Des Dandys Wort als Waffe: Dandyismus, narrative Vertextungsstrategien und Geschlechterdifferenz im Werk Jules Barbey d'Aurevillys [Reprint 2015 ed.] 9783110923407, 9783484550384

In Barbey d'Aurevilly's (1808-1889) literary works the dandy takes on an important role not merely as protagon

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Des Dandys Wort als Waffe: Dandyismus, narrative Vertextungsstrategien und Geschlechterdifferenz im Werk Jules Barbey d'Aurevillys [Reprint 2015 ed.]
 9783110923407, 9783484550384

Table of contents :
Einleitung
1. Barbey und der Dandyismus
1.1 Der Dandyismus im XIX. Jahrhundert
1.2 Die französischen Theoretiker des Dandyismus
1.3 Barbeys Essay Du dandysme et de George Brummeil
2. Barbey und der «roman catholique»
2.1 Barbey als ‹katholischer› Schriftsteller
2.2 Leidenschaft, Sünde und Verbrechen: die Faszination des Bösen
3. Buße, Krieg und Kunst: drei Formen der Revolte und der Erneuerung
3.1 Die Frau als Büßerin und Märtyrerin
3.2 Der Mann als Krieger
3.3 Die Kunst als Kriegsersatz
4. Der Dandy als Held
4.1 Vom Krieger zum Dandy
4.2 Der Dandy als Salonlöwe und Verführer
5. Der Dandy als Erzähler
5.1 Der Salon und die Kunst der Unterhaltung
5.2 Der Dandy als literarischer Erneuerer
5.3 Die Erzähl- und Sprachlücke
5.4 Das Erzählen als Spiel
5.5 Das Erzählen als Paradox: voiler/dévoiler
5.6 Die narrative Macht des Dandy-Erzählers
5.7 Die Lust am Text: «désirer l’histoire»
6. Androgynie, Virilität und Geschlechterdifferenz
6.1 Androgynie in der französischen Literatur des XIX. Jahrhunderts
6.2 Dandyismus und Androgynie: Barbeys Dandy und Krieger als Androgyn
6.3 Zur Geschlechterdifferenz bei Barbey
7. Virile Weiblichkeit als Monstrosität
7.1 Der Blaustrumpf
7.2 Die diabolische Frau
7.3 Der weibliche Körper und der Dandy-Text
7.4 Sexualität und narrative Gewalt
Des Dandys Wort als Waffe: Schlußbemerkungen
Verzeichnis der Illustrationen
Bibliographie
Namenregister

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mimesis Untersuchungen zu den romanischen Literaturen der Neuzeit Recherches sur les litt6ratures romanes depuis la Renaissance

Herausgegeben von / Dirigtes par Reinhold R. Grimm, Joseph Jurt, Friedrich Wolfzettel

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Susanne

Rossbach

Des Dandys Wort als Waffe Dandyismus, narrative Vertextungsstrategien und Geschlechterdifferenz im Werk Jules Barbey d'Aurevillys

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2002

D188 Freie Universität Berlin Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rossbach, Susanne: Des Dandys Wort als Waffe : Dandyismus, narrative Vertextungsstrategien und Geschlechterdifferenz im Werk Jules Barbey d'Aurevillys / Susanne Rossbach. - Tübingen: Niemeyer, 2002 (Mimesis; 38) ISBN 3-484-55038-4

ISSN 0178-7489

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2002 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Siegfried Geiger, Ammerbuch

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich Prof. Dr. Margarete Zimmermann (seit Mai 2002 am Frankreichzentrum der TU Berlin) ganz herzlich für die Betreuung der vorliegenden Arbeit danken. Trotz großer geographischer Distanz hat mir Frau Zimmermann in allen Entstehungsphasen der Arbeit mit Rat, Zuspruch und Unterstützung beigestanden. Ihr anregendes Interesse sowie ihre scharfsinnige und konstruktive Kritik haben meinem Projekt wesentliche Anstöße gegeben. Mein besonderer Dank gilt auch den Professoren Reinhold R. Grimm, Joseph Jurt und Friedrich Wolfzettel, die die Arbeit in die mimesis-Reihe des Max Niemeyer-Verlages aufgenommen haben. Manchester, New Hampshire, im Mai 2002

Susanne Rossbach

V

Für Philip und Sophia

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

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1. Barbey und der Dandyismus 1.1 Der Dandyismus im XIX. Jahrhundert 1.2 Die französischen Theoretiker des Dandyismus 1.3 Barbeys Essay Du dandysme et de George Brummeil

11 11 23 26

2. Barbey und der «roman catholique» 2.1 Barbey als Schriftsteller 2.2 Leidenschaft, Sünde und Verbrechen: die Faszination des Bösen

33 34 45

3. Buße, Krieg und Kunst: drei Formen der Revolte und der Erneuerung 3.1 Die Frau als Büßerin und Märtyrerin 3.2 Der Mann als Krieger 3.3 Die Kunst als Kriegsersatz

54 54 60 65

4. Der Dandy als Held 4.1 Vom Krieger zum Dandy 4.2 Der Dandy als Salonlöwe und Verführer

68 68 71

5. Der Dandy als Erzähler 5.1 Der Salon und die Kunst der Unterhaltung 5.2 Der Dandy als literarischer Erneuerer 5.3 Die Erzähl- und Sprachlücke 5.4 Das Erzählen als Spiel 5.5 Das Erzählen als Paradox: vollerI divoiler 5.6 Die narrative Macht des Dandy-Erzählers 5.7 Die Lust am Text: «desirer l'histoire»

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6. Androgynie, Viriiität und Geschlechterdifferenz 6.1 Androgynie in der französischen Literatur des XDC. Jahrhunderts 6.2 Dandyismus und Androgynie: Barbeys Dandy und Krieger als Androgyn 6.3 Zur Geschlechterdifferenz bei Barbey

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7. Virile Weiblichkeit als Monstrosität 7.1 Der Blaustrumpf 7.2 Die diabolische Frau

152 152 158

125 144 150

VII

7.3 Der weibliche Körper und der Dandy-Text

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7.4 Sexualität und narrative Gewalt

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Des Dandys Wort als Waffe: Schlußbemerkungen

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Verzeichnis der Illustrationen

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Bibliographie

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Namenregister

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Einleitung

Jules Barbey d'Aurevilly (1808-89) kleidete sich zeit seines Lebens als Dandy und fiel in der Pariser Gesellschaft durch seine exzentrische Erscheinung und ausgefallene Persönlichkeit auf. Sein enggeschnürtes Korsett, hochrot gefütterter Umhang und übergroßer, spanischer Hut sowie seine bilderreiche Sprache, paradoxen Wortspiele und theatralischen Posen waren Teil einer bewußt inszenierten Maskerade: Der Autor suchte auf dandystische Weise zugleich zu erstaunen, zu irritieren und zu faszinieren sowie sich von der ihm verhaßten bürgerlichen Gesellschaft des XIX. Jahrhunderts abzuheben. 1 Barbey beschäftigte sich auch in intellektueller Hinsicht mit dem Dandyismus und war wie Balzac und Baudelaire ein wichtiger Theoretiker dieser Kulturerscheinung. In seinem einflußreichen Essay Du dandysme et de George Brummeil (1845) befreite er den Begriff «Dandy» von abwertenden Konnotationen und stilisierte den britischen «Beau» zu einem subtilen Rebellen sowie zu einer legendären Figur von geistiger Größe. Der Dandy spielt zudem in Barbeys literarischem Werk eine zentrale Rolle: Er ist als Held und als Erzähler in den Romanen und Novellen des Autors allgegenwärtig und definiert das narrative und ästhetische Produktionsprinzip des Barbeyschen literarischen Textes. Barbeys Zeitfeindlichkeit äußerte sich nicht allein in der elitären, stoischen und ästhetisierenden Lebenshaltung des Dandys. Der Autor war im positivistischen XIX. Jahrhundert des industriellen und wissenschaftlichen Fortschritts zudem ein dogmatischer Katholik, der die Welt, in der er lebte, als materialistisch und gottlos verurteilte und ablehnte. Er war ein kompromißloser Anhänger der absoluten Monarchie, der sich in zunehmend demokratischen und bürgerlichen Zeiten nach einer idealisierten Gesellschaft aus 1

Jules Lemaitre beschreibt seine Reaktion auf Barbeys Erscheinung und Auftreten in Les Contemporains folgendermaßen: «M. Barbey d'Aurevilly m'etonne ... Et puis ... il m'etonne encore. On me cite de lui des mots d'un esprit surprenant, d'un tour hero'ique, qui joignent l'iclat de l'image ä l'imprevu de l'idee. On me dit qu'il parle toujours comme cela, et qu'il traverse la vie dans des habits speciaux, redressö, embaumi, petrifii dans une attitude d'dternelle chevalerie, de dandysme ininterrompu et d'obstinie jeunesse. [...] Π m'inspire l'admiration la plus respectueuse, mais la plus embarrassee, la plus effaree, la plus stupefaite» («Barbey d'Aurevilly». In: J. Lemaitre, Les contemporains. Etudes et portraits litteraires, Quatrifeme serie, Paris, Librairie Lecöne et Oudin, 1889, p. 44-45). Siehe auch Hermann Hofer: Barbey d'Aurevilly Romancier, Lausanne, Francke Verlag Bern, 1974, p. 203-207 und Davina L. Eisenberg: The Figure of the Dandy in Barbey d'Aurevilly's , New York, Peter Lang, 1996, p. 11. 1

Frankreichs vorrevolutionärer Vergangenheit und nach einem Dasein erfüllt von heroischem und kriegerischem Aktionismus sehnte. 2 Der Katholik und Monarchist Barbey gab seiner Unzufriedenheit mit der modernen Welt sowohl in seinem kritischen als auch in seinem literarischen Werk Ausdruck. Wie wir sehen werden, geißelte er als Journalist mit polemischer Wut den Materialismus und Atheismus seiner Zeitgenossen. Als Schriftsteller wandte er sich gegen den Rationalismus des XIX. Jahrhunderts, indem er phantastische Elemente in seine Romane einführte, christliche Themen behandelte sowie die Buße und den Krieg zu heilbringenden und sinnstiftenden Erfahrungen stilisierte. Barbey d'Aurevilly bekämpfte das ihm verhaßte XIX. Jahrhundert zweifellos mit religiösem und reaktionärem Dogmatismus. Wie zu zeigen sein wird, diente dem Monarchisten und «romancier catholique» in seiner existentiellen Revolte gegen ein bürgerliches und Dasein jedoch in erster Linie der Dandyismus. Im postrevolutionären Frankreich stilisierte der Autor den Dandy zum Erben und Nachfolger des royalistischen Kriegers, die Kunst und das Wort zum Kriegsersatz. Als «ecrivain-dandy» lehnte er sich mit subtilen narrativen, sprachlichen und stilistischen Mitteln gegen die Werte und Normen der modernen Gesellschaft und der bürgerlichen Moral auf. In Barbeys literarischem Werk stellt das Wort des erzählenden Dandys ein Mittel zur Revolte und daher eine Art Waffe dar, die es dem Erzähler erlaubt, den traditionellen Leser und «bourgeois» kunstvoll zu irritieren, zu schockieren und zu verlachen, zugleich aber auch mit narrativem Geschick zu faszinieren und zu beherrschen. Dem Akt und der Technik des Erzählens und nicht in erster Linie der erzählten Geschichte kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Daher folgt zunächst ein kurzer Überblick über die Positionen der Barbey-Forschung zu diesem Thema. Seit Anfang der siebziger Jahre gilt das Interesse der Barbey-Forschung vorwiegend Fragen der Erzähltechnik. Insbesondere die Novellensammlung Les diaboliques (1874) wurde zum Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen, die die ungewöhnlich komplexen und verschachtelten narrativen Strukturen der sechs Erzählungen dieser Sammlung analysieren und das vielschichtige Verhältnis von «discours» und «narration» in Barbeys novellistischem Werk diskutieren. 3 Wie diese Arbeiten zeigen, wendet Barbey Erzähl2 3

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Siehe P. J. Yarrow: La pensäe politique et religieuse de Barbey d'Aurevilly, Geneve / Paris, Droz / Minard, 1961, p. 131-194. Siehe zum Beispiel Jean-Pierre Boucher: de Barbey d'Aurevilly: Une esthetique de la dissimulation et de la provocation, Montreal, Les Presses Universitäres de Quebec, 1976; Elisabeth Cardonne-Arlyck: «Nom, corps, metaphore dans de Barbey d'Aurevilly». In: Littirature 54 (mai 1984), p. 3-19; Raymonde Debray-Genette: «Un recit autologique: ». In: The Romanic Review LXIV, 1 (January 1973), p. 38-53; Anne Giard: «Le recit lacunaire dans : Voices and in Barbey d'Aurevilly's ». In: The Romanic Review LXXXII, 2 (March 1991), p. 317-330; Pierre Tranouez: «La narration neutralisante. Etude de quatre ». In: Poetique 17 (1974), p. 39-49; Timothy Unwin: «Barbey d'Aurevilly conteur: Discours et narration dans ». In: Neophilologus 72, 3 (1988), p. 353 -365. Siehe Jacques Petit: «Le temps romanesque et la . In: La revue des lettres modernes 199-202 (1969), p. 31-60 und Essais de lectures des ; Jean-Pierre Boucher: de Barbey d'Aurevilly: Une esthetique de la dissimulation et de la provocation·, Jean Verrier: «Les dessous d'une Diabolique. Lecture de la nouvelle de Barbey d'Aurevilly »; Charles Stivale: «». In: La revue des lettres modernes 234 - 237 (1970), p. 147). Auch Huysmans' Held Des Esseintes schätzt den Autor der Diaboliques und des Pretre marie, da er in seinen Werken zwischen «le mysticisme et le sadisme» hin- und herlaviere (A Rebours, p. 271). Siehe hierzu Andrea Beilharz: Die Decadence und Sade, p. 114-118. Zum Einfluß Sades auf Barbey, siehe auch Philippe Berthier: Barbey d'Aurevilly et {'imagination, p. 129-133. Siehe Charles Baudelaire: (Euvres completes, p. 1178-1179 und Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, München, Hanser, 1960, vol. III, p. 531-532. Siehe auch Hiltrud Gnüg: Der Kult der Kälte, p. 75-76 und Philippe Berthier: «Bar51

und der Sünde, die das gesamte literarische Werk Barbeys prägt und diesem Werk eine erstaunliche Ambiguität verleiht, liegt in der virulenten Zeitfeindlichkeit Barbeys begründet und deutet auf die unterschwellige Bereitschaft des Autors zur Revolte, zum revolutionären Umsturz der von ihm verhaßten bürgerlichen Gesellschaft hin. Der katholische und reaktionäre Barbey, der die Französische Revolution als «fille de Satan» und als eines der größten Übel der Weltgeschichte beschreibt,81 hat allerdings ein äußerst komplexes, ja widersprüchliches Verhältnis zur Revolte (wie auch zum Bösen). Begehrt er auf, so allein, um die Auswirkungen der Französischen Revolution rückgängig zu machen. Eine komplette Verkehrung christlicher Moral, wie sie zum Beispiel Baudelaire im Zyklus Rivolte der Fleurs du Mal vollzieht, wäre bei Barbey daher undenkbar. In Baudelaires Abel et Cam, wie auch in den anderen Gedichten dieses Zyklus, bekennt sich das lyrische Ich offen zum . Abel wird hier als übersättigter Bourgeois gezeichnet, der mit sich und der Welt zufrieden ist und die bürgerliche Gesellschaft nicht in Frage stellt: Race d'Abel, dors, bois et mange; Dieu te sourit complaisamment. [...] Race d'Abel, chauffe ton ventre A ton foyer patriarcal; [...] Race d'Abel, aime et pullule! Ton or fait aussi des petits. [...] Race d'Abel, tu crois et broutes Comme les punaises des bois!82 Kain ist dagegen der zweifelnde und leidende Außenseiter der bürgerlichen Gesellschaft, der von Gott zurückgewiesen wird. Sein Brudermord erscheint am Ende des Gedichts als berechtigte Revolte gegen eine negativ konnotierte bürgerliche Gesellschaft (die Abel repräsentiert) und gegen einen ungerechten Gott (der Abel Kain vorzieht): «Race de Cai'n, au ciel monte, / Et sur la terre jette Dieu!» lautet demnach der letzte Vers.83 Die Verkehrung christlicher Werte, die Baudelaire hier vorführt, wird bei Barbey durch die Strahlkraft, die in seinem Werk zuweilen vom Bösen ausgeht, zwar angedeutet und indirekt evoziert, nie aber wirklich vollzogen. Die Revolte Barbeys ist weniger offen und radikal als jene Baudelaires und trägt nicht anarchistische, sondern traditionalistische und reaktionäre Züge. Der katholische Autor lehnt sich nicht wie der Dichter der Fleurs du Mal mit Satan gegen einen «bürgerlichen» Gott auf, sondern mit Gott gegen eine und bürgerliche Gesellschaft. Satan jedoch, den wie Gott und Stärke charakterisieren,

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bey d'Aurevilly et la revolte». In: La revue des lettres modernes 189-192 (1968), p. 35-71. Barbey: (Euvres romanesques, vol. I, p. 627. Charles Baudelaire: (Euvres completes, p. 115-116. Ibid., p. 116; Hiltrud Gnüg: Der Kult der Kälte, p. 70.

nimmt im Barbeyschen Kreuzzug gegen Bürgertum und Liberalismus zur Rechten Gottes Platz, zumal der Autor in erster Linie gegen die und der Gesellschaft seiner Zeit und erst in zweiter Linie gegen das und die ins Feld zieht. Barbey d'Aurevilly warnt in seinem literarischen Werk vor dem Untergang des feudalen und vorrevolutionären Frankreichs, begnügt sich indes keineswegs mit der Rolle einer konservativ-katholischen Kassandra. Er vollzieht zugleich eine versteckte Revolte gegen die bürgerliche Gesellschaft des XIX. Jahrhunderts, indem er die Faszination des Bösen beschreibt und hierdurch die Opposition von Tilgend und Sünde, von Recht und Unrecht in Frage stellt. Barbey untergräbt auf diese Weise die Grundlage der ihm verhaßten Gesellschaft, zugleich aber auch jene seines eigenen «roman catholique». Wie in Kapitel 3 gezeigt werden soll, suchen der Autor und seine Protagonisten das Frankreich des XIX. Jahrhunderts mittels der Buße, des Krieges und der Kunst zu erneuern.

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3. Buße, Krieg und Kunst: Drei Formen der Revolte und der Erneuerung

Im vorliegenden Kapitel werden drei genderspezifische Formen der Revolte und der Erneuerung in Barbeys Werk untersucht: die Buße, der Krieg und die Kunst. 1 Wie zu zeigen sein wird, repräsentiert der Weiblichkeitstypus der «femme fragile» in Barbeys Werk das katholische, monarchistische und dem Untergang geweihte Frankreich vorrevolutionärer Zeiten. Mittels großer Schmerzen sühnen die Heldinnen, die diesen Typus verkörpern, passiv, selbstlos und freudig die der modernen, rationalistischen und als gottlos beschriebenen Gesellschaft. Wie die weiblich besetzte Buße, so wird auch der männlich besetzte Krieg in Barbeys literarischem Werk zu einer heilbringenden und sinnstiftenden Erfahrung stilisiert. Die Krieger-Helden des Autors suchen im postrevolutionären Frankreich allerdings vergebens, «la guerre des Chouans», diesen von Barbey idealisierten Bürgerkrieg der französischen Revolutionsgeschichte, erneut zu entfachen. Sie finden statt in der heroischen und virilen Tat in der Kunst bzw. im Wort ein Mittel, um ihrer Unzufriedenheit mit einer als defizitär erfahrenen Moderne Ausdruck zu geben sowie gegen die postrevolutionäre Gesellschaft zu rebellieren.

3.1 Die Frau als Büßerin und Märtyrerin Die bürgerliche Gesellschaft des XIX. Jahrhunderts bedarf Barbey zufolge dringend der politischen, gesellschaftlichen, vor allem aber der moralischen Erneuerung, um den ihr drohenden Untergang abzuwehren. Diese Erneuerung liegt für Barbey nicht in der Zukunft, nicht im sozialen Fortschritt und im Wohlstand, sondern allein in der Vergangenheit, im Alten und Überlieferten, in einer Welt der «austerite» und des Schmerzes. Eine Rückbesinnung auf die Werte vergangener Zeiten sei daher vonnöten, denn «les societes les plus fortes, sinon les plus brillantes, vivent d'imitation, de tradition, des choses reprises ä la meme place oü le temps les interrompit [.. .]».2 Rückbesinnung auf vergangene Werte bedeutet für Barbey auch Rückkehr zum katholischen Glauben. In seinen essayistischen wie auch in etlichen literarischen Werken stilisiert er daher die katholische Kirche zu «la sauvegarde», die den moder1

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Teile des vorliegenden Kapitels wurden in etwas veränderter Form bereits veröffentlicht. Siehe Susanne Rossbach: «Blut, Schmerz und Tränen. Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit im literarischen Werk Barbey d'Aurevillys». In: Renate Kroll / Margarete Zimmermann (ed.), Feministische Literaturwissenschaft in der Romanistik. Theoretische Grundlagen - Forschungsstand - Neuinterpretationen, Stuttgart / Weimar, Metzler, 1995, p. 135-153. Barbey: (Euvres romanesques, vol. I, p. 568 (L'ensorcelee).

nen Menschen dem Materialismus und Rationalismus, denen er verfallen sei, entreißen könne. 3 Tief verwurzelt in der menschlichen Geschichte, stelle sie die älteste Institution der Gesellschaft dar 4 und sei damit besonders geeignet, die Menschheit auf den Weg zurückzuführen. Kann sie allein den Menschen in seiner von Körper und Geist erfassen und erklären, so ist sie es auch, die ihm die «virilite», die er in der und Gesellschaft des XIX. Jahrhunderts verloren habe, wiederzugeben vermag.5 Es sind keineswegs die tröstenden, schützenden und stützenden Eigenschaften, die Barbey in erster Linie an der Kirche schätzt. Erneuerung kann im Gegenteil nur durch Buße erreicht werden und diese führt uns in eine dunkle Welt voller Schmerz, Blut, Leid und Tränen, in der die Sünden der , körperlich wie geistig Gesellschaft des XIX. Jahrhunderts gesühnt werden müssen. Diese Welt der Buße und des Schmerzes ist in Barbeys literarischem Werk eindeutig die Welt der Frauen, denn, so erfahren wir im Roman Une vieille maitresse, «les plus beaux yeux de la terre ont ete crees, ä ce qu'il semble, bien moins pour voir que pour pleurer».6 Die Frau ist dem Barbeyschen Erzähler zufolge für das Leiden wie geschaffen. Es ist so sehr Teil ihrer weiblichen Natur, daß sie zuweilen leidet, ohne es wirklich zu merken. Im Roman Une histoire sans nom heißt es zum Beispiel: Les femmes sont si bien faites pour la souffrance, eile est si bien leur destinee, elles commencent de l'eprouver de si bonne heure et elles en sont si peu etonnees, qu'elles disent longtemps encore qu'elle n'est pas lä, quand eile est venue.7 Ob in Dingen der Liebe oder auf religiöser Ebene, die idealtypische Frau des Barbeyschen Werks leidet passiv und selbstlos, «sans egoi'sme et sans hauteur», «rheroique sourire d'une resignation presque joyeuse» auf den Lippen. 8 Sie wird im Text wiederholt mit der Mater Dolorosa verglichen und leidet wie diese ohne zu klagen und ohne aufzubegehren. 9 Ihr passives Erdulden schweren Unglücks und schrecklicher Schmerzen wird nicht als Schwäche, sondern als große innere Stärke gewertet und als «la plus divine des choses divines» beschrieben: «la pudeur d'un sentiment profond, qui, quand il souffre, se ca3 4

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Barbey: Les prophetes du passe, p. 169. Ibid.: «[eile] [...] remonte jusqu'au point de depart de la pensee et de la mattere; jusqu'ä l'axiome fondamental d'oü la societe humaine est sortie, comme une mathematique vivante. L'eglise catholique prend, seule, le passe tout entier [...]». Siehe Barbey: (Euvres romanesques, vol. I, p. 995 (Un pretre marie): «[Calixte] le dit avec une virilite d'expression que la religion donne aux plus faibles creatures». Ibid., vol. I, p. 455. Ibid., vol. II, p. 297. Ibid., vol. I, p. 430 (Une vieille maitresse), 986 (Un pretre marie). Siehe z.B. ibid., vol. I, p. 984,997,1118 (Un pretre marie) und ibid., vol. I, p. 450, 429-430, 486 (Une vieille maitresse).

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che sous des larmes hero'iquement essuyees».10 Die idealtypische Frau des Barbeyschen Werks leidet gern,11 und der Schmerz veredelt sie: Ist sie nur dann wirklich schön, wenn sie leidet, so wird sie durch das Unglück oder die Schmerzen, die sie heroisch und wortlos erduldet, erst richtig zur Frau. 12 Calixte, Heldin des Romans Un pretre marii, stellt das extremste Beispiel für diesen Frauentypus dar. Sie leidet nicht nur um des Leidens willen und um ihrer weiblichen Natur gerecht zu werden, sondern ihr Leiden hat auch ein präzises, religiöses Ziel: Mittels einer obskuren Krankheit und unmenschlicher Schmerzen sühnt sie die Schuld ihres Vaters, des «Abbe» Sombreval. Calixtes stellvertretende Buße, die in ihrer spezifischen Zielgerichtetheit dem katholischen Dogma nicht entspricht, wird im Roman von der Malgaigne, einer weisen alten Frau mit mystischen und hellseherischen Kräften, in ein umfassendes metaphysisches System eingeordnet und die Notwendigkeit dieser Buße folgendermaßen erklärt: II faut bien que les bons, les innocents et les justes payent pour les pecheurs dans cette vie: car, s'ils ne payaient pas, qui done, le jour des comptes, acquitterait la ran, mit einer pointiert herausgehobenen Handlungsklimax ausgestattete Struktur aufweist».177 Wolfram Krömer faßt die charakteristischen Züge der französischen Novellistik zusammen und stellt fest, daß eine Großzahl der pointierten Erzählungen des XIX. Jahrhunderts die Erwartungen des Lesers erfüllt und die Rätsel der Novelle löst. 178 Sowohl Edgar Allan Poe als auch Baudelaire unterstreichen in ihren literaturkritischen und theoretischen Schriften «l'unite d'impression» und «la totaliti de l'effet», die die Gattung Novelle, «[this] most of forms», kennzeichnen. 179 Vergleicht man die Struktur der Diaboliques mit den hier kurz skizzierten Gattungsmerkmalen der kurzen Novelle im XIX. Jahrhundert, so fällt auf, daß eine jede Erzählung der Barbeyschen Sammlung zwar weder eine geschlossene Struktur noch eine straff organisierte Handlung aufweist, jedoch dennoch eine überraschende Klimax bzw. ein schockierendes und plötzliches Ende besitzt. Barbeys Diaboliques sind «endorientiert», jedoch nicht geschlossen, zumal die unerwarteten Handlungshöhepunkte, mit denen sie enden, die Rätselhaftigkeit der Novellen nicht auflösen und sich daher als unbefriedigend erweisen. Le rideau cramoisi besitzt einen besonders schockierenden und abrupten Schluß (der dramatische Tod Albertes), dessen unbefriedigende Qualität auf der extradiegetischen Ebene des Textes thematisiert und kom-

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Rene Godenne unterscheidet zwischen der «nouvelle courte» und der «longue nouvelle» des XIX. Jahrhunderts. Während erstere eine einzige Episode aus dem Leben einer Person knapp und konzis erzählt sowie schnell und notwendig auf einen Schlußpunkt zueilt, enthält letztere «une suite d'episodes», «un caractere complexe» sowie «une diversite de points de vue». Siehe Rene Godenne: La nouvelle frangaise, Paris, PUF, 1974, p. 79-106. Merimees «Mateo Falcone» gilt als die erste wahrlich moderne Novelle. Siehe Johnnie Gratton/Brigitte Le Juez (ed.): Modern French short fiction, Manchester / New York, Manchester University Press / St. Martin's Press, 1994, p. 4, 23. Karl Alfred Blüher: Die französische Novelle, p. 11. Wolfram Krömer: Die französische Novelle im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M., Athenäum Verlag, 1972, p. 204, 208. Charles Baudelaire: L'ceuvre de Baudelaire, Paris, Le Club Franiais du livre, 1955, p. 1369; Susan Lohafer: Coming to Terms with the Short Story, Baton Rouge / London, Louisiana State University Press, 1983, p. 94. Siehe auch Edgar Allan Poe: «Review of ». In: Charles E. May (ed.): Short Story Theories, Athens, Ohio University Press, 1976, p. 47: «the immense force derivable from totality»; «a certain unique or single effect» (die Hervorhebungen stammen von Poe). Siehe auch Ian Reid: The Short Story, London / New York, Methuen / Barnes & Noble, p. 54-59. 117

mentiert wird: Als der rätselhafte Charakter und das widersprüchliche Verhalten Albertes auch nach der sexuellen Eroberung für Brassard enigmatisch und unbegreiflich bleiben, der junge Mann das mysteriöse Mädchen trotz sinnlicher Intimität nicht zu «entziffern» versteht, unterbricht der Zuhörer den Erzähler verblüfft und ein wenig ungeduldig: - Mais, capitaine, - interrompis-je encore, - il y eut pourtant une fin ä tout cela? Vous etes un homme fort, et les Sphinx sont des animaux fabuleux. II n'y en a point dans la vie, et vous fimtes bien par trouver, que diable! ce qu'elle avait dans son giron, cette commere-la! - Une fin! Oui, il y eut une fin, - fit le vicomte de Brassard [...]. - Mais le giron, comme vous dites, de cette singuliere fille n'en fut pas plus ouvert pour cela.180 Brassards Zuhörer verlangt ein traditionelles Ende, eine Geschichte also, bei der auf die Handlungsklimax eine Auflösung des Rätsels, auf die Verknotung der Handlungsstränge eine Entknotung folgt. Ein solches Ende, eine solche Auflösung wird in Brassards Dandy-Erzählung jedoch durch den plötzlichen Tod Albertes unmöglich gemacht: Sowohl der «narrataire» als auch der «narrateur» verharren stattdessen ewig an bzw. kurz vor der Klimax, so daß das Begehren des Erzählers und die Neugierde des Zuhörers nie gestillt werden. Wie Alberte, die während eines Orgasmus - also am Höhepunkt der Lust angelangt - stirbt, so bricht auch Brassards Geschichte, die Handlungsklimax erreicht, vorzeitig ab. Und wie Albertes «Schoß», der im Geschlechtsakt geöffnet ist, einer tieferen «Penetration» jedoch verschlossen bleibt, so erweist sich auch die Dandy-Erzählung als «offen» (Albertes Rätselhaftigkeit) und «geschlossen» (Albertes Tod) zugleich. Es ist unter anderem diese Gleichzeitigkeit von Offenheit und Geschlossenheit, die Alberte sexuelle Macht über Brassard und dem Erzähler narrative Macht über den Zuhörer verleiht. Die Autorität, die der «narrateur» über seine «narrataires» besitzt, wird dem Leser im Erzählrahmen vorgeführt und soll - wie Spiegelungen von einer Erzählebene auf die nächste implizieren - auch das Verhältnis zwischen erstem Erzähler und Leser prägen: Zumal die Geschichte Albertes die erotischen Freuden Brassards «ä jamais d'une tache noire» befleckt hat und den «narrataire» bis in seine Träume verfolgt, 181 muß sie auch auf den Leser einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Barbeys Dandy-Erzähler untergräbt die Novellen tradition des XIX. Jahrhunderts wie der Dandy die Normen und Regeln der Gesellschaft, um mächtig zu werden und Einfluß auszuüben. Er versieht seine Geschichte gemäß den Strukturinvarianten des Textsystems Novelle mit einem überraschenden und klimaktischen Ende, das sich jedoch schnell als unbefriedigend erweist, da es die Rätsel der Geschichte nicht löst und den Erwartungen des «narrataire» nicht entspricht. Indem der Dandy-Erzähler «narrative closure» vor180 181

Barbey: (Euvres romanesques, vol. II, p. 47. Ibid., vol. II, p. 24, 57.

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täuscht, in Wirklichkeit aber vorenthält und auf diese Weise zugleich fasziniert und frustriert, kann er auf der extradiegetischen Ebene der Barbeyschen Textes große und anhaltende narrative Macht erringen.

5.7 Die Lust am Text: «desirer l'histoire» Zumal ein jeder Erzähler seine Zuhörer interessieren und fesseln muß, um narrative Macht zu erlangen, stellt der Akt des Erzählens immer auch einen Akt des Verführens dar. 182 In manchen Texten, so zum Beispiel Balzacs Sarrasine, wird diese verführerische Qualität des narrativen Aktes thematisiert und hiermit hervorgehoben: Balzacs «narrateur» erzählt die Geschichte Sarrasines, um Madame de Rochefide dazu zu bewegen, sich ihm hinzugeben. 183 Auch in Barbeys literarischem Werk will der Erzähler gefallen und verführen. Sein narrativer Akt hat allerdings nicht wie der des Balzacschen Erzählers den Koitus zum Ziel, sondern ersetzt diesen. Wie Barbeys Dandy-Held, so ist auch sein Dandy-Erzähler ein intellektueller Verführer, der den Siegen sinnlichen Begehrens jene über den Willen / die Vorstellungkraft der Frau / des Zuhörers vorzieht. 184 Nicht der «narrateur» selbst, sondern seine Geschichte wird zum Objekt der Begierde. Die Zuhörer verspüren eine zunehmende «envie de l'histoire», 185 und ihre Lust manifestiert sich auf körperlicherotische Weise: Die Damen in Le dessous de cartes und Le plus bei amour reagieren auf die Worte des Erzählers wie auf Liebkosungen: «avec [des] fremissements [...] jusque dans les frisons de leurs cous».186 Sie erröten, atmen schwerer, schwitzen und stoßen, am Höhepunkt der Erzählung angelangt, laute Schreie aus.187 Nach dem Ende der Geschichte verharren sie in stiller Nachdenklichkeit, die an einer Stelle «volupte de songerie» genannt wird. 188 In Barbeys literarischem Werk ersetzt das Wort die Tat, der narrative Akt den sexuellen Akt. 189 182 183

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Siehe Ross Chambers: Story and Situation, p. 51. Siehe Roland Barthes: S/Z, Paris, Seuil, 1970, p. 95: «une nuit d'amour contre une belle histoire». Siehe auch Ross Chambers: Story and Situation, p. 51, 7396. Vergleiche mit Kapitel 4.2 dieser Arbeit. Barbey: (Euvres romanesques, vol. II, p. 133. Siehe auch ibid., vol. II, p. 67: «desirer l'histoire». Ibid, vol. II, p. 67. Siehe auch ibid., vol. II, p. 155: «Toutes les femmes [...] avaient eprouve comme un fr6missement aux dernieres paroles du conteur». Siehe ibid., vol. II, p. 164: «Quand il se tut, on entendit, dans le silence du salon, aller et venir les respirations. Moi, [...] je vis l'emotion marbrer de ses nuances diverses tous ces visages»; ibid., vol. II, p. 170: «son dos, oü perlait une sueur legere»; ibid., vol. II, p. 155: «le cri de la loyaute revoltee»; ibid., vol. II, p. 169: «Le narrateur fut interrompu par le cri tres vrai de deux ou trois femmes». Ibid., vol. I, p. 584. Delphine Denis zufolge erfolgt Ähnliches im literarischen Werk Madeleine de Scuderys. Siehe D. Denis: La muse galante, p. 268: «l'usage erotique du langage [...], celui-ci se substituant en quelque sorte definitivement ä l'acte amoureux veritable». 119

Die verführerische und erotische Qualität der Dandy-Erzählung wird thematisiert in Le plus bei amour de Don Juan. In dieser Novelle ist der Binnenerzähler Ravila 190 ein berüchtigter Frauenheld, «l'incarnation de tous les seducteurs dont il est parle dans les romans et dans l'histoire». Allerdings erweist sich dieser Prototyp des Verführers als ein «Don Juan au cinquieme acte», als ein alternder «seducteur» mit ergrauten Schläfen und faltiger Stirn, den mit seinen circa fünfzig Jahren die Welt des Geistes und des Intellekts mehr zu interessieren scheint als das materielle und körperliche Dasein. 191 Es verwundert daher nicht, daß Ravila, beim Abendessen von zwölf ehemaligen Geliebten umgeben, keine erotischen Eskapaden im Sinn hat. Statt auf der sexuellen Ebene wendet dieser erfahrene «seducteur» seine Verführungskünste nun auf der narrativen Ebene an und sucht die attraktiven Damen nicht mittels erotischer Anziehungskraft, sondern mittels einer kunstvoll erzählten Geschichte zu fesseln und zu «besitzen». Barbeys Erzähler in Le plus bei amour ist als «narrateur» ebenso unwiderstehlich wie als Liebhaber: Vermochte Ravila ein strenggläubiges Mädchen dank seiner erotischen Ausstrahlung gegen ihren Willen zu «verführen», so kann der erste Erzähler der Novelle dank seiner narrativen Begabung eine devote und betagte Marquise trotz ihres Alters und ihrer religiösen Prinzipien zu sexuellen Phantasien verleiten: «[...] quoi qu'elle eüt passe l'äge de la reverie, cette devote ä bec et ä ongles, eile se mit ä rever [...] ä cet homme de race Juan». 192 Barbeys Dandy«narrateur» ist ein spiritualisierter Don Juan, der, indem er erzählt, erregt und verführt. Es wäre indes falsch anzunehmen, daß Barbeys Erzähler ausschließlich erregen und nie selbst erregt werden. In etlichen Novellen der Sammlung Les diaboliques erzählt der «narrateur» die Geschichte seiner eigenen Verführung, seines eigenen Begehrens, allerdings mit dem Ziel, dieses Begehren auf den Zuhörer «par ricochet» zu übertragen. Brassard (Le rideau cramoisi) kann zum Beispiel die erotische Faszination, die die rätselhafte und sinnliche Alberte auf ihn ausübt, an seinen «narrataire» weiterleiten: Das mysteriös erleuchtete Zimmer hinter dem purpurnen Vorhang - von Jacques Petit als «representation symbolique du sexe feminin» gedeutet 193 - hat nach der Erzählung Brassards eine ebenso fesselnde Wirkung auf den «narrataire» wie auf den «narrateur». Der Akt des Erzählens zielt in Barbeys literarischem Werk auf die Hervorrufung oder die Übertragung von sinnlichen Lüsten und Begierden mit sprachlichen Mitteln. 190

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Der vollständige Name des Erzählers lautet Jules-Amedee-Hector de Ravüa de Raviles (celui qui la/les ravit). Die Tatsache, daß Barbey dem Comte de Ravila seine eigenen Vornamen - Jules-Amedee - gibt, suggeriert, daß er sich mit diesem erotischen und mächtigen Verführer sowie genialem Erzähler identifiziert. Barbey: (Euvres romanesques, vol. II, p. 61. Ibid. Jacques Petit zitiert in Davina Eisenberg: The Figure of the Dandy, p. 79.

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Zu einem gewissen Grad ist dies das Ziel einer jeden «ecriture realiste», deren illusionistische Funktion darin besteht, die Distanz zwischen dem Erzählten und dem Akt des Erzählens aufzuheben, die Präsenz des Textes durch jene der erzählten Vorgänge zu ersetzen. 194 Fran^oise Gaillard schreibt in diesem Zusammenhang: La representation cherche ä capter dans ses rets le desir de l'autre jusqu'ä ce que se traduise physiquement ]'emprise de l'illusion: le recit vous mord au moment oü il vous fait mordre ä sa fiction. Veritablement, le corps entre en resonance devant l'objet represente; selon les termes de Lyotard, le dispositif narratif est un dispositif pulsionnel qui provoque une modification de la tension libidinale. [...] La representation apparait des lors comme [...] la captation du desir de l'autre - et cela, par la fascination qu'exerce la figuration du fantasme.195 Während die körperliche und sinnliche Dimension der narrativen Illusion, die Gaillard hier beschreibt, in den meisten literarischen Texten nur latent vorhanden ist, wird sie auf der extradiegetischen Ebene des Barbeyschen Textes jedoch hervorgehoben und thematisiert. Dies trifft besonders auf die Novelle Le bonheur dans le crime zu, in der der Binnenerzähler Torty voyeuristische Freuden etliche Jahre, nachdem er sie erlebt hat, verbalisiert und auf seinen Zuhörer überträgt. 196 Als Hausarzt hatte Torty freien Zugang zum Chateau de Savigny und konnte derart Zeuge der ehebrecherischen und mörderischen Machenschaften des Grafen Serlon der Savigny und der als Dienerin verkleideten Hauteclaire werden. Fasziniert von der sinnlichen Schönheit und unerschrockenen Dreistigkeit Hauteclaires, fand er großes Vergnügen daran, das Liebespaar zu beobachten. Er gesteht seinem Zuhörer: Ah! les plaisirs de l'observateur! ces plaisirs impersonnels et solitaires de l'observateur, que j'ai toujours mis au-dessus de tous les autres, j'allais pouvoir me les donner en plein, dans ce coin de Campagne, en ce vieux chateau isole, oü, comme medecin, je pouvais venir quand il me plairait.. . 197

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Wie in Kapitel 5.5 bereits angedeutet wurde, hat Barbeys unzeitgemäßer, zur Verdunklung tendierender Erzählgestus paradoxerweise mit jenem realistischen Autoren (so z.B. mit jenem Flauberts) einiges gemeinsam. Fran^oise Gaillard: «La representation comme mise en scene du voyeurisme», p. 269-270. Voyeuristische Szenen gibt es auch in anderen Novellen der Sammlung Les diaboliques. In «Le rideau cramoisi» gesteht der erste Erzähler der Novelle, daß ihn erleuchtete Fenster faszinieren: «[...] je n'ai jamais pu voir une fenetre, - eclairee la nuit, - [...] sans accrocher ä ce cadre de lumifere un monde de pensees, - sans imaginer derriere ces rideaux des intimites et des drames ...[...] Qu'y avait-il done derriere ces rideaux?» (Barbey: (Euvres romanesques, vol. II, p. 19-20). In der Novelle «A un diner d'athees» wird Mesnilgrand, versteckt in dem Schrank der Rosalba, Zeuge eines Streites. Umgeben von den duftenden Kleidern der jungen Frau, verspürt er «[une] sensation voluptueuse» (ibid., vol. II, p. 222). Ibid., vol. II, p. 103. 121

Vom desinteressierten Zeugen und Beobachter wird Torty zum Spion und Voyeur, der - koste es, was es wolle - Einblick in die heimliche, intime Beziehung zwischen Serion und Hauteclaire gewinnen will: Oü en etaient-ils tous les deux? C'etait lä le secret de leur roman, que je voulais arracher. Cela me prenait la pensee comme la griffe de sphinx d'un probleme, et cela devint si fort que, de l'observation, je tombai dans l'espionnage, qui n'est que de l'observation ä tout prix.198 Tortys Aktivitäten als Spion besitzen eine durchaus erotische Dimension, die der Arzt in seiner Erzählung wiederholt zur Sprache bringt. Als er zum Beispiel beobachtet, wie Hauteclaire in der Gegenwart der Gräfin «[les] pointes de son corsage» gegen den Hals und die Ohren Serions reibt, meint er: «Ma foi! j'etais jeune encore dans ce temps, et le tapage des molecules dans l'organisation, qu'on appelle la violence des sensations, me semblait la seule chose qui valüt la peine de vivre».199 An einer anderen Stelle gesteht Torty seine Erregung, als er Hauteclaires gebeugten Nacken beschreibt: «la courbe d'une nuque estompee par d'epais frisons, qui s'y tordaient comme les desirs qu'ils faisaient naitre». 200 Besonders offensichtlich werden die erotischen Freuden des spionierenden Arztes jedoch in der Balkonszene 201 der Novelle: Des Nachts im Wald versteckt, hört Torty, wie Serion und seine Geliebte in einem abgelegenen Raum des Schlosses bei offenem Fenster und geschlossenen Jalousien fechten. «[I]nteresse par cet assaut d'armes entre amants qui s'etaient aimes les armes ä la main et qui continuaient de s'aimer ainsi» 202 lauscht Torty dem Rasseln der Degen und beobachtet schließlich, wie Serion und Hauteclaire auf einen Balkon treten und sich lange und leidenschaftlich küssen: [...] ils resterent ainsi sculptes bouche ä bouche le temps, ma foi, de boire, sans s'interrompre et sans reprendre, au moins une bouteille de baisers! Cela dura bien soixante pulsations comptees ä ce pouls qui allait plus vite qu'ä present, et que ce spectacle fit aller plus vite encore .. ,203 Die Balkonszene der Novelle Le bonheur dans le crime ist insofern bedeutend, als die Lust des Voyeurs, die in ihr geschildert wird, die des Zuhörers reflektiert. Sie beschreibt nicht nur den Effekt, den der beobachtete Kuß auf den Voyeur Torty, sondern auch jenen, den die verbale Wiedergabe dieser 198 199 200 201

202 203

Ibid., vol. II, p. 110. Ibid., vol. II, p. 109-110. Ibid., vol. II, p. 114. Siehe ibid., vol. II, p. 111-113. Diese Balkonszene wurde in der Barbey-Forschung bereits vielfach analysiert. Siehe z.B. Raymonde Debray-Genette: «Un recit autologique», p. 44-45; Marcelle Marini: «Ricochets de lecture», p. 4-6; Herta Rodina: «Textual Harassment: Barbey d'Aurevilly's ». In: Nineteenth-Century French Studies 24, 1/2 (Fall/Winter 1995/1996), p. 150; Fran^oise Gaillard: «La representation comme mis en scene du voyeurisme»; Davina Eisenberg: The Figure of the Dandy, p. 78-80. Barbey: (Euvres romanesques, vol. II, p. 112. Ibid., vol. II, p. 113.

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Beobachtung auf den Zuhörer hat. Sowohl Torty als auch sein «narrataire» reagieren auf das, was sie sehen/hören, in körperlich-sinnlicher Weise: Schlägt der Puls des Arztes schneller, so «kneift» und «zwickt» die Geschichte der «diabolischen» und erotischen Hauteclaire den Zuhörer nicht wenig: [Torty me prit] le genou avec ses doigts noueux, comme avec une pince. Or, son histoire me pin^ait encore plus que ce systeme d'articulations de crabe qui formait sa redoutable main.204 Torty und sein Zuhörer «verstehen»205 beide die Liebe und Faszination Serions für Hauteclaire, «fies] jouissances [qu'il devait y avoir] dans ce concubinage cache avec une fausse servante, sous les yeux affrontes d'une femme qui pouvait tout deviner.»206 Beide werden vom «Hörer» (Fechtgeräusche / Geschichte) zum «Seher» und Voyeur: Torty, indem er den Kuß beobachtet und Erregung zeigt; sein «narrataire», indem er, der Geschichte Tortys lauschend, dieselben voyeuristischen Freuden verspürt. Barbeys Dandy-Erzähler überträgt sinnliches Vergnügen mit sprachlichen Mitteln und sichert sich auf diese Weise physische Macht über seine Zuhörer. Die Balkonszene kann als eine figurative Darstellung von Barbeys literarischer Rezeptionstheorie gedeutet werden: Konfrontiert mit einer lückenreichen Erzählung, verspürt der Zuhörer / Leser - wie der Voyeur Torty - das unbändige Bedürfnis, zu «sehen», Einblick in das zu erhalten, was vorenthalten wird und verborgen bleibt. Und es ist der flüchtige und unvollständige Einblick in dieses Verborgene, der die Vorstellungskraft erhöht und große sinnliche Freuden bereitet. Es ist erhellend, an dieser Stelle auf Überlegungen von Roland Barthes in Le plaisir du texte zu verweisen 207 In diesem Essay beschreibt Barthes das Lesen als ein sinnliches und sexuelles Vergnügen. Ein Text hat ihm zufolge dann eine erotische Wirkung auf den Leser, wenn er «ruptures», «coupure[s]» oder «faille[s]» aufweist,208 das heißt wenn er von dem «bon usage» und der literarischen Tradition abweicht, ohne diese jedoch ganz zu verwerfen bzw. zu zerstören: «La culture ni sa destruction ne sont erotiques; c'est la faille de l'une et de l'autre qui le devient», schreibt Barthes.209 Ihm zufolge liegt die «Erotik» eines Textes nicht in der graduellen Enthüllung eines Geheimnisses, nicht in der Hoffnung, das Ende der Geschichte zu erfahren, sondern in dem, 204 205

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Ibid., vol. II, p. 117. Das Verb «comprendre» wird sowohl in Bezug auf Torty als auch auf dessen Zuhörer benutzt. Der Binnenerzähler gesteht: «Oui, le concubinage dans la maison conjugale [...], c'est ä ce moment-lä que je le compris!» (ibid., vol. II, p. 110); und der erste Erzähler meint am Ende der Novelle: «Sans son crime, je comprendrais l'amour de Serion. - Et peut-etre meme avec son crime! dit le docteur» (ibid., vol. II, p. 128). Ibid., vol. II, p. 110. Siehe hierzu Eileen Sivert: «Text, Body, and Reader», p. 153-154,158-162. Roland Barthes: Le plaisir du texte, p. 14,15. Ibid., p. 15. 123

was man ahnt, aber nicht sieht, nicht erfährt: Erotisch ist das, wovon man nur einen flüchtigen Blick erhascht. Um diese These zu verdeutlichen, vergleicht Barthes den Textkörper mit einem Menschenkörper: L'endroit le plus erotique d'un corps n'est-il pas lä ou h vetement bäille? Dans la perversion (qui est le rdgirae du plaisir textuel) il n'y a pas de «zones erogönes» (expression au reste assez casse-pieds); c'est l'intermittence, comme l'a bien dit la psychanalyse, qui est erotique: celle de la peau qui scintiUe entre deux pieces (le pantalon et le tricot), entre deux bords (la chemise entrouverte, le gant et la manche); c'est ce scintillement meme qui seduit, ou encore: la mise en scene d'une apparition-disparition. Ce n'est pas lä le plaisir du strip-tease corporel ou du suspense narratif. Dans l'un et l'autre cas, pas de dechirure, pas de bords: un devoilement progressif: toute l'excitation se refugie dans Vespoir de voir le sexe (reve de coüegien) ou de connaitre la fin de l'histoire (satisfaction romanesque).210 Sowohl Barbey als auch Barthes machen die verführerische Qualität eines Textes an dessen Abweichung von Tradition und Norm fest. Barbeys DandyErzähler strebt nicht «[la] satisfaction romanesque» des Zuhörers an, sondern untergräbt im Gegenteil die für diese Befriedigung notwendige Geschlossenheit des Erzählten mittels Erzähl- und Sprachlücken. Wie Haubert, dessen Diskurs Barthes zufolge große textuelle Sinnesfreuden ermöglicht, beherrscht auch Barbey «[cette] mani^re de couper, de trouer le discours spns le rendre insensi».2n Er strebt in seinen Novellen jene «mise en scfene d'une apparitiondisparition» an, die Barthes zufolge besonders verführerisch auf den Leser / Zuhörer wirkt: Statt eines «devoilement progressif» charakterisiert Barbeys Dandy-Erzählung die paradox anmutende Gleichzeitigkeit von voiler und devoiler.2n Barthes' Kriterien für einen erotischen Text / Körper, für einen «texte de jouissance», 213 ähneln denen Barbeys für eine «regenerierte Literatur» 214 in auffälliger Weise.

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214

Ibid., p. 19-20. Die Hervorhebungen stammen von Barthes. Ibid., p. 18. Die Hervorhebungen stammen von Barthes. Siehe Kapitel 5.5 der vorliegenden Arbeit. Barthes definiert einen «texte de jouissance» folgendermaßen: «celui qui met en etat de perte, celui qui deconforte (peut-etre jusqu'a un certain ennui), fait vaciller les assises historiques, culturelles, psychologiques, du lecteur, la consistance de ses goüts, de ses valeurs et de ses souvenirs, met en crise son rapport au language» (Le plaisir du texte, p. 25-26). Siehe hierzu das Kapitel 5.2 der vorliegenden Arbeit.

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6. Androgynie, Virilität und Geschlechterdifferenz

Nicht nur narrative und sprachliche Dunkelheit, sondern auch mangelnde geschlechtliche Eindeutigkeit charakterisiert Barbeys literarisches Werk. Die fiktionale Welt des Autors bevölkern beinahe ausschließlich androgyne Wesen: Männer, die traditionell «weibliche» und Frauen, die traditionell «männliche» Eigenschaften besitzen. Auch der Dandy, allgegenwärtig in Barbeys Romanen und Novellen, «est femme par certains cötes»:1 Seit seiner Erscheinung im frühen XIX. Jahrhundert wiederholt als Inkarnation der mythischen Figur des Androgyns gefeiert, fasziniert und verführt er unter anderem aufgrund der Ambiguität seines Geschlechts. Kapitel 6.1 skizziert in Kürze die kumulativen Aktualisierungen des Androgynie-Motivs im Frankreich des XIX. Jahrhunderts und grenzt die Termini«Androgyn», «Hermaphrodit» und «Gynander» voneinander ab. Die literarische Gestaltung dieses Motivs im Werk Barbeys ist Thema des Kapitels 6.2. Der Autor entwirft in seinen Romanen und Novellen ein ganzheitliches und vollkommenes Wesen, das - den idealisierten Androgynie-Versionen der Romantik gemäß - männliche und weibliche Merkmale harmonisch in sich vereint und von der Figur des Dandys oder des Kriegers verkörpert wird. Allerdings bedeutet der Versuch, die zwei Geschlechter in ein ideales, androgynes Wesen zu verschmelzen, bei Barbey nicht die Aufhebung der Geschlechterdifferenz. Wie in Kapitel 6.3 gezeigt wird, bleiben die Kategorien des Maskulinen und des Femininen als sich gegenseitig ausschließende bestehen, zumal Barbey den Androgyn romantischer Tradition und männlichen Geschlechts (Dandy, Krieger) einem Hermaphroditen oder Gynander dekadenter Tradition und weiblichen Geschlechts («les bas-bleus», «les diaboliques») gegenüberstellt.

6.1 Androgynie2 in der französischen Literatur des XIX. Jahrhunderts Den Religionen zahlreicher früher Kulturen und Zivilisationen fehlte es nicht an androgynen Göttern: Androgynie-Mythen existierten sowohl im alten Ägypten, Persien, Indien, China und Griechenland als auch bei archaischen Völkern Afrikas, Amerikas und Australiens. Die mythischen Vorbilder für die 1 2

Barbey: CEuvres romanesques, vol. II, p. 710. Der Begriff der «Androgynie» - im weiten Sinne des Wortes - bezeichnet ein Wesen, das einem dritten Geschlecht angehört, weil es weder männlich noch weiblich bzw. männlich (andro-) und weiblich (-gyn) zugleich ist. Er beschreibt auch ein Individuum - Mann oder Frau - , dessen Körper und Gebaren jene des anderen Geschlechts suggerieren. Die grundlegende wissenschaftliche Un125

literarische Gestaltung des Androgynie-Motivs in der westlichen und neuzeitlichen Welt lieferten in erster Linie Piaton und Ovid sowie die kabbalistische und gnostische Bibel-Exegese. In Piatons Symposion entwirft Aristophanes eine mythische Vorzeit, in der die Menschen als zwei- oder gleichgeschlechtliche Doppelwesen glücklich und erfüllt lebten. Aufgrund ihrer Vollkommenheit und Arroganz von den Göttern als Konkurrenz empfunden und gefürchtet, wurden sie von diesen entzweigeschnitten und suchen seitdem, ihrem ganzheitlichen, paradiesischen Urzustand nachtrauernd, die ihnen verlorengegangene Hälfte. Im vierten Buch der Metamorphosen erzählt Ovid, daß der Knabe Hermaphroditos, Sohn des Hermes und der Aphrodite, seine Zweigeschlechtigkeit der Verschmelzung mit der Nymphe Salmakis verdankt: Salmakis hatte den schönen Jüngling beim Baden beobachtet, ihn gegen seinen Willen liebestoll umschlungen und die Götter gebeten, sie beide für immer zu vereinen. 3 Waren die Vorstellung eines ganzheitlichen Urzustandes des Menschen und der Glaube an hermaphrodite Gottheiten in der antiken Welt verbreitet, so scheint das Konzept der Androgynie im jüdischen und christlichen Monotheismus zu fehlen. Die orthodoxe Bibel-Exegese, sowohl die yahwistischer als auch die elohistischer Tradition, verwirft die Möglichkeit der androgynen Natur Adams und Gottes, obgleich Genesis I, 27 eine derartige Interpretatersuchung zur Androgynie in der französischen Literatur und Philosophie des XIX. Jahrhunderts ist: A. J. L. Busst: «The Image of the Androgyn in the Nineteenth Century». In: Jan Fletcher (ed.), Romantic Mythologies, New York, Barnes & Noble, 1967, p. 1-95. Erst circa 25 Jahre später hat Frederic Monneyron mit seinen zwei hervorragenden Bänden zur Androgynie in der Romantik und der Decadence die Darstellung Bussts ausgeweitet und vertieft. Siehe Frediric Monneyron: L'androgyne romantique. Du mythe au mythe littiraire, Grenoble, ELLUG Universite Stendhal, 1994 und F. Monneyron: L'androgyne decadent. Mythe, figure, fantasmes, Grenoble, ELLUG Universite Stedhal, 1996. Andere nennenswerte Untersuchungen zu diesem Motiv sind: Ulla Bock / Dorothee Alfermann (ed.): Androgynie. Vielfalt der Möglichkeiten, Suttgart / Weimar, Metzler Verlag, 1999; Kari Weil: Androgyny and the Denial of Difference, Charlottesville, University Press of Virginia, 1992; Renee Boulos Hage: La quite de l'androgyne dans le recit fantastique du XIXe siecle, Paris, Pensee Universelle, 1993; Nelly Emont: «Le mythe de l'androgyne dans la litterature decadente». In: Antoine Faivre / Frederick Tristan (ed.), L'androgyne, Paris, Albin Michel, 1986 (Cahiers de l'Hermetisme), p. 229-247; N. Emont: «Les aspects religieux du mythe de l'androgyne dans la litterature de la fin du XIXe sifecle». In: L'androgyne dans la litterature, Paris, Albin Michel, 1990 (Cahiers de l'Hermetisme), p. 38-49; Achim Aurnhammer: Androgynie. Studien zu einem Motiv der europäischen Literatur, Köln, Böhlau Verlag, 1986; Ralph Tegtmeier: «Zur Gestalt des Androgyns in der Literatur des Fin de siecle». In: Androgyn. Sehnsucht nach Vollkommenheit (Ausstellung und Katalog: Ursula Prinz), Berlin, Reimer, 1986, p. 113-119; Bram Dijkstra: «The Androgyn in Nineteenth-Century Art and Literature». In: Comparative Literature XXVI (1974), p. 62-73; Mircea Eliade: Mephistophilis et l'androgyne, Paris, Gallimard, 1962. 3

Siehe Frederic Monneyron: L'androgyne romantique, p. 17-28; Achim Aurnhammer: Androgynie, p. 9-23.

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tion - vor allem, wenn man zu dem hebräischen Orginaltext zurückkehrt durchaus erlaubt: «Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, er schuf ihn männlich und weiblich», heißt es hier wörtlich übersetzt. In den ersten Jahrhunderten des Christentums ist es vor allem der Gnostizismus, im Mittelalter dann auch die jüdische Mystik, die Kabbala, die die Idee eines zweigeschlechtigen, paradiesischen Urzustandes, eines androgynen Adams, aufgreift. Gnostische Sekten, für die sich die Körperwelt im Geschlechtlichen manifestiert, strebten göttliche und paradiesische Vollkommenheit, d. h. die Überwindung des körperlichen Daseins, an, indem sie jegliche Sexualität und jegliches sinnliche Verlangen verwarfen. 4 Beeinflußt von gnostischem und mystischem Gedankengut, wird die Androgynie auch während der französischen Romantik vorwiegend als ein asexueller und idealer Daseins- bzw. Urzustand verstanden, den es erneut zu realisieren gilt. Im nachrevolutionären Frankreich, einer Zeit, in der mystische, theosophische und okkulte Ideen großen Einfluß erlangen, erhält auch der AndrogynieMythos einen besonderen Stellenwert: Etliche Geschichtsphilosophien, Religionen sowie soziale und politische Theorien, die im frühen XIX. Jahrhundert entwickelt wurden, basieren auf dem Konzept eines androgynen Urmenschen, der zum Symbol sowohl einer ungeteilten Menschheit als auch des Fortschritts stilisiert wird.5 Pierre Simon Ballanche bedient sich zum Beispiel dieses Konzepts, um soziale Institutionen zu kritisieren: Er strebt die Wiederherstellung der menschlichen «Einheit» im Androgyn durch die Aufhebung aller Klassenunterschiede an. 6 Auch in der monistischen Philosophie des Saint-Simonismus und des Sozialmystikers Barthelemy Prosper Enfantin wird die Androgynie zum Symbol für die Überwindung von Teilung und von Gegensätzen erkoren: die von Geist und Materie, von Mann und Frau. In diesem Sinne suchen Enfantin und die Saint-Simonisten die materielle Seite des Daseins aufzuwerten: Sie rehabilitieren die körperliche Liebe, setzen sich für die Emanzipation der Frau und für die Industrialisierung ein. 7 Wie die Fusionisten nach ihnen, so verehrten auch die Evadisten Ganneau und Caillaux eine androgyne Gottheit: Sie setzen heilsgeschichtliche Erwartungen in die Vereinigung des Männlichen und Weiblichen in Evadam, Symbol für die Ideale des französischen Revolution. 8 Während der Romantik wird der Androgyn zum bevorzugten Sinnbild einer besseren Zukunft. Seine kumulative Aktualisierung in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts wurzelt sicherlich in einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der Gegenwart, zeugt jedoch zugleich von einem optimistischen Zukunftsglauben. In einer zunehmend industrialisierten und bürgerlichen Gesellschaft, charakterisiert durch starke Klassenunterschiede und 4 5 6 7 8

Siehe Frederic Monneyron: L'androgyne romantique, p. 28-33; Achim Aurnhammer: Androgynie, p. 23-30. A. J. L. Busst: «The Image of the Androgyn», p. 12-16. Ibid., p. 19-24; Frederic Monneyron: L'androgyne romantique, p. 45. A. J. L. Busst: «The Image of the Androgyn», p. 24-28. Ibid., p. 31-38. 127

streng getrennte Geschlechterrollen, symbolisiert der Androgyn den Wunsch nach Überwindung sozial bedingter Schranken und Gegensätze. 9 Das Interesse, das der Androgynie im nachrevolutionären Frankreich entgegengebracht wird, macht sich auch im literarischen Bereich bemerkbar. Henri de Latouches Fragoletta (1829) ist das erste Werk der französischen Romantik, in dem das Thema der Androgynie eine zentrale Rolle spielt: Die junge Protagonistin Camille, genannt Fragoletta, und ihr Bruder Philippe entpuppen sich im Laufe des Romans als ein und diesselbe Person, deren zwitterhafte Natur, Bisexualität und soziale Stellung diskutiert werden. Die metaphysische Dimension des Themas bleibt bei Latouche allerdings noch im Hintergrund: Wird zu Beginn des Romans zwar kurz auf verschiedene Mythen von der Doppelnatur der / des Urmenschen (Piatons Symposion, androgyner Adam) hingewiesen sowie eine ästhetische Theorie bezüglich des Hermaphroditismus skizziert,10 so scheint die Androgynie in Latouches Werk in erster Linie dazu zu dienen, eine komplizierte Handlung zu rechtfertigen sowie Spannung und Interesse beim Leser zu erzeugen. 11 Ein paar Jahre nach Fragoletta erscheint Honore de Balzacs philosophischer Roman Siraphtta (1835). Beeinflußt von gnostischem Gedankengut und vor allem von den mystischen und theosophischen Ideen Emmanuel Swedenborgs, rückt Balzac im Gegensatz zu Latouche statt der physischen die metaphysische Dimension der Androgynie ins Zentrum seiner Betrachtungen. Seraphita, ein Wesen engelhafter Natur, vollkommener, mannweiblicher Schönheit und unnahbarer Jungfräulichkeit, erscheint im ersten Kapitel des Romans als Jüngling (Seraphitus), im zweiten als Frau (Seraphita), schafft es jedoch im siebten Kapitel (L'assomption), die materielle Existenz endgültig hinter sich zu lassen und in höhere Lebenssphären einzutreten. Für normale, sterbliche Menschen wie Minna und Wilfred, die beide von Seraphita / Seraphitus in die Geheimnisse der Androgynie eingeführt werden, ist der Zugang zu diesen göttlichen Sphären schwieriger und mit größeren Anstrengungen verbunden, jedoch nicht unmöglich: Mittels der Liebe können auch sie die androgyne Synthese, die Überwindung der Opposition von Geist und Materie, die Seraphita in Balzacs Roman symbolisiert, anstreben. 12 Theophile Gautier entwickelt in Mademoiselle de Maupin, diesem ebenfalls 1835 erschienen und vornehmlich wegen seiner «preface» berühmt ge9

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Auch der Dandy, der Grazie und Stärke in sich vereint, untergräbt die antagonistische Geschlechterordnung der bürgerlichen Gesellschaft. Die Beziehung zwischen Androgynie und Dandyismus wird in Kapitel 6.2 untersucht. Henri de Latouche: CEuvres completes, Paris, Michel Levy, 1867, p. 47, 43. Siehe auch Frederic Monneyron: L'androgyne romantique, p. 56-59; Michel Crouzet: «Monstres et merveilles: poetique de l'androgyne. A propos de ». In: Romantisme 45 (1984), p. 25-41. Siehe auch Frederic Monneyron: L'androgyne romantique, p. 61-98; Kari Weil: Androgyny and the Denial of Difference, p. 79-112.

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wordenen Roman, nicht wie Balzac eine spiritualistische, sondern eine idealistische Version des Mythos der Androgynie. Sein Held d'Albert, ein am «mal du siecle» erkrankter Künstler, sehnt sich nach der idealen Geliebten, die ihn von seinem Leid befreien könnte. Stets enttäuscht von den Frauen, die er trifft, und von der Liebe, die er für diese verspürt, beschließt er sein Ideal statt in der Wirklichkeit in der Kunst zu suchen: Dans les femmes je n'ai cherche que l'exterieur, et, comme jusqu'ä present Celles que j'ai vues sont loin de repondre ä l'idee que je me suis faite de la beaute, je me suis rejete sur les tableaux et les statues; [...] il y a quelque chose de grand et de beau ä aimer une statue, c'est que l'amour est parfaitement desinteresse, qu'on n'a ä craindre ni la satiete ni le degoüt de la victoire, et qu'on ne peut esperer raisonnablement un second prodige pareil ä l'histoire de Pygmalion. - L'impossible m'a toujours plu.13 D'Albert entwickelt in Anlehnung an griechische Darstellungen des Hermaphrodites und an das neoklassizistische Schönheitsideal Johann Joachim Winkelmanns eine ästhetische Theorie, der zufolge nicht die Frau, sondern der Androgyn (als feminisierter junger Mann) zum Sinnbild der perfekten Form und zum Symbol des Schönen stilisiert wird.14 Indem er das Ideal von der Realität trennt, das Schöne an sich nicht in der Frau, sondern in einer Idee sucht, meint d'Albert sich gegen Enttäuschungen feien und seine «Krankheit» überwinden zu können. Diese strikte Trennung von Ideal und Wirklichkeit zerfällt jedoch, als er den jungen Theodore, die Inkarnation seines Ideals, kennenlernt. 15 D'Albert begehrt Theodore, der die Schönheit, die Rundungen und die Grazie einer Frau besitzt, kann die homosexuelle Natur seiner Liebe jedoch nicht akzeptieren und errät schließlich, daß der schöne Jüngling in Wahrheit eine als Mann verkleidete Frau ist. Mit dieser Entdeckung nimmt Gautiers Roman einen realistischen und sozialkritischen Charakter an, zumal die Rolle der Frau und die Differenz der Geschlechter in der französischen Gesellschaft des XIX. Jahrhunderts thematisiert werden. Im Gegensatz zu Balzac, der die Androgynie in göttlichen Sphären ansiedelt, sucht Gautier sie in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu verankern. Theodore-Rosalinde, die in etlichen Kapiteln des Romans als Erzähler/in auftritt, gibt sich weder mit der Rolle, die ihr in der Gesellschaft als Frau, noch mit der, die ihr als Mann zugewiesen wird, zufrieden. Sie fühlt sich stattdessen einem dritten Geschlecht zugehörig, für das es noch keinen Namen gibt: S'il me reprend jamais fantaisie d'aller chercher mes jupes dans le tiroir oü je les ai laissees, [...] au lieu d'une femme deguisee en homme, j'aurai l'air d'un homme deguise en femme. En verite, ni l'un ni l'autre de ces deux sexes n'est le mien; je n'ai ni la soumission imbecile, ni la timidit6, ni les petitesses de la 13 14 15

Theophile Gautier: Mademoiselle de Maupin, Paris, Editions Garnier, 1955, p. 140. Siehe ibid., p. 144-145, p. 200-202. Siehe ibid., p. 144: «Voilä done enfin un des types de beaute que je revais realise et marchant devant moi!» 129

femme; je n'ai pas les vices des hommes, leur degoütante crapule et leurs penchants brutaux: - je suis d'un troisieme sexe ä part qui n'a pas encore de nom: au-dessus ou au-dessous, plus defectueux ou sup6rieur: j'ai le corps et l'äme d'une femme, l'esprit et la force d'un homme, et j'ai trop ou pas assez de l'un et de 1'autre pour me pouvoir accoupler avec l'un deux.16 Gautiers Heldin sucht mittels der Verkleidung und der Bisexualität die Gefühle, Gedanken und Erfahrungen beider Geschlechter in sich zu vereinen und auf diese Weise ein drittes, androgynes Geschlecht zu begründen. Ihr Verschwinden am Ende des Romans mag als Scheitern dieses Unterfangens interpretiert werden und auf die pessimistische oder letztendlich doch eher traditionalistische Grundhaltung Gautiers hindeuten. 17 Die Romane Seraphita und Mademoiselle de Maupin, im gleichen Jahr erschienen, handeln beide von einem androgynen Wesen, das Gegensätze in harmonischer Vollkommenheit versöhnt, stellen jedoch zwei sehr unterschiedliche literarische Versionen des Mythos dar. Symbolisiert der Androgyn bei Balzac die mystische Verschmelzung des männlichen und des weiblichen Prinzips im Universum (Geist und Stärke mit Materie und Liebe), so versinnbildlicht er bei Gautier das Schöne durch die Vereinigung der männlichen und der weiblichen Form. Der Theoretiker des L'art pour l'art untersucht die Beziehung zwischen Ästhetik und Erotik, der Autor der Comedie humaine dagegen mystische und philosophische Ideen, so daß sich Gautiers bisexuelle Inkarnation des androgynen Ideals, Madeleine de Maupin, und Balzacs asexueller Seraph Seraphita gegenüberstehen. Kumulieren literarische Gestaltungen des Mythos während der Romantik, so erweist sich die Androgynie als regelrechte «idee fixe» der Literatur und Kunst des Fin de sifecle. Autoren wie Joris-Karl Huysmans, Jean Lorrain, Rachilde, Catulle Mendes, Josephin Peladan, Felicien Champsaur und Paul Adam bedienen sich des Motivs mit erstaunlicher Häufigkeit, tragen jedoch zugleich zu einer Schwächung und Degradation des literarischen Mythos bei. Statt des Traums von einer absoluten Einheit und Vollkommenheit, der während der Romantik sowie in den oben besprochenen Romanen Balzacs und Gautiers dominierte, steht nun die Inkarnation dieses Traums, in Mademoiselle de Maupin bereits angelegt,18 im Zentrum des Interesses: Der Androgyn erscheint in den Werken dekadenter Autoren des Fin de siecle nicht als Symbol oder Ideal der Ganzheit, der Verschmelzung der Geschlechter, sondern als eine reale, in die Gesellschaft integrierte Person, deren sexuelle Ambiguität

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Ibid., p. 352. Siehe auch Frederic Monneyron: L'androgyne romantique, p. 99-131; Kari Weil: «Romantic Androgyny and its Discontents: The Case of . In: Romanic Review LXXVIII, 3 (May 1987), p. 348-358; K. Weil: Androgyny and the Denial of Difference, p. 113-142; Jessica R. Feldman: Gender on the Divide, p. 25-53. Die Inkarnation dieses Traums ist ebenfalls angelegt in Balzacs «Sarrasine» und «La fille aux yeux d'or».

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fasziniert. Mit dieser Inkarnation geht die Spaltung des einheitlichen und vollkommenen Androgyns in zwei geschlechtliche Wesen einher, den femininen Mann und die maskuline Frau, wobei ersterer im allgemeinen eine positive, letztere eine negative Konnotation erhält. Mit dieser Tendenz zur Inkarnation, Spaltung und Wertung geht der Mythos von der Einheit der Geschlechter in der Literatur und Kunst der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts zunehmend verloren: In zahlreichen Aktualisierungen der Androgynie dieser Zeit zeigt sich ein dualistisches und antagonistisches Geschlechtermodell in misogyner Klarheit. Der Hermaphrodit des Fin de siöcle (und vor allem jener weiblichen Geschlechts) wird in erster Linie mit Sinnlichkeit, Laster und Perversion in Verbindung gebracht und spiegelt nicht die Ideale, sondern vielmehr die Ängste der Epoche wider. 19 Unter den dekadenten Autoren des späten XIX. Jahrhunderts setzte sich Josephin Peladan, dieser extravagante Begründer des «Ordre du Temple de la Rose-Croix», der sich selbst zum okkulten Magier stilisierte und Sär Merodack nannte, am intensivsten mit der Androgynie auseinander. Er schuf in seiner neunzehnbändigen Romanserie La decadence latine (1884-1903) unzählige androgyne Protagonisten und suchte dem Mythos mit seinen Schriften Comment on devient fee - erotique (1892) und De l'androgyne (1910) eine theoretische Grundlage zu geben. Peladan, der den Materialismus moderner Zeiten radikal ablehnte, wollte die Menschheit zu einer neuen, geistigen Erfassung der Kunst erwecken. Hierbei spielt der Androgyn eine wichtige Rolle, zumal dieser nicht wie die Frau die Schönheit der Natur (Materie), sondern die Schönheit der Kunst (Geist) verkörpere. 20 Da nur der Mann Peladan zufolge «esprit» besitzt, die Frau dagegen ausschließlich durch ihre Körperlichkeit charakterisiert werde, 21 verwundert es nicht, daß der Autor und Magier den Androgyn ausschließlich dem männlichen Geschlecht zuordnet. Er beschreibt ihn als präpubertären Knaben mit weiblichen Formen, bezeichnet die Frau, die maskuline Merkmale oder Tendenzen aufweist, dagegen als Gynander. Diesen beiden Typen, «l'androgyne» und «la gynandre», widmete Peladan jeweils einen Roman, die 1891 erschienenen Bände acht und neun der Serie La decadence latine: Repräsentiert der junge und schöne Samas in L'androgyne Peladans artistisches Ideal, so sucht Tammuz, Alter ego des Autors, die Frauen eines lesbischen Fechtklubs in La gynandre von der Abwegigkeit ihres männlichen Gebarens sowie von ihrer Geistlosigkeit und Minderwertigkeit zu überzeugen. 22 Im folgenden Zitat klärt Tammuz seinen Begleiter Nergal in sokratischer Dialog-Form über die Bedeutung des Begriffs «gynandre» auf: 19 20 21 22

A. J. L. Busst: «The Image of the Androgyn», p. 39; Frederic Monneyron: L'androgyne romantique, p. 10,17, 73,162-163. Siehe Frederic Monneyron: L'androgyne decadent, p. 59-65. Siehe Josephin Peladan: Comment on devient fee - erotique, Paris, Chamuel, 1893, p. 30. Siehe z.B. Josephin Peladan: La gynandre (La dicadence latine, vol. IX), Paris, Dentu, 1891, p. 104. Tammuz richtet sich hier an die Fechterinnen und meint: 131

- «Gynandre!» - dit Tammuz. - «Gynandre!» - «Oui, l'Androgyne est l'adolescent vierge et encore feminin, Ia Gynandre sera la femme pretendant ä la mäletö, l'usurpation sexuelle: le ίέιηίηίη singeant le viril!» - «Mais de ces termes en pendants Tun est en bonne part, l'autre en mauvaise.» - «L'un sort de la Bible, designe l'etat initial de l'etre humain; la tradition greco-catholique l'a consacre; l'autre, je Γεηΐένβ ä la botanique, et j'en baptise [...] toute tendance de femme ä faire l'homme: et cela s'entend d'une mademoiselle de Maupin comme d'un bas-bleu.» - «Gynandre!» - repetait Nergal.23 Die Gynandrie erweist sich hier eindeutig als eine negative Kategorie, die verurteilt und von der der Androgynie scharf abgehoben wird. Peladan stilisiert den Androgyn in der Person des Tammuz zum Retter, der durch seine Feminisierung der zunehmenden Maskulinisierung des weiblichen Geschlechts entgegenwirkt und hierdurch ein allzu antagonistisches Verhältnis zwischen den Geschlechtern vermeiden hilft. Allerdings ist Tammuz' Ziel nicht die Wiederherstellung eines androgynen Urzustandes, in dem das männliche und das weibliche Prinzip eins werden. Er sucht die sich männlich gebarende Frau vielmehr zu «heilen»,24 sie zu einem Zustand natürlicher Weiblichkeit) zurückzuführen und erneut zur Annahme ihrer traditionellen Rolle als Ehefrau und Mutter zu bewegen. Peladans androgyner Retter entpuppt sich somit als Garant des hierarchischen, bürgerlichen Geschlechtermodells. 25 Mit dem Wechsel von der romantischen zu der dekadenten Vorstellung von Androgynie gehen die Idee der Verschmelzung der Geschlechter, der Aufhebung jeglicher Geschlechterdifferenz, und der Traum von der Rückkehr zu einem paradiesischen, ganzheitlichen Urzustand verloren. Reservieren die decadents den positiv konnotierten Begriff der Androgynie vornehmlich für den schönen, feminisierten Mann oder Jüngling, so wird das maskuline Gebaren einer Frau als unnatürliches, alarmierendes und krankhaftes Verhalten gezeichnet. Dieser Wandel ist sicherlich zu einem großen Teil auf die Verbreitung neuer naturwissenschaftlicher und soziologischer Theorien zurückzuführen, die ab Mitte des Jahrhunderts beträchtlichen Einfluß erlangen, die Vor-

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«[...] le propre de l'homme n'est pas de tendre le jarret en agitant un bout d'acier: ce qui fait l'homme c'est la tete. Vous pouvez bien gesticuler comme des males, mais penser avec mälete, jamais. Vous apprendrez toutes les bottes, les secretes memes, mais une idee, une abstraction jamais n'habitera vos fronts etroits». Ibid., p. 43. Siehe ibid., p. 189, 318: «guerir», «sauver». Siehe ibid., p. 134,189,339. Siehe auch Frederic Monneyron: L'androgyne decadent, p. 100-101; Bram Dijkstra: Idols of Perversity. Fantasies of Feminine Evil in Fin-de-Siecle Culture, New York / Oxford, Oxford University Press, 1986, p. 272-273.

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Stellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit tiefgehend prägen und das antagonistische Geschlechtermodell wissenschaftlich untermauern sollten. Die Selektions- und Evolutionstheorie, die Charles Darwin in seinem 1859 veröffentlichten Buch On the Origins of Species by Means of Natural Selection vorstellte, sowie Auguste Comtes Ideen zum Fortschritt (Systeme de politique positive ou traiti de sociologie, 1851-54) formten die Basis für eine neue «Wissenschaft von der Gesellschaft» und wurden in einer Welt intensiver industrieller und kolonialer Expansion sowie wachsender sozialer Ungleichheit enthusiastisch rezipiert. Dank der Evolutionstheorie konnte zum ersten Mal mit Autorität die bestimmter Rassen und sozialer Klassen und die hemmungslose Unterdrückung der Schwachen und Mittellosen im Namen des Fortschritts gerechtfertigt werden. Auch die intellektuelle Inferiorität) der Frau gegenüber dem Mann, ihr Wesen - seit Jahrhunderten behauptet, jedoch stets umstritten 26 - wird nun fundiert und in der Natur verankert: Carl Vogt, Naturforscher, Kraniologe und Vorkämpfer des Darwinismus, verglich zum Beispiel die Schädel von Menschen verschiedenen Geschlechts und Alters sowie unterschiedlicher Rassen mit denen von Tieren und kam in seinen Lectures on Man: His Place in Creation and in the History of the Earth (1864) zu dem Schluß, daß Frauen und «Wilde» Kindern und TCeren ähnlicher seien als der weiße Mann. 27 Die weibliche Evolution sei langsamer verlaufen als die des Mannes, und die Unterlegenheit der Frau ist Vogt zufolge ein unangreifbares Faktum der Natur. Darwin, beeindruckt von der Forschung des Kraniologen, akzeptierte die Idee der natürlichen Inferiorität des weiblichen Geschlechts ohne zu zögern, integrierte Vogts Ergebnisse in seine 1871 erschienene Studie The Descent of Man and Selection in Relation to Sex und garantierte hiermit deren große Verbreitung 2 8 Darwin behauptete in dieser einflußreichen Studie auch, daß die entfernten Vorfahren aller Wirbeltiere androgyn gewesen seien und daß die Trennung von Mann und Frau in zwei verschiedene Geschlechter das Ergebnis eines langen, noch andauernden, evolutionären Prozesses darstelle.29 Gemäß den Prinzipien der Arbeitsteilung, die die Menschheit in eine produktive und eine reproduktive Hälfte scheide, werden die Männer Darwin zufolge immer (i.e. körperlich und geistig stärker), die Frauen 26

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Behauptet wurde dies im XIX. Jahrhundert z.B. von Jules Michelet (La femme, Paris, Flammarion, 1981, p. 94- 95), P.-J. Proudhon (La pornocratie, ou lesfemmes dans les temps modernes, Paris, Lacroix, 1875, p. 25-34) und Arthur Schopenhauer («Über die Weiber». In: A. Schopenhauer, Parerga und Paralipomena. Kleine philosophische Schriften, Leipzig, Brockhaus, 1878, vol. II, p. 650). Siehe Carl Vogt: Lectures on Man: His Place in Creation and in the History of the Earth, London, Longman / Green, 1864, p. 31-52, 81,180; siehe auch Bram Dijkstra: Idols of Perversity, p. 163-167. Siehe Charles Darwin: The Descent of Man and Selection in Relation to Sex, New York, A. L. Burt, 1874, p. 635; siehe auch Bram Dijkstra: Idols of Perversity, p. 167-168. Charles Darwin: The Descent of Man, p. 183-184. 133

dagegen immer , so daß sich die jetzige zwischen den Geschlechtern im Laufe der Zeit noch vertiefen müsse.30 Eine Abkehr von diesem , evolutionären Vorgang kommt für zahlreiche Naturwissenschaftler und Intellektuelle des späten XIX. Jahhunderts einem Artenrückschlag, einer «Regression» gleich.31 Das beste Beispiel für eine solche «Entartung» stellte für viele die feministische Bewegung dar, die in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts rasch an Stoßkraft gewann und auf das Denken der Zeit sicherlich große Auswirkungen hatte. Die Angst vor einem evolutionären Rückfall (d.h. vor der Aufhebung der Geschlechterdifferenz) wuchs parallel zu den Erfolgen der feministischen Bewegung, wurde geschürt von zahlreichen Werken wie zum Beispiel Max Nordaus Entartung (1892-93) und Cesare Lombrosos La donna delinquente (1893) und erreichte um 1900 ihren Höhepunkt. 32 Während die Künstler und Denker der Romantik der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer dualistischen Geschlechterordnung ein androgynes Ideal entgegensetzten und von der Rückkehr zu einem paradiesischen und ganzheitlichen Urzustand träumten, konnten sich die dicadents und Symbolisten des späten XIX. Jahrhunderts trotz ihrer Protesthaltung nicht gänzlich von dem bürgerlichen und wissenschaftlichen Geschlechterdiskurs ihrer Zeit lösen. Sie stellten dem tatkräftigen, gewinnorientierten und «virilen» Bourgeois zwar den Androgyn 33 oder den feminisierten Dandy-Ästheten 34 gegenüber und suchten durch das Aufgreifen erotischer Motive gegen die bürgerliche Ordnung zu protestieren, bezeugten jedoch durch die Häufigkeit, mit der sie die Frau als bedrohliche Femme fatale in Literatur und Kunst darstellten, 35 daß sie das antagonistische Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft und

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Ibid., p. 642-645. Auch der englische Philosoph und Soziologe Herbert Spencer, der bedeutendste Verfechter der Selektionstheorie nach Darwin, suchte die Limitierung der Frau auf die Mutter- und Hausfrauenrolle zu rechtfertigen, indem er evolutionäre Gründe vorbrachte. Siehe hierzu Lorna Duffin: «Prisoners of Progress. Women and Evolution». In: Sara Delamont / Lorna Duffin (ed.), The Nineteenth-Century Woman. Her Cultural and Physical World, London / New York, Croom Helm / Barnes & Noble, 1978, p. 57-91 und Bram Dijkstra: Idols of Perversity, p. 171. Siehe Bram Dijkstra: Idols of Perversity, p. 170-172, 211-212. Ibid., p. 212-213. Otto Weinigers Geschlecht und Charakter (1903) mag sehr wohl diesen Höhepunkt darstellen. Siehe z.B. Josephin Peladans Protagonisten Samas (L'androgyne) und Tammuz (La gynandre). Siehe z.B. Joris-Karl Huysmans Protagonist des Esseintes (A rebours), Jean Lorrains Protagonist Monsieur de Phocas (Monsieur de Phocas) und Rachildes Protagonist Paul Eric de Fertzen (Les hors nature). Siehe z.B. Mireille Dottin-Orsini: Cette femme qu'ils disent fatale. Textes et images de la misogynie fin-de-siecle, Paris, Grasset, 1993 (insbesondere die Kapitel VI, X und XI); Bram Dijkstra: Idols of Perversity (Kapitel IX-XI); Carola Hilmes: Die Femme fatale. Ein Weiblichkeitstypus in der nachromantischen Literatur,, Stuttgart, Metzler Verlag, 1990.

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Jean Delville: L'idole de la perversiti,

1891.

die (evolutionären) Ängste ihrer Zeitgenossen im Grunde verinnerlicht und übernommen hatten. In der Decadence-Literatur wird die Frau zur Repräsentantin des Bösen und der Perversion stilisiert. Ihre Idealisierung, die während der Romantik vorgeherrscht hatte, macht nun ihrer Dämonisierung Platz: Die Frau verkörpert nicht mehr die göttliche Natur, die die Romantiker der negativ konnotierten, «männlichen» Gesellschaft gegenüberstellten. 36 Sie gilt nicht mehr als der moralische Gegenpol zum skrupellosen Bourgeois,37 ist nicht mehr das schwache, sich in Liebe aufopfernde «Idol», als das sie Jules Michelet noch 1859 in La femme gezeichnet hatte, sondern steht nun als Femme fatale für Dekadenz und «Entartung». Zumal die Inferiorität der Frau wissenschaftlich ist, kann ihre Idealisierung in den letzten Jahrzehnten des XIX. Jahrhunderts leichterhand als «Damen-Unwesen» 38 verworfen und der Misogynie im Fin de siöcle unverhüllten und freien Lauf gelassen werden. 39 Die Femme fatale, literarische und artistische Projektion männlicher Ängste und Begierden, erscheint als bedrohliches und erotisches Wesen, das zugleich beunruhigt und fasziniert. In etlichen Werken der dekadenten Autoren des späten XIX. Jahrhunderts hat sie die dominante Rolle inne, während der Mann nicht selten zum passiven und leidenden Opfer stilisiert wird. 40 Nicht nur das Gebaren, sondern auch der Körper der Femme fatale nimmt in diesem Rollentausch virile bzw. androgyne Züge an: Hat Peladans Prinzessin Leonora d'Este (Le vice supreme, 1887) schmale Hüften und «[une] poitrine plate», so wird auch Rachildes Protagonistin Raoule de Venerande (Monsieur Venus, 1884) jegliche traditionell weibliche Schönheit abgesprochen: «Ni belle, ni jolie dans l'acception des mots, [...] sa physionomie ä l'expression dure, ne seduisait pas».41 Dennoch üben beide Frauen große sexuelle Macht aus, indem sie dank ihrer animalischen Geschmeidigkeit, ihres «regard ambigu» oder ihres «sourire inquietant» faszinieren und anziehen, 42 dem Mann ihren Körper jedoch stets verweigern. Als Femmes fatales gehören Leonora und Raoule - wie zum Beispiel auch Madame Livitinof in Jean Lorrains Tres russe

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Siehe Louisa Jones: «La femme dans la litterature du dix-neuvieme siecle: ange et diable». In: Orbis Litterarum 30 (1975), p. 57-60. Siehe Bram Dijkstra: «The Androgyn in Nineteenth-Century Art and Literature», p. 63 - 65. Arthur Schopenhauer: «Über die Weiber», p. 657. Schopenhauer nennt die idealisierte Frau «Dame» und beschreibt sie als «dies Monstrum Europäischer Zivilisation und christlich-germanischer Dummheit, mit ihren lächerlichen Ansprüchen auf Respekt und Verehrung» (p. 660). Siehe Mireille Dottin-Orsini: Cette femme qu'ils disent fatale, p. 341-343. Ein gutes Beispiel hierfür ist Rachildes Monsieur Venus. Auch etliche andere Romane der Autorin inszenieren einen derartigen Rollentausch: siehe z.B. La Marquise de Sade und Madame Adonis. Josephin Peladan: Le vice supreme, Paris, Chamuel, p. 46; Rachilde: Monsieur Venus, Paris, Flammarion, 1926, p. 37. Rachilde: Monsieur Vinus, p. 37-38; Josephin Peladan: Le vice supreme, p. 46.

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(1886) - dem Typus der «allumeuse» an: Sie verbinden geistige Wollust mit physischer Keuschheit und suchen auf diese Weise den höchsten Grad sinnlicher Begierde zu erfahren. Sie verführen, ohne sich je hinzugeben, und verstoßen deshalb gegen die traditionellen Regeln des Liebesspiels.43 Die Gleichzeitigkeit von körperlicher Enthaltsamkeit und mentaler Begierde stellt nur eine der vielen sexuellen und moralischen dar, die die Femme fatale in der Literatur des Fin de siecle charakterisieren. Die virile, verhängnisvolle Frau erscheint in zahlreichen Werken der Zeit auch als erotomane Kurtisane, die sich ihren brennenden Gelüsten allzu oft und gerne hingibt. Der Mann, Objekt ihrer Begierde, muß hierbei befürchten, von ihrem großen, roten Mund verschlungen bzw. vergewaltigt zu werden: Ihm droht «le viol goulu, frenetique, silencieusement devorateur, d'un long baiser infame». 44 Der Mund der Frau, stets blutrot und oft mit einer klaffenden Wunde verglichen, symbolisiert die weiblichen (menstruierenden) Geschlechtsorgane und steht für die sexuelle Unersättlichkeit der Femme fatale. Löst er durch seine schluckende und verschlingende Funktion Vergewaltigungs- und Kastrationsängste aus, so beschwört er als saugendes Organ Visionen von blutrünstigen Vampiren und Dämonen herauf 4 5 Huysmans' Heldin Hyacinthe Chantelouve {Lä-bas, 1891), Mitglied eines satanischen Kults, hat zum Beispiel «[des] yeux sulfureux» und «[une] bouche spoliatrice, terrible». 46 Während des Geschlechtsakts mit Durtal ist ihr Körper eiskalt, ihr Mund jedoch glühend heiß: «les levres de la femme brülaient et lui mangeaient silencieusement la face [...] eile lui devorait la bouche», heißt es im Text.47 Nach einer schwarzen Messe überkommen Hyacinthe besonders beunruhigende «rages de luxure», die sie mit «furies de goule» und geweihten Hostien zu würzen versteht, so daß Durtal - von diesem Sukkubus zum Geschlechtsakt gezwungen («eile [...] l'obligea ä la vouloir») - entsetzt und angeekelt flieht. 48 Ob dämonische und blutsaugende Nymphomanin oder keusche «allumeuse», die Femme fatale ist in der Literatur und Kunst des dekadenten Fin de siecle ein äußerst bedrohliches, grausam-sadistisches und zugleich erotisches 43

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Siehe Mario Praz: La carne, la morte e il diavolo, p. 348-352; A. J. L. Busst: «The Image of the Androgyn», p. 48-51; Frederic Monneyron: L'androgyne decadent, p. 44-47. Catulle Mendes: La premiere maitresse, Paris, Chapentier, 1887, p. 75. Siehe auch Jean de Palacio: «La f6minit6 devorante. Sur quelques images de la manducation dans la litterature decadente». In: Revue des Sciences Humaines XLIV, 168 (octobre-dicembre 1977), p. 601-618. Siehe Jean de Palacio: «La fäminite ddvorante», p. 607-610; Mireille DottinOrsini: Cette femme qu'ils disent fatale, p. 274-305. Siehe auch Jean de Palacio: «Messaline ddcadente, ou la figure du sang». In: Romantisme 31 (1981), p. 209228 sowie Rachüde: «La buveuse de sang». In: Rachilde, Contes et nouvelles suivis du Thiätre, Paris, Mercure de France, 1922, p. 71-80. Joris-Karl Huysmans: Lä-bas, Paris, Garnier-Flammarion, 1978, p. 203. Ibid., p. 184. Ibid., p. 203, 249. 137

Albert-Joseph Penot: La chauve-souris,

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ca. 1890.

Wesen, das oft in der Gestalt der Salome Darstellung findet: In zahlreichen Gemälden 49 und literarischen Texten 50 der Zeit wird die Bibelgeschichte von der Enthauptung Johannes des Täufers interpretiert und verarbeitet. 51 Salome, dieses kindlich-erotische Instrument mütterlicher Rache, vereint in sich alle Charakteristika gefährlicher und Weiblichkeit: Mit ihrem lasziven, sinnlichen Tanz und ihrer mädchenhaften Schönheit und Unschuld betört und entmachtet sie den Mann (König Herodes) und realisiert derart die mörderischen Pläne ihrer Mutter Herodiade. Salome, die die enge Verbindung von erotischer Sinnlichkeit und Tod verkörpert, kann dank ihrer sexuellen Macht die patriarchalischen Verhältnisse untergraben und mit der blutigen Enthauptung, die sie bewirkt, tiefsitzende Ängste vor dem Ewigweiblichen sowie vor revolutionären und gesellschaftlichen Umwälzungen (Feminismus, Matriarchat, Guillotine!) auslösen. In der D6cadence-Literatur steht der virilen, starken und bedrohlichen Femme fatale der kränkliche, schwache und feminisierte Dandy-Ästhet gegenüber. Huysmans' Protagonist des Esseintes (A rebours, 1884), Inbegriff dieses spätzeitlichen esthete, ist «un grele jeune homme de trente ans, anemique et nerveux, aux joues caves», «une creature faible, ployee, [...] sans souffle».52 Er wird dem Leser als der letzte Abkömmling eines alten, aristokratischen, durch Inzucht geschwächten Geschlechts vorgestellt, in dem «l'effemination des males etait allee en s'accentuant». 53 Wie der romantische Held eines Constant, Vigny oder Musset perhorresziert auch des Esseintes die Gesellschaft seiner Zeit, reagiert auf die Banalität einer verbürgerlichten und industrialisierten Umwelt mit «ennui» 54 und flieht das als stupide und geistlos 49

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Die bekanntesten und am meisten besprochenen Gemälde Salomes sind sicherlich Gustave Moreaus «Salome dansant devant Herode» (1876) und «L'apparition» (1876). Eine Liste der Salome-Gemälde des Fin de siecle ist zu finden in: Carola Hilmes: Die Femme fatale, p. 241. Siehe auch Kapitel 7.2 der vorliegenden Arbeit. Siehe z.B. Gustave Flaubert: «Herodias» (1877); Joris-Karl Huysmans: Α rebours, Kapitel V (1884); Catulle Mendts: La femme-enfant, roman contemporain (1891); Jules Laforgue: «Salome» (1887); Stephane Mallarme: «Herodiade» (1869/1871); Oscar Wilde: Salome (1893); Heinrich Heine: «Atta Troll. Ein Sommernachtstraum» (1843/1847); Oskar Panizza: «Das Liebeskonzil» (1894/1895). Siehe Mireille Dottin-Orsini: Cette femme qu'ils disent fatale, Kapitel VI; Anthony Pym: «The Importance of Salome: Approaches to a Theme». In: French Forum XIV (1989), p. 311-322; Anne Hudson Jones / Karen Kingsley: «Salome: The Decadent Ideal». In: Comparative Literature Studies XVIII (1981), p. 344-352; Maria Moog-Grünewald: «Die Frau als Bild des Schicksals. Zur Ikonographie der Femme fatale». In: Arcadia XVIII (1983), p. 238-257; Carola Hilmes: Die Femme fatale, Kapitel IV; Bram Dijkstra: Idols of Perversity, Kapitel XI. Joris-Karl Huysmans: Α rebours, p. 78, 206. Ibid., p. 78. Siehe ibid., p. 85 («Quoi qu'il tentät, un immense ennui l'opprimait»), 202 («Son ennui devint sans borne»), 106 («abattu par l'hypocondrie, ecrase par le spieen»), 233 («une detresse affreuse»). 139

s gare

Edouard Toudouze: Salome triomphante, ca. 1886.

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empfundene gesellschaftliche Dasein. Während für die romantischen Autoren und ihre Protagonisten, die in der Natur, der Innerlichkeit oder der Liebe Zuflucht bzw. suchten, noch eine vage Harmonie zwischen Mensch und Kosmos existierte, charakterisiert den Dandy-Ästheten des späten XIX. Jahrhunderts ein tiefer Pessimismus und Fatalismus.55 Des Esseintes ist sich nicht nur der Dekadenz der modernen Gesellschaft, sondern auch seiner eigenen «Entartung» und Impotenz bewußt. 56 Er akzeptiert diesen Verfall als fatale Gesetzmäßigkeit, sucht ihn allerdings - indem er sich in die Künstlichkeit seiner «thebai'de raffinie» zurückzieht - durch die Kunst zu verfeinern, zu vergeistigen, zu sublimieren und sich auf diese Weise von der «sottise [humaine,] industrielle et pecunaire» abzuheben. 57 Erst als sich der reine Ästhetizismus und der Künstlichkeitsfanatismus des esthete als ausweglos erweist,58 gilt es Dekadenz und Fatalität mittels des Mystizismus und der Religion zu überwinden. 59 Der Dandy-Ästhet des Fin de si&cle, der die Natur, «cette sempiternelle radoteuse», durch die Kunst und die Künstlichkeit zu ersetzen sucht, 60 beschreibt die Frau als «naturelle, c'est-ä-dire abominable». 61 Er schätzt sie nur dann, wenn Schmuck, Schminke und Kleidung ihre Natürlichkeit kunst- und geschmackvoll drapieren, 62 zieht ihrer Schönheit jene moderner Lokomotiven vor 63 und ist ohne zu zögern bereit, sie durch einen Automaten zu ersetzen. 64 55 56

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Siehe Maria Moog-Grünewald: «Die Frau als Bild des Schicksals», p. 246; Michel Lemaire: Le dandysme de Baudelaire ά Mallarme, p. 187. Siehe Joris-Karl Huysmans: A rebours, p. 77-78 («Entartung»), 85 («comme fourbus de fatigues, ses sens tomberent en lethargie, l'impuissance fut proche»), 90 («une virilite momentanement morte»). Ibid., p. 84, 130. Des Esseintes droht der Tod oder die Geisteskrankheit in seinem vollkommen künstlichen, von der Umwelt abgeschotteten Zufluchtsort. Siehe Joris-Karl Huysmans: Α rebours, p. 336 -337. Als des Esseintes auf Anordnung seines Arztes die «thebai'de raffinee» verlassen und nach Paris zurückkehren muß, wendet er sich in den letzten Zeilen des Romans verzweifelt an Gott: «Seigneur, prenez pitie du Chretien qui doute, de l'incredule qui voudrait croire, du forsat de la vie qui s'embarque seul, dans la nuit, sous un firmament que n'eclairent plus les consolants fanaux du vieil espoir!»(349). Die Konversion des Huysmans'schen Helden erfolgt schrittweise: In Lä-bas (1891) wendet sich Durtal zunächst der schwarzen Magie zu, und in En route (1895) entdeckt er die Schönheit der christlichen Kunst und die Heilkraft einer monastischer Lebensweise. In La cathedrale (1898) und L'oblat (1907) erreicht er den Höhepunkt seiner mystischen Entwicklung. Joris-Karl Huysmans: Α rebours, p. 103. Siehe auch ibid.: «[...] le moment est venu oü il s'agit de la remplacer [la nature], autant que faire se pourra, par l'artifice». Charles Baudelaire: CEuvres complites, p. 1272 («Mon coeur mis ä nu»). Die Hervorhebung stammt von Baudelaire. Siehe ibid., p. 1181-1185 (Le peintre de la vie moderne: «La femme» und «Eloge du maquillage»). Siehe Joris-Karl Huysmans: Α rebours, p. 103-104. Siehe Auguste Villiers de l'Isle-Adam: L'Eve future (1886). 141

Auch für Huysmans' Protagonist des Esseintes stellt die Frau in erster Linie ein banales, natürliches Wesen dar, das der «esthöte» verachtet und wie den Rest der «ha'fssable epoque» zu fliehen sucht. 65 Verbannt des Esseintes die Frau zwar als Person aus seiner «thebai'de raffinee», so erscheint sie implizit omnipräsent zu sein: Sie ist in den diversen Gemälden, Zeichnungen und Drucken zu finden, die der Dandy-Ästhet eingehend studiert und kommentiert (inbesondere die Salome der Bilder Gustave Moreaus). 6 6 Einzelne Texte, die des Esseintes liest, sowie bestimmte Möbel, Blumen und Parfüms, mit denen er sich umgibt, evozieren Vorstellungen von Weiblichkeit und Sexualität, rufen Erinnerungen an ehemalige Geliebte wach oder führen zu beunruhigenden Alpträumen, in denen die Frau und die Erotik eng mit Krankheit (Syphilis) u n d Tod verknüpft werden. 67 Im des Esseintes'schen «huis clos», in dem es die dekadente Realität und das Abscheulich-Natürliche zu sublimieren gilt, sucht der «esthete» auch den erotischen Körper der Frau auf die artistische Ebene zu transponieren und somit zu vergeistigen, alles Weiblich-Natürliche im Dekor zu fixieren und auf diese Weise unschädlich zu machen. 6 8 Dieser Versuch scheitert, zumal sich die Frau als hartnäckige «hantise erotique» erweist, die auch in ihrer Abwesenheit die Ruhe des Esseintes' zu untergraben versteht. Sie ist für den dekadenten Dandy Allegorie und Metapher einer als fatal empfundenen Existenz, die durch ihre Natürlichkeit und platte Körperlichkeit abstößt, durch die dämonische Schönheit, die ihr eigen ist, sowie die verhängnisvolle Lust, die sie verspricht, jedoch unglaublich fasziniert und verführt. 6 9 Erst der katholische Glaube mit seinen strengen Dogmen und klösterlich-asketischen Lebensformen, mit seiner starren, mittelalterlichen Symbolik, scheint das leisten zu können, was der «decadent» mittels der

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Joris-Karl Huysmans: A rebours, p. 141. Siehe ibid., p. 141-156. Siehe ibid., p. 204 (Texte), 204-214 (parfümierte Bonbons / Erinnerungen), 222-223, 226 (Parfüms), 156 (Möbel), 185-199 (Blumen / Alptraum). Siehe auch Jean-Paul Corsetti: L'ecriture du reve sur la feminite dans de Joris-Karl Huysmans, These III e cycle, Universite de Paris Sorbonne, 1982; Gilberte Curinier: L'imagination decadente de la femininite dans l'aeuvre de Huysmans, These IIP cycle, Lyon II, 1986. Siehe Huysmans' Interpretation der Moreauschen Salome-Bilder ( Α rebours, p. 141-148). Salome wird an einer Stelle z.B. folgendermaßen beschrieben: «Dans l'ceuvre de Gustave Moreau [...] des Esseintes voyait enfin realisee cette Salome, surhumaine et etrange qu'il avait revee. Elle n'etait plus seulement la baladine qui arrache ä un vieillard, par une torsion corrompue de ses reins, un cri de desir et de rut; qui rompt l'energie, fond la volonte d'un roi, par des remous de seins, des secousses de ventre, des frissons de cuisses; eile devenait, en quelque sorte, la deite symbolique de l'indestructible Luxure, la deesse de l'immortelle Hysterie, la Beaute maudite, elue entre toutes par la catalepsie qui lui raidit les chairs et lui durcit les muscles; la Bete monstrueuse, indifferente, irresponsable, insensible, empoisonnant, de meme que l'Helene antique, tout ce qui l'approche, tout ce qui la voit, tout ce qu'elle touche» (p. 144-145). Siehe auch Maria Moog-Grünewald: «Die Frau als Bild des Schicksals», p. 254.

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Kunst und der Künstlichkeit nicht erreicht hatte: die Fatalität (und somit auch die Femme fatale) zu überwinden, die Sinnlichkeit und Erotik zu bändigen und dem Ästheten seine verlorene Virilität wiederzugeben. 70 Die Androgynie erweist sich in der französischen Literatur des XIX. Jahrhunderts als ein wichtiges Motiv, das während der Romantik in erster Linie die Ideale und Hoffnungen der intellektuellen Elite widerspiegelt, ab der Mitte des Jahrhunderts jedoch zunehmend von den Ängsten sowie von dem Dekadenzgefühl und Fatalismus einer Epoche Zeugnis ablegt. Diesen beiden - man könnte sagen entgegengesetzten - Aktualisierungen der Androgynie (im weiten Sinne) entsprechen zwei Termini, mittels derer in der Forschung im allgemeinen zwischen der romantischen und der dekadenten Version des Motivs unterschieden wird: Zurückgehend auf Ovids Hermaphroditos, der nach seiner forcierten Union mit der Nymphe Salmakis die Geschlechtsteile des Mannes und der Frau besitzt, wird der Begriff des «Hermaphrodismus» meist dazu benutzt, das spannungsreiche Nebeneinander von männlichen und weiblichen Elementen, die unvereinbare Koexistenz physischer Merkmale beider Geschlechter in einer Person zu beschreiben. In Opposition hierzu verweist der Terminus der Androgynie (im engen Sinne) oft ausschließlich und restriktiv auf die harmonische und symbolische Verschmelzung des Männlichen und Weiblichen, auf die ideale Synthese von Gegensätzen. 71 Dieser Begriffsbestimmung gemäß muß die dekadente und sexualisierte Femme fatale eines Huysmans oder die «gynandre» eines Peladan als Hermaphrodit bezeichnet, die idealisierte und asexuelle Seraphita Balzacs dagegen androgyn genannt werden. Im XIX. Jahrhundert gab es bezüglich der Androgynie und des Hermaphroditismus keinen einheitlichen Sprachgebrauch: Barbey d'Aurevilly hielt sich - im Gegensatz etwa zu Balzac 72 - nicht an die oben gegebenen Definitionen, sondern benutzte die beiden Begriffe stattdessen als austauschbare Synonyme. In der vorliegenden Arbeit sollen die Temini und dennoch gemäß der in der Forschung gängigen und hier kurz skizzierten Unterscheidung verwendet werden. Führt Barbeys undiffe70

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Siehe Huysmans' Trilogie En route, La cathedrale, L'oblat. Siehe auch Per Buvik: La luxure et la pureti. Essai sur l'auvre de Joris-Karl Huysmans, Oslo, Solum Forlag, 1989, p. 205-232; Pierre Cogny: Huysmans de l'ecriture ά l'Ecriture, Paris, Tequi, 1958; P. Cogny: Huysmans ά la recherche de l'unite, Paris, Nizet, 1953; Madeleine Ortoleva: Huysmans, romancier du salut, Sherbrooke, Editions Naaman, 1981. Siehe Mircea Eliade: Mephistopheles et l'androgyne, p. 123-124; Lucienne Frappier-Mazur: «Balzac et l'androgyne». In: L'annee balzacienne (1973), p. 253-254; N. A. Haxell: «Hermaphrodites and Winged Monsters. Images of prose-poetic creation in the writings of Barbey d'Aurevilly». In: Forum for Modern Language Studies XXII (1986), p. 355; Isabelle de Courtivron: Androgyny, Misogyny, and Madness. Three Essays on Women in Literature, Dissertation, Brown University, 1973, p. 7-8. Lucienne Frappier-Mazur: «Balzac et l'androgyne», p. 254. 143

renzierte Terminologie zu Verwirrung, so wird auf Zusätze wie «romantischer» bzw. «dekadenter Tradition» zurückgegriffen.

6.2 Dandyismus und Androgynie: Barbeys Dandy und Krieger als Androgyn Seit seiner Erscheinung im frühen XIX. Jahrhundert ist der Dandy wiederholt als Inkarnation der mythischen Figur des Androgyns gepriesen worden. Besitzt er Jules Lemaitre zufolge zum Beispiel «quelque chose d'antinaturel, d'androgyne, par oü il peut seduire infiniment», so nennt Barbey d'Aurevilly Dandys wie Brummeil «Androgynes de l'Histoire». 73 Derart mit der Androgynie assoziiert, stellt der Dandyismus nicht nur die und bürgerlicher Existenz, sondern auch das antagonistische Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft in Frage und kann als Versuch verstanden werden, die zwei sich im XIX. Jahrhundert unvereinbar gegenüberstehenden Geschlechter 74 in ein ideales und überlegenes Wesen zu verschmelzen. Obgleich der Dandy sich bestimmte traditionell Verhaltensweisen und Charakteristika aneignet, muß seine Haltung der Frau gegenüber - sei es auf der historischen oder auf der literarischen Ebene im allgemeinen jedoch als abweisend oder sogar feindselig beschrieben werden. Da die Liebe und die sinnliche Begierde, unvereinbar mit dem stoizistischen Selbstentwurf des Dandys, dessen Unabhängigkeit und geistige Überlegenheit gefährden, 75 bedeutet die Frau mit ihrer ». In: La revue des lettres modernes 234-237 (1970), p. 135-151. Hofer, Hermann: «Note sur Bernanos et Barbey d'Aurevilly». In: La revue des lettres modernes 228-233 (1970), p. 115-126. - «Bernanos aurevillien, Barbey beraanosien». In: La revue des lettres modernes 260-263 (1971), p. 61-117. - Barbey d'Aurevilly Romancier, Lausanne, Francke Verlag Bern, 1974. - «Apocalypse et fin de siecle: le cas de Barbey d'Aurevilly». In: Gwenhael Ponnau (ed.), Fins de Siecle. Terme, Evolution, Revolution? (Actes du Congres national de la Societe fran^aise de litterature generale et comparee, Toulouse, 22-24 septembre 1987), Toulouse, Presses Universitaires du Mirail, 1989, p. 425-432. Holder, Guillemette I.: «Seduction narrative et donjuanisme chez Barbey d'Aurevilly». In: Nineteenth Century French Studies 23, 1/2 (Fall / Winter 1994/1995), p. 166-174. Honegger, Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib 1750-1850, Frankfurt / New York, Campus Verlag, 1991. Huizinga, Johan: Homo Ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelementes der Kultur, Amsterdam, Pantheon Akademische Verlagsanstalt, 1940. Humphreys, Karen Lynne: The Self in the Stone: Barbey's Lapidary Style and the Decadent Legacy, Dissertation, Princeton University, 1995. Huysmans. Une esthitique de la decadence (Actes du colloque de Bale, Mulhouse et Colmar du 5, 6 et 7 novembre 1984, organise par A. Guyaux, Ch. Heck et R. Kopp), Paris, Champion, 1987. Irigaray, Luce: Speculum de l'autre femme, Paris, Editions de Minuit, 1974. - Ce sexe qui n'en est pas un, Paris, Editions de Minuit, 1977. Jones, Anne Hudson / Karen Kingsley: «Salome: The Decadent Ideal». In: Comparative Literature Studies XVIII (1981), p. 344-352. Jones, Louisa: «La femme dans la litterature franijaise du dix-neuvieme siecle: ange et diable». In: Orbis Litterarum 30 (1975), p. 51-71. Jordanova, Ludmilla.· Sexual Visions. Images of Gender in Science and Medicine between the Eighteenth and Twentieth Centuries, Madison, The University of Wisconsin Press, 1989. 207

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