßnagel/Neuser, Die rechtliche Regulierung des Elektrosmogs, UPR 1993, S. 401; Wahl/Appel, Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl, „Prävention und Vorsorge“, S. 112 m. w. N. 75 Wahl, Riskobewertung der Exekutive und richerliche Kontrolldichte, NVwZ 1991, S. 409 f. m. w. N.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

schärfen das Problemverständnis des Rechts, reichern den Lösungsvorrat an und machen auf die Begrenztheit vorhandener Lösungen aufmerksam. Jedoch kann das Recht diese Erkenntnisse nicht einfach übernehmen.76 Sicherheit für die Bevölkerung ist selten; absolute Sicherheit für die menschliche Gesundheit ist in einem freiheitlichen Staat nicht möglich.77 Dem staatlichen Entscheidungsträger bleibt in Fällen wissenschaftlicher Unsicherheit nur der Rückgriff auf politische Hilfsinstrumente. Wissenschaftspolitik, Risikomanagement und das Verhältnismäßigkeitsprinzip bieten Ansatzpunkte, an denen sich nationale Entscheidungsträger unter Unsicherheit orientieren können. Es zeigt sich hierbei, daß Wissenschaft im nationalen Rechtsetzungsprozeß eng verknüpft ist mit gesellschaftspolitischen Fragen. Es scheint, als sollte die tatsächliche Verknüpfung von Wissenschaft und Politik/Gesellschaft nach der Konzeption des SPS-Übereinkommens im WTO-System künstlich getrennt werden. Die beratende Funktion von Naturwissenschaftlern soll sich auf rein technische Fragen beschränken und subjektive Einschätzungen unberücksichtigt lassen. Es soll eine scharfe Grenze zwischen wissenschaftlich nachweisbaren Tatsachen und subjektiven Werten gezogen werden.78 Inwieweit eine solche Grenzziehung im SPS-Übereinkommen tatsächlich gewollt ist und die dargestellten tatsächlichen Gegebenheiten beim Erlaß einer SPS-Maßnahme unter der Konzeption des SPSÜbereinkommens in seiner praktischen Anwendung berücksichtigt werden, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

III. Risikobewertung als zentrale Pflicht des SPS-Übereinkommens Auf WTO-Ebene wurde in Art. 5 Abs. 1 SPS ein neuer „Wissenschaftlichkeits-Test“ in das WTO-Recht eingeführt. Mit dieser Risikobewertung („risk assessment“) soll insbesondere der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wissenschaftlich untersucht werden.79 76

Engel, Rechtliche Entscheidungen unter Unsicherheit, S. 47. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 41 f. 78 Vgl. Jasanoff, The Fifth Branch: Science Advisers as Policymakers, Harvard UP (1990), S. 23. 79 Die deutsche Übersetzung Risikobewertung (engl. „risk assessment“), die auch in der Übersetzung des SPS-Übereinkommens verwendet wird, ist irreführend. „Risk assessment“ sollte ausschließlich auf wissenschaftlichen Studien beruhen und keine subjektiven Wertungen enthalten wie der Begriff Risikobewertung impliziert. Besser wäre vielleicht der deutsche Term „Risikoanalyse“ oder „Risikoermittlung“. 77

III. Risikobewertung als zentrale Pflicht des SPS-Übereinkommens

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Eine Risikobewertung hat immer dann zu erfolgen, wenn eine Maßnahme eingeführt werden soll, die ein höheres Schutzniveau festlegt als in internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen vorgesehen ist. Die Durchführung einer solchen Risikobewertung ist in Art. 5 Abs. 1 SPS beschrieben: „Die Mitglieder stellen sicher, daß ihre gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen auf einer den Umständen angepaßten Bewertung der Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen beruhen, wobei die von den zuständigen internationalen Organisationen entwickelten Risikobewertungsmethoden zugrunde gelegt werden.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Das Berufungsgremium im Hormonstreit macht deutlich, daß in Art. 5 Abs. 1 SPS die allgemeine Verpflichtung der Mitglieder nach Art. 2 Abs. 2 SPS näher ausgeführt wird80 und diese Vorschrift immer im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 SPS zu lesen ist.81 Art. 2 Abs. 2 SPS besagt: „Die Mitglieder stellen sicher, daß eine gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme nur insoweit angewendet wird, wie dies zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen notwendig ist, auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruht und außer in Fällen nach Artikel 5 Absatz 7 nicht ohne hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis beibehalten wird.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

In Japan – Agricultural Products82 haben sich die Streitschlichtungsorgane bisher zum ersten und einzigen Mal mit der Frage auseinandergesetzt, wann von einem „hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis“ gemäß Art. 2 Abs. 2 SPS gesprochen werden kann. Danach setzt „hinreichend“ das Bestehen einer adäquaten objektiven Verbindung („rational relationship“) zwischen den beiden Elementen SPS-Maßnahme und wissenschaftlichem Nachweis voraus. Die Prüfung, ob eine solche objektive Verbindung gegeben ist, erfolgt von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles einschließlich der Merkmale der streitigen SPSMaßnahme und der Qualität sowie Quantität der wissenschaftlichen Nachweise.83 Im konkreten Fall haben Panel und Berufungsgremium entschieden, daß diese Voraussetzungen für Japans Einfuhrbedingung, für jede Sorte Obst einen separaten Test durchzuführen (sogenanntes „varietal testing requirement“) nicht gegeben waren. Die SPS-Maßnahme Japans sei daher ohne hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis beibehalten worden.84 Das Be80

So auch das Panel, Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.93; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.96. 81 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 180. 82 Zu diesem Streitschlichtungsverfahren im Überblick, siehe B.III.3. 83 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Paras. 73 und 84.

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rufungsgremium kam zu dem Schluß, daß zwischen der SPS-Maßnahme und den wissenschaftlichen Nachweisen keine zweckmäßige Verbindung bestehe. Japans Importverbot könne allein schon deshalb nicht auf einer Risikobewertung für Schädlinge beruhen, weil der vorgebrachte wissenschaftliche Nachweis die streitige SPS-Maßnahme überhaupt nicht erwähne.85 1. Durchführung der Risikobewertung Verbindliche Vorschriften über die Durchführung einer Risikobewertung enthält das SPS-Übereinkommen nicht. Mitglieder sind in Aufbau und Struktur einer solchen Bewertung relativ frei. Allerdings sollte eine SPSkonforme Risikobewertung folgende Elemente enthalten, die der Koordinator des IPP Sekretariats der FAO, Bob Griffin, auf einem am 19. und 20. Juni 2000 vom SPS-Ausschuß veranstalteten Workshop86 speziell zu dem Thema Risikobewertung benannte: – Identifizierung der Gefahr (hazard identification) – Risikocharakterisierung (risk characterization) – Abschätzung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens (estimate the magnitude of the consequence) – Erkennen und Benennen von Unsicherheit (recognize uncertainty) – Zusammenfassung der Ergebnisse (summarize conclusions).87 Nach Auffassung der Europäischen Kommission besteht die Risikobewertung aus den vier Komponenten hazard identification, hazard characterization, appraisal of exposure und risk characterisation.88 Im Ergebnis unterscheiden sich die beiden Ansätze nur marginal. Zunächst werden die potentiellen biologischen, chemischen oder physikalischen Gefahrenquellen auf der Grundlage von epidemiologischen, toxikologischen und anderen klinischen Forschungsergebnissen identifiziert und die möglichen negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bestimmt. 84

Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para 85; Panelbericht, Para

8.43. 85

Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Paras. 84 ff. Herr Alejandro Thiermann (USA) leitete die Konferenz der über 130 Teilnehmer (eine Aufzählung der Teilnehmer ist in dem Dokument G/SPS/INF/13 vom 19. Juni 2000 enthalten); Summary Report on the SPS Risk Analysis Workshop, G/SPS/GEN/209 vom 3. November 2000. 87 Summary Report on the SPS Risk Analysis Workshop, G/SPS/GEN/209 vom 3. November 2000, 3 ff. 88 Kommission der EG, Communication from the Commission on the Precautionary Principle, Annex III, 29. 86

III. Risikobewertung als zentrale Pflicht des SPS-Übereinkommens

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Danach werden die qualitativen und quantitativen Aspekte des Zusammenhangs von Dosis und Auswirkungen auf die Gesundheit bestimmt. Das Verhältnis von Dosis und Wirkung kann mittels klinischer Studien oder Laborversuche (Tierversuche) untersucht werden. Ziel ist die Ermittlung des Schweregrads der gesundheitsschädigenden Wirkung. In der dritten Stufe wird die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber dem Erreger oder die Substanz quantitativ und qualitativ untersucht. Als Exposition bezeichnet man den Grad der Gefährdung für einen Organismus, der sich aus der Häufigkeit und Intensität aller äußeren Krankheitsbedingungen ergibt, denen der Organismus ausgesetzt ist.89 Ziel ist es, die Zahl der betroffenen Personen und die Symptomatik bei unterschiedlicher Dauer und Intensität der Einwirkungen abzuschätzen.90 Es werden neben Informationen über die Substanz oder den Erreger selbst (Quelle, Verbreitung, Konzentration, Eigenschaften usw.) auch Daten über die Wahrscheinlichkeit der Kontamination von Produkten anhand von Informationen über die Erzeugung, Sammlung, Ernte, Verarbeitung, Verteilung und häusliche Zubereitung der Produkte, die den entsprechenden Erreger transportieren können, benötigt. Unsicherheiten sind in der Risikobewertung zu erkennen und aufzuführen. Die Forschungsergebnisse werden schließlich zur Vorhersage von Art und Ausmaß der Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgewertet. Hierbei wird die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und des Schweregrades bekannter oder potentieller gesundheitsschädigender Wirkungen in einer gegebenen Population abgeschätzt. Die Charakterisierung des Risikos muß so zuverlässig sein, wie man es von einer abschließenden Risikobewertung erwarten kann, die in jedem einzelnen Stadium eng mit Unsicherheiten, Schwankungen, Arbeitshypothesen und Annahmen verbunden ist.91 a) Risikobewertung bei nahrungsmittelbedingten Gefahren In Anhang A Ziff. 4 zum SPS-Übereinkommen ist Risikobewertung für Gefahren, die von Nahrungsmitteln herrühren (sog. „food-borne risks“), definiert als: „[. . .] die Bewertung der möglichen schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren, die durch das Vorkommen von Zusätzen, Verunreini89

Definition aus: Duden „Das Fremdwörterbuch“, 7. Auflage, 2002. Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 266. 91 Hierzu im einzelnen: Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 256 ff. 90

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gungen, Toxinen oder krankheitsverursachenden Organismen in Nahrungsmitteln, Getränken oder Futtermitteln entstehen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Die Risikobewertung wird in diesem Fall von den WTO-Streitschlichtungsorganen als zweistufiges Verfahren angewendet, in dem (1) die schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit – beispielsweise durch die Anwendung von Hormonen als Wachstumsförderer – identifiziert werden, und (2) wenn solche schädlichen Auswirkungen bestehen, die Möglichkeit des Eintritts solcher gesundheitsschädlicher Effekte bewertet wird.92 b) Risikobewertung bei Gefahren von Tierkrankheiten oder Schädlingen Die Risikobewertung bei einer Gefahr von Tierkrankheiten oder Schädlingen wird in Anhang A Ziffer 4 zum SPS-Übereinkommen folgendermaßen definiert: „Die Bewertung der Wahrscheinlichkeit der Einschleppung, des Auftretens oder der Verbreitung von Schädlingen oder Krankheiten im Gebiet eines Einfuhrmitglieds unter Berücksichtigung der gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen, die angewendet werden können und der potentiellen biologischen oder wirtschaftlichen Folgen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

An dieser Stelle wird schon ein gravierender Unterschied in der Wortwahl deutlich im Vergleich zu Gefahren, die von Nahrungsmitteln herrühren: Während eine Risikobewertung bei Gefahren, die von Nahrungsmitteln stammen, lediglich eine Bewertung der möglichen („potential“) schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren verlangt wird, setzt eine Risikobewertung bei Gefahren von Tierkrankheiten oder Schädlingen die Wahrscheinlichkeit („likelihood“) der Einschleppung, des Auftretens oder der Verbreitung von Schädlingen oder Krankheiten unter Berücksichtigung der potentiellen biologischen oder wirtschaftlichen Folgen voraus.93 Die Schwelle für die Risikobewertung ist hier demnach höher gesetzt. Anhand der einschlägigen Literatur und der WTO-Verfahren bleibt unklar, ob diese praktisch sehr wichtige Unterscheidung zwischen den zwei Arten der Risikobewertung von den Vertragsparteien wirklich gewollt war – oder nicht. Bei einer zukünftigen Revision des SPS-Übereinkommens sollte diese Unterscheidung daher gründlich überdacht werden.94 92 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.98; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.101. 93 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Fußnote 69.

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Das Berufungsgremium hat in Australia – Salmon entschieden, daß für eine SPS-konforme Risikobewertung für Gefahren von Tierkrankheiten oder Schädlingen folgende Aussagen kumulativ vorliegen und wissenschaftlich dargelegt werden müssen:95 (1) Identifizierung der Krankheiten, deren Einschleppung, Auftreten oder Verbreitung verhindert werden soll, sowie deren Auswirkungen unter Berücksichtigung der potentiellen biologischen oder wirtschaftlichen Folgen; (2) Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Krankheiten unter Berücksichtigung der potentiellen biologischen oder wirtschaftlichen Folgen. Die Bewertung einer solchen Wahrscheinlichkeit kann sowohl qualitativ oder quantitativ erfolgen;96 (3) Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Krankheiten nach Einführung und Anwendung der streitigen SPS-Maßnahme.97 Die in Australia – Salmon98 von Australien vorgelegte Risikobewertung als Grundlage für das Einfuhrverbot von frischem Lachs konnte diesen Anforderungen nicht genügen. In dieser Risikobewertung von 1996 identifizierten die Wissenschaftler verschiedene Tierkrankheiten, die durch den Import von Lachs unter den heimischen Salmoniden ausbrechen könnten. Allerdings beinhaltete diese Risikobewertung wenig wissenschaftliche Nachweise, auf deren Grundlage die Wahrscheinlichkeit des Auftreten der Krankheiten ermittelt werden konnte. Vielmehr war die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher Krankheiten als niedrig bis vernachlässigbar eingestuft worden. Die Ansicht des Panel, nach der zwar geringe aber zumindest einige wissenschaftliche Nachweise die Wahrscheinlichkeit des Auftretens entsprechender Krankheiten untermauern und somit eine ausreichende Risikobewertung durchgeführt wurde99, hat das Berufungsgremium zurückgewiesen. Das Berufungsgremium betont, daß eine Risikobewertung die Bewertung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens zu beinhalten hat und nicht irgendeine Bewertung der Wahrscheinlichkeit.100 Letztlich hat das Panel es in diesem Fall versäumt, Kriterien über die Würdigung oder Berücksichti94 In diesem Sinne auch Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), S. 647. 95 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Paras. 121 ff.; hierzu auch Landwehr, Globalisierung, Freihandel und Gesundheitsschutz, S. 172 f. 96 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Paras. 123, 124. 97 Diese Voraussetzungen wurden später vom Berufungsgremium bestätigt, in Japan – Agricultural Products, Para. 112. 98 Zu diesem Streitschlichtungsverfahren im Überblick, siehe B.III.2. 99 Australia – Salmon, Panelbericht, Paras. 8.80, 8.83, 8.89 und 8.91. 100 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Para. 124.

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gung der vorgebrachten wissenschaftlichen Studien bzgl. der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer solchen Gefahr darzulegen.101 Nach Auffassung des Berufungsgremiums haben die von Australien vorgelegten Nachweise daher nicht die Voraussetzungen (2) und (3) erfüllt. Das Einfuhrverbot verstieß somit gegen Art. 5 Abs. 1 SPS.102 Das Berufungsgremium in Japan – Agricultural Products bestätigte die oben genannten Voraussetzungen für eine Risikobewertung.103 Es stellte fest, daß bei der von Japan vorgelegten Risikobewertung von 1996 die Voraussetzung (3) nicht vorgelegen habe. Japans Importverbot könne schon allein deshalb nicht auf einer Risikobewertung beruhen, welche die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Krankheiten nach Einführung der streitigen SPS-Maßnahme bestimmt, da die vorgebrachte Studie sich nicht mit der entsprechenden SPS-Maßnahme auseinandersetzt oder diese wenigstens erwähnt.104 c) Voraussetzungen für die Risikobewertung (Auslegung des Art. 5 Abs. 1 SPS) aa) Verhältnis von SPS-Maßnahme und Risikobewertung Wichtig ist das Verhältnis zwischen SPS-Maßnahme und Risikobewertung. Zu klären ist insbesondere die Frage, wann eine Maßnahme auf einer Risikobewertung „beruht“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 SPS („based on an assessment“). Das Panel hat im Hormonstreit festgestellt, daß in Art. 5 Abs. 1 SPS ein Minimum an Verfahrenserfordernissen enthalten sei. Danach verpflichten diese Anforderungen jedes Mitglied, nachzuweisen, daß es bei Erlaß oder Beibehaltung einer SPS-Maßnahme eine Risikobewertung berücksichtigt hat, so daß diese Maßnahme als auf dieser Risikobewertung „beruhend“ angesehen werden könne. Nach Auffassung des Panels beinhalte die Prüfung der materiellen Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 SPS zwei Arbeitsschritte: Erstens seien die wissenschaftlichen Schlußfolgerungen zu ermitteln, die sich aus der Risikobewertung und der gesundheitspolizeilichen Maßnahme selbst ergeben haben; und zweitens, werde geprüft, ob diese Schlußfolgerungen von Maßnahme und Risikobewertung übereinstimmen oder nicht.105 101

Howse, Democracy, Science, and Free Trade, (2000), S. 2346. 102 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Paras. 121 103 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, 104 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht,

Michigan Law Review 89 ff. Paras. 112 ff. Paras. 113 und 114.

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Das Berufungsgremium weist diese Auslegung des Panels als unrichtig zurück.106 Seiner Auffassung nach setzte Art. 5 Abs. 1 SPS ein Minimum an Verfahrenserfordernissen nicht voraus. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. Zwar betrachtet es das vom Panel festgelegte zweistufige Verfahren als nützlichen Ansatz. Im Zusammenhang zwischen der Risikobewertung und der eingeführten SPS-Maßnahmen genüge jedoch eine zweckmäßige Verbindung („rational rela-tionship“).107 Insoweit ist lediglich eine objektive Plausibilitätskontrolle durchzuführen, in der geprüft wird, ob die Ergreifung der SPS-Maßnahme rational nachvollziehbar war. Wenn eine SPS-Maßnahme nicht im Sinne des Art. 5 Abs. 1 SPS auf einer Risikobewertung „beruht“, so kann vermutet werden, daß die SPSMaßnahme weder auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruht noch mit hinreichendem wissenschaftlichen Nachweis beibehalten wird, so das Berufungsgremium in Australia – Salmon.108 Somit wird durch die Verletzung des spezielleren Art. 5 Abs. 1 SPS die Verletzung des allgemeineren Art. 2 Abs. 2 SPS vermutet. bb) Berücksichtigung wissenschaftlicher Mindermeinungen Das Berufungsgremium im Hormonstreit geht nicht davon aus, daß die Risikobewertung verschiedener Experten zu einem einheitlichen Ergebnis kommt. Vielmehr wird sich eine Risikobewertung sowohl mit der herrschenden wissenschaftlichen Meinung als auch mit Meinungen von Wissenschaftlern, die andere Ansichten vertreten (wissenschaftliche Mindermeinungen) auseinandersetzen. Nach Auffassung des Berufungsgremiums setzt Art. 5 Abs. 1 SPS nicht voraus, daß eine Risikobewertung notwendigerweise nur die herrschende Meinung der Mehrheit der jeweiligen Wissenschaftler beinhaltet.109 Gesetzgeberische Maßnahmen werden von den Mitgliedern zwar in der Regel auf die herrschenden wissenschaftlichen Meinungen gestützt. In Einzelfällen treffen die Verantwortlichen jedoch Entscheidungen in gutem Glauben auf Grundlage von wissenschaftlichen Gegenmeinungen, die aus anerkannten und qualifizierten Quellen („qualified and respected source“) stammen. In diese Entscheidung sind nach Ansicht des Berufungsgremiums 105 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.117; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.120. 106 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 189. 107 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 193. 108 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Paras. 137, 138. 109 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para 194.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

alle Erwägungen über mögliche schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit mit einzubeziehen, also auch wissenschaftliche Mindermeinungen.110 Diese Auslegung durch das Berufungsgremium erscheint großzügig. Mit der Einschränkung einer „qualifizierten und anerkannten Quelle“ behält sich das Berufungsgremium jedoch die Möglichkeit offen, die wissenschaftlichen Nachweise zu bewerten und gegebenenfalls nach wissenschaftlicher Plausibilität hin zu überprüfen. cc) Wissenschaftliche Unsicherheit Das Berufungsgremium stimmt mit der Ansicht des Panels im Hormonstreit überein, daß theoretisch immer eine gewisse Unsicherheit bleibt, da Wissenschaft niemals die absolute Sicherheit liefern kann, ob eine Substanz schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat.111 Gerade wenn die potentielle Gefahr von ihrem Charakter her lebensbedrohlich und eine permanente Bedrohung für die öffentliche Gesundheit oder Sicherheit sein kann, bestehe, so das Berufungsgremium, bei wissenschaftlichen Unsicherheiten im Miteinbeziehen von wissenschaftlichen Mindermeinungen an sich noch kein Fehlen einer zweckmäßigen Verbindung zwischen SPS-Maßnahme und Risikobewertung.112 Diese Auslegung des Berufungsgremiums legt nahe, daß bei Bestehen von wissenschaftlichen Unsicherheiten geringere Anforderungen an die wissenschaftlichen Nachweise gestellt werden, je größer sich die potentielle Gefahr für die Bevölkerung des WTO-Mitglieds darstellt.113 Eine theoretische Unsicherheit soll und kann nicht nach Art. 5 Abs. 1 SPS bewertet werden. Die Überprüfung einer solchen Gefahrengröße fällt demnach auch nicht in die Kontrollbefugnis des Panels. Das Panel darf nur überprüfen, ob eine Maßnahme auf eine Risikobewertung gestützt ist; das bedeutet, ein Panel hat lediglich zu entscheiden, ob eine SPS-Maßnahme durch eine Risikobewertung ausreichend unterstützt oder angemessen gerechtfertigt ist.114

110 Diese Ansicht hat das Berufungsgremium im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 SPS in Japan – Agricultural Products bestätigt, Para. 77. 111 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.152 und 8.153; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.155 und 8.156. Insofern wird den tatsächlichen Gegebenheiten im nationalen Rechtsetzungsprozeß Rechnung getragen; siehe hierzu bereits ausführlich B.I.2.a). 112 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 194. 113 So Howse, Democracy, Science, and Free Trade, Michigan Law Review 98 (2000), S. 2342. 114 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 186.

III. Risikobewertung als zentrale Pflicht des SPS-Übereinkommens

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Voraussetzung für eine SPS-konforme Risikobewertung bleibt jedoch, daß es sich um eine SPS-Maßnahme handelt, die wenigstens auf einer nachweisbaren wissenschaftlichen Meinung beruht. Allein die Tatsache, daß wissenschaftlich ungesicherte Elemente vorliegen, kann ein Mitglied nicht von der Pflicht einer Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS befreien.115 dd) Quantifizierbare Bewertung Der Auslegung des Panels im Hormonstreit, wonach bei der Risikobewertung einer Maßnahme gemäß Art. 5 Abs. 1 SPS ein bestimmtes quantifizierbares Mindestrisiko116 bestehen soll, wird vom Berufungsgremium nicht gefolgt. Eine solche mengenmäßige Voraussetzung ist im SPS-Übereinkommen nicht vorgesehen.117 Die qualitative wissenschaftliche Beschreibung eines Risikos ist danach ausreichend, solange es sich hierbei nicht um ein bloßes theoretisches Risiko handelt.118 ee) Eigenständige Risikobewertung Die Auslegung des Panels im Hormonstreit, wonach bei Durchführung einer Risikobewertung ein Minimum an Verfahrensanforderungen einzuhalten sei, kann dazu führen, daß verfügbares wissenschaftliches Material zur Unterstützung einer Maßnahme nicht berücksichtigt werden kann. Insbesondere im Hinblick auf die Masse an Maßnahmen, die von WTO-Mitgliedern vor Inkrafttreten des SPS-Übereinkommens eingeführt und danach beibehalten worden sind, sind diese Verfahrensanforderungen kaum praktikabel und deshalb auch zu Recht vom Berufungsgremium zurückgewiesen worden.119 Art. 5 Abs. 1 SPS verlangt somit nicht, daß jedes Mitglied seine eigene Risikobewertung durchzuführen hat. Diese Vorschrift fordert lediglich, daß die Maßnahme auf einer den Umständen angepaßten Bewertung beruht. Eine SPS-Maßnahme kann folgerichtig auch durch eine Risikobewertung gerechtfertigt werden, die von einem anderen Mitglied oder einer Internationalen Organisation durchgeführt worden ist.120 115 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 186, 125 und 130; eine Ausnahme hierfür bilden die vorläufigen SPS-Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 7 SPS; siehe hierzu ausführlich C.IV.2. 116 Hormonstreit, USA Panelbericht, Fußnote 331; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Fußnote 437. 117 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 184. 118 Eine Risikobewertung kann somit sowohl auf qualitative als auch auf quantitative Elemente gestützt werden; dies wurde vom Berufungsgremium in Australia – Salmon bestätigt, Para. 124. 119 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 190.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

ff) Bestimmtheitsgebot Eine Risikobewertung hat ausreichend bestimmt zu sein. So muß beispielsweise eine separate Risikobewertung für jede einzelne Substanz durchgeführt werden. Eine allgemeine Bewertung für eine Gruppe von Substanzen ist nicht ausreichend.121 Zudem müssen die Studien als Teil der Risikobewertung die gegenwärtige Gefahr konkret benennen sowie qualifizieren oder quantifizieren. An diesem Bestimmtheitserfordernis ist die Risikobewertung der EG im Hormonstreit gescheitert. Das Berufungsgremium hat entschieden, daß die EG kein ausreichendes wissenschaftliches Beweismaterial vorgelegt hat. Die von der EG vorgebrachten Monographien, Artikel und wissenschaftlichen Einzelmeinungen seien nur allgemeine Studien, die zwar die Existenz einer generellen Krebsgefahr bei der Verwendung bestimmter Hormone zeigen. Jedoch seien diese Ausführungen nicht – wie in Anhang A zum SPS Ziff. 4 gefordert – auf die besonderen Umstände der konkret vorliegenden Gefahr bezogen. Vielmehr zeigen diese Studien nur, daß grundsätzlich bei Hormonen eine allgemeine Krebsgefahr besteht, ohne darauf einzugehen, inwieweit hormonale Rückstände in Fleisch bei Verzehr eine Krebsgefahr auslösen. Diese allgemeinen Studien wurden somit als nicht genügend bestimmt für den zu entscheidenden Streit abgelehnt.122 2. Inhaltliche Faktoren für die Risikobewertung (Auslegung des Art. 5 Abs. 2 SPS) Entscheidend für eine nach dem SPS-Übereinkommen durchzuführende Risikobewertung sind deren inhaltlichen Faktoren. So wird die Bestimmung und Festlegung derjenigen Faktoren, die Bestandteil der Prognosegrundlage Risikobewertung werden, als eine der wichtigsten Aufgaben im rechtlichen Umgang mit Risiken gesehen.123 In Art. 5 Abs. 2 SPS sind die zu berücksichtigenden Faktoren aufgeführt: 120 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 190; bestätigt in: Australia – Salmon, Berufungsbericht, Fußnote 68. 121 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 201, bestätigt das Panel in USA Panelbericht, Para. 8.257 und Kanada Panelbericht, Para. 8.260. In Australia – Salmon stellt das Panel hingegen klar, daß einige wissenschaftliche Nachweise und Bewertungen, die bei einer Risikobewertung für ein bestimmtes Produkt gewonnen wurden auch für ein anderes Produkt relevant sein können, so daß eine komplett neue Risikobewertung für jedes einzelne Produkt nicht unbedingt erforderlich ist (Australia – Salmon, Panelbericht, Para. 8.58). 122 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 200. 123 In diese Richtung: Wahl/Appel, Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl, „Prävention und Vorsorge“, S. 111 f.

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– verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse (wörtlich: „scientific evidence“), – einschlägige Verfahren und Produktionsmethoden („process and production methods“), – einschlägige Inspektions-, Probenahme- und Prüfverfahren, – Vorkommen bestimmter Krankheiten oder Schädlinge, – Bestehen schädlings- oder krankheitsfreier Gebiete, – einschlägige ökologische und Umweltbedingungen, – Quarantäne oder sonstige Behandlungen. Nach Art. 5 Abs. 3 SPS berücksichtigen die Mitglieder bei der Bewertung der Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Tieren oder Pflanzen zudem: – einschlägige wirtschaftliche Faktoren, – potentiellen Schaden durch Produktions- oder Absatzausfälle im Falle der Einschleppung, des Auftretens oder der Verbreitung eines Schädlings oder einer Krankheit, – Kosten der Bekämpfung oder Ausrottung im Gebiet des Einfuhrmitglieds, – relative Kostenwirksamkeit alternativer Methoden zur Risikobegrenzung. Es wird zunehmend diskutiert, ob auch nicht-wissenschaftliche Faktoren, die im SPS-Übereinkommen nicht erwähnt sind (wie etwa Verbrauchervertrauen, kulturelle oder moralische Vorlieben oder gesellschaftliche Werte) in einer Risikobewertung berücksichtigt werden dürfen.124 Das Panel im Hormonstreit hat diese Vorschrift eng ausgelegt und auf wissenschaftliche Faktoren begrenzt. Danach sei die Risikobewertung ein „scientific process aimed at establishing the scientific basis for the sanitary measure a Member intends to take“.125 Das Panel verlangt von der Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS alle solche Faktoren auszuschließen, die keine quantitative Analyse nach empirischen oder experimentellen Labormethoden im Zusammenhang mit physikalischen Wissenschaften zulassen. Nach Ansicht des Panels ist eine Risikobewertung – zumindest im Zusammenhang mit Gefahren für das menschliche Leben und Gesundheit – eine wissenschaftliche Prüfung der Daten und Fakten. Dagegen sei eine Politik, die unter Berücksichtigung von sozialen Werten durch politische Organe 124 Vgl. nur Hilf/Eggers, Der WTO-Panelbericht im EG/USA Hormonstreit, EuZW 1997, S. 562 m. w. N. 125 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.107; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.110.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

ausgeübt werde, als Risikomanagement zu qualifizieren, das nicht von Art. 5 Abs. 1 SPS umfaßt sei.126 Das Berufungsgremium weist diese Auslegung des Panels im Hormonstreit weitgehend zurück. Danach sollen bei der Risikobewertung zwar hauptsächlich wissenschaftliche Nachweise Berücksichtigung finden. Die Aufzählung der Faktoren in Art. 5 Abs. 2 SPS unterstützt daher grundsätzlich die Auslegung des Panels, da sie mit „verfügbares wissenschaftliches Beweismaterial“ beginnt. Auf einige der in Art. 5 Abs. 2 SPS aufgezählten Faktoren wie die „einschlägigen Verfahren und Produktionsmethoden“ und die „einschlägigen Inspektions-, Probenahme- und Prüfverfahren“ sind aber nicht unbedingt oder nur teilweise wissenschaftliche Untersuchungen nach biochemischen oder pharmakologischen Labormethoden anwendbar. Das Berufungsgremium betont, daß auch solche Gefahren, die bei Versäumnissen bzgl. Einhaltung der „guten landwirtschaftlichen Praxis“ und Schwierigkeiten der Kontrolle, Inspektion oder Durchführung der Voraussetzungen der guten Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung entstehen, in der Risikobewertung nach Art. 5 SPS berücksichtigt werden können.127 Die in Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 SPS aufgelisteten Faktoren sind danach nicht abschließend.128 Nach Ansicht des Berufungsgremiums ist es nicht legitim, all jene Faktoren von einer Risikobewertung auszuschließen, die nicht mit herkömmlichen wissenschaftlichen Methoden analysierbar sind. Ziel und Zweck des SPS-Übereinkommens sei die Überprüfung und Bewertung aller Gefahren für die menschliche Gesundheit, gleich woher sie kommen. Falls daher Gefahren für die menschliche Gesundheit aufgrund von Mißbrauch und Kontrollproblemen auftauchen (so beispielsweise bei den „Hormonskandalen“ in der EG129), seien diese zu überprüfen und in die Risikobewertung miteinzubeziehen. Die Berücksichtigung solcher Gefahren sei von Fall zu Fall zu entscheiden und es sei ein grundlegender Fehler, diese Gefahren vom Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 und 2 SPS auszuschließen und – so wie das Panel – hierfür den eigenständigen Begriff „Risikomanagement“ zu 126 Hormonstreit, USA Panelbericht, Paras. 8.94 und 8.95; Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Paras. 8.97 und 8.98. 127 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 205. Gute Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung (Good Practice in the use of Veterinary Drugs: „GPVD“) wird von der Codes Alimentarius definiert als: „Die offiziell empfohlene oder zugelassene Anwendung, einschließlich der Berücksichtigung der von den nationalen Behörden festgesetzten Wartezeiten der unter praktischen Bedingungen verabreichten Tierarzneimittel.“ (Verfahrenshandbuch der CAK, Definitionen im Sinne des Codex Alimentarius). 128 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 187. 129 Hierzu bereits ausführlich oben B.I.2.c).

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schaffen. Es ist von dem im SPS-Übereinkommen verwendeten Begriff der Risikobewertung („risk assessment“) auszugehen. Der vom Panel eingeführte Begriff des Risikomanagement („risk management“) hat im Vertragstext keine Grundlage. Daher verstößt die Einführung und Verwendung einer solchen Terminologie nach Ansicht des Berufungsgremiums gegen die allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung.130 Somit können bei einer Risikobewertung neben rein wissenschaftlichen Faktoren auch andere Faktoren berücksichtigt werden. Das Berufungsgremium beschreibt an dieser Stelle (etwas kryptisch): „It is essential to bear in mind that the risk that is to be evaluated in a risk assessment under Art. 5.1 [SPS] is not only a risk ascertainable in a science laboratory operating under strictly controlled conditions, but also risk in human societies as they actually exist, in other words, the actual potential for adverse effects on human health in the real world where people live and work and die.“131

Obwohl das Berufungsgremium in seinem Bericht offen gelassen hat, welche konkreten Gefahren damit gemeint sind wird es wohl künftig nicht möglich sein, die geforderten wissenschaftlichen Nachweise völlig durch nicht-wissenschaftliche Aspekte zu ersetzen. Soziale, politische, ethisch-moralische und wirtschaftliche Faktoren können in der Risikobewertung nach dem SPS-Übereinkommen folglich allenfalls nachgeordnet beachtet werden. Die Debatte, inwieweit solchen Faktoren bei einer Risikobewertung mehr Gewicht beigemessen werden soll, ist für die Zukunft des SPS-Übereinkommens von entscheidender Bedeutung und sollte daher gründlich beobachtet werden.132 3. Zusammenfassung Die Rolle der Wissenschaft bei der Risikobewertung einer SPS-Maßnahme wurde durch die hier analysierten Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane betont. Es zeigt sich, wie wichtig der in Art. 5 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 2 SPS niedergelegte „Wissenschaftlichkeits-Test“ in Form einer Risikobewertung für die Beurteilung einer nationalen SPS-Maßnahme nach WTO-Recht ist. An dieser Stelle entscheidet es sich regelmäßig, ob eine solche Maßnahme protektionistisch ist, oder eine nach WTO-Recht zulässige Maßnahme zum Schutz von Gesundheit oder Umwelt darstellt. Zwar stellte das Berufungsgremium im Hormonstreit ausdrücklich fest, daß für eine Risikobewertung nicht nur wissenschaftliche Aspekte heranzu130

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 181. Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 187. 132 Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL (1999), S. 648. 131

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

ziehen seien. Es läßt aber offen, welche anderen Faktoren hiermit genau gemeint sind. In Betracht kommt gegenwärtig wohl nur das Mißbrauchsrisiko bei der Verabreichung von Substanzen sowie Kontrolldefizite bei der „guten landwirtschaftlichen Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung“. Diese Faktoren können vor den Panels aber nur Berücksichtigung finden, wenn bezüglich Nachweis von Mißbrauch und Kontrollschwierigkeiten auch eine konkrete Bewertung der Gefahren für die Gesundheit oder das Leben stattgefunden hat. An eine Risikobewertung im Sinne des SPS-Übereinkommens werden keine formellen Erfordernisse geknüpft. Für eine Risikobewertung kann daher all jenes wissenschaftliche Material berücksichtigt werden, das für den jeweiligen Fall relevant ist; neben dem Material desjenigen Mitglieds, das eine SPS-Maßnahme einführt oder beibehält, also auch Material von dritten Mitgliedern oder internationalen Organisationen. Bei dieser Risikobewertung ist keine bestimmte quantitative Größe einer Gefahr oder Gefahrenschwelle zugrundezulegen. Ein Panel darf daher auch nur überprüfen, ob eine Maßnahme auf eine Risikobewertung gestützt ist; dies bedeutet, daß ein Panel zu entscheiden hat, ob eine SPS-Maßnahme durch eine Risikobewertung ausreichend unterstützt oder angemessen gerechtfertigt ist. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit des Eintritts einer schädlichen Wirkung für die menschliche Gesundheit durch die Gefahr hat das Panel demnach wohl keine Justiziabilität. 133 Zwischen der SPS-Maßnahme und der Risikobewertung muß eine zweckmäßige Verbindung („rational relationship“) bestehen. Eine Übereinstimmung ist nicht erforderlich und in der Praxis aufgrund der verschiedenen wissenschaftlichen Meinungen regelmäßig auch nicht möglich. Das vorgebrachte wissenschaftliche Beweismaterial darf trotz dieser Erleichterung nicht allgemein und ohne konkreten Fallbezug sein. Das vom Berufungsgremium eingeführte Konzept der zweckmäßigen Verbindung läßt den Mitgliedern die Möglichkeit für einen Entscheidungs- und Prognosespielraum und ist zu begrüßen. Forderungen nach einer Reduzierung dieser Konzeption auf eine einfache Liste an zu beachtenden Kriterien würde das offene System des Rechts verengen und den Umgang mit komplexen Risikoentscheidungen erschweren. Nur die Beibehaltung eines substantiellen Entscheidungsspielraumes der WTO-Mitglieder kann den steigenden Anforderungen an Kontrollierbarkeit gerecht werden.134 133

s. hierzu im einzelnen E.III. So auch Perez, Reconstructing Science: the Hormone Conflict Between the EU and United States, European Foreign Affairs Review 3 (1998), S. 578. Zum Zusammenspiel zwischen Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum, siehe ausführlich E.II. 134

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Eine Risikobewertung muß nicht auf die vorherrschende Meinung der Wissenschaft gestützt werden. Für die Begründung der Risikobewertung können nach Auffassung des Berufungsgremiums auch individuelle Meinungen von Wissenschaftlern herangezogen werden, die aus „anerkannten und qualifizierten Quellen“ stammen. Interessant ist die Entscheidung Australia – Salmon, da hier zum ersten Mal die Möglichkeit bestand, die im Hormonstreit ausgearbeiteten Kriterien anzuwenden. Die schon im Hormonstreit gemachten Ausführungen zur Risikobewertung wurden übernommen und auf den konkreten Fall der Tierkrankheiten angepaßt. Die Entscheidung Australia – Salmon bestätigt, daß die Anforderungen an eine Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS sehr hoch sind. Insbesondere die Qualität der wissenschaftlichen Nachweise stellt eine hohe Hürde für die Rechtfertigung einer handelsbeschränkenden SPS-Maßnahme dar, zumal hier die Wahrscheinlichkeit und nicht nur die Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung vorausgesetzt wird. Auffällig ist, daß in allen drei Verfahren, die bisher Vorschriften des SPS-Übereinkommens zum Gegenstand hatten, die Beschwerdegegner nicht in der Lage waren, eine Risikobewertung zu erbringen, die den Erfordernissen des Art. 5 Abs. 1 SPS genügte. Obwohl das Berufungsgremium schon im Hormonstreit die Anforderungen an den kausalen Zusammenhang zwischen SPS-Maßnahme und der zugrundeliegenden Risikobewertung anhand des Erfordernisses der zweckmäßigen Verbindung gegenüber der Ansicht des Panels abschwächte, gelang es Japan im Fall Japan – Agricultural Products nicht, diese Anforderung an den Zusammenhang zwischen SPS-Maßnahme und Risikobewertung zu erfüllen. Hieraus könnte einerseits geschlossen werden, daß das neue SPS-Regime funktioniert und alle protektionistischen SPS-Maßnahmen unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes als handelshemmend und WTO-rechtswidrig entlarvt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob die Anforderungen an die Risikobewertung einer SPS-Maßnahme nicht zu hoch sind. Es bleibt abzuwarten, ob es einem Mitglied als Beschwerdegegner in Zukunft gelingen wird, den Anforderungen an eine Risikobewertung gerecht zu werden. Die Verweise der WTO-Streitschlichtungsorgane in den neueren Entscheidungen auf das Verfahren zum Hormonstreit und die ausgesprochen geringe Weiterentwicklung der darin getroffenen Auslegungen zeigen, wie wichtig dieser Präzedenzfall zum SPS-Übereinkommen für das gesamte SPS-Regime und die WTO war und ist. Am Hormonstreit werden sich wohl auch alle kommenden Entscheidungen in diesem Bereich orientieren und die wegweisenden Aussagen der Streitschlichtungsorgane in ihren Berichten als Maßstab übernehmen. Eine Fortführung des hierin von dem Berufungsgremium eingeschlagenen Weges wäre wünschenswert.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

IV. Das Recht auf Vorsorge als Ausnahme von der „Wissenschaftlichkeit“ 1. Allgemeine Ausführungen Die Konzeption des SPS-Übereinkommens hat zur Folge, daß eine bestimmte Substanz für die Gesundheit oder das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen als unschädlich gilt, solange nicht wissenschaftlich das Gegenteil bewiesen wurde. Ohne einen solchen wissenschaftlichen Nachweis, ist eine nationale SPS-Maßnahme mit handelsbeschränkenden Wirkungen als WTO-widrig anzusehen. Der endgültige Effekt eines Eingriffs oder einer Substanz in menschliche und tierische Organismen oder Umwelt kommt jedoch häufig erst nach Jahren zum Vorschein. Unerwünschte und potentiell irreversible Effekte können dann entstehen, wenn dieser Eingriff nicht verhindert wird, bevor endgültige wissenschaftliche Klarheit über die Schädlichkeit eines solchen Eingriffs besteht. Es sind daher Lösungsmechanismen zu entwickeln, anhand derer die regulatorische Entscheidungsfindung bei wissenschaftlichen Unsicherheiten konkretisiert wird. In diesem Zusammenhang wird zunehmend auf das ursprünglich im Umweltrecht entwickelte Recht auf Vorsorge oder Vorsorgeprinzip („precautionary principle“)135 zurückgegriffen.136 Das Vorsorgeprinzip behandelt Situationen, in denen die Gefahr bei einem gewissen Restrisiko (noch) nicht wissenschaftlich nachweisbar ist.137 Danach soll auch bei nicht nachweisbaren Gefahren das Verbot eines Eingriffs oder einer Substanz möglich sein, um potentielle zukünftige Gefahren zu verhindern.138 Es soll durch voraus135

Sands, Principles of International Environmental Law I, S. 208 ff. Zu dem rechtstheoretischen Hintergrund des Vorsorgebegriffs: Ladeur, Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft – von der Gefahrenabwehr zum Risikomanagement, S. 99 ff. 137 Kloepfer, Umweltrecht, S. 169 m. w. N. 138 In der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (nachfolgend: „Verordnung zur Errichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde“), heißt es hierzu in Art. 7 Abs. 1: „In bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht, können vorläufige Risikomanagementmaßnahmen zur Sicherstellung des von der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus getroffen werden, bis weitere wissenschaftliche Informationen für eine umfassendere Risikobewertung vorliegen.“ (ABlEG Nr. L 31, v. 1. Februar 2002, 9). 136

IV. Recht auf Vorsorge als Ausnahme von der „Wissenschaftlichkeit‘‘

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schauendes Handeln dem Entstehen möglicher Gesundheits- oder Umweltbelastungen vorgebeugt werden, wobei anstelle des Schadensnachweises bereits das bloße Risikopotential einer erheblichen Gefährdung als Handlungsgrundlage ausreicht.139 Nach dem Vorsorgeprinzip in diesem Verständnis, wären somit nationale SPS-Maßnahmen auch ohne endgültigen wissenschaftliche Nachweise zulässig, sofern Gefahren für ernsthafte und irreversible Schäden drohen.140 Die konsequente Anwendung der hinter dem Vorsorgeprinzip stehenden Rechte der WTO-Mitglieder könnte jedoch den Zielen der WTO und des SPS-Übereinkommens widersprechen, wonach negative Effekte nationaler Gesetzgebung auf den internationalen Handel zu minimieren sind. Wenn es den Mitgliedern gestattet würde, durch Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips auch solche Schutzstandards zu erlassen, die ohne wissenschaftliche Begründung über die internationalen Standards hinausgehen, dann wäre dies zudem ein Hindernis auf dem Weg zu den Zielen des SPS-Übereinkommens, weitgehende Liberalisierung des Handels und möglicherweise sogar eine Harmonisierung von Vorschriften zum Gesundheitsschutz zu erreichen.141 Eine große Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten hat sich mit dem Vorsorgeprinzip sowohl im nationalen Recht,142 im Europarecht,143 im allgemeinen Völkerrecht144 sowie im WTO-Recht145 auseinandergesetzt. 139 Hohmann, Der Konflikt zwischen freiem Handel und Umweltschutz in WTO und EG, RIW 2000, S. 98 m. w. N. 140 Hughes, Limeting the Jurisdiction of Dispute Settlement Panels, Geo. Int’l Envt’l L. R. 10 (1997/1998), S. 931. 141 Thomas, Where’s the Beef? Mad Cows and the Blight of the SPS Agreement, Vand. JTL 32 (1999), S. 496 ff. 142 v. Lersner, Vorsorgeprinzip, in: Kimminich/v. Lersner/Storm, HdUR, Sp. 1086 ff.; Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich; Kohout, Vorsorge als Prinzip der Umweltpolitik; Barton, The Status of the Precautionary Principle in Australia, Harv. Envt’l L. Rev. 22 (1998), S. 509 ff.; Bodansky, The Precautionary Principle in US Environmental Law, in: O’Riordan/Cameron, „Interpreting the Precautionary Principle“, S. 204 und 213. 143 Doyle, Precaution, Prevention, Giving Effect to Article 130r without direct effect, European Environmental Law Review 1999, S. 44 ff.; Kommission der EG, Communication from the Commission on the precautionary principle, S. 9 ff.; Streinz, The Precautionary Principle in Food Law, European Food Law Review 4 (1998), S. 423 ff. In Art. 174 Abs. 2 EG ist eine Politik der Vorsorge niedergelegt: „Die Umweltpolitik der Gemeinschaft zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab. Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und der Vorbeugung [. . .].“ 144 Das Vorsorgeprinzip wurde im Grundsatz 15 der Rio Declaration on Environment and Development vom 13. Juni 1992 aufgenommen [ILM 31 (1992) S. 874]:

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

Hierbei wird deutlich, daß das Vorsorgeprinzip zunächst in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurde und schließlich über das Europarecht und das Umweltvölkerrecht Einzug in das WTO-System146 gehalten hat.147 Aus diesen Studien ist jedoch eine klare Definition und Konkretisierung dieses Rechts auf Vorsorge nicht ersichtlich. So wird im Zusammenhang mit der regulatorischen Entscheidungsfindung bei wissenschaftlichen Unsicherheiten vielmehr auf Schutzpflichten des Staates, Ermessensspielraum bei wissenschaftlichen Unsicherheiten und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zurückgegriffen.148 Das Vorsorgeprinzip als Oberbegriff dieser Aspekte ist jedoch zu unbestimmt, um konkrete Konflikte zu lösen. Es stellt sich folglich die Frage, ob es sinnvoll ist, ein Prinzip zur Lösung der Entscheidungsfindung bei wissenschaftlichen Unsicherheiten heranzuziehen, das seinerseits an einer klaren Definition und Konkretisierung mangelt.149 Ohne hinreichende Konkretisierung wäre die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß ein Mitglied handelsbeschränkende SPS-Maßnahmen stets mit dem lapidaren Hinweis auf das Vorsorgeprinzip einführt und beibehält. Anknüp„In order to protect the environment, the precautionary approach shall be widely applied by States according to their capabilities. Here there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.“ Im Biosafety Protokoll zur Artenvielfaltskonvention der VN, das am 28. Januar 2000 von 130 Staaten in Montreal ausgehandelt wurde, heißt es in Art. 10 Abs. 6: „Lack of scientific certainty due to insufficient relevant scientific information and knowledge regarding the extent of the potential adverse effects of a living modified organism on the conservation and sustainable use of biological diversity in the Party of import, taking also into account risks to human health, shall not prevent that Party from taking also into account risks to human health, shall not prevent that Party from taking a decision, as appropriate, with regard to the import of lived modified organism [. . .], in order to avoid or minimize such potential adverse effects.“ Ausgewählte Literatur zum Vorsorgeprinzip im internationalen Recht: Hickey/ Walker, Refining the Precautionary Principle in International Environmental Law, Virginia Envt. L. J. 14 (1995) S. 424 ff., mit einer Aufzählung weiterer Übereinkommen, in denen das Vorsorgeprinzip erwähnt wird; O’Riordan/Cameron, Interpreting the Precautionary Principle; Hohmann, Precautionary Legal Duties and Principles of Modern International Environmental Law; Cameron/Abouchar, The Status of the Precautionary Principle in International Law, in: Freestone/Hey, „The Precautionary Principle in International Law“, S. 249 ff. 145 Hierzu nur Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law. 146 Hierbei insbesondere in die Vorschrift des Art. 5 Abs. 7 SPS; siehe hierzu ausführlich C.IV.2. 147 Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law, S. 22. 148 Hierzu beispielsweise die ausführliche Studie von Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law, S. 19 ff. 149 In diesem Sinne: Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 123.

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fungspunkt für eine Studie des Umgangs mit wissenschaftlichen Unsicherheiten und Entscheidungsfindung sollten daher diese Unteraspekte des Vorsorgeprinzips selbst sein.150 Im folgenden wird untersucht, welche Lösungsansätze die Vorschriften des SPS-Übereinkommens zu dem Problem der regulatorischen Entscheidungsfindung bei wissenschaftlichen Unsicherheiten ermöglichen. 2. Auslegung des Art. 5 Abs. 7 SPS Art. 5 Abs. 7 SPS regelt vorübergehende Schutzmaßnahmen in Dringlichkeitsfällen. Nach dieser Vorschrift kann auf Grundlage der verfügbaren Angaben eine vorübergehende SPS-Maßnahme eingeführt werden, solange das einschlägige wissenschaftliche Beweismaterial nicht ausreicht. Art. 5 Abs. 7 setzt voraus, daß die nationale SPS-Maßnahme (1) in einer Situation erlassen wurde, in der das einschlägige wissenschaftliche Beweismaterial nicht ausreicht; und (2) vorübergehend (also zeitlich befristet) ist; und (3) auf der Grundlage der verfügbaren einschlägigen Angaben („available pertinent information“) einschließlich Angaben zuständiger internationaler Organisationen sowie auf der Grundlage der von anderen Mitgliedern angewendeten gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen eingeführt wurde.151 Allerdings darf eine vorübergehende SPS-Maßnahme nur beibehalten werden, wenn das entsprechende Mitglied (4) sich bemüht, die notwendigen zusätzlichen Informationen für eine objektive Risikobewertung einzuholen; und (5) innerhalb einer vertretbaren Frist eine entsprechende Überprüfung der SPS-Maßnahme vornimmt. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, damit eine solche Maßnahme zulässigerweise beibehalten werden kann.152 Das Berufungs150

Diese Hilfsfaktoren für die Entscheidungsfindung bei wissenschaftlicher Unsicherheit wurden bereits oben ausführlich behandelt, siehe C.II.2. Auch die Europäische Kommssion stellt in der praktischen Anwendung des Vorsorgeprinzips auf die Aspekte Nichtdiskriminierung, Verhältnismäßigkeit, KostenNutzen-Analyse, Vereinbarkeit mit bereits erlassenen Maßnahmen („consistency“) sowie Berücksichtigung der wissenschaftlichen Entwicklung ab, die insgesamt dem Bereich Risikomanagement zuzuordnen sind; Kommission der EG, Communication from the Commission on the precautionary principle, S. 18 ff. 151 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para 89. 152 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para 89.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

gremium stufte die Möglichkeit einer vorübergehenden Maßnahme gemäß Art. 5 Abs. 7 SPS in Japan – Agricultural Products systematisch als qualifizierte Ausnahme zu der grundlegenden Verpflichtung der Mitglieder ein, SPS-Maßnahmen nur mit hinreichenden wissenschaftlichen Nachweisen beizubehalten (vgl. Art. 2 Abs. 2 SPS).153 Somit trägt dasjenige Mitglied, welches sich auf eine vorübergehende Maßnahme nach Art. 5 Abs. 7 SPS beruft, die Beweislast für das Vorliegen der fünf oben genannten Voraussetzungen.154 a) Japan – Agricultural Products Japan – Agricultural Products ist bislang das einzige WTO-Verfahren, in dem sich der Beschwerdegegner (hier: Japan) auf eine provisorische Maßnahme nach Art. 5 Abs. 7 SPS berufen hat. Das Berufungsgremium entschied hier, daß zwar die genannten Voraussetzungen (1) bis (3) bei Erlaß der SPS-Maßnahme durch Japan vorgelegen haben. Die Beibehaltung der vorläufigen SPS-Maßnahme durch Japan war jedoch nicht mit Art. 5 Abs. 7 SPS vereinbar und daher unrechtmäßig, da die Voraussetzungen (4) und (5) nicht vorgelegen haben.155 Danach hat Japan sich nicht bemüht, die „notwendigen zusätzlichen Informationen“ („the additional information necessary“) für eine objektive Risikobewertung einzuholen und „innerhalb einer vertretbaren Frist“ („within a reasonable period of time“) eine entsprechende Überprüfung der SPS-Maßnahme vorzunehmen.156 Diese beiden Kriterien wurden in dem Verfahren durch das Berufungsgremium näher konkretisiert. Weder in Art. 5 Abs. 7 SPS noch an einer anderen Stelle gibt es im SPS-Übereinkommen ausdrückliche Angaben, was unter „notwendige zusätzliche Informationen“ zu verstehen ist. Art. 5 Abs. 7 SPS sagt auch nichts über die Ergebnisse, die zu erzielen sind, sondern verpflichtet die Mitglieder nur, sich zu bemühen, solche Informationen einzuholen. Jedoch sollen diese Informationen beschafft werden, um eine „objektive Risikobewertung“ durchzuführen. Nach Auffassung des Berufungsgremiums müssen diese zusätzlichen Informationen daher zumindest im Zusammenhang einer durchzuführenden Risikobewertung stehen und zu deren Durchführung geeignet sein.157 153

Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para 80. Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), 650; zu den allgemeinen Fragen der Beweislast, siehe ausführlich E.V.1. 155 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 94. 156 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 92. 157 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 92. 154

IV. Recht auf Vorsorge als Ausnahme von der „Wissenschaftlichkeit‘‘

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Im Zusammenhang mit der „vertretbaren Frist“, entwickelte das Berufungsgremium keine allgemeingültigen Kriterien. Es entschied hier lediglich, daß diese Zeitspanne von Fall zu Fall aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden sei. Hierbei seien sowohl die Schwierigkeiten, solche zusätzlichen Informationen zu erlangen, als auch den Charakter der streitigen vorläufigen SPS-Maßnahme zu berücksichtigen.158 Diese Frist ist somit eng an die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse geknüpft. Im konkreten Fall entschied das Berufungsgremium in Übereinstimmung mit dem Panel, daß Japan seine SPS-Maßnahme seit Einführung dieser Verpflichtungen zum 1. Januar 1995 bis zum Verfahren im Oktober 1998 hätte überprüfen müssen (rund 3 1/2 Jahre). Da dies nicht geschehen sei, habe Japan gegen die Voraussetzung (5) verstoßen.159 b) EC – Hormones Im Hormonstreit hat sich die EG nicht auf eine vorläufige Maßnahme gemäß Art. 5 Abs. 7 SPS berufen. Die EG hat das Vorsorgeprinzip allerdings in einem allgemeineren Kontext angeführt: Sowohl vor dem Panel als auch vor dem Berufungsgremium hat sie als Beschwerdegegnerin das Recht auf Vorsorge vorgebracht, um darzulegen, daß ihre Maßnahmen zum Verbot von hormonbehandeltem Fleisch gemäß Art. 5 Abs. 1 SPS auf einer Risikobewertung beruhen. Die EG hat vorgetragen, daß das Vorsorgeprinzip geltendes Völkergewohnheitsrecht oder wenigstens einen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Völkerrecht darstelle.160 Das Vorsorgeprinzip bewirke danach in bezug auf Art. 5 Abs. 1 und 2 SPS, daß keine einheitliche wissenschaftliche Bewertung erforderlich sei.161 Zudem bewirke das Vorsorgeprinzip, daß durch Art. 5 Abs. 1 und 2 SPS keine bestimmte Art von Risikobewertung vorgeschrieben werde und Mitglieder nicht davon abhalten könne, besonders vorsichtig bei der Durchführung der Risikobewertung zu sein.162 Die USA sind der Auffassung, daß das Vorsorgeprinzip nicht Völkergewohnheitsrecht sei, sondern eher eine Herangehensweise („approach“) darstelle, als ein Prinzip.163 Kanada ist ebenfalls der Ansicht, daß es sich bei diesem Prinzip noch nicht um geltendes Völkergewohnheitsrecht handele. 158

Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 93. Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 93. 160 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Para. 91. 161 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Para. 88. 162 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Para. 94. 163 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der USA an das Berufungsgremium, Para. 92. 159

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

Jedoch sei diese vorsorgliche Herangehensweise als Konzept ein sich entwickelndes Prinzip, das sich in Zukunft zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (c) IGH-Statut entwickeln könnte.164 Das Panel hat hierzu festgestellt, daß das Vorsorgeprinzip als Völkergewohnheitsrecht betrachtet werden kann. Es sei daher grundsätzlich möglich, das Vorsorgeprinzip über Art. 3 Abs. 2 DSU zur Auslegung von Vorschriften des SPS-Übereinkommens heranzuziehen.165 Darüber hinaus beinhalte auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 7 SPS das Vorsorgeprinzip. Das Berufungsgremium bestätigt in seinem Bericht einerseits die Auffassung das Panel, weitet aber andererseits die Anwendungsmöglichkeit des Vorsorgeprinzips aus, indem es feststellt: „[. . .] there is no need to assume that Article 5.7 exhausts the relevance [of the principle]“.166

Die WTO-Streitschlichtungsorgane sind jedoch entgegen der Auffassung der EG in diesem Verfahren übereinstimmend der Meinung, daß die Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips nicht den ausdrücklichen Wortlaut des SPS-Übereinkommens (etwa der Pflichten des Art. 5 Abs. 1 und 2 SPS) außer Kraft setzen könne; insbesondere auch nicht deshalb, weil das Vorsorgeprinzip durch Art. 5 Abs. 7 SPS in das SPS-Übereinkommen eingeführt und ihm so auch innerhalb dieses Übereinkommens Geltung verschafft worden sei.167 In bezug auf den rechtlichen Status des Vorsorgeprinzips hat das Berufungsgremium festgestellt, daß es sich hierbei um ein Thema handele, das bei Diskursen zwischen Akademikern, Rechtspraktikern und Richtern thematisiert werde. Zwar werde das Recht auf Vorsorge von einigen als Völkergewohnheitsrecht im umweltrechtlichen Bereich angesehen; ob es sich hierbei aber um einen allgemein anwendbaren Völkerrechtssatz handele, sei alles andere als klar. Außerhalb des Umweltvölkerrechts bedürfe das Vorsorgeprinzip daher einer verbindlichen Ausarbeitung, um allgemeine Geltung zu erlangen.168 164 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage von Kanada an das Berufungsgremium, Para. 34. 165 Hormonstreit, Kanada-Panelbericht, Para. 8.160. 166 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 124. 167 Hormonstreit: Kanada-Panelbericht, Para. 8.252; Berufungsbericht, Paras. 124 und 125. 168 Wörtlich heißt es hierzu im Berufungsbericht: „The status of the precautionary principle in international law continues to be subject of debate among academics, law practinioners, regulators and judges. The precautionary principle is regarded by some as having crystallized into a general principle of customary international environmental law. Whether it has been widely accepted by members as a principle of general customary interna-

IV. Recht auf Vorsorge als Ausnahme von der „Wissenschaftlichkeit‘‘

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Im Ergebnis hat das Berufungsgremium die Argumentation der EG zurückgewiesen und – obwohl es das Vorsorgeprinzip im konkreten Fall als nicht relevant angesehen hat – zusammenfassend zum Verhältnis zwischen Vorsorgeprinzip und SPS-Übereinkommen folgende Feststellungen getroffen:169 (i) Erstens wurde das Vorsorgeprinzip nicht in das SPS-Übereinkommen aufgenommen, um SPS-Maßnahmen zu rechtfertigen, die ansonsten mit diesem Übereinkommen unvereinbar sind. (ii) Zweitens findet das Vorsorgeprinzip in Art. 5 Abs. 7 SPS Berücksichtigung, d.h. nur für provisorische Maßnahmen. Es ist außerdem im sechsten Erwägungsgrund der Präambel und in Art. 3 Abs. 3 SPS berücksichtigt. Hierin wird ausdrücklich das Recht eines Mitglieds niedergelegt, sein eigenes angemessenes Schutzniveau festzulegen, das unter Umständen die Schutzniveaus in internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen übersteigt. (iii) Drittens muß ein Panel, das sich mit der Frage auseinandersetzt, ob beispielsweise ausreichendes wissenschaftliches Beweismaterial für die Einführung oder Beibehaltung einer SPS-Maßnahme vorgelegt wurde, berücksichtigen, daß die verantwortlichen Regierungen in der Regel mit Vorsicht und Vorsorge agieren, wenn es um unumkehrbare – z. B. lebensbedrohliche – Risiken geht. (iv) Viertens darf das Vorsorgeprinzip ohne klare textliche Vorgaben ein Panel nicht von der Pflicht entbinden, die normalen (wie z. B. Völkergewohnheitsrecht) Grundsätze der Vertragsauslegung bei der Überprüfung der Vorschriften des SPS-Übereinkommens anzuwenden. 3. Anmerkungen In Japan – Agricultural Products haben die Streitschlichtungsorgane wichtige Hinweise für die Auslegung des Art. 5 Abs. 7 SPS gegeben. Hierbei wurde deutlich, daß konsequent zwischen dem Zeitpunkt der Einführung und dem der Beibehaltung der SPS-Maßnahme zu unterscheiden ist. An den jeweiligen Zeitpunkt knüpfen sich unterschiedliche Voraussetzuntional law appears less than clear. We consider, however, that it is unnecessary, and probably imprudent, for the Appellate Body in this appeal to take a position on this important, but abstract, question. We note that the Panel itself did not make a definite finding with regard to the status of the precautionary principle in international law and the precautionary principle, at least outside the field of international environmental law, still awaits authoritative formulation.“ (Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 123). 169 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 124.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

gen für die Zulässigkeit der SPS-Maßnahme. Das Berufungsgremium hat zudem die Pflicht der Mitglieder bekräftigt, alle bestehenden nationalen SPS-Maßnahmen – also auch die vorläufigen Maßnahmen- anhand des SPS-Übereinkommens zu überprüfen. Hierbei wird besonders Wert darauf gelegt, daß die Mitglieder innerhalb einer vertretbaren Frist eine entsprechende Überprüfung ihrer SPS-Maßnahme vornehmen und sich bemühen, die notwendigen zusätzlichen Informationen für eine objektive Risikobewertung einzuholen. Im Hormonstreit haben die Streitschlichtungsorgane die Vorschrift des Art. 5 Abs. 7 SPS nicht konkret ausgelegt, da die EG ihre SPS-Maßnahme ausdrücklich nicht als vorläufige Maßnahme verstanden wissen wollte. Dennoch machten Panel und Berufungsgremium allgemeine Ausführungen zum Vorsorgeprinzip, die bei zukünftigen Verfahren in diesem Bereich von Bedeutung sein können. Die Streitschlichtungsorgane haben betont, daß das Vorsorgeprinzip, sofern es denn überhaupt rechtsähnlichen Charakter aufweist, nicht den Wortlaut der Vorschriften des SPS-Übereinkommens überlagern könne. Somit gehen die Vorschriften des SPS-Übereinkommens diesem möglicherweise allgemeinen Völkerrechtsprinzip vor.170 Das SPS-Übereinkommen bringt zum Ausdruck, daß eine Einbeziehung des Vorsorgeprinzips in Art. 5 Abs. 7 SPS von den Vertragsparteien nur für provisorische Maßnahmen gewollt war. Diese Vorschrift deckt jedoch nicht abschließend die Relevanz dieses Prinzips. Das Vorsorgeprinzip kann über Art. 3 (c) WVRK und Art. 3 Abs. 2 DSU bei der Auslegung von einzelnen Vorschriften des SPS-Übereinkommens herangezogen werden. So hat beispielsweise ein Panel, das sich mit der Frage auseinandersetzt, ob ausreichendes wissenschaftliches Beweismaterial für die Einführung oder Beibehaltung einer SPS-Maßnahme vorgelegt wurde, zu berücksichtigen, daß die 170 Bei aller Kritik, vor allem seitens der EG, ist zu berücksichtigen, daß das in Art. 5 Abs. 7 SPS niedergelegte Recht auf Vorsorge sich nur marginal von der Definition unterscheidet, die innerhalb der EG zugrundegelegt wird. So heißt es hierzu in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung zur Errichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde: „Maßnahmen, die [bei wissenschaftlicher Unsicherheit] [. . .] getroffen werden, müssen verhältnismäßig sein und dürfen den Handel nicht stärker beeinträchtigen, als dies zur Erreichung des [. . .] gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit und anderer [. . .] Faktoren notwendig ist. Diese Maßnahmen müssen innerhalb einer angemessenen Frist überprüft werden, die von der Art des festgestellten Risikos für Leben oder Gesundheit und der Art der wissenschaftlichen Informationen abhängig ist, die zur Klärung der wissenschaftlichen Unsicherheit und für eine umfassendere Risikobewertung notwendig sind.“ (ABlEG Nr. L 31, v. Februar 2002, 9).

V. Kritische Würdigung der Fokussierung auf Wissenschaft

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verantwortlichen Regierungen in der Regel mit Vorsicht und Vorsorge agieren, wenn es um unumkehrbare – z. B. lebensbedrohliche – Risiken geht.171 Ob die rechtliche Ausgestaltung des Vorsorgeprinzips im Völkerrecht als verbindlich und hinreichend konkretisiert angesehen werden kann, soll und kann an dieser Stelle nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden.172 Für diese Studie und das SPS-Übereinkommen in seiner konkreten Anwendung ist allein das Ergebnis wichtig, daß das Vorsorgeprinzip jedenfalls noch nicht soweit als rechtlich bindend angesehen wird, daß es die Verpflichtungen eines völkerrechtlichen Vertrags überlagern kann.173 Selbst wenn das Recht auf Vorsorge inzwischen als Völkergewohnheitsrecht gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut oder als allgemeiner Rechtsgrundsatz nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut zu qualifizieren wäre, so kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, daß das Vorsorgeprinzip als zwingendes Völkerrecht (jus cogens)174 anerkannt ist. Somit kann das Vorsorgeprinzip vertraglich abbedungen werden. Dies haben die Vertragsparteien des SPS-Übereinkommens getan, indem sie sich auf Vorschriften geeinigt haben, nach denen nationale SPS-Maßnahmen grundsätzlich einen wissenschaftlichen Nachweis in Form einer Risikobewertung voraussetzen. Einzige Ausnahme hiervon soll nach dem Willen der Vertragsparteien bei wissenschaftlichen Unsicherheiten die vorübergehende SPS-Maßnahme nach Art. 5 Abs. 7 SPS sein. Mit der Auslegung dieser Vorschrift in Japan – Agricultural Products hat das Berufungsgremium diesem Willen Rechnung getragen.

V. Kritische Würdigung der Fokussierung auf Wissenschaft Die Strategie des SPS-Übereinkommens, Wissenschaft als Abgrenzungskriterium zwischen zulässigen SPS-Maßnahmen und Protektionismus hat in der praktischen Anwendung Wirkung gezeigt. In keinem der bisher unter dem SPS-Übereinkommen entschiedenen Verfahren der WTO konnte ein ausreichender wissenschaftlicher Nachweis für die handelsbeschränkende SPS-Maßnahme erbracht werden. 171

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 124. Selbst umfangreiche Studien konnten diese Frage nicht abschließend klären: beispielsweise Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law, S. 291 ff. 173 So hat auch der IGH sich entscheiden, daß das Vorsorgeprinzip nicht Vertragsverpflichtungen überlagern kann, Case Concerning the Gabcikovo-Nagymaros Project (Ungarn – Slovakei) vom 25. September 1997, I.C.J. 1997, S. 92. 174 Zu der Theorie des jus cogens grundlegend: Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 130 ff. 172

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

Aus WTO-Sicht überzeugt dieser Ansatz der „Verwissenschaftlichung“. Wissenschaft ist in der Lage, universelle Standards zu setzen, an denen sich die Mitglieder orientieren können, Konflikte zu versachlichen und zu entpolitisieren und gleichzeitig Risiken und Gefahren für die menschliche Gesundheit zu erkennen und erforderlichenfalls auszuschließen. Der „Wissenschaftlichkeits-Test“ unter dem SPS-Übereinkommen ist unter anderem ein Versuch, Wissenschaft von Moral abzugrenzen. Es soll mit Hilfe der Wissenschaftlichkeit entschieden werden, ob eine moralische Rechtfertigung nur als Vorwand für eine protektionistische Maßnahme vorgebracht wird. Das SPS-Übereinkommen präferiert somit eine Konzeption zugunsten von Naturwissenschaftlern und Technokraten. Es handelt sich hierbei um ein eindimensionales System der wissenschaftlichen Rationalität.175 Hypothetische oder potentielle Gefahren sowie politische und kulturelle Zusammenhänge finden kaum Berücksichtigung. Letztlich haben anerkannte und qualifizierte Naturwissenschaftler zwischen richtig und falsch zu entscheiden. Scott formuliert diesen Zustand im SPS-Regime – etwas überspitzt – folgendermaßen: „Law is the servant of science in the name of free trade.“176

Im Gegensatz zu Atik,177 hat Howse aus demokratietheoretischer Sicht gegen diese Konzeption keine Bedenken. Er vertritt die These, daß das SPS-Übereinkommen die Qualität rationaler demokratischer Entscheidungsfindung in bezug auf die nationale Kontrolle von Gefahren steigert. Die Vorschriften des SPS-Übereinkommens seien nicht dahingehend zu verstehen, die legitime demokratische Wahl eines angemessenen Schutzniveaus zu verhindern und unrechtmäßig in die nationalstaatliche Regulierung einzugreifen.178 Seiner Meinung nach umschließen demokratische Grundsätze nicht die populistischen Antworten auf öffentlich geäußerte polemische Ängste und Vorurteile von Teilen der Bevölkerung. Demokratie sei dann gegeben, wenn 175 Scott, On Kith and Kine (and Crustaceans), in: Weiler, „The EU, the WTO and the NAFTA“, S. 157 f. 176 Scott, On Kith and Kine (and Crustaceans), in: Weiler, „The EU, the WTO and the NAFTA“, S. 157. 177 Atik vertritt die Auffassung, daß sich durch diese Höhergewichtung der Wissenschaft auch im innerstaatlichen Rechtsetzungsprozeß Einfluß und Macht zu Lasten demokratischer Elemente verschieben werden; Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996– 97), S. 758. 178 Howse, Democracy, Science, and Free Trade, Michigan Law Review, S. 2330.

V. Kritische Würdigung der Fokussierung auf Wissenschaft

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die Bürger oder zumindest die gewählten demokratischen Entscheidungsträger vergleichbare rationale Informationen über mögliche Gefahren besitzen sowie Kosten und Nutzen angemessener Maßnahmen zu ihrer Kontrolle gegeneinander abwägen. Naturwissenschaftliche Grundsätze und Nachweise seien danach geeignete Kriterien, die rationale Kontrolle von Gefahren voranzutreiben.179 In diese Richtung argumentiert auch Pauwelyn, der ein wesentliches Hauptproblem in der mangelhaften Kommunikation (supra-)nationaler Regierungen sieht.180 Teile in der Literatur sehen möglicherweise sogar eine Stärkung des nationalen Gesetzgebers im internationalen Kontext durch die Einbeziehung von Wissenschaft in das WTO-System und das Streitbeilegungsverfahren. Danach sei Wissenschaft – im Gegensatz zu anderen Ansätzen, wie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – das nationale Interessen gegen die übergeordneten Interessen des multilateralen Handelssystems WTO abwägt, die abschließende (kategorische) Anerkennung des nationalen Gesetzgebers.181 Die nationale Gesetzgebungskompetenz werde durch den Wissenschaftlichkeitstest nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: Sobald eine wissenschaftliche Grundlage vorhanden sei, könne nur schwer gegen die SPS-Maßnahme vorgegangen werden.182 Wissenschaft ist in der Lage, irrationale Ängste zu widerlegen und legitimen Gesundheitsschutz zu untermauern. Zweifelhaft bleibt jedoch, ob es Wissenschaft tatsächlich möglich macht, internationale Handelskonflikte zu entpolitisieren und einen Ausgleich zwischen Zielen des Gesundheitsschutzes und des internationalen Handels zu schaffen. Auf der einen Seite ist es verständlich zu versuchen, auf wissenschaftlicher Grundlage Kriterien einzuführen, die losgelöst von jeder Emotionalität 179 In diesem Sinne auch O. Perez, der in dem pluralistischen Ansatz der Entscheidung des Berufungsgremiums im Hormonstreit einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung der Entscheidungsfindung in internationalen Institutionen sieht (Perez, Reconstructing Science, European Foreign Affairs Review 3 (1998), S. 578 ff.). 180 Pauwelyn, An overview of the WTO agreements on health and technical standards and their impact on communication, ZLR 2000, S. 851 ff. Pauwelyn gelangt zu dem Ergebnis, daß die Mitgliedstaaten der WTO größere Anstrengungen unternehmen müßten, ihre Bevölkerungen über die Vorteile des Welthandels sowie Maßnahmen zu unterrichten, die sie zum Schutz der Verbraucher treffen, und welche wissenschaftliche Grundsätze sie dabei zugrundelegen. 181 So Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996–97), S. 739. 182 Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996–97), S. 758.

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

universell anwendbar sind. Mit Hilfe der Wissenschaft können Streitigkeiten versachlicht und objektiv nachvollziehbarer gelöst werden. Rationalität steht im Vordergrund. Potentielle Handelsbarrieren können schon im Vorfeld eines Konflikts aus dem Weg geräumt oder gar nicht erst aufgebaut werden, wenn SPS-Maßnahmen auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt werden. Gesundheitsschutz für die eigene Bevölkerung ist dadurch im Regelfall gewährleistet, da SPS-Maßnahmen mit handelsbeschränkender Wirkung zulässig sind, sofern diese vor wissenschaftlich nachweisbaren Gefahren für die menschliche Gesundheit schützen. Soziale, kulturelle und politische Aspekte unterscheiden sich in den unterschiedlichen Regionen so stark, daß diese nach der Konzeption des SPS-Übereinkommens im Interesse eines funktionierenden Welthandelssystems hinter dem Kriterium Wissenschaft zurückstehen müssen. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß Wissenschaft mit universellem Wissen verwechselt wird. Hier bestehen jedoch markante Unterschiede, die Atik folgendermaßen umschreibt: „Knowledge is tentative, and the scientific project is sceptical, destructive and eliminatory“183

Wissenschaft entwickelt und wandelt sich. Was heute noch als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis gilt, kann morgen schon wissenschaftlich widerlegt werden.184 In diesem ständigen Entwicklungsprozeß der Wissenschaft kann zu keinem Zeitpunkt mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden, daß ein bestimmter Stoff grundsätzlich für die menschliche Gesundheit unbedenklich ist. Beispielsweise bedeutet allein die Tatsache, daß die Sachverständigen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissenschaftlich nachweisen konnten, daß der Konsum von Fleisch hormonbehandelter Rinder für die menschliche Gesundheit keine Gefahren mit sich bringt, noch nicht, daß dieses Fleisch auch zukünftig immer wissenschaftlich als unbedenklich eingestuft wird.185 Anhand der Pflichten des SPS-Übereinkommens sollen nationale Rechtsakte einzig an dem Kriterium der Wissenschaftlichkeit überprüft werden, die jedoch möglicherweise nicht ausschließlich auf wissenschaftlichen Grundlagen erlassen worden sind. Es ist somit nicht unwahrscheinlich, daß eine große Anzahl solcher nationalen Rechtsakte in einem WTO-Verfahren 183 Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996–97), S. 716, 738 und 750. 184 Wirth, European Communities-Measures Concerning Meat and Meat Products, AJIL 92 (1998), S. 759. 185 Das gleiche gilt für den Verzehr von gentechnisch behandelten Nahrungsmitteln; Hughes, Limeting the Jurisdiction of Dispute Settlement Panels, Geo. Int’l Envt’l L. R. 10 (1997/98), S. 927.

V. Kritische Würdigung der Fokussierung auf Wissenschaft

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nicht der Überprüfung durch WTO-Streitschlichtungsorgane nach den strengen Kriterien des SPS-Übereinkommens standhalten. Mit Inkrafttreten des SPS-Übereinkommens wurden alle nationalen handelsbeschränkenden SPS-Maßnahmen ohne spezifische wissenschaftliche Studien auf einen Schlag WTO-widrig, falls sie nicht auf internationale Vorgaben gestützt waren. Als Folge ist es unvereinbar mit dem SPS-Übereinkommen, eine SPS-Maßnahme beizubehalten, die automatisch die Einfuhr eines neuen Produkts ausschließt, bis der Lieferant ausreichend Daten liefert mit denen die Sicherheit dieses neuen Produkts nachgewiesen werden kann (sogenannte „pre market approval programs“).186 Es wäre jedoch kaum praktikabel und finanzierbar den Mitgliedern aufzuerlegen, für jeden – auch bereits bestehenden – handelsbeschränkenden Effekt einer SPS-Maßnahme mit Inkrafttreten des SPS-Übereinkommens eine spezifische wissenschaftliche Studie durchzuführen. Problematisch ist das SPS-System aus Sicht des nationalen Gesetzgebers insbesondere in zwei Situationen: (1) Erstens in Fällen mit potentieller Gefährdung unter wissenschaftlicher Unsicherheit. (2) Zweitens in Fällen einer starken Verbraucheropposition gegen ein bestimmtes Produkt oder eine Substanz ohne wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, welche den nationalen Gesetzgeber faktisch zum Handeln zwingt.187 Wissenschaft ist in der Praxis nur dann ein brauchbares Abgrenzungskriterium, wenn deren Ergebnisse eindeutig sind. Sobald wissenschaftliche Unsicherheiten auftauchen, scheint dieses Kriterium nur bedingt als objektives (neutrales) Kriterium geeignet, um protektionistische von WTO-konformen SPS-Maßnahmen abzugrenzen. Werden in WTO-Verfahren nicht ausreichend wissenschaftliche Beweise für die Schädlichkeit eines Stoffes vorgebracht, so hat dieser Stoff nach der Konzeption des SPS-Übereinkommens als unschädlich zu gelten. Der Beschwerdegegner hat demnach positiv wissenschaftlich nachzuweisen, daß eine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht. Es ist daher unzulässig, eine SPS-Maßnahme lediglich auf eine hypothetische oder potentielle Gefahr für die menschliche Gesundheit zu stützen und beizubehalten. Bisher ergeben sich aus den Bestimmungen des SPS-Übereinkommens wenig praktikable Lösungsansätze, um mit dem Problem wissenschaftlicher Unsicherheiten umzugehen. Hierbei könnten die Verankerung von Vorsorge186

Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law, S. 70 f. m. w. N. Quintillán, Free Trade, Public Health Protection and Consumer Information in the European and WTO Context, JWT 33 (1999), S. 147. 187

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C. „Verwissenschaftlichung‘‘ der WTO?

prinzipien, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie die Erweiterung des nationalen Beurteilungsspielraumes Lösungsansätze bieten. Diese Möglichkeiten werden bereits erfolgreich im EG-Recht und im deutschen Recht angewendet.188 In einigen Fällen (wie beispielsweise im Hormonstreit) werden nationale Gesetzgeber häufig durch ihre Bürger und Konsumenten faktisch gezwungen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, bevor ein endgültiger wissenschaftlicher Nachweis für Gesundheitsgefahren vorliegt. So wird die Macht der Verbraucher neben die wissenschaftlichen Grundlagen eines Rechtsaktes gesetzt. Diese politische Realität erkennt das Berufungsgremium im Hormonstreit jedoch nicht an.189 Die Auslegung des Art. 5 SPS durch das Berufungsgremium ist zwar konsequent und bestätigt den Willen der Vertragsparteien beim Abschluß des SPS-Übereinkommens. Jedoch scheint ein Konflikt mit vielen in Kraft befindlichen und neu zu erlassenden SPS-Maßnahmen bereits vorprogrammiert. Darüber hinaus ist das wissenschaftliche Know-how in der Welt nicht gleichmäßig verteilt. So haben Entwicklungsländer weniger Möglichkeiten, wissenschaftliche Studien durchzuführen und so den Anforderungen einer Risikobewertung nach Art. 5 SPS gerecht zu werden. Es scheint nicht ganz abwegig zu behaupten, daß die ärmeren WTO-Mitglieder dadurch in ihrer nationalen Rechtssetzungsbefugnis bei SPS-Maßnahmen eingeschränkt werden. Die Möglichkeit, auch auf Risikobewertungen Dritter zugreifen zu können, gleicht dieses Defizit nicht aus. Eine Rechtfertigung von SPS-Maßnahmen nach dem WTO-Recht sollte nicht davon abhängen, ob sich ein Mitglied die aufwendigen kosten- und zeitintensiven wissenschaftlichen Forschungsprogramme leisten kann oder nicht. Die aufgezeigten Unterschiede in der Risikowahrnehmung könnten es nahelegen, den Wünschen der Bevölkerung stärkeres Gewicht beizumessen. Es ist zu fragen, ob als irrational erkannte Wertungen der Bevölkerung der Entscheidung dennoch zugrunde gelegt werden dürfen. Staatliches Ziel wäre dann nicht mehr die Vorsorge gegen objektiv erkannte Risiken, sondern die Stärkung des Sicherheitsbewußtseins der Bevölkerung.190 Wissenschaft verstärkt zwar die Rationalität in nationalen Rechtssetzungsprozessen. Es scheint jedoch zweifelhaft, Wissenschaft als objektives, universelles Abgrenzungskriterium zu sehen und dementsprechend anzuwenden. Es sprechen einige gewichtige Argumente dafür, Wissenschaft ins188

s. hierzu ausführlich E.IV. A.A. Eggers, Die Entscheidung des WTO Appellate Body im Hormonfall, EuZW 1998, S. 150. 190 In diese Richtung: Engel, Risikovorsorge im demokratischen Rechtsstaat, Die Verwaltung 1996, S. 269. 189

V. Kritische Würdigung der Fokussierung auf Wissenschaft

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besondere bei wissenschaftlichen Unsicherheiten nicht als einzigen allumfassenden Faktor anzusehen, anhand dessen protektionistische WTO-widrige von zulässigen SPS-Maßnahmen abgegrenzt werden. Vor dem Hintergrund der hier entwickelten Kritik ist zu fordern, die Konzeption der Wissenschaftlichkeit in den beiden angesprochenen Problembereichen zu überdenken und die Überprüfung von SPS-Maßnahmen auf die traditionelle GATTeigene Prüfung der Nichtdiskriminierung zu beschränken.191

191 Im folgenden Abschnitt wird untersucht, inwieweit dieses traditionelle Diskriminierungsverbot des GATT in dem SPS-Übereinkommen weiterentwickelt wurde, um Antworten auf die spezifischen Problembereiche nicht-tarifärer Handelshemmnisse zu finden.

D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen (Erweiterung der Pflichten des GATT?) I. Normative Grundlagen in GATT und SPS-Übereinkommen 1. Nichtdiskriminierung im GATT Nationale Vorschriften sind unterschiedslos anzuwenden.1 Dieser Grundsatz der Nichtdiskriminierung (oder Diskriminierungsverbot) wird als „Herzstück“2 oder als „Verfassungsprinzip“3 der WTO-Rechtsordnung bezeichnet. Durch diese Gleichbehandlung werden die Voraussetzungen für den internationalen Wettbewerb geschaffen.4 Das Diskriminierungsverbot unterteilt sich im GATT in das Inländer- und das Meistbegünstigungsprinzip. Das Inländerprinzip („national treatment“) in Art. III Abs. 4 GATT verbietet es den Mitgliedstaaten, zwischen In- und Ausland zu diskriminieren. Importierte Waren dürfen danach keine weniger günstige Behandlung erfahren als gleichartige Waren inländischen Ursprungs. Das Meistbegünstigungsprinzip („Most-Favoured-Nation Treatment“, „MFN“) in Art. I Abs. 1 GATT verpflichtet alle Mitgliedstaaten zur Nichtdiskriminierung zwischen verschiedenen ausländischen Vertragspartnern. Danach sind sämtliche Vergünstigungen, die ein WTO-Mitglied einem weiteren Mitglied gewährt, auch allen dritten Mitgliedern einzuräumen. Ziel ist hier die Gleichbehandlung mit dem meistbegünstigten Ausländer, während hinter dem Inländerprinzip das Ziel der Gleichbehandlung mit dem Inländer steht. Dieses „klassische“ Diskriminierungsverbot kann jedoch nur wenig zum Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen wie SPS-Maßnahmen beitragen. Denn solche Maßnahmen haben ihre Besonderheit darin, daß sie auch eine handelsbeschränkende Wirkung entfalten können, wenn sie auf einheimische und eingeführte Erzeugnisse gleichermaßen angewendet werden. Die Beseitigung solcher Handelshemmnisse kann mit herkunftsbezogenen 1

Art. 1 Abs. 1 und Art. III Abs. 4 GATT. Kewenig, Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Völkerrecht der internationalen Handelsbeziehungen, Band I, S. 13 f. 3 Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfassung, S. 107 ff. 4 Im einzelnen hierzu Tietje, Normative Grundstrukturen der Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse in der WTO/GATT – Rechtsordnung, S. 192 ff. 2

I. Normative Grundlagen in GATT und SPS-Übereinkommen

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Diskriminierungsverboten nicht erreicht werden. Zu prüfen ist daher, welche Lösungen die Diskriminierungsverbote im SPS-Übereinkommen zur Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse bereithalten. 2. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen Auch das SPS-Übereinkommen beinhaltet das wichtige Diskriminierungsverbot. Nachdem eine SPS-Maßnahme wirksam erlassen wurde, verlangt Art. 5 Abs. 5 SPS in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 SPS von den Mitgliedern eine konsequente Anwendung dieser SPS-Maßnahme. Die Mitglieder haben hierbei willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede des Gesundheitsschutzniveaus zu vermeiden, wenn solche Unterschiede zu Diskriminierung oder verschleierten Beschränkungen des internationalen Handels führen. Art. 2 Abs. 3 SPS sieht vor: „Die Mitglieder stellen sicher, daß ihre gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen keine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen Mitgliedern, in denen die gleichen oder ähnlichen Bedingungen herrschen, oder zwischen ihrem eigenen Gebiet und anderen Mitgliedern bewirken. Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen werden nicht so angewendet, daß sie zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Dieses traditionelle Diskriminierungsverbot besteht bei Anwendung der SPS-Maßnahme zum einen zwischen WTO-Mitgliedern untereinander und zum anderen zwischen dem eigenen Hoheitsgebiet und dem anderer Mitglieder. Art. 2 Abs. 3 SPS ist immer im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 5 S. 1 SPS zu lesen,5 in dem es heißt: „Mit dem Ziel einer konsequenten Anwendung des Konzepts eines angemessenen Schutzniveaus des gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Schutzes vor Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen vermeidet jedes Mitglied willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede des Schutzniveaus, das er unter unterschiedlichen Umständen als angemessen erachtet, wenn solche Unterschiede zu Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

In diesen Pflichten könnte eine Erweiterung der Pflichten aus Meistbegünstigungsprinzip und Inländergleichbehandlung des GATT liegen. Zur Beantwortung dieser Frage sind im folgenden die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 5 SPS in seiner Auslegung durch die WTO-Streitschlichtungsorgane zu analysieren. 5

So das Berufungsgremium im Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 212.

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D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen

II. Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 5 SPS Ein Beschwerdeführer, der vor den Panels erfolgreich einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 SPS rügen möchte, hat das Vorliegen der folgenden drei Voraussetzungen aufzuzeigen, die kumulativ vorliegen müssen:6 (1) Der Beschwerdegegner hat mit der streitigen SPS-Maßnahme Schutzniveaus für unterschiedliche aber vergleichbare Situationen festgelegt; und (2) diese Schutzniveaus zeigen willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede bei Behandlung der unterschiedlichen aber vergleichbaren Situationen; und (3) diese willkürlichen oder ungerechtfertigten Unterschiede führen zu Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des internationalen Handels. 1. Verschiedene Schutzniveaus in unterschiedlichen aber vergleichbaren Situationen Zunächst wird vorausgesetzt, daß das Mitglied verschiedene Schutzniveaus festgelegt hat, die es als angemessen für unterschiedliche aber vergleichbare Situationen sieht. Diese vergleichbaren Situationen wurden bisher weit ausgelegt. Sie müssen lediglich einige Elemente gemeinsam haben, oder einzelne Elemente haben, die sie vergleichbar machen.7 Darüber hinaus müssen verschiedene, d.h. mehrere Schutzniveaus vorliegen. Im Hormonstreit hat das Panel solche Vergleichsgruppen gebildet, bei denen die gleiche Substanz oder die gleiche Art einer Gesundheitsgefährdung gegeben ist.8 Es hat zur Prüfung der streitigen EG-Maßnahmen wenigstens eine andere SPS Maßnahme der EG9 als Vergleich herangezogen und festgestellt, daß die EG in vergleichbaren Situationen unterschiedliche Schutzniveaus festgelegt hat.10 6 Insoweit übereinstimmend: Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 214 und 215; Australia – Salmon, Berufungsbericht, Para. 140. 7 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 217. 8 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.176; Kanada Panelbericht, 8.179. 9 Richtlinie des Rates 70/524/EWG vom 23. November 1970; ABlEG Nr. L 270 v. 14.12.1970, S. 1; dessen Anhang wurde geändert durch Richtlinie der Kommission 91/248/EWG von 12. April 1991, ABlEG Nr. L 124 v. 18.05.1991, S. 1. 10 USA Panelbericht, Para. 8.191; Kanada Panelbericht, Para. 8.194; und in bezug auf MGA, USA Panelbericht, Randnr 8.265, Kanada Panelbericht, Para. 8.269.

II. Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 5 SPS

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Im Verfahren Australia – Salmon entschied das Berufungsgremium, daß solche Situationen zumindest vergleichbare Elemente enthalten, in denen Gefahren derselben oder vergleichbaren Krankheiten oder Gefahren im Zusammenhang mit denselben oder vergleichbaren möglichen biologischen oder wirtschaftlichen Auswirkungen bestehen.11 Im konkreten Fall hat das Berufungsgremium die Importregulierung von frischem, gefrorenem oder gekochtem Lachs gemäß Art. 5 Abs. 5 SPS verglichen mit den entsprechenden Maßnahmen zu Hering und einer weiteren Fischart als Köderfisch.12 Diese weite Auslegung der vergleichbaren Gruppen unter Art. 5 Abs. 5 SPS steht im Gegensatz zu dem restriktiveren Anwendungsbereich des Art. III GATT. Nach den GATT-Vorschriften kann ein Diskriminierungsverbot nur in Fällen gleichartiger Waren oder bei direkter Vergleichbarkeit oder Ersetzbarkeit der Waren bestehen.13 2. Willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede der Schutzniveaus Zweitens setzt der Verstoß von Art. 5 Abs. 5 SPS voraus, daß willkürliche oder unterschiedliche Schutzniveaus für diese zuvor gebildeten vergleichbaren Gruppen bestehen. Nachfolgend wird im einzelnen auf die ausführlichen und instruktiven Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane im Hormonstreit eingegangen, um diese Anforderung zu konkretisieren und praxisnah zu veranschaulichen. Das Panel vergleicht das von der EG festgelegte Schutzniveau in bezug auf natürliche Hormone, die zur Wachstumsförderung von Tieren verwendet werden mit allen anderen Schutzniveaus und kommt hierbei zu dem Schluß, daß diese Unterschiede der Schutzniveaus teilweise willkürlich und ungerechtfertigt sind und somit gegen Art. 5 Abs. 5 SPS verstoßen.14 Das Berufungsgremium hat die Ausführungen des Panels größtenteils zurückgewiesen. (1) Zunächst hat das Panel die Schutzniveaus verglichen, die die EG in bezug auf natürliche und künstliche Hormone zur Wachstumsförderung von Tieren festgelegt hat, mit dem Schutzniveau in bezug auf natürliche Hormone, die von Natur aus in Fleisch und anderen natürlichen 11

Australia – Salmon, Berufungsbericht, Para. 146. Australia – Salmon, Berufungsbericht, Paras. 154 ff. 13 Art. III Abs. 2 und Abs. 4 GATT. Hierzu insbesondere: Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, Berufungsbericht vom 1. November 1996, WT/DS10/AB/R. 14 USA Panelbericht, Paras. 8.197 und 8.214; Kanada Panelbericht, Paras. 8.200 und 8.217; und bezüglich MGA, USA Panelbericht, Para. 8.256; Kanada Panelbericht, Para. 8.268. 12

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D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen

Nahrungsmitteln (wie etwa Milch oder Eiern) vorkommen. Bei dieser ersten Vergleichsgruppe folgt das Berufungsgremium der Ansicht des Panels nicht, wonach die unterschiedlichen Schutzniveaus willkürlich und ungerechtfertigt sind.15 Es sieht einen grundlegenden Unterschied zwischen zugesetzten (natürlichen oder künstlichen) Hormonen und natürlicherweise in Fleisch oder Nahrungsmitteln vorkommenden Hormonen.16 In bezug auf letztere wurde die EG nicht regulatorisch aktiv. Die EG zu verpflichten, Produktion und Konsum dieser Nahrungsmittel komplett zu verbieten oder die Rückstandswerte in solchen natürlichen Nahrungsmitteln zu beschränken, würde nach Ansicht des Berufungsgremiums zu einem solch umfassenden und massiven staatlichen Eingriff in das tägliche Leben ihrer Bürger führen, daß ein solcher Vergleich zur Absurdität verkommen würde. (2) Im Anschluß hat das Panel unterschiedliche Schutzniveaus der EG verglichen in bezug auf natürliche Hormone, die zur Wachstumsförderung eingesetzt werden, und der Verwendung der gleichen Hormone zu therapeutischen Zwecken. Das Berufungsgremium kommt bei der zweiten Vergleichsgruppe zu dem Schluß, daß hier zwar eine unterschiedliche Behandlung in unterschiedlichen aber vergleichbaren Situationen vorliegt. Die Unterschiede in den Schutzniveaus in bezug auf Hormone, die auf der einen Seite zu Zwecken der Wachstumsförderung und auf der anderen Seite zu therapeutischen Zwecken verabreicht werden, seien nach Auffassung des Berufungsgremiums aber weder willkürlich noch ungerechtfertigt.17 Hierbei stützt es sich im wesentlichen auf die vorgebrachten Argumente der EG, wonach es zwei wichtige Unterschiede zwischen der Behandlung von Hormonen zum Zweck der Wachstumsförderung und der therapeutischen Behandlung gebe: Der erste Unterschied beziehe sich auf Häufigkeit und Umfang der Behandlung.18 Hormone zu therapeutischen Zwecken werden nur gelegentlich verwendet; dagegen würden Hormone zur Wachstumsförderung regelmäßig und kontinuierlich verabreicht.19 Während man Hormone zu therapeutischen Zwecken nur selektiv an einzelne erkrankte Tiere verabreiche, werden sie zur Wachstumsförderung bei der gesamten Herde eingesetzt.20 15 Hormonstreit, 8.196 ff. 16 Hormonstreit, 17 Hormonstreit, 18 Hormonstreit, 82–84. 19 Hormonstreit,

USA Panelbericht, Paras. 8.193 ff.; Kanada Panelbericht, Paras. Berufungsbericht, Para. 221. Berufungsbericht, Para. 225. Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Paras. USA Panelbericht, Para. 4.71; Kanada Panelbericht, Para. 4.242.

II. Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 5 SPS

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Der zweite Unterschied beziehe sich auf die Art und Weise der Verabreichung der Hormone. Um Mißbrauch zu verhindern21 hat die EG ausführlich die Umstände reguliert, unter denen es Mitgliedstaaten der EU erlaubt ist, natürliche Hormone zur Therapie zu verabreichen: So müssen Hormone zu diesem Zweck von einem Tierarzt oder unter Aufsicht eines Tierarztes verabreicht werden.22 Die Richtlinie 96/22/EG legt hierzu noch weitere Voraussetzungen detailliert fest.23 (3) Als letztes hat das Panel die Schutzniveaus bezüglich der natürlichen und künstlichen Hormone zur Wachstumsförderung in der Rinderzucht mit dem Schutzniveau für die antimikrobischen Wachstumsförderer Karbadox und Olaquinox verglichen, die in der Schweinezucht verwendet werden.24 Letztere sind antimikrobische Wachstumsförderer, die in der Schweinezucht verwendet werden dürfen.25 Nach einem Bericht der JECFA26, der von den USA dem Panel vorgelegt wurde, verursacht (nicht bloß „fördert“) Karbadox Krebs.27 Die Sachverständigen haben dem Panel gegenüber bestätigt, daß Karbadox von seiner Art her toxisch ist. Im Laufe des Panelverfahrens hat die EG verschiedene Argumente vorgebracht, um den Unterschied der Schutzniveaus in bezug auf die natürlichen und künstlichen Hormone auf der einen sowie Karbadox und Olaquinox auf der anderen Seite zu rechtfertigen.28 Das Berufungsgremium hat die Argumente und Gegenargumente von EG und 20 Hormonstreit, USA Panelbericht, Paras. 8.198 und 8.199; Kanada Panelbericht, Paras. 8.201 und 8.202. 21 Hierzu Satz 2 des neunten Erwägungsgrundes der Richtlinie 96/22/EG vom 29. April, in dem es heißt: „Die Verabreichung bestimmter Stoffe zu therapeutischen oder tierzüchterischen Zwecken kann zugelassen werden, ist aber streng zu kontrollieren, um eine mißbräuchliche Verwendung zu verhüten.“ 22 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 4.69; Kanada Panelbericht, Para. 4.192. 23 Zu einigen dieser weiteren Anforderungen: Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 4.69; Kanada Panelbericht, Para. 4.238. 24 Hormonstreit: Berufungsbericht, Paras. 218 ff.; USA Panelbericht, Paras. 8.185 ff.; Kanada Panelbericht, Paras. 8.188 ff. 25 Richtlinie des Rates 70/524/EWG vom 23. November 1970 (ABlEG Nr. L 270 v. 14.12.1970, 1) regelt die Verwendung von Zusätzen in Tierfutter. Diese Richtline erlaubt es den Mitgliedstaaten, verschiedene in Anhang 1 aufgezählte Zusätze unter bestimmten Voraussetzungen zu verwenden. Die Richtline der Kommission 91/248/EWG vom 12. April 1991 (ABlEG Nr. L 124 v. 18.05.1991, 1.) hat die Anhänge 1 und 2 der Richtlinie von 1970 durch neue Anhänge ersetzt. Der neue Anhang 1 schließt unter der Überschrift „Wachstumsförderer“ Karbadox und Olaquinox ein. 26 Evaluation on Certain Veterinary Drug Residues in Food: Thirty-sixth Report of the Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives („JECFA“), Technical Report Series 799 (World Health Organisation, 1990), 45–50. 27 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 4.220.

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D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen

Panel ausführlich gewürdigt.29 Danach ist das Berufungsgremium zu dem Schluß gekommen, daß die Unterschiede in den EG-Schutzniveaus in bezug auf die streitigen Hormone zur Wachstumsförderung auf der einen Seite und Karbadox und Olaquinox auf der anderen Seite ungerechtfertigt im Sinne des Art. 5 Abs. 5 SPS seien.30 Die zweite Voraussetzung des Art. 5 Abs. 5 SPS sah das Berufungsgremium somit als erfüllt an. 3. Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des internationalen Handels Als dritte Voraussetzung des Art. 5 Abs. 5 SPS ist zu prüfen, ob die unterschiedlichen Schutzniveaus zu einer Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen. Diese dritte Voraussetzung ist wohl das umstrittenste Element in der Prüfung des Art. 5 Abs. 5 SPS.31 Es ist daher geboten, sich die unterschiedliche Argumentation von Panel und Berufungsgremium in den relevanten Entscheidungen vor Augen zu führen, um Systematik und präzise Auslegung dieser Voraussetzung – insbesondere auch im Verhältnis zum GATT – besser einordnen zu können. a) EC – Hormones aa) Auffassung des Panels Zur Auslegung dieser letzten Voraussetzung hat das Panel zwei Berichte des Berufungsgremiums herangezogen und einen Vergleich zur Systematik im GATT (insbesondere mit Art. III und Art. XX GATT) gezogen. Erstens hat es den Fall United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline32 („USA – Gasoline“) in Erinnerung gerufen,33 in dem das Berufungsgremium entschieden hat, daß die Begriffe „willkürliche Diskriminierung“, „ungerechtfertigte Diskriminierung“ und „verschleierte 28 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.229 (für Karbadox); Kanada Panelbericht, Para. 8.232. 29 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 227–234. 30 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 135. 31 Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), S. 654 m. w. N. 32 WT/DS2/AB/R, angenommen am 20. Mai 1996. 33 Hormonstreit, USA Panelbericht, Paras. 8.182 und 8.240; Kanada Panelbericht, Paras. 8.185 und 8.243.

II. Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 5 SPS

151

Beschränkung des internationalen Handels“ in Art. XX GATT zusammen zu lesen sind und sich jeweils gegenseitig ergänzen.34 Zweitens hat das Panel den Fall Japan – Alcoholic Beverages35 angeführt.36 Aus diesem Bericht zitiert es die Entscheidung des Berufungsgremiums in bezug auf die Voraussetzungen des Art. III Abs. 2 S. 2 GATT, wonach die Höhe einer ungleichen Besteuerung in einigen Fällen als ausreichend angesehen wurde, um zu implizieren, daß die inländische Produktion geschützt werden soll.37 Das Panel betrachtet diese beiden Berufungsberichte als gleichermaßen relevant für das Verhältnis der einzelnen Elemente in Art. 5 Abs. 5 SPS. Danach beziehen sich die drei Elemente – Festlegung des eigenen Schutzniveaus, willkürliche und ungerechtfertigte Unterschiede, Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des internationalen Handels – ebenfalls aufeinander. In einigen Fällen sei die Bedeutung der unterschiedlichen Schutzniveaus zusammen mit dem Vorsatz eines Mitglieds ausreichend, um daraus zu schließen, daß diese Unterschiede in den Schutzniveaus zu Diskriminierung oder verschleierter Beschränkung des internationalen Handels im Sinne von Art. 5 Abs. 5 SPS führen.38 Nach Ansicht des Panels führt die Bedeutung der willkürlichen und ungerechtfertigten Unterscheidung in den EG-Schutzniveaus in bezug auf die streitigen Hormone zur Wachstumsförderung verglichen mit Karbadox und Olaquinox zu Diskriminierung und verschleierter Beschränkung des internationalen Handels. Diese Schlußfolgerung des Panels basiert auf folgenden Prämissen und Argumentationen: (i)

34

die großen Unterschiede in den Schutzniveaus der EG, nämlich der Unterschied zwischen einem Schutzniveau, das keine Rückstandswerte zuläßt („no-residue level“) wie bei den fünf streitigen Hormonen und

Das Berufungsgremium sagte in diesem Fall wörtlich: „,Arbitrary discrimination‘, ,unjustifiable discrimination‘ and ,disguised restriction‘ on international trade may, accordingly, read side-by-side; they impact meaning to one another“ (WT/DS2/AB/R, S. 25). 35 WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R, angenommen am 1. November 1996. 36 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.183; Kanada Panelbericht, Para. 8.186. 37 Das Berufungsgremium entschied in diesem Fall: „The dissimilar taxation must be more than de minimis. It may be so much more that it will be clear from that very differential that the dissimilar taxation was applied ,so as to afford protection‘. In some cases that may be enough to show a violation.“ (WT/DS8/AB/R, S. 30). 38 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.184; Kanada Panelbericht, Para. 8.187.

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D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen

einem Schutzniveau, das die Rückstandswerte nicht begrenzt („unlimited-residue level“) bei Karbadox und Olaquinox; (ii) das Fehlen einer nachvollziehbaren Rechtfertigung durch die EG für diesen erheblichen Unterschied; (iii) die Art der EG-Maßnahme als Importbeschränkung, die notwendigerweise den internationalen Handel beschränkt;39 (iv) Ziel der EG bei Erlaß oder Beibehaltung des Hormonverbots seien u. a. Harmonisierung der Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten, Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen und Handelsschranken des innergemeinschaftlichen Handels mit Rindfleisch sowie Steigerung des Rindfleischkonsums gewesen. Hierbei seien der eigene Rindfleischüberschuß abgebaut und innergemeinschaftliche Produzenten begünstigt worden;40 (v) vor Inkrafttreten des Hormonverbots im Jahre 1987 sei die Prozentzahl der zu Wachstumszwecken mit Hormonen behandelten Tiere in der EG wesentlich niedriger als in Kanada und den USA gewesen. Hieraus folgert das Panel, daß die EG-Maßnahmen de facto eine Diskriminierung von importiertem hormonbehandelten Rindfleisch darstellen;41 (vi) die streitigen wachstumsfördernden Hormone werden im Rindfleischsektor verwendet, in dem die EG offensichtlich die Zufuhr beschränken will und weniger auf internationale Wettbewerbsfähigkeit achtet. Dagegen werden Karbadox und Olaquinox zur Wachstumsförderung im Schweinefleischsektor verwendet, in dem die EG keine innereuropäischen Überschüsse habe und in dem der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eine höhere Priorität eingeräumt wird.42 bb) Auffassung des Berufungsgremiums Das Berufungsgremium hält diese Feststellungen des Panels für rechtsfehlerhaft und sieht wegen Fehlen dieser dritten Voraussetzung keinen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 SPS.43 Zunächst stimmt das Berufungsgremium der Ansicht des Panels zu, daß alle drei Elemente des Art. 5 Abs. 5 SPS zu unterscheiden und einzeln zu berücksichtigen seien.44 Außerdem sei Art. 5 Abs. 5 SPS und hierbei insbe39

Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.241; Kanada Panelbericht, Para. 8.244. Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.242; Kanada Panelbericht, Para. 8.245. 41 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.242; Kanada Panelbericht, Para. 8.245. 42 Hormonstreit, USA Panelbericht, Para. 8.243 (in bezug auf Karbadox); Kanada Panelbericht, Para. 8.246. 43 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 246 und 253. 40

II. Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 5 SPS

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sondere der Abschnitt „Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels“ im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 3 SPS zu lesen, der die Mitglieder verpflichtet, gesundheitspolizeiliche Maßnahmen nicht so anzuwenden, daß sie zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen. In zwei Punkten widerspricht das Berufungsgremium jedoch der Auffassung des Panels: Erstens könne im Hinblick auf die grundlegenden Unterschiede zwischen den Anforderungen im Anfangsteil des Art. XX GATT und den Elementen des Art. 5 Abs. 5 SPS die von dem Panel zitierte Schlußfolgerung des Berufungsgremiums im Bericht USA – Gasoline nicht auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Zweitens sei es ebenso unrichtig, Schlußfolgerungen des Berufungsgremiums im Fall Japan – Alcoholic Beverages auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Es handele sich um grundlegend verschiedene Anwendungen und Fragen, ob die bloße Höhe der steuerlichen Ungleichbehandlung nach Art. III Abs. 2 S. 2 GATT oder ob willkürliche oder ungerechtfertigte Schutzniveaus für menschliches Leben oder Gesundheit zu Diskriminierung oder einer verschleierten Handelsbeschränkung führen. Eine steuerliche Ungleichbehandlung ist immer mengenmäßig definiert. Eine Steuerunterscheidung zugunsten heimischer Produkte berühre unweigerlich die Wettbewerbsfähigkeit von importierten Produkten und führe daher zum Schutz innerstaatlicher Produkte. So gebe es eine klare kausale Verbindung zwischen Steuerbenachteiligungen und dem Schutz einheimischer Produkte. Eine solche Verbindung bezüglich der Unterschiede im Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und einer Diskriminierung oder verschleierten Handelsbeschränkung bestehe jedoch nicht.45 Das Berufungsgremium ist der Ansicht, daß das Gefälle im Schutzniveau nur ein Faktor ist, aus dem sich zusammen mit anderen schließen läßt, daß die Anwendung einer oder mehrerer Maßnahmen mit mehr als einem Schutzniveau zu Diskriminierung oder verschleierter Beschränkung des internationalen Handels führen kann. Der Unterschied zwischen einem Schutzniveau, das keine Rückstandswerte zuläßt und einem Schutzniveau, das die Rückstandswerte nicht begrenzt zusammen mit der Feststellung, daß eine willkürliche oder ungerechtfertigte Unterscheidung vorliegt, sei danach nicht ausreichend, um zu zeigen, daß die dritte – und wichtigste – Voraussetzung des Art. 5 Abs. 5 SPS erfüllt ist. Die Tatsache, daß ein Mitglied eine als willkürlich oder ungerechtfertigt charakterisierte Maßnahme mit unterschiedlichen Schutzniveaus erläßt, sei nur als mittelbarer Beweis zu 44 45

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 239. Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 239, Fußnote 251.

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D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen

werten. Demnach müsse die Frage, ob eine willkürliche oder ungerechtfertigte Unterscheidung der Schutzniveaus tatsächlich zu Diskriminierung oder einer verschleierten Handelsbeschränkung führt, anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden.46 Das Berufungsgremium wies die Auslegung des Panels zurück, wonach die in der dritten Vergleichsgruppe festgestellten willkürlichen oder ungerechtfertigten Unterschiede in den EG-Schutzniveaus eine Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des internationalen Handels gemäß Art. 5 Abs. 5 SPS indizieren. Das Berufungsgremium hat zur Auslegung des Art. 5 Abs. 5 SPS an dieser Stelle Ziel und Zweck der eingeführten EGRichtlinien zum Hormonverbot einbezogen.47 Grundlage dieses Verbots durch die EG seien hauptsächlich die Ängste und Verunsicherungen der Verbraucher gewesen. Diese waren hervorgerufen worden durch allgemeine wissenschaftliche Studien (die zeigten, daß Hormone grundsätzlich krebserzeugend sein können), die Mißbrauchsgefahr von Hormonen und anderen Substanzen zur Wachstumsförderung (sog. Hormonskandale, bei denen Schwarzhandel und Schmuggel mit verbotenen Tierarzneimitteln in der EG betrieben wurde) sowie die große Sorge europäischer Verbraucher über die Qualität von Fleisch, das im Binnenmarkt erhältlich war.48 Nach Meinung des Berufungsgremiums seien diese Richtlinien nicht zu dem Zweck erlassen worden, kanadisches und US-amerikanisches hormonbehandeltes Rindfleisch vom europäischen Markt fernzuhalten und dadurch die europäischen Rindfleischproduzenten zu schützen. Ein großes Problem im Rechtssetzungsprozeß der EG waren, so das Berufungsgremium, die großen internen Unterschiede in den verschiedenen Mitgliedstaaten, die zu Wettbewerbsverzerrungen und Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels führten. Die Notwendigkeit, die internen Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu harmonisieren, war demnach eine Konsequenz der Aufgabe der EG, einen gemeinsamen Binnenmarkt für Rindfleisch zu schaffen.49 Der Abbau des Rindfleischüberschusses erfolgte danach nicht nur im Interesse der europäischen Landwirte, sondern auch derjenigen Landwirte in exportierenden Staaten, die keine wachstumsfördernden Hormone verwende46

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 240. Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 246. 48 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 245 und Fußnote 257, die auf europäische Rechtsakte und politische Stellungnahmen verweist. 49 Art. 7 a EG besagt: „Die Gemeinschaft trifft die erforderlichen Maßnahmen, um bis zum 31. Dezember 1992 gemäß dem vorliegenden Artikel [. . .] unbeschadet den sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages, den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen.“ 47

III. Ergebnisse und Anmerkungen

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ten. Das Berufungsgremium kann der Schlußfolgerung des Panels nicht folgen, wonach das Importverbot für hormonbehandeltes Fleisch und das Verbot, die fünf streitigen Hormone zur Wachstumsförderung zu verwenden dazu gedacht war, das kanadische und US-amerikanische hormonbehandelte Rindfleisch vom europäischen Markt fernzuhalten.50 b) Australia – Salmon Nach Auffassung des Berufungsgremiums in Australia – Salmon hat Australien gegen Art. 5 Abs. 5 SPS verstoßen, indem es die Einfuhr von Lachsprodukten verboten, dagegen aber den Import von Hering als Köder sowie einer weiteren Fischart erlaubt hat, obwohl nachweislich eine mindestens ebenso hohe Gefahr für die Einführung von Tierkrankheiten bestand.51 Bemerkenswert an dem Berufungsbericht in Australia – Salmon ist, daß das Berufungsgremium hier die Ausführungen des Panel im Hormonstreit indirekt bestätigte. Danach sei die Tatsache, daß für die australische SPSMaßnahme keine hinreichende Risikobewertung besteht, ein wesentlicher Hinweis für eine handelsbeschränkende Maßnahme, die zu einer Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des Internationalen Handels im Sinne von Art. 5 Abs. 5 SPS führt.52 Demzufolge indiziert schon das Nichtvorliegen einer wissenschaftlichen Grundlage, daß die SPS-Maßnahme in Wirklichkeit nicht zum Schutz der Gesundheit oder des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen bestimmt ist, sondern dem Schutz heimischer Waren dient. Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 SPS lag somit vor.

III. Ergebnisse und Anmerkungen Art. 2 Abs. 3 SPS korrespondiert mit dem Meistbegünstigungsprinzip in Art. I GATT, das alle Mitgliedstaaten zur Nichtdiskriminierung zwischen verschiedenen ausländischen Vertragspartnern verpflichtet sowie mit dem Inländerprinzip in Art. III Abs. 4 GATT, da es den Mitgliedstaaten verbietet, zwischen In- und Ausland zu diskriminieren. Die Vorschriften sind in dem Sinne ähnlich, als WTO-Mitglieder das Schutzobjekt dieses Diskriminierungsverbotes darstellen (unter dem SPS-Übereinkommen: das Hoheitsgebiet; unter dem GATT: die Waren). Diese Vorschriften beinhalten somit herkunftsbezogene Verbote.53 50 51 52

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 245. Australia – Salmon, Paras. 178 und 240. Australia – Salmon, Para. 166.

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D. Nichtdiskriminierung im SPS-Übereinkommen

Ziel des Art. 5 Abs. 5 SPS ist hingegen die „konsequente Anwendung („consistency“) des Konzepts eines angemessenen Niveaus des gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Schutzes“; insbesondere bei verschiedenen Waren, bei denen ein gleicher oder vergleichbarer Risikofaktor besteht. Es sollen Situationen vermieden werden, in denen ein Mitglied in vergleichbaren Risikosituationen ein hohes Schutzniveau für die eine Ware, gleichzeitig aber ein niedriges Niveau für eine andere vergleichbare Ware einführt (unabhängig von herkunftsbezogenen Unterscheidungen). Mit dieser Pflicht geht das SPS-Übereinkommen demnach über die herkömmlichen Bestimmungen des GATT hinaus, da hier auf die Diskriminierung von Situationen oder Waren unabhängig von ihrer Herkunft abgestellt wird.54 Auch in Fällen, in denen eine SPS-Maßnahme diskriminierungsfrei auf Importe und heimische Produkte gleichermaßen Anwendung findet, kann somit ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegen. Voraussetzung hierfür ist eine willkürliche oder ungerechtfertigte Unterscheidung zwischen vergleichbar gefährlichen Situationen oder Produkten, die zu einer Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führt. Mit dieser Forderung nach konsequenter Anwendung von Schutzniveaus wurde in dem SPS-Übereinkommen ein erweitertes Diskriminierungsverbot entwickelt, daß in seiner praktischen Anwendung seine Wirkung nicht verfehlt. Das Berufungsgremium hat im Hormonstreit einen Verstoß der EG gegen das in Art. 5 Abs. 5 SPS niedergelegte Diskriminierungsverbot verneint. Die Auslegung dieser Vorschrift durch das Berufungsgremium macht deutlich, daß sich der Anknüpfungspunkt im SPS-Übereinkommen von der Systematik im GATT unterscheidet. Bei der Überprüfung einer SPS-Maßnahme ist das Ziel dieser Vorschrift entscheidend. Wenn der Anwendungsbereich des SPSÜbereinkommens eröffnet ist, dann werden alle Maßnahmen erfaßt, die unterschiedliche Auswirkungen auf den internationalen Handel haben. Der kausale Zusammenhang einer SPS-Maßnahme mit der tatsächlichen Diskriminierung bzw. Beschränkung des internationalen Handels läßt sich im Gegensatz zu Steuerbenachteiligungen nach Art. III Abs. 2 GATT nicht in mengenmäßigen Einheiten messen. Es wurde entschieden, daß es für den Nachweis einer Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des internationalen Handels im Sinne von 53 Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), S. 653. 54 In diesem Sinne: Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), S. 653.

III. Ergebnisse und Anmerkungen

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Art. 5 Abs. 5 SPS nicht ausreichend ist, wenn willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede zwischen Situationen oder Waren bestehen. Vielmehr ist zusätzlich zu prüfen, ob diese Unterschiede zu einer Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen. Dies wird bejaht, wenn der Schutz heimischer Waren bezweckt ist. Abgestellt wird somit auf Ziel und Zweck der nationalen Maßnahme (subjektiver Maßstab).55 Diese Auslegung des Art. 5 Abs. 5 SPS hat in der Literatur teilweise zu erheblicher Kritik geführt. So wird bemängelt, daß die Prüfung dieser Vorschrift anhand von Maßstäben durchgeführt worden sei, die nicht allgemeingültig und überprüfbar seien, wenn es nun vornehmlich auf Ziel und Zweck der nationalen SPS-Maßnahme ankommt. Falls hier der Verbraucherschutz im Vordergrund steht, so sei eine Verletzung des Art. 5 Abs. 5 SPS nicht mehr nachzuweisen.56 Die Ausführungen des Berufungsgremiums in Australia – Salmon legen eine Abkehr des im Hormonstreit entwickelten subjektiven Maßstabs nahe.57 Nach der hier getroffenen Auslegung des Art. 5 Abs. 5 SPS indiziert schon das Nichtvorliegen einer ausreichenden Risikobewertung für eine SPS-Maßnahme, die die Waren unterschiedlich behandelt, daß diese zu Diskriminierung oder verschleierter Beschränkung des internationalen Handels führt. Ein Verstoß wurde hier allein auf objektive Indikatoren gestützt. Ob sich diese Tendenz in zukünftigen Verfahren durchsetzt und sich das Diskriminierungsverbot des SPS-Übereinkommens so zu einem überaus effektiven Instrument gegen nichttarifäre Handelshemmnisse durch SPS-Maßnahmen weiterentwickelt, darf mit Spannung erwartet werden.

55 Hierin finden sich interessante Parallelen zu folgenden Verfahren unter dem GATT: US – Alcoholic Bevarages, Panelbericht, Para. 5.74 ff.; EC – Asbestos, Berufungsbericht, Para. 113 f.; s. hierzu bereits oben B.IV.1.b). 56 Vgl. nur Hurst, Hormones: European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products, EJIL 9 (1998), S. 22 und 31 m. w. N. 57 Vgl. auch Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Apllied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), S. 655.

E. Verrechtlichung der WTO? (WTO-Streitschlichtungsorgane im Spannungsfeld zwischen angemessener Kontrolldichte bei SPS-Maßnahmen und nationalem Beurteilungsspielraum) Die WTO-Panels sind in Streitbeilegungsverfahren zur objektiven Beurteilung des Sachverhalts verpflichtet.1 Diese objektive Beurteilung sollte in einem fairen und gleichberechtigten Verfahren ablaufen, in dem Feststellungen und Schlußfolgerungen transparent, bezüglich der Methoden und Ergebnisse angemessen vorhersehbar und zudem effizient sind.2 Die Akzeptanz der Panel-Verfahren hängt in entscheidendem Maße von der Zweckdienlichkeit des Maßstabs ab, anhand dessen das Panel die rechtlichen und politischen Entscheidungen der Mitglieder beurteilt.3 Um die Rechtsförmigkeit des WTO-Systems weiter voranzutreiben, muß eine stabile langfristige Balance zwischen den Einschränkungen der Souveränität der Mitglieder und der Kontrollbefugnis der WTO-Streitschlichtungsorgane auf Grundlage des DSU und der sonstigen WTO-Abkommen geschaffen werden. In bezug auf SPS-Maßnahmen bedeutet dies ein detailliertes Verständnis von wissenschaftlichen Unsicherheiten und wissenschaftlicher Politik sowie dessen angemessener Behandlung in Streitschlichtungsverfahren. Es sind Lösungen zu finden, die den Interessen der Mitglieder an eigenverantwortlicher Festlegung von Schutzstandards und denen der Streitschlichtungsorgane an nachvollziehbarer Beurteilung gerecht werden.4 Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, wie diesem sorgsam ausbalancierten Zusammenspiel zwischen der durch das DSU an die Panels übertragenen Prüfungskompetenz und der staatlichen Souveränität der Mitglieder in den WTO-Verfahren Rechnung getragen wird.5 1

Art. 11 S. 2 DSU. Vgl. auch Art. 3 Abs. 2 und 3 DSU. 3 Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“: Scientific Uncertainty, Science Policy, and Factfinding in the Growth Hormones Dispute, Cornell ILJ 31 (1998), S. 296. 4 Smith, The Impact of Globalization on Sovereignty and the Environment, Canada-United States Law Journal 24 (1998), S. 263 ff. 5 Hierzu Croley/Jackson, WTO Dispute Panel Deference to National Government Decisions. The Misplaced Analogy to the U.S. Chevron Standard-of-Review Doctrine, in: Petersmann, „International Trade Law and the GATT/WTO Dispute Settlement System“, 1997, S. 189. 2

I. Souveränität und Ermessen bei SPS-Maßnahmen

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Anhand der Verfahren zum SPS-Übereinkommen wird nachfolgend die zukünftige Rolle der Streitschlichtungsorgane in einem zunehmend gerichtsförmigeren Verfahren der WTO näher untersucht. Es wird sich zeigen, wie die WTO ihre Rolle als Streitschlichter im Feld zwischen Wissenschaft und Regulierung ausfüllen kann, ohne zu einer „überwissenschaftlichen“ Organisation, einem „globalen Meta-Regulator“ zu werden,6 der wissenschaftliche Fragen klärt und selbst angemessene Schutzstandards festlegt. Hierbei zeigen sich interessante Parallelen zu der nationalen richterlichen Kontrolldichte in Deutschland.

I. Souveränität und Ermessen der WTO-Mitglieder bei SPS-Maßnahmen 1. Der Souveränitätsbegriff im Kontext der WTO Staaten sind souverän.7 Nach der in der allgemeinen Staatslehre heute verbreiteten Ansicht wird der Staat im wesentlichen durch drei konstitutive Elemente charakterisiert:8 Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt.9 Diese Drei-Elementen-Lehre soll keine umfassende Erklärung des komplexen Gebildes Staat bieten, sondern lediglich diejenigen Einheiten identifizieren, die als originäre Völkerrechtssubjekte die „Grundbausteine“ des internationalen Gefüges bilden.10 Unter Staatsgewalt versteht man die Fähigkeit, dem Staat nach innen eine Ordnung zu geben (Verfassungsautonomie = innere Souveränität) und nach außen selbständig im Rahmen des Völkerrechts zu handeln (äußere Souveränität).11 Die Souveränität eines Staates bedeutet somit einerseits, daß er für seine Angehörigen und auf seinem Gebiet der höchste Herr6 Zu diesem Begriff: Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 255. 7 So ausdrücklich das Berufungsgremium im Hormonstreit, Para. 165. Zu der geschichtlichen Entwicklung des Begriffs der Souveränität, vgl. nur Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 13 ff. 8 Vgl. nur: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I.1, § 12 II; Stein, Staatsrecht, § 2 I; Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 30 ff. 9 Diese Lehre zum Staatsbegriff geht auf G. Jellinek vom Anfang des letzten Jahrhunderts zurück: Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff. Weiterführend zu der Staatsgrenze als klassischer Begrenzung territorialer Souveränität: Bothe, Boundaries, in: Bernhardt, EPIL 10 (1987), S. 17 ff. (21). 10 Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfassung, 19 f. 11 Hierzu nur Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 23 ff.

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E. Verrechtlichung der WTO?

schaftsverband ist, gegen dessen Anordnungen und Entscheidungen an keine höhere Stelle appelliert werden kann. Diese traditionelle Formel der höchsten einseitigen und einzigen Gewalt wird allerdings zunehmend durch die Konzeption staatlicher Verantwortung ersetzt.12 Hierbei liegt der Schwerpunkt auf sozialstaatlicher Verantwortung wie beispielsweise dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Ein Staat kann danach frei und unabhängig für sein Staatsvolk das Schutzniveau für den Gesundheitsschutz bestimmen, das es für angemessen erachtet. Es erfolgt eine Öffnung staatlicher Verantwortung nach innen. Andererseits sind Staaten untereinander keiner überstaatlichen Macht, sondern dem vom zwischenstaatlichen Konsens getragenen Völkerrecht untergeordnet.13 Im modernen Völkerrecht stellt die Souveränität demnach kein absolutes, sondern nur ein relatives Prinzip dar.14 Dies bedeutet, daß der souveräne Staat nicht über dem Völkerrecht steht, sondern seine Handlungsfreiheit nur im Rahmen des Völkerrechts genießt (Unterwerfung unter das Völkerrecht).15 Diese Pflicht erwächst aus der staatlichen Verantwortung nach außen. An diesem Punkt knüpft die Konzeption der offenen äußeren Staatlichkeit an: Da der Staat sich auch über seine Außenbeziehungen und Außenabgrenzung konstituiert und identifiziert, erhält der Begriff des Staates eine zwischenstaatliche Dimension. Wenn sich der Staat in der Differenz und Beziehung zu anderen Staaten konstituiert, dann kann staatliches Verhalten nicht isoliert im nationalen Kontext, sondern muß eingebunden in den Zusammenhang internationaler Interdependenz betrachtet werden.16 Die zwischenstaatliche Verantwortung ist im Staatsbegriff somit bereits enthalten. Eine internationale Organisation wie die WTO ist somit als System zwischenstaatlicher Verantwortung zu sehen in dem eine souveräne Gleichheit der Mitgliedstaaten untereinander besteht.17 Die Verantwortlichkeit der WTO-Mitglieder erstreckt sich demnach über die eigenen Staatsgrenzen hinaus auf die Bevölkerung außerhalb ihrer politischen Gemeinschaften, falls diese von ihren Entscheidungen betroffen werden.18 12 Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfassung, S. 21 f. m. w. N. (in bezug auf die staatliche Verantwortung für die Wirtschaft). 13 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 35. 14 Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, § 2. 15 Vgl. etwa: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 41 und 99; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I.1, §§ 12 II 2, 23 IV 1. 16 Langer, Grundlagen einer Internationalen Wirtschaftsverfassung, S. 25 ff. 17 Im Ergebnis ebenso: Langer, Grundlagen einer Internationalen Wirtschaftsverfassung, S. 43 ff. Die in Art. 2 Nr. 1 UN-Charta garantierte souveräne Gleichheit der Staaten ist als Völkergewohnheitsrecht anerkannt; weiterführend: Ipsen-Gloria, Völkerrecht, S. 328 ff.

I. Souveränität und Ermessen bei SPS-Maßnahmen

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Folglich fließt die legitime Zielsetzung der WTO mittelbar in den Souveränitätsbegriff mit ein. Ziel der WTO ist es, den Lebensstandard weltweit durch die Förderung des Handels mit Waren und Dienstleistungen zu erhöhen und dabei wirtschaftlichen Fortschritt nach den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung zu ermöglichen. Die wohlstandsfördernde Wirkung soll erreicht werden durch den wesentlichen Abbau der Zölle und anderer Handelsschranken sowie die Beseitigung der Diskriminierung in den internationalen Handelsbeziehungen.19 Unterzeichnung und Ratifizierung der Schlußakte von Marrakesch erfolgten im Rahmen der Ausübung staatlicher Souveränität. Solange die Streitbeilegungsorgane die Vorschriften des SPS-Übereinkommens in Übereinstimmung mit diesen Zielen der WTO auslegen, sind entsprechende Einschränkungen nationaler Souveränität mit dem hier entwickelten Souveränitätsbegriff vereinbar. Gleiches gilt in bezug auf die Kontrolldichte von Panels nach dem DSU. 2. Eigenständige Festlegung eines angemessenen Schutzniveaus Ausfluß des Souveränitätsprinzips ist das Recht jedes Mitglieds, sein angemessenes gesundheitspolizeiliches Schutzniveau für die Bevölkerung eigenverantwortlich festzulegen. Dieses Recht ist im SPS-Übereinkommen niedergelegt. Der erste Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens besagt, „[. . .] daß kein Land daran gehindert werden soll, Maßnahmen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu treffen [. . .]“.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 SPS haben die WTO-Mitglieder das Recht, die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen notwendigen Maßnahmen zu treffen. Ein angemessenes gesundheitspolizeiliches oder pflanzenschutzrechtliches Schutzniveau ist „das Schutzniveau, das von dem Mitglied, welches eine gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen in seinem Gebiet trifft, für angemessen erachtet wird.“20

Im Verfahren zum Hormonstreit hat das Berufungsgremium an mehreren Stellen seines Berichts ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Mitglieder der WTO souverän sind und daher selbständig über das Niveau des Ge18 Vgl. v. Bogdandy, Verfassungsrechtliche Dimension der Welthandelsorganisation, KJ 2001, S. 440 f. 19 Erster und zweiter Erwägungsgrund des WTO-Übereinkommens. 20 Ziffer 5, Anhang A zum SPS-Übereinkommen.

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E. Verrechtlichung der WTO?

sundheitsschutzes entscheiden können.21 Danach ist es eine innerstaatliche Angelegenheit von sozialer Verantwortung, zu entscheiden, welches Level an Gefahr das Mitglied für seine Bevölkerung als angemessen akzeptiert.22 Die Entscheidungsfindung und Anwendung eines angemessenen nationalen Schutzniveaus wurde vom Panel unter den Oberbegriff Risikomanagement gefaßt, als Ausübung nationaler Souveränität unter Berücksichtigung sozialer Werte wie Verbrauchervertrauen, kulturelle und religiöse Vorlieben, Moral etc.23 Den Begriff „Risikomanagement“ hat das Berufungsgremium mit der Begründung zurückgewiesen, daß dieser Ausdruck keine Grundlage im Vertragstext habe.24 In Australia – Salmon betonte das Berufungsgremium, daß die Festlegung eines angemessenen Schutzniveaus in das Ermessen jeden einzelnen Mitglieds fällt und nicht den WTO-Streitschlichtungsorganen vorbehalten bleibt.25 Folglich hat das Berufungsgremium den WTO-Mitgliedern grundsätzlich gestattet, für ihre Bevölkerung das Risiko auf null zu beschränken.26 Auch im Hormonstreit wählte die EG durch ihr absolutes Einfuhrverbot von hormonbehandeltem Fleisch ein „zero risk level of protection“, das nach Auffassung des Berufungsgremiums grundsätzlich zulässig war.27 Eine solche Auslegung des SPS-Übereinkommens war politisch gewollt: So waren beispielsweise die USA angesichts der Ergebnisse der UruguayRunde der Auffassung, daß diese nationale Souveränität bei der Festlegung eines angemessenen Schutzniveaus nicht eingeschränkt werden dürfe. Der damalige Präsident Clinton sagte hierzu wörtlich: „The [SPS] Agreement thus explicitly affirms the right of each government to choose its level of protection, including a ,zero risk‘ level if it so chooses. A government may establish its level of protection by any means available under its law, including by referendum. In the end, the choice of the appropriate level of protection is a social value judgement. The Agreement imposes no requirement to establish a scientific basis for the chosen level of protection because the choice is not a scientific judgement.“28

Clinton erklärte nach Abschluß der Uruguay-Runde anläßlich der Einführung der neuen WTO-Verträge ferner, die Verpflichtung für einen ausrei21

Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 165, 172. Hormonstreit, Panelbericht, USA, Para. 8160 ff.; Kanada, Para. 8.163 ff. 23 Hormonstreit, Panelbericht, USA, Paras. 8.95 ff. und 8.160 ff.; Kanada, Paras. 8.98 ff. und 8.163 ff. 24 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 181; s. zu diesem Begriff bereits oben, C.II.2.d). 25 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Para. 199. 26 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Para. 125. 27 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 186, 124 und 125. 28 Statement of Administrative Action, H. R. Doc. 103-316 (1994), 745. 22

I. Souveränität und Ermessen bei SPS-Maßnahmen

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chenden wissenschaftlichen Nachweis „would not authorize a dispute settlement panel to substitute its scientific judgement for that of the government maintaining the [SPS measure].“29 Diese Ansicht führt dazu, die Würdigung und Gewichtung von wissenschaftlichen Nachweisen letztlich in Händen der Regierung desjenigen Mitglieds zu belassen, das angeschuldigt wird, durch eine SPS-Maßnahme gegen WTO-Recht zu verstoßen. Die Ansicht der US-Regierung stimmt im wesentlichen mit der Auffassung der Europäischen Kommission überein: „Judging what is an ,acceptable‘ level of risk for society is an eminently political responsibility. Decision-makers faced with an unacceptable level of risk, scientific uncertainty and public concerns have a duty to find answers. Therefore all these factors have to be taken into consideration.“30

a) Einschränkung durch Wissenschaft und Risikobewertung Eingeschränkt wird das Recht der Mitglieder, eigenverantwortlich ein angemessenes Schutzniveau für ihre Bevölkerung festzulegen, durch Wissenschaftlichkeit. Danach haben Mitglieder die Pflicht, sicherzustellen, daß ihre SPS-Maßnahmen auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen und mit Ausnahme der vorläufigen Maßnahmen nicht ohne hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis beibehalten werden.31 Auch wenn eine bereits erlassene SPS-Maßnahme nur beibehalten wird, müssen WTO-Mitglieder jederzeit in der Lage sein, ausreichend wissenschaftliche Nachweise vorzubringen, sobald das gewählte Schutzniveau über jenes internationaler Normen, Richtlinien und Empfehlungen hinausgeht. Voraussetzung für die Ausübung staatlicher Souveränität bei der Festlegung eines angemessenen Schutzstandards ist somit, daß eine ausreichende Risikobewertung auf wissenschaftlicher Grundlage durchgeführt wurde.32 Grundlegende Fragen hierbei sind jedoch, wie wissenschaftlich gesichert eine Erkenntnis zu sein hat und wann ein wissenschaftlicher Nachweis als ausreichend zu beurteilen ist. Hierzu wird zu klären sein, anhand welcher Maßstäbe die Streitschlichtungsorgane in WTO-Verfahren diese wissenschaftlichen Nachweise zu überprüfen haben.33

29

Statement of Administrative Action, H. R. Doc. 103-316 (1994), 746. Kommission der EG, Communication from the Commission on the Precautionary Principle, S. 4. 31 Art. 2 Abs. 2 SPS. 32 s. hierzu bereits ausführlich oben C.III. 33 Diese Fragen werden unten behandelt E.III.1. 30

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E. Verrechtlichung der WTO?

b) Einschränkung durch Elemente der Verhältnismäßigkeit Sobald ein Mitglied die erforderliche Risikobewertung durchgeführt und sein eigenes angemessenes Schutzniveau gewählt hat, ist eine SPS-Maßnahme auszuwählen, welche die Gefahr auf das als angemessen erachtete Schutzniveau reduzieren soll. Die Mitglieder sind bei der Wahl der konkreten SPS-Maßnahmen jedoch an Vorgaben aus dem SPS-Übereinkommen gebunden, in denen Elemente einer Verhältnismäßigkeitsprüfung enthalten sind. In Art. 5 Abs. 6 SPS heißt es: „Unbeschadet des Artikels 3 Absatz 2 stellen die Mitglieder bei der Einführung und Beibehaltung von gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen zur Erreichung des angemessenen gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Schutzniveaus sicher, daß solche Maßnahmen nicht handelsbeschränkender sind als notwendig [sind], um unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit das angemessene gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Schutzniveau zu erreichen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Die dazugehörige Fußnote stellt fest: „Für Zwecke des Artikel 5 Absatz 6 ist eine Maßnahme nicht handelsbeschränkender als notwendig, wenn keine andere Maßnahme unter vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur Verfügung steht, die das angemessene Schutzniveau erreicht und wesentlich weniger handelsbeschränkend ist.“

Unter mehreren möglichen SPS-Maßnahmen ist die am wenigsten handelsbeschränkende auszuwählen.34 Wenigstens im Hinblick auf SPS-Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren von Tierkrankheiten oder Schädlingen sind diese alternativen SPS-Maßnahmen in der Risikobewertung auch aufzuführen und zu bewerten.35 Bei SPS-Maßnahmen zum Schutz von Menschen fehlt ein solches Erfordernis im SPS-Übereinkommen. In den einschlägigen WTO-Verfahren hat sich folgende Prüfung etabliert, deren Kriterien kumulativ vorliegen müssen. Die streitige SPS-Maßnahme ist nicht vereinbar mit dem SPS-Übereinkommen, wenn es eine alternative Maßnahme gibt, die: (1) unter vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur Verfügung steht; (2) das von dem Mitglied als angemessen erachtete Schutzniveau erreicht; und 34 Diese Anforderung ist vergleichbar mit dem „necessity“ – Test des Art. XX (b) GATT. Hierzu oben B.IV.1. 35 Anhang A Ziffer 4 zum SPS-Übereinkommen spricht hier von „Maßnahmen, die angewendet werden können“; hierzu ausführlich oben C.III.1.b).

I. Souveränität und Ermessen bei SPS-Maßnahmen

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(3) wesentlich weniger handelsbeschränkend ist, als die erlassene SPSMaßnahme.36 Insbesondere die Prüfung der zweiten Voraussetzung könnte Panels vor Schwierigkeiten stellen, da an dieser Stelle die Ermessensfreiheit des Mitglieds zu beurteilen ist, welcher Gesundheitsschutz zum Schutz der Bevölkerung, Tiere oder Pflanzen als angemessen erachtet wird.37 Bisher hat das Berufungsgremium noch in keinem Verfahren unter dem SPS-Übereinkommen alternative Maßnahmen feststellen können, die alle drei Voraussetzungen erfüllt haben.38 Es ist fraglich ob das SPS-Übereinkommen neben dieser Prüfung eines milderen Mittels (Erforderlichkeit) auch eine Angemessenheitsprüfung (d.h. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne), also eine komplette Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert. In einer Angemessenheitsprüfung soll in einer wertenden Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter ermittelt werden, ob das eingesetzte Mittel nicht außer Verhältnis zum erstrebten Ziel steht. Jedoch widerspricht dieser wertende Ansatz den eigentlichen Zielen des SPS-Übereinkommens, das auf eine wertungsfreie Risikoanalyse aufgrund wissenschaftlicher Nachweise abstellt. Mitglieder sind danach nicht verpflichtet, Verbesserungen im Gesundheitsschutz gegen handelsbeschränkende Effekte abzuwägen.39 Eine Angemessenheitsprüfung findet somit nicht statt. Im Hormonstreit hat es das Panel nicht für erforderlich gehalten, die streitigen EG-Maßnahmen anhand des Art. 5 Abs. 6 SPS zu prüfen, da es zu der Schlußfolgerung gekommen war, daß die EG-Maßnahmen zum Hormonverbot gegen Art. 5 Abs. 1 SPS verstoßen haben.40 Die Pflicht, bestimmte Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berücksichtigen tritt demnach subsidiär hinter den speziellen Pflichten des SPS-Übereinkommens zurück. Das Erfordernis eines „Wissenschaftlichkeits-Tests“ durch die Risikobewertung gemäß Art. 5 Abs. 1 SPS wird durch Art. 5 Abs. 6 36 Australia – Salmon, Berufungsbericht, Para. 194; Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 123. 37 Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS Disputes, JIEL 2 (1999), S. 652. 38 In zwei Fällen hat das Berufungsgremium die Entscheidungen von Panels aufgehoben, wonach eine alternative Maßnahme in Betracht käme: Australia – Salmon, Berufungsbericht, Para 191 und 212; Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 131. 39 So auch Howse, Democracy, Science and Free Trade, Michigan Law Review 98 (2999), S. 2356. 40 Hormonstreit: USA-Panelbericht, Para. 8.247; Kanada-Panelbericht, Para. 8.250. Da keine der Parteien sich gegen diese Entscheidung des Panels gewandt hatte, machte das Berufungsgremium hierzu auch keine Ausführungen.

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E. Verrechtlichung der WTO?

SPS nicht tangiert. Im übrigen hat die EG als angemessenes Schutzniveau ein auf null reduziertes Risiko festgelegt. Einer solchen eigenverantwortlichen Festlegung folgt zwangsläufig das Verbot, Hormone in der Viehzucht zu verwenden und entsprechendes Fleisch einzuführen. Für dieses auf null reduzierte Risiko gab es folglich auch keine weniger handelsbeschränkende SPS-Maßnahmen als das Totalverbot.41 Im Ergebnis ist somit festzustellen, daß nationale SPS-Maßnahmen bei Erlaß geeignet und erforderlich sein müssen, um WTO-konform zu sein. Darüber hinaus stellen die Mitglieder sicher, daß eine SPS-Maßnahme nach Erlaß nur insoweit angewendet wird, „wie dies zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen notwendig ist“.42 Diese Einschränkungen nationaler Souveränität sind zur Erreichung der Ziele der WTO notwendig. Bei alternativen SPS-Maßnahmen ist die am wenigsten handelsbeschränkende Maßnahme als mildestes Mittel auszuwählen. WTO-Mitglieder haben diese Souveränitätsbeschränkung im multilateralen Handelssystem der WTO hinzunehmen.

II. Kontrolldichte und objektive Beurteilung des Sachverhalts Zunächst wurde das aus dem Souveränitätsprinzip entstammende Recht der Mitglieder, in eigenem Ermessen ein angemessenes Gesundheitsniveau festzulegen, analysiert und konkretisiert. Zu untersuchen ist nun die Frage, inwieweit Panels solche – teilweise komplexen – Tatsachenentscheidungen judizieren und Feststellungen nationaler Behörden verwerfen dürfen. Es stellt sich die Frage nach der Kontrolldichte („standard of review“) von Panels. Kontrolldichte oder Maßstab gerichtlicher Kontrolle bezeichnet die Intensität judikativer Kontrolle nationaler Entscheidungen.43

41 Als denkbares milderes Mittel wird in der Literatur die Kennzeichnung („Labelling“) von hormonbehandeltem Fleisch durch die EG diskutiert; Quintillán, Free Trade, Public Health Protection and Consumer Information in the European and WTO Context, JWT 33 (1999), S. 170 ff. m. w. N. Hierbei wird jedoch verkannt, daß eine solche Maßnahme nicht mit dem auf null festgelegten Risiko der EG übereinstimmt und daher kein milderes Mittel zur Erreichung des festgelegten Zieles darstellen kann. Weiterführend zu Kennzeichnung von neuartigen Lebensmitteln: Streinz, Allgemeine Voraussetzungen und Fragen zur Kennzeichnung von Novel Food, ZLR 1998, S. 53 ff.; Loosen, Zur Kennzeichnung neuartiger Lebensmittel, ZLR 2000, S. 434 ff. Toussaint, Kennzeichnungsfragen aus Sicht der Wirtschaft, ZLR 1998, S. 81 ff. 42 Art. 2 Abs. 2 1. HS SPS. 43 Im deutschen Recht ist die Kontrolldichte eng verknüpft mit der Rechtsschutzeffektivität nach Art. 19 Abs. 4 GG; Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 459 ff.

II. Kontrolldichte und objektive Beurteilung des Sachverhalts

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1. Objektive Sachverhaltsbeurteilung des Panels Es gibt weder im SPS-Übereinkommen noch im DSU spezielle Vorschriften über die anwendbare Kontrolldichte von Panels. Denkbar wäre eine analoge Anwendung des Art. 17 Abs. 6 des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 („Antidumpingübereinkommen“),44 in dem es heißt: „Bei der Prüfung der in Absatz 5 genannten Angelegenheit: i) stellt die Sondergruppe zwecks Beurteilung des Sachverhalts fest, ob die Sachverhaltsfeststellung der Behörden richtig und die Sachverhaltswürdigung unparteiisch und objektiv war. War die Sachverhaltsfeststellung richtig und die Sachverhaltswürdigung unparteiisch und objektiv, so kann die Würdigung nicht verworfen werden, auch wenn die Sondergruppe möglicherweise zu einer anderen Schlußfolgerung gekommen wäre.“

Mit der Frage der generellen Anwendbarkeit dieses Prüfungsmaßstabs hat sich auch der Ministerrat der WTO auseinandergesetzt. In der Decision on the Review of Article 17.6 of the Agreement on Implementation of Article VI of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 heißt es: „The standard of review in paragraph 6 of Article 17 of the Agreement on Implementation of Article VI of GATT 1994 shall be reviewed after a period of three years with a view to considering the question of whether it is capable of general application.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Die EG hat im Hormonstreit die Ansicht vertreten, es handele sich bei Sachverhaltsfragen im Vorfeld zu SPS-Maßnahmen vom Interessenkonflikt her um einen gleich gelagerten Fall, wie jener vom Antidumpingübereinkommen erfaßte. Danach wäre die Kontrolldichte von Panels auf eine bloße Überprüfung der Sachverhaltsfeststellung anhand formaler Kriterien beschränkt. Diese Auffassung hat das Berufungsgremium jedoch ausdrücklich zurückgewiesen. Der in Art. 17 Abs. 6 Antidumpingübereinkommen beschriebene Prüfungsmaßstab beziehe sich, so das Berufungsgremium, ausschließlich auf dieses Übereinkommen und sei nicht auf das SPS-Übereinkommen übertragbar.45 Aus dieser Entscheidung wird ersichtlich, daß der in Art. 17 Abs. 6 Antidumpingübereinkommen niedergelegte Prüfungsmaßstab – jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – nur auf dieses Übereinkommen anwendbar ist und über keine Allgemeingültigkeit verfügt. Diese Regelung wird von Teilen der Literatur scharf kritisiert. So befänden sich die WTOStreitschlichtungsorgane in der unvertretbaren Situation, bei nationalen Entscheidungen bezüglich wirtschaftlicher Interessen (gemäß dem GATT) auf eine Überprüfung verzichten zu müssen, während vergleichbare Entschei44 45

ABlEG Nr. L 336, v. 15. April 1994, 13. Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 114.

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E. Verrechtlichung der WTO?

dungen im Bereich Gesundheitsschutz (nach dem SPS-Übereinkommen) durch Panels voll überprüfbar seien.46 Um sich dem Problem der Kontrolldichte von Panels zu nähern, werden zwei verschiedene Ansätze angeführt: Der erste Ansatz ist eine „de novo Prüfung“. Danach darf das jeweilige Panel die Entscheidung der nationalen Behörde sowohl in tatsächlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht umfassend überprüfen.47 Diese vollumfängliche Überprüfung würde es dem Panel erlauben, zu einem gänzlich anderen Ergebnis zu kommen als die zuständigen Behörden des Mitglieds, deren Maßnahmen Gegenstand der Überprüfung sind. Im Zusammenhang mit SPS-Maßnahmen könnte ein Panel demnach seine eigene Risikobewertung durchführen und auf dieser Basis die zulässige SPS-Maßnahme ermitteln. Der zweite Ansatz wird beschrieben als Ansatz der „Unterordnung“.48 Nach diesem „Unterordnungs“-Maßstab („deferential reasonableness’ standard“) darf das Panel die von den nationalen Behörden durchgeführten Ermittlungen tatsächlicher Art nicht verwerfen. Hierbei muß sich das Panel der Entscheidung der nationalen Behörde unterordnen und ist auf die bloße Überprüfung des Verfahrens der Entscheidungsfindung beschränkt. Nach Auffassung des Berufungsgremiums im Hormonstreit ist bei Festlegung der Kontrolldichte das sorgsam ausbalancierte Gleichgewicht zwischen den dem DSB übertragenen Überprüfungskompetenzen und den bei den WTO-Mitgliedern verbliebenen Rechtsetzungskompetenzen zu beachten.49 Das DSU ist auf das SPS-Übereinkommen und alle sonstigen Abkommen, die unter das DSU fallen, anwendbar. Art. 11 DSU stelle, so das Berufungsgremium, den WTO-Streitschlichtungsorganen einen angemessenen Beurteilungsmaßstab sowohl für die Ermittlung von Tatsachen als auch für die rechtliche Einordnung dieser Tatsachen bereit. Art. 11 DSU besagt: „Die Aufgabe von Panels besteht darin, das DSB bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben aufgrund dieser Vereinbarung und der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu unterstützen. Demgemäß nimmt das Panel eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vor, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit 46 So Charnovitz, Environment and Health Under the WTO Dispute Settlement, Int. Lawyer 32 (1998), S. 913. 47 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Para. 122. 48 Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Para. 123. 49 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 115. Zusammenfassend und mit Bezug zum Überprüfungsmaßstab des EuGH: Desmedt, Hormones: „Objective Assessment“ and (or as) Standard of Review, JIEL 1 (1998), S. 695 ff.

II. Kontrolldichte und objektive Beurteilung des Sachverhalts

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den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen, und trifft andere Feststellungen, die dem DSB helfen, die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen vorgesehenen Empfehlungen abzugeben oder Entscheidungen zu treffen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist der anwendbare Prüfungsmaßstab für Panels weder ein „de novo-“ noch ein „Unterordnungs-“Maßstab sondern eine objektive Sachverhaltsbeurteilung. Die WTO-Streitschlichtungsorgane haben folglich es in der Vergangenheit stets abgelehnt, einem „de novo“ Ansatz zu folgen, da sie hierfür schlecht geeignet seien.50 Panels ist es danach nicht gestattet, die Entscheidungen nationaler Behörden durch eigene Entscheidungen zu ersetzen. Auf der anderen Seite ist nach Ansicht des Berufungsgremiums jedoch auch eine absolute Unterordnung unter die Tatsachenfeststellungen der nationalen Behörden nicht angemessen, um eine objektive Sachverhaltsbeurteilung nach Art. 11 DSU durchzuführen.51 Das Berufungsgremium vertritt die Meinung, daß ein Panel bezüglich der Tatsachenbeurteilung bereits dann das richtige Maß an Kontrolle ausübt, wenn es nicht gegen seine Verpflichtung zur objektiven Beurteilung des Sachverhalts nach Art. 11 DSU verstößt.52 Panels können somit grundsätzlich auch komplexe Tatsachenentscheidungen judizieren und dürfen die von nationalen Behörden ausgeführten Untersuchungen tatsächlicher Art verwerfen. Dies gilt auch für die Bewertung von Gefahren für die menschliche Gesundheit. 2. Kontrollbefugnis des Berufungsgremiums in Sachverhaltsfragen Zu untersuchen ist ferner, inwieweit das Berufungsgremium befugt ist, diese objektive Sachverhaltsbeurteilung durch das Panel (als erster Instanz) wirksam zu judizieren. Nach Art. 17 Abs. 6 DSU beschränkt sich ein Rechtsmittel auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung durch das Panel. Tatsachenfeststellungen, soweit sie von Rechtsausführungen getrennt werden können, sind grundsätzlich nicht Gegenstand einer Berufung. Zunächst sind demnach durch das Berufungsgremium Rechtsfragen von Tatsachenfragen zu unterscheiden. 50

United States – Measures Affecting the Importation of Cotton and Man-Made Fibre Underwear (folgend: US – Underwear), Panelbericht vom 25. Februar 1997, WT/DS24/R; Korea – Anti-Dumping Duties on Imports of Polyacetal Resins from the United States, Panelbericht vom 27. April 1993, BISD 40S/205; United States – Impositions of Anti-Dumping Duties on Imports of Fresh and Chilled Atlantic Salmon from Norway, Panelbericht vom 27. April 1994, ADP/87; United States – Initiation of a Countervailing Duty Investigation into Softwood Lumber Products from Canada, Panelbericht vom 3. Juni 1987, BISD 34S/194. 51 Panelbericht, US – Underwear, Para. 7.10. 52 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 119.

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E. Verrechtlichung der WTO?

Typischerweise ist die Feststellung, ob ein bestimmtes Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort stattgefunden hat, eine Tatsachenfrage. Eine Tatsachenfrage ist zum Beispiel die Frage, ob die Codex Alimentarius Kommission (nachfolgend: „CAK“) internationale Höchstwerte für die Verwendung bestimmter Hormone in der Viehzucht festgesetzt hat. Auch die Beweiswürdigung ist Teil der Tatsachenfeststellung. Sie liegt somit im Ermessen des Panels und kann vom Berufungsgremium nicht überprüft werden. Dagegen ist die Vereinbarkeit des festgestellten Sachverhalts mit Vertragsvorschriften ein Problem rechtlicher Auslegung und daher eine Rechtsfrage. Das Berufungsgremium darf prüfen, inwieweit das Panel dem Erfordernis einer objektiven Sachverhaltsbeurteilung gemäß Art. 11 DSU nachgekommen ist.53 Dem Berufungsgremium als reiner Rechtsinstanz ist es nicht gestattet, eigene Ausführungen in bezug auf die Tatsachenfeststellungen des Panels zu machen. Problematisch und nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie das Berufungsgremium zu verfahren hat, wenn es zu dem Ergebnis kommt, daß das Panel den Sachverhalt nicht richtig festgestellt und beurteilt hat.54 Nach dem DSU besteht aufgrund der ad hoc Eigenschaft von Panels nicht die in nationalen Rechtssystemen vorgesehene Möglichkeit einer Zurückverweisung an das Panel als Tatsacheninstanz.55 Auch die Möglichkeit, daß das Berufungsgremium in Ausnahmefällen eine eigene objektive Sachverhaltsbeurteilung durchführt, ist im DSU nicht vorgesehen. Insbesondere bei einer unzureichenden Beweiswürdigung durch das Panel56 ist diese Einschränkung von Rechtsmitteln auf Tatsachenebene für Mitglieder tiefgreifend. Das Berufungsgremium hat im Hormonstreit die Chance nicht wahrgenommen, Art. 17 Abs. 6 DSU im Hinblick auf die Überprüfung von Tatsachenfeststellungen des Panels auszulegen, so daß für zukünftige Verfahren Richtlinien vorgegeben werden.

53

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 132. Quick/Blüthner, Has the Appellate Body erred? An Appraisal and Criticism of the Ruling in the WTO Hormones Case, JIEL (1999), S. 608 ff. 55 In der Literatur wird diese Möglichkeit diskutiert: vgl. nur Palmeter, The Appellate Body Needs Remand Authority, 32 JWT (1998), S. 41 ff. 56 Hierzu im einzelnen unten E.V.3. 54

II. Kontrolldichte und objektive Beurteilung des Sachverhalts

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3. Prüfungsmaßstab bei Verstößen gegen die objektive Sachverhaltsbeurteilung Nachfolgend ist der Maßstab zu untersuchen anhand dessen das Berufungsgremium einen möglichen Verstoß des Panels gegen Art. 11 DSU zu messen hat. Das Berufungsgremium führt im Hormonstreit hierzu aus, daß nicht jeder Fehler in der Beweiswürdigung als Fehler einer objektiven Sachverhaltsbeurteilung angesehen werden könne und damit revisibel sei.57 Eine objektive Sachverhaltsbeurteilung („objective assessment“) beinhalte danach die Pflicht, die vorgelegten Beweise zu berücksichtigen und auf dieser Grundlage zu Tatsachenfeststellungen zu kommen. Unvereinbar mit der Pflicht zur objektiven Sachverhaltsbeurteilung sei es, wenn die vorgebrachten Beweise absichtlich außer acht gelassen würden oder das Panel sich weigerte, diese Beweise zu berücksichtigen. Die vorsätzliche Verdrehung oder falsche Auslegung von vorgebrachten Beweisen unter Mißbrauchsabsicht seien ebenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht zur objektiven Sachverhaltsbeurteilung.58 Diese Maßstäbe hat das Berufungsgremium nicht weiter konkretisiert. Es bestätigte, daß dem Panel im Hormonstreit bei der Beweiserhebung und Beweiswürdigung leichte Fehler in bezug auf Darstellung und Interpretation von Sachverständigenmeinungen unterlaufen seien.59 Diese Fehler stellen nach Auffassung des Berufungsgremiums jedoch kein absichtliches Nichtbeachten oder Verdrehen von Beweisen dar. Auch die Tatsache, daß das Panel nicht auf alle Äußerungen der Sachverständigen eingegangen ist, sei kein Verstoß gegen die Pflicht zur objektiven Sachverhaltsbeurteilung, da es sich hierbei teilweise um Äußerungen allgemeiner Natur gehandelt habe, die nicht relevant waren.60 Insbesondere habe keine Mißbrauchsabsicht des Panels vorgelegen. Das Berufungsgremium sah somit keine revisiblen Fehler bei der Beweiswürdigung seitens des Panel. Es zeigt sich, daß das Berufungsgremium einen hohen Prüfungsmaßstab bei Verstößen gegen die objektive Sachverhaltsbeurteilung anlegt. Denn das 57

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 133. Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 133. 59 So hat das Panel die Äußerungen des Sachverständigen Dr. Lucier falsch zitiert und interpretiert und die Auffassungen des Sachverständigen Dr. André möglicherweise unkorrekt ausgelegt. Zudem hat das Panel die Meinungen der von ihm selbst bestellten Sachverständigen ungenau dargestellt und ist nicht auf alle Äußerungen der Sachverständigen eingegangen. Darüber hinaus hat das Panel allgemeine Artikel und abweichende Meinungen einzelner Wissenschaftler nicht beachtet. Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 138, 139, 141, 142 und 144. 60 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 138 und 139. 58

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E. Verrechtlichung der WTO?

„Nichtbeachten“, „Verdrehen“ oder „absichtlich falsches Auslegen“ von Beweisen beinhaltet mehr als einen bloßen Fehler bei der Beweiswürdigung. Diese schwerwiegenden Verstöße würden die Grundsätze von Treu und Glauben und „fair trial“ von Panels in WTO-Verfahren verletzen. Der Vorwurf solcher Verstöße bei der Beweiswürdigung sind im Kern Anschuldigungen, daß der beweisantragenden Partei kein ordnungsgemäßes Verfahren gewährt wurde und somit gegen die fundamentalen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoßen worden ist. Es ist daher fraglich, ob einem Panel anhand dieses hohen Maßstabs jemals eine entsprechende Mißbrauchsabsicht nachzuweisen sein wird.61

III. Beurteilung der Risikobewertung durch WTO-Streitschlichtungsorgane Das Zusammenspiel von Ermessen bzw. Souveränität der Mitglieder und Kontrolldichte von Panels wird insbesondere deutlich, wenn man die Beurteilung der Risikobewertung einer SPS-Maßnahme durch Panels analysiert. Das Berufungsgremium unterscheidet nicht zwischen einer quantitativen und einer qualitativen Komponente bei der Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS.62 Die vom Panel im Hormonstreit eingeführte quantitative Komponente – also ein bestimmtes Gefahrenlevel, das für die Einführung einer SPS-Maßnahme vorausgesetzt wird – weist das Berufungsgremium zurück. Es bleibt demnach die Entscheidung jedes WTO-Mitglieds, welche Gefahr den Bürgern zuzumuten ist. Ein „zero risk level of protection“ ist somit grundsätzlich möglich, wenn ein Mitglied ein solches Level wählt. Nachzuweisen ist ausschließlich, daß eine Gefahr für die menschliche Gesundheit vorliegt. An diese qualitative Komponente werden besondere Anforderungen gestellt. Danach darf eine SPS-Maßnahme zwar auch auf wissenschaftliche Mindermeinungen gestützt sein. Jedoch muß diese von einer „qualified and respected source“ stammen.63 Die wissenschaftlichen Studien dürfen zudem nicht zu allgemein sein und lediglich ein allgemeines potentielles Gesundheitsrisiko eines bestimmten Stoffes nachweisen. Diese Studien müssen sich vielmehr speziell mit dem Gesundheitsrisiko eines bestimmten Stoffes in einem Nahrungsmittel befassen und auf die konkrete Gesundheitsgefähr61 Bisher hat das Berufungsgremium in keinem einzigen WTO-Verfahren, insbesondere auch nicht bei den drei komplexen Verfahren zum SPS-Übereinkommen, entschieden, daß ein Verstoß gegen Art. 11 SPS durch das Panel vorgelegen hat. 62 So schon das Berufungsgremium im Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 184. 63 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 194.

III. Risikobewertung durch WTO-Streitschlichtungsorgane

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dung eingehen, bzw. eine kausale Verbindung zwischen dem Konsum dieses Nahrungsmittels und dem Gesundheitsrisiko nachweisen.64 Im Zusammenhang mit SPS-Maßnahmen hat ein Panel zunächst zu prüfen, ob eine nationale Maßnahme auf einer den Umständen angepassten Bewertung der Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruht und ein hinreichender wissenschaftlicher Nachweis erfolgt ist.65 Diese Prüfungskompetenz autorisiert ein Panel jedoch nicht dazu, seine eigene wissenschaftliche Einschätzung des Sachverhalts abzugeben und aufgrund der vorgebrachten wissenschaftlichen Beweise eine neue Risikobewertung durchzuführen.66 Das Panel darf beispielsweise nicht selbst entscheiden, ob es tatsächlich stimmt, daß ein bestimmter verabreichter Stoff krebserzeugend ist. Auf der anderen Seite kann das Panel auch nicht eine SPS-Maßnahme als WTO-konform betrachten, bloß weil das entsprechende Mitglied das Wort „Wissenschaft“ bei der Begründung der Maßnahme verwendet. Stattdessen hat das Panel zu beurteilen, ob eine ausreichende wissenschaftliche Grundlage („reasonable scientific basis“) für die Entscheidung der nationalen Behörde zum Erlaß oder Beibehaltung einer SPS-Maßnahme besteht. Im Hormonstreit gab es keine wirklichen wissenschaftlichen Differenzen, die vom Panel oder Berufungsgremium zu entscheiden waren. Die geladenen Sachverständigen konnten sämtlich nicht nachweisen, daß die Verwendung von Wachstumshormonen bei der Rinderzucht eine gesundheitsschädigende Wirkung für Menschen haben. Zwar stellte einer der Sachverständigen fest, daß die Wahrscheinlichkeit einer Brustkrebserkrankung durch die Verwendung von Wachstumshormonen eins zu einer Millionen beträgt (wonach zumindest eine theoretische Gefahr besteht). Panel und Berufungsgremium waren sich aber einig, diesem Satz als einzelner Meinung kein Gewicht beizumessen.67 Nach deren übereinstimmender Auffassung handelt es sich bei dieser Aussage lediglich um eine Einzelmeinung, die nicht wissenschaftlich fundiert sei. Aus diesem Grund, so das Berufungsgremium, reicht diese Aussage allein nicht, um eine Gesundheitsgefährdung wissenschaftlich zu untermauern.68

64

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 200. Art. 5 Abs. 1 im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 SPS; hierzu bereits oben C.III.1. 66 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.104. 67 Hormonstreit, USA-Panelbericht, Para. 8.124, Fn. 331; Berufungsbericht, Para. 198. 68 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 198. 65

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E. Verrechtlichung der WTO?

1. Kompetenz von Panels zur Entscheidung wissenschaftlicher Fragen Das Panel hat bei Überprüfung einer Risikobewertung zunächst festzustellen, ob für die streitige Frage ein wissenschaftlicher Konsens besteht oder ob hierüber wissenschaftliche Unsicherheiten existieren. Sobald das Panel zu dem Ergebnis kommt, daß sich die wissenschaftlichen Meinungen in dieser Frage unterscheiden und die Risikobewertung sich auf eine dieser Meinungen stützt, sollte das Panel die SPS-Maßnahme insoweit als WTOkonform betrachten.69 Dann beruht diese SPS-Maßnahme auf einer Risikobewertung mit hinreichendem wissenschaftlichen Nachweis im Sinne von Art. 5 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 2 SPS.70 a) Eigene Erkenntnisse des Panels Bei Analyse des Hormonstreits wird deutlich, wie sich das Panel mit wissenschaftlichen Fragen auseinandersetzt. Die von der EG vorgebrachten wissenschaftlichen Nachweise haben das Panel im Hormonstreit nicht davon überzeugen können, daß zwischen Hormonrückständen im Fleisch und gesundheitlichen Beschwerden eine Verbindung besteht. Das Panel hat konsequenterweise entschieden, daß das Einfuhrverbot nicht auf hinreichenden wissenschaftlichen Grundsätzen beruhe und somit WTO-widrig ist. Diese Entscheidung kann sich jedoch möglicherweise als unrichtig herausstellen: Wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine der vorgebrachten Studien eine Gesundheitsgefährdung nachweisen konnte, ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, daß eine solche Gefahr tatsächlich nicht existiert. Dies wird deutlich aus dem Umgang mit dem Hormon Melengesterol Acetat („MGA“). Zu diesem Hormon wurden im Verfahren vor dem Panel von den Parteien fast keine wissenschaftlichen Nachweise vorgebracht; vornehmlich, weil über dieses Hormon noch keine wissenschaftlichen Studien existierten. Auch die Codex Alimentarius Kommission hat zu MGA keine Höchststände festgelegt. Das Berufungsgremium hat die Entscheidung des Panels aufrechterhalten, da die wissenschaftliche Begründung zu dem Verbot dieses Hormons nicht ausreiche. Jedoch ist auch nicht wissenschaftlich nachgewiesen, ob MGA tatsächlich unschädlich ist. Das Berufungsgremium hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß zu wenig wissenschaftliche Beweise vorgebracht wurden, um durch das Panel die Schädlichkeit von MGA bestätigen zu lassen.71 69 Hierbei sind wissenschaftliche Mindermeinungen ausreichend, solange diese aus anerkannten und qualifizierten Quellen stammen; Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 194 ff. 70 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 194.

III. Risikobewertung durch WTO-Streitschlichtungsorgane

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Anhand dieses Beispiels wird ein grundsätzliches Problem der Konzeption des SPS-Übereinkommens verdeutlicht: Die WTO-Streitschlichtungsorgane sind nicht kompetent, zu entscheiden, ob komplexe wissenschaftliche Studien die Unschädlichkeit des Konsums von belastenden Lebensmitteln belegen oder nicht.72 Das Panel besteht nicht aus Wissenschaftlern, sondern regelmäßig aus Juristen oder Ökonomen.73 Das Panel kann sich nicht an die Stelle von Sachverständigen und Wissenschaftlern setzen und die souveräne Festlegung eines Schutzniveaus durch ein Mitglied als WTO-widrig erklären, wenn die momentan verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse noch keinen Schluß über die potentiell gesundheitsgefährdende Wirkung eines Stoffes zulassen. Es ist zu fordern, daß Panels sich auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften und die Prüfung des Diskriminierungsverbotes nach dem SPSÜbereinkommen beschränken sollten, falls über die Gefährlichkeit eines bestimmten Stoffes noch keine wissenschaftlichen Informationen vorliegen (wie z. B. bei dem Hormon MGA). Auch die Möglichkeit des Panels, bei wissenschaftlichen Fragen den Rat von Sachverständigen einzuholen,74 kann dieses Defizit nur leicht abschwächen. Die letzte Entscheidung obliegt weiterhin dem Panel. Es gewichtet die wissenschaftlichen Informationen selbständig und zieht eigenständige Schlüsse. Hierbei führt es eine qualitative Bewertung der vorgebrachten wissenschaftlichen Nachweise durch. Eine Substanz wird nach der Konzeption des SPS-Übereinkommens solange als unschädlich angesehen, bis wissenschaftlich das Gegenteil bewiesen wurde. Grundsätzlich sollte daher die Überprüfung wissenschaftlicher Fragen in einem Beweisverfahren in engen klar definierten Kriterien erfolgen, die den Umfang dieser Überprüfung festlegen.75 Konsequenterweise sind den Mitgliedern in wissenschaftlichen Fragen (insbesondere auch bei Unsicherheiten) weite Ermessenspielräume zuzugestehen. Die Kontrolldichte von Panels ist folglich zu begrenzen.76 71

Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 196, 201. Hughes, Limeting the Jurisdiction of Dispute Settlement Panels: The WTO Appellate Body Beef Hormone Decision, Geo. Int’l Envt’l L. R. 10 (1997/1998), S. 927. 73 Kritisch auch: Christoforou, Settlement of Science-Based Trade Disputes in the WTO, NYU Environmental Law Review 8 (2000), S. 635 f. 74 Art. 13 Abs. 2 DSU. 75 Zu dem Beweisverfahren der WTO ausführlich unten, E.V. 76 Eine solche Einräumung eines Beurteilungsspielraumes folgt dem nationalen Recht vieler Mitglieder (wie z. B. Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder USA), in dem bei gerichtlicher Überprüfung von SPS-Maßnahmen weniger die wissenschaftlichen Grundlagen selbst, sondern vielmehr die darauf basierenden Schluß72

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E. Verrechtlichung der WTO?

b) Die Rolle von Sachverständigen in WTO-Verfahren Das Panel hat in allen drei SPS-Verfahren den Rat von wissenschaftlichen und technischen Sachverständigen gemäß Art. 13 DSU und Art. 11 Abs. 2 SPS eingeholt.77 aa) Rechtliche Grundlagen Gemäß Art. 11 Abs. 2 SPS soll sich das Panel bei wissenschaftlichen und technischen Fragen von Sachverständigen beraten lassen, die im Einvernehmen mit den Streitparteien ausgewählt werden. Zu diesem Zweck kann das Panel, wenn es dies für zweckmäßig hält, eine beratende Sachverständigengruppe einsetzen. Für diese Sachverständigengruppen gelten nach dem Anhang 4 des DSU besondere Verfahrensregelungen. Diese finden jedoch nur auf die Einsetzung von Sachverständigengruppen Anwendung und nicht für die individuelle Befragung von einzelnen Sachverständigen. Art. 13 Abs. 1 DSU gewährt dem Panel das Recht, von jeder Einzelperson oder jedem Gremium, die es für geeignet hält, Informationen oder fachlichen Rat einzuholen. Nach Art. 13 Abs. 2 DSU können Panels von jeder einschlägigen Stelle Informationen erbitten und Sachverständige befragen, um deren Gutachten zu bestimmten Aspekten der Angelegenheit einzuholen. bb) Konkrete Einbeziehung der Sachverständigen in das Verfahren Anstatt eine Sachverständigengruppe einzusetzen – wie im Wortlaut von Art. 11 SPS und Art. 13 DSU vorgesehen –, hat es das Panel erstmals im Hormonstreit für hilfreich erachtet, von einzelnen Sachverständigen Meinungen einzuholen. Gegenüber den Sachverständigen hat das Panel sein Ziel bekräftigt, daß es keine übereinstimmenden Standpunkte zu den einzelnen Fragen erwartet, sondern dieses Verfahren darauf abzielt, alle verschiedenartigen Standpunkte zu hören.78 Das Berufungsgremium entschied im Hormonstreit auf entsprechende Beschwerde der EG,79 daß keine Vorschrift folgerungen (Ermessen, Verhältnismäßigkeit) überprüft werden. Zur Rechtslage in Deutschland s. E.IV. 77 Im Hormonstreit hat das Panel erstmals in einem WTO-Streitschlichtungsverfahren zusätzlich zu den Stellungnahmen eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Im Einvernehmen mit den Parteien wurden fünf wissenschaftliche Sachverständige ausgewählt und in Anwesenheit der Vertreter der Streitparteien auf Sitzungen insgesamt 35 Fragen über streitige wissenschaftliche Fakten gestellt. Ein solches Verfahren stellte bis dahin ein novum bei der Arbeit von WTO-Panels dar. 78 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.9.

III. Risikobewertung durch WTO-Streitschlichtungsorgane

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das Panel davon abhalten könne, Sachverständige individuell zu befragen. Vielmehr liege es nach dem DSU und SPS-Übereinkommen im freien Ermessen des Panels, ob es die Einsetzung einer Sachverständigengruppe für sinnvoll und angemessen erachtet.80 In der Praxis der Panelverfahren hat sich folgende Vorgehensweise für die Befragung der Sachverständigen in Beratung mit den Parteien herauskristallisiert:81 Das Panel bestellt die Sachverständigen von einer Namensliste Internationaler Organisationen oder von Vorschlägen der Parteien selber.82 Eine solche Auswahl erfolgt im Anschluß an intensive Beratungen mit den Parteien. Die Parteien erhalten Gelegenheit, sich zu den vorgeschlagenen Sachverständigen zu äußern und insbesondere mögliche Vorbehalte geltend zu machen. Sobald die Sachverständigen feststehen, arbeitet das Panel nach Rücksprache mit den Parteien Fragen aus, die sie jedem einzelnen Sachverständigen zur Beantwortung zustellt. Die Schriftsätze der Parteien und die Protokolle der mündlichen Anhörungen der Parteien werden ebenfalls an die Sachverständigen weitergereicht. Die Sachverständigen werden gebeten, sich innerhalb einer eingeräumten Frist schriftlich zu jeder einzelnen Frage zu äußern, soweit sie sich zur Beantwortung als qualifiziert ansehen. Das Panel stellt die Antworten der Sachverständigen den Parteien zur Verfügung. Um die Ausführungen zu erörtern, lädt das Panel die Sachverständigen zu Sitzungen zusammen mit den Parteien ein.83 Bei diesen Sitzungen 79 Die EG brachte vor, das Panel befinde sich aufgrund der verschiedenen Meinungen der einzelnen Sachverständigen in einer Position, frei zwischen diesen wissenschaftlichen Meinungen zu wählen und sich für die Meinung zu entscheiden, die ihr am angenehmsten sei. Diese Möglichkeit sei bei dem vorgesehenen konsensualen Ergebnis einer Sachverständigengruppe nicht gegeben. Hormonstreit, Schriftliche Vorlage der EG an das Berufungsgremium, Para. 587. 80 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 147, 149. Eine solche individuelle Befragung der Sachverständigen hat sich daraufhin auch in den folgenden Verfahren durchgesetzt: Australia – Salmon, Panelbericht, Paras. 6.3 f.; Japan – Agricultural Products, Panelbericht, Para. 6.2. Dieses Verfahren – entgegen des ausdrücklichen Wortlauts des Anhangs 4 zum DSU – wird in der Literatur zum Teil erheblich kritisiert: Christoforou, Settlement of Science-Based Trade Disputes in the WTO, NYU Environmental Law Review 8 (2000), S. 647 f. 81 Hormonstreit: USA Panelbericht, Paras. 6.1–6.10; Kanada Panelbericht, Paras. 6.1–6.9; Australia – Salmon, Panelbericht, Paras. 6.1 ff. und 8.2; Japan – Agricultural Products, Panelbericht, Paras. 6.1 ff. 82 Im Hormonstreit wurden die Namen der Sachverständigen sowie kurze Lebensläufe vom Sekretariat der Codex Alimentarius Kommission und der Internationalen Vertretung für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer: „IARC“) auf einer Liste bereitgestellt. 83 Die Antworten der Sachverständigen im Hormonstreit zusammenfassend: Kanada Panelbericht, Paras. 6.10–6.240.

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E. Verrechtlichung der WTO?

können die Parteien die Fragen und Antworten der Sachverständigen kommentieren und mit dem Panel diskutieren.84 Die Meinungen der einzelnen Sachverständigen sind gegenüber dem Panel nicht bindend.85 Neben den Sachverständigen, die durch das Panel einberufen werden, können die Parteien sich zusätzlich von Wissenschaftlern und Sachverständigen eigener Wahl beraten oder in den Verfahren vertreten lassen. Solchen Wissenschaftlern ist es gestattet, an den Panelsitzungen als Teil der Delegation des WTO-Mitglieds teilzunehmen.86 Das Berufungsgremium betonte in Japan – Agricultural Products, daß das umfassende Mandat der Panels, sich Informationen von externen Quellen zu beschaffen, auf eine signifikante eigenmächtige Ermittlungspflicht des Sachverhalts von Panels hinweisen könnte.87 Gleichzeitig schränkte es diesen Ansatz jedoch wieder dahingehend ein, als ein Panel nur dasjenige Beweismaterial von Sachverständigen bei der Entscheidung berücksichtigen darf, das auf Grundlage eines prima facie – Vorbringens88 (mit eigenen Argumenten und Beweisen) der Parteien in das Verfahren eingeführt worden ist.89 Eine eigene Ermittlungspflicht des Panels zur Erforschung des Sachverhalts und seiner wissenschaftlichen Grundlagen besteht demnach nicht. 2. Verfügbare wissenschaftliche Beweise des Panels Wenn das Panel eine der SPS-Maßnahme zugrundliegende Risikobewertung beurteilt, stellt sich insbesondere bei wissenschaftlichen Unsicherhei84 Aus Gründen der Verfahrensökonomie in Übereinstimmung mit Ziel und Zweck des Art. 9 Abs. 3 DSU hat das Berufungsgremium dem Panel im Hormonstreit gestattet, gemeinsame Sachverständigensitzungen in den beiden Verfahren zwischen Kanada und der EG sowie USA und der EG durchzuführen (Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 151 f.). Zudem hat es das Berufungsgremium nicht beanstandet, daß allen Parteien sämtliche Informationen aus beiden Verfahren zugänglich zu machen sind. Diese Vermeidung von unnötigen Verzögerungen im Streitbeilegungsverfahren sei auch durch Art. 3 Abs. 3 DSU anerkannt, der besagt, daß sie sofortige Klärung von Streitigkeiten wesentlich zum wirksamen Funktionieren der WTO beiträgt (Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 152 f.). 85 Pauwelyn, The WTO-Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS-Disputes, JIEL 2 (1999), S. 661. 86 Dies läßt sich den Protokollen der drei SPS-Verfahren entnehmen, die jeweils im Anhang der Panelberichte beigefügt sind. 87 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Paras. 127–129; das Berufungsgremium hatte hier wohl ein Prinzip wie den Amtsermittlungsgrundsatz im deutschen Verwaltungsprozeß im Sinn. 88 Zu den Beweisfragen im einzelnen unten, E.V. 89 Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 129.

III. Risikobewertung durch WTO-Streitschlichtungsorgane

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ten die Frage, welche Beweise es in dem Verfahren berücksichtigen soll. Im Hormonstreit wurde dieses Problem unter der Frage behandelt, ob das Panel die im Verfahren vorgebrachten wissenschaftlichen Beweise berücksichtigen kann oder sich auf die Tatsachen beschränken muß, die der Behörde des Mitgliedstaates zum Zeitpunkt des Erlasses der SPS-Maßnahme zur Verfügung standen.90 Das Panel zeigte sich im Hormonstreit in dieser Frage ambivalent: Auf der einen Seite erlaubte es den Parteien, wissenschaftliche Beweise vorzulegen.91 Soweit diese Beweise im Verfahren neu vorgebracht, jedoch zuvor nicht in einer Risikobewertung verwendet wurden, berücksichtigte das Panel diese mit der Begründung nicht, daß die EG die formellen und materiellen Verpflichtungen des Art. 5 Abs. 1 SPS für eine Risikobewertung nicht erfüllt hat.92 Zudem lehnte das Panel den Antrag der EG, Studien zu berücksichtigen, die bereits Kanada und die USA innerstaatlich für die Verwendung von Hormonen in der Rindermast genutzt haben, mit der Begründung ab, daß diese Informationen für den anhängigen Konflikt irrelevant seien.93 Die Position des Berufungsgremiums ist in dieser Frage unklar, obwohl es grundsätzlich anderer Meinung als das Panel ist. Zum einen wies das Berufungsgremium die vom Panel festgestellten Verfahrenserfordernisse nach Art. 5 Abs. 1 SPS zurück.94 Zum anderen hat das Berufungsgremium in seiner Entscheidung der Frage, ob eine hinreichende wissenschaftliche Begründung vorliege, nicht zwischen bereits verwerteten wissenschaftlichen Beweisen und neuen, erst im WTO-Verfahren vorgebrachten Nachweisen unterschieden.95 Hieraus könnte man schließen, daß auch neue wissenschaftliche Beweise, die erst im Panel-Verfahren vorgebracht wurden, von den Streitschlichtungsorganen zur Prüfung herangezogen werden können. Aufgabe von WTO-Panels ist es unter anderem, zu entscheiden, ob für die zu überprüfende SPSMaßnahme eine hinreichende wissenschaftliche Grundlage existiert. Um diese Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen, wird daher gefordert, das Panel solle alle relevanten wissenschaftlichen Nachweise berücksichtigen, die verfügbar sind, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens.96 90

Hormonstreit, Kanada-Panelbericht, Para. 8.118. Hormonstreit, Kanada-Panelbericht, Para. 8.10. 92 Hormonstreit, Kanada-Panelbericht, Para. 8.118. 93 Hormonstreit, USA-Panelbericht, Para. 8.11. 94 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 190; hierzu bereits oben, C.III.1.c). 95 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 192–209. 96 So Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 310 ff. m. w. N. 91

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E. Verrechtlichung der WTO?

Dieser Ansatz steht zwar vordergründig im Widerspruch zu nationalen Gerichtsverfahren, in denen die Gerichte bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme den Wissensstand der Behörde zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme zugrunde legen.97 Jedoch ist dieser Unterschied zu nationalen Verfahren durch die besondere Stellung von WTO-Panels begründet. Als Gegenargument wird vereinzelt vorgebracht, daß das Abstellen auf diesen Zeitpunkt den Mitgliedern zu einer ex post facto Rechtfertigung von SPS-Maßnahmen verhelfen kann.98 Denkbar ist auch das Argument, wonach die Rechtssicherheit unter einer ex ante Überprüfung zu leiden habe. Doch sprechen eine Reihe von gewichtigen Argumenten für die Forderung, daß Panels den besten wissenschaftlichen Kenntnisstand bei der Überprüfung von SPS-Maßnahmen und demnach den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrundelegen sollen: (1) Erstens haben Panels die Aufgabe, den richtigen Sachverhalt festzustellen. Sie haben zu überprüfen, ob eine nationale SPS-Maßnahme auf eine hinreichende wissenschaftliche Begründung gestützt ist. Das Panel prüft im Gegensatz zu nationalen Verwaltungsgerichten nicht, ob die Behörde zum Zeitpunkt des Erlasses rechtmäßig gehandelt und pflichtgemäßes Ermessen ausgeübt hat. (2) Zweitens findet das SPS-Übereinkommen Anwendung auf alle SPSMaßnahmen, die in seinen weiten Anwendungsbereich fallen, also neben neu erlassenen Maßnahmen auch bereits bestehende SPS-Maßnahmen.99 Bei Einführung von SPS-Maßnahmen vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des SPS-Übereinkommens, wie z. B. dem Hormonverbot der EG, bestand noch gar keine Pflicht eines wissenschaftlichen Nachweises. Viele SPS-Maßnahmen wurden daher aus anderen als aus rein wissenschaftlichen Erwägungen erlassen. Die Mitglieder müssen aufgrund dieser Rückwirkung daher auch die Möglichkeit haben, neue wissenschaftliche Beweise nachträglich im Panel-Verfahren einzubringen. 97 Eine solche ex ante Beurteilung ist beispielsweise im deutschen Verwaltungsrecht bei Anfechtungsklagen in ständiger Rechtsprechung anerkannt: BVerfGE 82, 260 (261). Für Leistungs- und damit auch Verpflichtungsklagen kommt es dagegen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, 592 f. Zum US-amerikanischen Verwaltungsrecht s. Camps v. Pitts, 411 U.S. 138, 142–43, 93 S. Ct. 1241, 1244 (1973): „The focal point for judicial review should be the administrative record already in existence, not some new record made initially in the reviewing court“. 98 Hurst, Hormones: European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products, EJIL 9 (1998), S. 183. 99 s. hierzu bereits oben B.II.2.c).

IV. Lösungsansätze im Vergleich

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(3) Drittens ist Wissenschaft niemals endgültig, die wissenschaftlichen Erkenntnisse verändern sich im Laufe der Zeit. So kann es vorkommen, daß der wissenschaftliche Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme ein anderer ist als zum Zeitpunkt des Panel-Verfahrens. Außerdem könnten bei einem zeitlich nachfolgenden Panelverfahren zur gleichen wissenschaftlichen Problematik neuere Erkenntnisse vorliegen. Im Sinne des Gesundheitsschutzes ist nicht einzusehen, warum in diesem späteren Verfahren nicht der neueste wissenschaftliche Stand zugrundegelegt werden sollte („state of the art“).100 (4) Viertens sollte insbesondere bei SPS-Maßnahmen zum Schutz menschlicher Gesundheit eine Panel-Entscheidung immer auf Grundlage der besten und aktuellsten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse ergehen. Dieses gesundheitspolitische Argument ergibt sich aus den besonderen Fürsorge- und Schutzpflichten souveräner Staaten für die Gesundheit ihrer Bürger. Wenn neue Nachweise eine hinreichende wissenschaftliche Grundlage für den erhöhten Schutz der menschlichen Gesundheit durch eine SPS-Maßnahme bieten, gibt es keine WTOZiele, die einer Verwendung dieser neuen Nachweise entgegenstehen. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer SPS-Maßnahme haben Panels daher den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Panelverfahrens zugrundezulegen.101 WTO-Streitschlichtungsorgane sollten ihre Tatsachenfeststellung unabhängig von vorherigen Feststellungen nationaler Behörden mit ihrem eingeschränkten wissenschaftlichen Kenntnisstand durchführen können. Sie haben bei der Tatsachenfeststellung somit die besten und aktuellsten wissenschaftlichen Informationen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Panel-Verfahrens verfügbar sind und von den Parteien vorgebracht wurden.

IV. Lösungsansätze des deutschen Rechts im Vergleich zum WTO-System Im deutschen Recht hat sich die Rechtsprechung wiederholt mit diesen Rechtsfragen (Beurteilungsspielraum der Verwaltung, staatlichen Entscheidungen bei wissenschaftlicher Unsicherheit, Risikobewertung und richterliche Kontrolldichte) auseinandergesetzt.102 Auch in der Literatur hat sich zu 100 Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 288. 101 Im Ergebnis so auch Pauwelyn, The WTO-Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as Applied in the First Three SPS-Disputes, JIEL 2 (1999), S. 649. 102 Insbesondere im Zusammenhang mit der Genehmigung des Betriebes von Kernkraftwerken oder gentechnischen Anlagen: BVerfGE 49, 89 („Kalkar I“); 53,

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E. Verrechtlichung der WTO?

diesem Bereich ein kontroverser und fruchtbarer Diskurs entwickelt.103 In der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit wird die Reichweite der richterlichen Kontrolldichte für die nächsten Jahrzehnte als beherrschendes Thema gesehen.104 Da diese Diskussion schon seit geraumer Zeit anhält und sich inzwischen ein differenzierter Umgang mit dieser Problematik in der Praxis durchgesetzt hat, soll an dieser Stelle der aktuelle Stand der deutschen Rechtslage knapp skizziert werden, um hieraus Rückschlüsse auf das WTO-System ziehen zu können.105 Die Bundesrepublik Deutschland ist über Art. 2 Abs. 2 GG, dem Sozialstaatsprinzip und der vom BVerfG hieraus entwickelten Schutzpflicht verpflichtet, bei Gefahren präventive Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu ergreifen.106 Hierbei bilden verschiedene Schutzaspekte in ihrer Gesamtheit das Grundrecht auf Sicherheit.107 Die Gefahrenschwelle, an der die Schutzpflichten des Staates einsetzen, ist nicht für alle Rechtsgüter einheitlich. Sie hängt neben der Qualität des Rechtsgutes auch ab von der Intensität der Gefahr, von den möglichen Mitteln der Gefahrenabwehr und von der Rechtseinbuße, die der staatliche Eingriff für Störer oder Unbeteiligte haben kann.108 Der konkrete Inhalt dieser Schutzpflicht ergibt sich demnach aus dem Gesundheitsrisiko im Einzelfall.109

30 („Mühlheim-Kärlich“); BVerwGE 72, 300 („Wyhl-Urteil“). Zur Entwicklung der Rechtsprechung vor und nach dem Wyhl-Urteil siehe nur Wahl, Risikobewertung der Exekutive und richterliche Kontrolldichte – Auswirkungen auf das Verwaltungsund das gerichtliche Verfahren, NVwZ 1991, S. 409 f. m. w. N.; BVerwGE, DVBl. 1999, S. 1138. 103 Insbesondere Wahl, Risikobewertung der Exekutive und richterliche Kontrolldichte – Auswirkungen auf das Verwaltungs- und das gerichtliche Verfahren, NVwZ 1991, S. 409 ff. m. w. N.; Breuer, Probalistische Risikoanalysen und Gentechnikrecht, NuR 1994, S. 157 ff.; ders. Anlagensicherheit und Störfälle – Vergleichende Risikobewertung im Atom- und Immissionsschutzrecht, NVwZ 1990, S. 211 ff.; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht – Grundzüge des öffentlichen Umweltschutzrechts, 3. Aufl., S. 443 ff. Zur neueren Entwicklung: Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 42 ff. und Faßbender, Neues zur Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, UPR 2002, S. 15 ff. 104 So Redeker, 50 Jahre – Rückblicke und Ausblicke aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NJW 1997, S. 374 m. w. N. 105 Grundlegend zum Zustand der Lehre vom Beurteilungsspielraum der Verwaltung: Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 9 ff. 106 Vgl. hierzu nur. BVerfGE 49, 89 (142) „Kalkar I“ und BVerfGE 53, 30 (57), „Mühlheim-Kärlich“. 107 Grundlegend: Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33 ff. 108 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 37. 109 BVerfGE 49, 89 (142).

IV. Lösungsansätze im Vergleich

183

Bei der Regelung neuer Technologien oder Wirkstoffen, über deren Auswirkungen nur wenig gesicherte Erkenntnisse vorliegen, stößt der Gesetzgeber in zunehmenden Maße an die Grenzen des Normierbaren. Angesichts bestehender Unsicherheiten und einer dynamischen Entwicklung des Fachwissens im zugrundeliegenden Sachbereich kann er nicht ein für allemal gültige, für jeden Einzelfall gleichermaßen brauchbare Vorgaben treffen. Um der Dynamik der Entwicklung gerecht zu werden, steigt die Zahl der unbestimmt gefaßten Rechtsbegriffe in gesetzlichen Vorschriften.110 Denn ebenso unvollkommen wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind zwangsläufig auch die darauf bezogenen rechtsbegrifflichen Klauseln.111 Im deutschen Recht spielt die Legislativebene, also die Entscheidung über das Ob und Wie einer regulatorischen Maßnahme durch den Gesetzgeber, daher eine zunehmend geringere Rolle.112 Für komplexe und dynamische Sachbereiche ist weitgehend anerkannt, daß die konkrete Aufgabe der Risikoermittlung und der Verarbeitung von Ungewißheit auf die Exekutive und den von dieser einzuschaltenden wissenschaftlichen Sachverstand verlagert werden kann.113 Die Risikoverwaltung wird in Deutschland von Rechtsverordnungen, vor allem aber von Verwaltungsvorschriften gebildet, die eine verläßliche erste Orientierung verschaffen, ohne hierbei jedoch – wie Rechtsnormen – eine rechtliche Bindungswirkung der Gerichte zu entfalten.114 Das Bundesverfassungsgericht bestätigte jüngst die ständige Rechtsprechung, wonach Verwaltungsvorschriften keine Rechtsnormen darstellen: „Verwaltungsvorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt [. . .] [sind] Gegenstand, jedoch nicht Maßstab richterlicher Kontrolle.“115 110 Wahl/Appel, Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Wahl, „Prävention und Vorsorge“, S. 113 f. 111 Breuer, Probalistische Risikoanalysen und Gentechnikrecht, NuR 1994, S. 162. 112 Zur Übertragung von Rechtsetzungskompetenzen auf die Regierung, grundlegend: v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 107 ff.; Di Fabio beschreibt diesen Zustand folgendermaßen: „Der Gesetzgeber entmachtet sich selbst und zieht sich auf die Formulierung blasser Zweckvorgaben zurück“ (Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 8 und 363). 113 Wahl, Risikobewertung der Exekutive und richterliche Kontrolldichte, NVwZ 1991, S. 409 f. m. w. N.; zu den Vorteilen durch die Rechtsetzung von Verwaltungsvorschriften: v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 487; Ladeur, The Integration of Scientific and Technological Expertise into the Process of Standard-Setting According to German Law, in: Joerges/Ladeur/Vos, „Integrating Scientific Expertise into Regulatory Decision-Making“, S. 79 ff. 114 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 344 ff.; zur jüngsten Entwicklung: Faßbender, Neues zur Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, UPR 2002, S. 15 ff. 115 BVerfGE 78, 214 (227).

184

E. Verrechtlichung der WTO?

In der Theorie folgt der exekutivischen Erst-Entscheidung idealerweise die judikative Zweit-Kontrolle.116 In der Praxis stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Gerichte die exekutivischen Entscheidungen unter Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe voll überprüfen können oder der Exekutive einen Beurteilungsspielraum zugestehen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt entschieden, daß unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar sind, die Verwaltung also keinen Beurteilungsspielraum hat. Ausnahmen hiervon müssen durch besondere Gründe gerechtfertigt sein und sich aus der jeweiligen gesetzlichen Regelung entnehmen lassen.117 Trotz grundsätzlicher Ablehnung administrativer Letztentscheidungsrechte haben die Verwaltungsgerichte demnach punktuell Beurteilungsspielräume anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht folgt dieser Auffassung unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, zieht aber die Grenzen der Ausnahmen noch enger. Ein „begrenzter Entscheidungsspielraum“ komme nur dann in Betracht, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe wegen der hohen Komplexität und der besonderen Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig seien, daß die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt.118 Bejaht wurde ein solcher Beurteilungsspielraum (oder Einschätzungsprärogative) von der Rechtsprechung unter anderem bei Prognoseentscheidungen119 und Risikobewertungen120. In diesen Bereichen hat die Rechtsprechung einen Beurteilungsspielraum der Verwaltung angenommen, soweit technische (wissenschaftliche), wirtschaftliche oder soziale Wertungen und Prognosen zu erfolgen haben, die ihrer Natur nach inhaltlich durch besondere Unsicherheit gekennzeichnet sind.121 Begründet wird ein solcher eigener Beurteilungsbereich der Verwaltung bei Risikobewertungen mit zwei Zielsetzungen: Zum einen dient er bei der 116 Wahl, Risikobewertung der Exekutive und richterliche Kontrolldichte, NVwZ 1991, S. 410. 117 Hierzu nur die jüngeren Entscheidungen: BVerwGE 94, 307; 100, 221, (225). 118 BVerfGE 84, 34 (50). 119 Im Bereich des Wirtschaftsrechts: BVerwGE 79, 208 (213 ff.); 82, 255 (299 ff.); hierzu: Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25, Rdn. 54 m. w. N. 120 BVerwGE 72, 300, 316 f., „Whyl-Urteil“; 81, 185, 190 ff. (die nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Gefahren durch den Betrieb von Kernkraftwerken gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG); sowie BVerwGE, DVBl. 1999, 1138 (entsprechend zur Prüfung einer gentechnischen Anlage gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 GenTG). 121 Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 141 ff. m. w. N.

IV. Lösungsansätze im Vergleich

185

Risikobewertung der laufenden Anpassung an den jeweils neuesten Erkenntnisstand und damit dazu, eine bestmögliche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zu ermöglichen.122 Zum anderen dient dieser Spielraum der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltungsgerichte: Die erforderliche Beweisaufnahme soll funktionsgerecht begrenzt werden, ohne ein Forum für einen ausufernden Sachverständigen-Streit oder ein wissenschaftliches Kolloquium zu bieten.123 Eine vollständige Überprüfung des von der Exekutive bereits durchgeführten Beurteilungsvorganges „würde alle zeitlichen Grenzen gerichtlicher Verfahren sprengen“.124 Gerichte sind zur nochmaligen eigenständigen Beurteilung der derzeitigen (wissenschaftlichen) Erkenntnisse weder personell noch organisatorisch in der Lage. Die Gerichte haben solche Feststellungen und Bewertungen somit nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, nicht aber ihre eigenen Bewertungen an deren Stelle zu setzen.125 Nach Ansicht des BVerwG kann es daher „nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein, die der Exekutive zugewiesene Wertung naturwissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen.“126

Die reduzierte richterliche Kontrolldichte bezieht sich vor allem darauf, ob im Prozeß der Risikobewertung das vorhandene Wissen in hinreichendem Umfang erhoben und bearbeitet worden ist, ob es neue Erkenntnisse gibt, die die von der Exekutive zu einem gegebenen Zeitpunkt vorgenommene Risikoabschätzung widerlegen oder ihre Plausibilität in Frage stellen, und ob das Verfahren eingehalten wurde.127 122 „Wyhl-Urteil“, BVerwGE 72, 317. Der Exekutive steht die Kompetenz für die nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG erforderliche Risikoermittlung und Bewertung zu. Sie genießt bei der Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung ein Entscheidungsvorrecht, weil sie für die Verwirklichung der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge besser ausgerüstet ist, als Gesetzgeber und Rechtsprechung. 123 Die Gerichte befinden sich im Zwiespalt, entweder andere hochqualifizierte Sachverständige zur Kontrolle der exekutiven Bewertungen zu befragen oder sich selbst in wissenschaftlich dilettierender Weise für oder gegen eine Expertenmeinung entscheiden zu müssen; so Di Fabio, Verwaltungsentscheidung durch externen Sachverstand, Verw Arch 1990, S. 196. 124 VG Schleswig, NJW 1980, 1296 (1298). 125 BVerfGE 61, 82 (115) „Sasbach-Beschluß“. 126 BVerwGE 72, 300 (316) „Wyhl-Urteil“, unter ausdrücklicher Berufung auf VG Schleswig NJW 1980, 1296 ff. 127 Zuletzt BVerwG, NVwZ 1999, 1232 (1233); davor Breuer, Anlagensicherheit und Störfälle – Vergleichende Risikobewertung im Atom- und Emissionsschutzrecht, NVwZ 1990, 222 sowie Gerhardt, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, NJW 1989, S. 2239.

186

E. Verrechtlichung der WTO?

Diese Ausführungen zeigen einerseits, daß von der Verwaltung oder dem Gesetzgeber festgelegte Schutzstandards von den Richtern nicht positivrechtlich auf inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen sind.128 Die Richtigkeit der Risikobewertung und der hierbei zugrundegelegten Standards kann demnach auch nicht zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden.129 Andererseits bietet sich den Gerichten ein Instrumentarium, das genügend Zugriffsmöglichkeiten zur Korrektur zuläßt, wenn sich deren Notwendigkeit aufdrängt. So ist eine Beweisaufnahme erforderlich, wenn das Gericht nicht selbst beurteilen kann, ob die vom Kläger vorgebrachten technischen Einwendungen von der Behörde in der Risikobewertung eingestellt worden sind oder nicht.130 Die Behörde hat die Grundlagen mitzuteilen, auf die die Risikobewertung gestützt ist. Eine Risikobewertung ist dann als unzureichend anzusehen, wenn die Behörde von unvollständigen Daten ausgegangen ist.131 Der Beurteilungsspielraum der Verwaltung ist sinnvoll; die Gerichte sind verpflichtet, ihn zu achten. Übertragen auf das WTO-Streitschlichtungsverfahren könnte man diese exekutivische Entscheidung innerhalb Deutschlands mit der Gesetzgebung der WTO-Mitglieder vergleichen (wie etwa die EG-Richtlinien zum Hormonfleisch-Verbot). Vergleicht man darüber hinaus die Kontrolldichte der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der von Panels in WTO-Streitschlichtungsverfahren, ergeben sich interessante Rückschlüsse: Auffällig sind die Gemeinsamkeiten zwischen den Ausführungen der deutschen Rechtsprechung und der Rechtslage in den WTO-Verfahren. Während das Berufungsgremium die Souveränität der Mitglieder zum Erlaß von SPS-Maßnahmen hervorhebt,132 spricht das BVerwG vom Beurteilungsspielraum der Exekutive. In beiden Fällen ist es den „Richtern“ nicht gestattet, die zuvor getroffene Risikobewertung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen.133 Eine Überprüfung von Schutzstandards und der zugrundeliegenden Risikobewertung beschränkt sich auf wesentliche Punkte: Die Ermittlung der Standards muß willkürfrei sein.134 Dabei darf sich die Ge128 Defizite der Exekutive, insbesondere Verfahrens- und Ermittlungsfehler sind nicht ausgleichbar; so Wahl, Risikobewertung der Exekutive und richterliche Kontrolldichte, NVwZ 1991, S. 415 und 418. 129 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 137 L – Flughafen Stuttgart. 130 Gegebenenfalls sind hierfür die Sachverständigen aus dem Verwaltungsverfahren zu hören. 131 Grund ist danach die Unvollständigkeit der Risikoermittlung; Wahl, Risikobewertung der Exekutive und richterliche Kontrolldichte, NVwZ 1991, S. 417. 132 So beispielsweise im Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 165. 133 BVerwGE 72, 300 (316); Hormonstreit, Kanada-Panelbericht, Para. 8.104. 134 BVerfGE 49, 89 (140) und BVerfGE 61, 82 (114 f.).

V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren

187

nehmigungsbehörde nicht auf eine herrschende wissenschaftliche Meinung verlassen, sondern muß alle wissenschaftlich und technisch vertretbaren Erkenntnisse in Erwägung ziehen.135 Der Inhalt der Standards muß hinreichend konservativen Annahmen Rechnung tragen. Nur dadurch kann wissenschaftlichen Unsicherheiten bei der Risikobewertung begegnet werden.136 Der Inhalt darf nicht veraltet, widerlegt oder erschüttert sein.137 Während auf WTO-Ebene eine zunehmende Verrechtlichung erkennbar wird, zeigt sich im deutschen Verwaltungsrecht eine Tendenz zur „Entrechtlichung“, da die Beurteilungsspielräume bei Risikoentscheidungen unter Verweis auf Vorsorgeprinzipien ausgeweitet werden. Ein weiterer wesentlicher Unterschied bezieht sich auf den abzustellenden Zeitpunkt der richterlichen Kontrolle. Während im deutschen Verwaltungsprozeßrecht – zumindest bei Anfechtungsklagen – der Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung zugrundezulegen ist (also eine ex ante Beurteilung), sprechen gewichtige Argumente dafür, im WTO-Verfahren den aktuellen Zeitpunkt des Verfahrens als Beurteilungszeitpunkt zu beziehen. Dieser Unterschied erklärt sich durch die spezifischen Eigenheiten des WTOSystems und seines Streitbeilegungsverfahrens.138

V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren Im Zusammenhang mit Fragen der Einschränkung staatlicher Souveränität und dem Beurteilungsspielraum von WTO-Streitschlichtungsorganen ist im folgenden auf die wichtigen Beweisfragen in den Verfahren einzugehen.139 Die vielen Pflichten, die das SPS-Übereinkommen den Mitgliedern auferlegt, verbunden mit häufig sehr komplexen Sachverhalten und wissenschaftlichen Zweifelsfällen machen eine Verteilung der Beweislast zu einer wesentlichen Frage, von der das Obsiegen vor dem Panel entscheidend abhängt.140 135 BVerwGE 72, 300 (316); das Berufungsgremium trägt dieser Pflicht ebenfalls Rechnung, indem es WTO-Mitgliedern gestattet, ihre Risikobewertungen auch auf wissenschaftliche Mindermeinungen zu stützen (Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 194). 136 BVerwGE 72, 300 (316); ein quantifizierbares Mindestrisiko erfordert die Risikobewertung nach dem SPS-Übereinkommen nicht (Hormonstreit, Berufungsgremium, Para. 184). 137 BVerwGE 78, 177 (181 f.) „Brokdorf“; OVG Lüneburg, NVwZ 1985, S. 357 (358). 138 s. hierzu ausführlich oben E.III.2. 139 Grundlegend: Pauwelyn, Evidence, Proof and Persuasion in WTO Dispute Settlement – Who Bears the Burden?, JIEL 1 (1998), S. 227 ff.

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E. Verrechtlichung der WTO?

In diesem Teil der Studie werden zum einen verschiedene Aspekte der Beweislastverteilung in WTO-Verfahren beleuchtet. Zum anderen wird diskutiert, welchen Beweismaßstab ein Panel bei Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung anzuwenden hat. 1. Beweislast Häufig lassen sich von Parteien in WTO-Verfahren vorgetragene Tatsachen nicht beweisen. Zudem gibt es Fälle, in denen eine Tatsache weder eindeutig bewiesen noch widerlegt werden konnte (sogenanntes non-liquet). In einem solchen Fall gilt – wie im deutschen Verwaltungs- und Zivilprozeßrecht auch – regelmäßig die Negativfiktion, wonach nicht dargelegte oder nicht bewiesene Tatsachen als nicht existent betrachtet und dem Panelbericht nicht zugrundegelegt werden können.141 Zu wessen Nachteil dies wirkt, ist eine Frage der objektiven Beweislastverteilung. Grundsätzlich trägt jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsnormen, deren Rechtswirkungen ihr zugute kommen können (ähnlich dem im deutschen Zivilverfahrensrecht anzuwendenden „Günstigkeitsprinzip“). 142 Diese Beweislastregel wurde mehrfach bestätigt: „Under the well-established principle concerning burden of proof, it is for the complaining party to establish the violation it alleges; it is for the party invoking an exception or an affirmative defence to prove that the conditions contained there are met; and it is for the party asserting a fact to prove it.“143

Bei Fragen über die WTO-widrigkeit einer SPS-Maßnahme trägt daher der Beschwerdeführer die Beweislast für die dem Beschwerdegegner zur Last gelegten Verstöße gegen das SPS-Übereinkommen. Um diesen Beweispflichten nachzukommen, genügt es grundsätzlich, einen prima facie Beweis anzutreten.144 Der prima facie Beweis ist ein 140 Thomas, Litigation process under the GATT Dispute Settlement System; Lessons für World Trade Organisation?, 30 JWT (1996), S. 54; ders., The Need for Due Process in WTO Proceedings, 31 JWT (1997) S. 45. 141 Hierzu nur Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, S. 515 ff. 142 So schon das Berufungsgremium in United States – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India, WT/DS33/AB/R vom 23. Mai 1997 („US – Shirts and Blouses“), Para. 14. 143 Zuletzt das Panel in EC – Sardines, Panelbericht WT/DS231/R vom 29. Mai 2002, Para. 7.50; unter Berücksichtigung der Entscheidung Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products („Turkey – Textiles“), Panelbericht, WT/ DS34/R, geändert durch den Berufungsbericht, WT/DS34/AB/R, angenommen am 19. November 1999, Para. 9.57.

V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren

189

glaubhaft gemachter Sachverhalt, ein Beweis des ersten Anscheins. Das Panel hat auf Grund seines prima facie bewiesenen Vorbringens zugunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden, wenn dieses Vorbringen nicht seinerseits wirksam durch prima facie bewiesenes Vorbringen des Beschwerdegegners erschüttert wird.145 Im Hormonstreit bezeichnet das Panel den prima facie Beweis als „factual and legal arguments that, if unrebutted, would demonstrate a violation of the SPS-Agreement.“146

Das Berufungsgremium definiert prima facie Beweis als „one which, in the absence of effective refutation by the defending party, requires a panel, as a matter of law, to rule in favour of the complaining party presenting the prima facie case“.147

Der prima facie Beweis muß demnach hinreichend gewichtig und von einer ausreichenden Qualität sein, damit das Panel überzeugt werden kann.148 In bezug auf die Tatsachenfeststellung unter dem SPS-Übereinkommen hat der Beschwerdeführer dann den prima facie Beweis geführt, wenn das vorgebrachte Beweismaterial ausreicht, um (a) die beantragte Entscheidung mindestens objektiv zu unterstützen und (b) das Panel von der beantragten Entscheidung (ohne erbrachten Gegenbeweis) tatsächlich zu überzeugen. Zusammenfassend müssen vom Beschwerdeführer, der sich gegen eine diskriminierungsfreie SPS-Maßnahme wendet, folgende Tatsachen schlüssig dargelegt und prima facie bewiesen werden:149

144

Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 104, 109. US – Shirts and Blouses, Berufungsbericht, 14. In Art. 3 Abs. 8 DSU heißt es: „In Fällen, in denen Pflichten aus einem unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen verletzt werden, wird die Maßnahme prima facie als Fall der Zunichtemachung oder Schmälerung von Vorteilen betrachtet. Das heißt, es wird gewöhnlich angenommen, daß ein Verstoß gegen die Regeln eine nachteilige Auswirkung auf andere Mitglieder hat, die Vertragsparteien des betreffenden unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommens sind, und daß es in solchen Fällen dem Mitglied, gegen das die Beschwerde vorgebracht wird, obliegt, die Anschuldigung zu widerlegen.“ 146 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.54. 147 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 104. 148 Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 194. 149 Rabe, Auswirkungen der Welthandelsordnung auf das deutsche und das europäische Lebensmittelrecht, ZLR 1998, 137 f. Diese Beweislastverteilung wurde zuletzt in bezug auf das TBT-Übereinkommen bestätig, in: EC – Sardines, Panelbericht, Para. 7.50. 145

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E. Verrechtlichung der WTO?

1. Es existiert eine internationale Norm, Richtlinie oder Empfehlung („internationaler Standard“) für den Bereich, in dem der Beschwerdegegner eine SPS-Maßnahme erlassen hat. 2. Die streitige SPS-Maßnahme des Beschwerdegegners entspricht nicht diesem internationalen Standard. 3. Die SPS-Maßnahme des Beschwerdegegners beinhaltet ein höheres Schutzniveau als das im internationalen Standard. 4. Die SPS-Maßnahme wirkt sich als internationales Handelshemmnis aus. 5. Die SPS-Maßnahme des Beschwerdegegners beruht nicht auf wissenschaftlichen Grundsätzen. 6. Für die SPS-Maßnahme des Beschwerdegegners ist keine stützende Risikobewertung und Festlegung eines angemessenen Schutzniveaus erfolgt. Hierbei ist zu beachten, daß der Anwendungsbereich dieser Beweislastregeln Tatsachen betrifft, nicht die Ermittlung von Rechtsfolgen. Es ist daher nicht die Verletzung einer Vorschrift als solche nachzuweisen, sondern es sind lediglich Beweise für das Vorliegen oder Nichtvorliegen zugrundeliegender Tatsachen vorzubringen.150 Aus dem Vorliegen der Tatsachen schließt dann das Panel auf eine Verletzung oder Nichtverletzung von WTO-Recht (jura novit curia). 2. Beweislastumkehr am Beispiel des Hormonstreits Hat der Beschwerdeführer einen prima facie Beweis geführt, muß sich der Beschwerdegegner entscheiden, ob er eine für ihn daraus folgende nachteilige Entscheidung akzeptieren soll oder ob er in der Lage ist, überzeugendes Beweismaterial als Gegenbeweis zu liefern. In einem solchen Fall wird häufig von Beweislastumkehr gesprochen. Schon im Jahre 1997 hat das Berufungsgremium im Fall United States – Shirts and Blouses hierzu entschieden: „[I]t is a generally accepted canon of evidence [. . .] that the burden of proof rests upon the party [. . .] who asserts the affirmative of a particular claim or defence. If that party adduces evidence to raise a presumption that what is claimed is true, the burden then shifts to the other party, who will fail unless it adduces sufficient evidence to rebut the presumption.“151

Die Beweislast für die Rechtfertigung der nationalen SPS-Maßnahme geht somit auf den Beschwerdegegner über, nachdem der Beschwerdeführer 150 Pauwelyn, Evidence, Proof and Persuasion in WTO Dispute Settlement – Who Bears the Burden?, JIEL 1 (1998), S. 242. 151 United States – Shirts and Blouses, 12–17; s. hierzu auch Krauland, International Legal Developments in Review, Int. Lawyer 31 (1997), S. 441 f.

V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren

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den prima facie Beweise erbracht hat. Der Beschwerdegegner muß dann nachweisen, daß die Maßnahme den Anforderungen von Art. 3 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 SPS genügt, also unter anderem eine ausreichende Risikobewertung nach wissenschaftlichen Grundsätzen durchgeführt wurde (falls das Schutzniveau eines Mitglieds über das internationaler Normen hinausgeht). Eine weitere Verteidigungsstrategie des Beschwerdegegners wäre ein Vorbringen gemäß Art. 5 Abs. 7 SPS, wonach die streitgegenständliche Maßnahme nur vorübergehender Natur ist.152 Der Beschwerdegegner trägt dann die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 7 SPS.153 Im Hormonstreit waren die USA und Kanada als Beschwerdeführer verpflichtet, zu beweisen, daß das von der EG erlassene Importverbot von hormonbehandeltem Fleisch Vorschriften des SPS-Übereinkommens verletzt.154 Dieser Beweis ist für jede einzelne behauptete Verletzung einer Vorschrift des SPS-Übereinkommens zu erbringen, die gerügt wird; also für die Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Art. 5 Abs. 1 und 5 SPS.155 Die Streitschlichtungsorgane haben entschieden, daß die Beschwerdeführer einen prima facie Beweis erbracht haben, wonach die EG-Maßnahme nicht auf einer Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS beruhte.156 Die Beweislast ging folglich auf die EG über.157 Die EG hatte somit die Aufgabe, mit einer auf ausreichend spezifischen und überzeugenden wissen152 So die Verteidigungsstrategie von Japan als Beschwerdegegner in Japan – Agricultural Products; das Berufungsgremium hat diese Vorschrift als qualifizierte Ausnahme zu den Pflichten des Art. 2 Abs. 2 SPS angesehen, Japan – Agricultural Products, Para. 80. 153 Zu den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 7 SPS ausführlich oben C.IV.2. 154 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 98 und 109. Im Hormonstreit sind die Beschwerdeführer nach Ansicht des Berufungsgremiums ihrer Beweispflicht nachgekommen. Diese Feststellung wird vom Berufungsgremium jedoch nicht näher begründet. Es bestätigt vielmehr beiläufig in einer Fußnote an einer anderen Stelle des Berichts, daß die Beschwerdeführer den erforderlichen prima facie Beweis für einen Verstoß der EG-Maßnahmen gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 SPS sowie Art. 5 Abs. 1 und 5 SPS erbracht haben, ohne dies näher auszuführen (Hormonstreit, Berufungsbericht, Fußnote 180). 155 Hierbei ist nicht ausreichend, wenn eine Maßnahme des Beschwerdegegners lediglich tatsächlich von internationalen Normen abweicht. 156 Eine abstrakte Regel über die Bewertung von prima facie Beweisen läßt sich aus dem Bericht des Berufungsgremiums jedoch nicht herauslesen, da es schlicht die pauschale Entscheidung des Panels übernommen hat, in der es heißt, daß alle vorgelegten wissenschaftlichen Studien von einer Ungefährlichkeit der Wachstumshormone ausgingen. Nach der oben genannten Definition des prima facie Beweises durch das Berufungsgremium waren die von Kanada und den USA vorgebrachten Beweise demnach so überzeugend, daß sie ohne entsprechende Gegenbeweise der EG eine Beurteilung des Hormonverbots als SPS-widrig rechtfertigten.

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E. Verrechtlichung der WTO?

schaftlichen Materialien basierten Risikobewertung nachzuweisen, daß die entsprechenden Wachstumshormone gesundheitsschädigend sind. Das Panel mußte durch die EG überzeugt werden, daß der Beweis des ersten Anscheins, wonach solche Hormone unschädlich sind, falsch ist. Dieser Gegenbeweis konnte von der EG nicht geführt werden. 3. Beweismaßstab Der Beweismaßstab („standard of proof“) ist der rechtliche Maßstab, den Panels (oder nationales Gerichte) verwenden, um ihre Tatsachenfeststellungen zu treffen. Es wird die Qualität der Beweise und der Grad an Sicherheit festgelegt, der bestehen muß, um eine positive Feststellung zu treffen. Ein solcher Maßstab gibt somit Richtlinien für die Beweiswürdigung vor.158 Das Berufungsgremium hat in verschiedenen Verfahren mehrfach betont, daß die Berücksichtigung und Würdigung von Beweisen allein Sache des Panel und nicht durch das Berufungsgremium revisibel sei.159 Zudem seien Panels in der Beweiswürdigung unabhängig und nicht verpflichtet, den vorgebrachten Beweisen dasselbe Gewicht beizumessen wie die Parteien.160 Bisher haben die WTO-Streitschlichtungsorgane wenig Ausführungen zum Beweismaßstab gemacht.161 Obwohl das Panel in seinem Bericht zum Hormonstreit zutreffenderweise feststellte, daß Wissenschaft niemals endgültige Sicherheit liefern könne,162 hat es in nicht die Frage geklärt, wie überzeugend ein Beweis geführt sein oder welchen Beweiswert ein vorgebrachter Beweis haben muß, um eine Entscheidung zugunsten einer Partei zu gewährleisten. Auch das Berufungsgremium hat auf diese Frage im Hormonstreit keine direkte Antwort gegeben und den Beweismaßstab nicht näher konkretisiert. Vielmehr äußerte es sich in seinem Bericht nur indirekt im Zusammenhang 157 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 197, Fußnote 180. Hierbei ist bemerkenswert, daß diese wichtige Frage nur am Rande in der Fußnote abgehandelt wurde. 158 Vgl. für das deutsche Verwaltungsprozeßrecht nur Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, S. 563 m. w. N. 159 Australia – Salmon, Para. 261, Japan – Agricultural Products, Paras. 98 und 136. 160 Australia – Salmon, Para. 267. 161 Zu den Problemen, die hieraus hinsichtlich der Rechtssicherheit resultieren können: v. Bogdandy/Makatsch, Collision, Coexistence, or Cooperation?, in: de Búrca/Scott, „The EU and the WTO“, S. 136. 162 Hormonstreit, Kanada-Panelbericht, Para. 8.155; danach könne nicht ein und für allemal ausgeschlossen werden, daß eine bestimmte Substanz nachteilige Folgen für die Gesundheit haben wird.

V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren

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mit der „objektiven Beurteilung“ eines Sachverhalts durch das Panel gemäß Art. 11 DSU.163 Das Berufungsgremium zeigte sich zumindest bereit, einen durchsetzbaren Begriff für ein Minimum an Beweisen zu entwickeln. Danach sollte es unvereinbar mit der „objektiven Beurteilung“ des Sachverhalts gemäß Art. 11 DSU sein, wenn ein Panel eine Entscheidung trifft, ohne daß sich der Bericht des Panels auf ein Minimum an Beweisen bezieht, das jeder vernünftige Mensch als notwendig betrachtet, um die getroffene Entscheidung zu unterstützen. Abgrenzungsmaßstab für eine solche Beurteilung ist demnach die vernünftige („reasonable“) Person. 4. Anmerkungen Der Maßstab von Panels bei der Beweiswürdigung wurde bisher nicht ausreichend konkretisiert. Insbesondere bei der Rechtfertigung von SPSMaßnahmen treten daher Defizite zutage. In bezug auf die Frage, ob eine hinreichende wissenschaftliche Grundlage für eine streitige SPS-Maßnahme besteht oder nicht, wird daher vertreten, daß das Panel nicht mit letzter Sicherheit von der wissenschaftlichen Grundlage überzeugt zu sein brauche. Es sollte danach genügen, die Entscheidung eines Mitglieds dann als SPS-konform anzusehen, wenn das Panel zu dem Ergebnis kommt, daß sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf hinreichenden wissenschaftlichen Grundsätzen beruht, nachdem es alle Beweise berücksichtigt und gegeneinander abgewogen hat.164 Ein solcher Beweismaßstab erscheint jedoch problematisch: Zum einen ist eine Abwägung zwischen Beweisen weder in Vorschriften der WTO-Abkommen vorgesehen noch in Berichten der Streitschlichtungsorgane erwähnt. Zum anderen kann es nicht ausreichend sein, einen Schiedsspruch auf eine bloße Wahrscheinlichkeit zu stützen. Kritisiert wird ferner, daß den Panels ohne hinreichendem Maßstab für die Beweiswürdigung ein Ergebnis-orientiertes Entscheiden erleichtert werden könne.165 Hinzu kommt, daß den Panels durch die extensive Anwen163

Zu diesem Problemkomplex sowie der Kontrolldichte von Panels bereits oben E.II. So Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ 31 (1998), S. 291. 165 Pauwelyn, Evidence, Proof and Persuasion in WTO Dispute Settlement – Who Bears the Burden?, JIEL 1 (1998), S. 258. Ein solcher Verdacht war nicht von der Hand zu weisen, in: India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products, Panelbericht WT/DS90/R vom 23. August 1999, Berufungsbericht, WT/DS90/AB/R vom 22. September 1999, Paras. 7.12 ff. (nachfolgend: „India – Quantitative Restrictions“); hierzu im einzelnen: v. Bogdandy/ Makatsch, Collision, Coexistence, or Cooperation?, in: de Búrca/Scott, „The EU and the WTO“, S. 135 f. 164

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E. Verrechtlichung der WTO?

dung des Grundsatzes der Verfahrensökonomie166 möglich ist, das Beweiserhebungsverfahren flexibel zu gestalten und den jeweiligen Anforderungen im Einzelfall anzupassen. Hierdurch wird zum einen eine schnellere Abwicklung auch komplexer Tatsachenfragen möglich sein. Zum anderen ist jedoch die genaue Ausgestaltung des Verfahrens nicht von vorneherein festgelegt, worunter zwangsläufig die Rechtssicherheit für die einzelnen Parteien leiden wird. Um den Anforderungen an Rechtssicherheit und Transparenz zu genügen und so den rechtsförmigen Charakter des WTOStreitschlichtungssystems weiter auszubauen, müßten Regeln zum Verfahren der Beweiserhebung in das DSU eingeführt werden. Hierin sollten neben genauen Vorschriften zum Ablauf der Beweiserhebung auch solche zur Beweiswürdigung enthalten sein. Teilweise wird vertreten, es sei zulässig, in diese objektive Beurteilung des Sachverhalts gemäß Art. 11 DSU auch die politischen Ziele, die zum Erlaß einer handelsbeschränkenden Maßnahme geführt haben, miteinzubeziehen.167 Hierdurch sollte in zweifelhaften Fällen die Entscheidung des Panels bei der Sachverhaltsbeurteilung erleichtert werden. Einer solchen Auslegung könnte jedoch die Grundkonzeption des SPS-Übereinkommens entgegenstehen. Zu befürchten wäre eine Aufweichung der von den Vertragsparteien gewollten konsequenten Abgrenzung von zulässigen und unzulässigen SPS-Maßnahmen aufgrund von wissenschaftlichen Nachweisen. Es wäre im Hinblick auf die Rechtssicherheit hilfreich, für zukünftige Panels einen Rahmen vorzugeben und die Frage zu beantworten, ab welcher Schwelle ein vorgebrachter Beweis bei der Beweiswürdigung so überzeugend ist, daß eine Entscheidung zugunsten derjenigen Partei ergehen muß, die diesen Beweis vorgebracht hat. Ein bloßer Hinweis auf die objektive Beurteilung des Sachverhalts durch das Berufungsgremium gibt keine Antwort auf diese wichtige Frage und läßt den Panels einen zu weiten Beurteilungsspielraum bei Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung. Wünschenswert wäre die Festlegung eines Beweismaßstabs als Werkzeug, das ein Panel immer dann als rechtlich vorgegebenen Rahmen individuell anzuwenden hat, wenn es um beweiserhebliche Tatsachenentscheidungen geht. Darüber hinaus sollten den Panels Vorgaben hinsichtlich der konkreten Beweiswürdigung und ihrer Darstellung in den Berichten gemacht werden. Es kann nicht als ausreichend anzusehen sein, wenn – ohne nähere Begründung – festgestellt wird, daß ein prima facie Beweis erbracht wurde.168 166 Hierzu: Quick/Blüthner, Has the Appellate Body erred?, JIEL 2 (1999), S. 632 ff. 167 So Walker, Keeping the WTO from Becoming the „World Trans-science Organisation“, Cornell ILJ (1998), S. 312. 168 So beispielsweise das Berufungsgremium im Hormonstreit, Para. 197, Fußnote 180 und in India – Quantitative Restrictions, Para. 7.12 ff., jeweils mit pau-

V. Beweisfragen in WTO-Streitschlichtungsverfahren

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Die Konkretisierung eines Beweismaßstabes würde nicht nur zu höherer Rechtssicherheit, sondern auch zu mehr Akzeptanz bei den WTO-Mitgliedern und zu einer stringenten Entwicklung der WTO-Streitschlichtung hin zu einem rechtsförmigen gerichtsähnlichen Kontrollregime führen. Gerade bei Konflikten über SPS-Maßnahmen, deren Ausgang ganz wesentlich von wissenschaftlichen Nachweisen und somit auch von den vorgebrachten Beweisen abhängt, erscheint ein festgelegter Beweismaßstab dringend erforderlich. Das Berufungsgremium hat das Recht, aber auch die Verantwortung, das DSU auszulegen, um zu entscheiden, ob ein Panel in seinem Bericht ausreichend Beweise verwertet hat. Hilfreich wäre die Anwendung von Grundsätzen oder Vorschriften, die einerseits die Unabhängigkeit der Panels gewährleisten, andererseits aber den Rahmen für die erforderliche Beweiswürdigung vorgibt. Im deutschen Prozeßrecht stehen hierfür zwei allgemeine Grundsätze zur Verfügung: Nach dem Grundsatz des Vollbeweises ist ein Beweis erst dann erbracht, wenn das Gericht von der Wahrheit einer Tatsache voll überzeugt ist.169 Einerseits nicht ausreichend ist damit die bloße (wenn auch überwiegende) Wahrscheinlichkeit einer Tatsache, andererseits nicht erforderlich ist die absolute Gewißheit, die jede andere Möglichkeit ausschließt. Ausreichend und erforderlich ist die persönliche Gewißheit, ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, daß vernünftige Zweifel an der Wahrscheinlichkeit nicht mehr bestehen.170 Im deutschen Verwaltungsprozeßrecht verpflichtet der Untersuchungsgrundsatz das Gericht, sich von Amts wegen diese für seine Entscheidung erforderliche Überzeugung zu verschaffen und zu diesem Zweck – im Fall von Zweifeln – Beweis zu erheben.171 Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung im deutschen Zivilprozeß ist das Gericht frei in der Beurteilung des Werts und der Überzeugungskraft jedes einzelnen Beweismittels.172 Es kann und muß die Beweiswürdigung in jedem Einzelfall neu und aus dem Inbegriff des gesamten Prozeßstoffs vornehmen.173 schalen Verweisen auf die unzureichenden Tatsachenfeststellungen in den Panelberichten ohne weitere eigene Ausführungen. 169 § 108 Abs. 1 VwGO in sachlicher Übereinstimmung mit § 286 Abs. 1 ZPO. 170 Hierzu nur: BGH NJW-RR 1994, 567; BGHZ 53, 245 (256); BVerwGE 55, 82 (83); 83, 177 (178). 171 Vgl. § 86 Abs. 1 VwGO. 172 Vgl. § 286 ZPO. 173 Seine Grenze findet der Grundsatz freier Beweiswürdigung einmal in gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die der Richter nicht außer acht lassen darf, zum anderen in den allgemeinen Denkgesetzen, die es ihm verbieten, logische Schlüsse falsch zu ziehen, und schließlich in der allgemeinen Lebenserfahrung, die es gebieten kann, bestimmte Anscheinsbeweise (prima facie Beweise) zu berücksichtigen.

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E. Verrechtlichung der WTO?

Diese beiden Grundsätze werden im deutschen Recht flankiert von einer Reihe von Erfordernissen zu dem konkreten Inhalt einer Beweiswürdigung im Einzelfall, die durch die Rechtssprechung entwickelt wurden.174 Eine Entwicklung des WTO-Verfahrensrechts hinsichtlich der Beweiswürdigung in eine vergleichbare Richtung – sei es durch Berufungsberichte oder eine Revision der bestehenden Vorschriften im DSU – wäre im Hinblick auf den kontinuierlichen Ausbau einer gerichtsförmigen Kontrolle im WTO-System zu begrüßen.

VI. Ergebnisse und Schlußfolgerungen unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Auslegungsregeln Anhand der analysierten Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane wird deutlich, daß die Verrechtlichung des WTO-Systems stetig voranschreitet. Am Beispiel der Beurteilung von nationalen SPS-Maßnahmen durch Panels zeigt sich ein WTO – Streitbeilegungsverfahren, das funktioniert und leistungsfähig ist.175 Das WTO-System hat sich mit dem neuen Streitbeilegungsverfahren weg von dem früheren, Macht-orientierten diplomatischen Ansatz der Handelsbeziehungen des GATT hin zu einem Normen-basierten Streitbeilegungssystem entwickelt,176 das Züge eines gerichtlichen Verfahrens trägt.177 Dies zeigt sich durch die weitgehende Vergleichbarkeit mit dem deutschen Gerichtsverfahren im Spannungsfeld zwischen Kontrolldichte und Beurteilungsspielraum bei Risikoentscheidungen. Dieser von Panel und Berufungsgremium geformte juristische Spruchkörper stärkt die Legitimität und der WTO und genießt den Respekt der WTO-Mitglieder.178 Im Hormonstreit hat sich das Berufungsgremium erstmals mit Fragen von Kontrolldichte und objektiver Sachverhaltsbeurteilung auseinanderge174

Hierzu nur Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, § 286 ZPO, Rn. 6 ff. m. w. N. In diese Richtung und generell zum Streitbeilegungsverfahren: Cameron/Gray, Principles of International Law in the WTO Dispute Settlement Body, ICLQ 50 (2001), S. 249 f.; Geller, Geistiges Eigentum auf dem Weltmarkt: Welche Bedeutung hat die Streitbeilegung nach TRIPS, GRUR Int. 1995, S. 935 und 943; Dörmer, Streitbeilegung und neue Entwicklungen im Rahmen von TRIPS, GRUR Int. 1998, S. 930 m. w. N. Einen erhellenden Vergleich zwischenstaatlicher und transnationaler Streitbeilegung vor dem Hintergrund der Verrechtlichung bieten: Keohane/Moravcsik/Slaughter, Legalized Dispute Resulution, IO 54 (2000), S. 457 ff. (485). 176 Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 64. 177 Jackson, World Trading System, S. 85. 178 Diese Entwicklung wurde bereits nach Abschluß der Uruguay-Runde gesehen: Aldonas, The World Trade Organisation: Revolution in International Trade Dispute Settlements, Dispute Resolution Journal 3 (1995), S. 73. 175

VI. Ergebnisse und Schlußfolgerungen

197

setzt. Die in dem Berufungsbericht getroffenen Feststellungen werden damit erhebliche Auswirkungen auf ähnlich gelagerte Verfahren in der Zukunft haben. Am Beispiel des Hormonstreits zeigt sich, wie tief die Vorschriften des SPS-Übereinkommens in die souveräne demokratische Entscheidungsfindung eingreifen.179 Bereits nach Abschluß der Uruguay-Runde wurde die Gefahr gesehen, daß durch das SPS-Übereinkommen die Panels verpflichtet werden könnten, die wissenschaftlichen Daten, auf der die streitigen SPS-Maßnahmen basieren, selbst zu überprüfen und faktisch durch eigene Risikobewertungen zu ersetzen.180 Solche Bedenken bewahrheiteten sich in der praktischen Anwendung des SPS-Übereinkommens in den WTO-Verfahren nicht. Insbesondere das Berufungsgremium im Hormonstreit hat die Balance zwischen den Einschränkungen der Souveränität der Mitglieder und der Kontrollbefugnis der WTO-Streitschlichtungsorgane auf Grundlage des DSU und des SPSÜbereinkommens wieder hergestellt. Das Berufungsgremium hat in seinen bisherigen Berichten die beiden Extrempositionen verworfen, wonach das Panel zu einer „de novo“-Überprüfung berechtigt ist oder sich auf eine bloße Überprüfung des Verfahrens der Entscheidungsfindung zu beschränken hat. Das Berufungsgremium hat sich bei der Beurteilung dieser überaus wichtigen Frage ausschließlich auf Art. 11 DSU gestützt. Die Entscheidungsbefugnis von Panels in bezug auf die objektive Sachverhaltsbeurteilung hat es so erweitert. Den Anforderungen einer objektiven Sachverhaltsbeurteilung werden Panels schon dann gerecht, wenn sie die vorgelegten Beweise berücksichtigen und auf dieser Grundlage zu Tatsachenfeststellungen kommen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift durch das Panel wird nur in den seltenen Ausnahmefällen vorkommen, in denen die Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verfahrens verletzt werden. Unvereinbar mit der Pflicht zur objektiven Sachverhaltsbeurteilung ist danach lediglich ein absichtliches Nichtbeachten oder Verdrehen von Beweisen. Zusätzlich hierzu muß bei den Panels eine – schwer nachweisbare – Mißbrauchsabsicht festzustellen sein. Im Zusammenhang mit der Auslegung, wonach Panels grundsätzlich auch komplexe Tatsachenentscheidungen judizieren und die von nationalen Behörden ausgeführten Untersuchungen tatsächlicher Art verwerfen dürfen, begründet die Entscheidung des Berufungsgremiums zum Hormonstreit eine hohe Kontrolldichte für Panels. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, 179 So auch: Howse, Democracy, Science, and Free Trade, Michigan Law Review 98 (2000), S. 2330. 180 Wirth, The Role of Science in the Uruguay Round and NAFTA Trade Disciplines, Cornell ILJ 27 (1994), S. 856.

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E. Verrechtlichung der WTO?

daß Panels zukünftig faktisch eine „de novo“-Überprüfung des Sachverhalts gewährt wird.181 Den Mitgliedern verbliebe durch so einen Maßstab im Bereich Gesundheitsschutz bei der Einführung oder Beibehaltung von Schutzniveaus praktisch wenig Beurteilungsspielraum. Die Überprüfungskompetenz des Berufungsgremiums ist auf Rechtsfragen begrenzt. Es wird also in Zukunft durchaus möglich sein, daß verschiedene Panels bei ein und derselben wissenschaftlichen Frage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und dennoch in allen Fällen die SPS-Maßnahme gleichermaßen als WTO-konform ansehen. Das Berufungsgremium hat diese scheinbar im Widerspruch zur Rechtssicherheit stehenden unterschiedlichen Auffassungen der Panels zu akzeptieren. Es darf sich – ebenso wie das Panel – nicht für eine „richtige“ wissenschaftliche Meinung entscheiden, die als WTO-konform anzusehen ist. Problematisch bleibt das Verhältnis zwischen der Kontrolldichte der Panels und dem Beurteilungsspielraum der Mitglieder bei wissenschaftlichen Unsicherheiten oder wenn überhaupt keine wissenschaftlichen Daten über eine Substanz vorliegen. Dieses Defizit in der Konzeption des SPS-Übereinkommens wurde anhand des Umgangs mit dem Hormon MGA im Hormonstreit problematisiert. Da – mangels ausreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse – die wissenschaftliche Begründung für ein Verbot dieses Hormons nicht ausreichend war, wurde das Verbot als unzulässig nach dem SPS-Übereinkommen angesehen, obwohl die Unbedenklichkeit von MGA nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Es erscheint im Hinblick auf die herausragende Bedeutung des Gesundheitsschutzes bedenklich, wenn das Panel – regelmäßig in seiner Zusammensetzung aus Juristen und Ökonomen – die Festlegung eines Schutzniveaus durch ein Mitglied als WTO-widrig qualifiziert, wenn die momentan verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse noch keinen Schluß über die potentiell gesundheitsgefährdende Wirkung eines Stoffes zulassen. An dieser Problematik kann auch die Einbeziehung von Sachverständigen wenig ändern, solange keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die streitgegenständliche Substanz vorliegen. Bei wissenschaftlichen Unsicherheiten wäre es, insbesondere wenn es um SPS-Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit geht, daher sinnvoll, die Kontrolldichte der Panels einzuschränken. In Anlehnung an 181

Diese Gefahr sieht: Eggers, Die Entscheidung des WTO Appellate Body im Hormonfall – Doch ein Recht auf Vorsorge?, EuZW 1998, S. 150. Anderer Ansicht ist J. Scott, nach der sich bei genauerer Analyse des Berufungsberichts im Hormonstreit zeigt, daß das Berufungsgremium die Kontrolldichte von Panels zumindest etwas einschränkt und den Mitgliedern einen relativ weiten Beurteilungsspielraum zubilligt; Scott, On Kith And Kine (and Crustaceans), in: Weiler, „The EU, the WTO and the NAFTA“, S. 155 ff.

VI. Ergebnisse und Schlußfolgerungen

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das deutsche Recht sollte den Mitgliedern in solchen Ausnahmefällen zum Schutz der menschlichen Gesundheit ein weiter Beurteilungsspielraum zugestanden werden. Den zuständigen nationalen Behörden ist die Möglichkeit zu geben, eine Maßnahme auf Grund von den Tatsachen einzuführen, die sie selbst ermittelt haben und ihnen bei der Würdigung eine weite Ermessensfreiheit einzuräumen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß Staaten ihren Bürgern gegenüber anerkannte und weitgehende Schutzpflichten haben. Es ist zu fordern, daß Mitglieder dann die Möglichkeit haben sollten, ihre SPS-Maßnahmen auf andere als rein wissenschaftliche Faktoren zu stützen und Panels sich bei der Überprüfung auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften zur Risikobewertung beschränken sollten, falls über die Gefährlichkeit eines bestimmten Stoffes noch keine wissenschaftlichen Informationen vorliegen. In diesen eng begrenzten Ausnahmefällen sind die Pflichten des SPS-Regimes auf die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbotes nach Art. 5 Abs. 5 i.V. m. Art. 2 Abs. 3 SPS zu beschränken, das einen ausreichenden Schutz vor Handelsirritationen bieten kann.182 Sobald wissenschaftliche Unsicherheiten auftauchen oder überhaupt kein wissenschaftliches Material vorliegt, sollte jedes Mitglied bei Erlaß einer SPS-Maßnahme berechtigt sein, zwischen verschiedenen, wissenschaftlich plausiblen Optionen zu wählen und so konsequent seine eigene Risikopolitik zu betreiben. Nur so kann der nationalen Souveränität in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden. Zu prüfen bleibt, ob das Berufungsgremium im Hormonstreit nicht seine Kompetenzen überschritten hat, indem es das in Art. 2 Abs. 1 SPS und Nr. 5 des Anhangs A zum SPS-Übereinkommen niedergelegte Recht jeden Mitglieds, sein angemessenes gesundheitspolizeiliches Schutzniveau für die Bevölkerung eigenverantwortlich festzulegen, zu weit eingeschränkt hat. Denn es sollte letztlich Aufgabe der Vertragsparteien sein, festzulegen, wieviel Beurteilungsspielraum ihnen verbleibt. Möglicherweise hat das Berufungsgremium in seinen Berichten den Panels Prüfungskompetenzen übertragen, die dem Willen der Vertragsparteien und den Zielen der WTO widersprechen und dadurch unvereinbar mit dem hier entwickelten Souveränitätsbegriff sind. Diese Frage ist anhand der allgemeinen völkerrechtlichen Auslegungsregeln zu untersuchen. Die im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge („WVK“) niedergelegten Auslegungsprinzipien haben nach herrschender Auffassung den Charakter verbindlichen Völkergewohnheitsrechts.183

182 s. zu dem Diskriminierungsverbot im SPS-Übereinkommen im Vergleich zum GATT, bereits oben D.III.

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E. Verrechtlichung der WTO?

Der in Art. 30 Abs. 3 WVK kodifizierte Grundsatz lex posterior derogat lex priori, wonach das zeitlich jüngere vor dem älteren Abkommen Vorrang hat, ist im Hormonstreit nicht einschlägig. Hier kam es bisher nicht zu einem Konflikt zwischen Vorschriften aus dem WTO-Recht und jüngeren Abkommen. Nach der zweiten Auslegungsregel – lex specialis derogat lex generalis – hat die speziellere Abkommensregelung Vorrang vor der allgemeineren.184 Da kein spezielleres Abkommen als das SPS-Übereinkommen ersichtlich ist, das auf eines der angesprochenen Verfahren angewendet werden könnte, liegt eine Verletzung dieser Regel durch die WTO-Streitschlichtungsorgane nicht vor. Aus Art. 31 WVK folgt schließlich der dritte Auslegungsgrundsatz, der zusammenfassend auch als Gebot der „harmonischen Auslegung“ nach Treu und Glauben bezeichnet wird.185 Danach erfolgt die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages zunächst nach Wortlaut samt Präambeln und Anlagen einschließlich jeder sich auf den Vertrag beziehenden Übereinkunft und Urkunde.186 Der Vertrag ist zudem gemäß Ziel und Zweck (teleologisch) sowie nach seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang (systematisch) auszulegen.187 Zu berücksichtigen sind bei einer Auslegung außerdem zwischen den Vertragsparteien anwendbare sonstige spätere Abkommen und einschlägige Völkerrechtssätze.188 Als einschlägiger Völkerrechtssatz der in Rahmen dieser „harmonischen“ Auslegung nach Treu und Glauben zu berücksichtigen war, könnte das Recht auf Vorsorge gesehen werden.189 So argumentieren Stimmen in der Literatur, daß wegen der Widerspruchsfreiheit mit einem solchen Vorsorgeprinzip die Anforderungen an den obligatorischen wissenschaftlichen Nachweis im SPS-Übereinkommen herabzusetzen seien. Auf wissenschaftliche Nachweise solle danach im Zweifel ganz verzichtet werden, da das SPS-

183 Vgl. nur Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 640–642, 672 und 774 ff.; Yesseen, L’Interprétation des Traités s’après Convention de Vienne sur le Droit des Traités, RdC 151 (1976 III), S. 19 ff. 184 Auch dieser Grundsatz gilt als völkergewohnheitsrechtlich anerkannt: vgl. Wilting, Verragskonkurrenz im Völkerrecht, S. 87 f.; Zuleeg, Vertragskonkurrenz im Völkerrecht, GYIL 20 (1977), S. 257. 185 Zu dieser Bezeichnung: Hohmann, Der Konflikt zwischen freiem Handel und Umweltschutz in WTO und EG, RIW 2000, S. 89 f. 186 Art. 31 Abs. 2 WVK. 187 Art. 31 Abs. 1 WVK. 188 Art. 31 Abs. 3 WVK. Ergänzende Auslegungsmittel sind insbesondere vorbereitende Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses; Art. 32 WVK. 189 s. zu diesem Recht schon ausführlich oben C.IV.1.

VI. Ergebnisse und Schlußfolgerungen

201

Übereinkommen allein zur Verhinderung von protektionistischen Zielen abgeschlossen worden sei.190 Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Sie verkennt, daß der wissenschaftliche Nachweis als entscheidendes Novum in das WTO-System deshalb eingeführt wurde, um protektionistische von einzig dem Gesundheitsschutz dienenden SPS-Maßnahmen abzugrenzen. Den Vertragsparteien kam es gerade darauf an, einen solchen „Wissenschaftlichkeits-Test“ als zentrale Pflicht dieses Abkommens einführen. Darüber hinaus ist umstritten, inwieweit dem Vorsorgeprinzip zum jetzigen Zeitpunkt völkerrechtliche Verbindlichkeit zuerkannt werden kann.191 Auch eine teleologische Auslegung unter Berücksichtigung der Präambeln führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die übergeordneten Ziele des SPS-Übereinkommens sind, die Gesundheit von Menschen und Tieren und die pflanzenschutzrechtliche Lage im Gebiet aller Mitglieder zu verbessern und die nachteiligen Auswirkungen nationaler Maßnahmen auf den Handel auf ein Mindestmaß zu beschränken.192 Die Mitglieder dürfen jedoch nicht gezwungen werden, das ihnen angemessen erscheinende Niveau des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu ändern.193 Der Beurteilungsspielraum, der den Mitgliedern die Möglichkeit einer autonomen Rechtssetzung bei SPS-Maßnahmen zugesteht, wird im wesentlichen durch die Pflichten aus Art. 3 und Art. 5 Abs. 1 SPS eingeschränkt, die eine wissenschaftliche Grundlage bzw. eine Risikobewertung für jede SPS-Maßnahme verlangen, deren Schutzstandard über internationale Standards hinausgeht. Auf Grundlage der Risikobewertung ist es jedem Mitglied gestattet, mit einer SPS-Maßnahme dasjenige Schutzniveau einzuführen, das es für sinnvoll hält; insoweit sind Mitglieder legiglich an das Diskriminierungsverbot gebunden. Es ist nicht zu erkennen, daß die von den WTO-Streitschlichtungsorganen vorgenommene Auslegung des SPS-Übereinkommens allgemeinen Auslegungsregeln widerspricht. Das Berufungsgremium hat in seinen bisherigen Berichten den Willen der Vertragsparteien, der in dem SPS-Übereinkommen zum Ausdruck kommt, in ausreichendem Maße berücksichtigt und insoweit völkerrechtskonform gehandelt. 190 So Hohmann, Der Konflikt zwischen freiem Handel und Umweltschutz in WTO und EG, RIW 2000, S. 98 f. 191 Dem in Art. 5 Abs. 7 SPS niedergelegten Recht auf Vorsorge sollte nach dem Willen der Vertragsparteien im SPS-Übereinkommen jedenfalls nicht ein solches Gewicht beigemessen werden, daß es die Pflichten des wissenschaftlichen Nachweises und der Risikobewertung überlagert. Hierzu bereits oben C.IV.2. 192 Zweiter und Vierter Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens. 193 Sechster Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens.

F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO? (Die Rolle der Codex Alimentarius Kommission im WTO-System) I. Harmonisierung von Schutzstandards als Ziel des SPS-Übereinkommens Als eines der Ziele des SPS-Übereinkommens wird an verschiedenen Stellen die Harmonisierung (Rechtsangleichung) von SPS-Maßnahmen angeführt. So heißt es in Art. 3 Abs. 1 SPS, der mit „Harmonisierung“ überschrieben ist: „Mit dem Ziel, eine möglichst weitgehende Harmonisierung der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen zu erreichen, stützen sich die Mitglieder bei ihren gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen auf internationale Normen, Richtlinien oder Empfehlungen [. . .].“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Nach dem sechsten Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens soll die Anwendung von gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen gefördert werden, „die zwischen den Mitgliedern auf der Grundlage von internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen, die von den zuständigen internationalen Organisationen einschließlich der Kommission des Codex Alimentarius, des Internationalen Tierseuchenamts und der im Rahmen der Internationalen Pflanzenschutzkonvention tätigen einschlägigen internationalen und regionalen Organisationen entwickelt worden sind, harmonisiert werden [. . .].“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Harmonisierung wird in Anhang A Nr. 2 zum SPS-Übereinkommen wie folgt definiert: „ Die Festlegung, Anerkennung und Anwendung gemeinsamer gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen durch verschiedene Mitglieder.“

Grundsätzlich sprechen einige Argumente für die Harmonisierung von SPS-Maßnahmen. Die Marktteilnehmer einigen sich bei der Harmonisierung auf international einheitliche Standards oder Vorschriften, damit die entsprechenden Erzeugnisse auf dem ganzen Markt verkehrsfähig sind und dadurch Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden.1 Für den Marktteilnehmer entfällt so

I. Harmonisierung von Schutzstandards

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die Doppelbelastung durch unterschiedliche Anforderungen im Ursprungsund Bestimmungsland.2 Eine solche Harmonisierungspolitik, die sowohl auf vertikaler Ebene (produktspezifisch) als auch auf horizontaler Ebene (für eine Reihe von Produkten) erfolgen kann, hat den Vorteil, daß gleiche Voraussetzungen für alle Produzenten und eine große Rechtssicherheit durch eine klare Rechtslage geschaffen werden kann.3 Produzenten, Marktteilnehmern und Verbrauchern können demnach durch Harmonisierung erhebliche Vorteile erwachsen.4 Das Europarecht unterscheidet hier zwischen der völligen Angleichung oder Vollharmonisierung (weitgehende Vereinheitlichung des maßgeblichen materiellen Rechts) und der Teilharmonisierung, gemeinschaftsrechtliche Mindestvoraussetzungen zu beachten (etwa durch Einbeziehung und Verweise auf nicht-staatliche Normenverbote und Standards).5 Für das WTO-System käme gegenwärtig nur die zweite Alternative in Betracht. Nachteilig ist jedoch der hohe bürokratische, technische und finanzielle Aufwand bei Verhandlung, Ausarbeitung und Umsetzung einheitlicher Regelungen zu sehen. Auch kann eine Harmonisierung zum Verlust nationaler Besonderheiten und Identitäten (gerade im Bereich der Lebensmittel) führen. Zudem besteht aufgrund der unterschiedlichen beteiligten Staaten die Gefahr einer „downward – harmonization“, das heißt einer Harmonisierung auf kleinstem gemeinsamen Nenner. Dies würde im Bereich des Gesundheitsschutzes zu einer Verschlechterung des Schutzniveaus führen. Denn auch Mitglieder mit relativ hohen Schutzstandards können so gezwungen werden, aus Wettbewerbsgründen ihre Schutzstandards herabzusetzen.6 Letztlich kann eine solche Harmonisierung somit auch zu Lasten der Verbraucher gehen. In diesem Abschnitt wird anhand der Vorschriften des SPS-Übereinkommens in der Auslegung der WTO-Streitschlichtungsorgane untersucht, in1 Weiterführend zur Entwicklung der Harmonisierung durch Sekundärrecht in der EG: Wetzig, Einfluß der EG und der WTO auf das Lebensmittelrecht, 29 ff.; zur Entwicklung des Gesundheitsschutzes in der EU: Reichenbach, Die Weiterentwicklung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes in der Europäischen Union, ZLR 1999, S. 555 ff. 2 Landwehr, Globalisierung, Freihandel und Gesundheitsschutz, S. 33 f. 3 Streinz, Europarecht, Rdn. 918 ff. 4 Zu den WTO-Verhandlungen zur Harmonisierung der „Rules of Origin“: Nell, WTO Negotiations on Harmonization of Rules of Origin, JWT 33 (1999), S. 45 ff. 5 Hierzu v. Bogdandy, in: Grabitz/v. Bogdandy/Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 404 ff. und 412 ff.; Geiger, EGV, Art. 94, Rdn. 5 f. 6 Der im Europarecht und in Art. 4 SPS ebenfalls verwendete Ansatz der gegenseitigen Anerkennung ist auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes nur wenig hilfreich, um die Nachteile einer Harmonisierung auszugleichen; so Streinz, Europarecht, Rdn. 934 ff.

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

wieweit eine Harmonisierung im WTO-System möglich und sinnvoll ist und möglicherweise zu einem nachteiligen Effekt im Hinblick auf den Gesundheitsschutz führen kann. Es zeigt sich, daß die Codex Alimentarius Kommission im Bereich des Lebensmittelhandels die entscheidende Rolle im Harmonisierungsprozeß einnehmen kann.

II. Die Struktur der Codex Alimentarius Kommission Um eine möglichst weitgehende Harmonisierung zu erreichen, soll im Bereich der Nahrungsmittelsicherheit auf die Normen, Richtlinien und Empfehlungen der Codex Alimentarius Kommission (im folgenden: „CAK“) zurückgegriffen werden.7 Auf Grundlage der internationalen Schutzstandards der CAK können zulässigerweise SPS-Maßnahmen eingeführt werden.8 Da die Bedeutung der CAK innerhalb des WTO-Systems für den Lebensmittelhandel immer weiter zunimmt,9 ist nachfolgend ausführlich auf Ziele, Struktur und Verfahren der CAK einzugehen.10 7

Art. 3 Abs. 1 SPS und Anhang A Nr. 3 Ziff. a) zum SPS-Übereinkommen. Zu der Literatur über die CAK insbesondere: Correa, Implementing National Public Health Policies in the Framework of WTO Agreements, JWT 34 (2000), S. 89 ff.; Eckert, Zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts, 1. Teil, ZLR 1984, 1 ff. und 2. Teil, ZLR 1984, S. 113 ff.; ders., Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 363 ff.; Herwig, Legal and institutional aspects in the negotiation of a Codex Alimentarius Convention, ZLR 2001, S. 259 ff.; Hilf/Reuß, Verfassungsfragen lebensmittelrechtlicher Normierung im europäischen und internationalen Recht, ZLR 1997, S. 289 ff.; Rabe, Auswirkungen der Welthandelsordnung auf das deutsche und das europäische Lebensmittelrecht, ZLR 1998, S. 129 ff.; Sander, Gesundheitsschutz in der WTO – eine neue Bedeutung des Codex Alimentarius im Lebensmittelrecht?, ZeuS 3 (2000), S. 335 ff.; Shubber, The Codex Alimentarius under International Law, ICLQ 21 (1972), S. 631 ff.; Sikes, FDA’s Consideration of Codex Alimentarius Standards in Light of International Trade Agreements, Food and Drug Law Journal 53 (1998), 327 ff.; Streinz, Die Bedeutung des WTO-Übereinkommens für den Lebensmittelverkehr, JbUTR 1996, S. 435 ff.; Tolkmitt/Macher (Hrsg.), Ausländisches Lebensmittelrecht; Codex Alimentarius: Codex-Standards für Lebensmittel und Codex-Verfahrensleitsätze der Codex-Alimentarius-Kommission von FAO und WHO; Wetzig, Bedeutung des SPS-Übereinkommens der WTO für das europäische Lebensmittelrecht und umgekehrte Diskriminierung am Beispiel des Hormonverbots, ZLR 2000, S. 11 ff. 9 Diese zunehmende Bedeutung zeigt sich auch in der Verwendung von CodexStandards in WTO-Streitverfahren: Im Hormonstreit haben sich die Streitschlichtungsorgane zum erstenmal mit der CAK und ihren Schutzstandards auseinandergesetzt. In dem jüngeren Verfahren EC – Sardines vom 29. Mai 2002 hat das Panel abermals in wichtigen Fragen auf Standards der CAK Bezug genommen; hierzu bereits oben B.IV.2.b). 8

II. Die Struktur der Codex Alimentarius Kommission

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1. Aufbau und Organisation der Codex Alimentarius Kommission Die CAK11 ist völkerrechtlich ein gemeinsames Untergremium der FAO (Food and Agricultural Organization)12 und der WHO (World Health Organization)13, die ihrerseits Unterorganisationen der Vereinten Nationen („UNO“)14 sind. Sie wurde im Jahr 1962 in Genf zur Durchführung eines weltweiten gemeinsamen Lebensmittelstandardisierungsprogramms der FAO und der WHO gegründet.15 Das Hauptwerk der CAK ist der Codex Alimentarius, eine Sammlung von Lebensmittelstandards und sonstigen Empfehlungen. Zwar ist die CAK administrativ eng mit ihren Mutterorganisationen verbunden,16 aber sie arbeitet weitgehend selbständig und unabhängig: Die CAK verfügt über ein eigenes Sekretariat mit Sitz in Rom, einen eigenen Haushalt, eine eigene Satzung und Geschäftsordnung sowie von ihr selbst ausgearbeitete Verfahrensregeln; zudem kann sie selbständig und unabhängig ihr Arbeitsprogramm im Rahmen der Satzung aufstellen. Zusammengefaßt sind alle Regelungen im Verfahrenshandbuch Rules and Procedures of the Codex Alimentarius Commission (nachfolgend: „Procedural Manual“).17

10 Da hier exemplarisch die Harmonisierung von Lebensmittelstandards analysiert wird, kann auf das ebenfalls im SPS-Übereinkommen erwähnte internationale Tierseuchenamt („OIE“) sowie die im Rahmen der Internationalen Pflanzenschutzkonvention („IPPC“) tätigen einschlägigen internationalen und regionalen Organisationen nicht eingegangen werden. Weiterführend hierzu: Stewart/Johanson, The SPS Agreement of the World Trade Organisation and International Organisations: The Role of the Codex Alimentarius Commission, the International Plant Protection Convention, and the International Office of Epizootics, Syracuse J Int’l L. & Com 26/27 (1998), S. 27 ff. Homepage der IPPC: http://www.fao.org.WAICENT/FaoInfo/Agricult/AGP/ AGPP/PQ/default.htm. Homepage des OIE: http://.www.oie.int. 11 Homepage der CAK: http://www.codexalimentarius.net/index_en.stm. 12 Einführend zur FAO: Bothe, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), in: Götz/Kroeschel/Winkler, Handwörterbuch des Agrarrechts, Bd. 1, Sp. 535 ff. Für weitergehende aktuelle Informationen, siehe homepage der FAO: http:// www.fao.org. 13 Für weiterführende Informationen, siehe homepage der WHO: http:// www.who.int. 14 Homepage der UNO: http://www.un.org/. 15 Merkle, Der Codex Alimentarius der FAO und WHO, S. 13 f. 16 Die FAO bzw WHO sind abwechselnd Gastgeberin und Organisatoren der alle zwei Jahre stattfindenden Sitzungen der CAK und legen in Abstimmung mit dem Kommissionsvorsitzenden die vorläufige Tagesordnung fest. 17 Rules of Procedure of the Codex Alimentarius Commission („Procedural Manual“) 12. Aufl., 2001; abrufbar unter: ftp://ftp.fao.org/codex/manual/Manual12ce. pdf.

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

Nach Art. 2 der Satzung der CAK (nachfolgend: „Satzung“)18 können alle Mitgliedstaaten und assoziierten Mitglieder der FAO und/oder WHO Mitglied der CAK werden.19 Die CAK setzt sich aus den Regierungsvertretern ihrer Mitgliedstaaten zusammen und trifft sich alle zwei Jahre zu Sitzungen. Gegenwärtig gehören ihr 165 Staaten an,20 darunter sämtliche EGMitgliedstaaten, jedoch nicht die EG selbst; die EG hat in der CAK bisher lediglich Beobachterstatus.21 Die meisten Mitgliedstaaten der CAK sind zugleich auch Mitglieder der WTO. Das Exekutivkomitee der CAK umfaßt neben dem Vorstand (= Vorsitzender der Kommission und seine drei Stellvertreter22) sieben weitere Mitglieder, die von der CAK gewählt werden und ihr Amt über den Zeitraum von zwei Sitzungsperioden der Kommission ausüben.23 Zwischen den Sitzungen der CAK fungiert das Exekutivkomitee in deren Namen als deren ausführendes Organ.24 Die Hauptaufgabe des Komitees besteht in der Entwicklung von Vorschlägen hinsichtlich der allgemeinen Orientierung der CAK und deren Arbeitsprogramm. Das FAO/WHO Sekretariat der Codex Alimentarius Kommission („Sekretariat“) besteht aus einem Sekretär, der von der FAO/WHO unter den Angehörigen ihrer Stäbe ausgesucht wird, sowie weiteren Bediensteten der FAO/WHO.25 Es hat die Aufgabe, der CAK und ihrem Vorstand bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zur Seite zu stehen. Das Sekretariat ist beispielsweise für den Schriftverkehr mit den Mitgliedern der CAK und für regelmäßige Veröffentlichung der Codex-Standards im Codex Alimentarius verantwortlich. 18

Statutes of the Codex Alimentarius Commission, Procedural Manual, S. 4–6. Art. 2 S. 2 Satzung. Da eine möglichst große Zahl der FAO- und WHO-Mitglieder zu einem Beitritt bewegt werden soll, gibt es für die Mitgliedschaft ein unkompliziertes Verfahren, in dem lediglich der Generaldirektor der FAO oder WHO über den Beitrittswunsch unterrichtet werden soll. 20 Stand: Juli 2002. 21 Beobachter der CAK kann nach einem entsprechenden Antrag jedes Mitglied der FAO oder WHO werden, das ein begründetes Interesse an der Arbeit der CAK hat; Art. 3 Satzung. Die zunehmende Bedeutung der CAK hat inzwischen dazu geführt, daß die EG von ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der CAK abgerückt ist und einen Beitritt zu der CAK in Angriff nimmt; s. hierzu unten F.IV.6. 22 Der Vorsitzende und dessen drei Stellvertreter werden auf jeder Sitzung gewählt und deren Amtszeit endet am Ende der nächsten ordentlichen Sitzung. Nach zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden können sie nicht für die nächstfolgende Periode gewählt werden; Art. II Geschäftsordnung der CAK, („Rules of Procedure“), Procedural Manual, S. 7–17. 23 Art. III Geschäftsordnung. 24 Art. 6 S. 2 Satzung. 25 Art. II Nr. 6 Geschäftsordnung. 19

II. Die Struktur der Codex Alimentarius Kommission

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2. Die Untergremien der Codex Alimentarius Kommission Die Codex Kommission hat eine Reihe von nachgeordneten Gremien in Form von Codex-Komitees und Koordinationskomitees für Regionen oder Ländergruppen eingerichtet.26 In diesen Gremien wird die fachliche Arbeit der CAK hauptsächlich geleistet. So liegt z. B. die Ausarbeitung von Codex-Standards bei den einzelnen Codex-Komitees, die ihre Tätigkeit möglichst ununterbrochen und mit Hilfe von Fachleuten ausüben sollen.27 Diese Komitees werden von der Codex-Kommission begründet, die auch für jedes einzelne Komitee einen verbindlichen Aufgabenkatalog erstellt, der angibt, welche Arten von Codex Standards das Komitee zu erarbeiten hat.28 Die Mitglieder der Codex-Komitees werden von der Kommission bestimmt. Den Vorsitz des Codex-Komitees überträgt die CAK an einen Mitgliedstaat, der sich bereit erklärt das Komitee in seinem Land zu betreuen und die laufenden Kosten zu übernehmen. Dieser Mitgliedstaat ist für die Bereitstellung der erforderlichen Konferenzausstattung, einschließlich des Sekretariats verantwortlich.29 Diese Kostenentlastung des CAK-Haushalts birgt jedoch einige Risiken. Der Vorsitz in einem Codex-Fachausschuß sichert dem Gastgeberland naturgemäß einen erheblichen Einfluß auf das Arbeitsergebnis zu.30 Es können sich in der Regel nur Industriestaaten leisten, den einflußreichen Vorsitz und die Finanzierung eines solchen Ausschusses zu übernehmen; den Entwicklungsländern fehlen häufig hierzu die finanziellen Möglichkeiten.31 Durch dieses Finanzierungsverfahren haben zudem einige wenige Staaten die Möglichkeit, sich die einflußreichen Schlüsselpositionen zu sichern. So haben allein die USA und Kanada den Vorsitz in sechs von 22 solcher Codex-Komitees; hierunter auch die wichtigen Komitees für Tierarzneimittelrückstände in Lebensmitteln, für Lebensmittelkennzeichnung und für Lebensmittelhygiene.32 26

Art. 7 Satzung, Art. IX Geschäftsordnung. Nr. 1 Richtlinien für Codex-Komitees („Guidelines for Codex Commitees and Ad Hoc Intergovernmental Task Forces“), Procedural Manual, S. 46–53. 28 Art. 7 CAK-Satzung, Art. IX Nr. 5 Satz 2 Geschäftsordnung. 29 Art. XI Nr. 3 Geschäftsordnung; Nr. 4 und 5 Richtlinien für Codex-Komitees. 30 So schon Eckert, Zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts, 1. Teil, ZLR 1984, S. 11. 31 So hat Mexiko als einziger Nicht-Industriestaat den Vorsitz des Ausschusses für tropische Frischfrüchte. 32 Vorsitz USA: Ausschüsse für Tierarzneimittelrückstände, Lebensmittelhygiene (weltweite Allgemeine Codex-Ausschüsse), Verarbeitendes Obst und Gemüse und Getreide, Hülsenfrüchte und Gemüse (weltweite Produkt Codex-Ausschüsse); Vorsitz Kanada: Lebensmittelkennzeichnung (weltweiter Allgemeiner Codex-Ausschuß) und Pflanzliches Eiweiß (weltweiter Produkt Codex-Ausschuß); Understanding the 27

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

Darüber hinaus müssen die einzelnen Mitgliedstaaten die Kosten für die Teilnahme an den einzelnen Sitzungen der Komitees selbst tragen.33 Die Benachteiligung für Entwicklungsstaaten wird dadurch noch verstärkt, da es sich viele solcher Staaten im Gegensatz zu den Industriestaaten kaum leisten können, an diesen wichtigen Sitzungen teilzunehmen. Zu den CodexVerhandlungen im Jahre 1989/91 schickten die USA 243 Vertreter als Regierungsdelegierte, während alle Länder Afrikas zusammen nur durch 142 Delegierte vertreten wurden; insgesamt stellten Europa und Nordamerika 63% der Teilnehmer, obwohl in diesen Kontinenten nur 15 % der Weltbevölkerung leben.34 Für die vorliegende Studie ist insbesondere das Codex-Komitee für Tierarzneimittelrückstände in Lebensmitteln (Codex Committee on Residues of Veterinary Drugs in Food: „CCRVDF“) von Bedeutung.35 Vorsitzende und Gastgeber dieses Komitees sind die USA. Die Sitzungen des Komitees finden daher seit Oktober 1986 regelmäßig in Washington D.C./USA statt. Der Aufgabenkatalog dieses Komitees umfaßt, Prioritäten für die Untersuchung von Tierarzneimittelrückständen in Lebensmitteln festzusetzen, Höchstwerte für derartige Stoffe zu empfehlen, je nach Bedarf Verfahrensregeln zu entwickeln und Kriterien für bei der Kontrolle von Tierarzneimittelrückständen in Lebensmitteln anzuwendende Analyseverfahren zu bestimmen. Die technische und wissenschaftliche Analyse von Tierarzneimitteln, Nahrungsmittelzusätzen und einigen anderen Stoffen in Nahrung und Getränken wird nicht von der CAK oder dem CCRVDF selbst durchgeführt, sondern von dem FAO/WHO-Sachverständigenausschuß über Lebensmittelzusatzstoffe (Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives: „JECFA“). Die JECFA ist zusammengesetzt aus unabhängigen Wissenschaftlern, die jeweils nur in ihrer Eigenschaft als Sachverständige fungieren, nicht als Vertreter ihrer Regierungen oder Organisationen. Ziel der Auswertung von Tierarzneimitteln etc. durch JECFA ist: „to establish safe levels of intake by setting Acceptable Daily Intakes (ADI) and to develop maximum residue limits (MRL) when veterinary drugs are used in accordance with good veterinary practice.“36

Mit Hilfe der Arbeit der im Jahre 1956 gegründeten JECFA bemühen sich die CAK bzw. ihre Fachausschüsse darum, ihre Arbeit wissenschaftlich abzusichern.37 Von dem Codex-Komitee CCRVDF wird die JECFA bei der Codex Alimentarius, herausgegeben von FAO und WHO, Rom 1999 (http:// www.fao.org/docrep/w9114e/w9114e00.htm). 33 Art. XI Nr. 4 Geschäftsordnung. 34 Avery/Drake/Lang, epd-Entwicklungspolitik: Materialien II/93, S. 13. 35 Beispielhaft aus der Arbeit des Codex-Komitees für Lebensmittelzusatzstoffe und Kontaminanten: Muermann, ZLR 1996, S. 498 ff. 36 Codex Alimentarius, Vol. 3, Residues of Veterinary Drugs in Foods, S. vi.

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Festsetzung von Standards und Höchstwerten um Stellungnahmen gebeten. Diese nicht verbindlichen Stellungnahmen bilden dann die wissenschaftliche Grundlage für die Diskussion im CCRVDF. 3. Ziele der Codex Alimentarius Kommission Die Ziele der CAK sind in der Satzung und den Allgemeinen Grundsätzen der Codex Alimentarius Kommission („Allgemeine Grundsätze“) niedergelegt.38 Danach sollen die in dem Codex Alimentarius zusammengefaßten Lebensmittelstandards die Gesundheit der Verbraucher schützen und redliche Praktiken im Verkehr mit Lebensmitteln sicherstellen.39 Mit der Veröffentlichung des Codex Alimentarius wird angestrebt, die Ausarbeitung, Anwendung und Angleichung von Definitionen und Anforderungen für Lebensmittel zu lenken und zu fördern und dadurch den internationalen Handel zu erleichtern. Die CAK hat sich demnach im wesentlichen zwei Ziele gesetzt: Die Förderung des internationalen Handels und der Schutz der Gesundheit von Verbrauchern.40 In welchem dieser beiden Ziele die CAK ihren Schwerpunkt setzt, ist aus dem Wortlaut der Allgemeinen Grundsätze nicht erkennbar. Zum Teil wird unter der Sicherstellung redlicher Praktiken im Verkehr mit Lebensmitteln mittels einer sehr weiten Auslegung auch der Schutz des Verbrauchers vor Täuschung verstanden.41 Oberstes Ziel der CAK ist nach überwiegender Auffassung in der Literatur der Gesundheits- und Verbraucherschutz.42 Jedoch hat die CAK im Gegensatz zu nationalen Gesundheitsbehörden nicht ein übergreifendes Mandat, die Gesundheit der Verbraucher in allen Mitgliedstaaten zu schützen.43 Es gibt keine kodifizierte Vorschrift, die die 37

Eckert, Zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts, 1. Teil, ZLR 1984, 10. Allgemeinen Grundsätze („General Principles“), Procedural Manual, 28–33. 39 Art. 1 a) Satzung. 40 FAO/WHO Food Standards Programme, Introducing Codex Alimentarius 3 (1990). 41 So Eckert, Zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts, 1. Teil, ZLR 1984, S. 113 f. 42 Vgl. nur Merkle, Der Codex Alimentarius der FAO und WHO, 15 f.; Lips/ Beutner, Ratgeber Lebensmittelrecht, S. 41. 43 Vgl. beispielsweise die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA); 21 U.S.C. § 393(b)(2)(A): Der FDA Modernization Act of 1997, Pub. L. No. 105–115, Stat. 2295, legt eine Zielsetzung dieser Behörde fest. Danach ist das Ziel der FDA „to protect the public health by ensuring that [. . .] foods are safe, wholesome, sanitary and properly labelled.“ 38

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

CAK verpflichtet, eine Politik der Vorsorge zu betreiben und ihr vorschreibt, wie genau festzustellen ist, ob die Gesundheit der Verbraucher adäquat geschützt ist. Inwieweit hinter dem übergeordneten Ziel des Gesundheitsschutzes nicht andere ökonomische Ziele stehen, wird unten näher zu untersuchen sein.44 Um ihre Ziele zu erreichen, soll die CAK helfen, internationale Lebensmittelstandards zu harmonisieren und Höchstwerte für Rückstände in Nahrungsmitteln festzusetzen. Die CAK hat die Ausarbeitung von Standardentwürfen durch geeignete Organisationen bzw. mit deren Hilfe zu veranlassen und zu leiten.45 Die ausgearbeiteten Lebensmittelstandards werden in dem Codex Alimentarius veröffentlicht und den jeweiligen Entwicklungen angepaßt.46 Die CAK hat zudem den Auftrag, die Koordinierung aller von internationalen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen im Zusammenhang mit Lebensmittelstandards übernommenen Arbeiten zu fördern und deren Standards im Codex Alimentarius zu veröffentlichen.47

4. Verfahren für die Ausarbeitung von Schutzstandards Die Entwicklung von Codex-Standards ist an detaillierte Verfahrens- und Formvorschriften gebunden, die von der CAK selbst entwickelt wurden.48 In dem schriftlichen Verfahren legen die Mitgliedstaaten die gemeinsamen Anforderungen an die Zusammensetzung, Qualität und Kennzeichnung von Lebensmitteln fest, die im Codex Alimentarius gesammelt werden. Bei der Das Ziel des Bundesgesundheitsamtes wurde von dem ehemaligen Präsidenten dieser Bundesoberbehörde, D. Großklaus, mit folgenden Worten umschrieben: „Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier früh zu erkennen, sie bewerten und nach Möglichkeiten suchen, sie zu begrenzen.“ (Großklaus, Gesundheits- und Umweltschutz, in: Schenkel/Storm, „Politik, Technik, Recht“, S. 115). Die Aufgabe der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ist unter anderem das Erkennen und Bewerten von Risiken für die Gesundheit, sowie wissenschaftliche und technische Unterstützung der Kommission; Art. 23 Verordnung zur Errichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde (ABlEG Nr. L 31, v. 1. Februar 2002, S. 13). 44 Hierzu ausführlich F.IV.5. 45 Art. 1 c) Satzung. 46 Art. 1 d) und e) Satzung. 47 Art. 1 b) und d) Satzung. Insgesamt hat die CAK seit ihrer Gründung über 250 Standards und mehrere tausend Höchstwerte für Pestizide und Stoffe mit pharmakologischer Wirkung aufgenommen; Sander, Gesundheitsschutz in der WTO, ZEuS 2000, S. 343. 48 „Procedures for the Elaboration of Codex Standards and Related Texts“, Procedural Manual, S. 18–27.

II. Die Struktur der Codex Alimentarius Kommission

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Ausarbeitung von Codex-Standards sind acht Stufen zu durchlaufen, die im folgenden kurz umschrieben werden. – Stufe 1: Die CAK entscheidet auf schriftlichen Antrag eines Mitglieds, des Exekutivkomitees oder eines nachgeordneten Gremiums, einen Standard auszuarbeiten und legt fest, welches Untergremium oder welches andere Organ diese Ausarbeitung durchführen soll. Die Entscheidung Standards auszuarbeiten, kann auch von einem nachgeordneten Gremium selbst getroffen werden, wenn sie vorher von der CAK oder dem Exekutivkomitee genehmigt wurden. Kommt die CAK aufgrund bestehender internationaler Normen, Unterschiede in den nationalen Rechtsvorschriften, Umfang des zwischenstaatlichen Handels mit dem betreffenden Lebensmittel sowie der Notwendigkeit des Gesundheitsschutzes zu dem Ergebnis, daß ein Codex Standard erforderlich ist, so faßt sie einen Beschluß über die Ausarbeitung des Standards. – Stufe 2: Das Sekretariat ordnet die Anfertigung eines Standardvorentwurfs („proposed draft standard“) an. Für Höchstwerte von Tierarzneimitteln in Lebensmitteln ist die JECFA für die Anfertigung eines solchen Standardvorentwurfs verantwortlich.49 Bedenklich, aber kaum anders praktikabel, erscheint in diesem Zusammenhang, daß der Vorsitzende des jeweiligen Codex-Komitees stets bemüht sein muß, eine allgemeine Übereinstimmung der Komiteemitglieder zu erzielen. Eine solche Übereinstimmung kann im Allgemeinen nur auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners erzielt werden. Hierdurch könnten beispielsweise die Höchstwerte für gesundheitsgefährdende Stoffe niedriger ausfallen als erforderlich und so dem Ziel der CAK zuwiderlaufen, einen umfassenden Gesundheitsschutz für Verbraucher zu erzielen. – Stufe 3: Das Sekretariat übermittelt diesen Standardvorentwurf den Mitgliedern der Kommission, den Beobachtern der Ausschußsitzung, sowie allen interessierten internationalen Organisationen zu umfassenden Stellungnahmen einschließlich seiner Auswirkungen auf ihre wirtschaftlichen Interessen. – Stufe 4: Diese erhaltenen Stellungnahmen werden vom Sekretariat dem nachgeordneten Gremium CCRVDF mitgeteilt, der die Stellungnahmen begutachtet und gegebenenfalls Änderungen am vorgeschlagenen StandardEntwurf vornimmt. – Stufe 5: Der möglicherweise abgeänderte Standardvorentwurf wird durch das Sekretariat der CAK oder dem Exekutivkomitee vorgelegt, damit dieser ihn als Standardentwurf („draft standard“) annimmt. Hierbei ist die 49 Zum Ablauf der Sitzung: Richtlinien für Codex-Komitees („Guidelines for Codex Committees and Ad Hoc Intergovernmental Task Forces“), Nr. 7 ff.

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CAK verpflichtet, die schriftlichen Stellungnahmen über mögliche Auswirkungen des Standards auf die nationalen wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder angemessen zu berücksichtigen. In dieser Stufe des Verfahrens zeigt sich, daß wirtschaftliche Interessen und die Sicherstellung fairer Handelspraktiken bei der Ausarbeitung von Codex-Standards eine wichtige Rolle spielen. An dieser Stelle ist die CAK unmittelbar mit ihren gegensätzlichen Zielen konfrontiert: Die CAK muß abwägen zwischen dem umfassenden gesundheitlichen Schutz der Verbraucher auf der einen und der Liberalisierung des Welthandels sowie Beachtung von sonstigen Wirtschaftsinteressen auf der anderen Seite. Durch zu hohe Standards im Gesundheitsschutz werden neue Handelshemmnisse aufgebaut. Bei zu starker Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen sinken die Anforderungen an Schutzstandards. Dies kann zu Zugeständnissen auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes der Verbraucher führen. Hierbei drängt sich zwangsläufig die Frage auf, ob Einbußen auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes aufgrund der Berücksichtigung von wirtschaftlichen Interessen grundsätzlich gerechtfertigt sein können. – Stufe 6: Der Standardentwurf wird vom Sekretariat an alle Mitglieder und interessierten Internationalen Organisationen gesandt zu einer zweiten Stellungnahme in allen Bereichen, einschließlich möglicher Auswirkungen des Standardentwurfs auf ihre wirtschaftlichen Interessen. – Stufe 7: Diese Stellungnahmen werden vom Sekretariat dem nachgeordneten Gremium CCRVDF übergeben, der die Befugnis hat, die erbrachten Stellungnahmen zu berücksichtigen und den Standardentwurf zu ändern. – Stufe 8: Der endgültige Standardentwurf wird vom Sekretariat zusammen mit allen schriftlichen Änderungsvorschlägen der Mitglieder und Internationalen Organisationen der CAK vorgelegt, um diesen abschließend als Codex-Standard anzunehmen. Die Annahme als Codex-Standard erfolgt normalerweise auf Grundlage einer Konsens-Entscheidung, kann jedoch auf Anfrage auch unter Abstimmung erfolgen. In diesem Fall ist die einfache Mehrheit der Mitglieder der CAK zur Annahme erforderlich. Wenn die dringende Notwendigkeit für einen Standard besteht, dann kann auch ein beschleunigtes Annahmeverfahren durchgeführt werden. Die CAK tagt lediglich alle zwei Jahre, zur endgültigen Verabschiedung eines Standards sind insgesamt drei Kommissionsbeschlüsse erforderlich. Dadurch zieht sich das Verfahren zur Ausarbeitung eines Standards über mindestens vier Jahre hin. Die CAK überprüft die Codex-Standards ständig und kann diese grundsätzlich nach dem gleichen Verfahren wie für die Ausarbeitung der Standards abändern. Die Codex-Standards werden im Codex Alimentarius veröf-

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fentlicht und den Regierungen der einzelnen Mitglieder und entsprechenden Internationalen Organisationen zur Annahme zugesandt. 5. Annahme der Codex-Standards durch die Mitgliedstaaten Die Codex-Standards einschließlich der Rückstandshöchstwerte sind unverbindliche Empfehlungen, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind. Erst nach förmlicher Annahme („Acceptance“) und ihrer Umsetzung seitens der einzelnen Mitgliedstaaten sind diese Standards verbindlich und gewinnen innerstaatliche Rechtsgeltung.50 Die Annahme und Umsetzung der CodexStandards erfolgt für jeden Mitgliedstaat auf freiwilliger Basis und obliegt der Verantwortlichkeit der Mitglieder. Wenn ein Mitgliedstaat sich dazu entschließt, einen CAK-Standard förmlich anzunehmen, so kann dieser wählen zwischen der uneingeschränkten Annahme („Full Acceptance“), der Annahme mit spezifischen Abweichungen („Acceptance with specified deviations“) und der Erklärung der freien Verkehrsfähigkeit („declaration of free distribution“).51 a) Uneingeschränkte Annahme Mitgliedstaaten, die eine uneingeschränkte Annahme erklären, sind zur Sicherstellung des freien Verkehrs des dem Standard entsprechenden Erzeugnisses verpflichtet.52 Es wird dem entsprechenden Staat verboten, gesundheitspolitische und andere Aspekte der Standardisierung von Lebensmitteln zu regeln, die die Verkehrsfähigkeit beeinträchtigen, wenn diese Aspekte bereits im Standard spezifisch behandelt wurden. Der Mitgliedstaat ist außerdem verpflichtet, Erzeugnisse, die nicht dem Standard entsprechen, in seinem Hoheitsgebiet vom Verkehr unter der im Standard vorgesehenen Bezeichnung oder Beschreibung auszuschließen. Das Inverkehrbringen dem Standard entsprechender gesundheitsunkbedenklicher Erzeugnisse darf nicht durch irgendwelche Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des betreffenden Landes im Zusammenhang mit der Gesundheit des Verbrauchers oder anderen Lebensmittelstandardaspekten behindert werden.

50 BGH, LRE 6, 81 (83); Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Einführung, Rdn. 59; Eckert, Zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts, 1. Teil, ZLR 1984, S. 2. 51 Zur Darstellung und Entwicklung der Formen der Acceptance, ALINORM 95/ 7, 2 ff. und 6 ff., Allgemeine Grundsätze, Procedural Manual. 52 Allgemeine Grundsätze, Nr. 4.A. (i) a)–c).

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b) Annahme mit spezifischen Abweichungen Mitgliedstaaten können auch einen Standard mit spezifischen Abweichungen annehmen und auf diese Weise je nach Situation die Anforderungen des Standards erhöhen oder abschwächen.53 Durch diese Art der Annahme haben die Staaten die Möglichkeit, ihre Bindung an den Codex-Standard selbst zu bestimmen. Der entsprechende Mitgliedstaat wird verpflichtet zu gewährleisten, daß alle Erzeugnisse, die dem durch diese Abweichungen geänderten Standard entsprechen, in seinem Hoheitsgebiet uneingeschränkt verkehrsfähig sind. Der Mitgliedstaat muß die Abweichungen von den Codex-Standards begründen und angeben, ob er beabsichtigt, den Standard zu einem späteren Zeitpunkt uneingeschränkt anzunehmen. c) Erklärung der freien Verkehrsfähigkeit Die Erklärung zur freien Verkehrsfähigkeit verpflichtet den Mitgliedstaat zur Sicherstellung des freien Verkehrs für den Handel innerhalb seines Hoheitsgebietes.54 Eine solche Erklärung zieht im Gegensatz zur uneingeschränkten Annahme keine Konsequenzen für Erzeugnisse nach sich, die den nationalen Vorschriften, aber nicht dem jeweiligen Codex-Standard entsprechen. Dies hat zu Folge, daß ein Staat grundsätzlich einen Standard annehmen kann, ohne seine eigene Rechtsordnung ändern zu müssen. d) Folgen Ein Mitgliedstaat, der einen Codex-Standard uneingeschränkt annimmt, ist für die einheitliche und diskriminierungsfreie Anwendung der Bestimmungen des Standards auf alle einheimischen und eingeführten Erzeugnisse, die in seinem Hoheitsgebiet in Verkehr gebracht werden, verantwortlich. Dem entsprechenden Land obliegt die Überwachung und Befolgung des Standards durch seine Bürger sowie die Verfolgung möglicher Verstöße. Die Behörden des Ausfuhrlandes werden vom Einfuhrland unterrichtet, wenn dieses feststellt, daß ein Erzeugnis einem Codex-Standard nicht entspricht, welches laut Erklärung des Exporteurs diesem Codex-Standard entsprechen soll. Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, eine der beschriebenen Annahmeformen für Codex-Standards zu wählen. Sie können sich auch dazu entschließen, einen Standard nicht anzunehmen.55 Diese Nichtannahme des 53 54 55

Allgemeine Grundsätze, Nr. 4.A. (ii). Allgemeine Grundsätze, Nr. 4.A. (iii). Allgemeine Grundsätze, Nr. 4.B.

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Standards muß dem Sekretariat angezeigt werden, und hierbei muß angegeben werden, in welcher Weise sich die bestehenden oder geplanten nationalen Maßnahmen vom Codex-Standard unterscheiden und welche Gründe für diese Unterscheidung sprechen. Bei der möglichen Neugestaltung des Standards kann so die CAK die Position des entsprechenden Mitgliedstaates berücksichtigen. Ein Mitgliedstaat kann jederzeit seine Annahmeerklärung abändern oder zurücknehmen. Die verbindliche Wirkung einer förmlichen Annahmeerklärung wird dadurch erheblich eingeschränkt. Dies ist dem Sekretariat der CAK unter Angabe von Gründen möglichst lange im voraus anzuzeigen. Zusammen mit der Änderungs- oder Rücknahmeerklärung muß der Mitgliedstaat auch angeben, ob dem Standard entsprechende Erzeugnisse weiterhin verkehrsfähig bleiben, und ob es beabsichtigt, den Standard zu einem späteren Zeitpunkt wieder anzunehmen. 6. Bedeutung und Völkerrechtscharakter von Codex-Standards a) Anwendung der Codex-Standards Die Standards der CAK stellen umfassende Anforderungen an Zusammensetzung, Behandlung, Qualität, Kennzeichnung und Angebot aller hauptsächlich zur Abgabe an Verbraucher bestimmten Lebensmittel. Die CAK kann neben Codex-Standards auch Höchstwerte für Rückstände von Pestiziden und Tierarzneimitteln in Lebensmitteln beschließen (Maximum Residue Levels: „MRL“). Die Codex-Standards erlangen in verschiedenen Bereichen Bedeutung. Sie dienen einer Reihe von Entwicklungsländern als Vorbild für nationale lebensmittelrechtliche Vorschriften und werden insoweit übernommen.56 Außerdem haben die Codex-Standards indirekte Auswirkungen auf die Rechtsetzungspraxis auch in der EG.57 So haben sie als Vorlage für entsprechende EG-Richtlinien, wie z. B. in den Bereichen Lebensmittelkennzeichnung, Produktrichtlinien oder Zusatzstoffe gedient.58 Zudem haben die Arbeiten der CAK in mehreren Urteilen des EuGH im gesundheitlichen Bereich Berücksichtigung gefunden.59 Der Codex Alimentarius fließt vor 56 Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 379. 57 Wetzig, Der Einfluß der EG und der WTO auf das Lebensmittelrecht, S. 90 ff. m. w. N. 58 Zur Aufzählung weiterer Beispiele: Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 380 und Sreinz, Die Bedeutung des WTO-Übereinkommens für den Lebensmittelverkehr, JbUTR, S. 450 f.

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allem als wissenschaftliche Grundlage in die Rechtsprechung des EuGH ein oder wird zu Vergleichszwecken herangezogen. Insgesamt wird daher festgestellt, daß das institutionelle System der CAK in seinen Auswirkungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften und zur Sicherung des freien Warenverkehrs beigetragen und sich auch in der praktischen Anwendung zu einer wichtigen Grundlage entwickelt hat.60 b) Codex-Standards als „soft-law“ Die Standards der CAK sind keiner Rechtsquelle des Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut zuzuordnen und können demnach nicht als Völkerrecht qualifiziert werden. Völkerrechtlich ist die Annahme eines Codex-Standards nicht als Vertrag zu sehen, da sie nicht auf einem Gegenseitigkeitsverhältnis beruht und sich aus dem Codex-Standard selbst keine rechtlichen Verpflichtungen ableiten lassen.61 Vielmehr ist die Annahme als einseitiger Rechtsakt anzusehen, mit dem sich ein Staat selbst in autonomer Rechtsetzung verpflichten will, den Codex-Standard im Innen- und Außenhandel zu beachten. Es handelt sich rechtlich um ein Versprechen.62 Verbindlichkeit kann dieses Versprechen aufgrund guten Glaubens („bona fide“) und Vertrauensschutz im internationalen Handelsverkehr erlangen, wenn sich aus der Erklärung ergibt, daß sich der Staat zu einem bestimmten Verhalten verpflichten wollte.63 Die Codex-Standards sind dem sogenannten „soft law“ zuzurechnen.64 59 Sog. Bierurteil, EuGH, Rs. 178/84, Slg. 1987, 1262 = ZLR 1987, 326; sog. Nisin-Urteil, EuGH, Rs. 58/80, Slg. 1981, 409. 60 Eckert spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „Rechtsquelle“, was jedoch etwas zu weitgehend scheint, in: Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 380; Lips/Beutner, Ratgeber Lebensmittelrecht, S. 32 ff. 61 Shubber, The Codex Alimentarius under International Law, ICLQ 21 (1972), S. 649 ff., Merkle, Der Codex Alimentarius der FAO und WHO, S. 40. 62 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 666. 63 Vgl. IGH, Urteil vom 20.12.1974, Slg. 1974, 253 (267 f.) und 472 ff. [Australia v. France und New Zealand v. France] – Nuclear Test Cases; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 670. 64 Grundlegend: Bothe, Legal and Non-Legal Norms – A meaningful Distinction in International Relations, Neth. Y.B. Int’l L. 11 (1980), S. 65 ff.; Shelton, Law, Non-Law and the Problem of „Soft Law“, in: Shelton, „The Role of Non-Binding Norms in the International Legal System“, S. 1 ff.; Heusel, „Weiches“ Völkerrecht: Eine vergleichende Untersuchung typischer Erscheinungsformen; Hilgenberg, Soft Law im Völkerrecht, ZEuS 1 (1998), S. 81 ff.; Abbott/Snidal, Hard and Soft Law in International Governance, IO 54 (2000), S. 421 ff.; mit Bezug auf Europarecht weiterführend: Bothe, „Soft Law“ in den Europäischen Gemeinschaften?, in: v. Münch, „Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht“, S. 761 ff.

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Mit soft law (oder „weichem“ Völkerrecht) werden im Entstehen begriffene Verhaltensmuster bezeichnet, die nicht den Rechtsquellen des Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut angehören. Diese Verhaltensregeln wollen jedenfalls zunächst die Adressaten nur moralisch verpflichten; eine völkerrechtliche Bindungswirkung kommt diesen Regeln nicht zu.65 Unter soft law fallen zum Beispiel Bestimmungen in nicht-ratifizierten Verträgen oder Entschließungen internationaler Konferenzen oder Internationaler Organisationen, denen es an einer völkerrechtlichen Bindungswirkung fehlt.66 Eine Zustimmung zu solchem soft law ist aber allein schon wegen der möglichen Wirkung des Vertrauensschutzes nicht völlig bedeutungslos. Ein Staat, der soft law Regelungen zustimmt, könnte beispielsweise eine Regelung in einem Gesetz eines anderen Staates, das diese soft law Gedanken zu innerstaatlich verbindlichem Recht macht, nicht mehr als völkerrechtswidrig bezeichnen.67 Häufig ist die Vorphase vor der Entstehung einer bestimmten den Völkerrechtsquellen zuzuordnenden Norm bereits durch normgeprägtes Verhalten der an der Entstehung Beteiligten gekennzeichnet. Ein Konsens über den Inhalt bestimmter Verhaltensweisen läßt sich regelmäßig eher erzielen, wenn diese zunächst rechtlich unverbindlich sind und sich im internationalen Verkehr bewähren, bevor die zu Normen des „hard law“ werden. Zudem kann häufiges Handeln im Sinne des soft law dazu führen, daß sich die Rechtsüberzeugung (opinio juris) bildet, so handeln zu müssen. So könnte das soft law zu Gewohnheitsrecht werden.68 Festzustellen bleibt, daß der Begriff soft law irreführend ist, da es sich bei diesen Regelungen nicht um Recht im eigentlichen Sinne handelt. In dem komplexen dynamischen System internationaler Beziehungen, in dem die Abgrenzung zwischen „hartem“ und „weichen“ Recht zunehmend zu verwischen droht, muß jedoch streng zwischen Recht und unverbindlichen Regelungen unterschieden werden, um einer Aufweichung der anerkannten Quellen des Völkerrechts vorzubeugen (auch wenn zunehmend anderslautende politisch oder ideologisch motivierte Forderungen laut werden69). An65 Im Ergebnis ebenfalls: Hilgenberg, Soft Law im Völkerrecht, ZeuS 1998, S. 100 f. 66 Ipsen-Heintschel von Heinegg, Völkerrecht, § 19, Rdn. 20 m. w. N. 67 Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdn. 495. 68 Ipsen-Heintschel von Heinegg, Völkerrecht, § 19, Rdn. 21. Die Rolle von soft law wird im Völkerrecht als zunehmend wichtiger eingeschätzt, so: Shelton, Law, Non-Law and the Problem of „Soft Law“, in: Shelton, „The Role of Non-Binding Norms in the International Legal System“, S. 1 ff. (10, 17). 69 Zu der Bedeutung von soft law Regelungen im Umweltvölkerrecht: Hohmann, Precautionary Legal Duties and Principles of Modern International Environmental Law, S. 15 ff.

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gesichts seines spekulativen und unscharfen Charakters ist das soft law daher strikt von den anerkannten Rechtsquellen des Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut zu trennen. Nur so kann dem Willen der Völkerrechtssubjekte und ihrer Souveränität in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden.

III. Auswirkungen des SPS-Übereinkommens auf die Codex-Standards Gemäß Art. 3 SPS stützen sich WTO-Mitglieder bei ihren SPS-Maßnahmen auf internationale Normen, Richtlinien oder Empfehlungen („Standards“). Für die Nahrungsmittelsicherheit sind die Standards der CAK zugrunde zu legen.70 Fraglich ist, inwieweit hierdurch ein Mitglied verpflichtet sein könnte, die Codex-Standards anzuwenden und die Verwendung von Stoffen zuzulassen, die es unter Umständen für gesundheitsschädlich hält. Möglicherweise sieht sich ein Mitglied nun mit Rückstandshöchstwerten konfrontiert, die unter Umständen das mehrfache eines Stoffes zulassen, als seine am Minimierungsprinzip orientierten Regelungen. Das Regelungssystem von Art. 3 und Art. 5 SPS könnte demnach zu einer faktischen Bindung der WTO-Mitglieder an die Codex-Normen führen.71 Einem Verbindlicherklären von ursprünglich als unverbindliche Regelungen konzipierten Standards der Codex Alimentarius Kommission würden jedoch Bedenken entgegenstehen, die sich aus dem Souveränitätsprinzip und demokratietheoretischen Überlegungen ergeben.72 Es wird daher im folgenden untersucht, ob eine Harmonisierung quasi „durch die Hintertüre“ erfolgt, wenn ursprünglich als unverbindlich angenommene Regelungen nun verbindlich zu übernehmen sind. Um die Reichweite dieser Problematik genauer abschätzen zu können, ist es erforderlich, das SPS-Übereinkommen mit Hilfe der Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane präzise auszulegen. 1. Verbindliche Wirkung der Codex-Standards? In Art. 3 Abs. 1 SPS heißt es: „Mit dem Ziel, eine möglichst weitgehende Harmonisierung der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen zu erreichen, stützen sich die Mitglieder bei ihren gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen auf internationale Normen, Richtlinien oder Empfehlungen, soweit diese 70

Anhang A Nr. 3 Ziff. a) zum SPS-Übereinkommen. Zur möglichen Einwirkung des SPS-Übereinkommens in innerdeutsches Recht: Gorny, Sicherheit tierischer Lebensmittel – Eine Fallstudie, ZLR 1998, S. 307 ff. 72 Hierzu bereits oben F.II.6.b). 71

III. Auswirkungen auf die Codex-Standards

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bestehen, es sei denn, daß in diesem Abkommen und insbesondere in Absatz 3 etwas Gegenteiliges bestimmt ist.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)

Zu untersuchen ist, welche Bedeutung die Worte „stützen auf“ in diesem Zusammenhang haben. Im SPS-Übereinkommen sind diese Worte nicht definiert und daher sorgfältig auszulegen.73 Nach Auffassung des Panels im Hormonstreit haben die Worte „stützen auf“ („based on“) die gleiche Bedeutung wie „entsprechen“ („conform to“). Gemäß Art. 3 Abs. 2 SPS gelten Maßnahmen, die internationalen Normen „entsprechen“, als im Einklang mit dem SPS-Übereinkommen und GATT. Art. 3 Abs. 2 SPS setze, so das Panel, die Bedeutung von „stützen auf“ mit „entsprechen“ gleich. Wenn danach eine SPS-Maßnahme ein anderes Schutzniveau aufweist, als das in den internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen vorgegebene, so kann diese Maßnahme nicht als „gestützt auf“ diese internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen angesehen werden und verstößt somit gegen Art. 3 Abs. 1 SPS.74 Diese Auslegung durch das Panel hat zur Folge, daß SPS-Maßnahmen eines jeden Mitglieds den Normen, Richtlinien und Empfehlungen der CAK entsprechen müssen. Alle existierenden Codex-Standards wären danach Bezugsnormen des Art. 3 Abs. 1 SPS. Insbesondere käme es nicht darauf an, ob und wann ein Mitglied diesen Standard als verbindlich angenommen hat.75 Eine solche Auslegung ist jedoch problematisch: Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei den CAK-Standards nur um rechtlich unverbindliche Erklärungen, die einen soft law Charakter aufweisen. Nach der Entscheidung des Panels würden „weiche“ Normen nunmehr faktisch eine verbindliche Wirkung entfalten. Die Auslegung hat den Effekt, daß CAK-Mitglieder solche Standards als faktisch verbindliche Normen ansehen und ihnen in der eigenen Gesetzgebung entsprechen müssen, die sie nie einführen wollten und gegen die sie im Verfahren der CAK gestimmt haben. Daneben müssen nach dieser Auslegung auch solche WTO-Mitglieder die CAK-Standards als faktisch verbindliche Normen ansehen, die nicht einmal Mitglied der CAK sind. Diese Einschränkung der staatlichen Souveränität ist nicht nur aus völkerrechtlicher, sondern auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich und hat in der Literatur erhebliche Kritik hervorgerufen.76 73 Von dieser Auslegung ist abhängig, ob die internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen der CAK als verbindliche Standards für SPS-Maßnahmen der Mitglieder gelten oder nicht. 74 Hormonstreit, USA Panelbericht, Randnrn. 8.72 und 8.73; Kanada Panelbericht, Randnrn. 8.75 und 8.76. 75 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Para. 8.72.

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

Das Berufungsgremium hat diese Auslegung durch das Panel daher zu Recht zurückgewiesen.77 Nach Auffassung des Berufungsgremiums bedeutet die in Art. 3 Abs. 1 SPS enthaltene Verpflichtung der WTO-Mitglieder, sich bei ihren SPS-Maßnahmen auf internationale Normen zu stützen, nicht, daß die Lebensmittelstandards der WTO-Staaten den bisher unverbindlichen Normen der CAK entsprechen müssen.78 Bisher unverbindlichen Normen der CAK verbindliche Wirkung zu verleihen, würde zu einem zu weitreichendem Verlust an staatlicher Souveränität führen. In einer rechtssystematisch mustergültig nachzulesenden Interpretation hat das Berufungsgremium die Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 SPS zunächst wörtlich, dann systematisch und schließlich teleologisch ausgelegt: (1) Erstens unterscheidet sich der gebräuchliche Sinn von „stützen auf“ von der wörtlichen oder natürlichen Bedeutung von „entsprechen“. Das Berufungsgremium führt hierzu aus, daß eine Maßnahme, die einem Codex-Standard entspricht, selbstverständlich auch auf diesen Standard gestützt ist. Jedoch entspricht eine Maßnahme nicht unbedingt dem Standard auf den sie sich stützt, da nur einige, aber nicht alle Elemente dieses Standards in diese Maßnahme integriert werden.79 (2) Zweitens werden die Ausdrücke „stützen auf“ und „entsprechen“ in mehreren Artikeln, sowie in verschiedenen Absätzen eines Artikels im SPS-Übereinkommen unterschiedlich verwendet.80 Nach Ansicht des Berufungsgremiums sind diese unterschiedlichen Termini an verschiedenen Stellen des SPS-Übereinkommens bewußt verwendet worden, um einen unterschiedlichen Sinn zu übermitteln. Schon in dem Bericht United States – Underwear hat das Berufungsgremium festgestellt, bei einer korrekten Vertragsauslegung dürfe im allgemeinen nicht zugrundegelegt werden, daß solche Termini bloß zufällig von den Vertragsparteien ausgehandelt und paraphiert worden seien.81 Vielmehr sei das SPS76 Hierzu nur: Wagner/Goldman, Comments to The Appellate Body of the World Trade Organisation Concerning European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), vom 31.10.1997, abrufbar unter: http://www. citizen.org/pctrade/gattwto/meat.htm, sowie Hilf/Eggers, Der WTO-Panelbericht im EG/USA-Hormonstreit: Anstoß zum grenzenlosen Weltbinnenmarkt für Lebensmittel oder Eigentor der WTO, EuZW 1997, S. 559 ff. und 565. 77 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 163. 78 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 166. 79 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 163. 80 Neben Art. 2 Abs. 2 SPS benutzen auch Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 SPS den Ausdruck „stützen auf“ oder ein Equivalent („beruhen auf“, „auf der Grundlage“). Dagegen enthält Art. 3 Abs. 2 SPS den Ausdruck „entsprechen“ (vergleichbar mit dem in Art. 2 Abs. 4 SPS gebrauchten Ausdruck „übereinstimmen“).

III. Auswirkungen auf die Codex-Standards

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Übereinkommen bewußt ausgehandelt und die darin enthaltenen Ausdrücke absichtlich in voller Kenntnis ihrer Folgen gewählt worden.82 (3) Drittens ist nach Auffassung des Berufungsgremiums die Auslegung durch das Panel mit dem Sinn und Zweck des Art. 2 SPS nicht vereinbar. Nach dem SPS-Übereinkommen sollen Maßnahmen der Mitglieder zum Gesundheitsschutz auf Grundlage internationaler Normen harmonisiert werden. Dieses Ziel zeige sich an mehreren Stellen des SPSÜbereinkommens.83 Das Berufungsgremium legt jedoch Wert auf die Feststellung, daß eine solche Harmonisierung ein Ziel ist, das erst in Zukunft erreicht werden soll. Wenn Art. 3 Abs. 1 SPS so ausgelegt werden würde, daß es die Mitglieder verpflichtet, ihre Maßnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes jetzt und sofort in Übereinstimmung mit internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen wie CAK-Standards zu bringen, so würde diesen unverbindlichen internationalen Normen eine verbindliche Kraft verliehen; diese internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen würden zu rechtlich bindenden Normen werden. Ein solcher Effekt kann nach Ansicht des Berufungsgremiums von den Mitgliedern des SPS-Übereinkommens nicht gewollt gewesen sein. Das Berufungsgremium hat unter Betonung der staatlichen Souveränität den Auslegungsgrundsatz in dubio mitius herangezogen,84 der besagt: „If the meaning of a term is ambiguous, that meaning is to be preferred which is less onerous to the party assuming an obligation, or which interferes less with the territorial and personal supremacy of a party, or involves less general restrictions upon the parties.“85

Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsregel sei es nicht vorstellbar, daß souveräne Staaten sich freiwillig der sie mehr belastenden Ver81

United States – Underwear, Berufungsbericht, S. 17. Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 164. 83 In Art. 3 Abs. 1 SPS heißt es „[. . .] eine möglichst weitgehende Harmonisierung [. . .] zu erreichen [. . .]“. In dem sechsten Erwägungsgrund der Präambel zum SPS äußern die Miglieder den Wunsch, „die Anwendung von gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen zu fördern, die zwischen den Mitgliedern auf Grundlage von internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen [. . .] harmonisiert werden [. . .]“. Zudem wird nach Art. 12 Abs. 1 SPS ein Ausschuß für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen eingesetzt, der unter anderem die zur Förderung seiner Ziele notwendigen Aufgaben erfüllt, „insbesondere im Bereich der Harmonisierung.“ Daneben fördert dieser Ausschuß gem. Art. 12 Abs. 2 SPS „die Anwendung internationaler Normen, Richtlinien und Empfehlungen durch die Mitglieder“. 84 Zu diesem Auslegungsgrundsatz weiterführend: Bernhardt, Interpretation in International Law, in: Bernhardt, EPIL 7 (1984), S. 318 ff. (324). 85 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 165, Fußnote 154 m. w. N. 82

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pflichtung unterwerfen wollen, unverbindliche Codex-Standards als verbindlich anzuerkennen und sich danach zu richten.86 Sei eine solche Verpflichtung von den Vertragsparteien gewollt gewesen, hätte das SPS-Übereinkommen eine weit deutlichere und zwingendere Formulierung verwenden müssen.87 2. Harmonisierung nach Art. 3 SPS Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer SPS-Maßnahme ist es, wie sich das Verhältnis der Absätze 1–3 des Artikel 3 SPS zueinander gestaltet und welche genaue Bedeutung diese Absätze haben. Im Hormonstreit gingen die Ansichten des Panels und des Berufungsgremiums in dieser Frage weit auseinander. Das Panel kam zu dem Schluß, daß die Maßnahmen der EG zum Hormonverbot die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 SPS nicht erfüllt haben. Dieser Schluß basiert auf der Auffassung, daß die Absätze 1 und 3 des Art. 3 SPS in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander stehen. Es setzte in seinen Ausführungen die Absätze 1 und 2 des Art. 3 SPS gleich und bezeichnet diese Zusammensetzung als allgemeine Regel. Im Gegensatz zu dieser allgemeinen Regel sei Art. 3 Abs. 3 SPS die Ausnahme. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hat zur Folge, daß die Maßnahmen der Mitglieder grundsätzlich den internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen entsprechen müssen; nur ausnahmsweise können sie auch Maßnahmen einführen, die ein höheres Schutzniveau aufweisen. Eine solche Ausnahme sei detailliert zu rechtfertigen.88 Das Berufungsgremium hält diese Auslegung des Panels für unrichtig und betont ausdrücklich das autonome Recht der Mitglieder, eigenständig Maßnahmen festzulegen, deren Standards über die der CAK hinausgehen.89 Nach Ansicht des Berufungsgremiums sei dem SPS-Übereinkommen entgegen der Meinung des Panels kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu entnehmen, wonach die Konformität nationaler Vorschriften mit internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen die Regel und Nicht-Konformität die Ausnahme ist.90 Vielmehr erkenne Art. 3 Abs. 3 SPS ausdrücklich ein autonomes Recht der Staaten zur selbständigen Rechtssetzung an. Die Ver86 Rabe, Auswirkungen der Welthandelsordnung auf das deutsche und das europäische Lebensmittelrecht, ZLR 1998, S. 135. 87 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 165. 88 Hormonstreit, Kanada Panelbericht, Paras. 8.72, 8.82 ff. 89 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 169 ff. 90 Diese Auslegung steht scheinbar im Widerspruch zu der vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 5 Abs. 7 SPS, in der das Berufungsgremium trotz vergleichbarem Wortlaut eine qualifizierte Ausnahme sieht; hierzu bereits oben C.IV.2.

III. Auswirkungen auf die Codex-Standards

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wendung von internationalen Standards – wie denjenigen der CAK – werde in Art. 3 Abs. 2 SPS lediglich durch die Vermutung der WTO-Rechtmäßigkeit belohnt, nicht aber durch Art. 3 Abs. 1 SPS vorgeschrieben. Es bleibe den Staaten folglich unbenommen, gemäß Art. 3 Abs. 3 SPS ihr eigenes Schutzniveau festzulegen, das die Höchstwerte internationaler Normen übersteigen kann.91 Im einzelnen sieht das Berufungsgremium die Bedeutung und Struktur der einzelnen Absätze des Art. 3 SPS folgendermaßen: a) Art. 3 Abs. 2 SPS Nach Art. 3 Abs. 2 SPS darf ein Mitglied eine Maßnahme zum Gesundheitsschutz erlassen, wenn diese einer internationalen Norm, Richtlinie oder Empfehlung, wie beispielsweise CAK-Standards „entspricht“. Eine solche Maßnahme würde diesen internationalen Standard komplett aufnehmen und diesen für praktische Zwecke in nationales Recht übertragen. Diese Maßnahme genießt die dann (widerlegbare) Vermutung der Vereinbarkeit mit dem SPS-Übereinkommen und GATT.92 b) Art. 3 Abs. 1 SPS Nach Art. 3 Abs. 1 SPS kann ein Mitglied auch entscheiden, eine Maßnahme zu erlassen, die sich auf internationale Normen, Richtlinien oder Empfehlungen „stützt“. Eine solche Maßnahme muß einige – nicht notwendigerweise alle – Elemente dieses internationalen Standards mit aufnehmen. Ein Mitglied, das diesen Weg wählt, profitiert nach Auffassung des Berufungsgremiums nicht von der Vermutung der Rechtmäßigkeit, wie in Art. 3 Abs. 2 SPS. Jedoch wird das Mitglied anderweitig privilegiert: Es wird nicht dadurch belastet, daß es den Beschwerdeführer eines WTO-Verfahrens von der Pflicht ausnimmt, einen prima facie Beweis in bezug auf die Unvereinbarkeit dieser Maßnahme mit Art. 3 Abs. 1 SPS oder einer sonstigen Vorschrift antreten zu müssen.93 c) Art. 3 Abs. 3 SPS Ein Mitglied darf sich gemäß Art. 3 Abs. 3 SPS auch für ein anderes Schutzniveau entscheiden als in internationalen Normen, Richtlinien oder 91

Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 104 und 157 ff. Einschließlich der geforderten Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS; Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 170. 93 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 171. 92

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

Empfehlungen vorgegeben, wenn hierfür eine wissenschaftliche Begründung vorliegt.94 Das Berufungsgremium betont, es sei nach dieser Vorschrift möglich, auch eine Maßnahme einzuführen, die sich nicht auf einen internationalen Standard stützt. Das Recht der Mitglieder, ihr eigenes Schutzniveau festzulegen, welches möglicherweise das Schutzniveau eines internationalen Standards überschreitet, sei ein wichtiges souveränes Recht, das auch in der Präambel des SPS-Übereinkommen seinen Niederschlag finde.95 Daraus wird ersichtlich, daß es sich bei dem Recht eines Mitglieds, sein eigenes Schutzniveau nach Art. 3 Abs. 3 SPS festzusetzen, systematisch um ein eigenständiges Recht handelt und nicht um eine Ausnahme von der allgemeinen Verpflichtung nach Art. 3 Abs. 1 SPS, die eine Beweislast nach sich zieht.96 Vielmehr nimmt Art. 3 Abs. 1 SPS danach lediglich diejenigen nationalen Vorschriften aus dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 SPS aus, die internationalen Normen entsprechen. Beide Alternativen stehen der Wertung nach gleichrangig nebeneinander. 94

In Art. 3 Abs. 3 Satz 1 SPS heißt es: „Die Mitglieder können gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen einführen oder beibehalten, die ein höheres gesundheitspolizeiliches oder pflanzenschutzrechtliches Schutzniveau bewirken als das, welches durch Maßnahmen auf der Grundlage der einschlägigen internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen erreicht würde, wenn eine wissenschaftliche Begründung vorliegt oder sich dieses höhere Niveau als Folge des von einem Mitglied gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Artikel 5 Absätze 1 bis 8 als angemessen festgelegten gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Schutzes ergibt.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) Das Berufungsgremium führt in Japan – Agricultural Products aus, eine solche wissenschaftliche Begründung sei gegeben, wenn eine zweckmäßige Verbindung („rational relationship“) zwischen der SPS-Maßnahme und den verfügbaren wissenschaftlichen Informationen vorliegt; Japan – Agricultural Products, Berufungsbericht, Para. 79. 95 Der sechste Erwägungsgrund des SPS-Übereinkommens lautet: „Mitglieder, [. . .] in dem Wunsch, die Anwendung von gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen zu fördern, die zwischen den Mitgliedern auf der Grundlage von internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen, die von den zuständigen internationalen Organisationen einschließlich der Kommission der Codex Alimentarius, des Internationalen Tierseuchenamts und der im Rahmen der Internationalen Pflanzenschutzkonvention tätigen einschlägigen internationalen und regionalen Organisationen entwickelt worden sind, harmonisiert werden, ohne daß die Mitglieder gezwungen werden, das ihnen angemessen erscheinende Niveau des Schutzes des Leben oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu ändern;“ (Hervorhebungen vom Verfasser). 96 Auch in diesem Fall sollen daher die allgemeinen Beweislastregeln gelten (hierzu bereits oben E.V.1.); Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 104, 172.

III. Auswirkungen auf die Codex-Standards

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Nach einer gründlichen Auslegung des von seinem Wortlaut her nicht sehr eindeutigen97 Art. 3 Abs. 3 SPS ist das Berufungsgremium zu dem Ergebnis gekommen, daß die Zulässigkeit einer Maßnahme gemäß Art. 3 Abs. 3 SPS die Durchführung einer angemessenen Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 und Nr. 4 des Anhang A SPS erforderlich mache.98 Dies ergebe sich, so das Berufungsgremium, zum einen aus dem letzten Satz des Abs. 3 SPS sowie der dazugehörigen Fußnote im SPS-Übereinkommen.99 3. Zusammenfassung und Anmerkung Nach der Auslegung durch das Berufungsgremium im Hormonstreit handelt es sich bei Art. 3 SPS um eine Vorschrift, durch die teilweise gegensätzliche Interessen zum Ausgleich gebracht werden müssen: Ziel und Zweck dieser Vorschrift ist es einerseits, die SPS-Maßnahmen der Mitglieder so weit wie möglich zu harmonisieren, andererseits aber sicherzustellen, daß das Recht und die Pflichten der Mitglieder anerkannt werden, Leben und Gesundheit ihrer Bürger ggf. durch höhere Schutzniveaus zu schützen. Das übergeordnete Ziel einer solchen Harmonisierung von SPS-Maßnahmen, besteht darin, zu verhindern, daß diese Maßnahmen zur willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung von Mitgliedern oder als verschleierte Handelsbeschränkungen eingesetzt werden. Die Verpflichtungen des SPS-Übereinkommens dürfen auf der anderen Seite aber die Mitglieder nicht davon abhalten, Maßnahmen einzuführen, die auf einer wissenschaftlichen Grundlage notwendig sind, um das Leben 97 Diesen Mangel an Klarheit sieht auch das Berufungsgremium, wenn es feststellt: „Article 3.3 [SPS] is evidently not a model of clarity in drafting and communication“ (Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 175). 98 Hormonstreit, Berufungsbericht, Paras. 175–177; dies gelte für beide Alternativen des Art. 3 Abs. 3 SPS, also sowohl wenn eine „wissenschaftliche Begründung“ vorliegt als auch wenn sich „dieses höhere Niveau als Folge des von einem Mitglied gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Artikel 5 Absätze 1 bis 8 als angemessen festgelegten gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Schutzes ergibt.“ Die Nivellierung dieser unterschiedlichen Alternativen durch seine Auslegung nimmt das Berufungsgremium dabei bewußt in Kauf. 99 In Art. 3 Abs. 3 Satz 2 SPS heißt es, daß alle Maßnahmen, die ein höheres Schutzniveau einführen, nicht im Widerspruch zu den übrigen Bestimmungen dieses Übereinkommens stehen. Zu den „übrigen Bestimmungen dieses Übereinkommens“ gehört auch Art. 5 SPS, der die Risikobewertung vorschreibt. Nach der Fußnote zu Art. 3 Abs. 3 SPS liegt eine „wissenschaftliche Begründung“ vor, wenn ein „Mitglied auf der Grundlage einer Prüfung und Bewertung verfügbarer wissenschaftlicher Angaben gemäß den einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens festlegt, daß die einschlägigen internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen nicht ausreichen, um das für angemessen erachtete Schutzniveau zu erreichen“.

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

und die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen und ihr bereits eingeführtes angemessenes Schutzniveau beizubehalten. Um diese schwierige und sorgsam ausgehandelte Balance im SPS-Übereinkommen zwischen den handelsfördernden und gesundheitsschützenden Interessen zu gewährleisten, ist nach Ansicht des Berufungsgremiums bei der Einführung einer Maßnahme, die ein höheres Schutzniveau bezweckt als in internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen (etwa der CAK) vorgesehen, sowohl eine Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS als auch ein hinreichender wissenschaftlicher Nachweis gemäß Art. 2 Abs. 2 SPS erforderlich.100 Aus dem Bericht des Berufungsgremiums im Hormonstreit lassen sich in bezug auf Art. 3 SPS drei wesentliche Erkenntnisse ziehen: (1) Erstens gelten internationale Normen, Richtlinien und Empfehlungen wie z. B. Standards der CAK, nicht als verbindlicher Maßstab für WTO-Mitglieder; eine Harmonisierung aufgrund dieser internationalen Normen kann und soll zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen. (2) Zweitens besteht zwischen den Absätzen 1–3 des Art. 3 SPS nach dem Wortlaut des Berufungsberichts kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne, daß es für ein Mitglied die Regel ist, seine Maßnahme in Übereinstimmung mit internationalen Standards zu erlassen und die Ausnahme, ein eigenes Schutzniveau nach Art. 3 Abs. 3 SPS festzulegen. Das Berufungsgremium hat ausdrücklich das eigenständige Recht der Mitglieder anerkannt, durch Maßnahmen ihr eigenes, möglicherweise höheres, Schutzniveau einzuführen. Mitglieder können nicht gezwungen werden, das ihnen angemessen erscheinende Niveau zum Gesundheitsschutz zu ändern. (3) Drittens ist jedes Mitglied verpflichtet, bei Einführung einer Maßnahme, deren Schutzniveau über das der CAK hinausgeht, in jedem Fall eine Risikobewertung nach Art. 5 SPS durchzuführen.101 Diese Verpflichtung gilt auch dann, wenn eine wissenschaftliche Begründung vorliegt. Eine wissenschaftliche Begründung allein ist somit für die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme nach Art. 3 Abs. 3 SPS nicht ausreichend. Die Bedeutung der Risikobewertung gemäß Art. 5 SPS wird durch diese Auslegung hervorgehoben. Abgesehen von der auffällig scharfen Sprache, mit der das Berufungsgremium die Auslegung des Panel zurückweist, wird deutlich, daß die Auslegung des Art. 3 SPS durch das Berufungsgremium sich vom Ergebnis her nicht wesentlich von der Auslegung durch das Panel unterscheidet. Auch 100

Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 177. Die Erfordernisse einer solchen Risikobewertung wurden ausführlich oben behandelt, C.III.1. 101

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wenn zwischen den einzelnen Absätzen dieser Vorschrift nach Ansicht des Berufungsgremiums kein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht, so ist nicht erkennbar, welche praktischen Änderungen und Erleichterungen sich – abgesehen von Beweislastfragen – durch den Berufungsbericht für die Mitglieder ergeben. Denn auch nach Meinung des Panels steht fest, daß eine SPSMaßnahme, die internationalen Normen, Richtlinien oder Empfehlungen entspricht, die (widerlegbare) Vermutung der Vereinbarkeit mit dem SPSÜbereinkommen und GATT genießt. Eine Maßnahme, deren Schutzniveau über internationale Standards hinausgeht, ist durch eine Risikobewertung nach Art. 5 SPS zu rechtfertigen. Die graduelle Abstufung der Absätze 1–3 des Art. 3 SPS könnte jedoch bei Beweisfragen102 relevant werden:103 Für eine SPS-Maßnahme, die gemäß Art. 3 Abs. 2 SPS den internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen entspricht, gilt prima facie die Vereinbarkeit mit den Vorschriften des SPS-Übereinkommens und GATT. Sie kann durch den Beschwerdeführer zwar widerlegt werden. Für einen solchen Gegenbeweis kann der Beweis des ersten Anscheins jedoch nicht ausreichend sein, da eine Beweiserleichterung zugunsten des Beschwerdeführers die Belohnung der Rechtmäßigkeitsvermutung wieder aushebeln würde. Wenn der Beschwerdeführer gegen eine Maßnahme nach Art. 3 Abs. 2 SPS vorgeht, hat er demnach den vollen Beweis anzutreten, daß diese Maßnahme nicht den internationalen Normen, Richtlinien und Empfehlungen entspricht. Eine Maßnahme hingegen, die sich nach Art. 3 Abs. 1 SPS nur auf internationale Normen, Richtlinien und Empfehlungen stützt, also allenfalls Elemente dieser internationalen Schutzstandards mit aufnimmt, wird nicht durch diese Vermutung der Rechtmäßigkeit belohnt. Hier ist der Beschwerdeführer daher nur verpflichtet, Beweis des ersten Anscheins zu erbringen, wonach diese Maßnahme mit dem SPS-Übereinkommen oder GATT unvereinbar ist. Der Beschwerdeführer trägt ebenfalls zunächst die Last des prima facie Beweises, wenn er sich gegen eine SPS-Maßnahme nach Art. 3 Abs. 3 SPS und gegen die durchgeführte Risikobewertung gemäß Art. 5 SPS wenden möchte. Es bleibt festzustellen, daß die Normen der CAK zwar ausdrücklich als unverbindlich bestehen bleiben sollen, jedoch haben die CAK-Standards durch das SPS-Übereinkommen und die Auslegung im Hormonstreit eine 102

Hierzu ausführlich E.V. In diesem Sinne auch: Quick/Blüthner, Has the Appellate Body erred?, JIEL 2 (1999), S. 612. 103

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

erhebliche Aufwertung erfahren.104 Auch wenn für die Mitglieder keine formelle Pflicht besteht, ihre SPS-Maßnahmen den CAK-Standards anzupassen, werden diese Standards nach dem Berufungsbericht als Grundlage für die Rechtmäßigkeitsvermutung angesehen. Die Mitglieder dürfen nur dann SPS-Maßnahmen einführen, deren Schutzniveaus über diese Grundlage hinausgehen, wenn sie diese detailliert wissenschaftlich begründen und bewerten. Die CAK-Standards gelten demnach als Regel, an deren Überschreitung erhebliche Pflichten geknüpft sind. Es kann somit in diesem Zusammenhang – entgegen des Wortlauts im Berufungsbericht – durchaus von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis gesprochen werden. Bei genauer Betrachtung erscheint dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis auch durch den Willen der Vertragsparteien und die Ziele des SPS-Übereinkommens gedeckt. Das Fernziel des SPS-Übereinkommens, die Harmonisierung voranzutreiben, ist durch eine solche Auslegung des Art. 3 SPS in Zukunft erreichbar. Für Mitglieder ist so ein Anreiz gegeben, mit ihren SPS-Maßnahmen eher den CAK-Standards zu entsprechen, anstatt über diese Schutzniveaus der CAK hinauszugehen und dafür eine kosten- und zeitintensive Risikobewertung durchzuführen (die vor den WTO-Streitschlichtungsorganen anschließend unter Umständen als unzureichend angesehen wird).105

IV. Verfahren der Codex Alimentarius Kommission Es wurde herausgearbeitet, daß die Arbeit der CAK durch das SPS-Übereinkommen und die Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane eine erhebliche Aufwertung erfahren hat. Daher werden an dieser Stelle das allgemeine Beschlußverfahren und das Verfahren in den Codex-Komitees insbesondere im Hinblick auf folgende Fragestellungen kritisch analysiert: (1) Wird rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem Transparenzgebot in den Verfahren der CAK ausreichend Rechnung getragen? (2) Ist bei der Arbeit der CAK im Laufe der Zeit eine Zielverlagerung eingetreten (spielen wirtschaftliche Interessen bei der CAK inzwischen die dominierende Rolle)?

104 Vgl. nur Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 381 f. m. w. N. 105 Dieses Regel-Ausnahme Verhältnis entstammt offensichtlich der traditionellen erfolgreichen Konzeption der Minimum-Harmonisierung in der EU. Zulässig bleiben hier jedoch Abweichungen, die ein höheres Schutzniveau als die gemeinschaftliche Harmonisierungsmaßnahme anstreben. Streinz, Europarecht, S. 918 ff. und 929.

IV. Verfahren der Codex Alimentarius Kommission

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Insbesondere die (unten, unter 5.) dargestellte Fallstudie zum Verfahren zur Festlegung von Codex-Standards für Hormone zur Wachstumsförderung ist in diesem Zusammenhang ein lehrreiches Beispiel, um die Defizite der CAK-Verfahren zu veranschaulichen. Hierbei wird sich zeigen, daß die USA schon auf Ebene der CAK den Grundstein für ihren späteren Erfolg im Hormonstreit vor den WTO-Streitschlichtungsorganen gelegt haben. 1. Allgemeines Beschlußverfahren der Codex Alimentarius Kommission Der Ablauf der Sitzungen, die Tagesordnung, sowie das Stimmrecht und Abstimmungsverfahren werden in der Geschäftsordnung der CAK geregelt. Zu den alle zwei Jahre stattfindenden öffentlichen Sitzungen der CAK entsendet jedes Mitglied einen Vertreter, zumeist mit Beratern. Auf diesen Sitzungen faßt die CAK Beschlüsse, neue Standards ausarbeiten zu lassen, verabschiedet bereits ausgearbeitete Standards, legt die Schwerpunkte für die zukünftige Arbeit fest und kann der Konferenz der FAO bzw. der WHO Berichte und Empfehlungen vorlegen.106 Jedes Mitglied der Kommission verfügt über eine Stimme. Sofern in der Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt ist, werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt.107 Jedoch hatte sich in der Praxis bisher ein Konsensprinzip durchgesetzt. Ungeachtet der formellen Gleichberechtigung („one state – one vote“) haben Staaten mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung einen größeren Einfluß,108 wie u. a. die Regelung des Vorsitzes in nachgeordneten Gremien gezeigt hat. Nach der Geschäftsordnung ist die Beschlußfähigkeit der Kommission dann gegeben, wenn die Mehrheit aus mindestens 20% aller Mitglieder der Kommission und aus mindestens 25 Mitgliedern besteht.109 Darüber hinaus gibt es sogenannte Beobachter. Diese Beobachter der Sitzungen haben kein formelles Stimmrecht. Sie haben aber das Recht, an den Sitzungen teilzunehmen, Memoranden einzubringen und sich an der Diskussion zu beteiligen.110 Auf diese Weise sind sie in nicht zu unterschätzendem Maße in der Lage, die Arbeit der Kommission, vor allem die Ausarbeitung der Codex-Standards, zu beeinflussen.111 106

Art. 5 Satzung. Art. VI Geschäftsordnung. 108 Streinz, Die Bedeutung des WTO-Übereinkommens für den Lebensmittelverkehr, JbTUR 1996, S. 448. 109 Art. IV Nr. 6 Satz 2 Geschäftsordnung. 110 Art. VII Nr. 1 Satz 2 Geschäftsordnung. 111 Merkle, Der Codex Alimentarius der FAO und WHO, 20. So hat beispielsweise die EG (noch) einen solchen Beobachterstatus. 107

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

2. Das Verfahren in den Codex-Komitees Die Geschäftsordnung der CAK gilt mutatis mutandis auch für CodexKomitees.112 Mitglieder der CAK können Delegationen zu den Sitzungen der jeweiligen Codex-Komitees schicken, die beliebig groß sein können. Der jeweilige Delegationsleiter als offizieller Delegierter, ist als einziger stimmberechtigt. Die übrigen Teilnehmer der Delegation beraten die Delegationsleiter. Als Berater sind Wissenschaftler, Vertreter aus nationalen Ministerien sowie Handels- und Industrieverbänden und Verbraucherorganisationen zugelassen und können an den Sitzungen teilnehmen. Regelmäßig dürfen sich nur die Delegationsleiter der Mitgliedstaaten, der Beobachterländer oder der internationalen Organisationen zu Wort melden. Jedoch können die Delegationsleiter auch andere Mitglieder ihrer Delegation dazu ermächtigen.113 Ein Codex-Komitee kann den einzelnen Ländern, Ländergruppen oder internationalen Organisationen, die auf seinen Tagungen vertreten sind, besondere Aufgaben zuteilen und Mitgliedstaaten und internationale Organisationen um Stellungnahmen zu besonderen Punkten ersuchen. Solche ad hoc-Arbeitsgruppen werden auf Weisung des Komitees aufgelöst, sobald ihre Aufgaben erfüllt sind.114 Der Vorsitzende des Codex-Komitees soll sicherstellen, daß alle Fragen eingehend besprochen werden, insbesondere die Erklärungen über mögliche wirtschaftliche Auswirkungen der Standards. Im Gegensatz zu dem Beschlußverfahren in der CAK werden die Entscheidungen in diesen Komitees regelmäßig auf Grundlage eines Konsenses getroffen. Nur wenn kein Konsens zustande kommt, kann ausnahmsweise eine Abstimmung mit Beschlußfassung in einfacher Mehrheit durchgeführt werden.115 3. Die Rolle von Industrieverbänden in den Codex-Verfahren Die CAK hat die Einbeziehung von Industrieverbänden und Interessengruppen in die Verfahren nicht institutionell geregelt.116 Internationale Inter112 Zusätzlich finden für die Arbeit in den Codex-Komitees die Richtlinien für Codex-Komitees Anwendung. 113 Richtlinien für Codex-Komitees, Nr. 10 (d). 114 Richtlinien für Codex-Komitees, Nr. 8. 115 Richtlinien für Codex-Komitees, Nr. 10 (b). 116 Während die EG eine Anhörung von Interessengruppen im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialausschusses zwingend vorschreibt, ist eine solche Regelung bei der CAK bislang nicht eingeführt worden; dies wird mit der großen Anzahl der Teilnehmer und der heterogenen Zusammensetzung der Mitglieder begründet, so Eckert, Zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts, 1. Teil, ZLR 1984, S. 13 f.

IV. Verfahren der Codex Alimentarius Kommission

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essengruppen werden durch das Codex-Sekretariat lediglich als Beobachter in den Sitzungen der CAK zugelassen. Dennoch waren Industrie- und sonstige Interessenverbände schon immer in das Verfahren zur Festlegung von Codex-Standards involviert. Die einzelnen Mitglieder können vor jeder Sitzung ihre nationalen Verbände konsultieren. Zudem lassen die Mitglieder Verbands- oder Industrievertreter im Rahmen ihrer nationalen Delegationen als Berater teilnehmen.117 Eine Studie aus dem Jahre 1993 hat die Zusammensetzung der CodexKomitees während der 19. Sitzungsperiode (1989/91) analysiert.118 Hierbei ist sie zu dem Ergebnis gekommen, daß von 2578 Teilnehmern an Sitzungen der Codex-Komitees 663 (knapp 25%) die Interessen der privaten Wirtschaft vertreten haben; 105 Staaten schickten Vertreter zu den Codex-Komitees – gleichzeitig waren 108 multinationale Unternehmen vertreten; mit 273 Vertretern waren multinationale Unternehmen stärker vertreten als Lateinamerika und die Karibik zusammen; von den offiziellen Delegierten, die die USA zu den Fachausschüssen entsandte, waren 49% Vertreter der privaten Wirtschaft.119 An den beiden Sitzungen des hier einschlägigen Codex-Komitees „Tierarzneimittelrückstände in Lebensmitteln“ nahmen 253 Personen als Delegierte teil, 71 von ihnen vertraten Industrieverbände und multinationale Unternehmen.120 Dies entspricht einem Anteil von 28%.121

117 Beispielsweise haben an der Codex-Konferenz im Juni 1997 neben Vertretern von Coca-Cola, Pepsi-Cola, Monsanto und Pfizer auch Vertreter von Handelsgruppen, wie „International Dairy Federation“, „International Council of Grocery Manufacturers Associations“, „International Organisation of the Flavour Industry“, „International Soft Drink Council“ und „International Glutamate Technical Committee“ teilgenommen; Bericht über die 22. Sitzung der Codex Alimentarius Kommission, ALINORM 97/37, S. 75–83. 118 Avery/Drake/Lang, Internationale Harmonisierung lebensmittelrechtlicher Normen, S. 2 ff. 119 Avery/Drake/Lang, Internationale Harmonisierung lebensmittelrechtlicher Normen, S. 12 f. 120 Avery/Drake/Lang, Internationale Harmonisierung lebensmittelrechtlicher Normen, S. 39. 121 Folgende Unternehmen nahmen unter anderem teil: Monsanto, Bayer, Hoffmann La Roche, Migros, Nestlé, American Cyanamid, Pfizer, MSD, Merrel Dow France und Jannssen Pharmazeutica.

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

4. Die Rolle von Verbraucherverbänden und Öffentlichkeit in den Codex-Verfahren a) Beteiligung von Verbraucherverbänden Im Gegensatz zu der hohen Beteiligung von Vertretern der Industrie in den Codex-Komitees waren Verbraucherverbände an den Sitzungen bisher wenig vertreten. Von den 37 Nichtregierungsorganisationen („NGO“), die an der Codex-Konferenz von 1997 teilnahmen, haben lediglich drei die öffentlichen Interessengruppen vertreten. Während in vielen der Mitgliedsdelegationen industrielle Berater vertreten waren, haben nur drei Staaten – Bundesrepublik Deutschland, USA und Norwegen – auch Verbraucherverbände in ihre Delegationen einbezogen.122 An der Sitzungsperiode 1989/91 haben von 2578 Teilnehmern an Sitzungen der Codex-Komitees nur 26 Vertreter öffentlicher Interessengruppen teilgenommen.123 Schon auf der 20. Sitzung der CAK im Jahre 1993 stand dieses Problem der ungenügenden Beteiligung von Verbraucherverbänden auf der Agenda und wurde ausführlich diskutiert. Als Ergebnis wurde festgehalten, daß es wichtig sei, weiterhin in enger Zusammenarbeit mit den Verbraucherorganisationen zu arbeiten. Die CodexKommission war der Ansicht, daß die Vielzahl und Verschiedenheit der Verbraucherverbände eine institutionelle Einbindung in das internationale Verfahren zur Ausarbeitung der Codex-Standards unmöglich mache. Da die Beteiligung von Verbrauchern ein nationales Problem sei, müsse dieses auch auf nationaler Ebene von den Regierungen der Mitglieder behandelt werden.124 Hierzu ließ die CAK wörtlich verlauten: „The Commission has continued to involve consumers interests in its work while recognizing that it is at the national level that consumers can make their most valuable and effective input.“125

Nachdem die CAK die Verantwortlichkeit für die Einbindung der Verbraucher auf den nationalen Level der Mitglieder verlagert hat, stellte sie fest, daß ihre Möglichkeiten und die von FAO/WHO, diesbezüglich auf die Mitglieder Einfluß zu nehmen aufgrund der staatlichen Souveränität begrenzt sei. 122

Bericht über die 22. Sitzung der Codex Alimentarius Kommission, ALINORM 97/37, S. 32–82. 123 Dagegen vertraten 663 Teilnehmer die Interessen der privaten Wirtschaft; Avery/Drake/Lang, Internationale Harmonisierung lebensmittelrechtlicher Normen, S. 12. 124 Draft Report of the 20th session of the CAC, 14, Nr. 46 ff. und 52. 125 Zitiert aus: FAO/WHO, Understanding the Codex Alimentarius, S. 17.

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Wörtlich heißt es: „In doing so, FAO has recognized the limitations of its authority and the prerogatives and sovereignty of national governments in deciding the extent to which consumers might and can be involved.“126

Im Ergebnis ist demnach festzuhalten, daß die CAK trotz erheblicher Kritik auf ihrer 20. Sitzung nichts in ihren Verfahren geändert hat, um die Verbraucher besser in ihre Entscheidungen einzubinden. Statt, wie in der Praxis der EG, die Beteiligung der Verbraucherverbände auf nationaler Ebene im Vorfeld einer Codex-Sitzung oder im internationalen Verfahren zur Ausarbeitung von Standards zwingend vorzuschreiben, überläßt sie es den einzelnen Mitgliedern, zu entscheiden, ob sie den Verbraucherverbänden auf nationalem Level eine höhere Einflußnahme zubilligen. Danach hängt es weiterhin vom Wohlwollen der einzelnen Regierungen ab, ob Verbraucherverbände beteiligt werden – oder nicht. Die Beibehaltung dieser Praxis hat zur Folge, daß die im Gegensatz zu den Lobbyisten in der Industrie finanziell weit schwächer gestellten Verbraucherverbände im Rahmen der CodexVerfahren auch weiterhin bedeutungslos bleiben.127 Dieser Zustand ist im Hinblick auf das Ziel der CAK, überwiegend dem Gesundheitsschutz der Verbraucher zu dienen, zu überprüfen. b) Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung Das Verfahren der CAK zur Festsetzung von Codex-Standards wird weitgehend schriftlich abgewickelt.128 Die Grundsätze von Mündlichkeit oder Unmittelbarkeit spielen keine Rolle. Hierunter leidet zwangsläufig auch die Transparenz. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet treffen sich Regierungsdelegationen und Interessenvertreter zu Sitzungen in dem Staat, der den Vorsitz eines Fachausschusses führt und arbeiten dort Standards aus, die erhebliche Auswirkungen auf den Gesundheitsschutz für Verbraucher in allen Mitgliedstaaten haben können. Weder sind die einzelnen Sitzungen öffentlich, noch ist das behandelte Material vor Abschluß des Verfahrens öffentlich zugänglich. Durch dieses intransparente Verfahren kann die Öffentlichkeit ihre Kontrollfunktion nicht mehr in ausreichendem Maße wahrnehmen. Solange die Codex-Standards nur unverbindliche Empfehlungen darstellen, die durch die einzelnen Mitglieder förmlich angenommen und durch nationale Vorschriften umgesetzt werden müssen, um anwendbar zu sein, 126 127 128

Zitiert aus: FAO/WHO, Understanding the Codex Alimentarius, S. 18. Vgl. Merkle, Der Codex Alimentarius der FAO und WHO, S. 37. Eckert, Zur Harmonisierung des Lebensmittelrechts, 2. Teil, ZLR 1984, S. 138.

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hat dieses Transparenzdefizit geringe Auswirkungen. Bei der Umsetzung dieser Standards wäre im nationalen Gesetzgebungsverfahren und der parlamentarischen Debatte die erforderliche Öffentlichkeit wieder hergestellt (parlamentarisch legitimierte Letztverantwortung). c) Beobachterstatus von Nichtregierungsorganisationen (NGO) Nach teilweise erheblicher Kritik an der mangelnden Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung haben inzwischen auch internationale NGOs die Möglichkeit, einen Beobachterstatus bei der CAK zu erlangen.129 Grund hierfür ist – neben der Unterstützung der CAK durch externe Expertise in bestimmten Gebieten – vor allem denjenigen NGOs die Gelegenheit zur Meinungsäußerung und Informationszugang zu geben, die wichtige Bereiche der Öffentlichkeit und Verbraucher repräsentieren.130 129 „Principles Concerning the Participation of International Non-Governmental Organisations in the Work of the Codex Alimentarius Commission“, Procedural Manual, S. 54–60. 130 Auffällig ist jedoch, daß die überwiegende Mehrheit der bisher zugelassenen NGOs Industrieverbände sind. Gegenwärtig sind folgende NGO als offizielle Beobachter bei der CAK zugelassen (Stand Juli 2002): American Oil Chemists’ Society, AOAC International, ASEAN Vegetable Oils Club, Asociación Latinoamericana de Avicultura, Asociacion Latinoamericana y del Caribe de Ciencia y Tecnologia de Alimentos (Latin American and Caribbean Food Science and Technology Association), Association des amidonneries de céréales de l’UE, Association des industries des aliments diététiques de l’Union européenne, Association des industries des glaces alimentaires de la CEE, Association européenne des exploitations frigorifiques, Association européenne pour le droit de l’alimentation, Association of the European Self-Medication Industry, Association internationale de la distribution, Association internationale des industries de bouillons et potages(AIIBP), Federation des Associations de L’industrie des Bouillons et Potages de la CEE (FAIBP), Association internationale des sélectionneurs pour la protection des obtentions végétales, Association internationale pour le développement des gommes naturelles, Association of American Feed Control Officials, Association of European Coeliac Societies, Association of International Industrial Irradiation, Association of Manufacturers of Fermentation Enzyme Products, Association of Sorbitol Producers within the EC, BIOPOLYMER International, Biotechnology Industry Organization, Caribbean Food and Nutrition Institute, Center for Science in the Public Interest, Centre de liaison des industries transformatrices de viandes de l’UE, Chambre de commerce internationale, Comité de liaison de l’agrumiculture méditerranéenne, Comité des fabricants d’acide glutamique de l’UE, Comité du commerce des céréales, aliments du bétail, oléagineux, huiles et graisses et agrofournitures de l’Union Européenne, Comité européen des fabricants de sucre, Comité permanent international du vinaigre, Confédération des industries agro-alimentaires de l’UE, Confédération internationale du commerce et de l’industrie des pailles fourrages tourbes et dérivés, Confédération internationale du commerce et des industries des légumes secs, International Federation for Animal Health, Confederation of International Soft Drink Associations, Conseil européen de l’industrie chimi-

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Eine internationale NGO, welche bestimmte festgelegte Voraussetzungen erfüllt, kann den Beobachterstatus beantragen und ist nach erfolgreicher Erque (European Chemical Industry Council), Consumers International, Council for Responsible Nutrition, Crop Life International, Euro Commerce, Europe-Africa-Caribbean-Pacific Liaison Committee for the Promotion of Tropical Fruits, Off-Season Vegetables, Flowers, Ornamental Plants and Spices, European Animal Fat Processors Association, European Animal Protein Association, European Association for Bioindustries, European Association of Advertizing Agencies, European Cocoa Association, European Dairy Association, European Federation of Associations of Health Product Manufacturers, European Feed Manufacturers’ Federation, European Flavour and Fragrance Association, European Food and Feed Cultures Association, European Food Emulsifier Manufacturers’ Association, European Food Information Council, European Fresh Produce Importers’ Association, European Heart Network, European Network of Childbirth Associations, European Organization for Quality, European Salt Producers’ Association, European Vegetable Protein Federation, Federación Panamericana de Lechería, Fédération de l’industrie de l’huilerie de la CE, Fédération des industries des sauces condimentaires, de la moutarde et des fruits et légumes préparés à l’huile et au vinaigre de l’UE, Fédération européenne du commerce en fruits secs, conserves, épices et miel, Fédération internationale des associations d’apiculture, Fédération internationale des producteurs agricoles, Fédération internationale des vins et spiritueux, Federation of European Food Additives and Food Enzymes Industries, Federation of Oils, Seeds and Fats Associations International, 49th Parallel Biotechnology Consortium, Grain and Feed Trade Association, Greenpeace International, Groupement des Associations Meunières des Pays de l’UE, Groupement international des Sources d’Eaux Naturelles et d’Eaux Conditionnées – Union Européene des Industries des Eaux Minérales et des Eaux de Source, Industry Council for Development, Institut européen des industries de la gomme de caroube, Institute of Food Technologists, Inter-American Bar Association, International Accreditation Forum, International Alliance of Dietary/Food Supplement Associations, International Association for Cereal Science and Technology, International Association of Consumer Food Organizations, International Association of Fish Inspectors, International Association of Seed Crushers, International Auditor and Training Certification Association, International Baby Food Action Network, International Banana Association, International Biotechnology Forum, International Bottled Water Association, International Cocoa Trades Federation, International Commission for Uniform Methods of Sugar Analysis, International Consumers for Civil Society, International Cooperative Alliance, International Council of Grocery Manufacturers Associations, International Dairy Federation, International Diabetes Federation, International Egg Commission, International Federation of Agricultural Journalists, International Federation of Chewing Gum Associations, The International Federation of Environmental Health, International Federation of Fruit Juice Producers, International Federation of Glucose Industries, International Federation of Margarine Associations, International Federation of Organic Agriculture Movements, International Feed Industry Federation, International Fishmeal and Oil Manufacturers Association, International Food Additives Council, International Food Information Service, International Frozen Foods Association, International Glutamate Technical Committee, International Institute for Applied Systems Analysis, International Lactation Consultant Association, International Life Sciences Institute, International Nut Council, International Office of Cocoa, Chocolate and Sugar Confectionery, International Organization for Standardization, International Organization of the Flavour

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teilung des offiziellen Status berechtigt, einen Beobachter zu den Sitzungen der CAK zu senden und zuvor alle Arbeitsdokumente und Diskussionspapiere einzusehen. Sie kann der Kommission ihre Meinung schriftlich mitteilen und darf an entscheidenden Diskussionen teilnehmen, jedoch nur, wenn sie hierzu von dem Vorsitzenden eingeladen wurde.131 Zudem können die Beobachter vom Generalsekretär zu Meetings und Seminaren eingeladen werden. Sie erhalten dann vom Sekretariat Informationen über geplante Meetings und die entsprechenden Themen. Sie sind jedoch nicht stimmberechtigt. Neben diesen Rechten haben die Beobachter auch verschiedene Kooperations- und Beitragspflichten, an deren Erfüllung die Beibehaltung des Beobachterstatus geknüpft ist. NGOs die nicht als Beobachter zugelassen wurden, haben nur die Möglichkeit, informell mit der CAK in Kontakt zu treten. 5. Fallstudie: Codex-Standards für Hormone zur Wachstumsförderung Für Hormone, die zur Wachstumsförderung in der Viehzucht eingesetzt werden können, hat die CAK nach einer Verfahrensmodifikation im Jahre 1995 Codex-Höchstwerte (maximum residue levels: „MRL’s“) festgelegt. Diese 21. Sitzung fand statt, nur sieben Monate nachdem das SPS-Übereinkommen in Kraft trat.132

Industry, International Organization of Spice Trade Associations, International Peanut Forum, International Pectin Producers’ Association, International Soft Drinks Council, International Special Dietary Foods Industries, International Sweeteners Association, International Union of Biological Sciences, International Union of Food Science and Technology, International Union of Microbiological Societies, International Union of Nutritional Sciences, International Union of Pure and Applied Chemistry, International Wheat Gluten Association, Natural Food Colours Association, Nordic Committee on Food Analysis, Organisation des fabricants de produits cellulosiques, alimentaires, Organisation européenne des industries transformatrices de fruits et légumes, Pesticides Action Network, Transfrigoroute International, Union européenne des industries de transformation de la pomme de terre, Union européenne du commerce du bétail et de la viande, Working Group on Prolamin Analysis and Toxicity, World Association for Animal Production, World Association of Seaweed Producers, World Federation of Advertizers, World Medical Association, World Processing Tomato Council, World Renderers Organization, World Self-Medication Industry, World Sugar Research Organization, World Veterinary Association. 131 Gleiches gilt für die nachgeordneten Gremien. 132 Codex Alimentarius Commission, Report of the 21st Session, List of Standards and Related Texts Adopted by the 21st Session of the Codex Alimantarius Commission, ALINORM 95/37 (8. July 1995); im folgenden: „21. Sitzung“.

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Anhand dieses Verfahrens wird nachfolgend praxisnah dargestellt und analysiert, wie sich einzelne Mitglieder das intransparente Verfahren der CAK zunutze machen können, um ihre Interessen durchzusetzen. Gleichzeitig zeigt diese Fallstudie eine gravierende Änderung der CAK-Verfahrensgrundsätze auf. a) Der Streit: Welche Aspekte finden bei Standards Berücksichtigung? Im Jahre 1991 hatte es die CAK mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, Rückstandshöchstwerte für Wachstumshormone festzusetzen.133 Diese Ablehnung wurde nicht nur mit toxikologischen, also rein wissenschaftlichen Aspekten begründet. Vielmehr gründete sich diese Ablehnung zum einen auf einer kritischen Haltung der Mehrheit zu den vorgeschlagenen Festsetzungen wegen der Nichteinhaltung einer „guten Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung“ (Good Practice in the use of Veterinary Drugs: „GPVD“).134 Zum anderen spielte der ablehnenden Haltung der Verbraucher gegenüber dem „Hormonfleisch“ eine große Rolle, die letztlich in einigen EG-Ländern zu einem Verbraucherboykott geführt hatte.135 Die USA – unterstützt u. a. von Kanada, Australien, Neuseeland, Argentinien und Brasilien – wollten daraufhin erreichen, daß die ausschließliche Maßgeblichkeit der gesundheitlichen Beurteilung durch wissenschaftliche Gremien im Verfahrenshandbuch des Codex Alimentarius festgeschrieben werde. Codex-Standards sollen nach ihrer Auffassung nur dann abgelehnt werden können, wenn ein wissenschaftlicher Nachweis für die toxikologische Schädlichkeit eines bestimmten Stoffes besteht. Insbesondere die Mitgliedstaaten der EG forderten demgegenüber, daß bei der Entscheidungsfindung der CAK auch Aspekte des vorbeugenden Gesundheitsschutzes, Fragen des allgemeinen Verbraucherschutzes und politische Gesichtspunkte (z. B. sozialer, kultureller oder religiöser Art) Berücksichtigung finden sollen.136 133 Bericht über die 19. Sitzung des Codex Alimentarius-Kommission, ALINORM 91/40, Nr. 154–161. 134 GPVD wird von der CAK definiert als: „Die offiziell empfohlene oder zugelassene Anwendung, einschließlich der Berücksichtigung der von den nationalen Behörden festgesetzten Wartezeiten der unter praktischen Bedingungen verabreichten Tierarzneimittel.“ (Verfahrenshandbuch der CAK, Definitionen im Sinne des Codex Alimentarius). 135 Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 387; hierzu im einzelnen bereits ausführlich oben B.I.2. 136 Ritter, Das WTO-Übereinkommen und seine Auswirkungen auf das Deutsche und Europäische Lebensmittelrecht, EuZW, 1997, S. 137.

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b) Die Grundsatzmodifizierung: Berücksichtigung wissenschaftlicher Aspekte Auf ihrer 21. Sitzung vom 3. – 8. Juli 1995 in Rom hat das Codex Komitee „General Principles“ vier Grundsatzerklärungen zu den Prinzipien der Entscheidungsfindung beschlossen.137 Dieser Beschluß erging gegen die Stimmen der Mitgliedstaaten der EG. Deren Kritik richtete sich insbesondere gegen den vierten Grundsatz. Danach sollen sich Mitglieder, die zwar keine Einwendung gegen das vorgeschlagene Schutzniveau haben, aber unterschiedliche Auffassungen zu anderen Aspekten vertreten, bei der Abstimmung der Stimme enthalten, um eine Beschlußfassung der CAK nicht zu verhindern. In dem vierten Grundsatz heißt es wörtlich: „When a situation arises that members of Codex agree on the necessary level of protection of public health but hold differing views about other considerations, members may abstain from acceptance of the relevant standard without necessarily preventing the decision by Codex.“138

Im ersten Grundsatz wurde die Bedeutung von Wissenschaft bei der Festlegung von Standards deutlich hervorgehoben. Der erste Grundsatz besagt: „The food standards, guidelines and other recommendations of Codex Alimentarius shall be based on the principle of sound scientific analysis and evidence, involving a thorough review of all relevant information, in order that the standards assure the quality and safety of the food supply.“139

Diese Modifizierung erfolgte unter Nichtanwendung des sonst üblichen Konsensprinzips durch einfachen Mehrheitsbeschluß und hatte weitreichende Folgen: Die Meinung der USA, wonach Codex-Standards und Rückstandshöchstwerte ausschließlich bei wissenschaftlichem Nachweis für die toxikologische Schädlichkeit eines Stoffes abgelehnt werden dürfen, hat sich gegenüber der Ansicht der Mitgliedstaaten der EG durchsetzen können.140 137 Codex Alimentarius Commission, Report of the twenty-first Session of the Joint FAO/WHO Codex Alimentarius Commission 61 app. (1995); ALINORM 95/8. 138 Codex Alimentarius Commission, Report of the twenty-first Session of the Joint FAO/WHO Codex Alimentarius Commission 61 app. (1995); ALINORM 95/8, 3. 139 Codex Alimentarius Commission, Report of the twenty-first Session of the Joint FAO/WHO Codex Alimentarius Commission 61 app. (1995); ALINORM 95/8, 3. 140 Dies wird insbesondere aus dem Verlauf der darauffolgenden Sitzung deutlich; Eckert, 14. Sitzung des Codex Committees „General Principles“, 19.–23. April 1999 in Paris, ZLR 1999, S. 376 f.

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Aspekte, außerhalb eines rein wissenschaftlichen Nachweises, wie der vorbeugende Gesundheitsschutz oder politische und kulturelle Faktoren finden bei der Beschlußfassung von Standards des CAK danach keine Berücksichtigung mehr.141 c) Die Folge: Festsetzung von Codex-Höchstwerten Nach Änderung der Allgemeinen Grundsätze, stand einer Festsetzung von Rückstandshöchstwerten von Hormonen nichts mehr im Wege.142 Im Rahmen ihrer 21. Sitzung beschloß die CAK im Jahre 1995 Standards für die fünf Hormone Östradiol 17-b, Progesteron, Testosteron sowie Zeranol und Trenbolon Acetat auf Grundlage einer Abstimmung.143 Ein wissenschaftlicher Nachweis, daß der sachgerechte Einsatz von Hormonen zur Wachstumsförderung Gesundheitsrisiken birgt, konnte von Seiten der EGMitgliedstaaten nicht erbracht werden.144 In dem 32. JECFA-Bericht von 141

A.A. D. Eckert, der im Jahre 1995 in diesen Grundsatzerklärungen noch genügend Ansatzpunkte sah, die Berücksichtigung anderer als rein naturwissenschaftlicher Aspekte bei der künftigen Entscheidungsfindung durchzusetzen; Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 387. 142 Ein Codex-Höchstwert für Tierarzneimittelrückstände (Maximum Residue Limit in Veterinary Drugs: „MRLVD“), also auch für Wachtumshormone bei der Viehzucht, ist die höchste Konzentration von Rückständen nach Anwendung eines Tierarzneimittels (ausgedrückt in mg/kg oder mg/kg bezogen auf das Frischgewicht), welche die CAK empfiehlt, in oder auf einem Lebensmittel gesetzlich zuzulassen oder als annehmbar anzuerkennen. Er basiert auf der Art und Menge des Rückstands, der für die menschliche Gesundheit als toxikologisch ungefährlich angesehen wird. Codex-Standards für den Bereich der Tierarzneimittel werden regelmäßig angegeben in der zulässigen Tagesdosis (Acceptable Daily Intake: „ADI“) und MRL („Maximum Residue Limit“). Ein ADI ist eine Schätzung der Menge an Tierarzneimitteln durch die JECFA, bestimmt auf Basis des Körpergewichts, die täglich ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko lebenslang verabreicht werden kann. Ein ADI wird hergeleitet vom experimentellen No Observable Effect Level („NOEL“) der am meisten geeigneten Tierarten unter Anwendung eines angemessenen Sicherheitsfaktors. Er trägt anderen für die menschliche Gesundheit relevanten Risiken sowie Aspekten der Lebensmitteltechnologie Rechnung. Das MRL ist eines der Werkzeuge, um sicherzustellen, daß die Verabreichung nicht den ADI übersteigt und gute Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung (Good Practice in the use of Veterinary Drugs: „GPVD“) eingehalten wird. Bei der Festlegung eines MRL werden ebenfalls Rückstände berücksichtigt, die in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft und/oder in der Umwelt vorkommen. Außerdem kann der MRL je nach der GPVD und in dem Maße, wie Analyseverfahren verfügbar sind, reduziert werden. 143 21. Sitzung, ALINORM 95/37, Appendix 4, 2. 144 Vgl. Ergebnis der ca. 90 Wissenschaftler anläßlich der „Brüsseler Hormonkonferenz“ vom 29.11.–1.12.1995. Berichte hierzu in: Lebensmittel-Zeitung v. 8.12.

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1988, auf den sich die Codex-Standards gründen, wurde in bezug auf die drei Hormone Östradiol 17-b, Progesteron und Testosteron als Wachstumsförderer festgestellt, daß keine toxikologischen Effekte zu erwarten sind und somit eine Gefahr für die menschliche Gesundheit unwahrscheinlich ist, wenn sie in guter Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung verabreicht werden. So wurde es von der CAK in Übereinstimmung mit der JECFA als unnötig betrachtet, hierfür ADI oder MRL’s festzusetzen, wenn ihre Anwendung in guter Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung erfolgte.145 Für die beiden künstlichen Hormone Zeranol und Trenbolon hat die CAK hingegen Standards festgesetzt, deren Werte auf dem JECFA-Bericht von 1988 basieren und ebenfalls unter Berücksichtigung der guten Praxis bei der Tierarzneimittelanwendung erlangt wurden.146 Die Standards finden ausschließlich Anwendung auf Kälber sowie Fleisch und Fleischprodukte von Rindern, wenn diese Hormone zum Zwecke der Wachstumsförderung eingesetzt werden. Die Festlegungen beruhten auf einer rein wissenschaftlichen Beurteilung der Gesundheitsrisiken unter Ausblendung der Aspekte des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sowie politischer und kultureller Faktoren. Daher weigerten sich die EG-Staaten zuzustimmen. Die Standards wurden auf Anfrage der USA in geheimer Abstimmung von einer knappen Mehrheit von 33 gegen 29 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) angenommen.147 Dieses knappe Abstimmungsergebnis und insbesondere die sieben Enthaltungen zeigen, daß die Annahme dieser Standards nur im Beschlußverfahren durch einfache Mehrheitsentscheidung möglich war. Nach dem bis zu diesem Zeitpunkt üblichen Konsensprinzip, hätten keine Höchstwerte für Hormone festgesetzt werden können.

1995, Nr. 49, S. 18; AGRA-EUROPE v. 4.12.1995, Nr. 49, Europa-Nachrichten 17. Zu dieser Konferenz im einzelnen oben B.I.2.a)aa). 145 Wörtlich hieß es hierzu: „Establishing an ADI and an [MRL] for a hormone that is produced endogenously at variable levels in human beings was considered unnecessary by the Committee. Residues resulting from the use of this substance as a growth promoter in accordance with good animal husbrandy practice are unlikely to pose a hazard to human health.“ (Codex Alimentarius, Vol. 3, Residues of Veterinary Drugs in Foods, S. 7, 12 und 14). 146 ADI: 0–0,5 und 0–0.02 mg/kg Körpergewicht. – MRL: 2 mg/kg in Rindermuskel und 10 mg/kg in Rinderleber. 147 21. Sitzung, ALINORM 95/37, 45.

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d) Anmerkungen Es handelt sich bei der Fallstudie um ein Musterbeispiel, um zu veranschaulichen, welche Möglichkeiten einzelne Mitgliedstaaten und ihre Industrieverbände besitzen und nutzen, um bei der CAK ihre Interessen durchzusetzen und andere Mitglieder zu überstimmen. Einige Mitgliedstaaten haben die ökonomische Tragweite der Arbeit in der CAK frühzeitig erkannt und sich die einflußreichen Schlüsselpositionen als Vorsitzende und Geldgeber in den wichtigen Codex-Komitees gesichert. Nur durch eine zunächst unscheinbare Modifizierung der allgemeinen Grundsätze konnten aufgrund einer Mehrheitsentscheidung Schutzstandards für die Verwendung von Hormonen angenommen werden. Die Mitgliedstaaten der EG haben gegen die Verfahrensmodifizierung gestimmt, wonach andere als rein wissenschaftliche Faktoren bei der Festsetzung von Codex-Standards faktisch ausgeblendet werden. Zudem haben die Mitgliedstaaten der EG ausdrücklich gegen die (Nicht-)Festlegung von Höchstwerten für die Hormone zur Wachstumsförderung gestimmt. Dennoch hat der Hormonstreit vor der WTO gezeigt, daß diese Standards über das SPS-Übereinkommen einen Status erlangen können, der für die EG-Mitgliedstaaten als Regelfall angesehen werden kann und dessen Ausnahmen detailliert zu rechtfertigen sind. An diesem Beispiel wird deutlich, welch weitreichende Konsequenzen Unachtsamkeiten der Delegierten der EG-Mitgliedstaaten haben kann. Zum einen haben es die Delegierten der EG-Mitgliedstaaten versäumt, die Tragweite der vorgeschlagenen Modifizierung bei der 21. Sitzung des CAK in Rom zu erkennen und entschlossen dagegen vorzugehen. Vielleicht lag dies daran, daß die sonst übliche Konsensentscheidung wegen einer für die USA günstigen Abstimmungskonstellation durch eine einfache Mehrheitsentscheidung ersetzt werden konnte. Möglicherweise haben die Delegierten diesen geschickten Schachzug der USA und seiner Interessenvertreter aber einfach nur übersehen und sich so gegen ihre eigenen grundlegenden Interessen „über den Tisch ziehen lassen“.148 Hierbei spielt keine geringe Rolle, daß die EG nicht Mitglied der CAK ist und somit die einzelnen Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen nicht geschlossen auftreten konnten. Zum anderen haben die EG-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen der Uruguay-Runde das SPS-Übereinkommen abgeschlossen, ohne dessen weit148 Eine befriedigende Antwort auf diese wichtige Frage war im Rahmen der Recherchearbeiten zu dieser Studie auch von offizieller Seite nicht zu erhalten (ausführliches Gespräch am 24. Oktober 2001 mit Theofanis Christoforou in Brüssel). Herr Christoforou arbeitet im juristischen Dienst der Europäischen Kommission und war auf seiten der EG für das WTO-Streitbeilegungsverfahren im Hormonstreit verantwortlich.

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reichenden Konsequenzen für die unverbindlichen Standards der CAK ausreichend zu prüfen.149 Auffällig ist hierbei auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluß der Uruguay-Runde mit dem SPS-Übereinkommen und der Verabschiedung von Standards für Wachstumshormone im Rahmen der CAK. Im Ergebnis ist festzustellen, daß die USA, Kanada und ihre starken Verbände schon zu diesem Zeitpunkt einen deutlichen Sieg über die Interessen der EG errungen haben. Die beiden Unachtsamkeiten der Delegierten aus den EG-Mitgliedern könnten sich nun als schwerwiegende Fehler herausstellen, deren Folgen in Zukunft nur schwer auszugleichen sind und den Rechtsetzungsorganen der EG und ihrer Mitgliedstaaten zu enge Grenzen bei Regelungen im Bereich des Gesundheitsschutzes der Verbraucher setzen. Jedenfalls wurde deutlich, daß der seit über 10 Jahren schwelende Hormonstreit nach den Beschlüssen in der CAK mit Ratifizierung des SPSÜbereinkommens für die USA und Kanada faktisch schon gewonnen war. Ohne wissenschaftlichen Nachweis konnte die EG das Hormonverbot nicht als WTO-konform aufrechterhalten. Für die EG und ihre Mitgliedstaaten haben die dargestellten Entwicklungen in der Literatur zu der Forderung geführt, die Arbeit in der CAK ernst zu nehmen und effektiv zu gestalten.150 Nachdem Art. 2 CAK-Statut der EG als Mitglied der FAO die Möglichkeit einer Vollmitgliedschaft bei der CAK einräumt, hat der Rat die Kommission mit Entscheidung vom 21. Dezember 1993 ermächtigt, die Bedingungen und Voraussetzungen für den Beitritt der EG zur CAK auszuhandeln. Am 1. Juni 2001 hat die Europäische Kommission schließlich einen Vorschlag für eine Ratsentscheidung zur Aufnahme der EG bei der CAK erlassen.151 Die EG hat der zunehmenden Bedeutung der CAK über die 149

Nicht ausgeschlossen werden kann allerdings, daß die Vertreter der EG bei den Verhandlungen der Uruguay-Runde aus verhandlungstaktischen Gründen dem Abschluß des SPS-Übereinkommens mit diesem Wortlaut zustimmten und hierbei gleichzeitig den schwelenden Hormonstreit mit den USA und Kanada verloren gaben. Möglicherweise haben die Delegierten während der Uruguay-Runde im Rahmen eines sogenannten package deals Zugeständnisse anderer Verhandlungspartner als Gegenleistung erhalten. 150 Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 386; Streinz, Die Bedeutung des WTO-Übereinkommens für den Lebensmittelverkehr, JbUTR 1996, S. 453. 151 Kommission der EG, Proposal for a Council Decision on the accession of the European Community to the Codex Alimentarius Commission (ABlEG Nr. C 270, v. 25. September 2001, 1). Diesem Vorschlag wurde im Anhang II eine Deklaration zur Kompetenzverteilung beigefügt. Danach soll die EG die ausschließliche Kompetenz für Themen haben, die eine Harmonisierung von Standards betreffen, die bereits durch Rechtsakt der Gemeinschaft auf Gemeinschaftsebene (zumindest in wei-

V. Ergebnisse

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WTO und das SPS-Übereinkommen hiermit Rechnung getragen. Sie erhofft sich mit dem Beitritt, ihre Kompetenz bei Aushandlung und Verabschiedung von CAK-Standards zukünftig besser im Interesse des Gesundheitsschutzes und der Verbraucher durchsetzen zu können.152

V. Ergebnisse 1. Zielverlagerung der Codex Alimentarius Kommission Zunächst ist festzustellen, daß sich die Ziele der CAK verlagert haben. Auch wenn von Seiten der CAK immer wieder betont wird, daß das Schwergewicht ihrer Arbeit auf dem Gesundheitsschutz liegen sollte, lassen die Entwicklung der CAK im Hinblick auf ihre Einbindung in das multilaterale Handelssystem der WTO und die zunehmende Beteiligung von multinationalen Lebensmittel- und Agrarkonzernen an den entscheidenden Sitzungen erkennen, daß bei der Arbeit der CAK eine Veränderung der Zielsetzung eingetreten ist.153 Das Ziel des Gesundheitsschutzes der Verbraucher ist durch das Fernziel der internationalen Harmonisierung von Lebensmittelstandards zum Zwecke des Abbaus von Handelsschranken und freien Verkehrs von Lebensmitteln zunehmend in den Hintergrund gerückt.154 Die Beseitigung von Handelshemmnissen erlangt eine immer größere Bedeutung in der Arbeit der CAK. So war die CAK sich in ihren Beratungen über die Implementierung der Ergebnisse der Uruguay-Runde einig, daß sie ihre Arbeiten mehr als bisher an den aktuellen Fragen des internationalen Handelsverkehrs orientieren muß. Aufgrund der Bedeutung der Codex-Standards im Rahmen des SPSÜbereinkommens für den internationalen Handel ist nach Ansicht der CAK eine solche Neuausrichtung der CAK-Arbeiten auch erforderlich. Hierbei sollte die CAK jedoch ihren eigenen Charakter bewahren. ten Teilen) harmonisiert worden sind. Die Mitgliedstaaten behalten dann die Kompetenz für organisatorische Fragen sowie Verfahrensabläufe. In allen übrigen Bereichen sind Mitgliedstaaten und EG jeweils gleichberechtigt zuständig. 152 So der zweite und dritte Erwägungsgrund des Kommissionsvorschlages (Kommission der EG, Proposal for a Council Decision on the accession of the European Community to the Codex Alimentarius Commission; ABlEG Nr. C 270, v. 25. September 2001, 1). 153 Streinz, Die Bedeutung des WTO-Übereinkommens für den Lebensmittelverkehr, JbUTR 1996, S. 448; Merkle, Der Codex Alimentarius der FAO und WHO, S. 16 m. w. N. 154 Wolfrum, HbdVN, Nr. 19, Rdn. 23; Kermode, Food Standards for the World, World Health 1983, S. 11.

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Die CAK kam in ihrem Dokument vom 24. Mai 1995 Implementation of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations zu folgender Schlußfolgerung: „Whilst the GATT Agreements provide a new focus on, and status for, Codex standards, guidelines and recommendations, it is important that the Codex Alimentarius Commission is able to maintain its own focus and priorities“.155

Durch die Beschlußfassung aufgrund einfacher Mehrheitsentscheidung wird es nun einem Mitgliedstaat der CAK möglich sein, bei der Festsetzung eines bestimmten Standards mitzustimmen, auch wenn er ein Eigeninteresse an einem niedrigeren Standard hat.156 Es ist unwahrscheinlich, daß ein Mitgliedstaat mit einem niedrigeren nationalen Schutzstandard in einem solchen Abstimmungsverfahren für höhere Standards stimmen würde, denn dadurch würde er seine eigenen Produkte vom internationalen Handel ausschließen. Somit kann ein Mitgliedstaat sich von ökonomischen Interessen leiten lassen und dem Gesundheitsschutz der Verbraucher geringeres Gewicht beimessen.157 Dieses Verfahren scheint daher einem niedrigeren Schutzniveau der Gesundheit durch Codex-Standards Vorschub zu leisten. 2. Demokratiedefizit in den Codex-Verfahren Zweitens wurde aufgezeigt, daß die Verbraucherverbände und die Öffentlichkeit an der immer wichtiger werdenden Festsetzung von Codex-Standards weniger beteiligt sind, als sie es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sein sollten. Nach dem in demokratischen Systemen anerkannten Rechtsstaatsprinzip verlangt die Ausübung jeglicher hoheitlicher Gewalt die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit (Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit), der Transparenz (Öffentlichkeit, Begründung und Publikation) und des wirksamen Rechtsschutzes.158 Die Verfahren der CAK entsprechen solchen demokratischen und rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht.159 Insbesondere die wichtigen Entscheidungen in den einzelnen Co155

ALINORM 95/7, Part 1 (Revised). Eine Entscheidungsfindung im Mehrheitsverfahren scheint inzwischen in der Praxis das ursprüngliche Konsensverfahren fast vollständig verdrängt zu haben: Stewart/Johanson, The SPS-Agreement of the World Trade Organisation and International Organisations, Syracuse J. Int’l L. & Com. 26/27 (1998), S. 45. 157 In diesem Sinne auch: Sikes, FDA’s Consideration of Codex Alimentarius Standards in Light of International Trade Agreements, Food and Drug Law Journal 53 (1998), S. 328 f. 158 Hilf/Reuß, Verfassungsfragen lebensmittelrechtlicher Normierung im europäischen und internationalen Recht, ZLR 1997, S. 298. 159 Die CAK hat diese verfassungsrechtlichen Bedenken auch nicht dahingehend kompensiert, als einem internationalen Verhandlungssystem zwischen demokratischen Regierungen eine eigene Legitimität zugewiesen wurde, wie etwa bei der EG. 156

V. Ergebnisse

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dex-Komitees können von der Öffentlichkeit nicht personell zugeordnet werden, da die Standards in geheimer Abstimmung beschlossen werden. Neben mangelnder Einbeziehung von Verbraucherinteressen gibt es kein Einspruchs- oder Klagerecht gegen entsprechende Festsetzungen. Damit fehlen zentrale Erfordernisse des Rechtsstaatsprinzips.160 Die Ausübung von Hoheitsgewalt hat sich in allen Verfassungsstaaten an grundlegenden Prinzipien auszurichten. Hierzu gehört insbesondere, daß grundrechtliche, demokratische, rechtsstaatliche und sozialstaatliche Anforderungen zu berücksichtigen sind. Im deutschen Recht verlangen Art. 23 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG für eine Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, daß diese demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Eine erforderliche Legitimationskette – ausgehend vom demokratisch gewählten Gesetzgeber auf nationaler Ebene bis hin zu den CAK-Verfahren – wäre aufgrund ihrer Entfernung zum nationalen Gesetzgeber und ihrer geringen Transparenz unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten hier jedoch kaum zu erkennen.161 Es ist folglich zumindest mehr Transparenz in den Verfahren zu fordern.162 Darüber hinaus wird in der Literatur teilweise diskutiert, ob die CAK eine rechtliche Grundlage in Form eines internationalen Abkommens erhalten soll.163 Ein solcher internationaler Vertrag wäre jedoch schwierig auszuhandeln, da die CAK jetzt schon über 165 Vollmitglieder hat. Zudem würde dieser die Position der CAK und ihre Legitimationsgrundlage nicht wesentlich verbessern.164 Äußerst fragwürdig erscheint es, wenn die Zahl der Repräsentanten der 20 weltweit führenden Agrar- und Lebensmittelkonzerne die der Regie160

Ebenso: Sander, Gesundheitsschutz in der WTO – eine neue Bedeutung des Codex Alimentarius im Lebensmittelrecht?, ZeuS 2000, S. 348. 161 Das Demokratieprinzip verlangt eine erkennbare und tragfähige Legitimationskette zwischen den Bürgern, bzw. den von diesen zur politischen Kontrolle eingesetzten Instanzen bis hin zur abschließenden Regelungsinstanz; Hilf/Reuß, Verfassungsfragen lebensmittelrechtlicher Normierung im europäischen und internationalen Recht, ZLR 1997, S. 297. 162 In diesem Sinne auch: Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 387. Die Einräumung des offiziellen Beobachterstatus an bestimmte internationale NGOs kann dieses Defizit nur unzureichend beheben (es hat sich gezeigt, daß auch hier die Industrieverbände zahlenmäßig den Verbraucherverbänden überlegen sind), ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. 163 Vgl. nur: Herwig, Legal and institutional aspects in the negotiation of a Codex Alimentarius Convention, ZLR 2001, S. 259 ff. m. w. N. 164 So im Ergebnis auch: Herwig, Legal and institutional aspects in the negotiation of a Codex Alimentarius Convention, ZLR 2001, S. 275 f.

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

rungsvertreter eines jeden Landes auf den CAK-Sitzungen übertrifft, gleichzeitig aber die Zahl der Teilnehmer von Organisationen, die Verbraucherinteressen vertreten, insgesamt unter 1 % liegt.165 Ein Gremium wie die CAK im System der UNO sollte sich nicht der Gefahr der Unterwanderung ihrer Ziele durch rein ökonomische Interessen aussetzen. 3. Harmonisierung durch die Hintertür? Durch die Einbeziehung der Codex-Standards in das SPS-Übereinkommen und somit in das WTO-System haben die CAK-Standards eine erhebliche Aufwertung erfahren.166 Die obigen Ausführungen lassen vermuten, daß sich nicht alle Mitglieder von WTO und CAK über die Konsequenzen der vereinbarten Regelungen bewußt waren. Die Harmonisierung von SPS-Normen auf Grundlage internationaler Normen wie der CAK-Standards ist ein wesentliches Ziel des SPS-Übereinkommens. Es bekräftigt den Wandel der Zielsetzung in der Arbeit der CAK, wenn durch diese Einbeziehung in das WTO-System internationale Harmonisierung von Lebensmittelstandards zum Zwecke des Abbaus von Handelsschranken betrieben werden soll. Hierbei erscheinen jedoch insbesondere zwei Defizite im Zusammenspiel von CAK und WTO bedenklich: Erstens ist angesichts dieser Rechtslage nicht auszuschließen, daß über diese Aufwertung ein Anpassungsdruck nach unten bevorsteht, der zu einer allgemeinen Absenkung des Gesundheitsschutzes bei Lebensmitteln führen wird.167 Diese Bedenken werden dadurch erhärtet, daß das Konsensprinzip in den CAK-Verfahren zunehmend von einfachen Mehrheitsentscheidungen abgelöst wird.168 Zweitens hat die vorangegangene Untersuchung erhebliche demokratische Mängel in den Verfahren der CAK zu Tage gefördert. Solange die Verfahren der CAK intransparent bleiben und sich der demokratischen Kontrolle entziehen, kann eine solche Harmonisierung von Schutzstandards im WTO165

So SZ v. 24.06.1993, S. 2: „Weniger Lebensmittelschutz durch GATT“. Diese Beobachtung im Hormonstreit wird durch das Verfahren EC – Sardines bestätigt, in dem die Normen der CAK auch über das TBT-Übereinkommen Einzug in das WTO-System gehalten haben, B.IV.2.b). 167 Charnowitz erachtet sowohl die Möglichkeit einer „upward“ als auch die Möglichkeit einer „downward“ Harmonisierung zukünftig als nicht ausgeschlossen (Charnovitz, Environment and Health Under the WTO Dispute Settlement, Int. Lawyer 32 (1998), S. 915 f.). 168 Im Ergebnis auch: Stewart/Johanson, The SPS-Agreement of the World Trade Organisation and International Organisations, Syracuse J. Int’l L. & Com. 26/27 (1998), S. 52 f. 166

V. Ergebnisse

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System über die CAK aus rechtstaatlicher Sicht legitimerweise nicht stattfinden. Das Berufungsgremium war im Hormonstreit bemüht, Bedenken hinsichtlich eines Verbindlicherklärens von Codex-Standards über das WTO-System zu zerstreuen, indem es die Meinung äußerte, das Ziel einer Harmonisierung im SPS-Übereinkommen solle erst in Zukunft erreicht werden.169 Es hat ausgeführt, die Mitglieder seien nicht verpflichtet, die Standards der CAK jetzt und sofort unmittelbar anzuwenden. Diese Standards hätten, so das Berufungsgremium, einen Empfehlungscharakter und können daher nicht über den Umweg des SPS-Übereinkommens verpflichtend wirken und so in rechtlich verbindliche Normen transformiert werden.170 Das Berufungsgremium wollte damit die Unterscheidung zwischen verbindlichem Völkerrecht und soft law aufrechterhalten und hat deshalb die gegenteilige Auslegung des Panels richtigerweise zurückgewiesen. Diese Auslegung rief – insbesondere unter den Anhängern des amerikanischen Standpunkts – erhebliche Kritik hervor. So wurde bemängelt, daß das in Art. 3 Abs. 1 SPS beschriebene Ziel des SPS-Übereinkommens, eine möglichst weitgehende Harmonisierung zu erreichen, nun unmöglich gemacht werde. Von einigen Teilen der Literatur wird dieser Bericht daher als Rückschritt in bezug auf internationale Harmonisierungsbestrebungen von Schutzstandards und SPS-Maßnahmen angesehen. Das Berufungsgremium sehe die Standards der CAK lediglich als weiche unverbindliche Normen an, was von den Vertragsparteien aber so nicht gewollt sei. Durch den Berufungsbericht sei, so die Kritik, ein wesentliches Merkmal des SPS-Übereinkommens in eine idealistische und unverbindliche Zielsetzung gewandelt worden.171 Andere Stimmen wiederum sehen nach dem Berufungsbericht die Gefahr gebannt, daß die nationalen Schutzstandards durch internationale Harmonisierung verwässert werden könnten.172 Trotz dieser Kritik zeigt sich in dem Berufungsbericht, daß den WTOMitgliedern über Art. 3 Absätze 1 und 3 SPS die Rechtfertigungslast in Form einer Risikobewertung obliegt, wenn sie über die CAK-Standards hinausgehen und zwar auch dann, wenn sie diese nicht formell angenommen 169 Diese Auslegung des Art. 3 SPS und der Präambel haben im Text des SPSÜbereinkommens jedoch keine Grundlage. 170 Hormonstreit, Berufungsbericht, Para. 165. 171 Vgl. nur McNiel, The First Case Under the WTO’s Sanitary and Phytosanitary Agreement: The European Union’s Hormone Ban, Virg. JIL 39 (1998), S. 123 f. und 133 m. w. N. 172 Roberts, Preliminary Assessment of the Effects of the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Trade Regulations, JIEL 1 (1998), S. 403.

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F. Harmonisierung von Schutzstandards durch die WTO?

haben. Nationale Maßnahmen mit einem höheren Schutzniveau als in den Codex-Normen festgelegt, sind stets durch eine ausführliche Risikobewertung zu rechtfertigen.173 Diese Rechtfertigungslast greift in erheblichem Maße in die durch das Codex System über die formelle Annahme gewährte Absicherung der Mitglieder in ihr gesundheitspolizeiliches und pflanzenschutzrechtliches Schutzsystem ein.174 In dem Verfahren EC – Sardines deutet sich nach dem Panelbericht eine Trendwende in bezug auf die Harmonisierung lebensmittelrechtlicher Standards der CAK im WTO-System an. Die Codex-Standards wurden in diesem Verfahren über das TBT-Übereinkommen im Ergebnis als verbindlich zugrundgelegt.175 Harmonisierung durch Normen der Codex Alimentarius Kommission scheint somit kein fernliegendes Ziel mehr zu sein.176 Problematisch könnte diese Auslegung deshalb sein, weil den ursprünglich als unverbindliche soft law Normen entwickelten CAK-Standards so – quasi durch die Hintertüre – indirekt eine verbindliche Wirkung zukommen könnte, an deren Nichtbefolgung detaillierte Rechtfertigungspflichten geknüpft sind.177 Die Mitgliedstaaten haben in den Verhandlungen der CAK ihre Zustimmung zu entsprechenden Standards und Rückstandshöchstwerten nur unter der Voraussetzung gegeben, daß diese nicht bindend sind, bevor sie durch nationalen Akt formell angenommen werden. Nur unter dieser Prämisse konnten sich die Mitgliedstaaten der CAK auf die Masse an Standards und Rückstandshöchstwerten einigen, die bisher regelmäßig ohne Abstimmung im Konsensverfahren zustande gekommen sind. Es sollte zukünftig verstärkt auf eine klare Trennung zwischen soft law Regelungen auf der einen und Völkerrechtsnormen auf der anderen Seite geachtet werden. Solange die WTO-Mitglieder nicht ausdrücklich die CAKStandards als rechtlich verbindliche Normen in das WTO-System einbeziehen, haben diese Standards als unverbindliche Empfehlungen zu gelten. Erst nach förmlicher Annahme erlangen diese Standards für das entsprechende Mitglied verbindlichen Charakter. 173 Zu den Anforderungen an eine Risikobewertung nach Art. 5 Abs. 1 SPS s. oben C.III.1. 174 D. Eckert bemängelt, daß hierdurch dasjenige Mitglied in die Rolle des Gesetzesbrechers gedrängt werde, der eigene Standards – unabhängig von internationalen Vorgaben- einführt; Eckert, Die neue Welthandelsordnung und ihre Bedeutung für den internationalen Verkehr von Lebensmitteln, ZLR 1995, S. 381 ff. 175 s. hierzu bereits oben B.IV.2.b). 176 Abzuwarten bleibt, wie das Berufungsgremium in diesem Verfahren entscheidet. 177 So schon nach Einführung des SPS-Übereinkommens Streinz, Die Bedeutung des WTO-Übereinkommens für den Lebensmittelverkehr, JbUTR 1996, S. 450 f. und Ritter, Das WTO-Übereinkommen und seine Auswirkungen auf das Deutsche und Europäische Lebensmittelrecht, EuZW 1997, S. 135.

G. Schlußbetrachtung und Ausblick Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich in folgende fünf Thesen zusammenfassen: 1. Zusammen mit dem SPS-Übereinkommen wurde ein neuer Grundpfeiler in das WTO-System eingeführt, um zulässige SPS-Maßnahmen zum Gesundheitsschutz von protektionistischen Maßnahmen abzugrenzen: Naturwissenschaft. 2. Diese neue Strategie der „Wissenschaftlichkeit“ hat sich in den bisherigen WTO-Verfahren praktisch bewährt. Obwohl hierdurch in die regulatorische Entscheidungsfindung der WTO-Mitglieder eingegriffen wird, stehen dieser Konzeption aus demokratietheoretischer Sicht grundsätzlich keine Bedenken gegenüber. Ausnahme hiervon bilden Fälle potentieller Gesundheitsgefährdung bei erheblicher wissenschaftlicher Unsicherheit oder ohne verfügbare wissenschaftliche Daten, in denen der Gesetzgeber durch die Verbraucher faktisch zum Handeln gezwungen wird. 3. Das Diskriminierungsverbot des GATT wurde durch die Vorschriften des SPS-Übereinkommens und die Berichte der WTO-Streitschlichtungsorgane erweitert und den nichttarifären Handelshemmnissen durch SPSMaßnahmen angepaßt. Nichtdiskriminierung bleibt der wichtigste Grundsatz des WTO-Rechts und sollte in den genannten Zweifelsfällen alleiniger Prüfungsmaßstab bleiben. 4. Die Verrechtlichung des WTO-Systems entwickelt sich zunehmend. Hierdurch hervorgerufene Einschränkungen nationaler Souveränität sind im Hinblick auf die wohlstandsfördernde Zielsetzung der WTO – in Grenzen – hinzunehmen. Die zunehmende Verrechtlichung auf WTOEbene steht gegenläufig zu einer Tendenz der „Entrechtlichung“ im deutschen Verwaltungsrecht bei der richterlichen Kontrolle von SPS-Maßnahmen. 5. Der Harmonisierung von Vorschriften zum Gesundheitsschutz auf WTOEbene stehen zum jetzigen Zeitpunkt – insbesondere mit Blick auf die Verfahren der Codex Alimentarius Kommission – erhebliche rechtsstaatliche Bedenken gegenüber. Es besteht die Gefahr versteckter Supranationalität aufgrund faktischer Bindungswirkung von Standards, die als rechtlich unverbindliche Empfehlungen konzipiert sind.

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G. Schlußbetrachtung und Ausblick

Die zentrale Strategie des SPS-Übereinkommens ist die Nutzung von (Natur-)Wissenschaft zur Unterscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen protektionistischen SPS-Maßnahmen. Mit Hilfe von Wissenschaft sind protektionistische Maßnahmen herauszufiltern, ohne den Mitgliedern der WTO das Recht abzusprechen, ihr eigenes Niveau zum Gesundheitsschutz selbst zu bestimmen. Aus WTO-Sicht überzeugt dieser Ansatz der „Verwissenschaftlichung“. Er hat sich in der praktischen Anwendung bewährt. Eine Koordinierung des internationalen Handels zwischen den vielen Mitgliedern erfordert ein gewisses Maß an Konformität, Universalität und Vorhersehbarkeit. Die Wissenschaft ist am ehesten in der Lage, diese Anforderungen zu erfüllen. Wissenschaft ermöglicht, universelle Standards zu setzen, an denen sich die Mitglieder orientieren können, Konflikte zu versachlichen und zu entpolitisieren und gleichzeitig Risiken und Gefahren für die menschliche Gesundheit zu erkennen und erforderlichenfalls auszuschließen. Dieser rationale wissenschaftliche Ansatz des SPS-Übereinkommens hat zwangsläufig zur Folge, daß das Recht als Instrument anderer Werte – wie beispielsweise soziale Ordnung, Ethik, Gesellschaft, Kultur – in diesem System nur noch eine geringe Rolle spielt. Doch aus dieser technokratischen Konzeption einen Demokratieverlust herleiten zu wollen, ginge zu weit. Es ist zu bedenken, daß SPS-Maßnahmen in nationalen Rechtsordnungen regelmäßig auf wissenschaftlicher Grundlage erlassen werden.1 Die konkrete Wahl eines angemessenen Standards zum Gesundheitsschutz auf Grundlage der wissenschaftlichen Ergebnisse bleibt den WTOMitgliedern im System des SPS-Übereinkommens unbenommen. So haben die Streitschlichtungsorgane ausdrücklich das Recht jedes Mitglieds betont, sich für ein Schutzniveau zu entscheiden, das das Gesundheitsrisiko auf Null reduziert. An dieser Stelle – der eigenständigen Wahl eines akzeptablen Risikos – erfolgt auf nationaler Ebene (oder innerhalb der EG) die eigentliche demokratische Entscheidung: nämlich ob und wie auf Grundlage der zuvor erforschten wissenschaftlichen Daten eine Maßnahme zum Gesundheitsschutz zu erlassen ist. Problematisch ist das SPS-System in zwei Situationen: – Erstens in Fällen potentieller Gesundheitsgefährdung bei erheblicher wissenschaftlicher Unsicherheit oder ohne verfügbare wissenschaftliche Daten.

1 In Fällen, in denen die wissenschaftlichen Nachweise nicht ausreichen und weiter zu erforschen sind, bietet das SPS-Übereinkommen die Möglichkeit, vorläufige Maßnahmen zu erlassen oder beizubehalten (Art. 5 Abs. 7 SPS).

G. Schlußbetrachtung und Ausblick

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– Zweitens in Situationen einer starken Verbraucheropposition gegen ein bestimmtes Produkt oder eine Substanz ohne wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, wenn der nationale Gesetzgeber faktisch zum Handeln gezwungen wird. In diesen beiden Fällen ist das SPS-System noch nicht ausgereift und bietet keine praktikablen Lösungen. Es ist zu fordern, daß sich im ersten Fall die Prüfung auf die dem GATT ureigene Frage zurückzieht, ob die streitige Maßnahme diskriminierend wirkt. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß das SPS-Übereinkommen für die Problematik der nichttarifären Handelshemmnisse einen besonderen Lösungsweg bereitstellt, der über das Meistbegünstigungsprinzip und die Inländergleichbehandlung des GATT hinausgeht. Es geht bei dem erweiterten Diskriminierungsverbot des SPS-Übereinkommens um die „konsequente Anwendung des Konzepts eines angemessenen Niveaus des gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Schutzes“. Hierbei wird auf die Diskriminierung von Situationen oder Waren unabhängig von ihrer Herkunft abgestellt. Damit kann bei einer willkürlichen oder ungerechtfertigten Unterscheidung zwischen vergleichbar gefährlichen Situationen oder Produkten auch dann ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegen, wenn eine SPS-Maßnahme diskriminierungsfrei gleichermaßen auf Importe und heimische Produkte Anwendung findet. Dieses Verbot könnte als „Beschränkungsverbot“ bezeichnet werden. Der zweite Fall betrifft im wesentlichen das Problem mangelhafter Kommunikation. Dieses Problem kann jedoch nur zum Teil von der WTO selbst gelöst werden. Es fällt in den Verantwortungsbereich der nationalen Regierungen, ihre Bevölkerungen zu unterrichten über die wirklichen Gefahren, das erstrebte Schutzniveau sowie die zu erlassenden Maßnahmen und deren wissenschaftliche Grundlage.2 Die Ausführungen des Panel in Australia – Salmon gehen in eine ähnliche Richtung: „In our view, risk communication is an important aspect of risk analysis. Nowhere should our report be interpreted as discouraging risk communication.“ 3

Das WTO-System wird durch das Streitschlichtungsverfahren weiter verrechtlicht und entwickelt sich hierdurch zu dem von Petersmann geschilderten „rule-oriented system“.4 Insbesondere die in dieser Studie herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten zu der Justiziabilität durch deutsche Gerichte 2 Vgl. Pauwelyn, An overview of the WTO agreements on health and technical standards and their impact on communication, ZLR 2000, S. 856 f. 3 Australia – Salmon, Panelbereicht, Para. 7.18. 4 Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 64.

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G. Schlußbetrachtung und Ausblick

im Spannungsfeld zwischen Beurteilungsspielraum, wissenschaftlichen Unsicherheiten und richterlicher Kontrolldichte sowie in Beweisfragen legen nahe, daß sich hier ein Streitbeilegungssystem entwickelt, das dem eines gerichtsförmigen Verfahrens immer ähnlicher wird.5 In der Literatur wird darüber hinaus heftig diskutiert, wie weit das Streitschlichtungsverfahren zu einer Konstitutionalisierung6 der WTO beitragen kann und soll.7 Die Auswirkungen des DSU in seiner praktischen Anwendung auf die Rolle der WTO lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht umfassend abschätzen. Fest steht, daß die Streitschlichtungsrgane ihre klare Rolle innerhalb der WTO festigen und zu einem gerichtsähnlichen Verfahren beitragen. Es ist jedoch festzuhalten, daß trotz des unbestrittenen Erfolges der WTO-Streitbeilegung in seiner Akzeptanz durch die Mitglieder der Weg zu einer echten Rechtsgemeinschaft in der WTO (in der sich die Prinzipien der WTO mit den Rechtsordnungen ihrer Mitglieder verknüpfen und sich gegenseitig verstärken können) noch weit ist.8 Bewerkenswert in diesem Zusammenhang erscheint, daß es gerade der „Rechtsgemeinschaft“ EG zu5 Eine zunehmende Verrechtlichung des WTO Systems ist auch die zentrale These von v. Bogdandy/Makatsch, Collision, Co-existence or Co-operation?, in: de Búrca/Scott, „The EU and the WTO“, S. 132 ff. 6 Hierbei geht es nicht etwa um die Frage, der WTO die Funktion einer „Weltregierung“ zukommen zu lassen. Vielmehr geht es darum, die „wirtschaftsverwaltungsrechtliche“ Regulierung mit dem Ziel der Sicherung des Wettbewerbs und der Offenhaltung von Märkten in Einklang zu bringen mit der nicht-ökonomisch bestimmten Regulierung zur Durchsetzung der Grundrechte, des Datenschutzes, des Verbraucherschutzes und der öffentlichen Sicherheit; insoweit zutreffend: Grewlich, Wettbewerbsordnung als Bestandteil völkerrechtlicher Konstitutionalisierung, RIW 2001, S. 642. 7 Eine umfassende Konstitutionalisierung fordert: Petersmann, Constitutionalism and International Organisations, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996), S. 398 ff.; ders., European and International Constitutional Law: Time for Promoting „Cosmopolitan Democracy“ in the WTO, in: de Búrca/Scott, „The EU and the WTO“, S. 81 ff.; Moderat zurückhaltend: Cottier, The Limits of International Trade: The Constitutional Challenge, Address before the Annual Meeting of the American Society of International Law, in: ASIL Proceedings, Vol. 94/2000, S. 220 ff. und Weiler, The Rule of Lawyers and the Ethos of Diplomats-Reflections on the Internal and External Legitimacy of WTO Dispute Settlement, Jean Monnet Working Paper 9-2000; im Vergleich mit der EU: Walker, The EU and the WTO: Constitutionalism in a New Key, in: de Búrca/Scott, „The EU and the WTO“, S. 31 ff.; Holmes, The WTO and the EU: Some Constitutional Comparison, in: de Búrca/Scott, „The EU and the WTO“, S. 59 ff.; kritisch: Howse/Nicolaidis, Legitimacy and Global Governance: Why Constitutionalizing the WTO is a Step Too Far, in: Suavé/Subramanian, „Efficiency, Equity and Governance: The Multilateral Trading System at the Millenium“, S. 98 ff. 8 In diesem Sinne zutreffend: Hilf, Allgemeine Prinzipien der welthandelsrechtlichen Streitbeilegung, EuR – Beiheft 1-2002, S. 189 f.

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nehmend schwerer fällt, die Beschlüsse der WTO-Streitschlichtungsorgane zu akzeptieren und umzusetzen und damit die Justizförmigkeit des WTOSanktionssystems zu akzeptieren.9 Dies hängt möglicherweise auch damit zusammen, daß der EuGH die unmittelbare Anwendbarkeit von WTO-Recht immer noch unter Hinweis auf die Struktur der WTO-Abkommen und den politischen Charakter der WTO-Streitbeilegung verneint.10 Im WTO-System ist bisher kein legislativer Mechanismus vorgesehen, der eine Gesetzgebungskompetenz zusichern könnte. Grund hierfür ist unter anderem, daß immer noch kein internationales Verfahren absehbar ist, das ausreichende demokratische Legitimität für eine autonomisierte Rechtsetzung auf globaler Ebene garantieren könnte.11 Über die Einbeziehung internationaler Organisationen wie der Codex Alimentarius Kommission über das SPS-Übereinkommen in das WTO-System wäre es jedoch zukünftig im Bereich des Gesundheitsschutzes bei Schutzstandards und technischen Vorschriften denkbar, eine zielgerichtete Rechtsangleichung (Harmonisierung) voranzutreiben. Zudem wird durch die starke Betonung von Wissenschaft weitgehend in die Gesetzgebungskompetenz und die Souveränität von Mitgliedern eingegriffen. Die Pflicht zur wissenschaftlichen Rechtfertigung bei SPS-Maßnahmen, die über international festgelegte Schutzstandards hinaus gehen, kann dazu führen, daß innerstaatliche Normen und Regeln verstärkt unter wissenschaftlichem Einfluß zustandekommen und so dem WTO-System mittelbar einen rechtssetzungsähnlichen Charakter geben.12 Die Codex Alimentarius Kommission wird durch ihre Aufwertung über das SPS-Übereinkommen und die WTO-Verfahren zunehmend in das öffentliche Interesse rücken.13 In dieser Untersuchung wurde ein erster Schritt geleistet, die Codex Alimentarius Kommission in ihrer Funktionsweise und 9 Dies wird unter anderem deutlich, an der (bisherigen) Weigerung der EG, die Beschlüsse zum Hormonstreit umzusetzen; vgl. auch: Schroeder/Schonard, Die Effektivität des WTO-Streitbeilegungssystems, RIW 2001, S. 664; McDonald, Die (Nicht-)Umsetzung von Panel Beschlüssen der WTO im Recht der USA und der EU, 1 ZEuS (1998), S. 249 ff. 10 So entschied der EuGH im Grundsatzurteil vom 23. November 1999: „Somit gehören die WTO-Übereinkünfte wegen ihrer Natur und Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der EuGH die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane mißt.“ (EuGH, Rs. C-149/96 – Portugal/ Rat, Slg. 1999, I-8395, Rdn. 47). 11 v. Bogdandy, Verfassungsrechtliche Dimension der Welthandelsorganisation, KJ 2001, S. 265 ff. (280). 12 So Atik, Science and International Regulatory Convergence, Nw. J. Int’l L. & Bus. 17 (1996–1997), S. 739. 13 Das Verfahren EC – Sardines, zeigt, daß die CAK auch über das TBT-Übereinkommen zunehmend mehr an Bedeutung gewinnt.

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ihren Verfahren zur Festsetzung von Schutzstandards kritisch zu beleuchten. Eine Verstärkung demokratischer Elemente in den Beschlußverfahren, sowie eine transparente Öffnung ihrer Gremien ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf ihre demokratische Legitimation dringend erforderlich. Solange diese Reformen nicht durchgeführt worden sind, ist eine Harmonisierung auf WTO-Ebene mit Hilfe der Codex Alimentarius Kommission unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich. Diese Studie hat aufgezeigt, daß das multilaterale Handelssystem der WTO in Zukunft vielleicht eine der größten Herausforderungen der EG darstellen wird.14 Der wachsende Einfluß des WTO-Regimes, insbesondere im Bereich des Gesundheitsschutzes und des Lebensmittelhandels, hat mittelbar zwei Entwicklungen in der EG bewirkt: – Die EG wird Vollmitgliedschaft in der Codex Alimentarius Kommission beantragen, um so der Aufwertung dieser Organisation durch das SPSÜbereinkommen Rechnung zu tragen und mehr Einfluß auf die internationalen Harmonisierungsbestrebungen und die Festlegung von Schutzstandards nehmen zu können.15 – Zum 1. Januar 2002 wurde die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ins Leben gerufen, die als Aufgabe hat, Gesundheitsrisiken zu identifizieren, zu bewerten und die Europäische Kommission wissenschaftlich und technisch zu unterstützen.16 Information der Öffentlichkeit und Kommunikation mit den Verbrauchern nehmen bei der Arbeit dieser Behörde – nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen im Hormonstreit – einen besonderen Schwerpunkt ein.17 Ein Handelskonflikt über genmanipulierte Nahrungsmittel könnte der nächste wichtige Test für das WTO-System im Bereich Gesundheitsschutz werden.18 Ähnlich wie bei dem wichtigen Hormonstreit kann bisher wissenschaftlich nicht bewiesen werden, daß solche Nahrungsmittel gesundheits14 So auch v. Bogdandy, Beobachtungen zu Wissenschaft vom Europarecht, Der Staat 2001, S. 40. 15 Kommission der EG, Proposal for a Council Decision on the accession of the European Community to the Codex Alimentarius Commission (ABlEG Nr. C 270, v. 25. September 2001, 1). 16 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABlEG Nr. L 31, v. 1. Februar 2002, 9). 17 So ausdrücklich die Ausführungen in den Erwägungsgründen 9, 22, 47, 53 und 54 zu der Verordnung zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002).

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schädlich sind. Dennoch legen WTO-Mitglieder wie die EG den Handelspartnern in diesem Bereich bereits Pflichten auf, die handelsbeschränkend wirken können.19 Inzwischen wurde diesbezüglich das erwartete Verfahren vor der WTO angestrengt. Mit Spannung darf erwartet werden, wie die Streitschlichtungsorgane über die Frage der Vereinbarkeit der (europäischen) Regelungen zu gentechnisch veränderten Organismen mit WTORecht entscheiden werden. Die von einigen Stimmen geforderte Erweiterung der WTO-Politik auf handelsfremde Gebiete ist abzulehnen. Gesundheitsschutz bleibt durch die einzelnen Mitglieder national zu regulieren. Die WTO hat ihre Stärke bisher durch Reduktion erreicht, eine Überfrachtung könnte sie wieder schwächen.20 Das Hauptziel des WTO-Systems bleibt es, den Handel durch den Abbau von Handelsschranken zu liberalisieren, ohne hierbei jedoch legitime Regierungspolitik in anderen Bereichen auszuschließen.21 Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse nach dem SPS-Übereinkommen (ebenso wie nach dem TBT-Übereinkommen) einen breiteren Diskurs benötigt: Die WTO berührt durch diese Abkommen – wesentlich mehr als das alte GATT-System – unmittelbar die Interessen von Verbrauchern. Es erfolgt ein Wandel von der eher technischen Übung, Zölle abzubauen, hin zu der 18 Für einen weiterführenden Überblick über die Problematik nur: Burchardi, Labelling of Genetically Modified Organisms, ZLR 2002, S. 83 ff.; Macmillan/ Blakeney, Regulating GMOs: Is the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures Hormonally Challenged? Part 1: Int. TLR 4 (2000), S. 131 ff.; Part 2: Int. TLR 5 (2000), S. 161 ff.; Pepa, International Trade and Emerging Genetic Regulatory Regimes, Law & Pol’y Int’l Bus. 29 (1998), S. 415 ff.; Streinz, Neuartige Lebensmittel: Problemaufriß und Lösungsansätze, Bayreuth 1999; ders., „Novel food“: rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Anwendung neuer biotechnologischer Verfahren in der Lebensmittelherstellung. 19 Vgl. hierzu beispielsweise die Verordnung (EG) Nr. 258/97 vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABlEG Nr. L 43, v. 14. Februar 1997, 1). Diese sog. Novel-Food-Verordnung stellt in Art. 8 Abs. 1 eine Reihe „zusätzlicher spezifischer Etikettierungsanforderungen“ für neuartige Lebensmittel zur Unterrichtung der Endverbraucher auf. „Novel Food“ muß daher sowohl die Anforderungen der Etikettierungsrichtlinie erfüllen, als auch den besonderen Kennzeichnungsanforderungen in Art. 8 der Novel-Food-Verordnung entsprechen. Gegen diese Verpflichtungen haben die Handelspartner der EU schon mit Inkrafttreten erhebliche Einwände geäußert; weiterführend zu diesen Kennzeichnungspflichten insbesondere: Streinz, Allgemeine Voraussetzungen und Fragen zur Kennzeichnung von Novel Food, ZLR 1998, S. 54 ff. 20 v. Bogdandy, Law and Politics in the WTO – Strategies to Cope with a Deficient Relationship, Max Planck UNYB 2001, S. 671 f. 21 Cottier, The WTO and Environmental Law: Three Points for Discussion, in: Fijalkowski/Cameron, „Trade and Environment: Bridging the Gap“, S. 57.

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wesentlich kontroverseren Debatte, wie mit nichttarifären Handelshemmnissen umzugehen ist. Diese Frage tangiert unmittelbar Leben und Gesundheit von Verbrauchern. Individualinteressen kommt im multilateralen Handelssystem der WTO eine stetig wachsende Bedeutung zu.22 Diese entscheidende Entwicklung sollte von den Organen und den Streitschlichtungsorganen der WTO stets berücksichtigt werden. Der ehemalige Generalsekretär der WTO, Renato Ruggiero, hat zu diesem Thema verlauten lassen: „[One] should not underestimate the growing pressure on the multilateral trading system to give answers to issues which are very real public concerns, but ones whose solution cannot rely on the trading system alone. Whenever people talk about trade now, other issues come up immediately: financial instability, development, marginalization, protection of the environment, social conditions, employment, public health or cultural diversity. It would be wrong for the international trading system to ignore such issues, or not to make the contribution that it is possible to make. We have to improve our ability to respond within our own rules and institutions to the interrelationships which undoubtedly exist, showing that the different policies required can be mutually supportive rather than contradictory.“23 (Hervorhebungen vom Verfasser)

Oder – um es mit den zutreffenden Worten des Berufungsgremiums – noch prägnanter auszudrücken: „It is essential to bear in mind that the risk [. . .] is [. . .] also risk in human societies as they actually exist, in other words, the actual potential for adverse effects on human health in the real world where people live and work and die.“24

22 v. Bogdandy, Rechtsgleichheit, Rechtssicherheit und Subsidiarität im transnationalen Wirtschaftsrecht, EuZW 2001, S. 357. 23 Erklärung anläßlich der zweiten Ministerkonferenz vom 18.–20. Mai 1998 in Genf. (http://www.wto.org/english/thewto_e/minist_e/min98_e/anniv_e/dg_e.htm). 24 So das Berufungsgremium in EC Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS26/AB/R, Para. 187.

Anhang 1: SPS-Agreement Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures (“SPS-Agreement”) Members, Reaffirming that no Member should be prevented from adopting or enforcing measures necessary to protect human, animal or plant life or health, subject to the requirement that these measures are not applied in a manner which would constitute a means of arbitrary or unjustifiable discrimination between Members where the same conditions prevail or a disguised restriction on international trade; Desiring to improve the human health, animal health and phytosanitary situation in all Members; Noting that sanitary and phytosanitary measures are often applied on the basis of bilateral agreements or protocols; Desiring the establishment of a multilateral framework of rules and disciplines to guide the development, adoption and enforcement of sanitary and phytosanitary measures in order to minimize their negative effects on trade; Recognizing the important contribution that international standards, guidelines and recommendations can make in this regard; Desiring to further the use of harmonized sanitary and phytosanitary measures between Members, on the basis of international standards, guidelines and recommendations developed by the relevant international organizations, including the Codex Alimentarius Commission, the International Office of Epizootics, and the relevant international and regional organizations operating within the framework of the International Plant Protection Convention, without requiring Members to change their appropriate level of protection of human, animal or plant life or health; Recognizing that developing country Members may encounter special difficulties in complying with the sanitary or phytosanitary measures of importing Members, and as a consequence in access to markets, and also in the formulation and application of sanitary or phytosanitary measures in their own territories, and desiring to assist them in their endeavours in this regard; Desiring therefore to elaborate rules for the application of the provisions of GATT 1994 which relate to the use of sanitary or phytosanitary measures, in particular the provisions of Article XX(b)1; Hereby agree as follows: 1 In this Agreement, reference to Article XX(b) includes also the chapeau of that Article.

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Anhang 1: SPS-Agreement Article 1 General Provisions

1. This Agreement applies to all sanitary and phytosanitary measures which may, directly or indirectly, affect international trade. Such measures shall be developed and applied in accordance with the provisions of this Agreement. 2. For the purposes of this Agreement, the definitions provided in Annex A shall apply. 3. The annexes are an integral part of this Agreement. 4. Nothing in this Agreement shall affect the rights of Members under the Agreement on Technical Barriers to Trade with respect to measures not within the scope of this Agreement. Article 2 Basic Rights and Obligations 1. Members have the right to take sanitary and phytosanitary measures necessary for the protection of human, animal or plant life or health, provided that such measures are not inconsistent with the provisions of this Agreement. 2. Members shall ensure that any sanitary or phytosanitary measure is applied only to the extent necessary to protect human, animal or plant life or health, is based on scientific principles and is not maintained without sufficient scientific evidence, except as provided for in paragraph 7 of Article 5. 3. Members shall ensure that their sanitary and phytosanitary measures do not arbitrarily or unjustifiably discriminate between Members where identical or similar conditions prevail, including between their own territory and that of other Members. Sanitary and phytosanitary measures shall not be applied in a manner which would constitute a disguised restriction on international trade. 4. Sanitary or phytosanitary measures which conform to the relevant provisions of this Agreement shall be presumed to be in accordance with the obligations of the Members under the provisions of GATT 1994 which relate to the use of sanitary or phytosanitary measures, in particular the provisions of Article XX(b). Article 3 Harmonization 1. To harmonize sanitary and phytosanitary measures on as wide a basis as possible, Members shall base their sanitary or phytosanitary measures on international standards, guidelines or recommendations, where they exist, except as otherwise provided for in this Agreement, and in particular in paragraph 3. 2. Sanitary or phytosanitary measures which conform to international standards, guidelines or recommendations shall be deemed to be necessary to protect human, animal or plant life or health, and presumed to be consistent with the relevant provisions of this Agreement and of GATT 1994.

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3. Members may introduce or maintain sanitary or phytosanitary measures which result in a higher level of sanitary or phytosanitary protection than would be achieved by measures based on the relevant international standards, guidelines or recommendations, if there is a scientific justification, or as a consequence of the level of sanitary or phytosanitary protection a Member determines to be appropriate in accordance with the relevant provisions of paragraphs 1 through 8 of Article 5.2 Notwithstanding the above, all measures which result in a level of sanitary or phytosanitary protection different from that which would be achieved by measures based on international standards, guidelines or recommendations shall not be inconsistent with any other provision of this Agreement. 4. Members shall play a full part, within the limits of their resources, in the relevant international organizations and their subsidiary bodies, in particular the Codex Alimentarius Commission, the International Office of Epizootics, and the international and regional organizations operating within the framework of the International Plant Protection Convention, to promote within these organizations the development and periodic review of standards, guidelines and recommendations with respect to all aspects of sanitary and phytosanitary measures. 5. The Committee on Sanitary and Phytosanitary Measures provided for in paragraphs 1 and 4 of Article 12 (referred to in this Agreement as the “Committee”) shall develop a procedure to monitor the process of international harmonization and coordinate efforts in this regard with the relevant international organizations. Article 4 Equivalence 1. Members shall accept the sanitary or phytosanitary measures of other Members as equivalent, even if these measures differ from their own or from those used by other Members trading in the same product, if the exporting Member objectively demonstrates to the importing Member that its measures achieve the importing Member’s appropriate level of sanitary or phytosanitary protection. For this purpose, reasonable access shall be given, upon request, to the importing Member for inspection, testing and other relevant procedures. 2. Members shall, upon request, enter into consultations with the aim of achieving bilateral and multilateral agreements on recognition of the equivalence of specified sanitary or phytosanitary measures.

2 For the purposes of paragraph 3 of Article 3, there is a scientific justification if, on the basis of the examination and the evaluation of available scientific information in conformity with the relevant provisions of this Agreement, a Member determines that the relevant international standards, guidelines or recommendations are nor sufficient to achieve its appropriate level of sanitary or phytosanitary protection.

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Anhang 1: SPS-Agreement Article 5 Assessment of Risk and Determination of the Appropriate Level of Sanitary or Phytosanitary Protection

1. Members shall ensure that their sanitary or phytosanitary measures are based on an assessment, as appropriate to the circumstances, of the risks to human, animal or plant life or health, taking into account risk assessment techniques developed by the relevant international organizations. 2. In the assessment of risks, Members shall take into account available scientific evidence; relevant processes and production methods; relevant inspection, sampling and testing methods; prevalence of specific diseases or pests; existence of pest- or disease-free areas; relevant ecological and environmental conditions; and quarantine or other treatment. 3. In assessing the risk to animal or plant life or health and determining the measure to be applied for achieving the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection from such risk, Members shall take into account as relevant economic factors: the potential damage in terms of loss of production or sales in the event of the entry, establishment or spread of a pest or disease; the costs of control or eradication in the territory of the importing Member; and the relative cost-effectiveness of alternative approaches to limiting risks. 4. Members should, when determining the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection, take into account the objective of minimizing negative trade effects. 5. With the objective of achieving consistency in the application of the concept of appropriate level of sanitary or phytosanitary protection against risks to human life or health, or to animal and plant life or health, each Member shall avoid arbitrary or unjustifiable distinctions in the levels it considers to be appropriate in different situations, if such distinctions result in discrimination or a disguised restriction on international trade. Members shall cooperate in the Committee, in accordance with paragraphs 1, 2 and 3 of Article 12, to develop guidelines to further the practical implementation of this provision. In developing the guidelines, the Committee shall take into account all relevant factors, including the exceptional character of human health risks to which people voluntarily expose themselves. 6. Without prejudice to paragraph 2 of Article 3, when establishing or maintaining sanitary or phytosanitary measures to achieve the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection, Members shall ensure that such measures are not more trade-restrictive than required to achieve their appropriate level of sanitary or phytosanitary protection, taking into account technical and economic feasibility.3 7. In cases where relevant scientific evidence is insufficient, a Member may provisionally adopt sanitary or phytosanitary measures on the basis of available pertinent information, including that from the relevant international organizations as well as 3 For the purposes of paragraph 6 of Article 5, a measure is not more trade restrictive than required unless there is another measure reasonably available, taking into account technical and economic feasibility, that achieves the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection and is significantly less restrictive to trade.

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from sanitary or phytosanitary measures applied by other Members. In such circumstances, Members shall seek to obtain the additional information necessary for a more objective assessment of risk and review the sanitary or phytosanitary measure accordingly within a reasonable period of time. 8. When a Member has reason to believe that a specific sanitary or phytosanitary measure introduced or maintained by another Member is constraining, or has the potential to constrain, its exports and the measure is not based on the relevant international standards, guidelines or recommendations, or such standards, guidelines or recommendations do not exist, an explanation of the reasons for such sanitary or phytosanitary measure may be requested and shall be provided by the Member maintaining the measure. Article 6 Adaptation to Regional Conditions, Including Pest- or Disease-Free Areas and Areas of Low Pest or Disease Prevalence 1. Members shall ensure that their sanitary or phytosanitary measures are adapted to the sanitary or phytosanitary characteristics of the area – whether all of a country, part of a country, or all or parts of several countries – from which the product originated and to which the product is destined. In assessing the sanitary or phytosanitary characteristics of a region, Members shall take into account inter alia the level of prevalence of specific diseases or pests, the existence of eradication or control programmes, and appropriate criteria or guidelines which may be developed by the relevant international organizations. 2. Members shall, in particular, recognize the concepts of pest- or disease-free areas and areas of low pest or disease prevalence. Determination of such areas shall be based on factors such as geography, ecosystems, epidemiological surveillance, and the effectiveness of sanitary or phytosanitary controls. 3. Exporting Members claiming that areas within their territories are pest- or disease-free areas or areas of low pest or disease prevalence shall provide the necessary evidence thereof in order to objectively demonstrate to the importing Member that such areas are, and are likely to remain, pest- or disease-free areas or areas of low pest or disease prevalence, respectively. For this purpose, reasonable access shall be given, upon request, to the importing Member for inspection, testing and other relevant procedures.

Article 7 Transparency Members shall notify changes in their sanitary or phytosanitary measures and shall provide information on their sanitary or phytosanitary measures in accordance with the provisions of Annex B.

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Anhang 1: SPS-Agreement Article 8 Control, Inspection and Approval Procedures

Members shall observe the provisions of Annex C in the operation of control, inspection and approval procedures, including national systems for approving the use of additives or for establishing tolerances for contaminants in foods, beverages or feedstuffs, and otherwise ensure that their procedures are not inconsistent with the provisions of this Agreement. Article 9 Technical Assistance 1. Members agree to facilitate the provision of technical assistance to other Members, especially developing country Members, either bilaterally or through the appropriate international organizations. Such assistance may be, inter alia, in the areas of processing technologies, research and infrastructure, including in the establishment of national regulatory bodies, and may take the form of advice, credits, donations and grants, including for the purpose of seeking technical expertise, training and equipment to allow such countries to adjust to, and comply with, sanitary or phytosanitary measures necessary to achieve the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection in their export markets. 2. Where substantial investments are required in order for an exporting developing country Member to fulfil the sanitary or phytosanitary requirements of an importing Member, the latter shall consider providing such technical assistance as will permit the developing country Member to maintain and expand its market access opportunities for the product involved.

Article 10 Special and Differential Treatment 1. In the preparation and application of sanitary or phytosanitary measures, Members shall take account of the special needs of developing country Members, and in particular of the least-developed country Members. 2. Where the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection allows scope for the phased introduction of new sanitary or phytosanitary measures, longer timeframes for compliance should be accorded on products of interest to developing country Members so as to maintain opportunities for their exports. 3. With a view to ensuring that developing country Members are able to comply with the provisions of this Agreement, the Committee is enabled to grant to such countries, upon request, specified, time-limited exceptions in whole or in part from obligations under this Agreement, taking into account their financial, trade and development needs. 4. Members should encourage and facilitate the active participation of developing country Members in the relevant international organizations.

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Article 11 Consultations and Dispute Settlement 1. The provisions of Articles XXII and XXIII of GATT 1994 as elaborated and applied by the Dispute Settlement Understanding shall apply to consultations and the settlement of disputes under this Agreement, except as otherwise specifically provided herein. 2. In a dispute under this Agreement involving scientific or technical issues, a panel should seek advice from experts chosen by the panel in consultation with the parties to the dispute. To this end, the panel may, when it deems it appropriate, establish an advisory technical experts group, or consult the relevant international organizations, at the request of either party to the dispute or on its own initiative. 3. Nothing in this Agreement shall impair the rights of Members under other international agreements, including the right to resort to the good offices or dispute settlement mechanisms of other international organizations or established under any international agreement. Article 12 Administration 1. A Committee on Sanitary and Phytosanitary Measures is hereby established to provide a regular forum for consultations. It shall carry out the functions necessary to implement the provisions of this Agreement and the furtherance of its objectives, in particular with respect to harmonization. The Committee shall reach its decisions by consensus. 2. The Committee shall encourage and facilitate ad hoc consultations or negotiations among Members on specific sanitary or phytosanitary issues. The Committee shall encourage the use of international standards, guidelines or recommendations by all Members and, in this regard, shall sponsor technical consultation and study with the objective of increasing coordination and integration between international and national systems and approaches for approving the use of food additives or for establishing tolerances for contaminants in foods, beverages or feedstuffs. 3. The Committee shall maintain close contact with the relevant international organizations in the field of sanitary or phytosanitary protection, especially with the Codex Alimentarius Commission, the International Office of Epizootics, and the Secretariat of the International Plant Protection Convention, with the objective of securing the best available scientific and technical advice for the administration of this Agreement and in order to ensure that unnecessary duplication of effort is avoided. 4. The Committee shall develop a procedure to monitor the process of international harmonization and the use of international standards, guidelines or recommendations. For this purpose, the Committee should, in conjunction with the relevant international organizations, establish a list of international standards, guidelines or recommendations relating to sanitary or phytosanitary measures which the Committee determines to have a major trade impact. The list should include an indication by Members of those international standards, guidelines or recommendations which they apply as conditions for import or on the basis of which imported products con-

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forming to these standards can enjoy access to their markets. For those cases in which a Member does not apply an international standard, guideline or recommendation as a condition for import, the Member should provide an indication of the reason therefore, and, in particular, whether it considers that the standard is not stringent enough to provide the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection. If a Member revises its position, following its indication of the use of a standard, guideline or recommendation as a condition for import, it should provide an explanation for its change and so inform the Secretariat as well as the relevant international organizations, unless such notification and explanation is given according to the procedures of Annex B. 5. In order to avoid unnecessary duplication, the Committee may decide, as appropriate, to use the information generated by the procedures, particularly for notification, which are in operation in the relevant international organizations. 6. The Committee may, on the basis of an initiative from one of the Members, through appropriate channels invite the relevant international organizations or their subsidiary bodies to examine specific matters with respect to a particular standard, guideline or recommendation, including the basis of explanations for non-use given according to paragraph 4. 7. The Committee shall review the operation and implementation of this Agreement three years after the date of entry into force of the WTO Agreement, and thereafter as the need arises. Where appropriate, the Committee may submit to the Council for Trade in Goods proposals to amend the text of this Agreement having regard inter alia to the experience gained in its implementation.

Article 13 Implementation Members are fully responsible under this Agreement for the observance of all obligations set forth herein. Members shall formulate and implement positive measures and mechanisms in support of the observance of the provisions of this Agreement by other than central government bodies. Members shall take such reasonable measures as may be available to them to ensure that non-governmental entities within their territories, as well as regional bodies in which relevant entities within their territories are members, comply with the relevant provisions of this Agreement. In addition, Members shall not take measures which have the effect of, directly or indirectly, requiring or encouraging such regional or non-governmental entities, or local governmental bodies, to act in a manner inconsistent with the provisions of this Agreement. Members shall ensure that they rely on the services of non-governmental entities for implementing sanitary or phytosanitary measures only if these entities comply with the provisions of this Agreement.

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Article 14 Final Provisions The least-developed country Members may delay application of the provisions of this Agreement for a period of five years following the date of entry into force of the WTO Agreement with respect to their sanitary or phytosanitary measures affecting importation or imported products. Other developing country Members may delay application of the provisions of this Agreement, other than paragraph 8 of Article 5 and Article 7, for two years following the date of entry into force of the WTO Agreement with respect to their existing sanitary or phytosanitary measures affecting importation or imported products, where such application is prevented by a lack of technical expertise, technical infrastructure or resources.

Annex A: Definitions4 1. Sanitary or phytosanitary measure – Any measure applied: (a) to protect animal or plant life or health within the territory of the Member from risks arising from the entry, establishment or spread of pests, diseases, diseasecarrying organisms or disease-causing organisms; (b) to protect human or animal life or health within the territory of the Member from risks arising from additives, contaminants, toxins or disease-causing organisms in foods, beverages or feedstuffs; (c) to protect human life or health within the territory of the Member from risks arising from diseases carried by animals, plants or products thereof, or from the entry, establishment or spread of pests; or (d) to prevent or limit other damage within the territory of the Member from the entry, establishment or spread of pests. Sanitary or phytosanitary measures include all relevant laws, decrees, regulations, requirements and procedures including inter alia end product criteria; processes and production methods; testing, inspection, certification and approval procedures; quarantine treatments including relevant requirements associated with the transport of animals or plants, or with the materials necessary for their survival during transport; provisions on relevant statistical methods, sampling procedures and methods of risk assessment; and packaging and labelling requirements directly related to food safety. 2. Harmonization – The establishment, recognition and application of common sanitary and phytosanitary measures by different Members. 3. International standards, guidelines and recommendations (a) for food safety, the standards, guidelines and recommendations established by the Codex Alimentarius Commission relating to food additives, veterinary drug 4 For the purpose of these definitions, „animal“ includes fish and wild fauna; „plants“ includes forests and wild fauna; „pests“ includes weeds; and „contaminants“ includes pesticide and vetinary drug residues and extraneous matter.

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Anhang 1: SPS-Agreement and pesticide residues, contaminants, methods of analysis and sampling, and codes and guidelines of hygienic practice;

(b) for animal health and zoonoses, the standards, guidelines and recommendations developed under the auspices of the International Office of Epizootics; (c) for plant health, the international standards, guidelines and recommendations developed under the auspices of the Secretariat of the International Plant Protection Convention in cooperation with regional organizations operating within the framework of the International Plant Protection Convention; and (d) for matters not covered by the above organizations, appropriate standards, guidelines and recommendations promulgated by other relevant international organizations open for membership to all Members, as identified by the Committee. 4. Risk assessment – The evaluation of the likelihood of entry, establishment or spread of a pest or disease within the territory of an importing Member according to the sanitary or phytosanitary measures which might be applied, and of the associated potential biological and economic consequences; or the evaluation of the potential for adverse effects on human or animal health arising from the presence of additives, contaminants, toxins or disease-causing organisms in food, beverages or feedstuffs. 5. Appropriate level of sanitary or phytosanitary protection – The level of protection deemed appropriate by the Member establishing a sanitary or phytosanitary measure to protect human, animal or plant life or health within its territory. NOTE: Many Members otherwise refer to this concept as the “acceptable level of risk”. 6. Pest- or disease-free area – An area, whether all of a country, part of a country, or all or parts of several countries, as identified by the competent authorities, in which a specific pest or disease does not occur. NOTE: A pest- or disease-free area may surround, be surrounded by, or be adjacent to an area – whether within part of a country or in a geographic region which includes parts of or all of several countries – in which a specific pest or disease is known to occur but is subject to regional control measures such as the establishment of protection, surveillance and buffer zones which will confine or eradicate the pest or disease in question. 7. Area of low pest or disease prevalence – An area, whether all of a country, part of a country, or all or parts of several countries, as identified by the competent authorities, in which a specific pest or disease occurs at low levels and which is subject to effective surveillance, control or eradication measures.

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Annex B: Transparency of Sanitary and Phytosanitary Regulations Publication of regulations 1. Members shall ensure that all sanitary and phytosanitary regulations5 which have been adopted are published promptly in such a manner as to enable interested Members to become acquainted with them. 2. Except in urgent circumstances, Members shall allow a reasonable interval between the publication of a sanitary or phytosanitary regulation and its entry into force in order to allow time for producers in exporting Members, and particularly in developing country Members, to adapt their products and methods of production to the requirements of the importing Member. Enquiry points 3. Each Member shall ensure that one enquiry point exists which is responsible for the provision of answers to all reasonable questions from interested Members as well as for the provision of relevant documents regarding: (a) any sanitary or phytosanitary regulations adopted or proposed within its territory; (b) any control and inspection procedures, production and quarantine treatment, pesticide tolerance and food additive approval procedures, which are operated within its territory; (c) risk assessment procedures, factors taken into consideration, as well as the determination of the appropriate level of sanitary or phytosanitary protection; (d) the membership and participation of the Member, or of relevant bodies within its territory, in international and regional sanitary and phytosanitary organizations and systems, as well as in bilateral and multilateral agreements and arrangements within the scope of this Agreement, and the texts of such agreements and arrangements. 4. Members shall ensure that where copies of documents are requested by interested Members, they are supplied at the same price (if any), apart from the cost of delivery, as to the nationals6 of the Member concerned. Notification procedures 5. Whenever an international standard, guideline or recommendation does not exist or the content of a proposed sanitary or phytosanitary regulation is not substantially the same as the content of an international standard, guideline or recommendation, and if the regulation may have a significant effect on trade of other Members, Members shall: 5 Sanitary and phytosanitary measures such as laws, decrees or ordinances, which are applicable generally. 6 When „nationals“ are referred to in this Agreement, the term shall be deemed, in the case of a separate customs territory Member of the WTO, to mean persons, natural or legal, who are domiciled or who have a real and effective industrial or commercial establishment in that customs territory.

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(a) publish a notice at an early stage in such a manner as to enable interested Members to become acquainted with the proposal to introduce a particular regulation; (b) notify other Members, through the Secretariat, of the products to be covered by the regulation together with a brief indication of the objective and rationale of the proposed regulation. Such notifications shall take place at an early stage, when amendments can still be introduced and comments taken into account; (c)

provide upon request to other Members copies of the proposed regulation and, whenever possible, identify the parts which in substance deviate from international standards, guidelines or recommendations;

(d) without discrimination, allow reasonable time for other Members to make comments in writing, discuss these comments upon request, and take the comments and the results of the discussions into account. 6. However, where urgent problems of health protection arise or threaten to arise for a Member, that Member may omit such of the steps enumerated in paragraph 5 of this Annex as it finds necessary, provided that the Member: (a) immediately notifies other Members, through the Secretariat, of the particular regulation and the products covered, with a brief indication of the objective and the rationale of the regulation, including the nature of the urgent problem(s); (b) provides, upon request, copies of the regulation to other Members; (c) allows other Members to make comments in writing, discusses these comments upon request, and takes the comments and the results of the discussions into account. 7. Notifications to the Secretariat shall be in English, French or Spanish. 8. Developed country Members shall, if requested by other Members, provide copies of the documents or, in case of voluminous documents, summaries of the documents covered by a specific notification in English, French or Spanish. 9. The Secretariat shall promptly circulate copies of the notification to all Members and interested international organizations and draw the attention of developing country Members to any notifications relating to products of particular interest to them. 10. Members shall designate a single central government authority as responsible for the implementation, on the national level, of the provisions concerning notification procedures according to paragraph 5, 6, 7 and 8 of this Annex. General reservations 11. Nothing in this Agreement shall be construed as requiring: (a) the provision of particulars or copies of drafts or the publication of texts other than in the language of the Member except as stated in paragraph 8 of this Annex; or (b) Members to disclose confidential information which would impede enforcement of sanitary or phytosanitary legislation or which would prejudice the legitimate commercial interests of particular enterprises.

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Annex C: Control, Inspection and Approval Procedures7 1. Members shall ensure, with respect to any procedure to check and ensure the fulfilment of sanitary or phytosanitary measures, that: (a) such procedures are undertaken and completed without undue delay and in no less favourable manner for imported products than for like domestic products; (b) the standard processing period of each procedure is published or that the anticipated processing period is communicated to the applicant upon request; when receiving an application, the competent body promptly examines the completeness of the documentation and informs the applicant in a precise and complete manner of all deficiencies; the competent body transmits as soon as possible the results of the procedure in a precise and complete manner to the applicant so that corrective action may be taken if necessary; even when the application has deficiencies, the competent body proceeds as far as practicable with the procedure if the applicant so requests; and that upon request, the applicant is informed of the stage of the procedure, with any delay being explained; (c) information requirements are limited to what is necessary for appropriate control, inspection and approval procedures, including for approval of the use of additives or for the establishment of tolerances for contaminants in food, beverages or feedstuffs; (d) the confidentiality of information about imported products arising from or supplied in connection with control, inspection and approval is respected in a way no less favourable than for domestic products and in such a manner that legitimate commercial interests are protected; (e) any requirements for control, inspection and approval of individual specimens of a product are limited to what is reasonable and necessary; (f) any fees imposed for the procedures on imported products are equitable in relation to any fees charged on like domestic products or products originating in any other Member and should be no higher than the actual cost of the service; (g) the same criteria should be used in the siting of facilities used in the procedures and the selection of samples of imported products as for domestic products so as to minimize the inconvenience to applicants, importers, exporters or their agents; (h) whenever specifications of a product are changed subsequent to its control and inspection in light of the applicable regulations, the procedure for the modified product is limited to what is necessary to determine whether adequate confidence exists that the product still meets the regulations concerned; and (i) a procedure exists to review complaints concerning the operation of such procedures and to take corrective action when a complaint is justified. Where an importing Member operates a system for the approval of the use of food additives or for the establishment of tolerances for contaminants in food, bev7 Control, inspection and approval procedures include, inter alia, procedures for sampling, testing and certification.

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erages or feedstuffs which prohibits or restricts access to its domestic markets for products based on the absence of an approval, the importing Member shall consider the use of a relevant international standard as the basis for access until a final determination is made. 2. Where a sanitary or phytosanitary measure specifies control at the level of production, the Member in whose territory the production takes place shall provide the necessary assistance to facilitate such control and the work of the controlling authorities. 3. Nothing in this Agreement shall prevent Members from carrying out reasonable inspection within their own territories.

Anhang 2: Dispute Settlement Understanding (DSU) Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes (“DSU”) Members hereby agree as follows: Article 1 Coverage and Application 1. The rules and procedures of this Understanding shall apply to disputes brought pursuant to the consultation and dispute settlement provisions of the agreements listed in Appendix 1 to this Understanding (referred to in this Understanding as the “covered agreements”). The rules and procedures of this Understanding shall also apply to consultations and the settlement of disputes between Members concerning their rights and obligations under the provisions of the Agreement Establishing the World Trade Organization (referred to in this Understanding as the “WTO Agreement”) and of this Understanding taken in isolation or in combination with any other covered agreement. 2. The rules and procedures of this Understanding shall apply subject to such special or additional rules and procedures on dispute settlement contained in the covered agreements as are identified in Appendix 2 to this Understanding. To the extent that there is a difference between the rules and procedures of this Understanding and the special or additional rules and procedures set forth in Appendix 2, the special or additional rules and procedures in Appendix 2 shall prevail. In disputes involving rules and procedures under more than one covered agreement, if there is a conflict between special or additional rules and procedures of such agreements under review, and where the parties to the dispute cannot agree on rules and procedures within 20 days of the establishment of the panel, the Chairman of the Dispute Settlement Body provided for in paragraph 1 of Article 2 (referred to in this Understanding as the “DSB”), in consultation with the parties to the dispute, shall determine the rules and procedures to be followed within 10 days after a request by either Member. The Chairman shall be guided by the principle that special or additional rules and procedures should be used where possible, and the rules and procedures set out in this Understanding should be used to the extent necessary to avoid conflict.

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Anhang 2: Dispute Settlement Understanding (DSU) Article 2 Administration

1. The Dispute Settlement Body is hereby established to administer these rules and procedures and, except as otherwise provided in a covered agreement, the consultation and dispute settlement provisions of the covered agreements. Accordingly, the DSB shall have the authority to establish panels, adopt panel and Appellate Body reports, maintain surveillance of implementation of rulings and recommendations, and authorize suspension of concessions and other obligations under the covered agreements. With respect to disputes arising under a covered agreement which is a Plurilateral Trade Agreement, the term “Member” as used herein shall refer only to those Members that are parties to the relevant Plurilateral Trade Agreement. Where the DSB administers the dispute settlement provisions of a Plurilateral Trade Agreement, only those Members that are parties to that Agreement may participate in decisions or actions taken by the DSB with respect to that dispute. 2. The DSB shall inform the relevant WTO Councils and Committees of any developments in disputes related to provisions of the respective covered agreements. 3. The DSB shall meet as often as necessary to carry out its functions within the time-frames provided in this Understanding. 4. Where the rules and procedures of this Understanding provide for the DSB to take a decision, it shall do so by consensus. Article 3 General Provisions 1. Members affirm their adherence to the principles for the management of disputes heretofore applied under Articles XXII and XXIII of GATT 1947, and the rules and procedures as further elaborated and modified herein. 2. The dispute settlement system of the WTO is a central element in providing security and predictability to the multilateral trading system. The Members recognize that it serves to preserve the rights and obligations of Members under the covered agreements, and to clarify the existing provisions of those agreements in accordance with customary rules of interpretation of public international law. Recommendations and rulings of the DSB cannot add to or diminish the rights and obligations provided in the covered agreements. 3. The prompt settlement of situations in which a Member considers that any benefits accruing to it directly or indirectly under the covered agreements are being impaired by measures taken by another Member is essential to the effective functioning of the WTO and the maintenance of a proper balance between the rights and obligations of Members. 4. Recommendations or rulings made by the DSB shall be aimed at achieving a satisfactory settlement of the matter in accordance with the rights and obligations under this Understanding and under the covered agreements. 5. All solutions to matters formally raised under the consultation and dispute settlement provisions of the covered agreements, including arbitration awards, shall be

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consistent with those agreements and shall not nullify or impair benefits accruing to any Member under those agreements, nor impede the attainment of any objective of those agreements. 6. Mutually agreed solutions to matters formally raised under the consultation and dispute settlement provisions of the covered agreements shall be notified to the DSB and the relevant Councils and Committees, where any Member may raise any point relating thereto. 7. Before bringing a case, a Member shall exercise its judgement as to whether action under these procedures would be fruitful. The aim of the dispute settlement mechanism is to secure a positive solution to a dispute. A solution mutually acceptable to the parties to a dispute and consistent with the covered agreements is clearly to be preferred. In the absence of a mutually agreed solution, the first objective of the dispute settlement mechanism is usually to secure the withdrawal of the measures concerned if these are found to be inconsistent with the provisions of any of the covered agreements. The provision of compensation should be resorted to only if the immediate withdrawal of the measure is impracticable and as a temporary measure pending the withdrawal of the measure which is inconsistent with a covered agreement. The last resort which this Understanding provides to the Member invoking the dispute settlement procedures is the possibility of suspending the application of concessions or other obligations under the covered agreements on a discriminatory basis vis-à-vis the other Member, subject to authorization by the DSB of such measures. 8. In cases where there is an infringement of the obligations assumed under a covered agreement, the action is considered prima facie to constitute a case of nullification or impairment. This means that there is normally a presumption that a breach of the rules has an adverse impact on other Members parties to that covered agreement, and in such cases, it shall be up to the Member against whom the complaint has been brought to rebut the charge. 9. The provisions of this Understanding are without prejudice to the rights of Members to seek authoritative interpretation of provisions of a covered agreement through decision-making under the WTO Agreement or a covered agreement which is a Plurilateral Trade Agreement. 10. It is understood that requests for conciliation and the use of the dispute settlement procedures should not be intended or considered as contentious acts and that, if a dispute arises, all Members will engage in these procedures in good faith in an effort to resolve the dispute. It is also understood that complaints and counter-complaints in regard to distinct matters should not be linked. 11. This Understanding shall be applied only with respect to new requests for consultations under the consultation provisions of the covered agreements made on or after the date of entry into force of the WTO Agreement. With respect to disputes for which the request for consultations was made under GATT 1947 or under any other predecessor agreement to the covered agreements before the date of entry into force of the WTO Agreement, the relevant dispute settlement rules and procedures in effect immediately prior to the date of entry into force of the WTO Agreement shall continue to apply.

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12. Notwithstanding paragraph 11, if a complaint based on any of the covered agreements is brought by a developing country Member against a developed country Member, the complaining party shall have the right to invoke, as an alternative to the provisions contained in Articles 4, 5, 6 and 12 of this Understanding, the corresponding provisions of the Decision of 5 April 1966 (BISD 14S/18), except that where the Panel considers that the time-frame provided for in paragraph 7 of that Decision is insufficient to provide its report and with the agreement of the complaining party, that time-frame may be extended. To the extent that there is a difference between the rules and procedures of Articles 4, 5, 6 and 12 and the corresponding rules and procedures of the Decision, the latter shall prevail.

Article 4 Consultations 1. Members affirm their resolve to strengthen and improve the effectiveness of the consultation procedures employed by Members. 2. Each Member undertakes to accord sympathetic consideration to and afford adequate opportunity for consultation regarding any representations made by another Member concerning measures affecting the operation of any covered agreement taken within the territory of the former. 3. If a request for consultations is made pursuant to a covered agreement, the Member to which the request is made shall, unless otherwise mutually agreed, reply to the request within 10 days after the date of its receipt and shall enter into consultations in good faith within a period of no more than 30 days after the date of receipt of the request, with a view to reaching a mutually satisfactory solution. If the Member does not respond within 10 days after the date of receipt of the request, or does not enter into consultations within a period of no more than 30 days, or a period otherwise mutually agreed, after the date of receipt of the request, then the Member that requested the holding of consultations may proceed directly to request the establishment of a panel. 4. All such requests for consultations shall be notified to the DSB and the relevant Councils and Committees by the Member which requests consultations. Any request for consultations shall be submitted in writing and shall give the reasons for the request, including identification of the measures at issue and an indication of the legal basis for the complaint. 5. In the course of consultations in accordance with the provisions of a covered agreement, before resorting to further action under this Understanding, Members should attempt to obtain satisfactory adjustment of the matter. 6. Consultations shall be confidential, and without prejudice to the rights of any Member in any further proceedings. 7. If the consultations fail to settle a dispute within 60 days after the date of receipt of the request for consultations, the complaining party may request the establishment of a panel. The complaining party may request a panel during the 60-day period if the consulting parties jointly consider that consultations have failed to settle the dispute.

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8. In cases of urgency, including those which concern perishable goods, Members shall enter into consultations within a period of no more than 10 days after the date of receipt of the request. If the consultations have failed to settle the dispute within a period of 20 days after the date of receipt of the request, the complaining party may request the establishment of a panel. 9. In cases of urgency, including those which concern perishable goods, the parties to the dispute, panels and the Appellate Body shall make every effort to accelerate the proceedings to the greatest extent possible. 10. During consultations Members should give special attention to the particular problems and interests of developing country Members. 11. Whenever a Member other than the consulting Members considers that it has a substantial trade interest in consultations being held pursuant to paragraph 1 of Article XXII of GATT 1994, paragraph 1 of Article XXII of GATS, or the corresponding provisions in other covered agreements, such Member may notify the consulting Members and the DSB, within 10 days after the date of the circulation of the request for consultations under said Article, of its desire to be joined in the consultations. Such Member shall be joined in the consultations, provided that the Member to which the request for consultations was addressed agrees that the claim of substantial interest is well-founded. In that event they shall so inform the DSB. If the request to be joined in the consultations is not accepted, the applicant Member shall be free to request consultations under paragraph 1 of Article XXII or paragraph 1 of Article XXIII of GATT 1994, paragraph 1 of Article XXII or paragraph 1 of Article XXIII of GATS, or the corresponding provisions in other covered agreements.

Article 5 Good Offices, Conciliation and Mediation 1. Good offices, conciliation and mediation are procedures that are undertaken voluntarily if the parties to the dispute so agree. 2. Proceedings involving good offices, conciliation and mediation, and in particular positions taken by the parties to the dispute during these proceedings, shall be confidential, and without prejudice to the rights of either party in any further proceedings under these procedures. 3. Good offices, conciliation or mediation may be requested at any time by any party to a dispute. They may begin at any time and be terminated at any time. Once procedures for good offices, conciliation or mediation are terminated, a complaining party may then proceed with a request for the establishment of a panel. 4. When good offices, conciliation or mediation are entered into within 60 days after the date of receipt of a request for consultations, the complaining party must allow a period of 60 days after the date of receipt of the request for consultations before requesting the establishment of a panel. The complaining party may request the establishment of a panel during the 60-day period if the parties to the dispute jointly consider that the good offices, conciliation or mediation process has failed to settle the dispute.

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5. If the parties to a dispute agree, procedures for good offices, conciliation or mediation may continue while the panel process proceeds. 6. The Director-General may, acting in an ex officio capacity, offer good offices, conciliation or mediation with the view to assisting Members to settle a dispute. Article 6 Establishment of Panels 1. If the complaining party so requests, a panel shall be established at the latest at the DSB meeting following that at which the request first appears as an item on the DSB’s agenda, unless at that meeting the DSB decides by consensus not to establish a panel. 2. The request for the establishment of a panel shall be made in writing. It shall indicate whether consultations were held, identify the specific measures at issue and provide a brief summary of the legal basis of the complaint sufficient to present the problem clearly. In case the applicant requests the establishment of a panel with other than standard terms of reference, the written request shall include the proposed text of special terms of reference. Article 7 Terms of Reference of Panels 1. Panels shall have the following terms of reference unless the parties to the dispute agree otherwise within 20 days from the establishment of the panel: “To examine, in the light of the relevant provisions in (name of the covered agreement(s) cited by the parties to the dispute), the matter referred to the DSB by (name of party) in document . . . and to make such findings as will assist the DSB in making the recommendations or in giving the rulings provided for in that/those agreement(s).” 2. Panels shall address the relevant provisions in any covered agreements or agreements cited by the parties to the dispute. 3. In establishing a panel, the DSB may authorize its Chairman to draw up the terms of reference of the panel in consultation with the parties to the dispute, subject to the provisions of paragraph 1. The terms of reference thus drawn up shall be circulated to all Members. If other than standard terms of reference are agreed upon, any Member may raise any point relating thereto in the DSB. Article 8 Composition of Panels 1. Panels shall be composed of well-qualified governmental and/or non-governmental individuals, including persons who have served on or presented a case to a panel, served as a representative of a Member or of a contracting party to GATT 1947 or as a representative to the Council or Committee of any covered agreement

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or its predecessor agreement, or in the Secretariat, taught or published on international trade law or policy, or served as a senior trade policy official of a Member. 2. Panel members should be selected with a view to ensuring the independence of the members, a sufficiently diverse background and a wide spectrum of experience. 3. Citizens of Members whose governments are parties to the dispute or third parties as defined in paragraph 2 of Article 10 shall not serve on a panel concerned with that dispute, unless the parties to the dispute agree otherwise. 4. To assist in the selection of panelists, the Secretariat shall maintain an indicative list of governmental and non-governmental individuals possessing the qualifications outlined in paragraph 1, from which panelists may be drawn as appropriate. That list shall include the roster of non-governmental panelists established on 30 November 1984 (BISD 31S/9), and other rosters and indicative lists established under any of the covered agreements, and shall retain the names of persons on those rosters and indicative lists at the time of entry into force of the WTO Agreement. Members may periodically suggest names of governmental and non-governmental individuals for inclusion on the indicative list, providing relevant information on their knowledge of international trade and of the sectors or subject matter of the covered agreements, and those names shall be added to the list upon approval by the DSB. For each of the individuals on the list, the list shall indicate specific areas of experience or expertise of the individuals in the sectors or subject matter of the covered agreements. 5. Panels shall be composed of three panelists unless the parties to the dispute agree, within 10 days from the establishment of the panel, to a panel composed of five panelists. Members shall be informed promptly of the composition of the panel. 6. The Secretariat shall propose nominations for the panel to the parties to the dispute. The parties to the dispute shall not oppose nominations except for compelling reasons. 7. If there is no agreement on the panelists within 20 days after the date of the establishment of a panel, at the request of either party, the Director-General, in consultation with the Chairman of the DSB and the Chairman of the relevant Council or Committee, shall determine the composition of the panel by appointing the panelists whom the Director-General considers most appropriate in accordance with any relevant special or additional rules or procedures of the covered agreement or covered agreements which are at issue in the dispute, after consulting with the parties to the dispute. The Chairman of the DSB shall inform the Members of the composition of the panel thus formed no later than 10 days after the date the Chairman receives such a request. 8. Members shall undertake, as a general rule, to permit their officials to serve as panelists. 9. Panelists shall serve in their individual capacities and not as government representatives, nor as representatives of any organization. Members shall therefore not give them instructions nor seek to influence them as individuals with regard to matters before a panel.

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10. When a dispute is between a developing country Member and a developed country Member the panel shall, if the developing country Member so requests, include at least one panelist from a developing country Member. 11. Panelists’ expenses, including travel and subsistence allowance, shall be met from the WTO budget in accordance with criteria to be adopted by the General Council, based on recommendations of the Committee on Budget, Finance and Administration. Article 9 Procedures for Multiple Complainants 1. Where more than one Member requests the establishment of a panel related to the same matter, a single panel may be established to examine these complaints taking into account the rights of all Members concerned. A single panel should be established to examine such complaints whenever feasible. 2. The single panel shall organize its examination and present its findings to the DSB in such a manner that the rights which the parties to the dispute would have enjoyed had separate panels examined the complaints are in no way impaired. If one of the parties to the dispute so requests, the panel shall submit separate reports on the dispute concerned. The written submissions by each of the complainants shall be made available to the other complainants, and each complainant shall have the right to be present when any one of the other complainants presents its views to the panel. 3. If more than one panel is established to examine the complaints related to the same matter, to the greatest extent possible the same persons shall serve as panelists on each of the separate panels and the timetable for the panel process in such disputes shall be harmonized. Article 10 Third Parties 1. The interests of the parties to a dispute and those of other Members under a covered agreement at issue in the dispute shall be fully taken into account during the panel process. 2. Any Member having a substantial interest in a manner before a panel and having notified its interest to the DSB (referred to in this Understanding as a “third party”) shall have an opportunity to be heard by the panel and to make written submissions to the panel. These submissions shall also be given to the parties to the dispute and shall be reflected in the panel report. 3. Third parties shall receive the submissions of the parties to the dispute to the first meeting of the panel. 4. If a third party considers that a measure already the subject of a panel proceeding nullifies or impairs benefits accruing to it under any covered agreement, that Member may have recourse to normal dispute settlement procedures under this Understanding. Such a dispute shall be referred to the original panel wherever possible.

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Article 11 Function of Panels The function of panels is to assist the DSB in discharging its responsibilities under this Understanding and the covered agreements. Accordingly, a panel should make an objective assessment of the matter before it, including an objective assessment of the facts of the case and the applicability of and conformity with the relevant covered agreements, and make such other findings as will assist the DSB in making the recommendations or in giving the rulings provided for in the covered agreements. Panels should consult regularly with the parties to the dispute and give them adequate opportunity to develop a mutually satisfactory solution. Article 12 Panel Procedures 1. Panels shall follow the Working Procedures in Appendix 3 unless the panel decides otherwise after consulting the parties to the dispute. 2. Panel procedures should provide sufficient flexibility to as to ensure highly-quality panel reports, while not unduly delaying the panel process. 3. After consulting the parties to the dispute, the panelists shall, as soon as practicable and whenever possible within one week after the composition and terms of reference of the panel have been agreed upon, fix the timetable for the panel process, taking into account the provisions of paragraph 9 of Article 4, if relevant. 4. In determining the timetable for the panel process, the panel shall provide sufficient time for the parties to the dispute to prepare their submissions. 5. Panels should set precise deadlines for written submissions by the parties and the parties should respect those deadlines. 6. Each party to the dispute shall deposit its written submissions with the Secretariat for immediate transmission to the panel and to the other party or parties to the dispute. The complaining party shall submit its first submission in advance of the responding party’s first submission unless the panel decides, in fixing the timetable referred to in paragraph 3 and after consultations with the parties to the dispute, that the parties should submit their first submissions simultaneously. When there are sequential arrangements for the deposit of first submissions, the panel shall establish a firm time-period for receipt of the responding party’s submission. Any subsequent written submissions shall be submitted simultaneously. 7. Where the parties to the dispute have failed to develop a mutually satisfactory solution, the panel shall submit its findings in the form of a written report to the DSB. In such cases, the report of a panel shall set out the findings of fact, the applicability of relevant provisions and the basic rationale behind any findings and recommendations that it makes. Where a settlement of the manner among the parties to the dispute has been found, the report of the panel shall be confined to a brief description of the case and to reporting that a solution has been reached. 8. In order to make the procedures more efficient, the period in which the panel shall conduct its examination, from the date that the composition and terms of refer-

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ence of the panel have been agreed upon until the date the final report is issued to the parties to the dispute, shall, as a general rule, not exceed six months. In cases of urgency, including those relating to perishable goods, the panel shall aim to issue its report to the parties to the dispute within three months. 9. When the panel considers that it cannot issue its report within six months, or within three months in cases of urgency, it shall inform the DSB in writing of the reasons for the delay together with an estimate of the period within which it will issue its report. In no case should the period from the establishment of the panel to the circulation of the report to the Members exceed nine months. 10. In the context of consultations involving a measure taken by a developing country Member, the parties may agree to extend the periods established in paragraphs 7 and 8 of Article 4. If, after the relevant period has elapsed, the consulting parties cannot agree that the consultations have concluded, the Chairman of the DSB shall decide, after consultation with the parties, whether to extend the relevant period and, if so, for how long. In addition, in examining a complaint against a developing country Member, the panel shall accord sufficient time for the developing country Member to prepare and present its argumentation. The provisions of paragraph 1 of Article 20 and paragraph 4 of Article 21 are not affected by any action pursuant to this paragraph. 11. Where one or more of the parties is a developing country Member, the panel’s report shall explicitly indicate the form in which account has been taken of relevant provisions on differential and more-favourable treatment for developing country Members that form part of the covered agreements which have been raised by the developing country Member in the course of the dispute settlement procedures. 12. The panel may suspend its work at any time at the request of the complaining party for a period not to exceed 12 months. In the event of such a suspension, the time-frames set out in paragraphs 8 and 9 of this Article, paragraph 1 of Article 20, and paragraph 4 of Article 21 shall be extended by the amount of time that the work was suspended. If the work of the panel has been suspended for more than 12 months, the authority for establishment of the panel shall lapse. Article 13 Right to Seek Information 1. Each panel shall have the right to seek information and technical advice from any individual or body which it deems appropriate. However, before a panel seeks such information or advice from any individual or body within the jurisdiction of a Member it shall inform the authorities of that Member. A Member should respond promptly and fully to any request by a panel for such information as the panel considers necessary and appropriate. Confidential information which is provided shall not be revealed without formal authorization from the individual, body, or authorities of the Member providing the information. 2. Panels may seek information from any relevant source and may consult experts to obtain their opinion on certain aspects of the matter. With respect to a factual issue concerning a scientific or other technical matter raised by a party to a dispute, a panel may request an advisory report in writing from an expert review

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group. Rules for the establishment of such a group and its procedures are set forth in Appendix 4. Article 14 Confidentiality 1. Panel deliberations shall be confidential. 2. The reports of panels shall be drafted without the presence of the parties to the dispute in the light of the information provided and the statements made. 3. Opinions expressed in the panel report by individual panelists shall be anonymous. Article 15 Interim Review Stage 1. Following the consideration of rebuttal submissions and oral argument, the panel shall issue the descriptive (factual and argument) sections of its draft report to the parties to the dispute. Within a period of time set by the panel, the parties shall submit their comments in writing. 2. Following the expiration of the set period of time for receipt of comments from the parties to the dispute, the panel shall issue an interim report to the parties, including both the descriptive sections and the panel’s findings and conclusions. Within a period of time set by the panel, a party may submit a written request for the panel to review precise aspects of the interim report prior to circulation of the final report to the Members. At the request of a party, the panel shall hold a further meeting with the parties on the issues identified in the written comments. If no comments are received from any party within the comment period, the interim report shall be considered the final panel report and circulated promptly to the Members. 3. The findings of the final panel report shall include a discussion of the arguments made at the interim review stage. The interim review stage shall be conducted within the time-period set out in paragraph 8 of Article 12.

Article 16 Adoption of Panel Reports 1. In order to provide sufficient time for the Members to consider panel reports, the reports shall not be considered for adoption by the DSB until 20 days after the date they have been circulated to the Members. 2. Members having objections to a panel report shall give written reasons to explain their objections for circulation at least 10 days prior to the DSB meeting at which the panel report will be considered. 3. The parties to a dispute shall have the right to participate fully in the consideration of the panel report by the DSB, and their views shall be fully recorded.

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4. Within 60 days after the date of circulation of a panel report to the Members, the report shall be adopted at a DSB meeting unless a party to the dispute formally notifies the DSB of its decision to appeal or the DSB decides by consensus not to adopt the report. If a party has notified its decision to appeal, the report by the panel shall not be considered for adoption by the DSB until after completion of the appeal. This adoption procedure is without prejudice to the right of Members to express their views on a panel report.

Article 17 Appellate Review Standing Appellate Body 1. A standing Appellate Body shall be established by the DSB. The Appellate Body shall hear appeals from panel cases. It shall be composed of seven persons, three of whom shall serve on any one case. Persons serving on the Appellate Body shall serve in rotation. Such rotation shall be determined in the working procedures of the Appellate Body. 2. The DSB shall appoint persons to serve on the Appellate Body for a four-year term, and each person may be reappointed once. However, the terms of three of the seven persons appointed immediately after the entry into force of the WTO Agreement shall expire at the end of two years, to be determined by lot. Vacancies shall be filled as they arise. A person appointed to replace a person whose term of office has not expired shall hold office for the remainder of the predecessor’s term. 3. The Appellate Body shall comprise persons of recognized authority, with demonstrated expertise in law, international trade and the subject matter of the covered agreements generally. They shall be unaffiliated with any government. The Appellate Body membership shall be broadly representative of membership in the WTO. All persons serving on the Appellate Body shall be available at all times and on short notice, and shall stay abreast of dispute settlement activities and other relevant activities of the WTO. They shall not participate in the consideration of any disputes that would create a direct or indirect conflict of interest. 4. Only parties to the dispute, not third parties, may appeal a panel report. Third parties which have notified the DSB of a substantial interest in the matter pursuant to paragraph 2 of Article 10 may make written submissions to, and be given an opportunity to be heard by, the Appellate Body. 5. As a general rule, the proceedings shall not exceed 60 days from the date a party to the dispute formally notifies its decision to appeal to the date the Appellate Body circulates its report. In fixing its timetable the Appellate Body shall take into account the provisions of paragraph 9 of Article 4, if relevant. When the Appellate Body considers that it cannot provide its report within 60 days, it shall inform the DSB in writing of the reasons for the delay together with an estimate of the period within which it will submit its report. In no case shall the proceedings exceed 90 days. 6. An appeal shall be limited to issues of law covered in the panel report and legal interpretations developed by the panel.

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7. The Appellate Body shall be provided with appropriate administrative and legal supports it requires. 8. The expenses of persons serving on the Appellate Body, including travel and subsistence allowance, shall be met from the WTO budget in accordance with criteria to be adopted by the General Council, based on recommendations of the Committee on Budget, Finance and Administration. Procedures for Appellate Review 9. Working procedures shall be drawn up by the Appellate Body in consultation with the Chairman of the DSB and the Director-General, and communicated to the Members for their information. 10. The proceedings of the Appellate Body shall be confidential. The reports of the Appellate Body shall be drafted without the presence of the parties to the dispute and in the light of the information provided and the statements made. 11. Opinions expressed in the Appellate Body report by individuals serving on the Appellate Body shall be anonymous. 12. The Appellate Body shall address each of the issues raised in accordance with paragraph 6 during the appellate proceeding. 13. The Appellate Body may uphold, modify or reverse the legal findings and conclusions of the panel. Adoption of Appellate Body Reports 14. An Appellate Body report shall be adopted by the DSB and unconditionally accepted by the parties to the dispute unless the DSB decides by consensus not to adopt the Appellate Body report within 30 days following its circulation to the Members. This adoption procedure is without prejudice to the right of Members to express their views on an Appellate Body report. Article 18 Communications with the Panel or Appellate Body 1. There shall be no ex parte communications with the panel or Appellate Body concerning matters under consideration by the panel or Appellate Body. 2. Written submissions to the panel or the Appellate Body shall be treated as confidential, but shall be made available to the parties to the dispute. Nothing in this Understanding shall preclude a party to a dispute from disclosing statements of its own positions to the public. Members shall treat as confidential information submitted by another Member to the panel or the Appellate Body which that Member has designated as confidential. A party to a dispute shall also, upon request of a Member, provide a non-confidential summary of the information contained in its written submissions that could be disclosed to the public.

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Anhang 2: Dispute Settlement Understanding (DSU) Article 19 Panel and Appellate Body Recommendations

1. Where a panel or the Appellate Body concludes that a measure is inconsistent with a covered agreement, it shall recommend that the Member concerned bring the measure into conformity with that agreement. In addition to its recommendations, the panel or Appellate Body may suggest ways in which the Member concerned could implement the recommendations. 2. In accordance with paragraph 2 of Article 3, in their findings and recommendations, the panel and Appellate Body cannot add to or diminish the rights and obligations provided in the covered agreements. Article 20 Time-frame for DSB Decisions Unless otherwise agreed to by the parties to the dispute, the period from the date of establishment of the panel by the DSB until the date the DSB considers the panel or appellate report for adoption shall as a general rule not exceed nine months where the panel report is not appealed or 12 months where the report is appealed. Where either the panel or the Appellate Body has acted, pursuant to paragraph 9 of Article 12 of paragraph 5 of Article 17, to extend the time for providing its report, the additional time taken shall be added to the above periods. Article 21 Surveillance of Implementation of Recommendations and Rulings 1. Prompt compliance with recommendations or rulings of the DSB is essential in order to ensure effective resolution of disputes to the benefit of all Members. 2. Particular attention should be paid to matters affecting the interests of developing country Members with respect to measures which have been subject to dispute settlement. 3. At a DSB meeting held within 30 days after the date of adoption of the panel or Appellate Body report, the Member concerned shall inform the DSB of its intentions in respect of implementation of the recommendations and rulings of the DSB. If it is impracticable to comply immediately with the recommendations and rulings, the Member concerned shall have a reasonable period of time in which to do so. The reasonable period of time shall be: (a) the period of time proposed by the Member concerned, provided that such period is approved by the DSB; or, in the absence of such approval, (b) a period of time mutually agreed by the parties to the dispute within 45 days after the date of adoption of the recommendations and rulings; or, in the absence of such agreement, (c) a period of time determined through binding arbitration within 90 days after the date of adoption of the recommendations and rulings. In such arbitration, a guideline for the arbitrator should be that the reasonable period of time to im-

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plement panel or Appellate Body recommendations should not exceed 15 months from the date of adoption of a panel or Appellate Body report. However, that time may be shorter or longer, depending upon the particular circumstances. 4. Except where the panel or the Appellate Body has extended, pursuant to paragraph 9 of Article 12 or paragraph 5 of Article 17, the time of providing its report, the period from the date of establishment of the panel by the DSB until the date of determination of the reasonable period of time shall not exceed 15 months unless the parties to the dispute agree otherwise. Where either the panel or the Appellate Body has acted to extend the time of providing its report, the additional time taken shall be added to the 15-month period; provided that unless the parties to the dispute agree that there are exceptional circumstances, the total time shall not exceed 18 months. 5. Where there is disagreement as to the existence or consistency with a covered agreement of measures taken to comply with the recommendations and rulings such dispute shall be decided through recourse to these dispute settlement procedures, including wherever possible resort to the original panel. The panel shall circulate its report within 90 days after the date of referral of the matter to it. When the panel considers that it cannot provide its report within this time frame, it shall inform the DSB in writing of the reasons for the delay together with an estimate of the period within which it will submit its report. 6. The DSB shall keep under surveillance the implementation of adopted recommendations or rulings. The issue of implementation of the recommendations or rulings may be raised at the DSB by any Member at any time following their adoption. Unless the DSB decides otherwise, the issue of implementation of the recommendations or rulings shall be placed on the agenda of the DSB meeting after six months following the date of establishment of the reasonable period of time pursuant to paragraph 3 and shall remain on the DSB’s agenda until the issue is resolved. At least 10 days prior to each such DSB meeting, the Member concerned shall provide the DSB with a status report in writing of its progress in the implementation of the recommendations or rulings. 7. If the matter is one which has been raised by a developing country Member, the DSB shall consider what further action it might take which would be appropriate to the circumstances. 8. If the case is one brought by a developing country Member, in considering what appropriate action might be taken, the DSB shall take into account not only the trade coverage of measures complained of, but also their impact on the economy of developing country Members concerned. Article 22 Compensation and the Suspension of Concessions 1. Compensation and the suspension of concessions or other obligations are temporary measures available in the event that the recommendations and rulings are not implemented within a reasonable period of time. However, neither compensation nor the suspension of concessions or other obligations is preferred to full implemen-

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tation of a recommendation to bring a measure into conformity with the covered agreements. Compensation is voluntary and, if granted, shall be consistent with the covered agreements. 2. If the Member concerned fails to bring the measure found to be inconsistent with a covered agreement into compliance therewith or otherwise comply with the recommendations and rulings within the reasonable period of time determined pursuant to paragraph 3 of Article 21, such Member shall, if so requested, and no later than the expiry of the reasonable period of time, enter into negotiations with any party having invoked the dispute settlement procedures, with a view to developing mutually acceptable compensation. If no satisfactory compensation has been agreed within 20 days after the date of expiry of the reasonable period of time, any party having invoked the dispute settlement procedures may request authorization from the DSB to suspend the application to the Member concerned of concessions or other obligations under the covered agreements. 3. In considering what concessions or other obligations to suspend, the complaining party shall apply the following principles and procedures: (a) the general principle is that the complaining party should first seek to suspend concessions or other obligations with respect to the same sector(s) as that in which the panel or Appellate Body has found a violation or other nullification or impairment; (b) if that party considers that it is not practicable or effective to suspend concessions or other obligations with respect to the same sector(s), it may seek to suspend concessions or other obligations in other sectors under the same agreement; (c) if that party considers that it is not practicable or effective to suspend concessions or other obligations with respect to other sectors under the same agreement, and that the circumstances are serious enough, it may seek to suspend concessions or other obligations under another covered agreement; (d) in applying the above principles, that party shall take into account: (i) the trade in the sector or under the agreement under which the panel or Appellate Body has found a violation or other nullification or impairment, and the importance of such trade to that party; (ii) the broader economic elements related to the nullification or impairment and the broader economic consequences of the suspension of concessions or other obligations; (e) if that party decides to request authorization to suspend concessions or other obligations pursuant to subparagraphs (b) or (c), it shall state the reasons therefore in its request. At the same time as the request is forwarded to the DSB, it also shall be forwarded to the relevant Councils and also, in the case of a request pursuant to subparagraph (b), the relevant sectorial bodies; (f) for purposes of this paragraph, “sector” means: (i) with respect to goods, all goods; (ii) with respect to services, a principal sector as identified in the current “Services Sectoral Classification List” which identifies such sectors;

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(iii) with respect to trade-related intellectual property rights, each of the categories of intellectual property rights covered in Section 1, or Section 2, or Section 3, or Section 4, or Section 5, or Section 6, or Section 7 of Part II, or the obligations under Part III, or Part IV of the Agreement on TRIPS; (g) for purposes of this paragraph, “agreement” means: (i) with respect to goods, the agreements listed in Annex 1A of the WTO Agreement, taken as a whole as well as the Plurilateral Trade Agreements in so far as the relevant parties to the dispute are parties to these agreements; (ii) with respect to services, the GATS; (iii) with respect to intellectual property rights, the Agreement on TRIPS. 4. The level of the suspension of concessions or other obligations authorized by the DSB shall be equivalent to the level of the nullification or impairment. 5. The DSB shall not authorize suspension of concessions or other obligations if a covered agreement prohibits such suspension. 6. When the situation described in paragraph 2 occurs, the DSB, upon request, shall grant authorization to suspend concessions or other obligations within 30 days of the expiry of the reasonable period of time unless the DSB decides by consensus to reject the request. However, if the Member concerned objects to the level of suspension proposed, or claims that the principles and procedures set forth in paragraph 3 have not been followed where a complaining party has requested authorization to suspend concessions or other obligations pursuant to paragraph 3(b) or (c), the matter shall be referred to arbitration. Such arbitration shall be carried out by the original panel, if members are available, or by an arbitrator appointed by the DirectorGeneral and shall be completed within 60 days after the date of expiry of the reasonable period of time. Concessions or other obligations shall not be suspended during the course of the arbitration. 7. The arbitrator acting pursuant to paragraph 6 shall not examine the nature of the concessions or other obligations to be suspended but shall determine whether the level of such suspension is equivalent to the level of nullification or impairment. The arbitrator may also determine if the proposed suspension of concessions or other obligations is allowed under the covered agreement. However, if the matter referred to arbitration includes a claim that the principles and procedures set forth in paragraph 3 have not been followed, the arbitrator shall examine that claim. In the event the arbitrator determines that those principles and procedures have not been followed, the complaining party shall apply them consistent with paragraph 3. The parties shall accept the arbitrator’s decision as final and the parties concerned shall not seek a second arbitration. The DSB shall be informed promptly of the decision of the arbitrator and shall upon request, grant authorization to suspend concessions or other obligations where the request is consistent with the decision of the arbitrator, unless the DSB decides by consensus to reject the request. 8. The suspension of concessions or other obligations shall be temporary and shall only be applied until such time as the measure found to be inconsistent with a covered agreement has been removed, or the Member that must implement recommen-

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dations or rulings provides a solution to the nullification or impairment of benefits, or a mutually satisfactory solution is reached. In accordance with paragraph 6 of Article 21, the DSB shall continue to keep under surveillance the implementation of adopted recommendations or rulings, including those cases where compensation has been provided or concessions or other obligations have been suspended but the recommendations to bring a measure into conformity with the covered agreements have not been implemented. 9. The dispute settlement provisions of the covered agreements may be invoked in respect of measures affecting their observance taken by regional or local governments or authorities within the territory of a Member. When the DSB has ruled that a provision of a covered agreement has not been observed, the responsible Member shall take such reasonable measures as may be available to it to ensure its observance. The provisions of the covered agreements and this Understanding relating to compensation and suspension of concessions or other obligations apply in cases where it has not been possible to secure such observance. Article 23 Strengthening of the Multilateral System 1. When Members seek the redress of a violation of obligations or other nullification or impairment of benefits under the covered agreements or an impediment to the attainment of any objective of the covered agreements, they shall have recourse to, and abide by, the rules and procedures of this Understanding. 2. In such cases, Members shall: (a) not make a determination to the effect that a violation has occurred, that benefits have been nullified or impaired or that the attainment of any objective of the covered agreements has been impeded, except through recourse to dispute settlement in accordance with the rules and procedures of this Understanding, and shall make any such determination consistent with the findings contained in the panel or Appellate Body report adopted by the DSB or an arbitration award rendered under this Understanding; (b) follow the procedures set forth in Article 21 to determine the reasonable period of time for the Member concerned to implement the recommendations and rulings; and (c) follow the procedures set forth in Article 22 to determine the level of suspension of concessions or other obligations and obtain DSB authorization in accordance with those procedures before suspending concessions or other obligations under the covered agreements in response to the failure of the Member concerned to implement the recommendations and rulings within that reasonable period of time. Article 24 Special Procedures Involving Least-Developed Country Members 1. At all stages of the determination of the causes of a dispute and of dispute settlement procedures involving a least-developed country Member, particular considera-

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tion shall be given to the special situation of least-developed country Members. In this regard, Members shall exercise due restraint in raising matters under these procedures involving a least-developed country Member. If nullification or impairment is found to result from a measure taken by a least-developed country Member, complaining parties shall exercise due restraint in asking for compensation or seeking authorization to suspend the application of concessions or other obligations pursuant to these procedures. 2. In dispute settlement cases involving a least-developed country Member, where a satisfactory solution has not been found in the course of consultations the DirectorGeneral or the Chairman of the DSB shall, upon request by a least-developed country Member offer their good offices, conciliation and mediation with a view to assisting the parties to settle the dispute, before a request for a panel is made. The Director-General or the Chairman of the DSB, in providing the above assistance, may consult any source which either deems appropriate.

Article 25 Arbitration 1. Expeditious arbitration within the WTO as an alternative means of dispute settlement can facilitate the solution of certain disputes that concern issues that are clearly defined by both parties. 2. Except as otherwise provided in this Understanding, resort to arbitration shall be subject to mutual agreement of the parties which shall agree on the procedures to be followed. Agreements to resort to arbitration shall be notified to all Members sufficiently in advance of the actual commencement of the arbitration process. 3. Other Members may become party to an arbitration proceeding only upon the agreement of the parties which have agreed to have recourse to arbitration. The parties to the proceeding shall agree to abide by the arbitration award. Arbitration awards shall be notified to the DSB and the Council or Committee of any relevant agreement where any Member may raise any point relating thereto. 4. Articles 21 and 22 of this Understanding shall apply mutatis mutandis to arbitration awards. Article 26 1. Non-Violation Complaints of the Type Described in Paragraph 1(b) of Article XXIII of GATT 1994 Where the provisions of paragraph 1(b) of Article XXIII of GATT 1994 are applicable to a covered agreement, a panel or the Appellate Body may only make rulings and recommendations where a party to the dispute considers that any benefit accruing to it directly or indirectly under the relevant covered agreement is being nullified or impaired or the attainment of any objective of that Agreement is being impeded as a result of the application by a Member of any measure, whether or not it conflicts with the provisions of that Agreement. Where and to the extent that such party considers and a panel or the Appellate Body determines that a case con-

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cerns a measure that does not conflict with the provisions of a covered agreement to which the provisions of paragraph 1(b) of Article XXIII of GATT 1994 are applicable, the procedures in this Understanding shall apply, subject to the following: (a) the complaining party shall present a detailed justification in support of any complaint relating to a measure which does not conflict with the relevant covered agreement; (b) where a measure has been found to nullify or impair benefits under, or impede the attainment of objectives, of the relevant covered agreement without violation thereof, there is no obligation to withdraw the measure. However, in such cases, the panel or the Appellate Body shall recommend that the Member concerned make a mutually satisfactory adjustment; (c) notwithstanding the provisions of Article 21, the arbitration provided for in paragraph 3 of Article 21, upon request of either party, may include a determination of the level of benefits which have been nullified or impaired, and may also suggest ways and means of reaching a mutually satisfactory adjustment; such suggestions shall not be binding upon the parties to the dispute; (d) notwithstanding the provisions of paragraph 1 of Article 22, compensation may be part of a mutually satisfactory adjustment as final settlement of the dispute. 2. Complaints of the Type Described in Paragraph 1(c) of Article XXIII of GATT 1994 Where the provisions of paragraph 1(c) of Article XXIII of GATT 1994 are applicable to a covered agreement, a panel may only make rulings and recommendations where a party considers that any benefit accruing to it directly or indirectly under the relevant covered agreement is being nullified or impaired or the attainment of any objective of that Agreement is being impeded as a result of the existence of any situation other than those to which the provisions of paragraphs 1(a) and 1(b) of Article XXIII of GATT 1994 are applicable. Where and to the extent that such party considers and a panel determines that the matter is covered by this paragraph, the procedures of this Understanding shall apply only up to and including the point in the proceedings where the panel report has been circulated to the Members. The dispute settlement rules and procedures contained in the Decision of 12 April 1989 (BISD 36S/61-67) shall apply to consideration for adoption, and surveillance and implementation of recommendations and rulings. The following shall also apply: (a) the complaining party shall present a detailed justification in support of any argument made with respect to issues covered under this paragraph; (b) in cases involving matters covered by this paragraph, if a panel finds that cases also involve dispute settlement matters other than those covered by this paragraph, the panel shall circulate a report to the DSB addressing any such matters and a separate report on matters falling under this paragraph.

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Article 27 Responsibilities of the Secretariat 1. The Secretariat shall have the responsibility of assisting panels, especially on the legal, historical and procedural aspects of the matters dealt with, and of providing secretarial and technical support. 2. While the Secretariat assists Members in respect of dispute settlement at their request, there may also be a need to provide additional legal advice and assistance in respect of dispute settlement to developing country Members. To this end, the Secretariat shall make available a qualified legal expert from the WTO technical cooperation services to any developing country Member which so requests. This expert shall assist the developing country Member in a manner ensuring the continued impartiality of the Secretariat. 3. The Secretariat shall conduct special training courses for interested Members concerning these dispute settlement procedures and practices so as to enable Members’ experts to be better informed in this regard.

Appendix 1: Agreement Covered by the Understanding (A) Agreement Establishing the World Trade Organization (B) Multilateral Trade Agreements Annex 1A: Multilateral Agreements on Trade in Goods Annex 1B: General Agreement on Trade in Services Annex 1C: Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights Annex 2:

Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes

(C) Plurilateral Trade Agreements Annex 4:

Agreement on Trade in Civil Aircraft Agreement on Government Procurement International Dairy Agreement International Bovine Meat Agreement

The applicability of this Understanding to the Plurilateral Trade Agreements shall be subject to the adoption of a decision by the parties to each agreement setting out the terms for the application of the Understanding to the individual agreement, including any special or additional rules or procedures for inclusion in Appendix 2, as notified to the DSB.

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Appendix 3: Working Procedures 1. In its proceedings the panel shall follow the relevant provision of this Understanding. In addition, the following working procedures shall apply. 2. The panel shall meet in closed session. The parties to the dispute, and interested parties, shall be present at the meetings only when invited by the panel to appear before it. 3. The deliberations of the panel and the documents submitted to it shall be kept confidential. Nothing in this Understanding shall preclude a party to a dispute from disclosing statements of its own positions to the public. Members shall treat as confidential information submitted by another Member to the panel which that Member has designated as confidential. Where a party to a dispute submits a confidential version of its written submissions to the panel, it shall also, upon request of a Member, provide a non-confidential summary of the information contained in its submissions that could be disclosed to the public. 4. Before the first substantive meeting of the panel with the parties, the parties to the dispute shall transmit to the panel written submissions in which they present the facts of the case and their arguments. 5. At its first substantive meeting with the parties, the panel shall ask the party which has brought the complaint to present its case. Subsequently, and still at the same meeting, the party against which the complaint has been brought shall be asked to present its point of view. 6. All third parties which have notified their interest in the dispute to the DSB shall be invited in writing to present their views during a session of the first substantive meeting of the panel set aside for that purpose. All such third parties may be present during the entirety of this session. 7. Formal rebuttals shall be made at a second substantive meeting of the panel. The party complained against shall have the right to take the floor first to be followed by the complaining party. The parties shall submit, prior to that meeting, written rebuttals to the panel. 8. The panel may at any time put questions to the parties and ask them for explanations either in the course of a meeting with the parties or in writing. 9. The parties to the dispute and any third party invited to present its views in accordance with Article 10 shall make available to the panel a written version of their oral statements. 10. In the interest of full transparency, the presentations, rebuttals and statements referred to in paragraphs 5 to 9 shall be made in the presence of the parties. Moreover, each party’s written submissions, including any comments on the descriptive part of the report and responses to questions put by the panel, shall be made available to the other party or parties. 11. Any additional procedures specific to the panel.

Anhang 2: Dispute Settlement Understanding (DSU) 12. Proposed timetable for panel work: (a) Receipt of first written submissions of the parties: (1) complaining Party: (2) Party complained against: (b) Date, time and place of first substantive meeting with the parties; third party session: (c) Receipt of written rebuttals of the parties: (d) Date, time and place of second substantive meeting with the parties: (e) Issuance of descriptive part of the report to the parties: (f) Receipt of comments by the parties on the descriptive part of the report: (g) Issuance of the interim report, including the findings and conclusions, to the parties: (h) Deadline for party to request review of part(s) of report: (i) Period of review by panel, including possible additional meeting with parties: (j) Issuance of final report to parties to dispute: (k) Circulation of the final report to the Members:

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3–6 weeks 2–3 weeks 1–2 weeks 2–3 weeks 1–2 weeks 2–4 weeks 2 weeks 2–4 weeks 1 week 2 weeks 2 weeks 3 weeks

The above calendar may be changed in the light of unforeseen developments. Additional meetings with the parties shall be scheduled if required.

Appendix 4: Expert Review Groups The following rules and procedures shall apply to expert review groups established in accordance with the provisions of paragraph 2 of Article 13. 1. Expert review groups are under the panel’s authority. Their terms of reference and detailed working procedures shall be decided by the panel, and they shall report to the panel. 2. Participation in expert review groups shall be restricted to persons of professional standing and experience in the field in question. 3. Citizens of parties to the dispute shall not serve on an expert review group without the joint agreement of the parties to the dispute, except in exceptional circumstances, when the panel considers that the need for specialized scientific expertise cannot be fulfilled otherwise. Government officials of parties to the dispute shall not serve on an expert review group. Members of expert review groups shall serve in their individual capacities and not as government representatives, nor as representatives of any organization. Governments or organizations shall therefore not give them instructions with regard to matters before an expert review group. 4. Expert review groups may consult and seek information and technical advice from any source they deem appropriate. Before an expert review group seeks such information or advice from a source within the jurisdiction of a Member, it shall

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Anhang 2: Dispute Settlement Understanding (DSU)

inform the government of that Member. Any Member shall respond promptly and fully to any request by an expert review group for such information as the expert review group considers necessary and appropriate. 5. The parties to a dispute shall have access to all relevant information provided to an expert review group, unless it is of a confidential nature. Confidential information provided to the expert review group shall not be released without formal authorization from the government, organization or person providing the information. Where such information is requested from the expert review group but release of such information by the expert review group is not authorized, a non-confidential summary of the information will be provided by the government, organization or person supplying the information. 6. The expert review group shall submit a draft report to the parties to the dispute with a view to obtaining their comments, and taking them into account, as appropriate, in the final report, which shall also be issued to the parties to the dispute when it is submitted to the panel. The final report of the expert review group shall be advisory only.

Entscheidungsregister 1. GATT/WTO Entscheidungen a) Panelberichte (GATT 1947 und GATT 1994) European Communities – Trade Description of Sardines, WT/DS231/R, vom 29. Mai 2002, noch nicht angenommen. European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos Containing Products, WT/DS135/R, angenommen am 18. September 2000. Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT/DS23/R, angenommen am 19. November 1999. India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products, WT/DS90/R, angenommen am 23. August 1999. Japan – Measures Affecting Agricultural Products, WT/DS76/R, angenommen am 19. März 1999. Australia – Measures Affecting Importation of Salmon, WT/DS18/R, angenommen am 6. November 1998. United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WT/ DS58/R, angenommen am 15. Mai 1998. European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS48/R, angenommen am 13. Februar 1998. United States – Measures Affecting the Importation of Cotton and Man-Made Fibre Underwear, WT/DS24/R, angenommen am 25. Februar 1997. United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, WT/DS2/R, angenommen am 20. Mai 1996. United States – Taxes on Automobiles, DS31/R, angenommen am 29. September 1994. United States – Impositions of Anti-Dumping Duties on Imports of Fresh and Chilled Atlantic Salmon from Norway, vom 27. April 1994, ADP/87. United States – Restrictions on Imports of Tuna (Tuna/Dolphins II) vom 20. Mai 1994 (nicht angenommen), DS29/R, ILM 33 (1994), 839. Korea – Anti-Dumping Duties on Imports of Polyacetal Resins from the United States, vom 27. April 1993, BISD 40S/205. United States – Measures Affecting Alcoholic and Malt Beverages, DS23/R, angenommen am 19. Juni 1992, BISD 39S/206.

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Entscheidungsregister

United States – Restrictions on Imports of Tuna (Tuna/Dolphins I) vom 3. September 1991 (nicht angenommen), DS21/R, BISD 39S/155 = ILM 30 (1991), 1598. Thailand – Restrictions on Importation of and Internal Taxes on Cigarettes, DS10/ R, angenommen am 7. November 1990, BISD 37S/200. Canada – Measures Affecting Exports of Unprocessed Herring and Salmon, L/6268, vom 22. März 1988, BISD 35S/98. United States – Taxes on Petroleum and Certain Imported Substances, L/6175, angenommen am 17. Juni 1987. United States – Initiation of a Counterveiling Duty Investigation into Softwood Cumber Products from Canada, vom 3. Juni 1987, BISD 34S/144. United States – Prohibition of Imports of Tuna and Tuna Products from Canada, L/5198, angenommen am 22. Februar 1982, BISD 29S/91.

b) Berufungsberichte European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos Containing Products, WT/DS135/AB/R, angenommen am 12. März 2001 India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products, WT/DS90/AB/R, angenommen am 22. September 1994. Japan – Measures Affecting Agricultural Products, WT/DS76/AB/R, angenommen am 19. März 1999. Australia – Measures Affecting Importation of Salmon, WT/DS18/AB/R, angenommen am 6. November 1998. United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WT/ DS58/AB/R, angenommen am 6. November 1998. European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS48/AB/R, angenommen am 23. Juli 1998. Brazil – Measures Affecting Desiccated Coconut and Coconut milk powder, WT/ DS22/AB/R, angenommen am 20. März 1997. United States – Measures Affecting Imports of Woven Woll Shirts and Blouses from India, WT/DS33/AB/R, angenommen am 23. Mai 1997. Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/ DS11/AB/R, angenommen am 1. November 1996. United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, WT/DS2/ AB/R, angenommen am 20. Mai 1996.

2. Internationaler Gerichtshof (IGH) Case Concerning the Gabcikovo-Nagymaros Project (Ungarn v. Slovakei), Urteil vom 25. September 1997, ICJ Rep. 1997, 7.

Entscheidungsregister

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Interpretations of the Agreement of 25 March 1951 between WHO and Egypt, Urteil vom 20. Dezember 1980, ICJ Rep. 1980, 73. Nuclear Test Cases (Australia vs. France, New Zealand vs. France), Urteil vom 20. Dezember 1974, ICJ Rep. 1974, 253. North Sea Continental Shelf Cases (Bundesrepublik Deutschland v. Dänemark; Bundesrepublik Deutschland v. Niederlande), Urteil vom 20. Februar 1969, ICJ Rep. 1969, 3. Reparations for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, Urteil vom 11. April 1949, ICJ Rep. 1949, 174.

3. Europäischer Gerichthof (EuGH) Rs. C-149/96 – Portugal/Rat, Slg. 1999, I-8395. Rs. C-331/88 – The Queen v. The Minister for Agriculture, Fisheries and Foods and the Secretary of State for Health, ex parte: Fedesa and Others, Slg. 1988, I-4023. Rs. 178/84 – Kommission der EG/Bundesrepublik Deutschland („Bierurteil“), Slg. 1987, II-1262. Rs. 58/80 – Nisin, Slg. 1981, 409. Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft mbH gegen Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, Slg. 1970, 1125.

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Stichwortverzeichnis Antidumpingübereinkommen 167 Anwendbares Recht (Streitbeilegung) 49 ff. Appellate Body siehe Berufungsgremium Außenhandelstheorie 26 Auslegung 49 ff., 65, 193 ff., 199, 219 f. Australia – Salmon 78, 155 Berufungsgremium 46 ff., 169 Beschränkungsverbot 251 Bestimmtheitsgebot 122 Beurteilungsspielraum 158 ff., 181 Beweiswürdigung 187 ff. – Beweislast 188 ff., 227 – Beweislastumkehr 190 – Beweismaßstab 192 – Prima facie Beweis 187 ff., 227 – Wissenschaftliche Beweise 178 Bundesverfassungsgericht 109, 183 f. Bundesverwaltungsgericht 184 Codex Alimentarius Commission (CAK) 202 ff. – Annahme von Schutzstandards 213 ff. – Aufbau und Organisation 205 – Auswirkungen des SPS-Übereinkommens 218 – Bedeutung 215 – Beschlußverfahren 230 – Industrieverbände 230 – Transparenz und Öffentlichkeit 233 – Untergremien 207 – Verbraucherverbände 232 – Verfahren 210, 228 ff.

– Völkerrechtscharakter 216 – Ziele 209, 243 Demokratiedefizit 244 Diskriminierungsverbot siehe Nichtdiskriminierung Dispute Settlement Body (DSB) 46 ff., 70 f., 168 Dispute Settlement Understanding (DSU) 46 ff., 76, 136, 158, 168 ff. Doha-Runde 30 Dringlichkeit, vorübergehende Schutzmaßnahmen 63, 80, 131 ff. Dualismus 25 EC-Asbestos (Asbestfall) 51, 84 ff., 88, 157 EC-Sardines (Sardinenfall) 89, 90 ff., 188, 204 EG 22, 23 ff., 70 ff., 84, 90, 128 Ermessen 159 EuGH (Europäischer Gerichtshof) 35 ff., 110, 215, 253 Exekutive 183 ff. Extraterritoriale Rechtsanwendung 94 FAO 114, 205 f. Fedesa 36 ff. Freie Verkehrsfähigkeit 214 GATS 44 f. GATT 44, 80 ff. – Abgrenzung zum SPS-Übereinkommen 64 ff. – GATT 1947 41 – Nichtdiskriminierung 144 ff. – Normative Grundlagen 80 ff.

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Stichwortverzeichnis

– Rechtfertigung (Art. XX) 65 ff. – Verfahren zum Gesundheitsschutz 82 ff. Gefahren 104, 115 ff., 182 f. Geistiges Eigentum 44 Genetisch veränderte Organismen siehe GVO Gesundheit 21, 39 f., 55 ff., 80 ff. Globalisierung 21, 24 Grundgesetz 100, 182, 184, 245 Grundrechte 22, 100, 182, 245 GVO (gentechnisch veränderte Organismen) 24, 255 Handelsbeschränkung, verschleierte 31, 62, 153 f., 225 Harmonisierung 202 ff., 222 ff., 246 Havanna-Charta 29 f. Hormonregime der EG 32 ff. – Fedesa-Entscheidung des EuGH 36 – Politische Entwicklung 32 – Rechtliche Entwicklung 35 Hormonstreit 31 ff., 70 ff., 236 ff. – Aktueller Stand 77 – Argumentation der Parteien 72 – Beweislastumkehr 190 – Codex Alimentarius Commission 236 ff. – Diskriminierung 150 – Entscheidungen von Panel und Berufungsgremium (Überblick) 73 ff. – Folgen 73 – Gesundheits- und gesellschaftspolitische Dimension 39 – Risikobewertung 118 ff. – Streitschlichtung (unter GATT 1947) 41 – Streitschlichtung (unter SPS) 70 ff. – Vorläufige SPS-Maßnahmen 133 – Wirtschaftliche und finanzielle Dimension 38 Hull-Programm 29

IGH (Internationaler Gerichtshof) 51, 137, 216 Inländergleichbehandlung 89, 144 ff., 155, 251 Innerstaatlich 138, 162, 213, 217 Internationale Handelsorganisation (ITO) 29 f. Internationale Standards siehe Standards Japan – Agricultural Products 79, 132 Konsensprinzip 31, 42, 47 f. Konstitutionalisierung 252 Kontrolldichte 158, 166 ff. Landwirtschaft 31, 53 – gute landwirtschaftliche Praxis 124, 126 Lebensmittelhandel 204, 254 Legitimation, demokratische 245, 253 Lex specialis 66, 89, 95, 200 Liberalisierung 30, 44, 129, 212 Marktzugang 95 Marrakesch 44, 161 Meistbegünstigung 89, 93, 144 ff., 155, 254 Monopol 82 Moore, Mike 21 Moral, öffentliche 101, 109, 123, 138, 162 Multilaterale Übereinkommen 43, 45 Naturwissenschaft 61, 97 ff. – Basis regulatorischer Entscheidungsfindung 100 – Beurteilung von Panels 174 ff. – Gefahren von Tierkrankheiten oder Schädlingen 116 – Kritische Würdigung 137 ff. – Mindermeinungen 119 – Nahrungsmittelbedingte Gefahren 115

Stichwortverzeichnis – – – –

Objektivität 98 Rationalität 98 Risikobewertung 112 ff., 163 Rolle im nationalen Rechtsetzungsprozeß 99 – Verwendung von Wissenschaft (national) 99 ff. – Wissenschaftliche Begründung 61 – Wissenschaftliche Unsicherheit 102, 105, 114, 120 – Wissenschaftspolitik 107 Neue Welthandelsordnung 43 ff. Nichtdiskriminierung 62, 144 ff. – GATT 144 – SPS-Übereinkommen 62, 145, 146 ff. Nichtregierungsorganisation (NGO) 232, 234 f., 245 Nichttarifäre Handelshemmnisse 26, 28, 30, 43, 87, 144, 249, 251, 255 Panel 46 ff., 167, 174 Parlament 101, 234 Plurilaterale Übereinkommen 43, 87 Politik 22, 40, 99, 107, 255 Precautionary principle siehe Vorsorgeprinzip Produktions- und Verarbeitungsmethoden (PPMs) 31, 56 Protektionismus 23, 27, 62, 74, 97, 127, 137 f., 249 Punte des Este Deklaration 43 Rationalität 98, 139 f. Recht auf Gesundheit 22 Recht auf Vorsorge siehe Vorsorgeprinzip Rechtfertigung 27, 61, 66, 81, 86, 180, 193, 247 f. Rechtsetzung – der WTO 253 – national 99 ff., 112, 168, 183 Rechtsordnung 45, 144, 214, 250 Rechtsquellen 216 ff. Rechtsschutz 184, 244

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Rechtsstaat 109, 228, 244 Reformulated Gasoline 50, 81, 89, 150 ff. Ricardo, David 26 Risikobewertung 62, 112 ff., 163 – Durchführung 114 ff. – Inhaltliche Faktoren 122 ff. – Prüfung durch Panels 172 ff. Risikomanagement 107 Risikowahrnehmung 104 Sachverhaltsbeurteilung – Kontrollbefugnis des Berufungsgremiums 169 – objektive 167 ff. – Prüfungsmaßstab 171 Sachverständige 176 Schutzmaßnahmen siehe SPS-Maßnahmen Schutzniveau 60 ff., 146 ff., 161 Schutzstandards 60 ff., 202 Sekretariat – CAK 205 f. – SPS 67 – WTO 27, 45 Shrimp-Turtle (Seeschildkrötenfall) 51, 81, 86, 94 Soft law 216 f. Souveränität 93, 159 ff., 166, 218 SPS-Maßnahmen 55 ff. SPS-Übereinkommen 29 ff., 52 ff., 69 ff. – Abgrenzung GATT 64 – Abgrenzung TBT-Übereinkommen 63 – Anwendung 55 ff. – Auskunftspflicht 67 f. – Auswirkungen auf die Codex Alimentarius Kommission 218, 222 ff. – Entstehung 29 ff., 52 ff. – Nichtdiskriminierung 145 ff. – Normativer Rahmen 54 ff., 59 ff. – Notifikation 67 f. – Risikobewertung 118 ff., 122

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Stichwortverzeichnis

– SPS-Ausschuß 69 – Streitbeilegungsverfahren 69 ff. – Transparenz 67 f. – Vorläufige Maßnahmen 131 – Zielsetzung 54 f. Standards Code 29 f., 64, 86 Stare decisis 48 Streitbeilegung 46 ff., 158 ff. – Ablauf 46 – Anwendbares Recht 49 ff. – Verfahren 46 ff. Subsidiarität 165 Supranationalität 139, 249 f. TBT-Übereinkommen 86 ff. – Anwendungsbereich 88 – EC-Sardines 90 ff. – Normative Grundlagen 87 ff. – Regelungsgehalt 89 – Zielsetzung 87 Technische Handelshemmnisse 29, 88 Territorialität 57, 93 Thailand-Cigarettes (Thailändischer Zigarettenfall) 83 Tierschutz 34, 40, 101, 108 Tokio-Runde 30, 86 Transparenz 67 f., 233 Treu und Glauben 172, 200 TRIPS 44 f. Tuna Dolphin (Tunfischfall I und II) 81, 86, 94, 101 Übergangslösung 43 Umgekehrtes Konsensprinzip siehe Konsensprinzip Umweltschutz 24 f., 81, 86 Unmittelbare Anwendbarkeit 153 Unsicherheit 102 ff. Unternehmen 39, 77, 231 Uruguay-Runde 43 ff. US-Alcoholic Beverages 83

Verbraucher 74, 78, 105, 142, 154, 203, 209 f. Verbraucherschutz 32, 157, 237 Vereinte Nationen (UNO) 205, 246 Verfassung siehe Grundgesetz Verhältnismäßigkeit 63, 109 ff., 164 Verrechtlichung 158 ff. Verwaltung – national 103, 181 ff. – SPS 69 Verwissenschaftlichung 97 ff. Völkerrecht – Auslegungsregeln 199 ff. – Geltung im WTO-Recht 49 – Gewohnheitsrecht 50, 199 – Rechtsquellen 216 Vorsorgeprinzip 128 ff. – Allgemeines 128 – Auslegung Art. 5 Abs. 7 SPS 131 Warenhandel 45 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 82 f., 205 f. Wettbewerb 22, 37, 92, 144, 203 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) 50, 58, 65, 199 f. Wissenschaft siehe Naturwissenschaft WTO-Abkommen 28, 43 ff., 51 – Entstehung 43 ff. – Generalsekretär 45 – Internationale Organisation 26, 45, 51, 160 – Ministerkonferenz 30, 45, 167 – Organe 45 – Präambel 26 – Rahmencharakter 45 – Streitschlichtungsorgane (s. Streitbeilegung) – Zielsetzung 26 f., 29, 44 Zoll 27, 30 f., 167