Das Wort Ḥesed. Im Alttestamentlichen Sprachgebrauche als Menschliche und Göttliche Gemeinschaftgemässe Verhaltungsweise

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Das Wort Ḥesed. Im Alttestamentlichen Sprachgebrauche als Menschliche und Göttliche Gemeinschaftgemässe Verhaltungsweise

Table of contents :
Vorbemerkung Zur Ersten Auflage
Introduction To Second Edition
Vorwort Zur Zweiten Auflage
Abkürzungen
Inhalt
Literaturverzeichnis
Erstes Kapitel. חםך Als Menschliche Verhaltungsweise In Profaner Bedeutung
Zweites Kapitel. חםך als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung
Drittes Kapitel. חםך als göttliche Verhaltungsweise
Anhang: Vergleichzwischen חםך und ﺣ ﺸ ﺪ

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DAS W O R T IM A L T T E S T A M E N T L I C H E N

HESED SPRACHGEBRAUCHE

ALS M E N S C H L I C H E U N D GEMEINSCHAFTGEMÄSSE

GÖTTLICHE

VERHALTUNGSWEISE

VON NELSON

GLUECK

ZWEITE UNVERÄNDERTE

AUFLAGE

196 1 V E R L A G

A L F R E D

T Ö P E L M A N N



B E R L I N

BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR DIE ALTTESTAMENTLICHE

WISSENSCHAFT

47

Unveränderter photomechanischer Nachdruck 1968

© 1968 by Alfred Töpelmann, Berlin 30, Genthiner Straße 13 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Archiv-Nr. 3822680

DEM ANDENKEN MEINES BRUDERS BENJAMIN ZUGEEIGNET

VORBEMERKUNG ZUR ERSTEN AUFLAGE. Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit, die zum Teil als Dissertation, Jena 1926, erschienen ist, verdanke ich Herrn Prof. W. ST A KHK, der auch die ganze Arbeit freundlichst durchgesehen hat Ihm und Herrn Prof. H . H I L G E N F E L D möchte ich auch hier danken für die gütige Hilfe bei der Korrekturlesung des Dissertationsteils. B e r l i n , Juli 1927.

NKLSON

GLÜBCK.

I N T R O D U C T I O N TO SECOND EDITION. It is a source of considerable gratification to learn that the Verlag Alfred Topelmann is issuing a second edition of my book „Das Wort hcsed . . . " , which first appeared under the same imprimatur over a long generation ago. I have had occasion during the intervening years to reexamine it and have found no reason to change its methodological approach or its final conclusions. The hesed idea was not born full blown. It evolved with logical and dynamic consequence in connection with the development and deepening of the socially equitable and divinely based relationship of man to man and to God and especially in the refinement of the covenant relationship of the brotherhood of man under the fatherhood of God. This initial study was supposed to be the beginning of a systematic Ideengeschidite of the Bible. The whole gamut of Biblical concepts from to'ebab to qedushah, that is, from abomination to holiness and from mishpat to tsedaqah and rahimim, that is, from the canon of judgement to the rule of righteousness and the restraint of mercy, and others too, was supposed to have been included in such a book, extending from their first appearance to their fullest efflorescence in the records of Sacred Writ. Each idea was to have been followed from its initial beginning to its ultimate bloom, with meticulous attention to every nuance of its natural and inevitable changes. I never continued with that project, because I passed over soon from the exploration of Biblical ideas to a life long engagement in Biblical archaeology. For many years now, the latter has been the happy and

exciting burden of my scientific pursuits both in explorations and excavations in Biblical lands and in the publication and evaluation of the results attained. In both aspects of my endeavors, I have never ceased to marvel at the unfolding miracle of man's increasing comprehension of the ways and words of God. H o w happy I am therefore to welcome the reprinting of this very first scientific publication of mine, which was published in 1927 by the Verlag von Alfred Töpelmann in Giessen as number 47 of the Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft. I think back to the late, lamented Professors Willi Staerk and Hugo Gressmann, who encouraged me to undertake and complete this study. In fond recollection of them, I dedicate this second edition to their memories. Cincinnati, Ohio. Sept.

5, 1 9 6 0

NELSON GLUECK

V O R W O R T ZUR ZWEITEN AUFLAGE. Es gewährt mir große Genugtuung, daß der Verlag Alfred Töpelmann eine zweite Auflage meines Buches „Das Wort hesed . . . " herausbringt. Die erste Auflage erschien im selben Verlag vor mehr als 30 J a h ren. Ich hatte während dieser Zeit Gelegenheit, den T e x t zu überprüfen und sehe keine Veranlassung zu Änderungen der darin geäußerten Ansichten und Ergebnisse. Die hesed-Idce entstand nicht auf einmal in ihrer endgültigen Form. Sie entwickelte sich mit ihren logischen und dynamischen Konsequenzen zugleich mit wachsender Einsicht in das gottgegebene soziale Verhältnis des Menschen zu seinem Nebenmenschen und zu Gott und besonders in die Läuterung dieses Verhältnisses durch den heiligen Bund, in dem die Menschen als Brüder unter einem göttlichen Vater erscheinen. Die Studie über die hesed-ldee sollte das erste Kapitel in einer systematischen Ideengeschichte der Bibel werden. Meine Absicht war, in solch einem Buche die ganze Entwicklung der biblischen Konzepte von to'ebah bis qedushah, von Sündhaftigkeit bis zur Heiligkeit, von misbpat bis thedaqah und rahamim, vom göttlichen Gebot bis zur Herrschaft der Gerechtigkeit, gemildert durch Gnade und viele andere, einzuschließen von ihrem ersten Auftauchen bis zur vollen

Blüte in den Büchern der Heiligen Schrift. Jede einzelne Idee sollte von ihren Anfängen bis zur höchsten Entwicklung verfolgt werden, unter sorgfältiger Beobachtung jeder Nuance in den natürlichen und unvermeidlichen Veränderungen. Dieses Projekt wurde niemals ausgeführt, denn ich verließ bald das Gebiet der biblischen Ideenforschung und begann mein Lebenswerk, die biblische archäologische Forschung. Seit vielen Jahren nun ist diese letztere der beglückende und stets anregende Gegenstand meiner wissenschaftlichen Entdeckungen und Ausgrabungen in den Ländern der Bibel und in der Veröffentlichung und Beurteilung der erzielten Resultate. In beiden Gebieten meiner Bemühungen habe ich nie aufgehört, das ewig erneute Wunder anzustaunen, das in dem wachsenden Verständnis des Menschen für Gottes Wort und Gottes Wege liegt. Ich begrüße daher mit Freuden den Neudruck dieser ersten wissenschaftlichen Studie, die erstmalig vom Verlag Alfred Töpelmann in Gießen als N r . 47 der Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft veröffentlicht wurde. In dankbarer Erinnerung an meine verstorbenen Lehrer, Prof. Willi Staerk und H u g o Gressmann, die mich ermutigten, diese Studie zu unternehmen und zu vollenden, widme ich diese zweite Ausgabe ihrem Andenken.

Cincinnati, Ohio,

5.

September

1960

NELSON

GLUECK

ABKÜRZUNGEN. A. S. =

Die Schriften des Alten Testaments in Aaswahl übersetzt und für die Gegenwart erklärt. AJSL. = American Journal of Semitic Languages and Literature. B. C. = Biblischer Commentar über das Alte Testament, hrsg. yon C. F. KEIL u n d F . DELITZSCH.

B. E. H. H. I. C.

H. H. C. K. C. K. K. K.

= KITTBL, R. : Biblia Hebraica. = Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum Alten Testament. = Kurzer Hand-Commentar zum Alten Testament, hrsg. von K. MABTI. = Handkommentar zum Alten Testament, hrsg. von N. NOWACK. = International Critical Commentary. = Kommentar zum Alten Testament, hrsg. von E. SELLIN. = Kurzgefaßter Kommentar zum Alten Testament, hrsg. von H. STHACK u n d 0 . ZÖCKLEB.

S. B. 0. T. = Sacred Books of the Old Testament, ed. by P. HAUPT. ZAW. = Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft.

INHALT. Erstes

Kapitel.

ion als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung I. Vorläufige Klarstellung des Begriffes durch Feststellung der isn übenden Personen 1. Das lon-Verhältnis zwischen Verwandten und verwandten Stämmen 2. zwischen Gastgeher und Gast 3. zwischen Verbündeten und deren Angehörigen 4. zwischen Freunden 5. zwischen dem Herrscher und den ihm Unterstellten 6. zwischen denjenigen, die sich durch Hilfeleistungen Verdienste erworben haben, und denen, die ihnen dadurch verpflichtet sind . . 7. Zusammenfassung I I . iDn als die einem Rechts-Pflicht-Verhältnis entsprechende Verhaltungsweise 1. iDn als die dem Eechts-Pflicht-Verhältnis einer Familien- oder Stammesgemeinschaft entsprechende Verhaltungsweise a. Familiengemeinschaft a. Blutsverwandtschaft: Vater und Sohn ß. Angeheiratete Verwandtschaft aa. Mann und Frau ßß.- Löser und Witwe seines Verwandten b. Stammesgemeinschaft u. Engere Stammesgemeinschaft: Verwandte Häuser . . . . . . . ß. Weitere Stammesgemeinschaft: Verwandte Stämme 2. iDn als die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen Gastgeber und Gast entsprechende Verhaltungsweise a. Gastgeber und Gast b. Schutzherr und G§r 3. iDn als die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen Verbündeten entsprechende Verhaltungsweise 4. iDn als die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen Freunden entsprechende Verhaltungsweise 5. iDn als die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen dem Herrscher und den ihm Unterstellten entsprechende Verhaltungsweise . . . a. König und Untergebene b. Der König und diejenigen, die sich ihm unterwerfen . . . . 6. iDn als die der Hilfsgemeinschaft entsprechende Verhaltungsweise 7. Zusammenfassung Zweites

Seite 1—21 1—3 1 1—2 2 2 2 2—3 3 3—21 3—8 4—7 4—6 5—7 5 6—7 7—8 7—8 8 8—11 9—10 10—11 11—15 15—16 16—18 16—17 17—18 18—20 20—21

Kapitel.

"tDn als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung I. iDn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise der Menschen unter sich und, explicite, Gott gegenüber in der prophetischen und verwandten Literatur

21—34

21—28

Gliederung.

IX Seite 21—24

1. Im Buche Hosea 2. In der anderen prophetischen nnd verwandten Literatur

. . . .

ET. iDn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise der Menschen unter sich und, implicite, Gott gegenüber in der prophetischen und verwandten Literatur 1. Das iDn-Tun der Menschen und ihr entsprechendes Ergehen . . a. der Menschen im allgemeinen b. der Kegenten I I I . Der hasid 1. als Gegenteil vom Sünder 2. gleich dem Redlichen nnd Gerechten 3. gleich dem Getreuen I V . Zusammenfassung

24—28

28—31 28—30 28—30 30—31 31-34 31 31—32 32—34 34

Drittes

Kapitel.

IDPI als göttliche Verhaltungsweise

35—67

I. iDn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Gottes den Patriarchen gegenüber

35—40

II. iDn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Gottes David und seinem Hanse gegenüber

40—43

I I I . ion als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Gottes seinem Volke gegenüber a. Gott und sein treues Volk b. Gott nnd sein ihm nach dem Abfall wieder treu gewordenes Volk «. Das in Ehegemeinschaft mit Gott verbundene Volk . . . . ß. Das in Blutsverwandtschaft mit Gott verbundene Volk . . . y. Das Volk im allgemeinen in der Gottesgemeinschaft . . . .

43—52 43—47 47—52 47—50 50—51 51—52

IV. iDn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Jahwes den Seinen gegenüber a. Gott und seine Trenen a. Gott nnd diejenigen, die ihn kennen ß. Gott und diejenigen, die ihn fürchten y. Gott und seine Diener S. Die Gottestreuen im allgemeinen ii«. Die Bitte um die Gewährung des hesed Gottes ßß. Die Zuversicht der Gewährung des hesed Gottes . . . . b. Gott und seine ihm nach dem Abfall wieder Trengewordenen . .

53—65 53—63 53 54 54—56 56—63 56—59 60—63 63—65

V. ~cn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Gottes und der Menschen den Seinen gegenüber VI. Zusammenfassung

65—66 66—67

Anhang: Vergleich zwischen iDn und

67—68

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XI

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Erstes Kapitel.

"ICH als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung. I. Vorläufige Klarstellung des Begriffes durch Feststellung der non übenden Personen. Um die begriffliche Bedeutung des Wortes lon in dessen profanem Sprachgebrauch im Alten Testament klarzustellen, bestimmen wir zuerst diejenigen Personen, auf die das Wort bezogen wird. Yon dem tatsächlichen Gebrauche des Wortes ausgehend, wollen wir dessen eigentliche Bedeutung und Bedeutungsnuancen, soweit es möglich ist, ausfindig machen. 1. Das lon-Verhältnis zwischen Verwandten und verwandten Stämmen. Gn. 47, 29 ( J 1 ) A u f seinem Sterbebette bittet Jakob seinen Sohn Joseph, ihm zu schwören noxi nDn zu erweisen. — In Gn. 20, 13 (Ea) sagt Abraham seiner Frau Sara, sie möge ihm iDn erweisen. — In Ruth 3, 10 lobt Boaz Ruth für den lon, den sie ihrem Manne und seiner Familie erweist. In Ruth 2, 20 segnet Naemi ihren Verwandten Boaz für den non, den er Ruth erwiesen hat 2 . — In Gn. 24, 49 (J1) fragt der Knecht Abrahams die Mitglieder der Familie Nahors, des Bruders Abrahams8, ob sie bereit seien, seinem Herrn riDNI "ton zu erweisen. — I. Sam. 15, 6 (Sb): Saul erinnert sich des non, welchen die befreundeten und verwandten Keniter4) den Israeliten erwiesen hatten, als sie von Ägypten heraufzogen. 2. zwischen Gastgeber und Gast. Gn. 19, 19 (J 1 ): Die Männer, die Lot als Gäste aufgenommen hat, erweisen ihm nDn. — Jos. 2, 12. 14 (E2): Rahab erweist den Kund1 In der Quellenscheidung bin ich hauptsächlich STEUBRNAGEL, Lehrbuch der 2 Einleitung in das Alte Testament, Tübingen 1912, gefolgt. Vgl. S. 6 f. 4 » Vgl. Gn. 24, 15. 47. 48. Vgl. Bicht. 4, 11; 1, 16; 5, 24; Num. 10, 29 f.

2

I. Kap.

lon als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung.

schaftern, die in ihrem Hause Unterkunft gefunden haben, non, und sie schwören, ihr und ihrer Familie IDn zu erweisen. — Gn. 21, 23 (E 2 ): Abimelech läßt Abraham schwören, ihm denselben TDD zu erweisen, welchen er Abraham, der sich in seinem Lande hat aufhalten dürfen, erwiesen habe.

3. zwischen Verbündeten nnd deren Angehörigen. I. Sam. 20, 8 (S b ): David erinnert Jonathan an den zwischen ihnen bestehenden Bund Jahwes und beschwört Jonathan, ihm iDfl zu erweisen. In I. Sam. 2 0 , 1 4 . 1 5 (S b ) beschwört Jonathan David, ihm und seinem Hause den unter Anrufung Jahwes zugeschworenen Ton immer zu erweisen. — I I . Sam. 9, 1. 3. 7 ( J e ) : David erweist dem Sohne Jonathans non

4. zwischen Freunden. In I I . Sam. 16, 17 ( J e ) fragt Absalom ljusai, ob Husai in seinem Verhalten gegen David seinem Freunde TQn gezeigt habe. — I I . Sam. 10, 2 ( J e ) 2 : David will Hamm, dem Sohne des ihm befreundeten NahaS, 1DH erweisen, wie Nahas ihm i c n erwiesen hatte.

5. zwischen dem Herrscher und den ihm Unterstellten. In I I . Sam. 3, 8 (S a ) spricht Abner von dem 7DH, welchen er seinem König Saul und dessen Sohne Esbaal erwiesen hat. — In I I . Chr. 24, 22 lesen wir, daß der König J o a s des non, welchen ihm sein Hoherpriester Jojada erwiesen hatte, nicht gedenkt, und dessen Sohn töten läßt. — I. Kön. 20, 31 f. Weil die Offiziere des von Ahab geschlagenen Benhadad den Ruf der israelitischen Könige, 7Dn ^bü zu sein, kennen, nähern sie sich Ahab mit der Bitte um dessen Rettung, indem sie ihren König Ahabs Knecht nennen. — In Est. 2, 9. 17 ist die Rede von dem lDH, welchen sich Esther bei dem König Ahasveros erwarb.

6. zwischen denjenigen, die sich durch Hilfeleistungen Verdienste erworben haben, und denen, die ihnen dadurch verpflichtet sind. In Rieht. 1, 24 ( J ) lesen wir, daß die Spione, die Bethel auskundschafteten, einem Manne, den sie aus der Stadt herauskommen sahen, 1DH zu erweisen versprechen, falls er ihnen zeige, wie sie in die Stadt 1 Man darf wohl annehmen, daß der Geschichtsschreiber in J e von einer rv-ia H,T zwischen David und Jonathan gewußt hat. Vgl. S. 14 f. 2 Vgl. I. Chr. 19, 2. S STAERK, Die Entstehung des Alten Testamentes. Berlin und Leipzig 1918, 8. 166, weist I. Kön. 20 dem Ende des 9. Jhrdts. zu. Vgl. STEUEBNAGEL, a. a. O.,

8. 362, 3 ;

KAMPHAUSEN i n KAUTZSCH'» B i b e l 3 , u .

a.

I. Vorläufige Klarstellung des Begriffes usw.

3

eindringen könnten. — In I. Kön. 2, 7 (Je) gebietet David Salomo, den Gliedern des Hauses Barzillais immer TDn zu erweisen, weil dieser ihm auf seiner Flucht vor Absalom 1 geholfen hatte. — In I I . Sam. 2, 5 (S a ) segnet David die Männer von Jabes Gilead, weil sie ihrem Retter Saul IDn erwiesen hatten. — Rieht. 8, 35 (Rd) berichtet, daß das Volk Israel keinen IDH an der Familie Gideons übte, obgleich Gideon dem Volke Israel viele Wohltaten erwiesen hatte. — In Gn. 40, 14 (E 2 ) bittet Joseph den Obermundschenk, dessen Traum er in erfreulicher Weise gedeutet hatte, nach Wiedereinsetzung in Amt und Würden seiner zu gedenken und ihm "iDn zu erweisen.

7. Znsammenfassung. Aus dem Vorhergehenden wird klar, daß nur diejenigen, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen, IDn empfangen und erweisen. Das also, was wir HDn-Verhältnis nennen, besteht zwischen a. Blutsverwandten, Angeheirateten, verwandten Häusern und verwandten Stämmen, b. Gastgeber und Gast, c. Verbündeten und deren Angehörigen, d. Freunden, e. Herrscher uhd Unterstellten, f. denjenigen, die sich durch Hilfeleistungen Verdienste erworben haben, und denen, die ihnen dadurch verpflichtet sind. Es hat sich gezeigt, daß TDH etwas ist, was zwischen innerlich Zusammengehörigen besteht. Jetzt muß erklärt werden, was HDn ist. Es fragt sich, welchen Einfluß auf die Bedeutung des Wortes die Tatsache hat, daß IDn nur zwischen bestimmten, in einem sittlichen Verhältnis zueinander stehenden Personen ausgeübt wird. Die Untersuchung des begrifflichen Inhaltes des Wortes TDn geschieht durch eine weitere Prüfung der Stellen, in denen das Wort in rein profanem Sinne vorkommt.

II. Ton als die einem Rechtß-Pflicht-Verhältnis entsprechende Verhaltungsweise. 1. iDn als die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis einer Familien- oder Stammesgemeinschaft entsprechende Terhaltungsweise. Ein Rechts-Pflicht-Verhältnis bestand im alten Israel ebenso wie im alten Arabien 2 zwischen den Mitgliedern einer Familie und zwischen 1 4

Vgl. I L Sam. 17, 2 7 — 2 9 ; 19, 32—41. Das gilt auch vom heutigen Arabien. Vgl. W . R. SMITH, Kinship and Marriage

4

I. Kap.

ion als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung.

denjenigen, die dasselbe Stammeshaupt zu haben glaubten. Die Familienund Stammesgemeinschaft war von allergrößter Bedeutung \ Deren Mitglieder waren in allem aufeinander angewiesen. Sie lebten in einem verhältnismäßig geschlossenen Kreise, dessen Grenzen nur durch andersartig entstandene ßechts-Pflicht-Verhältnisse erweitert werden konnten. Darauf wird unten noch näher eingegangen werden. Sie genossen gemeinsame Rechte und hatten wechselseitige Pflichten zu erfüllen. Auf Gegenseitigkeit war ihr ganzes Leben eingestellt. „In primitive society, where every stranger is an enemy, the whole conception of duties of humanity is framed within the narrow circle of the family or the tribe; relations of love are either identical with those of kinship or are conceived as resting on a covenant", sagt ~W. R. SMITH 2 in Beziehung auf I. Sam. 20, 8. Im alten Israel scheint die Verhaltungsweise, die dem ßechts-Pflicht-Verhältnis der Mitglieder einer Familienoder Stammesgemeinschaft entsprach, "iDn genannt worden zu sein. "Wir haben gesehen8, daß nur diejenigen, die in einem Rechts-Pflicht-Verhältnis standen, HDn empfingen und erwiesen. Das wird aufgehellt durch die Erklärung von iDn als einer g e m e i n s c h a f t g e m ä ß e n Verhaltungsweise. a. F a m i l i e n g e m e i n s c h a f t . a. Blutsverwandtschaft: Vater und Sohn. Gn. 47, 29: Jakob, seinem Tode nahe, rief seinen Sohn Joseph herbei, um ihm eine dringende Bitte vorzutragen, und sagte ihm: „Wenn ich deine Gunst 4 erworben habe, so lege deine Hand unter meine Hüfte 5, daß du mir nöNl 7Dn erweisen wirst; und begrabe mich nicht in Early Arabia, Cambridge 1885, S. 22-26, 35, 56, 57, 160, 161. PEDERSON, Der Eid bei den Semiten, Straßburg 1914, 21—23, 28, 31, 222. 1 BENZINGEB, Hebräische Archäologie. Tübingen 1907, S. 102 f., „Bei keinem Volk ist die Bedeutung der Familie als Grundlage der ganzen sozialen Ordnung für uns so deutlich erkennbar, wie bei den Israeliten Die Israeliten lernen wir noch auf der untersten Stufe politischer Gliederung kennen, der Geschlechter- oder Stammesverfassung, bei welcher der Familie die größte Bedeutung zukommt." Vgl. NOWACK, Lehrbuch der Hebräischen Archäologie. Freiburg i. B. und Leipzig 1894. S. 152, u. a. s S. 3. * The Prophets of Israel. Edinbourgh 1882, p. 161. * L'J'YA ^ TINXÖ DN bedeutet hier soviel wie „wenn du mich wirklich lieb hast", und ist eigentlich eine Form der Beschwörung und nicht, mit PROCKSCH, Die G e n e s i s 3 . Leipzig 1924, aus Josephs hoher Stellung zu erklären. Nur das enge Verhältnis zwischen Vater und Sohn wird dadurch hervorgehoben. Demjenigen, der in den Augen eines anderen in gefunden hat, kann auch iDn erwiesen werden. Vgl. Gn. 19,19. 6 Vgl. Gn. 24, 2.

II. iDn als die einem Rechts-Pflicht-Verhältnis entsprechende Verhaltungsweise.

5

in Ägypten". Jakob bat Joseph, ihm auch nach seinem Tode treue Liebe zu erweisen und ihn in Kanaan bei seinen Vätern zu begraben. Auf das Begräbnis legte man großen "Wert Er sah aber ein, daß die Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches mit großen Schwierigkeiten verbunden war und daß er nach dem natürlichen Verlaufe der Dinge in Ägypten begraben werden würde. Deshalb hielt er es für notwendig, seinem Sohne einen Schwur abzunehmen. Diesen Schwur legte Joseph ab, und als die Zeit gekommen war, erfüllte er ihn 2 . Es hätte freilich keines besonderen Schwurs bedurft. Wenn Joseph vor dem Lebensende seines Vaters ihm keine treue Liebe erwiesen hätte, wäre er ein unnatürlicher Sohn gewesen. Die Liebe, die den Anforderungen der Treue entsprach, war jeder Sohn seinem Vater schuldig. Sie war nicht nur in persönlicher Zuneigung begründet, sondern gleichzeitig Pflicht. Sie war die einzig mögliche Verhaltungsweise eines Sohnes dem Vater gegenüber, da Vater und Sohn ja aus demselben Fleische und Blute sind. ß. Angeheiratete Verwandtschaft. aa. Mann und Frau. Gn. 20, 13: Abraham, der sich mit seiner Frau Sara in die Fremde begab, bat sie, ihn während der Wanderschaft für ihren Bruder auszugeben. Er fürchtete nämlich, seines schönen Weibes wegen umgebracht zu werden. Seiner Bitte schickte er eine Ermahnung an ihre Pflichten ihm gegenüber voraus, indem er sagte: „Dies ist dein lon, den du mir erweisen sollst: wohin wir auch kommen mögen, gib mich für deinen Bruder aus". Zwischen Familienangehörigen bestand eine auf Gegenseitigkeit beruhende, pflichtgemäße Verhaltungsweise, 1DH genannt, wonach die Mitglieder der Familie hilfsbereit einander zur Seite stehen mußten. Hesed charakterisierte das Verhältnis zwischen Mann und Weib, und beide hatten sich in ihren Handlungen danach zu richten. Hesed war nicht nur Liebe, die vom Subjekt allein abhängig war, sondern zugleich Treue, Pflicht. W o non allein vorkommt und nicht wie öfters nDNi icn, kann man sich doch nDN neben l o n denken. Abraham, der sonst in Lebensgefahr zu stehen glaubte, durfte Sara bitten, an die durch Ton bestimmten Pflichten zu denken und ihn durch ihre Aussage, Abrahams Schwester zu sein (was sie auch tatsächlich war) 8 , zu retten, obgleich sie sich dadurch der Gefahr aussetzte, von Fremden in Besitz genommen zu werden. 1 8

Vgl. Gn. 23; 50, 1—11; II. Sam. 2, 5. 3 Vgl. V. 12. Gn. 60, 1—11.

Beihefte z. Z A W 47

2

6

I. Kap.

iDn als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung.

ßß. Löser und Witwe seines "Verwandten. Nur im Buche Ruth wird das Wort Ion in einem ähnlichen Sinne wie in den älteren Quellen gebraucht. In Ruth 3, 10 zeigt sich deutlich, daß nDn diejenige Verhaltungsweise ist, die den Familienpflichten entspricht. Ruth, ihrer Schwiegermutter gehorchend, hielt sich bei Boaz' Schlaflager verborgen. Als er sich hingelegt hatte und eingeschlafen war, legte sie sich zu seinen Füßen. Um Mitternacht erwachend, erschrak Boaz, sie dort zu finden. Auf sein "Verlangen sagte ihm Ruth, wer sie war und forderte ihn, den Verwandten ihres Mannes, auf, seine Pflichten als Löser (^id) zu erfüllen und sie zu heiraten. Boaz erklärte sich dazu bereit, wenn ein anderer, ihrem Manne noch näher verwandt als er, von seinen Pflichten und Rechten Abstand nähme. Er segnete Ruth, die ihrem Manne in solch treuer Weise non erwiesen hatte, indem er sagte: „Gesegnet seist du von Jahwe, meine Tochter; du hast nachträglich deinen IDn noch schöner ausgeübt als zuvor, indem du den jungen Männern nicht nachliefest, ob arm oder reich". Ruths früherer TDn, den sie ihrem Manne auch nach seinem Tode erwies, indem sie Vaterland und Vaterhaus verlassend der Naemi gefolgt war1, wurde durch ihre nachträglich bewiesene, liebreiche, treue Gesinnung noch übertroffen. Anstatt einen jüngeren Mann zu heiraten, zog es Ruth vor, sich an den älteren Boaz zu wenden, einen Verwandten ihres Mannes, um durch Heirat mit ihm ihrem kinderlos gestorbenen Manne einen Nachkommen zu erwecken. Hesed zeigt hier eine Entwicklung über liesed im profanen Sprachgebrauche in den älteren Quellen hinaus, insofern hesed hier mehr gewollte, subjektiv bestimmte, als pflichtgemäße Gesinnung ist. Ruth hätte überhaupt nicht mit Naemi gehen müssen. Ihr stand es frei, wie die andere Schwiegertochter Naemis, zu ihrem eigenen Volk zurückzukehren. In treuer Liebe aber folgte sie ihrer Schwiegermutter. In liebevoller Pietät fügte sie sich den jüdischen Gepflogenheiten. Sie nahm es auf sich, IDn zu erweisen, die Pflichten einer jüdischen Witwe zu erfüllen. Die Bedeutung von icn als die den Pflichten der Familie entsprechende Verhaltungsweise wird auch in Ruth 2, 20 bestätigt, wenn wir D'NDN nxi D ^ N N nx non 2iy "IBW auf Boaz und nicht auf Jahwe beziehen. In II. Sam. 2, 5 haben wir fast eine genaue Parallele zu Ruth 2, 20. David segnete die Männer von Jabes Gilead, weil sie Saul begraben hatten, indem er sagte: mn Tonn orwy itf« mn^ on« D ' D T O ') Vgl. NOWACK, Richter, Ruth und Bücher Samuelis. Göttingen 1902, z. St.; BERTHEAU, Das Buch der Richter und Ruth. Leipzig 1883, z. St.

II. "ton als die einem Rechts-Pflicht-Verhältnis entsprechende Verhaltungsweise.

7

In Ruth 2, 20 wird Boaz von Naemi gesegnet für die Güte, die er Ruth erzeigt hatte. Sie sagte: D'non nxi D»nn nx non aty •WH m n ^ 1 «in "pia Wenn man die gewöhnliche Ansicht für richtig hält, daß xb ntwt in Apposition zu mn'i> steht, wäre diese Stelle die einzige im Alten Testament, wo Gottes IDn in bezug auf die Toten dargestellt wird. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, das durch Ion sehr oft ausgedrückt wird, erfordert vom Menschen die Erfüllung bestimmter Bedingungen. Nur diejenigen, die in Treuen Gott dienen, werden der Gottesgemeinschaft teilhaftig und empfangen von Gott 1DH 2. Es ist sehr fraglich, ob die Toten, die im Alten Testament gewöhnlich als absolut beziehungslos zu Gott geschildert werden8, hier als Empfänger von Gottes iDn erscheinen können. Die Phrase, beginnend mit 3iy "it^N. ist auf Boaz zu beziehen. Er war es, der den Lebenden und Toten IDn erwiesen hatte 4 . Von seinen Knechten hatte er erfahren, wer Ruth war 5 , und hatte ihr dann besondere Freundlichkeit erwiesen. Ferner war Boaz keineswegs bestürzt, als ihn Ruth aufforderte, seine Pflichten als Löser zu erfüllen und sie zu heiraten. Sie gab ihm keine andere Erklärung ab als die, daß er „Löser" sei. Boaz wußte um seine Verwandtschaft mit Ruth und wußte auch, wer ihr noch näher stand als er. Infolgedessen erklärte er ohne Zögern seine Bereitwilligkeit, sie zu heiraten, falls der andere verzichte Sein Verhalten Ruth gegenüber war also lon-gemäß. Als Ruth am Ende des Tages, an dem ihr Boaz begegnet war, ihrer Schwiegermutter von der Freundlichkeit erzählte, die ihr Boaz erwiesen hatte, erkannte ihn Naemi als einen Verwandten. Sie erblickte in seinem Verhalten Ruth gegenüber die den Pflichten der Familie entsprechende Verhaltungsweise. Durch seine Freundlichkeit gegen Ruth hatte Boaz den verstorbenen Verwandten geehrt und seine Pflicht erfüllt. Deswegen segnete ihn Naemi. b. S t a m m e s g e m e i n s c h a f t , a. Engere Stammesgemeinschaft: Verwandte Häuser. Zu den älteren Quellen zurückkehrend, finden wir in Gn. 24, 49 Inn als die der Norm der Verwandtschaft entsprechende VerhaltungsS liest ni,T für mir1?, vgl. KITTEL, Biblia Hebraica, was auch das oben Vorgeschlagene ermöglichen würde, aber nicht nötig ist. 4 Vgl. Dt. 5, 10; Ex. 20, 6 ; Dt. 7, 9 ; II. Chr. 6, 14; I. Kön. 8, 23; Dan. 9, 2 4 : Neh. 1, 5 ; Ps. 103, 17. 18; 37, 28; 97, 10; 86, 2 ; I. Sam. 2, 9 ; Ps. 147, 11; 119, 124; 3 Vgl. Jes. 38, 18; Ps. 6, 6 ; 16, 10; 88, 12. 143, 12; u. ö. 4 Auch in Euth 1, 8 ist die Rede von der Verhaltungsweise der Menschen Lebenden und Toten gegenüber. Naemi segnete ihre Schwiegertöchter und sagte: „Möge Got-f euch Liebe erweisen, gemäß eurem Verhalten gegen die Toten und mich." 5 Ruth 2, 6. 11. 8 Ruth 3, 9 f. 2« 1

8

I. Kap.

ion als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung.

weise. Der Knecht Abrahams wollte Rebeka aus dem Hause Nahors. des Bruders Abrahams 1, zu Abraham bringen, damit sie Isaaks Frau werde. Er fragte die Mitglieder ihrer Familie, ob sie bereit seien, seinem Herrn treue Liebe zu erweisen, d. h. ihrer Verwandtschaft mit Abraham gemäß die entsprechende Verhaltungsweise aufrecht zu erhalten. Zeugnis dafür wäre ihre Einwilligung in diese Heirat.

ß. Weitere Stammesgemeinschaft: Verwandte Stämme. Hesed als die Verhaltungsweise zwischen verwandten und befreundeten Stämmen kommt in I. Sam. 15, 6 vor. Die Keniter, die den Israeliten durch Mose verschwägert2 und Israels Beisassen und erprobte Freunde waren3, hatten den Israeliten bei ihrem Auszug aus Ägypten hesed erwiesen. Sie hatten gegen Israel diejenige Verhaltungsweise bewahrt, die zwischen Verwandten und Freunden4 zu bestehen hat. Sie standen in einem Verwandtschafts- und Freundschaftsverhältnis mit Israel und erwiesen ihm non, indem sie in der Not die gemeinschaftgemäßen Pflichten erfüllten, an Israel Brüderlichkeit und Freundlichkeit übten und treue Hilfe leisteten. Der hesed, welchen sie den Israeliten einst erwiesen hatten, fand später Erwiderung. Sie wurden von Saul während seines Zuges gegen die Amalekiter, in deren Mitte sie wohnten, verschont. Die Israeliten waren verpflichtet, sich den Kenitern gegenüber zu verhalten, wie sich die Keniter gegen die Israeliten verhalten hatten.

2. -ron als die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen Gastgeber nnd Gast entsprechende Yerhaltnngsweise. Im alten Israel war ebenso wie im alten Arabien das Gastrecht heilig (was auch vom heutigen Arabien gilt)6. Der Gastgeber hatte im Notfall für seinen Gast sein Leben und Blut einzusetzen6. Gastgeber und Gast standen in einem gegenseitigen Schutzverhältnis. Zwischen ihnen entstand ein Rechts-Pflicht-Verhältnis 7, das dem zwischen Bluts1

Vgl. S. 1, Anm. 3. Vgl. Rieht. 1, 16; 4, 11. KITTEL, Geschichte des Volkes Israel. Stuttgart »1923, Bd. 1, S. 318, 347 unten; Bd. 2, S. 17; STADE, Geschichte des Volkes Israel. Berlin 1887, I. 1, S. 131 f.; BUDDE, Die Religion des Volkes Israel his zur Verbannung. Gießen 1900, S. 15 f. 2

» V g l . KITTEL, a. a. 0 . ; STADE, a. a. 0 ; v g l . S. 1, A n m . 4.

1

V g l . S. 1 5 f .

» W. R. SMITH, Kinship, S. 14, 41; DOUGHTY, Wanderings in Arabia. London 1908, Vol. I, S. 2 5 2 ; Vol. II, S. 154, 164, 276, 277, 280. 9 SMITH, a. a. 0., S. 41. „It is a principle alike in old and new Arabia that 7 the guest is inviolable". Vgl. Gn. 19. PEDBRSEN, a. a. 0., S. 25.

II. "icn als die einem Rechts-Pflicht-Verhältnis entsprechende Verhaltungsweise.

9

verwandten gleich war. Gastgeber und Gast wurden in allen Beziehungen „Brüder" 1 . Wer in dem Zelte eines anderen schlief und sein Brot genoß, galt als Mitglied von dessen Familie 2 . Die diesem RechtsPflicht-Verhältnis zwischen Wirt und Gast entsprechende Yerhaltungsweise wurde im alten Israel IDn genannt, a. G a s t g e b e r u n d G a s t . Wie wichtig den alten Israeliten die Gastpflichten und -rechte erschienen, ersehen wir deutlich aus Gn. 19, 19. Lot hatte die drei Fremden (Engel), die in Sodom erschienen waren, in seinem Hause aufgenommen. Als nun die Männer der Stadt ihre Auslieferung forderten, wollte er an deren Stelle seine keuschen Töchter herausbringen, daß sie an ihnen nach ihrem Belieben handeln sollten. Seine Gäste aber wollte er unter keinen Umständen ausliefern. E r hatte sie aufgenommen, und es war ihm als Gastgeber eine heilige Pflicht, sie zu schützen. „Diesen Männern aber dürft ihr nichts tun, nachdem sie sich nun einmal in den Schatten meines Daches begeben haben", sagte Lot den Männern der Stadt 8 . Erzürnt durch seine Weigerung, drangen sie auf Lot ein. Es wäre ihm schlecht gegangen, hätten nicht die Gäste Lot zu sich ins Haus gezogen und die Tür verschlossen, während sie die Leute vor dem Hause mit Blindheit schlugen. Darauf verkündeten sie Lot die Zerstörung Sodoms und befahlen ihm, sich und die Seinen auf das Gebirge zu retten. Lot erkannte die Hilfe, die sie ihm geleistet hatten, und die Rettung, die sie ihm zuteil werden ließen, als non an. Aber er bat sie, lieber nach einer kleinen Stadt in der Nähe fliehen zu dürfen. E r sagte einem der E n g e l 4 : „Sieh doch, dein Knecht hat in deinen Augen Gunst gefunden, du hast deinen non, welchen du mir erwiesen hast, groß sein lassen, indem du mich am Leben erhältst." Weil er seinen Gästen treu geblieben war, hatte er sich würdig erzeigt, I D P i zu empfangen. E r hatte es unter allen Umständen vorgezogen, seinen Gästen den Schutz seines Hauses zu gewähren und sie dadurch verpflichtet, ihm Treue zu halten, Hilfe zu leisten, — hesed zu erweisen. Weil Lots Gäste als Engel dargestellt werden, wird ihr hesed, welcher eine Erwiderung der Verhaltungsweise Lots ihnen gegenüber war, „groß" genannt, d. h. als Gnade, Barmherzigkeit geschildert. Aber im 1 SMITH, a. a. 0., S. 14. „A man whom one is bound to protect is a brother in virtue of this bond." 3 V. 8. • Vgl. S. 8, Anm. 5, 7. * PROCKSCH, a. a. 0., z. St. „Also vollzieht J während des Gespräches unmerklich einen Übergang zum Singular, da ja Lot sich naturgemäß an einen besonders wendet." Vgl. auch KÖNIG, Die Genesis. Gütersloh S1925, z. St.

10

I. Kap.

iDn als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung.

Grunde genommen war ihr hesed die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen Gastgeber und Gast entsprechende Verhaltungsweise. Als treuer Gastgeber ist Lot bereit gewesen, alles für seine Gäste aufzuopfern. Als treue Gäste sind sie für ihn eingetreten. Ihr beiderseitiges Verhalten war durch Ion bestimmt. Auch in Jos. 2, 12. 14 ist "ton als die Verhaltungsweise zu betrachten, die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen Gastgeber und Gast entspricht. Die Kundschafter Josuas, die sich in Rahabs Hause aufhielten, wurden von ihr versteckt, als die Boten des Königs von Jericho ihre Auslieferung verlangten. Mit ihrer Hilfe vermochten die Kundschafter die Flucht zu ergreifen und sich zu retten. Indem Rahab ihnen Hilfe leistete und ihren Pflichten als Gastgeberin ihnen gegenüber treu blieb, erwies sie ihnen hesed und bewahrte die Verhaltungsweise, die zwischen Wirt und Gast zu bestehen hat. Sie durfte ihnen deswegen den Schwur abnehmen, ihr und ihres Vaters Hause IDn zu erweisen, wenn sie mit dem Heere Israels zurückkämen. „Und nun schwört mir bei Jahwe", sagte sie ihnen, „daß auch ihr mit meines Vaters Hause treu handeln werdet, wie ich mit euch treu gehandelt habe - ' 1. Die Männer legten den Eid ab und sagten ihr: „Unser Leben wollen wir für das eurige einsetzen; 2 falls uns Jahwe das Land verleiht, wollen wir mit dir pflichtgemäß und treu handeln." Und diesen Schwur hielten sie auch s . b. S c h u t z h e r r u n d G e r . In den Abschnitt über Inn als die Verhaltungsweise, die dem Gastverhältnis entspricht, gehört auch Gn. 21, 23, wo die Eigenschaften: Gegenleistung, Verpflichtung, Treue als Merkmale des Begriffs lDH deutlich hervortreten. Abraham hatte in Gerar als Ger gastliche Aufnahme gefunden. E r hatte sich unter den Schutz Abimelechs, des Königs von Gerar, gestellt 4 , und es wurde dadurch zwischen ihnen ein Rechts-Pl'liclit-Verhältnis geschaffen, dem TDn entsprach. Der Ger hatte gewisse Pflichten seinem Schutzherrn 6 gegenüber und umgekehrt. Des1

Mit STEUÜUNAUKI.,

Deuteronomium

und J o s u a 2 .

Güttingen 1923, z. St.,

unil

GBESSMANN. Die Allfänge Israels-, Güttingen 1922, z. St., ist r o n ¡VN Verhältnis einzugehen indem er antwortete: „Ist er noch am Leben? Mein B r u d e r ist er" 1 . Auf Grund der Humanität allein hätte Ahab Benhadad wohl nicht vom Tode errettet. Da dieser sich aber unterworfen hatte, war Ahab imstande, ihm iDn zu erweisen. Er schloß dann einen Bund 2 mit ihm und gab ihn unter gewissen Bedingungen frei. Dadurch wurde der Ruf der israelitischen Könige von neuem bestätigt. Erst in späteren Zeiten verliert nDPi die Merkmale der Pflicht und Gegenseitigkeit, und wird mehr zu Huld und Gnade, die willkürlich erwiesen werden. In Esth. 2, 9. 17 8 ist TDn das Wohlwollen, daß der König seinen Günstlingen schenkt, ist also die Yerhaltungsweise, wonach der König denen, die ihm gefallen 4 , Gunst und Beistand widerfahren läßt.

6. non als die der Hilfsgemeinschaft entsprechende Yerhaltungsweise. Es entstand eine Gemeinschaft auch zwischen denjenigen, die sich Hilfe leisteten, wenn sie auch sonst keine Beziehungen zueinander hatten. Derjenige, welchem Hilfe widerfuhr, war dem Helfer zur Gegenleistung verpflichtet. Der Helfer wurde ihm zum Bruder, d. h., er mußte sich ihm gegenüber wie gegen seine eigenen Verwandten oder Verbündeten verhalten. Eine Hilfetat bedeutete seitens des Helfers einerseits die Bereitschaft, ein Gegenseitigkeitsverhältnis einzugehen, andererseits die Erwartung, in ein Gegenseitigkeitsverhältnis aufgenommen zu werden. Der, dem geholfen worden war, mußte die Notwendigkeit eines Gemeinschaftsverhältnisses mit seinem Helfer anerkennen und sich ihm gegenüber demgemäß verhalten. Die diesem Gemeinschaftsverhältnis entsprechende Verhaltungsweise wurde ebenfalls HDn genannt. Solcher HDn kommt in Eicht. 1, 24 vor. Die Spione, die Bethel auskundschafteten, erbaten sich Hilfe von einem Manne, den sie aus der Stadt herauskommen sahen. Sie versprachen, ihm lon zu erweisen, falls er ihnen zeige, wie sie in die Stadt eindringen könnten. Sie versicherten, seine Hilfetat mit anderen Hilfetaten zu erwidern, kurz, ihn 1

V. 32. KRAETZSCHMAB, a. a. 0., S. 28. „Die B'rith umfaßte von Seiten Ahabs Zusicherung des Lebens und sicheren Geleites, von seiten Benhadads außer den V. 34 angeführten Selbstverpflichtungen Anerkennung der Oberherrschaft Israels." 3 4 iDn Ntpi nur in diesen zwei Versen. Vgl. S. 4, Anm. 4. S

II. iDn als die einem Eechts-Pflicht-Verhältnis entsprechende Verhaltungsweise.

19

als Gemeinschaftsmitglied zu betrachten und ihm die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise widerfahren zu lassen. Das taten sie auch. Als später unter ihrer Leitung die Stadt angegriffen wurde, verschonte man nur den Mann und seine Familie l . Die meisten neuen Erklärer übersetzen: „Wir werden dir Gutes erweisen." Das ist deswegen abzulehnen, weil Verpflichtung und Gegenleistung, welche Bestandteile von IDn sind, dadurch nicht zum Ausdruck gelangen. Diese Bestandteile treten ganz deutlich hervor in I. Kön. 2, 7. David gebot seinem Sohne Salomo, die Mitglieder der Familie Barzillais zu seinem eigenen Hause zu rechnen, ihnen Plätze an seinem eigenen Tische zu geben, ihnen also 1DH zu erweisen. Auf seiner Flucht vor Absalom war der Gileaditer Barzillai David behilflich gewesen. Er hatte ihn freundlich empfangen und seine Truppen mit Lebensmitteln und Kleidern versorgt2. Durch diese Hilfeleistung wurde David genötigt, ihn als seinen Angehörigen zu betrachten. E r vergaß seine Verpflichtung nicht, und als sein Tod herankam, befahl er Salomo, an dem Hause Barzillais non zu üben. Die neueren Erklärer übersetzen lDn mit ,Gnade' oder ,Huld', was nicht annehmbar ist. Der IDn, welchen Salomo dem Hause Barzillais zu erweisen hatte, war nicht gnadensondern p f l i c h t g e m ä ß , war nicht vom bloßen Willen Davids oder Salomos abhängig, sondern geboten. Als die Verhaltungsweise derjenigen, denen geholfen wird, dem Helfer gegenüber erscheint IDn in II. Sam. 2, 5. David segnete die Männer von Jabes Gilead für den HDn, welchen sie an Saul geübt hatten, indem sie ihn und seine Söhne, die in der Schlacht gegen die Philister gefallen waren, begruben8. Die Stadt Jabes Gilead war Saul verpflichtet, weil er sie von den Ammonitern errettet hatte 4 . Durch seine Hilfeleistung entstand zwischen Saul und den Männern von Jabes Gilead ein Gegenseitigkeitsverhältnis, das sie gern anerkannten, indem sie Saul als ihren in« betrachteten. Der nDn, den sie an Saul übten, war ein Liebesdienst, eine Gegenleistung, die dem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen ihnen und Saul entsprach. Daß 1DH hier auch den Begriff nDN einschließt, wird durch den folgenden Vers 6 klar. „Gott erweise euch nnxi iDn", sagte David zu ihnen. Er wünschte, daß Jahwe ihnen dieselbe Liebe und Treue erweise, die sie gegen ihren Herrn, Saul, gezeigt hatten. Damit werden die Männer von Jabe§ Gilead als Brüder angesprochen und mit in die Gemeinschaft der Gottestreuen einbezogen; denn nur diejenigen, die in dem Erwahlungs1 5

8 II. Sam. 17, 27—29; 19, 3 2 - 4 1 . V. 25. Vgl. I. Sam. 3 1 , 1 1 — 1 3 ; I. Chr. 10,11—12.

* Vgl. I. Sam. 11, 1—11.

20

1- Kap.

iDn als menschliche Verhaltungsweise in profaner Bedeutung.

und Gegenseitigkeits Verhältnis mit Jahwe standen, konnten von ihm nDNI 7Dn e r h a l t e n 1 .

In Rieht. 8, 35 wird uns berichtet, daß das Volk Israel dem Hause Gideons keinen tDn erwies, obgleich er an Israel viele "Wohltaten getan hatte. Dafür schuldete es ihm treue Gegenleistung. Nicht nur weil er sein König, sondern auch weil er sein Retter war, hatte das Volk Israel die Pflicht 2 , Gideon und seinem Hause Treue zu erweisen 3 . Als Gegenleistung für gewährte Hilfe erscheint l o n in Gn. 40, 14. Joseph leistete dem Obermundschenk einen großen Dienst, als er dessen Traum günstig deutete. Er bat ihn, ihm nach seiner Wiedereinsetzung in Amt und Würden dankbare Hilfe zu leisten 4 und beim König Fürbitte für ihn einzulegen, damit auch er frei werde. Er ersuchte ihn, der durch Hilfeleistung bestimmten Verhaltungsweise entsprechend zu handeln.

7. Zusammenfassung. Aus der vorhergehenden Untersuchung ergibt sich folgender Tatbestand: 1. non ist die einem Rechts»Pflicht-Verhältnis entsprechende Verhaltungsweise. 2. Versteht man TDH als eine solche Verhaltungsweise, so erklärt sich die früher festgestellte Tatsache, daß nur diejenigen, die in einem Rechts-Pflicht-Verhältnis stehen, iün empfangen und erweisen können. 3. Als eine einem Rechts-Pflicht-Verhältnis entsprechende oder als eine gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise a. entspricht IDH den Anforderungen der Treue und schließt den Begriff nDN ein. Die Phrase riDNi non ist dann als Hendiadys zu betrachten, worin nDN den Wert eines ererklärenden Adjektivs trägt; b. kann "ton durch einen Eid befestigt werden; 1 Vgl. Gn. 24, 12. 14. 26. 27; 32, 11; Dt 7, 12; Jes. 63, 7. 8; Esra 3, 11; Ps. 31, 7. 8; 89; 148, 14; I. Kön. 8, 23; II. Chr. 6, 14; II. Sam. 7, 15. 24; I. Chr. 17, 13. 14; Ps. 18, Bl; 77, 9. 16; 79, 2, 13; 106, 45. 7; 119, 76; 138, 2. 8; 143, 12; Micha 7, 20. Vgl. S. 13, Anm. 1. 8 In Kicht. 9, 16 wirft Jotham den Sichemiten vor (was ganz Israel zur Last gelegt wird), daß sie gegen Gideon Treubruch begangen, mit ihm nicht nach no« gehandelt hätten, -ron in Eicht. 8, 35 hat fast denselben Sinn wie hier neu und schließt

no.s ein.

Zu Rieht. 9, 16 v g l . STÄRK, a. a. 0., S. 56.

' GRESSMANN, 1

REUSS,

a. a.

a. a. 0., übersetzt TON hier mit „Treue". übersetzt "ton hier mit „Dankbarkeit".

0.,

II. Kap.

icn als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung.

21

c. macht HDn die Substanz eines Bundes aus. 4. Die Bestandteile des Gesamtbegriffs lon, in welchem die Erklärung von TDn als gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise zu finden ist, sind vor allem Gegenseitigkeit, dann Gegenleistung, Aufrichtigkeit, Freundlichkeit, Brüderlichkeit, Pflicht, Treue und Liebe. 5. ^ n im profanen Sprachgebrauch in den älteren Quellen ist nie -willkürlich geschenkte Gnade oder Güte oder Huld oder Liebe.

Zweites

Kapitel.

non als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung. I. non als die gemeinschaftgemäfse Verhaltungsweise der Menschen unter sich und, explicite, Gott gegenüber in der prophetischen und verwandten Literatur. Der Begriff IDH hat in der prophetischen Literatur eine große Erweiterung erfahren. Aus der Verhaltungsweise bestimmter, in einem Rechts-Pflicht-Verhältnis stehender Gruppen wird "inn zur Gott gefälligen Verhaltungsweise a l l e r M e n s c h e n unter sich, die zugleich als die einzig richtige Gott gegenüber gilt. Die menschlichen Handlungen werden nicht allein in ihrer innermenschlichen Bedeutung betrachtet, sondern sie werden unter einen religiösen Gesichtspunkt gestellt. Das gesamte Leben des Menschen wird nicht von der Religion abgesondert, sondern aufs engste damit verknüpft. So erhält es von der Religion her einen tieferen Sinn- und Wertgehalt. Man kann also IDn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise der Menschen unter sich nicht erörtern, ohne zugleich non als die Verhaltungsweise der Menschen Gott gegenüber in Betracht zu ziehen.

1. Im Buche Hosea. Um "jDn im Buche Hosea als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise der Menschen unter sich und, explicite, Gott gegenüber zu verstehen, muß das darin geschilderte Verhältnis zwischen Gott und Mensch, Gott und Israel, kurz betrachtet werden. Zwischen Gott und Israel Beihefte z. ZAW 47

3

22

II. Kap.

ion als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung.

besteht ein Gegenseitigkeitsverhältnis 1 . Gott sorgt für sein Volk 2 , schafft ihm Frieden und Ruhe 8 , ist ihm immer behilflich 4 und liebevoll gesinnt 5 . Das Volk aber hat den göttlichen Geboten zu gehorchen, seinen Forderungen Folge zu leisten, ihm im Handeln und Denken treu zu bleiben. Seine Pflichten Gott gegenüber bestehen in der unablässigen Pflege der wahren Gotteserkenntnis, in der beständigen Bewahrung der Gott gefälligen Verhaltungsweise. Das Volk muß riDN, np12, BStrö und insbesondere "ton üben 6 . Wenn es seine Pflichten vernachlässigt, erhebt Gott Einspruch, und Unglück ist die Folge des den Forderungen Gottes entgegengesetzten Handelns 7. Völlige Verstockung bringt die Gefahr der Verstoßung mit sich 8 . In Hosea 4, 1 erfahren wir, daß Gott einen Rechtsstreit mit Israel hat, weil es die Bedingungen seines Verhältnisses zu Gott nicht innegehalten hat. E s fehlte im Lande an nnx, ncn und nyi, an Treue, Liebe und Gotteserkenntnis. In steigender Bedeutung sind die Worte aneinandergereiht. Hesed begreift 'emeth in sich, und beide sind in dacath Jelohim enthalten. In dem folgenden Vers sehen wir, warum Gott mit seinem Volke hadert, nämlich, weil Fluchen, Lügen, Stehlen, Ehebrechen und Mord im Lande herrschten. Die Beziehung auf den Dekalog ist deutlich. Das Verhältnis des Volkes zu Gott beruhte auf religiösen und ethischen Prinzipien. Sittliches Handeln war der Grundpfeiler der wahren Religion. Gotteserkenntnis forderte Treue und Liebe von den Menschen unter sich und Gott gegenüber, die durch die Erfüllung der ethischen Gebote bewiesen wurde. Ein Volk, das den Forderungen von nüN und IDn zuwider handelt, hat auch keine richtige Gotteserkenntnis. Hesed im Buche Hosea ist ein veredelter Begriff, geläutert im Herzen des Propheten; ist nicht mehr die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise eines engen Kreises, sondern a l l e r untereinander. Die Menschen werden einerseits als Glieder einer großen Familie betrachtet, andererseits als Kinder eines himmlischen Vaters. Das Wort bezeichnet die gegenseitige Hilfsbereitschaft der Menschen aus reiner Menschenliebe, ist, als Verwirklichung „das allgemein giltige, g ö t t l i c h e Gebot der Menschlichkeit" 9 . Hesed besteht nicht im korrekten Opferdarbringen oder in äußerer Frömmigkeit, sondern im sittlich-religiösen Handeln, in der hingebenden Erfüllung der göttlichen ethischen Gebote. In diesem Sinne ist i c n als die Verhaltungsweise der Menschen unter 1 s

Hos. 2, 2 5 ; 1, 9. Hos. 11, 3. 4 ; 3, 1.

2

3 Hos. 2, 20. Hos. 2, 10 f. 6 Hos. 4, 1 ; 6, 4. 6 ; 10, 1 2 ; 12, 7.

8 Hos. 9, 1 5 f . ; 2, 4 f . ; 4, 6 ; 5, 6. ' Hos. 4, 1 - 3 ; 11, 8. " WELLHAUSEN, Die Kleinen Propheten. Berlin 1898, z. St.

1

Hos. 12, 10.

23

I. ion als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise usw.

sich nicht verschieden vom ncn der Menschen Gott gegenüber. Aus sittlichen Taten ist die richtige religiöse Gesinnung erkennbar1. Das Wort lon ist schwer zu übersetzen. „Liebe" wäre zutreffend, wenn man darunter versteht, was eben von "ton gesagt worden ist. Für „Liebe" aber sagt Hosea ranx 2. Man könnte lDn vielleicht am besten durch „Religiosität" wiedergeben oder durch „pietas" 8. In Hosea 6, 4 rügt Gott Israel, daß sein non flüchtig sei. Das Volk sah nämlich im kultischen Handeln das wahre religiöse Leben und wußte nicht, woran Gott wirklich Gefallen hatte. Es ahnte nicht, wie es sich verhalten mußte, um Gottes Gefallen zu gewinnen. Ganz klar aber wird der göttliche Wille in Hos. 6, 6 zum Ausdruck gebracht: „An IDn habe ich Wohlgefallen, nicht an Schlachtopfern; an Gotteserkenntnis, nicht an Brandopfern" 4 . In seiner Erklärung zu Ps. 50 sagt S T Ä R K etwas gut in diesen Zusammenhang Passendes: „Geistiger Gottesdienst und Wandel in sittlicher Reinheit — das ist Gottes Wille an sein Yolk. Nur wer dem nachstrebt, wird das Reich Gottes ererben" 6 . Hesed und dacath Jelohim werden hier in Parallele gesetzt. Ohne hesed gibt es keine Gotteserkenntnis, und Gotteserkenntnis setzt hesed voraus. Hesed 8 wird von Gott verlangt und ist der Menschen Aufgabe und Hoffnung 7. In diesem Sinne wird iDn auch in Hosea 10, 12 und 12, 7 8 gebraucht. In 10, 12 erfahren wir die Bedingungen, die Israel erfüllen muß, um mit Gott einig werden zu können. „Säet euch nach Gerechtigkeit, so werdet ihr ernten nach iDn", mahnt der Prophet. In der Ausübung von Gerechtigkeit und Liebe untereinander finden die Menschen 1 In Kap. 4, 1 ist es also unmöglich, iDn auf die Beziehungen der Menschen untereinander zu beschränken, wie z. B. HARPE» (A Critical and Exegetical Commentary on Amos and Hosea, Edinburgh 1910) z. St. tut. 2

H o s . 3 , 1 ; 9 , 1 5 ; 1 1 , 1 . 4 ; 1 4 , 5 . — I n H o s . 1 1 , 4 w o l l e n KITJCEL, B . H . u n d CHEYHE

(Encyclopaedia Biblica, S. 2826, Anm. 2) für mn lesen ion als Synonymon zu nann. Das ist nicht möglich, denn nans in Hosea ist persönliche Liebe, ion ist gemeinschaftund pflichtgemäße Liebe. 3

Vgl. WILDEBOER,

Die Sprüche.

Freiburg i. B., 1897, zu Kap, 3, 3 ;

HABPER,

a. a. 0., zu Hos. 10, 12. * Vgl. I. Sam. 15, 2 2 f . ; Ps. 50, 8 ; 69, 31 f.; Jes. 10, 1 f.; 40, 16; 66, l f . ; Jer. 7, 21 f.; Arnos 5, 21 f.; STARK, Die Lyrik 8 . Göttingen 1920, S. 136. 5

STÄRK, a . a . 0 .

S.

262.

" HARPER, a. a. 0., z. St., hat hier die richtige Bedeutung von ion erkannt. E r sagt, daß iDn „is not love for God as distinguished from love for one's fellow-men. but both". ' Hos. 2, 23—25. 8 STKÜERNAGEL, a. a. 0., S. 608, „V. 7 kann eine an Israel gerichtete Mahnung Hoseas sein". Vgl. auch PROCKSCH, Die kleinen prophetischen Schriften vor dem Exil. Stuttgart 1910, z. St, 3*

24

II. Kap.

ion als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung.

den Weg zu Gott und zum Heil. Nur durch das gegenseitige Erweisen von npiü und ton beweisen die Menschen im täglichen Leben die richtige Gesinnung und Verhaltungsweise Gott gegenüber, können sie ihn finden und seiner Gemeinschaft teilhaftig werden Hosea 12, 7 lesen wir: „Du sollst durch deinen Gott heimkehren 2 ; wahre ICH und tiStPD und harre beständig deines Gottes." Die Worte, obgleich an Jakob gerichtet, können auf das ganze Volk Israel bezogen werden 3 . Sein Verhalten muß ustfa- und lon-gemäß sein, ehe es zu Gott zurückkehren kann. Durch lebendige, sittliche Tat muß die innere Umwandlung bezeugt werden. Mispat ist zu verstehen im Sinne von Gutes tun und Böses hassen4, hesed als das sittlich-religiöse Handeln der Menschen unter sich, das den Gehorsam gegen die göttlichen Gebote beweist und das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ermöglicht. Es ist wesentlich, daß auch in Hosea non einerseits neben nox und andererseits neben npis und DStfD gestellt wird. Hesed entspricht seinem ganzen Wes«n nach den Forderungen der Treue und, als die von Gott verlangte Art des Handelns, gleichzeitig denen der Gerechtigkeit und des Rechttuns. Synonyma für "DD sind nQK, ustPD und n p t u durchaus nicht, aber sie sind alle begrifflich verwandt. Wer non-gemäß handelt, übt selbstverständlich Treue und Gerechtigkeit. Hesed aber ist noch mehr, ist Menschlichkeit, Brüderlichkeit überhaupt, ist der wahre Ausdruck der echten Frömmigkeit. 2. In der anderen prophetischen und verwandten Literatur. Wenn man den Grundton des Alten Testaments treffen will, kann man sich dahin ausdrücken, daß er in einem nie enden könnenden Bestreben der wahrhaft religiösen Menschen, mit Gottes Willen eins zu werden, besteht. Durch tiefe und tapfere Weltbejahung, trotz allen Hindernissen, trotz aller Berechtigung zum Zweifeln, aller Neigung zum Fahrenlassen, bahnt sich der Gottbegeisterte den Weg zu Gott empor. In Gottes Wegen wandelnd sucht er einen bescheidenen Platz in der Reihe der Mitglieder der Gottesgemeinschaft einzunehmen. Solange er Gott Gefolgschaft leistet, wendet sich ihm Gott zu 6 . Zwischen Gott 1

Vgl, G R E S S M A N N , Die älteste Geschichtsschreibung und Prophetie Israels. Güttingen 2 1921, z. St. 2 Vgl. P R O C K S C H , a. a. 0., z. St.; N O W A C K (Die Kleinen Propheten. Göttingen 1922, z. St.) übersetzt u. a.: „Du wirst in deine Zelte heimkehren." 3

STEUERNAGEL,

a. a. 0., 4

S.

a.

a.

0.,

S.

608:

vgl.

PROCKSCH,

a.

a.

0.,

z.

St.;

GRESSMAKN,

395.

HERTZBERG,

1922, S. 286.

5

Die Entwicklung des Begriffes isstt't: im A. T. Vgl. S. 7, Anm. 2.

Z. A.

W.,

Bd.

40,

I. iDn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise usw.

25

und den ihm durch sittlich-religiöses Tun Verbundenen besteht hesed. Solche schließt er in seine Gemeinschaft ein. Wir lesen in Jer. 2, 2—3: „Ich gedenke dir deiner Jugendtreue deiner Brautzeit Liebe, wie du mir folgtest durch die Wüste, durch unbesätes Land. Heilig dem Jahwe war Israel, sein Ernteerstling. Alle, die von ihm zehren, werden es büßen müssen; auf sie kommt Unheil." Mit hingebender Treue folgte Israel Jahwe durch die unwirtliche Wüste. Auf die Probe gestellt, bestand das Volk die Prüfung, wurde t^np dem Jahwe, nnxian n'twn, und erfreute sich seines besonderen Schutzes. Es wurde der Gottesgemeinschaft teilhaftig. Hesed übend, erhielt das Volk von Jahwe hesed. Der hesed, welchen Israel Jahwe entgegenbrachte, war gleich dem hesed, welchen Mitglieder einer Familie einander erweisen mußten2. Auch wird der hier erwähnte hesed durch "¡n^S nnnx bedingt. Hesed war die rechts-pflicht-gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise, welche den familienartigen Beziehungen zwischen Jahwe und Israel entsprach. Nicht ist TDn hier mit „Holdseligkeit", „Zuneigung", „Freundlichkeit", „Huld", „Liebe" zu übersetzen, wie es in den verschiedenen modernen Kommentaren geschieht8. Das sind alles äußere Seiten von HDn, die an dem Kernpunkt des Begriffes vorbeideuten. Unrichtig sind S E L L I N ' S Ausführungen über IDn in bezug auf Hos. 6, 6 und Jer. 2, 2, wenn er sagt: „non ist für Hosea nicht nur wie in alter Zeit die Herablassung des Mächtigeren zu dem Geringeren, sondern ebenso wie es in Ruth 3, 10 von der Huld der Jungfrau zu dem um sie werbenden Manne gebraucht wird, auch die minnende Huld, die Liebe des Volkes zu seinem Gott, der um dasselbe wirbt. So hat es später auch Jer. 2, 2 verstanden4." Dem wahren Sinn von H D N kommen am nächsten V O L Z und C H E Y N E ® wenn sie " P I Y J N O N mit „Jugendtreue", bzw. „the loyal affection of thy youth" übersetzen. Denn hesed war als das bedeutsamste, das der Israelit kannte, die den Pflichten und Rechten der Gemeinschaft entsprechende Verhaltungsweise. Echte Gemeinschaft war Lebensnotwendigkeit und Ideal und hesed der Weg zur Erfüllung7. Auf das Verhältnis zu Jahwe wurde dann, mit dem sicheren intuitiven 6

1 Vgl. VOLZ, Der Prophet Jeremia, z. St.; TOECZYNER (mündlich) will lesen: „Ich 2 habe dir gedacht . . . " Vgl. S. 3 - 9 . * Vgl. SCHMIDT, Die großen Propheten. Göttingen 1923, z. St.; REÜSS, a. a. 0. z. St.; OBELLI, Der Prophet Jeremia, München 1905, z. St.; DOHM, Das Buch Jeremia, Tübingen 1901, z. St.; GIESEBRECHT, Das Buch Jeremia. Göttingen 1907, z. St.:

ROTHSTEIN ( i n K A U T Z S C H 1 ) , Z. S t . 4 Vgl. SELLIN, Das Zwölfprophetenbuch. Leipzig 1 9 2 2 , besondere dagegen meine Ausführungen S . 1 6 — 1 8 , 6 — 8 . 5 Volz, a. a. 0., z. St. • CHEYNE, a. a. 0., z. St.

S. 53. 7

Vergleiche insVgl. S. 3 f.

26

n . Kap.

loa als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung.

Wissen, daß das profane Leben mit dem religiösen ein untrennbares Ganzes bildet, dies Ideal übertragen. Gemeinschaft mit Jahwe wurde erstrebt und ermöglicht durch hesed. Ein glänzender Beweis für den Gebrauch des Wortes non im Sinne der gemeinschaftgemäßen Yerhaltungsweise der Menschen unter sich und, explicite, Gott gegenüber, finden wir in Micha 6, 8 W i e in Hosea wird auch hier dem Volke klar gesagt, daß Gott an Brandopfern keinen Gefallen hat, daß die wirkliche Religiosität nicht in formellen kultischen Handlungen besteht 2 , sondern in Menschenliebe, die der Gottestreue gleich ist. Wir lesen: „Man hat dir gesagt, 0 Mensch, was gut ist, und was Jahwe von dir verlangt, nämlich Recht tun, Menschenfreundlichkeit lieben und demütig wandeln mit deinem Gotte 3 ." BBtfD, ton ranN und "pn^X Dy m1? yjxn werden vom Menschen verlangt, wie in Hosa 4, 1 noK, "iDn und D'H^N nyn verlangt wurden. Hier wie in Hos. 4, 1 scheinen die Worte in steigender Bedeutung aneinander gereiht zu sein. Menschenfreundlichkeit 4 schließt schon Rechttun in sich ein und ist ihrerseits schon im Demütigsein vor Gott enthalten. Hesed, in alten Zeiten nur zwischen Zusammengehörigen bestehend, erfährt also eine starke Erweiterung. Jedermann wird des anderen Bruder, hesed die gemeinschaftgemäße Yerhaltungsweise aller Menschen unter sich und Gott gegenüber. In Hiob 6, 14 tritt IDn ganz deutlich im gleichen Sinne hervor. Der Text ist verdorben und wohl so zu emendieren: „Wer seinem Freunde TDn entzieht, verläßt zugleich die Gottesfurcht 5 ." Der Ton, welchen man seinen Freunden, seinen Mitmenschen zu erweisen hat. ist die erste Bedingung und der erste Beweis der Gottesfurcht. Spr. 16, 6 lesen wir: „Durch IDn und nDX wird Schuld gesühnt, durch Gottesfurcht wird Böses abgewehrt". Hesed und 3emeth zeichnen 1 S T E U E R N A G E L , a. a. 0 . , S. 6 2 7 , 8 hält diesen Vers fiir echt. STÄRK, Die Entstehung, S. 98, sagt: „Micha 6, 6—8 ist ein Stück Evangelium im A. T., vielleicht 2 ein Fragment aus dem 7. Jahrhundert." Vgl. S. 23, Anm. 4. 3 S E L L I N ' S Übersetzung: „'Haben' dir denn Menschen gesagt, was gut ist? Und was fordert Jahwe von dir anderes, als . . .", ist nicht annehmbar. Der Vers ist gar nicht antithetisch aufgebaut. Wenn dem so wäre, ginge die ganze Wucht der Forderung verloren, ETN ist tatsächlich auf Israel zu beziehen und durch Israel auf die Menschheit, und ist keineswegs als Subjekt aufzufassen. S E L L I N will yjsn für g e lesen. Die Veränderung ist nicht notwendig. Vgl. S E L L I N , Das Zwölfprophetenbuch. Leipzig 1922, z. St. 4 Vgl. v. O R E L L I , Die zwölf kleinen Propheten. München 1 9 0 8 , z. St. 6 BEER, Der Text des Buches Hiob. Marburg 1897, liest »D für DO ; MBRX, Das Gedicht von Hiob. Jena 1871, liest IDD MJNN yio; H O P F M A N N , Hiob. Kiel 1891 liest

DNÖS f ü r DD1?.

I. -Dn als die gemeinschaftgemäße Verhaltungaweise usw.

27

den an Gottes Willen hingegebenen Menschen aus und ermöglichen ihm die Gottesgemeinschaft. Eine treue der Gottesgemeinschaft entsprechende Liebe macht den eigentlichen Inhalt der Gottesfurcht aus. "Wer gesündigt hat und mit Gott versöhnt sein will, kann sich durch innere Umkehr, die in lebendiger Tat durch nDNl IDn bezeugt wird, wieder einen würdigen Platz in der menschlichen und Gottesgemeinschaft verschaffen 1 . In Spr. 3, 3—4 mahnt der Weisheitslehrer den Jüngling: „r.DNl Ton mögen nicht von dir weichen. Binde sie um deinen Hals, schreib sie auf die Tafel deines Herzens, so wirst du Gewogenheit und ,guten Ruf' 2 vor Gott und den Menschen finden." Er lehrt, daß sich der einzelne nicht als unabhängiges, nur auf sich gestelltes Individuum betrachten dürfe, sondern als Glied einer Gemeinschaft, in deren gesamtem Wohl sein eigenes zu suchen sei. Diese Gemeinschaft wird in der Übung treuer Liebe zur Gemeinschaft der Glieder des Gottesreiches. Es ist möglich, daß der Weisheitslehrer den Vers Jer. 31, 33 kannte, wenn er seine Schüler und Zuhörer mahnt, noxi "ton auf die Tafel ihres Herzens zu schreiben. Sie sollten den von Gott auf ihre Herzen geschriebenen Bund innehalten und ihn als ihren Gott gewinnen dadurch, daß sie sich ihm durch wohlgefälliges Handeln als treue Diener erweisen. Gotteskinder, die Gott lieben und seine Liebe gewinnen wollen, müssen zuerst unter sich göttliche Liebe üben. In Zach. 7, 9 lesen wir, daß Jahwe durch die Propheten sagen ließ: „Richtet treues Gericht, und übet Brüderlichkeit und Erbarmen (D'ami lon)!" Hesed ist mehr als mispat 3emeth, und von hesed zu rahamim ist kaum ein Schritt. Nur schließt hesed die Idee des Pflichtgemäßen ein, die für rahamim nicht in Frage kommt. In Ps. 109 haben wir die Bitte eines in sittlicher Entrüstung sich erhebenden frommen Mannes an Gott, seinem Bedränger keinen iDn zu erweisen 8 , weil dieser nie l o n erwies 4 . Er befehdete ihn nämlich ohne Grund, verfolgte die Armen und Gebeugten, denen man doch zuerst iDn erweisen muß, und mißachtete die treue Verhaltungsweise, die zwischen allen Menschen zu bestehen hat. Er brachte also auch Gott keine Liebe entgegen. Deswegen sollte er nach dem Wunsche des Beters aus der menschlichen und Gottesgemeinschaft ausgestoßen werden. Wir haben bis jetzt diejenigen Stellen behandelt, in denen IDn vorkam als die gemeinschaftgemäße Yerhaltungsweise der Menschen unter sich und, explicite, zugleich Gott gegenüber. Hesed wurde von Gott verlangt. Wir gehen jetzt zu den Stellen über, in welchen non 1 3

Vgl. Hos. 12, 7; 10, 12. 4 V. 12. V. 16.

2

BW, v g l .

KITTEL, B . H .

Z.

St.

28

II. Kap.

•¡Dn

als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung.

als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise aller Menschen unter sich dargestellt wird und nur implicite auf Gott zu beziehen ist.

II. ion als die gemeinBchaftgemäfse Verhaltungsweise der Menschen unter sich und, implicite, Gott gegenüber in der prophetischen und verwandten Literatur. Es ist unmöglich, in der prophetischen und verwandten Literatur Sittlichkeit und Religion voneinander zu trennen1. Sie bilden ein Ganzes und sind unlösbar miteinander verbunden. Deshalb hat IDn auch in denjenigen Stellen in dieser Literatur, wo scheinbar nur von Menschen die Rede ist, eine direkte Beziehung auf Gott. Daß, wie in Spr. 3, 4 gesagt wird, derjenige, der hesed übt, bei Gott und den Menschen beliebt wird, gilt auch für die hier zu besprechenden Stellen. In ihnen wird besonders deutlich, daß die Erfüllung der sittlich-religiösen Pflichten den Menschen zum Segen wird, daß, wer TDn-gemäß handelt, Ton-gemäß behandelt wird.

1. Das non-Tun der Menschen und ihr entsprechendes Ergehen. a. der M e n s c h e n im a l l g e m e i n e n . In Spr. 11, 17 tritt lon in seinem gemeinschaftgemäßen Charakter klar hervor: „Wer non übt, tut sich selber Gutes; der Hartherzige aber schneidet ins eigene Fleisch" 2. "Wer als Glied der menschlichen Gemeinschaft deren Gesetze befolgt, hat die Freude und den Lohn der Erfüllung der von Gott gestellten Aufgabe des Sich-Gott-Näherns. Der einzelne tut aber nicht aus Berechnung Gutes, um von anderen nichts Schlechtes zu erfahren, sondern um den sittlich-religiösen Pflichten nachzukommen, die ihm die menschliche und Gottesgemeinschaft auferlegen. Hesed wird also auch Kranken, Armen und Hilflosen erwiesen, die vielleicht nie eine Gegenleistung vollbringen können. Da aber nach dem Glauben der alten Frommen ein direkter Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen besteht, findet das gemeinschaftgemäße Handeln doch irgendeine Gegenleistung; denn so hat Gott die Welt geordnet8. Subjektiv aufgefaßt kann hesed, welcher auch und besonders den Armen erwiesen wird, als Gnade oder Huld erscheinen. Objektiv bleibt hesed die pflichtgemäße Verhaltungsweise der Menschen unter sich und implicite und explicite Gott gegenüber. 1 2 3

Vgl. VOLZ, Der Prophet Jeremia. Leipzig 1922, S. 294. Vgl. VOLZ, Weisheit, in „Die Schriften des A. T." Göttingen 1921, z. St. Spr. 19, 17: „Wer den Armen hilft, leiht Gott; Er vergilt ihm seine Guttat".

II. -ON als die gemeinschaftsgemäße Verhaltungsweise usw.

29

Hesed in bezug auf Tun und Ergehen tritt deutlich hervor in Spr. 19, 22. „Der Gewinn des Menschen ist sein hesed" \ Hier wird der Gedanke ausgesprochen, daß demjenigen, der lon erweist, Segen und Heil zuteil wird; denn hesed bringt eine feine Art der Vergeltung mit sich. Wer alle Menschen als Glieder seiner eigenen Familie betrachtet und sich immer das Wohl der ganzen menschlichen Gemeinschaft vor Augen hält, ebnet (das bleibt hier unausgesprochen) sich den Weg zum Gottesreiche und wird der Gottesgemeinschaft teilhaftig. In Spr. 21, 21 lesen wir: „Wer np"tx und lon nachjagt, findet D"n, npis und 1133". Anscheinend ist hier die Rede nur von Menschen; jedoch ist lon auch auf Gott zu beziehen. Als die gemeinschaftgemäße Yerhaltungsweise der Menschen unter sich ist Ton auch die richtige Gott gegenüber. Das ergibt sich, wie auch die volle Bedeutung des ganzen Satzes, wenn man ihn folgenderweise übersetzt: „Wer ,Rechtverhalten' 2 und Brüderlichkeit nachjagt, findet Leben, ,die vor Gott geltende Rechtbeschaffenheit'8 und Ehre." iDn und npix sind hier nicht Synonyma; denn HDn ist bedeutungsreicher*, npts ist Rechtverhalten, an dieser Stelle vielleicht schon mehr. Ion ist gemeinschaftgemäßes Verhalten, ist Brüderlichkeit und Liebe überhaupt; und den Anforderungen des Rechtverhaltens natürlich entsprechend, schließt hesed nplü in sich ein. Der Bedeutungsunterschied zwischen IDn und npix ist immer kleiner geworden; nplü geht schließlich in IDn über 5 . Ein pnx und ein Ton sind ein und dasselbe9. Der pHS übt ~Dn 7. Hesed in bezug auf Tun und Ergehen kommt auch in Spr. 14, 22 vor: „Fürwahr, in die Irre geraten diejenigen, welche auf Böses bedacht sind, aber HDn und nox widerfährt denen, die auf Gutes bedacht sind." Unausgesprochen bleibt hier der Gedanke, daß, wer Gutes übt, von Gott entsprechend behandelt wird. Diejenigen, die die Pflichten der menschlichen und der Gottesgemeinschaft erfüllen, erfreuen sich auch ihrer Vorteile und ihrer Rechte. Diejenigen aber, die Böses üben, gehen der Rechte der menschlichen Gemeinschaft verlustig und werden auch aus der Gottesgemeinschaft ausgestoßen. Wer noxi "ton erfahren will, muß nDXl n o n üben. 1 Lies ntman für niNn. Vgl. KITTEL, B. H. Z. St.; WILDBBOER, a. a. 0., z. St.; FKANKENBEBG, Die Sprüche. Göttingen 1898, z. St., u. a. 4 KAUTZSCH, Über die Derivate des Stammes pts im alttestamentlichen SprachS KAUTZSCH a. a. 0 . S. 49. gebrauche, Tübingen 1881, S. 144. * Vgl. S. 24; Jes. 16, 6 ; Jer. 9, 23; Ps. 33, 5 ; 40, 11. 12; 86, 11; 89, 15; 36, 11; 103, 17. 18: 145. 17, 6 Vgl. DALMAN, Die richterliche Gerechtigkeit im A. T., Berlin 1897, S. 7 Anm. 6. 6 Jes. 57, 1. ' Ps. 141, 6 ; vgl. Spr. 27, 6.

30

I I . Kap.

icn als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung.

Es ist der Ruhm der guten Frau, daß sie nDn-gemäß handelt. In dem schönen Kapitel Spr. 31 lobt man sie, indem man von ihr sagt, V. 26: „Ihren Mund tut sie auf mit Weisheit, und liebevolle Weisung (iDn min) ist auf ihrer Zunge". Mit Liebe spricht und handelt die gute Frau. Daß eine Belehrung, in Menschenfreundlichkeit erteilt, wertvoll und geistig nützlich ist, sehen wir aus Ps. 141, 5 : „Es schlage mich ein Gerechter in Menschenfreundlichkeit und weise mich zurecht". b. d e r R e g e n t e n . In Spr. 20, 28 lesen wir, daß ein König seinen Thron auf hesed aufbauen muß, wenn er ihm Dauer verleihen soll; denn der hesed, welchen der König übt, versichert ihn des hesed und 'emeth seiner Untertanen und, was sich von selber versteht, seines Gottes, dem er huldigt 1 . Die Regentenpflichten des Königs decken sich mit seinen sittlich-religiösen Pflichten, deren Erfüllung seinem Throne Dauer verleiht 2 . W i r möchten den Vers so übersetzen: „Liebe und Treue werden den König schützen, wenn er seinen Thron auf Liebe aufbaut" 3 . Es ist vorgeschlagen worden, mit L X X plü für das zweite i c n zu lesen etwa wie in Jes. 9, 6 und Spr. 16, 12, was aber nicht nötig ist. Hesed schließt schon pis ein, und es liegt kein Grund vor, den Text zu ändern. Auch in Jes. 16, 5 ist es möglich, hesed als die sittlich-religiöse Verhaltungsweise eines Königs aufzufassen 5 . „Es wird aufgerichtet in Menschenliebe ein Thron, und sitzen wird darauf in Treuen in Davids Zelt ein Richter, der nach Recht trachtet und auf Gerechtigkeit eifrig ist". Hesed war in alten Zeiten die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis zwischen König und Volk entsprechende Verhaltungsweise. Hier wie in Spr. 20, 28 ist hesed mehr, nämlich die Verhaltungsweise des Königs als Diener Gottes seinen Untertanen gegenüber. In diesem Sinne ist hesed auch in Ps. 101, 1 zu verstehen: „Von Liebe und Gericht will ich singen, dir, Herr, aufspielen." Ein König legt: „die religiös-sittlichen Grundsätze seiner Herrschaft" a dar. E s sind hesed und mispat. Hesed ist die Liebe, welche sich mit den Forderungen des Rechts und der Gerechtigkeit deckt; sie verbindet die Glieder einer Gemeinschaft. Die Liebe und Gerechtigkeit, welche 2 Vgl. Spr. 29, 14. Vgl. Ps. 61, 8. FRANKENBERO, a. a. 0., z. St., STRACK, Die Sprüche Salomos. Nördlingen 1888, z. St., wollen übersetzen: „Die Ausübung von hesed und 'emeth . . . ." 1

3

4

Vgl.

KITTEL, B . H., z. St.,

TORCZYNER

mündlich.

So DILLMANN, Der Prophet Jesaia. Leipzig 1890, z. St.; ORELLT, Der Prophet 0 STAERK, L y r i k 8 , S. 256. Jesaias. München 1904, z. St. 5

III. Der hasid.

31

die Menschen unter sich üben, beweisen implicite die richtige Gesinnung Gott gegenüber; denn so ist V. l b zu verstehen. Diese Auffassung vertreten K E S S L E R und B A E T H G E N . K E S S L E R sagt: „Der weitere Inhalt des Psalms zeigt, daß unter tsstfOl "mn ein menschliches Verhältnis gemeint ist. Andererseits soll das Lied nach V. 1 b Jahwe gelten; beides vereinigt sich, wenn betrachtet wird, daß das durch tiStfDl n c n bezeichnete menschliche Verhalten göttliche Forderung ist, welche einem göttlichen Sein und Verhalten entspricht, das gleichfalls durch tiSB'Dl n o n ausgedrückt wird." Wir haben in diesem Kapitel gesehen, daß lon die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise der Menschen unter sich ist und sowohl explicite wie implicite die richtige Verhaltungsweise der Menschen Gott gegenüber, das heißt, daß "ton gleichzeitig den Anforderungen der Sittlichkeit und denen der wahren Religion entspricht. Ehe wir die Untersuchung über diese Art von iDn zu Ende bringen, wollen wir noch diejenigen Stellen betrachten, worin der hasid besonders in seinen Beziehungen zu seinen Mitmenschen erwähnt wird. L

III. Der hasid 1. als Gegenteil vom Sünder. Der hasid ist der treue Diener Gottes 2 , der der Gottesgemeinschaft teilhaftig wird, weil er in sittlich-religiösen Taten seine Würde bewiesen hat. Auf Gott verläßt er sich 3 . Er übt Gerechtigkeit, erweist Treue und Liebe und richtet sich im täglichen Leben nach den göttlichen, ethischen Geboten. In Ps. 37, 28 wie in Ps. 97, 10 und I. Sam. 2, 9 * wird der hasid dem Gottlosen und dem Sünder gegenübergestellt 6 ; er erfreut sich der Liebe Gottes, aber der Sünder geht der Vertilgung entgegen 6 . In Spr. II, 17 ist der nDn C'X das Gegenteil von dem m i x , dem Hartherzigen.

2. gleich dem Redlichen und Gerechten. Gleich dem hasid ist der D'ön "DJ, der redliche Mensch, wie wir aus Ps. 18, 26 und in II. Sam. 22, 26 ersehen. In Micha 7, 2 wird der 1 KESSLEB, Die, Psalmen. München 1899, z. St.; BAETHGEN, Die Psalmen. Göttingen 1892, z. St. 2 Vgl. Ps. 86, 2; 79, 2; 143, 12; 119, 124; 31, 17; II. Chr. 6, 41. 42. ' Vgl. Anm. 2 ; Ps. 32, 6; 145, 10; 30, 45: Neil. 13, 14. 4 EHRLICH, Randglossen zur Hebräischen Bibel, Leipzig 1910, Bd. III, z. St., 6 liest t n ' i'TDn ^jyo für mt»' m*Dn »San. Vgl. Ps. 52, 3. 6 In Ps. 27, 28 für mstw DSiyS lies I-DB>: N^iy. Vgl. STAEKK, a. a. 0., z. St.;

KITTEL, B . H . , z. S t .

32

II- Kap.

iDn als menschliche Verhaltungsweise in religiöser Bedeutung.

D1K3 "W, der Redliche, dem hasid gleichgesetzt, wie auch in Spr. 2, 8 die ontt" und die an o^n den hasidim. In J e s . 57, 1 sind pH2t und IDn "»tfJ« parallel.

3. gleich dem Getreuen. In Spr. 20, 6 ist IDn ti"X parallel zu D'JlBN \ Den IDn t f « in diesem Yers als einen aufzufassen 2 , der bloß freundliche Versprechungen macht, aber nicht zuverlässig ist, widerspricht vollkommen dem Wesen von hesed. Mit IDn sind na«, "JlDX unzertrennlich verbunden 8 . Deswegen muß ein I D N T T N ein D ' J ' D K sein 4 . E r ist, wie F K A N K E N B E E G richtig bemerkt: „ein Mann, der nicht etwa Aussichten und Versprechungen macht und dann den Betreffenden im Stiche läßt, sondern, der wirklich Wohltaten erweist, treu, fromm und wohltätig ist" \ In diesem Vers wird angedeutet, daß Behauptung und Tatsache weit auseinander liegen; denn es braucht nicht jeder, der den Ruhm eines Ton ts»x genießt, tatsächlich einer zu sein 6 . Nur derjenige ist ein hasid, der ein D'JION ist, der sich in Treuen seinem Nächsten und Gott gegenüber bewährt, indem er hesed erzeigt. Gott nimmt sich seiner an, behütet seine Wege und läßt ihn der Gottesgemeinschaft teilhaftig werden 7 . E r erfüllt mit großem Eifer, was er seinen Getreuen versprochen hat, ebenso wie sie durch sittlich-religiöse Taten eifrig in der Erfüllung seiner Gebote waren. Dem hasid gegenüber erweist er sich als hasid 8 . Das Verhältnis zwischen Gott und Volk war ein Rechts-PflichtVerhältnis und hesed die entsprechende Verhaltungsweise. E s war eine Bundesgemeinschaft, auf hesed beruhend und durch hesed bestehend genau wie in einer profanen Bundesgemeinschaft 9 . Das Verhältnis konnte nur solange aufrecht erhalten werden, als hesed gegenseitig ausgeübt wurde. Hesed war gleichsam eine Aufgabe, deren vollendete 1 Mit Luther, B E B E in K I T T E L S B. H., U. a., lies IDN tt»N nig' für non >np

N'3D1 n i 3 K H D n "13111

worauf E L B O G E N h i n w e i s t i s t zu übersetzen: „er (der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs) gedenkt der den Vätern zugeschworenen, gemeinschaftgemäßen Treue, und bringt den Erlöser für ihrer Kinder Kinder." Oder man könnte übersetzen: „Gott gedenkt der G e m e i n s c h a f t 8 mit weltlichkeit, die den Menschen unzugänglich zu werden drohte, der Glaube nach einer festen Stütze verlangte, die ihm die stete Nähe Gottes trotz seiner Transzendenz sicherte. Beides fand er in der Vorstellung von einer zwischen Gott und Israel bestehenden Berith. Auf sie konnte man sich berufen sowohl gegenüber dem göttlichen Zorne als auch bei der Bitte um Hilfe." Dagegen läßt sich sagen: ton wurde neben nna gestellt, weil er sachlich daneben gehört, und den Inhalt von nna ausmacht. Hesed sichert wie b'rith den fortdauernden Bestand der göttlichen Zuwendung, solange das Volk die eingegangenen, gemeinschaftgemäßen Pflichten erfüllt. B'rith kann ebensowenig wie hesed die Strafgerechtigkeit Gottes verhindern; vgl. Ps. 89, 31—38; II. Sam. 7, 14—15. Es gibt überhaupt keinen anderen Ausdruck in dem Alten Testament, der, wie unsere Ausführungen beweisen, so bestimmt wie -Dn, das engste Gemeinschaftverhältnis zwischen Gott und den Seinen darstellt, und gerade darauf berief man sich bei der Bitte um Hilfe. Im Gegensatz zu KBABTZSCHMAR hat DRIVER (A Critical and Exegetical Commentary on Deuteronomy, Edinburgh 1912, zu Dt. 7, 9) das Wesen von hesed richtig erfaßt. Er sagt: ""Dn is a wider and a more comprehensive term than ,mercy'; ,mercy' is properly the quality by which a person renounces, out of motives of benevolence or compassion, his legitimate rights against one, for instance, who has offended or injured him; but ion is a quality exercised mutually among equals; it is the kindliness of feeling, consideration, and courtesy, which adds a grace and softness to the relations subsisting between members of the same society." 1 Vgl. S. 4. 10—11. 13—15. 8 Vgl. ELBOGEN, Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen EntwicklungLeipzig 1924, S. 141 f. 3 Vgl. ELBOGEN, "Dn-Verpflichtung, Verheißung, Bekräftigung, S. 44. 1

V g l . S. 12 f.

6

V g l . D t . 7, 8—9.

' Vgl. ELBOGEN, a. a. 0., S. 45—46.

• V g l . ELBOGBN, a. a. 0 . , z. St.

» Vgl. S. 42—3. 4*

40

III. Kap.

ion als göttliche Verhaltungsweise.

den Vätern . . . " ELBOGEN gibt H D N 1 hier mit „Bund" wieder 2 . Die vorhergehenden Worte D'3iti DHDn ^ a u 8 stehen im guten Zusammenhang mit n n x HDn "Diu. Der Gott, der des den Vätern zugeschworenen hesed gedenkt, und ihren Kindern Erlösung bringt — die stille Hoffnung wird damit ausgesprochen, daß es so auch künftighin bleibt — wird zuvor als der Gott genannt, der die DHDn, die gemeinschaftgemäßen Taten der Seinen, vergilt 4 , indem er ihnen seinen hesed zukommen läßt

II. lon als die gemeinschaftgemäfse Verhaltungsweise Gottes David und seinem Hause gegenüber. In II. Sam. 7 verheißt Jahwe David, seinem Nachkommen hesed zu erweisen. Wir lesen in V. 14—16 (I. Ohr. 17, 13—14): „Ich will ihm Vater und er soll mir Sohn sein, so daß wenn er sich verfehlt, ich ihn mit Menschenrute und mit menschlichen Schlägen züchtige, aber meinen hesed werde ,ich' ihm nicht entziehen, wie ich ihn ,deinem Vorgänger' entzogen habe. Vielmehr soll dein Könighaus für immer vor ,mir' Bestand haben, dein Thron für alle Zeiten feststehen 5 ." Schon die Tatsache, daß Jahwe sich David auserwählte 6 , nachdem er Saul verworfen hatte, ließ ein Gemeinschaftverhältnis zustande kommen, welchem hesed entsprach. (In Ps. 132, 11—12 wird der dem David geschworene Eid Jahwes erwähnt, in Treuen seinen Thron zu erhalten, falls seine Nachkommenschaft den Gottesbund innehielte.) Jahwe expliziert und verstärkt gleichsam seine Verheißung, wenn er sagt, daß das Verhältnis zwischen ihm und Davids Nachkommen das gleiche wie zwischen Vater und Sohn sein soll. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war bekanntlich ein Rechts-Pflicht-Gemeinschaftverhältnis 7, welches die gegenseitige Ausübung von hesed notwendig machte. Der Nachwuchs Davids sollte, wie K I T T E L sagt, Jahwes Sohn „im sittlichen Sinne" sein. „Gott gilt als Vater und er als Gottes Sohn, und es erwachsen daraus sittliche Pflichten 8 ." Eindringlicher als es hier geschehen ist, hätten die sittlichen Forderungen Jahwes nicht gestellt, 1

MM HDN ist wie ELBOGEN, a. a. 0., bemerkt: „genetivus objectivus wie IN HDH in Jes. 55, 3." * Vgl. ELBOGEN, a. a. 0 . * ELBOGEN, a. a. 0., S. 46, Anm. 1 meint: „o DN: streicht. I I V g l . DUHM in H. S.4, z. St.; CORNILL, das Buch Jeremia. Leipzig 1905, z. St., SCHMIDT, a. a. 0 . , z . St. 18

12

Vgl.

SCHMIDT a. a. 0 . , z . St.

V g l . V O L Z a. a. 0 . , z . S t . ; S. 12.

50

III. Kap.

iDn als göttliche Verhaltungsweise.

In Jer. 3, 12—13 wird Jahwe als hasid geschildert, der den treulosen, von ihm mit dem Scheidebrief entlassenen Israel 1 nicht weiter zürnen will, falls es zu ihm in Erkenntnis seiner Sünden zurückkomme. Dadurch, daß das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel eine Ehegemeinschaft war a , wird klar, daß Jahwe als hasid die der Ehegemeinschaft entsprechende Verhaltungsweise hesed seinem zu ihm zurückgekehrten Volke zu erweisen bereit war. Wie K B A E T Z S C H M A B 8 richtig sagt, bedeutete für Israel „die Entlassung mit dem Scheidebriefe nicht den Ausschluß einer gnädigen Wiederannahme, sondern nur zeitweise Vertreibung aus dem Lande. Die Vermittelung dabei bildet in echt hoseanischer Weise die göttliche Ton". Das Gnadenmoment wohnt hesed insofern inne, als Jahwe nicht nach einer lex talionis verfährt, sondern immer willig ist, den ihm Gehorchenden hesed zu erweisen, auch wenn sie sich von ihm früher abgekehrt hatten. Deswegen kann 'JX TDn in Jer. 3, 12 mit „denn ich bin gnädig" oder „liebreich" übersetzt werden. Jahwe als TDn ist auch pHX, der in bundesgemäßer Zuverlässigkeit4 den ihm in Treuen Zurufenden und Fürchtenden Recht verschafft und Beistand leistet 6 . ß. Das in Blutsgemeinschaft mit Gott verbundene Volk. In Jer. 3 1 6 wird das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel dem zwischen Vater und Sohn gleich g e s e t z t A u c h diesem Verhältnis entsprach Gottes hesed 8 . Als nun Ephraim in Reue Buße tut, wendet sich ihm Jahwe in väterlichem Erbarmen zu 9 . Dem zu ihm zurückgekehrten Volke, das ihm wie ein Sohn ist, und das er zu lieben nie aufgehört hat, konnte Jahwe seinen foesed erweisen: V. 3 „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir die gemeinschaftgemäße Treue bewahrt" 10 . Von seinem Volke, mit dem er einen neuen Bund eingeht 11 , verlangt Jahwe, daß es ihn kenne. Gotteserkenntnis bedeutet seitens des Volkes die Betätigung von hesed unter sich und damit zugleich Gott gegenüber12. I

Vgl. V. 8. 13.

s

Vgl. auch V. 14.

" V g l . KBAETZSCHMAB, a . a . 0 . , S . * V g l . KAUTZSCH, a . a . 0 . , " Für

die E c h t h e i t

151—2.

S. 2 4 - 5 .

6

Vgl. Ps. 145,

v o n J e r . 3 1 v g l . VOLZ a . a . 0 . ,

17—20.

z . S t . ; SELLIN, E i n l e i t u n g

in

das Alte Testament, Leipzig 1925, S. 97—8. 8 Vgl. S. 40f. 9 Vgl. V. 1 8 - 2 0 . ' Vgl. V. 9 b. 20. 1 0 Vgl. CORNILL, a. a. 0., z. St.: „Wohl wird lori -wo mit b der Person verbunden: dann müssen wir annehmen, daß in -»na»» das Pron. suff. für den Dativ stehe, was grammatisch keine Schwierigkeit macht." Vgl. Ps. 36, 11; 109, 12; KBUSS, a . a . 0 . , z . S t . ; VOLZ, a . a. 0 . , z . II

St.

Vgl. V. 3 3 — 4 ; Jes. 54, 8. 10.

12

Vgl. S. 48, Anm. 6.

III. ION als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Gottes usw.

51

In Jes. 63, 7—8 wird Jahwe gepriesen als der Gott, der seinem Volke, seinen treuen Söhnen, rahamim und .hesed, die Sünden vergebende Gnade und die gemeinschaftgemäße Liebe erweist 1 .

y . Das Volk im allgemeinen in der Gottesgemeinschaft. In Ps. 130 ist der Dichter sich der menschlichen Sündhaftigkeit, wegen welcher kein Mensch vor Gott Stand halten könnte, bewußt, wäre nicht seine an sittliche Bedingungen gebundene Vergebung (nn^o) 2 . Sich auf Gottes Verheißung den Seinen gegenüber verlassend 8 , mahnt er V. 7—8: „Harre, 0 Israel, auf .Jahwe, denn mit Jahwe ist der hesed und mit ihm ist reichlich Erlösung. Er wird Israel von all seinen Vergehen erlösen V Den auf ihn Harrenden 5 gewährt Jahwe seine Gemeinschaft und den entsprechenden hesed, womit auch seine Vergebung für bereute Sünden gleichsam betätigt wird. In Ps. 90 haben wir das Gebet des Volkes um Gottes hesed. Vorausgegangen war das Bekenntnis der Sündhaftigkeit (V. 10) und der Wunsch verständigen Herzens zu werden (V. 12). In der Hoffnung. Gottes Vergebung zu erhalten, (V. 13), betete das Volk: V. 14 „Sättige uns früh mit deinem hesed, daß wir jubeln unser Leben lang." Man sehnte sich nach Gottes hesed, nach Gemeinschaft mit ihm. In Num. 14, 19 wird Jahwe gebeten: „Vergib die Schuld dieses Volkes nach der Größe deines hesed." Nach der G r ö ß e 6 seines hesed konnte Jahwe Schuld vergeben, da die Bitte um Vergebung schon das Zeichen der Umkehr und Besserung war, und einem im tiefsten Sinne der Gemeinschaft liebevollen Gotte die Möglichkeit gab, durch die Gewährung seines hesed die Vergebung in erneuter Gemeinschaft mit den Vergebenen zu verwirklichen. Diese der Vergebung folgende gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise, Gottes hesed, kommt seiner Gnade sehr nahe. Jedoch ist hesed mit Gottes Gnade nicht identisch. Da aber die Beziehungen zwischen Gott und seinem Volke durch den Gnadenakt der Erwählung zustande kamen, ruht hesed auf dem Boden der Gnade Gottes. Hesed charakterisiert die Art dieser Beziehungen, die 1 DELITZSCH'» (a. a. 0., z. St.) Erklärung zu hesed in Jes. 63, 7 als „die zur sündigen Creatur sich herablassende entgegenkommende Gnade" ist unrichtig. 2 Vgl. V. 3—4; KITTEL, a. a. 0., z. St., sagt richtig zu Ps. 130, 4, daß die Vergebung erreicht wird: „indem Gott die Sünde nicht planlos, oberflächlichem Mitleid folgend, wegwischt, sondern die sittliche Forderung der Reue und des Vorsatzes der Besserung an die Verzeihung anknüpft." (Vgl. Jer. 31, 34; 33, 8.) 3 Vgl. V. 5; Ps. 119.

* V g l . BEETHOLET in H . S . 4 ; K o m a , a. a. 0 . , z. S t . ; STAEBK, a. a. 0 . , z. St. 6 6

Vgl. S. 54, Anm. 3. Vgl. Ps. 57, 11; 86, 13; 108, 5; 145, 8; Gn. 19, 19; I. Kön. 3, 6 (II. Chr. 1, 8).

52

III. Kap.

icn als göttliche Verhaltungsweiee.

eben von Gott gemeinschaftsgemäß bestimmt wurden. Man könnte sagen, daß der Ursprung der Gott-Volk (Mensch) Beziehungen in der Gnade Gottes liegt, die Gestaltung dieser Beziehungen in seinem sittlichen "Willen, wodurch er nicht nur von seinen Auserwählten, sondern gewissermaßen von sich selbst eine sittliche Aktivität fordert. Sie findet ihren Ausdruck in seiner gemeinschaftgemäßen Verhaltungsweise hesed. Daß dieser im Zusammenhang mit Gottes Gnade und seiner Sündenvergebung vorkommende hesed, wegen der Ubereinstimmung mit der den Charakter der Gemeinschaft bezeichnenden Treue seinem Wesen nach von Gnade verschieden ist, beweist die vollere Form der Formel von Num. 14, 1 8 1 in Ex. 34, 6 (Ps. 86, 15), wo neben hesed die verwandte J emeth steht: nDNi ion a n D'sx -pH ium mm Die Phrase in Ex. 34, 7 : D'B^x^ non liij ist wohl eine Anspielung an die Phrase in Ex. 20, 6 2 : Tino noitfh 'amx^ Ü ' B ^ non ne>y wo die Bedingungen, welche den pflichtgemäßen Charakter auch des göttlichen hesed erhellen, klar hervortreten 8 . Als C'BN pjni oim bx vergibt Gott reuigen Sündern, als noxi 7Dn 31 . . . nimmt er diejenigen, die Vergebung empfangen haben, ihn erneut lieben und seine Gesetze wahren, in seine Gemeinschaft auf und läßt ihnen die entsprechende, mit den Forderungen der Treue übereinstimmende Verhaltungsweise hesed widerfahren. Hesed kann hier mit „treue Liebe" wiedergegeben werden. In diesen, wie all den Stellen, wo Gottes hesed im Zusammenhang mit seiner Gnade vorkommt, wohnt.^esed eine vergeistigte Bedeutung inne. Diese Vergeistigung besteht darin, daß ein im Zusammenhang mit Gottes hesed überall vorliegender, mehr oder weniger entwickelter Gedanke zum deutlichen Durchbruch kommt, — nämlich, daß Gottes hesed nunmehr, obgleich als im vollen Sinne dem Charakter der Gemeinschaft entsprechend gedacht, doch nicht als ein Kecht sondern als eine Gabe betrachtet wird. Klar wird dieser Gedanke in Ps. 103 betont, wo der Dichter Gott preist, der ihm seine Sünden vergibt, und ihn mit hesed und rahamim, mit gemeinschaftgemäßer Liebe und Sünden vergebender Gnade, krönt 1 s 3

Vgl. Joel 2, 18; Jona 4, 2 ; Ps. 103, 8 ; 145, 8 ; Neh. 9, 17. Vgl. BAENTCH, Exodus, Göttingen 1903, zu Ex. 34, 6. Vgl. S. 54, Anm. 3. * Vgl. V. 4.

IV. ion als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Jahwes usw.

53

IV. non als die gemeinschaftgemäfse Verhaltungsweise Jahwes den Seinen gegenüber. a. G o t t u n d s e i n e T r e u e n . «. Gott und diejenigen, die ihn kennen. Von all denjenigen, die seines hesed teilhaftig werden wollen, verlangt Jahwe, daß sie ihn kennen und zwar, wie es in J e r . 9, 23 ausgedrückt wird, als hesed, mispat und §edakah übend, woran Jahwe Gefallen h a t J a h w e e r k e n n t n i s ist hier im doppelten Sinne zu verstehen: Man erkennt Jahwe in seinem Wesen und Wirken, und man sieht ein, daß die Jahweerkenntnis die menschliche Betätigung von hesed, mispat und §"dakah unter sich und Gott gegenüber erfordert 2 . Jahwe erkennen, heißt bei Jeremia ebenso wie bei Hosea, nach seinen ethischen Gesetzen handeln 8 . Sachlich das Gleiche ist, wie COBNILL mit Recht sagt 4 , was J e r . 8, 7 nirp tastfö nx y"p und J e r . 5, 4—5 nirp "¡n y r nennt. Kannte man Jahwe und handelte man nach den von ihm ins Menschenherz geschriebenen ethischen Gesetzen 6 , so wurde die Gemeinschaft mit ihm ermöglicht. Danach war Jahwe verpflichtet, denen, die ihn kennen, seine treue Liebe widerfahren zu lassen. Genau wie der menschliche hesed mußte auch der göttliche hesed mit den Anforderungen der Gerechtigkeit und des Rechttuns übereinstimmen 6 . Jahwe liebte ja s e dakah und mispat; sein hesed erfüllte die Erde, wie Ps. 33, 5 lautet 8 . Diejenigen, die Gott kannten, durften ihn zuversichtlich um seinen hesed bitten, wie wir in Ps. 36, 11 lesen: „Erhalte deinen hesed denen, die dich kennen lind deine sedakah den Herzensgeraden." Hier ist §edakah wieder parallel zu hesed. In Ps. 119, 149 ist mispat parallel zu hesed. 3'dakah und mispat sind nicht gleichbedeutend, aber sie sind in hesed als der gemeinschaftgemäßen "Verhaltungsweise Jahwes den Seinen gegenüber mit enthalten. 1 In Jer. 9, 23 ist auf die vorhergenannten Objekte zu beziehen. Vgl. KEIL, Biblischer Kommentar über den Propheten Jeremia, Leipzig 1872, z. St.; Hos. 6, 6 ; Micha 7, 1 8 ; Ps. 37, 28. 4

z. S t . ; 5

5, 4 ;

V g l . KEIL,

a. a. 0 . ,

CORNILL, a . a . 0 . ,

z. S t . ;

ORELLI, V., J e r e m i a ,

zu Jer. 31,

z. S t . ; GiESBBnECHT,

a. a.

0.,

34.

Vgl. Jer. 22, 1 5 - 1 6 ; 24. 7 : 31, 3 4 ; 2, 8 ; 4, 2 2 ; 9, 2. 5 ; Hos. 2, 2 2 ; 4, 1 ; 6, 6

Ps.

103, 6.

•* V g l .

CORNILL, a, a . 0 .

5

Vgl. Jer. 31,

33.

Vgl. Jes. 16, 5 ; Hos. 12, 7 ; Micah 6, 8 ; Sach. 7, 9 ; Ps. 101, 1; S. 24. 26, 3 1 : S. 38, Anm. 5. 8

7

KEIL, a. a. 0., z. St.:

Gerechtigkeit." B e i h e f t e z- Z A W 47

8

Vgl.

„-on . . . bildet die Grundlage für das Recht und die

Ps. 37, 2 8 ;

99,

4;

103, 6 ;

KEIL,

a. a. 0 . ,

z.

St.

5

54

III. Kap.

-Dn als göttliche Verhaltungsweise.

ß. Gott und diejenigen, die ihn fürchten. Verschieden lauten die Bedingungen, welche diejenigen, die der Gottesgemeinschaft und seines entsprechenden hesed teilhaftig werden wollten, erfüllen mußten. Der Bedeutung nach aber sind sie alle gleich — die Gott Suchenden müssen sich seiner würdig erweisen, um ihn finden zu können und in seine Gemeinschaft eintreten zu dürfen. Die Furcht Gottes ermöglicht die Erweisung seines hesed x . W e r Gott fürchtet, hat ihn, wie STAERK ZU P S . 5 , 8 s a g t 2 : „in seinem wahren Wesen erkannt und dient ihm in der Kraft dieser beseligenden Erkenntnis." Wir lesen dann auch an anderen Stellen, daß diejenigen, die Gott lieben und in Treuen ihm folgen, seine Satzungen und seinen Bund wahren, ihn anrufen und allein auf ihn vertrauen, seines hesed gewärtig sein können 3 . y. Gott und seine Diener. Wie im profanen Leben hesed dem Verhältnis zwischen Herrn und Diener entsprach 4 , so kennzeichnete hesed das Verhältnis zwischen Jahwe und seinen Dienern. Betrachten wir hesed in diesem Sinne, so fällt ein neues Licht auf die viel angefochtene, und mit Unrecht herabgewürdigte Stelle in Ps. 143, 12 -121? 'JX 'trsj m s rnrjxni u'K n'osn "ponai Man übersetzt gewöhnlich: „In deiner Gnade tilge aus meine Feinde und vernichte all die Bedränger meiner Seele, denn ich bin dein Knecht." So sehr man aber anerkennt, daß Ps. 143 „ein Zeugnis starker Frömmigkeit voll tiefer Heilsbegier" B, so allgemein verbreitet ist das durch V. 12 veranlaßte absprechende Urteil über den ethischen Gehalt des Psalms, am schärfsten und krassesten von D U H M formuliert 6 , wenn er sagt: „Durch seine Gnade wird Jahwe des Dichters Feinde vernichten! Man sollte fast inona in deinem Grimm als ursprünglich vermuten, die Gnade wirkt in solchem Zusammenhang abscheulich. Aber leider kann man dem Autor viel zutrauen." Die Anflehung der Gnade Gottes in diesem Zusammenhang wäre allerdings befremdend, wenn man sich auch in die Denkart eines solchen robust naiven Beters hineinversetzen könnte. Vgl. Ps. 5, 8 ; 33, 1 8 ; 147, 1 1 ; 103, 11. 1 7 ; Prov. 16, 1 6 ; Hiob 6, 1 4 ; 25, 10. 1 4 ; 31, 2 0 ; 86, 11 ; 61, 8. 6 ; 85, 8 f . ; 115, 1. 11: 145, 17 f. 1

2

Vgl.

STAERK,

a. a. 0 . ,

z.

Ps.

St.

« Vgl. E x . 20, 6 ; Dt, 5, 1 0 ; 7, 9 ; Dan. 9, 4 ; Neh. 1, 5 ; 9, 3 2 ; Ps. 25, 1 0 ; 103, 1 7 — 1 8 ; 26, 3 ; 119, 1 5 9 ; I. Kön. 8, 2 3 : II. Chron. 6, 14; Ps. 4, 4 ; 86, 5 ; 145, 1 7 — 2 0 ; Ps. 13, 6 ; 21, 8 ; 32, 1 0 ; 52, 1 0 ; 143, 8 : 17, 7 : 33, 18. 2 2 : 144, 2 ; 147, 11. 4 Vgl. I. Sam. 20, 8 ; I. Kön. 20, 3 1 : S. 12. 17. 6

Vgl.

STAERK.

a. a. 0 . .

z. S t .

« Vgl.

DOHM.

a. a. 0 . .

z.

St.

IV. iDn als die gerneinschaftgemäße Verhaltungsweise Jahwes usw.

55

Verschiedene Änderungen sind für dieses als Gnade verstandene und dadurch der ganzen sittlich-religiösen Tiefe des vorangehenden Liedes widersprechende Wort I C " vorgeschlagen werden. G U N K E L 1 möchte mit D U H M -¡noro lesen; E H E L I C H (nach G U N K E L ) - p n m ; P E E L E S 2 will hesed hier mit „Stärke" übersetzen. In scharfsinniger "Weise wirft er auch die Möglichkeit auf 3 , daß in V. 11—12 eine Umstellung vorliegt, so daß ursprünglich an der Stelle des gegenwärtigen Textes stände: 'PBJ mxa irxin "pora rvoxri inpT^i Alle Änderungen aber erübrigen sich, wenn man hesed versteht, als die gemeinschaftgemäße Verhandlungsweise, wonach Gott den Seinen hilft. Der Beter bestimmt seine Beziehungen zu Gott und begründet damit sein Anrecht auf die Erhörung seines Gebets um Hilfe gegen seine Feinde, indem er sich den Knecht Gottes nennt 4 . Diesem Verhältnis entsprach Gottes hesed b . Genau wie hier Gott in seinem hesed die Feinde seines Knechtes vernichten soll, wird er in Ps. 54, 7 gebeten, in seiner 'emeth die Feinde seines ihm Ergebenen zu vernichten. Auf die enge Verwandtschaft zwischen hesed und 'emeth ist schon hingewiesen worden 6 . Ferner ist hesed in V. 12 parallel zu s'dakah in V. 11 7 : „in deiner Gerechtigkeit rette meine Seele aus der Not", — die Gerechtigkeit, wonach Gott den Seinen Recht schafft 8 . Nicht in seiner Gnade, sondern in seinem mit den Anforderungen der Treue und Gerechtigkeit übereinstimmenden hesed als der dem Gemeinschaftverhältnis zwischen ihm und seinem Knecht entsprechenden Verhaltungsweise, wird Gott angefleht, dessen Feinde auszurotten. Man könnte hesed hier sinngemäß mit „Treue" oder „die in Treuen erwiesene Hilfe" übersetzen. In Ps. 119 erfleht sich ein dienstbarer Knecht Jahwes 9 , ihm in jeder Hinsicht treu und ergeben 10 , den gemeinschaftgemäßen hesed, welchen Jahwe den Gliedern seiner Gemeinde, die in seinem Sinne leben, versprochen hat n . An Gottesverheißung, den Seinen zu helfen, klammert er sich fest 1 2 . E r ruft Gott an, ihn vor seinen Feinden nicht untergehen zu lassen, sondern ihn seinem gemeinschaftgemäßen hesed ent1

Vgl.

GUNKEL,

3

Vgl.

PERLES,

4

Vgl. Ps. 69, 1 7 — 1 8 ; 86, 13. 1 6 ; 116, 1 6 ; 136, 22.

5

Vgl. S. 54, Anm. 4.

15

Vgl. Ps. 57, 4 : S. 36, Anm. 7.

I

Vgl.

9

Vgl.

9

Vgl. V. 76. 124. 122. 125. 140.

V.

1;

a . a. 0 . , a.

a. 0 . ,

Ps. 5, 9.

z. St. S.

2

Vgl.

PEBLES,

KAUTZSCH, 10

0.

a . a. 0 . .

8.

47.

Vgl. V. 8. 3 4 — 3 5 . 4 2 — 6 3 . 94 f.

II

Vgl. V. 41. 7 6 : Ps. 138. 2.

12

Vgl. V. 25. 28. 38. 42. 49. 58. 65. 74. 8 1 - 8 2 .

148. 154.

a. a.

114—15.

107. 114.

116. 123. 133. 140.

169—170. 5*

56

III. Kap.

iDn als göttliche Verhaltungsweise.

sprechend am Leben zu e r h a l t e n U n d in wunderbarer Zuversicht auf die Gewährung des hesed Gottes seiner Verheißungstreue gemäß, sagt er in V. 160 2 : „Rechne ich nach, ist deines Wortes Summe Wahrheit und ewig währt die gerechte Rechtsordnung 3 . "TDn ist parallel in Y. 41 zu "¡nyitrn, in Y. 149 zu -ptsstpaa, und in V- 40 anstatt \rn "pona steht U'n "¡npixa. Hesed ist hier allein zu verstehen als die gemeinschaftgemäße Yerhaltungsweise Jahwes, in seiner Treue verheißen, wonach er in seiner Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit seinen treuen Dienern Hilfe zuteil werden läßt. Ihnen aber lag nicht nur daran, durch Gottes hesed am Leben erhalten zu bleiben, sondern durch diesen der Gottesgemeinschaft entsprechenden hesed ihrem Leben Sinn und Zweck zu geben. So ist auch hesed in Ps. 13, 17 zu verstehen; „Laß dein Antlitz über deinen Knecht leuchten, rette mich in deiner gemeinschaftgemäßen treuen Liebe." (5. Die Gottestreuen im allgemeinen. aa. Die Bitte um die Gewährung des hesed Gottes. Die Sehnsucht der Frommen nach Gottes hesed ist zu erklären nicht durch den begreiflichen Wunsch, dadurch aus der Not gerettet zu werden, sondern vor allem aus der Errettung durch hesed die Uberzeugung ihrer Teilnahme an der Gottesgemeinschaft gewinnen zu dürfen. Sie glaubten aber an seinen hesed, auch wenn ihre tatsächlichen Geschicke sie manchmal der Verzweiflung nahe brachten. Als das Allerwertvollste im Leben, und als Selbstzweck erschien ihnen die Gottesgemeinschaft, welcher hesed entsprach. Mit der genialen Intuition der wirklich religiösen Menschen fühlten, wußten sie, daß Gott diejenigen, die sich ihm zukehren, in seine Gemeinschaft aufzunehmen gewillt war. Sie bezeugten durch ihre ihm gefälligen Taten seinen ethisch-religiösen Plan. Noch mehr als sie ihn suchten, wollte Gott, daß sie ihn fänden, damit er mit ihnen gemeinschaftgemäß handeln, seinen hesed ihnen zuwenden könnte 1. Wenn sie sich im Gefühl ihrer inneren Würdigkeit Gottes Hilfe um Erlösung aus ihren Nöten, um Bewahrung vor dem Tode erbaten, dann waren sie schon im Grunde genommen überzeugt oder konnten sich zu dem Glauben durchringen, daß Gott sich ihrer annehmen, ihnen seinen hesed widerfahren lassen würde um seiner durch hesed zum Ausdruck gebrachten Gemeinschaft mit ihnen willen. 1 Vgl. V. 88. 149. 159. 40; in V. 149 sind wohl -pom und 5 zu wechseln; vgl. B. H. Vgl. V. 89.

' Vgl. Delitzsch, a. a. 0., z. 8t.; Stabrk, a. a. 0., z. St. * Vgl. Micha 7, 18; Jer. 9, 23.

-üs»od

miteinander

IV. ion als die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Jahwes usw.

57

sagt: „Israel hat Teil an dem Todesschrecken des Orients, aber es befreit sich ron ihm nicht auf dem Wege des Mythos, sondern auf dem Wege persönlich gewonnenen Glaubens an Jahwes Macht und durch den tiefen Glauben, daß nicht nur das Geschöpf mit dem Schöpfer, sondern auch der Schöpfer nach Gemeinschaft mit dem Geschöpf verlangt" \ Im Ps. 6 betet ein unter den Anfechtungen von Übeltätern und Feinden 2 leidender Frommer: V. 5 „Wende dich her, Jahwe, rette mein Leben, hilf mir um deines hesed willen 8 ." Der Apell an Jahwe, die Seinen seines hesed wegen 4 zu retten, ist fast eine Probe für ihn. Jahwe kann unmöglich seine Treuen ihren und zugleich dann seinen Feinden unterliegen lassen; mit seinen Treuen hängt auch die Sache Gottes zusammen. Deswegen betont der Betende in V. 6: „Nicht im Tode gedenkt man dein; wer preist dich im s e ol?" In ähnlicher Weise fragt in Ps. 88 ein treuer Gottesdiener, der sich wegen des rettungslosen Aussatzes, dem er seit früher Jugend preisgegeben war, dem Tode nahe glaubt 6 und sich nun von Gott ausgestoßen fühlt 6 : V. 12—13 „Wird im Grabe dein hesed verkündet, deine 'emunah in 'abaddon? Wird in der Finsternis dein Wunder kund, und deine Gerechtigkeit im Lande des Vergessens"? Hinter dem „Warum" in diesem Psalm steht, wie STAERK sagt: „der Glaube, der Gott nicht lassen kann und will." 7 Auch in Ps. 6 wird der Betende der göttlichen Hilfe sicher. Die Übeltäter werden beschämt, die Gemeinschaft mit Gott also bestätigt 8 . Den Frommen war der Gedanke an den Tod so schrecklich, weil sie meinten, im s e ol hörten die Beziehungen der Menschen zu Gott auf*. Dort konnten sie sich des gemeinschaftgemäßen hesed Gottes nicht mehr erfreuen. Aber ohne hesed war ihnen auch das Leben grauenvoll und sinnlos. „Dein hesed ist ja besser als Leben" ruft der Dichter in Ps. 63, 4 aus 10. Man kann in diesem Vers "pon geradezu mit „Gemeinschaft mit dir" übersetzen. Das Ideale war von Gott D"n und non zu erhalten, wie in Hiob 10, 12 geschildert wird: „Du hast JOH. H E M P E L

1

Vgl. JOH. HEMPEL in seiner Rezension zu QUBLL, Die Auffassung des Todes in Israel, Leipzig 1925, in Theol. Literaturzeitung 1926, Nr. 6, S. 125. ' Vgl. V. 8 - 1 1 . s Vgl. BRIGGS, a. a. 0 . , z. St.; DUHM, Psalmen, z. St.; KÖNIG, a. a. 0 . , z. St.; 4

BBBTHOLET, a . a . 0 . , z . S t .

Vgl.

Ps. 44, 2 7 ;

115, 1 ; S.

44.

6

Vgl.

V . 5 . 1 6 ; STAERK, a . a. 0 . , z . S t . ; KITTBL, a . a . 0 . , z . S t . ; u .

4

Vgl.

V.

15.

7

Vgl.

STAERK, a . a . 0 . , z . S t .

9

Vgl.

V.

a.

9—11.

» Vgl. Ps. 13, 4—6; Hiob 13, 14; S. 7, Anm. 3 ; vgl. dagegen Ps. 39, 49, 73, 90. 10

Vgl.

STAERK, a . a . 0 . , z . S t . ;

P s . 7 3 , 2 5 ; 3 6 , 8 f . ; 9 4 , 1 6 f . ; S.

60f.

5S

~Dn als göttliche Verhaltuiigsweise

I I I . Kap.

mir Leben gegeben und gemeinschaftgemäß mit mir gehandelt, deine Obhut hat meinen Odem bewahrt V Von einem treuen, gerechten Gott durften die ihm Ergebenen, die im sündelosen, sittlichen Verhältnis zu ihm standen, erwarten, durch seinen hesed um seines hesed willen befreit zu werden. So betet in Ps. 109, 26 (vgl. V. 21) ein Frommer: „Hilf mir, Jahwe, mein Gott, erlöse mich nach deiner gemeinschaftgemäßen Treue." Er wußte sich als Gerechter, als einer, der sich seinen Mitmenschen und daher auch Gott gegenüber hesedgemäß betätigt hatte 2 , im Gegensatz zu seinem Bedränger, der sogar den Armen keinen hesed erwiesen hatte 3 . Deswegen konnte er Gott so inbrünstig bitten, seinem Widersacher keinen hesed zu erweisen4, ihm aber seiner gemeinschaftgemäßen Verhaltungsweise entsprechend zu helfen. In Ps. 43, 1 wird Gott von seinem Frommen gebeten, ihn vor seinen Bedrängern zu schützen und ihm Recht zu verschaffen; sonst& müsse er sich aus der Gottesgemeinschaft ausgestoßen fühlen: „Richte mich, Jahwe, und führe meinen Streit vor Leuten, die deiner Gemeinschaft nicht angehören (Ton hti? vjö), von Menschen des Trugs und Frevels befreie mich." V. 1 b erklärt vollauf Ton >6 ^JÖ, warum sie nicht Glieder der Gotttesgemeinschaft sein konnten. In Ps. 42, zu dem Ps. 43 die Fortsetzung bildet 6 , bittet der Fromme, dessen einziges Verlangen ist, in Gottes Gegenwart sein zu dürfen 7 , Gott, ihn aus seiner Not zu erlösen. Mit Recht scheinen ihn seine Feinde mit der Frage zu verhöhnen, wo denn sein Gott sei, der ihm hätte helfen sollen8. So fleht er V. 9 Gott an, ermöge ihm seinen hesed entbieten Die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Gottes, wonach Gott den Seinen Hilfe bringt, ersehnt er sich, — aber nicht nur der Hilfe wegen, sondern, vor allem, um die Gewißheit zu erlangen, der Gottesgemeinschaft teilhaftig zu sein. Und in seinem Gebet wird er des Heils Gottes sicher 10 . Die Phraseologie non mn1 mir wird verständlich, wenn man erkennt, daß hesed hier in der religiösen Phantasie des Beters personifiziert ist. W i e ein Bote ist Gottes hesed, den er den Seinen zur Hilfe entsendet. W i e Engel sind hesed und 'emeth, die Gott vom Himmel herab schickt, um bei den Menschen 1

Nach. D"N lies mit BUDDE (Das Buch Hiob, Göttingen 1913, z. St.)

2 Vgl. V. 4—5. Prov. 21, 21; Ps. 119, 88. 149. 159. 5 Vgl. Y . 2. * Vgl. V. 16; S. 27. 6

nn:; vgl.

Vgl. V . 12.

V g l . STAEBK, KITTEL, GUNKEL, KÖNIG, U. a.

' Vgl. Y . 2 - 3 . 8

3

» Vgl. V . 4. 10—12.

V . 9 ist in Unordnung.

M i t KITTEL, a. a. 0., z . St., BEHTHOLET, a. a. 0., z. St.,

wird nw als Jussiv zu betrachten sein.

10

Y g l . V. 6. 12; 43, 5.

IV. ncn als die gemeinschaftgemäße Verhaltlingsweise Jahwes usw.

59

seinen heiligen Willen in bezug auf die Glieder seiner Gemeinschaft auszuführen l . Menschengleich treffen sich hesed und 'emeth, sedek und salom küssen sich 2 . Auch in anderer Weise beschäftigt sich die Phantasie der Frommen mit hesed, was für sie das höchste Gut ist. Man dachte sich nicht nur Gottes hesed als mächtig und groß 8 , sondern als die ganze Erde füllend 1 und bis zum Himmel reichend 6 . Gibt es ein besseres Zeugnis für die Wichtigkeit des Begriffs hesed im alttestamentlichen Denken, als daß er in mystischer Bewunderung lebendig gestaltet wird? Im Bewußtsein, für die Gottesstadt und den Gottesdienst fromme Werke geleistet zu haben, bittet Nehemia Gott, ihm gnädig zu sein nach der Fülle seines hesed (Neh. 13, 22). Nehemia hat Gott hesed entgegengebracht. In V. 14 bezeichnet er seine frommen Taten, welche seine Gotthingegebenheit bewiesen haben, als HDn8. In pietätvoller Ehrfurcht erbat er sich dann die gemeinschaftgemäße Verhaltungsweise Gottes, welche er den Gliedern seiner Gemeinschaft widerfahren läßt. In der Formulierung seines Gebets "|"Dn noini kommt nicht nur die tiefe Pietät und Ehrfurcht Nehemias Gott gegenüber zum Ausdruck, sondern auch die Erkenntnis, daß die Gemeinschaft und der entsprechende hesed, welche Gott den Seinen gewährt, letzten Endes aus seiner Gnade erfolgen. 1

Vgl. Ps. 57, 4; 40, 12; 61, 8; Prov. 20, 28; Ps. 23, 6; 89, 15; 59, 11; 85, 11—14;

4 3 , 3 ; BRIGGS, a , a . 0 . , z u P s . 5 7 , 4 ; KESSLEB, a . a . 0 . , z u P s . 2 3 ,

6.

2

Vgl. Ps. 85, 11.

3

V g l . P s . 8 6 , 1 3 ; 1 4 5 , 8 ; N u m . 14, 1 9 ; BRIGGS, a. a. 0 . , z u P s . 8 6 ,

13.

5 Vgl. Ps. 57, 11; 108, 5; 36, 6; 103, 11. * Vgl. Ps. 33, 5; 119, 64. 6 Vgl. II. Chr. 32, 32; 35, 26. Es ist bemerkenswert, daß, was in II. Kön. 20, 20 (vgl. I. Kön. 16, 27; 22, 46; II. Kön. 10, 34; 13, 8. 12; 14, 15) im»j, in II. Chr. 32, 32 (35, 26) inen genannt wird. Es scheint, daß der Chronist die Änderung nicht nur der erbaulichen Wirkung wegen vorgenommen hat, sondern weil m n j in einem Sinne mit icn tatsächlich übereinstimmt. Genau wie in einer profanen Gemeinschaft die Mitglieder einander helfen und mit ihrer ganzen Kraft und Stärke zuweilen sich für einander einsetzen mußten, so mußten zuweilen die Frommen in ihren hesed-Taten Gott gegenüber ihre ganze Kraft für seine Sache einsetzen. Vielleicht wurde eine solche gemeinschaftgemäße Hilfetat zuerst iDn genannt, woraus dann die Bedeutung von hesed als die dem Rechts-Pflicht-Verhältnis der Gemeinschaft entsprechende Verhaltungsweise entstanden sein mag. Der Chronist wählte nicht „das doppelsinnige Wort IDH, um anzudeuten, daß die „Stärke" der beiden Könige in der Frömmigkeit lag", wie PERLES, a. a. 0., S. 89, ausführt. Er nannte die Kraft- und Machttaten Hizkijahus und Josijahus hesed-Taten, weil sie nach seiner Meinung der Gottesgemeinschaft dienten. Im ähnlichen Sinne waren die Taten Nehemias hesed-Taten.

60

III. Kap.

10n als göttliche Yerhaltungsweise.

ßß. Die Zuversicht der Gewährung des hesed Gottes. In Ps. 23, 6 lesen wir: „Nur iDni 3lts begleiten mich mein Leben lang; ich darf 'weilen' im Hause des Herrn all meine T a g e . " 1 Der Fromme hat in der Sicherheit der Gottesgemeinschaft keine Furcht vor dem Leben. Gott ist sein Führer und auch sein Wirt. In seinem Hause darf er wohnen; dort ist er geborgen. Wie im profanen Leben der Gast von dem Wirt die gemeinschaftgemäße Yerhaltungsweise hesed erwarten darf 8 , so fühlt er, dessen Seele in der innigsten Gemeinschaft mit Gott aufgeht, sich im Gottes Hause des dem Gast zukommenden hesed sicher 8 . Für ihn dem die Gemeinschaft mit Gott das höchste Gut ist, ist Gottes hesed, seine Liebe den Seinen gegenüber, mit Gottes Ditt, seiner Güte 4, vergleichbar. Dieser stillen Zuversicht reiht sich in Ps. 13, 6 das in schwersten, durch bittere Not veranlaßten seelischen Kämpfen errungene Vertrauen an Gottes hesed an: „Ich aber vertraue auf deine treue L i e b e 8 ; es freue sich mein Herz wegen deiner Hilfe 6 . Ich will dem Ewigen singen, denn er hat mir wohl getan". So gibt der Psalmist seinem kläglichen „Warum", ausgerufen wegen der Anfeindung seitens der Gottlosen, selbst Antwort. Gott wird ihm hesed erweisen, in gemeinschaftgemäßer Treue ihm zur Seite stehen und Hilfe gewähren. In Ps. 21, 8 lesen wir, daß der König, der auf Jahwe vertraut, sicher sein kann, daß er durch den hesed des Höchsten nicht wanken wird. Die Zuversicht wird ausgesprochen, daß demjenigen, der die Bedingungen der Gottesgemeinschaft erfüllt, auf ihn allein vertraut und harrt, der hesed Gottes zuteil wird, und daß er seines Beistandes gewärtig sein darf 7. In der Zuversicht, daß ihm der hesed Gottes erhalten bleibt, findet der Fromme in den schwersten Nöten des Lebens Ermutigung. So sagt der Dichter in Ps. 94, 17—18: „Wenn Jahwe nicht meine Hilfe wäre, bald ruhte meine Seele im Lande der Stille 8 ; wenn ich denke, mein Fuß kommt ins Wanken, dann stützt 9 mich Jahwe, dein hesed 1 0 ". Wie in Ps. 21, 8 ist hesed nicht Gnade, sondern die gemeinschaftgemäße Yerhaltungsweise, wonach Jahwe den Seinen in Treuen Hilfe 1

Lies 'RA»