Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen: Eine grundrechtliche Untersuchung im deutschen Wirtschaftsverfassungsrecht mit einer Erweiterung im Wirtschaftsverfassungsrecht der EG/EU [1 ed.] 9783428496372, 9783428096374

Der Autor befaßt sich mit dem grundrechtlichen Schutz der wirtschaftlich-unternehmerischen Betätigung, wobei der Schwerp

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Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen: Eine grundrechtliche Untersuchung im deutschen Wirtschaftsverfassungsrecht mit einer Erweiterung im Wirtschaftsverfassungsrecht der EG/EU [1 ed.]
 9783428496372, 9783428096374

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C H A R A L A M B O S TSILIOTIS

Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 815

Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen Eine grundrechtliche Untersuchung im deutschen Wirtschaftsverfassungsrecht mit einer Erweiterung im Wirtschaftsverfassungsrecht der EG/EU

Von Charalambos Tsiliotis

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Tsiliotis, Charalambos: Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen : eine grundrechtliche Untersuchung im deutschen Wirtschaftsverfassungsrecht mit einer Erweiterung im Wirtschaftsverfassungsrecht der EG/EU / von Charalambos Tsiliotis. - 1. Aufl. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 815) Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09637-1

D 16 Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09637-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ

Meinen Eltern Michael und Margarita Tsiliotis

Vorwort Die vorliegende Arbeit, die als Dissertation von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im April 1998 angenommen wurde, befaßt sich mit dem grundrechtlichen Schutz der wirtschaftlich-unternehmerischen Betätigung, wobei der Schwerpunkt bei der Wettbewerbsfreiheit als Freiheit zum und im Wettbewerb liegt. Dieser Schwerpunkt bezweckt zweierlei: Die Einordnung dieses grundrechtlichen Schutzes in die Problematik der Wirtschaftsverfassung und seine Anpassung an die deutsche Grundrechtsdogmatik, wie sie sich insbesondere unter der Geltung des GG durch die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung und die Lehre entwickelt hat. Bei der Einordung des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit in die Grundrechtslehre und -dogmatik nimmt seine Einwirkung auf die rechtlichen Beziehungen unter Privaten eine besondere Stellung ein. Obwohl der Verfasser die "Gefahr" des großen Umfangs der Arbeit erkannt hat, ist er der großen Versuchung erlegen, die betroffene Problematik um das Wirtschaftsverfassungsrecht der EG/EU zu erweitern. Die Behandlung der einschlägigen Fragen im deutschen Recht hat eine solche Herausforderung durchaus nahegelegt. Darüber hinaus war es für den Verfasser eine große wissenschaftliche Bereicherung, den enormen Einfluß der deutschen Grundrechtslehre auf die Konzeption und Entwicklung der Grundrechtslehre des Europäischen Rechts feststellen zu können. Für die Betreuung dieser Doktorarbeit möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Helmut Steinberger, Richter am Bundesverfassungsgericht a.D., bedanken. Ebenso bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Ulrich Beyerlin für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Paul Kirchhof, Richter am Bundesverfassungsgericht, Herrn Prof. Dr. Peter-Christian Müller-Graff, Herrn Prof. Dr. Prodromos Dagtoglou, Frau Prof. Dr. Julia Iliopoulos-Strangas, Herrn Dr. Hans-Joachim Cremer und Herrn Dr. Hans-Christian Röhl, mit denen ich besondere Fragen meiner Doktorarbeit diskutieren konnte. Für einen kleineren Teil der sprachlichen Korrekturen möchte ich mich auch bei Frau Dr. Dagmar Richter bedanken. Insbesondere bin ich meiner Freundin Uta Wancke dankbar, nicht nur für die sprachlichen Korrekturen meiner Dissertation, sondern auch für die moralische Unterstützung, die sie mir in den Jahren meines Aufenthaltes in Heidelberg gegeben hat.

8

Vorwort

Bei meinen Recherchen bezüglich Literatur und Rechtsprechung, die bis einschließlich August 1998 berücksichtigt wurden, habe ich oftmals von der Bibliothek des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg Gebrauch gemacht. Dafür möchte ich mich bei dem Bibliotheksdirektor des Instituts, Herrn Schwietzke, bedanken. Einen großen Teil der Doktorarbeit hat die Friedrich-Naumann-Stiftung finanziert, deren Stipendiat ich war. Dafür möchte ich mich ebenfalls an dieser Stelle bedanken. Der größte Dank gilt jedoch meinen Eltern, Michael und Margarita Tsiliotis, denen die Arbeit auch gewidmet ist, für all das, was sie mir bezüglich meiner Ausbildung ermöglicht haben.

Athen/Heidelberg im Herbst 1999

Charalambos

Tsiliotis

Inhaltsverzeichnis Einführung

29

Α. Der Wettbewerb als wissenschaftlicher und soziologischer Begriff.

29

B. Begriffsdefinition des wirtschaftlichen Wettbewerbs

30

Erster Teil Die Rechtslage in Deutschland A. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung I. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes

32 32 32

1. Begriff der Wirtschaftsverfassung

32

2. Die Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes

33

a) Inhalt

33

b) Der "Streit" um den Charakter der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung 35 aa) Der Diskussionsstand

35

α) Die These Nipperdeys

35

ß) Die Theorie der "gemischten Wirtschaftsverfassung"

36

γ) Die Lehre Abendroths

37

δ) Die Lehre der "wirtschaftspolitischen Neutralität des GG" oder der "Garantie der wirtschaftsrechtlichen Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers" 37 bb) Bilanz der Diskussion - Stellungnahme c) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Marktgarantie?

39 41

3. Die Wettbewerbsfreiheit als besondere Ausprägung der verfassungsrechtlich geschützten Wirtschaftsfreiheit 47 II. Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsrecht 1. Die Quellen des Wettbewerbsrechts (i. w. S.)

49 49

10

Inhaltsverzeichnis a) Das Wettbewerbsrecht i. e. S

50

aa) Die gesetzlichen Normen

50

bb) Der Schutzzweck des UWG

51

cc) Das Wettbewerbsverhältnis

53

b) Das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellrecht)

54

aa) Nationales Recht - das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 54 α) Entstehungsgeschichte des GWB

54

ß) Inhalt und Systematik des GWB

55

γ) Der Schutzzweck des GWB

55

δ) Das Verhältnis des GWB zu dem UWG und seine Bedeutung für das Wettbewerbsrecht (i. w. S.) 57 bb) Das Kartellrecht der EG/EU

58

2. Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Quellen des Wettbewerbsrechts (i.w. S.) 58 B. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik I. Die verfassungsrechtliche Definition der Wettbewerbsfreiheit

59 60

1. Ihr Begriff

60

2. Ihre verfassungsrechtliche Natur

61

a) Problemstellung

61

b) Die älteren Meinungen

62

c) Die neuere Meinung

63

3. Die Wettbewerbsfreiheit als subjektives Abwehrgrundrecht II. Schutzbereich

68 70

1. Problemstellung

70

2. Sachlicher Schutzbereich

72

a) Die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG als grundrechtliches Fundament der Wettbewerbsfreiheit 72 aa) Der Begriff "Beruf ' i. S. d. Art. 12 I GG

72

α) Der Berufsbegriff in der Rechtsprechung des BVerfG

72

ß) Kritik und alternative Vorschläge

73

γ) Stellungnahme

74

Inhaltsverzeichnis bb)Die Berufsfreiheit als in Art. 121 GG garantiertes einheitliches Grundrecht 79 cc) Die ausfuhrliche Inhaltsbestimmung des Schutzbereiches der Wettbewerbsfreiheit 80 α) Positive Bestimmung des Schutzbereichs

80

ß) Negative Bestimmung des Schutzbereichs

88

b) Wettbewerbsfreiheit und Eigentum

91

aa) Das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als Eigentumsrecht 92 bb)Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit und das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" 96 cc)Die Abgrenzung der Art. 12 und 14 GG im Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit 101 c) Die Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 I GG 102 aa) Art. 9 I GG als Garantie der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit 102 bb) Die Wettbewerbsfreiheit im Schutzbereich der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit 105 d) Wettbewerbsfreiheit und Art. 5 I GG aa) Wettbewerbsfreiheit und wirtschaftliche Werbefreiheit

107 107

bb) Wirtschaftliche Werbefreiheit als Meinungsfreiheit i. S. d. Art. 5 I GG 108 α) Die These des Schrifttums und der Rechtsprechung

108

ß) Stellungnahme

111

e) Wettbewerbsfreiheit und Gleichheitssatz

114

aa) Problemstellung

114

bb) Der verfassungsrechtliche Sinn des Gleichheitssatzes

114

cc) Das Gleichheitsgebot im wirtschaftlichen Wettbewerb

116

f) Ist Art. 2 I GG einschlägig? 3. Persönlicher Schutzbereich

119 120

a) Problemstellung

120

b) Die Privaten als Träger der Wettbewerbsfreiheit

120

aa) Natürliche Personen α) Wettbewerbsfreiheit für Nicht-Deutsche?

120 120

12

Inhaltsverzeichnis β) Wettbewerbsfreiheit für Minderjährige oder Wettbewerbsfreiheitsmündigkeit? 125 bb) Juristische Personen und andere Personenvereinigungen c) Die öffentliche Hand als Träger der Wettbewerbsfreiheit?

127 132

aa) Die allgemeine Problematik der Grundrechtsträgerschaft der öffentlichen Hand 132 bb) Die öffentlich-wirtschaftliche Tätigkeit - Problemstellung

135

cc) Die öffentlich-wirtschaftliche Tätigkeit als Frage der Grundrechtsberechtigungsproblematik gemäß der Rechtsprechung des BVerfG 136 α) Die öffentlichen Unternehmen

137

ß) Die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen

139

γ) Zwischenergebnis

140

dd) Stellungnahme

141

α) Prinzipiell keine Grundrechtsberechtigung für die öffentliche Hand 141 ß) Keine Wettbewerbsfreiheit für die öffentlichen Unternehmen

142

γ) Wettbewerbsfreiheit für gemischtwirtschaftliche Unternehmen? ..145 III. Die Grundrechtsadressaten der Wettbewerbsfreiheit

147

1. Problemstellung

147

2. Die Bindung der Gesetzgebung an die Wettbewerbsfreiheit

149

3. Die Bindung der vollziehenden Gewalt an die Wettbewerbsfreiheit

150

a) Der Begriff "vollziehende Gewalt" i. S. d. Art. 1 III GG

150

b) Grundrechtsbindung der Verwaltung in ihrer privatrechtlichen Handlung? 152 aa) Grundrechtsbindung im Bereich des sog. Verwaltungsprivatrechts. 152 bb) Grundrechtsbindung der Verwaltung nach dem Abschluß der Bedarfsdeckungs(hilfs)geschäfte 154 cc) Grundrechtsbindung der Verwaltung in ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit 155 dd) Sonderproblem der Grundrechtsbindung: Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der öffentlichen erwerbs- und sozial wirtschaftlichen, wettbewerblichen Betätigung als Grundrechtsbindungsfrage 156 IV. Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit

161

Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines

161

a) Der Begriff "GrundrechtseingrifP als Terminus technicus in der Grundrechtslehre 161 b) Abgrenzung des Begriffs Begriffen

"Grundrechtseingriff'

von anderen 163

c) Der Begriff "Grundrechtseingriff' im heutigen grundrechtsdogmatischen Verständnis 166 2. Die Eingriffe in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit a) Art. 12 GG

169 171

aa) Die "klassischen" Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem Modell der "Dreistufentheorie" 172 α) Eingriffe in das Verhalten im Wettbewerb (Wettbewerbsfreiheit i. e. S.) 172 ß) Eingriffe in die freie Berufswahl als subjektive Beschränkungen der Freiheit zum Wettbewerb 175 γ) Eingriffe in die freie Berufswahl als objektive Beschränkungen der Freiheit zum Wettbewerb 177 bb) Kritik der "Dreistufentheorie" in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit 178 cc) Sonderprobleme der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit

179

α) Die Normen des Unlauterkeitsrechts

179

ß) Das Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

183

αα) Allgemeine Problematik

183

ßß) Die einzelnen Vorschriften des GWB

185

γ) Die öffentlichen Monopole

188

dd) Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen grundrechtsdogmatischen Verständnis 194 α) Eingriffe durch steuerrechtliche Normen

194

ß) Eingriffe durch Förderung

196

αα) Eingriff durch Subventionierung ααα) Die Subventionierung als Berufslenkungsmittel

197 197

ßßß) Die Subventionsförderung als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen Eingriffsverständnis.. 200

14

Inhaltsverzeichnis γγγ) Die neuere Rechtsprechung des BVerfG und BVerwG zu der Frage der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen Eingriffsverständnis 206 ßß) Kein "Eingriff durch neuen Wettbewerb"

210

γγ) Andere Eingriffe durchfördernde staatliche Tätigkeit

213

γ) Neue Eingriffstypen in die Wettbewerbsfreiheit nach den neuen Entwicklungslinien der Rechtsprechung 214 αα) Eingriff durch Ausnahmebefreiung von einer Einschränkung 214 ßß) Eingriff durch Nicht-Anerkennung einer beruflichen Qualifikation 215 yy) Eingriff durch Nicht-Aufnahme auf eine berufliche Liste

216

δδ) Eingriff durch eine Subventionsrichtlinie

217

εε) Zwischenergebnis

218

δ) Eingriff durch Information und Warnung

220

αα) Allgemeines

220

ßß) Das Transparenzlisten-Urteil des BVerwG

221

γγ) Das Diethylenglykolweine-Urteil des BVerwG

223

δδ) Zwischenergebnis - Stellungnahme

226

εε) Eingriff durch Produktkennzeichnung

231

ζζ) Der Streit um den Topos der Finalität als Eingriffskriterium.. 232 ααα) Die Rechtsprechung des BVerwG

232

ßßß) Einschätzung - Kritik

235

γγ/) Stellungnahme

237

ε) Eingriff durch öffentlichen Wettbewerb

239

αα) Allgemeines

239

ßß) Die Ansicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit

240

γγ) Kritik - Stellungnahme

241

δδ) Zwischenergebnis

246

ee) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der auf die Berufsfreiheit bezogenen Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit 248 α) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG

248

Inhaltsverzeichnis αα)... und die sog. "klassischen" Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit 248 ßß)... und die sog. Wesentlichkeitstheorie ααα) Problemstellung

252 252

ßßß) Die Wesentlichkeitsdoktrin und die Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit 255 yy)... und die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen Grundrechtseingriffsverständnis 258 ααα) Gesetzesvorbehalt und "Eingriffe durch Subventionierung" 259 ßßß) Gesetzesvorbehalt und "Eingriffe durch öffentlichen Wettbewerb" 265 yyy) Gesetzesvorbehalt und "Eingriffe durch Information und Warnung" 269 δδδ) Gesetzesvorbehalt und andere neue Eingriffstypen

274

δδ) ... und die grundrechtlich nicht geschützten Interessen der Wettbewerbsteilnehmer 275 ß) Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Eingriffe in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit.. 277 αα) Begründung und Inhalt

277

ßß) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die sog. Dreistufentheorie 279 ααα) Die "Dreistufentheorie" als konkretisierte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips 279 ßßß) "Legitime Zwecke" als Rechtfertigung der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit 280 yyy) Die Geeignetheits-, Erforderlichkeits- und Proportionalitätsprüfung der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit 286 b) Art. 14 GG

293

aa) Inhalts- und Schrankenbestimmungen

294

bb) Enteignung

297

cc) Besondere Probleme der Eingriffe in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit 299 α) Der enteignungsgleiche und enteignende Eingriff

299

ß) Eingriff durch Besteuerung?

304

16

Inhaltsverzeichnis αα) Die bisherige Rechtsprechung des BVerfG

304

ßß) "Grundfreibetrag" und "Vermögenssteuer": Wende oder Konkretisierung der Rechtsprechung? 305 γγ) Kritik - Stellungnahme

306

δδ) Eingriff durch Besteuerung nach dem modernen Eingriffsverständnis? 308 γ) Eingriff durch öffentliche wirtschaftliche Betätigung?

309

aa)Das Eigentum und die öffentliche Teilnahme am Wettbewerb im Lichte der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung 310 ßß) Der Anschluß- und Benutzungszwang im Lichte der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG 311 yy ) Kritik - Stellungnahme

312

δ) Eingriff durch Subventionierung?

314

ε) Eingriff durch Information und Warnung?

317

dd) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

321

α) Das "Sozialmodell" des Art. 14 I, II GG und der Gesetzesvorbehalt 321 ß) Die Regelungen des Art. 14 III GG

324

γ) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs? 326 δ) Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 141 1 GG 328 c) Art. 9 GG

332

aa) Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 9 I GG

332

bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

334

d) Art. 5 GG

335

aa) Die Eingriffe in die Wettbewerbs- bzw. Werbefreiheit aus Art. 5 I 1 GG 335 bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung α) Die Schrankenregelungen des Art. 5 II GG

339 339

ß) Die Schranken des Art. 5 II GG und die "immanenten Grundrechtsschranken" 343

Inhaltsverzeichnis γ) Die "Wechselwirkungslehre" des BVerfG und die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ftir die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG 346 e) Art. 3 GG aa) Problemstellung

349 349

bb) Eingriffsarten in eine Wettbewerbslage mit dem Gleichheitssatz als Prüfungsmaßstab 351 α) Eingriffe durch steuerrechtliche Ungleichbehandlung

351

ß) Eingriffe durch Subventionierung

353

γ) Eingriffe durch öffentlichen Wettbewerb

354

δ) Eingriffe durch Vergabe von öffentlichen Aufträgen

356

ε) Eingriffe durch Information und Warnung

358

ζ) Eingriffe im Bereich des Gewerbe- und Berufsrechts

358

cc) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung? α) Problemstellung

359 359

αα) Entwicklungslinien der Rechtsprechung des BVerfG - aus der Willkürverbotskontrolle zu der "neuen Formel"? 359 ßß) Die Rechtsprechung der beiden Senate des BVerfG im Vergleich - Verhältnismäßigkeitsprüfung mit oder auch ohne "neue Formel"? 365 ß) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der

366

αα)... Eingriffe aus steuerlicher Ungleichbehandlung

366

ßß) ... Eingriffe durch Subventionierung

369

yy)... Eingriffe durch öffentlichen Wettbewerb

371

δδ)... Eingriffe durch Vergabe öffentlicher Aufträge

372

εε)... Eingriffe durch Information und Warnung

373

ζζ) ... Eingriffe im Gewerbe- und Berufsrecht

373

V. Die Wettbewerbsfreiheit in der Problematik des Verhältnisses der Grundrechte untereinander 374 1. Die Wettbewerbsfreiheit in der Problematik der Grundrechtskonkurrenzen 375 a) Problemstellung

375

b) Die Wettbewerbsfreiheit als Musterbeispiel der Grundrechtskonkurrenzen 381 2 Tsiliotis

18

Inhaltsverzeichnis aa) Das Konkurrenzverhältnis zwischen Freiheitsrechten untereinander am Beispiel der Wettbewerbsfreiheit 381 α) Art. 2 I GG und die speziellen Grundrechte

381

ß) Das Konkurrenzverhältnis der Art. 12 I und 14 I GG untereinander 383 γ) Das Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 121, 141 GG und Art. 9 I GG 389 δ) Das Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 121, 141 GG und Art. 5 I 1 GG 389 ε) Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 12 I, 14 I GG und den Grundrechten aus Art. 5 I 2 GG 391 ζ) Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 12 I, 14 I GG und Art. 11 I GG 394 η) Das Konkurrenzverhältnis der Art. 121, 141 GG zu anderen Grundrechten 395 bb) Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Freiheitsrechten und den Gleichheitsrechten am Beispiel der Wettbewerbsfreiheit 398 cc) Allgemeine Würdigung der Grundrechtskonkurrenzlehre

402

2. Die Wettbewerbsfreiheit in der Problematik der Grundrechtskollisionen .. 402 a) Problemstellung

402

aa) Begriff

402

bb) Grundrechtskollisionen und die "Immanenzlehre" des BVerfG

404

cc) Instrumente und Kriterien der Grundrechtskollisionslösungen

407

dd) Allgemeine Würdigung der Grundrechtskollisionslehre

413

b) Die Wettbewerbsfreiheit als Musterbeispiel der Grundrechtskollisionen 414 aa) Allgemeines

414

bb) Die Kollision der Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten untereinander 414 cc) Die Kollisionen der Wettbewerbsfreiheit mit Grundrechten anderer 418 α) Wettbewerbsfreiheit vs. Verbraucher(grund)rechte

418

ß) Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber vs. Grundrechte der Arbeitnehmer 421 γ) Wettbewerbsfreiheit vs. Grundrechte von Dritten

426

Inhaltsverzeichnis aa)Die Wettbewerbsfreiheit als "Störer" der Ausübung von Grundrechten Dritter in einer Grundrechtskollision 427 ßß) Die Grundrechte Dritter als "Störer" bei der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit in einer Grundrechtskollision 430 δ) Wettbewerbsfreiheit vs. Gleichheitsrechte

433

dd) Die Kollisionen der Wettbewerbsfreiheit mit anderen Verfassungsgütern 433 VI. Die Wettbewerbsfreiheit in der Problematik der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates 436 1. Problemstellung

436

2. Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates als Frage der Grundrechtslehre 436 a) Konzeption und verfassungsrechtliche Begründung - die Frage nach dem "Ob" 436 aa) Die Rechtsprechung des BVerfG

436

bb) Die Literatur

439

cc) Zwischenergebnis - Stellungnahme

440

b) Adressaten und Berechtigte der Schutzpflicht aa) Adressaten

444 444

α) Die Legislative

444

ß) Die Exekutive

445

γ) Die Judikative

447

bb) Die Schutzpflichtberechtigten c) Grundrecht auf Schutz?

450 450

aa) Die grundrechtliche Schutzpflicht im Verhältnis zum negativen Abwehr- und zum positiven Leistungsgrundrecht 450 bb) Von der objektivrechtlichen Schutzpflicht zu dem subjektivrechtlichen Recht auf Schutz 452 d) Tatbestand der Schutzpflicht

454

aa) Gegenstand

454

bb) Inhalt - die Frage nach dem "Wann" und dem "Wie"

455

e) Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates und Grundrechtskollisionen 460 3. Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für die Wettbewerbsfreiheit? ... 466

20

Inhaltsverzeichnis a) Konzeption einer Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit - Problemstellung 467 b) Schutzpflicht im grenzüberschreitenden Wettbewerb?

468

aa) Schutzpflicht nach dem Territorialkriterium?

468

bb) Schutz vor dem Wettbewerb ausländischer Konkurrenten?

469

cc) Schutz gegenüber auswärtigen Staaten?

473

α) Die Rechtsprechung des BVerfG

473

ß) Stellungnahme

474

c) Die staatliche Erfüllung der Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit im Wettbewerbsrecht i. w. S

476

aa) Insbesondere die Rolle des GWB und UWG

476

bb) Verfassungsrechtliche Grundlage

479

d) Schutz vor Fremdbestimmung im Wettbewerb? aa) Das Problem der Wettbewerbsbeschränkungen

480 481

bb) Das Problem des Wettbewerbsverbots 481 α) Die Rechtsprechung des BVerfG unter besonderer Berücksichtigung des sog. Handelsvertreter-Urteils 482 ß) Anmerkung - Stellungnahme: Abwehr- oder Schutzrecht?

485

e) Sonderprobleme der staatlichen Pflicht zum Schutz der Wettbewerbsfreiheit 489 aa) Schutz durch materielle Leistung?

490

α) Das sog. Zweitregister-Urteil des BVerfG als Ausschnitt aus seiner Schutzpflichtrechtsprechung - Anmerkung 490 ß) Das sog. Zweitregister-Urteil des BVerfG und die Schutzpflicht durch materielle Leistung für die Wettbewerbsfreiheit 491 bb) Schutzpflicht gegen die Wettbewerbsfreiheit

493

cc) Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates und das Staatsziel Umweltschutz des neuen Art. 20 a GG 494 C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

495

I. Die allgemeine Problematik der Grundrechtswirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen 495 1. Das Konzept der sog. Drittwirkungslehre

495

2. Abgrenzung der sog. Drittwirkungslehre von anderen benachbarten Fragestellungen 497

Inhaltsverzeichnis 3. Die wichtigsten "Drittwirkungstheorien"

499

a) Die Frage nach dem "Ob" einer "Drittwirkung"

499

b) Die sog. "unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte"

500

aa) Die These Nipperdeys

500

bb) "Unmittelbare Drittwirkung" gegenüber sozialer Macht oder Gewalt 501 c) Die Lehre der sog. mittelbaren Drittwirkung oder Austrahlungswirkung der Grundrechte 502 aa) Die These Dürigs

502

bb) Die "Ausstrahlungswirkungsthese" des BVerfG

503

α) Die Rechtsprechung des BVerfG unter besonderer Berücksichtigung des sog. Lüth-Urteils als Leitentscheidung 503 ß) Die Fortsetzung und Entwicklung der Lüth-Rechtsprechung

506

d) Die Theorie Schwabes

509

e) Stellungnahme

510

4. Überprüfung einer eventuellen Anwendung von Sonderproblemen der allgemeinen Grundrechtslehre in bezug auf die privatrechtlichen Beziehungen - Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und 519 a)... Grundrechtskollisionen

519

b)... Vertragsfreiheit

520

c)... Verhältnismäßigkeitsprinzip

525

d)... Wechselwirkungslehre

527

e)... Schutzpflicht des Staates

528

II. Die Einwirkung des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit auf die wettbewerbsrechtlichen Beziehungen zwischen Privaten 529 1. Die Einwirkung der Wettbewerbsfreiheit auf die rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Privaten 529 a) Besondere Berücksichtigung des Problems des Wettbewerbsverbots.... 529 aa) Das Wettbewerbsverbot der Gesellschafter bzw. Organmitglieder von Gesellschaften 530 α) Allgemeine Problematik

530

ß) Die Rechtsprechung des BGH und der unteren Zivilgerichte

532

bb) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Übernahme eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Praxis 536

Inhaltsverzeichnis cc) Sonstige vertragliche Wettbewerbseinschränkungen Gewerbetreibender 539 dd) Die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH im Vergleich b) Wettbewerbsfreiheit und Arbeitsverhältnis aa) Allgemeines

541 546 546

bb) Die Einwirkung der Grundrechte bei dem Abschluß des Arbeitsvertrags (Einstellung) 548 cc) Die Einwirkung der Grundrechte bei der Bestimmung des Vertragsinhalts, der Vertragserfüllung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 550 c) Die Einwirkung der Grundrechte auf die wettbewerbsrechtlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des GWB 554 aa) Allgemeines

554

bb) Die öffentliche wirtschaftliche Tätigkeit, das Diskriminierungsverbot i. S. d. § 26 II GWB und die Grundrechte: Ausstrahlungswirkung oder Grundrechtskonkretisierung? 556 cc) Die Einwirkung der Grundrechte auf das Diskriminierungsverbot des §26 II GWB 561 2. Die Einwirkung der Wettbewerbsfreiheit auf die außergeschäftlichen Beziehungen zwischen Privaten 565 a) Die Einwirkung der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit auf den § 1 UWG 565 aa) Allgemeines

565

bb) Wettbewerbs- als Werbefreiheit und Privatsphäre

566

cc) Neue Aspekte in der Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf den § 1 UWG - die neue Rechtsprechung des BGH 570 α) Das sog. Busengrapscher/Schlüpferstürmer-Urteil

570

ß) Die sog. Benetton-Rechtsprechung

573

αα) Die Benettonwerbung im Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit als Meinungsäußerungsfreiheit i. S. d. Art. 5 I 1 GG? 573 ßß) Die Benettonwerbung, der § 1 UWG und die Wechselwirkungslehre 575 γγ) Benettonwerbung und "Drittwirkung" der Grundrechte?

576

δδ) Sitten- bzw. Wettbewerbswidrigkeit der Benettonwerbung?.. 577

Inhaltsverzeichnis εε) Benettonwerbung und Menschenwürde ζζ) Benettonwerbung und Art. 12 I, 14 I 1 GG γ) Die "Feuer, Eis & Dynamit'-Rechtsprechung

580 583 585

b) Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung der Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und der Wettbewerbsfreiheit andererseits auf die Generalklauseln des Privatrechts 588 aa) Allgemeines

588

bb) Die grundrechtliche Stellung der Adressaten eines Boykottaufrufs. 589 cc) Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs 590 α) Die einfachrechtlichen Grundlagen als Einbruchstellen der Grundrechte in das einfache Recht bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs 591 ß) Die Rechtsprechung des BVerfG

592

αα) Darstellung

592

ßß) Einschätzung

596

γ) Die Rechtsprechung des BGH und der unteren Zivilgerichte in einem Vergleich zu derjenigen des BVerfG 598 dd) Neue Aspekte bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte 601 α) Problemstellung

601

ß) Dialogpflicht und Einflußgleichheit zwischen den Streitparteien als Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs?.. 602 γ) Verhältnismäßigkeitsprüfung der Boykottmaßnahme unter neuen Aspekten? 603

Zweiter Teil Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassungsordnung A. Das europäische Verfassungsrecht

608 609

I. Konzeption

609

II. Quellen und Inhalt

611

1. Geschriebenes Verfassungsrecht

611

2. Ungeschriebenes Verfassungsrecht

612

24

Inhaltsverzeichnis 3. Entwicklung des europäischen Verfassungsrechts nach dem EU-Vertrag.. 614

B. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

616

I. Allgemeines

616

II. Inhalt

617

1. Das geschriebene Wirtschaftsverfassungsrecht der EG a) Die Wirtschaftsverfassung des ursprünglichen EWGV

617 617

b) Die Wirtschaftsverfassung des EWGV nach dem Inkrafttreten der EEA 619 c) Die Wirtschaftsverfassung des EGV nach dem EUV 2. Das ungeschriebene Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft III. Der Charakter der Wirtschaftsverfassung der EG

620 621 622

1. Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft im Verhältnis zur Gemeinschaft 622 2. Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten 624 a)... allgemein

624

b)... vor dem EUV

624

c)... nach dem EUV

627

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht I. Der Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht

630 630

1. Allgemein

630

2. Konzeption und Grundlagen

631

a) Konzeption des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes durch das Richterrecht der EuGH-Rechtsprechung 631 b) Die Regelungen des EGV

634

3. Umfang und Tragweite der Rechtserkenntnisquellen des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes 637 a) Begriff und Inhalt der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts 637 b) Die Bedeutung der EMRK für die Bestimmung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht und ihre Beziehung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts 640 c) Die Rechtserkenntnismethode bezüglich der Gemeinschaftsrechtsgrundrechte unter besonderer Berücksichtigung der sog. wertenden Rechtsvergleichung 643

Inhaltsverzeichnis d) Die Bedeutung des sog. Soft Law der Gemeinschaft, der Präambel der EEA und des Art. F II EUV fiir den Grundrechtsschutz der Gemeinschaft 647 II. Die Wettbewerbsfreiheit im Grundrechtssystem der Gemeinschaftsordnung. 650 1. Das Grundrecht Wettbewerbsfreiheit im Sinne des europäischen Gemeinschaftsrechts 650 2. Die Rechtsprechung des EuGH

651

3. Die Rechtsgrundlagen für die Ableitung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts "Wettbewerbsfreiheit" 653 a) Die Wettbewerbsfreiheit als allgemeiner Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung 654 aa) Die Berufs-, Gewerbe- und Handelsfreiheit als Fundamente der Wettbewerbsfreiheit 654 bb) Die Wettbewerbsfreiheit als Eigentumsfreiheit

658

cc) Die Wettbewerbsgleichheit und der allgemeine Gleichheitssatz

661

dd) Die Wettbewerbs- bzw. Werbefreiheit als Meinungsfreiheit

665

b) Der grundrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Rahmen des EGV 669 aa) Die Wettbewerbsfreiheit in den Grundfreiheiten des EGV

669

α) Allgemeines

669

ß) Die Warenverkehrsfreiheit

670

γ) Die Niederlassungsfreiheit

671

δ) Die Dienstleistungsfreiheit

672

ε) Die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit

672

bb) Die Wettbewerbsfreiheit Art. 85 ff. EGV

und die Wettbewerbsregeln der 673

α) Das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen

673

ß) Das Beihilfeverbot

675

4. Die Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit

676

a) Die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung.... 676 aa) Die Schranken

676

bb) Die Schranken-Schranken

678

b) Die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln

681

5. Die Grundrechtsbindung an die Wettbewerbsfreiheit

682

Inhaltsverzeichnis a) Allgemeines

682

b) Bindung der Mitgliedstaaten an die Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung? 683 aa) Die Rechtsprechung des EuGH

683

bb) Kritik - Erläuterung

686

cc) Eigene Position

694

c) Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Wettbewerbsfreiheit als grundrechtsähnliche Freiheit? 697 6. Abgrenzung der Rechtsgrundlagen der Wettbewerbsfreiheit

697

a) Konkurrenzen zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten 697 b) Kollisionen zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten 700 7. "Drittwirkung" der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht?

703

a) Allgemeine Problematik

703

aa) "Drittwirkung" der Grundfreiheiten und anderen EGV-Vorschrif ten 703 bb) "Drittwirkung" der Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung? 707 b) Die "Drittwirkung" der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht.... 709 aa) "Drittwirkung" der Grundfreiheiten

Wettbewerbsfreiheit

als

Ausfluß

der 709

α) Allgemeines

709

ß) "Drittwirkung" der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit.. 709 bb) Die "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit "Drittwirkungsfrage"

als besondere

α) Warenverkehrsfreiheit contra Gemeinschaftsgrundrechte

710 711

αα) "Buy national "-Werbekampagnen und "Drittwirkung" der Waren Verkehrsfreiheit 712 ßß) Boykottaufruf-Kampagne und "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit 715 γγ) Sonstige Fälle einer "Drittwirkung" der Waren verkehrsfreiheit 715 δδ) Die Frage nach der Rechtfertigung der privaten Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit 716

Inhaltsverzeichnis β) "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit und Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums nach Art. 36 EGV: Ausstrahlungswirkung der Warenverkehrsfreiheit auf das innerstaatliche Privatrecht? 721 cc) Die Abgrenzung der Grundfreiheiten von den Wettbewerbsregeln der Art. 85 f. EGV bei der "Drittwirkungsfrage" 724 dd) "Drittwirkung" der Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht? 727 D. Schlußergebnis

727

Dritter Teil

Deutsche Grundrechtslehre und Gemeinschaftsrechtsordnung

Thesen

730

734

Erster Teil

734

Zweiter Teil

742

Dritter Teil

745

Literaturverzeichnis

746

Wichtige Urteile

791

A. Bundesverfassungsgericht

791

B. Bundesverwaltungsgericht

792

C. Bundesgerichtshof

793

D. Europäischer Gerichtshof

794

Sachwortverzeichnis

796

Einführung

Α. Der Wettbewerb als wissenschaftlicher und soziologischer Begriff Was ist Wettbewerb? Diese Frage, die viele Theoretiker und Praktiker der verschiedensten Wissenschaften beschäftigt hat, ist nicht einfach zu beantworten. Man sollte zunächst definieren, in welchem Bereich des menschlichen Handelns man das Phänomen Wettbewerb ansiedeln möchte, denn er ist i m Sport, in der Wissenschaft, in der Politik, in der Wirtschaft, sowie in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Aktivitäten vorstellbar 1 . I m gängigen Sprachgebrauch wird der Begriff "Wettbewerb" in dem Sinne verstanden, daß es "ein Verhalten mehrerer Personen ist", das dadurch gekennzeichnet ist, "daß eine Person etwas zu gewinnen strebt, was auch eine andere zur gleichen Zeit zu gewinnen strebt" 2 . Soziologisch betrachtet hängt der Begriff mit dem Streben des Menschen zusammen, durch sein persönliches Engagement die beste Leistung und dadurch die entsprechende Würdigung in seinem Beruf, seiner Wissenschaft, letzten Endes in der Gesellschaft selbst zu erreichen. Seine Befürworter verbinden den Wettbewerb mit Fortschritt, denn der Antagonismus zwischen mehreren Konkurrenten bezüglich des Erreichens eines Zieles, das bisher durch einen einzelnen alleine eben nicht erreichbar war, könne es einfacher, schneller und effektiver in erreichbare Nähe bringen. Ist dieses Ziel schließlich erreicht, so profitiert davon nicht nur der einzelne (Wohl des einzelnen), sondern auch die Allgemeinheit (Allgemeinwohl) 3 . Seine Gegner hingegen werten ihn als Ausfluß der menschlichen Eitelkeit und Selbstsucht. Das Streben nach dem "Besten" bedeute nichts anderes als die Verwirklichung der egoistischen und materialistischen Tendenz des Menschen, nämlich mit jedem Mittel über seine Mitmenschen zu herrschen 4.

1

Helmstädter, in: FS Benisch, S. 18. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg. Rd. 1 ; vgl. auch Hayek , Individualismus, S. 127. 3 Vgl. Hoppmann, in: ORDO 1990, S. 5 f.; Vanberg, Wettbewerb in Markt und Politik, S. 11, unter Hinweis auf Böhm, in: Stützel u. a. (Hg.), Grundtexte, S. 135 ff.; vgl. ferner Isensee, in: HdDStR, V, § 115, Rd. 252. 2

30

Einführung

Es wäre sehr interessant, sich mit dem philosophischen oder soziologischen Charakter des Wettbewerbs auseinanderzusetzen oder sich mit der Art und Weise des Wettbewerbs in den verschiedenen Bereichen zu befassen, aber das soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Was hier von Belang ist, ist der wirtschaftliche Wettbewerb und die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebende Freiheit seiner Subjekte, an ihm teilzunehmen sowie ihre verfassungsrechtliche Möglichkeit, Gebrauch von dieser Freiheit zu machen.

B. Begriffsdefinition des wirtschaftlichen Wettbewerbs Auch wenn man sich nur auf den wirtschaftlichen Wettbewerb konzentrieren möchte, können die Probleme nicht vermieden werden, die die allgemeine Definition des Begriffes "Wettbewerb" mit sich bringt, 5 denn die Gesetze, die ihn zum Gegenstand haben, definieren ihn kaum ausdrücklich, sondern setzen seine Definition voraus 6. Seit dem Beginn des Jahrhunderts wurde von Rechtswissenschaftlern, insbesondere nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), mehrmals versucht, seinen Begriff genau zu definieren. 7 Deshalb kann nunmehr das Risiko getragen und versucht werden, den wirtschaftlichen "Wettbewerb" als "das selbständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender Anbieter oder Nachfrager (Mitbewerber) nach Geschäftsverbindung mit Dritten (Kunden) durch Inaussichtstellen möglichst günstiger Geschäftsbedingungen" zu definieren 8. Aus dieser Definition ergibt sich, daß zwei Arten von Wettbewerb unterschieden werden können: 1. Den Wettbewerb unter Anbietern bezüglich der Verwertung ihrer Produkte auf einem bestimmten Markt und

4 Vgl. die Darstellung der Argumente der Wettbewerbskritiker bei Hoppmann, in: ORDO 1990, S. 6 ff. 5 Hoppman, Wirtschaftsordnung, S. 235 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 2; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg. Rd. 2 ff. 6 Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 195. 7 s. u. a. Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Drucksache 1158, 3644; Behrens, in: NJW 1958, S. 481 ff.; Knöpfte, Der Rechtsbegriff, S. 97 ff., wo er die Theorienentwicklung bezüglich der Definition des Begriffes "Wettbewerb" seit dem ORDOliberalen Wettbewerbsbegriff der Freiburger Schule mit weiteren Nachweisen darstellt; Hoppmann, Wirtschaftsordnung, S. 235 ff. 8 So Bor char dt/Fikentscher, in: Fikentscher, Recht und wirtschaftliche Freiheit,

S. 15; vgl. auch Brugger, in: WuW 1959, S. 477; Benisch, in: WuW 1960, S. 844.

Β. Begriffsdefinition des wirtschaftlichen Wettbewerbs

31

2. den Wettbewerb unter Nachfragern, der den Erwerb der angebotenen Produkte auf einem bestimmten Markt betrifft 9 . Der Wettbewerb unter Anbietern, der hier von Interesse ist, liegt vor, wenn der einzelne Unternehmer zwei oder mehrere Mitbewerber hat, mit denen er beim Abschluß von Geschäften mit Dritten (Marktpartnern oder Kunden) konkurrieren kann 10 . Die Marktpartner müssen Alternativen bezüglich Preis, Qualität, Service und - warum nicht? - persönlichen Beziehungen und Präferenzen 11 bei dem wettbewerblichen Verhalten der Anbieter zur Auswahl haben12. Dieses Verhalten wird erst dadurch gestaltet, daß der eine Anbieter sein Angebot auf dem Markt durchzusetzen und das Angebot eines anderen Anbieters (Konkurrenten) vom Markt zu verdrängen versucht. Diese Beziehung zwischen Konkurrenten und Kunden wird in der Terminologie des Wettbewerbsrechts "Wettbewerbsverhältnis" genannt13.

9

Vgl. Helmstädter, in: FS Benisch, S. 18; weiterhin Himmler, Öffentlich-rechtliche Wettbewerbsbeschränkungen, S. 20. 10 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 4. 11 Für diese Unterscheidung des Wettbewerbsproblems s. bei Himmler, Öffentlichrechtliche Wettbewerbsbeschränkungen, S. 20. 12 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 4. 13 s. auch unten sub II 1 a cc. Himmler, Öffentlich-rechtliche Wettbewerbsbeschränkungen, S. 20, beschreibt unter Vorbehalten noch eine dritte Wettbewerbsart, die unter Anbietern und Nachfragern besteht, damit diese die bestmöglichen Bedingungen erreichen. Daß es in diesem Fall nicht um ein Wettbewerbsverhältnis, sondern um ein Austauschverhältnis zwischen den beiden Wettbewerbssubjekten geht, stellt Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 10 dar.

Erster Teil

Die Rechtslage in Deutschland A. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung I. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes 1. Begriff der Wirtschaftsverfassung Der Begriff "Wirtschaftsverfassung" wurde in der Weimarer Zeit konzipiert 1 . Damals wurde er besonders mit der verfassungsrechtlichen Verankerung des sog. Rätesystems in Art. 165 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) verbunden2. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Inkrafttreten des GG im Jahre 1949 hatte man begonnen, viel darüber zu diskutieren und sich mit diesem Begriff auseinanderzusetzen3. Hier interessiert die Wirtschaftsverfassung im juristischen Sinne4. Der diesbezüglich geführte Streit ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Man unterscheidet zwischen einem wirtschaftsverfassungsrechtlichen Begriff im engeren und einem im weiteren Sinne5. Die Wirtschaftsverfassung i. e. S. umfaßt diejenigen Rechtsnormen, welche die verfassungsrechtliche Ordnung des Wirtschaftslebens einschließlich der 1 Zur Wirtschaftsverfassung der WRV vgl. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 29; ders., Verfassungsgeschichte, Band VI, S. 1026 f.; Thiele, Einführung, S. 55 f.; Badura, Wirtschaftsverfassung, S. 21. 2 Thiele, Einführung, S. 61; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Band VI, S. 1027 m. w. N. aufS. 1025 (dort). 3 Diese begriffliche Auseinandersetzung sollte dahingestellt bleiben. Mehr zu der Entwicklung des Begriffs und den diesbezüglichen Streit in: Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 7 ff.; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 1, Rd. 72 ff., § 2, Rd. 6 ff. 4 Vgl. zum Unterschied zwischen Wirtschaftsverfassung im "juristischen" und im "politisch-soziologischen" Sinne E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 20; weiterhin Rittner, Wirtschaftsrecht, § 2, Rd. 6 ff. 5 Vgl. dazu E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 27 f.; ders., Verfassungsgeschichte, Band VI, S. 1027; Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 18 ff.; Badura, in: JuS 1976, S. 207; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: v. Münch (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 267; Müller-Graff Unternehmensinvestitionen, S. 260 ff; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 49 ff.; v. Münch, Grundbegriffe, Rd. 430.

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

33

Bindung der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftsverwaltung regeln, in der Verfassungsurkunde selbst niedergelegt (oder Gegenstand des ungeschriebenen Verfassungsrechts) sind und als solche höchstrangige normative Kraft haben6. Nach dem Begriff der Wirtschaftsverfassung i. w. S. setzt sie sich aus einem Inbegriff von Rechtsnormen und Rechtsinstituten zusammen, die funktionell und institutionell das gesamte Wirtschaftsleben eines Staates regeln, unabhängig davon, ob es sich um Verfassungsnormen, einfache Gesetze oder Rechtsverordnungen handelt7. In diesem Kapitel wird die Wirtschaftsverfassung i. e. S. bzw. die des GG Gegenstand der Untersuchung sein8.

2. Die Wirtschaftsverfassung

des Grundgesetzes

a) Inhalt Einen wichtigen Rang in der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Ordnung des GG haben die Grundrechte, die unmittelbar oder mittelbar ökonomischen Inhalt und Tragweite haben und wirtschaftliche Tätigkeiten der einzelnen schützen

6 So Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 9; Zacher, in: Scheuner (Hg.): Die staatliche Einwirkung, S. 590 f.; Η Η. Klein, Die Teilnahme, S. 99; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 91 f. - m. w. N. in der Fn. 73 (dort); Zuck, Wirtschaftsverfassung, S. 20; Badura, Wirtschaftsverfassung, S. 18; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 18; Karpen, Soziale Marktwirtschaft, S. 25; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 113. 7 So E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 21; ders., Verfassungsgeschichte, Band IV, S. 975 f.; Thiele, Einführung, S. 8; Gutmann/Klein/Paraskewopoulos/ Winter, Wirtschaftsverfassung der BRD, S. 5; Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S. 24;

Vollmer, in: DB 1993, S. 25; Everling,

in: FS Mestmäcker, S. 366.

8

Hier ist zu erwähnen, daß in einem Teil des alten Schrifttums - Krüger, in: DVB1. 1951 S. 361 ff.; ders. Grundgesetz und Kartellgesetzgebung S. 5 ff.; Hamann, in: NJW 1952 S. 641 ff.; ders., Rechtsstaat und Wirtschaftslenkung, S. 31 - die Position vertreten wurde, daß das GG keine Wirtschaftsverfassung enthalte. Diese Auffassung geht von der falschen Meinung aus, daß die Begriffe "Wirtschaftsverfassung" und "Wirtschaftssystem" oder "Wirtschaftsordnung" identisch sein sollen - so auch Röpke, Lehre von der Wirtschaft, S. 300 ff. Da das GG kein Wirtschaftssystem verankert habe (was richtig ist), wird auch eine Wirtschaftsverfassung verneint (was falsch ist). Diese Ablehnung des Verfassungsgebers, eine Wirtschaftsdoktrin im GG zu verankern, verpflichte den Gesetzgeber sogar, seine Wirtschaftspolitik an keine bestimmte anzupassen. Daß diese Position volkswirtschaftlich und wirtschaftsverfassungsrechtlich unsinnig ist, vgl. u. a. Müller-Graff Unternehmensinvestitionen, S. 252 f.; Zuleeg, in: FS Carstens, S. 299; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 49 ff; Püttner, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 17 f.; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 94; ders., Wirtschaftsrecht, S. 71 f.; Stober,

Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 I 4. Vgl. zum anderen die Bedenken Scheuners, Einführung, in: ders. (Hg.): Die staatliche Einwirkung, S. 23 ff., für überhaupt die Annahme des Begriffes "Wirtschaftsverfassung". Die Bedenken Scheuners scheint auch Tettinger, in: BB 1977, S. 1619, zu teilen. 3 Tsiliotis

34

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

und gewährleisten 9. Art. 2 I GG, der die allgemeine Handlungsfreiheit garantiert, schützt damit auch die allgemeine Wirtschaftsfreiheit, soweit sie von keinem anderen spezielleren Grundrecht geschützt wird 10 . Das GG aber enthält Vorschriften mit besonderem und ausschließlich wirtschaftlichem Charakter wie Art. 12 und 14 GG, die die Berufsfreiheit einerseits und das Eigentumsund Erbrecht andererseits garantieren. Als Ergänzung dieser Grundrechte auf der ökonomischen Ebene dienen die Art. 1 I (ökonomisches Existenzminimum), 3 (Funktion des Gleichheitssatzes in der Wirtschaft), 5 I (Werbungsfreiheit als Teil der Kommunikationsfreiheit), 7 IV (unternehmerische Privatschulfreiheit), 9 I (wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit) und 9 I I I GG (Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie). Die Wirtschaftsfreiheit setzt sich aus diesen Grundrechten zusammen11, ist jedoch auch Einschränkungen unterworfen. (Art. 2 I 2. HS, 5 II, 9 II, 12 12, 14 I 2, II, III, 15 GG 12 ). Grundelement der Wirtschaftsverfassung des GG ist ohne Zweifel das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG auf Bundesebene, 28 I GG auf Landesebene), das den Sozialcharakter des Staates zeigt und Maßstab für die Wirtschaftsfreiheitseinschränkungen sein kann 13 (vgl. auch die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 I I GG und das Umweltstaatsziel des neuen Art. 20 a GG). Es gibt auch Vorschriften im GG, die die Kompetenzen im Bereich der Wirtschaft regeln wie Art. 73 Nr. 4 (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über das Währungs-, Geld- und Münzwesen), 73 Nr. 5 (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Außenhandel), 74 Nr. 11, 12, 15, 16 i. V. m. Art. 72 GG n. F. (konkurrierende Gesetzgebung über das Wirtschafts- und Arbeitsrecht und die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung). Aus ihrem Inhalt ergibt sich, daß sie eher prozessualen Charakter haben und sie als das "Prozeßrecht" der grundge-

9 Für die Rolle, die die Grundrechte im Rahmen der Wirtschaftsverfassung spielen, vgl. statt vieler Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 25 ff.; H. H.

Klein, Die Teilnahme, S. 108 ff; Rinck/Schwark,

Wirtschaftsrecht, Rd. 94 ff.; Stober,

Gundrechtsschutz, S. 1 ff.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, §§ 18 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 132; ders., in: HdDStR III, § 83, Rd. 24; ders., Wirtschaftsrecht, S. 94 ff.; Karpen, Soziale Marktwirtschaft, S. 31 ff.; Basedow, Von der deutschen, S. 21. 10 BVerfGE 6, 32, 37 (Elfes); 8, 274, 328 (Preisgesetz); 12, 341, 347; weiterhin ausführlicher unten sub 3, Β I 2 c, II 1 f, 2 b aa α. 11 Vgl. ähnlich H.-P. Ipsen, Preiskontrolle, S. 80. 12 Hinsichtlich des Art. 15 GG und seiner Sozialisierungsklausel, die er enthält, muß klar werden, daß er den Gesetzgeber zur Sozialisierung ermächtigt und keinesfalls beauftragt - so BVerfGE 12, 354, 362 f. (Volkswagenprivatisierung); Rupp, Verfassungsrecht und Kartelle, S. 204; Scholz, Entflechtung, S. 21 (m. w. N.); Bryde, in: vM/K, Art. 15, Rd. 9; Jarass, in: J/P, Art. 15, Rd. 1. 13 Vgl. Schreiber, Sozialstaatsprinzip, S. 101 ff.; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98 ff.

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

35

setzlichen Wirtschaftsverfassung bezeichnet werden können. In die Wirtschaftsverfassung des GG sind auch Art. 87 1 1, 88, 89, 90, 91 a GG einzuordnen. Sie stellen in dem Sinne einen monopolistischen Charakter des Staates in der Wirtschaft dar, daß sie die privatwirtschaftlichen Tätigkeiten in diesen Wirtschaftsbereichen begrenzen oder gar verbieten (vgl. aber die neuen Art. 87 e und 87 f GG). Eine umstrittene Position in der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung hat seit dem Inkrafttreten des fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des GG (vom 08. 06. 1967) Art. 109 II-IV GG inne. Mit der Änderung dieser Vorschrift wurde der Grundsatz des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern in der Verfassung verankert 14.

b) Der "Streit" um den Charakter der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung aa) Der Diskussionsstand Während der Entwicklung des Streites um den Charakter der Wirtschaftsverfassung wurden vier wichtige Lehrmeinungen 15 gestaltet16:

α) Die These Nipperdeys Danach soll das GG das ökonomische System der sozialen Marktwirtschaft als das einzige verfassungsrechtlich mögliche bestimmt haben17. Gegen die Annahme dieser Lehre spricht vieles: Zunächst die historische Auslegung des GG aufgrund des wirtschaftspolitischen Kompromisses der politischen Kräfte 14

Zu ihrer wirtschaftsverfassungsrechtlichen Bedeutung s. nachfolgend sub b bb. Vgl. dazu E. R. Huber, in: DÖV 1956 S. 97; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 128 ff.; ders., in: HdDStR, III, §83, Rd. 17 ff.; ders., Wirtschaftsrecht, S. 71 ff.; Reich, Markt und Recht, S. 78 ff.; Badura, Wirtschaftsverfassung, S. 19 ff.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmänn (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, S. 268 f.; Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen, S. 252 ff.; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 2, Rd. 20 ff.; Karpen, Soziale Marktwirtschaft, S. 37 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 117 ff. 16 Zu der Meinung der sog. wirtschaftsverfassungsrechtlichen "Nichtentscheidung" des Verfassungsgebers oder der "wirtschaftspolitischen Neutralität" des Gesetzgebers s. oben sub 1. Man muß hier hervorheben, daß die Väter dieser Theorie, H. Krüger und A. Hamann ihre Auffassung später revidiert haben - s. dazu Krüger, Von der reinen Marktwirtschaft, insbes. S. 15 ff.; Hamann, Deutsches Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 32 ff. 17 Nipperdey, Die Soziale Marktwirtschaft in der Verfassung, S. 19; ders., Wirtschaftsverfassung und BVerfG, S. 25; ders, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, 15

S. 21; vgl. auch Müller-Volbehr,

mentar zum GG, Einl., Rd. 60 ff.

in: JZ 1982, S. 136; Schmidt-Bleibtreu/Klein,

Kom-

36

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

im Parlamentarischen Rat (CDU/CSU und FDP einerseits und die SPD andererseits), daß keine bestimmte Wirtschaftsdoktrin im GG verankert werden sollte 18 . Dann kommen auch verfassungspolitische Gründe in Betracht: Warum hätte der Verfassungsgeber den einfachen Gesetzgeber an seine wirtschaftspolitische Wahl binden sollen? Es wäre paradox, müßte die Regierung, die die Mehrheit im Parlament innehat, immer dann, wenn sie eine andere Politik fuhren wollte (vgl. dazu i m Rahmen des GG Art. 21 I, 65, 76 I GG), eine Verfassungsänderung herbeifuhren. Die Wirtschaft zu gestalten ist mehr eine Aufgabe der täglichen politischen Praxis als des Verfassungsrechts und muß eher in die Zuständigkeit von Regierung und Parlament fallen, nicht so sehr in die des Verfassungsgebers 19. Aus der systematischen Auslegung der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Normen des GG ergibt sich schließlich, daß zwischen den beiden extremen Polen der Wirtschaftssysteme, der reinen Martkwirtschaft und der Zentralplanwirtschaft einerseits und der sozialen Marktwirtschaft andererseits auf verschiedenen verfassungsrechlich erlaubten Ebenen, die mehr freiwirtschaftlich oder dirigistisch sind, Politik gefuhrt werden kann 20 .

ß) Die Theorie der "gemischten Wirtschaftsverfassung" Der wichtigste Vertreter dieser Theorie war E. R. Huber 21 . Nach dieser sollen die individualrechtlichen Freiheitsverbürgungen und die sozialrechtlichen

18 Zu diesem wirtschaftspolitischen und insbesondere wirtschaftsverfassungsrechtlichen Parteienkompromiß vgl. Kriele, in: ZRP 1974, S. 105 ff.; Reich, Markt und Recht, S. 80; Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen, S. 256; R. Schmidt, in: HdDStR, III,

§83, Rd. 12; ders., Wirtschaftsrecht, S. 68 f.; Karpen, S. 40; E. Stein, Staatsrecht,

§411; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 12 c. 19 Vgl. auch R. Schmidt, in: HdDStR, III, §83, Rd. 18; ders., Wirtschaftsrecht, S. 71 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 22. 20 Man muß wohl zugeben, daß sich Nipperdey heutzutage vielleicht berechtigt gefühlt hätte, wenn er gewußt hätte, daß bisher alle Bundesregierungen - von Adenauers und Erhards über Brands und Schmidts bis zu Helmut Kohls Bundeskabinett - und alle

politischen Kräfte, die bisher an der Bildung der Bundesregierungen teilgenommen haben, mehr oder weniger auf die soziale Marktwirtschaft zurückgreifen, um ihre Politik zu rechtfertigen, als ob sie die gleiche Politik ausgeübt hätten (vgl. auch Art. 1 III des Staatsvertrags zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion vom 30. 06. 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen DDR - BGBl. II, 518). Dieses Bild aber spiegelt die Realität nicht wider, weil die Wirtschafts-, Finanz-, und Sozialpolitik wegen verschiedener historischer sowie (innen- und außenpolitischer Situationen in all diesen historischen Phasen der Bundesrepublik Deutschland nicht dieselbe war. Was der Politik aller Bundesregierungen bisher gemeinsam geblieben ist, ist die Aufrechterhaltung des Wesens der Marktwirtschaft und des Sozialstaates. Ihre Summe aber macht nicht die soziale Marktwirtschaft aus. 21 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 18; ders., Die Verfassungsproblematik eines Kartell Verbotes, S. 20; ders., in: DÖV 1956, S. 101; ders., Grundgesetz und vertikale Preisbindung, S. 15 f.; vgl. auch Krüger, Von der reinen Marktwirtschaft,

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

37

Freiheitsbindungen i m GG im Gleichgewicht stehen. Diese wirtschaftsverfassungsrechtliche Lehre verkennt aber die Tragweite dieser Elemente. Die wirtschaftlichen Grundrechte stehen zwar unter dem Gesetzesvorbehalt, der den Gesetzgeber berechtigt, aber nicht verpflichtet, ihre Ausübung einzuschränken, und immer auch unter dem Vorbehalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 22. Er kann einer liberaleren oder interventionistischeren Wirtschaftspolitik folgen, ohne einer "Mischform" folgen zu müssen.

γ) Die Lehre Abendroths Diese Lehre ist mit einer absoluten Neutralität oder Toleranz des GG gegenüber jeder Wirtschaftspolitik des Gesetzgebers verbunden, auch wenn sie die ökonomischen Systeme der freien, liberalistischen Marktwirtschaft oder der sozialistischen Zentralplanwirtschaft verwirklichen will 2 3 . Abendroth berücksichtigt anscheinend nicht hinreichend die normative Kraft der verfassungsrechtlichen Hindernisse für die Transformation der Wirtschaft durch diese volkswirtschaftliche Doktrin - nämlich die Grundrechte für die Realisierung eines Systems der Zentralplanwirtschaft und die sozialstaatlichen Vorschriften für das System der liberalistischen Marktwirtschaft.

δ) Die Lehre der "wirtschaftspolitischen Neutralität des GG" oder der "Garantie der wirtschaftsrechtlichen Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers" 24 Diese Lehre stellt die herrschende Meinung in der Rechtssprechung des BVerfG 2 5 dar, obwohl die Urteile unterschiedliche Nuancen aufzeigen. Das grundlegende Urteil für die Festlegung dieser Auffassung war das sog. Investitionshilfe-Urteil 26 , mit welchem sich das Gericht zum ersten Mal zum wirtschaftsverfassungsrechtlichen Sinn des GG geäußert hat. Aus diesem Urteil kann folgendes geschlossen werden: Das Gericht definiert die "wirtschaftspolitische Neutralität" des GG als eine Ablehnung des Grundgesetzgebers, ein be-

S. 15 ff.; Hamann, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 32 ff; Püttner, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 21 ff. 22 Vgl. R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 133. 23 Abendroth, Das Grundgesetz, S. 65 ff. 24 Zum letzteren Begriff vgl. E. R. Huber, in: DÖV 1956, S. 97. 25 BVerfGE 4, 7, 17 (Investitionshilfe); 7, 377, 400 (Apotheken); 12, 354, 363 (Volkswagenprivatisierung); 50, 290, 337 f. (Mitbestimmung); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397; vgl. auch BVerwGE 17, 306, 308 (Mobiliarfeuerversicherung); 39, 329, 336 (kommunales Bestattungsunternehmen); 71, 183, 195 (Transparenzlisten). 26 BVerfGE 4, 7 ff.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

38

stimmtes Wirtschaftssystem festzulegen; es verleiht dem einfachen Gesetzgeber und der Regierung das Ermessen, diejenige Wirtschaftspolitik durchzuführen, die sie als geeignet befinden 27 - soweit das GG beachtet wird 28 . Schließlich betrachtet es die Kompetenz, eine Wirtschafts- oder Sozialordnung auf ihre Marktkonformität hin zu prüfen, als verfassungsrechtlich unzulässig, weil es die Aufgabe des Gerichts ist zu beurteilen, ob ein Gesetz verfassungsgemäß und nicht, ob es gemäß einer Wirtschaftsordnung ist 29 . Das BVerfG unterscheidet damit zwischen (Verfassungs-)Recht und (Wirtschafts-)Politik 30. Im sog. Mitbestimmungs-Urteil 31 spricht das Gericht später von "relativer Offenheit" des GG in wirtschaftspolitischen Fragen. Dieser Begriff trifft auf die Wirtschaftsverfassung des GG besser zu und wurde mittlerweile zur h. M. im Schrifttum 32 . Die Diskussion über die Wirtschaftsverfassung des GG wurde 1967 wegen der Änderung des Art. 109 GG wiederbelebt. In einem Teil des Schrifttums wurde die Meinung vertreten, daß die Wirtschaftsverfassung des GG in ihrem Inhalt verändert worden sei 33 , durch die Änderung des Art. 109 GG eine echte Wende des wirtschaftsverfassungsrechtlichen Denkens stattgefunden habe34 bzw. daß die wirtschaftspolitische Neutralität des GG aufgegeben worden sei 35 . Daß dies nicht der Fall ist, zeigt sich in der folgenden Stellungnahme:

27 Vgl. BVerfGE 4, 7, 19 (Investitionshilfe); 19, 101, 114; 21, 292, 299; 46, 246, 257; 85, 238, 244. 28 In späteren Entscheidungen wurde das BVerfG bezüglich des Begriffes "Beachtung des GG" konkreter: In dem Apotheken-Urteil - BVerfGE 7, 377, 400 - hat es sich nur zu den Grundrechten als den von dem Gesetzgeber zu beachtenden Teil des GG bekannt. Erst in BVerfGE 14, 263, 275 (Feldmühle) spricht das Gericht von der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Zurückhaltung des GG und betrachtet noch die allgemeinen Verfassungsprinzipien (Rechts- und Sozialstaatlichkeit) und von den Grundrechten das Privateigentum, die allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit und das Gleichheitsgebot als wirtschaftsverfassungsrechtliche Prüfungsnormen und erweitert in BVerfGE 50, 290, 337 ff. (Mitbestimmung) die Prüfungsnormen (besonders) auf die Einzelgrundrechte aus Art. 14 I, 9 I, 12 I und 2 I GG; vgl. auch BVerwGE 6, 134, 141; 17, 306, 308 (Mobiliarfeuerversicherung). 29 Vgl. auch BVerfGE 21, 73, 78; 26, 302, 310; 36, 66, 72. 30

Badura, in: AöR 1967 S. 390.

31

BVerfGE 50, 290,338. Vgl. statt aller Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 173, 181; ders., in: MD, Art. 121

32

Rd. 77 ff.; ders., Entflechtung, S. 86; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 19; Ehlers, in:

JZ 1990, S. 1089; Karpen, Soziale Marktwirtschaft, S. 40 ff.; Leisner, Belastungsgrenze, S. 57. 33 34 35

Benda, in: NJW 1967 S. 851. Zuck, in: BB 1967 S. 807. Zuck, in: NJW 1967 S. 1301, 1303; Grawert, in: Der Staat 1968, S. 80.

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

39

bb) Bilanz der Diskussion - Stellungnahme Meines Erachtens ist die vom BVerfG konzipierte Lehre der "wirtschaftspolitischen Neutralität" - oder richtiger gesagt der "relativen Offenheit" - des GG diejenige, die im Vergleich zu den anderen Theorien die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung am besten widerspiegelt. Obwohl sie nicht vollständig ist, enthält sie zweifelsohne zutreffende Elemente36. Diese "Offenheit" versteht man im Sinne einer Regelungs- und Gestaltungsfreiheit 37 des einfachen Gesetzgebers (und der Exekutive) 38 hinsichtlich der Verwirklichung einer konkreten Wirtschaftsordnung und im allgemeinen der Ausübung einer bestimmten Wirtschaftspolitik, ohne daß es deswegen einer Verfassungsänderung bedarf 39. Die Wirtschaftspolitik bewegt sich zwar in einem für die Verfassungsgewalten weiten Beurteilungs- und Handlungsspielraum 40, der aber nicht ganz verfassungsfrei ist 41 . Seine Grenze setzt das GG selbst. Man muß hier anmerken, daß die zu der Wirtschaftsverfassung des GG gehörenden Grundrechte (Art. 2 I, 3, 5 I, 7 IV, 9 I, 12 I, 14 I GG i. V. m. Art. 1 I, III, 19 I I GG) verhindern, daß Gesetzgebung und Exekutive ein System der Zentralplanwirtschaft verwirklichen 42 , während andererseits die Vorschriften der Art. 14 I I (Sozialbindung des Eigentums) und 20 I, 28 I GG (Sozialstaatsprinzip) i. V. m. Art. 1 I GG dem System der (reinen) Marktwirtschaft im Wege stehen43 4 4 . Dies sind Verfas36

Einzelne Bedenken zur vollständigen Annahme der betreffenden Lehre s. sub c. Vgl. auch BVerfGE 12, 354, 364 (Volkswagenprivatisierung); weiterhin Scholz, in: ZHR 1969, 100 f., der von "gesetzgeberischem Ermessen" im Sinne einer "politischen Zweckmäßigkeitsentscheidung" spricht; Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 8 ff.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmann (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 19. 38 Zur Rolle der Regierung und im allgemeinen der Exekutive bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik s. R. Schmidt, in: HdDStR, III, § 83, Rd. 31 ff. 39 BVerfGE 50, 290, 337 (Mitbestimmung). 40 BVerfGE 4, 7, 15 ff. (Investitionshilfe); 8, 274, 327 ff. (Preisgesetz); 30, 250, 262 f.; 46, 246, 257; 53, 135, 145; 77, 308, 332; 95, 267, 309 (Altkreditschulden); vgl. auch BVerfGE 50, 290, 332 (Mitbestimmung), wo das Gericht den Begriff "Prognosespielraum des Gesetzgebers" benutzt; ferner BVerfGE 77, 84, 106; 87, 363, 383 (Nachtbackverbot III); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 515, in denen das Gericht von einem "Einschätzungs - und Prognosevorrang" spricht, der dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Wirtschaftsordnung gebühre. 41 Papier, in: HdVerfR, § 18, Rd. 4. 42 So Kutscher, in: Scheuner (Hg.): Die Staatliche Einwirkung, S. 505; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 142; Kriele, in: ZRP 1974, S. 108; Schlichter, Die Beseitigung, S. 69; Papier, in: HdVerfR, 18, Rd. 14 f.; v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 31; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 66; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 I 4; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1089; Canaris , in: FS Lerche, S. 879; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 69; vgl. auch BVerfGE 12, 99, 107; BVerwGE 17, 306, 309 (Mobiliarfeuerversicherung). 43 BVerwGE 17, 306, 307 (Mobiliarfeuerversicherung); Kutscher, in: Scheuner (Hg.): Die staatliche Einwirkung, S. 505; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 142; 37

40

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

sungsnormen, die neben anderen zu beachtenden Verfassungsprinzipien und -normen, wie die Bundes- und Rechtsstaatlichkeit (vgl. Art. 201, III, 30 ff., 70 ff. GG) und ihre besonderen Ausprägungen, die Bund-Länder Kompetenzverteilung in der Wirtschaft (vgl. Art. 70, 74 I Nr. 11, 16 i. V. m. Art. 72 n. F. GG), das Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsprinzip, Art. 801 GG und die Wesentlichkeitstheorie, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und der Exekutive begrenzen und die wirtschaftspolitische Offenheit des GG relativieren. Nur das Überschreiten dieser Grenzen im konkreteren Fall darf das Gericht prüfen, sonst nichts 45 . Die neue Fassung des Art. 109 GG hat nichts Wesentliches verändert. Die Umorientierung in den Haushaltsverhältnissen zwischen Bund und Ländern, die durch diese Verfassungsänderung erreicht wurde, bedeutet nicht die verfassungsrechtliche Bestimmung des Wirtschaftssystems der global gesteuerten Marktwirtschaft und demzufolge das Aufgeben der wirtschaftspolitischen Offenheit des GG und somit also die Wende in der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung 46. Art. 109 II-IV n. F. GG verfälscht nicht die Tragweite, den Inhalt und den Charakter der wirtschaftsverfassungsrechlichen Vorschriften des GG. Er ist eher eine organisationsrechtliche Norm, 47 die nur die Anzahl der bis 1967 erlassenen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Normen des GG vergrößert hat 48 .

Schlichter, Die Beseitigung, S. 69; v.Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 31; Rinck/Schwark, Rd. 66; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 32; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 I 4; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1089. 44 Insbesondere zu Art. 1 I GG und dem dort verankerten Schutz der Menschenwürde als Hürde für die Realisierung des Systems der reinen liberalistischen Marktwirtschaft s. auch BVerwGE 6, 134, 141; 17, 306, 309 (Mobiliarfeuerversicherung); Rupp, Fusionskontrolle, S. 110. 45 Vgl. BVerfGE 14, 263, 275 (Feldmühle); Scholz, in: ZHR 1969, 101; ders., Entflechtung, S. 87 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 135; ders., Wirtschaftsrecht S. 117 ff.; Rupp, Grundgesetz und "Wirtschaftsverfassung", S. 14; Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 20; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 27 ff; Badura, in: FS Steindorff, S. 838; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 19; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 I 4. 46 Diese Auffassungen wurden oben sub aa dargestellt. 47 So ausdrücklich R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 144. 48 Vgl. dazu Ritter, in: BB 1968, S. 1396; Thiele, in: DVB1. 1970 S. 201 ;R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 139 ff.; ders., in: HdDStR, III, § 83, Rd. 19; ders., Wirtschaftsrecht, S. 73; Scheuner, Einführung in: ders. (Hg.): Die staatliche Einwirkung, S. 67 f.; Püttner, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 22 f.; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 I 2 c. Es ist bemerkenswert, daß das BVerfG auch nach der Änderung des Art. 109 GG in seinem Mitbestimmungsgesetz-Urteil - BVerfGE 50, 290 ff. - seine vorherige Rechtsprechung im Grunde bestätigt hat; vgl. auch, obwohl nicht genau wie hier, Stern, in: NJW 1967, S. 1837; ders., in: Stern/Münch/Hansmeyer, S. 115; Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen, S. 263, Fn. 79 (dort); Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 160 ff.

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

41

Genausowenig hat die Einfügung des neuen Art. 20 a GG in die wirtschaftsverfassungsrechtliche Diskussion eingebracht, so daß man nicht von einer "ökologischen" oder "ökologisch orientierten Marktwirtschaft" als verfassungsrechtlich garantiertem Wirtschaftssystem sprechen kann. Ob das die Entscheidung des einfachen Gesetzgebers und der Bundesregierung darstellt, ist nach wie vor im Rahmen der "relativ offenen" Wirtschaftsverfassung des GG eine Sache des einfachen Rechts und des wirtschaftspolitischen Ermessens49.

c) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Marktgarantie? Die Bilanz der staats- und wirtschaftsrechtlichen Diskussion bezüglich der Wirtschaftsverfassung des GG zeigt die Ablehnung des Verfassungsgebers, im GG eine bestimmte Wirtschaftsdoktrin zu verankern; stattdessen wird seine Entscheidung deutlich, durch die wirtschafspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eine relativ offene Wirtschaftsverfassung zu schaffen 50. Das ist bereits mit der Rechtsprechung des BVerfG ausdrücklich klargestellt worden. Die Frage, die sich jetzt aus diesen Schlüssen ergibt, ist, ob die relative wirtschaftsverfassungsrechtliche Offenheit des GG eine institutionelle Garantie oder eine bestimmte Wertentscheidung für irgendeine Form eines marktwirtschaftlichen Systems enthält. Eine erste und vielleicht voreilige Betrachtung der bundesverfassungsrechtlichen Stellungnahme und der herrschenden Meinung scheint eine solche Auslegung auszuschließen: Die Ablehnung der Festlegung eines bestimmten Wirtschaftssystems im GG soll auch das marktwirtschaftliche System betreffen 51. Einwände gegen die Annahme einer solchen Argumentation ergeben sich nicht nur aus der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der gesetzgeberischen Durchsetzung des Systems der Zentralverwaltungswirtschaft durch die Gewährleistung der Wirtschaftsgrundrechte im GG 52 , sondern auch aus der rechtlichen Natur und den Funktionen der Grundrechte.

49 Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des neuen Art. 20 a GG vgl. unten sub Β V 2 b dd. 50 s. oben sub b aa δ. 51 Vgl. zu dieser Einschätzung R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 240 ff.; ders., in: HdDStR III Rd. 24 f; ders., Wirtschaftsrecht, S. 73 f., 76 ff., 98 ff.; Stern, Staatsrecht III/1,S. 884. 52 Vgl. ebenso Canaris , in: FS Lerche, S. 878; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 880.

42

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Die Wirtschaftsgrundrechte sind, wie alle Grundrechte, zunächst subjektive (Abwehr-)Rechte 53. Nach der Entwicklung der Grundrechtstheorie und -praxis erschöpft sich ihre normative Kraft nicht in ihrem subjektiven Abwehrcharakter, sie stellen auch eine objektive Wertordnung auf, die auf alle drei Staatsgewalten ausstrahlt 54. Von dieser objektiven Wertordnung der Grundrechte gehen institutionelle Garantien 55 oder Institutsgarantien 56 aus57, die auch die wirtschaftlichen Grundrechte einschließen58. Das BVerfG hat den "grundsätzlich

53

Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 159, 233 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, § 11, Rd. 6; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 1 ff.; vgl. auch die liberale (bürgerlichrechtsstaatliche) Grundrechtstheorie von Böckenförde, in: NJW 1974, S. 1530. 54 BVerfGE 7, 198, 204 f. (Lüth-Urteil) - st. Rechtsprechung; vgl. auch Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 4 ff.; Goerlich, Wertordnung und GG, S. 15 ff., der auch die Synonyma des Begriffes "Wertordnung des GG" in der Rechtsprechung des GG darstellt; Jarass, in: AÖR 1985, S. 364 ff.; Hermes, in: NJW 1990, S. 1765; Hesse, Grundzüge, Rd. 290 ff.; kritisch zur Konzeption der "Wertordnung" der Grundrechte letztens Diederichsen, in: Jura 1997, S. 60 ff.; ausführlich zu dieser objektiv-rechtlichen Wertordnung der Grundrechte bzw. ihres objektiv-rechtlichen Gehalts vgl. unten sub C I. 55 Von dem Zusammenhang zwischen "objektiver Ordnung" und "Institutsgarantien" geht Häberle, Die Wesensgehaltgarantie, S. 4 ff., aus. Offen läßt die Frage Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 286; hingegen lehnen Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 78, ab, die "objektiv-rechtliche Wertordnung" des GG mit "institutionellen Einrichtungen" zu verbinden. 56 Den Unterschied zwischen diesen Begriffen hat C. Schmitt anläßlich der Grundrechte der WRV herausgearbeitet und ist zu dem Schluß gekommen, daß die Grundrechte nicht privatrechtliche Institutsgarantien enthalten könnten, es sei denn, daß sie solche Rechtsinstitute, wie das privates Eigentum oder das Erbrecht verankert haben vgl. seine Schriften Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, S. 143 ff., und Grundrechte und Grundpflichten, S. 213 ff., beides in: "Verfassungsrechtliche Aufsätze". Diese Unterscheidung hat auch Böckenförde, in: NJW 1974, S. 1532, übernommen; zu dieser Problematik vgl. auch Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 1 ff. Das BVerfG benutzt beide Begriffe, sowie den Begriff "Einrichtungsgarantien". Eine Darstellung der Rechtsprechung des Gerichtes über die begriffliche Auseinandersetzung in: Stern, Staatsrecht III/l, S. 776. 57 BVerfGE 4, 96, 106 - Koalitionsfreiheit; 10, 59, 66 - Ehe; 12, 205, 259 ff. - Presse und Rundfunk; ähnlich 20, 162, 175 ff. (Spiegel) - Presse; 57, 295, 320 - Rundfunk; 24, 367, 389 (hamburgische Deichordnung) - Eigentum; ähnlich 50, 290, 339 (Mitbestimmung), und 58, 300, 339 (Naßauskiesung); 27, 195, 200 - unternehmerische Schulfreiheit; 35, 79, 114 ff. - Wissenschaft; 43, 242, 267 ff.; vgl auch BVerfGE 13, 174, 175 (Vereinigungsfreiheit); ähnlich 30, 227, 241; 50, 290, 355 (Mitbestimmung) - Prinzip freier Assoziation und Selbstbestimmung; 57, 295, 319 f. - Meinungs- und Rundfunkfreiheit als objektive Prinzipien des GG. 58 Das BVerfG hat bisher von den Wirtschaftsgrundrechten ausdrücklich nur im Eigentum die Institutsqualität anerkannt (s. Fn. 70) - vgl. auch Miiller-Graff, Unternehmensinvestitionen, S. 259, Fn. 56 (dort); Papier, in: HdVerfR, § 18, Rd. 15. Das kann aber kein Grund sein, aus anderen solchen Grundrechten Institutsgarantien oder institutionelle Garantien nicht abzuleiten. Das ergibt sich sowohl mittelbar aus der sonstigen Rechtsprechung des Gerichts über wirtschaftsverfassungsrechtliche Fragen als auch aus der Entwicklung der Grundrechtsinterpretation bezüglich ihrer Funktionen.

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

43

freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer" als eines der "Grundprinzipien" der bestehenden Wirtschaftsverfassung bezeichnet 59 und später das "Prinzip der Gewerbe- und Unternehmensfreiheit" zu den Maßstäben des Art. 121 gerechnet 60. I m Schrifttum gibt es auch Stimmen, die nicht nur für das Ableiten der Institutsgarantien aus Art. 12 I GG argumentieren 61 , sondern auch eine Institutsgarantie für die Vertrags- 62 und Vereinigungsfreiheit 63 gesehen haben. Außerdem fällt die Tendenz auf, daß sich über die subjektiv(abwehr)rechtliche Seite hinaus eine institutionalisierte Seite aller oder zumindest der meisten Grundrechte ableiten läßt 64 . Man muß diese Seite als Verstärkung des subjektiven Charakters der Grundrechte und keinesfalls als seine Abschwächung betrachten 65.

59

BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I); BVerwGE 71, 183, 189 (Transparenzlisten): Es ist nicht klar, ob für das Gericht die Begriffe "Institut" bzw."Institution" gleichbedeutend oder synonym mit dem des "Prinzips" sind. Das kann aber nicht ausschließen, daß aus objektiven Prinzipien Rechts- oder Gesellschaftsinstitute abgeleitet werden können wie auch umgekehrt; vgl. auch BVerfGE 50, 290, 337 (Mitbestimmung), wonach die Funktion der Grundrechte als objektive Prinzipien in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft besteht. Zum Begriff "Prinzipien" vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff. Auf S. 478 legt Alexy dar, daß grundrechtliche Prinzipien als objektive Prinzipien das Rechtssystem beeinflussen würden. 60 BVerfGE 41, 205, 228. Man kann hier eine Undeutlichkeit in der Judikative des Gerichts bemerken: Das Gericht weigerte sich in der BVerfGE 7, 377, 397 (Apotheken) die Berufs- bzw. Gewerbefreiheit als objektives Prinzip anzuerkennen, weil es sie nur als Abwehrrecht gegenüber dem Staat - im Gegensatz zu Art. 151 III WRV - behandelt hat. In der späteren Entscheidung, als der abwehrrechtliche Charakter der Berufsfreiheit außer Frage stand, hat es den Begriff "objektives Prinzip" ohne das "Weimarer Syndrom" verwendet; vgl. zu dieser Deutung auch Bachoff, Freiheit des Berufs, S. 163 ff.; a. Α. Η. H. Klein, Die Teilnahme, S. 111 ff, der die Objektivierung bzw. Institutionalisierung der Grundrechte, insbesondere der wirtschaftlichen und namentlich der Wettbewerbsfreiheit ausschließt. 61 Bachof, Freiheit des Berufs in: B/N/S GR III/l, S. 165; Lerche, in: DVB1. 1958, S. 533, Fn. 94 (dort); ders., Übermaß, S. 153; Thieme, in: JZ 1961, S. 281; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 284; Mestmäcker, in: Vetter (Hg): Mitbestimmung, S. 270; Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 32; Müller-Graff Unternehmensinvestitionen, S. 259, Fn. 56 (dort); a. A. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 68; offengelassen: Bettermann, in: FS Hirsch, S. 13 f. 62 Raiser , in: JZ 1958, S. 4 f.; Leisner, Grundrechte, S. 159, Fn. 102 (dort); Rittner, in: FS Sölter, S. 28; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 21; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 28 ff. (Vertragsfreiheit als intitutionelle Kompetenz); Pietzcker, in: FS Dürig, S. 353; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 119 f. 63 Leisner, Grundrechte, S. 397; Bleckmann, Staatsrecht II, § 11, Rd. 114; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 206 ff.; a. Α.: ν. Münch, in: ν. M/K, Art. 9, Rd. 19. 64 So Hamel, Die Bedeutung, S. 18 ff.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 284; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 70 ff., 82; Bleckmann, Staatsrecht II, § 11, Rd. 86; vgl. auch die institutionelle Grundrechtstheorie Böckenfördes in: NJW 1974, S. 1532. 65 Vgl. BVerfGE 7, 198, 205 (Lüth); 50, 290, 337 (Mitbestimmung); 57, 295, 319 f.; 74, 297, 323; Häberle, Die Wesensgehaltgarantie, S. 71; Höfling, Vertragsfreiheit,

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Dies ist bei den Wirtschaftsgrundrechten der Fall: Sie beinhalten nicht nur subjektive Rechte, sondern auch wichtige objektive, marktwirtschaftliche und rechtliche Prinzipien und Institute wie das Eigentum, den Beruf und daraus folgend den freien Wettbewerb und das Unternehmertum, die Vertrags- und Vereinigungsfreiheit 66. Dies sind Institute, die den Gesetzgeber neben seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung, den Wesensgehalt der entsprechenden subjektiven Rechte nicht anzutasten (Art. 19 I I GG) 67 , im Rahmen seiner sonstigen Gestaltungsfreiheit daran binden, diese nicht auszuhöhlen68 und ein marktwirtschaftliches Minimum als institutionellen Kernbereich der Wirtschaft zu behalten 69 7 0 .

S. 28; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 85 (m. w. N.); Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 477 f.; Dreier, in: Jura 1994, S. 513. 66 Vgl. Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 34; Canaris, in: FS Lerche, S. 878, 880; Di Fabio, in: JZ 1997, S. 973; vgl. auch Lübbe-Wolff, Die Grundrechte, S. 299, die von der "objektiv-wettbewerbsschützenden Ordnungsintention der Art. 2, 12 und 14 GG" spricht; hingegen wendet sich Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 191, gegen die verfassungsrechtliche Verankerung einer (objektivrechtlichen) Instituts- oder Einrichtungsgarantie des freien Wettbewerbs im GG, indem er die Wettbewerbsfreiheit als subjektives Recht (Art. 12 I, 14 I GG) betont. 67 Zur institutionellen Garantie des Art. 19 II GG vgl. Leisner, Grundrechte, S. 159, Fn. 102 (dort); Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 236; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 34. 68 Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 40; Stober, Grundrechtsschutz, S. 9; ders., Wirtschaftsverwaltunsrecht, § 5 1 4 ; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 34; ders., in:

HdVerfR, § 18, Rd. 15; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 221, 442 f. 69 Vgl. Thieme, in: JZ 1961, S. 281, der in Art. 12 I GG die institutionelle Garantie der Wettbewerbswirtschaft sieht; Rupp, Verfassungsrecht und Kartelle, S. 203 ff.; Badura, in: JuS 1976, S. 213, der nicht nur in den verfassungsrechtlichen Institutionen, sondern auch im Demokratieprinzip die Garantie einer privatwirtschaftlichen Ordnung sieht; Grupp, in: ZHR 1976, S. 383, der den Begriff "Kernbereich" benutzt; Karpen, Soziale Marktwirtschaft, S. 43, nach dem das GG in den Grundrechten die "Wettbewerbs· und Eigentumsordnung" sichert; Schlichter, Die Beseitigung, S. 91 ff., der aber die Garantie der wirtschaftverfassungsrechtlichen Institution in den Schutz des Mittelstandes einschränkt; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 34; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 3, Rd. 45 f.; Canaris, in: FS Lerche, S. 879 f.; Vollmer, in: DB 1993, S. 25; Müller-Graff in: Müller-Graff/Riedel, Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 65 f., sieht jüngst in diesen grundrechtlichen Garantien die institutionellen Normkonsequenzen einer wettbewerbsverfaßten Marktwirtschaft als Verfassungsprinzip; gegen einen Kernbereich hingegen Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 191. 70 Hier sollte die Gegenmeinung dargestellt werden, nach der das GG keine institutionelle Garantie der Marktwirtschaft enthält, weil Prüfungsmaßstab für die staatlichen Eingriffe in der Wirtschaft nur die Grundrechte sein können, die nicht ohne Relativierung ihres freiheitlichen Charakters institutionalisiert werden könnten - vgl. H. H. Klein, Die Teilnahme, S. 111 ; R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 240 ff., ders., in: HdDStR, III, §83, Rd. 24 f., ders., Wirtschaftsrecht, S. 73 f., 76 ff., 98 ff.; Leisner, in: BB 1975

S. 4 f.; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 94 f.; Stern, Staatsrecht, III/l S. 884; Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 214; Haverkate, Subventionsrecht in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 81; Papier, in: HdVerfR, § 18, Rd. 4;

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

45

Außerdem kann man von dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte ausgehend annehmen, daß sich die wirtschaftsverfassungsrechtliche Marktgarantie auf jeden Fall aus den objektiv-rechtlichen Wertentscheidungen der Grundrechte ableiten läßt. Auch wird vereinzelt die Meinung vertreten, daß die objektiv-rechtlichen Wertentscheidungen oder die objektiven Normen der Grundrechte in der Sache etwas ähnliches wie ihre institutionelle Seite bedeuten 71 . Aber abgesehen von der Frage, ob die Grundrechte bzw. welche von diesen Rechtsinstitute enthalten, muß auf der Hand liegen, daß sie in ihrem objektiv-rechtlichen Gehalt u.a. eine Seite mit konkreten Wertentscheidungen 72 bzw. Prinzipien beinhalten73. Als solche Wertentscheidungen gelten zweifelsohne die

Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 I 2 c, der trotztdem in der Verfassung "das Gerüst für die Voraussetzungen eines Marktes" sieht; vgl. auch BVerfGE 50, 290, 337 f. (Mitbestimmung), wonach trotz der bereits dargelegten Ausführungen die Grundrechte nicht im Sinne eines "institutionellen Zusammenhangs der Wirtschaftsverfassung" bzw. eines entsprechend überhöhenden "Ordnungs - und Schutzzusammenhanges" verstanden werden dürfen. Eine verfassungsrechtliche Verankerung der Marktwirtschaft als solche lehnt auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 78 ff. unter Hinweis auf das Mitbestimmungsurteil des BVerfG ab; an anderer Stelle aber, Entflechtung, S. 88 f., gibt er zu, daß Systemfunktionen sich auf die funktionalen Grundrechtswirkungen gründen, die den Inhalt der Grundrechte - über den einzelnen Grundrechtsträger hinaus - auch objektiv prägten. Das dürfe nicht bedeuten, daß sich jene objektiven Systemwirkungen oder funktionen von der freiheitlich-individualen Grundrechtsausübung ablösten. Basedow, Von der deutschen, S. 21, versucht, die Aussage des Mitbestimmungsurteils dadurch zu interpretieren, daß das Gericht bildlich gesprochen nicht über die Existenz des Waldes spekulieren wolle, wenn es sich an die einzelnen Bäume halten könne, und mögen diese noch so dicht beieinanderstehen und sich gegenseitig durchdringen. Im Gegenteil, gerade im Kontext von freiheitlich-individualer Grundrechtsausübung und tatsächlich-"objektivierender" Systemwirkung liege die verfassungsrechtlich maßgebende Funktionalität der Grundrechte. Scholz, in: FS Rittner, S. 640, ergänzt unter Hinweis auf seine Monographie, Entflechtung und Verfassung, a. a. O., diese Feststellungen, indem er darlegt, daß vor allem aus den (maßgebenden) konkretwirtschaftsordnenden Verfassungsentscheidungen aus Art. 21, 11, 12 und 14 GG insgesamt eine Wirtschaftsordnung folge, die in ihrem tatsächlichen Ablauf wie in ihren systemgerechten Strukturgesetzlichkeiten nach Maßgabe von Privatautonomie, Wettbewerb und dezentralisierter Selbstregulation funktioniere. Die Synthese dieser Darlegungen von Scholz führt in die Nähe des hier vertretenen Ergebnisses. Nur die Tatsache, daß die einzelnen Grundrechte Prüfungsmaßstab für staatliche Eingriffe sind, kann nicht die objektivrechtliche bzw. institutionelle Seite der Grundrechte widerlegen; ganz im Gegenteil, wie bereits gezeigt wurde. Die Gegenmeinung verkennt die verstärkende Funktion der institutionellen Seite der Grundrechte. 71 So Jarass, in: AÖR 1985, S. 367; ders., in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 3. 72 So BVerfGE 10, 302, 322; 49, 89, 127, 129 (Kalkar I); vgl. auch BVerfGE 48, 210, 221; 81, 242, 254 (Handelsvertreter), wo in beiden Urteilen von Grundentscheidungen gesprochen wird, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich der Bürger betreffen; vgl. weiterhin die "Werttheorie der Grundrechte" bei Böckenförde, in: NJW 1974, S. 1533 f. 73 Vgl. dazu die Analyse von Jarass, in: AÖR 1985, S. 364 ff. 369 ff.; vgl. auch ders., in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 3; weiterhin P. Kirchhof, in: NJW 1996, S. 1497.

46

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

"Freiheit des Berufs" 74 und aufgrund dessen "der grundsätzlich freie Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer" 75 , das Eigentum 76 , die freie Meinungsäußerung 77 und die freie Assoziation und Vereinigung 78 . Aus diesen Wertentscheidungen ergibt sich immer in Verbindung mit dem Art. 19 I I GG oder darüber hinaus nach der hier vertretenen Auffassung eine grundgesetzliche Wertentscheidung für die Marktgarantie 79. Hier kommt zusätzlich auch Art. 74 I Nr. 16 GG in Betracht, der nach richtiger Meinung nicht nur eine Kompetenznorm darstellt, sondern auch eine materiellrechtliche Wertentscheidung in dem Sinne beinhaltet, daß der Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht und Konzentration keinen Raum in der Verfassung finden kann. Das ergibt sich nicht nur aus der bloßen Verordnung der "Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung" in dieser Vorschrift, die grundsätzlich kompetenzrechtlicher Natur ist, indem sie i. V. m. Art. 72 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern regelt 80 , sondern auch aus ihrem materiellrechtlichen Inhalt und Kraft, die eine solche Wertentscheidung enthält 81 , daß das GG damit den Bundes- bzw. Landesgesetzgeber bewehrt 82 , dem Mißbrauch solcher wirtschaftlicher Macht oder

74 Vgl. allgemein zur Berufsfreiheit BVerfGE 7, 377, 397 (Apotheken), 13, 97, 104 (Handwerker); 16, 214, 217 (Rechtsanwaltsausschluß); 32, 311, 318 (Grabsteinwerbung); BGH NJW 1991, S. 669, das von "verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für die Freiheit des Berufs" spricht; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 14. 75 So BVerfGE 32, 311, 316 f. (Grabsteinwerbung); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I). 76 Vgl. BVerfGE 14, 263, 277 (Feldmühle); 18, 121, 132 (Mieterschutz); 24, 367, 389 (hamburgische Deichordnung); ferner Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 172 zu den Wertentscheidungen aus Art. 121, 141 GG, denen das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen verpflichtet sei; ders., in: FS Rittner, S. 640; vgl. auch Fn. 70 bezüglich der Institutsgarantie des Eigentums. 77 Vgl. BVerfG 36, 321, 330 f. (Schallplatten). 78 Vgl. BVerfGE 38, 281, 303 (Arbeitnehmerkammer). 79 Vgl. zu dieser Position insbesondere die Argumentation von Basedow, Von der deutschen, S. 21 ff.; Canaris , in: FS Lerche, S. 879 f.; Vollmer, in: DB 1993, S. 25; Rupp, in: JZ 1995, S. 354; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 14. 80 Das wäre aber hinreichender Grund dafür nach der Rechtsprechung des BVerfG, in: BVerfGE 69, 1, 21 (Kriegsdienstverweigerung); vgl. aber das Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenförde, in demselben Urteil, a. a. O., S. 57 ff., 60, das genau von dieser Rechtsposition abweicht. 81 Vgl. dazu Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 174; ders., in: MD, Art. 12, Rd. 239; ders., Entflechtung, S. 21 (m. w. N.); Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 175; a. Α.

Schnapp, in: JuS 1978, S. 734. 82 Die Auseinandersetzung über die Frage, ob diese Kompetenz in der Form einer Verfassungsermächtigung oder -auftrages sogar gewährt wird, kann hier dahingestellt bleiben. Betrachtet man diese Kompetenznorm als eine materiell-rechtliche Wertentscheidung, so führt dies zu der Annahme, daß sie eher einen zwar nicht direkten, aber vom Gesetzgeber auszugestaltenden Verfassungsauftrag enthält; vgl. Krüger, Grundgesetz und Kartellgesetzgebung, S. 21; Lerche, in: AÖR 1965, S. 351; Scholz, Wirt-

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

47

Übermacht entgegenzutreten 83, die sich gegen die Verfassung, d.h. den Grundsatz des freien Wettbewerbs und die Wettbewerbsfreiheit richten 84 . Das GG hat sich zwar nicht für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden 85 , auch nicht konkret für die soziale, sozialistische, globalgesteuerte, ökologische, gemischte oder anders geartete Marktwirtschaft 86 . Es hat aber grundsätzlich das Konzept der Markt- bzw. Wettbewerbswirtschaft 87 in unbestimmter Form angenommen88. Welche Form sie haben oder wieviel Markt sie enthalten sollte, müssen die Regierung und der Gesetzgeber entscheiden, vorausgesetzt, daß sie nicht die reine Marktwirtschaft qualifizieren 89.

3. Die Wettbewerbsfreiheit als besondere Ausprägung der verfassungsrechtlich geschützten Wirtschaftsfreiheit In der vorherigen Darstellung des Inhalts und der Charakteranalyse der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung zeigt sich zweifelsfrei der verfassungsrechtliche Schutz der wirtschaftlichen Betätigung des einzelnen durch eine Reihe von Grundrechten (unmittelbaren oder mittelbaren) ökonomischen schaftsaufsicht, S. 174 f.; ders., Konzentrationskontrolle, S. 64; ders., in: MD, Art. 12, Rd. 239, 387, der den Begriff "verfassungsrechtliche Option" benutzt; ders., Entflechtung, S. 21 f., 112; Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 30; Schlichter, Die Beseitigung, S. 129 ff, der eher von einem Tätigkeitsappell an den Gesetzgeber spricht; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 271. 83

Vgl. auch Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 174. So richtig die Argumentation von Scholz, Entflechtung, S. 21 f.; vgl. auch Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 175; zu weit dagegen Bleckmann, in: DÖV 1983,. S. 130; ablehnend zu dieser Position Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 212 f. 85 BVerfGE 4, 7, 17 (Investitionshilfe). 86 So auch R. Schmidt, Wirtschaftspolitik, S. 144. 87 Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen S. 77, spricht von dem "wirtschaftsverfassungsrechtlichen Leitbild des Wettbewerbs". 88 Vgl. auch Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 26 ff; ders., in: FS Sieg, S. 522; ders., Entflechtung, S. 95 f., der davon ausgeht, daß aus den grundrechtlichen Gewährleistungen des GG ein Wirtschaftssystem resultiert, das auch die Züge einer freilich funktionell limitierten Marktwirtschaft trage; im Ergebnis auch Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 I 2 c. Der Unterschied der hier vertretenen Ansicht liegt darin, daß Scholz diese "limitierte Marktwirtschaft" nicht als institutionell verankert im GG betrachtet. 89 Es kommt nicht von ungefähr, daß das BVerfG mehrmals den Begriff "Marktwirtschaft" als Grenze für die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und demzufolge der Offenheit der Wirtschaftsverfassung benutzt hat; s. BVerfGE 15, 235, 240; 18, 315, 327; 37, 1, 20. Es ist nicht von "Widersprüchlichkeit" zur Theorie der wirtschaftspolitischen Neutralität oder Offenheit der bundesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung zu sprechen - so aber Müller-Volbehr, in: JZ 1982 S. 139 -, wenn das Gericht diesen Terminus verwendet, weil es ausdrücklich diese Offenheit durch die Grundrechte relativiert hat (s. oben sub b bb). 84

48

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Inhaltes. Aus der Synthese dieser Grundrechte und nicht ausdrücklich, wie in Art. 1511 WRV, ergibt sich die Wirtschaftsfreiheit 90 als ihre gemeinsame "Resultante" und Bestandteil der Wirtschaftsverfassung des GG. Andererseits fallen sowohl in den Schutzbereich des "Auffanggrundrechts" des Art. 2 I GG als auch vor allem in den Schutzbereich der spezielleren Grundrechte (Art. 5, 9, 12, 14 GG) besondere Aktivitäten, die fundamentale volkswirtschaftliche Grundsätze der Marktwirtschaft bilden und die die sog. "unbenannten" wirtschaftlichen Grundrechte 91 bilden. Diese Grundsätze und Freiheiten 92 sind insbesondere die Vertrags- 93 , Unternehmens· 94 , Wettbewerbs- 95 , wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit 96 und Freizügigkeit (Niederlassungsfreiheit) 97 sowie als ihre Konsequenzen in der modernen Wirtschaft die Preis- 98 , Produktions-, Konsum- 99 und Werbungsfreiheit 100 .

90 Vgl. Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 128; vgl. auch H.-P. Ipsen, Preiskontrolle, S. 80; Leisner, SB-Großmärkte, S. 104 ff.; ders., Belastungsgrenze, S. 58; Stober, Grundrechtsschutz, S. 2 f. 91 Zu diesem Terminus s. unten sub Β 12 c. 92 Eine allgemeine Betrachtung dieser Freiheiten bei E. R. Huber, in: DÖV 1956 S. 135 ff.; Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 27 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 35 ff; zur Bedeutung dieser Freiheiten fur die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung vgl. Rübenach, "Wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit", S. 84; Basedow, Von der deutschen, S. 15 ff. 93 BVerfGE 8, 274, 328 (Preisgesetz); 12, 341, 347; 70, 115, 123; 89, 48, 61; 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BVerwGE 1, 321, 323; 4, 332, 336; BAGE 1, 291, 314; Raiser , in: JZ 1958 S. 4 f.; H Huber, Vertragsfreiheit, S. 1 ff.; Rittner, in: FS Sölter, S. 27 ff.; Schlechtriem, in: 40 Jahre Grundgesetz, S. 40 ff.; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 1 ff.; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 126 ff. 94 Vgl. BVerfGE 14, 263, 281 f. (Feldmühle); 50, 290, 339, 355 f., 363 f., 366 (Mitbestimmung); 51, 193, 221 (Weinlagenname); BVerfG NJW 1998, S. 1549 (Handelsschiffe); BVerwGE 71, 183, 193 (Transparenzlisten), die die Grundrechtsqualität der "unternehmerischen Betätigungsfreiheit" ausdrücklich anerkannt hat; Günter, in: WuW 1958 S. 379 ff.; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 39; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 1 ff.; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 1 ff.; Engel, in: AOR 1993, S. 170 ff. 95 s. unten sub Β. 96 Vgl. Stober, Grundrechtsschutz, S. 47 ff. 97 BVerfGE 41, 378; 65, 116, 125; BVerwGE 2, 151, 152; 12, 140, 162; BGH NJW 1978 S. 1328 f. 98 BVerfGE 8, 274, 328 (Preisgesetz); 21, 292, 297; 65, 248, 258 ff. (Preiskennzeichnung). 99 Vgl. die Nachweise unten sub Β V 2 b cc α. 100 Lerche, Werbung, S. 1 ff.; Drettmann, Wirtschaftswerbung, S. 1 ff; Degenhart, in: BK Art. 5, Rd. 149 ff.; Skouris, in: EuWZ 1995, S. 438 ff.

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

49

Die Wettbewerbsfreiheit ist also Bestandteil und die besondere Ausprägung der Wirtschaftsfreiheit 101 und hängt mit ihren anderen Ausprägungen eng zusammen. Die Vertrags- 102 , Preis-, Produktions-, Niederlassungs- und Werbungsfreiheit sowie das private Eigentum sind wichtige Instrumente, mittels der ein Unternehmer oder Händler mit seinen Mitbewerbern besser und effektiver konkurrieren kann. Wettbewerbsfreiheit ohne die oben genannten Freiheiten ist, wenn überhaupt, schwierig vorstellbar und realisierbar. Andererseits befinden sich Wettbewerbs- und Unternehmensfreiheit in einem dialektischen Verhältnis - die eine ist tatsächlich ohne die andere nicht vorstellbar. Beide haben als gemeinsame Basis die Berufsfreiheit, die ihren Schutzbereich definitiv bestimmt 103 .

I I . Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsrecht 7. Die Quellen des Wettbewerbsrechts

(i. w. S.)

Das Recht, das das Phänomen "Wettbewerb" zum Gegenstand hat - das Wettbewerbsrecht - wird von der Lehre in zwei große Teile untergliedert: in das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb oder Unlauterkeitsrecht und in das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen oder Kartellrecht, wie es häufig in der Literatur betitelt wird. Da ersteres für Jahrzehnte als "Wettbewerbsrecht" bezeichnet wurde, spricht man heutzutage von ihm als "Wettbewerbsrecht im engeren Sinne" oder vom "klassischen Wettbewerbsrecht", um es von dem Oberbegriff "Wettbewerbsrecht" oder "Wettbewerbsrecht im weiteren Sinne" unterscheiden zu können, welches auch das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen beinhaltet 104 .

101

Dürig, in: MD, Art. 2 I, Rd. 48, Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 50, und Schricker/Lehmann, in: WRP 1977, S. 294, bezeichnen die Wettbewerbsfreiheit als "Erscheinungsform" der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit; vgl. auch Leisner, SB-Großmärkte, S. 109; Scholz, Entflechtung, S. 94; ähnlich, obgleich mit anderem Schluß bezüglich der verfassungsrechtlichen Natur der Wettbewerbsfreiheit, ders., ZHR 1969, S. 105 ff.; ders., NJW 1969, S. 1044; ders., Wirtschaftsaufsicht, S. 128; Knöpfle dagegen, Ist die Freiheit, S. 179 ff., 220, lehnt den Begriff "Wettbewerbsfreiheit" überhaupt als irreführend ab und spricht stattdessen nur von "Wirtschaftsfreiheit". Die Auseinandersetzung über die einschlägigen, die Wettbewerbsfreiheit schützenden Grundgesetzartikel und ihre verfassungsrechtliche Natur sollte z. Zt. dahingestellt bleiben - vgl. aber unten sub Β I. 102 Zu einer Verbindung der Vertragsfreiheit mit Markt und Wettbewerb vgl. ausfuhrlich Canaris , in: FS Lerche, S. 881 ff. 103 Mehr dazu unten sub Β II 1 a. 104 y g] Fikentscher, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 226 ff.; ders., Wirtschaftsrecht II, S. 366 ff.; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 232; Gloy (Hg.), HdWbR, Allgemeiner Teil, Rd. 3; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rd. 5; Baumbach/Hefermehl, Wett4 Tsiliotis

50

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland a) Das Wettbewerbsrecht i. e. S.

aa) Die gesetzlichen Normen Die Säule, auf die sich das Wettbewerbsrecht i. e. S. stützt, ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) von 1909 (RGBL, S. 499) und seine Novellen von 1969 (BGBl. I, 633), 1986 (BGBl. I, 1169) und 1994 (BGBl. I, 1738) 105 . Es geht grundsätzlich um spezielles Deliktsrecht, ergänzt durch strafund bußrechtliche Sanktionen 106 . Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung dieses Rechtsgebiets ist die sog. "große Generalklausel" des § 1 U W G 1 0 7 , die unverändert seit 1909 gilt, und die Auslegung des Rechtsbegriffs "gute Sitten", den diese enthält 108 . Neben dem U W G gelten als wichtige Teile des Wettbewerbsrechts i. e. S. die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze der Wirtschaft (Zugabeverordnung) von 1932 (RGBl. I, 121), die 1987 verändert (BGBl. I, 2294) und durch das "Gesetz zur Änderung der Zugabeverordnung" von 1994 (BGBl. I, 1688) ergänzt wurde, das Rabattgesetz (RabG) von 1933 (RGBl. I, 1011), zuletzt geändert 1986 (BGBl. I, 1169), und das Markengesetz von 1994 (BGBl. I, 3082), welches das frühere Warenzeichengesetz (WZG) von 1936 abgelöst hat 109 . Als wettbewerbsrechtliche Normen werden auch einige Vorschriften der allgemeinen Gesetze betrachtet 110 wie die §§ 60, 74 ff., 112 HGB, die Wettbewerbsverbote für Handlungsgehilfen und Gesellschafter einer OHG vorsehen (vgl. auch § 133 f GewO für die Angestellten eines Gewerbeunternehmens), und die §§ 823, 824, 826, 1004, 12 BGB, letztere aber nur parallel oder subsidiär, wenn die Rechtsnormen des Unlauterkeitsrechts keine Anwendung finden können 111 . Nicht ohne Bedeutung für das betreffende Recht sind auch öffentlichrechtliche Sondervorschriften, die sich unmittelbar auf das Wettbewerbsrecht

bewerbsrecht, Einl. Rd. 21; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Einleitung, Rd. 1 f f , § 1, Rd. 1; Wolf in: WRP 1995, S. 543. 105

Vgl. zur letzten UWG-Reform von 1994 statt aller Vogt, in: NJW 1994, S. 2509. So Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 1, Rd. 8. 107 Man unterscheidet sie von der sog. "kleinen Generalklausel" des § 3 UWG, die die irreführende Werbung verbietet. 108 Zur verfassungs- bzw. grundrechtlichen Bedeutung dieser Vorschrift vgl. unten sub Β IV 2 a cc α, C II 2 a. 109 Vgl. dazu sowie im allgemeinen zur Entwicklung des Wettbewerbsrechts in den Jahren 1993-1995 Vogt, in: NJW 1995, S. 2819 ff. 110 So Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rd. 23. 111 Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S. 379 ff.; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 662 ff. (m. w. Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGH und die Literatur); Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 1, Rd. 25 ff. 106

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

51

beziehen. Solche sind Normen aus dem Gesundheitsrecht wie die des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), des Lebensmittelund Bedarfsgegenständegesetzes, Normen aus dem Gewerbe- und Berufsrecht, aus dem Preisrecht wie der Preisangabeverordnung (PAV) 1 1 2 und aus dem Arbeitsschutzrecht, insbesondere dem Ladenschlußgesetz (LSG) 113 . Ebenfalls zu erwähnen ist auch die Richtlinie 84/450/EWG des Rates der EG aus dem Jahre 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung. Obwohl die Richtlinie an alle Mitgliedstaaten gerichtet war, brauchte die Bundesrepublik Deutschland keine besonderen Maßnahmen zu treffen, um sie an das deutsche Wettbewerbsrecht anzupassen, da § 3 UWG bereits die von ihr gesetzten Voraussetzungen erfüllt hatte.

bb) Der Schutzzweck des UWG Die Frage nach dem Schutzzweck des UWG existiert schon lange, genauso lange vielleicht wie das Gesetz besteht114. Sie betrifft sein Schutzsubjekt, Schutzobjekt oder Schutzgut, m. a. W. wen und was das UWG schützt 115 . In bezug auf die erste Frage muß man anmerken, daß die ursprüngliche Ansicht, nach der das UWG einen Individualschutzcharakter gehabt hatte, im Sinne eines ausschließlichen Schutzes der Mitbewerber, relativ schnell aufgegeben wurde. Seit 1914 wurde tendenziell allgemein im Rahmen eines "sozialrechtlichen Verständnisses" des UWG angenommen, daß neben den Mitbewerbern auch die anderen Marktbeteiligten (Abnehmer, Lieferanten und insbesondere die Verbraucher) und darüber hinaus die Allgemeinheit geschützt werden sollen 116 . Aus § 13 I I UWG ergibt sich, daß die Mitbewerber, die rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, rechtsfähige Verbraucherverbände (nicht aber die einzelnen Verbraucher) und Industrie-, Handels- oder Handwerkskammern einen Anspruch auf Unterlassung haben, wenn gegen die 112

Vgl. zu letzten Änderungen im Recht der Preisangaben Völker, in: NJW 1997, S. 3405. 113 Gloy (Hg.), HdWbR, § 1, Rd. 15; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rd. 5. 114 Eine Übersicht mit den diesbezüglich wichtigsten Auffassungen bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rd. 41 ff. 115 So Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 15. 116 RGZ 128, 330, 342 (Graf-Zeppelin); BGHZ 19, 392, 397 (Anzeigenblatt); 59, 317, 319; 72, 40, 42 (Feld und Wald I); 103, 203, 206 (BTX-Werbung) - st. Rechtsprechung; vgl. auch Art. 4 der EG-Richtlinie 84/450 über die irreführende Werbung; zu Meinungen in der Literatur vgl. u. a. Baumbach/Hefermehl, Einl. UWG Rd. 41 ff. (m. w. N.); Wolf\ in: WRP 1995, S. 543; kritisch zur Annahme eines Allgemeinheitsschutzes durch das UWG Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rd. 17; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 20.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

52

§§ 1, 3, 4, 6-6 c, 7, 8 UWG verstoßen wird 1 1 7 . Die Einschaltung der Organisationen, die kollektiv gewerbliche Interessen oder Verbraucherinteressen fördern und wahrnehmen, als Subjekte eines Unterlassungsanspruchs, bestätigt die Position, die einen sozialrechtlichen Charakter des UWG sieht. Hinsichtlich des sog. Schutzgutes des UWG muß man betonen, daß hierzu verschiedene Meinungen vertreten wurden 118 . Die Meinung, die in der Rechtsprechung 119 und in der Literatur 120 vorherrschend, nimmt einen institutionellen Schutz des lauteren und freien 121 Wettbewerbs im Sinne eines sozialrechtlichen Interessenschutzes durch objektive Verhaltensnormen an 122 . Die Lauterkeit des Wettbewerbs wird mit seiner Leistung verbunden, so daß der lautere Wettbewerb als Leistungswettbewerb verstanden wird 1 2 3 .

117

Vgl. auch § 13 III i. V. m. § 12 UWG, aber nicht für die Verbraucherverbände. Eine kurze Darstellung dieser Meinungen in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rd. 44 ff. 119 BVerfGE 32, 311, 316 (GrabsteinWerbung); 51, 193, 214 f.; BGHZ 130, 197, 204 (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente). 120 Vgl. Raiser, Rechtsschutz, S. 156; Knöpfle, Der Rechtsbegriff, S. 34 ff, insb. 38 ff; Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S. 78 ff; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rd. 49 ff, insbes. 51; v. Gierke, in: FS Piper, S. 247 (m. w. N.). 121 Daß die Freiheit des Wettbewerbs auch Gegenstand des UWG ist, nehmen Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 26 ff, Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rd. 15, und Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 21, an. Die Freiheit des Wettbewerbs und ihr institutioneller Schutz durch das UWG widersprechen sich nicht, genauso wenig wie im Grundrechtsschutz (s. oben I 3). Die eine Seite verstärkt die andere, und beide versichern die Lauterkeit des Wettbewerbs. Außerdem kann verfälschter und unlauterer Wettbewerb nicht tatsächlich frei sein, es sei denn, daß man ihn als "frei" in seiner Unlauterkeit betrachten will; a. A. Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 666, der sich BGH NJW 1971, S. 2028 f , anschließt, wo nicht von Freiheit, sondern von Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs gesprochen; Knöpfle, Ist die Freiheit, S. 205 f. - m. w. N. inderFn. 106 (dort). 122 Hier ist auf folgendes hinzuweisen: Der objektiv-institutionelle Schutzzweck des UWG hat den Sinn, daß es den lauteren (und freien) Wettbewerb als gemeinsames Schutzgut zu schützen hat und sich nicht auf subjektive Rechte begrenzt, wie die frühere h. M. angenommen hat. Das bedeutet aber nicht, daß Individualinteressen, wie die der sog. Schutzsubjekte (Mitbewerber, Verbraucher usw.) nicht darunter fallen können vgl. dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rd. 51. Diese Feststellung interessiert die vorhandene Untersuchung bezüglich der Interpretation der Gute-Sitten-Generalklausel des § 1 UWG und der Ausstrahlungswirkung grundrechtlicher Positionen auf diesen (vgl. ausführlich dazu unten sub C II 2 a). 123 Zu diesem Begriff s. bei Nipperdey, Wettbewerb und Existenzvernichtung, S. 16, und die RGZ 134, 342 ff. (Benrather Tankstellen). Die Rechtsprechung des BGH orientiert sich auch an diesem Rechtsbegriff - so BGHZ 15, 356, 365 (Indeta), für die vielfältigen Formen der Wertreklame; BGHZ 19, 392, 397 (Anzeigenblatt), fur die kostenlose Abgabe von Anzeigenblättern; BGHZ 43, 278, 280 ff. (Kleenex), für das Verschenken von Original waren zu Probezwecken; BGH GRUR 1994, S. 828 (Unipor-Ziegel); vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG Rd. 96 ff.; Fikentscher, Ge118

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

53

cc) Das Wettbewerbsverhältnis Der Wettbewerb unter Anbietern, der hier von Interesse ist und mit dem sich beschäftigt wird, liegt vor, wenn der einzelne Unternehmer einen oder mehr Mitbewerber hat, mit denen er beim Abschluß von Geschäften mit Dritten (Marktpartnern) konkurrieren kann. Die Marktpartner müssen Alternativen zu dem wettbewerblichen Verhalten der Anbieter haben, um zwischen ihnen frei denjenigen und dasjenige wählen zu können, was ihren Wünschen entspricht 124 . Diese Beziehung wird in der Terminologie des Wettbewerbsrechts "Wettbewerbsverhältnis" genannt 125 . Dieser Begriff wird insbesondere in der wettbewerbsrechtlichen Praxis als Element des Tatbestandes einer Reihe von UWG-Vorschriften (vor allem der beiden Generalklauseln der §§ 1,3 UWG, aber auch für die §§ 6 b, 12, 14, 17, 18 und 20 U W G ) 1 2 6 verwendet. In diesem Sinne liegt ein Wettbewerbsverhältnis vor, "wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, daß der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann" 1 2 7 . Voraussetzung für das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses ist, daß die Gewerbetreibenden den gleichen Abnehmerkreis haben 128 . Es ist nicht erforderlich, daß sie aus den gleichen Wirtschaftsstufen 129 oder -branchen 130 sind 131 .

werblicher Rechtsschutz, S. 113 ff.; Ulmer, in: GRUR 1977, S. 565 ff.; Meier, in: WRP 1978, S. 514; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rd. 15; a. A. Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 667; Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 19 f. 124 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 4. 125 Ebenda, Rd. 9. 126 Vgl. statt aller Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 25. 127 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl., Rd. 216, sich anschließend an die Rechtsprechung des RG und des BGH. 128 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl., Rd. 220; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 676. 129 Vgl. statt aller BGHZ 37, 30, 34 (Selbstbedienungsgroßhändler). 130 BGH GRUR 1972, S. 553 (statt Blumen Onko-Kaffee). 131 Man muß anmerken, daß es in der wettbewerbsrechtlichen Literatur Stimmen gibt, die für einen Verzicht auf den Begriff "Wettbewerbsverhältnis" als Element des Unlauterkeitsrechts plädieren oder dem gegenüber kritisch - Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S. 31 f. (m. w. N.); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl., Rd. 247. Die lauterkeitsrechtliche Auseinandersetzung sollte hier dahingestellt bleiben. Was aber diese Arbeit bezüglich des abstrakten Begriffs "Wettbewerbsverhältnis", der aber nicht mit dem abstrakten Wettbewerbsverhältnis i. S. d. Art. 13 II UWG verwechselt werden darf, interessiert, ist ihre Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Begriff "Wettbewerbsfreiheit" (s. unten sub Β I) und die Bestimmung ihres Schutzbereichs so-

54

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland b) Das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellrecht)

aa) Nationales Recht - das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

(GWB)

α) Entstehungsgeschichte des GWB Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann der Versuch einer Dezentralisierung der deutschen Wirtschaft, die aus zwei Hauptsträngen bestand: der Entstaatlichung und der Dekartellisierung. Letztere war auf eine bestimmte Art Ausfluß der ersteren, denn die Kartelle wurden in der NS-Zeit, insbesondere während des Krieges, als Objekte staatlicher Wirtschaftspolitik von dem diktatorischen Regime mißbraucht 132 . Die Antikartellgesetzgebung der Besatzungsmächte wurde größtenteils von dem US-amerikanischen AntitrustRecht beeinflußt 133 . 1952 bereitete die damalige Bundesregierung Adenauer einen Entwurf für das GWB vor, der teilweise auf dem sog. Josten-Entwurf des Sachverständigen· Ausschusses unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Josten aufgebaut wurde. Die Einwirkung der ordoliberalen Lehre war in diesem Regierungsentwurf eindeutig 1 3 4 . Erst fünf Jahre später wurde das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. "Kartellgesetz" am 27. 07. 1957 (BGBl. I, 1081) erlassen und trat am 01. 01. 1958 in Kraft. Dieses Gesetz gilt auch heute noch, nachdem es sechsmal novelliert wurde. Die sechs Novellen haben 1965 (BGBl. I, 1963), 1973 (BGBl. I, 917), 1976 (BGBl. I, 1697), 1980 (BGBl. I, 458) 1989 (BGBl. I, 457) und 1994 (BGBl. I, 3210) stattgefunden 135. Es wurde ebenfalls durch Gesetze verändert, die andere Gesetze verändert hatten, und wird von der VO über die Kosten der Kartellbehörden von 1970 (BGBl. I, 1535) ergänzt. Das GWB ging in seiner ursprünglichen Konzeption von dem Ordoliberalismus der Freiburger Schule bzw. von der wettbewerbspolitischen Theorie der vollkommenen Konkurrenz, die von dieser Lehre vertreten wurde 136 , aus. Kurze Zeit später wurde diese Konzeption nach dem Beweis aufgegeben, daß sie unanwendbar war und in die "Sackgasse" der Utopie des vollständigen Wettbewerbs gefuhrt hatte. Hervorgehoben werden muß, daß zu Beginn der 60er Jahre auch die Theorien von J. M. Clark und anderer angloamerikanischer Auwie ihrer Einschränkungen; zu der Relevanz des Wettbewerbsverhältnisses bezüglich der Wettbewerbsfreiheit, insbesondere in bezug auf den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG, vgl. unten sub Β II 1 e. 132 Dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd 41. 133 Rittner, Wirtschaftsrecht, § 13, Rd. 15. 134 Ebenda, Rd. 19. 135 Der Erlaß des Gesetzes und seine Novellen wird Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 16 i. V. m. Art. 72 GG). 136 Vgl. dazu statt aller Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S. 187.

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

55

toren über den sog. funktionsfähigen Wettbewerb 137 dazu beitrugen. Diese Tendenz zeigen auch die Novellen des GWB, die kontinuierlich von dem ordoliberalen Modell abwichen 138 .

ß) Inhalt und Systematik des GWB Das GWB wird in sechs Teile gegliedert. Der erste Teil enthält grundsätzlich materiellrechtliche Vorschriften. Seine ersten beiden Abschnitte haben Wettbewerbsbeschränkungen durch Rechtsgeschäfte zum Gegenstand: Die § § 1 - 1 4 GWB "Kartellverträge und Kartellbeschlüsse", die horizontale Wettbewerbsbeschränkungen betreffen, und die §§15 - 21 GWB "Sonstige (NichtKartell-) Verträge", die sich hauptsächlich auf vertikale Bindungen beziehen. Der dritte Abschnitt (§§ 22 - 24 c GWB) befaßt sich mit marktbeherrschenden Unternehmen und Fusionskontrolle, und der vierte (§§ 25 - 27 GWB) wendet sich gegen bestimmte tatsächliche Verhaltensweisen. Hier muß erwähnt werden, daß § 25 GWB systematisch die beiden ersten Abschnitte ergänzt. Der fünfte Abschnitt (§§ 28 - 32 GWB) regelt die Zulassung von Wettbewerbsregeln und ihre Anerkennung durch die Kartellbehörden. Der sechste Abschnitt (§§ 34 - 37 GWB) enthält gemeinsame Bestimmungen und der siebte (§§ 37 a 37 b GWB) Untersagungsverfahren. Die materiellrechtlichen Regelungen des ersten Teils, insbesondere die seiner ersten zwei Abschnitte, hängen mit dem zweiten Teil (§§ 38 f. GWB), der Ordnungswidrigkeiten aufzählt, zusammen. Der dritte Teil (§§ 44 - 50 GWB) regelt die Zuständigkeit der Kartellbehörden. Der vierte Teil ( § § 5 1 - 9 7 GWB) beinhaltet Verfahrensvorschriften und wird in vier Abschnitte gegliedert: Die ersten drei haben Verfahrensarten zum Gegenstand: Verwaltungssachen, Bußgeldverfahren und bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, der vierte enthält gemeinsame Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gerichte. Der fünfte Teil regelt den Anwendungsbereich des Gesetzes (§§ 98 - 105 GWB) und der sechste (§§ 106 - 109 GWB) die Übergangs- und Schlußbestimmungen.

γ) Der Schutzzweck des GWB Die Frage nach dem Schutzzweck des GWB wurde von einem Teil der wettbewerbsrechtlichen Literatur mit der Frage nach dem juristischen Wettbewerbsbegriff verbunden 139 . Der zweite größere Problemkreis soll in seiner Be-

137 138 139

Zu dieser Theorie vgl. Baumbach/Hefermehl, Rittner, Wirtschaftsrecht, § 13, Rd. 28 f. Vgl. statt aller Grabitz, in: ZHR 1985, S. 281.

Allg., Rd. 15 ff.

56

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

antwortung hier dahingestellt bleiben 140 , da das Ergebnis für diese Arbeit von nicht so großer Wichtigkeit wäre 141 . Umstritten in der Auseinandersetzung über die Frage nach dem Schutzzweck des GWB war, ob das Gesetz nur die Institution bzw. das Institut "Wettbewerb" oder überdies auch die individuelle Wettbewerbsfreiheit schützt 142 . Es wird von der h. M. in der Rechtsprechung 143 und im Schrifttum 144 angenommen, daß beides geschützt werden und nicht als eine dem GWB fremde Antinomie verstanden werden solle. Daß das Gesetz die Sicherung der Institution oder genauer gesagt des Instituts 145 "Wettbewerb" bezweckt, ist aus seiner Entstehungsgeschichte, dem Inhalt und dem Sinn seiner Vorschriften evident. Es will den Wettbewerb mit der Einschaltung öffentlich-rechtlicher Kartellbehörden vor Beschränkungen schützen - wie sein Name bereits sagt. Andererseits ist Institutsschutz ohne individuellen Schutz ein unvollkommener Schutz. Deshalb hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, die durch ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten Geschädigten mit Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen auszustatten146 (vgl. § 35 GWB) 1 4 7 .

140

rung A.

Zu der Definition des Begriffs "wirtschaflicher Wettbewerb" vgl. oben Einfuh-

141

Demgegenüber, daß überhaupt eine Legaldefinition des Begriffes "Wettbewerb" angenommen wird, drücken Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 204 f., ihre Bedenken aus; vgl. auch die verfassungsrechtlichen Bedenken von Grabitz, in: ZHR 1985, S. 280 f. 142 Die verschiedenen Ansichten über den Schutzzweck des GWB stellt Hoppmann, Zum Schutzobjekt, S. 65, dar. 143 Daß Schutzzweck des GWB die Institution "Wettbewerb" ist, vgl. bei BGHZ 13, 33, 37 (Warenkredit); 38, 90, 102; 52, 65, 71 (Sportartikelmesse) - st. Rechtsprechung; daß das GWB auch die individuelle Wettbewerbsfreit schützen soll, vgl. bei BGHZ 29, 344, 350; 96, 337, 351 (Abwehrblatt II) - st. Rechtsprechung; vgl. auch vor kurzem BGHZ 129, 203, 212, wonach der Gesetzeszweck des GWB ist, die Freiheit des Wettbewerbs zu sichern. 144 So Scholz, Entflechtung, S. 17; Möschel, Wettbewerbsbeschränkungen, Rd. 111; Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S. 78 ff.; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 214; Gloy (Hg.), HdWbR, Rd. 15 f.; v. Gamm, Kartellrecht, Rd. 12; ders., WbR, 3. Kapitel, Rd. 5; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 13, Rd. 39; ders., Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 147 f.; Emmerich, in: I/M, § 35, Rd. 26 ff.; Wolf, in: WRP 1995, S. 544; a. A. Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 16 (m. w. N. in der Fn. 2), 60, nach dem das GWB die "Institution Wettbewerb" und nicht die individuelle Wettbewerbsfreiheit schützt; Knöpfle, Ist die Freiheit, S. 221 f , der davon ausgeht, daß das GWB weder die individuelle Wettbewerbsfreiheit noch den Wettbewerb überhaupt als Institution schütze. 145 Zu der terminologischen Auseinandersetzung über die beiden Begriffe vgl. oben sub I 1 c. 146

147

Vgl. Emmerich, in: I/M, § 35, Rd. 18 ff.

§ 35 GWB soll die sog. "Schutzgesetze" (vgl. auch § 823 II BGB) erfassen. Als solche werden §§ 25, 26 und 1 GWB betrachtet. Ob auch andere GWB-Normen diese

Α. Die Wettbewerbsfreiheit in der Wirtschaftsverfassung

57

δ) Das Verhältnis des GWB zu dem U W G und seine Bedeutung für das Wettbewerbsrecht (i. w. S.) Wenn man die Enstehungsgeschichte der beiden Gesetze des Wettbewerbsrechts betrachtet, liegt der Schluß nahe, daß in ihrer ursprünglichen Konzeption das U W G den individuellen Schutz der Mitbewerber und das GWB die Sicherung des vollkommenen Wettbewerbs bezwecken sollten. Vereinfachend kann man auch sagen, daß das erste Gesetz die Lauterkeit (das "Wie") und das zweite die Freiheit (das "Ob") des Wettbewerbs schützen soll 1 4 8 . Die gesetzgeberische und praktische Entwicklung der Gesetze hat gezeigt, daß diese Auffassungen nicht mehr der wirtschaftsrechtlichen Realität entsprechen 149. GWB und U W G sind nicht nur Bestandteile einer gemeinsamen Wettbewerbsrechtsordnung, sondern auch die beiden Seiten derselben Münze - des Wettbewerbsschutzes -, zwar auf andere Art und Weise, ihre Schutzzwecke nähern sich in dieser Richtung jedoch an 150 . Wie bereits gezeigt wurde 151 , bezweckt das U W G nicht nur den Schutz der Konkurrenten, sondern auch der Verbraucher und der Allgemeinheit. Die Lauterkeit des Wettbewerbs kann außerdem nicht von seiner Freiheit getrennt werden 152 . Andererseits schützt zwar das GWB den Bestand des Wettbewerbs als Institution im Allgemeininteresse, schafft aber auch individuelle Ansprüche 153 . Zusätzlich wurde es nach seiner zweiten Novelle und der Aufgabe der Theorie des vollkommenen Wettbewerbs durch das Lauterkeitsprinzip erweitert (vgl. §§ 1, 22 IV, 26 I I 1, 28 I I GWB) 1 5 4 . Obwohl das GWB kein Sonderrecht gegenüber dem U W G ist 1 5 5 , kann eine Vorschriftenkonkurrenz beider Gesetze nicht ausgeschlossen werden (vgl. die ergänzende Funktion des § 1 U W G zu den §§ 22 IV, 26 II, I V GWB) 1 5 6 .

Rechtsqualität haben, ist umstritten; vgl. Emmerich, in: I/M, §35, Rd. 18 ff.; ders., Kartellrecht, S. 486 f. 148

Vgl. Wolf in: WRP 1995, S. 543.

149

Vgl. dazu Wolf, ebenda. v. Gamm, WbR, 3. Kapitel, Rd. 6 ff. 151 s. oben sub abb. 152 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 89 a ; vgl. auch Wolf WRP 1995, S. 543. 153 Vgl. auch Wolf in: WRP 1995, S. 543. 154 Ulmer, in: GRUR 1977, S. 573 f; vgl. auch BGHZ 96, 337, 351. 155 So Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg. Rd. 89. 156 Ebenda, Rd. 89 f.; Ulmer, in: GRUR 1977, S. 577 f. 150

in:

58

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

bb) Das Kartellrecht

der EG/EU

Das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen bzw. Kartellrecht der seit Ol. 11. 1993 existierenden Europäischen Union (EU) ist sowohl primärer (Vorschriften der Verträge) als auch sekundärer Natur (Rechtsvorschriften, die aufgrund der Verträge erlassen wurden). Das primäre Recht besteht aus den Art. 85 - 87 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) i. d. F. von Art. G des Maastrichter Vertrags über die Europäische Union (EUV) und den Art. 63, 65, 66 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKSV); das sekundäre Recht besteht grundsätzlich aus den Verordnungen (VO) 17/62 (ABl. 204 von 6.2.1962) und 4064/89 (ABl. 395 von 21. 12. 1989) des Rates 157 .

2. Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Quellen des Wettbewerbsrechts (i. w. S.) Aus der Darstellung der wettbewerbsrechtlichen Normen ergibt sich, daß die Vorschriften des UWG prinzipiell zum Privatrecht gehören (mit den Ausnahmen einiger strafrechtlicher Vorschriften, wie ζ. B. den §§ 20, 22 UWG). Hingegen sind die Normen des GWB ζ. T. privatrechtlich und ζ. T. öffentlichbzw. verwaltungsrechtlich, soweit sie die öffenliche Kartellaufsicht bestimmen 158 . Für diese Arbeit ist jedoch hauptsächlich interessant, inwieweit diese einfachrechtlichen Vorschriften verfassungs- bzw. grundrechtliche Bedeutung hinsichtlich des Wirtschaftsverfassungsproblems und des verfassungsrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit haben können. Die erste Problematik wurde bereits dargestellt 159, die zweite kann nicht hier, sondern später detailliert erörtert werden 160 . Was bereits an dieser Stelle dazu dargelegt werden kann, ist folgendes: Aus der Auseinandersetzung über den Schutzzweck des UWG und des GWB ergibt sich eine Annäherung in die Richtung des Wettbewerbsschutzes. In diesem Wettbewerbsprozeß kollidieren vielfältige und nicht selten widersprüchliche Interessen aller Marktbeteiligten sowie der Allgemeinheit. Soweit sich diese Interessen auf die grundrechtliche Position der betroffenen Personen oder die rechtliche Position der Allgemeinheit im Sinne der Grundrechte Drit-

157 Vgl. mehr zu dem europäischen Kartellrecht bei Rittner, in: JZ 1996, S. 377 ff., und hier sub zweiter Teil C II b bb α. 158 Vgl. auch § 38 GWB, der die Ordnungswidrigkeiten betrifft. 159 s. oben sub I. 160 s. unten sub Β.

. Die Wettbewerbsfreiheit in der

r c h t s g

59

ter 161 oder des öffentlichen Interesses beziehen, sind sie für das Verfassungsrecht einschlägig. Das gewinnt an Klarheit, wenn man von der richtigen und inzwischen herschenden Meinung ausgeht, daß die Wettbewerbsfreiheit grundrechtlich geschützt wird 1 6 2 . Ein Grundrecht kann durch staatliche Maßnahmen eingeschränkt werden. Diese Rolle spielen die einfachrechtlichen Wettbewerbsgesetze: Sie setzen der Ausübung Schranken. Die gilt vor allem für eine Reihe von Gesetzen des Wettbewerbsrechts i. e. S , die bezüglich der Wettbewerbsfreiheit einen einschränkenden Charakter haben (vgl. die Vorschriften des UWG, AMG, HWG, LSG und der PAV). Diese Einschränkungen können entweder durch den Schutz anderer legitimer Interessen Dritter, die vom Staat oder anderen Privaten gefährdet werden können, oder der öffentlichen Interessen (Gemeinwohl) gerechtfertigt werden, ohne daß jedoch ausgeschlossen werden kann, daß private und öffentliche Interessen manchmal identisch sind. Wesentliche Bedeutung für das Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Wettbewerbsrecht i. w. S. haben die Generalklauseln und andere unbestimmte Rechtsbegriffe der Gesetze, die die Quellen dieses Rechtsgebiets darstellen. Diese Bedeutung betrifft zweierlei: einerseits die verfassungskonforme Auslegung und Konkretisierung dieser Vorschriften und andererseits die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und ihre Einwirkung auf diese Auslegung. Besonders wichtig für die zweite verfassungsrechtliche Problematik, die als Teil der ersten betrachtet wird, ist die Einwirkung der verfassungsrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit auf die privat(wettbewerbs)rechtlichen Beziehungen durch die Generalklauseln etc. - dieser Problemkreis wird "Drittwirkungsproblematik" genannt 163 .

B. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Bisher wurde besonders der Wettbewerb sowie seine Funktion und Bedeutung für die Volkswirtschaft und das einfache Recht erörtert. Der Gegenstand, mit dem sich dieses Kapitel beschäftigen wird, ist die Wettbewerbsfreiheit bzw. ihre Beziehung zum Verfassungsrecht. Der erste Problemkreis, der die Wirtschaft und das Verfassungsrecht betrifft, nämlich das Wirtschaftsverfassungsrecht, wurde bereits dargestellt 164.

161

sichtigt. 162 163 164

Diese Belange läßt Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 164, unberückVgl. dazu ausführlich unten sub Β. Mehr dazu unten sub C. s. oben A I.

60

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Wie dort bereits dargelegt wurde, soll die Frage des verfassungsrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit selbstverständlich nicht nur i m Rahmen der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung, sondern auch speziell im Rahmen der Wirtschaftsfreiheit bzw. der freien wirtschaftlichen Betätigung, wie sie auch genannt wird, untersucht werden. Die "Brücke", die die Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsfreiheit und das GG verbindet, sind die Grundrechte des Grundgesetzes.

I. Die verfassungsrechtliche Definition der Wettbewerbsfreiheit 1. Ihr Begriff Man muß zwischen der Wettbewerbsfreiheit i m engeren und im weiteren Sinne unterscheiden, da sie zweierlei bedeutet : Erstens das Recht, sich auf einem bestimmten Markt, auf dem es noch andere Konkurrenten gibt, um Geschäftsabschlüsse mit Dritten (Kunden), die man von seinen Konkurrenten durch ein anderes Angebot gewinnen will, über Produkte und Leistungen zu bemühen. Dies ist die Freiheit im Wettbewerb oder Wettbewerbsfreiheit i. e. S 1 6 5 . Die Wettbewerbsfreiheit enthält aber zweitens auch die Freiheit zum Wettbewerb, d. h. das Recht, in einen bestimmten Markt, in dem es noch andere Mitbewerber gibt, einzutreten, um sich um Geschäftsabschlüsse mit Dritten (Marktpartnern), die man von seinen Mitbewerbern durch ein anderes Angebot gewinnen will, über Produkte und Leistungen zu bemühen 166 . Die Ausübung dieses Rechtes setzt folgendes voraus: a) Der einzelne ist noch kein Teilnehmer am Wettbewerb; b) er fordert das Recht, an ihm teilzunehmen; c) der Markt, in den er eintreten will, ist nicht nur frei für die vorhandenen Mitbewerber, sondern auch offen für die zukünftigen. Die Freiheit zum Wettbewerb plus die Freiheit am Wettbewerb (Wettbewerbsfreiheit i. e. S.) bilden als Summe 167 die Wettbewerbsfreiheit i. w. S. 1 6 8 165 Vgl. letztens zu diesem Dreieck aus grundrechtlicher Sicht BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG). 166 Vgl. BVerwGE 30, 191, 196 f. (Winzergenossenschaftensubventionierung). 167 Schematisch kann man den Begriff der Wettbewerbsfreiheit so beschreiben: Wettbewerbsfreiheit i. e. S. + Wettbewerbsfreiheit zum Wettbewerb = Wettbewerbsfreiheit i. w. S. So Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 27; zustimmend Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 198; vgl. aber den Begriff "Recht auf Teilnahme am freien Wettbewerb" von Dürig, in: MD, Art. 2 I, Rd. 48, dem sich E. R. Huber,

. Die Wettbewerbsfreiheit in der

r c h t s g

61

womit die "Wettbewerbsfreiheit" gemeint ist. Sie betrifft sowohl Anbieter als auch Nachfragende 169 . In dieser Arbeit ist die Wettbewerbsfreiheit unter Anbietern von großer Bedeutung, ohne daß damit die Wettbewerbsfreiheit unter den Nachfragenden oder überhaupt ihre wirtschaftliche Freiheit bzw. Konsumfreiheit in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit unter den Anbietern als unwichtig bezeichnet werden soll 1 7 0 . Für die Definition des Begriffes "Wettbewerbsfreiheit" ist jedoch erforderlich, daß auf die festgelegten Begriffe "wirtschaftlicher Wettbewerb" und "Wettbewerbsverhältnis" in ihrer genauen Definition geachtet wird 1 7 1 .

2. Ihre verfassungsrechtliche

Natur

a) Problemstellung Das GG erwähnt den Begriff "Wettbewerb" nicht und ordnet die Wettbewerbsfreiheit nicht ausdrücklich in den Bereich des Grundrechtsschutzes ein. Die einzige mittelbare Erwähnung ist in Art. 74 Nr. 16 GG zu finden, in dem "die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung" Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist. Wie aber bereits gezeigt wurde, darf man nicht zu dem Schluß kommen, daß die Wettbewerbsfreiheit nicht vom GG geschützt werde und ihr Schutz eventuell Gegenstand nur des einfachen Rechtes sei; vielmehr ist ihr Schutz der Problematik des verfassungsrechtlichen Schutzes der Wirtschaftstätigkeit zuzuordnen und wird damit durch die wirtschaftsrechtlichen Grundrechte der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung 172 verwirklicht, soweit ihre Elemente in den Schutzbereich dieser Grundrechte fallen.

DÖV 1956, 137; Scholz, Entflechtung, S. 17; Grosser, Die Spannungslage, S. 88; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 2. Kapitel, Rd. 22; Sodan, in: DÖV 1987, S. 860; Badura, in: FS Steindorff, S. 839; Stober, Grundrechtschutz, S. 35, und VGH Kassel NJW 1985, S. 1357, in dem Sinne anschließen, daß Wettbewerbsfreiheit das Recht sei, sich durch freie Leistungskonkurrenz auf dem Markt gegenüber anderen Unternehmen durchzusetzen. Man kann bemerken, daß die Verfasser die Wettbewerbsfreiheit auf ihren engeren Sinn begrenzen, was, wie gezeigt, nicht annehmbar ist, und sie mit der Leistungskonkurrenz verbinden, was fraglich ist, wie später im betreffenden Abschnitt über ihren Schutzbereich dargelegt wird; auch Hoppmann, Wirtschaftsordnung, S. 241, versteht die Wettbewerbsfreiheit im engeren Sinn. 169 Vgl. oben sub Einführung B. 170 Vgl. Hoppmann, Wirtschaftsordnung, S. 241; Schmidtchen, in: ORDO 1988, S. 115. 171 s. oben sub Einführung B, erster Teil A II 1 a cc. 172 Vgl. oben sub A I 2 a und 3.

62

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland b) Die älteren Meinungen

Obwohl Einstimmigkeit hinsichtlich dessen herrscht, daß sich ihr verfassungsrechtlicher Schutz im Grundrechtsbereich bewegt, sind sowohl die einschlägigen Grundrechtsvorschriften als auch ihre verfassungsrechtliche Natur überhaupt umstritten. Die alte herrschende Meinung im Schrifttum 173 und der Rechtsprechung 174 ging davon aus, daß die Wettbewerbsfreiheit als selbständiges (Teil-)Grundrecht i m Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG geschützt werde. Es wurde auch die Meinung vertreten, daß die Wettbewerbsfreiheit nicht als selbständiges subjektives (Abwehr-)Grundrecht, sondern als "unselbständige Folgefreiheit" 175 oder "reale Verhaltensform und reales Verhaltensergebnis" 176 im Sinne eines "mittelbaren Verfassungsgutes" 177, das den "Rechtserfolg" oder "Rechtszustand Wettbewerb" 178 als "Summe miteinander wetteifernder Grundrechtsausübungen" 179 enthalte, i m Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit der Art. 12 I, 14 I GG, die "ein entsprechendes Schutzversprechen" 180 gewährten, geschützt werde 181 . Diese Auffassung verneint nicht nur den subjektiv-

173 Dürig, in: MD, Art. 2 I, Rd. 48 ff.; Nipperdey, Die soziale Marktwirtschaft in der Verfassung, S. 9 f.; ders., Wirtschaftsverfassung, und BVerfG, S. 13 f.; ders., Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 29 ff.; E. R. Huber, in: DÖV 1956, S. 136 ff.; H.-P. Ipsen, in: NJW 1963, S. 2055; Leisner, in: BB 1970, S. 410; Nordemann, in: GRUR 1975, S. 628; ders., Wettbewerbsrecht, Rd. 1 \Friehe, in: JuS 1981, S. 868; relativ neu R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 134, 153; Gröschner, in: DVB1. 1990, S. 626. 174 ΒVerwGE 17, 306, 309 (Mobiliarfeuerversicherung); 30, 191, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung); 60, 154, 159 (Krankenhauspflegesätze); 65, 167, 174; BVerwG NJW 1978, S. 1539 (Wohnungsvermittlung); BVerwG DVB1. 1983, S. 1252; BGHZ 23, 365, 371; VGH Kassel NJW 1985, S. 1357; VGH Mannheim NVwZ 1990, S. 575; vgl. auch BVerfGE 27, 375, 384 f., in der das Gericht die verfassungsrechtliche Garantie der Wettbewerbsfreiheit im Schutzbereich des Art. 2 I GG ermittelt, ohne aber wegen mangelnder Einschlägigkeit dieser Freiheit fur den betroffenen Fall Stellung dazu zu nehmen; vgl. ferner BVerfGE 14, 263, 282 f. (Feldmühle), wonach die freie unternehmerische Initiative aus Art. 2 I GG hergeleitet werden soll. 175

So Scholz, in: NJW 1969, S. 1044; ders., in: ZHR 1969, S. 106.

176

Ders., Konzentrationskontrolle, S. 44. Ders., in: ZHR 1969, S. 107; ders., Wirtschaftsaufsicht, S. 128.

177 178

179

Ders., in: NJW 1969, S. 1044; ders., in: ZHR 1969, S. 106.

Ebenda; ders., Wirtschaftsaufsicht, S. 128. Ders., Konzentrationskontrolle, S. 39; ders., in: AÖR 1975, S. 127 f.; Scholz geht davon aus, daß auch die allgemeine Wirtschaftsfreiheit hauptsächlich von diesen spezifischeren grundgesetzlichen Normen, aus denen sie sich zusammensetzt, und nur subsidiär von Art. 2 I GG geschützt wird. 181 Vgl. auch Lerche, Werbung und Verfassung, S. 70 f., der in den Grundrechten "die mittelbare Garantie eines Mindestmaßes wettbewerblicher Konkurrenz" sieht und den Wettbewerb als " verfassungsrelatives Ordnungselement" charakterisiert. 180

. Die Wettbewerbsfreiheit in der

r c h t s g

rechtlichen Charakter eines Grundrechtes, sondern auch den objektivrechtlichen eines Instituts "Wettbewerbsfreiheit" 182 und stützt sich dabei auf das Argument, daß das GG kein bestimmtes Wirtschafts- und dadurch kein Wettbewerbssystem anerkenne, in dem es Raum für eine Wettbewerbsfreiheit in diesem Sinne gäbe 183 . Beide Meinungen sind abzulehnen, obwohl bei beiden eine teilweise Richtigkeit anerkannt werden muß. Die Meinung, die einen verfassungsrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 2 I GG ableitet, entspricht nicht der neueren Auslegung der Schutzbereichstragweite der wirtschaftlichen Grundrechte. Sie geht zwar von der richtigen Position aus, daß Art. 2 I GG im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit, die sie umfaßt 184 , auch wirtschaftliche Handlungen schützen kann 185 , verkennt aber die Funktion des Art. 2 I GG in der Grundrechtstheorie und -praxis.

c) Die neuere Meinung Die weite Ausdehnung des Grundrechtsschutzbereichs des Art. 2 I GG 1 8 6 ermöglichte der Rechtsprechung, diesem eine Reihe von menschlichen Tätigkeiten, die sowohl das Persönlichkeitsrecht 187 als auch die Wirtschaftsfreiheit 188 182

Vgl. Scholz, in: ZHR 1969, 105. Die Ablehnung des Verfassers, zumindest eine institutionelle Wettbewerbsfreiheit im GG anzunehmen, verwundert, wenn man auf S. 106 desselben Werkes feststellt, daß er von einer Verletzung der Art. 12 I und 14 I GG spricht, wenn der "Rechtszustand Wettbewerb durch staatliche Maßnahmen ausgeschlossen wird". Sollte die Anerkennung eines sogar von der Verfassung geschützten Rechtszustandes "Wettbewerb" nicht seine verfassungsrechtliche Institutionalisierung bedeuten? 183 Ebenda; ders., in: NJW 1969, 1044; ders., Entflechtung, S. 94. 184 BVerfGE 6, 32, 36 ff (Elfes); 80, 137, 152 ff. (Reiten im Wald); 91, 335, 338 f.; 92, 191, 196; 95, 267, 303 (Altkreditschulden); BVerfG NJW 1998, S. 520 (fehlgeschlagene Sterilisation) - st. Rechtsprechung; weiterhin BVerwGE 100, 230, 233; vgl. aber das Sondervotum des Richters Grimm im "Reiten-im-Wald-Urteil", a. a. O, S. 168; vgl. auch Pieroth, in: AÖR 1990, 33 ff. 185 BVerfGE 8, 274, 328 (Preisgesetz); 73, 261, 270 (Sozialplan); 82, 159, 190; 89, 48, 61; 91, 207, 221 (m. w. N.); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 1784; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 58; BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1997, S. 125 (Kopierladen II) - st. Rechtsprechung. 186 Zu den verschiedenen Funktionen des Art. 2 I GG vgl. statt aller Scholz, in: AÖR 1975, S. 122; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 420 ff. 187 s. statt aller BVerfGE 6, 32, 41 (Elfes) - Ausreisefreiheit; 20, 150, 154 - Sammlungsfreiheit; 34, 238, 246 (Soraya) - Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort; 35, 202, 220 (Lebach) - Verfugungsrecht über die Darstellung der eigenen Person; vgl. auch letztens BGHZ 128, 1, 10 (Caroline von Monaco I - erfundenes Interview); 131, 332, 338 (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II - Brustkrebs); weiterhin Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 37 ff.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland betreffen, zuzuordnen 189 . Das hat zu dem Konzept der Lehre der sog. "unbenannten Freiheitsrechte" 190 geführt. Damit sind Freiheiten gemeint, die einen Abwehrcharakter gegenüber Eingriffen des Staates haben, aber nicht von dem Grundgesetzgeber als ausgesprochene Grundrechte im ersten Teil des GG (Art. 1-19 GG) oder als ausdrücklich geschützte grundrechtsähnliche Freiheiten (Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103, 104 i. V. m. Art. 93 14 a GG) geschützt werden, sondern zum Schutzbereich des Art. 2 I GG - zum Teil auch in Verbindung mit Art. 11 GG - gehören und als seine Ausprägungen von ihm gewährleistet werden. In diese unbenannten Grundrechte des Art. 2 1 GG ist von der alten herrschenden Auffassung auch die Wettbewerbsfreiheit als "Ausfluß der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit" eingeordnet worden. Dem allgemeinen Freiheitsrecht aber kommt die Rolle eines "Auffanggrundrechts" zu. Sowohl die Judikate des BVerfG 1 9 1 als auch die Literatur 192 sind zu Recht der Meinung, daß Art. 2 I GG anwendbar ist, soweit kein spezifischeres Grundrecht eine Betätigung schützt. In der Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeiten in zahlreichen Sektoren - insbesondere im Sektor des Eigentums und des Berufs - und der weiten Interpretation des Begriffes "Beruf 1 durch die Rechtsprechung des BVerfG seit dem Apotheken-Urteil 193 zeigt sich, daß in der Tat die wirtschaftliche Betätigung hauptsächlich von Art. 12 I 1 9 4 , 14 I 1 9 5 GG ge188 BVerfGE 8, 274, 328 (Preisgesetz), in der die Vertragsfreiheit als "Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG" und demgemäß als nicht ausdrücklich ausgesprochenes Recht des GG betrachtet wurde; 9, 327, 349; 12, 341, 347; 70, 115, 123; 73, 261, 270 (Sozialplan); 74, 129, 151 f.; 89, 48, 61. 189 Diese Rechtsprechung hat ein Teil der Lehre übernommen; vgl. Dürig, in: MD, Art. 2 I; Rd. 53 ff.; Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und GG, S. 43 ff.; E. R. Huber, in: DÖV 1956, 138. 190 Ein Terminus der Rechtsprechung des BVerfG - s. BVerfGE 54, 148, 153; 95, 220, 241; vgl. auch W. Schmidt, in: AÖR 1966, 73 ff.; C. Starck,, in: v. M/K/S, Art. 2 I, Rd. 11 ff.; ders, in: FS Geiger, S. 261; Scholz, in: AÖR 1975, 127, der diese Freiheiten "Innominatrechte" nennt; Erichsen, in: HdDStR, VI, § 152, Rd. 24; Stern, ebenda, V, § 109, Rd. 90; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 330 ff.; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 183 ff, 187 ff.; vgl. auch P. Kirchhof in: EuGRZ 1994, S. 20, ohne diese Grundrechte mit einem Begriff zu bezeichnen. 191 BVerfGE 6, 32, 41 f. (Elfes); 8, 274, 328 (Preisgesetz); 9, 3, 11; 12, 341, 347; 65, 196, 210; 70, 1, 32; 70, 115, 123; 89, 48, 61; 89, 214, 231 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021 - st. Rechtsprechung. 192 Scholz, in: AÖR 1975, S. 112 ff.; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 75; Leisner, SB - Großhandel, S. 106 ff; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 148; Stober, Grundrechtsschutz, S. 35 ff. (m. w. N.); Erichsen, in: HdDStR, VI, § 152, Rd. 25 ff, 60 ff.; Stern, ebenda, V, § 109, Rd. 90; Jarass, in: J/P, Art. 2, Rd. 2; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 47; Hesse, Grundzüge, Rd. 427; E. Stein, Staatsrecht, § 44 II. 193 BVerfGE 7, 377, 397 (Apotheken). 194 Zur Spezialität des Art. 12 I zum Art. 2 I GG s. BVerfGE 9, 73, 77; 10, 55, 58 f.; 21, 227, 234; 50, 290, 362 (Mitbestimmung); 60, 215, 229; 65, 237, 248; 70, 1, 32; 94,

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik schützt wird und spezifische wirtschaftliche Freiheiten wie die Unternehmensund die Wettbewerbsfreiheit von diesen und eventuell von anderen Vorschriften garantiert werden 196 1 9 7 . Daraus kann man folgern, daß die allgemeine Wirt-

372, 389 (Werbeverbote für Apotheker); 95, 173, 188 (Tabakverordnung); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 753 (Großmarkt-Werbung I); vgl. auch BVerfGE 19, 330, 336; 30, 292, 334 ff. (Erdölbevorratung); 75, 284, 292; 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); 87, 153, 169 (Grundfreibetrag), in denen das Gericht das Spezialfreiheitsrecht des Art. 12 I GG als Konkretisierung bzw. Ausprägung des allgemeinen Freiheitsrechts des Art. 2 I GG betrachtet; genauso BVerwGE 6, 247, 266; 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine); 96, 293, 301 (Sportwettunternehmen); 96, 302, 318 (Spielbanken) - st. Rechtsprechung; BGHZ 134, 1, 25 (Stromeinspeisung). 195 Zur Spezialität des Art. 14 I GG dem Art. 2 I GG gegenüber s. BVerfGE 53, 257, 300; vgl. auch BVerfGE 87, 153, 169 (Grundfreibetrag); 93, 121, 137 (Vermögenssteuer). 196 So lautet die richtige und inzwischen tendenziell herrschende Meinung über die verfassungsrechtliche Verordnung der Wettbewerbsfreiheit; vgl. BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); 46, 120, 137 (Direktrufverordnung); 65, 237, 247 f.; 81, 242, 252 ff. (Handelsvertreter); 82, 209, 223 (Krankenhausplan); 86, 28, 37 (Sachverständige); 87, 363, 388 (Nachtbackverbot III); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I); BVerwGE 71, 183, 189 (Transparenzlisten); 75, 109, 114 ff. (Subventionsrichtlinien); 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine); 89, 281, 283 (Unternehmensberater); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests); BGH WRP 1996, S. 1151 (Laborärzte); VGH Mannheim GewArch 1993, S. 244; VGH Mannheim GewArch 1994, S. 464 f.; VGH Kassel GewArch 1995, S. 416 f.; außerdem implizit BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG); vgl. auch aus der Literatur Bettermann, in: FS Hirsch, S. 20; Droste, in: GRUR 1976, S. 470; P. Kirchhof, Verwalten, S. 369 f.; Schricker/Lehmann, in: WRP 1977, S. 294; Mestmäcker, Der Verwaltete, S. 83; Schlichter, Die Beseitigung, S. 82 ff., 97 ff., 101 f.; v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 32; H.-P. Schneider, in: VVdDStRL 1985, S. 21; Lecheler, ebenda, S. 55; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 268, 283; Knuth, in: JuS, 1986, 528; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 150 - anders aber Rd. 909; Sodan, in: DÖV 1987, S. 860; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 242; Erichsen, in: HdDStR, VI, § 152, Rd. 60 ff.; Breuer, ebenda, § 147, Rd. 63; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 52; Schulte, in: DVB1. 1988, S. 515 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 65, 108 f.; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 23 ff; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 163; Gusy, in: JA 1992, S. 259, 262; Canaris , in: FS Lerche, S. 880; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 694; ders., in: JuS 1997, S. 5; Schenke, in: NVwZ 1993, S. 719; R. Hofmann, Grundrechte, S. 239 f.; Hufen, in: NJW 1994, S. 2915; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 216; ders., in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 77 f.; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 40, 43.; Bleckmann, Struktur, S. 66, 86; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 14; A. Philipp, Arzneimittellisten, S. 122; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 109; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 50 ff; Leisner, in: NJW 1996, S. 1513; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 761; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 880; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 162; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 226; Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 151; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 191, 197; Selmer, in: JuS 1997, S. 180; Berendes, in: GewArch 1998, S. 16; dazu kann man auch die ältere Meinung von Scholz zählen in den Fn. 186-191 und 193-194 mit dem Unterschied, daß er im Ergebnis nicht von der Grundrechtsqualität der Wettbewerbsfreiheit ausgeht; vgl. aber mittlerweile ders., in: AÖR 1975, 127 f.; ders., MD, Art. 12, Rd. 124 f., 136; ders., Entflechtung, S. 93 f.; ders., in: FS Rittner, S. 643 f. 5 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland schaftsfreiheit, die sich aus Art. 2 I GG ergibt, einen sehr generellen Sinn hat und schützt, was von anderen Grundrechten nicht geschützt werden kann. Art. 2 I GG kann auch in diesem Fall wegen seines Auffangcharakters nur subsidiär angewendet werden 198 . In der Tat kann nur ein geringer Anteil der wirtschaftlichen Betätigung oder dem wirtschaftlichen Verkehr in den Schutzbereich des Art. 2 I GG fallen 199 20 °. In bezug auf den sachlichen Schutzbereich

197 Es ist hier darauf hinzuweisen, daß vorwiegend die bereits dargestellte Rechtsprechung und Literatur den Schwerpunkt des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit bei der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG darstellen. 198 Dazu, daß Art. 2 I GG die Rolle eines "Auffanggrundrechts" auch in wirtschaftsrechtlichen Fragen zukommt, vgl. Dürig, in: NJW 1955, S. 730 f.; ders, in: M/D Art. 2 I Rd. 11 ff.; E. R. Huber, in: DÖV 1956, S. 135, wo er von dem "wirtschaftsrechtlichen General-Grundrecht" spricht; Badura, in: AöR 1967, S. 403; H.H. Klein, Die Teilnahme, S. 103; Scholz, in: AÖR 1975, S. 112 ff, der die Rechtsprechung des BVerfG bezüglich der Subsidiarität des Art. 2 I GG gegenüber den Art. 12 I und 14 I GG darstellt; Reich, Markt und Recht, S. 108; Rinck/Schwark, Rd. 148; Stober, Grundrechtsschutz, S. 35; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 160 (vgl. auch die Nachweise in der Fn. 199); Baumann, in: BB 1997, S. 2282. 199 Zu diesem Ergebnis kommt auch Scholz, in: AÖR 1975, S. 114, 127 ff, der der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung den Vorwurf der Widersprüchlichkeit und Uneinheitlichkeit bezüglich dieser Frage macht; genauso im Ergebnis Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 75 ff.; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 3, Rd. 39; Rinck/ Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd, 150; Erichsen, in: HdDStR, § 152, Rd. 62; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 163; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 3, Rd. 34; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 133 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 273; dagegen überschätzen die Bedeutung des Art. 2 I GG für die Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsfreiheit M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 145 ff.; ders, in: BB 1995, S. 53 ff, 57; Badura, in: DÖV 1990, S. 356, obwohl sie auch mit der h. M. davon ausgehen, daß diese hauptsächlich von Art. 12 I GG geschützt werden. 200 Das sollte auch das BVerfG feststellen, wenn es seiner Linie konsequent folgen wollte. Es ist aber in dieser Frage nicht immer mit sich konsequent. Einerseits nimmt das BVerfG an, daß Art. 2 I GG nur subsidiär anwendbar ist, sowohl allgemein als auch für den spezifischeren Fall der wirtschaftlichen Grundrechte der Art. 12 I und 14 I GG, und legt andererseits dar, daß Art. 2 I GG die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr umfasse - BVerfGE 65, 196, 210 (m. w. N.) - oder die Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet schütze - BVerfGE 10, 89, 99; 29, 260, 266 f.; 73, 261, 270 (Sozialplan) m. w. N.; 89, 48, 61 - und ein angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative unantastbar sei - BVerfGE 29, 260, 266 f.; 50, 290, 366 (Mitbestimmung); vgl. mit ähnlicher Formulierung BVerfGE 14, 263, 282 f. (Feldmühle); 95, 267, 303 (Altkreditschulden). Man könnte zwar den Vorwurf der "Inkonsequenz" mit dem Argument zurückweisen, daß das BVerfG Art. 2 I GG anwendet, wenn die Anwendung der spezifischeren Grundrechte ausgeschlossen ist, wie es das richtigerweise in den BVerfGE 65, 196, 210; 70, 115, 123; 89, 48, 61; 89, 214, 231 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021, getan hat, aber das ist nicht immer der Fall. In einem letzten Beschluß der ersten Kammer des ersten Senats v. 03. 05. 1994, NJW 1994, S. 1784, in dem das Gericht angenommen hat, daß die wirtschaftliche Betätigung eines in der Form einer GmbH betriebenen Bauunternehmens als Teil seiner allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 I GG geschützt werde, die in dem betroffenen Fall gleichbedeutend mit dem bürgerrechtlichen sog. Persönlichkeitsrecht sei, zeigte sich diese Inkonsequenz des BVerfG in bezug auf

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik kommt die allgemeine Wirtschaftsfreiheit aus Art. 2 I GG besonders in Betracht, wenn es um den Konsumentenschutz geht 201 , oder im Falle der Belastung mit Geldleistungspflichten nur, wenn die speziellen Grundrechte aus Art. 121 oder 1411 GG nicht einschlägig sind 202 . Hinsichtlich des persönlichen Schutzbereichs findet Art. 2 I GG bezüglich des Schutzes der wirtschaftlichen Freiheit von Ausländern Anwendung, die nicht von den Deutschengrundrechten geschützt werden können 203 . Verbindet man die Anerkennung des Bestandes unbenannter Grundrechte durch das BVerfG anläßlich der Auslegung des Art. 2 I GG mit der dargelegten systematischen Analyse, so ergibt sich, daß der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit in diese Lehre eingeordnet werden kann, die um die Schutzbereiche der Art. 121, 14 I GG zu erweitern ist 204 . Aus der systematiseine übrige Rechtsprechung eindeutig. Diese Rechtsprechung löst Verwunderung aus, wenn man feststellt, daß es um die Berufsfreiheit des Unternehmens aus Art. 121 i. V. m. Art. 19 III GG geht, der hier in Betracht gezogen wird und nicht Art. 2 I GG; vgl. auch BVerfGE 8, 274, 327 ff. (Preisgesetz), wo das Gericht das Preisgesetz am Maßstab des Art. 2 I GG geprüft hat, obwohl es sich um die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG handelte; 14, 263, 282 f. (Feldmühle), wonach die "freie unternehmerische Initiative" der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG statt der Berufsfreiheit und des Eigentums untergeordnet wurde; ähnlich BVerfGE 66, 116, 130 (Springer/Wallraff); 93, 352 361 (Koalitionsmitgliederwerbung); unzutreffend auch BVerfGE 86, 122, 130 (Schülerzeitung), wonach für die Privatautonomie eines Unternehmers, Arbeitsverträge mit seinen Arbeitnehmern abzuschließen, Art. 2 I GG und nicht Art. 12 I GG, wie es richtig gewesen wäre, als Prüfungsmaßstab herangezogen wurde; anders aber BVerfGE 81, 242, 252 ff. (Handelsvertreter) und BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel), wonach bezüglich der Freiheit der Arbeitgeber, Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern abzuschließen, Art. 12 I GG als Prüfungsmaßstab herangezogen wurde. In diesem Sinne muß man Scholz Recht geben, wenn er Widersprüchlichkeit in der Judikatur des BVerfG feststellt; vgl. wie hier neulich Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 133 f., der darüber hinaus zu Recht anmerkt, daß die Anführung der Art. 2 I und 12 I GG nebeneinander wegen der Spezialität des letzteren überflüssig ist; zustimmend Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 169. 201 So BVerfGE 13, 230, 234 f. (Ladenschlußgesetz) - Einschränkung der Einkaufsfreiheit; BGHZ 130, 205, 211 (Feuer, Eis & Dynamit I); BGH NJW 1995, S.3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); vgl. auch Püttner, in: NJW 1979, S. 2131 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 38; ders., in: FS Lukes, S. 598 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 273. 202 So BVerfGE 82, 159, 190 f.; vgl. auch BVerfGE 87, 153, 169 (Grundfreibetrag); 93, 121, 137 (Vermögenssteuer); eine kurze Anmerkung zu den zwei letzteren Urteilen und ihrem Verhältnis zu der älteren Judikatur des Verfassungsgerichts über die betreffende Frage vgl. unten sub IV 2 b cc ß. 203 s. auch unten sub 2 b aaa; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 163, spricht von "lediglichen Restbereichen" privatwirtschaftlicher Tätigkeit, die von Art. 2 I GG erfaßt werden. 204 So Scholz, in: AÖR 1975, 127 f. Scholz scheint in diesem Werk seine ältere Meinung bezüglich der Grundrechtsqualität der Wettbewerbsfreiheit zu relativieren, obwohl nicht völlig deutlich wird, daß er sie völlig aufgibt. Später in: MD, Art. 12, Rd. 124 f., 136; Entflechtung, S. 93 f.; in: FS Rittner, S. 643 f., scheint Scholz ohne weitere Beden-

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland sehen Auslegung dieser Grundrechtsnormen sowie der Art. 5 I, 9 I, 2 I, 3 I GG ergibt sich die Wettbewerbsfreiheit als subjektives (unbenanntes) Abwehrrecht 205 .

3. Die Wettbewerbsfreiheit

als subjektives Abwehrgrundrecht

Zum besseren Verständnis der Wettbewerbsfreiheit als Abwehrgrundrecht muß verdeutlicht werden, daß in diesem Sinne Freiheit, sogar rechtliche Freiheit, etwas zu tun oder zu unterlassen, oder die Negation von Ge- bzw. Verboten gemeint ist 2 0 6 ; das bedeutet m. a. W , daß jeder frei ist, überhaupt am Wettbewerb teilzunehmen oder auch nicht, und daß er, solange er im Wettbewerb steht, sich darum bemühen kann, Kunden durch bessere Angebote von seinen Konkurrenten zu gewinnen und mit diesen Geschäfte abzuschließen. Der Abwehrcharakter dieser Freiheit zeigt sich in dem die rechtliche Freiheit begleitenden Anspruch, daß der Freiheitsträger in der Ausübung seiner Freiheit vom Staat nicht behindert werden darf 207 . Der Adressat dieser Verpflichtung darf einfach nicht handeln. Die Wettbewerbsfreiheit ist ein Recht auf Nichtbehinderung einer Handlung oder auf Unterlassung durch den Freiheitsträger bzw. auf negative Handlung des Freiheitsadressaten 208. In diesem Sinne ist die Wettbewerbsfreiheit eine Abwehrfreiheit.

ken die Grundrechtsqualität der Wettbewerbsfreiheit im Rahmen des Schutzbereichs der Berufsfreiheit (und des Eigentums) anzunehmen. Für die Annahme besonderer Freiheiten, die sich aus dem Schutzbereich des Art. 12 I GG ergeben und unter die auch die Wettbewerbsfreiheit fällt, spricht sich auch im Anschluß an Scholz Breuer, in: HdDStR, Band VI, § 147, Rd. 60 ff, aus. 205 Vgl. auch Leisner, Sozialversicherung, S. 129, der ausdrücklich von dem "Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit" spricht; ansonsten Stober, Grundrechtsschutz, S. 71 f , 108 f , der den Abwehranspruch des Konkurrenten in die Art. 121, 141 GG und die dort garantierten Rechtsgüter Berufsfreiheit und Privateigentum einordnet. 206 So Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 202 ff.; Schmidtchen, in: ORDO 1988, S. 117; vgl. auch Nordemann, in: GRUR 1975, S. 629. 207 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 209; Schmidtchen, in: ORDO 1988, S. 118; Scherzberg, in: DVB1. 1989, S. 1128; vgl. auch spezifisch in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 131 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 71 f , 108 f. 208 Diese Verpflichtung des Staates, die Handlung des Freiheitsträgers in dem Sinne nicht zu behindern, indem dieser nicht handeln darf, kann keinesfalls den Sinn haben, daß die Privaten den Wettbewerbsfreiheitsträger durch ihre Teilnahme am Wettbewerb und ihre Wettbewerbshandlungen nicht beeinträchtigen dürfen oder der Staat ihn durch die Zulassung anderer Wettbewerber am Markt seine Wettbewerbsfreiheit nicht beeinträchtigen darf Einen, solchen Anspruch kann das Subjekt der Wettbewerbsfreiheit nicht haben (mehr dazu unten im Abschnitt über den Schutzbereich). Der Fall kann aber in bezug auf die staatliche Teilnahme am Wettbewerb anders liegen (dazu vgl. unten III 3 b dd).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Bezogen auf einen praktischen Fall soll das folgendes heißen: Die Unternehmer A und Β bilden ein Wettbewerbsverhältnis 209 mit dem Kunden C bezüglich des Verkaufens bzw. Kaufens einer Ware oder Dienstleistung. Die grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer A und Β bedeutet, daß sie einen Anspruch gegenüber dem Staat haben, daß dieser Handlungen unterläßt, die den einen zuungunsten des anderen begünstigen oder zu seinen Gunsten benachteiligen oder beide in ihrem Versuch, den Kunden C zu gewinnen und Geschäfte mit ihm über die Ware abzuschließen, belasten würden. Das kann bei dem Versuch, den Kunden C und vielleicht noch mehr Kunden zu gewinnen, entweder durch die Begünstigung des Unternehmers A durch einen staatlichen Akt zuungunsten seines Konkurrenten Β geschehen oder durch die Benachteiligung von Β durch einen staatlichen Akt zugunsten von A und natürlich umgekehrt 210 oder durch die Belastung beider Unternehmen 211212 . Dieser Anspruch begründet für die betroffenen Unternehmer, Händler, Gewerbetreibenden oder Freiberufler als Rechtssubjekte ein subjektives öffentliches Recht,

209 210

Zu diesem Begriff s. oben sub A II 1 a cc. So W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 338, unter Hinweis auf BVerfGE 21, 151,

167; Meyer-Arndt, 211

in: Z U M 1996, S. 761.

Vgl. jüngst unter dem Gesichtspunkt der Berufsfreiheit BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG). 212 Vgl. auch Leisner, Sozialversicherung, S. 143, der davon ausgeht, daß der Grundrechtsschutz (der Wettbewerbsfreiheit) grundsätzlich immer nur "punktuell" wirken, also Belastungen einzelner Privatunternehmer betreffen könne. Würden jedoch die Belastungen die Allgemeinheit (der konkurrierenden Privatunternehmen) betreffen, stehe dies aber einer Grundrechtswirkung nicht entgegen, die dann eben "gebügelt" zum Tragen komme; zustimmend Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 32; ähnlich P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 322; a. Α. aber Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 119 f., der davon ausgeht, daß (die Wettbewerbsfreiheit aus) Art. 12 I GG nicht die individuelle Betroffenheit des einzelnen Unternehmens schützt; das Gegenteil behauptet W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 338, unter Hinweis auf BVerfGE 21, 12, 31, in der Hinsicht, daß kein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit vorliege, wenn der Staat Daten für den Wettbewerb setzt und diese Datensetzung wettbewerbsneutral erfolgt, also für alle Konkurrenten gleichermaßen gilt und keinem einen Vorteil gewährt. Demgegenüber kann man darauf hinweisen, daß es nur eine scheinbare Wettbewerbsneutralität dieser Maßnahmen gibt. Denn sie gelten in der Tat nicht für alle Konkurrenten gleichermaßen, wie Roth behauptet, sondern ihre praktische Wirkung variiert je nach der wirtschaftlichen Kraft und dem Dulden der Konkurrenten, die belastende Wirkung des staatlichen Eingriffs zu bewältigen. Man muß auf die tatsächliche und nicht nur auf die rechtliche Wirkung der Maßnahme achten. Außerdem darf nicht verkannt werden, daß die Wettbewerbsfreiheit auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit mitenthält (vgl. auch unten sub II 1 a cc α), so daß sich eine Maßnahme zwar für alle Wettbewerber im innerstaatlichen Markt gleich, sich aber für ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten belastend auf den ausländischen Märkten auswirkt - so auch Leisner, in: NJW 1996, S. 1513.

0

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

das sie geltend machen können (vgl. Art. 1 9 I V GG und Art. 93 I Nr. 4 a GG i. V. m. Art. 1 I I I G G 2 1 3 ) 2 1 4 .

I I . Schutzbereich 1. Problemstellung Bevor man sich ausfuhrlich mit den einschlägigen Grundrechtsnormen befaßt, in deren Schutzbereich die Wettbewerbsfreiheit als unbenanntes Grundrecht fällt, ist es theoretisch sowie auch praktisch von Bedeutung zu klären, was mit dem Begriff "Grundrechtsschutzbereich" oder "-tatbestand" 215 gemeint ist. Unter "Grundrechtsschutzbereich" soll all das verstanden werden, was ohne Rücksicht auf gesetzliche Schranken verfassungsrechtlich gewährleistet wird oder werden kann 2 1 6 2 1 7 . Der Schutzbereich wird nur durch die sog. "immanen213 Zur Ableitung des subjektiv-rechtlichen Charakters der Grundrechte aus diesen Normen Stern, Staatsrecht III/l, S. 531; Rozek, in: DVB1. 1997, S. 520 ff. 214 Vgl. zum subjektiv-rechtlichen Charakter der Wettbewerbsfreiheit Lübbe-Wolff in: NJW 1987, S. 2711; zum Begriff "subjektives Recht" aus verschiedenen Perspektiven vgl. Grabitz, Freiheit, S. 5; Zuleeg, in: DVB1. 1976, S. 509 ff.; Scherzberg,, in: DVB1. 1989, S. 1133 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 115; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 137 f.; Alexy, in: Der Staat 1990, S. 53; ders., Theorie der Grundrechte, S. 159 ff.; Wahl, in: DVB1. 1996, S. 641 ff.; J. Ipsen, in: JZ 1997, S. 474. 215 Die terminologische Auseinandersetzung über u. a. den Begriff "Schutzbereich" kann hier dahingestellt bleiben. Mehr dazu in: Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 152 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 273 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 212 ff; Höfling, in: Jura 1994, S. 170; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 111 ff.; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Vorb, Rd. 78; vgl. auch BVerwGE 22, 286, 288 (Astrologen), die den Begriff "sachlicher Geltungsbereich" benutzt. 216 Vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 152, der von dem "Bereich eventuellen Grundrechtsschutzes" spricht; sich ihm anschließend v. Münch, in: v. M/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 48; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 273, 278, der zwischen "prima facie" (wie es hier gemeint ist) und "definitivem" Grundrechtsschutz (mit dem der von den Grundrechtseinschränkungen "gefilterte" Schutz gemeint ist) unterscheidet; LübbeWolff, Die Grundrechte, S. 26, die Alexy anschließend in Schutzbereich und definitivem Garantiebereich differenziert; Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 16, der zwischen dem weiten Schutzbereich (wie hier) und dem endgültigen Schutz des GG gegen den Staatseingriff unterscheidet; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 40; Höfling, in: Jura 1994, S. 170; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 112; wie Alexy und Lübbe-Wolff auch Huster, in: JZ 1994, S. 541 f.; a. Α. Häberle, Wesengehaltsgarantie, S. 126. 217 Die Auseinandersetzung über den Umfang des Schutzbereichs in bezug auf die Grundrechtsschranken bzw. -grenzen (zum Unterschied zwischen den beiden Begriffen s. unten sub IV 1 b) wurde von der sog. "Außen- und Innentheorie" geprägt. Die "Außentheorie" bezieht sich auf den definitiven Grundrechtsschutz, während die "Innentheorie" auf den "prima facie" oder potentiellen Schutz gerichtet ist. Mehr darüber bei Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 250 ff.; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 11 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

1

ten Grundrechtsschranken" bzw. -grenzen oder "verfassungsunmittelbaren Schranken" bzw. -grenzen bestimmt. Darunter versteht man andere Grundrechte und Verfassungsgüter sowie Grenzen, die das GG selbst im Text der Grundrechtsnorm oder an anderer Stelle festlegt (ζ. B. Art. 4 I I I 2, 8 I GG) 2 1 8 . Der Schutzbereich wird dem Regelungsbereich gegenübergestellt, der jedes Verhalten beinhaltet, das in die Lebenswirklichkeit des betroffenen Schutzgutes der Grundrechtsnorm (ζ. B. "Meinung", "Versammlung", "Vereinigung", "Beruf' u. a.) ohne Rücksicht auf die "verfassungsimmanenten Grenzen" 219 fällt 2 2 0 . Infolgedessen wird die Festlegung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit zum einen von der verfassungsrechtlichen Definition des geschützten Schutzgutes 221 "Wettbewerb", die i m wesentlichen von der entsprechenden Definition der von den Art. 12 I, 14 I, 9 I, 5 11 GG geschützten Schutzgüter "Beruf', "Eigentum", "Vereinigung" und "Meinungsäußerung" abhängt, und zum anderen von den kollidierenden Grundrechtspositionen 222 bestimmt. U m den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit richtig festzulegen, muß man zunächst den Schutzbereich der Grundrechte, die ihren Schutzbereich darstellen, richtig erkennen.

218

So auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 262 (vgl. auch unten sub IV 1). Zum Begriff vgl. unten sub IV 1 b. 220 Schematisch kann man den Schutzbereich wie folgt beschreiben: Grundrechtsschutzbereich = Regelungsbereich ·/· verfassungsimmanente Grenzen - vgl. dazu Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 214 f., die aber in den Rd. 345 ff. nicht andere Grundrechte oder Verfassungsgüter als Schutzbereichsbegrenzung annehmen; ähnlich Höfling, in: Jura 1994, S. 170 f., der sie als bloße Schranken der Grundrechtsausübung betrachtet; vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rd. 69, 310 ff, und Sachs, in: Stern, Staatsrecht, III/2, S. 17, die den zutreffenderen Begriff "Grundrechtsbegrenzungen" benutzen; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 112 f.; hingegen lehnt Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 16, jede Lehre der "immanenten Grundrechtsschranken" ab; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 8 f., benutzt zwar den Begriff "Regelungbereich", identifiziert ihn aber mit der "prima-facie-Freiheit", die hier synonym mit dem Schutzbereich ist. 221 Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 274; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 41; Hesse, Grundzüge, Rd. 310; vgl. auch F. Klein, in: v. Mangoldt/Klein, S. 123 ff, der die interpretatorische Beschränkung der jeweiligen grundrechtlichen Schutzgüter als "Gewährleistungsschranken" bezeichnet; ferner Schnapp, in: JuS 1978, der diese Interpretationsaufgabe in den Bereich der sog. verfassungsunmittelbaren Beschreibungen der sachlichen Gewährleistungsreichweite der Grundrechtsbestimmung einordnet. 222 Vgl. dazu unten sub V 2. 219

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland 2. Sachlicher Schutzbereich

223

a) Die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG als grundrechtliches Fundament der Wettbewerbsfreiheit Die Berufsfreiheit wird von Art. 121 GG garantiert und ist einer der wichtigsten Parameter der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit 224. Man kann durchaus behaupten, daß dieses Grundrecht ein zentrales Grundrecht der Wirtschaftsverfassung des GG 2 2 5 bzw. ein Hauptgrundrecht der wirtschaftlichen Betätigung 226 ist. Seine Bedeutung ist für die Wettbewerbsfreiheit und die Bestimmung ihres Schutzbereichs, wie sich unten 227 zeigen wird, von erheblicher Relevanz. Was die Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die Berufsfreiheit angeht, so ist die verfassungsrechtliche Définition des Begriffes "Beruf', von der die Tragweite des Schutzbereichs der Berufs- und demgemäß der Wettbewerbsfreiheit abhängt 228 , als nächstes zu klären.

aa) Der Begriff

"Beruf ' i. S. d. Art. 121 GG

α) Der Berufsbegriff in der Rechtsprechung des BVerfG Das GG erläutert nicht, was unter "Beruf' zu verstehen ist. Es ist offensichtlich, daß es sich um einen unbestimmten, soziologisch geprägten Begriff handelt 229 . Die Konkretisierung dieses Begriffes ist Gegenstand der verfassungs223 Man spricht gelegentlich in der Grundrechtsdogmatik auch vom "thematischen Schutzbereich", der dem sog. "funktionellen Schutzbereich" gegenübergestellt wird. 224 So BVerfGE 30, 292, 334 (Erdölbevorratung); 33, 125, 158 (Fachärzte); 50, 290, 362 (Mitbestimmung); 76, 171, 184; 81, 242, 254 (Handelsvertreter); BAGE 13, 168, 176; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 117. 225 So Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 95; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 33 Rd. 32. 226

So Stober, Grundrechtsschutz, S. 59; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 5; Rittner,

Wirtschaftsrecht, § 3, Rd. 36. 227 s. unten sub cc α. 228 Zum Beispiel die Zuerkennung des verfassungsrechtlichen Begriffes "Beruf' der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten "Sportwett- und Spielbankunternehmen" - vgl. BVerwGE 96, 293, 296 ff. (Sportwettunternehmen); 96, 302, 306 ff. (Spielbanken); 97, 12, 22 ff. (Buchmacher) - bedeutet die Gewährung verfassungsrechtlichen Schutzes unter dem "Mantel" des Art. 12 I GG von zwei vorhandenen oder potenziellen Wettbewerbsmärkten sowie dem Zugang zu ihnen und der Teilnahme an ihnen. Dasselbe gilt für andere erwerbwirtschaftlichen Betätigungen, die einen (potentiellen) Wettbewerbsmarkt bilden - vgl. zum Beispiel die lokalen Telekommunikationsmärkte, Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 761. 229 So Stober, Grundrechtsschutz, S. 60; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, §21 II 1.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik rechtlichen Interpretation von Rechtsprechung und Literatur 230 . Ihnen zufolge ist "Beruf' i. S. d. Art. 12 I GG jede angestrebte oder ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit geistiger oder körperlicher Art, die auf Dauer berechnet ist und die Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage zum Ziel hat 2 3 1 . Sowohl das Begriffsmerkmal der "auf Dauer berechneten Tätigkeit" als auch das Merkmal der "Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage" sind weit zu interpretieren. Der verfassungsrechtliche Begriff "Beruf' "umfaßt nicht nur alle Berufe, die sich in bestimmten, traditionell oder sogar rechtlich fixierten "Berufsbildern" darstellen, sondern auch die vom einzelnen frei gewählten, untypischen (erlaubten) Betätigungen, aus denen sich dann wieder neue, feste Berufsbilder ergeben können 232 . Dieser Satz enthält einige sehr wichtige Feststellungen, die fur die weitere Auslegung nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden können und deshalb der Verdeutlichung bedürfen.

ß) Kritik und alternative Vorschläge Hinsichtlich des Erlaubtseins der wirtschaftlichen Betätigung als Begriffsmerkmal des "Berufes" i. S. d. GG ist darzulegen, daß allein die Tatsache, daß der einfache Gesetzgeber eine Tätigkeit (straf-, verwaltungs- oder zivilrechtlich) verboten hat, kein sicheres Feststellungskriterium ist, ob sie als "Beruf' in diesem Sinne betrachtet werden soll und demgemäß in den Schutzbereich der Berufsfreiheit fällt 2 3 3 . Das kann natürlich auch bei der Berufsfreiheit nicht der 230

Vgl. dazu oben sub I. So BVerfGE 7, 377, 397 (Apotheken); 50, 290, 362 (Mitbestimmung); 82, 209, 223 (Krankenhausplan); BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG) - st. Rechtsprechung; BVerwGE 22, 286, 287 (Astrologen); 71, 183, 189 (Transparenzlisten); 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine) - st. Rechtsprechung; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 18; Gu231

belt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 8; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 4. 232

BVerfGE 7, 377, 397 (Apotheken) - unter Hinweis auf BVerwGE 2, 89, 92; 4, 250, 254 f.; weiterhin BVerfGE 14, 19, 22; 54, 301, 313; 68, 272, 281; 78, 179, 193; vgl. aber BVerfGE 50, 290, 362 (Mitbestimmung); 75, 284, 292; 82, 209, 223 (Krankenhausplan), wo das Gericht auf das Begriffsmerkmal des Erlaubtseins stillschweigend verzichtet hat; vgl. letztens BGH JZ 1996, S. 1184 (Steuerberater), mit kritischer Anmerkung Hensslers, a. a. Ο , S. 1186; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 52. 233 Vgl. dazu BVerwGE 22, 286, 289 (Astrologen); Bachof, Freiheit des Berufs in B/N/S GR III/l, S. 181, 189 f.; Berg, , in: GewArch 1977, S. 249 ff.; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 24 ff.; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 9; Leisner, SB-Großhandel, S. 101 f; Dolde, Behördliche Warnungen, S. 16; Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 150 ff.; Breuer, in: HdDStR, § 147, Rd. 43 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 60; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 120; Gröschner, in: JZ 1991, S. 629; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 669; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 185 ff.; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 198; Gassner, in: NVwZ 1995, S. 449; A. Philipp, Arzneimittellisten, S. 127; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 149; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 876; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 51; Papier, in: FS Stern, S. 553; ferner W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 112, Fn. 41 (dort), und Michael, Verfassungsrechtliche

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Fall sein, denn dem einfachen Gesetz käme dann die Rolle des "trojanischen Pferdes" zu, wobei berufliche Tätigkeiten verboten würden, um sie nicht als "Beruf' i. S. d. Art. 121 GG betrachten zu können und diese somit außerhalb des Schutzbereichs der Berufsfreiheit bleiben müßten, um die strenge rechtsstaatliche Prüfung der sog. "Dreistufentheorie" 234 und des Antastungsverbots des Grundrechtswesensgehaltes (Art. 19 I I GG) zu vermeiden 235 . Was wurde aber statt dessen als Lösung vorgeschlagen? Die Alternativen sind nicht wenige: Statt des Erlaubtseins wurde die Sozialwertigkeit und -nützlichkeit im Gegensatz zu der Sozialschädlichkeit der wirtschaftlichen Betätigung vorgeschlagen 236 . Als Variation dieser Lösung wurde behauptet, daß sie mindestens gesellschaftswertig neutral 237 oder nicht sozialschädlich 238 sein soll. Da auch diese Alternative als nicht befriedigend bewertet wurde, wurde die Meinung vertreten, daß in den verfassungsrechtlichen Begriff "Beruf 1 nicht allgemein (strafrechtlich) unerlaubte Tätigkeiten fallen könnten 239 . Schließlich wurde auch die Lösung vorgeschlagen, daß jede Erwerbstätigkeit in den Schutzbereich der Berufsfreiheit gehöre und ihr (einfachgesetzliches) Verbot an den verfassungsrechtlichen Maßstäben gemessen werden sollte 240 .

γ) Stellungnahme A n folgendem muß Kritik geübt werden: Die Auffassungen über den Gemeinnutz bzw. eine diesbezügliche Neutralität einer Betätigung als Begriffsmerkmal des "Berufes" i. S. d. Art. 12 I GG beziehen sich auf außer(-verfassungs-)rechtliche Kriterien, die als solche für den Verfassungsinterpreten und -anwender außer Betracht bleiben sollen 241 . Das allgemeine Verbot einer Fragen, S. 186, nicht nur bzgl. Art. 12 I GG, sondern bzgl. aller Grundrechte; vgl. auch BVerfGE 36, 47, 58 ff. (Tierversand), wonach das Gericht den § 3 Nr. 9 TierschutzG, der den Tierversand per Nachnahme verboten hat, als dem Art. 12 I GG widersprechend und demzufolge für nichtig erklärt hat. 234 s. dazu unten sub IV 2 a ee β ßß. 235 s. auch Fn. 233. 236 So BVerwGE 22, 286, 289 (Astrologen); anders aber in BVerwGE 2, 110, 111; 4, 294, 295 f. 237

So Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 9.

238

So Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 188; dazu neigt auch A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 199. 239

So Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 23 ff., 28; Gusy, in: JA 1992, S. 258, 262; vgl.

ferner vereinzelnd BVerfGE 61, 291, 310. 240 So Berg, in: GewArch 1977, S. 252 ff; vgl. auch Leisner, SB-Großmärkte, 5. 102; ähnlich Breuer, in: HdDStR, § 147, Rd. 44; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 199. 241 Nicht zu Unrecht wurden sie von Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 876, und Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 7, als "(viel zu) vage" kritisiert, vgl. auch Schnapp, in: JuS

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Strafgesetzgeber als Grenze des Begriffs "Beruf' erinnert an die "allgemeinen Gesetze" i. S. d. Art. 5 I I GG 2 4 2 oder die "allgemeine Rechtsordnung" im Sinne der Schutzbereichstheorie von Rüfner 243 und Scheuner 244 oder die "materiell allgemeinen Gesetze" im Sinne der Theorie Häberles 245. Als ein Beispiel für die "allgemeinen Gesetze" im Sinne dieser Ansicht wird die Anwendung des normalen Arbeitsrechts für die Angestellten einer Religionsgemeinschaft 246 erwähnt. Diese Meinung kann aus denselben Gründen, aus denen das "Erlaubtsein" als Berufsmerkmal abgelehnt wurde, nicht angenommen werden 247 . Nicht angenommen werden kann auch der "ultraweite" Berufsbegriff der Position von Berg und Leisner, der sich der Theorie des weiten Schutzbereichs anpaßt248. Die richtige Lösung ist diejenige, die ihre Begründung in der Wertordnung des GG und seinen Grundrechten sucht 249 . Zum Begriff "Beruf' i. S. d. GG gehört jede wirtschaftliche Betätigung, die die sonstigen Berufsmerkmale besitzt und nicht der Wertordnung des GG widerspricht 250 . Das Bonner GG enthält 1978, S. 732 f.; Gassner, in: NVwZ 1995, S. 449; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 37. 242 Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 153, stellt eine "Vorliebe" von Scholz für diese Gesetze in der Begründung seiner Position fest; genauso kritisch gegenüber Scholzschen Meinung Bleckmann, Staatsrecht II, § 33, Rd. 15. 243 Rüfner, in: FG BVerfG, S. 456 ff. 244

245

Scheuner, in: DÖV 1971, S. 510 f.

So Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 32. So Scheuner, in: DÖV 1971, S. 510; vgl. auch letztens BVerwG NVwZ 1995, S. 474 f. (Scientology Church), wonach es überraschenderweise auf die "allgemeinen Gesetze" zurückgegriffen hat, um einen von § 14 GewO dargestellten Eingriff in die Religions- und Glaubensfreiheit des Art. 4 I GG zu rechtfertigen. Das Gericht hat die "Allgemeinheit" des Gesetzes als verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs und nicht als Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 4 I GG gehandhabt, wobei es das Gesetz auf die Rechte der Arbeitnehmer oder Dritter im Wirtschaftsleben bezogen hat. 247 Vgl. oben sub β. 248 Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 291 ff.; vgl. die berechtigte Kritik zu dieser Theorie letztens bei Burmeister, in: FS Stern, S. 840 f. und Fn. 15 (dort). 249 Zu den Befürwortern einer Übertragung der bundesverfassungsgerichtlichen Lehre der sog. "immanenten Grundrechtsschranken" oder, genauer gesagt, -grenzen auch auf unter Gesetzesvorbehalt geschützte Grundrechte wie die Berufsfreiheit vgl. BVerwGE 87, 37, 46 (Diethylenglykolweine); Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 154; Schnapp, in: JuS 1978, S. 735; v. Gamm, WbR, 2. Kapitel, Rd. 10; Schulte, in: DVB1. 1988, S. 518 (m. w. N.); Langer, in: JuS 1993, S. 205 f.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 460; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 250; zu dieser Position neigt bezüglich der Berufsfreiheit auch Kriele, in: HdDStR, V, § 110, Rd. 74. 250 Man muß wohl zugeben, daß das BVerwG in seinem Astrologen-Urteil - E 22, 286, 288 - das erste war, das davon ausgegangen ist, daß "allein dem Grundgesetz zu entnehmen" ist, "welche Betätigungen außerhalb des Grundrechtsschutzes eines "Berufes" stehen". Es hat aber grundrechtsdogmatische Mißverständnisse geschaffen, indem es auf S. 289, wie bereits (vgl. oben sub β) gezeigt, den Widerspruch zur grundge246

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland keine wertneutrale Ordnung, sondern eine Wertordnung, in der der Mensch und alles, was ihn betrifft und von ihm ausgeht, wie die Würde (Art. 11 GG), die Persönlichkeit (Art. 2 I GG), das Leben (Art. 2 I I 1 GG) oder sein Eigentum (Art. 14 I 1 GG), die zentrale Position besitzt 251 . Demgemäß sind die gewerbsmäßigen Diebstähle (vgl. § 243 I Nr. 3 StGB), die gewerbsmäßige Sachhehlerei (vgl. § 260 StGB), der Rauschgifthandel, der Menschenhandel (vgl. § 181 StGB) oder die Zuhälterei (vgl. § 181 a StGB) nicht "Berufe" i. S. d. Art. 12 I GG und werden nicht von ihm geschützt - nicht allein deshalb, weil sie gesetzlich unerlaubt, (allgemein) strafrechtlich verboten oder sozialschädlich sind, sondern vielmehr, weil sie der grundgesetzlichen Wertordnung, bzw. genauer gesagt, den Grundrechten auf Eigentum (Art. 14 I GG), auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 I I 1 GG), auf sexuelle Selbstbestimmung (Art. 2 I GG) und letzten Endes auf Menschenwürde (Art. 11 GG) widersprechen 252 . Die o. g. Vorschriften, die eine solche Tätigkeit strafrechtlich sanktionieren, haben verfassungsrechtlich den Sinn der Realisierung der staatlichen Schutzpflicht 2 5 3 gegenüber den gefährdeten Verfassungsgütern 254.

setzlichen Wertordnung mit der Gemeinschaftschädlichkeit einer Erwerbstätigkeit verbunden hat; ebenfalls in diese Richtung OVG Koblenz GewArch 1991, S. 100; vgl. inzwischen BVerwGE 96, 293, 297 f.; (Sportwettunternehmen); 96, 302, 307 f f (Spielbanken), die nicht nur entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Gerichts seit dem Astrologen-Urteil ausdrücklich das strafrechtliche Verbot einer Tätigkeit nicht als hinreichenden Grund betrachten, sie aus dem Begriff "Beruf' i. S. d. Art. 12 I GG auszuklammern; sie erklären vielmehr das GG als den einzigen Maßstab fur diese Beurteilung, ohne auf die "Gemeinschaftsnützlichkeit" der betroffenen Betätigungen rekurieren zu müssen; anmerkend zu dieser Rechtsprechung Gassner, in: NVwZ 1995, S. 449, der darauf hinweist, daß mit dieser Rechtsprechung das BVerwG "dem Erlaubtheitskriterium wohl endgültig das Totenglöcklein geläutet" und das "Gemeinschaftsschädlichkeitskriterium insofern entschärft" hat; zustimmend zu dieser Rechtsprechung auch Voßkuhle, in: VerwArch 1996, S. 409; Papier, in: FS Stern, S. 553 - vgl. aber bereits früher BVerwGE 95, 15, 20, wonach das Verwaltungsgericht seltsamerweise auf das "Erlaubtheitskriterium" rekuriert; kritisch zu dem Begriff "Wertordnung des GG" als Maßstab für die Grundrechtsbegrenzung Sachs, in: JuS 1995, S. 987 f., der ihn für "vage" hält. 251

Vgl. BerfGE 2, 1, 12 (SRP); 5, 85, 134 ff, 185 ff. (KPD); 6, 32, 40 f. (Elfes); 7, 198, 205 (Lüth); 39, 1, 67 (Abtreibung I); 49, 24, 56.; 81, 242, 254 (Handelsvertreter); vgl. auch Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 38, der in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG vom "Menschenbild des GG" spricht. 252 Vgl. wie hier Tettinger, in: AÖR 1983, S. 98; ders., in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 38; Sodan, in: DÖV 1987, S. 861; Schulte, in: DVB1. 1988, S. 518; Höfling, Grund-

rechtsinterpretation, S. 152; Stober, Grundrechtsschutz, S. 61; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 120; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 29; Langer, in: JuS 1993, S. 206, der zwar auf das Tatbestandsmerkmal des "Erlaubtseins" für den verfassungsrechtlichen Begriff "Beruf 1 nicht verzichten will, diesen aber mit der Konformität der grundgesetzlichen Wertordnung verbindet; hingegen Berg, in: VerwArch 1977, S. 253, Fn. 33 (dort), der es namentlich für den "Menschenhandel" i. S. d. § 181 StGB verfassungsrechtlich nicht für erforderlich hält, den Begriff "Beruf' einschränkend zu definieren. 253 s. dazu unten sub VI.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Dagegen kann die Prostitution in den verfassungsrechtlichen Begriff "Beruf' fallen und demgemäß den Schutz des Art. 121 GG genießen, da sie die Begriffseigenschaften des "Berufes" in diesem Sinne besitzt und ihre Ausübung als solche allein nicht gegen die Wertordnung des GG verstößt 255 . Ähnliches kann auch für das Spielbanken- 256 und das Sportwettunternehmen 257 bzw. das Buchmachen 258 , die Schwarzarbeit 259 und ebenso für den Waffenhandel 260 angenommen werden - für den letzteren allerdings unter dem Vorbehalt der Voraussetzungen des Art. 26 I I GG, der im Verhältnis zu Art. 12 I GG als lex specialis gilt. Diese Beispiele entsprechen der Rechtsprechung des BVerfG 2 6 1 bezüglich des Berufsbegriffs gem. Art. 121 GG - vom "Erlaubtsein" als Berufsmerkmal abgesehen. Die Ausdehnung des Berufsbegriffs auf neu entstandene, frei erfundene und untypische Berufsbilder ist zu begrüßen 262 . Der Träger der Berufsfreiheit hat das Recht, neue Berufe zu erfinden 263 , der Gesetzgeber aber hat die an die verfassungsrechtlichen bzw. rechtsstaatlichen Maßstäbe gebundene Befugnis, die u. U. auch die Pflicht darstellen kann, diese neuen Berufe gesetzlich

254 So im Ergebnis Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 171 ff.; Η Η Klein, in: DVB1. 1994, S. 491. 255 s. auch Berg, in: VerwArch 1977, S. 253 (m. w. N.); Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 25 f. (m. w. N.); Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 152; Langer, in: JuS 1993, S. 206; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 877; vgl. auch BFHE 80, 73, 75.; zweifelnd VGH Kassel NJW 1984, S. 506; a. A. BGHZ 67, 119, 125; schwankend die Rechtsprechung des BVerwG - vgl. einerseits BVerwGE 68, 213, 217; BVerwG NVwZ - RR 1996, S. 84, wonach ein Bordell grundsätzlich ein gewerblicher Betrieb ist, und andererseits BVerwGE 60, 284, 288 (Prostitution), und sich dem bereits dargelegten BGHUrteil anschließend BVerwGE 84, 314, 320 (Peep-Show II), wonach die Prostitution nicht als Beruf anerkannt wird; vgl. ferner verneinend VGH Kassel in: NVwZ - RR 1996, S. 85 ff.; LG Mannheim NJW 1995, S. 3398. 256 BVerwGE 96, 302, 306 ff. (Spielbanken); a. A. OVG Münster GewArch 1979, S. 328 f , nach der das vereinsmäßige Veranstalten von Glückspiel nicht in den Schutzbereich des Art. 12 I GG falle; nicht klar BVerfGE 28, 119, 146 ff.; vgl. weiter Voßkuhle,, in: VerwArch 1996, S. 407 ff. 257 BVerwGE 96, 293, 297 f. (Sportwettunternehmen). 258 BVerwGE 97, 12, 22 (Buchmacher). 259 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 877, und ihre Argumentation; Gusy, in:

JA 1992, S. 259; a. A. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 29. 260

So Berg,, in: GewArch 1977, S. 253; Tettinger, in: AÖR 1983, S. 98. Neben dem Apotheken-Urteil in bezug auf das fixierte Berufsbild als (Nicht-)Berufseigenschaft vgl. BVerfGE 9, 73, 98; 13, 97, 106 (Handwerker); 16, 147, 163; 17, 232, 241; 78, 179, 193; 81, 70, 85 f. 262 Statt aller vgl. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 17; Papier, in: DVB1. 1984, S. 802; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 98; Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 153 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 61 f.; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 11; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 876. 263 So Bleckmann, Staatsrecht II, § 33, Rd. 16. 261

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland zu typisieren und fixieren 264 2 6 5 . Der Berufsbegriff muß immer den modernen wirtschaftlichen, technischen, technologischen und kulturellen Bedingungen angepaßt werden. In diesem Sinne ist die Berufsfreiheit "zukunftsgerichtet" 266 . Art. 121 GG schützt selbständige (freie Berufe, Gewerbe, Unternehmen) genauso wie unselbständige (Arbeit) Erwerbstätigkeiten 267 . Zu letzteren gehört die Beschäftigung im öffentlichen Dienst unter dem Vorbehalt der Anwendung der spezielleren Vorschrift des Art. 33 GG 2 6 8 . Staatlich gebundene Berufe, wie ζ. B. der des Notars, werden als Berufe des öffentlichen Dienstes betrachtet 269 . Schließlich garantiert Art. 12 I GG kein subjektiv-öffentliches (Leistungs-) Grundrecht auf Arbeit 2 7 0 , da das Grundgesetz eine "optimierende", in Wahrheit illusionäre Proklamation dieses Inhaltes vermeiden wollte 2 7 1 .

264 s. BVerfGE 13, 97, 106 (Handwerker); 17, 232, 247 f.; 54, 301, 322; 75, 246, 264 ff; vgl. auch Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 45 ff; Tettinger, in: AÖR 1983, S. 100 ff.; ders., in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 52. 265 Nach Leisner, SB-Großhandel, S. 177, unter Hinweisen auf BVerfGE 9, 109, 117; 15, 226, 233, kann ein Berufsbild auch durch Richterrecht geprägt werden. 266 BVerfGE 30, 292, 334 (Erdölbevorratung); BVerwGE 75, 109, 114 (Subventionsrichtlinien). 267 BVerfGE 7, 377, 397; 73, 301, 315 - st. Rechtsprechung; vgl. auch E. R. Huber,

in: DÖV 1956, S. 140 f.; Papier, in: DVB1. 1984, S. 801; ders., in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 35; Stober, Grundrechtsschutz, S. 62; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 17; Gusy, in:

JA 1992, S. 258; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 119 f.; Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 195 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 420; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 878; a. A. Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 6 ff, der von Art. 12 I GG als "Grundrecht des Mittelstandes" spricht. 268 BVerfGE 7, 377, 397 f. (Apotheken); 39, 334, 369; 84, 133, 147 (Warteschleifen). 269 BVerfGE 73, 280, 292; vgl. auch BVerwGE 75, 109, 114 (Subventionsrichtlinien); zur Abgrenzung zwischen Art. 12 I und 33 GG bezüglich der "staatlich gebundenen Berufe" vgl. Gusy, in: JA 1992, S. 261 ; weiterhin Sodan, Freier Beruf, S. 16 ff. 270

So Bettermann, in: FS Hirsch, S. 21; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 39; Püttner,

Öffentliche Unternehmen, S. 98; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 1; Gusy, in: JA 1992, S. 262; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 118; Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 195; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 33; im Prinzip gleich Bleckmann, Staatsrecht II, § 33, Rd. 37., der aber ein Recht auf Arbeit und (Berufs-)Bildung als ein aus Art. 12 I GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip abgeleitetes objektives Prinzip annimmt; ähnlich wie Bleckmann Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 74; vgl. auch BVerfGE 84, 133, 146 f. (Warteschleifen); BVerfG NJW 1998, S. 1475 (Kleinbetriebsklausel). 271 So ganz zutreffend Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 11, 73; vgl. auch zur Ausgangsposition, daß die Grundrechte grundsätzlich nicht unmittelbar Leistungs- und Teilhaberrechte schaffen können, selbst wenn sie "sozialstaatlich" interpretiert werden, Badura, in: DÖV 1989, S. 495.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik bb) Die Berufsfreiheit als in Art. 121 GG garantiertes einheitliches Grundrecht Sollte man den Art. 121 GG gemäß seinem Wortlaut auslegen, dann kann man zu dem Schluß kommen, daß die Verfassung zwischen der uneinschränkbaren freien Berufswahl und der einem Regelungsvorbehalt unterliegenden Berufsausübung unterscheidet. Der herrschenden und richtigen Meinung entspricht dies jedoch nicht. Berufswahl und Berufsausübung bilden zusammen den einheitlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit und sind beide Gegenstand des verfassungsrechtlichen Schutzes und diesbezüglicher Beschränkung 272 ; letztere indes in unterschiedlichem Maße und unter verschiedenen Umständen 273 . Berufswahl bedeutet, daß der Bewerber den erstrebten Beruf ungehindert von staatlichem Willen frei wählen können soll 2 7 4 . Die Berufsausübung bezieht sich auf die gesamte Tätigkeit des Berufes oder des Gewerbes, d. h , sie bestimmt das "Wie", also die Art und Weise, in der der Berufstätige sein Grundrecht ausübt, i m Gegensatz zu der Berufswahl, die das "Ob" der Grundrechtsausübung betrifft 275 . Die Untrennbarkeit der Auslegung von Berufswahl und -ausübung im Sinne des Art. 12 I GG sowie die Einordnung der von derselben Vorschrift garantierten freien Wahl von Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz 276 in der Berufsfrei272

BVerfGE 7, 377, 401 (Apotheken); 17, 269, 276; 50, 290, 362 ff. (Mitbestimmung); 71, 183, 196 ff. ;76, 171, 184 ff; vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 11 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 421 f.; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 44; Papier, in: DVB1 1984, S. 803; Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 49 f.; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 100; Breuer, in: HdStR, § 147, Rd. 58; ders., ebenda, § 148, Rd. 6; Karpen, Berufslenkung, S. 22; Gusy, in: JA 1992, S. 259 f. 273 Wegen des unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Status zwischen der Berufswahl und -freiheit in bezug auf ihre Einschränkbarkeit schlägt Gusy, in: JA 1992, S. 260, vor, auf die Rechtsfigur "einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit" zu verzichten. 274 BVerwGE 2, 89, 93. 275 Vgl. Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 37 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 74; Gusy, in: JA 1992, S. 261. 276 Dazu kann folgendes dargelegt werden: "Während es bei der Berufswahl um die Entscheidung des einzelnen geht, auf welchem Feld er sich beruflich betätigen will, betrifft die Arbeitswahl die Entscheidung, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf (im konkreten Fall) nachgehen möchte. Die Arbeitsplatzwahl ist folglich der Berufswahl nachgeordnet und konkretisiert diese. Sie ist umgekehrt der Berufsausübung vorgeordnet, die erst an dem gewählten Arbeitsplatz stattfindet. Dabei darf dieser Begriff nicht allein oder auch nur in erster Linie räumlich verstanden werden. Bei der Wahl des Arbeitsplatzes geht es vielmehr um die Entscheidung für eine konkrete Betätigungsmöglichkeit oder ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Gegenstand des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ist dementsprechend zunächst der Entschluß des einzelnen, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen. Dazu zählt namentlich bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners samt den dazu notwendigen Voraussetzungen, insbesondere der Zutritt zum Arbeitsmarkt" -

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

heit hat zu dem Schluß gefuhrt, daß Art. 12 I GG die Berufsfreiheit als einheitliches Grundrecht von der Wahl der geeigneten Ausbildungsstätte zur beruflichen Ausbildung bis zu Berufsausübung, -Wechsel und -ende gewährleistet 277 .

cc) Die ausführliche Inhaltsbestimmung des Schutzbereiches der Wettbewerbsfreiheit α) Positive Bestimmung des Schutzbereichs Die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit ist unmittelbar mit dem Begriff "Beruf' und infolgedessen mit der Berufswahl 278 und -ausübung 279 verbunden 280 . Je weiter der Berufsbegriff des Art. 12 I GG verstanden wird, desto weiter kann die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit reichen 281 . Die Anerkennung einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung in bezug auf den verfassungsrechtlichen Be-

s. dazu BVerfGE 84, 133, 146 (Warteschleifen); vgl. auch BVerfGE 85, 360, 372 f.; BVerfG NJW 1998, S. 1475 (Kleinbetriebsklausel); BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 . 277 BVerfGE 7, 377, 400 ff. (Apotheken); 33, 303, 329 ff. (Numerus clausus); 95, 193, 214; 95, 267, 302 (Altkreditschulden); Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 14; Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, S. 35 ff.; H.-P. Schneider, in: VVdDStRL 1985, 18 f.; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 1; Bleckmann, Staatsrecht II, § 33, Rd. 1; Karpen, Berufslenkung, S. 22; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 1; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 35; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 8. 278 So Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 761; vgl. auch M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 55, der aber Wettbewerbsfreiheit und freie Berufswahl zu eng nur in bezug auf die Festlegung des Unternehmenszweckes verbindet. 279 Vgl. BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); 46, 120, 137 (Direktrufverordnung); 86, 28, 37 (Sachverständige); BVerfG GRUR 1973, S. 320; BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I); BVerwGE 71, 183, 189 (Transparenzlisten); 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine); 89, 281, 283 (Unternehmensberater); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests); VGH Mannheim GewArch 1993, S. 244; P. Kirchhof, Verwalten, S. 370; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 79 f.; Schlichter, Die Beseitigung, S. 85; Knuth, in: JuS 1986, S. 528; Stober, Grundrechtsschutz, S. 65; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 880; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 53 ff.; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53. 280 s. auch BVerfGE 87, 363, 388 (Nachtbackverbot III), unter der zutreffenden Bemerkung, "die Freiheit der Berufsausübung fuhrt notwendig zu Wettbewerb"; zustimmend Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 14; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 192; vgl. auch Bettermann, in: FS Hirsch, S. 20: "Die Berufsfreiheit des Art. 121 ist auch und gerade Konkurrenzfreiheit"; Isensee, in: HdDStR, V, § 115, Rd. 253: "Die Berufsfreiheit ist Freiheit zum Wettbewerb"; Hufen, in: NJW 1994, S. 2915: "Der Plural von Berufsfreiheit heißt Wettbewerb". 281 Vgl. am Beispiel der Sportwettunternehmen BVerwGE 96, 293, 297 f. (Sportwettunternehmen); 97, 12, 22 f f (Buchmacher), und der Spielbanken BVerwGE 96, 302, 307 ff. 315 (Spielbanken); vgl. auch am Beispiel der lokalen Telekommunikationsmärkte Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 761.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

1

griff "Beruf' i. S. d. Art. 12 I GG bedeutet, daß der Zugang zum Markt 2 8 2 , der im Rahmen dieses Berufes geschaffen ist oder geschaffen werden kann, und das erwerbswirtschaftliche Verhalten sowie das Verbleiben 283 in diesem grundrechtlich von Art. 12 I GG garantiert werden. Das Recht, in einen Wettbewerbsmarkt einzutreten, in ihm zu verbleiben oder einen neuen zu schaffen, ist Bestandteil der Berufswahl und das Handeln auf diesem Markt Bestandteil der Berufsausübung 284 . Es ist hervorzuheben, daß Art. 12 I GG das gesamte Handeln i m Wettbewerb garantiert 285 und nicht nur die Wettbewerbsgleichheit 286 . Für letztere kommt eher der aus Art. 3 GG garantierte Gleichheitssatz in Betracht 287 . Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit bezüglich des verfassungsrechtlichen Begriffes "Beruf' ist die Freiheit, diejenige wirtschaftliche Tätigkeit zu betreiben, welche im Rahmen der Berufsausübung und des Wettbewerbsverhältnisses einem Erwerbszweck dient 288 . Aus der Analyse der bereits oben dargelegten Begriffsdefinition "Ber u f ' 2 8 9 ergibt sich die Frage, ob sich jeder Beruf i. S. d. Art. 12 I GG auf die Wettbewerbsfreiheit beziehen kann. Diese Frage ist zu verneinen. Einschlägige Berufe sind nur solche, deren Ausübung den selbständigen Abschluß von Geschäften mit Dritten (Kunden) voraussetzt. Überdies sind die öffentlichen so282 Vgl. dazu VG Chemnitz GewArch 1996, S. 158, wonach der Zugang zum Marktwettbewerb (Marktfreiheit) Ausdruck des gemäß Art. 121 GG garantierten Grundrechts der Berufsfreiheit sei. 283 So R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 458. 284 BVerfGE 86, 28, 37 (Sachverständige); Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124; Schlichter, Die Beseitigung, S. 85; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 12 ff. 285 Vgl. auch R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 132, die richtigerweise mit Hinweis auf die Fn. 41, 42 (dort) auf die Rechtsprechung des BVerfG und die neuere Rechtsprechung des BVerwG (s. auch hier Fn. 284) annimmt, daß in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit das gesamte Verhalten des Unternehmers im Wettbewerb fällt; ebenso Sodan, in: DÖV 1987, S. 860; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 62; Badura, in: DÖV 1990, S. 356; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 23; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 99; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 198 f.; Selmer, in: JuS 1997, S. 180; Berendes, in: GewArch 1998, S. 16; dagegen ist die Position Friehes, in: JuS 1981, S. 868, und von Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 909, daß Art. 12 I GG die Wettbewerbsfreiheit nur eines ganzen Gewerbezweiges gegenüber einem Konkurrenzgewerbe schütze, fehl am Platz. 286 So aber Leisner, Sozialversicherung, S. 149 f.; ders., Berufsordnungsrecht, S. 68; ders., in: DVB1. 1989, S. 1031, obwohl nicht mehr so kategorisch; vgl. auch Badura, in: FS Steindorff, S. 852, zum Subventionswesen. 287 s. dazu unten sub e. 288 Vgl. Stober, Grundrechtsschutz, S. 70; vgl. auch BVerwGE 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine), nach der "Schutzgut des Art. 12 I GG die Erwerbszwecken dienende freie unternehmerische Betätigung" ist; genauso BVerwGE 90, 359, 362; VGH Mannheim GewArch 1993, S. 244. 289 s. oben sub aa. 6 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland wie die abhängigen (unselbständigen) Berufe prinzipiell 290 ausgeschlossen, da ihre Tätigkeit kein Gegenstand des Wettbewerbs in dem hier interessierenden Sinne sein kann 291 . Freilich sollte man den Schutzbereich nicht auf die unternehmerischen Berufe begrenzen, sondern dieser muß auch auf andere Erwerbstätigkeiten erweitert werden. Der Anwendungsbereich des UWG kann hierfür eine Richtlinie sein 292 . Die mittelständischen Gewerbe und Geschäfte, der Einzelhandel, die Landwirtschaft (vgl. § 2 UWG), die Kunst, die Wissenschaft 293 und die freien Berufe 294 sind - soweit all diese selbständig ausgeübt werden - Berufsfelder, in denen der freie Wettbewerb herrschen und die Wettbewerbsfreiheit ausgeübt werden kann. Das kann auch in bisher untypischen, unbekannten oder nicht traditionell fixierten Erwerbsbetätigungen der Fall sein 295 (für die anderen Charakteristika des Begriffes "Beruf' gilt in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit mutatis mutandis, was diesbezüglich bereits oben 296 dargelegt wurde). Nach alldem kann man den Begriff der Wettbewerbsfreiheit unter dem Gesichtspunkt des Schutzbereichs der Berufsfreiheit wie folgt definieren: Wettbewerbsfreiheit bedeutet die Freiheit für jedes Marktsubjekt, seine Fähigkeiten durch den Einsatz solcher Mittel auszunutzen, die als geeignet empfunden werden, um der Marktgegenseite qualitativ bessere oder rationell günstigere Angebote zu machen und sie vom Marktpartner zu gewinnen 297 . Inhaltlich hat dies den Sinn von "Freiheit zu Initiative, Freiheit zum Vorstoß in technisches, organisatorisches und ökonomisches Neuland" 298 "zur Schaffung neuer Güter, neuer

290

Vgl. aber BVerwGE 75, 109, 114 ff. (Subventionsrichtlinien), in der das Gericht ein Wettbewerbsverhältnis im Beruf der "Subventionsbetreuer" annimmt, welcher im Zusammenhang mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe stehe, und Art. 12 I GG anwendet, obwohl es ausdrücklich offenläßt, ob dieser Beruf in der Nähe eines staatlich gebundenen Berufes steht. 291 Eine andere Frage stellt jedoch die Konkurrenz zwischen Arbeitnehmern als Nachfrageseite auf einem Arbeitsmarkt dar, die hier außer Betracht bleiben soll; vgl. dazu Scholz, in; MD, Art. 12, Rd. 84 f. (m. w. N.); Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 14. 292

Vgl. Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rd. 25. Zur Konkurrenzfrage zwischen Art. 12 I und 5 III GG, wenn Kunst und Wissenschaft erwerbswirtschaftlich ausgeübt werden, vgl. unten sub V 1 b aa η. 294 Vgl. zu den freien Berufen BVerfGE 94, 372, 389 ff. (Werbeverbote für Apotheker); BGH GRUR 1976, S. 635; BGH GRUR 1981, S. 529 f.; BGH JZ 1996, S. 1183 ff. (Steuerberater); vgl. auch Tettinger, in: NJW 1987, S. 294 ff.; Ring, Wettbewerbsrecht der freien Berufe. 295 Vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 51. 296 s. oben sub aa. 297 Vgl. auch Helmstädter, in: FS Benisch, S. 23. 298 So Hoppman, Wirtschaftsordnung, S. 241; vgl. auch Grabitz, in: ZHR 1985, S. 268. 293

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Verfahren, neuer Märkte, Freiheit zu ökonomischem Fortschritt" 299 . Jedes Handeln sowie alle Aktivitäten und Tätigkeiten, die jemand unternimmt, um ein Unternehmen, einen freien Beruf oder ein einfaches Geschäft als Beruf zu Zwecken des Wettbewerbes zu wählen und um als Unternehmer, Freiberufler oder Geschäftsführer seinen Beruf zu Zwecken des Wettbewerbes auszuüben, fallen in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit 300. Dazu zählen die Freiheit, ein Unternehmen o. ä. zu gründen, zu führen und zu entwickeln 301 , die Freiheit, darin zu investieren 302 und das (eventuelle) Investitionsrisiko zu übernehmen, die Leitungs- und Dispositionsfreiheit im Sinne der freien wirtschaftlichen Planung, der Personalpolitik und der Verfügung über die Betriebsmittel 3 0 3 , die Produktionsfreiheit im Sinne des Rechtes, die Quantität und die Qualität der wirtschaftlichen Güter oder Leistungen, die man erzeugt bzw. anbietet, zu bestimmen 304 , die Freiheit, seinen Betrieb zu erweitern 305 (Wachstumsfreiheit) 306 und künftig zu gestalten (Entwicklungsfreiheit) 307 , die Freiheit, das Un-

299 So Schmidtchen, in: ORDO 1988, S. 115; vgl. auch zu diesen Feststellungen BVerfGE 87, 363, 387 f. (Nachtbackverbot III); Isensee, in: HdDStR, V, §115,

Rd. 252; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53. 300

Vgl. Scholz, in: MD Art. 12, Rd. 124, der von "unternehmerischer Freiheit des Marktzutritts und der marktmäßigen Betätigung als Teil der unternehmerischen Betätigungs- und der Wettbewerbsfreiheit" spricht; vgl. ähnlich R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 126; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 52. 301 BVerfGE 50, 290, 363 (Mitbestimmung); s. auch Bettermann, in: FS Hirsch, S. 3; Scholz, in: MD, Art 12, Rd. 124; Breuer, in: HdDStR VI, § 147, Rd. 61; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 18; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 18; Papier, in: HdVerfR, § 18, Rd. 48 ff. 302 Vgl. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124, (m. w. N.); ders., Entflechtung, S. 108 f.; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 154; ders., in: BB 1995, S. 53; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 20. 303 Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 18; vgl. auch BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG). 304 Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124, unter Hinweis auf BVerfGE 9, 83, 87 f. (Herstellungsverbot); 8, 71, 79 ff. u. 21, 150, 154 ff. (Weinabbaubeschränkung); 23, 50, 56 f. (Nachtbackverbot I); 41, 360, 370 ff. (Nachtbackverbot II); 34, 71, 78 (Einzelhandel); vgl. auch BVerfGE 39, 210, 225 ff, und neuerdings BVerfGE 87, 363 ff. (Nachtbackverbot III); außerdem E. R. Huber, in: DÖV 1956, S. 135; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; M Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 154; Stober, Grundrechtsschutz, S. 37. 305 Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124, unter Hinweis auf BVerfGE 7, 377, 407 f.; 8, 71, 80; 8, 274, 329; 18, 315, 327 (Sterilmilch); 21, 150, 160; 40, 196, (218, 225 ff.); BVerwGE 8, 121, 122 ff.; BGHZ 36, 91, 99; an anderer Stelle, Entflechtung, S. 104, unterscheidet Scholz zwischen interner und externer Wachstumsfreiheit, letztere als Zusammenschlußfreiheit. Beides fällt in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit in bezug auf den Art. 121 GG (neben Art. 141 und für die externe Wachstumsfreiheit Art. 9 I GG). 306 Daraus ergibt sich der grundrechtliche Schutz der wirtschaftlichen bzw. unternehmerischen Machtkonzentration hinsichtlich des Art. 12 I GG - vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 389; ders., Konzentrationskontrolle, S. 40; ders., Entflechtung, S. 84,

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland ternehmen zu organisieren (unternehmensmäßige Organisations- und Planungsfreiheit) 308 und die Freiheit der marktmäßigen Betätigung. Darunter versteht man das Recht auf freie Preisbildung als "ein wesentliches Enzym der Marktwirtschaft" (Preisfreiheit) 309, die Vertriebs-ZAbsatzfreiheit 310 und das Recht, auf wirtschaftliche Leistungen aufmerksam zu machen (Werbefreiheit) 311. Schließlich gehören zum Inhalt der Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die Berufsfreiheit die Berufsehre 312 bzw. der Ruf der Firma 313 und als Konkretisierung des allge-

104, obwohl man bezüglich des Wettbewerbs davon ausgehen kann, daß Wettbewerb und Konzentration meistens, aber nicht immer Gegensätze sind - so Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 5. 307

Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 20 f.

308

BVerfGE 50, 290, 339 ff. (Mitbestimmung); Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124;

Leisner, SB-Großhandel, S. 135; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 62; Aussem, Aus-

strahlungswirkung, S. 83. 309 Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 21; vgl. auch H.-P. Ipsen, Preiskontrolle, S. 37;

Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124 (m. w. N.); Schlichter, Die Beseitigung, S. 94; Grabitz,

in: ZHR 1985, S. 268; Leisner, SB-Großhandel, S. 136; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 154; vgl. auch BVerfGE 8, 274, 328 (Preisgesetz); 21, 292, 296 (Rabattgesetz), das zwar anscheinend aus prozeßökonomischen Gründen Art. 12 I GG nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen, aber sehr zutreffend dargelegt hat: "In einer Marktwirtschaft mit freier Preisbildung darf der Preiswettbewerb durch staatliche Eingriffe grundsätzlich nicht behindert werden"; 65, 248, 258 ff. (Preiskennzeichnung). ™ Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124, unter Hinweis auf BVerfGE 30, 336, 350 f. (FKK-Bilder); 34, 71, 78, (Einzelhandel); 36, 47, 62 f. (Tierversand); BVerwGE 35, 268, 275 (Exporthandel); Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 22; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53; vgl. auch Leisner, SB-Großhandel, S. 135 f. 311 BVerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26 f.; 85, 97, 104; 85, 248, 256; 94, 372, 389 (Werbeverbote für Apotheker); 95, 173, 181 (TabakVerordnung); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 753 (Großmarkt-Werbung I); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 3342 f. (Mars-Kondome); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1998, S. 72 (Notarwerbung); OLG Düsseldorf NJW - RR 1996, S. 1322 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 36; vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 124 (m. w. N.), Rd. 327; Leisner,

SB-

Großhandel, S. 136; Sodan, Freier Beruf, S. 72 f.; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 22; R. Philipp,

Verbraucherinformationen,

S. 154 ff., 168 ff., die von einer unternehmerischen Selbstdarstellung im Wettbewerb als Bestandteil der Wettbewerbsfreiheit spricht und ihren Inhalt darlegt; Lerche, Grundrechtsfragen, S. 50 ff.; Hufen, in: NJW 1994, S. 2922; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53; Skouris, in: EuWZ 1995, S. 442 f.; Ulmann, in: GRUR 1996, S. 956; Henssler, in: JZ 1997, S. 1011; Kort, in: WRP 1997, S. 527; Ring, in: NJW 1997, S. 771; Reichelt, in: WRP 1997, S. 1133 ff. 312 Vgl. BVerfGE 50, 16, 29; 88, 203, 294 (Abtreibung II) - Art. 2 I GG i. V. m. Art. 12 I GG; weiterhin BVerwGE 87, 37, 44 (Diethylenglykolweine). 313 Vgl. BVerwGE 71, 183, 194 (Transparenzlisten); BGH JZ 1983, S. 506; VGH Kassel GewArch 1995, S. 416; LG Stuttgart NJW 1989, S. 2258 (Birkel); R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 170; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 112, 116 (m. w. N.); Bleckmann, Staatsrecht II, §21, Rd. 51; a. A. BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt); BGH AfP 1994, S. 139; BGH AfP 1995, S. 407; OLG Branden-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik meinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG die Befugnis, eine gewerbliche Wettbewerbsbetätigung unter dem eigenem Namen auszuüben 314 . Eine zentrale Position für die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit besitzt die Vertragsfreiheit 315. Darunter wird die Freiheit verstanden, einen Vertrag mit einem Partner nach Wahl und mit einem nach gemeinsamen Verhandlungen getroffenen Inhalt abzuschließen, aufzuheben oder zu verändern 316. Besondere Bedeutung für die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit hat die Vertragsfreiheit in bezug auf die Preisfreiheit 317. Soweit sie mit der Berufsfreiheit verbunden ist, wird sie von Art. 121 GG garantiert 318. Das gleiche gilt grundsätzlich auch für die wirtschaftliche Freizügigkeit bzw. die Niederlassungsfreiheit als Element des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit, die nach h. M. von Art. 12 I GG garantiert wird (als freie Wahl des Arbeitsplatzes). Art. 121 GG gilt nach dieser Meinung für den beruflichen Bereich als lex spezialis im Vergleich zu Art. I I I GG 3 1 9 . Darunter wird die

bürg NJW 1996, S. 666, die den Ruf des Unternehmens in das aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht einordnen; dazu tendiert auch Gröschner, in: DVB1. 1990, S. 622 f.; ähnlich BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 1784. 314 BVerfGE 71, 183,201. 315 Vgl. Rittner, in: FS Sölter, S. 30 f.; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 49.; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 162. 316 Vgl. BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); AG Rendsburg NJW 1996, S. 1005; Rittner, in: FS Sölter, S. 28; Stober, Grundrechtsschutz, S. 35; Ossen-

bühl, in: AÖR 1990, S. 25; vgl. auch Art. 152 I WRV, § 105 GewO. 317 M Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 52. 318 BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 42 f.; ders., MD, Art. 12, Rd. 131 f.; Schlichter, Die Beseitigung, S. 103; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 63; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 17 (m. w. N.); Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 25; Schlechtriem,

S. 40; Manssen, Privatrechtsgestaltung,

S. 133 ff.; Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 65; vgl. auch BVerfGE 47, 285, 318 ff.; 81, 242, 252 ff. (Handelsvertreter); a. A. BVerfGE 8, 274, 328 (Preisgesetz); 89, 48, 61; 95, 267, 303 f. (Altkreditschulden); BGH NJW 1991, S. 699. Nach dieser Rechtsprechung wird die Vertragsfreiheit (auch) aus der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit des Art. 2 I GG abgeleitet - vgl. zu dieser Auseinandersetzung über das Verhältnis des Art. 12 I GG zu Art. 2 I GG oben sub I 2 c. 319 BVerfGE 41, 378, 389 f.; 65, 116, 125; BVerwGE 2, 151, 152; 12, 140, 162; VGH Mannheim NVwZ 1987, S. 433 f.; Dürig, in: MD, Art. 11, Rd. 19 ff.; Bachof Freiheit des Berufs in: B/N/S, GR III/l, S. 171 f.; Randelzhofer, in: BK, Art. 11, Rd. 23; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 191; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 3, Rd. 24; Pa-

pier, in: DVB1. 1984, S. 806; Hailbronner, in: HdDStR, VI, § 131, Rd. 36, der aber in Art. 11 GG eine erhebliche wirtschaftsverfassungsrechtliche Bedeutung eher für Art. 14 GG anerkennt; Breuer, in: HdDStR, VI, § 147, Rd. 68, der sie sogar ausdrücklich in die freie Wahl des Arbeitsplatzes einordnet; Kunig, in: vM/K, Art. 11, Rd. 17; Gubelt, ebenda, Art. 12, Rd. 96; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 168; a. A. BGH

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Freiheit der Einreise zur Verfolgung beruflich-gewerblicher Ziele auf einem Wettbewerbsmarkt (positive Freiheit), aber auch die Freiheit, den Ort nicht wechseln zu müssen (negative Freiheit), verstanden 320 . Ihre Bedeutung für die Wettbewerbsfreiheit ist wegen des interregionalen und interterritorialen Charakters des Handels und der unternehmerischen Beziehungen nicht unbedeutend. Bei der Darstellung dieser (Teil-)Freiheiten 321 , welche Elemente des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit und wesentliche Mittel zu ihrer Ausübung sind, wird zweierlei klar: Erstens gehört die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsbetriebes zur Wettbewerbsfreiheit, sofern diese (Teil-)Freiheiten die Wettbewerbsfähigkeit bestimmen - wieviel der einzelne Unternehmer produzieren soll, zu welchen Preisen er vertreiben w i l l und unter welchen Bedingungen er Investitionen tätigen und Werbung betreiben kann, um eine bessere Position auf dem Markt zu erreichen, sind Faktoren, von denen die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens o. ä. abhängt 322 3 2 3 . Zweitens können diese (Teil-)Freiheiten auch Gegenstand der unternehmerischen Betätigungsfreiheit 324 bzw. der Unternehmer- 325 oder Unternehmensfreiheit 326 sein 327 , da sie sich unmittelbar auf das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" 328

GRUR 1952, S. 583; NJW 1978, S. 1328 f.; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 64 ff.; differenzierend Stober, Grundrechtsschutz, S. 172 ff., der letztendlich eine Subsidiarität des Art. 11 I GG gegenüber Art. 12 I GG annimmt. 320 Vgl. Stober, Grundrechtsschutz, S. \l\\Kunig y in: vM/K, Art. 11, Rd. 18. 321 Vgl. dazu auch Scholz, Entflechtung, S. 102 ff. 322 M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 52, 154, der zu Recht hervorhebt, daß diese (Teil-)Freiheiten in einem "Ergänzungsverhältnis" zur Wettbewerbsfreiheit stehen. 323 Zum Begriff "Wettbewerbsfähigkeit" i. S. d. Art. 12 I GG vgl. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 387: "Wettbewerbsfähigkeit bedeutet hierbei die spezifisch wettbewerbliche (marktmäßige) Existenz- und Funktionsfähigkeit der jeweils grundrechtsgeschützten Unternehmen (Unternehmer)"; vgl. auch ders., Konzentrationskontrolle, S. 56. 324 BVerwGE 71, 183, 193 (Transparenzlisten); 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests). 325 BVerfGE 50, 290, 363 (Mitbestimmung); BVerfG NJW 1998, S. 1549 (Handelsschiffe); vgl. auch BVerfGE 14, 263, 282 (Feldmühle), in der der Begriff "unternehmerische Freiheit" benutzt wird. 326 Stober, Grundrechtsschutz, S. 36. 327 Vgl. aber Breuer, in: HdDStR, VI, Rd. 61, der zwischen "Unternehmer-" und Unternehmensfreiheit" unterscheidet, um den Unterschied zwischen personellem und sachlichem Element eines Unternehmens aufzuzeigen. Diese Unterscheidung hat nur begrifflichen Sinn und kann keine praktische (grund)rechtliche Bedeutung haben. 328 BVerfGE 1, 264, 276; 13, 225, 229; 22, 380, 386; 45, 142, 173; vgl. auch E. R. Huber, in: DÖV 1956, S. 172, der vom "Recht am Unternehmen" spricht; Scheuner, Einführung in: ders. (Hg.): Die staatliche Einwirkung, S. 45. Daß das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch von Art. 121 GG geschützt wird, vgl. bei Maurer, in: JZ 1991, S. 39; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 99; BVerwGE 82, 29, 33;

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik im Sinne der Freiheit beziehen, ein organisiertes, privates Unternehmen im Rahmen des wirtschaftlichen Handelns zu begründen, selbständig zu betreiben oder zu schließen 329 . Wettbewerbs- und Unternehmensfreiheit aber sind untrennbar verbunden und können im Grunde genommen grundrechtlich nicht getrennt werden 330 . U m im Wettbewerb wirtschaftlich frei tätig zu werden, muß man seinen Betrieb frei leiten - man ist aber mit einem Betrieb auf einem Markt, auf dem die Unternehmer als Anbieter und Nachfrager frei auftreten 331 , um am Wettbewerb frei teilzunehmen und sich in ihm erwerbswirtschaftlich zu verhalten. Die Ausübung der Unternehmensfreiheit effektiviert in der Praxis zwangsweise die Ausübung der Wettbewerbsfreit auf einem Markt 3 3 2 . Zum Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit gehört auch das Recht, von dieser Freiheit keinen Gebrauch zu machen (negative Wettbewerbsfreiheit) 333 . Dies betrifft sowohl die Freiheit zum Wettbewerb bezüglich der freien Berufswahl im Sinne des Rechts, keinen Beruf zu wählen und in keinen Berufsmarkt einzutreten, als auch die Wettbewerbsfreiheit i. e. S. 3 3 4 hinsichtlich der freien Berufsausübung i m Sinne des Rechts, sich im Wettbewerb nicht wettbewerbsfähig zu verhalten. Letzteres betrifft insbesondere die Frage, ob man durch vertragliche Vereinbarungen oder Absprachen seine Freiheit, allein und selbständig auf dem Wettbewerbsmarkt zu handeln, selbst beschränken kann. Die Frage betrifft die vertraglich abgesprochenen Wettbewerbsbeschränkungen und ihren verfassungsrechtlichen Sinn. Es ist davon auszugehen, daß auch diese negative Wettbewerbsfreiheit grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 12 I GG fällt 3 3 5 .

zum "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als Eigentumsrecht vgl. unten sub b. 329

Vgl. Badura, in: DÖV 1990, S. 355 f.; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 22 f.;

Scholz, in: FS Rittner, S. 644; vgl. weiterhin zum Begriff der Unternehmensfreiheit Stober, Grundrechtsschutz, S. 36; M Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 50 f. 330 So auch BVerwGE 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine); vgl. auch M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 198. 331 Vgl. BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I); BVerwGE 71, 183, 189 (Transparenzlisten). 332 Vgl. auch BVerwGE 71, 183, 189 (Transparenzlisten); 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests); Henseler, in: VerwArch 1986, S. 252; ähnlich auch M Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 52; Selmer, in: JuS 1997, S. 180. 333 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 28; vgl. auch oben sub 1 c; zur aus Art. 121 GG resultierenden negativen Berufsfreiheit vgl. BVerfGE 58, 358, 364 f. (m. w. N.); 74, 102, 125 f.; 83, 119, 129; Papier, in: DVB1. 1984, S. 806; Hel-

lermann, Die sog. negative Seite, S. 32 f. 334 s. dazu oben sub I 1. 335 Vgl. Stober, Grundrechtsschutz, S. 35 f , unter Hinweis auf Dürig, in: MD, Art. 2, Rd. 50; a. Α. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 28.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland ß) Negative Bestimmung des Schutzbereichs Bisher wurde dargestellt, was in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fällt, wodurch dieser positiv festgelegt wurde. I m folgenden soll ermittelt werden, was nicht in den Schutzbereich fällt und demnach nicht von Art. 121 GG geschützt wird 3 3 6 . Art. 12 I GG schützt nicht vor dem Wettbewerb des Konkurrenten 337 , auch nicht vor seinem "harten" Wettbewerb 338 . Das ist sinnvoll, da alle Marktsubjekte dasselbe Recht zum und i m Wettbewerb haben 339 . Bestimmte Marktteilnehmer, die schon partizipierenden eingeschlossen, dürfen m. a. W. den neuen Mitbewerbern oder Interessenten gegenüber, die in den Markt eintreten wollen, nicht bevorzugt werden 340 . Die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit des einen darf nicht die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit des anderen Marktteilnehmers unterdrücken 341 , denn sonst würden sich ihre Wettbewerbsfreiheiten ge336

Einige der Fragen in bezug auf die negative Bestimmung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit beziehen sich auf den Begriff des sog. "funktionalen Schutzbereichs", der gelegentlich vom Schrifttum benutzt wird und beschreibt, gegen welche Arten der staatlichen Beeinträchtigung das Grundrecht schützt - s. statt aller Sodan, in: DÖV 1987, S. 860; R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 137 ff.; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 197, Fn. 1 (dort) - m. w. N. 337 Bettermann, in: FS Hirsch, S. 20; Leisner, SB-Großhandel, S. 124 f.; Papier, in: DVB1. 1984, S. 808; v. Gamm, WbR, 2. Kapitel, Rd. 31; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 53; ders., in: BB 1995, S. 54; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 122; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 299, 359; Gusy, in: JA 1992 S. 262; Isensee, in: HdDStR, V, §115, Rd. 253; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 78; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 50; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 14; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 880 f.; A. Philipp, Arzneimittellisten, S. 122; Albers, in: DVB1. 1996, S. 239 f.; Meyer-Arndt, 338

in: Z U M 1996, S. 768.

Vgl. BVerfGE 87, 363, 387 f. (Nachtbackverbot III), wo folgendes dargelegt wird: "Diese Veränderungen (seil, durch den harten Wettbewerb der Konkurrenten) fallen aber nicht aus dem Rahmen normaler wirtschaftlicher Entwicklungen und können einem gesetzlichen Schutzkonzept nicht ohne weiteres die verfassungsrechtlichen Grundlagen entziehen. Die Freiheit der Berufsausübung fuhrt notwendig (seil, auch) zu (seil, hartem) Wettbewerb"; vgl. auch BVerfGE 94, 372, 395 (Werbeverbote für Apotheker). 339 BVerwGE 30, 191, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung); Bettermann, in: FS Hirsch, S. 20; Gusy, in: JA 1992, S. 259; Albers, in: DVB1. 1996, S. 239 f. 340 Vgl. das Beispiel von Schmidtchen, in: ORDO 1988, S. 118, in dem er das Recht darstellt, im Rahmen eines Wettbewerbsverhältnisses der Anbieter eines Personal Computers, IBM und Apple, den Nachfrager Schmidtchen zu gewinnen. 341 Vgl. auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 524, mit der zutreffenden Bemerkung: "Jeder potentielle Konkurrent hat einen aus den Grundrechten folgenden Freiheitsanspruch, der die Minderung der Erwerbschancen des anderen bis zu dessen Verdrängung ermöglicht"; vgl. auch VG Oldenburg, GewArch 1987, S. 20: "Niemand kann nämlich verlangen, daß seine Wettbewerbschancen durch Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber anderen verbessert werden bzw. daß ein solcher Vorteil aufrechterhalten wird."; in die gleiche Richtung HessStGH NVwZ 1983, S. 543.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik genseitig blockieren 342 , eine Situation, die zu einem verfassungsrechtlichen Absurdum fuhren würde: Die "Wettbewerbsfreiheit" würde ohne Mitbewerber oder in einem geschlossenen Oligopol oder Kreis ausgeübt 343 ; das kann natürlich nicht akzeptiert werden. Demzufolge wurde entschieden, daß die Erhaltung des Geschäftsumfanges 344 genausowenig in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fällt wie die bestehende Wettbewerbslage im Sinne eines Anspruches auf Nichtzulassung von neuen Konkurrenten 345 3 4 6 , selbst wenn diese rechtswidrig zur Teilnahme am Wettbewerbsmarkt zugelassen wurden 347 . Art. 121 GG gibt keinen Anspruch auf investitions- und wettbewerbsfördernde Subventionen 348 oder auf ein Leistungsrecht bezüglich des Zugangs zum und der Teilnahme am Wettbewerb 349 . Dasselbe gilt auch für einen Anspruch auf 342

Leisner, SB-Großmärkte, S. 124 f.; vgl. auch v. Münch, in: WRP 1977, S. 536; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 33. 343 Vgl. auch Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 50, der zu Recht hervorhebt, daß der wettbewerbliche Charakter einer wirtschaftlichen Betätigung davon abhängt, ob noch ein oder mehrere andere Unternehmer das Recht haben, wirtschaftlich bzw. beruflich auf demselben Markt zu handeln; ähnlich Bettermann, in: FS Hirsch, S. 20. 344 BVerfGE 24, 236, 251 (Werbung von der Kanzel); 31, 8, 31; 34, 252, 256; BVerwGE 71, 183, 193 (Transparenzlisten); BGH GRUR 1952, S. 582. 345 BVerfGE 7, 377, 408 (Apotheken); 11, 168, 189; 19, 330, 342; 34, 252, 256; 55, 261, 269; BVerwGE 16, 187, 189; 30, 191, 196 f. (Winzergenossenschaftensubventionierung), mit der zutreffenden Bemerkung, daß die Erlaubniserteilung gegenüber einem neuen Konkurrenten dem Begünstigten nur die Möglichkeit gibt, sich mit völliger Chancengleichheit am Wettbewerb zu beteiligen; 71, 183, 191, 193 (Transparenzlisten); BVerwG DVB1. 1983, S. 1251; HessStGH NVwZ, 1983, S. 542; VGH Mannheim NVwZ 1990, S. 575; VGH Kassel NJW 1997, S. 1180. 346 }yj ur i m Sinne dieser Interpretation darf die Aussage, daß Art. 12 I GG die vorhandene Wettbewerbslage nicht schütze, verstanden werden und nicht, daß Art. 12 I GG den Beteiligten auf einem Wettbewerbsmarkt gegenüber der öffentlichen Gewalt keinen Schutz gewähre, wenn letztere die Wettbewerbslage entweder durch die Belastung (ζ. B. durch Besteuerung) des einen Wettbewerbsteilnehmers zugunsten der anderen oder durch die Begünstigung (ζ. B. durch Subventionierung) des einen, diesmal zuungusten der anderen, oder durch Belastung aller, die wohl andere Marktteilnehmer einfacher, andere schwieriger und andere gar nichts in Kauf nehmen können, ändern würde - so auch hinsichtlich der Subventionierung BVerwGE 30, 191, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung); in diese Richtung bewegt sich sowohl die ältere als auch vor allem die neuere Rechtsprechung des BVerfG - vgl. jeweils BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); 46, 120, 137 f. (Direktrufverordnung) einerseits und BVerfGE 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); 86, 28, 37 (Sachverständige) andererseits; bezüglich des Art. 121 GG vgl. ebenso, wie hier Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 199, 202, und bezüglich des Art. 14 I GG Kluth, Grenzen, S. 80; unzutreffend dagegen Stober, in: GewArch 1993, S. 143 f. 347

BVerwG DVBL 1983, S. 1252. BVerfGE 82, 209, 223 (Krankenhausplan); Stober, in: GewArch 1993, S. 143; vgl. auch BVerwGE 35, 268, 275 (Exportsubvention); ferner unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 I GG BVerfGE 80, 124, 133 (Pressesubventionierung). 349 s. oben sub aa γ. 348

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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Privatisierung oder Reprivatisierung bzw. Entstaatlichung öffentlicher Unternehmen 350 sowie andererseits auf Nichtprivatisierung eines bestehenden öffentlichen Unternehmens 351 bzw. der Verstaatlichung eines privaten Unternehmens. Er gewährt aber einen Anspruch auf Aufhebung vorhandener Monopole bzw. Deregulierung monopolistischer Märkte 352 . Darüber hinaus fällt nicht in den Schutzbereich der aus Art. 12 I GG resultierenden Wettbewerbsfreiheit, was den Grundrechten anderer oder anderen Verfassungsgütern offensichtlich widerspricht 353 . Diese "anderen" können im Grunde genommen entweder die Mitbewerber oder die Lieferanten, die Abnehmer und die Verbraucher sein 354 . Das Verfassungsgut, das in seinem Bestand von der wirtschaftlichen Tätigkeit eines in einem Wettbewerbsverhältnis stehenden Wirtschaftssubjektes verletzt werden kann, ist das Institut "Wettbewerb" 355 . Die Ausübung der Grundrechte durch andere und der Bestand des Wettbewerbs überhaupt auf einem Markt grenzen die Wettbewerbsfreiheit eines Gewerbetreibenden ab. Die grobe Irreführung des Verbrauchers, ζ. B. in Form des Verkaufs von Schmuck aus Bronze mit der Behauptung, daß dieser aus Gold sei, und der Geltendmachung eines dementsprechenden Preises, kann nicht in den Schutzbereich des Art. 12 I GG fallen. Diese Handlung verstößt offensichtlich gegen das sich aus Art. 2 I i. V. m. Art. 11 GG ergebende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kunden in dem Sinne, sich nicht von solchen Handlungen bei dem Geschäftsabschluß irrefuhren zu lassen356.

350

351

So Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 41, 209, 226.

Vgl. BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 514 (Privatisierung der Hamburger Feuerkasse) im Hinblick auf den Art. 14 I GG. Die Frage betrifft auch den persönlichen Schutzbereich in dem Sinne, inwieweit die öffentliche Hand sich aufgrund des Art. 12 I GG auf einen solchen Anspruch berufen darf (vgl. dazu unten sub 3 c cc). 352 Vgl. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 41, 209, 226 (vgl. auch unten sub III 3 b dd). 353 So auch Schulte, in: DVB1. 1988, S. 518; vgl. weiter zu der Position, daß nur dasjenige Verhalten, welches eine extreme Widersprüchlichkeit zu Grundrechten anderer darstellt, aus dem Schutzbereich eines Grundrechts herausfällt; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 75. 354 Daneben kann man auch die Grundrechte (z. B. die aus Art. 4 I, II GG resultierende Religionsfreiheit und -ausübung) anderer Personen rechnen, die zwar nicht zu den Mitbewerbern, Lieferanten, Herstellern oder Verbrauchern gehören, deren Grundrechte aber neben dem Institut "Wettbewerb" unter den Begriff "Allgemeinheit" als Schutzobjekt des UWG fallen können; a. A. Nordemann, in: GRUR 1975, S. 629, der den Begriff "Allgemeinheit" verfassungsrechtlich als "undenkbar" bezeichnet; vgl. auch ders., Wettbewerbsrecht, Rd. 17; Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 164. 355 Zu dem Institutscharakter des freien Wettbewerbs aus verfassungsrechtlicher Sicht vgl. BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); 51, 193, 215 (Weinlagenname); vgl. weiterhin die gesamte Auseinandersetzung über die Frage der wirtschaftsverfassungsrechtlichen (institutionellen) Marktgarantie oben sub I 2 c. 356 Vgl. auch Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 162.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

1

Das ist jedoch nicht bei der erwerbswirtschaftlichen Vorführung eines Filmes der Fall, der zu einem Großteil aus sog. mittelbaren (getarnten) Werbungen besteht, ohne der Hinzufügung eines aufklärenden Hinweises. Diese Handlung fällt (prima facie) in den Schutzbereich des Art. 12 I GG. Ob sie aber Wettbewerbs- bzw. sittenwidrig gem. § 1 U W G und demzufolge verboten wird, ist eine Frage der Güter- und Interessenabwägung zwischen u. a. der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verbraucher, das i m Einzelfall vorgehen soll 3 5 7 . Von Art. 121 GG werden nicht die Nötigung, die Bedrohung, die Belästigung und im allgemeinen alle Mittel, die einen psychischen oder körperlichen Kaufzwang für den Kunden enthalten oder dessen Entschließungsfreiheit verletzen, gedeckt, weil sie sich ebenso gegen seine grundrechtlich geschützten Positionen richten 358 .

b) Wettbewerbsfreiheit und Eigentum Das Recht auf Privateigentum des Art. 14 GG ist ein elementares Grundrecht 359 , das zweite Hauptgrundrecht der Wirtschaftsfreiheit nach der Berufsfreiheit 360 , und kann als besondere Ausprägung der allgemeinen Entfaltung der Persönlichkeit gem. Art. 2 I GG 3 6 1 und als eine Wertentscheidung des GG von besonderer Bedeutung für den sozialen Rechtsstaat362 betrachtet werden. Was die Bestimmung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit bezüglich des Eigentums im besonderen anbelangt, ist die Rechtsfigur des "Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" und seine verfassungsrechtliche Beziehung auf das Eigentum i. S. d. Art. 14 GG bedeutsam, da die Wettbewerbsfreiheit, wie bereits gezeigt wurde, im Rahmen eines Unternehmens, eines Gewerbes oder freien Berufes ausgeübt wird.

357 Vgl. dazu BGHZ 130, 205, 219 f. (Feuer, Eis & Dynamit I); BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II). 358 Vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG, Rd. 46 ff. 359 BVerfGE 14, 263, 277 (Feldmühle); 24, 367, 389 (Hamburgische Deichordnung); 50, 290, 339 (Mitbestimmung). 360 Stober, Grundrechtsschutz, S. 89. 361 BVerfGE 24, 367, 389 (Hamburgische Deichordnung); 50, 290, 339 (Mitbestimmung); 81, 29, 347; 87, 153, 169 (Grundfreibetrag); 88, 366, 37; 93, 121, 137 (Vermögensteuer); BGHZ 111, 349, 357 (Kakaoverordnung); 132, 181, 186 f. (Computertomographen); so auch Stober, Grundrechtsschutz, S. 90; v. Arnim, in: VVDStRL, 39 (1981), S. 304. 362 BVerfGE 14, 263, 277 (Feldmühle).

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland aa) Das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb " als Eigentumsrecht Das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" wurde als "sonstiges Recht" i. S. d. des § 823 I BGB vom Reichsgericht 363 konzipiert, woran der BGH mit seiner Rechtsprechung 364 festgehalten hat 365 . Die diesbezügliche verfassungsrechtliche Fragestellung lautet, ob diese Rechtsfigur als "Eigentum" i. S. d. Art. 14 I 1 GG betrachtet werden kann und als solches verfassungs- und nicht nur zivilrechtlich gewährleistet werden soll. Die Judikatur der Bundesgerichte (BGH 3 6 6 , BVerwG 3 6 7 , BSG 368 ) und die verbreitet herrschende Meinung im Schrifttum 369 bejahen diese Rechtsfrage und sehen das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als ein in den Schutzbereich des Eigentums fallendes Verfassungsgut an. Dem BVerfG aber wird in seiner Rechtsprechung Uneinheitlichkeit vorgeworfen 370 : Es hat einerseits dargelegt, daß die Sach- und die Rechtsgesamtheit, als die sich der Gewerbebe-

363

RGZ 58, 24, 29 f. BGHZ 2, 387 ff; BGH NJW 1989, S. 1923 (Warentest); BGH NJW 1997, S. 3308 (Benettonwerbung IV) - st. Rechtsprechung. 365 Analytisch die Judikatur des RG und des BGH zu dieser Frage in Fikentscher, in: FG Kronstein, S. 294 f.; vgl. auch zur Problematik Junker, in: AcP 1993, S. 348 ff. 366 BGHZ 23, 157, 162 f.; 92, 34, 37; 111, 349, 356 (Kakaoverordnung); BGH DVB1. 1993, S. 719 - st. Rechtsprechung. 367 BVerwGE 6, 247, 266 (Spielautomatensteuer); 66, 307, 309 (Dünnsäure); 81, 49, 54 (Milchgarantiemenge II) - st. Rechtsprechung; vgl. auch VGH Kassel DOV 1995, S. 77 f.; VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 186; VG Bonn GewArch 1998, S. 153. 368 BSGE 5, 40, 42 (Kassenärztliche Doppelbelastung). 369 Vgl. statt aller Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 45; ders., Entflechtung, S. 90; 364

Selmer, in: FS Ipsen, S. 525; P. Kirchhof, in: DVB1. 1982, S. 938; Papier, in: MD,

Art. 14, Rd. 95 ff; ders., in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 59; v. Brünneck, Eigentumsgarantie, S. 392; Badura, in: HdVerfR, I, § 10, Rd. 94; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 40, 52; Ehlers, Verwaltung, S. 104; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 76; Leisner, in: HdDStR VI, § 149, Rd. 109;

ders., Belastungsgrenze, S. 68; ders., in: NJW 1996, S. 1515; Bleckmann, Staatsrecht II,

§35, Rd. 20 ff.; Stober,

Grundrechtsschutz, S. 100; R. Schmidt,

Wirtschaftsrecht,

S. 135; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 28; ders., Staatshaftungsrecht, S. 136 f.; Kimminich, in: BK Art. 14, Rd. 77 ff.; Engel, in: AÖR 1993, S. 169 f f , insbesondere die

S. 189 ff.; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 88; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 65; Ulmann, in: GRUR 1996, S. 957; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 26; a. A. Rittstieg, in: AK, Art. 14, Rd. 100; R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 127 ff.; Kluth, Grenzen, S. 79; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 18 f f , der in Rd. 20 den

Eigentumsschutz des Betriebes nur auf solche Vorteile einschränkt, auf deren Fortbestand der Betriebsinhaber vertrauen kann; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 7; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 44; skeptisch auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 261 f. 370

So Engel, in: AÖR 1993, S. 171 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik trieb darstelle, Eigentum i. S. d. Art. 14 GG sei 371 ; andererseits aber stellt es die Überlegung an, ob der Gewerbebetrieb als solcher die konstituierenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aufweist 372 und geht im weiteren davon aus, daß - eigentumsrechtlich gesehen - das Unternehmen die tatsächliche, nicht aber die rechtliche Zusammenfassung der zu seinem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte sei 373 . Der Schutz des Gewerbebetriebes soll jedenfalls "nicht weitergehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt" 374 . In seiner neueren Rechtsprechung läßt das Verfassungsgericht ausdrücklich offen, ob der "eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" Eigentum i. S. d. Art. 14 11 GG sein kann 3 7 5 . Es ist mit der herrschenden Meinung von der verfassungsrechtlichen Qualität dieser Rechtsfigur auszugehen, insbesondere wenn der verfassungsrechtliche Schutz i. S. d. Art. 14 11 GG bezüglich der Einzelelemente eines Gewerbebetriebs nicht ausreicht. Denn ein Unternehmen oder Gewerbebetrieb ist mehr als die Summe seiner Einzelteile, und seine ganzheitliche Funktion kann nicht auf die Funktion der einen oder anderen seiner Einzelelemente beschränkt werden. Diese Einzelobjekte haben isoliert betrachtet einen Wert, einen anderen jedoch, wenn sie als Gesamtheit eines gemeinsamen Organismus des Betriebs betrachtet werden. I m letzten Fall ist der Nutzen, im Falle eines Eingriffes aber auch der Schaden fur den Betroffenen größer 376 . Nach h. M. wird von Art. 14 I GG die "Substanz" 377 und der Bestand 378 des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes geschützt. Dazu muß folgen-

371 BVerfGE 1, 264, 277 (Schornsteinfegermeister); vgl. auch BVerfGE 13, 225, 229; 22, 380, 386; 45, 142, 173 (Getreideintervention), in denen das Gericht ausdrücklich annimmt, daß der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb den Eigentumsschutz genieße. 372 BVerfGE 51, 193, 221 (Weinlagennamen). 373 BVerfGE 51, 193, 221 f. (Weinlagennamen); 74, 129, 148. 374 BVerfGE 58, 300, 353 (Naßauskiesung); vgl. zu dieser Formel inzwischen auch BGHZ 84, 223, 227; 94, 373, 378; 111, 349, 356 (Kakaoverordnung); BGH NJW 1987, S. 1258. 375 BVerfGE 87, 363, 394 (Nachtbackverbot III); BVerfG NJW 1998, S. 520 (fehlgeschlagene Sterilisation); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); vgl. auch BVerfGE 66, 116, 145 (Wallraff). 376 Vgl. Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 22; Leisner, in: HdStR VI, § 149, Rd. 109; Stober, Grundrechtsschutz, S. 101 f.; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 28; Boujong, in: FS Nirk, S. 63 f.; Engel, in: AÖR 1993, S. 190 ff, 214 f.; gleich im Ergebnis Scholz, Entflechtung, S. 141; kritisch dagegen Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 262. 377 BVerfGE 13, 225, 229; 50, 290, 341 (Mitbestimmung); 93, 121, 137 (Vermögenssteuer); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); BGHZ 23, 157, 162 ff.; 111, 349, 356 (Kakaoverordnung) - st. Rechtsprechung; Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 143; ders., Konzentrationskontrolle, S. 45; Badura, in: HdVerfR, I, § 10, Rd. 95; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 267; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 77;

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland des angemerkt werden: Unter dem Begriff "Substanz" wird der Schutz vor Störungen des Betriebs als dem gesamten Organismus in seiner "Sach- und Rechtsgesamtheit" verstanden 379 . Ob darunter eine Art Kernsubstanz verstanden werden kann, ist fraglich 380 . Die Annahme einer solchen Position würde die grundrechtliche Minderung des Eigentumsschutzes für den Gewerbebetrieb bedeuten, weswegen sie abgelehnt werden sollte 381 . Eine staatliche Maßnahme greift in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Schutzposition i. S. d. Art. 14 I 1 GG selbst dann ein, wenn nicht sein Kern oder der Wesensgehalt angetastet wird. Genausowenig darf der Begriff "Bestand" als "Existenz" verstanden werden, so daß man zur Fehlformel kommen würde, daß Art. 1411 GG nur vor der Existenz ein Unternehmen benachteiligender Maßnahmen schütze 382 . Der "Bestand" des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" hat nichts mit dem "Wesensgehalt" des Eigentums nach Art. 19 I I GG zu tun. Man versteht unter diesem Begriff das auf Kapital und Leistung bezogene Erworbene eines Unternehmens i m Gegensatz zum Erwerb 383 . Art. 14 11 GG schützt aber nicht nur den gesamten Organismus als solchen, sondern auch seine einzelnen Erscheinungsformen, die in die Betriebsorganisation einbezo-

Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 28; ders., Staatshaftungsrecht, S. 137; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 135; Boujong, in: FS Nirk, S. 69. 378 BGHZ 57, 359, 361 (U-Bahn-Bau); 76, 387 (Fluglotsenstreik); 78, 41, 44 (Werbefahrten); 111, 349, 356 (KakaoVerordnung); 131,44, 51 (Altkreditschulden). 379 BGHZ 111, 349, 356 (Kakaoverordnung); BGH NJW 1967, S. 1857 (Saatgut); Badura, in: HdVerfR, I, Rd. 10, Rd. 95; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 28; ders., Staatshaftungsrecht, S. 137; Boujong, in: FS Nirk, S. 69. 380 Dazu tendiert die Rechtsprechung des BVerfG - vgl. BVerfGE 13, 225, 229; 50, 290, 341 (Mitbestimmung); 93, 121, 137 (Vermögenssteuer); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); vgl. inzwischen auch in diese Richtung tendierend BGHZ 121, 328, 337 f.; 132, 181, 187 (Computertomographen); 133, 265, 267; ebenso Boujong, in: FS Nirk, S. 70; a. A. ober Maurer, in: JZ 1991, S. 39. 381 Man könnte diese Position nur unter der Bedingung annehmen, daß unter der Formel "Art. 14 I GG schützt nur die Substanz", die eine Art "Kernsubstanz" sein soll, der definitive und nicht der prima facie Schutz gemeint ist (zum Unterschied vgl. oben sub I); vgl. dazu auch BVerfGE 13, 225, 229. Damit verabschiedet sich die Frage nach dem eigentumsrechtlichen Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs von der Problematik des Schutzbereichs und wird ein Problem der Eigentumsschranken. Da aber die Grundrechtsnormen - darunter auch Art. 14 GG - definitiv nicht nur den Wesensgehalt der Grundrechte, sondern vor jedem verfassungsrechtlich ungerechtfertigten Eingriff schützen, sollte man diese Formel lieber als irreführend vermeiden. 382 So aber BVerwGE 36, 248, 251 (Wassermühle); dazu neigt auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); andeutend BGHZ 121, 328, 337 f.; 133, 265, 267; in diese Richtung auch Boujong, in: FS Nirk, S. 70, unter dem Gesichtspunkt der Substanz des Betriebes; dagegen wie hier Engel, in: AÖR 1993, S. 232. 383 Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 53; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 89; Maurer, in: JZ 1991, S. 39; vgl. auch BGHZ 92, 34, 46.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik gen sind 384 , sowie auch ihren Gebrauch, die Nutzung und die Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand385. Demgemäß lautet die richtige Formel für das Ausmaß des eigentumsrechtlichen Schutzes des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" wie folgt: Art. 1411 GG schützt über die Substanz und die Nutzung eines Gewerbebetriebes hinaus alle seine einzelnen Erscheinungsformen - einschließlich des wirtschaftlichen Tätigkeitskreises 386 entweder in ihrer eigenständigen Nutzung oder als Bestandteile des Gesamtorganismus eines Gewerbebetriebs 387. Gewerbebetrieb in diesem Sinne ist jedes Unternehmen oder Gewerbe, unabhängig von seiner Betriebsgröße 388, einschließlich der eingerichteten und freiberuflich ausgeübten Praxis (ζ. B. der Anwalts- oder Arztpraxis) 389 und der landwirtschaftlichen oder der Fischereibetriebe 390.

384 BGHZ 23, 157, 163; BGH NJW 1967, S. 1857 (Saatgut); Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 142; Selmer, in: FS Ipsen, S. 525; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung,

S. 123; ders., Warnungen und Empfehlungen, S. 47; ders., in: AÖR 1990, S. 28; ders.,

in: ZHR 1991, S. 346; Friehe, in: JuS 1981, S. 869; Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 12; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 90 (mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur des BGH); Leisner, in: DVB1. 1989, S. 1030; Stober, Grundrechtsschutz, S. 105; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 85; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 693; ders., in: JuS 1997,

S. 6; Engel, in: AÖR 1993, S. 232; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 96; gegen einen getrennten Schutz der "Erscheinungsformen" R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 130; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 106 f. 385 BVerfGE 50, 290, 339 ff. (Mitbestimmung); 52, 1, 30 (Kleingarten); 88, 366, 377; 91, 294, 308; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 435 f.; BVerwGE 81, 49, 55 (Milchgarantiemenge); vgl. auch Friehe, in: JuS 1981, S. 870; Scholz, Entflechtung, S. 142; P. Kirchhof,

in: DVB1. 1982, S. 938; Sodan, in: DÖV 1987, S. 862; Wallerath,

Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 234; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 130; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 323; Ossenbühl, in: ZHR 1991, S. 346; Papier, in: MD, Art. 14,

Rd. 328; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 97, 108 (m. w. N.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 981. 386 Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 77. 387 Vgl. auch Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 45; ders., in: AÖR 1990, S. 28; Engel, in: AÖR 1993, S. 232; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 96. Es ist aber

hier darauf hinzuweisen, daß der BGH für die richterrechtlichen Haftungsinstitute des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (s. dazu unten sub I V 2 b c c a ) den Eigentumsschutz aus Art. 141 1 GG nicht auf die einzelnen Produkte erstreckt hat - vgl. jeweils BGHZ 111, 349, 356 (Kakaoverordnung); BGH NJW 1967, S. 1857 (Saatgut) - vgl. dazu ausführlicher unten sub IV 2 b cc α. 388 BVerfGE 14, 263, 282 (Feldmühle); 50, 290, 364 (Mitbestimmung); Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 23; Scholz, Entflechtung, S. 22, 84, 112.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland bb) Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit und das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb " Es wurde bereits anläßlich der Inhaltsbestimmung des wettbewerbsfreiheitlichen Schutzbereichs im Rahmen des Art. 121 GG dargelegt, daß dieser das ganze Verhalten des Unternehmers oder Gewerbetreibenden im Wettbewerb schützt. Dasselbe gilt für das Wettbewerbsverhalten im Rahmen des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes als Eigentumsschutzgut i. S. d. Art. 14 I 1 GG 3 9 1 . Die Unternehmensfreiheit als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und die Wettbewerbsfreiheit sind auch bezüglich des Eigentums untrennbar verbunden 392 . Die Einzelelemente dieser Rechtsfigur fallen in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit hinsichtlich des Art. 14 GG, soweit der Betrieb zu Zwecken des wirtschaftlichen Wettbewerbs eingerichtet wurde und ausgeübt wird - das ist der Normalfall 393 . Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb stellt bildlich gesprochen den "Wagen" des Unternehmers i m Wettbewerb dar. I m Wettbewerb wird von Art. 1411 GG jedoch nur die Fortsetzung des Betriebes i m bisherigen Umfang nach den bereits getroffenen betrieblichen Maßnahmen geschützt 394 . Geplante Betriebserweiterungen, die zur Verbesserung der Wettbewerbsposition beitragen können und über die Fortsetzung des Betriebs i m bisherigen Umfang hinausgehen, ζ. B. die Erweiterung einer Praxis durch Anschaffung eines Geräts (ζ. B. eines Compu-

389 BGHZ 81, 21, 33; 132, 181, 186 (Computertomographen); Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 98 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung); Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 109; Stober, Grundrechtsschutz, S. 100 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung); Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 80; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 7 (mit Nachweisen bezüglich der neueren Rechtsprechung des BGH); Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 27; zweifelnd dagegen BVerfGE 45, 272, 296. 390 BGHZ 45, 150, 154; BVerwGE 66, 307, 309 (Dünnsäure). 391 Vgl. BGHZ 23, 157, 163, nach der der "eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" den gesamten gewerblichen Tätigkeitskreis umfasse; Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 21 ff.; Scholz, Entflechtung, S. 90 f.; Schlichter, Die Beseitigung, S. 86. 392 Vgl. ebenso Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 40; vgl. auch Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 105, nach dem als Schutzgut des Art. 14 GG (Gewerbebetrieb) nur ein Recht, in einer Wettbewerbswirtschaft um einen Marktanteil zu kämpfen - als individuelle Wettbewerbsfreiheit bezeichnet -, in Betracht kommen kann. 393 Vgl. Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 21 ff.; Scholz, Entflechtung, S. 142; Schlichter, Die Beseitigung, S. 86; Stober, Grundrechtsschutz, 108 f.; Engel, in: AÖR 1993, S. 221; mit Vorbehalten BVerwGE 36, 248, 251 (Wassermühle); Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 18 ff. 394 BGHZ 92, 34, 46; 132, 181, 187 (Computertomographen) - m. w. N.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik tertomographen) 395 , fallen deshalb nicht darunter 396 . Dasselbe gilt für die Genehmigung in bezug auf einen geplanten Betrieb 397 . Dagegen wird die Fortsetzung der Genehmigung eines schon am Wettbewerb tätigen Gewerbebetriebs von Art. 14 I 1 GG geschützt 398 . V o m eigentumsgrundrechtlich geschützten Gewerbebetrieb wird, wie bereits gezeigt, der sachliche Bestand des Betriebes mit all seinen einzelnen "Ausstrahlungen" umfaßt, "die neben dem sachlichen Substrat den wirtschaftlichen Wert des konkreten Unternehmens ausmachen" 399 . Solche "Ausstrahlungen" oder Erscheinungsformen des Gewerbebetriebes sind die Produkte, die Betriebsgrundstücke und -räume (einschließlich der Bodenschätze und Naturprodukte), Maschinen, Werkzeuge und andere Einrichtungsgegenstände, dingliche Rechte an fremden Grundstücken, geistiges Eigentum, Warenvorräte und Außenstände, die Nutzung der erlangten ökonomischen Position, der Kundenstamm, die Geschäftsverbindungen, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 400, das unternehmerische Know-how 4 0 1 etc. 402 . Zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und demgemäß zum Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit gehört auch der Schutz des Kontaktes des Gewerbetreibenden nach außen 403 . Er hat u. a. auch große Bedeutung für 395

BGHZ 132, 181, 187 f. (Computertomographen). BGHZ 30, 338, 354 f.; 132, 181, 187 f. (Computertomographen) - m. w. N; vgl. auch die zustimmende Anmerkung zum letzteren Urteil von Maurer, in: JZ 1996, S. 1125. 397 Vgl. dazu Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 80; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 223; weiter BGHZ 34, 188, 190; 92, 34, 46; Boujong, in: FS Nirk, S. 65 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGH in der Fn. 25 (dort); v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 209, 212; vgl. aber BVerfGE 17, 232, 247 f. (Apothekenmehrbetrieb), in der die Frage offengelassen wurde; a. A. Engel, in: AÖR 1993, S. 187 f , und die dort dargelegte wissenschaftliche Auseinandersetzung in der Literatur, S. 228. 398 So Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 80; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 223. 399 BGHZ 23, 157, 162; vgl. auch Friauf/Wendt, Eigentum am Unternehmen, S. 29; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 96; Grabitz, in: ZHR 1985, S, 267; Bleckmann, Staatsrecht II, §35, Rd. 23; Stober, Grundrechtsschutz, S. 104 f.; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 79; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg, Rd. 65. 400 Vgl. dazu Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 235; R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 192 (m. w. N. bzgl. der Literatur in der Fn. 15 - dort); Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 29; ders., Staatshaftungsrecht, S. 203; Turiaux, Zugangsrechte, S. 64 (m. w. N.); Berg, in: GewArch 1996, S. 178; Wolff in: NJW 1997, S. 99 ff. (m. w. N.); differenzierend Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 118 ff. (m. w. N. bzgl. der Literatur in der Fn. 176 - dort); vgl. auch BVerfGE 67, 100, 142 f. (Flick). 401 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 235; Di Fabio, in: JuS 1997, S. 6. 402 BGHZ 23, 157, 162; BGH NJW 1983, S. 1662; s. auch Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 235; Bleckmann, Staatsrecht II, § 35, Rd. 23; Stober, Grundrechtsschutz, S. 106; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 82; Engel, in: AÖR 1993, S. 176 ff. 403 BGHZ 57, 359, 361; vgl. auch Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 97; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 110; Bleckmann, Staatsrecht II, § 35, Rd. 23; Stober, Grund396

7 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland die Werbefreiheit des Gewerbetreibenden mittels Schildern, Leuchtreklame, Einblick in das Schaufenster usw. 4 0 4 . Als Eigentum werden schließlich auch die (Teil-)Freiheiten betrachtet, die in den Schutzbereich des Art. 12 I GG fallen und Elemente der Wettbewerbsfreiheit sind, wie die Produktionsfreiheit, die unternehmerische Dispositions- und Investitionsfreiheit, die Werbefreiheit 405 , die Wettbewerbsfähigkeit usw. 4 0 6 , soweit diese unter den Begriff des Eigentums fallen und das Kriterium der Abgrenzung des Eigentums von der Berufsfreiheit erfüllen 407 . Öffentlich-rechtliche Ansprüche, insbesondere ftir wettbewerbsund investitionsfördernde Subventionen, fallen grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" 408 . Sie können nur unter dem besonderen Umstand des Vertrauenschutzes 409 als Eigentum betrachtet werden. Ansonsten sollte der öffentlich-rechtliche Anspruch auf erheblichen eigenen Leistungen oder eigenem Kapitaleinsatz des Betroffenen beruhen 410 . Umstritten ist, ob der "Ruf des Unternehmens" in den eigentumsmäßigen Gewerbebetrieb fällt 4 1 1 - diese Frage sollte bejaht werden, soweit der Ruf den Bestand des Betriebs beeinträchtigt 412 . Die herrschende Position lehnt es ab, in Erwerbsmöglichkeiten und -chancen, bloßen Hoffnungen und Planungen die Qualität des Eigentums anzuerkennen 413 4 1 4 , auch nicht unter dem Gesichtsrechtsschutz, S. 107 f.; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 90; v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 210. 404 Selmer, in: FS Ipsen, S. 525; vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 104 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 108 (m. w. N.), nach dem mit Art. 14 11 GG die Einwirkung durch Werbung auf den vorüberfließenden Verkehr geschützt sei, der das Gewinnen von Laufkundschaft ermögliche. 405 Vgl. ausführlich dazu Selmer, in: FS Ipsen, S. 515 ff.; vgl. ferner Skouris, in: Eu WZ 1995, S. 443. 406 Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 56 f.; ders., Entflechtung, S. 107 ff; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 267 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 106. 407 Vgl. unten sub cc. 408 So zu Recht Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 268 (m. w. N.). 409 BVerfGE 72, 175, 193 (Wohnungsfürsorge); Schenke, in: WiVerw 1978, S. 238; Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 15; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 107; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 268; zur Verbindung der Eigentumsgarantie mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip vgl. BVerfGE 94, 241, 258. 410 BVerfGE 18, 392, 397; 72, 175, 193 (Wohnungsfürsorge); BVerfG NJW 1998, S. 1549 (Handelsschiffe) - st. Rechtsprechung; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 268; kritisch dazu Stober, Grundrechtsschutz, S. 112. 411 Dafür: Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 235; Ossenbühl, in: ZHR 1991, S. 346 f.; Di Fabio , in: JuS 1997, S. 6; dagegen: R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 175 ff.; Gröschner, in: DVB1. 1990, S. 626; ders, in: JZ 1991, S. 629; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 107. 412 Vgl. näher unten sub IV 2 b cc ε. 413 BVerfGE 28, 119, 142; 45, 142, 173; 51, 193, 222 (Weinlagennamen); 74, 129, 148; 83, 201, 211 (Vorkaufsrecht); 95, 173, 187 f. (Tabakverordnung); BVerfG (Drei-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik punkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 415 . Ausnahmen werden nur aus dem Vertrauensprinzip gerechtfertigt, wenn sich der Unternehmer auf das unveränderte Fortbestehen der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse verlassen und dementsprechend einrichten durfte 416 . In diesen Problemkreis wird auch die Frage eingeordnet, ob der Kundenstamm eines Gewerbebetriebes Bestandteil des Verfassungsgutes "eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb" ist oder ob er als bloße "Chance" dem ver-

erkammer) GRUR 1993, S. 753 (Großmarkt-Werbung I); BGHZ 48, 58, 61; 111, 349, 357 (Kakaoverordnung); 121, 328, 343; 125, 293, 298; 134, 1, 25 (Stromeinspeisung); BVerwG GewArch 1997, S. 290; BVerwG NVwZ 1998, S. 614; VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 186; vgl. aber BGHZ 76, 387, 392 f. (Fluglotsenstreik); ferner zur überwiegenden Meinung Badura, in: HdVerfR, I, § 10, Rd. 96; Nüßgens/ Boujong, Eigentum, Rd. 79, 82; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 110; Stober, Grundrechtsschutz, S. 106; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 28; ders, in: ZHR 1991, S. 346; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 135; Boujong, in: FS Nirk, S. 65; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 84; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 101; Di Fabio , in: JuS 1997, S. 6; vgl.

aber die Meinung von Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 144; ders., Entflechtung, S. 143, wenn die entgangene Erwerbschance zum wirtschaftlichen Ruin führen oder diesen sonst indizieren würde und auch das eigentumsgeschützte Recht am Gewerbebetrieb verletzt sei; genauso Jarass, in: NVwZ 1984, S. 477; dazu neigt auch das BVerfG in BVerfGE 45, 142, 173; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); vgl. auch Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 56, wonach er auf einem anderen Weg, nämlich dem der Wettbewerbsfähigkeit, versucht, die Chancen in den Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG einzuordnen; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 21, der unter Hinweis auf das sog. Fluglotsenstreik-Urteil des BGH, a. a. O., den Satz "die Eigentumsgarantie erfasse nicht Hoffnungen und Chancen" als anfechtbar bezeichnet und unter Rücksicht auf die Verwertbarkeit der Chancen bei der gesetzgeberischen Ausgestaltung des Eigentumsrechts davon ausgeht, daß die Eigentumsgarantie durchaus auch Chancen erfaßt; bejahend auch Wendt, in; Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 48 f.; skeptisch Kluth, Grenzen, S. 80 f.; Engel, in: AÖR 1993, S. 216 ff. 414 Sie können aber Schutz unter dem "Mantel" des Art. 121 GG finden - so P. Kirchhof, Verwalten, S. 369; Scholz, Entflechtung, S. 183; Badura, in: HdVerfR, I § 10, Rd. 96; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 448 f.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 21; Schliesky,

Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 199, 263; vgl. auch BGHZ 111, 349, 357 (Kakaoverordnung); a. Α. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 299, 359. 415 BVerfGE 81, 208, 228; vgl. auch BGH DB 1967, S. 1313, wonach ein Unternehmer sich jedoch im allgemeinen nicht darauf verlassen kann, daß ihm seine Wettbewerbslage erhalten bleibt und nicht durch Maßnahmen der Gesetzgebung oder Verwaltung beeinträchtigt wird. Eine Chance, daß ihre Wettbewerbslage nicht durch Förderungsmaßnahmen betroffen wird, sei kein schutzfähiger Bestandteil des Gewerbebetriebs. Man kann dem Urteil nur unter dem Vorbehalt zustimmen, daß die nicht schutzfähige Wettbewerbslage auf "Chancen" beruht und nicht auf erworbenen Vermögenspositionen; zustimmend zur Auffassung, daß die erworbene Marktstellung in den Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i. S. d. Art. 14 11 GG fällt, Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 49; ferner Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 105. 416 Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 84, mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung des BGH; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 102; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 47.

100

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

fassungsrechtlichen Schutz des Art. 14 I GG entzogen ist. Die Rechtsprechung der Bundesgerichte ist dazu nicht einheitlich und bewältigt die Frage aus verschiedenen eigentumsrechtlichen Perspektiven 417 . Die Frage ist fur die Festlegung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit nicht nur relevant, sondern von besonders großer Bedeutung, da sie ihr wichtigster Gegenstand ist. Man sollte diese Frage bejahen 418 : Es ist unzutreffend, den erworbenen Kundenstamm in den Begriff "bloße Chancen" einzuordnen, denn er ist viel mehr als eine bloße Erwerbschance - er ist Bestandteil des Dreiecks eines Wettbewerbsverhältnisses, ohne ihn kann ein Unternehmen nicht funktionsfähig sein. Man kann sich sogar fragen, ob ein Betrieb überhaupt eine Existenzgrundlage hat, wenn er seinen Kundenstamm verliert. Außerdem beruht der Kundenstamm auf Kapital und Leistung eines Gewerbebetriebes 419. Deswegen sollte nicht auf den Schutz des Art. 14 GG verzichtet werden 420 - der Kundenstamm ist deshalb isoliert als "Erscheinungsform" des eigentumsmäßigen "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" zu betrachten und fällt dadurch in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit. Dagegen fällt die Gewinnerwartung aus dem Verkauf eines neuen Produktes als "Chance" nicht in den Schutzbereich des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebtriebes" 421 .

4,7

BGHZ 23, 157, 162; 40, 355, 358, 364; BVerwGE 62, 224, 226 (Abfallbeseitigungsmonopol), die die eigentumsrechtliche Qualität des Kundenstamms grundsätzlich bejahen; vgl. aber unter verschiedener Perspektive BGHZ 40, 355, 366; BVerwGE 62, 224, 227 f. (Abfallbeseitigungsmonopol). Das BVerfG lehnt schließlich in einer seiner anderen Entscheidungen - BVerfGE 77, 84, 118 - ab, den Kundenstamm als Eigentum zu betrachten; sich ihm anschließend VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 186. 418 Vgl. im Schrifttum Friehe, in: JuS 1981, S. 869; Ehlers, Verwaltung, S. 105; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 110; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 77; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 693; Engel, in: AÖR 1993, S. 216 (m. w. N.); v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 209 f.; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 49; vgl. differenzierend Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 124; ablehnend Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 265. 419 So Engel, in: AÖR 1993, S. 217, mit der zutreffenden Bemerkung: "Der Kundenstamm ist durch eigene Leistung und eigenes Kapital erworben, die Chance gerade nicht". 420 Ebenda, S. 216 ff, wo er auf S. 218 auf die BVerwGE 66, 307, 309 (Dünnsäure), hinweist und zu Recht einen Bruch des Dogmas der Schutzlosigkeit der Gewinnchancen durch das Gericht feststellt; vgl. auch Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 36; a. A. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 972 f , unter Hinweis auf die BVerfGE 77, 84, 118. 421 Vgl. (zu weit) BGHZ 111, 349, 356 f. (Kakaoverordnung), obwohl der BGH nicht ausgeschlossen hat, daß sie als Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 1412 GG betrachtet wird; im Ergebnis bestätigt durch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II), das aber den Erwerbschancen e contrario die eigentumsrechtliche Qualität nach Art. 1411 GG zuerkennt, soweit sie sich auf den Kernbereich des Eigentums beziehen. Man kann diese Positionen auch als eine Abweichung von dem Dogma "Chancen sind kein Eigentum" betrachten.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

101

Den Eigentumsschutz aus Art. 14 I GG genießt schließlich auch der Anteilseigner, der durch einen Reflex mittelbar 422 ebenfalls zum Träger der Wettbewerbsfreiheit wird 4 2 3 , jedoch nur im strengen Rahmen seines Aktienanteils 424 . Nicht in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit gehört mittels der "Tür" des Eigentums, was nicht von Art. 12 I GG geschützt wird 4 2 5 , ebenso wenig fallen darunter der Schutz vor privater Konkurrenz 426 , unlauter 427 bzw. rechtswidrig 4 2 8 erworbenes Vermögen oder die vorhandenen Rahmenbedingungen (Plangewährleistung) 429 bzw. Lagevorteile 430 . Letztere sind eigentumsrechtlich nur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzprinzips zu schützen431.

cc) Die Abgrenzung der Art. 12 und 14 GG im Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit Art. 12 und 14 GG gewährleisten die beiden wichtigsten wirtschaftlichen Freiheiten, die Berufsfreiheit und das Eigentum, die im allgemeinen die wirtschaftliche Betätigung bestimmen. Daraus ergibt sich die Frage, welche Vorschrift von beiden unter welchen Kriterien anzuwenden ist. Das BVerfG benutzt folgendes Abgrenzungskriterium, wenn eine solche Frage auftaucht: Art. 14 I GG schützt "das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, Art. 121 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst" 432 . Dasselbe gilt für die Wett-

422

Vgl. dazu Scholz, Entflechtung, S. 154. BVerfGE 14, 263, 276 (Feldmühle); 25, 371, 407 (Rheinstahl); 50, 290, 342 (Mitbestimmung). 423

424

Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 116; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 28 f.;

Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 22; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 41. 425 Vgl. BVerwGE 17, 306, 314 (Mobiliarfeuerversicherung); BVerwG NJW 1988, S. 3221: "Art. 14 I GG gestattet zum Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keine Zugangsschranken zur Ausübung des Gewerbes, die Art. 12 I GG verbietet". 426 BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 753 (Großmarkt-Werbung I); vgl. auch Stober, Grundrechtsschutz, S. 108; Kluth, Grenzen, S. 80; Papier, in: MD, Art. 14,

Rd. 101; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 51. 427 BVerfGE 32, 311, 319 (Grabsteinwerbung). 428 BVerwGE 80, 270, 280. 429 Vgl. BGHZ 45, 83, 88 (Knäckebrot); 65, 241, 244 f.; 94, 373, 377; BGH NJW 1964, S. 770 (Märchenfilm); BGH NJW 1968, S. 293 (Blinkleuchten); Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 223. 430 Vgl. BGHZ 55, 261, 264 ff. (Soldatengaststätte); 94, 373, 377; BVerwG NJW 1983, S. 770 f.; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 104; Hösch, in: Die Verwaltung 1997,

S. 223. 431

Vgl. BGHZ 23, 157, 164. BVerfGE 30, 292, 335 (Erdölbevorratung), in Anlehnung an Wittig, in: FS G. Müller, S. 590; vgl. weiter BVerfGE 84, 133, 157 (Warteschleifen); 88, 366, 377 - st. 432

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

10

bewerbsfreiheit. Aus der Darstellung und Bestimmung ihres Schutzbereichs ergeben sich jedoch Elemente, die u. U. sowohl das Ergebnis als auch die Betätigung selbst betreffen, ein eventueller staatlicher Eingriff kann beides berühren. Wenn aus diesen Gründen dieses Abgrenzungskriterium nicht angewendet werden kann 4 3 3 , dann kann die Lösung in der Grundrechtskonkurrenzlehre gefunden werden 434 .

c) Die Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 I GG aa) Art 91 GG als Garantie der wirtschaftlichen

Vereinigungsfreiheit

Art. 9 I GG schützt das Recht, Vereine und Gesellschaften frei zu bilden. Beide Begriffe stehen nicht i m Gegensatz zueinander 435 und werden von dem Oberbegriff "Vereinigung" erfaßt 436 . Als Maßstab für die Auslegung dieses Begriffs i. S. d. Art. 9 I GG gilt der weite Vereinsbegriff des § 2 I VereinsG 437 . Geschützt wird sowohl die positive (einen Verein frei zu bilden oder ihm beizutreten) als auch die negative (von einem Verein fernzubleiben oder auszutreten) Vereinigungsfreiheit 438 . Der Schutzbereich des Art. 9 I GG umfaßt auch die Selbstbestimmung über die innere Organisation einer Vereinigung, das Verfahren ihrer Willensbildung 439 , die Führung ihrer Geschäfte 440 , die Bestimmung

Rechtsprechung; BVerwGE 40, 157, 164 f.; BGHZ 111, 349, 357 f. (Kakaoverordnung); 132, 181, 186 f. (Computertomographen); vgl. auch mit etwas anderer Formulierung, aber im Prinzip und im Ergebnis gleich, BVerfGE 31,8, 32; 65, 237, 248 (Mietwagen); 81, 12, 16 (Schallplattenvermietung); vgl. zustimmend (statt aller) Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 138 f.; Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 47; Schenke, in: NJW 1991, S. 1784; Boujong, in: FS Nirk, S. 64 f.; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 59. 433 Deshalb kritisch zu diesem Anwendungkriterium Schulte, in: DVB1. 1988, S. 516; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 225 ff. 434 Vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 138 ff; zu der Grundrechtskonkurrenzlehre vgl. unten sub V 1 b aa β. 435 436

v. Münch, in: BK, Art. 9, Rd. 42; Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 57. Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 57; Löwer, in: vM/K, Art. 9, Rd. 24; Jarass, in: J/P,

Art. 9, Rd. 3. 437

Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 57; Jarass, in: J/P, Art. 9, Rd. 24; Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 785; Hesse, Grundzüge, Rd. 411. 438 BVerfGE 10, 354, 361; 50, 290, 354 (Mitbestimmung); 85, 360, 370 - st. Rechtsprechung; v.Münch, a.a.O., Rd. 43 ff., 49 ff.; Merten, in: HdDStR, VI, §144, Rd. 53 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 48; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 148 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 788; Hesse, Grundzüge, Rd. 412. 439

440

v. Münch, in: BK, Art. 9, Rd. 34.

BVerfGE 50, 290, 354 (Mitbestimmung); 80, 244, 253; Hesse, Grundzüge, Rd. 412.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

10

des Vereinigungszwecks 441 und die Möglichkeit zu einer wirkungsvollen Mitgliederwerbung 442 ; m. a. W. ist - unbeschadet der Frage ihrer Rechtsfähigkeit nicht nur das Entstehen, sondern auch das Bestehen einer Vereinigung geschützt 443 . Die ausschlaggebende Eigenschaft des Vereinsbegriffs ist die des Zusammenschlusses444. Dieses setzt voraus, daß sich mehrere Personen durch einen "konstitutiven Akt" (Vertrag) verbinden, der unter den Mitgliedern ein rechtliches Band schafft 445 . M i t der Garantie der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG verbunden ist die Notwendigkeit ihrer gesetzlichen Ausgestaltung 4 4 6 . Nach überwiegender und richtiger Meinung wird auch die sog. wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit von der allgemeinen Vereinigungsfreiheit erfaßt 447 . Das betrifft sowohl kleinere und mittlere Unternehmen, die ihr hauptsächlich wirtschaftliches Tätigwerden eher auf das persönliche Element stützen, als auch große Unternehmen, die grundsätzlich auf dem Kapitalelement beruhen 448 . 441 BVerfGE 50, 290, 354 (Mitbestimmung); v. Münch, in: BK, Art. 9, Rd. 31; Stober, Grundrechtsschutz, S. 48; Löwer, in: vM/K, Art. 9, Rd. 28; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 788. 442 BVerfGE 84, 372, 378 (mit weiteren Hinweisen auf die Literatur); BGH MDR 1995, S. 1031. 443 BVerfGE 13, 174, 175; 30, 227, 241 ff; 50, 290, 354 (Mitbestimmung); 80, 244, 253; BVerwGE 54, 211, 219; Stober, Grundrechtsschutz, S. 49; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 148; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 796; a. A. v. Mutius, in: Jura 1984, S. 197 f., 201, der bzgl. des "Bestehens" einer Vereinigung die kollektive Vereinigungsfreiheit aus Art. 19 III GG fiir anwendbar hält. 444 v. Münch, in: BK, Art. 9, Rd. 29; Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 58. 445 Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 58. 446 BVerfGE 50, 290, 354 f. (Mitbestimmung); 84, 372, 378; Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 185 f. (m. w. N.); Baumann, in: BB 1997, S. 2283. 447 Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 40 ff. ; ders., in: MD, Art. 9, Rd. 60, 63; ders., Entflechtung, S. 104 f., 150, 187 f.; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 142; Merten, in: HdDStR, VI, § 144, Rd. 39 ff; Stober, Grundrechtsschutz, S. 48; Badura, in: DÖV 1990, S. 355; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 4; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 147; Löwer, in: vM/K, Art. 9, Rd. 28; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 58; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 9, Rd. 18; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 9, Rd. 12; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 790; Baumann, in: BB 1997, S. 2282; a. A. Duden, in: FS Böhm 1965, S. 15 ff.; Rupp, Verfassungsrecht und Kartelle, S. 205 ff; ders., Fusionskontrolle, S. 99 ff.; Rübenach, "Wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit", S. 1 ff. 448 Diese Rechtsauffassung hat das BVerfG in seinem Mitbestimmungsurteil BVerfGE 50, 290, 355 ff. - mit dem Argument in Frage gestellt, daß bei größeren Kapitalgesellschaften das personale Element, das solche Vereine auszeichne - welche das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit seiner Geschichte und seiner heutigen Geltung nach schützen wolle - bis zur Bedeutungslosigkeit zurücktrete. Die von Gesellschaften betriebenen Unternehmen umfaßten Gesellschaftsmitglieder und Nicht-Mitglieder, und eine wesentliche Funktion von Kapitalgesellschaften sei die Ansammlung und Nutzung von Kapital. Deshalb weist das Gericht auf seine vorherigen Urteile, namentlich BVerfGE 4, 7, 26 (Investitionshilfe); 14, 263, 273 ff. (Feldmühle), hin, bei denen es in

10

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Darunter fallen Handels-und Kapitalgesellschaften (OHG, KG, K G a. A k t , AG, GmbH), Konzerne, Holdings sowie Unternehmenszusammenschlüsse 449, wirtschaftliche Genossenschaften und wirtschaftlichen Vereine des § 22 BGB 4 5 0 . Das gilt auch fur Kartelle, jedoch erst nach dem Erwerb innerer organisatorischer Verselbständigung 451 . Voraussetzung für die Anerkennung dieser Zusammenschlüsse i. S. d. "Vereinigungsbegriffs" gemäß Art. 9 I GG ist, daß sie die bereits genannten Vereinsmerkmale besitzen. Dagegen sind - im Sinne einer intersubjektiven und subjektschaffenden Organisation - Gewinnabführungsverträge (§ 23 I I Nr. 3 lit. b GWB), Betriebsüberlassungs- und Verpachtungsverträge (§ 23 I I Nr. 3 lit c GWB) sowie rein personelle Identitäten in Vorständen, Aufsichtsräten usw. von i m übrigen selbständig bleibenden Unternehmen (§ 23 I I Nr. 4 G W B ) 4 5 2 ohne Organisation und fallen deshalb nicht unter den verfassungsrechtlichen Begriff "Verein". Die Bedeutung der Vereinigungsfreiheit für das ökonomische Leben und demgemäß für die Wirtschaftsverfassung ist nicht zu unterschätzen 453. Heutzutage wird die wirtschaftliche Betätigung durch große Vereinigungen, insbesondere Kapitalgesellschaften, ausgeübt, die zum Wachstum der Marktwirtschaft beitragen 454 . Sie ist die Basis unternehmerischer Tätigkeiten geworden 455 und ergänzt dâmit die Gewerbefreiheit und die Eigentumsgarantie 456 . Sie darf aber auch nicht überschätzt werden, denn ihre Tragweite endet dort, wo die Tragweite dieser hauptsächlich wirtschaftlichen Grundrechte beginnt 457 . Die unternehmerische Tätigkeit dieser Vereinigungen als solche wird besonders von Art. 12 I, 14 I i. V. m. Art. 19 I I I GG 4 5 8 geschützt, von Art. 9 I GG wird, wie bezug auf Fragen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Aktie als Anteilsrecht der Anteilseigner großer Kapitalgesellschaften Art. 14 I und nicht Art. 9 I GG angewendet hat. 449 Hier handelt es sich um die sog. "externe Wachstumsfreiheit" - s. dazu bei Scholz, Entflechtung, S. 102 ff, 107. Besondere Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Art. 9 I GG drückt das BVerfG im Mitbestimmungsurteil - BVerfGE 50, 290, 356 -, namentlich in Fällen juristischer Personen als Anteilseigner und der Konzernverflechtung, aus. 450 Vgl. dazu BVerwG NJW 1979, S. 2265; Merten, in: HdDStR, VI, § 144, Rd. 39. 451 Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 175; ders, Konzentrationskontrolle, S. 40 f.; ders., in: MD, Art. 9, Rd. 64; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 149; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 790; Jarass, in: J/P, Art. 9, Rd. 4. 452 Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 41; ders., Entflechtung, S. 107. 453 Vgl. aber Scholz, Entflechtung, S. 105, der das Grundrecht aus Art. 9 I GG wirtschaftsverfassungsrechtlich als "zuerst neutral" bezeichnet. 454 Vgl. Rübenach, "Wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit", S. 67. 455 Stober, Grundrechtsschutz, S. 48. 456 Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 142; vgl. auch Scholz, Entflechtung, S. 189; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 147. 457 Vgl. so auch Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 179. 458 Dazu unten sub 3 b bb.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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bereits dargelegt, nur die Freiheit ihrer Bildung und inneren Organisation garantiert 459 .

bb) Die Wettbewerbsfreiheit im Schutzbereich der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit Es ist nun zu ermitteln, ob Art. 9 I GG relevant fur die Bestimmung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit ist. Diese Ermittlung muß innerhalb der bereits festgelegten Grenzen der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit in Verbindung mit dem engen Zusammenhang zwischen Unternehmens- und Wettbewerbsfreiheit durchgeführt werden. Ebenfalls wichtig ist, von welcher Lehre bezüglich der Einschlägigkeit des Art. 9 I GG hinsichtlich des Grundrechtsschutzes der großen Kapitalgesellschaften, Konzerne und Unternehmenszusammenschlüsse auszugehen ist. W i l l man von der i m Mitbestimmungsurteil niedergelegten Meinung des BVerfG ausgehen, dann soll Art. 9 I GG jene große Bedeutung für die unternehmerische und demgemäß für die Wettbewerbsfreiheit verlieren. Denn er wäre nur für das Entstehen und Bestehen der kleinen und mittleren Gewerbe einschlägig und stützte nur deren Wettbewerbsfreiheit in seinen ohnehin eingeschränkten Grenzen. Sollte man hingegen die großen Unternehmen aus dem Schutzbereich des Art. 9 I GG nicht ausklammern, dann würde diese Vorschrift mutatis mutandis die gleiche Relevanz für ihre Wettbewerbsfreiheit erhalten, da sie sich im Falle eines Eingriffs in ihr Entstehen oder Bestehen, welcher ihre Wettbewerbsfreiheit berühren würde, auf Art. 9 I GG berufen dürften. Die hier vertretene Meinung 4 6 0 geht davon aus, daß auch die großen Unternehmen bzw. Konzerne und Unternehmenszusammenschlüsse den verfassungsrechtlichen Schutz der Vereinigungsfreiheit genießen. Daß größtenteils das persönliche Element zugunsten des Vermögens bzw. Kapitals in der Rechtsform -der Aktien als Anteilsrecht zurücktreten soll, bedeutet nicht, daß deswegen die Bildung ihres Zusammenschlusses den Charakter der Gesellschaft bzw. Vereinigung i. S. d. Art. 9 I GG verliert. Daß deshalb die Eigentumsrechte der Ak-

459 Vgl. BVerfGE 70, 1, 25; Scholz, Entflechtung, S. 104 ff., 187 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 49; Badura, in: DÖV 1990, S. 355; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 3 f; Jarass, in: J/P, Art. 9, Rd. 10; Michael, verfassungsrechtliche Fragen, S. 179 f.; Baumann, in: BB 1997, S. 2285; vgl. teilweise anders Bleckmann, Staatsrecht II, §30, Rd. 45, der von einer Idealkonkurrenz des Art. 9 I GG und der im konkreten Fall (hier Art. 12 und 14 GG) anzuwendenden, die betreffende Vereinigungstätigkeit schützenden Grundrechtsnormen ausgeht; a. A. v. Münch, in: BK, Art. 9, Rd. 47, und E. Stein, Staatsrecht, § 39 II 2, die in Art. 9 I GG auch den Schutz der Vereinigungsbetätigung sehen. 460 s. auch oben sub α.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

tionäre aus Art. 14 I GG eine besonders große Bedeutung bekommen, ist zwar richtig, aber die Richtigkeit dieses Satzes kann nicht die Richtigkeit des anderen Satzes ausschließen, daß die Aktionäre einer Kapitalgesellschaft oder die Unternehmen, die zu einem Konzern verschmolzen sind oder an einer anderen Kapitalgesellschaft teilnehmen, freiwillig beschlossen haben, sich zu einem neuen Zusammenschluß mit neuer innerer Organisation und gemeinsamem Zweck zu vereinigen 461 . Hinter der Zusammenfassung von Kapital steht der personale Zusammenschluß der Kapital- bzw. Anteilseigner (Aktionäre) 462 . Argumente, die darüber hinaus vom Wortlaut des Art. 9 I GG ausgehen - "Gesellschaften im Sinne dieser Vorschrift" als offener Rechtsbegriff -, sprechen ebenfalls für die Einschlägigkeit des Art. 9 I GG bei großen Kapitalgesellschaften 463 . Demgemäß ist Art. 9 I GG anwendbar, selbst wenn seine Bedeutung zugunsten der Art. 12 I und 14 I GG verringert wird 4 6 4 . Dieser Zusammenschluß mit seinen Konsequenzen, insbesondere der Bestimmung des gemeinsamen Wettbewerbszweckes der Gesellschaft oder des Konzerns, bedeutet auch die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit derjenigen natürlichen oder juristischen Personen, die durch ihren Zusammenschluß in einen Wettbewerbsmarkt eintreten oder ihre Wettbewerbsfähigkeit in demjenigen, in welchem sie schon wettbewerblich aktiv sind, verstärken wollen. Es ist natürlich nicht zu verkennen, daß, je geringer die Anzahl der betreffenden Aktionäre oder derjenigen ist, die einen größeren Kapitalanteil besitzen, desto größer die Bedeutung der Teilnahme an einer solchen Gesellschaft für ihre Wettbewerbsfreiheit als Vereinigungsfreiheit ist und umgekehrt 465 . Zwischen der Annahme dieses Schlusses und der Ablehnung der verfassungsrechtlichen Vereinigungsqualität eines solchen Großunternehmens 466 liegt ein nicht unwichtiger Unterschied. In den Schutzbereich der aus Art. 9 1 GG resultierenden Wettbewerbsfreiheit fällt auch die Gründung bzw. der Beitritt von Wirtschaftsverbänden, die die Aufgabe haben, die wirtschaftlichen Interessen ihrer im

461 Vgl. Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 58, der darlegt, daß Art. 9 I GG den Vorgang des Sichvereinigens schütze. 462 Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 60; ders., Entflechtung, S. 106; Merten, in: HdDStR, VI, § 144, Rd. 41; diese Feststellung erkennt zurückhaltend auch das BVerfG an - vgl. BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle) -, indem es darlegt, daß die Aktie sowohl Vermögensrecht wie Mitgliedschaftsrecht sei. 463 So Höfling,, in: Sachs, GG-K, Art. 9, Rd. 12. 464 Scholz, Entflechtung, S. 104 ff, 187 ff.; vgl. auch M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 53; Baumann, in: BB 1997, S. 2285. 465 Vgl. BVerfGE 50, 290, 358 (Mitbestimmung). 466 Eine Tendenz, zu der das BVerfG im Mitbestimmungsurteil, a. a. Ο , S. 358, letzten Endes neigt.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Wettbewerb tätigen Mitgliedsunternehmen zu vertreten und zu fördern. Sie handeln sogar bei Erfüllung dieses Zwecks im geschäftlichen Verkehr 467 . Für die Abgrenzung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit gilt auch hinsichtlich des Art. 9 I GG entsprechend, was bereits bezüglich der schon dargestellten Grundrechte gilt - es fällt nicht in den Schutzbereich, was der Wertordnung des GG widerspricht. Diejenigen Zusammenschlüsse müssen aus dem Schutzbereich der Vereinigungs- und demgemäß der Wettbewerbsfreiheit ausgeklammert werden, die der grundgesetzlichen Ordnung widersprechen (vgl. auch Art. 74 Nr. 16 GG) 4 6 8 .

d) Wettbewerbsfreiheit und Art. 5 I GG aa) Wettbewerbsfreiheit

und wirtschaftliche

Werbefreiheit

Es liegt auf der Hand, daß die Werbung im Laufe der technologischen Entwicklung und durch die Verbreitung der Medien in jedem Lebensbereich ein wesentliches und wichtiges Element für den wirtschaftlichen Wettbewerb geworden ist und demzufolge die Freiheit, auf sich im wirtschaftlichen Verkehr aufmerksam zu machen und sich selbst oder sich durch Dritte in Wort, Bild und Ton darzustellen 469, Bestandteil der Wettbewerbsfreiheit ist 470 . Ein großer Teil der wirtschaftlichen Geschäfte wird durch die wirtschaftliche Werbung initiiert. Um mehr oder überhaupt Kunden zu Lasten der Konkurrenz zu gewinnen, bedienen sich viele Unternehmer, Gewerbetreibende und Freiberufler des Mittels der Werbung 471 . Sie wollen damit erreichen, entweder durch einen schnelleren Zugang zu einem Markt bei ihren potentiellen Kunden bekannt zu werden, oder sie wollen ihnen zeigen, daß ihre Angebote besser bzw. günstiger als die ihrer Konkurrenten sind (ζ. B. durch Anpreisung der Produkte und Leistungen) 472 . Andererseits verlangt auch die Gegenseite - der Kunde - im Rahmen ihrer Konsum· und Informationsfreiheit, über die Angebote der Anbieter gut informiert zu sein, um die günstigste Wahl zu treffen 473 . Das kann nur durch die Werbung

467

So Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rd. 210; vgl. auch BGH GRUR 1992, S. 455 (Zigarettenwerbung). 468 Anders dagegen Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 212 f. 469 Vgl. zu der Definition Stober, Grundrechtsschutz, S. 147. 470 Zu der Werbung als Ausfluß der Wettbewerbsfreiheit vgl. auch Lerche, Werbung und Verfassung, S. 96 ff; Degenhart, in: FS Lukes, S. 287 ff. 471 Vgl. auch BVerfGE 94, 372, 389 ff. (Werbeverbote für Apotheker). 472 Vgl. Degenhart, in: FS Lukes, S. 300. 473 Vgl. Degenhart, in: FS Lukes, S. 300; Stober, Grundrechtsschutz, S. 147; Raeschke-Kessler/Schroeder, in: FS Piper, S. 399 f.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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erreicht werden. Daraus ergibt sich, daß die Werbung auf die eine oder andere Art ein Wettbewerbsverhältnis beeinflussen 474 oder sogar prägen kann. Man unterscheidet zwischen der allgemeinen Werbefreiheit, die auch nichtwirtschaftlichen Inhalt haben kann (sog. ideelle Werbung), und der wirtschaftlichen Werbefreiheit, die sich auf wirtschaftlich-kommerzielle Gegenstände bezieht 475 . Dieser Unterschied ist heutzutage sehr relativiert worden, da sehr häufig dieselben Methoden benutzt werden, um für Ideen und Waren bzw. Leistungen zu werben. Außerdem kann die Werbungsform für beide nicht unterschieden werden 476 . Die Ware von heute ist vielfach zur "Idee" geworden, und die Idee von heute wird vielfach wie eine "Ware" verkauft 477 . Es hat sich bereits gezeigt 478 , daß die wirtschaftliche Werbefreiheit von Art. 12 I GG als Berufsfreiheit und von Art. 14 I GG im Rahmen der Rechtsfigur des eigentumsrechtlichen "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" garantiert wird. Es ist nun zu untersuchen, ob sie wegen ihres kommunikativen Charakters auch durch die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 I GG, insbesondere der Meinungsfreiheit des Art. 5 1 1 GG, verfassungsrechtlichen Schutz genießen kann.

bb) Wirtschaftliche

Werbefreiheit

als Meinungsfreiheit

i. S. d. Art. 51 GG

α) Die These des Schrifttums und der Rechtsprechung Der Hauptpunkt der zu erörternden Frage ist, ob die kommerzielle Werbung als eine Form der freien "Meinungsäußerung" betrachtet werden kann und als solche in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit verortet werden soll oder ob sich ihr verfassungsrechtlicher Schutz wegen ihres kommerziellen Charakters in den wirtschaftlichen Grundrechten der Art. 121 und 14 I GG erschöpft. Schrifttum und Rechtsprechung haben diese Frage aus verschiedenen Blickwinkeln geprüft. Die ältere Rechtsprechung hat die Eigenschaft der "Meinungsäußerung" in der Werbung und demzufolge ihre Einordnung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 I GG mit dem Argument abgelehnt, daß die Werbung Mitteilungen enthält, die keine überzeugenden, belehrenden oder sonstige geistigen Wirkungen haben und deswegen nicht als "Mei474

Vgl. Degenhart, in: FS Lukes, S. 300; Stober, Grundrechtsschutz, S. 147. Lerche, Werbung und Verfassung, S. 79; Stober, Grundrechtsschutz, S. 145 f. 476 Lerche, Werbung und Verfassung, S. 79; Degenhart, in: BK, Art. 5, Rd. 154. 477 Lerche, Werbung und Verfassung, S. 79; Degenhart, in: FS Lukes, S. 301; vgl. auch OLG München AfP 1994, S. 228 ff. (nicht rechtskräftig), das eine Werbung zum Prüfungsgegenstand hatte, die im Ergebnis ein wirtschaftliches Ziel, aber darüber hinaus auch politische Botschaften propagieren wollte. 478 s. oben sub a cc α, b bb. 475

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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nung" i. S. d. Art. 5 I GG qualifiziert werden können 479 . Der Sinn der Werbung liege allein in der Beeinflussung des Käufers "mit dem Ziel, ihn kaufbereit zu machen" 480 . Der Meinung der Judikatur hat sich auch die ältere Literatur angeschlossen 481 . Das neuere Schrifttum hat sich dagegen - anscheinend unter dem Einfluß des enormen Wachstums der Kommunikationsmedien vor allem im wirtschaftlichen Leben und der Relativierung des Unterschieds zwischen "politischer" und "wirtschaftlicher" Werbung 482 - in die gegenteilige Richtung bewegt und den Meinungsäußerungscharakter in der kommerziellen Werbung anerkannt 483 . Nicht einheitlich bewältigt diese Frage die Judikatur des BVerfG: Werden Werbeverbote beständig am Maßstab des Art 12 I GG gemessen484, so ist dies bei Art. 5 I GG nicht der Fall, sondern, je nach Einschlägigkeit dieser Vorschrift, wird der verfassungsrechtliche Schutz der Werbung angenommen. Während das BVerfG einerseits für Werbeverbote jugendgefährdender Schriften 4 8 5 , FKK-Bilder 4 8 6 oder standesrechtlicher Werbebeschränkungen für Apotheker 487 als Prüfungsmaßstab den Art. 5 I GG herangezogen hat, hat es dagegen angenommen, daß die Anzeige in der Regel keine Meinung des Anzeigen-

479 BayVGHE 1951 II, 63, 76; BVerwG DVB1 1954, S. 363; BVerwGE 2, 171, 178; BGHSt 5, 12, 22; 8, 360, 379; BGH NJW 1956, S. 433; weitere Rechtsprechung dazu bei Kloepfer/Michael, in: GRUR 1991, S. 173, Fn. 56 (dort). 480 So die Rechtsprechung des BVerwG, a. a. O. 481 Vgl. u. a. Leisner, in: UFITA 1962, S. 145 ff.; Oppermann, in: FS Wacke, S. 395 ff., 402; weitere Literatur dazu bei Braun, in: WRP 1982, S. 511. 482 Vgl. dazu zu einer möglichen Überwindung dieser Unterscheidung Lerche, Werbung und Verfassung, a.a.O.; zustimmend Rüfner, in: FG BVerfG, S. 475, Fn. 114 (dort); vgl. zu dieser Deutung auch Kort, in: WRP 1997, S. 527. 483 Lerche, Werbung und Verfassung, S. 76 ff; ders., Grundrechtsfragen, S. 55 f.; Selmer, in: FS H.-P. Ipsen, S. 516; Rüfner, in: FG BVerfG, S. 475, Fn. 114 (dort); Braun, in: WRP 1982, S. 512; Drettmann, Wirtschaftswerbung, S. 93 ff., 101 ff.; Friauf/Höfling, in: AfP 1985, S. 253; Kresse, in: WRP 1986, S. 536 ff; Sodan, Freier Beruf, S. 72 f.; Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 21; Bleckmann, Staatsrecht II, § 26, Rd. 23; Degenhart, in: FS Lukes, S. 300 ff.; ders., in: BK, Art. 5, Rd. 153 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 147; Kloepfer/Michael, in: GRUR 1991, S. 173 ff.; HenningBodewig, in: WRP 1992, S. 537; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 1; Reichold, in: WRP 1994, S. 224; Sevecke, in: AfP 1994, S. 200; Ahlers, in: JZ 1995, S. 1100; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 63 a; Jarass, in: J/P, Rd. 2; Gaedertz/Steinbeck, in: WRP 1996, S. 980; Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 600 f.; Lindacher, in: FS Brandner, S. 402; Ulmann, in: GRUR 1996, S. 951; Kort, in: WRP 1997, S. 527; Fezer, in: JZ 1998, S. 269; zurückhaltend Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5, Rd. 23; ders., in: ZUM 1996, S. 4. 484 s. oben sub a cc α. 485 BVerfGE 11,234, 238. 486 BVerfGE 30, 336, 352 ff. (FKK-Bilder), nach der die Kundgabe einer Meinung auch dann Meinungsäußerung bleibe, wenn sie wirtschaftliche Vorteile bringen soll. 487 BVerfGE 53, 96, 99.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

den wiedergebe 488 und daß das Verbot reiner Werbefahrten gemäß § 33 13 StVO a. F. nur am Maßstab des Art. 12 I GG gemessen werden soll 489 . Andererseits aber hat es ausgeführt, daß eine Mitteilung nicht deswegen von vornherein außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 1 1 GG verbleibe, nur weil sie Wettbewerbszwecken diene. Die Kundgabe einer Meinung sei grundsätzlich auch dann von Art. 5 1 1 GG geschützt, wenn sie wirtschaftliche Vorteile bringen solle 490 . Das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht könne aus verfassungsrechtlicher Sicht kein geeignetes Kriterium für die Beurteilung der Frage sein, ob eine Meinungsäußerung im konkreten Einzelfall in den Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG fällt. "Eine derart weitreichende, den Normbereich des Grundrechts von vornherein eingrenzende Funktion des Tatbestandselements der Wettbewerbsabsicht würde dazu führen, daß vielfältige Meinungsäußerungen innerhalb eines ausgedehnten Teilbereichs des Wirtschaftslebens nicht mehr dem sachspezifischen Schutz des Kommunikationsverfassungsrechts unterlägen. Dies wäre jedoch mit dem Gewicht und der besonderen Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit unvereinbar. Auch diejenigen Meinungsäußerungen, welche unter anderem in Wettbewerbsabsicht erfolgen, können im Einzelfall wesentliche Belange der Allgemeinheit berühren. Sie können wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Probleme zum Gegenstand haben, denen innerhalb der öffentlichen Auseinandersetzung ein u. U. erheblicher Stellenwert zugemessen wird. Soweit dies der Fall ist, leisten auch solche Meinungsäußerungen einen Beitrag im Prozeß gesellschaftlicher Kommunikation und dienen damit der von Art. 5 I GG geschützten Freiheit öffentlicher und privater Meinungsbildung" 491 . Schließlich hat das Gericht eine eindeutigere Position zu dieser Frage eingenommen, indem es entsprechend seiner übrigen Rechtsprechung bezüglich des Begriffs "Meinung" i. S. d. Art. 5 1 1 GG 4 9 2 darlegt, daß das Grundrecht der Meinungsfreiheit auch für eine Wirtschaftswerbung jedenfalls dann als Prüfungsmaßstab in Betracht komme, wenn eine Ankündigung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt habe oder An-

488

BVerfGE 21, 271, 278. BVerfGE 40, 371, 382 (Werbefahrtverbot). Eine parallele Anwendung des Art. 5 I GG hat das Gericht für den betreffenden Fall mit dem Argument nicht in Betracht gezogen, daß es in dem zur Entscheidung stehenden Fall nur um Wirtschaftswerbung gehe. 490 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1153 (Jacubowski), unter Hinweis auf BVerfGE 30, 336, 352 (FKK-Bilder); 68, 226, 233; vgl. auch OLG München AfP 1994, S. 230 (nicht rechtskräftig); OLG München MDR 1996, S. 1035; OLG Hamburg NJW 1996, S. 1003 (Schmuddelsender). 491 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1153 f. (Jacubowski); vgl. auch BGH GRUR 1986, S. 813 (Gastrokritiker); BGH GRUR 1992, S. 708 (Erdgassteuer), BGH MDR 1995, S. 494 (Bio-Tabletten). 492 Vgl. die Hinweise auf die Rechtsprechung des BVerfG über den Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG unten sub β. 489

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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gaben enthielte, die der Meinungsbildung dienten 493 . Diese Position hat das Gericht kürzlich durch die Heranziehung des Art. 5 GG als Prüfungsmaßstab für ein Berichtsverbot mit werbendem Charakter 494 sowie für das gerichtliche Verbot für einen Anwalt, das Kennzeichen "Mietrechtsspezialist" zu führen 495 , bekräftigt 496 . Zu dieser bundesverfassungsgerichtlichen Tendenz neigt auch die neuere Rechtsprechung des B G H 4 9 7 und der unteren ordentlichen Gerichte 498 .

ß) Stellungnahme Der vorwiegend i m neueren Schrifttum und der tendenziell in der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur herrschenden Meinung ist zuzustimmen. Daß für den verfassungsrechtlichen Schutz der wirtschaftlichen Werbung Art. 121 und 14 I GG anwendbar sind, schließt nicht eine parallele Anwendung des Art. 5 I GG aus, soweit man von der richtigen Auffassung ausgeht, daß auch die kommerzielle Werbung als eine Form der freien Meinungsäußerung qualifiziert werden soll 4 9 9 . Die Annahme einer solchen grundrechtlichen Ansicht hängt von der Beantwortung der Fragen ab, was man unter "Meinung" oder "Meinungsäußerung" i. S. d. Art. 5 I GG versteht und welche Wirkungen eine kommerzielle Werbung hat oder haben kann 5 0 0 . Es wird anerkannt, daß Art. 5 1 1 GG nicht nur subjektive Behauptungen oder wertende Stellungnahmen, sondern auch Tatsachenbehauptungen umfaßt 501 . Die in der Weimarer Zeit behauptete Antithese von "Meinung" und Tatsachenmitteilung gilt unter dem GG nicht mehr. Die "Tatsachen" dürfen aber 493

BVerfGE 71, 162, 175; 95, 173, 182 (Tabakverordnung); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 3342 (Mars-Kondome). 494 BVerfGE 85, 248, 263 f. 495 BVerfGE (Dreierkammer) 1994, S. 124. 496 Vgl. ferner BVerfGE 76, 196, 208 ff. 497 Vgl. BGH GRUR 1992, S. 456 (ZigarettenWerbung); BGH GRUR 1992, S. 708 (Erdgassteuer); BGHZ 130, 196, 203 (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente); BGH NJW 1995, S. 2493 (Benetton-Werbung III-HIV-Positive). 498 OLG Frankfurt/a.M. GRUR 1993, S. 130 (nicht rechtskräftig); OLG München AfP 1994, S. 230 (nicht rechtsskräftig); vgl. auch aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit letztens VGH Mannheim NVwZ 1998, S. 92. 499 Vgl. auch zu Recht Fezer, in: JZ 1998, S. 269. 500 Zu diesem Schluß gelangen auch Friauf/Hößing, in: AfP 1985, S. 253. 501 BVerfGE 61, 1, 7 (Wahlkampf); 65, 1, 41 (Volkszählung); 66, 116, 149 (Springer/Wall raff); 94, 1, 7 (DGHS); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1153 (Jacubowski); Herzog, in: MD, Art. 5, Rd. 51; Friauf/Höfling, in: AfP 1985, S. 253; C. Starck, in: v. M/K/S, GG, 1985, Art. 5 I, II, Rd. 19 (m. w. N.); Kresse, in: WRP 1986, S. 537; Schmidt-Jortzig,, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 19; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 9; Ahrens, in: JZ 1995, S. 1100 f.; Hager, in: Jura 1995, S. 568; Messer, in: FS Vieregge, S. 637; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 607; Stark, Ehrenschutz, S. 44 f.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

nicht erwiesen oder bewußt unwahr sein 502 oder eine Formalbeleidigung darstellen 503 und müssen zur Meinungsbildung beitragen 504 5 0 5 . Eine Werbung enthält zweifellos Tatsachen über die Qualität, die Eigenschaften oder den Preis eines Produktes oder einer Leistung, die der Gewerbetreibende dem Konsumenten in der Form eines "Angebots" mitteilt, das Geschäft mit ihm und nicht mit seinem Mitbewerber abzuschließen. Diese Mitteilung wird unter diesen Umständen von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG geschützt 506 . Aber auch als Behauptung oder Werturteil ist die wirtschaftliche Werbung zu schützen. Das wird auch in der heute üblichen Form des Werbens bemerkbar, die sich nicht auf die Mitteilung bloßer Tatsachen über den geworbenen Gegenstand beschränkt, sondern auch und hauptsächlich sogar Werturteile bezüglich dieser Tatsachen enthält 507 . Die Werbung eines Hifi-Geschäftes mit dem Inhalt "jetzt supergünstige Angebote in unserem Geschäft: Fernsehgeräte mit hoher Bildqualität, 55A/51B ab 599,- D M " enthält sowohl Tatsachen als auch Werturteile. Die Tatsachen sind, daß dieses Geschäft 1. Fernsehgeräte anbietet, 2. die Bildröhrendiagonale der angebotenen Fernsehgeräte 55 cm und 502 So die herrschende Meinung: BVerfGE 54, 208, 219 (Boll); 61, 1, 7 ff. (Wahlkampf); 66, 119, 149 (Springer/Wallraff); 82, 43, 51 (Strauß-Transparent); 85, 1, 15; 90, 1, 15; 90, 241, 247 f. (Auschwitzlüge); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt); BVerwGE 55, 232, 241; BGHZ 90, 113, 116; BGH MDR 1995, S. 495 (Bio-Tabletten); BGH GRUR 1997, S. 235 (Gynäkologe); C Starck, in: vM/K/S, Art. 5 I, Rd. 20; Hoffmann-Riem, AK, Art. 5, Rn. 21; Hesse, Grundzüge, Rd. 391; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 3a; Grimm, in: NJW 1995, S. 1699; Hager, in: Jura 1995, S. 568; a. A. Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 20; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 10. 503 BVerfGE 60, 234, 242 (Kredithaie); 82, 43, 51 (Strauß-Transparent); vgl. auch BGH AfP 1995, S. 407 (Dubioses Geschäftsgebaren), wonach die Verunglimpfung der Ehre als solche nicht mehr dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen soll. Es bleibt recht unklar, ob mit "Formalbeleidigung" auch die Schmähkritik gemeint ist oder ob letztere sich von der ersten unterscheidet und grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt - wie die letztere Position BVerfGE 82, 43, 51 (StraußTransparent); Isensee, in: AfP 1993, S. 627; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 50; a. A. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rd. 154, unter Hinweis auf die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung des BGH; vgl. auch letztens BVerfGE 93, 266, 294 (Soldaten sind Mörder II), wo Formalbeleidigung und Schmähung gleichgesetzt werden; so auch Grimm, in: NJW 1995, S. 1703; in diese Richtung auch OLG Brandenburg NJW 1996, S. 667; OLG Brandenburg NJW 1996, S. 1002 (Nichtstun). 504 BVerfGE 61, 1, 8 (Wahlkampf); 65, 1, 41 (Volkszählung); 85, 1, 15; 90, 241, 248 (Auschwitzlüge); 94, 1, 7 (DGHS); Hager, in: Jura 1995, S. 568; Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 27. 505 vgl ferner zu den Begriffen "Meinung" und "Meinungsäußerung" i. S. d. Art. 5 I 1 GG kürzlich bei BVerfGE 93, 266, 289 f. (Soldaten sind Mörder II). 506 Vgl. Drettmann, Wirtschaftswerbung, S. 102 ff.; Ahrens, in: JZ 1995, S. 1100 f. 507 Zur Funktion der heutigen Werbung bezüglich ihres informativen und wertenden Charakters vgl. Braun, in: WPR 1982, S. 512; Drettmann, Wirtschaftswerbung; Kresse, in: WRP 1986, S. 538; weiterhin Sodan, Freier Beruf, S. 73.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ihr sichtbares Bild 51 cm ist und sie 3. zu dem Preis ab 599,- D M angeboten werden. Die wertende Stellungnahme betrifft zum einen das Angebot insgesamt, insbesondere in bezug auf den Preis der Fernsehgeräte ("super günstig"), und zum anderen die Qualität der Fernsehgeräte ("hohe Bildqualität"). Adressat der Werbung ist der Verbraucher, der durch die Werbung aufgefordert wird, einen Fernseher zu kaufen und den werbenden Gewerbetreibenden und nicht seinen Konkurrenten zu bevorzugen 508. Dadurch kann die Werbung ein Wettbewerbsverhältnis ausgestalten. Die dargelegte Werbung ist zweifelsfrei eine kommerzielle Werbung. Sie wird als ganzes von Art. 5 11 GG als eine Form der freien "Meinungsäußerung" geschützt509 und fällt als solche in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit. Darüber hinaus wird demgemäß auch die vergleichende und im Prinzip sogar die vergleichende kritisierende Werbung von Art. 5 1 1 GG im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit garantiert 510. Hingegen kann solche Werbung keine "Meinung" darstellen, die allein dem Zweck dient, mit Hilfe einer fremden angesehenen Marke ein sonst nicht verkäufliches eigenes Produkt auf den Markt zu bringen - demzufolge fällt diese aus dem Schutzbereich des Art. 5 I GG heraus 511. Schließlich ist hier darauf hinzuweisen, daß von Art. 5 I 1 GG nicht der Unternehmer, dessen Unternehmen (ζ. B. Presse, Rundfunk, Fernsehen) bzw. dessen Produkte für die Werbung zur Verfügung stehen, geschützt wird 5 1 2 - er kann jedoch andere Grundrechte (Art. 12 I, 14 I 1, 5 I 2 GG) geltend machen 513 .

508

Ähnlich Lindacher, in: FS Brandner, S. 402. Vgl. dazu auch Sodan, Freier Beruf, S. 73. Der dargelegte Schluß erfüllt auch die Voraussetzungen, die das BVerfG in BVerfGE 71, 162, 175 (s. oben sub αα), gefordert hat; in diese Richtung auch Lindacher, in: FS Brandner, S. 402. 510 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG, Rd. 335 f.; Lindacher, in: FS Brandner, S. 402. 511 So zu Recht BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 3342 (Mars-Kondome). 512 Infolgedessen wurde in der BVerfGE 40, 371, 382 (Werbefahrt), zu Recht Art. 5 I 1 GG nicht als Prüfungsmaßstab für das umstrittene Werbefahrtverbot herangezogen; nicht, weil es allein um Wirtschaftswerbung ging, wie das Gericht unzutreffend dargelegt hat, sondern weil das Verbot den Werbefahrtunternehmer, welcher der Beschwerdeführer war, und nicht den Werbenden getroffen hat. Ob das darüber hinaus auch seine aus Art. 5 I 1 GG resultierende Werbefreiheit getroffen hat, ist eine Frage der Problematik der sog. faktischen oder mittelbaren Grundrechtseingriffe (vgl. dazu unten sub IV 1 c), die für den betroffenen Fall nur dann praktische Relevanz bekommen hätte, wenn der Beschwerdeführer auch der Werbende gewesen wäre. 513 So zu Recht BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 ff. (WDR-G/LRG); andeutend Fezer, in: JZ 1998, S. 269; vgl. weiterhin unten sub V 1 b aa ε. 509

8 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland e) Wettbewerbsfreiheit und Gleichheitssatz

aa) Problemstellung Bisher wurde die Beziehung des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit der grundgesetzlich garantierten Freiheit und ihren Teilaspekten geprüft und dadurch der mehrdimensionale Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Freiheitsbereich aufgezeigt. Nun ist zu untersuchen, ob ihr verfassungsrechtlicher Schutz auch einen Platz im Gleichheitsbereich finden kann und, falls dies der Fall ist, in welchem Umfang. Die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und philosophische Auseinandersetzung über das Spannungs- oder Ergänzungsverhältnis zwischen Freiheit und Gleichheit wird seit langem gefuhrt 514 . Sie hat ideologische Differenzierungen geprägt, auf die sich wirtschaftlich-gesellschaftliche Systeme und politische Regimes gestützt und so geherrscht haben. Besondere Bedeutung hat die Auseinandersetzung über dieses Verhältnis während der französischen und russischen Revolution erlangt. Während die erste den dialektischen und Wechselwirkungscharakter zeigte, indem sie als ihre Ziele das Erreichen der Freiheit (liberté), Gleichheit (égalité) und Brüderlichkeit (fraternité) proklamierte, herrschte in der zweiten ihr Spannungsverhältnis, wobei die Freiheit zugunsten der Gleichheit geopfert werden mußte. Daß trotz des Opferns bzw. der Unterdrückung der Freiheit in diesen Regimes auch die Gleichheit nicht erreicht wurde, hat die Geschichte bewiesen - man braucht hier nicht weiter darauf einzugehen. Was an dieser Stelle jedoch von Interesse ist, ist die Rolle der Gleichheit in einem freiheitlichen verfassungsrechtlichen System wie dem des GG, in dem die Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsfreiheit verfassungsrechtlich garantiert ist.

bb) Der verfassungsrechtliche

Sinn des Gleichheitssatzes

Das GG verankert den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und seine spezifischen Formen (Art. 3 II, III, 6 V, 331-III, 381, 140 GG i. V. m. Art. 136 I, I I WRV). Den wirtschaftlichen Bereich und die hier erörterte Problematik des verfassungsrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit betrifft vor allem das allgemeine Gleichheitsgebot. Das wird als rechtliche Freiheit oder als Freiheit vor dem Gesetz 515 , die aber auch den Gesetzgeber selbst bin-

514

Dazu vgl. u. a. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 34; P. Kirchhof in: HdDStR, V, § 124, Rd. 104 ff. 515 BVerfGE 64, 229, 239; 95, 143, 154 - st. Rechtsprechung; vgl. auch Gusy, in: JA 1991, S. 290; Hesse, Grundzüge, Rd. 430; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 357, benutzt den Begriff "Rechtsanwendungsgleichheit".

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

11

det 516 , verstanden. Ein verfassungsrechtlicher Auftrag fiir die Schaffung faktischer wirtschaftlicher Freiheit ergibt sich indes aus dem Gleichheitsgebot nicht 5 1 7 . Eine solche Auslegung würde die Spannungsverhältnisdoktrin der Freiheit und Gleichheit annähern und wahrscheinlich zu übermäßigen Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheiten führen, damit das ohnehin umstrittene Ziel der Schaffung einer faktischen Gleichheit erreicht würde 518 . Andererseits aber würde eine Argumentation, nach der das Gleichheitsgebot ausschließlich in seiner rechtsbindenden Kraft und isoliert von anderen verfassungsrechtlichen Grundsätzen interpretiert werden sollte, zu dem Schluß führen, daß das GG die vorhandenen gesellschaftlichen und ökonomischen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten aufrechterhalten oder zumindest in Kauf nehmen wollte 5 1 9 . Das würde den sozialen Charakter des GG verkennen und den wirklichen Umfang des Gleichheitssatzes unterschätzen 520. Letzterer kann gegebenenfalls in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG) Chancengleichheit gewähren, damit möglichst jeder die gleichen Chancen im politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Bereich innehat, um die Freiheiten, die sich aus diesen Bereichen ergeben, genießen und ausüben zu können 521 - sog. "heteronome Chancengleichheit" 522 . Außerdem enthält jedes Freiheitsrecht ein Element von Gleichheit, sofern es in rechtlich gleicher Art für alle seine Träger ausgeübt werden muß 5 2 3 ; m. a. W. ist das Wechselwir-

516

BVerfGE 1, 14, 52 (Südweststaat) - st. Rechtsprechung; vgl. auch Zippelius, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 11; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 518 f. (m. w. N.); Hesse, in: FS Lerche, S. 121 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 359, spricht hier von "Rechtsetzungsgleichheit". 517 Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 263; Bettermann, in: FS Hirsch, S. 21; Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 148; Kreussler, Der allgemeine Gleichheitssatz, S. 63; Zippelius, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 15; Huster, Rechte und Ziele, S. 23; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 359 f.; Jarass, in: J/P, Art. 3, Rd. 1; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 60; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 276. 518 C. Starck, in: v. M/K/S, Art. 3 I, Rd. 29; Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 170 f. 519 Vgl. BVerfGE 3, 58, 158. 520 So auch Stober, Grundrechtsschutz, S. 127. 521 Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 268; Bettermann, in: FS Hirsch, S. 21; C. Starck, in: v. M/K/S, Art. 3 I. Rd. 28 ff; Stober, Grundrechtsschutz; Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 172, obwohl er sich zurückhaltend äußert; Isensee, in: HdDStR, V, §118, Rd. 17; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 60; vgl. auch BVerfGE 22, 180, 204; 33, 303, 332 (Numerus clausus); zu weit dagegen Osterloh, in: Sachs, GG-K, Art. 3, Rd. 66; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 93. 522

Vgl. zum Begriff Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 153. Vgl. Rüfner, in: BK, Art. 3 I, Rd. 3; P.-M Huber, Konkurrenzschutz, S. 524 ff, in einer Rechtsvergleichung mit dem europäischen und amerikanischen Recht; P. Kirchhof in: FS Lerche, S. 137; weiterhin Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 17; vgl. zur Verbindung der wirtschaftlichen Freiheitsrechte mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unten sub V 1 b bb. 523

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

1

kungs- oder Ergänzungsverhältnis zwischen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ein Vorbild für das GG, soweit die letztere im modernen Staat mit der Sozialstaatlichkeit gleichbedeutend ist 524 . Das Gleichheitsgebot wird nicht als ein absolut strenger und unflexibler Rechtsatz, sondern als Verbot verstanden, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln 525 bzw. wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln526 5 2 7 . Um festzustellen, ob dies im konkreten Fall anwendbar ist, muß man einen Bezugspunkt der vergleichbaren Lebenssachverhalte sowie ein Differenzierungskriterium herausfinden, die dann zur Anwendung des Gleichheitssatzes führen sollen 528 .

cc) Das Gleichheitsgebot im wirtschaftlichen

Wettbewerb

Der Gleichheitssatz ist auch in allen Sonderaspekten des Wirtschafts- und Wirtschaftsverwaltungsrechts (Berufsrecht, Abgabenrecht, Gewerberecht u.a.) unmittelbar anwendbar 529. Dasselbe gilt im Wettbewerbsrecht und für die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit, obwohl nicht exakt in dem bereits dargelegten Umfang. Das Gleichheitsgebot hat für die Wettbewerbsfreiheit besonders die folgende Bedeutung: Es stellt sicher, daß der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung die Chancengleichheit der Konkurrenten auf einem Markt nicht verletzen, indem sie den einen Mitbewerber willkürlich begünstigen bzw. belasten zuungunsten bzw. zugunsten des anderen 530. Art. 3 I GG gewährt m. a. W.

524 Vgl. auch Zippelius, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 13 ff.; Huster, in: JZ 1994, S. 548; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 14. 525 BVerfGE 1, 14, 52 (Südweststaat); 74, 182, 200; 76, 256, 329; 78, 249, 287; 91, 118, 122; 93,319, 348; 95, 143, 154 f. 526 BVerfGE 4, 144, 155; 49, 148, 165; 72, 141, 150; 78, 249, 287; 93, 319, 348; 95, 143, 155; vgl. auch Rüfner, in: BK, Art. 3, Rd. 7 ff.; ders., in: FS Kriele, S. 271 ff. 527 Vgl. ferner zum Schutzbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes Huster, Rechte und Ziele, S. 45 ff., 225 ff.; ders., in: JZ 1994, S. 547; weiterhin R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 167. 528 So Stober, Grundrechtsschutz, S. 135; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 474 ff.; weiterhin Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 21, der vom "gemeinsamen Oberbegriff' (genus proximum, tertium comparationis) spricht. 529 Stober, Grundrechtsschutz, S. 128 ff. 530

H. H. Klein, Die Teilnahme, S. 231; Leisner, in: BB 1970, S. 410; Kreussler,

allgemeine Gleichheitssatz, S. 63 f.; Müller-Graff

Der

Deutscher Bericht, in: FIDE (Hg.)

1984, S. 5 f., 8; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 137 (m. w. N.); W. Brohm, in: FS Menger,

S. 246; Stober, Grundrechtsschutz, S. 131 f; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 532 f.; ferner Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 17; vgl. auch BVerfGE 12, 354, 367 (Volkswagenprivatisierung); 18, 1, 12; 27, 375, 385; BVerwG NJW 1972, S. 2326; VGH Kassel NJW 1985, S. 1357; OVG Hamburg NVwZ 1991, S. 180; vgl. aber BVerwGE 17, 306, 311 (Mobiliarfeuerversicherung).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

11

allen Wettbewerbsteilnehmern den gleichen Schutz der aus den Freiheitsrechten (Art. 121, 14 I 1 GG) resultierenden Wettbewerbsfreiheit 531 oder die "gleiche Wettbewerbsfreiheit" 532 . Es garantiert Chancengleichheit bzw. Gleichheit beim Start in den Wettbewerb i m rechtlichen Sinne 533 und Wettbewerbsgleichheit im Sinne der Wettbewerbsneutralität des Staates534 - sog. "autonome Chancengleichheit" 535 . Das bedeutet aber nicht, daß der Staat dafür sorgen muß, daß alle Wettbewerbsteilnehmer die gleiche Macht unabhängig von ihrer Leistung und Fähigkeit im Wettbewerb haben 536 - das würde den Freiheitsrechten des GG widersprechen 537 -, sondern die gleichen rechtlichen Chancen. Der Abbau vorhandener faktischer Ungleichheiten und die Sicherung faktischer ("heteronomer") Chancengleichheit ergibt sich eher aus dem Sozialstaatsgrundsatz 538. Daraus zeigt sich auch für die Wettbewerbsfreiheit ein Wechselwirkungsver-

531

Vgl. auch BVerfGE 30, 292, 327, 333 (Erdölbevorratung); weiterhin BVerfGE 81, 40, 49. Zur Rolle der Freiheitsrechte, insbesondere des Art. 12 I GG zur Chancengleicheit im Wettbewerb, vgl. unten V 1 b bb. 532 So auch Leisner, in: BB 1970, S. 410; Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 48; ders, in: MD, Art. 12, Rd. 153; ders, in: FS Rittner, S. 645; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 242; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 532 f.; vgl. ferner P. Kirchhof , in: HdDStR, V, § 124, Rd. 120 f. 533 So auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 148; ders., Konzentrationskontrolle, S. 48; Stober, Grundrechtsschutz, S. 127; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 276; vgl. auch BVerfGE 81, 40, 49, die von einer Chancengleichheit nach Art. 3 I GG in einem Fall von Genehmigung der Übertragung von Rechten aus Taxikonzessionen (Freiheit zum Wettbewerb) spricht. 534 Vgl. auch Müller-Graff, Deutscher Bericht in: FIDE (Hg.) 1984, S. 5 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 135; Bleckmann, Struktur, S. 92. 535 Vgl. zum Begriff Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 153; vgl. auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 532 f. 536 Das scheint aber die BVerfGE 18, 315, 335 (Sterilmilch), zu verkennen, die einerseits kein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Steril- und der Trinkmilch angenommen, andererseits aber eine Abgabenerhebung nur auf Sterilmilch dadurch zugelassen hat, daß die umstrittene Abgabebelastung die Gleichheit im Wettbewerb wiederherzustellen und den auf der Belastung der Trinkmilch beruhenden Vorsprung der Sterilmilch im Wettbewerb auszugleichen habe. 537 In einem solchen Fall sollte man sich nicht nur von der Wettbewerbsfreiheit als individueller Freiheit, sondern vielmehr von dem Wettbewerb als Prozeß verabschieden - vgl. ebenso Helmstädter, in: FS Benisch, S. 19. 538 Vgl. Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 263; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 153, der neben dem Sozialstaatsgrundsatz auch den "jeweils betroffenen Freiheits- und Lebensbereich" als verfassungsrechtliche Grundlage der Gewährung faktischer Chancengleichheit heranzieht; Rüfner, in: BK, Art. 3 I, Rd. 54, 62; Huster, in: JZ 1994, S. 548; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 20; vgl. ferner G. Müller, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 53 (m. w. N.); Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 60; den Zusammenhang des Sozialstaatsprinzips mit dem allgemeinen Gleichheitssatz für die Schaffung "faktischer" Gleichheit betonen dagegen Osterloh, in: Sachs, GG-K, Art. 3, Rd. 66; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 93, der auf die Rechtsprechung des BVerfG in den Fn. 16, 17 (dort) zurückgreift.

1

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

hältnis zwischen Freiheitsrechten (Art. 12 I, 14 11 GG), Gleichheitsrechten (Art. 3 GG) und Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG) 539 . Hier ist zu betonen, daß die erste erforderliche Voraussetzung die konkrete Feststellung des Wettbewerbsverhältnisses ist. Um die Chancengleichheit bestmöglich sichern zu können, muß die öffentliche Gewalt die Mitbewerber und den Markt, auf dem sie tätig werden, richtig erkennen. Die Mitbewerber und der betroffene Markt sind die Bezugspunkte, auf die sich die Prüfung der verfassungsrechtlichen Anwendung des Gleichheitsgebotes stützen muß. Das Wettbewerbsverhältnis, wie es bereits 540 im privaten Wettbewerbsrecht definiert wurde, könnte für die Prüfung der Frage, ob die Wettbewerbsgleichheit der Konkurrenten beachtet wurde, ebenso im öffentlichen Recht gelten. Das würde aber bedeuten, daß der Subventionsgeber sehr eng an den Gleichheitssatz gebunden wäre, soweit jede seiner Begünstigungen im weiten Begriff "Wettbewerbsverhältnis" unter den strengen Maßstäben des allgemeinen Gleichheitsgebotes beurteilt werden sollte 541 . Deshalb ist das BVerfG in seiner Rechtsprechung bezüglich der Fragen, die die Prüfung des Beachtens des Gleichheitsgebotes bei der Gewährung von Subventionen betreffen, die den Wettbewerb verfälscht und die Wettbewerbsgleichheit der Mitbewerber verletzt haben sollen, von einem anderen Konzept des Wettbewerbsverhältnisses 542 ausgegangen, das viel enger als das des BGH gefaßt ist 543 . Diese strengere Konzeption, die aber andererseits die Bezeichnung einer Subvention eher großzügiger als gleichheitsgemäß vornimmt, ist aus zweierlei Gründen gerechtfertigt: 1. Das Gericht will gegenüber seiner übrigen Rechtsprechung bezüglich wirtschaftsverfassungs- und wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Fragen, die die

539 Vgl. BVerfGE 33, 303, 332 (Numerus clausus); vgl. allgemein zum Ergänzungsverhältnis zwischen dem Gleichheits- und dem Sozialstaatsgebot Badura, in: DÖV

1989, S. 495; Huster, in: JZ 1994, S. 548. 540

s. oben sub A II 1 a cc. Vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 88 f. 542 Das BVerfG benutzt den Begriff "Wettbewerbslage", der auf einen Zustand hinweist, aber es steht nicht in Frage, daß es den hier benutzten und für besser befundenen Begriff "Wettbewerbsverhältnis", der auf eine Beziehung hinweist, meint; vgl. BVerfGE 8, 274, 330 (Preisgesetz); 64, 229, 239 f.; 85, 238, 245; vgl. auch BVerwGE 17, 306, 311 (Mobiliarfeuerversicherung). 543 BVerfGE 18, 315, 335 ff. (Sterilmilch) - kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Trinkmilch und Sterilmilch; 19, 64, 68 ff. (Nescafé) - kein Wettbewerb zwischen löslichem Kaffee und Bohnenkaffee; 36, 321, 335 (Schallplatten), wo das Gericht zunächst einen "indirekten Wettbewerb" zwischen Schallplatten und Tonbandaufzeichnungen auf dem gleichen Markt feststellt, um ein Wettbewerbsverhältnis zu bejahen; 46, 224, 258 (Margarine) - kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Halbfett- und Milchhalbfettmargarine; 64, 229, 239 f. 541

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Theorie der sog. weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu wirtschaftsverfassungsrechtlichen Fragen 544 geprägt hat, konsequent bleiben 545 , und 2. geht es davon aus, daß der Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit noch größere Gestaltungsfreiheit als innerhalb der Eingriffsverwaltung besitzt und in diesem Bereich in weitem Umfang zum Erlaß typisierender und generalisierender Regelungen berechtigt ist 546 . Ansonsten ist strittig, ob Art. 3 I GG vor der Konkurrenz der öffentlichen Hand schützt. Ein totales Wettbewerbsverbot ihrer Tätigkeit im wirtschaftlichen Bereich aufgrund des Gleichheitssatzes muß verneint werden 547 . Je nach Sachverhalt muß allerdings differenziert werden, um zu einem richtigen Ergebnis kommen zu können 548 .

f) Ist Art. 2 I GG einschlägig? Es wurde bereits gezeigt 549 , daß die alte herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit in den Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit eingeordnet hat. Es wurde aber ausgeführt, warum sie hier nicht für richtig erachtet wird. Abgesehen davon wird anerkannt, daß Art. 2 I GG diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten umfaßt, die nicht von den spezifischeren wirtschaftlichen Grundrechten geschützt werden. Die Feststellung, daß die wirtschaftlichen Grundrechte, insbesondere Art. 12, 14 GG und sekundär Art. 5 und 9 GG, für den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit in Betracht kommen, sowie der Schluß, daß ihr Schutzbereich, besonders der beiden ersteren, von der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur und einem großen Teil des Schrifttums weit ausgedehnt wurde, lassen kaum Raum für eine subsidiäre Anwendung des Art. 2 I GG in bezug auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit, abgesehen von der Frage, welche anderen wirtschaftlichen Betätigungen in den Schutzbereich des Art. 2 I GG fallen 550 . Die Wettbewerbsfreiheit bezieht sich

544

Dazu oben sub A I 2 b. BVerfGE 14, 105, 117 f.; 49, 280, 283; 85, 238, 244. 546 BVerfGE 6, 55, 77 (Ehegattenbesteuerung I); 17, 210, 216; 49, 280, 283 (m. w. N.); 61, 138, 147; vgl. auch BVerfGE 95, 267, 308 (Altkreditschulden). 547 So im Ergebnis BVerwGE 17, 306, 311 (Mobiliarfeuerversicherung). 548 C. Starck, in: vM/K/S, Art. 3 I, Rd. 54; Stober, Grundrechtsschutz, S. 132; vgl. auch BVerwG NJW 1972, S. 2326; vgl. mit ausführlichen Beispielen unten IV 2 e bb γ, cc β, γγ. 549 s. oben sub I 2 b. 550 Das BVerfG zieht in ständiger Rechtsprechung die allgemeine Wirtschaftsfreiheit aus Art. 2 I GG als Prüfungsmaßstab in Fällen heran, in denen eine Geldleistungspflicht weder Art. 12 I GG noch Art. 14 I 1 GG tangiert - vgl. BVerfGE 78, 232, 244; 87, 153, 545

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

unmittelbar auf die Berufsfreiheit und das Eigentum, welche von Art. 12 und 14 GG geschützt werden. Was nicht von diesen Artikeln geschützt wird, aber die Wettbewerbsfreiheit angeht, wird - wie gezeigt - von den spezifischeren Artikeln 9 I und 5 I GG garantiert. Im folgenden Abschnitt soll überprüft werden, ob Art. 2 I GG auch für den persönlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit gelten kann sowie für den wettbewerbsrechtlichen Schutz der Ausländer, die nicht von den Deutschengrundrechten der Art. 121 und 9 I GG geschützt werden können.

3. Persönlicher Schutzbereich a) Problemstellung Die Bestimmung des persönlichen Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit ist eine schwierige Aufgabe, da der sachliche Schutzbereich von mehreren Artikeln gestaltet wird und nicht alle Grundrechte, die durch diese Artikel gewährleistet werden, Menschen- oder Jedermannrechte (Grundrechte, die für alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gelten), sondern auch Deutschen- oder Bürgergrundrechte (Grundrechte, die nur für "Deutsche" i. S. d. Art. 116 I GG gelten) sind. Wesentlich ist daher die Harmonisierung zwischen dem sachlichen und persönlichen Schutzbereich der Grundrechte, die den sachlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit bilden. Das bedeutet, daß derjenige, der sich auf die Wettbewerbsfreiheit als Abwehrgrundrecht beruft und die Verletzung der den sachlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit festlegenden Grundrechte (z.B. Art. 121 und/oder 141 GG) geltend macht, auch Grundrechtsträger dieser Grundrechte sein muß.

b) Die Privaten als Träger der Wettbewerbsfreiheit aa) Natürliche Personen α) Wettbewerbsfreiheit für Nicht-Deutsche? Die Festlegung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit für die natürlichen Personen ist relativ unproblematisch. Jede natürliche Person kann Träger

169 (Grundfreibetrag); 91, 207, 221 (m. w. N.); 93, 121, 137 (Vermögenssteuer). Das ist besonders bei Eingriffen ohne eine (objektiv) berufsregelnde Tendenz der Fall - vgl. Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 14; M Hoffmann, in: BB 1995, S. 57, unter Hinweis in Fn. 43 (dort) auf BVerfGE 47, 1, 21. Solche Fälle sind aber für den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit irrelevant - vgl. oben sub I 2 c.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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der Wettbewerbsfreiheit sein. Auslegungsprobleme entstehen in bezug auf die Grundrechtsträgerschaft der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG und der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 I GG von Ausländern, da diese Grundrechte Deutschengrundrechte sind. Es liegt auf der Hand, daß NichtDeutsche i. S. d. Art. 116 I GG (d. h. fremde Staatsangehörige oder Staatenlose) sich nicht auf diese Vorschriften berufen können 551 . Die Frage, die sich daraus ergibt, ist, ob die Ausländer, die am Wettbewerb teilnehmen oder teilnehmen wollen, grundrechtsschutzlos bezüglich dieser Freiheiten sind oder ob sie zum Genuß dieser Freiheiten einen "Zufluchtsort" bei einem anderen grundgesetzlichen Grundrecht finden können. Ausländer finden Schutz bei dem einfachen Recht (Gesellschafts-, Gewerbe- und Wettbewerbsrecht), die EUMitgliedstaaten-Staatsangehörigen bzw. - seit der Geltung des EU-Vertrages (vgl. Art. 6 i. V. m. Art. 8 EG-Vertrag i. d. F. des EU-Vertrages) - die EUBürger beim EG- bzw. EU-Recht (vgl. Art. 48 ff., 52 ff., 59 ff. EGV sowie das Gemeinschaftsgrundrecht der Berufsfreiheit als allgemeiner Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung) 552 - aber dies soll hier nicht zur Debatte stehen. Es wurden mehrere Versuche unternommen, den Grundrechtsschutz von Ausländern mit der Hilfe anderer Vorschriften des GG auf Deutschengrundrechte zu erweitern 553 . Art. 1 I 5 5 4 , 3 I, I I I 5 5 5 , 19 I I 5 5 6 GG kamen in Betracht. Sie scheiterten jedoch in der Praxis, weil sie zu Recht als unbefriedigend beurteilt wurden 557 : Sie verkennen die Funktion, den Inhalt und die Rolle dieser Grundrechtsnormen in der Grundrechtssystematik sowie ihren Zusammenhang mit den anderen bzw. den betreffenden Deutschengrundrechten. Was aber allgemein nicht als unbefriedigend betrachtet wurde und sogar Zustimmung in der bundesverfassungsrechtlichen Judikatur 558 gefunden hat, war die Meinung, daß die Deutschengrundrechte auch den Nicht-Deutschen mit

551

BVerfGE 78, 179, 196. Dazu ausführlich unten im zweiten Teil sowie Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 19. 553 Einen Überblick über diese Positionen bei Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rd. 110 ff.; Sachs, in: BayVBl. 1990, S. 387 ff.; H.-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 315 ff. 554 So Bachof, Freiheit des Berufs in: B/N/S GR III/l, S. 178; Scholz, in: AÖR 1975, S. 118, der von einer Supplementärfunktion des Art. 2 I zu Art. 1 I GG in dieser Frage spricht; Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rd. 114; Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 11; Erichsen, ebenda, VI, § 152, Rd. 50. 555 Ruppel, Grundrechtsschutz der Ausländer, S. 43 ff. 552

556

557

Dürig, in: MD, Art. 1 II, Rd. 85, 2 I, Rd. 66.

So auch H.-J Cremer, Auslandsfolgen, S. 315 ff., 323. BVerfGE 35, 382, 399 - zu Art. 11 I GG; 78, 179, 196 f. - zu Art. 12 I GG; BVerfGE NVwZ 1990 (Dreierkammer), S. 854; vgl. auch BVerfGE 49, 168, 180 f. 558

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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Hilfe des Art. 2 I GG i m Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit oder m. a. W. des allgemeinen Freiheitsrechts zugesprochen werden können 559 . Es wurde bereits aufgezeigt 560 , daß der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG die Rolle eines Auffanggrundrechts zukommt. In ihren sachlichen Schutzbereich fallen u.a. Aktivitäten, die nicht in den Schutzbereich anderer Grundrechte fallen können. Möchte man diesen grundrechtsdogmatischen Satz in den persönlichen Schutzbereich der Grundrechte übertragen, so kann man sagen, daß Art. 2 I GG für jede vom speziellen Schutzbereich der Berufs- bzw. Vereinigungsfreiheit erfaßten Tätigkeit auch für Ausländer als Auffanggrundrecht im persönlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit als Grundrechtsschutznorm gilt 5 6 1 . Der Einwand, daß dadurch die Ausländer mit den Deutschen i. S. d. GG gegen den Willen des Verfassungsgebers gleichgesetzt würden 562 , verkennt den Umfang der Schutzbereiche sowie die Einschränkungsmöglichkeiten der spezifischeren Deutschengrundrechte und des Auffangmenschengrundrechts des Art. 2 I GG gemäß dem GG. Das könnte man zutreffend als Kritik der Meinung bezeichnen, die den Ausländern den Schutz der Deutschengrundrechte durch den Umweg des Gleichheitsgebotes gewähren w i l l - es ist für die Anwendung des Art. 2 I GG jedoch kategorisch abzulehnen. Obgleich für die Einschränk-

559

So auch im Ergebnis Zuleeg, in: DÖV 1973, S. 368; Isensee, in: VVDStRL (32) 1974, S.80f.; ders., in: HdDStR, V, § 118, Rd. 51; Pietzcker, in: JZ 1975, S. 437; Merten, in: JuS 1976, S. 350; Stober, Grundrechtsschutz, S. 38; Bauer, in: NVwZ 1990, S. 1153; Sachs, in: BayVBl. 1990, S. 388 f.; Kunig, in: vM/K, Art. 11, Rd. 9; J. Hof-

mann, Der Deutsche als Tatbestand, S. 28; H-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 321; R. Hofmann, Grundrechte, S. 114; Bauer/Kahl, in: JZ 1995, S. 1082; Jarass, in: J/P,

Art. 19, Rd. 9; Giegerich, in: Jura 1995, S. 379; Robbers, in: HdVerfR, I, § 11, Rd. 13; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Vorb, Rd. 36, 75; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 126; Sachs, in: ders, GG-K, Vor Art. 1, Rd. 51; Tettinger, ebenda, Art. 12, Rd. 19; vgl. auch letztens VGH Mannheim GewArch 1997, S. 114; dagegen lehnen einen grundrechtlichen Schutz von Ausländern am Maßstab des Art. 2 I GG bezüglich Tätigkeiten ab, die von Deutschengrundrechten garantiert werden, Schwabe, in: NJW 1974, S. 1044 f.; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 119; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1040 f.; Erich-

sen, Staatsrecht I, S. 142; ders., in: HdDStR, VI, § 152, Rd. 47 ff. (m. w. Ν.); Rüfner, ebenda, V, § 116, Rd. 10; Quaritsch, ebenda, V, § 120, Rd. 130. 560 Vgl. oben sub I 2 c. 561 Vgl. zu dieser Argumentation BVerfGE 35, 382, 399; 78, 179, 196 f.; BVerfG NVwZ 1990 (Dreierkammer), S. 854; BVerwGE 59, 284, 294; VGH Mannheim GewArch 1997, S. 114; Pietzcker, in: JZ 1975, S. 437; Merten, in: JuS 1976, S. 350; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, §3, Rd. 25; ders., in: J/P, Art. 12, Rd. 10; Bauer, in:

NVwZ 1990, S. 1153; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 163; Gusy, in: JA 1992, S. 258; Robbers, in: HdVerfR, I, § 11, Rd. 17; Giegerich, in: Jura 1995, S. 379; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 110; skeptisch gegenüber der Frage, ob diese Argumentation der richtigen Deutung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, Bauer, a. a. O , S. 1153 f. 562 So Dürig, in: MD, Art. 2 I, Rd. 66; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1041.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

1

barkeit der Berufsfreiheit der Deutschen der Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 GG unter der strengen Anwendung der sog. "Dreistufentheorie" gilt und ihre Vereinigungsfreiheit nur i m engen Rahmen der Schranken des Art. 9 I I GG beschränkt werden kann, werden die entsprechenden Freiheiten der NichtDeutschen unter dem Vorbehalt der verfassungsgemäßen Rechtsordnung und der anderen Teile der Schranken-Trias des Art. 2 I HS 2 GG geschützt. Der Unterschied ist offensichtlich 563 . Viel ernstzunehmender ist der Einwand der Auffassung, daß das GG absichtlich die Nicht-Deutschen vom persönlichen Schutzbereich der Deutschengrundrechte ausgeklammert habe, genauso absichtlich, wie das unfriedliche und bewaffnete Versammeln von dem sachlichen Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Art 8 I GG ausgeklammert worden sei. Ebenso wie das unfriedliche und bewaffnete Versammeln nicht von Art. 2 I GG geschützt werden könne, genausowenig könne die Berufs- oder die Vereinigungsfreiheit Schutz unter dem Dach dieser Norm finden 564 . Diese Rechtsauffassung ist nur zum Teil richtig. Sie beginnt beim richtigen Ausgangspunkt, kommt aber zum falschen Schluß. Daß Art. 12 I GG protektionistischen Charakter zugunsten der Inländer hat und der Verfassungsgeber den Ausländern den grundrechtlichen Schutz anderer Aktivitäten, die in den Regelungs- bzw. Schutzbereich sonstiger Grundrechtsvorschriften wie Art. 8, 9 oder 11 GG fallen, aus politischen Gründen nehmen wollte, liegt auf der Hand 5 6 5 . Das Argument, daß der einfache Gesetzgeber schließlich das getan hat, was der Verfassungsgeber vermieden hatte, spielt für diese verfassungsrechtliche Problematik keine Rolle. Denn es ist unzulässig, das Verfassungsrecht mit dem normhierarchisch niedrigeren einfachen Recht gleichzusetzen. Das bedeutet aber nicht, daß der Verfassungsgeber dadurch automatisch die Ausländer ohne verfassungsrechtlichen Schutz bezüglich der Deutschengrundrechte lassen wollte. Ihre Berufs-, Vereinigungs oder Versammlungsfreiheit kann nicht mit dem unfriedlichen und bewaffneten Versammeln verglichen werden, da letzteres im allgemeinen mit der übrigen Wertordnung des GG (Recht aufs Leben und körperliche Unversehrtheit des Art. 2 I I 1 GG oder Ei-

563

Vgl. auch BVerfGE 78, 179, 197; BVerfG (Dreierkammer) NVwZ 1990, S. 854; Merten, in: JuS 1976, S. 350; Bauer, in: NVwZ 1990, S. 1153; Sachs, in: BayVBl. 1990, S. 389; J. Hofmann, Der Deutsche als Tatbestand, S. 28; H.-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 323; Drathen, S. 5; Bauer/Kahl, in: JZ 1995, S. 1082; a. A. Schwabe, Grundrechtdogmatik, S. 429. 564 Erichsen, Staatsrecht I, S. 142; ders., in: HdDStR, VI, § 152, Rd. 47 ff; vgl. auch Rüfner, ebenda, V, § 116, Rd. 10, der von einem Verhältnis genereller (Art. 2 I GG) und spezieller (die Deutschengrundrechte) Normen ausgeht, bei dem letztere vorgehen sollen. 565 Vgl. Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 5; Stober, Grundrechtsschutz, S. 59.

1

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

gentum nach Art. 14 11 GG) 5 6 6 nicht im Einklang steht, was für erstere nicht ernsthaft behauptet werden kann 5 6 7 . In der Praxis bedeutet diese Argumentation, daß ein Ausländer - abgesehen von den EU-Bürgern, die die Vorschriften des EU-Rechts geltend machen können 5 6 8 -, der einen Beruf i. S. d. Art. 12 I GG ausüben oder in eine Gesellschaft eintreten will, um am Wettbewerb teilnehmen zu können, sich zwar nicht auf Art. 12 I oder 9 I GG berufen, das aber mit Hilfe des Art. 2 I GG tun und seine Wettbewerbsfreiheit auch in bezug auf die Berufs- 569 oder Ver570 einigungsfreiheit geltend machen kann 5 7 1 .

566

So auch Maunz/Zippelius, Staatsrecht, § 20 I 1. Es wurde auch die Meinung vertreten, daß das BVerfG in seiner Rechtsprechung nicht den grundrechtlichen Schutz der Ausländer im Bereich der Deutschengrundrechte aus Art. 2 I GG als personellem Auffanggrundrecht abgeleitet habe, sondern den Ausländern die Möglichkeit im Hinblick auf diese Norm gegeben habe, sich gegenüber Verstößen gegen rechtstaatliche Prinzipien zu wehren - so Tomuschat, in: DÖV 1974, S. 761; vgl. auch Erichsen, in: HdDStR, VI, § 152, Rd.50f.; Rüfner, in: HdDStR, ebenda, V, § 116, Rd. 10; Quaritsch, ebenda, V, § 120, Rd. 130; vgl. ebenfalls skeptisch Bauer, in: NVwZ 1990, S. 1153 f. Diese Deutung der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur ist nicht stimmig. Das BVerfG hat in seiner ersten Entscheidung - BVerfGE 35, 382, 399 - ausdrücklich angenommen, daß Art. 2 I GG als allgemeines Menschenrecht auch Ausländern in der BRD zustehe, und in den letzteren Entscheidungen BVerfGE 78, 179, 196; BVerfG (Dreierkammer) NVwZ 1990, S. 854 - hat es ebenso ausdrücklich die subsidiäre Funktion des allgemeinen Freiheitsrechts des Art. 2 I GG in seinem persönlichen Schutzbereich für Ausländer anerkannt. Daß Art. 2 I GG den Ausländern auch Schutz gegen rechtsstaatswidrige Eingriffe gewährt, schließt nicht seine Anwendung als persönliches Auffanggrundrecht aus - so im Ergebnis BVerfGE 78, 179, 197; BVerfG (Dreierkammer) NVwZ 1990, S. 854; zu dieser Argumentation vgl. auch Pietzcker, in: JZ 1975, S. 437; R. Hofmann, Grundrechte, S. 242 f. 567

568

Ob sie sich darüber hinaus wegen Art. 6 und 8 EGV i. V. m. Art. 24 I GG (inzwischen Art. 23 I GG n. F.) dem Prinzip des Vorrangs des Gemeinschafts- bzw. EURechts und dem jeweiligen Grundrecht auf die "Deutschen"-Grundrechte berufen dürfen, ist umstritten - vgl. bejahend Bauer/Kahl, in: JZ 1995, S. 1077 ff.; zurückhaltend Dreier, in: Grundgesetz, Vorb, Rd. 74 f.; vgl. zur Gegenmeinung die Nachweise bei Bauer/Kahl, a. a. O , S. 1077, Fn. 5 (dort). Die Frage bekommt allerdings nur für die Verfassungsbeschwerde praktische Bedeutung und kann hier offen bleiben. 569 Zu einer Berufsfreiheitssubjektivität der Nicht-Deutschen aus Art. 2 I GG vgl. BVerfGE 78, 179, 196 f.; BVerfG (Dreierkammer) NVwZ 1990, S. 854; BVerwGE 59, 287, 294; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 10; Gusy JA 1992, S. 257; R. Hofmann, Grundrechte, S. 243; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 110. 570 So Merten, in: HdDStR, VI, § 144, Rd. 30; Jarass, in: J/P, Art. 9, Rd. 11. 571 Bezüglich der Wettbewerbsfreiheit im Ergebnis wie hier Zuleeg, in: DÖV 1973, S. 368; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 110; vgl. auch Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 126; a. A. bezüglich der Grundrechtsträgerschaft der Ausländer im Bereich der Wettbewerbsfreiheit Schwabe, in: NJW 1974, S. 1045.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

1

ß) Wettbewerbsfreiheit für Minderjährige oder Wettbewerbsfreiheitsmündigkeit? Die hier zu erläuternde Frage lautet, ob auch Minderjährige Träger der Wettbewerbsfreiheit sein können und bezieht sich auf die sog. Grundrechtsmündigkeit 572 , d. h. die Fähigkeit, die Grundrechte selbständig auszuüben oder, nach anderer Ansicht, überhaupt Grundrechtsträger sein zu können. Eine einheitliche Regelung für alle Grundrechte gibt es nicht und kann es wegen der verschiedenen Natur ihrer Regelungsbereiche nicht geben. Das Thema hat bisher kaum die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung beschäftigt 573. Nach h. M. im Schrifttum soll zwischen Grundrechtsfähigkeit, Grundrechtsträgerschaft, Grundrechtsberechtigung oder Grundrechtssubjektivität 574 einerseits und Grundrechtsmündigkeit andererseits unterschieden werden. Erstere ist die Fähigkeit, Träger der Grundrechte zu sein; letztere ist dagegen die Fähigkeit einer Person, ein Grundrecht, dessen Träger sie ist, selbständig ausüben zu können 575 . Die Grundrechtsfähigkeit ist unabhängig vom Alter 5 7 6 , anders als die Grundrechtsmündigkeit, die mit der Grundrechtsausübung ab einem bestimmten Alter je nach dem betroffenen Grundrecht verbunden ist 577 . Wie gezeigt, haben die Grundrechte - insbesondere die Berufsfreiheit und das Privateigentum, aus denen der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit grundsätzlich besteht - kraft Natur der Sache einen eindeutigen wirtschaftlichen Charakter, ihre Ausübung wird hauptsächlich im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr verwirklicht. Es wird anerkannt, daß bei solchen Grundrechten die 572 Den Begriff "Grundrechtsmündigkeit" lehnt grundrechtsdogmatisch Hesse, Grundzüge, Rd. 285, ab; ähnlich Jarass, in: J/P, Art. 19, Rd. 11; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Vorb., Rd. 73; vgl. auch BGH NJW 1974, S. 1949 f. 573 Vgl. bisher aber nicht so eindeutig BVerfGE 47, 46, 73 f. (Sexualkunde); 57, 361, 382; vgl. auch BGH NJW 1974, S. 1949 f. 574 Die Begriffe sind gleichbedeutend - vgl. v. Mutius, in: Jura 1983, S. 30. 575 So Dürig, in: MD, Art. 19 III, Rd. 16; Kuhn, Grundrechte und Minderjährigkeit, S. 48; Fehnemann, Die Innehabung, S. 57, wo die Grundrechtsinnehabung bzw. fähigkeit mit der Rechtsfähigkeit verbunden wird; v. Mutius, in: Jura 1983, S. 31;

v. Münch, Grundbegriffe I, Rd. 130; ders., in: v. M/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 11; Isensee,

in: HdDStR, V, § 111, Rd. 38; Rüfner, ebenda, § 116, Rd. 20 ff., 23 ff.; a. A. Reuter, in: FamRZ 1969, S. 623 ff., der davon ausgeht, daß Minderjährige erst dann grundrechtsberechtigt sein könnten, wenn sie die Grundrechtsmündigkeit besitzen, weil "Grundrechtsausübung" unter Bevormundung keine Grundrechtsausübung sein könne; vgl. auch aus einer anderen Perspektive Bleckmann, Staatsrecht II, § 17, Rd. 18. 576 So Dürig, in: MD, Art. 19 III, Rd. 18; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 109; Jarass, in: J/P, Art. 19, Rd. 8; Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 20; J. Ipsen, in: JZ 1997,

S. 476. 57 7

Fehnemann, Die Innehabung, S. 37; Scholz, a.a.O., Rd. 124; Rüfner, in:

HdDStR, V, § 116, Rd. 23.

1

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Grundrechtsmündigkeit der Geschäftsfähigkeit entspricht (starre Altersgrenze) 5 7 8 , die vom einfachen Zivilrecht bzw. dem BGB (§§ 104 ff.) den Rechtspersonen zuerkannt wird. Das bedeutet keine unzulässige Auslegung des Verfassungsrechts aufgrund des einfachen Rechts 579 , denn der einfache Gesetzgeber hat die Altersgrenze fur die Geschäftsfähigkeit sinnvoll und verfassungskonform unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Interessen sowohl der Minderjährigen als auch ihrer Eltern festgelegt 580 5 8 1 . Eine hypothetische Änderung der Altersgrenzen durch den einfachen Gesetzgeber müßte in den Grenzen der Verfassung bzw. des Art. 6 I I GG (Elternrecht) einerseits und der betroffenen Freiheitsrechte der Kinder (Art. 121, 14 I GG) andererseits überprüft werden 582 . Wendet man diese Schlüsse praktisch auf die Wettbewerbsfreiheit an, so kommt man zu dem Ergebnis, daß auch Minderjährige, ein Säugling sogar, Grundrechtsträger der Wettbewerbsfreiheit sein können, soweit sie Eigentum besitzen, ζ. B. nach einer Erbschaft oder einer Schenkung, und ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt am Wettbewerb teilnimmt, auf ihren Namen berufsmäßig betrieben werden kann. Wettbewerbsfreiheitsmündig können sie aber erst nach Maßgabe der §§104 ff. BGB werden, die die Geschäftsfähigkeit regeln. Solange sie nicht wettbewerbsfreiheitsmündig sind, kann ihr gesetzlicher Vertreter ihre Wettbewerbsfreiheit für sie ausüben und ihre auf diese gestützten Interessen wahrnehmen 583 . Praktisch bedeutet das, daß man erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres voll wettbewerbsfreiheitsmündig werden kann (§§ 104 ff. BGB i. V. m. § 2 BGB) 5 8 4 .

578

Es muß hier hervorgehoben werden, daß diese Lösung jedoch nicht alle Grundrechte des GG betreffen kann. 579 So aber Perschel, Die Meinungsfreiheit des Schülers, S. 81 f.; vgl. zu der einschlägigen Problematik oben sub 2 a aa β, γ. 580 Vgl. v.Münch, Grundbegriffe I, Rd. 134; Bleckmann, Staatsrecht II, §17, Rd. 12 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 135; Wendt, in Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 20; dazu neigt auch Dreier, in: ders, Grundgesetz, Vorb, Rd. 73. 581 Eine andere Dimension gibt der Problematik Roell, S. 37, 40 ff. Danach sind die Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit gemäß §§104 ff. BGB nichts anderes als Einschränkungen der betroffenen Grundrechte der Art. 12 I und 14 I GG, dessen Träger die Minderjährigen sind, die nur nach den Maßgaben des einfachen Gesetzesvorbehaltes der Art. 12 12 und 1412 GG und den rechtsstaatlichen Garantien (Art. 1 III, 19 II GG, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) eingeschränkt werden dürfen. Aus dieser Meinung ergibt sich der Schluß, daß es für die unter einfachem Gesetzesvorbehalt geltenden Grundrechte "keiner Einführung einer besonderen Grundrechtsmündigkeit" bedürfe; dieser Auffassung hat letztens Sachs, in: ders, GG-K, Vor Art. 1, Rd. 52 f. zugestimmt. 582 Vgl. Kuhn, Grundrechte und Minderjährigkeit, S. 41 ff.; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 109; Bleckmann, Staatsrecht II, § 17, Rd. 13. 583 So im Ergebnis für Art. 12 I GG Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 109. 584 Man muß hier hervorheben, daß unabhängig, ob man von der herrschenden oder der von Roell und Sachs vertretenen Meinung ausgeht, alle Rechtspersonen, die Min-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

127

bb) Juristische Personen und andere Personenvereinigungen I m folgenden soll ermittelt werden, ob juristische Personen des Privatrechts Grundrechtsträger der Wettbewerbsfreiheit sein können. Die Untersuchung in diesem Abschnitt betrifft nur diejenigen juristischen Personen, die zu 100 % von Privaten (natürlichen oder juristischen Personen) kontrolliert werden. Diejenigen juristischen Personen des Privatrechts, in denen der Staat oder andere öffentliche Behörden ganz oder teilweise Anteile innehaben, werden später 585 geprüft. Bezüglich der Grundrechtssubjektivität juristischer Personen gibt Art. 19 I I I GG, nicht ohne Auslegungsfragen aufzuwerfen, die Lösung vor: Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Unter "juristischen Personen" i. S. d. Art. 19 I I I GG versteht man 5 8 6 nicht nur die rechtsfähigen Personengruppen, die nach einfachem Recht die Rechtsfähigkeit besitzen wie Kapitalhandelsgesellschaften ( A G 5 8 7 , GmbH 5 8 8 , K G auf Aktien 5 8 9 ), rechtsfähige Vereine 590 , Stiftungen 591 (vgl. §§21 ff. BGB) und Genossenschaften, sondern auch teilrechtsfähige Vereinigungen und Organisationen wie die Personenhandelsgesellschaften (OHG 5 9 2 , K G 5 9 3 ) , die politischen Parteien (vgl. § 3 PartG) 594 und die Gewerkschaften. Der Begriff "juristische Personen" i. S. d. Art. 19 I I I GG hat eine eigenständige verfassungsrechtliche Bedeutung und wird nicht bloß vom einfachen Zivil- und Verwaltungsrecht übernommen 595 .

derjährigen eingeschlossen, mit der Vollendung ihrer Geburt (vgl. § 1 BGB ) in den persönlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen. Wenn man dagegen von der Meinung Reuters ausgehen will, die Grundrechtsfähigkeit und -mündigkeit gleichsetzt, dann sind Wettbewerbsfreiheitsträger nur die Wettbewerbsfreiheitsmündigen, die ohne rechtliche Einschränkungen ihre Wettbewerbsfreiheit ausüben können. Diese sind nur die Volljährigen (§§ 104 ff. BGB i. V. m. § 2 BGB). 585 s. unten sub cc. 586 Vgl. auch zu dieser Position Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 27; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 28 ff.; Hesse, Grundzüge, Rd. 286; Krüger, in: GGK, Art. 19, Rd. 55 ff. 587 BVerfGE 10, 89, 99; 23, 208, 223; 50, 290, 319 (Mitbestimmung). 588 BVerfGE 3, 359, 363; 53, 366, 386; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 1784. 589 BVerfGE 23, 153, 163. 590 BVerfGE 4, 96, 102; 53, 366, 386; BVerwG NJW 1994, S. 2166 f. 591 BVerfGE 57, 220, 240; 70, 138, 160. 592 BVerfGE 4, 7, 12 (Investitionshilfe). 593 BVerfGE 10, 89, 99; 19, 206, 215; 23, 208, 223; 53, 1, 13; BVerfG NJW 1998, S. 1547 (Handelsschiffe). 594 BVerfGE 7, 99, 104; 47, 298, 223. 595 So Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 23.

128

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Besondere Auslegungsprobleme ergeben sich aus der Formulierung des Art. 19 I I I GG, daß die Grundrechte "ihrem Wesen nach" auf die juristischen Personen anzuwenden sein sollen. Das BVerfG sieht die Einbeziehung juristischer Personen in den persönlichen Schutzbereich der Grundrechte nur dann als möglich an, "wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, besonders wenn der "Durchgriff ' auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt" 596 . Diese Interpretation darf keinesfalls in dem Sinne mißverstanden werden, daß - abgesehen vom Schutzbereich der Art. 9 1 und 141 GG - neben der juristischen Person auch die hinter ihr stehenden Personen Grundrechtsträger sind oder, ebenso falsch, daß nur dann die juristische Person Grundrechtsträger ist, wenn auch die hinter ihr stehenden Personen Träger des gleichen Grundrechts sind 597 . Das würde zu dem unzulässigen Schluß führen, daß die großen Kapitalgesellschaften, in denen das personelle "Substrat" kaum existiert oder ganz gering ist, aus dem Anwendungsbereich des Art. 19 I I I GG ausgeklammert werden sollten und den Grundrechtsschutz nicht genießen dürften 598 . Die juristische Person als Grundrechtsträger ist weder Treuhänderin noch Sachwalterin der hinter ihr stehenden Personen 599. Art. 19 I I I GG geht der einfachen Rechtsordnung folgend von dem sog. Trennungsprinzip aus, nämlich daß die juristische Person von ihren Mitgliedern strikt getrennt ist 600 . Andererseits ist nicht zu übersehen, daß in der Praxis die Interessen der Mitglieder von den Interessen der juristischen Person beeinflußt werden. Demgemäß könnte man den "Durchblick" auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Per-

596 BVerfGE 21, 362, 369; 68, 193, 205 f.; 75, 192, 196 (Sparkassen); vgl. auch BVerfGE 61, 82, 101 (Saßbach), in der das Gericht den Begriff "Durchgriff ' mit dem Begriff "Durchblick" abgesetzt hat - zum begrifflichen Unterschied zwischen "Durchgriff ' und "Durchblick" vgl. Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 5; einen Überblick der Rechtsprechung des BVerfG bei Bethge, in: AÖR 1979, S. 54 ff.; vgl. auch im Schrift-

tum Dürig,

in: MD, Art. 19 III, Rd. 1 ff., 36 ff.; Rupp-v. Brünneck, in: FS Arndt,

S. 370 ff.; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung, S. 26 (m. w. N.); Stober, Grundrechtsschutz, S. 14.

597 Vgl. v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 33; Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 3; Krebs, in: vM/K, Art. 19, Rd. 38.

598 Das hat das BVerfG in seinem Mitbestimmungsurteil - BVerfGE 50, 290, 363 ff. - mindestens in bezug auf die Art. 12 I und 14 I GG kategorisch abgelehnt. Davon ist aber die Frage nach der Einschränkbarkeit bzw. der Sozialbindung der großen Unternehmen zu unterscheiden - so BVerfGE, a. a. O., S. 364 f. 599

So v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 33; Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 31;

vgl. auch die diesbezügliche Analyse von M. Hoffmann, S. 189 ff. 600

Bleckmann, Staatsrecht II,§ 9, Rd. 24; Bleckmann/Helm,

Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 3.

Unternehmensfreiheit,

in: DVB1. 1992, S. 12;

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

12

sonen als den "Durchblick" auf ihre Interessen interpretieren, wenn man versuchen will, die Terminologie des BVerfG zu interpretieren. Die Durchgriffslehre wurde trotzdem von einem Teil des Schrifttums 601 kritisiert, weil sie u. a. die bereits dargelegten Mißverständnisse geschaffen und sich nicht völlig von dem grundrechtsdogmatischen Ausgangspunkt der Trennung der juristischen Person von ihren Mitgliedern, der dem Sinn und der Funktion des Art. 19 I I I GG entspricht, verabschiedet hat. Die juristischen Personen sind kraft dieser Vorschrift selbst Grundrechtsträger, und der Bezug auf ihre Mitglieder kann Schwierigkeiten und Abgrenzungsprobleme zu anderen grundgesetzlichen Normen wie Art. 91, I I I oder 21 GG schaffen 602 . Deswegen sollte man bei den anderen, von Rechtsprechung und Literatur verlangten Kriterien bleiben, nämlich daß den juristischen Personen die Grundrechtsfähigkeit nach Art. 19 I I I GG zugesprochen werden kann, wenn die Schutzwirkung eines Grundrechts "wesensmäßig" auf die Tätigkeit einer juristischen Person in concreto erstreckt werden kann, und umgekehrt, wenn diese Tätigkeit "ihrem Wesen und ihrer Art nach" in concreto in den sachlichen Schutzbereich des betroffenen Grundrechts fallen kann 6 0 3 . Nach dem Wortlaut des Art. 19 I I I GG und der h. M . 6 0 4 werden die ausländischen juristischen Personen von dessen Anwendungsbereich ausgenommen und genießen demzufolge keinen Grundrechtsschutz 605 - abgesehen von den

601

Vgl. v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 33 ff.; Stern, in: Staatsrecht III/l, S. 1088; Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 31 f.; Mertens, in: JuS 1989, S. 859 f.; Dietmair, Die juristische Grundrechtsperson, S. 137 ff.; Pieroth, in: NWVBL 1992, S. 86; skeptisch auch Krebs, in: vM/K, Art. 19, Rd. 38. 602 Vgl. auch Krebs, in: vM/K, Art. 19, Rd. 38. 603 Ähnlich Badura, in: DÖV 1990, S. 356 f.; vgl. auch v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 36 f.; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung, S. 36 ff. (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG); Stern, in: Staatsrecht III/l, S. 1088; Kau, Vom Persönlichkeitsschutz, S. 59, 101 ff.; Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 37; Jarass, in: J/P, Art. 19, Rd. 12; Kirmer, Der Begriff, S. 219, Fn. 145 (dort); Pieroth/Schlinck, Rd. 179 ff.; kritisch dazu N. Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch, S. 107 ff.; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 21, greift dagegen auf den Topos der "grundrechtstypischen Gefährdungslage" zurück (vgl. mehr dazu unten sub c aa). 604 BVerfGE 16, 147, 158; 21, 207, 209; 23, 229, 236; so auch v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 54 f.; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 44; Rüfner, in: HdDStR, V, §116, Rd. 57; Isensee, ebenda, V, §118, Rd. 45; Quaritsch, ebenda, V, §120, Rd. 36 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 13; Krebs, in: vM/K, Art. 19, Rd. 32 (m. w. N.); R. Hofmann, Grundrechte, S. 243 (m. w. N.); Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 37; Krüger, in: GG-K, Art. 19, Rd. 51. 605 Degenhart, in: EuGRZ 1981, S. 161 ff. erstreckt ohne überzeugende Argumentation den Grundrechtsschutz der ausländischen juristischen Personen auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit in bezug auf die Art. 14 I und 2 I (als persönliches Auffanggrundrecht) GG. 9 Tsiliotis

1

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

sog. prozessualen inhaltsgleichen (Justiz-)Grundrechten (Art. 101 1 2 6 0 6 , 103 I 6 0 7 GG) -, auch nicht durch das Auffanggrundrecht des Art. 2 I GG oder den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, da sich Art. 19 I I I GG auf alle Grundrechte bezieht 608 . Sie genießen aber den völkerrechtlichen bzw. den EURechtsschutz 609 (vgl. Art. 25 6 1 0 , 59 I I GG, Art. 6 EGV i. V. m. Art. 23 n. F. GG) sowie den einfachrechtlichen Schutz, wenn der einfache Gesetzgeber sie mit den inländischen juristischen Personen gleichsetzen will. Der einfachrechtliche Rechtsschutz bekommt für die Wettbewerbsfreiheit besondere Relevanz in bezug auf das Eigentum und die einfach- bzw. richterrechtlichen Haftungsinstitute aus dem enteignenden und enteignungsgleichen Eingriff 6 1 1 . Inländisch ist eine juristische Person nach der in der deutschen Rechtsordnung herrschenden "Sitztheorie", die nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland nach Art. 23 GG a. F. ausgestaltet wurde, wenn sie ihren tatsächlichen Sitz in dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland hat, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der hinter ihr stehenden Personen zu nehmen 6 1 2 . Ob ausländische juristische Personen mit Sitz i m EU-Gebiet nach Art. 6 EGV i. V. m. Art. 23 I GG n. F. und dem Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts in den Anwendungsbereich des Art. 19 I I I GG fallen können bzw. ob Art. 19 I I I GG gemeinschaftsrechtskonform in dem Sinne zu interpretieren ist, daß er wegen dieses Auslegungsmechanismus auch die vorher genannten juristischen Personen miteinbeziehen muß, kann hier offen bleiben 613 . In bezug auf die Wettbewerbsfreiheit schafft die bereits dargelegte wissenschaftliche Auseinandersetzung bezüglich der Frage, ob juristische Personen des Privatrechts Wettbewerbsfreiheitsträger sein können, praktisch kaum Probleme. Denn es wird unabhängig davon, ob man auf die Interessen der hinter ihnen stehenden Personen zurückgreift oder nicht, deutlich, daß Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften sowie jede andere juristische Person oder teilrechtsfähige Vereinigung wie der wirtschaftliche Verein (§ 22 BGB), die eine 606

BVerfGE 18, 441, 447; 64, 1, 11. BVerfGE 12, 6, 8; 64, 1, 11. 608 yg] z u e j n e m gesamten Überblick über die wissenschaftliche Auseinandersetzung einer Grundrechtsträgerschaft ausländischer juristischer Personen Drathen, S. 7 ff. 609 Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 47. 610 Vgl. BGHZ 76, 375, 384; vgl. auch Drathen, S. 15. 611 BGHZ 76, 375, 384; 76, 387, 396 (Fluglotsenstreik); vgl. mehr dazu unten sub IV 2 b cc α. 612 Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 61; Isensee, ebenda, V, § 118, Rd. 44; Quaritsch, ebenda, V, § 120, Rd. 50; Krebs, in: vM/K; Art. 19, Rd. 32; R. Hofmann, Grundrechte, S. 243 (m. w. N.); Dreier, in: ders., Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 31; Krüger, in: GG-K, Art. 19, Rd. 49 f.; a. A. Bleckmann, Staatsrecht II, §9, Rd. 141 ff..; Bleck607

mann/Helm, in: DVB1 1992, S. 13. 613 Vgl. dazu Drathen, S. 172 ff., 183 ff., 210; Dreier, in: dérs., Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 14.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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wirtschaftliche Tätigkeit i m Wettbewerb ausüben oder in diesen eintreten wollen und dabei ihren Sitz in Deutschland haben, sich ohne Rücksicht auf ihre Größe 614 auf die Wettbewerbsfreiheit berufen können. Das gilt jedoch nicht für eine politische Partei, die am politischen und nichtwirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt, oder für den Idealverein, dessen Aktivitäten nicht in den sachlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen können 615 . Die Wettbewerbsfreiheitssubjektivität betrifft alle Grundrechte, aus denen der sachliche Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit besteht. Demzufolge wird zu Recht anerkannt, daß die Art. 12 I 6 1 6 , 14 I 6 1 7 , 9 I 6 1 8 , 5 I 6 1 9 und 3 I 6 2 0 GG unter den bereits darge-

614

Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 20; Stober, Grundrechtsschutz, S. 13; Leisner, in: DVB1 1989, S. 1025 ff; Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 42. 615 Vgl. aber OVG Hamburg NVwZ 1994, S. 192 f. (nicht rechtskräftig), das zu Recht die aus Art. 2, 12, 14 GG resultierende Grundrechtsträgerschaft der Wirtschaftsbzw. Wettbewerbsfreiheit des religiösen Vereins Scientology Church angenommen hat, da diese "... in der Absicht der Gewinnerzielung auf Dauer durch Werbung und Verkauf von Waren und Dienstleistungen in Konkurrenz zu anderen ... Gewerbeunternehmen" trete. Das gilt analog für alle im Prinzip nicht wirtschaftlichen Organisationen, die aber neben ihrer grundsätzlich nicht erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit in der Absicht der Gewinnerzielung auf Dauer als Wettbewerbspartner auf einem Markt mit anderen Konkurrenten auftreten. Unter diesen Umständen zeigt das auch die Anwendung der wirtschaftsrechtlichen Gesetze (UWG, GWB u. ä.) für diese Organisationen - zur Anwendung des GWB für die Kirchen vgl. BGHZ 19, 72, 79 f.; vgl. anders, aber unzutreffend BVerwG NVwZ 1995, S. 473 ff. (Scientology Kirche); zur Frage der wirtschaftlichen Tätigkeit des religiösen Vereins vgl. unten sub V I b aa η. 616 BVerfGE 21, 261, 266; 30, 292, 312 (Erdölbevorratung); 50, 290, 363 (Mitbestimmung); 65, 196, 210; BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG); weiterhin BVerfGE 85, 97, 104 - Werbefreiheit für juristische Personen des Privatrechts nach Art. 12 I i. V. m. Art. 19 III GG; genauso BVerfGE 95, 173, 181 (Tabakverordnung); vgl. auch BVerwGE 75, 109, 114 (Subventionsrichtlinien); 95, 15, 20; 97, 12, 22 f. (Buchmacher); Baumann, in: BB 1997, S. 2284. Eine Grundrechtsträgerschaft der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG für juristische Personen des Privatrechts lehnt R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 134, mit dem Argument ab, daß der personale Bezug sich in der Teilnahme am Wettbewerb beim Verkehr mit Waren praktisch verflüchtige; deswegen gewinnt sie stattdessen bei Art. 2 I GG an Relevanz; vgl. im Ergebnis auch VGH Kassel NJW 1985, S. 1357; kritisch zu dieser Position und im Ergebnis wie hier Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 98; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 12, begrenzt den persönlichen Schutzbereich des Art. 12 I GG nur bei den kleinen und mittleren Unternehmen, während die individualrechtlich-personale Komponente der Berufsfreiheit im Falle von Großunternehmen weitgehend verloren geht. Eine solche Differenzierung aber ergibt sich weder aus Art. 19 III GG noch aus der Rechtsprechung des BVerfG oder des BVerwG - vgl. auch Leisner, in: DVB1. 1989, S. 1025 ff. 617 BVerfGE 4, 7, 17 (Investitionshilfe); 23, 153, 163; 41, 126, 149; 50, 290, 352 (Mitbestimmung); 68, 193, 222; Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 20 ff, der zu Recht aus dem persönlichen Schutzbereich des Art. 14 I i. V. m. Art. 19 III GG nicht die Großunternehmen ausklammert; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 205; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 20. 618 In diesem Fall kommt nach richtiger Meinung Art. 9 I GG i. V. m. Art. 19 III GG in Betracht - so auch Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 40 (m. w. N.); Löwer, in:

12

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

legten Voraussetzungen auch für juristische Personen gelten können. Juristische Personen können zwar nicht einen Beruf als Lebensaufgabe ausüben, sie können aber erwerbswirtschaftlich in der Form eines Gewerbes oder Unternehmens tätig werden. Sie können auch Eigentum besitzen, sich mit anderen juristischen oder natürlichen Personen zusammenschließen und auf sich durch wirtschaftliche Leistung aufmerksam machen. Sie haben letztendlich Anspruch auf Gleichberechtigung bzw. Wettbewerbsgleichheit und können die oben genannten Schritte zum Zwecke des Wettbewerbs unternehmen.

c) Die öffentliche Hand als Träger der Wettbewerbsfreiheit? aa) Die allgemeine Problematik der Grundrechtsträgerschaft der öffentlichen Hand Eine der umstrittensten und kompliziertesten Probleme der Grundrechtsdogmatik und im allgemeinen des öffentlichen Rechts ist die Frage, ob die öffentliche Hand Grundrechtsfähigkeit besitzen kann oder nicht. Als öffentliche Hand werden hier der Staat (Bund, Länder) und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Gemeinden, Körperschaften, Anstalten, Stiftungen) angesehen621. Besonderes Interesse erlangt die Frage in dem hier erörterten Bereich des Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsrechts aufgrund des eigenartigen Phänomens, daß die öffentliche Hand die Organisationsformen und / oder die Mittel des Privatrechts nutzen kann, um ihre wirtschafts- oder sozialpolitischen Ziele durchzusetzen. Die Frage der Grundrechtsträgerschaft der öffentlichen Hand ist eng mit der übergeordneten Problematik der Grundrechtsberechtigung der juristischen Personen im allgemeinen nach Art. 19 I I I GG verbunden. Möchte man von dem Wortlaut dieser Vorschrift ausgehen, so muß man feststellen, daß sie nicht zwischen den juristischen Personen des Privat- und des öffentlichen Rechts unterscheidet. Andererseits muß man auf die allgemeine Funktion der juristischen Personen des öffentlichen Rechts in der Rechtsordnung sowie Sinn, Zweck und vM/K, Art. 9, Rd. 14; Jarass, in: J/P, Art. 9, Rd. 8; Höfling,, in: Sachs, GG-K, Art. 9, Rd. 33; Baumann, in: BB 1997, S. 2282. 619 Bleckmann, Staatsrecht II, § 26, Rd. 70; Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 15; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 6; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 6. Die Anwendung des Art. 5 I i. V. m. Art. 19 III GG in diesem Fall betrifft die Werbung einer juristischen Person als eine Form der freien Meinungsäußerung - vgl. dazu BGHZ 136, 111, 119 (Kaffeebohne); BGH GRUR 1992, S. 708; vgl. auch BVerfGE 85, 97, 104. 620 BVerfGE 4, 7, 12 (Investitionshilfe); 23, 208, 223; Isensee, in: HdDStR, V, §118, Rd. 17; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 122 (m. w. N.). 621 Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 4; Ronellenfltsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 1, Fn. 1 (dort).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Funktion der Grundrechtsträgerschaft Rücksicht nehmen, wenn man sich der Problematik vollkommen und verfassungsrechtlich vernünftig nähern w i l l 6 2 2 . Seit dem Beginn der Geltung des GG wurden viele Meinungen vertreten 623 . Die h. M. in der Rechtsprechung 624 und größtenteils im Schrifttum 62 * lehnt grundsätzlich eine Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts 626 ab, insbesondere wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Hauptargumente 627 für diesen Schluß sind die Lehre des "personalen Substrates" (oder des sog. "Durchgriffsarguments") der juristischen Personen des öffentlichen Rechts 628 , die für die Begründung ihrer Grundrechtsfähigkeit von größerer und praktischerer Bedeutung als für die von juristischen Personen des Privatrechts ist 6 2 9 , sowie der Topos, daß sich die juristischen Personen des öf-

622

Stober, in: ZHR 1981, S. 580; Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rn. 64. Einen Überblick dieser Lehrmeinungen über die einschlägige Problematik bei v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3, Rd. 88 ff.; Kröger, in: JuS 1981, S. 26 ff; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 61 ff.; N. Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch, S. 29 ff.; Englisch, Kommunales Eigentum, S. 86 ff. 624 BVerfGE 21, 362, 369; 23, 12, 30; 24, 367, 383 (hamburgische Deichordnung); 45, 63, 78 f.; 68, 193, 205 ff; 75, 192, 196 (Sparkassen); BVerfG (Dreierkammer) NVwZ 1994, S. 262; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 584; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 1588 f.; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 1634; BVerwG DVB1 1972, S. 781; BVerwGE 90, 88, 95; BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests); BGHZ 63, 196, 200; VGH Mannheim DVB1. 1993, S. 118; OLG Frankfurt/a.M. NJW 1995, S. 1302; teilweise differenziert aber in BGHZ 108, 147, 152; a. A. BVerwGE 40, 347, 348 f.; BVerwG NJW 1959, S. 591. 625 Scholz, in: MD, Art. 12 (m. w. N.), Rd. 100; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 61 ff, 66 ff; Rupp, in: HdDStR, I, §28, Rd. 31 f.; Rüfner, ebenda, V, §116 Rd. 64 ff.; Isensee, ebenda, V, § 118, Rd. 24; Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rd. 53; Stober, Grundrechtsschutz, S. 60; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 512; Bleckmann/Helm, in: DVB1. 1992, S. 14; Krebs, in: vM/K, Art. 19, Rd. 41; Jarass, in: J/P, Art. 19, Rd. 15; Hesse, Grundzüge, Rd. 286; Gusy, in: JA 1995, S. 171; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 38 ff.; Krüger, in: Sachs, GG-K, Art. 19, Rd. 81 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 175; a. A. Bettermann, in: NJW 1969, S. 1324, 1326 ff.; v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 88 ff. (m. w. N.); Kröger, in: JuS 1981, S. 28; Pieroth/Schlinck, Rd. 192 f.; Pieroth, in: NWVBL 1992, S. 87; N. Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch, S. 128 ff. (m. w. N.); differenzierend Englisch, Kommunales Eigentum, S. 102. 626 Die Grundrechtsunfähigkeit betrifft sowohl die juristische Person des Staates (Bund und Länder) als auch seine selbständigen Rechtsgebilde; so Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 66; Kröger, in: JuS 1981, S. 28; Krebs, in: vM/K, Art. 19 III, Rd. 42 (m. w. N.). 627 Vgl. zu dieser Deutung auch Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 67. 628 Vgl. BVerfGE 21, 362, 372; 68, 193, 206; 75, 192, 196 (Sparkassen); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 1634; BVerwGE 98, 163, 178. 629 Vgl. Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 66; Pieroth/Schlinck, Rd. 185. 623

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

fentlichen Rechts nicht in der gleichen "grundrechtstypischen Gefährdungslage" dem Staat gegenüber wie Private befinden 630 . Von dieser Regel sind die Universitäten und die Fakultäten, wenn sie die Rechte aus Art. 5 I I I 1 GG geltend machen 631 , die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wenn sie sich auf die Rundfunkfreiheit des Art. 5 1 2 GG berufen 632 , und die Kirchen sowie andere mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts versehenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, sofern sie sich auf Art. 4 I, I I GG stützen 633 , ausgenommen, weil sie sich in einer den Privaten vergleichbaren "grundrechtstypischen Gefährdungslage" befinden 634 und es sich um juristische Personen handelt, "die den Bürgern zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte dienen und als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen Bestand haben" 635 . Genauso wie für die juristischen Personen des Privatrechts gelten auch für die öffentlich-rechtlichen juristischen Personen die justiziellen Verfahrensgrundrechte 636. Es sollte jedoch angemerkt werden, daß das BVerfG trotz der prinzipiellen Ablehnung einer Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts "das Tor offen läßt" und diese ausnahmweise - von der "klassischen Ausnahmetrias" abgesehen - unter bestimmten Voraussetzungen annimmt 637 .

630

BVerfGE 45, 63, 79 (Stadtwerke Hammeln); 61, 82, 100 ff. (Sasbach); man muß hier betonen, daß den Begriff "grundrechtstypische Gefährdungslage" erstmals v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 114, in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht hat. 631 BVerfGE 15, 256, 262; 31, 314, 322; 59, 231, 254 f. 632 BVerfGE 31, 314, 322; 59, 231, 255; 74, 297, 317 f.; 78, 101, 102 f.; 89, 144, 151 f.; BVerfG (Dreierkammer) AfP 1994, S. 131. 633 BVerfGE 19, 1, 5; 21, 362, 374; 70, 138, 161. 634

Vgl. dazu v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 114; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 104. 635

BVerfGE 45, 63, 79 (Stadtwerke Hameln); 68, 193, 207; 75, 192, 197 (Sparkassen); vgl. auch BVerfGE 78, 101, 102; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 583. 636 BVerfGE 18, 441, 447; 61, 82, 104 f. (Sasbach); 75, 192, 200; OLG Frankfurt/a.M. NJW 1995, S. 1302. 637 Vgl. BVerfGE 31, 314, 322 (AOK), wonach die Grundrechtsberechtigung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts möglich wäre, ... "nur dann, wenn ausnahmweise die juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist"; 68, 193, 209, wonach die Frage, inwieweit Innungen bei der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder partiell Träger von Grundrechten sein können, offen geblieben ist; 70, 1, 20, wo das Gericht die Grundrechtsberechtigung der Innungen und Innungsverbände der Orthopädietechniker bei dieser Wahrnehmung mit den Argumenten angenommen hat, daß sie nicht von den angegriffenen Regelungen in ihrer Funktion als Teil der öffentlichen Verwaltung getroffen seien und in der Rechtslage kein Unterschied zu der privater

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik bb) Die öffentlich-wirtschaftliche

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Tätigkeit - Problemstellung

Bevor man sich ausfuhrlich mit der Frage nach einer Grundrechtsträgerschaft der öffentlichen Hand während ihrer wirtschaftlichen Betätigung befaßt, sollte man zuerst einen allgemeinen Überblick über diese Art von Tätigkeit und ihre Formen haben, um die Kompliziertheit des Problems der Grundrechtsberechtigung besser erkennen und verstehen zu können. Die öffentlichwirtschaftliche Betätigung kann in drei großen Bereichen stattfinden 638 : a) Bei der Beschaffung der für die Verwaltung erforderlichen Sachgüter, b) bei der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand und c) bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben 639 . Während in den ersten beiden Bereichen die öffentliche Hand immer privatrechtlich tätig wird, kann in dem dritten Bereich des sog. privaten Verwaltungsrechts bezüglich der Organisationsform und der Mittel zwischen öffentlichem und Privatrecht gewählt werden 640 - die Verwaltung besitzt die sog. "Wahlfreiheit" 6 4 1 . Aus wettbewerblicher Sicht können nur die beiden letzten Tätigkeiten in Betracht kommen, bei denen die öffentliche Hand als Anbieter von Gütern und Leistungen im wirtschaftlichen Wettbewerb auftreten kann 642 . Die Rechtsfiguren, die bei dieser wirtschaftlichen Tätigkeit in Erscheinung treten und vom Staat und seinen Rechtsgebilden zur Verwirklichung ihrer Ziele und Aufgaben benutzt werden, sind die "öffentlichen Unternehmen" und die sog. "gemischtwirtschaftlichen Unternehmen". I m Rahmen dieser sog. "Wahlfreiheit" kann ein öffentliches Unternehmen entweder öffentlich- oder privatrechtlich sein. Öffentliche Unternehmen in der Organisationsform des öffentlichen Rechts sind der Regie- und Eigenbetrieb, das ehemalige Sondervermögen

Zusammenschlüsse bestehe; weiterhin BVerwGE 98, 163, 178, bezüglich der Grundrechtsträgerschaft (Art. 121, 91 GG) der Handwerkskammer unter dem Gesichtspunkt des "Durchgriffsarguments". 638 Maurer, VerwR, §3, Rd. 6 ff.; v. Münch, in: vM/K, Vorb., Rd. 34 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 204 ff.; vgl. andere Aufteilung, aber im Prinzip gleich,Gusy, in: JA 1995, S. 167. 639 Die zwei letzteren wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Bereiche werden mit dem Oberbegriff "öffentliche Eigenwirtschaft" bezeichnet - vgl. dazu bei Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 4, 13 ff.; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 1. 640 Badura, in: FS Schlochauer, S. 15; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 21; Maurer, VerwR, § 3, Rd. 7 ff.; Brohm, in: NJW 1994, S. 284. 641

Zur These der "Wahlfreiheit" und zur Kritik an dieser These vgl. statt aller Koch, Der rechtliche Status, S. 24 ff. 642 So Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 13; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 2; vgl. auch Bettermann, in: FS Hirsch, S. 2.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

(Bahn, Post) sowie Anstalten, Stiftungen und Körperschaften 643 . Privatrechtliche öffentliche Unternehmen oder Eigengesellschaften sind diejenigen juristischen Personen des Privatrechts (meistens A G oder GmbH) 6 4 4 , die ausschließlich einer oder mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören 6 4 5 - im Falle einer A G sind der Staat oder andere öffentlich-rechtliche juristische Personen die einzigen Aktionäre -, um öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge 646 in der Form des Privatrechts wahrzunehmen. Die öffentlichen Unternehmen, die die Form des öffentlichen Rechts benutzen, können zwischen öffentlich- oder privatrechtlichen Mitteln wählen. Dagegen werden die Eigengesellschaften immer mit Mitteln des Privatrechts tätig 647 .

cc) Die öffentlich-wirtschaftliche Tätigkeit als Frage der Grundrechtsberechtigungsproblematik gemäß der Rechtsprechung des BVerfG Nach dieser kurzen Einfuhrung in den Bereich der öffentlichen Wirtschaft und unter Berücksichtigung der allgemeinen Problematik einer Grundrechtssubjektivität der öffentlichen Hand kann man sich mit der Frage befassen, ob überhaupt und unter welchen Umständen die öffentliche Hand bzw. die eigenund gemischtwirtschaftlichen Unternehmen Träger der wirtschaftlichen Grundrechte sein und dementsprechend, ob sie sich auf das Grundrecht Wettbewerbsfreiheit berufen können. Diese Frage ist einer der Teilaspekte der Ge-

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Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 59 ff.; Schricker,

S. 4; Ronellenfitsch,

Wirtschaftliche Tätigkeit,

in: HdDStR, III, §84, Rd. 20; Schmidt-.Aßmann, in: BB 1990,

Beilage 34 zu Heft 27/1990, S. 2; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1092; N. Zimmermann, in: JuS 1991, S. 297; Gusy, in: JA 1995, S. 167; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 22 ff. 644 Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 59 ff.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 22; Ronellenfitsch, a.a.O., Rd. 24; Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a.a.O., S. 2; Gusy, in: JA 1995, S. 167; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 36. 645 Püttner, Öffentliche Unternehmen, S, 61 f.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 4; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 2; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 36 f. 646 Der Begriff ist von Forsthoff, VerwR, S. 368 ff, 567 ff, in das öffentliche Recht eingeführt und vom BVerfG übernommen worden - so BVerfGE 45, 63, 78 (Stadtwerke Hameln); 61, 82, 103 f. (Sasbach); BVerfG NJW 1980, S. 1093; BVerfG JZ 1990, S. 335; vgl. auch Scheidemann, Daseinsvorsorge, besonders S. 20. Kritik an diesem Begriff als Voraussetzung für die Zuerkennung einer Grundrechtsfähigkeit üben SchmidtAßmann, in: BB 1990, a. a. O , S. 14; N. Zimmermann, in: JuS 1991, S. 299 f.; Scholz,

in: FS Sieg, 1976, S. 517; ders., in: MD, Art. 12, Rd. 402, benutzt stattdessen den weiteren Begriff "sozialwirtschaftliche Staatsbetätigung" und Badura, in: FS Schlochauer, S. 9, den der "Gemeinwirtschaftlichkeit". 647

Maurer, VerwR, Rd. 9; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1094; Brohm, in: NJW 1994,

S. 284; vgl. teilweise anders Ronellenfitsch,

in: HdDStR, III, § 84, S. 27.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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samtproblematik der öffentlichen Tätigkeit in der Wirtschaft und der öffentlichen 648 Teilnahme am Wettbewerb aus verfassungsrechtlicher Sicht - neben der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der öffentlich-wirtschaftlichen Tätigkeit und ihrer Grundrechtsbindung 649 .

α) Die öffentlichen Unternehmen Das BVerfG weicht nicht von seiner sonstigen Judikatur bezüglich der Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Unternehmen bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ab. Es geht davon aus, daß für eine solche Grundrechtsberechtigung ausschlaggebend sei, ob und inwieweit in der Rechtsstellung als juristische Person des öffentlichen Rechts eine Sach- und Rechtslage Ausdruck finde, welche nach dem Wesen der Grundrechte einer Anwendung derselben auf juristische Personen entgegenstehe. Es komme namentlich auf die Funktion an, in der eine juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen sei. Besteht diese in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so sei die juristische Person zumindest insoweit nicht grundrechtsfähig 650 . Diese Rechtsprechung, die die ganze Philosophie des Gerichts bezüglich der betroffenen Frage widerspiegelt, wird auch für die privatrechtlichen öffentlichen Unternehmen wiederholt, welche öffentliche Aufgaben 651 der Daseinsvor648

Man spricht häufig von wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates - so Η. H. Klein, Die Teilnahme - oder der öffentlichen Hand - so Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand. Diese Begriffe sind aber zu eng, weil sie die betroffene Problematik nur auf die wirtschaftliche bzw. wettbewerbliche Tätigkeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts beschränken, während inzwischen die öffentliche Wirtschaft aus einer Anzahl juristischer Personen des Privatrechts (den sog. privatrechtlich organisierten öffentlichen Unternehmen) besteht. Deshalb ist es rechtsdogmatisch zutreffender, von "öffentlich-wirtschaftlicher" Tätigkeit bzw. Wettbewerb zu sprechen; vgl. auch Schrikker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 4, der den Begriff der "öffentlichen Wirtschaftstätigkeit" als gleichbedeutend mit dem Begriff "eigenwirtschaftliche Betätigung" im Gegensatz zur "wirtschaftslenkenden Tätigkeit" benutzt. 649 s. dazu unten sub III 3 b dd, IV 2 a dd ε, b cc γ. 650 BVerfGE 68, 193, 207; 70, 1, 15; 75, 192, 197 (Sparkassen); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 515; im Prinzip und im Ergebnis gleich BVerfGE 45, 63, 78 (Stadtwerke Hameln); vgl. auch zustimmend VGH Mannheim DVB1. 1993, S. 118; Ehlers, Verwaltung, S. 84; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 100 ff.; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 451, Fn. 117 (dort); Stern, Staatsrecht III/l, S. 1168; Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rd. 10; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 57; Rüfner, ebenda, V, §116,, Rd. 6; Isensee, ebenda, V, § 118, Rd. 24; Dirnherger, Recht auf Naturgenuß, S. 226; Krebs, in: vM/K, Art. 19, Rd. 41f.; Broß, in: FS Piper, S. 110; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 47; Krüger, in: Sachs, GG-K, Art. 19, Rd. 62; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 178. 651 Zum Begriff "öffentliche Aufgabe" vgl. ausführlich Koch, Der rechtliche Status, S. 126 ff.; Kirmer, Der Begriff, S. 41 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

sorge wahrnehmen 652 , indem das BVerfG wie auch in seiner sonstigen Rechtsprechung hervorhebt, daß die Rechtsform der juristischen Person als solche keine Rolle für die (Nicht-)Anwendbarkeit der Grundrechte auf diese spielen soll 6 5 3 . Damit zeigt sich, daß das Durchgriffsargument hier für das Gericht eine besonders große Rolle spielt, da diese Gesellschaften bei ihren Maßnahmen zur Sicherung der Daseinsvorsorge nicht individuelle Rechte der hinter ihnen stehenden natürlichen Personen gegenüber der öffentlichen Gewalt verfolgen 654 . Aber auch wenn die öffentliche Hand und ihre Eigengesellschaften erwerbswirtschaftlich tätig werden, kommt nicht ohne weiteres ein Grundrechtsschutz für sie in Betracht, weil der hierfür erforderliche Bezug zum Freiheitsraum natürlicher Personen fehlt 6 5 5 oder weil sie bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung oder als Vermögensträger verschiedene "Vorrechte" (sog. "Fiskusprivilegien") genießen, die Privaten nicht zustehen und ihre Stellung von den Privaten differenzieren 656 . Insbesondere hinsichtlich der Frage, ob Gemeinden in ihrem außerhoheitlichen (erwerbswirtschaftlichen) Tätigkeitskreis den Grundrechtsschutz aus Art. 14 I GG genießen dürfen, hat das Gericht i m sog. Sasbach-Urteil dieses verneint, indem es angenommen hat, daß die Gemeinden sich in diesem Bereich in keiner "grundrechtstypischen Gefährdungslage" be-

652 BVerfGE 45, 63, 78 (Stadtwerke Hameln) - keine Grundrechtsfähigkeit einer Stadtwerke AG in dem Gebiet der Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge; BVerfG NJW 1980, S. 1093 - keine Grundrechtsfähigkeit der Technischen Werke der Stadt Stuttgart (TWS AG); vgl. auch BVerfGE 70, 1, 15; vgl. ferner die Hinweise auf das Schrifttum in der Fn. 662; Koppensteiner, in: NJW 1990, S. 3109, 3113, geht dagegen unzutreffend davon aus, daß das BVerfG die Versagung des Grundrechtsschutzes niemals nur mit der Erfüllung einer öffentlicher Aufgabe begründe. 653 Für die Einbeziehung der privatrechtlich organisierten öffentlichen Unternehmen, gerade wegen ihrer privatrechtlichen Organisationsform, in den Anwendungsbereich des Art. 19 III GG plädieren dagegen H. H. Klein, Die Teilnahme, S. 234 f.; v. Mutius, in: BK, Art. 19 III, Rd. 146 f.; Bettermann, in: FS Hirsch, S. 2 ff.; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 120; Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a. a. O , S. 10; ders, in: FS Niederländer, S. 393 ff, wo er seine Position analytischer darstellt; Pieroth, in: NWVBL 1992, S. 87 f.; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 68 f. 654 BVerfGE 45, 63, 78 (Stadtwerke Hameln); vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 583. 655 BVerfGE 75, 192, 197, 200 (Sparkassen); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 583; a. A. BVerfG BB 1960, S. 582, wo das Gericht darlegt, "daß auch der Staat in besonderen Fällen Grundrechte geltend machen kann, dann nämlich, wenn er im Rechtsleben nicht Staatsgewalt ausübt, sondern als Rechtssubjekt auf der Ebene der Gleichberechtigung mit den Staatsbürgern sein Recht sucht. Das ist u. a. dann der Fall, wenn er als Fiskus vermögensrechtliche Interessen geltend macht." Aus dem Vergleich dieser Urteile in Verbindung mit der sonstigen Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich zweifelsohne, daß das Gericht seine alte Position aufgegeben hat; wie die alte bundesverfassungsgerichtliche Judikate BVerwG NJW 1959, S. 591. 656 BVerfGE 61, 82, 105 f. (Sasbach).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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fänden 657 . Es ergänzt seine Argumentation sogar - um keinen Raum für einen Grundrechtsschutz der öffentlichen Hand aus Art. 14 I GG zu lassen - mit dem Leitsatz, daß Art. 14 GG als Grundrecht nicht das Privateigentum schütze, sondern das Eigentum Privater 658 . Das Novum dieser Entscheidung des BVerfG im Vergleich zu seiner älteren Rechtsprechung ist die Erstreckung des Argumentationstopos der "grundrechtstypischen Gefährdungslage" außer auf die hoheitliche auch auf die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand bzw. der Gemeinde 659 . Die öffentliche Hand kann auch mittelbar Besitzer oder Anteilseigner einer öffentlichen Gesellschaft sein, wenn eine juristische Person des Privatrechts, die ganz einer oder mehreren öffentlich-rechtlichen Körperschaften gehört, ihrerseits der einzige Anteilsinhaber eines anderen öffentlichen Unternehmens des Privatrechts ist 6 6 0 - die Grundrechtsträgerschaft wird auch dieser Gesellschaft abgesprochen 661.

ß) Die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen Hier handelt es sich um Unternehmen (AG oder GmbH), deren Anteile mindestens von einer juristischen Person des öffentlichen 662 und mindestens von einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts besessen werden 663 (vgl. auf Verfassungsebene den neu eingeführten Art. 87 e I I I GG) 6 6 4 . Für die Bezeichnung dieses Unternehmens als "gemischtwirtschaftlich" spielt es keine Rolle, ob die öffentliche Hand oder die Privaten die Mehrheit des Eigenkapitals

657 BVerfGE 61, 82, 105; vgl. auch BVerfGE 23, 12, 30 - kein Eigentumsschutz für Berufsgenossenschaften; 24, 367, 383 (hamburgische Deichordnung) - kein Eigentumschutz für einen Deichverband; 39, 302, 312 - kein Eigentumsschutz für die AOK; 78, 101, 102 - kein Eigentumsschutz für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten; zu Gemeinden vgl. auch BVerwGE 97, 143, 151; a. A. BGH DVB1. 1982, S. 1091. 658 BVerfGE 61, 82, 108 f. (Saßbach); vgl. auch BVerwGE 80, 1, 11; 90, 96, 101; 101,47, 49. 659 Vgl. aber BGH DVB1 1982, S. 1091, wo gerade dieses Argument benutzt wird, um die Grundrechtsträgerschaft aus Art. 14 I GG zu bejahen; vgl. auch BGHZ 108, 147, 152; BGH DÖV 1996, S. 702, 704, die öffentlich-rechtlichen Körperschaften die Eigentumsfähigkeit nach Art. 1411 GG i. V. m. Art. 19 III GG zuerkennen. 660 Vgl. BVerwG NJW 1995, S. 2938 f. (kommunaler Immobilienmarkler). 661 Vgl. BVerfG NJW 1980, S. 1093. 662 Dazu werden auch privatrechlich organisierte öffentliche Unternehmen gerechnet

- so Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a. a. Ο., S. 2 f. 663 So Pieroth, in: NWVBL 1992, S. 85; vgl. auch Gusy, in: JA 1995, S. 167 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 38. 664 Vgl. Gesetz zur Änderung des GG v. 20. 12. 1993 (BGBl. I, 2089); vgl. mehr zur Interpretation des Art. 87 e III GG Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, in: ZHR 1996, S. 521 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

besitzen 665 . Die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen sind immer privatrechtlich organisiert (hauptsächlich Kapitalgesellschaften) 666 . In seinem bisher einzigen Beschluß, der die Frage der Grundrechtsträgerschaft gemischtwirtschaftlicher Unternehmen betraf, hat das BVerfG diese verneint 667 . Das Gericht hat seine ältere, sich auf die Frage der Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Unternehmen hinsichtlich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge beziehende Rechtsprechung 668 wiederholt und ist davon ausgegangen, daß eine juristische Person des öffentlichen Rechts - in dem betreffenden Fall eine Stadt - auch dann eine öffentliche Aufgabe erfülle, wenn sie diese Aufgabe mit Hilfe einer A G wahrnehme, deren Aktien zwar nicht zu 100 %, sondern zu einem Anteil von 72 % der Stadt und zu dem restlichen Anteil anderen Privaten gehörten. Da diese gemischtwirtschaftliche Gesellschaft die Aufgabe ebenso wie eine vergleichbare Gesellschaft erfüllt, soll sie aus dem Anwendungsbereich des Art. 19 I I I GG ausgeklammert werden und demzufolge keinen Grundrechtsschutz genießen. Das Gericht hat zusätzlich noch zwei weitere Argumente benutzt, um diesem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen die Grundrechtsfähigkeit abzusprechen: Bei diesem Beteiligungsverhältnis habe die Stadt die Möglichkeit, auf die Geschäftsführung entscheidenden Einfluß zu nehmen, außerdem unterliege die betroffene A G aufgrund des Energiewirtschaftsgesetzes (BGBl I, S. 684) so starken Bindungen, daß in diesem Fall von einer rein privatrechtlichen Selbständigkeit nahezu nichts übrigbleibe 669 .

γ) Zwischenergebnis Aus der dargelegten Argumentation des BVerfG, die auch von einem Großteil des Schrifttums ergänzt mit anderen Argumenten übernommen wurde, um eine Grundrechtssubjektivität der öffentlichen Hand und der von ihr vollständig kontrollierten privatrechtlichen juristischen Personen abzulehnen, ergibt sich

665

Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a. a. O , S. 2 f.; vgl. aber Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 110, der als "gemischtwirtschaftliche Unternehmen" diejenigen Kapitalgesellschaften betrachtet, deren privater Anteilsbesitz mindestens über die zur Verminderung einer Satzungsänderung erforderliche Sperrminorität (§ 179 II AktG) verfügt. 666

Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a. a. O , S. 3; Spannowsky, in: ZHR 1996, S. 563.

667

BVerfG (Dreierkammer) JZ 1990, S. 335. Vgl. dazu oben Β II 3 c α. Der Beschluß ist auf heftige Kritik der Literatur getroffen; vgl. dazu Kühne, in:

668 669

JZ 1990, S. 335 f.; Koppensteiner, in: NJW 1990, S. 3108 ff.; Schmidt-Aßmann, in: BB

1990, a.a.O., S. 10 ff.; N. Zimmermann, in: JuS 1991, S. 296 ff.; ders., Der grundrechtliche Schutzanspruch, S. 224 ff.; Pieroth, in: NWVBL 1992, S. 86 ff.; vgl. auch aus dem neueren Schrifttum Spannowsky, in: ZHR 1996, S. 570 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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eine starke negative Tendenz des Gerichts, juristische Personen, die auf die eine oder andere Weise der öffentlichen Hand gehören oder deren Eigenkapital sich auf diese bezieht, als Grundrechtssubjekte anzuerkennen. Diese Ablehnung des BVerfG erstreckt sich sogar auf die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. Seine Argumentation ist vielfältig: Das "Durchgriffsargument", das sich auf die Natur, die Funktion und den Zweck der Grundrechte bezieht, menschliche Freiheit zu schützen, die Unvorstellbarkeit einer Grundrechtsfähigkeit bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, insbesondere der Daseinsvorsorge, und der Argumentationstopos der (fehlenden) "grundrechtstypischen Gefährdungslage" gelten als die wichtigsten Punkte. Das Gericht benutzt diese Kriterien nicht einheitlich. Mal wird verlangt, um die Grundrechtssubjektivität zu bejahen, daß die betroffene juristische Person erwerbswirtschaftlich und nicht hoheitlich bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben tätig werden soll, mal reicht das nicht aus, und es wird zusätzlich gefordert, daß sich die öffentlich-rechtliche bzw. privatrechtliche, aber der öffentlichen Hand vollständig gehörende juristische Person in einer den Privaten vergleichbaren "grundrechtstypischen Gefährdungslage" befinden soll. Ein anderes Mal genügen die beiden Voraussetzungen nicht, und man greift auf das "Durchgriffsargument" zurück. Schließlich übersieht das Gericht anscheinend dieses Argument für gemischtwirtschaftliche Unternehmen und kehrt zu der Lehre der per se Negation der Grundrechtsfähigkeit im Rahmen der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zurück 670 .

dd) Stellungnahme α) Prinzipiell keine Grundrechtsberechtigung für die öffentliche Hand Es liegt auf der Hand, daß es dem Gericht schwierig erscheint, Private und die öffentliche Hand auf eine Stufe zu stellen - das ist kurz gesagt die Philosophie seiner Rechtsprechung bezüglich der erörterten Frage, einige seiner Teilargumente offenbaren dies. Dieser Ausgangspunkt wird in den Fällen bestätigt, wenn ausnahmsweise doch eine Grundrechtsträgerschaft der öffentlichen Hand angenommen wird. In diesem Sinne ist seine Position richtig: In der Tat ist es die Aufgabe der öffentlichen Hand, die Freiheit zu schützen bzw. zumindest nicht zu verletzen (vgl. Art. 1 I I I i. V. m. Art. 93 I Nr. 4 a GG) und nicht im Rahmen seiner Kompetenzen oder sonstigen vom GG bestimmten Aufträgen und Aufgaben (vgl. Art. 20 I, II, 28 I, II, 30, 83 ff., 86 ff. GG) Freiheit auszu-

670 Vgl. auch zur Bilanz und Kritik der Rechtsprechung des BVerfG zu der hier erörterten Frage Koch, Der rechtliche Status, S. 102 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

üben und sie über Art. 19 I I I GG geltend zu machen 671 . Wenn es sich nicht um eine solche staatliche oder staatsähnliche Aufgabe handelt und die betroffene juristische Person tatsächlich mit den Privaten gleichgesetzt werden kann, ist die Grundrechtsträgerschaft hingegen vorstellbar.

ß) Keine Wettbewerbsfreiheit für die öffentlichen Unternehmen Die Grundrechtsträgerschaft kann jedoch nur selten vorkommen und dies nicht bei der öffentlich-wettbewerbswirtschaftlichen Betätigung 672 , selbst wenn sie ohne Rücksicht auf die Organisations- und Handlungsform erwerbswirtschaftlich ist 6 7 3 . Denn meistens ist der erwerbswirtschaftliche Charakter eines öffentlichen Unternehmens kostendeckend oder sekundär im Vergleich zu dem Hauptzweck, der die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe (ζ. B. öffentlicher Verkehr oder Versorgung) 674 oder eines öffentlichen Interesses aus sozialstaatlichen (Art. 20 I, 28 I GG) Gründen darstellt (ζ. B. Wohnungsvermittlung 675 oder Sozialversicherung 676 ) 677 . Dies ist zugleich die Diskrepanz zwischen der 671 Vgl. zu diesem Argument BVerfGE 61, 82, 102 (Sasbach); 68, 193, 206; 75, 192, 196 (Sparkassen); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 262; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 65 f.; Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 276 f.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 522; Krebs, in: vM/K, Art. 19, Rd. 41; Isensee, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 24; Kirmer, Der Begriff, S. 218 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 175 ff. 672 Diese öffentlich-wettbewerbswirtschaftliche Betätigung betrifft das Angebot von Waren und Dienstleistungen der öffentlichen Hand und ihrer Eigengesellschaften im wirtschaftlichen Wettbewerb neben Privaten und nicht ihre wirtschaftliche Monopolstellung; vgl. dazu Badura, in: FS Schlochauer, S. 3 f.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 4. 67 3 Leisner, Sozialversicherung, S. 136 f.; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 105; Stober, in: ZHR 1981, S. 580 ff.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, §24; Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 65 ff; ders., Grundrechtsberechtigung, S. 108; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 16 ff.; Emmerich, in: AG 1985, S. 295; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 93 f.; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 173; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 29; Ronellenfitsch, in: HdDStR, V, § 118, Rd. 40; Breuer, ebenda, VI, § 148, Rd. 57; Isensee, ebenda, V, § 118, Rd. 24; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 523; Krebs, a. a. O , Rd. 42; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rd. 7; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 47; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 24; a. Α. H. H. Klein, Die Teilnahme, S. 274 ff.; Bettermann, in: FS Hirsch, S. 3 ff.; sich Bettermann anschließend Kröger, in: JuS 1981, S. 29. 67 4 Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 6. 675 Vgl. dazu BVerwG NJW 1978, S. 1540 (Wohnungsvermittlung). 676 Vgl. dazu BSGE 36, 238, 239; BGHZ 82, 375, 393 (Brillen-Selbstabgabestellen); Leisner, Sozialversicherung, S. 116 ff. 67 7 Scholz, in: FS Sieg, S. 516 f.; Badura, in: FS Schlochauer, S. 5 ff.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 6 und 8; vgl. auch Grupp, in: ZHR 1976, S. 370 ff, 374 ff, der zwar zugibt, daß es öffentliche Unternehmen mit gemischten Zwecken gibt, aber mit Beispielen davon ausgeht, daß der gewinnerzielende Zweck in vielen Unternehmen, von

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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öffentlichen Hand und den Privaten, die in solchen Bereichen tätig werden 678 : Die öffentliche Hand wird - auch unternehmerisch - tätig, um eine öffentliche bzw. sozialstaatliche Aufgabe wahrzunehmen; die Privaten werden hingegen tätig, um ihre privaten Interessen wahrzunehmen, indem sie Gewinn anstreben 679 . Deswegen kann die öffentliche Hand i m Gegensatz zu den Privaten nicht grundrechtsberechtigt sein 680 . Aber auch wenn man theoretisch - oder in ganz seltenen Fällen praktisch 681 eine rein gewinnerzielende öffentlich-wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb annehmen w i l l (wie ζ. B. durch ein staatliches Autowerk 6 8 2 , einen städtischen Ratskeller oder eine Brauerei), so müßte man doch mit dem BVerfG davon ausgehen, daß die öffentliche Hand und ihre öffentlichen Unternehmen wegen der zahlreichen rechtlichen oder (vor allem) tatsächlichen Privilegien 683 , die sie genießen, fast nie als gleichberechtigte Mitbewerber neben den privaten Wettbewerbsteilnehmern in der Konkurrenzwirtschaft auftreten, selbst wenn sie rein privatrechtlich und -wirtschaftlich tätig werden und denselben wirtschaftsrechtlichen Gesetzen, insbesondere dem U W G (vgl. besonders § 1 UWG) und dem GWB (vgl. § 98 I GWB), aber auch den Normen des BGB (vgl. § 1004 BGB) unterliegen 684 6 8 5 . Eine Grundrechtsberechtigung durch Flucht ins Privatrecht darf nicht angenommen werden 686 .

den zu erfüllenden Daseinsvorsorgeaufgaben abgesehen, gegenüber den öffentlichen Zwecken vorherrsche. 678 Vgl. dazu Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 207 ff; Badura, a.a.O., S. 8; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 116 f. 679 Vgl. auch Scholz, in: FS Sieg, S. 516 f. 680 Vgl. auch Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 48; Breuer, ebenda, VI, § 148, Rd. 57. 681 Grupp, in: ZHR 1976, S. 372 f.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 11; Badura, in: FS Schlochauer, S. 7, bezeichnet die "rein erwerbswirtschaftliche" Betätigung der öffentlichen Hand als "scheinbar"; vgl. auch Ulmer, in: ZHR 1982, der die Grenzen zwischen der hoheitlichen und erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand als "fließend"charakterisiert. 682 Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 6. 683 Vgl. dazu ausführlich Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 17 ff.; vgl. auch BVerfGE 61, 82, 106 (Sasbach); BGHZ 82, 375, 395 ff. (Brillen-Selbstabgabestellen); Η. H. Klein, Die Teilnahme, S. 231 f.; Leisner, Sozialversicherung, S. 151 ff.; Stober, in: ZHR 1981, S. 586 ff.; Emmerich, in: AG 1985, S. 295; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 57; a. A. unzutreffend Bettermann, in: FS Hirsch, S. 21; von einer verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der sog. steuerlichen Fiskalprivilegien geht Leisner, in: BB 1970, S. 405 ff., aus. Die Richtigkeit dieser Ansicht kann hier dahingestellt bleiben. 684 Vgl. dazu, daß das der Fall sein kann, näher unten C II 1 c bb sowie BVerfGE 27, 364, 374; 64, 229, 238; BGHZ 82, 375, 395 ff. (Brillen-Selbstabgabestellen); 107, 273, 277 (Staatslotteriebezirksstelle); 110, 371, 381; BGH GRUR 1964, S. 212; BGH DÖV 1974, S. 787 f.; BGH NJW 1990, S. 1531 f. (Neugeborenentransporte); BVerwGE 39, 329, 337 (kommunales Bestattungsunternehmen); VGH Mannheim VerwArch 1994, S. 465; vgl. auch Ulmer, in: ZHR 1982, S. 466 ff.; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht,

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Hauptsächlich aus diesen Gründen erfolgt bei Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb die Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand 6 8 7 ; es kann nicht zu dem Paradoxum kommen, daß sie einerseits ihren privaten Konkurrenten gegenüber grundrechtsgebunden und andererseits der öffentlichen Gewalt gegenüber grundrechtsberechtigt ist 6 8 8 . Daraus muß gefolgert werden, daß die öffentliche Hand unabhängig von der Rechtsform und den Mitteln, die sie benutzt, um wettbewerbswirtschaftlich tätig zu werden, sich nicht auf die Wettbewerbsfreiheit und die Grundrechte, aus denen diese besteht, berufen darf. Praktisch bedeutet dies, daß eine öffentlichrechtliche Krankenversicherung 689 genauso wenig wie eine öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehenanstalt oder eine Landesbank bzw. Sparkasse 690 Träger der verfassungsrechtlichen Wettbewerbsfreiheit, die sich aus Art. 12 I 6 9 1 6 9 2 ,

§ 16, Rd. 29; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 278 ff.; a. A. Schachschneider, S. 268, in bezug auf die Anwendung namentlich des § 1 UWG und der sonstigen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften für die Tätigkeit des Staates im wirtschaftlichen Verkehr. 685 Es ist hier zu betonen, daß auch bei reinen Erwerbsbetrieben die Erhaltung einer öffentlichen Aufgabe nicht ausgeschlossen werden kann, so wie es der Fall bei Erwerbsbetrieben ist, die zur Preisbeeinflussung im Interesse der Gesamtwirtschaft verwendet werden - so Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 8; vgl. auch Badura, in: FS Schlochauer, S. 7; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 185. 686 So ausdrücklich Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 102; vgl. auch Leisner, Sozialversicherung, S. 142, der den Fiskus, der nie wie ein Privatmann behandelt werden kann, als "alter ego" des hoheitlichen Staates bezeichnet; Gusy, in: JA 1995, S. 171; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 178; kritisch dazu Pieroth, in: NWVBL 1992, S. 88; N. Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch, S. 236, Fn. 49 (dort). 687 s. dazu unten sub III 3 b. 688 Vgl. zum Zutreffen des Arguments bezüglich der öffentlichen wirtschaftlichen Betätigung Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 40; a. A. dagegen Koch, Der rechtliche Status, S. 103, welcher darlegt, daß aus einer Bindung an die Grundrechte nicht ohne weiteres auf das Fehlen der Grundrechtsfähigkeit geschlossen werden könne (und umgekehrt). 689 Vgl. dazu Leisner, Sozialversicherung, S. 128 ff, 136 ff. 690 So zu den Sparkassen BVerfGE 75, 192, 197 ff. (Sparkassen); Badura, in: FS Schlochauer, S. 17; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 102; Ladeur, in: AK, Art. 19 Abs. 3, Rd. 58; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 208; a. A. Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rd. 59; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1169; BVerwG NJW 1959, S. 591, in der das Gericht einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 i. V. m. Art. 19 III GG zugesprochen hat; offengelassen in BVerwG DVB1 1972, S. 781. 691 Ausdrücklich gegen eine Gewerbe- bzw. Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG der öffentlichen Hand Leisner, Sozialversicherung, S. 136; Scholz, in: FS Sieg, S. 523; ders., in: MD, Art. 12, Rd. 105; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 93; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 40; Breuer, ebenda, VI, § 148, Rd. 57; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 524; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 24; vgl. auch Stober, in: ZHR 1981, S. 580 ff.; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 108; Ladeur, in: AK, Art. 19, Rd. 58; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 10, Rd. 17; a. A. Bettermann, in: FS Hirsch,

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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14 I 6 9 3 GG usw. ergibt, sein kann 694 , obwohl es die Privaten, die an den entsprechenden Märkten partizipieren (von den sog. beliehenen Unternehmern 695 abgesehen) doch sind. Das gleiche gilt, wenn die bereits genannten öffentlichen Unternehmen in der Organisationsform und mit den Mitteln des Privatrechts tätig werden.

γ) Wettbewerbsfreiheit für gemischtwirtschaftliche Unternehmen? Sehr problematisch ist die Frage einer Grundrechtsberechtigung der sog. gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen Grundrechte, aus denen die Wettbewerbsfreiheit besteht. Geht man vom Ausgangspunkt "kein Grundrechtsschutz für Unternehmen, die öffentliche Aufgaben (der Daseinsvorsorge) erfüllen" aus, dann muß man dem BVerfG zustimmen 696 und den gemischtwirtschaftlichen Unternehmen die Grundrechtsfähigkeit in diesem Bereich absprechen. Wie ist die Lage im Falle einer rein erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit 697 , welche sogar noch häufiger als bei öffentlichen Unternehmen vorkommen

S. 7 ff, 11 ff.; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 120; differenzierend Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 65. 692 Man muß hier darauf hinweisen, daß die öffentliche Hand sich in bezug auf Art. 12 I GG auch nicht auf die freie Berufswahl berufen darf, wenn der Gesetzgeber ein öffentliches Unternehmen abschafft oder privatisiert. Ob das Gesetz aber verfassungsmäßig im Sinne des Sozialstaatsgebots aus Art. 20 I, 28 I GG ist, wenn das Unternehmen öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllt, deren Wahrnehmung von der öffentlichen Hand angesichts der Sozialstaatsklausel des GG geboten war, ist eine andere Frage, die hier aber offen bleiben kann. 693 Vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 514 f. (Privatisierung der Hamburger Feuerkasse). 694 Daß sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehenanstalten auf Art. 5 I 2 GG berufen dürfen, wie bereits gezeigt wurde (vgl. oben sub aa), ist eine andere Frage, die aber nicht mit der Wettbewerbsfreiheit zu tun hat. Ihre Grundrechtssubjektivität muß streng in den Grenzen dieser Vorschrift bleiben und sich nicht weithin auf andere Grundrechtsnormen wie Art. 121 oder 141 GG erstrecken; vgl. dazu BVerfGE 78, 101, 102 bezüglich des Eigentums. 695 Darunter versteht man diejenigen Unternehmen, die vom Gesetz zugewiesenen öffentlichen Aufgaben im eigenen Namen, aber im Auftrag des Staates hoheitlich wahrnehmen. Soweit sie als Beliehene und in Grenzen dieser vom Gesetz zugewiesenen Tätigkeit unternehmerisch tätig werden, dürfen sie nicht rechtliche Positionen aus Grundrechten geltend machen - so zutreffend Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rd. 61; Krüger, in: Sachs, GG-K, Art. 19, Rd. 64. 696 Vgl. oben sub cc ß. 697 Nach Englisch, Kommunales Eigentum, S. 141 f , ist der Argumentationstopos der erwerbswirtschaftlichen Betätigung eines gemischtwirtschftlichen Unternehmens ausschlaggebend, ihre Grundrechtsfähigkeit zu bejahen. 10 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

kann 698 ? Das "Durchgriffsargument" im Sinne eines fehlenden Bezugs auf die Freiheit Privater (natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts), das vom BVerfG benutzt wurde, um die Grundrechtssubjektivität der Sparkassen in ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung zu verneinen 699 , könnte hier zugunsten der Gegenmeinung verwendet werden 700 , soweit hinter diesen Unternehmen nicht nur die öffentliche Hand, sondern auch Private stehen. Eine Verneinung ihrer Grundrechtsberechtigung würde bedeuten, daß ihre Interessen genauso wenig außer acht bleiben sollten wie die Interessen privater Unternehmen, die auf eine unternehmerische Weise handeln 701 . Man kann aber andererseits nicht ausschließen, daß wegen der beherrschenden Rolle, die die öffentliche Hand häufig in der Verwaltung und dem Anteil eines solchen Unternehmens spielen kann, die Teilnahme Privater nur dekorativ oder bagatellisiert 702 bleibt und das Unternehmen im Prinzip den gleichen Status mit den gleichen Privilegien in der Wettbewerbswirtschaft wie ein öffentliches Unternehmen hat. Es kommt nicht von ungefähr, daß das BVerfG in seinem bisher einzigen, diese Frage betreffenden Beschluß auch auf diese Argumente rekuriert hat 7 0 3 . Aus diesen Gründen kann eine Grundrechtsberechtigung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen und demzufolge ihre Einbeziehung in den persönlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit über Art. 19 I I I GG nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden. Es muß jedes Mal in concreto ihr (wirtschafts)rechtlicher und wettbewerblicher Status geprüft und dann die Frage beantwortet werden, ob sie grundrechtsberechtigt sind und demgemäß, ob sie sich auf die Wettbewerbsfreiheit berufen dürfen. Einer AG, in der die Teilnahme 698

Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a. a. O , S. 3.

699

BVerfGE 75, 192, 200 (Sparkassen).

700

Koppensteiner, in: NJW 1990, S. 3113.

701

Von einer Grundrechtsfähigkeit gemischtwirtschaftlicher Unternehmen wegen des Gedankens des Grundrechtsschutzes für die privaten Anteilseigner gehen Ehlers, Verwaltung, S. 85; ders, in: JZ 1990, S. 1096; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, §16, Rd. 18; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 29; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1169 f.; Bleckmann, Staatsrecht II, § 9, Rd. 10 f.; Kühne, in: JZ 1990, S. 336; Koppensteiner, in: NJW 1990, S. 3109, 3113; Rüfner, in: HdDStR, V, § 116, Rd. 81; Gusy, in: JA 1995, S. 171, aus; dazu neigt seit kurzem auch Spannowsky, in: ZHR 1996, S. 571. Daneben gibt es auch die Meinung, nach der die Einordnung der gemischtwirtschaftlichen genauso wie der privatrechtlich organisierten öffentlichen Unternehmen in den Anwendungsbereich des Art. 19 III GG wegen ihrer privatrechtlichen Organisationsform bejaht werden soll - vgl. die diesbezüglichen Nachweise oben sub cc α. 702 Vgl. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1170, der in diesem Fall von einer "Alibifunktion" der Privaten spricht. 703 v g | gfogp zustimmend Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 19 III, Rd. 49; kritisch dagegen ausgerechnet zu diesen Argumenten nicht nur aus verfassungs-, sondern eher aus gesellschaftsrechtlichen Gründen, Kühne, in: JZ 1990, S. 336; Koppensteiner, in: NJW 1990, S. 3109,3113.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Privater anteilsgemäß und / oder an ihrer Verwaltung von nicht geringfügiger Bedeutung ist, so daß sie sich von einem öffentlichen Unternehmen unterscheiden kann 704 und sich auf einem Markt in einer mit Privaten vergleichbaren "grundrechtstypischen Gefährdungslage" befindet, darf dieses Recht nicht abgesprochen werden 705 . Ob dies tatsächlich häufig der Fall ist oder nicht, kann nur die Praxis zeigen 706 .

I I I . Die Grundrechtsadressaten der Wettbewerbsfreiheit 1. Problemstellung Die Lehre der Grundrechtsbindung beschäftigt sich mit der Frage, wer durch die Grundrechte verpflichtet wird. Hier wird diese Lehre hinsichtlich der durch die Wettbewerbsfreiheit Gebundenen oder Adressaten relevant - Art. 1 III GG, der die Grundrechtsbindung regelt, kommt diesbezüglich in Betracht. Historisch und grundrechtsdogmatisch betrachtet ist die Bedeutung dieser Vorschrift erheblich. Sie ist nicht nur eine Spezifizierung des Art. 20 I I I GG 7 0 7 - hätte sie nur eine solche Bedeutung, könnte sie als überflüssig bezeichnet werden -, sondern sie zeigt vielmehr die normative Kraft der Grundrechtsnormen, die 704 Vgl. dazu Stern, Staatsrecht III/l, S. 1170; hier aber wird zu Vorsicht angeraten: Die Teilnahme Privater an einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen darf sich nicht auf ein unelastisches Beteiligungsquotenkriterium, wie ζ. B. 10 %, 51 % oder 75 % beziehen, weil verschiedene Unternehmen mit dem gleichen privaten Anteil wirtschaftsund verfassungsrechtlich unterschiedlich behandelt werden können. Man sollte besser auf die tatsächliche und nicht auf die arithmetische Wirkung der öffentlichen oder privaten Teilnahme, auf den Anteil und vor allem auf die Verwaltung achten; das Beteiligungsquotenkriterium lehnen aus Rechtssicherheitsgründen zu Recht Η. H. Klein, Die Teilnahme, S. 234, Fn. 30 (dort); Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a. a. Ο., S. 10; Kühne, in: JZ 1990, S. 335, ab; dafür sind Zeidler, in: VVdDStRL (19) 1961, S. 253, der die Grundrechtssubjektivität bejaht, wenn die Privaten mindestens 51 % der Anteile besitzen; Maser, Die Geltung der Grundrechte, S. 158 ff., der die Grundrechtsberechtigung in dem Falle annimmt, daß die öffentliche Hand weniger als das Viertel des Gesellschaftskapitals besitzt oder entscheidenden Einfluß auf die Unternehmensverwaltung

hat; vgl. auch die Auseinandersetzung von Dürig, Zeidler, Scheuner und Bettermann

über die Höhe der Beteiligungsqote Privater als Kriterium für die Bejahung der Grundrechtsberechtigung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens im Diskussionsbeitrag in VVDStRL (19) 1961, S. 253, die ganz eindeutig zeigt, daß eine diesbezügliche Diskussion zu einem Teufelskreis führen kann. 705 Ähnlich Stern, Staatsrecht III/l, S. 1170; vgl. auch Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 226 f.; dazu tendiert auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 178 f. 706 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, in: BB 1990, a. a. O., S. 3, der davon ausgeht, daß zum Wesen des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens nicht immer die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gehört; N. Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch, S. 237, klammert die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen aus der öffentlichen Verwaltung aus. 707 Vgl. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1263; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 180.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

sich nicht in Programmsätzen mit bloßem proklamatorischen Charakter, wie sie in der W R V ausgelegt wurden, erschöpft, sondern sie gilt als alle drei Staatsgewalten (Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung) unmittelbar bindendes Recht 708 . Der unter der W R V viel diskutierte Auslegungssatz "Die Grundrechte gelten nach Maßgabe der G e s e t z e " ^ wurde unter dem GG in den Auslegungssatz umgekehrt: "Die Gesetze gelten nach Maßgabe der Grundrechte" 710 . Art. 1 I I I i. V. m. Art. 19 I V und 93 14 a GG garantieren, daß die Grundrechte subjektive Abwehrrechte sind 711 . Das stellt den einen Teil des Inhalts dieser Grundrechte dar: die Bindung. Die Grundrechte hätten keine praktische Bedeutung, wenn ihre Adressaten nicht an sie gebunden wären 712 - das hat die Erfahrung mit der W R V deutlich gezeigt. Art. 19 I V und 93 14 a GG sind das Gegenstück des Art. 1 I I I GG: die justizielle Geltendmachung. Die einzelnen Grundrechtsnormen sind der Inhalt dieser Bindung, deren Verletzung gerichtlich geltend gemacht werden kann 7 1 3 . Das fuhrt dogmatisch sowie praktisch zum Ergebnis, daß es den Grundrechtsadressaten nicht erlaubt ist, in die Grundrechtsausübung der Grundrechtssubjekte einzugreifen und, wenn sie dies überhaupt tun, nur in den von der Verfassung festgelegten Grenzen und unter den von ihr gesetzten Maßgaben 714 . Es wird u. U. besonders dann, wenn es sich um die Realisierung einer staatlichen Schutzpflicht 715 handelt, angenommen, daß die staatlichen Gewalten nicht durch Unterlassen, sondern durch Handeln grundrechtsgebunden sind 716 . Schließlich ist die Problematik der Grundrechtsbindung unmittelbar mit zwei anderen Lehren der Grundrechtsdogmatik verbunden, nämlich der des Grundrechtsschutzbereichs (Umfang) und der Grundrechtseingriffe (Intensität, Form) 7 1 7 . In diesem Kapitel soll die Bindung an die Wettbewerbsfreiheit der Gesetzgebung und der vollziehenden Gewalt (Exekutive) ermittelt werden. Die Aspekte einer Grundrechtsbindung der judikativen 708

Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 14; Diederichsen, in: Starck (Hg.), Rangordnung der Gesetze, S. 48; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 180. 709 Krüger, Grundgesetz und Kartellgesetzgebung, S. 12. 710 Ebenda; sich Krüger anschließend Stern, Staatsrecht III/l, S. 1201; Kunig, in: vM/K, Art. l,Rd. 58. 711 Vgl. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1208; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 14; vgl. auch oben sub I 3. 712

Vgl. Jarass, in: J/P, a. a. O , Rd. 14.

713

Vgl. auch BVerfGE 6, 386, 387.

714

Kunig, in: vM/K, Art. 1, Rd. 59.

715

Vgl. dazu unten sub VI. So Stern, Staatsrecht III/l, S. 1285 ff. (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG); Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 15; Höfling, in: Sachs, GGK, Art. 1, Rd. 90. 717 Vgl. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1205 f , 1343; Eckhoff Grundrechtseingriff, S. 110 ff. 716

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Gewalt werden unten bei der Erörterung der sog. Drittwirkungsproblematik dargestellt 718.

2. Die Bindung der Gesetzgebung an die Wettbewerbsfreiheit Die Bindung der Gesetzgebung an die Wettbewerbsfreiheit bzw. die Grundrechte, aus deren Schutzbereichen die Wettbewerbsfreiheit besteht, ist unproblematisch. Unter "Gesetzgebung" versteht man die (förmliche) Bundes- bzw. Landesgesetzgebung719 und die ihrer Teil- und Unterorgane 720 (ζ. B. Untersuchungsausschüsse oder Fraktionen 721 ) sowie die sog. Gesetzgebungsverträge und Vertrags- oder Zustimmungsgesetze (Art. 59 I I 1 GG) 722 . Strittig ist, ob die sog. materiellen Gesetze, d. h. Rechtsnormen wie Rechtsverordnungen (Art. 80 I GG) oder Satzungen (Art. 28 I I GG), die nicht vom Bundes- oder Landesgesetzgeber, sondern von Organen der Exekutive erlassen werden, als Rechtsakte der Legislative oder der Exekutive 723 betrachtet werden sollen. Die Auseinandersetzung darüber kann hier dahingestellt bleiben 724 , ihre Bindung an die Grundrechte ist indes unstreitig 725 . Umstritten ist auch die rechtliche Natur der Tarifverträge. Nach h. M. wird anerkannt, daß diese Rechtsnormen enthalten und die Tarifvertragsparteien (Koalitionen) vom Gesetz (TVG) im Rahmen ihrer Tarifautonomie (Art. 9 I I I GG) ermächtigt werden, autonomes Recht zu setzen (vgl. § 1 I TVG) 7 2 6 . Ihre Tarifautonomie aus Art. 9 I I I GG entbindet sie nach dieser autonomen Rechtsetzung unter Maßgabe des Gesetzes jedoch nicht von der Grundrechtsbindung aus Art. 1 I I I GG 7 2 7 .

718

Vgl. dazu unten sub C. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1269; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 14. 720 Stern, Staatsrecht III/l, S. 1289. 721 Vgl. zu der hier erörterten Frage der Bindung an die Wettbewerbsfreiheit VG Bremen NJW 1988, S. 842, wonach die Bindung einer Bürgerschaftsfraktion an die vom Gericht in Art. 2 I GG verortete Wettbewerbsfreiheit bzw. -fähigkeit angenommen wurde. 722 So Stern, Staatsrecht III/l, S. 1270. 723 So Stern, Staatsrecht III/l, S. 1328 ff.; BVerwGE 90, 359, 362; BGHZ 78, 41, 43; 111, 349, 353 (Kakaoverordnung); BGH DVB1. 1993, S. 719. 724 Vgl. Maurer, in: JZ 1991, S. 38, der darlegt, daß die Rechtsverordnung als Rechtsetzungsakt im Schnittpunkt beider Bereiche (Exekutive und Legislative) liege. 725 Stern, Staatsrecht III/l, S. 1328 ff.; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 16. 726 Zur h. M. und ihrer Kritik vgl. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1274 ff. 727 Stern, ebenda; Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 103 f.; vgl. zu einer unmittelbaren Bindung eines TV an Art. 12 I GG BAG NZA 1990, S. 854; a. A. Dreier, in: ders., Grundgesetz, Art. 1 III, Rd. 26; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 1, Rd. 88. 719

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

In bezug auf die Wettbewerbsfreiheit bedeutet das, daß der Gesetzgeber die Wettbewerbsfreiheit der Marktsubjekte zu beachten hat und nur dann eingreifen darf, wenn das GG und seine Grundprinzipien es erlauben. Seine Eingriffsermächtigung ist trotz seiner Grundrechtsbindung aus Art. 1 I I I GG wegen der Möglichkeiten, die die Verfassung ihm gibt, sehr groß. Zu erwähnen sind besonders die Art. 12 12, 14 12, II, I I I GG, das Sozialstaatsprinzip (Art. 201, 28 I GG) und der weite Ermessens- oder Beurteilungsspielraum in wirtschaftspolitischen Fragen, den er im Rahmen der relativen Offenheit der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung besitzt 728 .

3. Die Bindung der vollziehenden Gewalt an die Wettbewerbsfreiheit a) Der Begriff'"vollziehende Gewalt" i. S. d. Art. 1 I I I GG Während die Grundrechtsbindung der Gesetzgebung relativ unproblematisch ist, ist der Begriff "vollziehende Gewalt" nicht ohne Auslegungsprobleme. Unter "vollziehender Gewalt" i. S. d. Art. 1 I I I GG versteht man alle Exekutivorgane des Bundes oder der Länder sowie die ihnen unterstellten Behörden und Organisationseinheiten einschließlich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts der mittelbaren Staatsverwaltung und Selbstverwaltung 729. Dies sind namentlich die Bundesregierung mit ihren Ministerien, die Landesregierungen mit den entsprechenden Ministerien, die selbständigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Körperschaften, Anstalten, Stiftungen) und die Gemeinden730. Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Teilaspekt des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 I I I GG) ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden und darf nur demgemäß agieren 731 (vgl. auch den neuen Art. 20 a GG). Eine verfassungswidrige oder grundrechtseinschränkende Tätigkeit der Verwaltung aufgrund eines verfassungswidrigen oder grundrechtseinschränkenden Gesetzes muß dem Gesetz und nur als Reflex auch der Verwaltung zugerechnet werden. Die Verwaltung wird nicht immer gebunden, sondern häufig nach Ermessen in einem nicht selten weiten Beurteilungsspielraum 732 tätig. Nur innerhalb dieser Grenzen sowie in der sog. gesetzesfreien Verwaltung 733 und nach der Konkretisierung gesetzlicher Generalklauseln oder 728

Vgl. dazu oben sub A I 2 b. So Stern, Staatsrecht III/l, S. 1324. 730 So Stern, Staatsrecht III/l, S. 1324; Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 1. 731 Vgl. dazu statt aller Maurer, VerwR § 6, Rd. 1. 732 Vgl. dazu Stern, Staatsrecht III/l, S. 1351; Maurer, VerwR, § 7, Rd. 1 ff, 7 ff. 733 Vgl. dazu Maurer, VerwR, § 1, Rd. 25, der eine Grundrechtsbindung der gesetzesfreien Verwaltung annimmt. Gesetzesfrei kann die Verwaltung z. B. nach der Er729

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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unbestimmter Gesetzesbegriffe kann ein verfassungswidriger oder grundrechtseinschränkender Akt der Verwaltung dieser als Ausfluß ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung zugerechnet werden 734 . Die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben, betreffen die Möglichkeit der modernen Verwaltung, Organisationsformen und -mittel aus dem Privat- und dem öffentlichen Recht zu wählen 735 sowie ihre dementsprechend vielfältige Teilnahme an Wettbewerb und Wirtschaft. Es liegt auf der Hand, daß die hoheitliche (obrigkeitliche) und inzwischen die schlicht-hoheitliche und schlichte 736 Tätigkeit der Verwaltung unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind 737 . Nicht aber so selbstverständlich scheint die Beantwortung der Frage zu sein, ob die Verwaltung in ihrer wirtschaftlichen bzw. wettbewerblichen Tätigkeit, die hier von größtem Interesse ist, unter den Begriff "vollziehende Gewalt" i. S. d. Art. 1 I I I GG fällt und demgemäß grundrechtsgebunden ist. Die Frage betrifft die wirtschaftliche Betätigung der Verwaltung in privatrechtlichen Organisationsformen und/oder mit privatrechtlichen Mitteln in allen drei bereits dargelegten Bereichen. Diese Problemstellung ist als Frage der sog. "Fiskalgeltung der Grundrechte" 738 bekannt und hängt mit einer anderen Frage zusammen: der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der staatlichen wirtschaftlichen bzw. erwerbswirtschaftlichen Betätigung und dementsprechend der Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettberichtung einer gesetzlich nicht zwingend vorgeschriebenen kommunalen Einrichtung handeln. 734 Vgl. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1350 ff., mit der zutreffenden Bemerkung: "Je freier die Verwaltung vom Gesetz gestellt ist, desto stärker muß die unmittelbare Bindung greifen"; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 20. 735 Vgl. dazu oben sub II 3 b bb. 736 Zu Schwierigkeiten, die der Begriff "schlichtes Verwaltungshandeln" verursacht, und zu Alternativvorschlägen vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rd. 40 (m. w. N.); vgl. auch Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 17. Man kann allerdings die Begriffe "schlicht-hoheitliches" und "schlichtes" Verwaltungshandeln einheitlich verwenden und darunter "diejenigen Maßnahmen hoheitlicher Verwaltung" verstehen, "die überhaupt keinen Regelungscharakter haben, deren Wirkungen also unabhängig von jeder Regelung eintreten" - so Ramsauer, S. 45 (m. w. N.). 737 Dürig, in: FS Nawiasky, S. 185, Fn. 62 (dort); Ehlers, Verwaltung, S. 214 f.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 30; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1340 f.; Bleckmann, Staatsrecht II, §10, Rd. 39; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §23, Rd. 39 ff.; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 1, Rd. 92; zur Grundrechtsbindung der Verwaltung in ihrem schlicht-hoheitlichen bzw. schlichten Handeln vgl. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 16; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 670; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 63; BVerwGE 71, 183, 193 f. (Transparenzlisten); 82, 76, 77 f. (Jugendsekten); 87, 37, 43 f. (Diethylenglykolweine), wo diese Grundrechtsbindung der Verwaltung u. a. auch aus der objektiven Wertordnung der Verfassung abgeleitet wird; VGH Kassel NJW 1985, S. 1357; VGH Kassel GewArch 1995, S. 416. 738 Vgl. zum Begriff Low, in: DÖV 1957, S. 879 f.; Emmerich, in: JuS 1970, S. 332 ff.; Kopp, in: FS Wilburg, S. 150 f.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

werb. Die rechtliche Bewertung dieser Teilnahme und die Auseinandersetzung über ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit ist zu einem der schwierigsten und umstrittensten Probleme des Wirtschaftsverfassungs- und Verwaltungsrechts ge dargestellt

b) Grundrechtsbindung der Verwaltung in ihrer privatrechtlichen Handlung? aa) Grundrechtsbindung im Bereich des sog. Verwaltungsprivatrechts Während die Grundrechtsbindung der Verwaltung in der Organisationsform des öffentlichen Rechts keinen Zweifel an weiterer Auseinandersetzung läßt, kann man das Argument in die Diskussion einbringen, daß die privatrechtlich handelnde Verwaltung nicht den staatlichen Status, sondern eine Privatautonomie besitzt, daß sie nicht als (öffentliche) vollziehende Gewalt betrachtet werden kann und demgemäß nicht grundrechtsgebunden ist 7 3 9 . Diese Auffassung kann zumindest für den Bereich des Verwaltungsprivatrechts nicht angenommen werden. Es wird kaum mehr bestritten 740 , daß juristische Personen des Privatrechts, die sich privatrechtlicher Mittel bedienen, um öffentliche Aufgaben wahrzunehmen (öffentliche Unternehmen), grundrechtsgebunden nach Art. 1 I I I GG sind 7 4 1 . Die Befreiung von der Grundrechtsbindung durch "Flucht

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Vgl. Bettermann, in: FS Hirsch, S. 20; Emmerich, in: JuS 1970, S. 334 ff. BGHZ 29, 76, 80; 33, 230, 233; 37, 1, 27 ff.; 52, 325, 326 ff.; 65, 284, 286 f.; 91, 84, 96; BGH DÖV 1974, S. 785 ff; BGH NJW 1992, S. 173; BVerwG NVwZ 1990, S. 754; BVerwG NVwZ 1991, S. 59; OVG Lüneburg NVwZ 1990, S. 92; vgl. auch BGH NVwZ - RR 1989, S. 388 f.; Dürig,, in: FS Nawiasky, S. 186; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 19; ders, in: J/P, Art. 1, Rd. 18; C. Starck, in: vM/K/S, Art. 3 Abs. 1, Rd. 188; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 48; Isensee, ebenda, V, § 111, Rd. 63; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1415; Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 45; v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 35; Gusy, in: JA 1995, S. 171; Röhl, in: VerwArch 1995, S. 576; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 1 III, Rd. 51; Hesse, Grundzüge, Rd. 346; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 207; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 1, Rd. 94; Spannowsky, in: ZHR 1996, S. 569; zögernd Maurer, VerwR, §6, Rd. 10; dagegen sprechen Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 119 f , und Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 47 f , im Falle der privatrechtlich organisierten öffentlichen Unternehmen von einer Grundrechtsbindung nicht der Eigengesellschaft selbst, sondern der Mutterkörperschaft. 741 Besondere Bedeutung erlangt die Grundrechtsbindung bzw. die Bindung an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 I GG und seiner spezifischen Formen in Art. 3 II, III GG (Diskriminierungsverbot) der Verwaltung im Verwaltungsprivatrecht, wenn sie im Bereich des Verkehrs, der Versorgung mit Wasser, Strom und Gas sowie für die Müll- und Abfallbeseitigung ihre Dienstleistungen in einer monopolisierten Art nach einem Anschluß- und Benutzungszwang gewährt - vgl. dazu C. Starck, in: vM/K/S, Art. 1, Rd. 188; vgl. auch unten sub C II 1 c bb. 740

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ins Privatrecht" kann verfassungsrechtlich nicht zulässig sein 742 . Der Staat kann auch in diesem wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Bereich keine Privatautonomie besitzen 743 . Die Rechtsform spielt für die Grundrechtsbindung genauso wenig eine Rolle wie für die Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand 744 . Das ist auch bei der Subventionenvergabe sowie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Verwaltung der Fall 7 4 5 , zwei Bereiche, die im wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Sinne sehr wichtig sind. Die Verwaltung ist während der Erfüllung dieser Aufgabe sowohl bei dem Erlaß des Verwaltungsaktes als auch bei der Anwendung der privatrechtlichen Mittel grundrechtsgebunden. Genauso grundrechtsgebunden sind die sog. beliehenen Unternehmen während der Wahrnehmung ihrer vom Gesetz zwar in ihrem eigenen Namen, aber im Auftrag des Staates zugewiesenen öffentlichen Aufgaben 746 , und die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, soweit die Rolle der öffentlichen Hand im Anteil und der Verwaltung von solch erheblicher Bedeutung ist, daß die Teilnahme von Privaten nur als Alibifunktion betrachtet werden kann und sie nicht von einem öffentlichen Unternehmen unterschieden werden können 747 7 4 8 . Grund-

742

Dürig, in: FS. Nawiasky, S. 186; ders., in: MD, Art. 1 Abs. 3, Rd. 134; v. Münch, Vorb. Art. 1-19, Rd. 35; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §23, Rd. 32; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 211; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 152; Faber, in: DÖV 1995, S. 405; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 64. 743 Vgl. Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 267 ff.; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1405 (m. w.N.), 1412; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 41; Hesse, Grundzüge, Rd. 348. 744 Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 118; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 40; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 314 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 348; vgl. auch oben sub II 3 c aa. 745 Vgl. dazu C. Starck, in: vM/K/S, Art. 1, Rd. 188; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1404, 1416; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 43; zur Grundrechtsbindung der Verwaltung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vgl. ausführlich Pietzker, in: AÖR 1982, S. 69 ff.; Zuleeg, in: WiVerw 1984, S. 120; Faber, in: DÖV 1995, S. 405. 746

Dürig, in: MD, Art. 1 Abs. III, Rd. 107; Kunig, in: vM/K, Art. 1, Rd. 60; Jarass,

in: J/P, Art. 1, Rd. 16; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Art. 1 III, Rd. 25; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 1, Rd. 78; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 183. 747 Vgl. ähnlich Stern, Staatsrecht III/l, S. 1421; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 227; dazu neigt auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 74 f.; differenzierend Dreier, in: ders., Grundgesetz, Art. 1 III, Rd. 52; vgl. auch BGH NVwZ - RR 1989, S. 388 f., wonach es sich zwar nicht um die Grundrechtsbindung, sondern um die ähnlich diskutierte Frage der Bindung an das öffentliche Recht eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens mit Aktienanteil der öffentlichen Hand von insgesamt 23 % handelte. Der BGH hat auf seine ältere sowie auch auf die Rechtsprechung des BVerfG hingewiesen und ist zu dem Schluß gekommen, daß das betroffene Unternehmen an das öffentliche Recht gebunden sei, denn es erfülle öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge. Die Organisations- und Handlungsform sowie die Höhe des Anteils der öffentlichen Hand dürfte keine Rolle spielen; ähnlich Englisch, Kommunales Eigentum, S. 141 f. am Beispiel der kommunalen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen; MeyerArndt, in: ZUM 1996, S. 765, bejaht die Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, wenn die öffentliche Hand Mehrheitsaktionär ist; a. Α. Schricker, Wirt-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

rechtsgebunden sind auch die Verwaltung bzw. ihre Eigenunternehmen in ihrer konkurrenzwirtschaftlichen Tätigkeit gegenüber den privaten Konkurrenzteilnehmern in diesem Bereich 749 .

bb) Grundrechtsbindung der Verwaltung nach dem Abschluß der Bedarfsdeckungs(hilfs)geschäfte Strittig ist dagegen die Grundrechtsbindung der Verwaltung, wenn sie beim Abschluß von Hilfs- oder Nebengeschäften zur Bedarfsdeckung bzw. Beschaffung von Sachgütern 750 (ζ. B. Büromaterial, Kraftfahrzeugen, Grundstücken, Verwaltungsgebäuden) 751 mit privatrechtlichen Mitteln (privatrechtliche Kauf-, Miet- oder Werkverträge) tätig wird 7 5 2 , ζ. B. bei dem Abschluß eines Bewachungsvertrages über stadteigene Parkflächen zwischen einer Stadt und einem Privatunternehmen 753 . Dafür spricht nicht nur der Wortlaut ("vollziehende Gewalt" und nicht nur "Verwaltung"), sondern auch der Sinn und Zweck dieser Vorschrift, die die ganze Verwaltungsbetätigung umfassen w i l l oder zumindest kann 7 5 4 . Diese Bedarfsdeckungsgeschäfte erfüllen materielle Verwaltungsfunktionen und dienen demzufolge öffentlichen und nicht privaten Zwecken 755 7 5 6 .

schaftliche Tätigkeit, S. 33, der in der Fn. 38 (dort) darlegt, daß es keine Rolle für die Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerbsteilnehmer spiele, ob der Anteil der öffentlichen Hand an einer AG, die auf demselben Markt auftritt, von 49 % auf 51 % oder 100 % steige. Die Wettbewerbsfreiheit der Privaten bleibe durch die staatliche Konkurrenz in jedem Fall unberührt; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 49, der eine Grundrechtsbindung der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen angesichts der privaten Teilnahme an ihnen prinzipiell ablehnt; dazu tendiert auch ,Spannowsky, in: ZHR 1996, S. 571, mit dem Argument, soweit ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen wegen der privaten Anteilsteilnahme grundrechtsberechtigt sei, es deswegen von der Grundrechtsbindung befreit werden soll. 748 Ob und inwieweit der Mehrheitsaktionär "öffentliche Hand" gegenüber den privaten Minderheitsaktionären grundrechtsgebunden ist, kann hier offen bleiben. 749 Mehr dazu unten sub dd. 750 Vgl. BGHZ 36, 91 ff. (Gummistrümpfe). 75 1 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 204. 752 Vgl. zu einer gesamten Betrachtung der Frage der öffentlichen Bedarfsdeckung im Lichte der Grundrechte Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 221 ff, der in diesem Bereich insbesondere die Grundrechte aus Art. 121, 141 und 3 GG als Prüfungsmaßstab heranzieht, ohne die Anwendung anderer Grundrechte auszuschließen. 753 Vgl. zum Beispiel Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 65. 754 Vgl. auch Ehlers, Verwaltung, S. 215 f.; Faber, in: DÖV 1995, S. 405; Hermes, in: JZ 1997, S. 912. 755 Vgl. so Rittner, Öffentliches Auftragswesen, Rd. 58 ff.; weiterhin Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 1 III, Rd. 49; ferner BGH NJW 1977, S. 630 (Abschleppunternehmen); a. A. BGHZ 36, 91, 94 ff. (Gummistrümpfe).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Darum scheint es und ist es tatsächlich verfassungsrechtlich unzulässig, daß diese Betätigung aus dem Anwendungsbereich des Art. 1 I I I GG ausgenommen wird und dementsprechend der Verwaltung die aus dieser Norm abgeleitete Grundrechtsbindung entzogen wird 7 5 7 7 5 8 .

cc) Grundrechtsbindung der Verwaltung in ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit Die Frage, ob und inwieweit die Verwaltung bzw. ihre Eigenunternehmen während ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung gem. Art. 1 I I I GG an die Grundrechte gebunden sind, hat zweierlei Bedeutung: Einerseits kommt die Frage nach einer Grundrechtsbindung gegenüber den privaten Auslieferern, Verbrauchern, Anbietern und Nachfragern, kurz gesagt: der anderen Marktseite, und andererseits gegenüber den privaten Mitbewerbern in Betracht. I m folgenden wird zunächst die erste, später die zweite Frage geprüft. Was bereits über die Tätigkeit der Verwaltung beim Abschluß von Bedarfdeckungshilfsgeschäften dargelegt wurde, gilt aus denselben Gründen ebenfalls für ihre Betätigung in der Erwerbswirtschaft, so daß sie auch in die756 Diese Schlüsse gelten auch, wenn die öffentliche Hand durch ihre Betätigung im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in eine Wettbewerbslage dadurch eingreift, daß sie fremden Wettbewerb fordert - vgl. aber anders OLG München NJW - RR 1995, S. 1005. 757 So Stern, Staatsrecht III/l, S. 1405 ff, insbesondere die S. 1416 ff.; vgl. auch Pietzcker, in: DÖV 1981, S. 539 f.; ders, in: AÖR 1982, S. 71 f.; Zuleeg, in: WiVerw

1984, S. 120; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 18; Faber, in: DÖV 1995, S. 405; Gusy, in: JA

1995, S. 171; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Art. 1 III, Rd. 49; Hesse, Grundzüge, Rd. 347; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 207; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 1, Rd. 95; Hermes, in: JZ 1997, S. 912; vgl. auch OLG Düsseldorf in: DÖV 1981, S. 538 (zu den grundrechtsdogmatischen Fehlschlüssen des Urteils vgl. unten C II 1 c bb); OLG Frankfurt WuW/OLG, S. 4354, 4355; OLG Celle WuW/OLG, S.4130, 4132; a. A. BGHZ 36, 91, 95 f. (Gummistrümpfe); Dürig, in: FS Nawiasky, S. 186 ff.; ders, in: MD, Art. 1, Rd. 134 ff.; C. Starck, in: vM/K/S, Art. 3 Abs. 1, Rd. 189; tendenziell ablehnend auch OLG Schleswig NJW - RR 1997, S. 1540; OLG Stuttgart NJW - RR 1997, S. 1541 f.; unklar: Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 49, der jedenfalls eine Grundrechtsbindung (unmittelbar oder mittelbar) annimmt; ähnlich Rittner, Öffentliches Auftragswesen, Rd. 68; eine differenzierte Grundrechtsbindung wird für diesen Bereich auch bei Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rd. 21 bejaht. 758 Vgl. auch BGH NJW 1977, S. 630 (Abschleppunternehmen), wo es sich um die Bindung der Verwaltung bzw. einer Polizeibehörde an den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG bei der Beauftragung von Abschleppunternehmen handelte. Der BGH hat in diesem Fall eine unmittelbare Bindung der Polizeibehörde an das Willkürverbot des Art. 3 I GG angenommen, um weiter prüfen zu können, ob eine willkürliche Benachteiligung eines Abschleppunternehmens im Wettbewerb einen rechtswidrigen und deswegen ersatzbedürftigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i. S. d. § 823 I BGB darstelle. Denn durch das Abschleppen bewegungsunfähiger oder derzeit unbemannter Fahrzeuge werde eine öffentliche Aufgabe erfüllt.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

sem Verwaltungsbereich grundrechtsgebunden bleibt 7 5 9 . Besonders der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und seine speziellen Formen (Art. 3 II, I I I GG) kommen hier in Betracht, ohne daß das heißen soll, daß andere Grundrechte nicht in Betracht kommen können 760 . Besonders problematisch ist aber die Frage nach einer Grundrechtsbindung gegenüber anderen Konkurrenten, die mit der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der "Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb" eng verbunden ist.

dd) Sonderproblem der Grundrechtsbindung: Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der öffentlichen erwerbs- und sozialwirtschaftlichen, wettbewerblichen Betätigung als Grundrechtsbindungsfrage Es hat sich bereits die Frage gestellt 761 , ob die eigenwirtschaftlichen Unternehmen der öffentlichen Hand in ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung grundrechtsberechtigt gem. Art. 19 I I I GG sein können. Da diese Betätigung in den meisten Fällen auf einem Markt mit privaten Marktsubjekten stattfindet, hat dies unvermeidbar konkurrenzwirtschaftlichen Charakter. Bisher wurde die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der öffentlichen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit und demzufolge der entsprechenden Teilnahme am Wettbewerb häufig als eine Frage des (sog. "funktionalen") Schutzbereichs der aus Art. 12 I und 141 GG bestehenden Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktsubjekte betrachtet. Dazu diente das Argument, daß die Art. 12 I, 14 I, 3 I und 2 I GG im Prinzip genauso wenig vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand und ihrer Eigengesellschaften i m Rahmen ihrer erwerbwirtschaftlichen Tätigkeit wie vor dem Wettbewerb der Privaten 762 schützen 763 . Diese Ansicht 759

So auch Ehlers, Verwaltung, S. 214 ff; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 19; ders., in: J/P, Art. 1, Rd. 18; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1420 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 524 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 315 f.; Isen-

see, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 63; Gusy, in: JA 1995, S. 171; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Art. 1 III, Rd. 50; Hesse, Grundzüge, Rd. 347 f; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 207; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 1, Rd. 96; a. A. OLG Düsseldorf DÖV 1981, S. 538 f.; H. H. Klein, Die Teilnahme, S. 166, 170 ff.; Bettermann, in: FS Hirsch, S. 20; Emmerich, in: JuS 1970, S. 334; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 83; vgl. auch Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 93, 107, der von einer Grundrechtsbindung der erwerbswirtschaftlichen Unternehmen des Staates nur an die Menschenwürde (Art. 1 I GG) spricht. 760

761

Vgl. Pietzcker, in: AÖR 1982, S. 69 f.; Ehlers, Verwaltung, S. 217 ff.

Vgl. oben sub II 3 c cc, dd. Vgl. dazu oben sub II 2 a cc ß. 763 BVerwGE 17, 306, 313 (Mobiliarfeuerversicherung); 39, 329, 336 (kommunales Bestattungsunternehmen) - kein Schutz vor der Konkurrenz einer Gemeinde im Beisetzungswesen; genauso BVerwG BayVBl 1978, S. 376; BayVGH BayVBl 1982, S. 594 ff.; BVerwGE 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol) - kein Schutz vor dem Auftreten einer Gemeinde im Abfallbeseitigungswesen; BVerwG NJW 1978, S. 1540 762

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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aber ist insbesondere dann nicht zutreffend, wenn man wie hier von der richtigen und bereits dargelegten Position ausgeht, daß die öffentliche Hand und ihre öffentlichen Unternehmen auch nicht in ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit Grundrechtsträger und demgemäß Wettbewerbsfreiheitsträger sein können 764 . In der Tat gibt Art. 12 I GG genauso wenig wie Art. 141 GG einen Anspruch auf Schutz vor privatem Wettbewerb, da alle Privaten Träger dieser Grundrechte sind und in ihren persönlichen Schutzbereich fallen 765 . Das ist aber beim Staat i. w. S. nicht der Fall, weswegen er dadurch auch nicht seine Anwesenheit in der Wettbewerbswirtschaft verfassungsrechtlich rechtfertigen kann 766 . Des-

(Wohnungsvermittlung) - kein Schutz vor der Konkurrenz einer Gemeinde im Wohnungsvermittlungsbereich; BVerwG NJW 1988, S. 1277 f. - kein Schutz vor der Konkurrenz der Träger der freien Wohlfahrtspflege (§ 10 BSHG); BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler); VGH Mannheim NJW 1984, S. 253 (kommunale Wohnungsbaugesellschaft); OVG Münster DÖV 1986, S. 339 - kein Schutz vor der Konkurrenz eines Saunabetriebs in der Rechtsform einer gemeindlichen Eigengesellschaft; VGH Mannheim GewArch 1994, S. 464 f. (kommunaler Immobilienmakler); OVG Kassel in: GewArch 1996, S. 233; LG Stuttgart DZWiR 1993, S. 83 - kein Schutz vor dem Wettbewerb der Deutschen Bundespost - Postbank im Kreditwirtschaftsbereich; vgl. auch Bettermann, in: FS Hirsch, S. 3 ff, 19 f.; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 45; Püttner, Öffentliche Unternehmen; S. 98 ff; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 33; v. Gamm, WbR, 2. Kapitel, Rd. 22; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1420; M. Hoffmann, Unternehmensfreiheit, S. 53; ders, in: BB 1995, S. 54; Stober, Grundrechtsschutz S. 36; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 14; Englisch, Kommunales Eigentum, S. 135; Gusy, in: JA 1995, S. 253, der aber für den privaten Konkurrenten einen begrenzten Abwehranspruch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG gegen die öffentliche wirtschaftliche Betätigung annimmt. 764

s. dazu oben sub II 3 c dd. Vgl. bereits oben sub II 2 a cc ß. 766 So auch Gallwas, S. 104; Hoffman-Becking , in: FS Wolff, S. 456; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 117 f , mit der zutreffenden Bemerkung, daß Art. 12 I GG die staatliche Teilnahme am Wettbewerb weder ohne weiteres verbietet noch ohne weiteres rechtfertigt; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 405; Stober, in: ZHR 1981, S. 579; Ehlers, Verwaltung, S. 102; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 450 ff.; v. Gamm, WbR, 1 Kapitel, Rd. 24; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 35; Breuer, ebenda, VI, § 148, Rd. 59; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 122, 523 f , 526, und die in der Fn. 205 der S. 122 (dort) und Fn. 127 der S. 524 (dort) geübte Kritik an der in der Rechtsprechung des BVerwG und der unteren Verwaltungsgerichte sowie in einem Teil des Schrifttums herrschenden Meinung; Krölls, in: GewArch 1992, S. 284; a. A. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 33, nach dem die fehlende Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand keine Rolle für die verfassungsrechtliche Begrenzung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit spielen soll. Es ist hier daraufhinzuweisen, daß auch die BVerwGE 17, 306, 307 f. (Mobiliarfeuerversicherung), den nicht nur verwaltungsprozeßrechtlichen, sondern auch (verfassungs-)materiellrechtlichen Unterschied zwischen der Zulassung eines Privaten und der Zulassung der öffentlichen Hand zu einem Markt erkennt, sie kommt aber auf den S. 308 ff. zum falschen grundrechtsdogmatischen Ergebnis; ähnlich BVerwGE 39, 329, 331 (kommunales Bestattungsunternehmen), aber nur hinsichtlich der prozeßrechtlichen Seite. 765

18

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

halb schlägt ein grundrechtlicher Vergleich zwischen öffentlichen und privaten Marktsubjekten hinsichtlich der Gewerbe- bzw. Wettbewerbsfreiheit fehl 767 . Argumente, die sich auf die Art. 110 I, 134 und 135 V I GG stützen, können auch nicht in vollem Umfang diese Tätigkeit rechtfertigen, denn diese Vorschriften haben eine sehr enge Tragweite 768 . Art. 15 GG hat einen sozialpolitischen, keinen erwerbswirtschaftlichen Charakter 769 . Ein Subsidiaritätsprinzip in der Staat-Bürger-Relation wird zu Recht von der herrschenden Meinung abgelehnt 7 7 0 (vgl. nur auf einfachgesetzlicher Ebene § 65 I Nr. 1 BHO, Art. 89 I BayGO 7 7 1 ). Art. 23 I GG n. F. kommt nur für das Verhältnis EU - Bundesrepublik Deutschland in Betracht 772 . Genauso wenig kann die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 I I 1 GG gerechtfertigt werden 773 .

767 Es ist hier hervorzuheben, daß die vorher dargelegte Rechtsprechung des BVerwG und sich ihr anschließend die Rechtsprechung der unteren Verwaltungsgerichte sowie die Meinung eines Teils des Schrifttums die öffentliche Teilnahme am Wettbewerb aus Gründen, die die Grundrechte (Art. 121, 14 I, 2 I GG) anbelangen, erst dann verfassungsrechtlich als untersagt ansieht, wenn sie die private Konkurrenztätigkeit unmöglich macht bzw. wenn sie eine Monopolstellung erlangt. Das zeigt sich in der letzteren Entscheidung des BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler) deutlicher. Man kann aus dieser These schließen, daß diese Position eine auf diesen engen Rahmen beschränkte Grundrechtsbindung der öffentlichen Verwaltung auf ihre (monopol-)wirtschaftliche Tätigkeit annimmt. 768 So auch Badura, in: FS Schlochauer, S. 20, Fn. 68 (dort); Stober, in: ZHR 1981, S. 570 f.; v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 31; ders., in: WbR, 1 Kapitel, Rd. 24; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 27; R. Schmidt, S. 521; Krölls, in: Gew Arch 1992, S. 282. 76 9 Stober, in: ZHR 1981, S. 570; v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 31 f.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 28; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 521; Krölls, in: GewArch 1992, S. 282. 770 BVerwGE 23, 304, 306; 39, 329, 338 (kommunales Bestattungsunternehmen); BVerwG BayVBl 1978, S. 376; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 212, 405; Badura, in: FS Schlochauer, S. 20; Ehlers, Verwaltung, S. 98; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 23 f.; v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 32; ders., WbR, 1. Kapitel, Rd. 25; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 33; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 58; Stober, HdWUR, § 15, II; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 520 (m. w. N.);

Krölls, in: GewArch 1992, S. 282; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 46; a. A. Hoffmann-Becking, in: FS Wolff, S. 448 ff.; Ulmer, in: ZHR 1982, S. 468 f.; Schachtschnei-

der, Staatsunternehmen, S. 27. 771 Daß man aus diesen Regelungen nicht für den ganzen staatlichen Bereich verallgemeinern darf, vgl. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 212. 772 Vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rd. 228. Fraglich ist dagegen, ob Art. 72 II GG n. F. mit seinem Erforderlichkeitsgebot eine Art Subsidiarität auf Bund-Länder-Ebene im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 GG) verankert hat. Die Frage soll hier dahingestellt bleiben - vgl. dazu Tomuschat, in: DVB1. 1996, S. 1076. 773 So auch Kluth, Grenzen, S. 62 f.; Englisch, Kommunales Eigentum, S. 134; a. A. Erichsen, Gemeinde und Private, S. 22 ff., insbesondere 30 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Was bleibt noch? Soll die erwerbswirtschaftlich-unternehmerische Tätigkeit des Staates und seine Teilnahme am Wettbewerb unabhängig von der Organisationsform verfassungswidrig sein? Eine solch extreme Rechtsansicht kann nicht vertreten werden, wenn man das Problem als eine Frage der Grundrechtsbindung und -einschränkbarkeit 774, der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Grundrechtsschranken mit Hilfe der Lehre über die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung betrachtet. Die Wirtschaftsverfassung des GG ist relativ offen. Sie garantiert zwar nach richtiger Auffassung einen harten Kern der Marktwirtschaft in einer Institutsform aus den objektiv-rechtlichen Institutsgarantien und Wertentscheidungen der Grundrechte sowie der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 I I GG, wie bereits dargelegt wurde 775 , läßt aber staatliche Eingriffe zu (vgl. u. a. Art. 1212, 14 I 2, II, I I I GG). Um die wettbewerbliche unternehmerische Betätigung des Staates als Eingriff in diesem Sinne zu qualifizieren, muß zuerst angenommen werden, daß der Staat während der Ausübung dieser Betätigung gem. Art. 1 I I I GG grundrechtsgebunden ist 776 . Die gleichen Argumente, die für die Begründung der Ablehnung einer Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand in ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit benutzt wurden, gelten für die Begründung der Meinung, daß sie in dieser Tätigkeit grundrechtsgebunden ist. Sonderprivilegien den Privaten gegenüber, insbesondere staatliche Finanzmacht und fehlendes Unternehmensrisiko, Konkursunfähigkeit 777 , Betätigung im staatlichen Funktionsbereich, Existenz sozialpolitischer und -wirtschaftlicher Gründe, die den gewinnerstrebenden unternehmerischen Charakter eines öffentlichen Unternehmens auf den zweiten Platz verdrängen, keine Privatautonomie des Staates, selbst wenn er organisatorisch privatrechtlich agiert, zeigen seine bevorzugte Stelle im Wettbewerb und plädieren für seine Grundrechtsbindung. Der Staat ist im wirtschaftlichen Wettbewerb ein Aliud 7 7 8 im Vergleich zu den privaten Konkur774

So auch Schmittat, in: ZHR 1984, S. 445 f. Vgl. dazu oben sub A I 2 c. 776 So auch Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 456; Schmittat , in: ZHR 1984, S. 445 f.; P.-M. Huher, Konkurrenzschutz, S. 315; Ehlers, Verwaltung, S. 101, unterscheidet dagegen zwischen der Frage der Zulässigkeit der Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb, die als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktteilnehmer betrachtet wird, und ihrer Grundrechtsbindung, obwohl er selber in der Fn. 143 (dort) einräumt, daß "die Abgrenzung nach dem "Ob" und "Wie" eines Verwaltungshandelns sich nicht in jedem Falle auseinanderhalten läßt". Man muß hier anmerken, daß beide Fragen (auch) das "Ob" der öffentlichen wirtschaftlichen Betätigung betreffen und demgemäß keine Differenzierung zutrifft. 777 Vgl. dazu BVerfGE 89, 144, 151 f.; BVerfG (Dreierkammer) AfP 1994, S. 131. 778 Als Fremdkörper bezeichnen Papier, in: DVB1. 1984, S. 809, Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 32, und Breuer, ebenda, VI, § 148, Rd. 57, die öffentliche Eigenwirtschaft im System der marktwirtschaftlichen Ordnung. 775

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

renten. Art. 1 I I I GG setzt hauptsächlich in Verbindung mit Art. 12 I 7 7 9 und 141 GG sowie den anderen rechtsstaatlichen Garantien der Verfassung wie der Existenz eines öffentlichen Interesses oder eines dem Gemeinwohl dienenden Zweckes (vgl. auch § 65 I Nr. 1 BHO, § 67 I DGO oder die Gemeindeordnungen der Länder), dem Verhältnismäßigkeitsgebot bzw. Übermaßverbot, der Wesensgehaltsgarantie, dem Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, die äußersten verfassungsrechtlichen Grenzen der erwerbswirtschafltichen Betätigung der öffentlichen Hand und ihrer Unternehmen festlegen 780 . Demgemäß muß man zu dem Schluß kommen, daß die öffentliche erwerbswirtschaftliche Betätigung und die Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb grundsätzlich nach Art. 1 I I I GG grundrechtsgebunden ist, ggf. einen Eingriff 7 8 1 in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerbsteilnehmer darstellt und nur im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieser Eingriffe zugelassen werden kann 7 8 2 . Die gleichen Maßstäbe gelten auch für die konkurrenz- sowie für die monopolwirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand bzw. ihrer Eigenunternehmen nach der Erfüllung öffentlicher Aufgaben 783 . Soweit die Teilnahme der 779

Dazu kommt sowohl die freie Berufswahl als auch die freie Berufsausübung in Betracht - vgl. auch Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 459; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 765 f. 780 Vgl. dazu Hoffmann-Becking, , in: FS Wolff, S. 448 ff.; Grupp, in: ZHR 1976, S. 379 ff.; Badura, in: FS Schlochauer, S. 20 ff; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 113, aber zurückhaltend und differenzierend; Stober, in: ZHR 1981, S. 579; P. Kirchhof in: DVB1. 1982, S. 937; Ehlers, Verwaltung, S. 100 ff, mit den bereits dargelegten Vorbehalten; ders, in: JZ 1990, S. 1096; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 446; Schachtschneider, Staatsunternehmen, 253 f , 266; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 34 ff, 38 f.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 523 ff, der aber in der S. 520 (dort) zu Recht die Meinung ablehnt, daß allein die rechtsstaatlichen Garantien die öffentliche erwerbswirtschaftliche Betätigung untersagen würden; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 315 f.; Krölls, in: GewArch 1992, S. 283; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 765 f.; Gaa, in: WRP 1997, S. 839; im Ergebnis auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 71, 186; zur Rolle der Grundrechte als Schranke der "wirtschaftspolitischen Gestaltungsfreiheit" des Gesetzgebers und der Exekutive und dementsprechend ihres Ermessens, eine staatlich interventionistische Politik durchzusetzen, vgl. BVerfGE 50, 290, 338 (Mitbestimmung); vgl. ferner BVerfGE 7, 377, 400 (Apotheken); 14, 263, 275 (Feldmühle); dagegen sieht P. Kirchhof Verwalten, S. 359, in den Grundrechten nicht die Grenzen der staatlichen Wettbewerbsteilhabe, "weil sie in der Regel nicht staatliche Verhaltensweisen, sondern bestimmte Wirkungen abwehren"; zurückhaltend auch Rittner, Wirtschaftsrecht, § 10, Rd. 18. 781 Die die einschlägige Frage, ob und unter welchen Umständen die öffentliche Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb als Eingriff betrachtet werden kann, betreffende Problematik ist "Eingriff durch Wettbewerb" betitelt worden und wird unten im Rahmen der faktischen und mittelbaren Eingriffe erörtert (vgl. unten sub IV 2 a dd ε). 782 So auch v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 33; ders., WbR, 1 Kapitel, Rd. 27; vgl. auch Grupp, in: ZHR 1976, S. 380. 783 So Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 405; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 314 f.; a. A. Stober, in: ZHR 1981, S. 583, der eine Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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öffentlichen Hand und ihrer Gesellschaften unter dem Blickwinkel der Realisierung des Sozialstaatsprinzips (Art. 201, 28 I GG) erfolgt - das ist besonders i m Bereich der Daseinsvorsorge der Fall -, sind die Eingriffe, die die privaten Wettbewerbsteilnehmer betreffen, zunächst von diesem Verfassungsgrundprinzip gedeckt 784 , ohne daß dies bedeuten könnte, daß sie deswegen von der rechtstaatlichen Überprüfung befreit würden 785 . Die Grundrechtsbindung kann schließlich nicht von der Anwendung einfachgesetzlicher Normen wie denen des GWB, UWG, BGB oder AGB ausgeschlossen werden - insbesondere dann nicht, wenn die Anwendung ausdrücklich vom Gesetz vorgesehen wird (vgl. § 98 I GWB). Die Anwendung des Diskriminierungsverbots des Art. 26 I I i. V. m. Art. 98 I GWB für die öffentlichen Unternehmen in allen drei Wirtschaftsverwaltungstätigkeiten verdrängt nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, sondern gilt im Ausmaß seines Anwendungsbereichs als seine einfachrechtliche Konkretisierung 786 .

I V . Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit 1. Allgemeines a) Der Begriff "Grundrechtseingriff ' als Terminus technicus in der Grundrechtslehre Nach der ausführlichen und umfassenden Darstellung sowie der genauen Festlegung und Abgrenzung des sachlichen und persönlichen Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit soll nun die Untersuchung ihrer Einschränkbarkeit bzw. der staatlichen Eingriffe in ihren Schutzbereich erfolgen. Die Untersuchung der Grundrechtseingriffe ist für den Grundrechtsschutz von großer Bedeutung. Man macht seine Grundrechte in der Praxis erst dann mit dem Argument geltend, daß diese von der öffentlichen Gewalt verletzt worden seien,

nach der konkurrenzwirtschaftlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben wegen ihrer sozialstaatlichen Natur ablehnt. 784 Vgl. BVerwG NJW 1978, S. 1540 (KommunalWohnungsvermittlung); Grupp, in: ZHR 1976, S. 375 f.; Stober, in: ZHR 1981, S. 583 ff.; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 25; v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 32; Rüfner, in: HdDStR, § 117, Rd. 46; Gaa, in: WRP 1997, S. 838; skeptisch dazu Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 267. 785 So auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 405; Gaa, in: WRP 1997, S. 839; vgl. aber Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 254 f., der die ohne Gesetzesgrundlage ausgeübte öffentlich-wirtschaftliche Tätigkeit ausnahmsweise und für eine Übergangszeit rechtfertigen will, wenn sie sich nicht nur aus dem Sozialstaatsgrundsatz, sondern auch aus anderen Verfassungsgütern ableiten läßt. 786 s. unten sub C II 1 c bb. 11 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

nachdem sie bereits von der öffentlichen Gewalt eingeschränkt wurden 787 . Letzten Endes wird der subjektive, abwehrrechtliche Charakter der Grundrechte dadurch gekennzeichnet, daß sie Abwehrgrundrechte gegen Eingriffe aller staatlichen Gewalten sind (vgl. Art. 1 III, 93 14 a GG) 788 . Der Sinn der Grundrechtseingriffe im modernen Rechtsstaat ist die Befriedigung der dem Grundrechtsträger gegenüberstehenden Interessen der Allgemeinheit oder anderen Grundrechtssubjekte nach einer entsprechenden Güter- bzw. Interessenabwägung durch denjenigen, der den Eingriff anordnet 789. Die Grundrechtseingriffsproblematik ist eng mit einer großen Zahl anderer Aspekte der Grundrechtsdogmatik und -systematik verbunden 790 , besonders mit der Problematik des Schutzbereichs, der Grundrechtsbindung und -kollisionen sowie mit der Lehre über die staatliche Schutzpflicht. Was ihr Verhältnis zu dem (persönlichen und sachlichen) Schutzbereich eines Grundrechts betrifft, ist dies für die Grundrechtslehre von großer Bedeutung. Man kann sie als "die beiden Seiten der Medaille" (der Grundrechtsnorm) bezeichnen791. Die Überprüfung, ob ein Staatshandeln einen Eingriff in ein Grundrecht darstellt, kann nur dann geschehen, wenn das Verhalten des Adressaten des Staatshandelns (d.h. des Privaten) zum Schutzbereich eines Grundrechts gehört 792 . Stellt der Grundrechtsanwender oder -interpret fest, daß das betroffene Verhalten überhaupt nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts oder grundrechtsähnlichen Rechtes des GG (Art. 1-19, 20 IV, 33, 38, 101, 103, 104 GG) fallen kann, sondern bloß in den diesbezüglichen Regelungs- oder Lebensbereich 793, dann muß jede weitere Untersuchung, ob das betreffende Staatshandeln einen Eingriff darstellt und ob dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, daran scheitern. Im GG sowie in der Rechtsprechung 794 und Literatur 795 ist die Terminologie nicht einheitlich. Neben dem Begriff "Eingriff als Terminus technicus796 wer-

787

Vgl. ähnlich Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 131; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 115; vgl. auch W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 125 ff, der den Eingriff als "Erfüllung des Tatbestandes der Abwehrrechte" bezeichnet. 788 BVerfGE 7, 198, 204 (Lüth); 50, 290, 337 (Mitbestimmung); 68, 193, 205; vgl. auch Lübbe-Wolff, Die Grundrechte, S. 33 f.; Scherzberg, "Eingriffsintensität", S. 147 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 115, 229; J. Ipsen, in: JZ 1997, S. 474;

vgl. ferner Grabitz, Freiheit, S. 25 ff. 78 9

Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 43; Lerche, ebenda, § 121, Rd. 47; Höfling,

in: Jura 1994, S. 169; Hesse, Grundzüge, Rd. 317. 790

Vgl. Lübbe- Wolff,

791

So Höfling,

Die Grundrechte, S. 42; Eckhoff

Grundrechtseingriff, S. 21.

in: Jura 1994, S. 171; vgl. auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz,

S. 176; J. Ipsen, in: JZ 1997, S. 474. 792 Vgl. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 45; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 20, 268; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 175, 228. 793 Dazu oben sub II 1. 794 Das BVerfG benutzt meistens den Begriff "Eingriff' - vgl. BVerfGE 13, 225, 229; 52, 283, 296; 66, 39, 64 (NATO-Nachrüstung); 68, 193, 205; 69, 315, 343

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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den auch die Begriffe Ein- und Beschränkung, Schranke und Beeinträchtigung der Grundrechte benutzt, welche hier als gleichbedeutend angewendet werden 797 . Sie haben den Sinn der Reduzierung 798 oder wesentlichen Benachteiligung 799 des Grundrechtsschutzes oder -ausübung immer, jedoch nach den Maßgaben der Verfassung 800. Der Eingriff kann individuell (Verwaltungsakt, Gerichtsurteil) oder generell (Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung) sein 801 .

b) Abgrenzung des Begriffs "Grundrechtseingriff ' von anderen Begriffen Mit den bereits dargelegten Begriffen sind jedoch nicht die Begriffe der Grundrechtsausgestaltung, -prägung 802 oder -konkretisierung durch den Gesetzgeber oder die sonstige staatliche Gewalt gleichbedeutend. Der Gesetzgeber, der ein Grundrecht ausgestaltet, bestimmt weder den Grundrechtsschutzbereich noch reduziert er die Grundrechtsausübung 803, sondern er gibt ihm eine Form, damit das betroffene Grundrecht rechtlich ausgeübt werden kann 804 . Das Problem der Grundrechtsausgestaltung kann insbesondere bei Grundrechten, die Rechtsinstitute gewährleisten (vgl. Art. 61, 9 I, 121 oder 14 I GG), auftre(Brokdorf) -, benutzt aber auch die Begriffe "Ein- oder Beschränkung - BVerfGE 65, 1, 44 (Volkszählung) - oder beide Begriffe zusammen - BVerfGE 85, 248, 261 ; 86, 28, 38 (Sachverständige). 795 Einen Überblick über die einschlägige Literatur bei Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 5 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 76 ff. 796 So Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 5; kritisch zum Begrifft Ipsen, in: JZ 1997, S. 478. 797 So auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 9, 58; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 239; a. A. aber Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 254, der zwischen "Eingriff' (als weiterem Oberbegriff) und "Schranke" unterscheidet. 798 Vgl. Lerche, in: HdDStR, V, § 121, Rd. 45; vgl. auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 227, der von "Verkürzung grundrechtlich verbürgter Interessen" spricht, und W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 278 - "Reduzierung des Wertes der Freiheit"; vgl. ferner BVerwGE 82, 76, 79 (Jugendsekten), das den Grundrechtseingriff auf die "Freiheitsminderung" bezieht. 799

So Scherzberg, in: DVB1. 1989, S. 1130.

800

Vgl. auch die Definition von Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 59: "Eingriff ist eine nicht unerhebliche Einwirkung des Staates, in ein grundrechtliches Schutzgut gegen den Willen des Grundrechtsträgers". 801 Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 38; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 224; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 110 ff.; an anderer Stelle, S. 22 f., unterscheidet er zwischen "Eingriff' (Maßnahme) und "Schranke" (Ermächtigungsgrundlage). 802 Yg] z u m Begriff "Grundrechtsprägung" als Oberbegriff Lerche, in: HdDStR, V, § 121, Rd. 10, 38 ff. 803

So auch Jarass, in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 20. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 241; ähnlich Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 134 f.; weiterhin Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 51; Lerche, a. a. O., Rd. 39 ff.; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 16; Hesse, Grundzüge, Rd. 303 ff. 804

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ten 805 . Ähnlich ist der Begriff der Grundrechtsregelung zu verstehen. Damit ist die Modifizierung des Grundrechtsschutzbereichs vom Gesetzgeber gemeint, ohne daß er in die Grundrechtsausübung eingreift (vgl. Art. 4 I I I 2, 12 a I I 3, 38 III, 104 I I 4 GG; anders bei Art. 12 12 GG) 8 0 6 . Davon zu unterscheiden ist die Grundrechtsbe- oder abgrenzung. Darunter versteht man die Bestimmung der Schutzbereichsgrenzen eines Grundrechts gegenüber einem anderen, welche aber nicht als Eingriff funktioniert 807 . Nur kollidierendes Verfassungsrecht i m Sinne der Grundrechte anderer und anderer Verfassungsgüter (die sogenannten "immanenten Grundrechtsschranken") 808 sowie der vom GG selbst gezogenen Grenzen (die sog. verfassungsunmittelbaren Grenzen), wie ζ. B. in Art. 4 I I I 2 GG "mit der Waffe", in Art. 5 11 GG "aus allgemeinen zugänglichen Quellen", in Art. 8 I GG "friedlich und ohne Waffen" und in Art. 20 I V GG "wenn andere Abhilfe nicht möglich ist", dürfen den Grundrechtsschutzbereich be- bzw. abgrenzen 809 8 1 0 .

805

So Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 243 ff; vgl. auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111 ; kritisch dagegen Lühbe-Wolff, Die Grundrechte, S. 62. 806 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 251 ff. 807 Vgl. Grabitz, Freiheit, S. 24; vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 134 f.; Schnapp, in: JuS 1978, S. 730; Schmidt-,Jortzig,

in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 40; Isensee,

ebenda, V, § 111, Rd. 56, 181, nach dem die "immanenten Grenzen" eines Grundrechts Tatbestandsmerkmale bilden, deren Textbasis außerhalb der jeweiligen Grundrechtsnorm, aber innerhalb der Verfassung liegt; v. Münch, in: v. M/K, Vorb. 1-19, Rd. 49; Burmeister, in: FS Stern, S. 841, der von Maßnahmen spricht, die zur Wiederherstellung der grundrechtlichen Freiheitsordnung "die Substanz grundrechtsgeschützter Freiheit des Betroffenen unbeeinträchtigt lassen". 808 Der Begriff wird nicht einheitlich in der Grundrechtslehre verwendet - so auch Schnapp, in: JuS 1978, S. 733. Mal sind damit (innere) Schutzbereichsrestriktionen, mal die verfassungsrechtliche Rechtfertigung als ungeschriebene Schrankenklausel der (äußeren) Grundrechtseingriffe gemeint - vgl. Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 197. 809 Vgl. oben sub II 1; vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rd. 310, 312, der ganz zutreffend von "verfassungsimmanenten Grenzen" spricht. Dieser Begriff wird hier als Oberbegriff benutzt, der die Teilbegriffe "verfassungsunmittelbare Grenzen" und "immanente Grundrechtsschranken" beeinhaltet; vgl. auch Schnapp, in: JuS 1978, S. 733 f.; v. Münch, in: vM/K, Vorb. 1-19, Rd. 49, der zutreffend den Begriff "verfassungsunmittelbare Schranken" kritisiert. Die Grundrechtsbegrenzung bezieht sich unmittelbar auf die "Innentheorie" des Grundrechtsschutzbereichs - vgl. dazu auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 259; Burmeister, in: FS Stern, S. 841, Fn. 17 (dort), während der Begriff "Schranke", selbst wenn er "immanent" gemeint ist, auf die Außentheorie verweist - vgl. auch Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 197. Deswegen ist es zutreffender, von "Grenzen" zu sprechen, wenn damit die Schutzbereichsbegrenzung oder restriktion gemeint ist. 810 Andere verfassungsunmittelbare Grenzen stellen die folgenden grundgesetzlichen Vorschriften dar: Art. 24 II, 87 a, 115 a ff. GG für die Rechte aus Art. 2 II 1 GG - so BVerfGE 77, 170, 221 (C-Waffen); Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV für die Berufsbzw. Wettbewerbsfreiheit, nach denen der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als gesetzlich geschützte Tage der Arbeitsruhe unterliegen - vgl. dazu Tettinger, in:

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Von Grundrechtseingriff bzw. -einschränkung ist auch die Grundrechtsverletzung zu unterscheiden 811. Während ersterer unter den Umständen, die das GG im Text des Grundrechtes - meist durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes (vgl. Art. 8 II, 11 II, 12 I 2, 14 I I I 2 GG) - oder an anderer Stelle bestimmt und beschreibt sowie nach Maßgaben der rechtstaatlichen Garantien (Verhältnismäßigkeitsprinzip, Wesengehaltsgarantie, Bestimmtheitsgebot) angeordnet wird, reduziert letztere die Grundrechtsausübung ohne diese Voraussetzungen. Demgemäß kann man sagen, daß die Grundrechtsverletzung ein verfassungsrechtlich unzulässiger oder ungerechtfertigter und deswegen rechtswidriger staatlicher Grundrechtseingriff bzw. eine -einschränkung ist 812 . Gleichbedeutend mit der Grundrechtsverletzung ist in bestimmten Fällen die Antastung eines Grundrechts (vgl. Art. 1 I l 8 1 3 , 19 I I GG). Nur bei der Feststellung einer Grundrechtsverletzung kann eine Verfassungsbeschwerde Erfolg haben (vgl. Art. 93 14 a GG, § 90 I i. V. m. § 95 I BVerfGG) 814 . Alle diese Kriterien werden auch in bezug auf die Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit verwendet. Was ihre Begrenzung betrifft, wurde bereits im

Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 99; Art. 105, 106, 108 GG, die die Finanzmonopole einführen, und Art. 87 ff. GG, die verschiedene Monopole einführen, ebenso für die Berufs bzw. Wettbewerbsfreiheit, sofern sie die private unternehmerische und Wettbewerb Ii che Betätigung in den von diesen Monopolen erfaßten wirtschaftlichen Bereichen verbieten - so auch Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 39 (vgl. auch unten sub 2 a cc γ); Schnapp, in: JuS 1978, S. 735, betrachtet dagegen Art. 105 I GG als die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe in die Berufsfreiheit nach der Dreistufentheorie bzw. der dritten Stufe; mehr zu den verfassungsunmittelbaren Schranken bzw. Grenzen bei Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 494 ff., insbesondere 502 ff.; ders., in: JuS 1995, S. 984 ff. 811 So auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 69. 812 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 256; Scherzberg, "Eingriffsintensität", S. 149; ders., in: DVB1. 1989, S. 1128;Λ. Roth, Verwaltungshandeln, S. 121; W. Roth, in: AÖR

1996, S. 547; von unterschiedlichem Ausgangspunkt, aber zu demselben Schluß auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 252. 813 Art. 1 I GG und den dort garantierten Menschenwürdeschutz scheint das BVerwG in seiner E 64, 274, 278 ff. (Peep-Show I), als Grenze der Berufs- bzw. Gewerbefreiheit zu behandeln, wenn es den § 33 a II Nr. 2 GewO und die dort vorgesehene Gute-Sitten-Klausel als Voraussetzung der Erlaubnis zu einem Betrieb verfassungskonform im Lichte des Art. 1 I GG interpretiert und die Erlaubnis dem betreffenden "PeepShow-Betrieb" mit dem Argument versagt, daß er gegen die Menschenwürde verstoße (a. a. O., S. 278 f.), ohne den § 33 a GewO im betroffenen Fall an Art. 12 I GG und der "Dreistufentheorie" (vgl. dazu unten sub 2 a ee β ßß ααα) zu messen - anscheinend, weil der "Peep-Show-Betrieb" wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde kein "Beruf* i. S. d. Art. 121 GG sein könne - vgl. auch die Einschätzung Rädlers, in: DÖV 1997, S. 113 f. Die Richtigkeit dieses Urteils in bezug auf die Interpretation des Begriffes "Menschenwürde" i. S. d. Art. 1 I 1 GG kann hier offen bleiben; zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung darüber vgl. statt aller Stober, Grundrechtsschutz, S. 30 f. (m. w. N.). 814 Vgl. auch Scherzberg, in: DVB1. 1989, S. 1128.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

einschlägigen Kapitel über den Schutzbereich 815 und wird später nach der Darstellung der Problematik der Grundrechtskollisionen 816 erörtert. Hier sollen die Eingriffe in all ihren Facetten und in alle möglicherweise betroffenen Grundrechte dargelegt werden.

c) Der Begriff "Grundrechtseingriff ' im heutigen grundrechtsdogmatischen Verständnis Bevor die einzelnen Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit bzw. in die einzelnen Grundrechte, aus denen sich diese ergibt, untersucht werden, ist es sinnvoll, das Konzept des Grundrechtseingriffs im modernen, grundrechtsdogmatischen Verständnis darzustellen. Denn dieser Begriff entwickelte sich im Laufe der Zeit und hat inzwischen eine vielfältigere Bedeutung bekommen. Die sog. "klassische" Theorie 817 über den Eingriffsbegriff setzt voraus, daß ein Eingriff a) "final und nicht bloß unbeabsichtigte Folge eines auf ganz andere Ziele gerichteten Staatshandelns", b) "unmittelbar und nicht bloß zwar beabsichtigte, aber mittelbare Folge des Staatshandelns", c) "Rechtsakt mit rechtlicher und nicht bloß tatsächlicher Wirkung ist", und d) "mit Befehl und Zwang angeordnet bzw. durchgesetzt wird" 8 1 8 . Diese Kriterien mußten kumulativ erfüllt werden, damit eine staatliche Maßnahme als Grundrechtseingriff gelten konnte 819 . Der klassische Eingriffsbegriff wurde mittlerweile von Rechtsprechung 820 und Literatur 821 als zu eng revidiert 822 . Wie sich auch bei der Erörterung der

815

s. oben sub II. s. unten sub V 2. 817 Vgl. zu ihrer historischen Entwicklung W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 10 ff. 818 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 256; vgl. auch Bleckmann/Eckhoff, in: DVB1. 1988, S. 373; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 134 ff.; Schmidt-Aßmann, in: FS Redeker, S. 234; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 82 ff.; ders, in: Sachs, GG-K, Vor Art. 1, Rd. 55 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 7 f.; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 34 ff, der auch die Adressierung der staatlichen Maßnahme darüber hinaus zu dem "klassischen" Eingriffsbegriff rechnet; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 175, der anschließend bei Bleckmann, a.a.O., auf den S. 178 ff. die Regelungsidentität als Merkmal des "klassischen" Eingriffsbegriffs betrachtet. Man sollte eigentlich diese Merkmale in die Eigenschaft der "Unmittelbarkeit" des Staatshandelns einordnen - so zutreffend H.-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 167 f. 819 So Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 175. 816

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Problematik der Grundrechtsbindung aus Art. 1 I I I GG gezeigt hat 823 , binden die Grundrechte aufgrund dieser Vorschrift alle staatliche Gewalt, gleichgültig in welcher Erscheinungs- oder Organisationsform sie auftritt oder welche Mit-

820

Zum Verzicht auf die "Unmittelbarkeit" der staatlichen Maßnahme als Eingriffsmerkmal vgl. BVerfGE 6, 55, 82 (Ehegattenbesteuerung I); 13, 181, 185 f. (Schankerlaubnissteuer); 13, 230, 232 f. (Ladenschlußgesetz); 22, 380, 384 (Kuponsteuer); 52, 283, 296 (Redakteurskündigung); 66, 39, 60 (NATO-Nachrüstung); 95, 267, 302 (Altkreditschulden); BVerwGE 10, 91, 92 ff.; 30, 191, 198 (Winzergenossenschaftensubventionierung); 71, 183, 191 (Transparenzlisten); 75, 109, 115 (Subventionsrichtlinien); 87, 37, 42 (Diethylenglykolweine); 89, 281, 283 (Unternehmensberater); VGH Mannheim NVwZ 1990, S. 575; VGH Kassel GewArch 1995, S. 416. Zum Verzicht auf die "Finalität" vgl. BVerfGE 13, 181, 185 f. (Schankerlaubnissteuer); 22, 380, 384 (Kuponsteuer); 46, 120, 137 (Direktrufverordnung); 47, 1, 21; 61, 291, 308 (Tierpräparatoren); 82,, 209, 223 f. (Krankenhausplan); BVerwGE 10, 91, 92 ff.; 75, 109, 115 (Subventionsrichtlinien); 89, 281, 283 (Unternehmensberater). Zum Verzicht auf die "Imperativität" vgl. BVerfGE 65, 1, 42 (Volkszählungsgesetz); BVerwGE 10, 91, 92 ff; 30, 191, 198 (Winzergenossenschaftensubventionierung); 71, 183, 192 (Transparenzlisten); 75, 109, 115 (Subventionsrichtlinien); 87, 37, 41 f. (Diethylenglykolweine). Zum Verzicht auf die rechtliche Qualität des Eingriffs vgl. BVerfGE 27, 1,6 f. (Mikrozensus); 38, 281, 303 f. (Arbeitnehmerkammern); 53, 30, 48 (Mülheim-Kärlich); 61, 291, 308 (Tierpräparatoren); 65, 1, 42 (Volkszählungsgesetz); 66, 39, 59 ff. (NATONachrüstung); 77, 170, 220 (C-Waffen); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten); BVerwGE 30, 191, 197 f. (Winzergenossenschaftensubventionierung); 47, 201, 203 (5-Tage-Woche); 71, 183, 192 (Transparenzlisten); 75, 109, 115 (Subventionsrichtlinien); 87, 37, 42 (Diethylenglykolweine); 89, 281, 283 (Unternehmensberater); VGH Mannheim NVwZ 1990, S. 575. 821 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 25 ff; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 24 ff.; Papier, in: DVB1. 1984, S. 805; Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 17 ff.; ders., in: FS Steindorff, S. 846; Knuth, in: JuS 1986, S. 528; Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 15 ff.; Bleckmann/Eckhoff, in: DVB1. 1988, S. 373 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte, S. 69 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 38 ff.; R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 88 ff.; Schoch, in: DVB1.

1991, S. 669; Eckhoff,

Grundrechtseingriff, S. 173 ff.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111,

Rd. 62 ff.; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 158 f.; Di Fabio, in: JZ 1993, S. 694; H.-J.

Cremer, Auslandsfolgen, S. 168 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 128 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 33 (m. w. N.), 129 ff.; 225 ff., 298 ff.; A. Philipp, Arzneimittellisten, S. 111 ff.; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Vorb., Rd. 82; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 765; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 257 ff.; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 87 f.; Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1021 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 77 ff.; vgl. auch die Begründung der Auffassung Scherzbergs, in: DVB1. 1989, S. 1131 ff.; ders., Eingriffsintensität, S. 139 ff., der die Erweiterung des Grundrechtseingriffsbegriffs auch auf die "mittelbaren" und "faktischen" Eingriffe aus dem "objektiv-rechtlichen" Gehalt der Grundrechte ableitet; vgl. in diese Richtung auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 382; BVerwGE 87, 37, 42 (Diethylenglykolweine). 822 Weitere Literatur und Rechtsprechung darüber bei Eckhoff Grundrechtseingriff, S. 175 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 33, Fn. 1 (dort). 823 s. oben sub III.

18

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

tel sie benutzt 824 . Wenn also die "klassische" Eingriffsdogmatik vor dem Inkrafttreten des GG eine Bedeutung hatte, so hat sie diese Bedeutung wegen Art. 1 I I I GG verloren und gilt deswegen als überholt 825 . Das bedeutet zwar nicht, daß ein Grundrechtseingriff im heutigen grundrechtsdogmatischen Verständnis nicht eines oder mehrere der bereits dargelegten Merkmale haben kann, um als solcher qualifiziert werden zu können 826 , sondern, daß ein Staatshandeln als "Grundrechtseingriff' betrachtet werden kann, obwohl es eines oder mehrere dieser Merkmale nicht hat 827 . Ein Handeln der öffentlichen Gewalt muß m.a.W. nicht unbedingt einen Grundrechtsträger final oder unmittelbar 8 2 8 treffen oder muß nicht in einer rechtlichen Form und mit Befehl und Zwang gegen dieses gerichtet sein, um die Qualität des "Grundrechtseingriffes" in diesem Sinne erlangen zu können 829 . Es muß aber, wie bereits dargelegt 830 , seine Freiheit oder Interessen, die in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, reduzieren oder benachteiligen 831 8 3 2 . Darüber hinaus werden von dem modernen Eingriffsverständnis noch zwei weitere Kriterien verlangt, damit der Eingriffstatbestand erfüllt wird, nämlich die Zurechnung des Eingriffs der öffentlichen Gewalt i. S. d. Art. 1 I I I GG 8 3 3 , die grundrechtsgebunden ist, und die Kausalität der "eingreifenden" Maßnahme mit dem "Eingriffsergebnis" 834 8 3 5 .

824 So bezüglich des Verhältnisses zwischen Grundrechtsbindung und Grundrechtseingriffstatbestandes nach der modernen Grundrechtslehre R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 90.; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 79; vgl. auch BVerwGE 82, 76, 77 f. (Jugendsekte); 87, 37,42 (Diethylenglykolweine). 825 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, in: FS Redeker, S. 235. 826 Vgl. dazu BVerfGE 51, 386, 395 (Ehegattenausweisung). 827 So Di Fabio , in: JZ 1993, S. 695; Schmidt-Aßmann, in: FS Redeker, S. 235; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 104; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 257. 828 Die "Unmittelbarkeit" der staatlichen Maßnahme in diesem (materiellrechtlichen) Sinne darf nicht mit der "Unmittelbarkeit" im verfassungsprozessualrechtlichen Sinne als Voraussetzung der Beschwerdebefugnis im Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem BVerfG verwechselt werden - so auch Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 12, Rd. 35; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 198. 829 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, §12, Rd. 40; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 259. 830 s. oben sub b. 831 So auch Papier, in: DVB1. 1984, S. 805; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 237 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 211 f , Fn. 119 (dort), 213. 832 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 41, hebt zutreffend hervor, daß das Problem der sog. "faktischen Beeinträchtigungen" keine pauschale und einheitliche Antwort geben könne. Man muß wohl darüber hinaus darauf hinweisen, daß man die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt nach Art. 1 III GG immer in Blick haben muß, wenn man die Eingriffsqualität einer Norm oder einer staatlichen Maßnahme prüft - vgl. dazu auch Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 225, unter Hinweis auf Gallwas. 833 Vgl. dazu BVerfGE 66, 39, 57 ff. (NATO-Nachrüstung); 77, 170, 213 ff. (CWaffen); Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 270 ff.; H.-J. Cremer, Auslandsfolgen,

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Die Problematik der sog. "mittelbaren" oder "faktischen" Grundrechtseingriffe ist für das hier erörterte Thema der Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit in drei großen Bereichen der staatlichen Tätigkeit bzw. der Tätigkeit der Verwaltung von besonders großem Interesse: im Bereich der sog. Leistungsverwaltung und Planung 836 , im sog. informellen Handeln sowie in der sog. erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Verwaltung 837 . Die Arten, auf die die Verwaltung in die Wettbewerbsfreiheit der Marktsubjekte eingreifen kann, sind die Subventionierung oder Planung im ersten Bereich, der sog. Eingriff durch Information und Warnung im zweiten und der sog. "Eingriff durch Wettbewerb" im dritten Bereich. Sie werden später ausführlicher 838 dargestellt.

2. Die Eingriffe

in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit

In den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit greift jede staatliche Maßnahme ein, die das Recht des Grundrechtsträgers beschränkt, mit seinem Mitbewerber zu konkurrieren, einschließlich des Rechtes, verschiedene Mittel zu benutzen, um seine Wettbewerbsmöglichkeiten zu verstärken und zu vermehren. Zunächst muß für die Feststellung, ob eine rechtliche Regelung oder Maßnahme einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit eines Marktteilnehmers darstellt, das einschlägige Wettbewerbsverhältnis ermittelt werden, das vom Dreieck Marktteilnehmer - Konkurrent(en) - Kunde(n) gebildet wird 8 3 9 . In bezug auf das Gleichheitsgebot des Art. 3 I GG ist bereits dargelegt worden 840 , daß das BVerfG den Begriff "WettbewerbsVerhältnis" eng auslegt, indem es ihn auf S. 178; Schiaich, Bundesverfassungsgericht, Rd. 205.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 203 ff. 834 So Eckhoff Grundrechtseingriff, S. 270 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 129 ff.; vgl. ferner Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 54 f. Die "Kausalität" kann man auch in Zusammenhang mit der Zurechnung der Maßnahme der öffentlichen Gewalt als "subjektive Zurechenbarkeit" verstehen - vgl. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 204. 835 Gelegentlich werden auch die Intensität und die Voraussehbarkeit verlangt, aber ihre Annahme ohne weitere Eingriffskriterien ist problematisch - vgl. dazu und zu anderen gelegentlich verlangten "Eingriffskriterien" Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 236 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 34 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 208 ff. 836 Vgl. BVerfGE 46, 120, 136 f. (Direktrufverordnung); 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); vgl. auch Lübbe-Wolff Die Grundrechte, S. 293 ff. 837 Vgl. dazu oben sub III 3 b dd. 838 s. unten sub 2 a dd β, δ, ε. 839 Vgl. BVerwGE 60, 154, 159 (Krankenhauspflegesätze), wonach das Gericht zuerst ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Trägern der Krankenhäuser angenommen und dann untersucht hat, ob die gerügte Regelung einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellt; vgl. auch BVerfGE 18, 1 ff. 840 s. oben sub II 2 e cc.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

das "Willkürverbot" des Gleichheitssatzes bezieht. Diese Erkenntnis muß für die Freiheitsrechte, insbesondere der Art. 12 I und 14 I GG, als zu eng abgelehnt werden, deren Schutzbereich sich nicht auf das Willkürverbot bezieht 841 . Darüber hinaus muß man sich an den tatsächlichen Verhältnissen 842 auf einem Markt und den tatsächlichen Folgen einer Wettbewerbsbeeinträchtigung orientieren, so daß die betroffenen Wettbewerbsverhältnisse spezifisch marktbezogen bestimmt werden. Nicht nur der Eingriffsbegriff wird vom Wettbewerbsverhältnis beeinflußt, sondern auch das Wettbewerbsverhältnis wird von den Wirkungen der Maßnahme bestimmt. M. a. W. gibt es zwischen beiden eine Wechselwirkung. Demgemäß ist es zweckmäßig, eher die Erkenntnisse des zivilrechtlichen Wettbewerbsrechts, wie sie von der Rechtsprechung des RG und des BGH herausgearbeitet und entwickelt wurden 843 , im Auge zu behalten 844 . Es ist hier zu beachten, daß sich der Gesetzgeber angesichts des eindeutigen wirtschaftspolitischen Charakters der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit in einem weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum bewegt, dessen Grenzen von der relativ offenen Wirtschaftsverfassung bestimmt werden 845 und in den er Eingriffe anordnen kann 846 . Es liegt auf der Hand, daß ein Gesetzgeber oder eine Regierung, die eher von sozialen oder sozialistischen Auffassungen ausgehen und den Wettbewerb und die Wettbewerbsfreiheit sozialgebunden sehen, eine stärkere interventionistische und regulierendere Politik mit mehreren Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit betreiben als ein Gesetzgeber oder eine Regierung, deren Politik eher von marktwirtschaftlich freiheitlichen Komponenten geprägt ist und die die Öffnung der Märkte mit möglichst wenigen gesetzgeberischen Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit vertreten. Die grundrechtlichen Vorschriften, die den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit bestimmen, sind wieder einschlägig.

841

Zu diesem Ergebnis scheint auch das BVerfG in E 85, 238, 244 ff, 247, anläßlich der Prüfung der Vereinbarkeit der nach § 12 II Nr. 10 UStG v. 1980 den Mietwagenunternehmern auferlegten Steuer mit der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 3 I und 121 GG zu kommen. 842 So zutreffend VG München Gew Arch 1983, S. 229 f.; vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 76, bezüglich der Konkurrentenklage. 843 Vgl. oben sub A II 1 a cc sowie den dort dargestellten Begriff von Hefermehl 844 So auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 461 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 32 f , insbesondere die Beispiele auf den S. 35 ff. (dort). 845 Vgl. dazu oben sub A I 2 b bb. 846 Vgl. dazu auch Spanner, in: DÖV 1972, S. 217 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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a) Art. 12 GG Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, die sich auf die Berufsfreiheit des Art. 121 GG beziehen, sind die häufigsten. Denn der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit, wie bereits gezeigt wurde 847 , hat den Schutzbereich der Berufsfreiheit als Fundament. Sie können nicht nur in ihrem "klassischen" Begriff durch Verbote und Gebote verwirklicht werden, sondern auch durch jede berufs- oder wirtschaftslenkende Maßnahme der öffentlichen Hand, die den freien Wettbewerb behindert oder behindern kann 848 . Für die Eingriffe in die Berufsfreiheit müßte eigentlich ein Unterschied zwischen der Berufswahl und der Berufsausübung gelten wie der Wortlaut des Art. 12 I GG zeigt. Der Wortlaut dieses Artikels spricht nur von dem Regelungsvorbehalt der Berufsausübung, aber erstreckt sich auch auf die Berufswahl 849 . In bezug auf die Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit hat das BVerfG in seinem berühmten Apotheken-Urteil 850 die sog. "Dreistufentheorie" entwikkelt. Nach dieser Lehre werden die Eingriffe in die Berufsfreiheit bzw. ihre Beschränkungen je nach ihrer Intensität in drei Kategorien (Stufen) aufgeteilt 851 : in bloße Berufsausübungsregelungen (erste Stufe), in subjektive Zulassungsbeschränkungen (zweite Stufe) und in objektive Zulassungsvoraussetzungen (dritte Stufe). Sie werden regelmäßig durch Verbote oder Gebote auferlegt. Daraus ergibt sich, daß die erste Stufe die Berufsausübung, die zweite und die dritte aber die Berufswahl betreffen. Aufgrund dieser Theorie sollen die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit dargestellt werden. Das bedeutet, daß die erste Stufe sich auf das Verhalten der Marktsubjekte im Wettbewerb bzw. die Wettbewerbsfreiheit im engeren Sinne 852 , die zweite und die dritte auf den Zugang zum Wettbewerb beziehen853. Als getrennte Gruppe von Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit werden die sog. mittelbaren oder faktischen Eingriffe und ihre eventuelle Einordnung in die Dreistufentheorie untersucht. Von den zahlreichen Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit wird besonders denjenigen, die die Rechtsprechung der Bundesgerichte beschäftigt haben, Beachtung geschenkt.

847

s. unten sub II 2 a. BVerfGE 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); 86, 28, 37 (Sachverständige); BVerwGE 89, 281, 283 (Unternehmensberater); dazu ausfuhrlicher unten sub dd. 849 Vgl. auch oben sub II 2 a bb. 850 BVerfGE 7, 377 ff. 851 Vgl. letztens BVerfGE 87, 287, 316 f. 852 s. dazu oben sub I I . ^ 853 Vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 54; Baumbach/Hefermehl, Allg., Rd. 54 ff. 848

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

aa) Die "klassischen"Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem Modell der "Dreistufentheorie" a) Eingriffe in das Verhalten im Wettbewerb (Wettbewerbsfreiheit i. e. S.) Diese Eingriffe können jede Tätigkeit der Wettbewerbsteilnehmer im Wettbewerb, die mit dem Begriff "Beruf' i. S. d. Art. 12 I GG 8 5 4 verbunden ist, betreffen 855 . Sie können eine Benachteiligung für einen Unternehmer seinen (bestimmten oder allen) Konkurrenten gegenüber 856, für einen Berufs- oder Unternehmenszweig anderen konkurrierenden Berufs- oder Unternehmenszweigen gegenüber 857 oder für alle Unternehmer eines bestimmten Zweiges allen anderen Konkurrenten gegenüber darstellen 858. Sie dürfen auferlegt werden, "soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es als zweckmäßig erscheinen lassen" 859 . Sie können u. a. die Form, die Mittel und die Bestimmung des Umfangs und des Inhalts der wettbewerblichen Betätigung betreffen 860. Solche Eingriffe hängen mit allen Teilfreiheiten, die in den Schutzbereich des Art. 12 I GG fallen und die Wettbewerbsfreiheit bestimmen, zusammen. Sie können sich auf die Produktions- und Investitionsfreiheit beziehen. Folgende Maßnahmen stellen solche Eingriffe dar: Das Verbot, eine zweite oder mehrere Betriebsstätten zu betreiben, um das Volumen auf dem einschlägigen Markt zu vergrößern 861, die Festsetzung eines Produktionsplafonds bzw. einer Vermahlungsbegrenzung 862 , Herstellungsverbote 863 oder Besitz-, Verarbeitungs- und Vertiebsverbote 864 . Darunter fallen auch zeitliche, z. B. § 3 LSchlG 865 , § 5 I BAZG i. d. F.

854

Vgl. dazu oben sub II 2 a aa. Vgl. letztens BVerfGE 94, 372, 389 (Werbeverbote für Apotheker). 856 So auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 322. 857 Vgl. BVerfGE 85, 238, 247 - § 12 I, II Nr. 10 UStG v. 26. 11. 1979 als wettbewerbliche Benachteiligung von Mietwagenunternehmern gegenüber den Taxiunternehmern. 858 Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 119; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 768; a. A. W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 338, der in einer für alle Marktteilnehmer geltenden Benachteiligung keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit sieht, obwohl er die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG für betroffen hält. 859 BVerfGE 7, 377, 378 - Leitsatz 6 a - (Apotheken); 86, 28, 41 (Sachverständige); 88, 145, 161; 91, 148, 164; 95, 173, 183 (Tabakverordnung); BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 f. (WDR-G/LRG) - st. Rechtsprechung; vgl. auch BVerwGE 96, 293, 296 (Sportwettunternehmen); BVerwG GewArch 1997, S. 289. 860 So Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 38,48; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 8; vgl. auch BVerfGE 7, 377, 399 (Apotheken). 861 BVerfGE 17, 232, 238 ff. 862 BVerfGE 39, 210, 228 ff. (Mühlenvermahlungsplafond); vgl. auch BVerfGE 9, 63, 70 ff. 863 BVerfGE 9, 83, 87 ff. 864 BVerfGE 30, 336, 350 f. (FKK-Bilder); 61, 291, 208 ff. (Tierpräparatoren). 855

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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d. Gesetzes v. 29. 06. 1936 (RGBl. I, 521) 866 , §§ 5 I, V, 61 BAZG i. d. F. d. Gesetzes v. 23. 07. 1969 (BGBl. I, 937) 867 , § 14 GastG 868 , und örtliche 869 Beschränkungen der Produktionsfreiheit, die die Zeit und den Ort bestimmen, wann und wo die Mitbewerber Geschäfte mit den Kunden abschließen dürfen 870 . Diese Beschränkungen können auch durch Tarifverträge nach Maßgabe des Gesetzes (TVG) geregelt werden 871 . Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit können auch die Unternehmensund Organisationsfreiheit der Unternehmer oder Gewerbetreibenden zum Gegenstand haben, wie das Sozietätsverbot für Steuerberater und -bevollmächtigte 872 , die Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bei Festlegung der Arbeitszeit aufgrund des § 76 V BetrVG 873 , die Einführung der unternehmerischen Mitbestimmung durch das Mitbestimmungsgesetz v. 04.05. 1976 (BGBl. I, 1 153) 874 , Regelungen des Kündigungsschutzes gemäß KSchG, SchwBehG und MSchG 875 . Eingriffsmaßnahmen können auch für die Preisfreiheit angeordnet werden, ζ. B. Preisstops oder Preiskontrolle 876, Preisregelungen 877, Preisangaben 878 usw. Sie können auch die Vertragsfreiheit be-

865

BVerfGE 13, 237, 240 f. (Ladenschlußgesetz); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1993, S. 1969; BVerwGE 94, 244, 251; ferner BVerfGE 59, 336 ff. zu Friseurbetrieben; vgl. auch den neuen § 3 I LSchlG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß v. 30. 07. 1996 (BGBl. I, 1186). 866 BVerfGE 23, 50, 56 f. (Nachtbackverbot I). 867 BVerfGE 41, 360, 369 ff. (Nachtbackverbot II); BVerfGE 87, 363, 382, 390 (Nachtbackverbot III). 868 BVerwG BB 1961, S. 766 (Polizeistunde). 869 BVerfGE 41, 378, 395 ff. 870 Vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 52, insbesondere Fn. 25 (dort), wo er sehr zufriedenstellend darlegt, wie und warum die betroffene Regelung des LadSchlG ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Marktteilnehmer darstellt und keine Wettbewerbsneutralität des Gesetzgebers sichert; vgl. auch ders., in: FS Rittner, S. 630, wo er die Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer darlegt, wenn sie die Möglichkeit haben, ihre Läden länger als in der im Ladenschlußgesetz geregelten Zeit offen zu halten; vgl. den neuen § 3 I LSchlG n. F., der zwar die einschränkende Wirkung der alten Regelung vermindert und die Wettbewerbsfreiheit der Geschäftsunternehmer erweitert hat, aber trotzdem immer noch als ein Grundrechtseingriff in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit gilt. 871 Vgl. dazu ausführlich Scholz, in: FS Rittner, S. 644 ff. 872 BVerVGE 60, 215, 229 ff.; vgl. auch E 54, 237, 249 f. 873 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1986, S. 601. 874 BVerfGE 50, 290, 362 ff. (Mitbestimmung). 875 Zum § 6 IV MSchG vgl. BVerfGE 55, 154, 157 ff. 876 BVerfGE 8, 274, 329 f. (Preisgesetz); 53, 1 ff.; vgl. auch E 21, 292, 296 (Rabattgesetz). 877 BVerfGE 68, 193, 216 ff. 878 Vgl. dazu ausführlich Völker, in: NJW 1997, S. 3405.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

treffen, wie das bei der Festsetzung bestimmter Liefer- 879 , Kontrahierungs- oder Betriebspflichten i m Energiewirtschafts- und Verkehrsrecht 880 der Fall ist, oder die Werbefreiheit wie die verschiedenen Werbeeinschränkungen 881, das Werbeverbot fiir Steuerberater 882, das Werbungsverbot für Ärzte 8 8 3 , das Anzeigenund Ankündigungsverbot als mittelbare Werbung eines Sanatoriums 884 sowie das gerichtliche Verbot, die Bezeichnung "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" 885 bzw. "Mietrechtsspezialist" 886 zu fuhren. Andere Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit bezüglich der Berufsausübung im Wettbewerb sind Export- (vgl. die Vorschriften des A W G v. 28. 4. 1961 BGBl. I, 481) 8 8 7 und Importverbote bzw. -einschränkungen 888 , das Verbot, bestimmte Waren in einem Sortiment zu führen 889 , das Verbot für Mietwagen, auf öffentlichen Straßen und Plätzen taxiähnlich Passagiere aufzunehmen und von ihnen beauftragt zu werden (§ 49, I V 3 PBefG) 890 . Besondere Bedeutung für die Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit hat das gesetzliche Gebot bzw. die Pflicht der Unternehmer, Mitteilungen, Auskünfte oder Unterlagen aus der betrieblichen oder geschäftlichen Sphäre vorzulegen 891 . Die Eingriffsschwere steigert sich, wenn die vorzulegenden Unterlagen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten 892 . Es wird durch die Informationspflicht dahingehend in die Wettbewerbsfreiheit eingegriffen, daß die Konkurrenten des verpflichteten Unternehmers Kenntnis von seinen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen be-

879

BVerwGE 4, 95, 97 f.

880

Scholz, in: MD, Art. 12 Rd. 326.

881

BVerfGE 9, 213, 221. BVerfGE 60, 215, 231 f.; zum Werbeverbot für Steuerberater vgl. auch BVerfGE 85,97, 104 ff. 883 BVerfGE 71, 162, 172 ff.; 85, 248, 256. 884 BVerfGE 71, 183, 196 ff. (Sanatoriumswerbung). 885 BVerfGE 57, 121, 130 ff. 886 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 123 f. 887 Vgl. BVerfGE 91, 148, 164. 888 Vgl. ferner dazu P. Kirchhof, Verwalten, S. 414. 882

889

890

Schricker/Lehmann,

in: WRP 1977, S. 294.

BVerfGE 81, 70, 84 ff. Der Eingriff betrifft nicht nur die wettbewerbliche Betätigung der Mi etwagenunternehmer auf ihrem Markt, sondern auch auf dem weiteren Markt mit Taxi Unternehmern, wenn man ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Mietwagen· und Taxiunternehmern annehmen will. 891 So Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 26 (m. w. N.); vgl. auch BVerwGE 71, 183, 196 f. (Transparenzlisten); Stober, Grundrechtsschutz, S. 65; R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 188 ff.; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 117 ff.; a. A. Berg, in: GewArch 1996, S. 178. 892 Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 26.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

17

kommen könnten und er seine erwirtschafteten und nutzbaren Marktvorteile ihnen gegenüber verlieren könnte 893 8 9 4 .

ß) Eingriffe in die freie Berufswahl als subjektive Beschränkungen der Freiheit zum Wettbewerb Diese Eingriffe hängen mit dem Zugang auf einen Markt sowie dem Verbleiben in diesem zusammen, was normalerweise von einer Erlaubnis (Konzessionen, Lizenzen oder anderen Erlaubnisvorbehalten) 895 der Verwaltung abhängig ist. Ob eine Erlaubnis eine subjektive oder objektive Zulassungsbeschränkung darstellt, bemißt sich danach, ob ihre Erteilung oder ihr Widerruf von subjektiven oder objektiven Voraussetzungen abhängig ist. Sie sind nur zulässig, soweit sie "wichtige Gemeinschaftsgüter", die der Freiheit des einzelnen vorgehen, schützen sollen 896 . Die Anwendung der zweiten Stufe der sog. Dreistufentheorie auf die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit bedeutet, daß der Einstieg eines Bewerbers auf den Wettbewerb und/oder die Fortsetzung seiner Teilnahme an ihm von seinen persönlichen Eigenschaften (ζ. B. Alter, Charaktereigenschaften, fachlichen Fähigkeiten u. a.) abhängig ist 8 9 7 . Solche (subjektiven) Zulassungsvoraussetzungen sind ζ. B. die folgenden: Prüfungen als Qualifikationsnachweis fur einen Beruf wie die MedizinerExamen 898 , die juristischen Prüfungen als Voraussetzung der leistungsfähigen Rechtspflege 899 oder die Prüfung für Steuerberater als Voraussetzung funkti893

Breuer, ebenda; Turiaux, Zugangsrechte, S. 65. Hier ist hervorzuheben, daß nach der Rechtsprechung des BVerfG - E 65, 1, 41 ff. (Volkszählungsgesetz) - die "informationelle Selbstbestimmung" und der "persönliche Datenschutz" aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 21 i. V. m. Art. 1 I GG abgeleitet werden. Bezüglich des betrieblichen und geschäftlichen Datenschutzes aber, der die Wettbewerbsfreiheit betrifft, geht Art. 12 I (und 14 I) GG als lex specialis vor - so auch Breuer, a. a. O; Stober, Grundrechtsschutz, S. 65; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 117, 120; a. A. Berg,, in: GewArch 1996, S. 178, der neben Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG nur Art. 14 GG in Betracht zieht. 895 Diese Zulassungsvoraussetzungen können ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt oder ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt darstellen - vgl. dazu Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 345 f.; mehr zur Beziehung des Konzessionierungssystems mit der Berufsfreiheit und ihren Einschränkungen bei Wieland, Konzessionsabgaben, S. 165 ff. 896 BVerfGE 7, 377, 378 - Leitsatz 6 b - (Apotheken); 13, 97, 107 (Handwerker); 77, 84, 106; 82, 209, 230 (Krankenhausplan) - st. Rechtsprechung; BVerwGE 35, 146, 148 f. 897 Vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 47, nach dem die subjektive Zulassungsbeschränkung mehr die persönliche Ausschließung weiterer Wettbewerber verfolge· 898 BVerfGE 80, 1, 23 ff. 899 BVerwG DVB1. 1972, S. 184. 894

1

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

onsfähiger Steuerrechtspflege 900; die Nicht-Vollendung eines bestimmten Alters 901 ; die Zuverlässigkeit 902 ; die Berufswürdigkeit, wie sie in § 7 Nr. 5 BRAO v. Ol. 08. 1959 (BGBl. I, 565) für die Anwälte bestimmt wird 9 0 3 ; der Befähigungsnachweis, wie ihn § 7 I HandwO für die selbständige Führung eines Handwerkbetriebs vorsieht 904 ; der Sachkundenachweis, wie er in § 3 I I Nr. 1 EinzHandG a. F. geregelt wurde 9 0 5 ; die persönliche Integrität, wie sie in § 36 I GewO geregelt wird; die einfachgesetzlichen Gute-Sitten-Klauseln, die nicht mit dem Begriff "Sittengesetz" als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG verwechselt werden dürfen 906 , wie ζ. B. in § 33 a I I Nr. 2 GewO907.

900

BVerfGE 69, 209,218. BVerfGE 80, 257, 263. 902 BVerwG MDR 1961, S. 1039 f. (Untersagung der Ausübung der Reisevermittlung wegen Unzuverlässigkeit); BVerwGE 39, 274, 251 (Versagung der Erlaubnis eines Einzelhandelgeschäfts wegen Unzuverlässigkeit); vgl. auch § 33 a II Nr. 1 GewO - Versagung der Erlaubnis eines Gewerbebetriebs, der gewerbsmäßig Zurschaustellungen von Personen veranstaltet, wegen Unzuverlässigkeit. 903 BVerfGE 63, 266, 286. 904 BVerfGE 13, 97, 106 (Handwerker). 905 BVerfGE 19, 330, 336 ff.; vgl. auch zum Sachkundenachweisgebot als subjektive Zulassungseinschränkung BVerwGE 101, 185, 187 ff. 906 Es ist allerdings wahr, daß bezüglich des Tatbestands der Begriff "Sittengesetz" i. S. d. Art. 2 I HS 2 GG identisch mit dem einfachgesetzlichen Begriff "gute Sitten" (vgl. z. B. §§ 138, 826 BGB, § 1 UWG) ausgelegt wurde - so Dürig, in: MD, Art. 2 I, Rd. 16; Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 407; Stober, Grundrechtsschutz, S. 39; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 425. Ihr Unterschied liegt aber darin, daß der erste als verfassungsrechtliche Schranke nur für den Art. 2 I GG gelten kann - so BVerfGE 30, 173, 192 f. (Mephisto); 32, 98, 107; F. Müller, Positivität, S. 12 f.; Berg, in: GewArch 1977, S. 253; Schnapp, in: JuS 1978, S. 733; Stern, Staatsrecht III/2, S. 613, 618 f.; Gassner, in: NVwZ 1995, S. 449 -, der zweite aber unter den rechtstaatlichen Vorbehalten (Gesetzesvorbehält, Verhältnismäßigkeitsprinzip u. a.) auch andere Grundrechte, darunter die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit, einschränken kann. 907 Vgl. BVerwGE 64, 280, 281 ff. (Sex auf der Bühne). Das Gericht stellt zu Recht fest (a. a. Ο., S. 281), daß nicht nur persönliche Eigenschaften, sondern auch objektive Merkmale den Tatbestand der Gute-Sitten-Generalklausel erfüllen können. Andererseits hat es seine verfassungsrechtliche Überlegung umgekehrt, indem es zuerst geprüft hat, ob die strittige Veranstaltung (Sex auf der Bühne) gegen die guten Sitten i. S. d. § 33 a II Nr. 2 GewO verstößt und dann, ob es die Menschenwürde i. S. d. Art. 1 I GG verletzt. Nachdem das Gericht die erste Frage bejaht hatte, hat es die zweite Frage als überflüssig außer acht gelassen. Es hätte aber die Überprüfung der Fragen umkehren müssen: Wenn es festgestellt hätte, daß "Sex auf der Bühne" die Menschenwürde verletze, dann hätte es § 33 a II Nr. 2 GewO in diesem Sinne verfassungskonform interpretiert und angewendet und dem Betrieb, wo "Sex auf der Bühne" stattfand, aus diesem Grund die Erlaubnis versagen müssen. Wenn es dagegen zum Schluß gekommen wäre, daß der Betrieb einer solchen Veranstaltung nicht die Menschenwürde verletzte, dann hätte es die Erlaubnis trotzdem mit dem Argument versagen können, daß der Betrieb gegen die guten Sitten i. S. d. § 33 a II Nr. 2 GewO verstoße. Im ersten Fall dürfte der Betrieb eines Lokals, das ausschließlich eine solche "Show" veranstaltet, nicht grund901

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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γ) Eingriffe in die freie Berufswahl als objektive Beschränkungen der Freiheit zum Wettbewerb Auch diese Eingriffe beziehen sich auf den Zugang zu einem Markt wie die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen. Sie sind aber unabhängig von den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten der (potentiellen) Mitbewerber und setzen die Erfüllung objektiver Kriterien voraus 908 . Sie haben eher einen Schutzcharakter für die vorhandenen Mitbewerber auf einem Markt 9 0 9 und verlangen das Bestehen der strengsten Voraussetzungen, um verfassungsrechtlich zulässig zu sein. Nur "die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" 910 kann diese Eingriffe in den freien Zugang auf den Wettbewerb rechtfertigen. Solche (objektiven) Zulassungsvoraussetzungen sind u. a.: die Bedürfnisprüfung 911 ; das Errichtungsverbot für Mühlen bei Überkapazität 912 sowie die Festsetzung von Höchstzahlen der Kraftfahrzeuge für den allgemeinen Güterfernverkehr 913 , die die Dispositions- und Investitionsfreiheit des Unternehmers be-

rechtlich i. S. d. Art. 12 I GG geschützt sein und dementsprechend § 33 a II Nr. 2 GewO nicht als Eingriff in die Berufsfreiheit betrachtet werden. Im zweiten Fall dagegen dürfte dieser Betrieb in den Schutzbereich der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit fallen und die einschlägige Gute-Sitten-Klausel als (subjektive oder auch objektive) Zulassungsbeschränkung gelten; dasselbe gilt für die BVerwGE 84, 314, 317 (Peep-Show II); im Ergebnis bestätigt durch BVerwG GewArch 1996, S. 21 (Peep-Show III). Diese Schlüsse hat auch das BVerfG verkannt, als es versuchte, § 33 a II Nr. 2 verfassungsrechtlich zu interpretieren - vgl. BVerfG GewArch 1987, S. 194; BVerfG (Dreierkammer) GewArch 1990, S. 275; anders und mit dieser Betrachtungsweise korrekter: BVerwGE 64, 274, 278 (Peep-Show I) - vgl. auch zu dieser Deutung Rädler, in: DÖV 1997, S. 112, 114, bezüglich der sog. Peep-Show-Rechtsprechung. Man muß wohl anmerken, daß das praktische Ergebnis in beiden Fällen gleich gewesen wäre, die grundrechtsdogmatische Argumentation ist aber, wie gezeigt, unterschiedlich. 908 Vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 47, nach dem die objektive Ausschließung (potentieller) Mitbewerber den Ausschluß oder die Begrenzung des Wettbewerbs aus Gründen bezwecke, die auf den objektiven Schutz einer bestimmten Wirtschaftsfunktion gerichtet seien. 909 So Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 54. Man muß hier aber hinweisen, daß sich dieser schutzwirkende Charakter für die auf einem Markt vorhandenen Mitbewerber keinesfalls aus der Verfassung ergibt, wie bereits dargelegt wurde (s. oben sub II 2 a cc ß) und später ausführlicher erklärt werden wird (s. unten dd β ßß ßßß). 910 Vgl. zur freien Berufswahl BVerfGE 7, 377, 408 f. (Apotheken); 25, 1, 11 (Mühlengesetz). 911 BVerfGE 11, 168, 184 f , 186, 190; vgl. auch BVerwGE 79, 208, 210 ff.; 82, 295 ff.; weiterhin Scholz, in: MD, Art. 12, S. 48; übrigens BVerfGE 7, 377, 415 f. (Apotheken), wo die Bedürfnisprüfung als nicht zulässige Voraussetzung für die Genehmigung von Apotheken betrachtet wurde; BVerwGE 1, 48 ff. bei Schankerlaubnis für Gaststätten. 912 BVerfGE 25, 1, 10 ff. (Mühlengesetz). 913 BVerfGE 40, 196, 218 ff. 12 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

schränken; die Festsetzung einer Mindestmilchmenge als Tagesumsatz eines Milcheinzelhandels 914 , die die Produktionsfreiheit beschränkt; die Inkompatibilität für Steuerbevollmächtigte und Steuerberater 915 oder für einen Professor, Rechtsanwalt zu werden bzw. zu bleiben, 916 oder für einen Anwalt, einen anderen Beruf auszuüben, der unvereinbar mit dem Anwaltsberuf ist 9 1 7 ; das standesrechtliche Wettbewerbs verbot für die Ärzte in Schleswig-Holstein918, das gesetzliche Wettbewerbsverbot für die Gehilfen eines Unternehmers nach § 60 HGB 9 1 9 , für die OHG-Gesellschafter nach § 112 I HGB 9 2 0 und für persönlich haftende Gesellschafter einer KG nach § 162 I I i. V. m. §§1121 und 165 HGB 9 2 1 sowie das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung für die Gehilfen, Angestellten oder die Handelsvertreter eines Unternehmens jeweils nach §§ 75 I I I 9 2 2 , 75 b I 9 2 3 und 90 a I I 2 HGB 9 2 4 9 2 5 ; die Anzeigeoder Angabepflicht nach § 14 I i. V. m. § 15 I I GewO 926 oder § 4 HWG 9 2 7 ; vgl. auch §§ 9, 23 GWB 9 2 8 .

bb) Kritik

der "Dreistufentheorie"

in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit

Die Dreistufentheorie ist, wie gezeigt, nicht nur in der Judikatur des BVerfG, sondern auch des BVerwG und der unteren Verwaltungsgerichte kon914

BVerfGE 9, 39, 48 ff. BVerfGE 21, 173, 181. 916 BGHZ 92, 1,5. 917 BVerfGE 87, 287, 316 f. 918 BGH WRP 1996, S. 1151 (Laborärzte). 919 Vgl. mehr dazu bei Winterstein, in: NJW 1989, S. 1463. 920 Hier muß man aber Vorsicht walten lassen und zwischen gesetzlichen, wie dem des § 112 I HGB, und vertraglichen Wettbewerbsverboten unterscheiden - vgl. dazu zutreffend Spoer/Brinker/Diller, in: NJW 1997, S. 3056 ff, insbesondere 3058 ff. Für die erstere gilt Art. 12 I GG und die "Dreistufentheorie" unmittelbar über Art. 1 III GG. Für die zweite, soweit das Gesetz nicht etwas anderes vorsieht, wirkt Art. 12 I GG mittelbar über die Generalklauseln des einfachen Rechts ein (vgl. §§ 138, 242, 826 BGB, § 1 UWG, § 1 I GWB) - vgl. auch Spoer/Brinker/Diller, a. a. Ο.; mehr dazu unten sub C II 1 a. Die §§ 74 ff., 90 a HGB haben den Zweck, dem Wettbewerbsverbot eher Schranken zu setzen, und nicht, Wettbewerbsverbote anzuordnen. 921 Vgl. dazu Baumbach/Hopt, § 165, Rd. 1. 922 BAGE 25, 330, 342 f. 923 BAGE 34, 220, 224 ff. 924 BVerfGE 81, 242, 253, 260 ff. (Handelsvetreter). 925 Vgl. mehr zur Problematik des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots aus verfassungsrechtlicher Sicht bei Achterberg, in: JZ 1975, S. 713 ff. 926 Vgl. OVG Hamburg NVwZ 1994, S. 192 f. (nicht rechtskräftig). 927 Vgl. OLG München AfP 1994, S. 228 ff. (nicht rechtskräftig). 928 Stober, Grundrechtsschutz, S. 41. 915

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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solidiert worden und gilt als ständige Rechtsprechung. Sie wurde auch von einem großen Teil der Literatur 929 angenommen. Einzelne kritische Stimmen 930 fehlen zwar nicht, sie stellen diese aber nicht gänzlich in Frage und konzentrieren sich besonders auf die Schwierigkeiten, die sich auf die Erkenntnis der Differenzierung zwischen den drei "Stufen" der Berufsfreiheitseinschränkbarkeit ergeben. Was hier bezüglich der erörterten Problematik der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit durch die Dreistufentheorie nicht akzeptiert werden kann, ist die Einordnung der Rechtsnormen in diese Lehre als Eingriffsbegriffe, die ein Verhalten verbieten oder gebieten, das nicht in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen kann, weil es der grundgesetzlichen Wertordnung offensichtlich widerspricht. Nach der hier vertretenen Auffassung bilden diese Normen keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit und bedürfen demgemäß nicht, soweit sie die grundrechtliche Position anderer Rechtssubjekte oder anderer Verfassungsgüter schützen, der verfassungrechtlichen Rechtfertigung nach den Maßgaben der "Dreistufentheorie" 931. Deswegen muß eine verfassungsrechtliche Überprüfung nach der Dreistufentheorie ausscheiden. Dieses Problem wird im Rahmen des Unlauterkeitsrechts und des Rechts gegen die Wettbewerbsbeschränkungen überprüft.

cc) Sonderprobleme der Eingriffe

in die Wettbewerbsfreiheit

α) Die Normen des Unlauterkeitsrechts In dem einschlägigen Kapitel über die Abgrenzung und die genaue Festlegung des Schutzbereichs wurde dargelegt, daß das Verhalten, welches im Wettbewerb gegen Grundrechte der Konkurrenten, der Lieferanten, der Abnehmer oder der Verbraucher verstößt oder versucht, das verfassungskräftige Rechtsinstitut Wettbewerb außer Kraft zu setzen, nicht verfassungsrechtlich geschützt sein und demzufolge nicht in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen kann 932 . Daraus ergibt sich, daß diejenigen Normen des Unlauterkeitsrechts, die ein solches Verhalten verbieten und (zivil- oder strafrechtlich) bestrafen, nicht als Grundrechtseingriffe oder -einschränkungen betrachtet

929 Vgl. statt aller Tettinger, in: AÖR 1983, S. 118 ff.; Papier, in: DVB1. 1984, S. 804 f.; ders., in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 52 ff.; Breuer, in: HdDStR, § 148, Rd. 8; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 123 ff.; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 20 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 891 ff. 930 Vgl. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 319 ff.; Czybulka, in: NVwZ 1991, S. 145 ff.;

Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 46 f.; Hufen, in: NJW 1994, S. 2917 f. 931

Demgemäß ist die Meinung E. R. Hubers, Vertikale Preisbindung, S. 13, unzutreffend, daß jedes Verbotsgesetz einen Eingriff in die (mindestens verfassungsrechtlich garantierte) Freiheit sei. 932 s. oben sub II 2 a.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

werden können, weil das Verhalten, das sie verbieten oder bestrafen wollen, in keinen Grundrechtsschutzbereich fällt 933 . Ihnen kommt aber die Rolle der Schutzbereichsbegrenzung der Grundrechte derjenigen zu, die sich solcher Wettbewerbsmethoden bedienen, und ihre Wettbewerbsfreiheit von der Wettbewerbsfreiheit und anderen Grundrechten ihrer Konkurrenten, Kunden usw. abgrenzen. Sie haben aber konstitutive Bedeutung, weil es Aufgabe des Gesetzgebers ist, den Grundrechtsschutzbereich abzugrenzen, wenn der Verfassungsgeber dies nicht getan hat 934 . Die stete Kontrollmöglichkeit des Verfassungsrichters bleibt allerdings unberührt. Solche Normen sind u. a. §§ 1 (Sittenwidrigkeitsklausel), 3 (Verbot irreführender Angaben) 935 , 4 (strafbare Werbung), 12 (Verbot der Bestechung von Angestellten des Konkurrenten), 14 (Anschwärzungsverbot), 15 (Verbot geschäftlicher Verleumdung), 16 (Benutzungsverbot der Geschäftsbezeichnungen des Konkurrenten), 20 UWG (Verbot von Verleiten und Erbieten zum Verrat von Angestellten des Konkurrenten), §§24 (Mißbrauchsverbot von Namen, Firma und Warenzeichen des Konkurrenten), 25 (Mißbrauchsverbot einer Ausstattung), 26 WZG (Verbot von falschen Angaben auf Waren). Bezüglich der Generalklauseln der §§ 1,3 UWG kann man folgendes sagen: Die Generalklauseln der §§1,3 UWG werden im Sinne ihres Schutzzweckes936 ausgelegt, um den "unlauteren" oder "Nichtleistungswettbewerb" zu bekämpfen. § 1 UWG als Rechtsklausel, die das Verhalten gegen die guten Sitten verbietet, hat, wie jede andere solche Klausel des Privatrechts (vgl. §§ 138, 826 BGB), unbestimmten Inhalt und bedarf der Konkretisierung des Rechtsinterpreten, insbesondere des Richters (Richterrecht). Wegen seines unbestimmten Charakters können viele Fälle seinen Tatbestand erfüllen und demgemäß für sittenwidrig bzw. nichtig (vgl. § 1 UWG i. V. m. § 134 BGB) erklärt werden; die Folge kann ein Unterlassungsanspruch sein (vgl. § 1 UWG i. V. m. § 13 I I UWG). Man muß hier unterstreichen, daß nicht alle diese Fälle unbedingt der grundgesetzlichen Wertordnung widersprechen, so daß sie per se aus dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit herausfallen müssen. Es kann sein, daß sie nur eine Grundrechtskollision regeln, wenn die Wettbewerbsfreiheit zweier oder mehrerer Mitbewerber kollidieren oder die Wettbewerbsfreiheit eines Wettbewerbsteilnehmers mit anderen Grundrechten anderer Marktsubjekte kollidiert, ohne daß es offensichtlich ist, welches Verfassungsgut zurücktreten

933

Vgl. auch Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 25. Das kann freilich der Verfassungsgeber nur selten tun, weil er nicht ausdrücklich Antworten auf alle rechtlichen Probleme des Verfassungslebens geben kann. 935 Eine auf § 3 UWG begründete Unterlassungspflicht für einen Gewerbetreibenden, der Händler einer Ware ist, als Hersteller zu werben, stellt keinen Engriff in seine Wettbewerbsfreiheit dar. 936 Vgl. dazu oben sub A I 1 a bb. 934

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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muß. In diesem Fall muß die richtige Auslegung und Anwendung des § 1 U W G eine in concreto Güter- und Interessenabwägung sein 937 . Es kann aber der Fall sein, daß die Wettbewerbsfreiheit und ein anderes nicht verfassungskräftiges Rechtsgut kollidieren wie die Lauterkeit des Wettbewerbs, die als solche kein mit Verfassungsrang ausgestattetes Rechtsgut ist. Wenn in solchen Kollisionsfällen das Ergebnis der richterlichen Güter- und Interessenabwägung die Bevorzugung des anderen Gutes wäre, dann sollte § 1 U W G die Rolle der Grundrechtseinschränkung zukommen, und wenn die Berufsfreiheit, wie es häufig der Fall sein kann, betroffen sein sollte, dann müßte diese Einschränkung in die "Dreistufentheorie" eingeordnet und dementsprechend verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden 938 . Meistens handelt es sich um die Berufsausübung und ihre Regelung 939 . Analog gilt das gleiche für die sog. "kleine Gene937

Mehr dazu unten sub V 2 b bb, C II 2 a. Vgl. zu der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen BVerfGE 3, 225, 243; 13, 153, 161; 21, 73, 79; 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); 37, 132, 142; 49, 89, 133 (Kalkar I); 56, 1, 12; Schlichter, Die Beseitigung, S. 193; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 274 (m. w. N.); Gaedertz/Steinbeck, in: WRP 1996, S. 978; kritisch dazu Rupp, Fusionskontrolle, S. 113. 939 Vgl. BVerfGE 32, 311, 317 f. (Grabsteinwerbung); vgl. auch v. Münch, in: WRP 1977, S. 534. Im sog. Grabsteinwerbungs-Urteil wurde dem Gericht Gelegenheit gegeben, die Verfassungsmäßigkeit des § 1 UWG zu prüfen und im allgemeinen den unlauteren Wettbewerb und das Gesetz gegen ihn verfassungsrechtlich zu beurteilen. Das Gericht wiederholt seine seit dem Apotheken-Urteil ständige Rechtsprechung, daß Art. 12 I GG - ebenso wie Art. 2 I GG - nur eine erlaubte wirtschaftliche und berufliche Betätigung schütze, und konkretisiert diesen Schluß in der Wettbewerbsfreiheit, daß die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung nicht dazu führen dürfe, daß einzelne sich durch unzulässige Praktiken Vorteile im Wettbewerb verschaffen würden. "Dieses Ziel des Gesetzes steht offensichtlich mit der Wertordnung des Grundgesetzes in Einklang" BVerfGE, a.a.O., S. 316 (Grabsteinwerbung). Nachdem es festgestellt hat, daß das Verhalten der Unternehmer in diesem Wettbewerb Bestandteil ihrer Berufsausübung sei - a. a. O , S. 317, vgl. auch oben sub II 2 a aa α -, "die, soweit sie sich in erlaubten Formen bewegt, durch Art. 12 I GG geschützt ist", legt es dar, daß, "wenn das Gesetz unlauteren Wettbewerb untersagt, es sich im Rahmen der nach Art. 12 I GG zulässigen Beschränkung der freien Berufsausübung" halte. "Ob ein bestimmtes Verhalten im Einzelfall als sittenwidriger Wettbewerb im Sinne des § 1 UWG anzusehen ist, haben die zuständigen Gerichte unter steter Beachtung des Freiheitsgehaltes des Art. 12 I GG zu entscheiden" - a. a. O , S. 317; vgl. auch BVerfG GRUR 1973, S. 320; BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I); weiterhin letztens BVerfGE 94, 372, 390 (Berufsverbote für Apotheker). 938

Kurz kommentiert werden soll folgendes: Das BVerfG hält den unlauteren Wettbewerb einerseits für eine "unerlaubte berufliche Betätigung" - als solche sollte er nicht von Art. 12 I GG geschützt sein, weil von diesem nur erlaubte wirtschaftliche Tätigkeiten geschützt werden sollen. Andererseits'charakterisiert dies § 1 UWG, und im allgemeinen Vorschriften, die den unlauteren Wettbewerb verbieten, als "nach Art. 12 I GG zulässige(n) Beschränkung der freien Berufsausübung". Aus der Systematik dieser Sätze heraus ist es eigentlich unverständlich, ob unlauteres Wettbewerbsverhalten in den Schutzbereich des Art. 121 GG fällt und von dieser Grundrechtsnorm "prima facie" bzw. eventuell geschützt wird oder nicht. Wie man feststellen kann, widerspricht der dritte Satz dem zweiten in Absatz 4 auf S. 317 der entsprechenden Entscheidung.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ralklausel" des § 3 U W G und die Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffes "irreführend". Die folgenden Beispiele machen diese Rechtsposition klar: Ein Verbot aufgrund des § 1 UWG, sog. branchenfremde Angebote (Bücher) im Kaffeehandel zu vertreiben, ist ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Kaffeehändler, der die Berufsausübung aus Art. 121 GG berührt 940 , genauso wie das Verbot nach derselben Vorschrift i. V. m. § 3 LadSchlG, Blumen an Tankstellen außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten zu verkaufen 941 . Denn diese geschäftlichen bzw. wettbewerblichen Verhaltensweisen können als solche nicht als grundgesetzwidersprechend betrachtet werden. Wenn eine Warenbezeichnung offensichtlich betrügerisch irreführt, stellt ihr Verbot keinen Grundrechtseingriff dar. Eine Abwägung erübrigt sich. Wenn dagegen ihr Verbot aus Gründen der Klarheit der Bezeichnungsweise und der Information der Verbraucher geboten erscheint, dann stellt es sich als Grundrechtseingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Produkthersteller dar. Die Lösung ist wieder eine Güter- und Interessenabwägung. Es gibt aber auch andere Vorschriften des U W G oder anderer Gesetze des Unlauterkeitsrechts, die echte Einschränkungen der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit darstellen. Solche Vorschriften sind die §§ 6 a (Hinweisverbot beim Verkauf von Waren an den Endverbraucher, daß man Hersteller ist) 9 4 2 , 6 b (Verbot, Berechtigungsscheine, Ausweise oder sonstige Bescheinigungen zum Bezug von Waren an Endverbraucher abzugeben) 943 , 6 c (Verbot der progressiven Kundenwerbung), 6 d a. F. 9 4 4 (Verbot von Werbung mit mengenmäßigen Angeboten) 945 , 6 e a. F. U W G 9 4 6 (Verbot von Werbung mit Preisgegen-

940

v. Münch, in: WRP 1977, S. 534, 536; vgl. auch Droste, in: GRUR 1976, S. 470;

Schricker/Lehman 941

y

in: WRP 1977, S. 294.

Vgl. OLG Naumburg GewArch 1995, S. 109. 942 So BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I). 943 So BVerfG GRUR 1973, S. 320; BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I). 944 Inzwischen aufgehoben durch die letzte Novellierung des UWG - s. Gesetz v. 25. 10. 1994 (BGBl. 1,3082). 945 Diese UWG-Vorschriften der §§6 a ff. bilden einen abstrakten Gefährdungstatbestand zum Schutz der Abnehmer, Wettbewerber und der Allgemeinheit. Bei der Erfüllung ihrer Tatbestände im konkreten Fall kommt es nicht darauf an, ob der Abnehmer tatsächlich getäuscht oder geschädigt wird - so Baumbach/Hefermehl, § 6 c UWG, Rd. 2, § 6 d UWG, Rd. 4. Entsprechendes gilt für das absolute Verbot nach § 14 Nr. 2 KakaoVO v. 30. 06. 1975 (BGBl. I S. 1760), Lebensmittel, die mit einem in der Anlage aufgeführten Erzeugnis verwechselbar sind, in Verkehr zu bringen - vgl. BVerfGE 53, 135, 143 (Kakaoverordnung). Deswegen kommen sie eher der Natur des Grundrechtseingriffsbegriffes nah, ihre Verfassungsmäßigkeit muß nach den Maßstäben der Dreistufentheorie geprüft werden. 946 Inzwischen aufgehoben durch die letzte Novellierung des UWG.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Überstellungen) 947 , § 11 ZugabeVO (Zugabeverbot) 948 , §§ 11, 2 I, 3 I, 5, 6 PreisangabeVO vom 14. 03. 1985 (Preisangabegebote) 949, §§ 1 ff. RabattG (Rabatteinschränkungen) 950.

ß) Das Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) αα) Allgemeine Problematik Seine Verfassungsmäßigkeit wurde von vielen Stimmen 951 während der 50er Jahre, insbesondere bezüglich des Art. 9 I GG 9 5 2 , in Frage gestellt. Heute spricht man nur noch selten 953 von der Verfassungswidrigkeit des GWB, es wird als ein den freien Wettbewerb und die Wettbewerbsfreiheit der Wettbewerbsteilnehmer schützendes Gesetz anerkannt 954 . Der Streit aber um die verfassungsrechtliche Natur seiner Normen ist noch nicht ausgefochten. Aus diesem Streit ergibt sich zusätzlich noch eine andere Frage, nämlich ob Vorschriften des GWB die grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit einschränken, selbst wenn sie die Wettbewerbsfreiheit vor denjenigen schützen wollen, die die Wettbewerbsfreiheit beschränken und den freien Wettbewerb außer Kraft setzen wollen. Wie für das Unlauterkeitsrecht, gilt für das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen und seine gesetzliche Grundlage, das GWB, das Entsprechende. Nach einer Ansicht, die grundsätzlich auch hier vertreten wird, "sind staatliche Beaufsichtigungen des Wettbewerbs, soweit sie sich gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder Wettbewerbsgefährdungen 955 durch miß-

947

Vgl. dazu BGH GRUR 1989, S. 447; EuGHE 1993 I, S. 2361 ff. (Yves Rocher). Vgl. Schlichter, Die Beseitigung, S. 95; vgl. zur ganzen ZugabeVO BVerfGE 94, 372, 390 (Werbeverbote für Apotheker). 949 So BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I). 950 Vgl. Schlichter, Die Beseitigung, S. 95. 951 Vgl. statt aller zu der einschlägigen Auseinandersetzung Krüger, Grundgesetz und Kartellgesetzgebung; E. R. Huber, Kartell verbot; weitere Nachweise bei Schlichter, Die Beseitigung, S. 8, Fn. 3 (dort). 948

952

Vgl. Dürig, in: NJW 1955, S. 729 ff.

953

Vgl. aber E. R. Huber, Preisbindung, S. 13 ff; H.-P. Ipsen, Preiskontolle, der die Verfassungsmäßigkeit der GWB-Vorschriften, die die Preiskontrolle betreffen, in bezug auf ihre Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Frage stellt; gegen die Ansicht Ipsens Rupp, in: NJW 1976, S. 2001 f.; Thiele, in: JR 1977, S. 359 ff.; Scholz,

in: ZHR 1977, S. 520 ff.; Gotthold, in: WRP 1978, S. 609 f.; die Verfassungsmäßigkeit des Kartell Verbots nach § 1 GWB stellt auch Knöpfle, Ist die Freiheit, S. 184 ff., in Frage. 954 Vgl. oben sub A II 1 b aa γ. 955 Daß Grundrechtsgefährdungen unter besonderen Voraussetzungen Grundrechtsverletzungen (sowie auch bloßen -einschränkungen) gleichzuachten sein können, vgl. BVerfGE 49, 89, 141 f. (Kalkar I); 51, 324, 346; 66, 39, 58 (NATO-Nachrüstung);

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

bräuchliche Marktmacht, Kartelle, überstarke Konzentrationen u.ä. richten, nicht als Eingriff in die Berufsfreiheit (Eigentumsgarantie), sondern als prinzipielle Ausgestaltung und Förderung eines insgesamt möglichst freiheitlichen Wettbewerbssystems zu begreifen (Grundrechtsoptimierung)" 956. Deswegen sollen alle diese Verbote des Rechts gegen die Wettbewerbsbeschränkungen genauso wie die des Unlauterkeitsrechts 957 ihre grundrechtliche Legitimation gleichsam in sich selbst tragen, im Gegensatz zu anderen Verboten oder Geboten, die echte Eingriffe in die Bbrufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit darstellen 958. Man sollte aber nicht pauschalisieren, sondern davon ausgehen, daß die GWBNormen genauso wie die Normen des Unlauterkeitsrechts nur in diesen Fällen die Grundrechtseingriffsqualität verlieren, wenn sie den Mißbrauch der wirtschaftlichen Machtkonzentration oder der Marktmacht verbieten und bestrafen, der der grundgesetzlichen Wertordnung widerspricht und dementsprechend vom GG nicht geschützt wird 9 5 9 . Das trifft besonders in solchen Fällen zu, in denen durch künstliche, wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen (Verträge, Absprachen, Regeln, Empfehlungen oder bloßes Verhalten) seitens marktbeherrschender Unternehmen - nicht nur unter sich, sondern auch gegenüber kleineren Unternehmen, denen faktisch keine andere Möglichkeit bleibt, als sich dem Willen der stärkeren zu unterwerfen - die Errichtung von Monopolen oder Oligopolen durch die Verdrängung anderer vorhandener oder durch die Errichtung einer Zutrittssperre für neue (potentielle) Konkurrenten erreicht werden kann, weil sie die Wettbewerbsfreiheit dieser Konkurrenten und den Wettbewerb als verfassungsrechtliches Institut 960 verletzen 961. Wenn das nicht der Fall ist, aber die wettbewerblichen Interessen und die (grund-)rechtlichen Posi-

BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 2509 (Trafo-Stati on); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 976; vgl. näher Ossenbühl, in: FS Kriele, S. 147 ff. 956

So Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 385 (m. w. N.).

957

Dazu vgl. oben sub α. So Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 25. 959 Man muß hier darauf hinweisen, daß nicht die wirtschaftliche Marktkonzentration und -beherrschung als solche der grundgesetzlichen Wertordnung widersprechen, sondern der Mißbrauch der Macht aus dieser Konzentration und Beherrschung - vgl. auch den Wortlaut des Art. 74 I Nr. 16 GG, der von "Verhütung des Mißbrauchs von wirtschaftlicher Machtstellung" spricht; vgl. auch zum GWB Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 67. Für den BGH in BGHZ 128, 17, 36 f , spielt aber diese Diskrepanz offenbar grundrechtlich keine Rolle. 960 Yg] c j a z u aus führlich oben sub A I 3. 958

961 Dagegen unzutreffend Knöpfle, Ist die Freiheit, S. 180, der davon ausgeht, daß die Freiheit nicht die einzige Voraussetzung des Wettbewerbs ist, indem er das Argument benutzt, daß auch der Monopolist frei sei. Der Monopolist ist zwar frei, sein Monopol auf einem Markt zu haben, seine (potentiellen) Konkurrenten sind aber nicht frei, mit ihm zu konkurrieren, auch die Marktgegenseite ist nicht frei, von mehreren Angeboten das qualitativ beste oder günstigste auszusuchen, wenn der Markt durch das (rechtliche oder faktische) Monopol gesperrt ist.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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tionen der am Wettbewerbsmarkt tätigen Personen durch die Vereinbarungen, die Absprachen oder das unternehmerische Verhalten anderer Unternehmen bloß beeinträchtigt und beschränkt werden, haben die diese Vereinbarungen verbietenden oder die Mißbrauchsaufsicht einfuhrenden GWB-Vorschriften den Charakter des Grundrechtseingriffes, diesmal in die grundrechtlichen Positionen der marktbeherrschenden oder der diese Verträge abschließenden Unternehmen. Es handelt sich dann um einen typischen Fall echter Grundrechtskollisionen 962 , die der Gesetzgeber durch das GWB im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit gelöst hat 963 . Aus dieser dargelegten Position ergibt sich, daß die Auffassung, das GWB stelle nur Einschränkungen in die Vertrags-, Unternehmensund Wettbewerbsfreiheit aus Art. 91, 121 und 14 I GG dar 964 , abzulehnen ist. Denn sie läßt die Grundrechte der von solchen wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen berührten Konkurrenten, Lieferanten und Abnehmer verfassungsrechtlich unzulässigerweise außer acht. Man sollte dann besser vom Gesetz der Wettbewerbseinschränkungen statt vom Gesetz gegen die Wettbewerbseinschränkungen sprechen.

ßß) Die einzelnen Vorschriften des GWB Zuvorderst kommt das Kartellverbot nach § 1 GWB in Betracht, das unter den bereits genannten Umständen einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit derjenigen Unternehmen darstellt, die durch einen Kartellvertrag bessere Bedingungen auf dem Markt gegenüber ihren Mitbewerbern schaffen wollen 965 . Berührt werden können die Vertrags-, Preis-, Produktions- oder Werbefreiheit als Teilaspekte der Wettbewerbsfreiheit. Hingegen sind als Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten die Vorschriften der §§ 2-8 GWB über die Anmelde-, Widerspruchs- und Erlaubniskartelle (Konditionen-, Rabatt-, Strukturkrisen-, Rationalisierungs-, Spezialisierungs-, Ausfuhr-, Einfuhr- und Sonderkartelle) 966 sowie Kooperationserleichterungen und die Erlaubnis des

962

So auch Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 49 ff.; ders., in: MD, Art. 12, Rd. 385; ders. Entflechtung, S. 97, 102 ff., 111, 114 f.; Schlichter, Die Beseitigung, S. 73 ff., 164; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 271; vgl. auch Rittner, in: FS Sölter, S. 32. 963 Vgl. dazu ausfuhrlicher unten sub V 2 b bb. 964 So aber Knöpße, Ist die Freiheit, S. 182 ff.; vgl. auch Gotthold, in: WRP 1978, S. 607 ff. 965 Dagegen stellt das Kartellverbot nach § 1 I GWB keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Unternehmen Α, Β und C dar, die die einzigen Teilnehmer an einem Markt sind, weil sie dadurch überhaupt nicht mehr konkurrieren können, so daß die Wettbewerbsfreiheit nicht in Betracht kommen kann. Es liegt aber ein Eingriff in die aus Art. 12 I, 9 I GG resultierende Vertragsfreiheit vor, der aber hier irrelevant ist. 966 Vgl. auch §§ 98 ff. GWB.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

gemeinsamen Einkaufs ohne Bezugszwang967 zu begreifen. Denn sie erlauben unter den von diesen Normen dargelegten Voraussetzungen die Wirksamkeit von Kartellen, die ihrerseits Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten 968 darstellen können 969 . Der Eingriffscharakter dieser Normen liegt darin, daß sie eine Tätigkeit (Kartellbildung) ausdrücklich erlauben, die die Freiheit anderer Personen beschränkt 970. Ähnliches gilt mutatis mutandis fur die Anerkennung (§ 28 GWB) oder die Ablehnung der Anerkennung (§31 GWB) von Wettbewerbsregeln, für das Verbot des Abschlusses vertikaler Verträge über Preisgestaltung und Geschäftsbedingungen (§ 15 GWB) 9 7 1 , für das Verbot der vertraglichen Vereinbarungen von Ausschließlichkeitsbindungen (§18 GWB), für das Verbot eines aufeinander abgestimmten Verhaltens und wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen (§ 25 GWB) und für das Empfehlungsverbot (§ 38 I Nr. 10-12 GWB). Keinen Eingriff in die Wettbewerbsfrei967

Zu diesen Begriffen vgl. statt aller Emmerich, Kartellrecht, §§ 6 ff. Knöpfle, Ist die Freiheit, S. 179, unterscheidet im Zusammenhang mit dem Kartellverbot zwischen der Freiheit der Kartellmitglieder, der Freiheit der Außenseiter des Kartells und der Freiheit der Marktpartner. 969 Das BVerfG hat in seinem Handelsvertreter-Urteil - BVerfGE 81, 242, 254 - zu Recht dargelegt, daß die Privatautonomie nur im Rahmen der geltenden Gesetze bestehe und diese ihrerseits an die Grundrechte gebunden seien. Aus der Darstellung dieses Topos in Verbindung mit der Tatsache, daß §§ 2-8 sowie § 23 III GWB ausdrücklich eine Vereinbarung erlauben, die aufgrund dieser Vorschriften Wettbewerbs- bzw. grundrechtseinschränkend auf die anderen Konkurrenten (sowie auch u. U. auf manche der Beteiligten) wirkt, indem sie das erlaubte Kartell bzw. den Zusammenschluß in Kauf nehmen müssen, ergibt sich, daß die Einschränkung aufgrund dieser Verträge grundrechtsdogmatisch nicht nur den beteiligten Unternehmern, sondern auch dem Gesetzgeber nach Art. 1 III GG zuzurechnen ist; vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 101 f., der zutreffend in diesen Vorschriften "die Genehmigung einer Wettbewerbsbeschränkung" sieht und darlegt: "Es kommt nicht darauf an, ob die Genehmigung bereits vom begünstigten Mitbewerber ausgenutzt wurde. Denn mit der Erteilung der Genehmigung steht fest, daß der Begünstigte berechtigt ist, den Wettbewerb zu beschränken. Damit steht zugleich fest, daß der Konkurrent verpflichtet ist, diese Wettbewerbsbeschränkung zu dulden. In dieser, ihm mittelbar auferlegten Verpflichtung liegt bereits ein rechtlich relevanter Eingriff in die Wettbewerbsposition des Konkurrenten."; vgl. auch in demselben Werk, S. 182. Der verfassungsrechtliche Sinn dieser Vorschriften könnte nicht besser als durch diese Darlegung von Scholz dargestellt werden, soweit damit die Verantwortung des Gesetzgebers gemeint ist. Das ändert aber nichts an der Situation, daß die ursprüngliche Quelle des Eingriffs nicht der Staat, sondern die Privaten sind - vgl. auch BVerfGE 81, 242, 253 f. (Handelsvertreter). Infolgedessen trägt er genauer gesagt eine Mitverantwortung für den Eingriff (vgl. dazu und zu der Schutzpflichtproblematik ausführlich unten sub VI 2 b, 3 c aa). 968

970

Rittner, in: FS Sölter, S. 32, merkt dazu folgendes an: "Ob alle diese Ausnahmen (der §§ 2-8 GWB) berechtigt sind oder ob sie noch nicht ausreichen, darüber gibt es vorerst keine wissenschaftlich exakten Erkenntnisse. Wir wissen nur, daß in manchen Fällen die Wettbewerbsbeschränkung durch einen Vertrag oder Beschluß eher erträglich, manchmal vermutlich sogar günstiger ist als das Verbot." 971 Zu dem einschränkenden Charakter des § 15 GWB unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 I GG vgl. BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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heit stellt dagegen § 16 GWB dar. Denn nach dieser Vorschrift bleibt es der Vertragsgestaltung der am Handel beteiligten Personen überlassen, ob sie sich durch den freiwilligen Abschluß privatrechtlicher Verträge selbst in ihrer Geschäftstätigkeit binden 972 . Man muß hier hervorheben, daß die eben dargelegten Vorschriften, die ein Verbot beinhalten, eher wettbewerbsfreiheitsschützenden 973 als -einschränkenden Charakter haben. Eine andere Kategorie von Normen im Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen stellen die Vorschriften des GWB dar, die die Konzentrationskontrolle einführen und ihrem Mißbrauch durch die entsprechenden Maßnahmen (Mißbrauchsaufsicht) entgegenwirken wollen. Darunter fallen die §§ 22 IV-VI, 23, 24 I I ff., 26 I I und IV GWB, für deren verfassungsrechtliche Beurteilung die bereits dargelegten und die für die übrigen Vorschriften geltenden Maßstäbe einschlägig sind. Bezüglich des § 261 GWB (Boykottaufrufsverbot) ist auszuführen, daß dadurch über die Berufsfreiheit des Art. 121 GG hinaus in die Ausübung anderer Grundrechte (ζ. B. die Religionsfreiheit und -ausübung aus Art. 4 I und I I GG oder die sich aus Art. 5 I GG ergebenden Grundrechte, insbesondere die freie Meinungsäußerung) eingegriffen werden kann 974 , so daß es sich um eine Kollision mit den Grundrechten der Konkurrenten handelt 975 . Soweit die Vorschriften des GWB einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG darstellen, wird grundsätzlich die freie Berufsausübung 976 und dementsprechend die Freiheit im Wettbewerb berührt 977 .

972

So BVerfG, ebenda. Vgl. statt aller Rittner, in: FS Sölter, S. 32; mehr dazu unten sub VI 3 c aa. 974 Angesichts des engen Anwendungsbereichs des § 26 I GWB (Boykottierer und Boykottierte müssen Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen sein, die im Wettbewerbsverhältnis stehen) kann das praktisch selten der Fall sein. Anders ist der Fall aber in bezug auf den § 1 UWG oder die §§ 823 I, 826 BGB (vgl. dazu ausführlich unten sub C II 2 b). 975 Vgl. dazu unten sub C II 2 b. 976 So auch Scholz, Entflechtung, S. 183 (m. w. N.); Schlichter, Die Beseitigung, S. 185. 977 Die freie Berufswahl und der Zugang zum Wettbewerb können nur dann eingeschränkt werden, wenn im seltenen und besonderen Fall, vor allem im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht, der Beginn eines bestimmten Gewerbes als solches untersagt wird so Scholz, Entflechtung, S. 183, am Beispiel der Entflechtung unter Nachweis auf BVerfGE 25, 1, 11 (Mühlengesetz); vgl. auch Möschel, Entflechtungen, S. 142; Schlichter, Die Beseitigung, im Anschluß an Scholz, S. 185. 973

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

γ) Die öffentlichen Monopole Die wohl intensivste Form der Beschränkungen der Berufsfreiheit sind Berufsverbote und -sperren, da sie die Privaten von wirtschaftlichen Tätigkeiten ausschließen978. Hinsichtlich der Wettbewerbsfreiheit ist die Berufssperre durch staatliche bzw. kommunale Monopole von Interesse, die den Zugang zum Wettbewerb im Bereich ihrer Tätigkeiten sperren. Eine auf der Wettbewerbsfreiheit basierende, grundsätzlich freie Wettbewerbswirtschaft und staatliche bzw. kommunale Monopole sind ein Widerspruch, weil dadurch kein Wettbewerb mehr vorliegen kann. Diese Monopole sind zu Recht als "Fremdkörper" in der freien Wirtschaft bezeichnet worden 979 . Sie schließen "nicht nur diejenigen, welche die monopolisierte Tätigkeit selbständig ausüben oder ausüben möchten, hiervon aus, sondern berühren auch entscheidend die freie wirtschaftliche Entfaltung weiterer Kreise" 980 . Man kann die öffentlichen Monopole in zwei wichtige Kategorien unterteilen: die Verwaltungsmonopole, die unmittelbar der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, und die Finanzmonopole, die die Erzielung von Einnahmen bezwecken981. Das GG sieht selbst solche Monopole vor, wie ζ. B. die Finanzmonopole aus Art. 105, 106, 108 GG 9 8 2 oder das Notenbankmonopol aus Art. 88 GG alter und neuer Fassung983, und ermöglichte die Einführung einiger Monopole im Rahmen des Art. 87 11 a. F. (Deutsche Bundesbahn, Deutsche Bundespost)984 9 8 5 . Strittig ist, ob Art. 28 I I

978 BVerfGE 21, 245, 257 (Arbeitsvermittlungsmonopol); vgl. auch Tettinger, in: AÖR 1983, S. 121; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 62; Stober, Grundrechtsschutz, S. 82. 979 BVerfGE 21, 245, 249 (Arbeitsvermittlungsmonopol). 980 BVerfGE, ebenda. 981 Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 406; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 30; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 63; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 38; ders., in: FS Stern, S. 548 f. 982 BVerfGE 14, 105, 111 (Branntweinmonopol), wonach das GG Finanzmonopole als eine besondere Form der Erhebung von Abgaben anerkenne. Diese Anerkennung bedeute mehr als nur die Feststellung, daß es Finanzmonopole irgendwelcher Art geben könne, nämlich zugleich die Bestätigung des Bestandes der beiden vorhandenen Finanzmonopole, des Branntweinmonopols und des Zündwarenmonopols. Die Berufsfreiheit und Art. 12 I GG würden im Bereich dieser Monopole nicht tangiert. Man kann daraus schließen, wenngleich das BVerfG das nicht ausdrücklich betont, daß diese grundgesetzlichen Vorschriften eine Art "immanenter Grundrechtsschranken" oder, genauer gesagt, "-grenzen" für die Berufs(wahl)freiheit darstellen - vgl. auch Thieme, in: JZ 1961, S. 281; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 106; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 39; teilweise anders Schnapp, in: JuS 1978, S. 735, der Art. 12 I GG auch für diese Monopolbereiche als anwendbar ansieht, aber Art. 105 I GG in die Problematik der Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit nach der Dreistufentheorie einordnet. 983 So Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 105. 984 Vgl. dazu Steiner, in: HdDStR, III, § 81, Rd. 8 ff, 32 ff, 36 ff. 985 Vgl. aber mittlerweile Art. 87 e III, 87 f II GG.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

189

GG die verfassungsrechtliche Grundlage für die Rechtfertigung der traditionellen kommunalen Verwaltungsmonopole (wie ζ. B. das Bestattungsmonopol, Schlachthofbenutzung u. a.) darstellt 986 . Fundierter ist die Meinung, nach der Art. 28 I I GG zwar die verfassungsrechtliche Grundlage für die Errichtung eines gemeindlichen Unternehmens ist 987 , nicht aber, daß er allein die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Errichtung eines kommunalen Monopols darstellt und keinesfalls den Schutzbereich des Art. 121 GG begrenzt 988. Die schwierigsten Probleme bezüglich der verfassungsrechtlichen Legitimität der öffentlichen Monopole ergeben sich gerade aus den Verwaltungsmonopolen. Ihre Rechtsgrundlage kann auf zwei Arten gestaltet werden: entweder unmittelbar durch Gesetz, welches das öffentliche Monopol in einem wirtschaftlichen Bereich (ζ. B. soziale Versicherung, Stromenergie oder Wasserversorgung) in der Organisationsform eines öffentlichen Unternehmens 989 einführt, oder ebenfalls durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes, aber dieses Mal mittelbar dadurch, daß den Nachfragern ein Anschluß- oder Benutzungszwang auferlegt wird, der sie an ein öffentliches Unternehmen bindet 990 . Im zweiten Fall kommen zwar unmittelbar die Grundrechte der Nachfrager, aber mittelbar auch die Grundrechte der (schon vorhandenen oder potentiellen) Konkurrenten in Betracht 991 9 9 2 .

986 Vgl. einerseits bejahend Stober, Grundrechtsschutz, S. 67; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 105; ähnlich Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 103, und andererseits ablehnend Thieme, in: JZ 1961, S. 283, mit der Bemerkung, daß eine solche Auslegung jedoch die Bedeutung des Art. 28 II GG überdehnen würde. Denn Art. 28 II GG betreffe nur das Verhältnis zwischen Gemeinden und Staat, nicht dagegen auch das Verhältnis der Gemeinden zu ihren Bürgern. 987 Erichsen, Gemeinde und Private, S. 30. 988 Vgl. auch ähnlich Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 461 f.; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 452 f., Fn. 124 (dort); weiterhin BVerwGE 39, 329, 334 (kommunales Bestattungsunternehmen); BVerwG DÖV 1970, S. 823; vgl. auch allgemein zum Verhältnis des Art. 28 II GG mit dem Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG BVerwGE 90, 359, 361 f.; BSGE 67, 256, 265; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht in: SchmidtAßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 48. 989 s. dazu oben sub II 3 c bb, cc. 990 P. Kirchhof, Verwalten, S. 405 f.; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, §16, Rd. 30; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 63; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 40; vgl. auch BVerwGE 17, 306, 307 (Mobiliarfeuerversicherung); 62, 224, 226 ff. (Abfallbeseitigungsmonopol); BVerwG DÖV 1960, S. 594; BVerwG DÖV 1969, S. 432; BVerwG BayVBl. 1972, S. 670; OVG Weimar GewArch 1998, S. 27 (nicht rechtskräftig); BGHZ 40, 355, 358 ff.; 54, 293, 297 ff.; 77, 179, 181 ff. 991 So auch P. Kirchhof, Verwalten, S. 405 f.; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 40; OVG Weimar GewArch 1998, S. 26 f. (nicht rechtskräftig). 992 Ein solches mittelbares Monopol bzw. Oligopol führt auch die Verpflichtung der Landwirte eines Landes aufgrund vom Land erlassener Subventionsrichtlinien ein, nur von zwei öffentlichen Beratungsunternehmen des Landes beraten zu werden - vgl. zum Fall BVerwGE 75, 109 ff. (Subventionsrichtlinien).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Umstritten ist wegen der sui generis wirtschaftlich-unternehmerischen Art dieser Tätigkeiten, ob Art. 12 I GG für solche Monopole und ihre Tätigkeiten in Betracht kommen kann 9 9 3 , ob sie der ausschließlichen Kompetenz des Staates vorbehalten bleiben sollen oder ob die Entscheidung beim Staat liegt, ob und wann auch solche Aufgaben den Privaten zugewiesen werden sollen 994 . Nach richtiger Auffassung ist Art. 121 GG nur für die Finanzmonopole und diejenigen öffentlichen Aufgaben, die traditionell dem Staat vorbehalten sind (vgl. Art. 87 ff.), nicht einschlägig, so daß für die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit der Privaten in diesen wirtschaftlichen Bereichen kein grundrechtlicher Raum übrig bleibt 9 9 5 9 9 6 . Ansonsten muß man sich auf den verfassungsrechtlichen Begriff "Beruf' 9 9 7 konzentrieren und soweit eine von einem öffentlichen Monopol ausgeübte wirtschaftliche Betätigung diese Merkmale erfüllt, kommt Art. 12 I GG in Betracht, die Monopolbetätigung ist demnach an den Maßstäben dieser Vorschrift zu messen 998 . Es kommt allerdings nicht dar-

993 Die Frage bejahen Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 455; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 31; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 66; Stober, Grundrechtsschutz, S. 82; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 21 III 6; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 72; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 321; Odersky, Zu den Grenzen, S. 82; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 38 ff; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 760 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 895; BVerfGE 21, 245, 249 (Arbeitsvermittlungsmonopol); 21, 261, 267 (Arbeitnehmer-Überlassungsverträge); BVerwGE 17, 306, 313 (Mobiliarfeuerversicherung); 39, 329, 334 (kommunales Bestattungsunternehmen); 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol); 96, 302, 307 (Spielbanken); BSG NJW 1978, S. 854; ähnlich BVerwGE 75, 109, 114 (Subventionsrichtlinien) unter Hinweis auf BVerfGE 7, 377, 397 (Apotheken); anders aber BVerfGE 41, 205, 218 ff. (Gebäudeversicherungsmonopole), wonach das Gericht in Art. 74 I Nr. 11 GG die verfassungsrechtliche Grundlage der Gebäudeversicherungsmonopole begründete; kritisch dazu Papier, a. a. O , § 18, Rd. 43. 994 So Bachof in: B/N/S GR III/l, S. 200 f.; Maunz, in: MD, Art. 12, Rd. 97 (alter Stand); BVerfGE 37, 314, 322 (Fachhochschulen) für den Betrieb von Fachhochschulen; vgl. auch die alte Rechtsprechung des BVerwG in E 3, 21, 23; 4, 250, 254; 6, 72, 74 (Bezirksschornsteinfegermeister), wonach das Grundrecht der freien Berufswahl seinem Wesen nach nicht für solche Berufe gelte, die Aufgaben wahrnehmen, welche der öffentlichen Hand vorbehalten seien. Daß das BVerwG diese Rechtsprechung aufgegeben hat, hat sich in der Fn. 993 gezeigt. 995 Vgl. auch Thieme, in: JZ 1961, S. 281; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 106, 215; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 63; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 39; Odersky, Zu den Grenzen, S. 82. 996 Für die Verwaltungsmonopole, die von Art. 87 I 1 GG a. F. vorgesehen waren, galt diese Vorschrift als lex specialis im Vergleich zu Art. 12 I GG; vgl. inzwischen Art. 87 e III, 87 f II GG, die ebenso als leges speciales gelten. 997 s. dazu oben sub II 2 a aa γ. 998 So BVerfGE 21, 245, 249 (Arbeitsvermittlungsmonopol), wonach das nach § 35 AVAVG (RGBl. I, 187) und § 4 AFG v. 25. 6. 69 (BGBl. I, 582) Arbeitsvermittlungsmonopol die Staatsbürger von der Möglichkeit ausschließe, den selbständigen Beruf des Arbeitsvermittlers zu ergreifen und auszuüben; BVerwGE 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol); 96, 302, 307 ff. (Spielbanken); LG Bonn GewArch 1998, S. 153. Dies

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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auf an, ob die betreffende monopolisierte Betätigung tatsächlich von Privaten ausgeübt wird bzw. wurde, sondern auf ihre Berufsqualität, die die Maßstäbe des Art. 12 I GG, wie bereits ausgeführt, erfüllen muß 9 9 9 . Das betrifft nicht nur die gesetzlichen, sondern auch die faktischen öffentlichen Monopole 1 0 0 0 sowie auch die sog. natürlichen Monopole der Daseinsvorsorge 1001 . Man darf nicht vergessen, daß die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand und ihrer Eigenunternehmen i m Grunde eine Grundrechtsbindungsfrage ist 1 0 0 2 und an die Grundrechte nach Art. 1 I I I GG nicht nur der Gesetzgeber, der ein solches Monopol errichten kann, sondern auch die Verwaltung gebunden ist, die faktisch ein Monopol besitzen und den Wettbewerb außer Kraft setzen kann, wenn man von der richtigen Meinung ausgeht, daß unter "Verwaltung" auch die Tätigkeit im sog. Verwaltungsprivatrecht sowie die öffentliche erwerbswirtschaftliche Betätigung verstanden wird 1 0 0 3 . Darüber hinaus kann die Annahme der Gegenmeinung zumindest theoretisch 1004 zu einer Monopolisierung der Wirtschaft führen, so daß den öffentlichen Monopolen die Rolle des "trojanischen Pferdes" der Wettbewerbsfreiheit und -Wirtschaft zukommen könnte, wenn die Grundrechte und die rechtstaatlichen Garantien für ihre Einschränkbarkeit außer Betracht bleiben sollen 1005 . Umstritten ist auch die Frage, ob die Errichtung eines öffentlichen Monopols als "objektive Zulassungsbeschränkung" zum Wettbewerb im Sinne der sog. Dreistufentheorie, wie sie das BVerfG in seinem sog. Apotheken-Urteil 1006 entwickelt hat 1 0 0 7 , oder als eine andere, "vierte Stufe" der Beschränkungen der

ist auch die herrschende Meinung im Schrifttum - vgl. letztens Papier, in: FS Stern, S. 546 ff. 999

So Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 401.

1000

So auch Thieme, in: JZ 1961, S. 280; Hoffmann-Becking, in: FS Wolff, S. 459; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 408; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 321; MeyerArndt, in: ZUM 1996, S. 768; vgl. auch BVerwGE 75, 109 ff. (Subventionsrichtlinien). 1001 Ygj z u m Begriff und zur Bedeutung für die Volkswirtschaft Wieland, Konzessionsabgaben, S. 129 ff. 1002 s. dazu oben sub III 3 b dd. 1003 s. dazu oben sub III 2 b. Man darf auch nicht außer acht lassen, daß die öffentliche Hand (sowie ihre eigenen Unternehmen), wie bereits ausführlich gezeigt wurde (s. oben sub II 3 c dd), bei der Errichtung eines Monopols nicht die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit geltend machen darf. 1004 V g | a b e r u n t e r d e m Gesichtspunkt des EG/EU-Rechts Art. 90 EGV sowie dem neuen Art. 3 a I EGV (dazu ausführlich unten im zweiten Teil). 1005

So auch Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 66; weiterhin Thieme, in: JZ 1961, S. 282. 1006 BVerfGE 7, 377 ff. 1007 So BVerfGE 21, 245, 250 f. (Arbeitsvermittlungsmonopol); 21, 261, 267 (Arbeitnehmer-Überlassungsverträge); BVerwGE 17, 306, 313 (Mobiliarfeuerversicherung); 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol) - das nach § 3 II AbfG v. 05. 01. 1977 (BGBl. I, 41) eingeführte Abfallbeseitigungsmonopol wurde als objektive Zulassungs-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

freien Berufswahl betrachtet werden soll 1 0 0 8 . Man sollte sich der zweiten Meinung anschließen. Die objektiven Zulassungsbeschränkungen der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit setzen voraus, daß die beschränkte berufliche Tätigkeit im Wettbewerb trotz ihrer Einschränkung durch die öffentliche Gewalt immer noch ausgeübt werden kann. Das ist aber bei der Errichtung eines Monopols nicht der Fall. Das Monopol ist die intensivste Form eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit, indem es ein im Prinzip absolutes Verbot für die privaten (potentiellen) Teilnehmer am Wettbewerb darstellt, so daß es keinen Raum mehr für eine selbständige berufliche Tätigkeit gibt 1 0 0 9 . Seine verfassungsrechtliche Legitimation bedarf einer besonderen Begründung, die nicht von den Rechtfertigungsvoraussetzungen (Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter) der objektiven Zulassungsbeschränkungen nach der traditionellen Dreistufenlehre befriedigend gedeckt werden können 1010 . Das ist vielmehr der Fall, wenn bei der Errichtung eines öffentlichen Monopols die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit so intensiv eingeschränkt wird, daß der Wesensgehalt des Grundrechtes nach Art. 19 I I GG angetastet wird, also eine Grundrechtsverletzung in Betracht kommen kann 1011 . Diese verfassungsrechtliche Auslegung würde aber in eine per se Verfassungswidrigkeit (fast) aller öffentlicher (Verwaltungs-)Monopole führen, so daß die wirtschaftspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers 1012 vor allem in kritischen Fragen der Sozialpolitik und der Daseinsvorsorge, deren Bereich meistens Gegenstand der Verwaltungsmonopole ist, weit begrenzt werden und die relativ offene Wirtschaftsverfassung des GG weiter relativiert würde 1013 . Um eine solche grundrechtliche Interpretation mit unangenehmen wirtschafts- und sozialpolitischen Konsequenzen zu vermeiden, muß man zu dem

beschränkung der Berufsfreiheit behandelt; Schnapp, in: JuS 1978, S. 735; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 116; Stober, Grundrechtsschutz, S. 82; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 21 III 6; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 43. 1008 So Tettinger, in: AÖR 1983, S. 122; ders., in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 113; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 62; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 72. 1009 j ) a ß m a n j n diesem Monopol unselbständig arbeiten kann, spielt für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Monopole gar keine Rolle - so auch Thieme, in: JZ 1961, S. 280; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 62. 1010 So auch Tettinger, in: AÖR 1983, S. 122; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 62. 1011 Vgl. auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 321. 1012 Diese weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wirtschaftspolitischen Fragen hat das BVerfG in seiner Arbeitsvermittlungsmonopol-Rechtsprechung - BVerfGE 21, 245, 254 ff. - bestätigt. So auch Wieland, Konzessionabgaben, S. 148 f. 1013 Die Wahrheit dieser Auffassung gilt, selbst wenn Art. 19 II GG und das Verhältnismäßigkeitsprinzip als rechtsstaatliche Schranken - Schranken der wirtschaftlichen Grundrechte - schon Bestandteil der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung sind (vgl. dazu oben sub I 2 a, b).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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folgenden Schluß kommen: Die bereits dargelegten grundrechtseinschränkenden Folgen eines Monopols dürfen nicht verkannt werden. Andererseits gibt es einige Bereiche der Wirtschaft mit starkem sozialen Charakter, wo die private wirtschaftliche Initiative zu sozial-wirtschaftlichen Mißbräuchen und Ausbeutung fuhren könnte. Nur Gründe, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 I und 28 I GG oder einem anderen Verfassungsgut, wie ζ. B. dem Umweltschutz (vgl. dazu den neuen Art. 20 a GG) 1 0 1 4 ableiten lassen, können unter der ständigen und strikten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips 1015 die verfassungsrechtliche Legitimation eines öffentlichen Monopols darstellen 1 0 1 6 1 0 1 7 . Der Gesetzgeber aber (sowie die Exekutive bzw. die Regierung) muß nach der Ausübung einer solchen Monopolpolitik zurückhaltend 1018 und immer bereit sein, das Monopol aufzuheben, wenn die sozialstaatlichen Gründe, die ihre Errichtung einmal gerechtfertigt haben, aus sozial- oder wirtschaftspolitischen Gründen nicht mehr vorliegen 1019 . Jedenfalls sollte man die Einfuhrung neuer Finanzmonopole verfassungsrechtlich ausschließen 1020 , wenn man vom Anwendungsbereich der grundgesetzlich garantierten bzw. der bei Inkrafttreten des GG bekannten Finanzmonopole absieht. In der heutigen, auf Freiheit und der Öffnung der Märkte basierenden europäischen Wirtschaft so-

1014

Vgl. dazu Steinberg, in: NJW 1996, S. 1988. Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 68, verbindet die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. seines Teilparameters der Erforderlichkeit hinsichtlich der Errichtung eines Verwaltungsmonopols mit dem Subsidiaritätsprinzip; a. A. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 212 - das Argument kann hier offen bleiben; vgl. auch dazu Hoffmann-Becking, in: FS Wolff, S. 453 ff; BVerwGE 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol). 1016 D j e s e Position weicht materiell betrachtet nicht wesentlich von der Arbeitsvermittlungsmonopol-Rechtsprechung des BVerfG ab, wenn man sie gründlich überprüfen will, letzten Endes kommt man praktisch zu demselben Ergebnis - vgl. BVerfGE 21, 245, 251 ff, 257 f. (Arbeitsvermittlungsmonopol). 1017 Diese Frage darf nicht mit einer anderen Frage verwechselt werden, wonach die Sozialstaatsklausel des GG in manchen Sektoren der Wirtschaft mit stark geprägtem sozialen Charakter (ζ. B. Daseinsvorsorge) die Anwesenheit bzw. Intervention des Staates nicht nur rechtfertigt, sondern auch gebietet. Denn "Intervention" ist nicht gleichbedeutend mit "Monopol". 1018 So auch Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 43. 1019 Vgl. BGH GewArch 1992, S. 177, wonach die widersprüchliche Situation, daß viele Vermittlungsverträge wegen des nach §§4, 13 AFG und vom BVerfG verfassungsrechtlich nicht beanstandeten Arbeitsvermittlungsmonopols nach § 134 BGB fur nichtig erklärt werden müßten, unter anderen sozialpolitischen Gründen zum Ergebnis führt, daß das Arbeitsvermittlungsmonopol im Jahre 1991 nicht mehr verfassungsrechtlich zu retten sei, obwohl es im Arbeitsvermittlungsmonopol-Urteil des BVerfG im Jahre 1967 als verfassungsmäßig erklärt wurde - vgl. dazu auch Tettinger, in: AÖR 1983, S. 122; ders, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 113; Stober, Grundrechtsschutz, S. 70; ders. Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 21 III 6; Scholtissek, in: GewArch 1992, S. 173. 1020 So auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 106, 406; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 39; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 63. 1015

13 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

wie der Weltwirtschaft stellt die Existenz und noch mehr die Errichtung neuer Monopole eigentlich einen wirtschaftspolitischen Anachronismus dar, so daß sie nicht nur aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht mehr zu retten sind, sondern auch aus verfassungsrechtlichen Gründen genaugenommen zweifelhaft erscheinen 1021 .

dd) Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit dem modernen grundrechtsdogmatischen

nach Verständnis

α) Eingriffe durch steuerrechtliche Normen Es wurden bereits die Merkmale des sog. "klassischen" Eingriffsbegriffs dargelegt sowie die Auffassung, daß dieser zu enge Begriff nicht mehr der Realität der modernen Grundrechtslehre entspricht 1022 . Dieser Bruch in der "klassischen" Eingriffstheorie hat zu der Annahme der sog. "mittelbaren" oder "faktischen" Grundrechtseingriffe geführt. In bezug auf die hier erörterte Problematik der Eingriffe in die Berufs- und die sich aus ihr ergebende Wettbewerbsfreiheit hat das BVerfG schon früh anläßlich der steuerrechtlichen Normen Stellung genommen und ist davon ausgegangen, daß der Schutz des einzelnen vor Beschränkungen seiner Berufsfreiheit nur unvollkommen gewährleistet wäre, wollte man nur solche Vorschriften am Maßstab des Art. 121 GG verfassungsrechtlich messen, die unmittelbar die berufliche Betätigung zum Gegenstand hätten. Der besondere Freiheitsraum, den Art. 121 GG sichern wolle, könne auch durch Vorschriften berührt werden, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet seien, die Berufsfreiheit mittelbar zu beeinträchtigen, obwohl sie keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter trügen 1023 . Insbesondere hinsichtlich der steuerrechtlichen Vorschriften legt das Gericht dar, daß auch sie solche Wirkungen nach sich ziehen könnten. Sie seien an Art. 12 I GG zu messen, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und - objektiv - eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen würden 1024 . Diese Rechtspre1021 Yg| auch Emmerich, in: AG 1985, S. 295; vgl. ferner unter dem gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt EuGHE 1991 I, S. 1979, 2019, Rd. 34 (Höfner). 1022 s. dazu oben sub 1 c. 1023 BVerfGE 13, 181, 185 f. (Schankerlaubnissteuer!). 1024 BVerfGE 13, 181, 186 (Schankerlaubnissteuer I) - wonach die aufgrund der Steuerordnung des Kreises Bergheim auferlegte Schankerlaubnissteuer einen solchen Eingriff darstellt; vgl. auch zum Eingriffscharakter der steuerrechtlichen Normen BVerfGE 16, 147, 167 ff. - Sonderbesteuerung des Werkfernverkehrs; BVerfGE 22, 380, 384 f. (Kuponsteuer); BVerfGE 29, 327, 332 f. (Schankerlaubnissteuer II); BVerfGE 38, 61, 79, 85 ff. (Straßengüterverkehrssteuer); BVerfGE 47, 1, 21; 85, 238, 247 - § 12 II Nr. 10 UStG v. 26. 11. 1979 (BGBl. I, 1953) i. d. F. des Gesetzes zur Wiedererlebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Erlastung des Bundeshaushalts

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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chung hat das BVerfG auch auf andere, nicht steuerrechtliche Vorschriften angewendet, die aber eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben und die Berufsfreiheit "mittelbar" oder "faktisch" beschränken können 1025 . Es ist sogar noch weiter gegangen und hat dargelegt, daß der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht der Berufsfreiheit sichern wolle, auch durch Vorschriften ohne berufsregelnde Zielrichtung berührt werden könne, wenn sie infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet seien, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen 1 0 2 6 . Diese Judikatur stellt den definitiven Bruch der sog. klassischen Lehre der Grundrechtseingriffe bzw. der Eingriffe in die Berufsfreiheit dar, weil sie annimmt, daß eine Grundrechtsbeeinträchtigung "mittelbar", "tatsächlich" und "ungezielt" sein kann 1 0 2 7 . Besonders zur Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit durch steuerrechtliche Normen gilt folgendes: Steuerbelastungen oder Steuervergünstigun-

V. 20. 12. 1982 (BGBl. I, S. 1857) als Eingriff in die Freiheit der Mietwagenunternehmer im Wettbewerb mit den Taxiunternehmen; BVerfG EuGRZ 1998, S. 288 (Verpakkungssteuer); BVerfG EuGRZ 1998, S. 297 (Abfallabgabe); vgl. auch zu dieser Rechtsprechung BVerfGE 75, 108, 153 f.; 81, 108, 121 f.; 95, 267, 302 (Kreditaltschulden), ohne daß das Gericht bei den jeweils gerügten Normen eine solche Tendenz und dementsprechend einen Eingriffscharakter anerkennt; vgl. schließlich letztens BVerfGE 93, 121, 142 (Vermögenssteuer), wonach folgendes ausgeführt wurde: "Bei Vermögensseinheiten, die einer landwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Erwerbstätigkeit gewidmet sind, wird der Gesetzgeber mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG die steuerlichen Auswirkungen einer Neubewertung des Grundbesitzes zu bedenken haben". 1025 BVerfGE 13, 230, 232 f. (Ladenschlußgesetz) - vgl. oben sub 1 c; 46, 120, 136 ff. (Direktrufverordnung) - § 3 IV DirRufV v. 24.06. 1974 (BGBl. I, 1325) als "mittelbarer" nicht "gezielter" Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit; vgl. kurz zur Erläuterung dieser Darlegung M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 54; vgl. auch BVerfGE 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); 95, 267, 302 (Altkreditschulden); BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG); zustimmend zu dieser Rechtsprechung im allgemeinen BFH BB 1996, S. 2552; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 302; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdekkung, S. 231 ff.; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 32, mit der zutreffenden Bemerkung, daß für die grundrechtssystematische Qualifizierung eines Gesetzes als Berufsausübungsregelung vielmehr ausreichend, allerdings auch erforderlich sei, daß es eine spezifische, rechtlich oder faktisch wirkende Betroffenheit des Bürgers bei seiner beruflichen Betätigung auslöst; Stober, Grundrechtsschutz, S. 83 f.; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 11; M Hoffmann, in: BB 1995, S. 54; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 285; H.-W. Arndt, in: ZRP 1996, S. 178; Leisner, Belastungsgrenze, S. 61 ff.; ders, in: NJW 1996, S. 1513 ff.; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 72 ff.; differenzierend Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 79. 1026 BVerfGE 61, 291, 308 (Tierpräparatoren); vgl. auch BVerwGE 87, 37, 43 (Diethylenglykolweine); kritisch dazu Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 43; dagegen hält Schenke, in: WiVerw 1978, S. 233, eine "berufsregelnde Tendenz" der Maßnahme für kein erforderliches Merkmal, um sie als Grundrechtseingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG zu qualifizieren. 1027 Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 191 legt dazu dar: "Hier verzichtet das Gericht also auf jede (objektive oder subjektive) berufsregelnde Tendenz".

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

gen fuhren regelmäßig zu Veränderungen der wettbewerblichen Ausgangslage eines Marktes und können dementsprechend sogar die Möglichkeiten privater Konkurrenten zur Teilnahme am Wettbewerb beeinträchtigen 1028. Sie stellen deshalb häufig Eingriffe in die von Art. 121 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit dar 1029 . Die steuerrechtlichen Normen sind an der "Dreistufentheorie" zu messen. Meistens sind sie als Ausübungsregelungen zu behandeln, sie können aber Rückwirkungen auf die freie Berufswahl und die Freiheit zum Wettbewerb bzw. auf die Freiheit, im Wettbewerb zu verbleiben, haben. Eine Beeinträchtigung der freien Berufswahl liegt erst dann vor, wenn eine Steuer es den von ihr betroffenen steuerpflichtigen Berufsbewerbern in aller Regel unmöglich macht, den gewählten Beruf zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen 1030 und dadurch auf den jeweiligen Wettbewerbsmarkt einzusteigen oder zu verbleiben.

ß) Eingriffe durch Förderung Bisher wurden hauptsächlich die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit untersucht, die durch eine Belastung des Adressaten des Aktes entstehen können, wenn man von den steuerrechtlichen Normen absieht, deren Eingriffscharakter sich nicht nur aus der Belastung ihres Adressaten, sondern auch aus seiner Förderung ergeben kann. In diesem Fall trifft der Eingriff den Konkurrenten des steuerrechtlich geforderten Unternehmers. Genau diese Eingriffe, die sich nicht aus der Belastung, sondern aus der Begünstigung des Adressaten des staatlichen Akts ergeben, werden nun ausführlich untersucht. Als erstes kommt die Frage nach einem Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit durch Subventionierung in Betracht.

1028 Vgl. auch BVerfGE 36, 321, 334 (Schallplatten), wonach ausdrücklich anerkannt wird, daß die Besteuerung der Umsätze ein Produkt in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Produkten beeinträchtigen könne, indem sie Wettbewerbsbenachteiligungen verursache; vgl. weiter Leisner, Belastungsgrenze, S. 69; ders., in: NJW 1996, S. 1513 f. 1029 So auch Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 17; Papier, in: DVB1. 1984, S. 805 f.; Leisner, Belastungsgrenze, S. 70; vgl. zur Schankerlaubnissteuer als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Gastwirte Stober, Grundrechtsschutz, S. 83; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 371, der sogar auf den S. 373 f. davon ausgeht, daß die wirtschaftslenkenden Steuervergünstigungsvorschriften einen zwar mittelbaren, aber regelmäßig finalen bzw. gezielten Eingriffscharakter gegenüber dem nicht begünstigten Konkurrenten hätten. 1030 So BVerfGE 13, 181, 186 f. (Schankerlaubnissteuer I); BVerfG (Dreierkammer) JZ 1997, S. 845; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 80.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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oca) Eingriff durch Subventionierung a a a ) Die Subventionierung als Berufslenkungsmittel Unter Subvention 1031 versteht man die staatliche Unterstützung oder Beihilfe (vgl. auch Art. 92 f. EGV) bezüglich eines oder mehrerer bestimmter Gewerbetreibender, Freiberufler, Unternehmer 1032 oder einer Unternehmensbranche 1033 zum Erreichen eines bestimmten Zweckes, der über das private Interesse des Unternehmers hinaus dem öffentlichen Interesse dienen muß 1 0 3 4 . Bestimmte Formen von Subventionierung sind etwa die Gewährung von zinsgünstigen Darlehen, verlorenen Zuschüssen, Kreditbürgschaften und sonstigen Gewährleistungen für Darlehen, Realforderung usw. 1035 . Die Verwaltung kann bei der Subventionsgewährung die Handlungsform des öffentlichen (Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag) oder des Privatrechts (privatrechtlicher Vertrag) oder beides aufgrund der sog. "Zweistufentheorie" (Verwaltungsakt für das "Ob" der Subventionsgewährung und privatrechtlicher Vertrag für das "Wie" der Abwicklung der Subventionsgewährung) benutzen 1036 . Die Gewährung von 1031 ygi z u m gesetzlichen Begriff § 264 VI StGB - eingefügt durch das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität v. 29.06. 1976 (BGBl. I, 2034) -, § 12 StabG (BGBl. I, 582), § 23 BHO v. 19. 08. 1969 (BGBl. I, 1284). 1032 Die Untersuchung wird sich nicht mit dem spezifischeren Problem der Subventionierung der Presseunternehmen befassen. Für diese Frage spielt die aus Art. 5 I 2 GG gewährleistete Pressefreiheit eine besondere Rolle und ist Gegenstand einer getrennten Untersuchung - vgl. aber dazu VG Berlin NJW 1974, S. 331 = DÖV 1974, S. 100; DÖV 1975, S. 136 f.; OVG Berlin NJW 1975, S. 1939; vgl. auch zum "publizistischen Wettbewerb" BVerfGE 80, 124, 133 (Pressesubventionierung); VGH Kassel NJW 1997, S. 1179 f. 1033 Ygj BVerwGE 30, 191, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung), wo es sich um die Subventionierung der Wirtschaftsbranche der Winzerunternehmer handelte. 1034 Vgl. BVerwGE 30, 191, 194 (Winzergenossenschaftensubventionierung), die am besten und repräsentativ den Zusammenhang einer Subventionierung mit einem öffentlichen Interesse beschreibt: "Im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben insbesondere die Winzer in Zukunft Schwierigkeiten zu erwarten, weil ausländische Weine zu billigen Preisen auf den Markt kommen. Es ist also im öffentlichen Interesse, den deutschen Winzern zu helfen, indem man dafür sorgt, daß der von ihnen erzeugte Wein qualitativ so veredelt wird, daß er einen höheren Preis erzielen kann und damit den Weinbau unter den erschwerten Bedingungen in Deutschland rentabel macht"; das Gericht führt weiter aus, um das Vorliegen des öffentlichen Interesses zu begründen: "Es liegt daher nahe, daß sich mehrere Winzer zusammenschließen, um gemeinsam solche Anlagen zu errichten und zu betreiben. Das soll durch Subventionen gefördert werden."; vgl. auch zu den Subventionszwecken Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 490; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 14, Rd. 2; Henseler, in: VerwArch 1986, S. 254; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 74; Maurer, VerwR, § 17, Rd. 8. 1035 Vgl. dazu Schenke, in: WiVerw 1978, S. 228; Maurer, VerwR, § 17, Rd. 6. 1036 Yg] ausführlich zur Handlungsform der Verwaltung bei der Subventionsgewährung statt aller Bleckmann, Subventionsrecht, S. 85 ff., 129 ff.; Stober, HdWUR, §111, I, 3; Maurer, VerwR, § 17, Rd. 8 ff., 11 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Subventionen ist Teil der sog. LeistungsVerwaltung und wird wie die Besteuerung als Mittel der Wirtschaftslenkung und -planung 1037 betrachtet 1038 . Sie hat zweifelsohne begünstigenden Charakter für den Unternehmer, dem die Subvention gewährt wird, sie kann aber auch belastenden Charakter für ihn haben, soweit die Gewährung der Subvention mit einer Gegenleistung oder überhaupt einer Verpflichtung seitens des Unternehmers verbunden ist 1 0 3 9 . Grundsätzlich hat sie aber auch eine belastende Wirkung für den oder die Mitbewerber des begünstigten Unternehmers. Die Frage ist, ob und unter welchen Umständen die Subventionierung eines Unternehmers einen Eingriff in seine Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG sowie in die seiner Konkurrenten darstellt. Die hier vertretene Auffassung geht mit der mittlerweile h. M . davon aus, daß auch im Bereich der Subventionierung wirtschaftlicher Unternehmen, wie i m allgemeinen für die ganze wirtschaftliche Betätigung im Wettbewerb, hauptsächlich Art. 12 I G G 1 0 4 0 (neben Art. 14 I 1 0 4 1 und 3 I GG 1 0 4 2 ) in Betracht kommt, nicht 1037 Zur Bedeutung der Wirtschaftslenkung und -planung für die Volkswirtschaft vgl. statt aller Schenke, in: WiVerw 1978, S. 226 ff.; zum Begriff der Wirtschaftslenkung vgl. BVerwGE 71, 183, 190 (Transparenzlisten); zum Verhältnis der Wirtschaftslenkung und der Berufsfreiheit vgl. die Habilitationsschrift von Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung. 1038 Yg] z u r verfassungsrechtlichen Legitimation der Subventionierung als Mittel der Wirtschaftslenkung und -planung Bleckmann, Subventionsrecht, S. 29 ff. 1039 Diese Subventionen werden aufgrund der sog. zweiseitig verhaltsbindenden Subventionsverhältnisse gewährt, im Gegensatz zu den Subventionen, die aufgrund der sog. einseitig verhaltsbindenden Subventionsverhältnisse gewährt werden, wenn der Subventionsempfänger die Subvention bekommt, ohne sich gegenüber dem Subventionsgeber zu einer Gegenleistung zu verpflichten - mehr dazu bei Henseler, in: VerwArch 1986, S. 255 ff.; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 71 f. 1040 So auch BVerfGE 46, 120, 137 (Direktrufverordnung); 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); 86, 28, 37 (Sachverständige); BVerwGE 89, 281, 283 (Unternehmensberater); Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 272 ff.; Scholz, in: NJW 1969, S. 1044 f.; ders., in: MD, Art. 12, Rd. 391; Breuer, in: FG. BVerwG, S. 111; ders, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 71 ff, 75 ff.; Pietzcker, in: AÖR 1982, S. 78; H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 56; Tettinger, in: AÖR 1983, S. 115; Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 493; Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 739; Henseler, in: VerwArch 1986, S. 254; Knuth, in: JuS 1986, S. 597 f.; Papier, in: ZHR 1988, S. 499; Leisner, in: DVB1. 1989, S. 1027; Stober, Grundrechtsschutz, S. 71; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 460; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 381; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 286; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 59; Bleckmann, Struktur, S. 66, 86; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 14; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 221 f.; vgl. auch von der Rechtsprechung OVG Münster NVwZ 1984, S. 532; dagegen: Schenke, in: WiVerw 1978, S. 236 f , der die Einschlägigkeit der Art. 12 und 14 GG zwar bejaht, diese aber als getrennte Grundrechte und nicht als den Schutzbereich des unbenannten Grundrechts "Wettbewerbsfreiheit" bildende Grundrechte des GG annimmt, wie es etwa die h. M. tut; vgl. auch ders., in: NVwZ 1993, S. 719. 1041 Die Einschlägigkeit auch des Art. 14 I GG akzeptieren Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 272; Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 148; Breuer, in: FG. BVerwG, S. 6; H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 56; Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 17; Jarass, in: NVwZ 1984, S. 477; Hanseler, in: VerwArch 1986, S. 267; Rinck/Schwark,

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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aber, und, wenn überhaupt, nur subsidiär 1043 Art. 2 I GG als allgemeine Wirtschafts- 1044 oder Eingriffsfreiheit 1045 . Weiterhin wird erklärt werden, weshalb durch die Subventionierung der spezifische Art. 12 I GG und nicht der allgemeine Art. 2 I GG berührt wird.

Wirtschaftsrecht, Rd. 910; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 379, 382; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 286; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 59, 411; Bleckmann, Struktur, S. 66, 86; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 224; vgl. auch Friehe, in: JuS 1981, S. 868 ff, der allerdings die Bedeutung des Art. 14 I GG zuungunsten des Art. 12 I GG überschätzt. 1042 F ü r jig Einschlägigkeit zusätzlich zum Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG vgl. BVerwGE 30, 191, 193 f., 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung); OVG Münster NVwZ 1982, S. 381; OVG Münster NVwZ 1984, S. 525; VG Münster NVwZ 1982, S. 523; Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 264 ff.; H.-P. Ipsen, in: VVdDStRL 25 (1967), S. 303; Bleckmann, Subventionsrecht, S. 33; ders., Struktur, S. 83, 86 f.; Breuer·, in: FG BVerwG, S. 100 ff.; ders., in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 77; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 391; Pietzcker, in: AÖR 1982, S. 78; Grosser, Die Spannungslage, S. 91 f.,

102 ff.; Müller-Graff, Deutscher Bericht in: FIDE (Hg.) 1984, S. 7; Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 493; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 14, Rd. 17; Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 736 f.; Gusy, in: JA 1991, S. 290 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz,

S. 377 ff., 539 f.; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 287, Fn. 22 (dort); Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 4; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 59, 411; Schenke, in: NVwZ 1993, S. 719; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 85; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 430; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 76; vgl. ferner BVerwG NJW 1988, S. 1278 (Wohlfahrtspflege), wonach das Gericht zwar einen eventuellen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG geprüft hat, ihn aber wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters des subventionierten Trägers der freien Wohlfahrtspflege (vgl. § 10 BSHG) verneint hat. 1043 Eine subsidiäre Funktion des Art. 2 I GG bejahen H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 56; Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 493; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 379. 1044 Zu einer eigenständigen Funktion der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit aus Art. 2 I GG für das Subventionswesen vgl. Bleckmann, Subventionsrecht, S. 35; Friehe, in: JuS 1981, S. 870 f.; Grosser, Spannungslage, S. 87 f.; Jarass, in: NVwZ 1984, S. 477; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 86; offengelassen: OVG Münster NVwZ 1984, S. 524; OVG Koblenz GewArch 1993, S. 244. 1045 So aber Bernhard, in: JZ 1963, S. 306, unter Hinweis auf BVerfGE 9, 83, 88; sich Bernhard anschließend BVerwGE 30, 191, 198 (Winzergenossenschaftensubventionierung); vgl. auch BVerwGE 71, 183, 189 f. (Transparenzlisten); VG Oldenburg GewArch 1987, S. 20. Kritik dagegen an der Position Bernhards übt Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 241 f. Das BVerwG ist in dieser Rechtsprechung nicht einheitlich geblieben. In anderen Entscheidungen, die nicht die Subventionsförderung von Unternehmern anbelangten, hat es die "Freiheit der Teilnahme am Wettbewerb" zwar immer noch aus Art. 2 I GG abgeleitet, diesmal aber nicht als allgemeine Eingriffsfreiheit, wie es sie im Winzergenossenschaftensubventionierungs-Urteil dargelegt hatte, sondern als allgemeine Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet (allgemeine Wirtschaftsfreiheit) - so BVerwGE 65, 167, 174; BVerwG DVB1. 1983, S. 1252.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ßßß) Die Subventionsförderung als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen Eingriffsverständnis Man muß die bereits 1046 dargelegten Fragen prinzipiell bejahen, wenn man sie in die Problematik der modernen Konzeption der Grundrechtseingriffe einordnen will. Bezüglich der aufgrund der sog. zweiseitigen verhaltensbindenden Subventionsverhältnisse gewährten Subventionen geht es um die Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit des Subventionsempfängers, soweit die Erfüllung der von ihm übernommenen Pflichten sein Verhalten im Wettbewerb beeinträchtigt 1047 . Es darf keine Rolle spielen, daß der Empfang der Subvention und die Verpflichtung, die den Eingriff darstellt, auch durch einen Öffentlichoder privatrechtlichen Vertrag, dessen Abschluß die Einwilligung des Unternehmers und demzufolge den Mangel der Imperativität als Eingriffskriterium voraussetzt, vereinbart werden können 1048 . Denn die auf die Privatautonomie gestützte Vertragsfreiheit als Recht, durch einen Vertrag Selbstbindungen und -einschränkungen zu übernehmen 1049 , gilt nicht, wenn der eine Vertragsteil der Staat oder eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ist 1 0 5 0 , die aufgrund des Art. 1 I I I GG im Umgang mit den Privaten (Grundrechtsträger) grundrechtsgebunden und nicht grundrechtsberechtigt ist, wie bereits dargelegt wurde 1051 . Abgesehen davon ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der öffentlichen Hand und den Privaten nicht immer von "freiwilliger" Natur für den betroffenen privaten Wettbewerber. Im Fall des "unfreiwilligen" Vertrags, aufgrund dessen eine Subvention gewährt wird, wird der Eingriffscharakter der

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s. oben sub aaa. Vgl. auch Bleckmann, Subventionsrecht, S. 37; Grosser, Die Spannungslage, S. 88; Henseler, in: VerwArch 1986, S. 267 f., der zusätzlich darlegt, daß es von Inhalt und Durchsetzbarkeit der jeweiligen Bindung abhänge, ob und in welcher Intensität Verhaltensbindungen des Subventionsempfängers die Wettbewerbsfreiheit begrenzen würden; so auch Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 70 f.; a. A. Stober, in: GewArch 1993, S. 142. 1048 Vgl. auch Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 72. 1049 Vgl. dazu BVerfGE 81, 242, 253 f. (Handelsvertreter); 89, 214, 232 (Bürgschaft). 1050 Yg| Q r o s s e r t Di e Spannungslage, S. 86 f , mit zutreffender Argumentation dazu; Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rd. 17; auch Bleckmann/Eckhoff, in: DVB1. 1988, S. 377, die aber, um einen Grundrechtseingriff seitens der öffentlichen Hand nach dem Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages annehmen zu können, verlangen, daß dem Grundrechtsträger als Vertragspartner des Staates nicht eine zumindest gleich große "Bargaining Power" bei der Aushandlung der Vertragsbedingungen zustehe; in diesem Fall soll nach Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 944, das Verhältnismäßigkeitsprinzip zugreifen; a. A. dagegen Haverkate, in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 68; Schilling, in: VerwArch 1996, S. 203 f , jeweils für die sog. freiwilligen öffentlich-rechtlichen (Subventions-)Verträge; vgl. auch allgemein Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 97. 1051 s. oben sub III 2 b. 1047

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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vom Privaten übernommenen vertraglichen Bindung nicht in Frage gestellt 1052 . Darüber hinaus ist daraufhinzuweisen, daß die Imperativität kein Merkmal der in Art. 1 I I I GG wurzelnden Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt bzw. im betroffenen Fall der Verwaltung ist und die Akzeptanz der gegenteiligen Meinung den Anwendungsbereich dieser Vorschrift unzulässig einschränken würde 1053 . Demzufolge ergibt sich der Eingriffscharakter einer solchen aufgrund Vertrages vereinbarten wettbewerbsfreiheitseinschränkenden Verpflichtung bzw. Gegenleistung aus Art. 12 I i. V. m. Art. 1 I I I GG. Die Subventionierung eines Unternehmens oder einer Unternehmensbranche kann aber auch grundrechtseingreifende Wirkung in die Wettbewerbsfreiheit der konkurrierenden Unternehmen oder der Unternehmensbranche des Subventionsempfängers haben und wird im Rahmen des sog. Drittschutzes 1054 geprüft. Denn auf einem Markt, auf dem sich die Marktteilnehmer bemühen, sich durch die wettbewerbliche Leistung wirtschaftlich durchzusetzen, hat die Begünstigung des einen Mitbewerbers grundsätzlich die Belastung der anderen und demgemäß die Veränderung bzw. Verfälschung der Wettbewerbslage zur Folge 1055 1 0 5 6 . Durch diese Veränderung wird die Berufsfreiheit beeinträchtigt,

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Vgl. Röhl, in: VerwArch 1995, S. 577; Schilling, in: VerwArch 1996, S. 205 f. So auch zutreffend Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 185; vgl. auch, obschon etwa anders, BVerwGE 42, 331, 335 (Folgekostenvertragsfall), wonach "(das) ... bestehende und aus Art. 20 III GG in Verbindung mit den Grundrechten ableitbare Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für Eingriffe in "Freiheit und Eigentum" (seil.: Grundsatz des Gesetzesvorbehalts) verwaltungsrechtliche Verträge nicht erfaßt, weil es bei ihnen, auch soweit Grundrechtspositionen berührt werden, angesichts der ein verständlichen Mitwirkung der am Vertrag Beteiligten, nicht in dem Sinne zu Eingriffen komme, indem dies bei jenem Erfordernis gesetzlicher Grundlage vorausgesetzt wird"; genauso, wie das BVerwG, VGH Mannheim VB1BW 1984, S. 379. Beide Gerichte erkennen zwar den Eingriffscharakter der Regelungen verwaltungsrechtlicher Verträge an, verlangen aber die Nicht-Einwilligung für die abgeschlossenen Einschränkungen der am Vertrag beteiligten Grundrechtssubjekte, um den Gesetzesvorbehalt als verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffes zu fordern. Daraus ergibt sich, daß nach dieser Rechtsprechung die Einwilligung für die gerügten Regelungen Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung und nicht für den Charakter und den Tatbestand des Eingriffs ist - so auch Eckhoff, Grundrechtseingriff, a. a. O. 1054 Vgl. dazu statt aller R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 448 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 1 ff. 1055 So BVerwGE 30, 191, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung), die von "Drittwirkung zum Nachteil der Konkurrenten" spricht; vgl. auch zustimmend Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 40, 304; Stober, Grundrechtsschutz, S. 71; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 459; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 135, 376 (m. w. Ν.); A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 280; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 338; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 85; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 222; ferner Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 14 f., der die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit des "Dritten" von der Subventionsförderung seinen Konkurrenten als "Variante zur Nebenwirkungslage" des staatlichen Akts bezeichnet. 1053

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

indem der nicht subventionierte Unternehmer seine berufliche bzw. unternehmerische Betätigung i m Wettbewerb - Berufsausübung, wenn man dies nach der Terminologie des Art. 1212 GG ausdrücken w i l l - anders gestalten und der neuen Situation, die die Subventionsvergabe verursacht hat, anpassen muß, um den Nachteil der Subventionierung seines Konkurrenten wettzumachen. Das bedeutet, daß er eventuell seine Produkte zu niedrigeren Preisen als vorher verkaufen (Eingriff in die Preisfreiheit) - wenn der bevorzugte Unternehmer wegen der Subventionierung zu niedrigeren Preise verkaufen kann - oder mehr aus eigenen Kosten in seinen Betrieb investieren (Eingriff in die Investitionsfreiheit) oder Änderungen in der Organisation seines Betriebes (Eingriff in die Organisationsfreiheit) vornehmen muß, um Umsatzverluste vermeiden, bessere Bedingungen i m Wettbewerb anbieten und mehr Kunden von seinem Mitbewerber gewinnen zu können 1 0 5 7 . Art. 12 I GG findet ohne Zweifel Anwendung 1 0 5 8 . Der Eingriff, den die Subventionsvergabe bei der Wettbewerbsfreiheit

1056 yg| Subventionierung als Eingriff in die Wettw j e hjer jn b e z U g a u f bewerbsfreiheit des nicht begünstigten Unternehmers VG Berlin DÖV 1974, S. 100 ff; DÖV 1975, S. 134 ff, mit zustimmender Anmerkung Scholz; OVG Berlin DÖV 1975, S. 905 ff. Da es sich aber um den Wettbewerb auf dem Pressemarkt und demgemäß um Pressesubventionierung handelte, haben die zuständigen Gerichte die Pressefreiheit des Art. 5 1 2 und ihren Schrankenvorbehalt des Art. 5 II GG als Prüfungsmaßstab herangezogen. Daß in diesem Fall darüber hinaus auch die aus Art. 12 1,14 I 1 GG resultierende Wettbewerbsfreiheit in Betracht kommt, wird unten gezeigt (s. unten V 1 b aa ε). 1057 Yg] a i u c ih Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 102; P. Kirchhof, Verwalten, S. 370 f.; H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 56; Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 493; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 75; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 381 - m. w. Nachweisen in der Fn. 106 (dort) bzgl. der wissenschaftlichen Auseinandersetzung; Roth, Verwaltungshandeln, S. 280, 286; weiterhin Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 391; vgl. aber auch für Art. 2 I GG Bleckmann, Subventionsrecht, S. 35; Grosser, Die Spannungslage, S. 89 f.; vgl. auch die allgemeine Formel Di Fabios, in: JuS 1997, S. 5, daß Art. 12 I GG mit seinem Schutz der Berufsfreiheit einschlägig sei, wenn durch hoheitliche Maßnahmen jemand im Rahmen seiner Berufsausübung zu Tätigkeits- oder Verhaltensänderungen genötigt wird; vgl. auch die Ausführung Murswieks, in: DVB1. 1997, S. 1025, über den Eingriffstatbestand; in diesem Sinne ist die Meinung Friehes, in: JuS 1981, S. 868, daß der Nichtbegünstigte trotz der Förderung seines Wettbewerbers arbeiten und produzieren könne, wie seine Konkurrenten auch, völlig verkehrt. Friehe begründet seine Meinung mit dem unzutreffenden Argument, daß sich die Subventionsvergabe nicht auf die berufliche Betätigung auswirke, sondern auf den Zugang zum Kunden. Selbst wenn man, wie Friehe, die Auswirkung der Subventionsförderung nur auf den Zugang des nicht begünstigten Konkurrenten zum Kunden reduzieren wollte, würde man offensichtlich, wie Friehe, die Bedeutung der Bemühung des Gewerbetreibenden, (neue) Kunden von seinen Konkurrenten zu gewinnen, für seine freie Berufsausübung verkennen; vgl. auch Gusy, in: JA 1991, S. 290, der, indem er am traditionellen Eingriffsbegriff festhalten will, einen Eingriff in Freiheitsrechte durch Subventionierung prinzipiell ablehnt. 1058

Papier, in: DVB1.1984, S. 809 verortet die Frage auch in der Schutzbereichsproblematik, indem er zutreffend darlegt, daß Art. 121 GG dem Unternehmer das Recht gewährleiste, seine unternehmerische Dispositionsfreiheit im Wettbewerb mit anderen ohne staatliche Behinderung und ohne staatlich bewirkte Wettbewerbsverzerrun-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik des nicht subventionierten Unternehmers verursacht, ist nicht an ihn adressiert, die Beeinträchtigung des Konkurrenten wird nicht in dem Rechtsakt selbst angesprochen 1059 , sondern sie wird faktisch und mittelbar über die Begünstigung des Adressaten des Aktes, den begünstigten Unternehmer, erreicht 1060 . Außerdem greift die Subventionierung ohne Zwang und Befehl 1061 sowie nicht final (gezielt) in die Wettbewerbsfreiheit des nicht subventionierten Unternehmers ein, weil die Verwaltung dadurch nicht die Veränderung der Wettbewerbslage und demzufolge die Minderung der Wettbewerbsfähigkeit des nicht subventionierten Unternehmers erzielt, sondern die Erfüllung eines bestimmten öffentlichen Interesses, das über die persönliche Begünstigung des Subventionsempfängers und die Belastung seiner Mitbewerber hinausgeht oder zumindest hinausgehen muß 1 0 6 2 . Ein weiteres von der alten Rechtsprechung und einem Teil der Literatur verlangtes Kriterium, nämlich die Schwere bzw. Intensität der Belastung, die durch die Subventionierung des Konkurrenten verursacht wird, spielt nur eine geringe Rolle für die Annahme eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit der nicht subventionierten Unternehmer. Die These, daß der Staat durch die Subventionierung die Chancengleichheit zerstöre, indem er die Wettbewerbslage derart verzerre, daß der Nichtbegünstigte nicht mehr existenzfähig sei 1 0 6 3 oder seine Wettbewerbsfreiheit in einem "unerträglichen Maße" einschränke 1064 ,

gen wahrzunehmen; vgl. auch zur Frage des Schutzbereichs Bettermann, in: FS Hirsch, S. 18. Badura, in: FS Steindorff, S. 852: Um einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit des nicht begünstigten Konkurrenten anzunehmen, geht er dagegen davon aus, daß nicht die Einbuße im Marktanteil des Konkurrenten entscheidend sei, sondern die Verzerrung der Wettbewerbslage durch Verletzung der Chancengleichheit; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 47; skeptisch auch M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 57. 1059 Yg] a u c h E c kh 0 ff t Grundrechtseingriff, S. 183, nach dem die rechtliche Qualität des (klassischen) Eingriffs voraussetzt, daß sie in dem Rechtsakt selbst angesprochen wird (Regelungsidentität). 1060 So auch Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 132 ff.; Grosser, Die Spannungslage, S. 75; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 70; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 280 f.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 339; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 222; vgl. auch zur faktischen eingreifenden Wirkung eines rechtlichen Aktes Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 17, und bezüglich der "Mittelbarkeit" des Eingriffs durch Subventionierung P.-M Huber, Konkurrenzschutz, S. 360, 383 f. 1061 Daß das Vorliegen des Zwangs und Befehles und nicht der Mangel an Einwilligung das entscheidende Kriterium für die Imperativität als Eingriffsmerkmal ist: Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 185. 1062 Genauso Knuth, in: JuS 1986, S. 529; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 280 f.; a. A. Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 147; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 359, 384, die in aller Regel einen gewollten Eingriff durch Förderung ansehen. 1063 So BVerwGE 30, 191, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung). 1064 BVerwGE 30, 191, 198; vgl. auch mit anderen Formulierungen BVerwGE 60, 154, 160 f. (Krankenhauspflegesätze); BVerwG DVB1. 1983, S. 1252; weiterhin OVG

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

muß dergestalt abgelehnt werden, daß erst eine Antastung der Existenzfähigkeit dieser Unternehmer oder seine unerträgliche Beeinträchtigung erforderlich sei, um die Verzerrung der Wettbewerbslage zu bejahen und demzufolge einen Eingriff in ihre Wettbewerbsfreiheit anzunehmen1065. Die Antastung der Existenzfähigkeit eines Unternehmens kann die Annahme einer Grundrechtsverletzung im Sinne der Antastung des Wesensgehaltes seiner Wettbewerbsfreiheit (Art. 121 i. V. m. Art. 19 I I GG) oder der Mißachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips 1066 bzw. seiner Teilparameter, der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i. e. S , bedeuten, nicht aber die Annahme eines Grundrechtseingriffes überhaupt 1067 1 0 6 8 . Hatte die Begünstigung des Subventionsempfängers dagegen eine geringe, bagatellisierte (sog. "Bagatelleingriff 1) oder gar keine Belastung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen seiner Konkurrenten zur Folge, so kann natürlich, wie auch bei den "klassischen" Eingriffen 1069 , nicht von einem Grundrechtseingriff die Rede sein 1070 . Das ist ζ. B. der Fall,

Münster NVwZ 1984, S. 524; VGH Mannheim NVwZ 1990, S. 575; Haverkate, Rechtsfragen, S. 163, 165; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 14, Rd. 17; ders., in: NVwZ 1984, S. 476; Knuth, in: JuS 1986, S. 529; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 382; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 230 f , 299 ff; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 60,411 f. 1065 Vgl. auch Bleckmann, Subventionsrecht, S. 151; Papier, in: ZHR 1988, S. 499; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 75; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 459, Fn. 157 (dort); Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 262 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 381; Haverkate, Subventionsrecht, in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 79; vgl. genauso die Ausführung W. Roths, S. 267 ff; skeptisch auch Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 493. 1066 So auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 459, Fn. 157 (dort); A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 340 f. 1067 Diese These des BVerwG wird mit seiner Position an einer anderen Stelle BVerwG NJW 1976, S. 1988 - verbunden, daß für die rechtliche Relevanz mittelbarer Beeinträchtigungen eine höhere Intensität erforderlich sei als fìir die Relevanz unmittelbarer Beeinträchtigungen. 1068 Vgl. aber BVerwG NJW 1988, S. 1278, wonach das Gericht sich zwar fragt, ob schon eine - möglicherweise nur geringfügige - Gefährdung von an sich schutzwürdigen Interessen ausreiche, daß die Konkurrentenklage Erfolg habe, es läßt aber die Frage offen. Aufgrund dessen, was hier dargelegt wurde, muß man in dieser Frage eine Grundrechtsverletzung ablehnen, einen Grundrechtseingriff aber gegebenfalls annehmen; zum Unterschied zwischen Grundrechtsverletzung und Grundrechtseinschränkung bzw. -eingriffes s. bereits oben sub 1 b. 1069 So auch Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 255 ff. (m. w. N.); ferner Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 265 f , und zum sog. Βagatellvorbehält für jede Art von Beeinträchtigungen Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 127; SchmidtAßmann, in: FS Redeker, S. 238; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 66. 1070 So auch Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 132 ff; Henseler, in: VerwArch 1986, S. 255; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 75; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 379; vgl. auch allgemein zu sämtlichen nicht "klassischen" Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 211 f.; ferner Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 739, nach dem bei Subventionen, die nach dem sog.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik wenn der Stadtrat einer kleinen Stadt die Existenz eines Betriebes aus Gründen subventioniert, die das öffentliche Interesse bzw. das Sozialstaatsprinzip betreffen (ζ. B. um die Arbeitsplätze des Betriebes zu sichern, die ausschließlich Bürger der kleinen Stadt, in der das Unternehmen seinen Sitz hat, innehaben), diese Förderung aber wegen der kleinen Größe des begünstigten Unternehmens die Wettbewerbsfähigkeit der restlichen auf dem gleichen Markt auftretenden Großunternehmen kaum beeinträchtigt 1071 . Oder die Subventionsforderung eines Gastwirtes, dessen Gastwirtschaft durch die Überschwemmung eines Flusses im Winter erheblich geschädigt wurde, kann keine oder eine kaum beeinträchtigende Wirkung auf die Wettbewerbsfreiheit seiner Konkurrenten haben, wenn sie nur die Reparaturkosten deckt, so daß er dadurch sein Lokal wieder in den vor der Überschwemmung vorhandenen Zustand versetzen kann. Wenn dagegen die Subventionsforderung über die Reparaturkosten hinausgeht und Erweiterungs- oder Verbesserungskosten enthält, kann sie natürlich die Wettbewerbsfreiheit der nicht geförderten Konkurrenten beeinträchtigen 1072. Es ist hier wichtig zu erwähnen, daß einer der entscheidenden Punkte zur Beurteilung, ob eine Subventionsforderung einen Grundrechtseingriff darstellt und, wenn ja, in welcher Intensität, die Reaktion der Marktgegenseite bzw. der Kunden auf die neue Situation ist 1 0 7 3 . Schließlich bezieht sich das Kriterium der Eingriffsschwere auch auf die Frage, ob der Eingriff bloß die freie Berufsausübung und das Verhalten im Wettbewerb berührt oder auf die freie Berufswahl

Gießkannenprinzip ausgeschüttet oder nicht zur Wirtschaftslenkung eingesetzt werden, niemand im Wettbewerb benachteiligt wird; Schenke, in: WiVerw 1978, S. 237, sieht erst dann einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der nicht begünstigten Konkurrenten an, wenn die Subventionierung seine Marktlage erheblich verändere und dadurch zu beträchtlichen wirtschaftlichen Einbußen führt; weiterhin Haverkate, Subventionsrecht in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 79. 1071 Zu der ganzen Problematik der Differenzierungen der Förderung nach Betriebsgröße vgl. Leisner, in: DVB1. 1989, S. 1025 ff. 1072 Ygi a u c h ^ Roth Verwaltungshandeln, S. 288 f., der im Rahmen des Kausalitätsbedürfnisses der Subventionierung für die Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des Konkurrenten des Subventionierten darlegt, daß andere Faktoren die Verschlechterung verursachen können wie die allgemeine Konjunkturlage, die globalen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, Wechselkursänderung usw., so daß die Subventionierung des Konkurrenten kaum oder gar keine Rolle für den schlechten Zustand eines nicht durch Subventionierung begünstigten Unternehmers im Wettbewerbsmarkt gespielt und demgemäß keinen Eingriff in seine Wettbewerbsfreiheit dargestellt hat; ferner Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 211, Fn. 119 (dort) und S. 204 für das vergleichbare Beispiel des Eingriffs durch öffentlichen Wettbewerb. 1073 Y g l a u c h BVerwGE 87, 37, 42 (Diethylenglykolweine); Ρ. Kirchhof, Verwalten, S. 370 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 360; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 336, der darlegt: "Die staatliche Maßnahme verschafft dem Konkurrenten Kostenvorteile, die er natürlich nutzt, um sie in Form lukrativer Preisangebote an seine potentiellen Kunden weiterzugeben; diese wiederum kontrahieren vernünftigerweise mit dem, der zu den günstigsten Preisen anbietet, und der nicht begünstigte Wirkungsfernere hat das Nachsehen".

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

und den Zugang zum Wettbewerb bzw. das Verbleiben in ihm Auswirkungen hat 1 0 7 4 . Es ist hier klarzustellen, daß, damit die Subventionsförderung eines Unternehmers einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit seiner Mitbewerber darstellen kann, ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem begünstigten und den nicht begünstigten Marktteilnehmern bestehen muß. Für die Feststellung des Vorliegens dieses Wettbewerbsverhältnisses gelten die bereits für die "klassischen Eingriffe" dargelegten Kriterien 1 0 7 5 .

γγγ) Die neuere Rechtsprechung des BVerfG und BVerwG zu der Frage der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen Eingriffsverständnis Diese Position entspricht zweifelsohne nicht nur den Maßstäben der älteren Rechtsprechung des BVerfG 1 0 7 6 über die "objektiv berufsregelnde Tendenz" einer Vorschrift oder einer staatlichen Maßnahme als an Art. 121 GG gemessenem Eingriffskriterium 1077 , sondern auch denjenigen Maßstäben, welche die neuere Rechtsprechung des BVerfG 1 0 7 8 und sich ihr anschließend das BVerwG für die Annahme eines Eingriffes in die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit gesetzt haben 1079 . Genauer gesagt hat das BVerfG in seinem sog. Krankenhausplan-Urteil 1 0 8 0 ausdrücklich hervorgehoben, daß der Freiheitsraum, den Art. 121 GG sichern wolle, auch dann berührt sein könne, wenn die Auswirkungen hoheitlichen Handelns geeignet seien, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. Das sei insbesondere bei staatlicher Planung und Subventionierung möglich (unter Hinweis auf BVerfGE 46, 120, 137). Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liege nicht erst dann vor, wenn die grundrechtlich geschützte Tätigkeit

1074

Vgl. BVerfGE 86, 28, 38 f. (Sachverständige). s. dazu oben sub aa. 1076 s. bereits oben sub α. 1077 Zu diesem Schluß vgl. auch Knuth, in: JuS 1986, S. 529; Stober, Grundrechtsschutz, S. 83; vgl. auch BVerwGE 71, 183, 191 (Transparenzlisten); 89, 281, 283 (Unternehmensberater); a. A. Friehe, in: JuS 1981, S. 868. 1078 Zu den fortschrittlichen Aspekten der neueren Rechtsprechung des BVerfG im Vergleich zu seiner älteren vgl. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 215. 1079 Diese Rechtsprechung betrifft Grundrechtseingriffe, die nicht mit der Subventionierung oder einer Förderung ähnlicher Art zu tun haben. Sie wirken sich aber genauso mittelbar aus und treffen die Wettbewerbsfreiheit einiger Marktteilnehmer zugunsten ihrer Konkurrenten, wie auch im Fall der Subventionierung in einer anderen Art, so daß die Schlüsse der höchstrichterlichen Rechtsprechung anläßlich dieser Fälle analog auch auf die Problematik des "Eingriffs durch Förderung" angewendet werden können. Dazu ausführlicher unten sub γ, δ. 1080 BVerfGE 82, 209, 223 f. 1075

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik ganz oder teilweise unterbunden werde. Es genüge, daß sie aufgrund der staatlichen Maßnahmen nicht mehr auf die gewünschte Weise ausgeübt werden könne 1 0 8 1 . I m sog. Sachverständigen-Urteil 1082 ist das Gericht eindeutiger, sogar kategorischer geworden: "Als (Berufs-)Freiheitsbeschränkungen kommen nicht allein Gebote und Verbote in Betracht; es genügt, daß durch staatliche Maßnahmen der Wettbewerb beeinflußt und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dadurch behindert w i r d " 1 0 8 3 (unter Hinweis auf BVerfGE 82, 209, 223 f.). Unter diesen Umständen, die die Entwicklung der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur i m Bereich der Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit geschaffen hat, hat sich die Rechtsprechung des BVerwG, obwohl nicht immer konsequent, geändert. Das Berliner Gericht hat schon vor der Entwicklung der neuen Linien der Karlsruher Rechtsprechung bezüglich der Kriterien der Einschränkbarkeit der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit seine Position im Vergleich zu seiner älteren Rechtsprechung seit dem sog. Winzergenossenschaftensubventionierungs-Urteil 1084 revidiert und angenommen, daß eine hoheitliche Maßnahme erst dann einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellen würde, wenn dadurch die Fähigkeit des betroffenen Unternehmers zur Teilnahme am Wettbewerb so eingeschränkt worden sei, daß seine Möglichkeit, sich als verantwortlicher Unternehmer wirtschaftlich zu betätigen, beeinträchtigt gewesen sei 1 0 8 5 . Es ist offenbar, daß das Gericht auf die "Existenzgefährdung" und das "unerträgliche Maß" oder die "willkürliche Vernachlässigung" der Beeinträchtigung als ausschlaggebende Eingriffsmerkmale verzichtet hat 1 0 8 6 . Diese Rechtsprechung muß in Verbindung mit den bereits dargelegten, nicht nur bezüglich der Problematik der "Eingriffe durch Subventionierung", sondern auch in bezug auf die anderen "klassischen" und "nicht klassischen" Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit begrüßt werden.

1081 V g | a u c h i e t z t e n s BVerfGE 95, 267, 302 (Altkreditschulden): Der Berufsbezug sei ebenfalls auch dann gegeben, wenn "eine Norm die Berufstätigkeit selbst unberührt läßt, aber im Blick auf den Beruf die Rahmenbedingungen verändert, unter denen er ausgeübt wird"; weiterhin Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 32; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 90 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 215; Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1025; ferner oben sub α; restriktiver Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 82. 1082 BVerfGE 86, 28, 37. 1083 Ygi a u c h L e i s n e r ) j n : FS Kriele, S. 261 \ ferner Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 126, und das Prinzip des effektiven Grundrechtsschutzes, das nicht auf formellen Kriterien beruht. 1084 BVerwGE 30, 191, 197. 1085 BVerwGE 65, 167, 174. 1086 Vgl. auch OVG Koblenz GewArch 1993, S. 244; dagegen trifft der Versuch Lübbe-Wolffs, S. 294, Fn. 233 (dort), diese Entscheidung des BVerwG mit seiner älteren Rechtsprechung zu verbinden, nicht zu.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Später ist das BVerwG im Transparenzlisten-Urteil zögernd noch weitergegangen. Nachdem es sich auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG über die Eingriffe in die Berufsfreiheit bezogen hatte 1087 , legte es folgendes dar: "Mit der Funktion der Grundrechte, bestimmte Freiheitsrechte wirksam zu schützen .., wäre es unvereinbar, den Grundrechtsschutz generell auf einen bestimmten Eingriffstyp ... zu beschränken ... Dies gilt im ... Bereich staatlicher Wirtschaftslenkung, weil der Staat sich längst zunehmend bloß mittelbar wirksamer Lenkungsmittel bedient, die gleichwohl die unternehmerischen Betätigungsmöglichkeiten einschneidend begrenzen können" (unter Hinweis auf BVerfGE 46, 120, 137 f.) 1 0 8 8 . Andererseits würden die Grundrechte nicht vor jeder nachteiligen Betroffenheit eines einzelnen schützen 1089 . Insbesondere erstrecke sich der Grundrechtsschutz aus Art. 121 GG nicht auf solche staatlichen Maßnahmen, mit denen fur einen Unternehmer nachteilige Veränderungen wirtschaftlicher Verhältnisse einhergehen. Diese Maßnahmen würden lediglich eine weitgehend systemimmanente Verschärfung des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks beinhalten 1090 . "Das ist aber anders bei Maßnahmen, mit denen der Staat zielgerichtet gewisse Rahmenbedingungen verändert, um zu Lasten bestimmter Unternehmen einen Erfolg im öffentlichen Interesse herbeizufuhren. Solche Maßnahmen haben eine andere rechtliche Qualität. Im Gegensatz zu einer Veränderung sozialer Bedingungen als bloßen Reflex staatlicher Maßnahmen handelt es sich hier um grundrechtsspezifische Maßnahmen. Im Rahmen von Art. 121 GG sind das Maßnahmen, die eindeutig auf einen auf Seiten des Unternehmens eingetretenen nachteiligen Effekt abzielen und diesen Effekt nicht lediglich als Begleiterscheinung mit sich bringen. Der Grundrechtsschutz der unternehmerischen Betätigungsfreiheit kann sich mithin ausnahmsweise auf die Veränderung von Erwerbsbedingungen erstrecken, wenn und insoweit diese staatlicherseits final und grundrechtsspezifisch erfolgen" 1091 . Den definitiven Bruch seiner eigenen Rechtsprechung hat aber das Verwaltungsgericht in einer seiner späteren Entscheidungen1092 unter Hinweis auf BVerfGE 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan) vollzogen und ist offensichtlich unter ihrem Einfluß zu folgenden Schlüssen gekommen:

1087

BVerwGE 71, 193, 191. 1088 ßVerwGE 71, 183, 192; vgl. dazu übrigens Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1022. 1089 1090 1091 1092

BVerwGE 71, 183, 192. BVerwGE 71, 183, 193. BVerwGE 71, 183, 193 f. BVerwGE 89, 281, 283 (Unternehmensberater).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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a) Die Berufsfreiheit im Sinne von Art. 12 I GG umfaßt die freie unternehmerische Betätigung einschließlich des Verhaltens der Unternehmer im Wettbewerb 1093 . b) Diese Wettbewerbsfreiheit kann beeinträchtigt sein, wenn die öffentliche Hand durch berufs- oder wirtschaftslenkende Maßnahmen den freien Wettbewerb behindert 1094 . c) Die Annahme eines Eingriffs in das Grundrecht (des Art. 12 I GG) setzt dabei nicht voraus, daß die Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit bezweckt sei 1095 . d) Ein Eingriff in diesen Schutzbereich der Berufsfreiheit liegt vielmehr bereits dann vor, wenn das betreffende hoheitliche Handeln aufgrund seiner tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit zumindest mittelbar beeinträchtigt und insoweit eine deutlich erkennbare berufsregelnde Tendenz oder eine voraussehbare und in Kauf genommene schwerwiegende 1096 Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit gegeben ist.

1093

So auch BVerwGE 71, 183, 189 (Transparenzlisten); 87, 37, 39 (Diethylenglykolweine); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests); VGH Mannheim GewArch 1993, S. 244; daraus ergibt sich, daß das BVerwG nicht nur davon ausgeht, daß fur den verfassungsrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit Art. 121 GG und nicht mehr Art. 2 I GG in Betracht kommt, sondern auch, daß die Wettbewerbsfreiheit nicht nur die "freie Teilnahme am Wettbewerb" garantiere, wie es in den BVerwGE 60, 154, 159 (Krankenhauspflegesätze); 65, 167, 174 annimmt, sondern das ganze Verhalten im Wettbewerb (vgl. auch oben sub II 2 a cc α). 1094 Vgl. auch BVerfGE 46, 120 137 f. (Direktrufverordnung); 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); 86, 28, 37 (Sachverständige); vgl. auch Schulte, in: DVB1. 1988, S. 517, der den Zweck der Wettbewerbsfreiheit darin sieht, den Unternehmer gegen staatliche Behinderungen im Wettbewerb zu schützen; zustimmend R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 142. Ob die Annahme dieser Position zu ihrer Verbindung mit der sog. Normzwecktheorie des Eingriffs führt, mag hier dahinstehen - dazu BVerwGE 71, 183, 192 (Transparenzlisten); Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 121 f.; 173 ff.; kritisch aber Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 265 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 43 ff. 1095 V g i a u c h bereits BVerwGE 87, 37, 43 f. (Diethylenglykolweine). Dieses Eingriffskriterium steuert aber das BVerwG nicht einheitlich und gelegentlich in Verbindung mit anderen Merkmalen wie die Eingriffsintensität. Dieses Problem wird unten sub δ aufgrund der Ermittlung der Problematik des sog. Eingriffs durch Information und Warnung aufgezeigt. 1096 Qiese Formulierung bringt wieder die Frage nach der Eingriffsschwere zurück in die Diskussion. Das BVerwG hat auf den S. 284 f. anerkannt, daß der gerügte Eingriff den betroffenen Unternehmensberater nicht in seiner Existenz getroffen hat, dieser mußte aber dadurch in seinem Unternehmen Wettbewerbsnachteile und einen Wettbewerbsschaden hinnehmen, die als Grundrechtseingriffe betrachtet werden müssen. Es ist eindeutig, daß der Begriff "schwerwiegende Beeinträchtigung" vom BVerwG in diesem Urteil nur im Zusammenhang mit dem Begriff des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit, wie er in der BVerwGE 65, 167, 174, dargestellt wurde, und natürlich nicht mehr im 14 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Nach der Darstellung dieser Rechtsprechung ist folgendes festzustellen: Den gerade ausgeführten Schlüssen über den Tatbestand des Grundrechtseingriffs bzw. des Eingriffs in die aus Art. 121 GG resultierende Wettbewerbsfreiheit ist insgesamt zuzustimmen 1097 . Sie ändern den Schwerpunkt dieses Eingriffstatbestands nicht nur von dem "klassischen" auf den nicht "klassischen" Eingriffsbegriff - das hatte die Rechtsprechung des BVerfG schon seit langem getan 1098 -, sondern auch von dem Kriterium der erdrosselnden Wirkung einer Maßnahme auf ein Unternehmen auf das Kriterium der Minderung seiner Rentabilität 1099 . Die Anwendung dieser Schlüsse der Karlsruher und Berliner Bundesgerichte auf die zu erörternde Problematik des "Eingriffs durch Subventionierung" begründet die bereits hier dargelegte Meinung und fuhrt zu dem entsprechenden Ergebnis 1100 .

ßß) Kein "Eingriff durch neuen Wettbewerb" Hingegen stellt die Weigerung der Verwaltung, eine Subvention zu gewähren, keinen Eingriff in die von Art. 121 GG garantierte Wettbewerbsfreiheit dar, selbst wenn ihre Gewährung vom Gesetz vorgesehen ist. Denn diese grundrechtliche Vorschrift garantiert keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf Subventionsgewährungen, selbst wenn diese investitions- und wettbewerbsfördernden Charakter haben 1 1 0 1 . Ebenso irrelevant für die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit der vorhandenen Mitbewerber auf einem Markt ist die Zulassung neuer Konkurrenten zu dem betreffenden Markt; deswegen stellt sie keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der vorhandenen Marktteilnehmer dar, auch wenn dadurch die Wettbewerbslage verändert wird,

Sinne der BVerwGE 30, 191, 197, benutzt wird; vgl. auch BVerwGE 87, 37, 44 (Diethylenglykolweine); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests). 1097 So auch M Hoffmann, in: BB 1995, S. 54. 1098 ygi b er e its oben sub α. 1099 Vgl. auch M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 55; dazu neigt auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 211 f , Fn. 119 (dort), ohne aber auf die jüngere Rechtsprechung des BVerfG zurückzugreifen; vgl. auch Lübbe-Wolff Die Grundrechte, S. 315. 1100 y g ] a b e r djg z u e n g e u n c j deswegen unzutreffende Bewertung dieser Rechtsprechung von Stober, in: GewArch 1993, S. 143 f. 1101 So BVerfGE 82, 209, 223 (Krankenhausplan); BVerwGE 35, 268, 275 (Exportsubvention); vgl. auch Schenke, in: WiVerw 1978, S. 237, der zutreffend die These begründet, warum es einen solchen Anspruch kraft der Verfassung nicht geben kann. Einen solchen subjektiv-rechtlichen Anspruch gewährleistet auch nicht das Sozialstaatsprinzip, weder autonom noch in Verbindung mit den Grundrechten bzw. für den betreffenden Fall mit Art. 121 GG; Jarass, in: NVwZ 1984, S. 477; vgl. auch oben II 2 a cc ß.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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denn Art. 12 I GG schützt nicht vor privater Konkurrenz 1102 . Man darf nicht die verfassungsrechtliche Relevanz der Begünstigung und der Belastung verwechseln, die die Konzessionierung neuer Unternehmer auf einem bestimmten Markt einerseits und die Subventionsförderung bereits vorhandener Unternehmer auf einem bestimmten Markt andererseits für die Wettbewerbslage, die Betroffenen und die "Dritten" zur Folge hat oder haben kann. Denn, wie das BVerwG in seinem sog. Winzergenossenschaftensubventionierungs-Urteil hervorgehoben hat, bei "der Erteilung einer Erlaubnis erhält der Begünstigte nur die Möglichkeit, sich mit völliger Chancengleichheit am Wettbewerb zu beteiligen. Dagegen können sich andere Konzessionäre nicht wehren. In die Rechte der Nichtzugelassenen wird deshalb nicht eingegriffen, weil sie das Gewerbe noch nicht betreiben, also noch keine Konkurrenzunternehmer darstellen. Anders liegt es bei der Subventionierung. Hier besteht die Möglichkeit, daß der Staat die Chancengleichheit zerstört, indem er einem Gewerbetreibenden Vorteile zukommen läßt, die er dem Konkurrenten verweigert, und dadurch die Wettbewerbslage ... verzerrt ..." 1103 . Aus diesen Sätzen kann man in Verbindung mit der Problematik des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit, ihrer Einschränkbarkeit, insbesondere des Eingriffs durch Subventionierung, folgendes zusammenfassen: Art. 121 GG garantiert den Zugang zum Wettbewerb, begründet ein verfassungskräftig subjektives öffentliches Recht 1104 , und demgemäß kann die Erlaubniserteilung für die Errichtung eines Gewerbes oder Unternehmens keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der vorhandenen Wettbewerbsteilnehmer darstellen 1 1 0 5 1 I 0 6 . 1102 Das gleiche gilt, wenn ζ. B. die Deutsche Ausgleichsbank den Aufbau einer beruflichen Existenz subventioniert und dadurch den Zugang eines neuen Konkurrenten auf den jeweiligen Wettbewerbsmarkt erleichtert; vgl. dazu oben II 2 a cc ß. 1103 BVerwGE 30, 191, 196 f.; zustimmend Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 141 f.; P. Kirchhof, Verwalten, S. 369, Fn. 274 (dort); Grosser, Die Spannungslage, S. 91; vgl. auch BVerwGE 17, 306, 307 f. (Mobiliarfeuerversicherung); 71, 183, 192 f. (Transparenzlisten); ähnlich Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 104; anders Jarass, in: NVwZ 1984, S. 476, der zu Unrecht allerdings ausführt, daß es ähnlich wie im Subventionierungsfall auch im Genehmigungsrecht um faktische Grundrechtseinwirkungen gehe. 1104 Zum subjektiven öffentlichen Recht als Kernfrage des Konkurrentenschutzes im Verwaltungsrecht P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 99 ff., und insbesondere zur betroffenen Frage des Zugangs zum Wettbewerb S. 299; ferner Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 122 ff., und oben sub I 3. 1105 Vgl. auch BVerwGE 71, 183, 193 (Transparenzlisten); BVerwG DVB1. 1983, S. 1252; BVerwGE GewArch 1989, S. 173; VGH Kassel NJW 1997, S. 1180; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 104; Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 142 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 299; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 60. Π 0 6 j y j a n m u ß darauf hinweisen, daß eine ganz andere Dimension in der Problematik des sog. verwaltungsrechtlichen "Dritt- oder Konkurrentenschutzes" die Frage aufwirft, ob der bereits konzessionierte Wettbewerber sich gegen den Zugang neuer Konkurrenten auf Regelungen des einfachen Rechts (vgl. § 13 IV PBefG) berufen kann. Die Pro-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Es spielt keine eingriffsbedeutende Rolle, daß dadurch die vorhandene Wettbewerbslage verändert wird 1 1 0 7 . Dagegen ist die Zulassung auf den jeweiligen Markt aufgrund gesetzlicher subjektiver oder objektiver Zulassungsbeschränkungen, unabhängig von der Frage, ob die Verwaltung dabei ermessensfrei oder -gebunden ist, immer an Art. 121 GG und der sog. Dreistufentheorie als Beschränkungen der freien Berufswahl zu messen 1108 . Andererseits begründet Art. 12 I GG, wie bereits gezeigt wurde, kein verfassungskräftiges subjektives Recht auf Subventionsgewährung (von Art. 3 I GG abgesehen 1109 ) - die aber, wenn sie erreicht wird, die Wettbewerbslage verändert - und stellt unter den bereits dargelegten Umständen grundsätzlich einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG der Mitbewerber des subventionierten Unternehmers oder Gewerbetreibenden dar 1 1 1 0 . Diese können sich unter Zuhilfenahme der verwaltungsrechtlichen (Konkurrenten-)Klage gem. § 42 I I VwGO wehren und dadurch geltend machen, daß sie durch die Subventionierung ihres Konkurrenten in ihren Rechten verletzt würden. Diese Rechte sind die sich aus der Wettbewerbsfreiheit ergebenden Rechte - grundsätzlich in bezug auf die freie Berufsausübung 1111 - und mangels einfachgesetzlicher Bestimmungen unmittelbar aus der Verfassung bzw. den Grundrechten (Art. 12 I GG in Ver-

blematik mag hier dahingestellt bleiben - vgl. aber dazu P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 308; BVerwGE 79, 208, 210 ff. 1107 Vgl. auch BVerwGE 71, 183, 192 f. (Transparenzlisten), wonach die Grundrechte nicht vor jeder nachteiligen Betroffenheit schützen würden und, um festzustellen, ob und wann eine solche Betroffenheit einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellt, die richtige Abgrenzung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit nach Maßgabe ihres Schutzzwecks erforderlich sei. 1108 V g i dazu oben sub IV 2 a aa; vgl. auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 302, der zutreffend anmerkt, daß in solchen Fällen der beruflichen Zulassungsbeschränkungen nur die grundrechtlich geschützten Interessen der Bewerber, nicht jedoch die der bereits Zugelassenen in Betracht kommen. 1109 Vgl. dazu OVG Münster NVwZ 1982, S.381; OVG Münster NVwZ 1984, S. 525; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 76; vgl. auch oben sub II 2 a cc ß. 1110 Vgl. auch zur ganzen Kompliziertheit der Problematik den Syllogismus von Schenke, in: WiVerw 1978, S. 237, und P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 299, sowie die Darlegung von Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 75. 1111 So auch Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 271, der eine Beschränkung der freien Berufswahl durch die Subventionierung des Konkurrenten verneint und die Anwendung der bundesverfassungsrechtlichen Judikatur über die "objektiv berufsregelnde Tendenz" der steuerrechtlichen Normen (vgl. dazu oben sub α) auch auf Subventionen befürwortet. Man kann aber eine solche Beschränkung der freien Berufswahl per se nicht ausschließen, im Falle der Existenzgefährdung sogar bejahen, wie es auch das BVerfG für die steuerrechtlichen Vorschriften angenommen hat (vgl. oben sub a); ähnlich wie hier Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 77, der die Folgen für die Existenz eines Unternehmens aus den sog. "Erdrosselungssubventionen" mit den entsprechenden Folgen aus den sog. "Erdrosselungssteuern" vergleicht.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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bindung mit der Grundrechtsbindung der Verwaltung nach Art. 1 I I I GG) abzuleiten 1112 .

γγ) Andere Eingriffe durch fördernde staatliche Tätigkeit Der Staat bzw. die öffentliche Gewalt kann über die Subventionen hinaus auch durch andere fördernde Tätigkeiten in die Wettbewerbsfreiheit eingreifen, wie das folgende Beispiel zeigt: A u f dem zentralen Platz einer Stadt gibt es einen Brunnen, der ihn in zwei Seiten trennt. A n beiden Seiten des Platzes gibt es Cafés, die bei schönem Wetter Tische nach draußen stellen. Der A erhält von der Stadtverwaltung eine Sondererlaubnis, Baubuden an der einen Seite des Platzes aufstellen zu dürfen, so daß die Cafés faktisch keine Tische mehr nach draußen stellen können. Diese Erlaubnis ist nicht an die Besitzer dieser Cafés adressiert, sie wird nicht durch Zwang und Befehl durchgesetzt, sondern sie hat sogar einen begünstigenden Charakter für A und bezweckt nicht, die Besitzer der betroffenen Cafés zu belasten. Sie stellt trotzdem einen Eingriff in ihre Wettbewerbsfreiheit dar, weil sie dadurch faktisch und mittelbar über die Begünstigung des A Wettbewerbsnachteile gegenüber der konkurrierenden und von der Erlaubnis des A nicht betroffenen Cafés auf der anderen Seite hinnehmen müssen, wenn sie nicht mehr die Möglichkeit haben, wie sie ihre Konkurrenten immer noch haben, Tische nach draußen zu stellen und bei schönem Wetter Kundschaft zu gewinnen 1113 . Daß der von dem Verwaltungsakt begünstigte A nicht im Konkurrenzverhältnis zu den betroffenen Gewerbetreibenden steht, sondern die Cafébesitzer der anderen Seite des Platzes, spielt für die eingreifende Wirkung des Aktes gar keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, daß dadurch die Gewerbetreibenden der einen Seite benachteiligt und die Gewerbetreibenden der anderen Seite, die sich im Wettbewerbsverhältnis mit den ersteren befinden, begünstigt werden.

1112 So VGH Mannheim NVwZ 1990, S. 575; Kopp, in: GewArch 1988, S. 361 f.; Papier, in: ZHR 1988, S. 499; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 411; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 220 f.; vgl. auch Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 739, nach dem aber, soweit Subventionen in Gesetzen vorgesehen sind, eine Normenkontrolle in Betracht kommt. 1113 Vgl. auch das Beispiel von Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 15.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

γ) Neue Eingriffstypen in die Wettbewerbsfreiheit nach den neuen Entwicklungslinien der Rechtsprechung αα) Eingriff durch Ausnahmebefreiung von einer Einschränkung Es ist zu betonen, daß die Begünstigung des einen Unternehmers bzw. die Belastung seiner Konkurrenten nicht unbedingt durch Subventionierung in der bereits dargelegten Form erfolgen muß. Nach der (mittlerweile veralteten) Meinung der Rechtsprechung des BVerwG und der unteren Verwaltungsgerichte, die nicht direkt die Problematik des "Eingriffs durch Subventionierung" betraf, schützt Art. 121 GG keinesfalls vor einem hoheitlichen Handeln, das allenfalls Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil verschafft 1114 . Diese Rechtsprechung ist abzulehnen und inzwischen auch überholt, zumindest soweit sie den Eingriffscharakter dieser Maßnahme für den Konkurrenten des Begünstigten nach dem bisher zur Subventionierung Dargelegten verkennt 1115 . Demgemäß kann die Ausnahmebefreiung von einer gesetzlich vorgesehenen Einschränkung, die dem oder den begünstigten Unternehmer(n) gegenüber seinen Wettbewerbern einen Vorteil gewährt, wie ζ. B. die Erteilung einer Genehmigung nach § 28 Arbeitszeitordnung (AZO) v. 30. 04. 1938 (RGBl. I, 447) i. V. m. § 105 b I I 1 GewO i. d. F. der Bek. v. 01. 01. 1987 (BGBl I, 425), Arbeitnehmer sonn- und feiertags zu beschäftigen 1116, unter den bereits dargelegten Umständen einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der nicht begünstigten bzw. von dieser Ausnahmebefreiung ausgeschlossenen Wettbewerbern darstellen. Diese Ausnahmebefreiung kann einen Wettbewerbsvorsprung für den ^ begünstigten Unternehmer bilden, wenn er dadurch mehr Umsätze machen und einen besseren Zugang zu Kunden erreichen kann, so daß das Wettbewerbsverhältnis zu seinen Gunsten verändert wird. Seine Konkurrenten müssen möglicherweise ihrerseits, wie im Fall der Subventionierung, ihre berufliche Betätigung und Beteiligung am Wettbewerb entsprechend der neuen Lage anpassen, so daß für sie die Begünstigung ihres Konkurrenten eine Benachteiligung am

1114 BVerwGE 65, 167, 173; BVerwG DVB1. 1983, S. 1252; OVG Münster NVwZ 1984, S. 524; OVG Koblenz GewArch 1993, S. 243; vgl. auch Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 43. 1115 Vgl. Kopp GewArch 1988, S. 362. Die Problematik hat auch die BVerfGE 23, 50, 56 (Nachtbackverbot I) bezüglich der Frage der Verhältnismäßigkeit bzw. Erforderlichkeit und Angemessenheit des Nachtbackverbots nach § 5 I BAZG a. F. auch für große Bäckereien beschäftigt. Das Gericht hat sie u. a. mit dem Argument bejaht, daß eine gesetzliche Befreiung bestimmter Bäckereien bzw. Konditoreien von dem Nachtbackverbot ihnen gegenüber den anderen Bäckereien einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung geben würde. Obwohl das Gericht ausdrücklich nicht so weit geht, kann man daraus zu dem Schluß kommen, daß es eine solche gesetzliche Befreiung als einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG (i. V. m. Art. 3 I GG) der von dem Verbot nicht befreiten Unternehmen betrachtet. 1116 Vgl. zum Fall OVG Koblenz GewArch 1993, S. 242 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Wettbewerbsmarkt darstellt 1117 . Soweit diese Begünstigung die Folge einer Subventionierung ist, gilt analog, was zur Subventionierung als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit dargelegt wurde 1118 . Dasselbe gilt für die Ladenschlußzeitenvergünstigung 1119 oder die Erteilung einer Baugenehmigung gegenüber einem Gewerbetreibenden 1120, wenn diese eine tatsächliche und beeinträchtigende Auswirkung auf das Wettbewerbsverhältnis haben.

ßß) Eingriff durch Nicht-Anerkennung einer beruflichen Qualifikation Nach den neuen Entwicklungslinien der höchstrichterlichen Judikate kann man auch davon ausgehen, daß umgekehrt zu den bereits dargelegten Fällen die Verweigerung einer gesetzlich vorgesehen Anerkennung einer beruflichen Qualifikation oder die Nicht-Aufnahme eines Unternehmens auf eine Liste, die

1117 Vgl. auch W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 354, der zutreffend davon ausgeht, daß die dem Konkurrenten erteilten Ausnahmegenehmigung zwar weder das Dürfen noch das rechtliche Können der anderen Marktteilnehmer beeinträchtigt, wohl aber ihr natürliches (tatsächliches) Können. 1118 Diese Schlüsse hat das OVG Koblenz in seinem Urteil, a. a. O., S. 243 f., verkannt und, nachdem es auf die BVerwGE 65, 167, 173, zurückgegriffen hatte, festgestellt, daß die Ausnahmegenehmigung keine Maßnahmen darstelle, mit denen der Staat zielgerichtet gewisse Rahmenbedingungen verändere, um zu Lasten bestimmter Unternehmer einen im öffentlichen Interesse erwünschten Erfolg herbeizuführen. Demzufolge ist es davon ausgegangen, daß, obwohl die Erteilung der Ausnahmegenehmigung der begünstigten Firma für die Präsenz ihres Hauses gegenüber Kunden äußerst wichtig sei und sich günstig auf die Weiterentwicklung der Firma auswirke, sie keinen Eingriff in die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit der mit ihr konkurrierenden Firma darstellen könne. Denn die Verwaltung habe durch die Erteilung der Ausnahme von Beschäftigungsverbot nicht darauf abgezielt, einen Nachteil zu Lasten anderer Mitbewerber zu schaffen und in die Wettbewerbsfreiheit der konkurrierenden Firma einzugreifen, sondern ihr Ziel sei die Schaffung neuer Arbeitsplätze in dem schwer von der Arbeitslosigkeit betroffenen Gebiet gewesen, wo die Firma ihren Sitz hatte. Diese Rechtsprechung verkennt völlig die Maßstäbe der neuen Eingriffslehre und ist immer noch der "klassischen" Eingriffslehre verhaftet, daß der Grundrechtseingriff final, adressiert und unmittelbar sein soll. Sie ist vielmehr von der späteren Rechtsprechung des BVerfG und BVerwG überholt worden. Das Ziel der Verwaltung - Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - bezieht sich auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs im Hinblick auf das Rechts- (Gesetzesvorbehalt und Verhältnismäßigkeitsgebot) und Sozialstaatsprinzip, nicht aber auf den Eingriffs(tat)bestand. 1119 So Kopp GewArch 1988, S. 362; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 354 f. 1120 Diese Position hat auch der VGH Mannheim in seinem Beschluß v. 15. 08. 1989 in NVwZ 1990, S. 575, verkannt, indem er sich den BVerwGE 30, 191, 198 (Winzergenossenschaftensubventionierung); 65, 167, 173 angeschlossen hat und davon ausgegangen ist, daß die mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen in ihren faktischen Auswirkungen nur dann rechtliche Relevanz bekämen, wenn sie sich auf besonders intensive oder zielgerichtete Eingriffe beziehen würden. Da es bei der Erteilung einer Baugenehmigung fehle, könnten sie keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit des konkurrierenden Gewerbetreibenden darstellen.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

dem Aufgenommenen Vorteile im Wettbewerb bringt, einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG der jeweils nicht anerkannten bzw. ausgeschlossenen Unternehmen darstellt. In diesem Sinne ist die Weigerung einer von der Landesregierung nach § 3611 GewO bestimmten Stelle, einen Sachverständigen für ein bestimmtes Sachgebiet öffentlich zu bestellen, ein solcher Eingriff in seine Wettbewerbsfreiheit gegenüber seinem(n) Konkurrenten, der (die) doch öffentlich bestellt wurde(n). Denn die öffentliche Bestellung bestätigt in amtlicher und deswegen hoch angesehener Art, daß der öffentlich bestellte Sachverständige die gesetzlich vorgesehenen Eigenschaften erfüllt, die für seinen beruflichen Erfolg auf dem Markt, auf dem er wettbewerblich auftritt, erforderlich und entscheidend sind. Das bedeutet automatisch, daß er gegenüber seinen Wettbewerbern einen erheblichen Vorsprung bekommt, die ihre Qualifikationen nicht auf die gleiche Art beweisen können. Wer in der Praxis einen Sachverständigen benötigt, wendet sich im Zweifelsfall zunächst an öffentlich bestellte Sachverständige 1121. Der öffentlich bestellte Sachverständige kann dadurch einen besseren Zugang zu den Kunden erreichen und seinen Umsatz erhöhen. Seine Konkurrenten dagegen müssen ihre Betätigung auf dem einschlägigen Wettbewerbsmarkt umwandeln, um seinen Wettbewerbsvorteil wettzumachen - ihre Wettbewerbsfreiheit ist sicherlich beeinträchtigt.

γγ) Eingriff durch Nicht-Aufnahme auf eine berufliche Liste Ähnlich liegt der Fall bezüglich der Nicht-Aufnahme eines Unternehmers in eine berufliche Liste. So wurde vom BVerfG angenommen, daß die NichtAufnahme einer Klinik in den Krankenhausplan eines Landes einen Eingriff in die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit ihres Unternehmers bedeute 1122 . Denn nach § 4 I 1 i. V. m. § 8 I 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) v. 29. 06. 1972 (BGBl. I, 1009) dürfen nur Plankrankenhäuser einen Anspruch auf staatliche Investitionskostenübernahme haben. Wie das BVerfG darlegt, würden Krankenhäuser, "die nicht in den Krankenhausplan aufgenommen sind ... dadurch einem erheblichen Konkurrenznachteil ausgesetzt. Sie dürfen zwar ihre Investitionskosten in den Pflegesatz einrechnen, müssen aber infolgedessen ihre Dienste wesentlich teurer anbieten als Plankrankenhäuser. Über bloße Konkurrenznachteile hinaus werden sie durch § 17 V KHG gehindert, den Investitionskostennachteil der Pflegesätze gegenüber Sozialleistungsträgern und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgern geltend zu machen" 1123 .

1121

Vgl. zum Fall und zur Argumentation BVerfGE 86, 28, 37 (Sachverständige). So BVerfGE 82, 209, 222 (Krankenhausplan). 1123 BVerfGE 82, 209, 224 (Krankenhausplan). Einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG sieht hier auch Badura, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rd. 47; vgl. auch BVerwGE 1122

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Das BVerwG hat einen vergleichbaren Fall geprüft und ist ausgehend von den Grundsätzen der (auch hier dargelegten) jüngsten Rechtsprechung des BVerfG und seiner eigenen, auf die es verwiesen hat 1124 , zu dem Schluß gekommen, daß eine Industrie- und Handelskammer, die bei der Benennung von Unternehmensberatern gegenüber Nachfragern nach staatlichen Existenzgründungsprogrammen einzelne Unternehmensberater von dieser Benennung ausnimmt, dadurch in ihre sich aus Art. 121 GG ergebende Wettbewerbsfreiheit eingreift. Es hat dem Krankenhausplan-Urteil des BVerfG ähnelnde Argumente benutzt, um seine Position zu begründen, nämlich daß die Praxis der im betreffenden Fall beklagten Industrie- und Handelskammer, auf Anfragen von Existenzgründern aus einem Kreis von etwa zehn bis fünfzehn geeignet erscheinenden Beratern jeweils zwei oder drei im Wechsel zu benennen, den nichtgenannten Unternehmensberatern die Chancen im Wettbewerb um die potentiellen Auftraggeber nehme. Ihre Anfrage bei der Industriekammer zeige nämlich in der Regel, daß sie beabsichtigten, einen von dieser benannten Berater auszuwählen 1125 . Der Nachteil, den die nicht genannten Unternehmer hinnehmen müssen, wird zu Recht vom Gericht als hinreichend bewertet, einen Eingriff in ihre Berufs- und dementsprechend in ihre Wettbewerbsfreiheit darzustellen, weil sie von dem Wettbewerb um einen beträchtlichen Kreis von potentiellen Auftraggebern ausgeschlossen würden. Umsatzverluste hinsichtlich der Beratung bei der Existenzgründung nebst Folgeaufträgen und etwaiger sich daraus ergebender weiterer Geschäftskontakte müssen sie damit in Kauf nehmen 1126 .

δδ) Eingriff durch eine Subventionsrichtlinie In die ähnliche Richtung geht ein anderer Fall, der die Rechtsprechung des BVerwG beschäftigt hat und sich auf einen neuen, nicht "klassischen" Eingriffstyp bezüglich der Wettbewerbsfreiheit bezieht - die Verpflichtung aufgrund einer Richtlinie eines Landes für seine Landwirte, in Verfahren, in denen öffentliche Darlehen eingesetzt werden, als Subventionsberater nur zwei Beratungsunternehmen zu Rate zu ziehen. Mit dieser Richtlinie wird klar, daß ande-

60, 154, 158 ff. (Krankenhauspflegesätze), wonach das Gericht durch die Festsetzung zu hoher Pflegesätze für andere konkurrierende Krankenhäuser eine Verletzung des "Rechts auf Teilnahme am freien Wettbewerb" des Trägers eines Krankenhauses zwar nicht ausschließt, aber die Gewährleistung dieses Rechtes nicht in der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG, sondern in das aus Art. 2 I GG gewährleistete Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit einordnet. 1124 Vgl. nochmals BVerfGE 82, 209, 223 (Krankenhausplan); BVerwGE 71, 183, 189 ff., 193 (Transparenzlisten); 87, 37, 42 ff. (Diethylenglykolweine). 1125 BVerwGE 89, 281, 283 f. (Unternehmensberater). 1126 BVerwGE 89, 281, 284 f. (Unternehmensberater); vgl. auch zur Eintragung in die Handwerksrolle nach §§ 6 I, 7 I, IV HandwO BVerwG NVwZ - RR 1995, S. 325 f.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

re als diese zwei Subventionsberater von den interessierten Landwirten nicht eingeschaltet werden konnten 1127 . Es wurde zu Recht vom BVerwG erkannt, daß die umstrittene Richtlinie einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der ausgeschlossenen Subventionsberater darstellt. Denn dadurch wurde (faktisch) der Zugang zu den Kunden gesperrt, so daß nur zwei von allen Subventionsberatungsunternehmen ihre Leistung den interessierten subventionsersuchenden Landwirten anbieten und am Wettbewerb an diesem Markt teilnehmen konnten 1128 . Ob die ausgeschlossenen Unternehmen ausschließlich oder ergänzend auf diesem Markt auftreten, ist nur dahingehend von Interesse, ob dadurch die freie Berufswahl oder -ausübung berührt wird 1 1 2 9 . Sollten die von der Richtlinie genannten Gesellschaften öffentliche Unternehmen (gleichgültig welcher Organisationsform) sein, so kann sich der von den Richtlinien dargelegte Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nur auf zwei andere Eingriffstypen beziehen: auf den Eingriff durch öffentliche Monopole 1130 und den Eingriff durch den öffentlichen Wettbewerb 1131 . Zum ersten Fall gehört auch als mittelbarer und nicht imperativer Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Konkurrenten die Einfuhrung eines Monopols durch Anschluß- und Benutzungszwang für die Nachfrager in dem Sinne, daß diese von den Leistungen eines bestimmten öffentlichen Unternehmens Gebrauch zu machen haben.

εε) Zwischenergebnis Mit den drei ersten, bereits dargestellten Fällen, die die Rechtsprechung der zwei Bundesgerichte beschäftigt haben, zeigt sich ein offensichtlicher Bruch der sog. "klassischen" Eingriffslehre, insbesondere in bezug auf die "Unmittelbarkeit" und die "Imperativität" (Obrigkeitlichkeit - Zwang und Befehl) der Maßnahme als Eingriffskriterium. Die gerügten Verwaltungsmaßnahmen wurden nicht durch Zwang und Befehl im Sinne der "klassischen" Eingriffslehre durchgesetzt und haben keine Gebote oder Verbote in diesem Sinne dargestellt. Ihre eingreifende Wirkung ergibt sich nicht in einer direkten Art, daß sie rechtlich den Zugang zu Kunden verbieten oder beschränken, sondern eher faktisch und mittelbar aus der Tatsache, daß durch die Nicht-Anerkennung der beruflichen Qualifikation bzw. die Nicht-Aufnahme auf die berufliche Liste die potentielle Kundschaft den nicht anerkannten bzw. nicht ausgezeichneten im Vergleich zu den anerkannten bzw. ausgezeichneten Marktteilnehmern nicht vertrauen oder die nicht auf die berufliche Liste aufgenommenen nicht kennen 1127 1128 1129 1130 1131

Zum Fall vgl. BVerwGE 75, 109, 110 ff. (Subventionsrichtlinien). BVerwGE 75, 109, 115 (Subventionsrichtlinien). BVerwGE 75, 109, 115 (Subventionsrichtlinien). s. dazu oben sub a cc γ. s. dazu unten sub ε.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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kann, so daß sie diese nicht mehr bevorzugen will oder kann 1132 . Im Falle des Krankenhausplanes wirkt die Nicht-Aufnahme in den Krankenhausplan auf die Wettbewerbsfreiheit der nicht aufgenommenen Klinikbetreiber dadurch eingreifend, daß sie damit im Gegensatz zu den aufgenommenen Wettbewerbern gesetzlich vorgesehene Förderung verlieren und dementsprechend Konkurrenznachteile hinnehmen müssen. Darüber hinaus muß man in bezug auf die Subventionsrichtlinie darauf hinweisen, daß sie nicht unmittelbar an die von der Beratung ausgeschlossenen Unternehmen, sondern an die Landwirte adressiert ist, die jedoch ihre potentiellen Kunden sind, weswegen sie auf die ersteren nur mittelbar wirkt. Sie enthält zwar ein Gebot, von den Leistungen zweier bestimmter Unternehmen Gebrauch zu machen und ein entsprechendes Verbot, nämlich die Leistungen aller anderen in Anspruch zu nehmen, dies richtet sich aber, wie gezeigt, nicht an die (faktisch) von der Richtlinie beeinträchtigten Unternehmer, sondern an die um Subventionsforderung ersuchenden Landwirte 1133 . Daß den Adressaten der Richtline sogar verboten wird, andere Unternehmen aufzusuchen, stellt die Schwere des Eingriffs für die letzteren intensiver und demzufolge die Anforderungen an ihre Rechtfertigung durch das Verhältnismäßigkeitsgebot dementsprechend strenger dar. Was aber von den Merkmalen der sog. "klassischen" Eingriffslehre auch in bezug auf die bereits gezeigten neuen Eingriffstypen in die Wettbewerbsfreiheit gilt, ist die Finalität. Die Verwaltung greift in allen solchen Fällen zwar mittelbar, nicht imperativ, faktisch, ihre Tätigkeit bezweckt aber, in die Wettbewerbslage und manchmal, wie im Subventionsrichtlinien-Fall 1134 , zu Gunsten bestimmter Wettbewerbsteilnehmer einzugreifen und demgemäß die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Unternehmer einzuschränken. Das tut sie nicht, wie im Fall des Eingriffs durch Förderung, um einen Konkurrenten oder eine andere Person aus Gründen des öffentlichen Interesses oder des allgemeinen Wohls zu begünstigen, sondern um sie - eventuell auch aus Gründen des öffentlichen Interesses - aus dem Wettbewerbsmarkt auszuschließen oder ihre Chancen auf diesem zu mindern. Bemerkenswert ist aber, daß das BVerwG die Frage, ob das Finalitätskriterium für die Annahme eines Grundrechtseingriffs erforderlich ist, nicht einheitlich beantwortet. Darauf wird jedoch unten 1135 ausführlicher eingegangen.

Π32 V g i a u c h BVerwGE 89, 281, 284 (Unternehmensberater). 1133 BVerwGE 75, 109, 115 f. (Subventionsrichtlinien). 1134 Vgl. BVerwGE 75, 109, 117 (Subventionsrichtlinien). 1135 Vgl. unten sub ζζ.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

δ) Eingriff durch Information und Warnung α α ) Allgemeines Dieser Eingriffstyp bezüglich der Wettbewerbsfreiheit bezieht sich zweifelsfrei unmittelbar auf die Entwicklungslinien der neueren Rechtsprechung des BVerfG und insbesondere des BVerwG. Er ist sogar ihr Bestandteil und hat die moderne Eingriffslehre 1136 wesentlich beeinflußt und sogar geprägt. Wegen seines besonderen Interesses jedoch, mit dem sich sowohl die unteren Verwaltungsgerichte als auch das BVerwG während der 80er und 90er Jahre häufiger als mit den anderen (modernen) Eingriffstypen in die Wettbewerbsfreiheit befaßt haben, wird er hier an besonderer Stelle untersucht. Die Problematik betrifft die Frage, inwieweit und unter welchen Umständen staatliche (von Verwaltungsbehörden oder der Bundesregierung hergeleitete) schlicht-hoheitliche 1 1 3 7 Tätigkeit in der Form von Informationen, Warnungen, Empfehlungen oder Boykottaufrufen 1138 einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit derjenigen Unternehmer darstellen können, deren Produkte der Gegenstand dieser Informationen, Warnungen und Empfehlungen sind 1 1 3 9 . In Betracht kommt insbesondere über das ganze unternehmerische Verhalten im Wettbewerb hinaus das unternehmerische Selbstdarstellungsrecht i m Wettbewerb als Element des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit 1140 . Bisher sind die zwei wichtigsten Fälle, die die bundesverwaltungsgerichtliche Judikatur in bezug auf diese Frage beschäftigten, die Veröffentlichung von Arzneimittel-Transparenzlisten mit der Angabe von Qualitätssicherungskennzeichen 1141 und die Veröffentlichung einer Liste aller in Deutschland festgestellten, mit Diethylenglykol kontaminierten Weine, wobei sogar der jeweilige Abfuller bekannt gegeben wurde 1 1 4 2 .

1136 Weitere Literatur über die Diskussion, die die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ausgelöst hat, bei Schock, in: DVB1. 1991, S. 667, Fn. 5 (dort); Ossenbühl, Produktkennzeichnung, S. 39, Fn. 100 (dort). 1137 Daß diese Tätigkeit der öffentlichen Gewalt zu ihrer schlicht-hoheitlichen Tätigkeit gehört, vgl. Dolde, Behördliche Warnungen, S. 10; M. Böhm, in: JA 1997, S. 794. 1138 Ygi z u ihrer Form Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 58; M. Böhm, in: JA 1997, S. 794. 1139 Vgl. zur Untersuchungsmethode Schoch, in: DVB1. 1991, S. 668. 1140 y g i s u b h 2 a cc α . 1141 1142

BVerwGE 71, 183 ff. (Transparenzlisten). BVerwGE 87, 281 ff. (Diethylenglykolweine).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ßß) Das Transparenzlisten-Urteil des BVerwG Im ersten Fall handelte es sich um eine pharmakologisch-therapeutische und preisliche Transparenzliste für Fertigarzneimittel durch Erstellung von Übersichten über alle wesentlichen Arzneimittel, um dadurch die Senkung des Arzneipreisniveaus zu erreichen, die dann von einer vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit berufenen und beim Bundesgesundheitsamt eingerichteten Transparenzkommission veröffentlicht wurde. Ihr Zweck war es, die wirksamen Bestandteile der Arzneien, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen, die Packungspreise sowie ihre Preise, bezogen auf die therapeutische Dosierung, auszuweisen. Die betreffende Kommission hat darüber hinaus die "Allgemeinen Grundsätze für die Vergabe von Qualitätskennzeichen für Fertigarzneimittel in Transparenzlisten v. 04. 04. 1979" beschlossen. Diese Kennzeichen sollen auf eine über die für die Verkehrsfähigkeit erforderlichen Mindestanforderungen hinausgehende Qualität hinweisen 1143 . Das BVerwG ist, wie bereits gezeigt 1144 , in diesem Urteil zum ersten Mal der Auffassung des BVerfG und der inzwischen im Schrifttum herrschenden Position beigetreten 1145 , daß "das Verhalten des Unternehmers im Wettbewerb Bestandteil seiner Berufsausübung (aus Art. 12 I GG)" ist 1 1 4 6 . Es hat bei der umstrittenen Veröffentlichung der Transparenzliste einen Akt staatlicher Wirtschaftslenkung und demgemäß einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit derjenigen Herstellungsfirmen von Medikamenten erkannt, "die teurer als andere nach Wirksamkeit und Qualität vergleichbaren Präparate sind" und nicht mehr unter den von der Veröffentlichung der Liste geschaffenen Umständen zum bestehenden Preis veräußert werden können. Der eingreifende Charakter der Maßnahme ergab sich insbesondere aus der Tatsache, daß die Arzneien, die von der Transparenzkommission keine positiven Qualitätssicherungskennzeichen erhielten, von den die Liste benutzenden Ärzten kaum noch verschrieben werden konnten. Denn nach § 368 e RVO kann der Versicherte "Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind" nicht beanspruchen, und darf der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt solche Leistungen nicht bewirken oder verordnen. Demnach mußten diese Arzneimittelunternehmen Absatz- und demzufolge Umsatzeinbußen im Wettbewerb mit ihren konkurrierenden Unternehmen hinnehmen, deren Medikamente positive Qualitätssicherungskennzeichen von der Transparenzkommission erhalten hatten 1147 .

1143 1144 1145 1146 1147

Zum Sachverhalt s. BVerwGE 71, 183, 184 f. (Transparenzlisten). s. oben sub β αα γγγ. Vgl. auch zu dieser Einschätzung Schock, in: DVB1. 1991, S. 669. BVerwGE 71, 183, 189 (Transparenzlisten). BVerwGE 71, 183, 190 (Transparenzlisten).

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Nach dem, was bereits über andere nicht "klassische" Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit ausgeführt wurde, liegt nunmehr auf der Hand, daß die Veröffentlichung der Arzneimittel-Transparenzliste, die sich nicht an die Arzneifirmen richtet, kein Verbot oder Gebot enthält bzw. sich nicht durch Zwang und Befehl durchsetzt, selbst kein Rechtsakt ist 1 1 4 8 , sondern sich mittelbar und faktisch negativ auf die Freiheit der von ihr benachteiligten Unternehmern auswirkt, neue Kunden auf dem Arzneimittelmarkt von ihren Konkurrenten zu gewinnen und dadurch ihre Umsätze sowie ihren Marktanteil zu vergrößern. Die mittelbare und faktische Auswirkung der Veröffentlichung dieser Liste ergibt sich, wie auch bei den bisher dargelegten Fällen, aus dem Verhalten Dritter, nämlich dem der Ärzte, der Patienten (sekundär) und der Konkurrenten, die dadurch versuchen werden, einen Vorsprung im Wettbewerb zu erreichen 1149 . Diese mittelbare und faktisch eingreifende Auswirkung wird dadurch begründet, daß das Verhalten der Ärzte nach der Veröffentlichung der Transparenzliste nicht mehr so autonom ist, daß sie eventuell den (mittelbar) empfehlenden Charakter der Transparenzliste ignorieren und trotzdem die teureren Medikamente verschreiben könnten, weil sie, wie gezeigt, an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden sind 1150 . Das bisher Dargelegte entspricht vollkommen der dargelegten Problematik der sog. "mittelbaren und faktischen" Grundrechtseingriffe 1151. In Verbindung mit der vom BVerwG in diesem Urteil 1 1 5 2 zitierten Rechtsprechung des BVerfG über die Erforderlichkeit einer "erkennbaren objektiven (nicht gezielten) 1153 be1148

Dazu Dolde, Behördliche Warnungen, S. 9 f. BVerwGE 71, 183, 191 (Transparenzlisten); Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 544; ferner Schwerdtfeger, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 718 ff. 1150 BVerwGE 71, 183, 191 f. (Transparenzlisten); Schwerdtfeger, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 718 ff.; Sodan DÖV 1987, S. 862; R. Philipp, Verbraucherinformatio1149

nen, S. 105; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 221 ff.; P.-M. Huber, S. 361; Spaeth,

Grundrechtseingriff, S. 161. 1151 So BVerwGE 71, 183, 191, 197 f. (Transparenzlisten), wonach hier ausdrücklich ein mittelbarer, nicht imperativer bzw. hoheitlicher und faktischer Grundrechtseingriff in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit angenommen wird; zustimmend Borchers in: NJW 1985, S. 2742; Lübbe-Wolff in: NJW 1987, S. 2710; Sodan,, in: DÖV 1987, S. 861; Zuck, in: MDR 1988, S. 1022; Di Fabio, in: JZ 1993,

S. 697; ders., in: JuS 1997, S. 6; vgl. aber Schwerdtfeger, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 723, der aufgrund des "Normzwecks" und des "funktionalen Schutzbereichs" des Art. 12 I GG den grundrechtseingreifenden Charakter der Veröffentlichung einer Transparenzliste nur darauf einschränkt, wenn sie falsche Informationen mitteilt. 1152 BVerwGE 71, 183, 191 (Transparenzlisten). 1153 Vgl. aber anders OVG Münster NJW 1986, S. 2783, das ausführt, daß "mittelbare Auswirkungen nur dann einen Eingriff in geschützte Rechtspositionen darstellen" können, "wenn die Veränderung der Erwerbsbedingungen staatlicherseits zielgerichtet (final) und grundrechtsspezifisch etwa mit erkennbarer objektiver berufsregelnder Tendenz erfolgt"; dazu neigt auch Schoch, in: DVB1. 1991, S. 670; dagegen wie hier Dolde, Behördliche Warnungen, S. 17 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik rufsregelnden Tendenz" einer Norm oder einer Maßnahme, damit sie als Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG qualifiziert werden kann, könnte man zu dem Schluß kommen, daß das BVerwG in bezug auf die Prüfung nicht den Aufwand gemacht hätte, ob die Veröffentlichung der Transparenzliste gezielt (final) in die Wettbewerbsfreiheit eingreift. Trotzdem greift das Gericht auf den Argumentationstopos der "Finalität" der beeinträchtigenden Wirkung der Veröffentlichung zurück und begründet über den Topos ihrer "Grundrechtsspezifität" hinaus ihren Eingriffscharakter 1154. Man muß an dieser Stelle dem Gericht zustimmen und mit ihm davon ausgehen, daß der Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit gezielt ist 1 1 5 5 . Denn mit der Veröffentlichung der Transparenzliste bezweckt die Transparenzkommission die vorher genannte Benachteilung der Unternehmen, die von dieser Veröffentlichung negativ betroffen sind, wenn sie mittelbar empfiehlt oder über § 368 e RVO sogar (mittelbar) gebietet 1156 , daß die preisgünstigeren und qualitativ besseren Medikamente und durch sie ihre Herstellungsfirmen begünstigt werden sollen. Auch wenn man die Meinung vertreten möchte, daß die Veröffentlichung nicht den Firmen schadet, sondern sie nur mittelbar verpflichten will, ihre Preis- und Qualitätsstandards an das günstige und gute Niveau der anderen Arzneimittelunternehmen anzupassen, muß man trotzdem einen finalen Eingriff in ihre Wettbewerbsfreiheit in bezug auf ihre Preis- und Produktionsfreiheit annehmen, sofern die Verwaltung dieses Ergebnis anstrebt. Ob das BVerwG aber die "Finalität" der Maßnahme ohne weiteres für einen Bestandteil des Eingriffstatbestandes hält, kann hier noch offen bleiben 1157 .

γγ) Das Diethylenglykolweine-Urteil des BVerwG Auch hier handelte es sich um die Veröffentlichung einer Liste. Diese Liste wurde von dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit veröffentlicht und enthielt einen Katalog mit allen Weinen, die in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr waren und in denen Diethylenglykol (DEG), ein chemisches Frostschutzmittel, festgestellt worden war. Angegeben wurden die 1154

BVerwGE 71, 183, 193 f. (Transparenzlisten). Ob der Eingriff durch Information und Warnung final ist, ist allerdings umstritten - vgl. einerseits ablehnend VGH Kassel 1995, S. 416; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 54; andererseits bejahend Dolde, Behördliche Warnungen, S. 18 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 364, der immer eine "finale" Beeinträchtigung bei solchen informellen Maßnahmen sieht; ähnlich, aber nicht so kategorisch wie Huber, Sodan, in: DÖV 1987, S. 862. Noch heftiger umstritten ist die Frage, ob die Finalität als (erforderliches) Eingriffskriterium behandelt werden soll. 1156 Diese Vorschrift übt eine Art "rechtlichen Zwang" auf die Ärzte aus - so A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 224. 1157 ygi dazu ausführlich unten sub ζζ. 1155

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Lagebezeichnung, der Name des Abfüllers und die amtliche Prüfungsnummer. Parallel wurden die Verbraucher darauf hingewiesen, daß nicht alle Weine aus derselben Lage oder desselben Abfüllers Diethylenglykol enthalten müssen. Auf dieser Liste sollten die Namen der Abfüller lediglich deswegen genannt werden, um dem Verbraucher eine Identifizierung des beanstandeten Weins zu ermöglichen 1158 . Das BVerwG hat zuerst konsequenterweise in Hinblick auf seine ältere Rechtsprechung die Meinung des Berufungsgerichts 1159 abgelehnt, daß die Listenveröffentlichung keinen Eingriff darstelle, weil sie sich auf nicht verkehrsfähige Weine, die eine unerlaubte berufliche Betätigung darstellen würden, bezogen habe 1160 . Danach hat es, wie im Transparenzlisten-Urteil, festgestellt, daß die Veröffentlichung dieser Liste negative mittelbare und faktische Auswirkungen 1161 auf die Wettbewerbsposition der Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte, deren Name auf der Liste enthalten war. Denn sie konnte schon aus geschäftlichen Gründen keinesfalls weiterhin Weine anbieten, von denen bekannt war, daß sie das einschlägige Frostschutzmittel enthielten und deswegen als gesundheitsgefährdend angesehen wurden 1162 . Darüber hinaus könnte die Nennung des Namens der Klägerin auf der streitigen Liste weitere Nachteile im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit verursachen, indem sie dadurch einen Mißkredit hervorruft, daß die Käufer trotz des Hinweises auf der Liste bezüglich der anderen Produkte der angegebenen Abfüller aus psychologischen Gründen auch diese nicht mehr bevorzugen würden 1163 . Das könne aber, wie auch in den bereits dargelegten Fällen, der Veröffentlichung den grundrechtsbeeinträchtigenden Charakter nicht absprechen 1164. Der interessanteste Punkt bezüglich der Eingriffsmerkmale war jedoch die Position des Gerichts im Hinblick auf die Finalität der Veröffentlichung. Zum einen hat es ihre Auswirkungen in zwei Teile geteilt: in denjenigen der auf die

1158

Zum Sachverhalt vgl. BVerwGE 87, 37, 38 (Diethylenglykolweine). OVG Münster NJW 1986, S. 2783. 1160 BVerwGE 87, 37, 40 f. (Diethylenglykolweine). Seine Argumentation kann hier dahingestellt bleiben. Im Ergebnis zustimmend Dolde, Behördliche Warnungen, S. 15; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 198\ Albers, in: DVB1. 1996, S. 241; vgl. zur einschlägigen Problematik über den "Berufsbegriff ' i. S. d. Art. 12 I GG den Schutzbereich der Berufsfreiheit und die Stellung des BVerwG dazu oben sub II 2 a aa. 1161 So BVerwGE 87, 37,41 f. (Diethylenglykolweine). Π62 V g | a u c h p _M Huber, Konkurrenzschutz, S. 361. 1159

1163

BVerwGE 87, 37, 39 f. (Diethylenglykolweine). BVerwGE 87, 37, 43 f. (Diethylenglykolweine). Das Gericht greift auf S. 42 auch zusätzlich auf die das gesamte staatliche Handeln prägende und bindende objektive Wertordnung des GG zurück, um seine Meinung zu begründen; vgl. ferner dazu Jarass, in: AÖR 1985, S. 382; Scherzberg, "Eingriffsintensität", S. 153 ff., 203 ff.; ders., in: DVB1. 1989, S. 1131 ff. 1164

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Liste aufgenommenen Weine und denjenigen, der die nicht auf die Liste aufgenommenen Weine sowie die Berufsehre der Firma angeht 1165 . Zum anderen ist es davon ausgegangen, daß die Maßnahme nirgends zielgerichtet wirke 1 1 6 6 . Das soll aber keine Rolle für die Annahme eines Grundrechtseingriffs spielen, weil die Grundrechte auch vor nicht finalen, aber voraussehbaren und in Kauf genommenen Beeinträchtigungen schützen würden. Sonst wäre ihr Schutz unvollständig 1167 . Damit scheint das BVerwG der Diskussion ein Ende zu bereiten, die sein Transparenzlisten-Urteil ausgelöst hat, nämlich, ob es die Finalität für ein erforderliches Kriterium des Eingriffsbegriffs hält und sich von seiner eigenen und der Rechtsprechung des BVerfG sowie der h. M. in der Lehre distanzieren wollte 1 1 6 8 . Das Gericht spricht auch nicht mehr von einem "grundrechtsspezifischen" 1169 Charakter der Maßnahme, sondern von ihrer "in Kauf genommenen Voraussehbarkeit" 1170. Demgemäß kommt es zu dem Schluß, daß die Veröffentlichung der umstrittenen Liste eine schwerwiegende Einschränkung der Interessen der Klägerin darstelle. Denn dadurch würden aus den vorgenannten Gründen ihre Interessen am Absatz ihrer in der Liste nicht aufgenommenen Weine sowie ihre Berufsehre schwerwiegend beeinträchtigt 1171 . Trotzdem erkennt es keinen Eingriff in ihre Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG an, weil die Bundesregierung mit der Veröffentlichung der Liste ihre in der Verfassung verankerte Befugnis zur verantwortlichen Leitung der inneren und äußeren Politik ausgeübt habe 1172 . In einem solchen Fall könne insbesondere die aus dem GG hergeleitete Pflicht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Weinbranche und die Rechte der Verbraucher auf körperliche Unversehrtheit und dementsprechend auf Gesundheit aus Art. 2 I I 1 GG zu schützen, die Bundesregierung zum Handeln zwingen 1173 . Da die Ausübung 1165

BVerwGE 87, 37,43 f. BVerwGE 87,37, 43. 1167 BVerwGE 87, 37, 43 f.; vgl. auch VGH Kassel GewArch 1995, S. 416, bezüglich individualisierter negativer Äußerungen staatlicher Stellen über den Wert der Erzeugnisse oder der Leistungen eines Unternehmens; weiterhin Dolde, Behördliche Warnungen, S. 18 f. 1168 Diese Meinung wiederholt das Gericht in den BVerwGE 89, 282, 283 (Unternehmensberater); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests); zustimmend dazu Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 150. Daß dieser Eindruck jedoch illusionär war, läßt sich unten sub ζζ zeigen. 1169 Auf diesen Begriff hatte es schon seit der BVerwGE 75, 109, 115 f. (Subventionsrichtlinien) verzichtet. 1170 Vgl. auch BVerwGE 89, 281, 283 (Unternehmensberater); VGH Kassel GewArch 1995, S. 416; vgl. ausführlich zu diesen Eingriffs ,,kriterien" unten sub ζζ. 1171 BVerwGE 87, 37, 44 (Diethylenglykolweine). 1172 BVerwGE 87, 37,46 (Diethylenglykolweine). 1173 BVerwGE 87, 37, 47 in Verbindung mit den S. 48 ff. (Diethylenglykolweine); vgl. auch zur Argumentation über die Schutzpflicht der Bundesregierung BVerwGE 82, 76, 80 f. (Jugendsekte). 1166

15 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland dieser Befugnis, die sogar einer staatlichen Schutzpflicht genügt, vorgehe, schließe sie einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Klägerin aus 1174 . Dagegen berühre die Veröffentlichung der aus dem Verkauf genommenen Weine die Interessen der beklagten Firma gar nicht, weil sie sowieso ihren Absatz von sich aus einstellen würde, denn sonst hätte sie mit Zwangsmaßnahmen der zuständigen Überwachungsbehörden zu rechnen 1175 .

δδ) Zwischenergebnis - Stellungnahme Die Rechtsposition, die einen "Eingriff durch Information und Warnung" staatlicherseits grundsätzlich annimmt, ist zu begrüßen 1176 . Ihre Bedeutung erschöpft sich nicht nur in einer Erweiterung des sog. "funktionalen Grundrechtsschutzbereichs" 1177 , wenn man diesen Terminus in der Grundrechtsdogmatik benutzen will, sondern es wird durch den Staat vielmehr verhindert, daß die Grundrechte umgangen werden. Denn sonst dürfte er, statt eines unmittelbaren Verbotes oder Gebotes, die ohne Bedenken unmittelbar, rechtlich und imperativ in die Grundrechte eingreifen würden, durch den Umweg der "staatlichen Information" und der Veröffentlichung einer Empfehlung oder Warnung, die 1174

BVerwGE 87, 37, 50 (Diethylenglykolweine); BVerwG NVwZ 1994, S. 163; vgl. aber anders BVerwGE 82, 76, 79 ff. (Jugendsekte), wonach das Gericht die Warnungen der Bundesregierung vor eventuellen Gefahren durch die Tätigkeit der sog. "Jugendsekten" als "unmittelbaren " Eingriff in das Persönlichkeitsrecht aus Art. 21 i. V. m. Art. 1 I GG sowie in die Religions- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 I GG betrachtet hat. Diese Rechtsprechung hinsichtlich des grundrechtseingreifenden Charakters der öffentlichen Warnung der Bundesregierung hat das BVerfG in der BVerfG NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekte) nur in bezug auf den Art. 4 I GG bestätigt; vgl. auch in diese Richtung BVerwGE 90, 112, 120 f. (Osho); OVG Münster NJW 1996, S. 2114; OVG Münster NJW 1996, S. 3355. 1175 BVerwGE 87, 37,43 (Diethylenglykolweine). 1176 So auch Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 31, unter dem Vorbehalt des "Finalitätskriteriums"; genauso Gröschner, in: DVB1. 1990, S. 626; Sodan, in: DÖV 1987, S. 860 ff., unter dem Vorbehalt des "Intensitätskriteriums"; Schulte, in: DVB1. 1988, S. 517 f.; ders., Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 87 ff.; Zuck, in: MDR 1988, S. 1022; R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 132; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 360 ff.; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 232; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 670, 673; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 43 a; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 694; ders.,

in: JuS 1997, S. 6; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 339 ff.; Erichsen, in: Jura 1995, S. 552; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 100; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 81; Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1022 ff.; Berendes, in: GewArch 1998, S. 17; a. A. Lübbe-Wolff, in: NJW 1987, S. 2711 f., die davon ausgeht, daß solche Informationen den freien Wettbewerb nicht stören, sondern im Gegenteil die Voraussetzungen seiner Funktionsfähigkeit verbessern würden; Jarass, in: J/P, Art. 12, Rd. 13 mit dem Hinweis, daß die Information keinen Eingriff darstellen dürfte, wenn sie zutreffend, neutral und sachkundig erfolge. 1177 So aber Stober, Grundrechtsschutz, S. 83; ähnlich Schwerdtfeger, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 723; dagegen wie hier Di Fabio, in: JZ 1993, S. 694.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik zwar nicht mit rechtlichem (und wenn überhaupt, mit mittelbarem) 1178 , aber doch mit faktischem, psychologischem Zwang 1 1 7 9 verbunden sind, eingreifen und könnte dadurch das gleiche Ergebnis mittelbar und verfassungsrechtlich effektiver 1 1 8 0 erreichen 1181 . Insbesondere würde die Akzeptanz dieser Meinung die Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 1 I I I GG zur Folge haben 1 1 8 2 . Wie an der betreffenden Stelle gezeigt wurde, kann eine solche Meinung im Sinne dieser Vorschrift nicht zutreffen. Daß der Eingriff mittelbar über das Verhalten der Kunden wirkt 1 1 8 3 und nicht imperativ 1184 , nicht rechtlich 1185 oder teilweise nicht gezielt ist, soll irrelevant sein. Der entscheidende Punkt für die Annahme eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit des betroffenen Unternehmers ist, daß durch die staatliche Maßnahme sein Zugang zur Kundschaft erschwert oder unmöglich gemacht wird und damit seine Position im wirtschaftlichen Wettbewerb gegenüber seinen Konkurrenten in benachteiligender Weise geschwächt wird 1 1 8 6 .

Π78 ygi z u m Transparenzlisten-Urteil A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 224. 1179 Yg] dazu Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 19, der von "psychischem Zwang" spricht; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 225 ff; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 161; vgl. auch BGHZ 24, 45, 47; 31, 187, 191, die jeweils die Begriffe "Gewissenszwang" und "psychologisches Abfordern" benutzen; dieser mittelbare psychologische (Gewissens-)Zwang bekommt besondere Bedeutung wegen der Autorität und des hohen Ansehens des Staates, die die Veröffentlichung einer Liste mit informellem, empfehlendem oder warnendem Inhalt begleiten - vgl. dazu Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 547; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 187 f., 340; Maurer, VerwR, § 15, Rd. 4 f.; VGH Kassel GewArch 1995, S.416; ferner Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1026. 1180 Die "verfassungsrechtliche Effektivität" einer solchen Maßnahme bezieht sich darauf, daß die Exekutive dadurch von den rechtsstaatlichen Garantien (Verhältnismäßigkeitsgebot, Wesensgehaltsgarantie, Gesetzesvorbehalt, Wesentlichkeitstheorie) befreit werden würde und ihre Maßnahme verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen müßte. 1181 So A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 208 ff.; vgl. auch Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 10; Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1021; LG Stuttgart NJW 1989, S. 2258 (Birkel). 1182 Discher, in: JuS 1993, S. 464; Sodan, in: DÖV 1987, S. 863; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 210 f., und sich ihm anschließend Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 152, sprechen vom Umweg des Art. 1 III GG; so auch grundlegend Rüssel, in: JA 1998, S. 407. Richtig ist, von einer Einschränkung seines Anwendungsbereichs zu sprechen, wenn das schlicht-hoheitliche Verhalten der Exekutive von ihm ausgeklammert werden müßte. 1183 So auch Borchers in: NJW 1985, S. 2742; Sodan, in: DÖV 1987, S. 862; Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1023; vgl. auch BVerwGE 71, 183, 191 (Transparenzlisten); 87, 37, 42 (Diethylenglykolweine); VGH Kassel GewArch 1995, S. 416. 1184 So ausdrücklich BVerwGE 71, 183, 191 (Transparenzlisten); 87, 37, 41 f. (Diethylenglykolweine). 1185 Vgl. auch Dolde, Behördliche Warnungen, S. 9 f.; VGH Kassel GewArch 1995, S.416. 1186 So auch Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1026.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Andererseits aber kann man nicht ohne weiteres in jeder Information, Empfehlung oder Warnung der Verwaltung einen Grundrechtseingriff sehen. Zuerst muß man feststellen, ob diese Äußerung der Verwaltung Umsatzeinbußen fur die betroffenen Unternehmen verursacht hat 1 1 8 7 und bejahendenfalls, ob diese Einbußen auf die Äußerung zurückzuführen sind (Kausalitätsverhältnis) 1188 . Weiterhin muß man differenzieren, ob die umstrittene Äußerung zutreffend oder unzutreffend ist. Letzteres ist der Fall, wenn sie auf falschen Tatsachen oder Behauptungen beruht. Es versteht sich, daß in einem solchen Fall der Ruf des Unternehmens ohne weiteres berührt wird. Deswegen greift die Maßnahme in eine grundrechtliche Position des Unternehmens unzulässig ein und ist als eine Grundrechtsverletzung zu behandeln. Selbst bei dem der Realität entsprechendem Inhalt der Äußerung ist weiter bezüglich ihres grundrechtseingreifenden Charakters unter Berücksichtigung dessen, was hier an anderer Stelle über den verfassungsrechtlichen Begriff "Beruf' 1 1 8 9 , den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die Berufsfreiheit 1190 und den grundrechtlichen Eingriffsbegriff 1191 ausgeführt wurde, zu differenzieren: Soweit die umstrittene wirtschaftliche Betätigung, ζ. B. der Verkehr eines Produkts, ein anderes Grundrecht, wie ζ. B. das Recht auf Leben oder körperliche Unversehrtheit bzw. Gesundheit (Art. 2 I I 1 G G ) 1 1 9 2 oder ein anderes mit Verfassungsrang ausgestattetes Rechtsgut, wie ζ. B. die Umwelt (Art. 20 a GG), erheblich gefährdet bzw. verletzt 1193 , kann die umstrittene Äußerung, ζ. B. eine Listenveröffentlichung mit der Nennung aller das zu schützende Rechtsgut gefährdenden Produkte, den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG nicht tangieren und demzufolge keinen Eingriff darstellen. Der Verkehr gehört zwar 1187 Vgl. auch zum Topos der Umsatzverluste LG Stuttgart NJW 1989, S. 2258 (Birkel), das zutreffend auch die wahrscheinlichen Folgen von solchen Absatz- und Umsatzeinbußen erwähnt, nämlich die Entlassung von Arbeitnehmern (Eingriff in die Organisationsfreiheit) oder gar Betriebsstillegungen; Schwerdtfeger, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 722; Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 31; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 692; ders., in: JuS 1997, S. 6; vgl. auch Maurer, VerwR, § 15, Rd. 4, wonach die umstrittene Maßnahme Erfolg bei den Verbrauchern haben müsse, um als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG betrachtet werden zu können. Das ist nicht der Fall, wenn sie von dem Publikum kaum ernstgenommen wird; a. A. Albers, in: DVB1. 1996, S. 236, wonach ein etwaiger Grundrechtsschutz gegen staatliche Warnungen vor Produkten nicht davon abhängen könne, welches Maß an Umsatzverlust die Warnung nach sich zieht. 1188 Vgl. dazu näher Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 203 f. 1189 s. dazu oben sub II 2 a aa. 1190 s. dazu oben sub II 2 a cc αα. 1191 s. dazu oben sub IV 1 a. 1192 Daß die Gesundheit Schutzgut des Art. 2 II 1 2. Alt. GG ist, vgl. statt aller Kunig, in: vM/K, Art. 2, Rd. 62; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 430. 1193 Das wäre der Fall, wenn der Konsum des umstrittenen Produkts den Tod oder Lähmungen irgendwelcher Art verursachen könnte. Das Beispiel mit Rinderwahnsinn und dem BSE-Virus ist nicht nur aktuell, sondern trifft auch die Situation.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

9

zum Regelungsbereich der Berufsfreiheit, nicht aber zu ihrem Schutzbereich 1194 . Die Information oder die Warnung greifen nicht in den Schutzbereich des Art. 12 I GG ein - nicht weil diese Interessen auf einer (gesetzlich) unerlaubten wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen 1195 , sondern vielmehr weil diese Tätigkeit gegen die grundgesetzliche Wertordnung verstößt, nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit bzw. Gesundheit usw. aus Art. 2 I I 1 GG. Ist das nicht der Fall und die umstrittene wirtschaftliche Betätigung (Herstellung und Absatz eines gefährlichen Produkts) fällt immer noch in den Schutzbereich des Art. 121 GG 1 1 9 6 , hat aber ein Gesetz sie verboten bzw. eingeschränkt, dann stellt das Gesetz einen Grundrechtseingriff dar, es nimmt aber die Tätigkeit nicht aus dem Schutzbereich der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit heraus 1197 . Eine diesbezügliche Information oder eine Warnung vor dieser verbotenen Betätigung kann trotzdem nicht in diese grundrechtliche Position eingreifen, denn das Gesetz hat dies bereits getan 1198 . Wenn dagegen die Betätigung nicht verboten ist und die Verwaltung davor warnt oder über ihre eventuellen schädlichen Auswirkungen informiert, greift sie erst dann in den Schutzbereich der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG ein. Die Problematik endet aber hier nicht. Wie im Diethylenglykolwein-Fall gezeigt wurde, ist allerdings zu erwarten, daß eine staatliche Information oder Warnung nicht nur die zu beanstandenden Produkte einer Firma treffen, sondern auch Auswirkung auf andere Produkte, die die behauptete schädliche

1194

Anderer Ansicht Sodan DÖV 1987, S. 861, der, obwohl er mit der auch hier vertretenen Ansicht davon ausgeht, daß der Schutzbereich der Berufsfreiheit seine (immanenten) Grenzen in der Verfassung selbst und nicht in außerverfassungsrechtlichen Werten oder unterverfassungsrechtlichen Normen findet, eine Versagung des verfassungsrechtlichen Schutzes durch Art. 12 I GG gegenüber den Herstellern von gesundheitsgefährdenden bzw. -schädlichen Produkten ablehnt. Denn dadurch würden der Schutzbereich der Berufsfreiheit ausgehöhlt und der Schrankenvorbehalt in Art. 1212 GG entwertet; vgl. auch A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 198 f. Es wurde bereits ausführlich dargelegt (vgl. oben sub II 2 a aa γ), daß durch die Erweiterung der bundesverfassungsgerichtlichen Lehre der sog. immanenten Grundrechtsschranken bzw. -grenzen auch in unter Gesetzesvorbehalt garantierten Grundrechten (wie ζ. B. der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG) der Schranken- und Gesetzesvorbehalt dieser Grundrechte weder ausgehöhlt noch entwertet wird. Was aber von der hier vertretenen Ansicht die vorliegende Problematik angeht, ist nicht die ganze berufliche oder unternehmerische bzw. konkurrierende Betätigung der Hersteller von gesundheitsschädlichen Produkten, sondern nur diejenige, die sich auf die Herstellung dieser Produkte bezieht. 1195 So aber Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 27 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 362; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 340, 550 f. 1196 Das wäre der Fall bei gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen, wie etwa im Fall Birkel - vgl. dazu LG Stuttgart NJW 1989, S. 2257; OLG Stuttgart NJW 1990, S. 2690 ff. und die Anmerkung Stillners, in: NJW 1991, S. 1340 f. 1197 So wie hier Zuck, in: MDR 1988, S. 1022; Gröschner, in: JZ 1991, S. 629; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 669.

1198 V g i

a u c h d a z u

BVerwGE 87, 37,43 (Diethylenglykolweine).

0

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Wirkung nicht entfalten, sowie auf die Berufsehre (Ruf des Unternehmens) 1199 haben können. Diese Interessen fallen zweifelsohne in den Schutzbereich der Berufsfreiheit 1200 . Daraus ergibt sich die folgende Frage: Wie sollte die umstrittene Äußerung unter diesem Gesichtspunkt behandelt werden? Man kann die Auswirkung der staatlichen Maßnahme auf die übrigen und nicht von der Maßnahme betroffenen Produkte als die Neben- oder Folgewirkung einer grundsätzlich legalen und nicht grundrechtseingreifenden Maßnahme betrachten und sie als solche auch nicht als grundrechtseingreifend behandeln. Diese Position wäre aber mit der hier vertretenen Lehre, die einen Eingriff auch dann bejaht, wenn die Norm bzw. die Maßnahme mittelbar, faktisch und nicht zielgerichtet ist, unvereinbar und könnte den Vorwurf der Inkonsequenz nach sich ziehen. Wenn das Handeln der Exekutive in dem betreffenden Fall die bereits bei den Erläuterungen zum Transparenzlisten-Urteil dargelegten Wirkungen auf die sonstigen Produkte hat 1 2 0 1 , sollte man von einem Grundrechtseingriff in die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit ausgehen 1202 . In bezug auf die Berufsehre kann man davon ausgehen, daß ihre Minderung sich in einem engen Zusammenhang mit der umstrittenen Tätigkeit befindet, so daß man einen Grundrechtseingriff in diese annehmen kann, soweit man bezüglich der staatlichen Äußerung einen Grundrechtseingriff aus den vorher genannten Gründen bejaht. Ist das nicht der Fall, da die wirtschaftliche Betätigung, vor der gewarnt wird, nicht grundrechtlich geschützt oder gesetzlich verboten ist, dann wird durch das schlicht-hoheitliche Handeln der Exekutive in den Ruf der Firma als grundrechtliche Position nicht eingegriffen. Der Ruf der Firma muß der tatsächlichen Situation entsprechen. Denn man genießt keinen besseren Ruf als den, den man auch verdient 1203 . Der Ruf der Firma betrifft aber nicht nur den Absatz der umstrittenen Produkte, sondern auch das Ansehen der ganzen unternehmerischen Betätigung des Unternehmens im Wettbewerb 1204 . Insoweit gilt hier auch, was über die nicht von der Maßnahme betroffenen Produkte gesagt wurde. Die Maßnahme sollte als ein Grundrechtseingriff in den Ruf der Firma als grundrechtliche Position des Unternehmens behandelt werden.

1199

Zur Berufsehre als Schutzgut der Berufsfreiheit vgl. oben II 2 a cc α. So auch Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 31; Sodan, in: DÖV 1987, S. 861 f.; Schulte, in: DVB1. 1988, S. 517 f.; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 100. 1201 Vgl. ausführlich oben sub ßß. 1202 V g ] a u c h Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 546; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 341. 1203 Yg] ebenso VGH Mannheim GewArch 1997, S. 114, bezüglich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG. 1200

1204 Ygi z u solchen Wirkungen auf das Ansehen einer Firma im wirtschaftlichen Wettbewerb Murswiek,, in: DVB1. 1997, S. 1021 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

1

Soweit die Listenveröffentlichung die Eingriffsmerkmale auf sich konzentriert, wie bereits ausgeführt wurde, darf man ihren grundrechtseingreifenden Charakter nicht dadurch absprechen, daß sie eine aus der Verfassung abgeleitete Befugnis als Leitungsorgan ausübt, die sogar die Verwirklichung einer staatlichen Grundrechtschutzpflicht realisiert 1205 . Ob es eine solche Schutzpflicht gibt und wie sie verwirklicht werden kann, wird später ausführlicher untersucht werden 1206 . A n dieser Stelle gilt folgendes: In einer solchen Konstellation, in der die Exekutive ihre Informationstätigkeit über eine gesundheits- bzw. umweltschädliche oder -gefährdende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, handelt es sich grundsätzlich um eine Verfassungs- bzw. Grundrechtskollision 1 2 0 7 . Die Ausübung der staatlichen Grundrechtsschutzpflicht seitens der Exekutive muß die (Grundrechts-)Kollision lösen. Sie ist aber nicht Teil dieser Kollision, was das BVerwG zu verkennen scheint 1208 .

εε) Eingriff durch Produktkennzeichnung Ein ähnlicher Eingriffstyp in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG ist die hoheitliche Vergabe einer Kennzeichnung an solche Produkte, die im Vergleich zu anderen, die dem gleichen Gebrauchszweck dienen, sich durch eine besondere Eigenschaft (ζ. B. Umweltfreundlichkeit) auszeichnen, ohne daß ihre Gebrauchstauglichkeit wesentlich verschlechtert oder ihre Sicherheit beeinträchtigt wird 1 2 0 9 . Die Produktkennzeichnung bezweckt, den Verbraucher zu informieren 1210 , daß das ausgezeichnete Produkt tatsächlich das angestrebte

1205 Ygj djg scharfe Kritik zu dieser bundesverwaltungsgerichtlichen These bei Schock, in: DVB1. 1991, S. 673; vgl. weiter Gröschner, in: JZ 1991, S. 630; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 696 f.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 341; kritisch zu dieser Position des BVerwG auch Wahl/Masing, in: JZ 1990, S. 555; Sachs, in: JuS 1995, S. 987; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 221, Fn. 165 (dort). Man mag hier darauf hinweisen, daß das BVerwG selbst in seiner übrigen Rechtsprechung die Erfüllung des Eingriffstatbestands durch die Warnung vor Jugendsekten nicht ablehnt. 1206 s. unten sub VI 3 b bb. 1207 So auch VGH Kassel GewArch 1995, S. 417, die die Fehlschlüsse des DEGUrteils des BVerwG glücklicherweise vermieden hat; vgl. auch ausführlich unten sub V 2 b cc α. 1208 V g i w i e h i e r ähnlich Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 227. Mit dem BVerwG scheint aber W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 465 f., von einer Grundrechtskollision von Grundrechtsausübung und grundrechtlicher Schutzpflicht des Staates auszugehen - er meint aber eine Grundrechtskollision zwischen Abwehr- und Schutzgrundrechten (zu dieser Unterscheidung und zur Begründung eines grundrechtlichen Schutzrechts vgl. unten sub VI 2 b). 1209

Ossenbühl, Produktkennzeichnung, S. 2. Zum Unterschied zwischen Information über und Warnung vor einem Produkt zum einen und Produktkennzeichnung zum anderen vgl. Ossenbühl, Produktkennzeichnung, S. 40 f. 1210

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Merkmal (Umweltfreundlichkeit) erfüllt 1 2 1 1 . Dadurch w i l l man erreichen, daß diejenigen Produkte von den Verbrauchern bevorzugt werden, die dem durch die Kennzeichnung angestrebten Zweck, ζ. B. Umweltschutz, dienen 1212 . Diese Auszeichnung kann man als eine mittelbare Werbung staatlicherseits für bestimmte Produkte 1213 oder - warum nicht? - als mittelbaren Boykottaufruf gegen bestimmte andere Produkte bezeichnen. Sie ist zweifelsohne ein nicht imperativer, mittelbarer, faktischer, obwohl gezielter Eingriff in die vorhandene Wettbewerbslage zu Gunsten bestimmter Produkte und Produkthersteller 1214 und dadurch ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG derjenigen Produkthersteller, deren Produkte nicht die betroffene Kennzeichnung erlangt haben, wenn man daran denkt, daß die umweltbewußten Konsumenten die Produkte ohne die Auszeichnung nicht mehr konsumieren wollen 1 2 1 5 . Diese Hersteller müssen mit Umsatzeinbußen rechnen und, wenn sie sie vermeiden wollen, ihre Produktionsmethoden mit eventuell höheren Kosten umwandeln, damit ihre Produkte ebenfalls die Auszeichnung erlangen und damit wettbewerbsfähig bleiben können 1 2 1 6 .

ζζ) Der Streit um den Topos der Finalität als Eingriffskriterium α α α ) Die Rechtsprechung des BVerwG In der bereits aufgezeigten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung läßt sich eine gewisse Inkonsequenz 1217 des Gerichts in bezug auf die Eingriffskriterien erkennen, insbesondere bezüglich der Finalität und ihrem Verhältnis zu anderen (neuen) Merkmalen, die den Tatbestand eines Grundrechtseingriffs bzw. eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 121 GG darstellen 1 2 1 8 . Diese Frage wird komplizierter, wenn man darüber hinaus die sonstige

1211

Berendes, in: GewArch 1998, S. 15 f. Berendes, in: GewArch 1998, S. 14 ff. 1213 Ossenbühl, Produktkennzeichnung, S. 40 f. 1214 Das nimmt auch Berendes, in: GewArch 1998, S. 17, an. 1215 R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 158 ff.; Ossenbühl, Produktkennzeichnung, S. 2 und 40 f.; Di Fabio , in: JuS 1997, S. 2; a. A. Berendes, in: GewArch 1998, S. 17 f., unter Hinweis auf LÜbbe-Wolff, in: NJW 1987, S. 2711, und Rückgriff auf den Schutzzweck der Wettbewerbsfreiheit. 1216 Anderer Ansicht Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 101, Fn. 107 (dort), die aber unzutreffend auf R. Philipp, Verbraucherinformationen, hinweist. 1217 Dreier, in: ders., Grundgesetz, Vorb., Rd. 82, spricht nicht zu Unrecht von "Konfusion". 1218 Mit Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 92, kann man davon ausgehen, daß der Topos der "Finalität" als Eingriffseigenschaft in jüngster Zeit eine geradezu erstaunliche "Renaissance" erlebt. 1212

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Rechtsprechung des Gerichts im Hinblick auf das Problem des "Eingriffs durch Information und Warnung" und anderer nicht "klassischer" Grundrechtseingriffe mitberücksichtigt. Obwohl die sonstige Rechtsprechung des Gerichts sich auch auf andere Grundrechte bezieht, wie die Religionsfreiheit nach Art. 4 I GG oder das aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 11 GG resultierende allgemeine Persönlichkeitsrecht, die mit der Wettbewerbsfreiheit eigentlich nichts zu tun haben, muß man sie mit den Transparenzlisten- und DiethylenglykolweineUrteilen in Zusammenhang bringen, um besser erkennen zu können, welche Aussagen das BVerwG eigentlich zu der betroffenen Frage macht. Es wurde bereits ausgeführt, was das BVerwG in seinem TransparenzlistenUrteil aus dem Jahr 1985 u. a. auch zu der Frage nach der Finalität als Eingriffsmerkmal dargelegt hat 1 2 1 9 . Dort erweckt es den Eindruck, daß es die Finalität zusammen mit dem grundrechtsspezifischen Charakter einer (schlichthoheitlichen) Maßnahme der Verwaltung als ausschlaggebende Eingriffskriterien behandelt. Das Gericht zeigt sich ein Jahr später in einem anderen Urteil, das ebenfalls den Grundrechtsschutz der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG zum Gegenstand hatte, im Hinblick auf die Zielgerichtetheit weniger kategorisch. Nachdem es erneut auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen hatte, führte es aus, daß "in jedem Fall... in das Grundrecht der Berufsfreiheit dann eingegriffen" werde, "wenn eine an Dritte gerichtete staatliche Maßnahme gezielt die Berufsausübung eines Grundrechtsträgers einschränken soll" 1 2 2 0 . Auf die "Grundrechtsspezifität" der Maßnahme hat es stillschweigend verzichtet. Etwas später geht das Gericht im ersten Jugendsekten-Fall noch weiter: "Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß derartige öffentliche Äußerungen des Staates ... schwerwiegende Folgen haben können. Diese Folgen sind ... beabsichtigt und im übrigen vorhergesehen und in Kauf genommen. Sie müssen daher mit ihrem vollen Gewicht dem Staat zugerechnet und wegen ihrer freiheitsbestimmenden Bedeutung als Grundrechtseingriffe behandelt werden" 1221 . Die Beabsichtigung der Maßnahme wird erneut ausdrücklich erwähnt, und darüber hinaus greift das BVerwG auf die Vorhersehbarkeit, das Inkaufnehmen, die Zurechnung gegenüber dem Staat und den freiheitsbestimmenden Charakter zurück, vielleicht als Variation des grundrechtsspezifischen Charakters der staatlichen Maßnahme. Sollten etwa alle diese Merkmale als Voraussetzungen für die Annahme eines Grundrechtseingriffs betrachtet werden? Im Diethylenglykolweine-Urteil bemüht es sich darum, eine Antwort zu geben: "Der Schutz, den dieses Grundrecht (seil.: Art. 121 GG) bietet, wäre viel-

1219 1220 1221

s. oben sub ßß. BVerwGE 75, 109, 115 (Subventionsrichtlinien). BVerwGE 82, 76, 79.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland mehr unvollständig, wenn an ihm nicht auch mit staatlicher Autorität vorgenommene Handlungen gemessen würden, die als nicht bezweckte, aber voraussehbare und in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit bewirken (ebenso für die Grundrechte aus Art. 2 und 4 GG BVerwGE 82, 76, 79)" 1 2 2 2 . Hier scheint das Gericht die Ansicht anzunehmen, daß die Zielgerichtetheit der Maßnahme kein Eingriffskriterium darstellt. Es verlangt statt dessen - nicht mehr daneben wie im Jugendsekten-Urteil - die Voraussehbarkeit und das Inkaufnehmen der Beeinträchtigung, um sie als Grundrechtseingriff zu behandeln. Im Unternehmensberater-Urteil erläutert das Gericht diese Position und legt weiter dar: "Die Annahme eines Eingriffs in das Grundrecht setzt dabei nicht voraus, daß die Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit bezweckt ist. Ein Eingriff in diesen Schutzbereich der Berufsfreiheit liegt vielmehr bereits dann vor, wenn das betreffende hoheitliche Handeln aufgrund seiner tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit zumindest mittelbar beeinträchtigt und insoweit eine deutlich erkennbare berufsregelnde Tendenz oder eine voraussehbare und in Kauf genommene schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit gegeben ist" 1 2 2 3 . Hier verzichtet das BVerwG ausdrücklich auf die Finalität - anscheinend unter dem Einfluß des Krankenhausplan-Urteils des BVerfG, auf das es verwiesen hat -, es bleibt aber der Voraussehbarkeit und dem Inkaufnehmen "treu", die es um die Schwere der Beeinträchtigung ergänzt. Der 7. Senat des BVerwG hat später im Osho-Urteil anläßlich der Prüfung der staatlichen Förderung eines privaten Vereins, der die Öffentlichkeit vor dem Wirken bestimmter Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften warnen sollte, auf die Transparenzlisten-, Subventionsrichtlinien- und DEG-Urteile hingewiesen, während es das Unternehmensberater-Urteil ignoriert und überraschenderweise auf das Finalitätskriterium des Eingriffs erneut zurückgegriffen hat. Genauer gesagt hat es ausgeführt: "Nach der ... Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesverwaltungsgerichts ist die Zielrichtung des Verwaltunshandelns ein tragendes Kriterium für die Annahme eines Grundrechtseingriffs" 1224. Es hat sogar die Finalität einer Maßnahme mit der Schwere ihrer Auswirkung verbunden. Das BVerwG hat diese Position dadurch erläutert: "Das Kriterium der "schwerwiegenden" oder "nachhaltigen" Grundrechtsbeeinträchtigung dient dazu, bei bloß faktischen und damit in der Regel unspezifischen Einwirkungen des Staates auf die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen von solchen ohne Grundrechtsrelevanz zu unter1222 1223

tests).

1224

BVerwGE 87,37,43 f. BVerwGE 89, 281, 283; bestätigt durch BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (WarenBVerwGE 90, 112, 120.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik scheiden. Solchen Einwirkungen stehen - als praktisch bedeutsame Fälle - den klassischen Grundrechtseingriffen des Staates mit Regelungscharakter (sog. "imperative" Eingriffe) gegenüber; diese können wegen der mit ihnen verbundenen gezielten Verkürzung der grundrechtlichen Freiheitssphäre auch dann abgewehrt werden, wenn sie weniger schwer wiegen. Für gezielte Grundrechtsbeeinträchtigungen tatsächlicher Art muß ähnliches angenommen werden und zwar auch dann, wenn der maßgebliche Wirkungszusammenhang kein unmittelbarer, sondern nur ein mittelbarer ist, aber gleichwohl vom handelnden Staat insgesamt beherrscht wird" 1 2 2 5 . Der letzte Topos dürfte als Bezug auf die Zurechnung verstanden werden.

ßßß) Einschätzung - Kritik Man würde Eulen nach Athen tragen, wenn man nach der Darstellung dieser Rechtsprechung behaupten würde, daß die eigentliche Position des BVerwG zu der Frage nach der Finalität als Eingriffsmerkmal und ihrem Verhältnis zu anderen Merkmalen im Gegensatz zu der entsprechenden Position des BVerfG nicht richtig erkennbar ist. Da aber das BVerwG sich auf die ältere oder neuere Judikatur des BVerfG bezieht und ausdrücklich darauf hinweist, sollte man auch die Karlsruher Rechtsprechung mitberücksichtigen, um zu einem sicheren (?) Schluß hinsichtlich dieser Frage zu kommen. Die bundesverfassungsgerichtliche Judikatur hat allmählich im Laufe einer konsequenten Entwicklungslinie auf sämtliche Kriterien der alten Eingriffslehre verzichtet, diese aber nicht mit neuen ersetzt oder ergänzt. Insbesondere was die Eingriffe in die Berufsbzw. Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG und die Finalität als ihr Merkmal angeht, hat das BVerfG zwar nicht ausdrücklich auf sie verzichtet, ein Verzicht darauf ergibt sich aber aus der älteren Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, das, um einen Eingriff in die Berufsfreiheit zu bejahen, verlangt, daß die Maßnahme bloß eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben soll 1 2 2 6 . Darüber hinaus legt das BVerfG dar, daß es für die Annahme eines Eingriffs in die Berufsfreiheit genüge, daß die berufliche Betätigung im Wettbewerb aufgrund der staatlichen Maßnahmen nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden könne 1227 . Dagegen schwankt die Rechtsprechung des BVerwG hinsichtlich der Frage der Finalität und verlangt statt dessen oder daneben in einer nicht einheitlichen Art neue Eingriffsmerkmale wie den grundrechtsspezifischen Cha-

1225

BVerwGE 90, 112, 121. 1226 ygi z u d i e s e r Einschätzung auch Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 90 f. 1227 BVerfGE 82, 209, 223 f. (Krankenhausplan); vgl. auch BVerfGE 86, 28, 37 (Sachverständige), sowie die neue Entwicklungslinie in E 95, 267, 302 (Altkreditschulden).

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland rakter der Beeinträchtigung, ihre Intensität, Voraussehbarkeit und das Inkaufnehmen seitens der öffentlichen Gewalt. In der Tat greift das Berliner Bundesgericht oft auf die Zielgerichtetheit einer Maßnahme zurück, um ihren grundrechtseingreifenden Charakter zu bejahen. Ob es sie aber als erforderliches Kriterium für die Annahme eines Eingriffs behandelt, kann man nicht ohne weiteres behaupten1228. Die Annahme einer solchen Position würde die ganze vorhergenannte Rechtsprechung des BVerfG und ihm sich anschließend die h. M. in der Lehre 1229 über die "Finalität" als Nicht-Merkmal der Eingriffe in die Berufsfreiheit wesentlich in Frage stellen. Das wäre jedoch sehr paradox, weil das BVerwG nicht nur in ständiger Rechtsprechung, sondern sogar auch im Transparenzlisten-Urteil auf diese Rechtsprechung ausdrücklich hinweist, ohne die Tendenz zu zeigen, diese Rechtsprechung aufzugeben. Das BVerwG muß die "Finalität" einer staatlichen Maßnahme auf eine andere Art handhaben. Es wurde die Meinung vertreten, daß es sie nicht für ein erforderliches, sondern für ein sicheres oder hinreichendes Eingriffsmerkmal gehalten und über den "grundrechtsspezifischen" Charakter der Liste hinaus ohne weiteres ihren Eingriffscharakter bejaht hat 1230 . Eine Maßnahme, die sich zielgerichtet auf eine grundrechtliche Position bzw. auf die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG richtet, soll ohne weiteres als Grundrechtseingriff behandelt werden. Die Formulierung in den Subventionsrichtlinien-1231 und Osho 1232 -Urteilen trägt zur Annahme einer solchen Position bei. Wenn aber die Maßnahme nicht zielgerichtet ist und darüber hinaus eine bloß mittelbare Wirkung hat, dann sollte sie mindestens eine schwerwiegende 1 2 3 3 und von der öffentlichen Gewalt voraussehbare und in Kauf genommene Wirkung haben 1234 1 2 3 5 . Die beeinträchtigende Wirkung der Maßnahme muß

1228 So aber bezüglich des Transparenzlisten-Urteils Lübbe-Wolff in: NJW 1987, S. 2710; Sodan DÖV 1987, S. 864; Badura, in: FS Steindorff, S. 853; skeptisch dagegen R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 102. 1229 Y g j

d a z u o b e n sub α .

1230

Vgl. dazu Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 192; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 203; Bischer, in: JuS 1993, S. 465; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 153; Albers, in: DVB1. 1996, S. 235. 1231 BVerwGE 75, 109, 115: "In jedem Fall aber wird in das Grundrecht der Berufsfreiheit dann eingegriffen, wenn eine an Dritte gerichtete staatliche Maßnahme gezielt die Berufsausübung eines Grundrechtsträgers einschränken soll". 1232 BVerwGE 90, 112, 120, wonach die Zielrichtung des Verwaltungshandelns ein tragendes Kriterium für die Annahme eines Grundrechtseingriffs sei (unter Hinweis auf A. Roth , a. a. O.).

1233 yg] z u diese,· These eine alte Stellungnahme des Gerichts im BVerwG NJW 1976, S. 1988, die oben sub β αα ßßß dargestellt wird. 1234 Es ist allerdings umstritten, ob die "Voraussehbarkeit" und das "Inkaufnehmen" der Beeinträchtigung als neue Eingriffskriterien und demgemäß als Verzicht auf die Finalität - so die Formulierung in BVerwGE 87, 37, 43 f. (Diethylenglykolweine); 89, 281, 283 (Unternehmensberater); BVerwG DVB1. 1996, S. 807 (Warentests); Eckhoff

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik schließlich der öffentlichen Gewalt als Adressatin der Grundrechte nach Art. 1 I I I GG zugerechnet werden 1236 . Ist das nicht der Fall, scheidet ein Grundrechtseingriff aus. Was den "grundrechtsspezifischen" Charakter der Maßnahme angeht, gibt es auch Interpretationsschwierigkeiten, die durch diese Formulierung geschaffen werden können. U m nicht in eine Interpretationssackgasse zu gelangen, muß man zu dem Schluß kommen, daß das Gericht damit den Zusammenhang der Maßnahme mit dem sachlichen (und persönlichen) Schutzbereich des betroffenen Grundrechts meint 1 2 3 7 . W i l l man diese Auslegung annehmen, sollte man diese Aussage als selbstverständlich und überflüssig sowie ohne engen Zusammenhang mit der "Finalität" als Eingriffskriterium betrachten 1 2 3 8 .

γγγ) Stellungnahme Nach der Darstellung der Karlsruher und Berliner Rechtsprechung sollte man als eine allgemeine Würdigung der Diskussion um die Frage nach der Finalität als Grundrechtseingriffseigenschaft mit dem BVerfG davon ausgehen, daß man dem Finalitätskriterium "das Totenglöcklein läuten" müsse 1239 . Was Grundrechtseingriff, S. 247 - oder als ihre Erweiterung - so Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 142 - bzw. Ergänzung - so Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 89 f. - zu behandeln sind; nicht klar in BVerwGE 82, 76, 79 (Jugendsekten); zur Voraussehbarkeit als eigenständiges Eingriffskriterium vgl. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 23, 94 ff. 1235 ygi g e n a u z u dieser Einschätzung Di Fabio , in: JZ 1993, S. 695; wohl auch Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1024 f. Dies erscheint die vernünftigste Interpretation der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechnung, wenn man sie einheitlich einschätzen und den Vorwurf der "Inkonsequenz" ablehnen will. Man kann aber diese Uneinheitlichkeit des Finalitätskriteriums anders einschätzen: als Diskrepanz zwischen Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG einerseits und Religions- bzw. Gewissensfreiheit aus Art. 4 I GG andererseits hinsichtlich der Annahme einer ungezielten Verwaltungsmaßnahme als Grundrechtseingriff, oder daß das BVerwG trotz des großen Aufwands, sich an die Karlsruher Rechtsprechung anzupassen, seine eigene Rechtsprechung über die Intensität (Schwere) der Beeinträchtigung nicht völlig aufgeben und durch den Umweg der "Nicht-Finalität" retten wolle, oder daß die unterschiedliche Handhabung dieser ungezielten Grundrechtsbeeinträchtigungen zwischen dem 3. (DEG, Unternehmensberater) und dem 7. (Osho) Senat des BVerwG das Ergebnis einer Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Senaten sei. 1236 Ygi ( j a z u oben sub 1 c. 1237 Ygi c j a z u Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 31; ähnlich Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 205 f. 1238 Ygi a u c h Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 154; weiterhin die berechtigte Kritik von Lübbe-Wolff, in: NJW 1987, S. 2709, und Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 91, an der Position, die die Grundrechtsspezifität als Eingriffskriterium annimmt; zustimmend Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 206. 1239 Ygi a u c h britisch z u m Argumentationstopos der Finalität als Eingriffskriterium und im allgemeinen jedes formellen Eingriffskriteriums im Schrifttum Schulte, in:

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland bei der Erörterung der Frage nach dem Eingriff durch Subventionierung insbesondere über die Finalität und die Intensität der Beeinträchtigung als Eingriffskriterien dargelegt wurde, gilt mutatis mutandis auch hier. Das bedeutet, daß auch die Schwere der Beeinträchtigung - von den sog. Bagatelleingriffen abgesehen - kein erforderliches Eingriffskriterium sein darf, selbst wenn die Maßnahme nicht bezweckt ist 1 2 4 0 . Dasselbe gilt für die Voraussehbarkeit der Maßnahme: Das BVerfG spricht nach ständiger Rechtsprechung bezüglich der Eingriffe in die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG die Eingriffsqualität solchen Maßnahmen zu, die eine bloße "objektiv berufsregelnde Tendenz" haben 1241 . Die Voraussehbarkeit darf genauso wenig wie die Finalität und die Intensität ein Eingriffsmerkmal darstellen 1242 .

DVB1. 1988, S. 517; ders., Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 93 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 207; ferner Rüssel, in: JA 1998, S. 411; a. A. Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 31, der einen Grundrechtseingriff durch Informationen, Empfehlungen oder Warnungen annimmt, nur wenn sie zielgerichtet den Absatz bestimmter Produkte verhindern oder mindern sollen; zustimmend Gröschner, in: DVB1. 1990, S. 626; Di Fabio , in: JuS 1997, S. 6. Es ist bemerkenswert, daß das BVerfG bzw. die 1. Kammer seines 1. Senats in seinem einzigen bisher mit der Frage befaßten Urteil, nicht die Finalität oder statt dessen die Intensität der Beeinträchtigung in der geltend gemachten Grundrechtsposition verlangt hat, um den Grundrechtseingriff zu bejahen - vgl. BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten). 1240 Gegen die Anknüpfung des Tatbestandes der sog. mittelbaren Grundrechtseingriffe an das Intensitätskriterium plädiert mit überzeugenden Argumenten Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 91; ferner Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 252 ff., und für die Wettbewerbsfreiheit S. 263 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 211 ff.; a. A. Schoch, in: DVB1. 1991, S. 670. Man könnte eventuell den Begriff "schwerwiegende Beeinträchtigung" der grundrechtlichen Positionen der betreffenden Unternehmer als Eingriffsmerkmal ansehen, wenn damit die Umsatzeinbußen gemeint wären, so daß dadurch die Fähigkeit des betroffenen Unternehmers zur Teilnahme am Wettbewerb dermaßen eingeschränkt würde, daß seine Möglichkeit, sich als verantwortlicher Unternehmer wirtschaftlich zu betätigen, beeinträchtigt wäre - vgl. dazu BVerwGE 65, 167, 174; zu dieser Einschätzung Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 142 f. Es ist aber fraglich, ob das BVerwG das tatsächlich meint. Wie sich bereits gezeigt hat (s. oben sub δδ), gehört der Umsatzrückgang außerdem zum Tatbestand des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit; a. A. Albers, in: DVB1. 1996, S. 236, die ohnehin eine Verknüpfung des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit mit dem Maß an Umsatzverlusten ablehnt; weiterhin VGH Kassel 1995, S. 416, der aber dazu neigt, die "schwerwiegende" Beeinträchtigung der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit des betroffenen Unternehmens mit der Einstellung seines Betriebs zu verbinden. 1241 vgl ausführlich oben sub α; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 215, geht sogar weiter darüber hinaus. 1242 Ebenso Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 102 f.; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 247 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 206 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ε) Eingriff durch öffentlichen Wettbewerb αα) Allgemeines Diese Problematik betrifft die Frage, inwieweit die öffentliche Hand und ihre Eigenunternehmen durch ihre Anwesenheit in einem wirtschaftlichen Bereich entweder in ihrer sozial- oder in ihrer erwerbswirtschaftlichen (gewinnerzielenden) Tätigkeit 1243 die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG ihrer (potentiellen) privaten Konkurrenten beeinträchtigen kann und ob diese Beeinträchtigung als "Grundrechtseingriff ' im Sinne der modernen Grundrechtslehre betrachtet werden kann. Sie bezieht sich unmittelbar auf die Problematik der Grundrechtsbindung nach Art. 1 I I I GG, obwohl sie teilweise auch als eine Frage des sog. "funktionalen" Schutzbereichs erörtert wird, d.h. inwieweit die Grundrechte bzw. die wirtschaftlichen Grundrechte einen Anspruch auf Nichtteilnahme des Staates an der Wirtschaft bzw. auf nicht öffentliche Konkurrenz gewähren. Daß die Verwaltung als "vollziehende Gewalt" i. S. d. Art. 1 I I I GG in allen ihren Organisations-, Handels- und Erscheinungsformen allgemein sowie vor allem in ihrer wirtschaftlichen Betätigung sowohl der Marktgegenseite als auch ihren privaten Konkurrenten gegenüber nach dieser Vorschrift grundrechtsgebunden ist, ist bereits im einschlägigen Kapitel über die Grundrechtsbindung ausführlich gezeigt worden 1244 . Aufgrund dessen wurde bereits untersucht, wie das öffentliche Monopol einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG darstellt 1245 . Ebenso wird hier untersucht, ob und wie die öffentliche Hand nicht als monopolistischer Alleinherrscher, sondern als Konkurrent in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktteilnehmer eingreifen kann. Wegen des weiten Schutzbereichs der Berufsfreiheit in bezug auf den Begriff "Beruf' 1 2 4 6 , der einen so weiten Raum von wirtschaftlichen Tätigkeiten und entsprechenden Wettbewerbsmärkten umfaßt, daß er nur von grundgesetzlichen Bestimmungen begrenzt werden kann, wird hier kein Unterschied zwischen sozial- und erwerbswirtschaftlicher Betätigung des Staates gemacht. Denn die private wettbewerbliche Tätigkeit wird in beiden Bereichen genauso von Art. 12 I GG geschützt und, wenn überhaupt, kann die öffentliche Konkurrenz genauso einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerber in beiden wirtschaftlichen Bereichen darstellen.

1243 Yg] dazu bereits oben sub II 3 c bb. 1244 Vgl. nochmals statt aller P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 314 ff.; s. auch oben sub III 3 b. 1245 s. oben sub IV 2 a cc γ. 1246 s. oben sub II 2 a aa.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ßß) Die Ansicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit Das Problem hat bisher mehrmals die Rechtsprechung des BVerwG und der unteren Verwaltungsgerichte beschäftigt, die sich im Prinzip weigert, in der öffentlichen Konkurrenz einen Grundrechtseingriff in die Wettbewerbsfreiheit 1247 der privaten Wettbewerbsteilnehmer zu erkennen. Ihre Position stützt sich vor allem auf zwei Argumente: Sie bewältigt erstens das Problem als eine Frage des (sog. "funktionalen") Schutzbereichs und geht aufgrund der richtigen Position, daß Art. 121 GG nicht vor (privater) Konkurrenz schütze 1248 , unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG 1 2 4 9 davon aus, daß er ebenfalls nicht vor öffentlicher Konkurrenz schütze 1250 . Die Organisationsform des öffentlichen Unternehmens soll irrelevant sein 1251 . Zweitens setzt sie sich mit der bereits dargelegten Rechtsprechung über die Frage des "Eingriffs durch Subventionierung" 1252 auseinander und kommt zu dem Schluß, daß nur dann eine Grundrechtsverletzung vorliege, wenn die öffentliche konkurrenzwirtschaftliche Tätigkeit die Erdrosselung der privatwirtschaftlichen Konkurrenz erziele 1247 Man darf hier nicht vergessen, daß ursprünglich das BVerwG und, sich ihm anschließend die unteren Verwaltungsgerichte, die Wettbewerbsfreiheit nicht in Art. 12 I, sondern in Art. 2 I GG verortet haben, obwohl sie auch die Einschlägigkeit des ersteren in einer anderen Dimension geprüft haben (vgl. oben sub 12 b). 1248 s. dazu oben sub II 2 a cc ß. 1249 Daß der Nachweis auf die Karlsruher Rechtsprechung unzutreffend und verfehlt ist, Hoffmann-Becking, , in: FS Wolff, S. 456; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 452; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 35; Breuer, ebenda, VI, § 148, Rd. 59; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 524, Fn. 127 (dort) sowie unten sub γγ. 1250 BVerwGE 39, 329, 336 (kommunales Bestattungsunternehmen); 71, 183, 193 (Transparenzlisten); BVerwG NJW 1978, S. 1540 (WohnungsVermittlung); BVerwG NJW 1988, S. 1278 (Wohlfahrtspflege); BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler); BayVGH BayVBl. 1976, S. 630; OVG Kassel iGewArch 1996, S. 233; OVG Bremen GewArch 1996, S. 377; VG Schleswig-Holstein GewArch 1982, S. 31; VG Münster NVwZ 1982, S. 522 f. (tierärztliche Tätigkeit); ebenfalls OLG Hamm GewArch 1998, S. 197; vgl. aber BVerwGE 17, 306, 313 (Mobiliarfeuerversicherung), wonach die Erweiterung der wirtschaftlichen Tätigkeit einer öffentlichen Monopol- und Zwangsfeuerversicherung auf dem Gebäudeversicherungsmarkt als eine zulässige Beschränkung der Berufsausübung der privaten Versicherungsunternehmen betrachtet wurde. Damals hat aber das BVerwG die Wettbewerbsfreiheit noch in Art. 2 I GG und nicht in Art. 12 I GG verfassungsrechtlich verankert gesehen und die umstrittene Beschränkung nicht als eine Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit bewertet. Diese Position bezüglich der Erkennung einer Berufsfreiheitsbeschränkung durch die Zulassung der staatlichen Konkurrenz begrüßt Schmittat, in: ZHR 1984, S. 453; ähnlich R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 526. 1251 So OVG Münster DÖV 1986, S. 341 (kommunaler Saunabetrieb), wonach eine Kommune einen Saunabetrieb in der Organisationsform des Privatrechts (Eigengesellschaft) geführt hat; VGH Mannheim GewArch 1994, S. 465; bestätigt durch BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmarkler); OVG Kassel GewArch 1996, S. 233. 1252 ygi ( j a z u Q b e n s u b h a a

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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und die Errichtung eines öffentlichen Monopols zur Folge habe 1253 . Wenn sie bloß - als eine natürliche Folge des wirtschaftlichen Wettbewerbs - die Erwerbschancen der privaten Unternehmen vermindere, könnten die Grundrechte bzw. die Wettbewerbsfreiheit keinen Schutz leisten 1254 . Das gelte um so mehr, wenn die öffentliche wirtschaftliche Tätigkeit durch öffentliche Zwecke gerechtfertigt sei, nämlich "sozialpolitischen Belangen" Rechnung trage 1255 . Außerdem sei die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auch dann zu untersagen, wenn sie zu unlauterem Wettbewerb führt. In diesem Fall sollen die privatrechtlichen Vorschriften (UWG) Anwendung finden 1256 . Das soll auch der Fall sein, wenn die öffentliche Hand durch ihre Tätigkeit im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in ein Wettbewerbsverhältnis eingreift und fremden Wettbewerb fördert 1257.

γγ) Kritik - Stellungnahme Diese Position verkennt im Vergleich zu der sonstigen älteren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit wichtige Schlüsse der Grundrechtsdogmatik, von denen einige bereits dargestellt wurden: Erstens ist die Frage, ob öffentlicher Wettbewerb verfassungsrechtlich zulässig ist oder nicht, keine Frage des Schutzbereichs des Art. 12 I bzw. 2 I GG - deswegen ist die Diskussion über den sog. "funktionalen" Schutzbereich hier zumindest irreführend -, sondern eine Frage sowohl der Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, der die öffentliche wirtschaftliche Konkurrenz vorsieht, als auch der Verwaltung, die sie durch Verwaltungsakt erlaubt oder faktisch (tathandelnd) ohne rechtliche 1253

BVerwGE 17, 306, 311 (Mobiliarfeuerversicherung); 39, 329, 337 (kommunales Bestattungsunternehmen); BVerwG NJW 1978, S. 1539 f. (Wohnungsvermittlung); BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler); VGH München BayVBl. 1976, S. 630; OVG Münster DÖV 1986, S. 341 (kommunaler Saunabetrieb); VGH Mannheim GewArch 1994, S. 465; OVG Kassel GewArch 1996, S. 233; VG Münster NVwZ 1982, S. 523 (kommunale tierärztliche Tätigkeit). Einen Überblick der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage bei Kluth, Grenzen, S. 51 ff. 1254 So BVerwGE 39, 329, 337 (kommunales Bestattungsunternehmen); 71, 183, 193 (Transparenzlisten); OVG Kassel GewArch 1996, S. 233. 1255 So ausdrücklich BVerwG NJW 1978, S. 1540 (Wohnungsvermittlung), wonach die Frage geprüft wurde, ob die Tätigkeit einer Gemeinde auf dem Wohnungsvermittlungsmarkt einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Imobilienmakler darstellt. Spezifisch zur konkurrenzwirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden vgl. Erichsen, Gemeinde und Private, S. 7 ff., 22 ff.; Kluth, Grenzen, S. 1 ff., 51 ff. 1256 So neulich VGH Mannheim GewArch 1994, S. 465; bestätigt durch BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler); OLG München NJW - RR 1995, S. 1005; ferner Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 71 ff. (m. w. N.); Gusy, in: JA 1995, S. 254. 1257 So OLG München NJW - RR 1995, S. 1005; OLG Hamm GewArch 1998, S. 197. 16 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Grundlage ausübt, in bezug auf Art. 12 I bzw. 2 I (nach der alten Rechtsprechung) GG i. V. m. Art. 1 I I I GG. Man darf zweitens nicht verkennen, daß Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung nicht gleichbedeutend sind 1 2 5 8 . Man muß zuerst feststellen, ob es einen Grundrechtseingriff gibt und dann, ob dieser Eingriff eine Grundrechtsverletzung darstellt oder nicht 1 2 5 9 . Drittens, wie auch im Subventionswesen in Verbindung mit der Darstellung des sachlichen Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit dargelegt wurde, wird von Art. 121 und 14 I bzw. 2 I (nach der alten Rechtsprechung) GG nicht nur die freie Berufswahl oder die Existenz bzw. der Wesensgehalt eines Unternehmens geschützt, so daß diese Grundrechte nur vor der Errichtung eines öffentlichen Monopols schützen würden, wie die alte Rechtsprechung annimmt, sondern auch die freie Berufswahl und -ausübung, die den Zugang zum Wettbewerb und das ganze unternehmerische Verhalten im Wettbewerb enthalten 1260 . Soweit dieses Verhalten staatlicherseits auf irgendeine Art beeinträchtigt wird, wird automatisch der grundrechtliche Abwehrmechanismus des Art. 121 GG ausgelöst. Viertens, wie auch in den anderen nicht "klassischen" Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit gezeigt wurde, muß das staatliche Verhalten nicht unmittelbar, rechtlich, imperativ und final in die grundrechtliche Positionen eingreifen. Die öffentliche wirtschaftliche Tätigkeit verändert die Wettbewerbslage dadurch, daß sie bei den privaten Konkurrenten Wettbewerbsnachteile verursacht 1261 . Das geschieht nicht durch Zwang und Befehl 1 2 6 2 , nicht rechtlich 1263 , sondern rein faktisch 1264 , nicht immer gezielt 1265 , sondern "als natürliche Folge

1258 1259

So auch oben sub 1 b. Vgl. wie hier auch Badura, in: FS Steindorff, S. 853; Ehlers, in: JZ 1990,

S. 1097. 1260 Ygj a u c h 0 b e n s u b π 2 a cc α; vgl. zur zutreffenden Kritik dieser Position unter diesem Gesichtspunkt Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 459; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 449; Ehlers, Verwaltung, S. 102; ders., in: JZ 1990, S. 1096; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 769 f., 771; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 525, obwohl er sich auf S. 526 skeptisch zeigt, inwieweit es vernünftig wäre, die "Dreistufentheorie" des BVerfG auf die Problematik des "Eingriffs durch Konkurrenz" anzuwenden. 1261 Vgl. zutreffend Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 762. 1262 So auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 84 f. 1263 Genauso wie im Fall des "Eingriffs durch Subventionierung" wirkt der "Eingriff durch öffentlichen Wettbewerb" nicht rechtlich, selbst wenn die öffentliche Wettbewerbsteilnahme durch Gesetz, Rechtsverordung, Satzung oder aufgrund derer durch Verwaltungsakt vorgesehen ist. Denn die rechtliche Wirkung der Beeinträchtigung setzt voraus, daß sie selbst in dem Rechtsakt angesprochen wird (Regelungsintensität) - so Eckhojf, Grundrechtseingriff, S. 183. 1264 ygj z u m Zusammenhang der sog. faktischen, mittelbaren und nicht gezielten Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfreiheit und des sog. "Eingriffs durch die öffentliche Konkurrenz" Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 457; Grupp, in: ZHR 1976, S. 380; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 118; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 302 f.; Ehlers, Verwaltung, S. 100 f.; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 446 ff.; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 59; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 525;

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik des wirtschaftlichen Wettbewerbs", und nicht direkt, sondern über das Marktverhalten der Marktgegenseite (Kunden) 1266 zuungunsten aller oder einiger privater Marktteilnehmer 1267 . Das ist aber kein Grund, nach dem modernen und insbesondere von der neueren Rechtsprechung des BVerfG und BVerwG bezüglich der Frage nach den "Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit" angenommenen Grundrechtseingriffsverständnis davon auszugehen, daß diese öffentliche Tätigkeit nicht in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerber eingreife 1268 . Der kritische Punkt betrifft die Folgen der staatlichen Teilnahme am Wettbewerb für die privaten Wettbewerber. Um ihren eingreifenden Charakter festzustellen, muß man sich fragen, ob die Privaten dadurch Kunden verlieren und demzufolge Umsatzeinbußen hinnehmen müssen oder ob sie ihre wettbewerbliche Tätigkeit umwandeln müssen, um die Umsatzverluste und die Benachteiligung ihrer Lage im Wettbewerb zu vermeiden 1269 . Es ist hier nochmals zu unterstreichen, daß das Argument, die Grundrechte bzw. die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG schützten nicht die Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten 1270 sowie die bestehende Wettbewerbslage 1271, nur dann zutrifft, wenn es um den Wettbewerb der Priva-

Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §23, Rd. 10; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 765 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 77 ff.; vgl. auch P. Kirchhof, Verwalten, S. 370; a. A. Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 46; Kluth, Grenzen, S. 65 f., der von einem unmittelbaren "Eingriff durch öffentlichen Wettbewerb" ausgeht. 1265 Daß der Eingriff durch öffentlichen Wettbewerb auch gezielt sein kann, vgl. Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 771. Sein Schluß aber auf S. 772 ist zu eng, indem er nur in dem zielgerichteten Staatshandeln einen faktischen Grundrechtseingriff in die Berufs· bzw. Wettbewerbsfreiheit der privaten Konkurrenten sieht. 1266 So auch zutreffend Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 83. 1267 Obwohl er grundsätzlich von der hier für richtig gehaltenen Auffassung ausgeht, schließt Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 83 f., unter Hinweis auf BGHZ 121, 126, 129, einen "klassischen" Grundrechtseingriff durch öffentlichen Wettbewerb nicht aus. Das Beispiel des Eingriffs durch ein öffentliches Monopol, das er zusätzlich erwähnt, sollte man aber nicht zu der hier erörtenden Problematik rechnen. 1268 Vgl. auch dazu P. Kirchhof in: DVB1. 1982, S. 934. 1269 V g i a u c h ρ Kirchhof Verwalten, S. 358; dagegen hält Kluth, Grenzen, S. 70, die eventuelle Umsatzeinbuße der privaten Konkurrenten durch die öffentliche Konkurrenz nicht für ausschlaggebend. Erforderlich sei vielmehr "eine Strukturbetrachtung ... In diese Strukturbetrachtung fließen als Elemente die Zahl und Größe der privaten Anbieter, die Gesamtertragslage der Branche, die örtlichen Marktverhältnisse, die Art des (öffentlichen) Angebotes als (einzige) Haupt- oder als Nebenleistung, die Nähe des Angebotes zu anderen originär kommunalen bzw. hoheitlichen Tätigkeiten sowie sonstige besondere Rechtsbeziehungen ein". Man muß zweifelsohne das Vorliegen dieser Faktoren berücksichtigen, wenn man in der öffentlichen Konkurrenz einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Privaten ansehen will. Ihre Prüfung aber ersetzt die Prüfung des Vorliegens der Umsatzverluste nicht, wie Kluth meint, sondern ergänzt sie. 1270 So statt aller BVerfGE 24, 236, 251 (Aktion Lumpensammler); s. auch oben sub II 2 a cc β mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung. 1271 Vgl. statt aller BVerfGE 7, 377, 408 (Apotheken).

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland ten geht, die nicht nur nach Art. 1 I I I GG nicht grundrechtsgebunden, sondern vielmehr nach Art. 12 I und 3 I GG bezüglich der Wettbewerbszulassung grundrechtsberechtigt sind. Die öffentliche Hand ist dagegen in allen ihren Organisations· und Handlungsformen grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt 1 2 7 2 ; sie ist aber nach Art. 1 I I I GG grundrechtsgebunden, und demnach muß jegliche Wettbewerbsbenachteiligung, die sie bei den Privaten verursacht, grundsätzlich als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG behandelt werden 1273 1 2 7 4 . Der Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Unter1272

s. dazu oben sub II 3 c aa, cc. 1273 V g l a u c h BGHZ 82, 375, 390 (Brillen-Selbstabgabestellen), wonach die Abgabe von Brillen durch einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung an seine Mitglieder als Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG behandelt wurde; VG Bremen NJW 1988, S. 842, wonach die kostenlose Abgabe von Exemplaren über eine aktuelle Dokumentation zum Fahrradverkehr aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit einer Bürgerschaftsfraktion als eine Beeinträchtigung in die aus (nach dem Gericht) Art. 2 I GG geschützte Wettbewerbsfähigkeit der privaten Verkäufer von ähnlichen Exemplaren betrachtet wurde. Hier handelt es sich um einen schwergreifenden Bruch des "Finalitätskriteriums", weil die betroffenene Fraktion offensichtlich kein Wettbewerbsziel gehabt hat; Scholz, in: ZHR 1969, S. 101; ders., in: MD, Art. 12, Rd. 104, 303, 401 ff.; Gall-

was, Faktische Beeinträchtigungen, S. 104; Hoffmann-Becking, in: FS Wolff, S. 455 ff.; Grupp, in: ZHR 1976, S. 379 f., 383 f.; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 118;

ders., in: AÖR 1990, S. 13; Badura, in: ZHR 1982, S. 460 f., ders., in: FS Steindorff,

S. 839 f., 850 ff.; ders., in: FS Schlochauer, S. 21 f., obwohl differenzierend und zu restriktiv, ebenso wie ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 113; P. Kirchhof in: DVB1. 1982, S. 937; Ehlers, Verwaltung, S. 101; ders., in: JZ 1990, S. 1096; v. Gamm, Grenzen des Wettbewerbs, S. 33; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 448 f.; Emmerich, in: AG 1985, S. 298; Kluth, Grenzen,

S. 70 f.; Kopp, in: GewArch 1988, S. 360; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 35; Breuer, ebenda; VI, § 148, Rd. 59; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 523 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 316 ff., mit der Differenzierung, daß nur der Rückgang von Kunden, Umsätzen und Gewinnen den Schutzbereich des Art. 12 I GG nicht berühre und demnach keinen Eingriff darstelle, sondern das marktinkonforme Verhalten der öffentlichen Hand; Krölls, in: GewArch 1992, S. 283 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rd. 10; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 762 ff.; Gaa, in: WRP 1997, S. 838, aber nur für die schlicht hoheitliche Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 88 ff.; a. A. - abgesehen von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - Betermann, in: FS Hirsch, S. 19 ff., der gerade von der gegenteiligen Auffassung ausgeht, daß die öffentliche Hand Träger der Gewerbebzw. Wettbewerbsfreiheit sei und infolgedessen nicht ihre Konkurrenz zu Privaten als (faktischer) Grundrechtseingriff betrachtet werden könne, genauso wenig wie die konkurrierende Tätigkeit anderer Privater; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 16, Rd. 22 ff.; ders., in: J/P, Art. 12, Rd. 14 a; Papier, in: DVB1. 1984, S. 809, mit dem Ar-

gument des befriedigenden Schutzes der Wettbewerbsfreiheit der privaten Unternehmer durch das einfache Wettbewerbsrecht; ders., in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 46; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 33; Englisch, Kommunales Eigentum, S. 135; Gusy, in: JA 1995, S. 253; M. Hoffmann, in: BB 1995, S. 54; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 83; differenzierend W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 339, der auf S. 354 davon ausgeht, daß die rein unternehmerische und marktkonforme Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand die Wettbewerbsfreiheit der Privaten nicht beeinträchtige; in diese Richtung auch Schmittat, in: ZHR 1984, S. 455, der keinen Grundrechtseingriff in der

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik nehmer liegt nicht nur vor, wenn ein öffentliches Unternehmen auf einem vorhandenen Wettbewerbsmarkt auftritt, sondern auch, wenn ein faktisches oder rechtliches Monopol aufgehoben wird und private Unternehmer auf dem betroffenen Markt zugelassen werden. Daß der Staat bzw. der Gesetzgeber derjenige ist, der den Markt durch Liberalisierung bzw. Deregulierung geöffnet hat, verringert die eingreifende Wirkung der fortgesetzten konkurrenzwirtschaftlichen öffentlichen Teilnahme an diesem Markt nicht 1275 . Die öffentliche Gewalt bzw. der Gesetzgeber oder die Verwaltung bleiben an die Grundrechte bzw. den Art. 12 I GG gebunden, sowohl nach der monopolistischen 1276 als auch nach der konkurrenzwirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Unternehmen. Schließlich spielt der sozialpolitische bzw. -staatliche Charakter dieser wirtschaftlichen Betätigung für die Annahme eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit keine Rolle. Denn er betrifft die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die öffentliche wirtschaftliche Tätigkeit sowie die Bedeutung des Sozialstaatsgrundsatzes für diese und nicht den Tatbestand des Eingriffs 1277 .

"schlichten" oder marktkonformen konkurrierenden Tätigkeit des Staates sieht, die nicht mit Privilegien der privaten Wirtschaft gegenüber verbunden ist. Daß das praktisch kaum der Fall sein kann, ist bereits oben sub II 3 c dd ausführlich dargelegt worden. 1274 ygj a b e r Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 119; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 768, die beide unter Nachweis auf Scholz, Gemeindliche Gebietsform, ausführen, daß Art. 12 I GG insoweit nicht die individuelle Betroffenheit des einzelnen Unternehmens, das aus dem Wettbewerb ausscheiden muß, sondern allein die "generelle Betroffenheit aller typischerweise dem betreffenden Beruf oder Berufsbild zugehörigen Personen" schütze. Das bedeutet, daß demnach die Beeinträchtigung von der öffentlichen Konkurrenz insgesamt und nicht individuell wirken soll. Diese Auffassung ist zu restriktiv und eng. 1275 Vgl. auch Hoffmann-Becking, in: FS Wolff, S. 459 f.; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 405. 1276 Ygj 0 b e n gyb c c γ 1277

Das verkennt aber Stober, in: ZHR 1981, S. 583, der zwischen öffentlicher, eingreifender, erwerbswirtschaftlicher einerseits und nicht eingreifender sozial wirtschaftlicher Betätigung andererseits differenziert. In bezug auf die Teilnahme der Gemeinde am wirtschaftlichen Wettbewerb vgl. die Meinung Erichsens, Gemeinde und Private, S. 22 ff., 30 f., der zwar prinzipiell der herrschenden und hier vertretenen Position zustimmt, aber davon ausgeht, daß es sich um eine verfassungsrechtliche Kollision zwischen der Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerber und der aus Art. 28 II GG verfassungsrechtlichen Gewährleistung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinde handele. Der Argumentationstopos des Art. 28 II GG ändert nichts an der Frage, ob die kommunale konkurrenzwirtschaftliche Betätigung einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Privaten darstellt. Denn seine unbezweifelte Bedeutung wie auch die Bedeutung seiner Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip für diese Problematik gehen die verfassungsrechtliche Rechtfertigung und nicht den Tatbestand des Eingriffs an. Weder Art. 28 II GG noch das Sozialstaatsprinzip aus Art. 28 I GG begrenzen den Schutzbereich der aus Art. 12 I GG resultierenden Wettbewerbsfreiheit - vgl. auch Kluth, Grenzen, S. 62 f., und seine zutreffende Argumentation dazu; weiterhin BSGE 67, 256, 264 f.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland δδ) Zwischenergebnis Nach der Darstellung dieser Thesen ergibt sich die Vergleichbarkeit der Problematik des "Eingriffs durch öffentlichen Wettbewerb" mit der Frage des "Eingriffs durch Subventionierung" und der anderen, nicht klassischen Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit. Was über die Eingriffsmerkmale an dieser Stelle dargelegt wurde, gilt analog auch hier (Wettbewerbsverhältnis zwischen der öffentlichen und der privaten wirtschaftlichen Betätigung 1278 , Intensität des Eingriffs bzw. keine Bagatellbelastung durch den öffentlichen Wettbewerb, Zurechenbarkeit und Kausalitätsverhältnis 1279 usw.). Die Intensität der Beeinträchtigung durch den öffentlichen Wettbewerb kann wie auch in den anderen sog. faktischen und mittelbaren Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit besonders durch das Verhalten der Kunden gemessen werden, was seinerseits von zahlreichen anderen Faktoren beeinflußt wird: Als erstes dreht es sich um die Größe des betroffenen Marktes; wenn er besonders groß sowohl bezüglich der Anbieter als auch der Nachfrager ist, kann das Auftreten eines neuen Konkurrenten (im betroffenen Fall der öffentlichen Hand) in der bestehenden Wettbewerbslage kaum spürbar werden 1280 . Zweitens kommen die wettbewerblichen Mittel, derer sich der Staat bedient, in Betracht: Preisniveau, Service, Art, Qualität und Quantität der angebotenen Produkte bzw. Leistungen sind einige von ihnen. Insbesondere die Art der Leistung des öffentlichen Unternehmens spielt eine große Rolle für die Intensität des Eingriffs. Wenn es ζ. B. um eine typische Nebenleistung geht, die i m Angebot der Privaten keine besondere Bedeutung besitzt, dann kann man nicht von einem Grundrechtseingriff sprechen 1281 . Die sog. fiskalischen Privilegien, mit denen die öffentlichen Unternehmen im wirtschaftlichen Wettbewerb ausgerüstet sind, sind häufig nicht wenige und nicht

1278 M a n m u ß hier hervorheben, daß nicht jede öffentliche wirtschaftliche Betätigung, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge oder im allgemeinen der Sozialstaatlichkeit, einen Konkurrenzcharakter haben und die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktsubjekte berühren muß; ζ. B. kann die Errichtung und der Betrieb einer Universitätsmensa die Wettbewerbsfreiheit der sog. Imbiss- und Fastfoodlokale, aber nicht die der Restaurants berühren; oder die Errichtung einer gemeindlichen Gaststätte, die die Ernährung alter, armer Leute der Gemeinde zum Zweck hat und als Sicherung ihres Existenzminimums (vgl. Art. 1 I i. V. m. Art. 28 I, II GG) angesehen werden kann, kann irrelevant für die sonstigen auf dem Markt schon vorhandenen Gaststätten sein (mehr dazu unten). Die Frage, ob ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der öffentlichen Hand und den privaten Marktteilnehmern vorliegt, muß immer geprüft werden - vgl. dazu BGHZ 82, 375, 395 ff. (Brillen-Selbstabgabestellen); Badura, in: ZHR 1982, S. 460; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 13 ff.; Ehlers, Verwaltung, S. 103; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 313, 317; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 94 ff. 1279 Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 771; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 204. 1280 Vgl. Schmittat, in: ZHR 1984, S. 455; Kluth, Grenzen, S. 71; zu weit MeyerArndt, in: Z U M 1996, S. 770. 1281

Kluth, Grenzen, S. 70 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik von geringer Bedeutung. Werden sie den öffentlichen Unternehmen gewährt, muß dies auch nach den Maßstäben der Grundrechte, aus denen die Wettbewerbsfreiheit besteht, geprüft werden 1282 . Jedoch wegen des sozialpolitischen Charakters vieler dieser öffentlichen Unternehmen - insbesondere nach der Erfüllung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge oder anderer sozialrechtlicher Aufgaben - werden sie ohne großen Aufwand von der Verwaltung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Darin liegt gerade der wesentliche Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen. Diese Position entspricht auch den neueren Entwicklungslinien der höchstrichterlichen Rechtsprechung über den grundrechtlichen Schutz und die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit 1283. Das BVerwG hatte vor kurzem Gelegenheit, sich mit der Frage unter diesem Blickwinkel erneut zu befassen. Man könnte erwarten, daß es seine alte Judikatur aufgeben würde, wenn es zum einen konsequent bei dieser Rechtsprechung bleiben und zum anderen sich von der Meinung überzeugen lassen würde, daß diese Frage neben der Eingriffsproblematik eine Frage der Grundrechtsbindung ist und der Staat in seiner wirtschaftlichen Betätigung in allen seinen Formen grundrechtsgebunden bleibt und die Wettbewerbsfreiheit der Privaten respektieren muß. Das BVerwG hat sich aber in seiner alten Rechtsprechung gefestigt 1284 . Die Anerkennung eines Grundrechtseingriffs bei der konkurrenzwirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktteilnehmer bedeutet auch die parallele Anerkennung eines verfassungskräftigen subjektiven Rechts, das, soweit es verwaltungsprozeßrechtlich nicht durch die Konkurrentenklage nach § 42 I I VwGO (öffentliche Konkurrenz aufgrund eines Verwaltungsaktes im Sinne dieser Vorschrift), durch den privatrechtlichen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch geltend gemacht werden kann 1285 (vgl. ζ. Β. § 1 UWG) 1 2 8 6 . 1282 Vgl. auch Leisner, in: BB 1970, S. 405 ff.; Badura, in: ZHR 1982, S.461f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 321. 1283 Vgl. auch Badura, in: FS Steindorff, der auf den S. 846 ff. und 850 ff. die neue Entwicklung der Rechtsprechung des BVerwG nach den sog. Transparenzlisten- und Subventionsrichtlinien-Urteilen und auf der S. 852 f. die Frage nach dem "Eingriff durch Subventionierung" mit der Problematik des "Eingriffs durch öffentlichen Wettbewerb" verbindet; in diese Richtung auch Schmittat, in: ZHR 1984, S. 453; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 312. 1284 BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler); BVerwGE 71, 183, 193 (Transparenzlisten); vgl. auch aus der jüngeren Rechtsprechung der unteren Verwaltungsgerichte OVG Kassel GewArch 1996, S. 233; OVG Bremen GewArch 1996, S. 377. 1285 Vgl. Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 456 f.; Badura, in: ZHR 1982, S. 460 f.; ders., in: FS Steindorff, S. 849; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 458 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 331 ff. 1286 Vgl. dazu BGHZ 82, 375 ff. (Brillen-Selbstabgabestellen).

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland ee) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der auf die Berufsfreiheit bezogenen Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit Nachdem die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit bzw. ihre Einschränkungen staatlicherseits in allen Arten und Dimensionen dargestellt wurden, ist jetzt ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu prüfen. Diese bezieht sich auf die Frage, auf welchen verfassungsrechtlichen Grundlagen und unter welchen verfassungsrechtlichen Bindungen, wenn man von der Grundrechtsbindung des Art. 1 I I I GG absieht 1287 , Bedingungen und Schranken die öffentliche Gewalt die Grundrechtseingriffe anordnen darf. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs hat nicht nur grundrechtsdogmatisch eine hervorragende Bedeutung, sondern vielmehr auch praktisch für die Feststellung, ob er verfassungsrechtlich zulässig ist oder ob er eine Grundrechtsverletzung darstellt. Denn eine Grundrechtsverletzung ist ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Grundrechtseingriff. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung hat materiellen und formellen (prozessualen) sowie einen KompetenzCharakter und bezieht sich auf eine Anzahl verfassungs- bzw. grundrechtlicher Fragen.

α) Der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 12 GG ... αα) ... und die sog. "klassischen" Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit Daß sich der "Regelungsvorbehalt" der Berufsausübung nach dem Wortlaut des Art. 1212 GG gemäß der h. M. auf das einheitliche Grundrecht "Berufsfreiheit" erstreckt, das u.a. die Berufswahl und -ausübung beinhaltet, wurde bereits gezeigt 1288 . Demnach gilt er als einfacher grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt 1 2 8 9 1 2 9 0 . Er stellt demgemäß zuerst die erforderliche verfassungsrechtliche 1287 ygi ^azu b e r e i t s 0 b e n sub III. s. oben sub II 2 abb. 1289 BVerfGE 33, 125, 139 (Fachärzte), wonach das GG diese Regelungsbefugnis in die Form des Gesetzesvorbehalts kleidet; 54, 237, 246; 77, 308, 332; 85, 248, 256 f.; 86, 28, 40 (Sachverständige); 87, 363, 382; anders aber in der E 7, 377, 404 (Apotheken), wonach der Ausdruck "regeln" i. S. d. Art. 12 I 2 GG daraufhindeutet, daß eher an eine nähere Bestimmung der Grenzen von innen her,gedacht sei als an Beschränkungen, durch die der Gesetzgeber über den sachlichen Inhalt des Grundrechts selbst verfügen, nämlich seinen natürlichen, sich aus rationaler Sinnerschließung ergebenden Geltungsbereich von außen her einengen würde; vgl. auch Tettinger, in: AOR 1983, S. 105. Die spätere, eben dargestellte Rechtsprechung des Gerichts über den verfassungsrechtlichen Charakter des "Regelungsvorbehalts" des Art. 1212 GG in Verbindung mit seiner Rechtsprechung über die sog. immanenten Grundrechtsschranken führen ohne weiteres zum Schluß, daß das Gericht den "Regelungsvorbehalt" als Gesetzesvorbehalt handhabt; dieser Rechtsprechung zustimmend Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 6, der hervorhebt, daß das BVerfG mit dieser Rechtsprechung die Ansicht ablehnt, 1288

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Grundlage dar und öffnet der öffentlichen Gewalt die "Tür", damit sie die Berufs- und aufgrund dessen die Wettbewerbsfreiheit einschränken darf. Die Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG dürfen durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes auferlegt werden. Damit wird klar 1 2 9 1 , daß der Staat in die Berufsfreiheit nicht nur durch formelle Gesetze, d.h. durch vom Parlament erlassene Gesetze, sondern auch durch materielle Gesetze, d.h. Rechtsverordnungen (vgl. Art. 80 I 1 GG) und Satzungen 1292 , eingreifen darf 1 2 9 3 . Dagegen genügen Verwaltungsvorschriften 1294 und Standesrichtlinien 1295 nicht. Auch das sog. Richterrecht dürfte i m Prinzip nicht als Regelungs- bzw. Gesetzesvorbehalt i. S. d. Art. 12 I 2 GG in Betracht kommen 1 2 9 6 . Eine große Anzahl grundgesetzlicher Vorschriften stehen i m Weg (vgl. Art. 20 I I 2, 20 I I I i. V. m. Art. 1 I I I GG) 1 2 9 7 . Demgemäß ist es grundsätzlich keine verfassungsrechtlich taugliche Grundlage für die Einschränkung der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit. Verfassungsrechtlich (auch aus der Sicht des Art. 1212 GG) 1 2 9 8 ist "Richterrecht" nur als "Rechtsfortbildungsrecht" i. S. d. Konkretisierung von Generalklauseln oder unbestimmter Rechtsbegriffe 1299 sowie als "schöpferische Rechtsfindung" 1300 erlaubt 1301 . Insbesondere unzulässig ist das "Richterrecht",

der Begriff "regeln" gewähre dem Gesetzgeber einen weiteren Ermessensspielraum als der allgemeine Gesetzesvorbehalt. "Das Gericht scheint damit dem Gesetzgeber ausdrücklich die Befugnis zur konstitutiven Bestimmung des Grundrechtsinhalts abzusprechen"; vgl. auch Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 412. 1290 Zur Typologie der Gesetzesvorbehalte statt aller Schnapp, in: JuS 1978, S. 730; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 273 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 107 ff.; zur historischen Entwicklung des Gesetzesvorbehalts Gassner, Kriterienlose, S. 55 ff. 1291 Vgl. die Grundgesetzänderung v. 24. 06. 1968 (BGBl. I, 709); vgl. aber davor BVerfGE 20, 283, 295. 1292 BVerfGE 60, 215, 230; 94, 372, 390 (Werbeverbote für Apotheker); BVerfG EuGRZ 1998, S. 288 (Verpackungssteuer); Ring, in: NJW 1997, S. 772; zur verfassungsrechtlichen Basis für den Erlaß von kommunalen Satzungen im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts vgl. Art. 28 II GG. 1293 Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 306; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 1; Gubelt, in: vM/K, Art. 12, Rd. 74. 1294 BVerwGE 51, 235, 239; 75, 109, 116 f. (Subventionsrichtlinien). 1295 BVerfGE 57, 121, 132 f.; 60, 215, 230; 76, 171, 185 f.; 76, 196, 205; BGH GRUR 1989, S. 827 f. (Heilpraktiker); BGH WRP 1996, S. 1152 (Laborärzte). 1296 Vgl. BVerfGE 16, 214, 219; 54, 224, 234 ff. 1297 V g i a u c h Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 437 f. 1298

Vgl. BVerfGE 54, 224, 234 f. Vgl. BVerfGE 34, 269, 287 f. (Soraya); nach der E 54, 224, 234 f., sollen sich die Erkenntnisse des Gerichts an den Rahmen einer legitimen Auslegung "intra legem" halten - so Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 316. 1300 Begriff aus der BVerfGE 34, 269, 287 (Soraya). 1301 j j ç Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit besonders angeht, sind die Generalklauseln und die unbestimmten Rechtsbegriffe des Wettbewerbsrechts i. e. S., insbesondere des § 1 UWG, und des Rechts gegen die Wettbewerbsbeschränkungen 1299

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland das bei der Auslegung der Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bzw. des Art. 121 GG auf sie mißachtet oder verkennt 1302 . Unter "Gesetz" i. S. d. Art. 12 12 GG werden Bundesund Landesgesetze verstanden 1303. Das Gesetz muß den Umfang und die Grenzen des Grundrechtseingriffs deutlich erkennen lassen 1304 , nach der BundLänder-Kompetenzordnung des GG (s. Art. 70 ff. GG) erlassen worden sein und darf nicht gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verstoßen 1305, die nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind (S. 1) und den Gesetzen vorgehen (S. 2). Für die Einschränkbarkeit durch Verordnungen - aber nicht für Satzungen1306 - gilt Art. 80 I 2 GG 1 3 0 7 , der regelt, daß das Gesetz, das den Erlaß von Verordnungen vorsieht, den Inhalt, den Zweck und das Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen muß. In diesem Rahmen hat das BVerfG ausgeführt, daß es dabei genüge, wenn das Gesetz die Grenzen der auf seiner Grundlage möglichen Regelung - § 4 I I Honorarordnung für Architekten und Ingenieure v. 17. 09. 1976 (BGBl. I, 2805) im vorliegenden Fall - hinreichend verdeutliche; für den bestimmten Regelungsbereich müsse voraussehbar sein, in welcher Art von Fällen und mit welcher Zielrichtung von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden dürfe 1308 . Das Verfassungsgericht hat auch festgestellt, daß die Verordnungen PR Nr. 1/77 v. 21.01. 1977 (Bundesanzeiger Nr. 16 v. 25. 01. 1977) über die Preise bei öffentlichen Aufträgen für Schulbücher und PR Nr. 1/78 zur Änderung der VO PR Nr. 1/77 v. 30. 11. 1978 (Bundesanzeiger Nr. 227 v. 05. 12. 1978), die § 2 PreisG als Gesetzesgrundlage nannten, gegen Art. 1212 GG verstoßen hätten, weil sie die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG nicht nach den Maßstäben dieser Vorschrift eingeschränkt hätten bzw. § 2 PreisG v. 10. 04. 1948 (WiGBl., 27) i. d. F. des Gesetzes zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes v. 29.03. 1951 (BGBl. I, 223) keine hinreichende gesetzliche Grundlage i. S. d. Art. 1212 GG

vgl. BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); 85, 248, 257; BVerfG GRUR 1973, S. 320; BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I); s. auch unten sub C II 2; ferner zur Bedeutung der richterlichen Rechtsfortbildung des Wettbewerbsrechts für die Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 316; Leisner, SB-Großhandel, S. 92 ff. 1302 Dazu unten sub C I 3 b bb, e. 1303 BVerfGE 7, 377, 443 (Apotheken); 33, 303, 357 f. (Numerus clausus). 1304 BVerfGE 60, 215, 230; 82, 209, 224 (Krankenhausplan); 86, 28, 40 (Sachverständige); BVerwGE 89, 281, 285 (Unternehmensberater); vgl. auch BVerwG NVwZ 1995, S. 485 (Vermessungsingenieur), wonach eine zielgerichtete Einschränkung der Berufsfreiheit ihre Grundlage gerade in einer berufsspezifischen Regelung finden muß. 1305 Vgl. dazu Steinherger, in: HdDStR, VII, § 173, Rd. 74. 1306 So BVerfGE 33, 125, 157 f. (Fachärzte); BVerwGE 72, 73, 75. 1307 v g i weiter zu dieser Regelung Busch, Das Verhältnis, S. 56 f., 79 ff. 1308 BVerfGE 58, 283, 290 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

251

gewesen sei 1309 . Dagegen hat das BVerfG §8112 StBerG v. 16.08. 1961 (BGBl. I, 1301) als hinreichende Gesetzesgrundlage nach Art. 12 12 i. V. m. Art. 80 12 GG der WerbeVO des Bundesminister der Finanzen v. 25. 11. 1976 behandelt, die die Werbefreiheit von Lohnsteuerhilfevereinen eingeschränkt hat13101311. Der Gesetzgeber muß die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit umreißen, daß deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen. "Es genügt aber, daß sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen" 1312 . Diese Vorschrift ergänzt den Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 GG 1 3 1 3 . In den Gesetzesvorbehalt aus Art. 12 12 GG fällt auch vor- 1 3 1 4 , nicht aber nachkonstitutionelles 1315 Gewohnheitsrecht (vgl. Art. 1231 i. V. m. Art. 12 I 2 GG). Es liegt auf der Hand, daß ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG, die die Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts des Art. 1212 GG nicht erfüllt, verfassungswidrig - im formellen Sinne - ist und als Grundrechtsverletzung behandelt werden muß.

1309

BVerfGE 53, 1, 15 ff.; vgl. auch BVerfGE 65, 248, 258 ff., wonach § 2 PreisG genauso wenig als genügende Ermächtigungsgrundlage nach Art. 1212 i. V. m. Art. 80 I 2 GG der §§ 1 I, 2 I PreisangabenVO (Verordnung PR Nr. 3/73 v. 10. 5. 1973 (BGBl. I, 461) behandelt wurde. 1310 BVerfGE 85,97, 104 ff. 1311 Vgl. zu weiteren Beispielen BVerwG NVwZ 1995, S. 485 (Vermessungsingenieur), wonach eine Anordnung, zugunsten der öffentlichen Hand bestimmte Tätigkeiten vorzunehmen, und eine Verpflichtung, eine Tätigkeit ohne angemessene Vergütung ausüben zu müssen, als Eingriffe in die Berufsfreiheit des Betroffenen behandelt wurden und mangels einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage als mit dem Art. 12 I GG unvereinbar erklärt; vgl. auch VGH Mannheim GewArch 1993, S. 244 f., wonach die sog. Anstaltsgewalt des Trägers einer Abfallentsorgungsanlage als solche nicht als ausreichende Rechtsgrundlage für den Eingriff in die aus Art. 121 GG resultierende Wettbewerbsfreiheit behandelt wurde. 1312 So BVerfGE 80, 1, 20 f.; 85, 97, 105. 1313 So Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 2; Busch, Das Verhältnis, S. 79; vgl. auch zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt BVerfGE 49, 89, 127 (Kalkar I); 78, 179, 197. 1314 BVerfGE 15, 226, 233 f.; 22, 114, 121; 34, 293, 303 f.; 36, 212, 216; 60, 215, 229 f.; ausnahmsweise anders E 76, 196, 207. 1315 BVerfGE 22, 114, 121.

252

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ßß) ... und die sog. Wesentlichkeitstheorie α α α ) Problemstellung Während der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt als Konkretisierung 1316 des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes 1317 oder des allgemeinen 1318 bzw. rechtsstaatlichen 1319 Gesetzesvorbehalts 1320 (vgl. Art. 20 I I I GG) 1 3 2 1 ausdrücklich in den jeweiligen grundrechtlichen Bestimmungen bzw. in Art. 1212 GG für den betroffenen Fall der Berufsfreiheit verfassungsrechtlich verankert ist, hat die Rechtsprechung des BVerfG aus dem Rechtsstaats-, Demokratie- und parlamentarischen Prinzip (Art. 20 I, I I 1, III, 28 I GG) das Gebot für den Gesetzgeber abgeleitet, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und festzulegen 1 3 22 und dies nicht dem Handeln etwa der Verwaltung bzw. der Regierung 1316

v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 54; Gassner, Kriterienlose, S. 54; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 255. 1317 Gelegentlich wird stattdessen der Begriff "Eingriffsvorbehalt" benutzt - vgl. Schnapp, in: vM/K, Art. 20, Rd. 43; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 120 f. 1318 Ygj z u m Begriff "Vorbehalt des Gesetzes" als "allgemeiner Gesetzesvorbehalt" Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 31. 1319 Zum Begriff "rechtsstaatlicher Gesetzesvorbehalt" als gleichbedeutend mit dem Begriff "allgemeiner Gesetzesvorbehalt" Isensee, in: HdDStR, V, §111, Rd. 70; BVerfGE 78, 179, 197; mehr zu dieser Begriffsauseinandersetzung bei Gassner, Kriterienlose, S. 53 ff. 1320 Ob die Begriffe (grundrechtlicher) "Gesetzesvorbehalt" und (allgemeiner) "Vorbehalt des Gesetzes" (als Teil des Gesetzmäßigkeitsprinzips) gleichzusetzen sind, ist umstritten; einerseits bejahend Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 12, der aber an anderer Stelle, Rd. 16, annimmt, daß die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte aus heutiger Sicht eine grundlegend andere Funktion als den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes haben; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 120 f.; Erichsen, in: Jura 1995, S. 552; andererseits ablehnend Maurer, VerwR, §6, Rd. 7; Isensee, in: HdDStR, V, §111, Rd. 70; Lerche, in: HdDStR, V, § 122, Rd. 2; Jarass, in: J/P, Art. 20, Rd. 28 (grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt als Gesetzesvorbehalt im engeren oder eigentlichen Sinne); Sachs, in: Stern, Staatsrecht, III/2, S. 373; einen Unterschied deutet auch BVerfG (Dreierkammer) DVB1. 1997, S. 35,1 an. Hier wird sich der zweiten Meinung angeschlossen. 1321

Daß das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG die Basis der verfassungsrechtlichen Verankerung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes ist: BVerfGE 40, 237, 248 f.; 48, 210, 221; 49, 89, 126 (Kalkar I); Schmidt-Aßmann, in: HdDStR, I, § 24, Rd. 63; Isensee, in: HdDStR, V, § 111., Rd. 70; Hesse, Grundzüge, Rd. 201; vgl. aber Maurer, VerwR, § 6, Rd. 4 ff., nach dem die verfassungsrechtliche Begründung dieses Grundsatzes sich nicht nur auf das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG begrenzt, sondern auch sich auf das Demokratieprinzip und die Grundrechte erstreckt; ähnlich bezüglich der Grundrechte Λ. Roth, Verwaltungshandeln, S. 120 f.; Jarass, in: J/P, Art. 20, Rd. 28. 1322 BVerfGE 33, 125, 158 ff. (Fachärzte); 33, 303, 345 f. (Numerus clausus); 34, 165, 192 f.; 40, 237, 249; 41, 251, 260; 45, 400,417 f.; 47, 46, 79; 48, 210, 221; 49, 89, 126 ff. (Kalkar I); 56, 1, 12 f.; 57, 295, 321; 58, 257, 269; 76, 171, 184 f.; 77, 381, 403 (Gorleben); 80, 124, 132 (Pressesubventionierung); 82, 209, 224 (Krankenhausplan);

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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zu überlassen 1323 oder diese zumindest inhaltlich bestimmt zu ermächtigen 1324 1 3 2 5 . Dieses Gebot geht über die Tragweite und den Inhalt des Bestimmtheitsgebotes des Art. 80 12 GG hinaus 1326 . Denn es betrifft nicht nur den Verordnungs-, sondern auch den Satzungsgeber 1327, und in bezug auf den ersteren erschöpft es sich nicht in der Bestimmung des Zweckes, Inhalts und Ausmaßes der erteilten Ermächtigung wie Art. 80 I 2 GG, sondern verlangt vielmehr, daß der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Punkte selbst bestimmt oder die Exekutive konkret und bestimmt dazu ermächtigt 1328 . Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich sofort die erste Frage: Was ist "wesentlich" im Sinne dieser Lehre? 1329 Weder aus Art. 20 I I I GG noch aus einer anderen grundgesetzlichen Vorschrift kann man unmittelbar schließen, was "wesentlich" ist. Das BVerfG geht aber davon aus, daß die Grundrechte mit ihren speziellen Gesetzesvorbehalten und mit den in ihnen enthaltenen objektiven Wertentscheidungen dabei konkretisierende, weiterfuhrende Anhaltspunkte ge83, 130, 152; 84, 212, 226 (Abwehraussperrung); 86, 28,40 (Sachverständige); 95, 267, 307 (Altkreditschulden); vgl. mittlerweile auch BVerwGE 47, 194, 197 (Sexualunterricht); 47, 201, 203 (5-Tage-Woche); 48, 305, 308; 56, 155, 157; 72, 73, 75 f.; 90, 359, 362; VGH Kassel NVwZ - RR 1996, S. 654. 1323 Vgl. Fn. 1322. 1324 So BVerfGE 47, 46, 79; 48, 210, 221; 56, 1, 13; 57, 295, 321; vgl. auch BVerfGE 82, 209, 224 (Krankenhausplan), wonach die Bestimmtheit der gesetzlichen Ermächtigung nach dieser Lehre nicht so weit gehen soll, daß sich die erforderlichen Vorgaben ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben müßten; es genüge, daß sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen; die unbestimmten Rechtsbegriffe und die Generalklauseln, die ansonsten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, genügen aber nicht - so Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 42; nach Busch, Das Verhältnis, S. 55, hat das BVerfG mit dieser Rechtsprechung die Grenzen der gesetzgeberischen Möglichkeiten diskutiert, Entscheidungen von der Exekutive zu verlangen. 1325 Zum Rechtsstaatsprinzip bzw. zum Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage für die Ableitung dieses Gebotes vgl. BVerfGE 33, 125, 158 f. (Fachärzte); 33, 303, 346 (Numerus clausus); 34, 165, 192; 40, 237, 248 f.; 45,400,417; 48, 210, 221; BVerwGE 47, 201, 204 (5-Tage-Woche); 48, 305, 308. Zum Demokratieprinzip als seine verfassungsrechtliche Grundlage vgl. BVerfGE 33, 125, 158 f. (Fachärzte); 33, 303, 346 (Numerus clausus); 41, 251, 260; 45, 400, 417; BVerwGE 47, 201, 203 (5-Tage-Woche); 48, 305, 308. Zum parlamentarischen Prinzip genauso BVerfGE 33, 125, 159 (Fachärzte); 33, 303, 346 (Numerus clausus); 40, 237, 249. Vgl. ausführlich Busch, Das Verhältnis, S. 26 ff. 1326 Vgl. auch BVerfGE 40, 237, 249 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 287; vgl. näher zum Verhältnis mit Art. 80 I 2 GG, W. Cremer, in: AÖR 1997, S. 248 ff. 1327 So BVerfGE 33, 125, 156 ff. (Fachärzte). 1328 ygj letztens zum Verhältnis zwischen dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 I 2 GG und der sog. Wesentlichkeitstheorie Gassner, in: DÖV 1996, S. 18 ff. 1329 BVerfGE 47, 46, 79 (Sexualkundeunterricht); Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 44; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 126.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ben würden 1 3 3 0 . I m grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet somit "wesentlich" in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" 1331 . I m sog. Kalkar I-Urteil 1 3 3 2 wird das Gericht präziser, wohl auch ausführlicher 1333 : "In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, läßt sich nur i m Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln 1334 . Die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen sind dabei in erster Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen. Nach den gleichen Maßstäben beurteilt sich, ob der Gesetzgeber, ..., mit der zur Prüfung vorgelegten Form die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht dem Handeln etwa der Verwaltung überlassen hat" 1 3 3 5 1 3 3 6 . I m sog. Pressesubventionierungs-Urteil 1337 hat das BVerfG seine Position weiter erläutert und die öffentlich-rechtliche Wissenschaft dahingehend erleichtert: Der Gesetzgeber müsse selbst die Entscheidungen treffen, "wenn die Entscheidungen Maßnahmen betreffen, ohne die der Grundrechtsgebrauch unmöglich ist oder von denen eine erhebliche Gefahr für die grundrechtlich gesicherte Freiheit ausgeht". A n anderer Stelle führt das Verfassungsgericht aus, daß die Verpflichtung sogar losgelöst vom Merkmal des Eingriffs gelte 1 3 3 8 . Diese Lehre der bundesverfassungsgerichtlichen Judi1330 BVerfGE 40, 237, 249; vgl. auch 33, 125, 158 (Fachärzte); 34, 165, 192 f.; 45, 400, 417 f.; 48, 210, 221, wo von Grundentscheidungen gesprochen wird, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich der Bürger betreffen; 49, 89, 126 (Kalkar I); 77, 381, 403 (Gorleben); BVerwGE 48, 305, 308; 56, 155, 157. 1331 BVerfGE 47, 46, 79 (Sexualkundeunterricht); 58, 257, 269; 80, 124, 132 (Pressesubventionierung); 95, 267, 308 (Altkreditschulden). 1332 BVerfGE 49, 89, 127, 129. 1333 V g i a u c h Schmidt-Aßmann, in: HdDStR, I, § 24, Rd. 64 f., der das Kriterium der "Grundrechtsrelevanz" als "zu grob" bezeichnet. 1334

Vgl. auch BVerfGE 56, 1, 13; 76, 171, 185; 86, 28, 40 (Sachverständige); BVerwGE 41, 261, 263; 72, 73, 76; vgl. dazu H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 57 f., der ausführt, daß das BVerfG dazu auf Feststellungen allgemeiner Art verzichtet und sich anstelle dessen auf die Beurteilung des jeweils anstehenden Einzelfalls konzentriert habe. 1335 Skeptisch dazu Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 45; vgl. auch BVerfGE 57, 295, 321, wonach entscheidend für die "Wesentlichkeit" einer Regelung über ihre Grundrechtsrelevanz hinaus die sachliche Bedeutung für das individuelle und öffentliche Leben der Gegenwart sei. 1336 In bezug auf die Maßstäbe der Bestimmtheit der gesetzgeberischen Ermächtigung der Verwaltung vgl. BVerfGE 56, 1, 13, wonach das Gericht grundsätzlich die gleichen Kriterien verlangt wie im Fall der unmittelbaren Regelung durch den Gesetzgeber. 1337 BVerfGE 80, 124, 132. 1338 BVerfGE 40, 237, 249 f.; 49, 89, 126 (Kalkar I); vgl. auch BVerfGE 33, 125, 158 (Fachärzte), wenngleich nicht so klar; Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 43,

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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katur wurde "Wesentlichkeitstheorie" 1339 oder "Parlamentsvorbehalt 1340 genannt 1341 .

ßßß) Die Wesentlichkeitsdoktrin und die Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit Nach dieser Judikatur betrifft die sog. Wesentlichkeitstheorie auch die Berufs· bzw. Wettbewerbsfreiheit und ihre Einschränkbarkeit nach dem "Regelungs"- bzw. Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 GG. Es wurde bereits dargelegt 1 3 4 2 , daß die Berufsfreiheit ein sehr wichtiger Aspekt fiir die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit ist. Das BVerfG geht zweifelsohne ebenfalls davon aus, es hebt dies sogar hervor. Die Verbindung dieses Grundrechtes mit der Entfaltung der Persönlichkeit, deren Freiheit und Würde nach der Ordnung des GG der oberste Rechtswert ist, gewährt ihm einen besonderen Rang 1343 . Seit dem sog. Apotheken-Urteil 1344 wiederholt das Gericht in ständiger Rechtsprechung, daß die Berufsfreiheit nur so weit eingeschränkt werden darf, wie es die Interessen der Allgemeinheit erfordern 1345 . Demnach ist Zweck des "Rege-

nach dem die Wesentlichkeitslehre nicht an die Stelle des Eingriffsdenkens mußte, sondern daneben treten konnte; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 127 f.; Erichsen, in: Jura 1995, S. 553. 1339 ygj ausführlich zu der "Wesentlichkeitstheorie" Busch, Das Verhältnis, S. 21 ff; unter einem anderen Gesichtspunkt Haltern/Mayer/Möllers, in: Die Verwaltung 1997, S. 51 ff. 1340 " D e r Begriff "Parlamentssvorbehalt" hat einen weiteren Inhalt und Tragweite als der der "Wesentlichkeitstheorie" und geht nicht nur Fragen der Grundrechtsausübung an. Da aber die Wesentlichkeitstheorie ein Teil von ihm ist und sich auch auf das Tätigwerden des Parlaments bezieht, werden häufig diese Begriffe als gleichbedeutend verwendet; vgl. auch Schnapp, in: vM/K, Art. 20, Rd. 46. 1341 Man kann auch sagen, daß die Konzeption und Verwirklichung der "Wesentlichkeitstheorie" den Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehaltes von dem Eingriffsbereich auf andere Bereiche, nicht unbedingt nur der Leistungsverwaltung, ausgedehnt, ihn aber nicht in einen "Totalvorbehält", wie viele Stimmen wünschen oder gewünscht haben, transformiert hat - so auch Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 46; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 529; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 127 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 288. 1342 s. oben sub II 2 a. 1343 BVerfGE 33, 125, 158 (m. w. N.); vgl. auch BVerfGE 76, 171, 184. Man dürfte aber diese Aussage nicht dadurch interpretieren, daß die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Menschenwürde und, als ihr Ausfluß und Konkretisierung, die Berufsfreiheit einen überverfassungsrechtlichen Rang in der Normenhierarchie besäßen, so daß sie anderen grundgesetzlichen Vorschriften vorgingen. Der besondere Rang geht die Wichtigkeit dieser Rechtswerte bzw. Grundrechte in der grundgesetzlichen Wertordnung und ihre Einschränkbarkeit an, wie sich gleich zeigen wird - vgl. auch unten sub V 2 a. 1344 BVerfGE 7, 377 ff. 1345 Vgl. statt aller BVerfGE 33, 125, 158 f. (Fachärzte).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

lungsvorbehalts" in Art. 1212 GG, die Berücksichtigung dieses Allgemeininteresses entsprechend den Bedürfnissen des sozialen Rechtsstaates sicherzustellen. Indem aber das GG diese Regelungsbefugnis in die Form des Gesetzesvorbehaltes kleidet 1346 , überträgt es in erster Linie dem Gesetzgeber die Entscheidung darüber, welche Gemeinschaftsinteressen so gewichtig sind, daß das Freiheitsrecht des einzelnen zurücktreten muß 1 3 4 7 . Der demokratische Gesetzgeber kann sich aber dieser Entscheidungspflicht nicht beliebig entziehen und soll die grundlegenden Entscheidungen, die die Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit betreffen, selbst verantworten 1348 . Das hat praktisch zu bedeuten, daß die Selbstverwaltung und Autonomie im Bereich der Satzungsgewalt der Berufsverbände, deren Tätigkeit ansonsten auch Ausfluß des Demokratieprinzips ist, nicht so weit gehen dürfen, daß sie Entscheidungen zu treffen haben, die ein Übergewicht von Verbandsorganen oder ein verengtes Standesdenken begünstigen, das notwendigen Veränderungen und Auflockerungen festgefügter Berufsbilder bzw. Wettbewerbsmärkte von solchen Berufen hinderlich wäre 1349 . Das kann durch die Benachteiligung neuer Teilnehmer (Berufsanfänger) auf einem freiberuflichen Wettbewerbsmarkt, wie ζ. Β der Ärzte, oder durch die Festlegung strenger Zulassungsvorausssetzungen für die potentiellen Teilnehmer (Außenseiter) der Fall sein. "Solchen Gefahren, die die Freiheit des einzelnen durch die Macht gesellschaftlicher Gruppen bedrohen, vorzubeugen und die Interessen von Minderheiten und zugleich der Allgemeinheit zu wahren, gehört mit zu den Funktionen des Gesetzesvorbehalts" 1350. Ob ein Berufsverband zu berufsregelnder Rechtsetzung ermächtigt werden darf oder der parlamentarische Gesetzgeber die betroffenen Entscheidungen selbst treffen bzw. die Berufsverbände konkret und bestimmt nach seinen Maßstäben ermächtigen muß, soll von der jeweiligen Intensität des Eingriffs abhängen 1351 . Die sog. Dreistufentheorie des BVerfG kommt neuerlich in Betracht. Nach dem Gericht müssen Regelungen, die sich auf die freie Berufswahl und demgemäß den Zugang zum Wettbewerb beziehen, indem sie objektive oder subjektive Zulassungsbeschränkungen setzen, dem Gesetzgeber vorbehalten werden. Dagegen können Regelungen der Berufsausübung, die Eingriffe in die Betätigung im Wettbewerb darstellen, Ge-

1346

s. dazu gerade oben sub αα. BVerfGE 33, 125, 159 (Fachärzte); 33, 303, 345 f. (Numerus clausus); 76, 171, 185; 86, 28, 40 (Sachverständige). 1348 BVerfGE 33, 125, 159 (Fachärzte); 33, 303, 346 (Numerus clausus); 76, 171, 184; BVerwGE 41, 261, 263; VGH Kassel NVwZ - RR 1996, S. 654 f. 1349 BVerfGE 33, 125, 159 f. (Fachärzte); BVerfGE 76, 171, 185. 1350 BVerfGE 33, 125, 160 (Fachärzte). 1351 BVerfGE 94, 372, 390 (Werbeverbote für Apotheker); zustimmend Ring, in: NJW 1997, S. 772; vgl. auch BVerfGE 95, 267, 308 (Altkreditschulden). 1347

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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genstand gesetzgeberischer Ermächtigung dieser Verbände sein 1352 . "Aber auch hier muß das zulässige Maß des Eingriffs in den Grundrechtsbereich um so deutlicher in der gesetzlichen Ermächtigung bestimmt werden, je empfindlicher die freie berufliche Betätigung beeinträchtigt, je intensiver eine auf Dauer angelegte Lebensentscheidung des einzelnen und das Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der Tätigkeit berührt werden. Einschneidende, das Gesamtbild der beruflichen Betätigung wesentlich prägende Vorschriften über die Ausübung des Berufs sind auch hier dem Gesetzgeber, zumindest in den Grundzügen, vorzubehalten" 1353 . Nach alledem wurde vom Gericht ausgeführt, "daß i m Bereich des Facharztwesens jedenfalls die "statusbildenden" Normen, d. h. etwa diejenigen Regeln, welche die Voraussetzungen der Facharztanerkennung, die zugelassenen Facharztrichtungen, die Mindestdauer der Ausbildung, das Verfahren der Anerkennung, die Gründe für eine Zurücknahme der Anerkennung sowie endlich auch die allgemeine Stellung der Fachärzte innerhalb des gesamten Gesundheitswesens betreffen, in den Grundzügen durch ein förmliches Gesetz festgelegt werden müssen... Auch Bestimmungen über Berufspflichten, die sich von statusbildenden Normen unterscheiden, aber in mehr oder minder starkem Maße die freie Berufsausübung einschränken, bedürfen einer gesetzlichen Grundlage... Die dann noch erforderlichen ergänzenden Regelungen können nach Ermessen des Gesetzgebers dem Satzungsrecht der Ärztekammern überlassen bleiben" 1 3 5 4 . Man kann davon ausgehen, daß die Schlüsse des BVerfG für die Satzungsgewalt der Ärztekammer und die Regelungen über die Fachärzte mutatis mutandis auch für die anderen Berufsverbände und die entsprechenden beruflichen Märkte gelten können. Darüber hinaus wurde vom BVerwG geurteilt, daß angesichts der erheblichen Bedeutung der Notfalldienstpflicht der Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 GG den Ärzten gewährleiste, daß der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen für die Pflichtteilnahme sowie die Bedingungen, unter denen Befreiung zu erteilen ist, zumindest in den Grundzügen festlege 1355 . Ebenso wurde von demselben Gericht eine gesetzliche Regelung "in den Grundzügen" für die Auswahl der Bewerber bei Verteilung der kontingentierten Güterfernverkehrsgenehmigungen 1356 sowie für die Art und Anwendungsweise der Auswahlkriterien, nach denen Genehmigungen für den Kraftdroschkenverkehr bei

1352 BVerfGE 33, 125, 160 (Fachärzte); 86, 28, 40 (Sachverständige); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 291. 1353 BVerfGE 33, 125, 160 (Fachärzte); 86, 28, 40 (Sachverständige); 94, 372, 390 (Werbeverbote für Apotheker); BVerwGE 41, 261, 263; 72, 73, 76; BVerwGE 90, 359, 363; ferner//. Bauer, in: DÖV 1983, S. 57 f. 1354 BVerfGE 33, 125, 163 (Fachärzte); vgl. auch BVerfGE 86, 28, 40 (Sachverständige) zu den Sachverständigen nach § 36 III, IV GewO. 1355 BVerwGE 41, 261, 264. 1356 BVerwGE 51, 235, 242.

17 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

einem Bewerberüberhang zuzuteilen sind, verlangt 1357 . Dagegen widerspreche die pauschale Ermächtigung des Satzungsgebers zur Regelung von Berufspflichten, die die Ordnung wettbewerblicher Verhaltensweisen einschließt, nicht der Aufgabenverteilung zwischen Gesetz- und Satzungsgeber 1358. Die Errichtung eines öffentlichen Monopols muß auch wegen ihres starken eingreifenden Charakters in die Wettbewerbsfreiheit der (potentiellen) Konkurrenzteilnehmer Gegenstand der formellen Gesetzgebung sein (vgl. § 4 AFG v. 25. 06. 1969 1359 , § 3 I I AbfG i. d. F. der Bek. v. 05. 01. 1977 - BGBl. I, 41 1 3 6 0 ). Fraglich ist wegen der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde nach Art. 28 I I GG, ob gleiches auch für die kommunalen Monopole gilt oder ob die Errichtung solcher Monopole auch durch kommunale Satzungen erreicht werden kann. Nicht nur der Anwendungsbereich dieser Vorschrift, sondern auch die unmittelbare demokratische Legitimation der Gemeinden nach Art. 28 12 GG sprechen im Prinzip für die zweite Meinung 1361 . Aber in diesem Bereich muß man differenzieren 1362 und davon ausgehen, daß die Wesentlichkeitstheorie auch im Kommunalbereich, jedoch in einem beschränkteren Ausmaß als in den Berufsverbänden gilt (vgl. § 3 I I AbfG 1 3 6 3 ).

γγ) ... und die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen Grundrechtseingriffsverständnis Die sich nun ergebende Frage ist, ob diese den Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 GG betreffenden Maßstäbe, die seinen Anwendungsbereich bestimmen, auch für die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach dem modernen Eingriffsverständnis gelten. Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Zahlreiche Argumente sprechen dafür oder auch dagegen. Wenn man einerseits die Handhabung der neuen Eingriffstypen mit dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt verbinden will, müßte man konsequenterweise die Frage bejahen, soweit dieser Gesetzesvorbehalt als Eingriffsvorbehalt verstanden wird. Andererseits kann man davon ausgehen, daß gerade die verschiedene (meist nicht rechtliche und manchmal nicht finale) Natur dieser Grundrechtseingriffe ihre Verbindung mit dem Gesetzesvorbehalt scheitern läßt. Man muß jede Katego1357

BVerwGE 64, 238, 244 f. BVerwGE 72, 73, 75. 1359 BVerfGE 21, 245, 250 f. (Arbeitsvermittlungsmonopol); 21, 261, 267 (Überlassungsverträge). 1360 BVerwGE 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol). 1361 Kluth, Grenzen, S. 72; offen gelassen in BVerwGE 90, 359, 361. 1362 Yg] z u ^en verschiedenen Kategorien kommunaler Wettbewerbsteilnahme Kluth, Grenzen, S. 72. 1363 BVerwGE 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol). 1358

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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rie solcher Eingriffe getrennt untersuchen 1364 und ermitteln, ob die entsprechenden Schlüsse im Lichte der sog. Wesentlichkeitstheorie angewendet werden können.

ααα) Gesetzesvorbehalt und "Eingriffe durch Subventionierung" Es wurde bereits gezeigt 1365 , daß die Problematik der sog. "Eingriffe durch Subventionierung" die älteste all der Fragen bezüglich der "faktischen" oder "mittelbaren" Grundrechtseingriffe in die Wettbewerbsfreiheit ist. Vergleichsweise genauso alt ist auch die Problematik der Geltung des Gesetzesvorbehaltes für diese Eingriffe. Sie wurde mit der anderen Problematik verbunden, ob der (allgemeine) Gesetzesvorbehalt nicht nur die Eingriffs-, sondern auch die Leistungsverwaltung als "Totalvorbehalt" erfaßt 1366 . Diese Frage kann hier dahingestellt bleiben. Es wird an dieser Stelle untersucht, ob die Subventionsgewährung, insbesondere wenn sie einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit des begünstigten Unternehmers und / oder seiner Konkurrenten darstellt, eines (formellen) Gesetzes bedarf und in welchem Ausmaß, um verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein 1367 1 3 6 8 .

1364 Yg] z u r allgemeinen Problematik "Gesetzesvorbehalt und faktische Eingriffe" W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 596 ff. (m. w. N.), und seine positive Haltung gegenüber der Geltung des Gesetzesvorbehalts für solche Grundrechtseingriffe. 1365 s. oben sub dd β αα. 1366 Vgl. ablehnend BVerfGE 8, 155, 167 (Lastenausgleich); 68, 1, 109 (Raketenstationierung); BVerwG NJW 1977, S. 1839; Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 21; Breuer, ebenda, VI, § 148, Rd. 76; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 529; dagegen für die Erweiterung des Vorbehalts des Gesetzes auf alle staatlichen Leistungen Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 283 f.; Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 735; zu einem Bruch der Theorie des ("klassischen") Gesetzesvorbehaltes als Vorbehalt für "Eingriffe in Freiheit und Eigentum" vgl. BVerfGE 40, 237, 249; 56, 1, 13, aber nur in bezug auf den "Parlaments-" nicht auf den "Total vorbehält"; ähnlich Maurer, VerwR, § 6, Rd. 13 ff; mehr zu dieser Auseinandersetzung bei Bleckmann, Subventionsrecht, S. 45 ff. 1367 Zur ganzen wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Problematik Gesetzesvorbehalt und Subventionierung: Jarass, in: NVwZ 1984, S. 473 ff. 1368 Die Auseinandersetzung über die Fragen, ob das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I, 28 I GG oder die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 II GG die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die eingreifende Subventionierung darstellen, kann hier dahingestellt bleiben. Hinsichtlich der Selbstverwaltungsgewährleistung für die Gemeinden aufgrund des Art. 28 II GG gilt dasselbe, was über die Errichtung der kommunalen Monopole dargelegt wurde (vgl. oben cc γ). Art. 28 II GG kann zwar die verfassungsrechtliche Grundlage für die kommunale Tätigkeit auch im Subventionswesen - das ist wohl umstritten aus der Sicht der Wesentlichkeitstheorie -, keinesfalls aber die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Gewährung grundrechtseingreifender Subventionen darstellen, da der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht den Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehalts einschränken kann - vgl. auch BSGE 67, 256, 264 f.; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 342 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Man muß zuerst die Frage, ob bei Eingriffen in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit durch Subventionierung der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt anzuwenden ist, bejahen 1369 . Diese Auffassung folgt dem grundrechtsdogmatischen Ansatz, wonach der Gesetzesvorbehalt immer dann als ausgelöst angesehen ist, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt 1 3 7 0 . Insoweit besteht kein Grund, den Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehalts auf die "klassischen" Grundrechtseingriffe zu beschränken 1371 . Fraglich bleibt nun, ob das Haushaltsgesetz i. V. m. dem Haushaltsplan diese Funktion erfüllt. Das BVerfG hat bisher zu der Frage nur einmal 1 3 7 2 anläßlich des spezifischen Problems der Pressesubventionierung 1373 Stellung genommen, wo es sich um die Frage der Anwendung des "Parlamentsvorbehalts" handelte 1374 . Die Rechtsprechung des BVerwG hat sich mit dem Thema schon früh befaßt. Abgesehen von der Frage, ob die Subventionierung einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellt, hat das Berliner Bundesgericht ausgeführt, daß neben dem förmlichen Gesetz auch jede parlamentarische Willensäußerung, insbesondere etwa die etatmäßige Bereitstellung der zur Subventionierung erforderlichen Mittel, als eine hinreichende Legitimation verwaltungsmäßigen Handelns angesehen werden möge 1 3 7 5 . Der Bundesgesetzgeber könne im Bereich seiner Gesetzgebungszuständigkeit (vgl. Art. 70 ff. GG) in dem Haushaltsgesetz die genannten Förderungsmittel bereitstellen und lediglich deren Verwendungszweck im Rahmen der Subvention umreißen, i m übrigen aber die Verteilung entsprechend dem Subventionszweck durch Erlaß von Richtlinien den Stellen vorbehalten, die kraft der Verfassung dazu berufen sind 1 3 7 6 . Diese Rechtsprechung wurde von einem Teil des Schrifttums angenommen 1377 , von einem anderen Teil, besonders dem neueren Schrifttum, aus mehreren Gesichtspunkten heftig kritisiert. Gemäß der hier vertretenen Position kann sie nicht überzeugen.

1369

Ebenso Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 218 (m. w. N.). So Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 91; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 597; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 216 f., 232. 1371 Vgl. dazu A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 253 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 598 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 218, 222, 232. 1372 Zu weitgehend Κ Bauer, in: DÖV 1983, S. 55. 1373 BVerfGE 80, 124, 132 (Pressesubventionierung). 1374 V g l a u c h BVerfGE 95, 267, 308 (Altkreditschulden), wonach bloße Vergünstigungen weniger strengen Gesetzlichkeitsanforderungen unterliegen würden. 1370

1375 BVerwGE 6, 282, 287; 58, 45, 48; BVerwG NJW 1977, S. 1839 - st. Rechtsprechung; zur Rechtsprechung der unteren Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte bzw. der Verwaltungsgerichtshöfe: Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 491, Fn. 36 (dort). 1376 BVerwGE 58, 45,48. 1377 ygj neulich Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 59; vgl. weitere Literatur dazu bei H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 53.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Selbst wenn man von der Frage der "Wesentlichkeitstheorie" 1378 und demzufolge von dem generellen und abstrakten Charakter des Haushaltsplans bzw. des Haushaltsgesetzes1379 absieht, kann das Haushaltsgesetz kein "Gesetz" i. S. d. Art. 1212 GG sein 1 3 8 0 , wenn die Subventionsforderung einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellt. Denn es ist nur ein formelles Gesetz 1381 und enthält keine allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften, sondern nur die verwaltungsinterne Ermächtigungsgrundlage für alle Staatsausgaben1382. Wegen des sog. Bepackungsverbotes (Art. 110 I V 1 GG) kann es keine Außenwirkung haben 1383 und Rechte oder Pflichten für die einzelnen erzeugen, die einklagbar sind (§ 3 I I HGrG), so daß niemand sich auf seine Vorschriften berufen darf, um solche Rechte zu begründen 1384 . Das bedeutet praktisch, daß man nicht nach § 42 I I VerwGO geltend machen darf, die aufgrund eines Verwaltungsaktes gewährte Subvention habe eigene Rechte verletzt, oder nach Art. 93 14 a GG i. V. m. § 90 I BVerfGG, man sei durch die öffentliche Gewalt bzw. den Bundesgesetzgeber in seinem Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG verletzt worden, weil der i m Haushaltsgesetz umrissene Verwendungszweck

1378

So aber H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 55 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 440. 1379 Argument von großer Bedeutung allerdings für Jarass, in: NVwZ 1984, S. 476; Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 21; vgl. auch die Ausführung Λ. Roths, S. 359 ff. 1380 Ygi fazu im allgemeinen und nicht nur zum Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 GG Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 83. Es ist allerdings fraglich, ob das BVerwG in dieser Rechtsprechung den Haushaltsplan i. V. m. dem Haushaltsgesetz in diesem Sinne gehandhabt hat. Man muß die Frage wohl eher verneinen - so auch Jarass, in: NVwZ 1984, S. 475; zu dieser Deutung auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 219. Das Gericht hat sich aus den bereits genannten Gründen mit der Frage nicht befaßt, als es geprüft hat, ob die Subventionsförderung einen Grundrechtseingriff bzw. -Verletzung nach der Methode des Gerichts (vgl. zu seiner Fehlmethode oben sub dd β αα ßßß) in die Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten darstellen kann. Der Gesetzesvorbehalt wird aber als Eingriffsvorbehalt verstanden und ist in erster Linie mit dem Grundrechtseingriff und nicht mit der -Verletzung verbunden. Ein Grundrechtseingriff ohne Gesetzesgrundlage ist eine Grundrechtsverletzung. Das zeigt noch mal, wie die Untersuchung des Gerichts fehlgegangen ist. 1381 Das Haushaltsgesetz ist der typische Fall eines förmlichen Gesetzes, das nicht materiell ist. 1382 BVerfGE 38, 121, 126; Haverkate, Subventionsrecht, in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 32 f.; vgl. aber anders Grosser, Die Spannungslage, S. 127 ff.; ders., in: BayVBl. 1983, S. 553 f. 1383 Vgl. BVerfGE 20, 56, 90 f. 1384 BVerfGE 38, 121, 126; BVerwG DÖV 1997, S. 732; vgl. auch H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 59; Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 491, der einen Widerspruch zwischen der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG bezüglich der Außenwirkung des Haushaltsplanes feststellt; Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 21 \ Kisker, ebenda, IV, § 89, Rd. 26; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 83; Haverkate, Subventionsrecht, in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 32; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 218.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

einer Subventionierung seine Wettbewerbsfreiheit verletze. Jegliche Verfassungsmäßigkeitskontrolle des Haushaltsgesetzes erschöpft sich in der abstrakten Normenkontrolle des Art. 93 12 GG i. V. m. § 76 BVerfGG 1 3 8 5 . Eine solche Rechtskonstruktion entspricht nicht dem Sinn des grundrechtlichen Gesetzesvorbehaltes bzw. des Gesetzesvorbehaltes des Art. 1212 GG und muß deswegen abgelehnt werden 1386 . Außerdem läßt das Haushaltsgesetz im Falle des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit durch Subventionierung nicht den Umfang und die Grenzen des Eingriffs, wie das BVerfG es verlangt 1387 , deutlich erkennen, was noch einen Grund für die Ablehnung der Judikatur des BVerwG darstellt 1 3 8 8 . Darüber hinaus sind die Argumente, die sich aus dem "Parlamentsvorbehalt" ableiten lassen, nicht bedeutungslos 1 3 8 9 . Vor allem die Grundrechtsrelevanz 1 3 9 0 der Subventionsförderung, entweder als Mittel für die Verwirklichung der Grundrechtsausübung für die Subventionierten 1391 oder als Mittel der Begünstigung, aber parallel auch der Wirtschaftslenkung i. S. d. Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit der Subventionierten, oder als Mittel der Begünstigung für den Subventionierten, aber auch als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit seiner 1385

So Kisker, in: HdDStR, IV, § 89, Rd. 27. So Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 83; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 218; ähnlich ist die Ausführung Papiers, in: DVB1. 1984, S. 810; weiterhin bezüglich des Art. 14 Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 166 ff. 1387 BVerfGE 82, 209, 224 (Krankenhausplan); 86, 28, 40 (Sachverständige). 1388 V g i a u c h Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 21, der davon ausgeht, daß von einer Gesetzesbindung der Exekutive keine Rede mehr sein könne; ähnlich Bleckmann, Subventionsrecht, S. 54 f.; H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 59; Grosser, in: BayVBl. 1983, S. 555; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1097; a. A. Stober, in: GewArch 1993, S. 146 f.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 7 I 2 a (statt aller). 1389 ygj BVerfGE 80, 124, 132 (Pressesubventionierung), wonach Entscheidungen über Pressesubventionen für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlich sein könnten, wenn mit der staatlichen Leistung entweder eine erhebliche Gefahr für die Staatsfreiheit und Kritikbereitschaft der Presse einhergehe oder wenn ohne eine solche Leistung die Aufrechterhaltung eines freiheitlichen Pressewesens nicht mehr gewährleistet sei. Es seien Subventionen möglich, bei denen derartige Gefahren nicht bestehen würden. Wegen des spezifischen Charakters der Pressesubventionen, angesichts dessen die Pressefreiheit nach Art. 5 I 2 GG in Betracht kommt, bleibt fraglich, ob diese Schlüsse analog auch für die anderen Subventionen vom BVerfG angewendet werden könnten. Dieses Pressesubventionierungs-Urteil des BVerfG bleibt jedenfalls ein Signal für die Anwendung des Parlamentsvorbehalts im Sub venti onswesen. 1390 Ygj c j a z u djg Rechtsprechung des BVerfG oben sub α ßß; hier statt aller BVerfGE 40, 237, 249. 1391 Vgl. BVerfGE 80, 124, 132 (Pressesubventionierung), wonach der Parlamentsvorbehalt angewendet werden soll, "wenn die Entscheidungen (über eine Subventionsförderung) Maßnahmen betreffen, ohne die der Grundrechtsgebrauch unmöglich ist oder beträchtlich erschwert wird oder von denen eine erhebliche Gefahr für die grundrechtlich gesicherte Freiheit ausgeht". 1386

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Konkurrenten, spricht für die Anwendung der "Wesentlichkeitstheorie" im Subventionswesen 1392 . Die Höhe der Subvention, ihre Auswirkung auf das vorhandene Wettbewerbsverhältnis und demgemäß die Intensität des Eingriffs 1393 in die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Marktsubjekte sind Kriterien, die bestimmen, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber selbst die Verantwortung trägt, wer gefordert werden und wer eventuell durch diese Förderung belastet werden soll 1 3 9 4 . Eine Delegation an den Verordnungsgeber nach Art. 80 I 1 GG ist nicht unzulässig, soweit die Maßstäbe des Satzes 2 dieses Artikels beachtet werden und der Kern des Parlamentsvorbehalts unberührt bleibt 1 3 9 5 . Die Kritik an dieser Position, daß der Gesetzgeber dadurch belastet werden könne, wenn er ausführlich über die Subventionspolitik der jeweiligen Regierung entscheiden müßte, betrifft die ganze "Wesentlichkeitstheorie". Wenn man aber, wie das BVerfG 1 3 9 6 , an dieser Doktrin festhalten will, kann man nicht au1392

So Papier, in: DVB1. 1984, S. 810; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 76; vgl. auch H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 57; Gündisch, in: NVwZ 1984, S. 491; Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 734; Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 24 in bezug auf einen erweiterten Eingriffsvorbehalt; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 440; vgl. auch Bleckmann, Subventionsrecht, S. 55, P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 388 f.; Maunz/Zippelius, Staatsrecht, § 12 III 4, die aber den Gesetzesvorbehalt nur auf die grundrechtseingreifenden Subventionen beschränken, ohne den Parlamentsvorbehalt zu erwähnen; differenzierend auch Schmidt-Aßmann, in: HdDStR, I, § 24, Rd. 65; Erichsen, in: Jura 1995, S. 553; a. A. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 7 I 2 a; ders., in: BB 1996, S. 1849; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 376 ff., die davon ausgehen, daß die vorhandene Rechtslage über die Subventionsgewährungen, wie die Rechtsprechung des BVerwG bestimmt hat, die Maßstäbe der "Wesentlichkeitstheorie" des BVerfG erfülle; ähnlich Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 256; undeutlich Schnapp, in: vM/K, Art. 20, Rd. 44 einerseits und Rd. 45 andererseits. 1393 Man darf nicht zu dem Schluß kommen, daß der Parlamentsvorbehalt für Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit im Sinne des Winzergenossenschaftensubventionierungs-Urteil - BVerwGE 30, 191 ff. - angewendet werden soll. So aber unzutreffend Jarass, in: NVwZ 1984, S. All. In dem hier gemeinten Sinne darf man auch die Darlegung Baduras, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht Rd. 48, verstehen, daß bei einer Subventionierung mit berufsregelnder Tendenz das Gesetz Auswahlgesichtspunkte und Auswahlverfahren (seil: "wesentliche" Fragen) in der Weise regeln müsse, die der Eingriffsintensität Rechnung trage. 1394 Ygj Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 735, der zusätzlich auch den Zweck der Subventionen, den Empfängerkreis, die Zuweisungen von Kompetenzen und die Kontrolle der Verwendung als Gegenstand der Subventionsgesetze erwähnt; kritisch zu einer zu weiten Ausdehnung des Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalts in Subventionswesen H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 58; weiterhin Haverkate, Subventionsrecht, in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 39. 1395 H. Bauer, in: DÖV 1983; Grosser, Die Spannungslage, S. 106 ff.; ders., in: BayVBl. 1983, S. 555; Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 753; Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 76; vgl. auch, allgemein über die Geltung der Delegationsermächtigung des Art. 80 I GG in bezug auf die sog. faktischen und mittelbaren sowie nicht gezielten Grundrechtseingriffe W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 604 ff. 1396 Vgl. relativ neulich BVerfGE 82, 209, 224 (Krankenhausplan); 86, 28, 40 (Sachverständige).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ßer acht lassen, daß das Subventionswesen mindestens teilweise in den Anwendungsbereich des "Parlamentsvorbehalts" fallt. Die Kritik, daß die Verwaltungstätigkeit dadurch gelähmt werden könne, insbesondere in Fällen, in denen eine Subventionsförderung unvorhersehbar dringend ist, aber mangels eines Gesetzes nicht verwirklicht werden kann, kann durch den Erlaß eines allgemeinen Subventionsgesetzes1397, das u. a. auch solche Fälle vorsehen kann, überwunden werden. Man muß hier hervorheben, daß nach der Konzeption der "Wesentlichkeitstheorie" der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, alle Einzelheiten des Subventionswesens selbst zu regeln, sondern nur seine "wesentlichen" Fragen 1398 . Soweit aber die "unwesentlichen" oder die "unvorhersehbaren" Angelegenheiten mit Grundrechtseingriffen verbunden sind, gilt der Gesetzesvorbehalt im Sinne einer zwar erweiterten Tätigkeit der Verwaltung, aber immer noch im Rahmen einer gesetzgeberischen Ermächtigung 1399 . Der Parlamentsvorbehalt soll den Grundrechtsschutz verstärken und nicht eindämmen 1400 . Die Wesentlichkeitstheorie darf nicht so verstanden werden, daß sie den Anwendungsbereich des Vorbehalts des Gesetzes nur noch auf "wesentliche Eingriffe" beschränkt 1401 . Die Nicht-Geltung des Parlamentsvorbehalts befreit nicht von der Anwendung des grundrechtlichen (Eingriffs-)Gesetzesvorbehalts. Er überläßt aber für die "unwesentlichen" Fragen der Exekutive einen weiteren Ermessensspielraum. Gleiches gilt für die Meinung, die die Anwendung des Gesetzesvorbehalts für atypische und nicht finale Grundrechtseingriffe, wie die durch Subventionen, mit dem Argument ablehnt, daß die Verwaltung, weil sie nicht den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit bezweckt, ihn nicht vorhersehen könne 1 4 0 2 . Ein

1397

Den Erlaß eines solchen Gesetzes unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, sogar neben den Spezialgesetzen, befürwortet H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 58; vgl. auch die Vorschläge zur Reform des Subventionsrechts des 55. Deutschen Juristentags bei Haverkate, Subventionsrecht, in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 36; sowie ders., a. a. 0., Rd. 38; differenzierend Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 83; a. A. dagegen Jarass, in: NVwZ 1984, S. 476. 1398

H. Bauer, in: DÖV 1983, S. 58.

1399 ygj dazu am Beispiel der Spielbankenkonzessionierung BVerwGE 96, 302, 310 f. (Spielbanken). 1400 Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 40, 46; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 128; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 288. 1401 So zutreffend Gassner, Kriterienlose, S. 77. 1402 Allgemein über nicht finale Grundrechtseingriffe: Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 94; Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 537; Erichsen, in: Jura 1995, S. 552; konkret über Eingriffe durch Subventionierung: Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 103; Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 44 f.; Isensee, in: HdDStR, V, §111, Rd. 68, 70; Stober, in: GewArch 1993, S. 144; insbesondere über Subventionen: Bleckmann, Subventionsrecht, S. 54, mit der Einschränkung, daß der Gesetzesvorbehalt nur für solche Grundrechtseingriffe aus Subventionen nicht gelte, die nicht vorausseh-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Eingriff durch Subventionierung ist immer möglich, und die Verwaltung muß immer damit rechnen, selbst wenn ihre Förderung in der Tat keinen Grundrechtseingriff dargestellt hat; im Falle des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit des geförderten Unternehmers kann sie ihn jedoch nicht nur regelmäßig vorhersehen, sondern bezweckt ihn vielmehr 1 4 0 3 . Solche Probleme können allenfalls, abgesehen von der Anwendung der "Wesentlichkeitsdoktrin", durch ein allgemeines Subventionsgesetz vermieden werden. Außerdem kann die Gewährung solcher Subventionen in überraschend auftretenden Notfällen, wie ζ. B. Naturkatastrophen usw., normalerweise nicht den grundrechtlichen Schutzbereich anderer Grundrechtssubjekte, wie ζ. B. der Konkurrenten der Subventionierten, berühren und demgemäß keinen Eingriff in ihre Wettbewerbsfreiheit darstellen, so daß ein Gesetz nicht erforderlich wäre 1 4 0 4 .

ßßß) Gesetzesvorbehalt und "Eingriffe durch öffentlichen Wettbewerb" Die bereits dargelegten Schlüsse in bezug auf die Einbeziehung der Wettbewerbsfreiheitseingriffe durch Subventionierung in den Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalt i. S. d. Art. 1212 GG gelten auch für die Problematik der sog.

bar seien; differenzierend A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 178, 353 f., 366 ff., der auf den S. 184 f. den Grundrechtsschutz vor faktischen, ungezielten und atypischen Eingriffen von der Vermittlung des Gesetzes entbindet und von einer Modifikation des Gesetzesvorbehalts für sie spricht; dagegen Ramsauer, Die faktische Beeinträchtigungen, S. 102 f., der die Vorhersehbarkeit als Kriterium für die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns für untauglich hält; für die Anwendung des Gesetzesvorbehalts für alle "nicht klassischen" Grundrechtseingriffe sprechen W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 599 f., und Sachs, in: ders., GG-K, Vor Art. 1, Rd. 80. 1403 j7s j s t umstritten, ob die Problematik der Geltung des Gesetzesvorbehalts nach der Subventionsgewährung analog auch die Subventionsgewährung nach der sog. Zweistufentheorie bzw. durch einen öffentlich- oder privatrechtlichen Vertrag betrifft, die häufig Grundrechtseinschränkungen für den Subventionierten enthalten. Die Frage hängt zunächst davon ab, ob man einen Grundrechtseingriff durch Einwilligung (Vertragsabschluß) annimmt. Ist das nicht der Fall, erübrigt sich die Diskussion über die Anwendung des Gesetzesvorbehalts - vgl. die Autoren, die einen solchen Eingriff ablehnen: oben sub dd β αα ßßß. Sieht man aber in der Subventionierung durch Vertrag trotz der Einwilligung einen Grundrechtseingriff, dann wird die Frage aufgeworfen, ob dieser Eingriff durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes gerechtfertigt werden soll - so Bleckmann, Subventionsrecht, S. 55; Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 734; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 346 ff. - oder ob der betroffene Subventionsempfänger durch den freiwilligen Vertragsabschluß auf seine Wettbewerbsfreiheit verzichtet hat - vgl. allgemein zu einem solchen Grundrechtsverzicht durch Vertragsabschluß mit der öffentlichen Hand BVerwGE 42, 331, 335 (Folgekostenvertragsfall); VGH Mannheim VB1BW 1984, S. 379; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 184 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 918; Röhl, in: VerwArch 1995, S. 577; vgl. ferner zum Problem des Grundrechtsverzichts Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rd. 24 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 146. Diese Untersuchung soll hier dahingestellt bleiben. 1404

Vgl. dazu Maurer, VerwR, § 6, Rd. 15.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Eingriffe durch öffentlichen Wettbewerb. Ebenso wie im Subventionswesen schließt die Tatsache, daß die öffentliche Hand bzw. ihre Fiskalate mit ihrer Teilnahme am privaten Wettbewerb nicht bezwecken, die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktteilnehmer zu beeinträchtigen, die Anwendung des Gesetzesvorbehaltes nicht aus, jedenfalls soweit diese öffentliche Teilnahme am privaten Wettbewerbsmarkt einen Eingriffscharakter für die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktsubjekte hat 1 4 0 5 1 4 0 6 . Die Nicht-Vorhersehbarkeit des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit darf prinzipiell keine Rolle spielen 1407 . Das betrifft sowohl die sozial- als auch die erwerbswirtschaftliche Konkurrenztätigkeit. Das Sozialstaatsprinzip (Art. 201, 28 I GG) und die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 I I GG) können die Anwendung des Gesetzesvorbehalts nicht ausschließen1408. Die Anwendung des Parlamentsvorbehalts hat eine nicht geringe Bedeutung. Denn die Teilnahme des Staates in irgendeiner Organisations- und Handlungsform am wirtschaftlichen Wettbewerb ist eine Sache von großer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung, so daß sie ggf. in den Anwendungsbe-

1405

So auch LG Bremen NJW 1988, S. 842; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen,

S. 106 f.; Badura, in: FS Schlochauer, S. 22; ders., in: ZHR 1982, S. 462; ders., in: FS

Steindorff, S. 853 f.; ders.,Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 113; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 454 ff; Emmerich, in: AG 1985, S. 295; Schachtschneider,

Staatsunternehmen, S. 253 f.; Ronellenfitsch,

in: HdDStR, III, § 84, Rd. 38; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1097; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 330; Krölls, in: GewArch 1992, S. 284; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23, Rd. 11; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, S. 761; Gaa, in: WRP 1997, S. 838, begrenzt auf die schlicht hoheitliche Wirtschaftstätigkeit; außerdem LG Bonn GewArch 1998, S. 153; vgl. auch Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 123; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 528 ff, die die Anwendung des Gesetzesvorbehaltes für die öffentliche wirtschaftliche Betätigung im Art. 20 III GG und dem Rechtsstaatsprinzip begründen; zu allgemein Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 134 f., der für die wirtschaftliche Betätigung des Bundes § 65 BHO für eine hinreichende gesetzliche Grundlage hält; kritisch dazu Badura, in: ZHR, a. a. O., Fn. 48 (dort); ders., in: FS Steindorff, S. 854, der zutreffend die Vorschriften des BHO als gesetzliche Grundlage für Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit für genauso wenig hinreichend hält wie die Vorschriften des Haushaltsplanes; genauso Emmerich, in: AG 1985, S. 295; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 132; skeptisch auch Krölls, in: GewArch 1992, S. 284; gegen die Anwendung des Gesetzesvorbehalts Gusy, in: JA 1995, S. 253. 1406 £ j n e Erweiterung des Gesetzesvorbehaltes, auch auf die nicht grundrechtseingreifende wirtschaftliche Tätigkeit, kann nur aufgrund der Annahme eines "Totalvorbehaltes" oder der "Wesentlichkeitstheorie" zweckmäßig sein; ablehnend Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 38. 1407 So und noch kategorischer sogar Ehlers, in: JZ 1990, S. 1097; differenzierend Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 236 ff. 1408 Vgl. zum Sozialstaatsgebot Badura, in: DÖV 1989, S. 494; zum Art. 28 II GG BSGE 67, 256, 265; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 48; a. A. hinsichtlich des Art. 28 II GG Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 123; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 528, 530.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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reich des Parlamentsvorbehalts fällt 1 4 0 9 . Ausmaß und Bedingungen der Teilnahme 1410 , Einfluß auf die Wettbewerbslage, sozialpolitischer und -staatlicher Charakter 1411 sind Kriterien, die zweifelsohne die Bindung des Gesetzgebers an die "Wesentlichkeitstheorie" bestimmen. Es muß auch an dieser Stelle betont werden, was bereits über den Gesetzesvorbehalt für die Subventionierung ausgeführt wurde 1412 , nämlich daß der Gesetzgeber nicht alles regeln muß und die "nicht wesentlichen" Sachen, die die öffentliche wirtschaftliche Betätigung angehen, bloß durch ein allgemeines Gesetz festlegen kann 1413 . Die ausdrückliche Regelung ihres Zwecks und Gegenstandes in diesem allgemeinen Gesetz ist nicht erforderlich 1414 . A u f jeden Fall kommt es auf die Intensität des Grundrechtseingriffs an 1 4 1 5 . Für die Anwendung des Parlamentsvorbehalts auf kommunaler Ebene gilt mutatis mutandis, was bereits über die Errichtung kommunaler Monopole dargelegt wurde 1416 . Außerdem findet die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde meistens im Rahmen der verschiedenen Gemeindeordnungen der Länder statt, die als Landesgesetze gelten und den Rahmen für die kommunale wirtschaftliche Betätigung bestimmen (vgl. § 102 GemO BadenWürttemberg 1417 , § 89 I I I 3 BayGemO i. d. F. v. 05. 12. 1973 1418 , §§ 181, 88

1409

Vgl. auch Badura, in: FS Schlochauer, S. 23; ders., in: FS Steindorff, S. 854 f.;

Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, §3, Rd. 43; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 456;

Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 123; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 528; MeyerArndt, in: ZUM 1996, S. 761; skeptisch Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 43 f.; a. A. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 135; Ronellenfitsch, in: HdDStR, III, § 84, Rd. 38, der davon ausgeht, daß die "Wesentlichkeitstheorie" ihre Aufgaben erfüllt habe und deswegen verabschiedet werden könne. Außerdem falle die Führung wirtschaftlicher Unternehmen in den Aufgabenbereich der Exekutive; in diese Richtung ebenso Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 256; skeptisch auch Ehlers, in: JZ 1990, S. 1097. 1410 Vgl. dazu Ehlers, in: JZ 1990, S. 1097. 1411 Damit wird klar, daß die sozialwirtschaftliche Betätigung, besonders im Bereich der Daseinsvorsorge, mehr in den Anwendungsbereich des Parlamentsvorbehalts fällt als die erwerbswirtschaftliche. Das ist der Fall bei Gesetzen, die die Errichtung öffentlicher Unternehmen in der Organisationsform des Privatrechts vorsehen und ihnen öffentliche Aufgaben zuweisen, wie ζ. B. das EnergieG, das LuftVG usw. - vgl. auch Badura, in: FS Schlochauer, S. 23. 1412 s. oben sub ααα. 1413 Vgl. auch im Ergebnis Schmittat, in: ZHR 1984, S. 445. Ein solches Gesetz kann nach Badura, in: FS Steindorff, S. 855, der § 98 I GWB sein; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 239, befürwortet die Generalklauseln und die unbestimmten Rechtsbegriffe des Wirtschaftsrechts. 1414 Y g ] a u c h Q a i i w a S t Faktische Beeinträchtigungen, S. 106 f.; a. A. Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 124; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 242 f. 1415 So auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 240, unter Anlehnung an die Wesentlichkeits-Rechtsprechung des BVerfG. 1416 s. oben sub αα ßßß. 1417 V g l V G H Mannheim GewArch 1994, S. 464 ff. - § 102 GemO Bad.-Württ. als hinreichende Gesetzesgrundlage für die Beteiligung einer Gemeinde an einer KG mit

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

GemO Nordrhein-Westfalen, § 108 GemO Niedersachsen, § 85 I GemO Baden« Württemberg i. d. F. v. 25. 07. 1955 1419 usw.). Eine Delegation nach Art. 80 I GG kann auch in Betracht kommen 1420 . Schließlich gelten für bestimmte Bereiche, wie ζ. B. den Eisenbahnverkehr, das Postwesen und die Kommunikation, jeweils die aufgrund des GG bestimmten (institutionellen) Gesetzesvorbehalte der Art. 87 e, 87 f (vgl. auch Art. 87 I I I 1 GG) 1 4 2 1 . Nach alledem wurden zu Recht § 30 I SGB IV und § 182 RVO vom BGH 1 4 2 2 als nicht hinreichende Gesetzesgrundlagen für die Selbstabgabe von Brillen seitens der Krankenversicherungsträger betrachtet, weswegen die Selbstabgabe auch untersagt wurde. Ohne gesetzliche Grundlage wurde auch eine aktuelle Dokumentation zum Fahrradverkehr als Öffentlichkeitsarbeit von einer Bürgerschaftsaktion kostenlos verteilt, wodurch verfassungsrechtlich unzulässigerweise in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerbsteilnehmer eingegriffen wurde 1423 . Dagegen reichte § 32 des preußischen Gesetzes die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten betreffend v. 25. 07. 1910 (Sozietätengesetz) als Gesetzesgrundlage für die Teilnahme einer sogar mit Monopolrechten ausgestatteten öffentlichen Feuerversicherungsanstalt für einige Teilbereiche der Feuerversicherung am einschlägigen Wettbewerbsmarkt 1424 aus. Im Hinblick auf die "Wesentlichkeitstheorie" kann man sich fragen, ob § 2 I lit. a des Gesetzes über die Errichtung von Landwirtschaftskammern im Lande Nordrhein-Westfalen v. 11. 02. 1949 i. V. m. § 2 I lit. a der Satzung der Landwirtschaftskammer für ih-

Industriemaklertätigkeit, obwohl der Gerichtshof, von der in der Rechtsprechung h. M. ausgehend, darin keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit privater Wettbewerbsteilnehmer gesehen hat; bestätigt durch BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler). 1418 Vgl. BVerwG NJW 1978, S. 1539 f. - § 89 III 3 BayGemO als Grundlage für die kommunale Wohnungsvermittlung. 1419 Vgl. BVerwGE 39, 329 ff. (kommunales Bestattungsunternehmen) - die betroffene Vorschrift als Grundlage für die Teilnahme einer Gemeinde am Bestattungswesen; das Gericht hat die Frage anders gelöst. 1420 So auch Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 109. 1421 ygj m e h r dazu bei Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 133 f.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 526 ff. 1422

BGHZ 82, 375, 391 (Selbstabgabestelle). Vgl. LG Bremen NJW 1988, S. 842, wo als einziges Mal bisher gerichtlich ein "Eingriff durch öffentlichen Wettbewerb" anerkannt wurde, der sogar "legitimationsbedürftig" war; die mangelnde gesetzliche Legitimation des Eingriffs aber wurde vom Gericht mit dem zweifelhaften Argument des Demokratieprinzips des Art. 20 I GG geheilt, das die erforderliche Legitimationsgrundlage für den festgestellten Eingriff in die Wettbewerbsfähigkeit sein sollte. 1424 Ygj BVerwGE 17, 306, 307 (Mobiliarfeuerversicherung), wonach das Gericht die gerügte Vorschrift als eine zulässige Beschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG angesehen hat, nicht aber der Wettbewerbsfreiheit, die es unzutreffend in Art. 2 I GG verortet hat. 1423

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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re Tätigkeit im Pferdegesundheitsdienst und demzufolge im betroffenen Wettbewerb mit privaten Tierärzten 1425 als eine ausreichende Regelung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des öffentlichen Wettbewerbs angesehen werden kann. Man muß die Frage bejahen. Diese Art von Wettbewerb kann nicht als "wesentlich" im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG betrachtet werden, so daß vom Gesetzgeber nicht verlangt werden kann, selbst eine Regelung zu treffen.

γγγ) Gesetzesvorbehalt und "Eingriffe durch Information und Warnung" Der Gesetzesvorbehalt nach Art. 1212 GG muß auch für diese Art von Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit gelten 1426 , da diese Grundrechtseingriffe im Gegensatz zu der Subventionierung und dem öffentlichen Wettbewerb oft gezielt und grundsätzlich voraussehbar sind 1427 . Diesen Schluß hat das BVerwG in seinem sog. Transparenzlisten-Urteil 1428 richtig erkannt und mangels einer gesetzlichen Regelung die Veröffentlichung der umstrittenen Transparenzliste des Gesundheitsministeriums als rechtswidrigen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Unternehmer aus Art. 121 GG behandelt und als Grundrechtsverletzung untersagt. Nicht zu demselben Schluß ist indes das BVerwG in seinem sog. Diethylenglykolwein (DEG)-Urteil 1429 gekommen. Wie sich bereits gezeigt hat, hat das Gericht dort keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der durch die Veröffentlichung der umstrittenen Liste geschädigten Weinproduzenten, deren Weine auf der Liste standen, festgestellt. Denn durch die Veröffentlichung der Liste habe die Bundesregierung ihre in der Verfassung verankerte Befugnis zur verantwortlichen Leitung des Ganzen der inneren und äußeren Politik und ihre grundrechtliche Schutzpflicht ausgeübt 1430 . Deswegen wurde eine gesetzliche Regelung nicht als erforderlich betrachtet.

1425 V g i V G Münster NVwZ 1982, S. 522 f. (kommunale tierärztliche Tätigkeit), wonach das Gericht in Konformität mit der verwaltungsgerichtlichen Judikatur in dieser öffentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Tierärzte angenommen hat. 1426 Zu der ganzen wissenschaftlichen Auseinandersetzung darüber Λ. Roth, Verwaltungshandeln, S. 237 ff. 1427 So auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 68; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 180 f. 1428 BVerwGE 71. 183, 198 f. 1429 BVerwGE 87, 37 ff. 1430 BVerwGE 87, 37,46; vgl. die Kritik an dieser Position oben sub dd δ yy.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Zwischen den beiden Urteilen steht das sog. Jugendsekten-Urteil 1431 , wo das Gericht einem Mittelweg gefolgt ist. Es hat zwar zum einen im Gegensatz zum Diethylenglykolwein-Urteil durch die öffentliche Warnung der Bundesregierung vor der Bewegung der "Transzendentalen Meditation" (TM) oder der sog. "Jugendsekten" einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 11 G G 1 4 3 2 sowie in die Religions- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 I G G 1 4 3 3 anerkannt 1434 , hat zum anderen aber in der Intervention der Bundesregierung als Organ der Staatsleitung 1435 , genauso wie i m DEG-Urteil, eine aus der Verfassung (vgl. Art. 65 GG) unmittelbar hergeleitete Aufgabenstellung und die Befugnis zur Information und Aufklärung der Öffentlichkeit gesehen 1436 , die die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates verwirklichen, die Menschenwürde sowie das Leben und die körperliche Unversehrtheit der von der Tätigkeit dieser Sekten gefährdeten Bürger zu schützen 1437 . Aus diesen Gründen sei eine detaillierte gesetzliche Regelung praktisch nicht möglich und daher verfassungsrechtlich nicht geboten 1438 . Das BVerfG hat durch einen Beschluß der 1. Kammer des Ersten Senats 1439 das Jugendsekten-Urteil des BVerwG i m Prinzip und im Ergebnis bestätigt. Es hat zwar die Einschlägigkeit des Persönlichkeitsrechts abgelehnt - eine Frage, die hier irrelevant ist -, einen Eingriff aber durch die öffentliche Warnung in die nach Art. 4 I GG geschützte Religions- und Weltanschauungsfreiheit der Beschwerdeführer doch anerkannt. Es hat, genauso wie das BVerwG, die Maßnahme der Bundesregierung als Ausübung einer staatlichen Schutzpflicht behandelt sowie als verfassungsrechtliche "Befugnis ... gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen sowie Empfehlungen oder Warnungen auszusprechen", die einer detaillierten und praktisch kaum möglichen gesetzlichen Regelung nicht bedürften 1440 .

1431

BVerwGE 82, 76 ff. BVerwGE 82, 76, 79. 1433 BVerwGE 82, 76, 82 ff. Man muß hier darauf hinweisen, daß das Gericht auf S. 82 ausdrücklich die Menschenwürde aus Art. 1 I GG und die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG als Grenzen der Rechte aus Art. 4 I GG bezeichnete. Demnach sollte ein Eingriff in eine grundrechtlich nicht geschützte Position ausgeschlossen sein. Trotzdem ergibt sich aus dem ganzen Zusammenhang, daß das BVerwG in der öffentlichen Warnung einen Eingriff in die Religions- und Bekenntnisfreiheit des Art. 4 I GG angenommen hat. 1434 Zu diesem Schluß kommt, wie hier, auch A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 246. 1435 Vgl. auch BVerwGE 90, 112, 123 (Osho); BVerwG NVwZ 1994, S. 162 f. 1436 BVerwGE 82, 76, 80 (Jugendsekten). 1437 BVerwGE 82, 76, 82 f.; ebenso OVG Münster NJW 1996, S. 2114; OVG Münster NJW 1996, S. 3355 f. 1438 BVerwGE 82, 76, 80 f.; vgl. auch BVerwG NVwZ 1994, S. 163; vgl. zu dieser Einschätzung des Jugendsekten-Urteils auch Gusy, in: JZ 1989, S. 1004. 1439 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3269 ff. 1440 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270. 1432

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

21

Aus diesen Entscheidungen 1441 der beiden Bundesgerichte ergeben sich sehr wichtige Schlüsse, die die Frage der Geltung des Gesetzesvorbehalts angehen: Der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt bzw. der Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 GG gilt im Prinzip für informelle Maßnahmen der Exekutive 1 4 4 2 als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit der Grundrechtsbindung der Exekutive 1 4 4 3 nach Art. 1 I I I GG und den berührten Grundrechten 1444 sowie des eingreifenden Charakters dieser Maßnahmen 1445 . Aus dem Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehalts werden aber diejenigen Maßnahmen ausgeklammert, die eine kraft Verfassung hergeleitete Befugnis für die Bundesregierung als Organ der Staatsleitung begründen sowie eine grundrechtliche Schutzpflicht realisieren 1446 . Doch diese Rechtsprechung bedeutet nicht nur die Abschiednahme vom Parlamentsvorbehalt in diesem Bereich, wie die Rechtsprechung des BVerfG ihn festgelegt hat, sondern auch vom Gesetzesvorbehalt 1447. Das BVerwG greift auf die Funktion der Bundesregierung als Organ der Staatsleitung zurück, und das BVerfG, obwohl es diesen Ausdruck nicht erwähnt, bestätigt dies i m Grunde genommen. Daraus kann man schließen, daß sie in diesem Bereich eine Art von Regierungsvorbehalt annehmen 1448 . Zu diesem Ergebnis des Regierungsvorbehalts kommt man durch die Aussage beider Gerichte, so daß ein Gesetzesvorbehalt für solche Fälle praktisch unmöglich ist.

1441

Die sog. Jugendsekten-Rechtsprechung der beiden Gerichte bezieht sich auf Grundrechtsgüter, die fur die Wettbewerbsfreiheit irrelevant sind. Sie betrifft aber die systematische Annäherung der hier erörterten Fragen des "Eingriffs durch Information und Warnung" sowie seine Beziehung zu dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, weshalb ihre kurze Darstellung zweckmäßig war. 1442 So BVerwGE 82, 76, 77 ff. (Jugendsekten); 87, 37, 42 (Diethylenglykolweine). 1443 Unter Exekutive versteht man hier Regierung und Verwaltung; vgl. BVerwG NVwZ 1994, S. 163, wonach die Unterscheidung zwischen Regierungs- und Verwaltungstätigkeit als solche hierfür ohne Bedeutung sei. "Das schließt nicht die Annahme aus, daß eine besondere gesetzliche Handlungsermächtigung um so eher erforderlich wird, je nachhaltiger die Regierung ihre Äußerungen als Instrument zur Durchsetzung bestimmter Verwaltungsziele einsetzt oder - anders ausgedrückt - je eindeutiger sich die Äußerungen in das herkömmliche Eingriffsinstrumentarium der Verwaltung als weiteres Handlungsmittel einfügen". 1444 So BVerwGE 90, 112, 122 (Osho). 1445 Vgl. BVerwGE 71, 183, 190 ff. (Transparenzlisten); 82, 76, 79 (Jugendsekte). 1446 Vgl. zu dieser Einschätzung auch Gusy, in: JZ 1989, S. 1004. Das wird in BVerwGE 90, 112, 123 (Osho) eindeutiger. Das Verwaltungsgericht sieht in der Aufklärungstätigkeit der Bundesregierung als Organ der Staatsleitung eine verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung. 1447 V g i a u c h Di s c h e r . y in; j u s 1993, S. 469; Stern, Staatsrecht III/2, S. 638, der zu Recht für den betreffenden Fall nicht nur einen Verzicht auf den Gesetzesvorbehalt, sondern auch auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung feststellt; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 176. 1448 Vgl. zum Begriff Ossenbühl, in: HdDStR, III; § 62, Rd. 54; BVerfGE 68, 1, 87 (Raketenstationierung).

22

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Kann der Gesetzgeber nach der höchstrichterlichen Judikatur aus praktischen Gründen nicht tätig werden, dann darf die Regierung als Organ der Staatsleitung als einzig verantwortliche eingreifen 1449 . Diese Rechtsprechung ist sehr bedenklich. Abgesehen von dem die Beziehung zwischen Grundrechtseingriff und staatlicher Schutzpflicht treffenden Fehlschluß des Diethylenglykolwein-Urteils 1450 scheint es schwierig, einen solchen Regierungsvorbehalt anzunehmen, insbesondere wenn er die Ausübung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates betrifft. Das Gewaltenteilungsprinzip aus Art. 20 I I 2 GG und das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 I I I GG i. V. m. den Grundrechten stehen im Weg 1 4 5 1 . Das ist nicht nur deshalb der Fall, weil ein "allgemeiner Regierungsvorbehalt" dem deutschen Staatsrecht fremd ist 1 4 5 2 (Argument aus dem Gewaltenteilungsprinzip), sondern auch weil die Ausübung der Befugnis der Bundesregierung als Organ der Staatsleitung sowie darüber hinaus dem Genügen ihrer grundrechtlichen Schutzpflicht nicht den Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehalts einschränken kann 1453 . Die Bundesregierung hat zwar die Befugnis zur verantwortlichen Staatsleitung, und an die grundrechtlichen Schutzpflichten sind wohl neben dem Gesetzgeber die Exekutive sowie die Judikative gebunden 1454 . Die Leitungsbefugnis und die Schutzpflicht aber betreffen den Tatbestand der Aufgabe des Staates1455 und 1449 Vgl. auch die Argumentation von Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 186 f., die zwar nicht auf das Argument des "Regierungsvorbehalts" kommt, er lehnt aber die richterliche Ansicht ab, daß die Bundesregierung aufgrund der Verfassung als Organ der Staatsleitung legitimiert sei, Informationen, Empfehlungen und Warnungen, die Grundrechtseingriffe darstellen, zu veröffentlichen. 1450 s. oben sub dd δ γγ. 1451 Y g i a u c h Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 223, der darüber hinaus auch das Demokratieprinzip miteinbezieht. 1452 So Ossenbühl, in: HdDStR, III, § 62, Rd. 54, der den Regierungsvorbehalt auf die Bereiche der internen Willensbildung der Regierung und der Außenpolitik sowie der Personalhoheit und den Initiativbereich der Regierung begrenzt. Was die Außen- bzw. Verteidigungspolitik der Bundesregierung anbelangt, sollte man diese Aussage unter einem anderen Blickwinkel nach der BVerfGE 90, 286, 381 (Bundeswehreinsatz) betrachten, wenn das BVerfG den Parlamentsvorbehalt zuungunsten des bisherigen Entscheidungsmonopols der Regierung über solche Fragen auf den Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Hoheitsgebiets der BRD nach Art. 87 a II GG i. V. m. Art. 24 II GG ausgedehnt hat. 1453 Im Prinzip kann man diese Aussage auf die Sicht der sog. Wesentlichkeitstheorie des BVerfG umkehren und theoretisch eine Regelung von dem Gesetzgeber selbst verlangen, weil die Realisierung der grundrechtlichen Schutzpflicht "wesentlich" im Sinne dieser Rechtsprechung ist, soweit sie "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" ist - vgl. BVerfGE 47, 46, 79; 57, 295, 320 f.; 58, 257, 268 f. - vgl. dazu A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 271 ff. 1454 Vgl. unten sub VI 2 b aa. 1455 \ y e n n man die betreffende Rechtsprechung richtig interpretieren will, stellt genauer gesagt die Befugnis als Leitungsorgan des Staates die Ermächtigung und die grundrechtliche Schutzpflicht die Verpflichtung bzw. den Zwang zum Handeln dar - so

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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nicht die normative Grundlage für die Ausübung dieser Aufgaben 1456 . Letztere bezieht sich nach wie vor auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und seiner speziellen Form des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts (Argument aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt). Deshalb gilt der Gesetzesvorbehalt auch für solche Grundrechtseingriffe in die Wettbewerbsfreiheit 1457 . Dieser muß nicht unbedingt die Form eines spezifischen und ad hoc geltenden Gesetzes haben, die Generalklauseln der vorhandenen Gesetze des Lebensmittel- und Arzneimittelrechts oder, falls sie allein nicht ausreichend sind, des Polizei- und Ordnungsrechts können ausreichen 1458 . Für schlicht-hoheitliche Grundrechtseingriffe ist die Einschränkung

BVerfG NJW 1989, S. 3270; BVerwGE 82, 76, 80 ff. (Jugendsekte); 87, 37, 46 f. (Diethylenglykolweine). 1456 Vgl. auch in diese Richtung Gusy, in: JZ 1989, S. 1004 f.; Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 550; Schock, in: DVB1. 1991, S. 673; Muckel, in: JA 1995, S. 347; Erichsen, in: Jura 1995, S. 552 (m. w. N. in der Fn. 38); Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 195 ff., 206; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 227; vgl. auch ablehnend A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 238 f. 1457 Zu diesem Ergebnis auch Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 38 ff.; ders., Produktkennzeichnung, S. 41 f.; Dolde, Behördliche Warnungen, S. 21; Sodan, in: DÖV 1987, S. 865; Schulte, in: DVB1. 1988, S. 519; Zuck, in: MDR 1988, S. 1022; Gusy, in: JZ 1989, S. 1005; R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 202 f.; Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 537, 550, 553 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 367; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 672; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 249 f., 255 f.; vgl. auch auf den S. 244 ff. seine ganze Argumentation; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 68; Discher, in: JuS 1993, S. 469; Stern, Staatsrecht III/2, S. 638; Erichsen, in: Jura 1995, S. 552; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 180 ff.; M. Böhm, in: JA 1997, S. 796 f.; Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1030; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 222 ff. Diese Auffassung scheint der VGH Kassel GewArch 1995, S. 417, vollkommen zu übernehmen, wobei er § 120 d GewO als gesetzliche Grundlage für einen Eingriff durch Warnung in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit richtigerweise gehandhabt hat. Der Grundrechtseingriff wurde durch ein Gutachten dargestellt, das das hessische Arbeitsministerium sich durch Wiedergabe zu eigen gemacht hat, daß ein Bauaufzug absturzgefährlich und damit gefährdend für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Baustellenarbeiter gewesen sei; vgl. auch inzwischen als gesetzliche Grundlage für solche Warnungen § 6 I 2 Gerätesicherungsgesetz i. d. F. v. 23. 10. 1992 (BGBl. I, 1793). 1458 ygj auch ^ Philipp, Verbraucherinformationen, S. 209 ff., insbesondere S. 214 ff.; Sodan, in: DÖV 1987, S. 865 f.; Gusy, in: JZ 1989, S. 1005; Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 555; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 253; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 368 f.; Discher, in: JuS 1993, S. 467; Maurer, VerwR, § 15, Rd. 10; Muckel, in: JA 1995, S. 347; Erichsen, in: Jura 1995, S. 552; M. Böhm, in: JA 1997, S. 797 f.; LG Stuttgart NJW 1989, S. 2257 ff. (Birkel); bestätigt durch OLG Stuttgart NJW 1990, S. 2690; dazu neigt auch der VGH Kassel GewArch 1995, S. 417; skeptisch ggü. dieser Position Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 181 ff., die allerdings auf S. 185 eine einfachgesetzliche Eingriffsbefugnis für erforderlich hält - vgl. auch S. 208 ff.; für die Schaffung spezialgesetzlicher Eingriffsgrundlagen plädiert dagegen Zuck, in: MDR 1988, S. 1022. 18 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

des Parlamentsvorbehalts annehmbar. Nicht aber der Verzicht auf den Gesetzesvorbehalt 1459 .

δδδ) Gesetzesvorbehalt und andere neue Eingriffstypen Nach den obigen Ausführungen wird die Untersuchung, ob der Gesetzesvorbehalt für die bereits dargestellten neuen Eingriffstypen 1460 in die Wettbewerbsfreiheit gilt, erheblich leichter und bedarf nicht weiterer Ausführungen. Demgemäß hat das BVerfG den § 1 I KHG, der für die Aufnahme einer privaten Krankenklinik in den Krankenhausplan ihre Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit als Voraussetzungen vorsieht, als hinreichende Gesetzesgrundlage i. S. d. Art. 1212 GG für den "mittelbaren" und "faktischen" Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der nicht in den Krankenhausplan aufgenommenen privaten Krankenkliniken behandelt 1461 . Er erfülle sogar die Kriterien der "Wesentlichkeitstheorie" 1462 . In diese Richtung hat das BVerwG für die Nicht-Aufnahme eines Unternehmensberaters auf eine berufliche Liste der Industrie- und Handelskammer eine gesetzliche Grundlage nach Art. 1212 GG verlangt, die den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Klägerin durch die Nicht-Aufnahme in die berufliche Liste gerechtfertigt hätte. Diese war aber nicht vorhanden. § 1 I I H K G v. 18. 12. 1956 (BGBl. I I I 701-1-IHKG) sei zu unbestimmt, um den Anforderungen an eine Eingriffsermächtigung zu genügen 1463 . In einem anderen Fall hat das BVerfG § 3 6 1 1 GewO nicht als erforderliche Legitimationsgrundlage für die öffentliche Bestellung von Sachverständigen nach der Zahl der bereits vorhandenen Sachverständigen angenommen 1464 . Diese Voraussetzung hat § 2 der Sachverständigenordnung (SO) vorgesehen. Dazu gab es keine gesetzliche Ermächtigung. "Hätte der Gesetzgeber staatlichen Stellen die Befugnis zur Verteilung von Wettbewerbsvorteilen einräumen wollen, so hätte er zumindest die Auswahlkriterien vorsehen müssen ... So hätte geregelt werden müssen, ob bei der Auswahl die zeitliche Reihenfolge des Antrags, die Dauer der Berufszugehörigkeit oder besondere Qualifikationsmerkmale maßgebend sein sollen ... Keinesfalls konnte den einzelnen Industrie- und Handelskammern überlassen bleiben, nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob sie die Zahl der öffentlich bestellten Sachverständigen als unzureichend anse1459 vgl a u c h r Philipp, Verbraucherinformationen, S. 203; Discher, in: JuS 1993, S. 467; ähnlich Λ. Roth, Verwaltungshandeln, S. 271 ff. 1460 s. oben sub dd γ. 1461 BVerfGE 82, 209, 225 ff. (Krankenhausplan); vgl. auch oben sub dd γ γγ. 1462 BVerfGE 82, 209, 224 ff. 1463 BVerwGE 89, 281, 285 (Unternehmensberater); vgl. auch oben sub ddyyy. 1464 BVerfGE 86, 28, 40 f. (Sachverständige); vgl. auch oben sub dd γ ßß.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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hen wollen und welche qualifizierten Bewerber gegebenenfalls die Vergünstigung einer öffentlichen Bestellung erhalten sollen" 1465 . Als nicht hinreichend wurde vom BVerwG die der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz übertragene Aufgabe der Förderung der Landwirtschaft und der in ihr Berufstätigen behandelt, um aufgrund dessen Warentests von Futtermitteln vorzunehmen und zu veröffentlichen 1466 . Der Eingriffscharakter dieser Veröffentlichungen durch die Landwirtschaftskammer wurde ohne weiteres bejaht 1467 . Schließlich hat das BVerwG auch eine ausdrückliche oder sinngemäße Rechtsvorschrift für den Ausschluß eines Subventionsbetreuungsunternehmers von der Betreuertätigkeit verlangt 1468 , die aber nicht vorhanden war. Die Subventionsrichtlinien als Verwaltungsvorschriften konnten keinesfalls eine Legitimationsgrundlage nach Art. 1212 GG darstellen 1469 .

δδ)... und die grundrechtlich nicht geschützten Interessen der Wettbewerbsteilnehmer Es wurde bereits an mehreren Stellen dargelegt, daß Handlungen, Tätigkeiten, Interessen oder andere Schutzpositionen, die der grundgesetzlichen Wertordnung widersprechen, grundrechtlich nicht geschützt werden bzw. nicht in den Schutzbereich der Grundrechte fallen können, selbst wenn sie zu dem sog. Regelungsbereich der Grundrechte gehören. Das ist auch bei der Wettbewerbsfreiheit der Fall. Das hat zur Folge, daß die staatliche Intervention, aufgrund derer diese Tätigkeiten verboten (vgl. §§ 1, 3 UWG, §§ 1, 15, 25 GWB) oder sogar bestraft (vgl. §§4, 12, 15 UWG) sowie Gebote auferlegt werden (vgl. § § 1 , 3 UWG), nicht als Grundrechtseingriffe gelten, soweit sie sich gegen grundrechtlich nicht geschützte Handlungen richten. Daraus ergibt sich die Frage, ob konsequenterweise der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt aus Art. 1212 GG für den betreffenden Fall der aus Art. 12 I GG resultierenden Wettbewerbsfïeiheit nicht gelten kann. Die Frage muß man bejahen. Der Gesetzesvorbehalt nach Art. 1212 GG, wie jeder grundrechtliche Gesetzes vorbehält als Grundrechtseingriffsvorbehalt, gilt nur im Rahmen und nach Maßgaben des Schutzbereichs der Berufsfreiheit. Deswegen kann ζ. Β. § 1 UWG, soweit er die sittenwidrigen Wettbewerbshandlungen im Sinne derjenigen Handlungen, die der grundgesetzlichen Wertordnung widersprechen bzw. die Grundrechte anderer oder andere Verfassungsgüter offensichtlich verletzen, verbietet

1465

BVerfGE 86, 28,41 (Sachverständige). BVerwG DVB1. 1996, S. 807 f. (Warentests). 1467 BVerwG, ebenda. 1468 Ygi a u c j 1 Q b e n s u b dd γ δδ. 1466

1469

BVerwGE 75, 109, 116 f. (Subventionsrichtlinien).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

und deren Unterlassung bzw. Schadensersatz gebietet, nicht als Gesetzesvorbehalt i. S. d. Art. 12 12 GG behandelt werden. Sollte das bedeuten, daß Verwaltung und Rechtsprechung den grundgesetzwidersprechenden Wettbewerb weiter als nach dem Tatbestand des § 1 UWG oder anderer UWG-Vorschriften bzw. Vorschriften des Wettbewerbsrechts i. w. S. sanktionieren dürfen, soweit sie nach Art. 1 I I I GG an nicht grundrechtliche Handlungen nicht gebunden und vom Gesetzesvorbehalt des Art. 1212 befreit sind? Hier muß die Frage verneint werden. Trotz alledem bleiben Exekutive und Judikative nach Art. 20 I I I GG an Gesetz und Recht, m. a. W. an den (allgemeinen) Vorbehalt des Gesetzes, gebunden 1470 . Ein Verbot oder Gebot seitens dieser beiden Staatsgewalten, das die gesetzlichen bzw. rechtlichen Maßstäbe und Grenzen überschreiten würde, wäre wohl nicht nach Art. 1 I I I i. V. m. Art. 12 I GG, sondern nach Art. 20 I I I GG verfassungswidrig 1 4 7 1 und würde den Rechtsweg nach Art. 19 I V GG eröffnen. Ob der Betroffene sich auf Art. 2 I i. V. m. Art. 20 I I I GG im Rahmen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens nach Art. 93 14 a i. V. m. § 90 BVerfGG berufen kann, ist strittig 1472 . Jedenfalls scheint eine Subjektivierung des Art. 20 I I I GG über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG als "Eingriffsfreiheit" bedenklich 1 4 7 3 . Die Auseinandersetzung darüber kann hier dahingestellt bleiben 1474 . Das ist nicht nur für die hoheitliche, sondern auch für die schlichthoheitliche (informale) Verwaltung der Fall, soweit sie in den Anwendungsbereich des Art. 20 I I I GG fällt 1 4 7 5 . Eine informierende oder warnende Tätigkeit der Bundesregierung vor den Gefahren oder sogar dem Schaden, der an der Gesundheit der Weinverbraucher durch den Konsum DEG-kontaminierter Weine verursacht werden kann, muß sich unter den bereits dargelegten Umständen 1476 auf ein (formelles) Gesetz stützen 1477 .

1470

Vgl. auch BVerfGE 78, 179, 197. J. Burmeister, in: FS Stern, S. 841 f , meint dagegen, daß die staatlichen Maßnahmen, welche solche Tätigkeiten einschränken, nicht dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt unterliegen würden, sondern Ausfluß der material-rechtsstaatlich verfaßten Staatsgewalt seien. 1471 Vgl. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 70, 179. 1472 Bejahend die Rechtsprechung des BVerfG - vgl. BVerfGE 78, 179, 197; BVerfG (Dreierkammer) DVB1. 1997, S. 351. 1473 Vgl. Erichsen, in: HdDStR, VI, § 152, Rd. 19. 1474 ygj z u r Auseinandersetzung Erichsen, ebenda, Rd. 17 ff. 1475 Maurer, VerwR, § 15, Rd. 20. 1476 Y g j

1477

Q

b

e n

s u

b γ γ yyy

So Maurer, VerwR, § 15, Rd. 20; vgl. BVerwG NVwZ 1994, S. 163, wonach das Gericht bezüglich der Warnungen vor den sog. Jugendsekten versuchte, sich dieser Frage unter dem Blickwinkel des Art. 20 III GG anzunähern, aber, da es auf seiner vorherigen Rechtsprechung insistierte, zu einem anderen als dem hier vertretenen Ergebnis gekommen ist; a. A. W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 551.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Außerdem kann die Sanktionierung eines grundgesetzwidersprechenden Wettbewerbshandelns oder einer derartigen Betätigung mit anderen Grundrechtseingriffen, wie ζ. B. der Freiheitsstrafe (vgl. §§4, 12, UWG) oder dem Berufsausschluß verbunden sein, die nach den Maßstäben der jeweiligen Grundrechte und ihrer Gesetzesvorbehalte beurteilt werden müssen (vgl. Art. 2 I I 2 GG i. V. m. Art. 104 I GG, Art. 103 II, 12 I 2 GG).

ß) Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Eingriffe in die aus Art. 121 GG resultierende Wettbewerbsfreiheit αα) Begründung und Inhalt Während der Gesetzes- und der Parlamentsvorbehalt die Grundlage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe bzw. der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG betreffen, geht das Verhältnismäßigkeitsgebot den Inhalt und die Form dieser Eingriffe an 1 4 7 8 . Es stammt aus dem Polizei- sowie dem Strafrecht und belangt besonders die Verwaltungstätigkeit an 1 4 7 9 . Seine Anwendung hat sich im Laufe der Zeit auf das ganze Verwaltungshandeln erstreckt und bindet inzwischen auch die Gesetzgebung und die Judikative 1480 . Seine grundgesetzliche Begründung ist umstritten: Der Gleichheitssatz bzw. das Willkürverbot nach Art. 3 I GG, die Menschenwürde aus Art. 1 I GG, die Wesensgehaltsgarantie nach Art. 19 I I GG 1 4 8 1 , die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte i.V.m. der Bindung der Gesetzgebung an die Grundrechte nach Art. 1 I I I G G 1 4 8 2 wurden gelegentlich als solche Grundlagen für die verfassungsrechtliche Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes betrachtet 1483 . In der Rechtsprechung des BVerfG herrschte die Meinung, daß er aus dem Rechtsstaatsgedanken nach Art. 20 I I I GG abgeleitet wird 1 4 8 4 .

1478 V g i Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 292 ff., die von einem "Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes" sprechen; vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 764. 1479 Mehr dazu bei Stern, Staatsrecht III/2, S. 765 ff. 1480 Lerche, in: HdDStR, V, § 122, Rd. 16. 1481

Schnapp, in: vM/K, Art. 20, Rd. 27.

1482

Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 296; vgl. auch Bryde,

in: vM/K, Art. 14,

Rd. 62. 1483

Zur Auseinandersetzung vgl. Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 85 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 769 ff.; Remmert, Grundlagen des Übermaßverbots, S. 1 ff. 1484 BVerfGE 19, 342, 348 f.; 23, 127, 133; 69, 1, 35 (Kriegsdienstverweigerung); 75, 1, 16; 75, 246, 279; 90, 145, 173 (Cannabis), obwohl in manchen Urteilen über das Rechtsstaatsprinzip hinaus die Freiheitsrechte bzw. ihr Wesen als verfassungsrechtliche Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgebots genannt werden; vgl. auch BGH AfP 1994, S. 139; Müller-Graff, Deutscher Bericht in: FIDE (Hg.) 1984, S. 8; Schlechtriem, 40 Jahre Grundgesetz, S. 43; Ossenbühl, in: FS Lerche, S. 155; Hesse, Grundzüge, Rd. 185; A. Philipp, Arzneimittel li sten, S. 115; Stark, Ehrenschutz, S. 124.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Ihm kommt insoweit besondere Bedeutung für den Garantiegehalt der Grundrechte zu 1 4 8 5 , die sich besonders nach der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit im materiellen Sinne - der Grundrechtseingriffe zeigt (vgl. auch Art. 1 I I I GG). Es war nicht selten der Fall, daß die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder einer Verwaltungsmaßnahme bzw. eines Urteils im BVerfG daran scheiterte, daß das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht beachtet worden war. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Grundrechtseingriffe stellt vier Voraussetzungen auf, die als seine Teilparameter oder -geböte bezeichnet werden können: a) Der Staat muß durch seinen Eingriff einen (legitimen) Zweck verfolgen. b) Der Eingriff, der dazu eingesetzt wird, muß geeignet (tauglich), c) erforderlich (notwendig) und d) verhältnismäßig i. e. S. (proportional oder zumutbar) sein 1486 . Die Summe aller vier Teilparameter bildet das Verhältnismäßigkeitsprinzip i. w. S. oder das Übermaßverbot 1487 . Der Zweck, den die öffentliche Gewalt durch den Grundrechtseingriff verfolgt, muß in dem Sinne legitim sein, daß er dem öffentlichen Interesse bzw. dem allgemeinen Wohl dient, nicht offensichtlich falsch ist und nicht der grundgesetzlichen Wertordnung widerspricht 1488 . Die Rechtsprechung des BVerfG betrachtet ein Mittel als geeignet, den angestrebten Zweck zu erreichen, "wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann" 1 4 8 9 . Erforderlich kann dieses Mittel sein, wenn der Gesetzgeber "nicht ein anderes, gleichwirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können" 1490 . Nach 1485

Höfling, in: Jura 1994, S. 172. BVerfGE 94, 372, 390 (Werbeverbote für Apotheker); 95, 173, 183 (Tabakverordnung); 95, 193, 214 ff.; BGHZ 134, 1, 17 (Stromeinspeisung); R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 179; v.Münch, in: Vorb. Art. 1-19, Rd. 55; Medicus, in: AcP 1992, S. 51; Höfling, in: Jura 1994, S. 172; Stern, Staatsrecht III/2, S. 775; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 300, die in Rd. 333 aber darlegen, daß die Verhältnismäßigkeitsprüfung (i. e. S.) vor allem eine Notwendigkeitsprüfung sei; Hesse, Grundzüge, Rd. 318. 1487 Lerche, in: HdDStR, V, § 122, Rd. 16; Ossenbühl, in: FS Lerche, S. 151 ff.; vgl. auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 74, nach dem das Übermaßverbot die Legitimität des Zwecks voraussetzt. 1488 So BVerfGE 30, 292, 316 (Erdölbevorratung); 89, 365, 376 (Krankenversicherung) - st. Rechtsprechung; vgl. auch Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 314, die darlegen, daß die Berufung auf die Wertordnung der Grundrechte oder des Grundgesetzes lediglich einen Maßstab behaupte, ihn aber nicht aufweisen könne; Hain, in: DVB1. 1993, S. 984. 1489 BVerfGE 30, 292, 316 (Erdölbevorratung); 33, 131, 187; vgl. auch BVerfGE 65, 1, 54 (Volkszählungsgesetz); 78, 232, 245. 1490 BVerfGE 30, 292, 316 (Erdölbevorratung); vgl. auch BVerfGE 25, 1, 17 f. (Mühlengesetz); 33, 131, 187; 78, 232, 245. 1486

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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dem Gericht bedeutet die Proportionalität oder die Verhältnismäßigkeit i. e. S., daß eine Maßnahme den Betroffenen "nicht übermäßig belasten" und "für ihn nicht unzumutbar sein" dürfe 1491 , d. h. der Eingriff und der verfolgte Zweck müssen in einem ausgewogenen Verhältnis nach dem Prinzip des schonenden Ausgleichs 1492 zueinander stehen 1493 . Darüber hinaus muß der Gesetzgeber nach der Zumutbarkeits- bzw. Proportionalitätsprüfung eine Güter- und Interessenabwägung durchführen, um festzustellen, ob das durch die Anordnung des Eingriffs zu schützende Gut oder öffentliche Interesse der Freiheit vorgehen muß und deshalb die Freiheitsverkürzung nach seinen Vorstellungen zweckmäßig oder geboten ist 1 4 9 4 . Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. kommt diesmal aber mit strengerer richterlicher Kontrolle zur Erfüllung dieser Abwägungsaufgabe 1495 hinzu.

ßß) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die sog. Dreistufentheorie ααα) Die "Dreistufentheorie" als konkretisierte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips Das BVerfG hat, wie bereits dargelegt wurde 1496 , in dem ApothekenUrteil 1 4 9 7 die sog. Dreistufentheorie in bezug auf die Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit entwickelt. Sie gilt als strikte 1498 oder konkretisierte und modellhafte 1499 Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, insbesondere seines Erforderlichkeitskriteriums 1500 . Demnach ist die sog. Dreistufentheorie nicht nur ein Modell für die Einteilung der Eingriffe in die Berufsfreiheit, sondern auch ein Begrenzungs- bzw. Schrankenmaßstab für die einschränkende Möglichkeit der öffentlichen Gewalt, vor allem des Gesetzgebers, im Bereich der Berufsfreiheit (Schranken-Schranke). Was hier besonders interessiert, ist

1491 BVerfGE 7, 377, 405 (Apotheken); 22, 1, 20 f. (Arbeitszeitordnung); 65, 1, 54 (Volkszählungsgesetz); 78, 232, 246; 90, 145, 173 (Cannabis). 1492 Vgl. dazu Lerche, in: HdDStR, V, § 122, Rd. 14 ff. 1493 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 310. 1494 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 123; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 115. 1495 Vgl. auch Lerche, in: HdDStR, V, § 122, Rd. 5; mehr zum Verhältnis des Verhältnismäßigkeitsprinzips mit dem Abwägungsgebot bei Stern, Staatsrecht III/2, S. 814. 1496 s. oben sub aa. 1497 BVerfGE 7, 377 ff. 1498 So Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 911; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 103. 1499 So Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 6; vgl. auch P. Kirchhof in: DVB1. 1982, S. 937; Stern, Staatsrecht III/2, S. 801 (m. w. N.). 1500 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 317.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

die Beziehung des verfolgten Zweckes (oder des durch den Grundrechtseingriff zu schützenden Gutes) mit der Eingriffsintensität: Je höher die Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit ist, desto wichtiger für die Allgemeinheit und das öffentliche Interesse muß der verfolgte Zweck bzw. das Gut sein; oder umgekehrt, je wichtiger der Zweck bzw. das Gut ist, desto einfacher ist die Rechtfertigung des Eingriffs 1501 . Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgebots erschöpft sich aber nicht in der richtigen Handhabung der "Dreistufentheorie". Es wird vielmehr auch in jeder Stufe, besonders in der Stufe der freien Berufsausübung, eigenständig angewendet. Die Aufgabe des Gesetzgebers, die richtige Stufe für einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach den Maßgaben der "Dreistufentheorie" zu erkennen, geht noch weiter: Der Gesetzgeber muß auch in der richtig erkannten Stufe prüfen, ob das ausgewählte Mittel geeignet, erforderlich und zumutbar ist oder ob es ein anderes Mittel gibt, das die Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit besser erfüllt hätte 1502 . Es kann aber der Fall sein, daß ein Eingriff in eine niedrigere Stufe nach der "Stufentheorie" in der Tat'intensiver als ein Eingriff in eine höhere ist: Ein Eingriff in die Freiheit im Wettbewerb, ζ. B. ein Absatz- oder Werbungsverbot zum Schutz der Volksgesundheit, kann intensivere Wirkungen auf die Wettbewerbsfreiheit der Marktsubjekte haben als die leicht zu erfüllende Voraussetzung des Zugangs zum Wettbewerb, die Zuverlässigkeit 1503 . Es werden hier die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach den Kriterien des Verhältnismäßigkeitsprinzips untersucht. Insbesondere soll ermittelt werden, welche Güter den legitimen Zweck für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Eingriffe nach den Maßstäben der "Dreistufentheorie" als strikte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellen. Es werden wieder Beispiele, hauptsächlich der höchstrichterlichen Rechtsprechung, angeführt.

ßßß) "Legitime Zwecke" als Rechtfertigung der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit Wegen des starken politischen sowie sozialpolitischen Charakters der Berufs- und der Wettbewerbsfreiheit können entsprechende Vorstellungen und 1501

BVerfGE 7, 377, 403 (Apotheken). Vgl. auch BVerfGE 82, 209, 230 (Krankenhausplan); 85, 97, 106 ff.; 87, 363, 386 ff. (Nachtbackverbot III); 88, 145, 161: "Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung kann nur aus vernünftigen Erwägungen, die dem Gemeinwohl dienen und von dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerechtfertigt werden, erfolgen"; 91, 148, 164; 94, 372, 390 (Werbeverbote für Apotheker); BVerwGE 95, 15, 20 f.; 96, 302, 311 ff. (Spielbanken); 96, 372, 375 ff.; BVerwG NJW - RR 1997, S. 41 (Privat-Kaffee); vgl. zu dieser Einschätzung auch Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 115; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 104. 1503 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 918. 1502

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Ziele des demokratisch legitimierten Gesetzgebers die Rechtfertigungsgründe ihrer Einschränkung darstellen. Es geschieht häufig, daß ein Gesetz von der Mehrheit des Parlaments verabschiedet wird, die aus den Parteien der jeweiligen Regierungskoalition besteht. Es ist der Regelfall in einer parlamentarischen (Parteien-)Demokratie, daß diese Parteien als Träger einer gewissen politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Ideologie und Ausdruck entsprechender Kräfte und Interessen ihre Vorstellungen in der Form eines Gesetzes verwirklichen wollen 1 5 0 4 . Dieses Gesetz kann Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG darstellen, wenn der Gesetzgeber seine Vorstellungen in einen solchen Eingriff, der dem öffentlichen Interesse dienen soll, kleidet 1505 . Dieser Eingriff aber, der ein Grundrechtseingiff ist, darf nicht mit sachfremden 1506 (persönlichen oder rein parteipolitischen) Zweckmäßigkeiten identifiziert werden, sondern muß dem Allgemeinwohl und den Gemeinschaftsinteressen dienen 1507 . Das bedeutet zwar nicht, daß der Gewinn eines solchen Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit unmittelbar die ganze Gesellschaft oder das ganze Volk betreffen muß. Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit, ζ. B. zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer 1508 , der das Recht der Arbeitgeber einschränkt zu entscheiden, wann ihr Geschäft in Betrieb sein soll und demgemäß wieviel sie produzieren wollen, begünstigt eine besondere Arbeitnehmerklasse, belastet ihre Arbeitgeber und läßt scheinbar 1509 einen großen Teil der Gesellschaft gleichgültig, der nichts damit zu tun hat. Abgesehen von der Frage, ob der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer Verfassungsrang gemäß Art. 2 I I 1 GG besitzt und die einschlägigen, in die Wettbewerbsfreiheit eingreifenden Regelungen als die Realisierung der staatlichen Schutzpflicht betrachtet werden können 1510 , kann er als ein Gemeinschaftswert behandelt werden, der dem Allgemeinwohl sogar dadurch dient, daß die Arbeitnehmer ihren beruflichen Aufgaben gesund

1504

Vgl. ähnlich wie hier Hain, in: DVB1. 1993, S. 984. Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 116. 1506 V g i BVerfGE 30, 292, 316 (Erdölbevorratung), wonach der Gesetzgeber seine Rechtsetzungsmacht nicht zu sachfremden Zwecken mißbrauchen dürfe; vgl. auch BVerfGE 39, 210, 225 (Mühlenvermahlungsplafond). 1507 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, §12, Rd. 123; v.Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 55. 1508 BVerfGE 22, 1, 20 f. (Arbeitszeitordnung); 23, 50, 56 (Nachtbackverbot I); 41, 360, 379 (Nachtbackverbot II); 85, 191, 212 f. (Nachtbackverbot für Frauen); 87, 363, 390 (Nachtbackverbot III); BVerwG GewArch 1995, S. 251. 1509 Man muß das Wort "scheinbar" hier hervorheben, da von einer solchen Regelung mittelbar auch die Kunden betroffen sind und natürlich auch ihre Grundrechte Relevanz bekommen; vgl. das zutreffende Schema zur Transformation des eindimensionalen Eingriffs Staat-Händler bzw. Einkäufer in ein polygonales Verhältnis StaatHändler-Arbeitnehmer-Käufer bei Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 8. 1510 Vgl. bejahend/BVerfGE 85, 191, 212 (Nachtbackverbot für Frauen); 87, 363, 385 f. (Nachtbackver^oot III); BVerwG GewArch 1995, S. 251; VGH Kassel GewArch 1995, S. 417; dazu mehr unten sub V 2 b cc β, VI 3 e bb. 1505

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

und nicht in Gesundheits- oder Lebensgefahr nachkommen sollen 1511 . Deshalb erfüllt dieser vom Gesetzgeber verfolgte Zweck das erste Kriterium des Verhältnismäßigkeitsgebots und der Dreistufentheorie und kann in diesem Sinne als "legitim" betrachtet werden. Daß die Mehrheit i m Parlament, die ein solches Gesetz verabschiedet hat, politisch die Interessen der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber vertritt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden 1512 , wenn das Gesetz darüber hinaus auch die anderen Kriterien des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfüllt 1 5 1 3 . Man muß hier darauf hinweisen, daß i m Hinblick auf das Demokratie- (Art. 201, II, 28 I GG) und das parlamentarische (Art. 63, 67, 68 GG) Prinzip der Gesetzgeber einen weiten Beurteilungs- und Handlungsspielraum besitzt, den "legitimen" Zweck zu bestimmen, der die Grundrechtseingriffe legitimiert 1 5 1 4 . Insbesondere i m Bereich der Wirtschaft wird dieser Spielraum aus der Sicht der "relativen Offenheit" der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung noch größer 1515 . Andere solche "legitimen" Zwecke, die als "vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls" Einschränkungen der freien Berufsausübung bzw. der Freiheit

1511 ygi ähnlich Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 18; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 8. Man mag hier daraufhinweisen, daß der Arbeits- bzw. Arbeitnehmerschutz über die subjektiv-rechtliche Vorschrift des Art. 2 II 1 GG hinaus direkt von dem Sozialstaatsgebot der Art. 20 I, 28 I GG abgeleitet wird - vgl. auch BAGE 34, 220, 224. 1512 Vgl. auch Hain, in: DVB1. 1993, S. 984; Jahn, in: JuS 1995, S. 593, nach dem der Gesetzgeber nach der Beschränkung der freien Berufsausübung Gesichtspunkte bloßer Zweckmäßigkeit berücksichtigen kann. Man kann ihm zustimmen, soweit man unter "Zweckmäßigkeiten" nicht die persönlichen oder parteipolitischen Zweckmäßigkeiten versteht, obwohl es manchmal schwierig ist, unter dem "Deckmantel" des Allgemeinwohls die versteckten parteipolitischen Zweckmäßigkeiten zu unterscheiden und zu beanstanden. 1513 Vgl. dazu BVerfGE 88, 145, 161; 89, 365, 376 (Krankenversicherung), wonach das BVerfG sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers hinzunehmen habe, solange seine Erwägungen weder offensichtlich falsch noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar seien. 1514 BVerfGE 53, 135, 145 (KakaoVerordnung): "Bei der Prüfung der Frage, ob die in einer Berufsausübungsregelung enthaltenen Einschränkungen verhältnismäßig sind, ist der Gestaltungsfreiheit Rechnung zu tragen, die dem Gesetzgeber, aber auch - im Rahmen der Ermächtigung - dem Verordnungsgeber im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung zukommt. In der Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele und der zu ihrer Verfolgung geeigneten Maßnahmen läßt das GG einen Beurteilungs- und Handlungsspielraum, innerhalb dessen das freie Spiel der Kräfte auch durch wirtschaftspolitische Lenkungsmaßnahmen korrigiert werden darf. Von Verfassungs wegen ist § 14 Nr. 2 Kakao VO mithin nur dann zu beanstanden, wenn sich ergibt, daß die relativ weiten verfassungsrechtlichen Grenzen dieses Spielraums überschritten sind"; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 116; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 301 f., die darauf hinweisen, daß die Verwaltung diesen weiten Spielraum im Gegensatz zum Gesetzgeber nicht besitzen könne. 1515 Vgl. auch oben sub A I 2 b bb.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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im Wettbewerb "als zweckmäßig erscheinen lassen" 1516 , sind der Umweltschutz (vgl. inzwischen den neuen Art. 20 a GG) 1 5 1 7 , der Schutz von Abnehmern, Verbrauchern und Benutzern von Gütern i m Hinblick auf die Produktsicherheit 1518 , der Jugendschutz 1519 , die Volksgesundheit 1520 , die Versorgung der Allgemeinheit mit lebenswichtigen Gütern oder Leistungen wie Lebensmitteln oder Energie, die Handlungspflichten und Verbote legitimieren 1521 , der Verbraucherschutz 1522 , der lautere und unverfälschte Wettbewerb 1523 , die Verhinderung einer Verfälschung des jeweiligen Berufsbildes i m Wettbewerb durch Verwendung kommerzieller Werbemethoden 1524 , das Institut Wettbewerb - abgesehen von der Frage seiner verfassungsrechtlichen Ableitung - und die Wettbewerbsfreiheit der anderen Marktteilnehmer 1525 1 5 2 6 , die Aufrechterhaltung des Preisstandes 1527, die Herstellung sozialen Friedens, Konsenses und Ausgleichs 1528 , die Förderung des Wettbewerbs 1529 , des Mittelstandes 1530 und der

1516

s. dazu oben sub aa α. Vgl. BVerfGE 49, 89, 144 ff. (Kalkar I); vgl. auch BGHZ 134, 1, 17 (Stromeinspeisung); Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 5; Kloepfer, in: DVB1. 1996, S. 78. Der neue Art. 20 a GG und das Rechtsgut, das er enthält, könnten auch eine umweltfreundliche Besteuerung durch die Einfuhrung ζ. B. einer Ökosteuer verfassungsrechtlich rechtfertigen, die zwar einerseits in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit bzw. -fähigkeit der Unternehmen eingreifen würde, sie würde aber andererseits zur Erfüllung der aus der Verfassung (Art. 20 a GG) resultierenden Pflicht beitragen, das Rechtsgut "Umwelt" zu schützen. 1518 BVerfGE 46, 246, 256 ff.; 53, 135, 145 (Kakaoverordnung I). 1519 BVerfGE 30, 336, 350 f. (FKK-Bilder). 1520 BVerfGE 78, 179, 192; 85, 248, 260 f.; 95, 173, 185 (TabakVerordnung); BVerwGE 96, 372, 375. 1521 BVerfGE 30, 292, 310 ff. (Erdölbevorratung); 39, 210, 225 ff. (Mühlenvermahlungsplafond). 1522 BVerfGE 46, 246, 257, 259; 53, 135, 145 (Kakaoverordnung I); 95, 173, 184 (Tabakverordnung); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); BVerwG NJW - RR 1997, S. 41 (Privat-Kaffee); Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 113. 1523 BVerfGE 46, 246, 257, 259; 53, 135, 145 (Kakaoverordnung I); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); 94, 372, 390 f. (Werbeverbote für Apotheker); vgl. auch Hufen, in: NJW 1994, S. 2922. 1524 BVerfGE 85, 248, 260 (m. w. N.); BVerfG (Dreierkammer) DVB1. 1996, S. 148. 1525 Scholz, Entflechtung, S. 181 ff.; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 113. 1526 Ygi z u dem Schutzzweck des UWG und GWB oben sub A II 1 a bb, b aa γ. 1527 BVerfGE 65, 248, 259 (Preiskennzeichnung). 1528 BVerfGE 13, 237, 240 f. (Ladenschlußgesetz); vgl. auch BVerwGE 65, 167, 172; 94, 244, 251, wonach unter Hinweis auf BVerfGE, a. a. O., der Arbeitnehmerschutz und die Wettbewerbsneutralität als vom Gesetzgeber des LSchlG verfolgte Zwecke genannt werden. Daß die sog. Wettbewerbsneutralität nicht Zweck der Regelung des § 3 I LSchlG sein kann, ist oben sub aa α gezeigt worden. 1517

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Exportwirtschaft 1531 , die Verhütung einer Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker bzw. der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland 1532 . Soweit die "vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls" direkt aus dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 I, 28 I GG) oder anderen Verfassungsgütern abgeleitet werden, wie es häufig der Fall ist, dann ist diese Rechtfertigung in bezug auf die Verfolgung des "legitimen" Zwecks normalerweise unproblematisch 1533 . Bezüglich des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit hat das BVerfG dargelegt, daß für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Maßnahmen, die wegen ihrer wettbewerbsverzerrenden Wirkung einen erheblichen Eingriff darstellen, unbedeutende oder rein verwaltungstechnische Zwecke, wie das Interesse einer leichteren staatlichen Überwachung, nicht genügen 1534 . Keinen "legitimen" Zweck stellt auch die ohne weiteres mögliche Wiederherstellung der "Gleichheit im Wettbewerb" bzw. der Ausgleich eines durch leistungsbezogene wettbewerbliche Betätigung verdienten Vorsprungs gegenüber einem Konkurrenten dar 1 5 3 5 . Die Eingriffe in die freie Berufswahl bzw. die Freiheit zum Wettbewerb als subjektive Berufszulassungsbeschränkungen sind nur zulässig, soweit ihre Auferlegung "wichtige Gemeinschaftsgüter" schützen sollen 1536 . Diese können Gemeinschaftswerte sein, "die sich erst aus den besonderen wirtschafts-, sozialund gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Zielen des Gesetzgebers ergeben" 1 5 3 7 und "erst durch Gesetz in den Rang wichtiger Gemeinschaftsgüter erhoben werden" 1 5 3 8 . Ihr Hauptzweck konzentriert sich eher darauf, die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Berufsstandes zu erhalten, den leistungsfähigen

1529

BVerwG NJW - RR 1997, S. 41 (Privat-Kaffee). BVerfGE 17, 232, 243; 21, 292, 299 (Rabattgesetz); 23, 50, 60 (Nachtbackverbot I); BGHZ 82, 375, 390 (Selbstabgabestellen); vgl. ferner Scholz, in: MD, Art. 12, 1530

Rd. 397; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 8. 1531

B AGE 34, 220, 224. BVerfGE 91, 148, 164. 1533 Das bedeutet wohl nicht, daß das Sozialstaatsgebot eine unmittelbare verfassungsrechtliche oder "immanente" Grundrechtsschranke darstellt, die sogar von der Intervention des Gesetzgebers entbinden würde. Nicht nur Gründe, die die Problematik des Gesetzesvorbehalts anbelangen (vgl. dazu oben sub α), sondern auch Argumente, die sich aus der verfassungsrechtlichen Natur der Sozialstaatsklausel ableiten lassen das objektiv-rechtliche Prinzip, das der Ausgestaltung des Gesetzgebers bedarf -, sprechen gegen eine solche Auslegung; vgl. dazu auch BVerfGE 59, 231, 263; Badura, in: 1532

DÖV 1989, S. 494; Hager, in: JZ 1994, S. 379; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98 f. 1534

BVerfGE 86, 28,42, 44 (Sachverständige).

1535 y g j 1536 1537 1538

u n

t

e n

s u

b e cc β α α .

s. dazu oben sub aa β. BVerfGE 13, 97, 107 (Handwerker). So Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 40.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Wettbewerb auf einem Markt zu garantieren 1539 und dadurch die Marktgegenseite (Kunden) vor der Leistung schlechter Dienste zu schützen. Darüber hinaus werden als "wichtige Gemeinschaftsgüter" in diesem Sinne das soziale Ansehen eines Berufsstandes oder einer -branche, die bedarfsgerechte und leistungsfähige Krankenhauspflege als unverzichtbaren Teil der Gesundheitsversorgung 1 5 4 0 sowie Güter betrachtet, die vorher als "legitime" Zwecke für die Einschränkung der freien wettbewerblichen Betätigung genannt wurden. Dagegen kann nur die "Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" Eingriffe in den Zugang zum Wettbewerb nach der dritten Stufe der "Dreistufentheorie" (objektive Berufszulassungsbeschränkungen) 1541 rechtfertigen. Eingriffslegitimierende Gemeinschaftsgüter in diesem Sinne müssen wegen der stufenspezifischen Eingriffsschwere verschärften Anforderungen entsprechen 1542 , ζ. B. wie Verfassungsgüter (Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit), sozialstaatliche Gemeinwohlbelange 1543 , die Sicherung einer zuverlässigen Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Leistungen 1544 , die Existenzund Funktionsfähigkeit eines Berufsstandes oder einer -branche 1545 , der Schutz vor ungeeigneten Rechtsberatern 1546 , der Bestands- und Funktionsschutz öffentlicher Unternehmen 1547 u. a. Hingegen kann grundsätzlich nicht "legitim" im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. der "Dreistufentheorie" der Zweck des Wettbewerbsschutzes im Sinne des Schutzes der vorhandenen Konkurrenten in einem Wettbewerbsmarkt vor der Zulassung neuer Konkurrenten betrachtet werden 1548 , nicht nur, weil das GG ein Recht auf Schutz vor (neuem) Wettbewerb nicht anerkennt 1549 , sondern auch, weil die Anerkennung eines solchen "Zwecks" die Versteinerung und die Schließung der Märkte nach außen

1539 So Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 54; vgl. auch BVerfGE 73, 280, 296; 87, 287, 317; vgl. ferner zur Leistungsfähigkeit des Handwerks sowie der Sicherung des Nachwuchses für die gesamte Wirtschaft BVerfGE 13, 97, 107 (Handwerker); BVerwG NVwZ - RR 1995, S. 326; BVerwG NVwZ - RR 1997, S. 350. 1540 BVerfGE 78, 179, 192; 82, 209, 230 (Krankenhausplan). 1541 vgl dazu oben sub aa γ. 1542 Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 50. 1543 BVerfGE 9, 39, 52; 17, 269, 276; vgl. auch Neumann, in: DVB1. 1997, S. 99. 1544 BVerfGE 11, 168, 184 f , 186 f.; 25, 1, 13 ff. (Mühlengesetz). 1545 BVerfGE 11, 168, 184; 81, 70, 86; 85, 238, 247; BVerwGE 79, 208, 211. 1546 BVerfGE 75, 246, 267. 1547 BVerfGE 40, 196, 218 f. (Bundesbahn). 1548 So BVerfGE 7, 377, 408 (Apotheken); 11, 168, 188 f.; 86, 28, 42 (Sachverständige); ferner BVerfGE 94, 372, 395 (Werbeverbote für Apotheker); BVerwGE 1, 48, 52; 79, 208, 211 f.; vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 145; Tettinger, in: NJW 1987, S. 298 ff., zum Wettbewerb in den freien Berufen; Hufen, in: NJW 1994, S. 2922;

Reichelt, in: WRP 1997, S. 1133 ff.

1549 Vgl. dazu oben sub II 2 a cc ß.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

bedeuten würde, die dem Recht auf Zugang zum Wettbewerb aus Art. 121 GG widersprechen würde 1550 . Besonders hohe Anforderungen müssen für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der öffentlichen Monopole nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. der "Dreistufentheorie" verlangt werden. Das BVerfG hat zwar die Errichtung solcher Monopole als "objektive Berufszulassungsbeschränkung" i. S. d. "Dreistufentheorie" behandelt 1551 , ein Teil des Schrifttums aber und die hier vertretene Auffassung sprechen von einer Art "vierten Stufe" hinsichtlich des Eingriffs durch die Errichtung eines Monopols, die über die dritte Stufe der "Dreistufentheorie" hinausgeht 1552 . Nur sich aus dem Sozialstaatsprinzip (ζ. B. der Daseinsvorsorge) 1553 oder anderen Verfassungsgütern (ζ. B. der Volksgesundheit nach Art. 2 I I 1 GG 1 5 5 4 , Umwelt nach Art. 20 a GG 1 5 5 5 ) ergebende Zwecke können "legitim" i. S. d. Verhältnismäßigkeitsprinzips in bezug auf die Errichtung eines öffentlichen Monopols sein 1556 .

γγγ) Die Geeignetheits-, Erforderlichkeits- und Proportionalitätsprüfung der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit Darüber hinaus müssen die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach den Kriterien des Verhältnismäßigkeitsgebots geeignet, erforderlich und verhältnismäßig i. e. S. (proportional) sein. Normalerweise werden die Mittel, die der Gesetzgeber als Eingriffe in die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit einsetzt, von den Gerichten bzw. vom BVerfG für geeignet gehalten 1557 . Das BVerfG hat dem Gesetzgeber zu Recht einen großen Prognose- bzw. Einschätzungsspielraum zuerkannt 1558 . Der Gesetzgeber bzw. die Regierung 1 5 5 9 und nicht das 1550

So auch Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 913. BVerfGE 21, 245, 250 f. (Arbeitsvermittlungsmonopol); 21, 261, 267 (Überlassungsverträge) - vgl. auch oben sub cc γ; vgl. auch BVerwGE 62, 224, 230 (Abfallbeseitigungsmonopol). 1551

1552 y g j Q b ^

s u

b

c c

γ

1553

BVerfGE 21, 245, 251 (Arbeitsvermittlungsmonopol). 1554 BVerfGE 7, 377, 414 (Apotheken). 1555 BVerwGE 62, 224, 130 (Abfallbeseitigungsmonopol). 1556 Ygj BVerfGE 21, 245, 251 (Arbeitsvermittlungsmonopol), wonach das Gericht immer im Rahmen der dritten Stufe der "Dreistufentheorie" das Arbeitsvermittlungsmonopol im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip (Schutz der Arbeitskräfte vor der Arbeitslosigkeit) verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat; vgl. ferner Neumann, in: DVB1. 1997, S. 99, der die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips bei der Güterabwägung insbesondere am Beispiel des Arbeitsvermittlungsmonopols hervorhebt. 1557 Vgl. Lerche, in: HdDStR, V, § 122, Rd. 16. 1558 Vgl. statt aller BVerfGE 50, 290, 332 ff. (Mitbestimmung) mit weiteren Nachweisen; vgl. dazu Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 125, mit dem Hinweis, "daß man auf die zur Zeit des Erlasses des Gesetzes mögliche Prognose abstellen muß"; genauso

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Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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BVerfG üben die Politik aus 1560 . Deswegen gibt es eine (widerlegbare) Vermutung zugunsten des Gesetzgebers, daß das von ihm zur Erreichung eines "legitimen" Zweckes eingesetzte Mittel geeignet ist 1 5 6 1 . Einen Prognose- und Beurteilungsspielraum besitzt der Gesetzgeber auch nach der Prüfung der Frage, ob das eingesetzte Mittel erforderlich (notwendig) ist, den verfolgten Zweck zu erreichen 1562 . Hier aber muß der Gesetzgeber mehr Aufwand betreiben, um zu beweisen, daß das von ihm qualifizierte Mittel das für die Wettbewerbsfreiheit des betroffenen Marktteilnehmers am wenigsten belastende ist, wenn mehrere Mittel für ihn zur Verfügung stehen 1563 . Demzufolge wurde vom BVerfG im sog. Apotheken-Urteil 1564 die Bedürfnisprüfung als objektive Zulassungsvoraussetzung auf den Apothekenmarkt als nicht erforderliches Mittel zur Erreichung des (legitimen) Zwecks der Volksgesundheit behandelt. Das BVerfG hat sich in diesem Urteil gefragt, ob Regelungen der freien Berufsausübung (Eingriffe in die Freiheit im Wettbewerb) durch staatliche Kontrollen der Medikamentenproduktion sowie Beschränkungen der Werbe- und Absatzfreiheit der Apotheker statt einer objektiven Zulassungsbeschränkung zum Wettbewerb nach Bedürfnisprüfung dem legitimen Zweck der Volksgesundheit besser dienen könnten. A u f dieser Linie hat das Verfassungsgericht dargelegt, daß die Bedürfnisprüfung für die Zulassung neuer Konkurrenten auf den Markt des Taxiverkehrs nach § 9 I I PersBefG i. d. F. v. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande v. 12. 09. 1955 (BGBl. I, 573) nicht erforderlich gewesen sei, die Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs (legitimer Zweck) zu schützen, weil die Zuverlässigkeitsprüfung nach Abs. I desselben Paragraphs dazu genüge. Daraus hat das BVerfG ge-

Hesse, Grundzüge, Rd. 320; vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. III f.; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 129 ff. 1559 Yg] hjgj. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 301 ff., die eine Einschätzungsprärogative im Sinne eines Vertrauensvorsprungs des Gesetzgebers gegenüber der Exekutive nach der Auferlegung von Grundrechtseingriffen hervorheben. 1560 yg] Hesse, Grundzüge, Rd. 320, mit der folgenden Bemerkung: Der Richter dürfe seine Auffassung nicht an die Stelle der Auffassung der Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften setzen. 1561 Vgl. aber BVerfGE 19, 330, 336 ff, wonach der aufgrund des § 3 III 2 EinzelhandelG v. 05. 08. 1957 verlangte Sachkundenachweis als ungeeignet zum Schutz des Verbrauchers vor der Gefahr gesundheitlicher oder wirtschaftlicher Schädigung behandelt wurde. 1562 Vgl. BVerfGE 53, 135, 145 (KakaoVerordnung): "Es muß sich eindeutig feststellen lassen, daß zur Erreichung des verfolgten Zweckes andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen"; dazu auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 12, Rd. 126; Ossenhühl, in: FS Lerche, S. 158; A. Philipp, Arzneimittellisten, S. 143 ff.;

Hesse, Grundzüge, Rd. 320. 1563 Grabitz, in: AÖR 1973, S. 573, führt zu Recht aus, daß es zulässig ist, den Zweck mit einem Bündel gleich wirksamer Mittel zu verfolgen. 1564 BVerfGE 7, 377, 413 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

schlossen, daß der tatsächliche Zweck des Gesetzgebers die Versteinerung des vorhandenen Marktes bzw. der Schutz vor der Zulassung neuer Konkurrenten war, der aber, wie gezeigt wurde, illegitim war 1 5 6 5 . Ebenso wurde das in § 14 Nr. 2 KakaoVO v. 30. 06. 1975 (BGBl I, 1760) Verkehrsverbot von Süßwaren als unverhältnismäßig behandelt, da es gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit verstoße. Das Verkehrsverbot von Süßwaren mit schokoladenähnlicher Glasur könne durch ein Kennzeichnungsgebot für die Verkäufer dieser Waren ersetzt werden, daß nicht echte Schokolade, sondern schokoladenähnliche Glasur verwendet worden sei 1566 . Ein anderes Beispiel gibt die alte Diskussion wieder, ob die Einfuhrung einer Unternehmensentflechtung verfassungsmäßig wäre. Der Gesetzgeber dürfte nicht eine repressive Konzentrations- bzw. Fusionskontrolle (Unternehmensentflechtung) einfuhren, wenn die Beeinträchtigungen des Wettbewerbs durch die Unternehmenskonzentration mindestens genauso gut durch eine präventive Fusionskontrolle bekämpft werden könnten. Nur wenn eine mangelnde Wirksamkeit der präventiven Kontrolle festgestellt wurde oder keine andere mildere Maßnahme genauso wirksam sein kann (vgl. § 24 V I GWB), kann der Gesetzgeber die Unternehmensentflechtung einführen 1567 . Die Einstufung der Gemeinschaftsgüter, die das öffentliche Interesse bilden und gerade dargelegt wurden, orientiert sich an der Erforderlichkeitsprüfung 1568. Es ist fraglich, ob aus dem Erforderlichkeitsgebot des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Art Subsidiaritätsprinzip in der wirtschaftlichen Staat-BürgerRelation unter dem Motto "... soviel Freiheit als möglich, soviel staatlicher Eingriff als notwendig" 1569 abgeleitet werden kann 1570 . Die Frage betrifft vor allem die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der öffentlichen Teilnahme am

1565

BVerfGE 11, 168, 184, 188 ff. Dagegen wurde in demselben Urteil, a.a.O. S. 183 f., die Bedürfnisprüfung fur den Linienverkehr wegen der sozialstaatlich fundierten Belange Verhältnis- und verfassungsmäßig erklärt. 1566 BVerfGE 53, 135, 145 (KakaoVerordnung). 1567 Scholz, Entflechtung, S. 116 f.; Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 32 ff., 38 ff.; Schlichter, Die Beseitigung, S. 200 ff; vgl. auch zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Kartellrecht Grabitz, in: ZHR 1985, S. 269. 1568 Vgl. statt aller BVerfGE 7, 377, 408 (Apotheken): "Der Gesetzgeber ... darf die nächste "Stufe" erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, daß die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln der vorausgehenden "Stufe" nicht wirksam bekämpft werden können". Daraus zeigt sich, daß die Prüfung der Erforderlichkeit des Eingriffs mit der Eingriffsintensität zusammenhängt vgl. auch Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 914. 1569 So Messner, Das Naturrecht, S. 200 f. 1570 Vgl. letztens Dichmann, in: ORDO 1994, S. 205, der die Wettbewerbsfreiheit als notwendige Bedingung von Subsidiarität bezeichnet.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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wirtschaftlichen Wettbewerb 1571 . Die überwiegende Meinung steht dem ablehnend gegenüber 1572 . Man muß an dieser Stelle nur darauf hinweisen, daß die Annahme eines aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abgeleiteten Subsidiaritätsprinzips die Revidierung der ganzen Lehre über die "relative Offenheit" der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung, die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wirtschaftspolitischen Fragen, den Prognose- und Beurteilungsspielraum nach der Handhabung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die Konkretisierung der Sozialstaatsklausel usw. bedeuten sollte, die größtenteils das BVerfG bestimmt hat. Der Tatsache, daß es sich bisher im Gegensatz zum BVerwG nicht ausdrücklich geäußert hat, kann man nicht entnehmen, daß es die Frage offengelassen hat. I m Gegenteil läßt seine Rechtsprechung, insbesondere die Mitbestimmungs-Rechtsprechung 1573 , keinen Raum für die Annahme eines Subsidiaritätsprinzips in der wirtschaftlichen Staat-Bürger-Relation, wie nach dem ausdrücklich i m GG (Art. 23 I n. F. GG - vgl. auch Art. 3 b EUV) verankerten Subsidiaritätsprinzip in der EU-BRD-Relation. Demnach ist zu unterstreichen, daß, da die öffentliche wirtschaftliche Tätigkeit in jeglicher Handlungs- und Organisationsform grundsätzlich einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktteilnehmer darstellt, sie stets nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geprüft werden muß; d. h. sie muß einem "legitimen" Zweck (meistens der Daseinsvorsorge oder anderen sozialstaatlichen Gemeinwohlbelangen) 1574 dienen 1575 und geeignet, erforderlich und angemessen für das Erreichen dieses Zweckes sein 1576 . Wenn ζ. B. zum Errei1571 Ygj z u r verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der öffentlichen Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb als Grundrechtsbindungsfrage oben sub III b dd und als Grundrechtseingriffsfrage oben sub dd ε. 1572 s. oben sub III b dd. 1573 BVerfGE 50, 290, 332 ff. 1574 Darunter kann auch die Gewinnerzielung fallen, vorausgesetzt, daß die Gewinne von der unternehmerischen Tätigkeit für bestimmte öffentliche Aufgaben benutzt werden müssen - so auch Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 3, Rd. 23; zu weit Schmittat, in: ZHR 1984, S. 454; vgl. aber Stober, in: ZHR 1981, S. 589, der davon ausgeht, daß die öffentliche Hand wegen ihrer Finanzhoheit prinzipiell kein Gewerbe nur um der Gewinnerzielung willen und zur Deckung des Finanzbedarfs ausüben dürfe; ihm zustimmend Ehlers, Verwaltung, S. 92 ff.; ders, in: JZ 1990, S. 1091; mit Ausnahmen auch Krölls, in: Gew Arch 1992, S. 286 f. 1575 yg] m e h r dazu bei Englisch, Kommunales Eigentum, S. 144 f.; vgl. zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinde die jeweiligen GO der Länder. 1576 Ygj w j e k j e r Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 106; Scholz, in: FS Sieg, S. 524 f.; Hoffmann-Becking , in: FS Wolff, S. 448 ff.; Grupp, in: ZHR 1976, S. 379, 387 f.; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 121 f.; Badura, in: FS Schlochauer, S. 22; ders., in: ZHR 1982, S. 461; zurückhaltender, aber im Ergebnis zustimmend, ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 113; P. Kirchhof in: DVB1. 1982, S. 937 f.; Ehlers, S. 103; Schmittat, in: ZHR 1984, S. 455 f.; Emmerich, in: AG 1985, S. 295; Ronellenfitsch,

in:

HdDStR, III, § 84, Rd. 39, 42; Kluth, Grenzen, S. 75 f.; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1096; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §23, Rd. 11; Meyer-Arndt, in: ZUM 1996, 19 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

chen des "legitimen" Zwecks Umweltschutz (vgl. Art. 20 a GG) bei der Errichtung eines konkurrenzwirtschaftlichen öffentlichen Unternehmens, das hauptsächlich umweltschützende Maschinen benutzt, die Subventionierung derjenigen privaten Unternehmer, die entsprechende Maschinen benutzen, geeignet ist, muß der Staat (Gesetzgeber und Verwaltung) abwägen und prüfen, ob die Subventionierung ein milderes Eingriffsmittel in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerbsteilnehmer ist und, falls dies der Fall ist, sie als "erforderlich" und "angemessen" i m Sinne des Verhältnismäßigkeitsgebots i. w. S. auswählen. Die "Dreistufentheorie" findet analog Anwendung 1 5 7 7 . Auch aus der Erforderlichkeitsprüfung der Errichtung eines öffentlichen Monopols läßt sich nicht ein Subsidiaritätsprinzip ableiten, wie die Meinung gelegentlich vertreten wurde 1 5 7 8 . Das BVerfG hat nicht darauf zurückgegriffen 1 5 7 9 , dagegen hat es das Gebot der Sozialstaatlichkeit hervorgehoben, um das Arbeitsvermittlungsmonopol unbeanstandet zu lassen 1580 . Außerdem muß be-

S. 776; a. A. Gusy, in: JA 1995, S. 253; vgl. auch Krölls, in: GewArch 1992, S. 288 f., dem aber nicht zuzustimmen ist, wenn er ausführt, daß der Tatbestand der "Erforderlichkeit" insbesondere dann gegeben sei, wenn die unternehmerische Aktivität der öffentlichen Hand erforderlich sei, um eine "Marktlücke" oder ein "Teilversagen" privater Unternehmenszweige im öffentlichen Interesse zu beheben. Demnach scheint er sich dem Subsidiaritätsgedanken, wie er allerdings weiter zugibt, anzunähern. Eine so enge Auslegung des Erforderlichkeits(teil)gebots kann aber nicht angenommen werden. Die Erforderlichkeitsprüfung der öffentlichen Teilnahme an der Wirtschaft bedeutet die Prüfung der Frage, ob es kein anderes, weniger belastendes Mittel (ζ. B. Subventionierung) fìir die privaten Konkurrenten als die öffentliche wirtschaftliche Betätigung gäbe, das den angestrebten öffentlichen Zweck mindestens genauso gut erreichen würde - so auch Grupp, a. a. O., S. 387 f.; Schmittat, a. a. O. Das ist aber kein Subsidiaritätsprinzip; ob das Subsidiaritätsprinzip von dem einfachen Recht (den jeweiligen Gemeindeordnungen der Länder) abgeleitet wird, ist eine Frage, die das einfache Recht angeht und nicht mit der Verhältnismäßigkeit als Verfassungsprinzip zusammenhängt. 1577 Vgl. Emmerich, in: AG 1985, S. 295; vgl. auch BVerwGE 17, 306, 313 (Mobiliarfeuerversicherung). 1578 So Breuer, in: HdDStR, VI, § 148, Rd. 68; a. A. Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 46. 1579 BVerfGE 21, 245, 250 ff. (Arbeitsvermittlungsmonopol). 1580 BVerfGE 21, 245, 251 (Arbeitsvermittlungsmonopol). An anderer Stelle (auf den S. 257 f.) hat das Gericht hinsichtlich der Erforderlichkeitsprüfung ausgeführt, daß das Arbeitsvermittlungsmonopol als der schärfste Eingriff in das Recht der freien Berufswahl keinen Schritt weiter reichen dürfte, als unbedingt erforderlich sei. "Bei einer solchen Betrachtungsweise würde es nicht genügen, die Unerläßlichkeit des Monopols allgemein zu bejahen; darüber hinaus müßte ... so jedenfalls doch für gewisse Rand- und Grenzbereiche noch besonders die Frage geprüft und bejaht werden, ob gerade auch für sie zu einer geordneten und wirksamen Arbeitsvermittlung das Monopol geboten ist. Ließe sich dies nicht mit Sicherheit feststellen, so würde das Monopol insoweit verfassungswidrig sein". Aus dieser Ausführung ergibt sich eher die Anforderung einer besonders strengen Prüfung des Erforderlichkeitsgebots der Errichtung eines Monopols "als des schärfsten Eingriffs in das Recht der freien Berufswahl", die das Argument ei-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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züglich der Verhältnismäßigkeitsprüfüng der Beibehaltung eines öffentlichen Monopols ständig und strenger beurteilt werden, ob der Betrieb des Monopols immer noch geeignet und erforderlich ist, dem öffentlichen Zweck zu dienen 1 5 8 1 . Der Gesetzgeber muß schließlich nach der Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. des Mittels abwägen, so daß er durch den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nicht eine übermäßige und unangemessene Belastung der Rechtsposition (Wettbewerbsfreiheit) des Grundrechtsträgers verursacht, die außer Verhältnis mit dem verfolgten Zweck bzw. dem durch den Eingriff zu schützenden Rechtsgut steht 1582 . Diese Rolle der Verhältnismäßigkeit i. e. S. spielt in der "Dreistufentheorie" die bereits dargelegte Prüfung der Zulässigkeit der Eingriffe je nach Wichtigkeit der Gemeinschaftsgüter in den drei Stufen 1583 . Bezüglich des Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers kann man davon ausgehen, daß er am größten nach der Bestimmung des "legitimen" Zweckes ist und dann stufenweise nach der Prüfung, ob das eingesetzte Mittel geeignet, erforderlich und angemessen ist, zurückgeht. Umgekehrt, je geringer der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers ist, desto größer wird die Prüfungskontrolle der Gerichte, letzten Endes des BVerfG 1 5 8 4 . Die gleichen Maßstäbe gelten bezüglich der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. der "Dreistufentheorie" mutatis mutandis auch für die sog. Eingriffe durch Information und Warnung 1 5 8 5 1 5 8 6 oder Subventionie-

ner "vierten Stufe" in der "Dreistufentheorie" verstärkt, als die Ableitung eines Subsidiaritätsprinzips. 1581 Vgl. BGH GewArch 1992, S. 175 ff. 1582 Vgl. dazu letztens BVerfGE 94, 372, 390 (Werbeverbot für Apotheker); vgl. weiter die Prinzipientheorie von Alexy, in: Der Staat 1990, S. 54 f , und weiter Höfling, in: Jura 1994, S. 172; Stern, Staatsrecht III/2, S. 818; Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 906; vgl. auch Schnapp, in: JuS 1978, der die dogmatischen Figuren der Güterabwägung, der Dreistufentheorie und des Übermaßverbots in allen seinen drei Regelungskomponenten mit der sog. Wechselwirkungslehre, nach der jede Grundrechtseinschränkung im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts zu sehen ist, verbindet. Keime einer solcher Verbindung findet man schon in BVerfGE, 7, 377, 432, 434; mehr zu der Wechselwirkungslehre unten sub d bb γ. 1583 Vgl. statt aller BVerfGE 7, 377, 408 (Apotheken): Der Gesetzgeber muß Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG jeweils auf der "Stufe" vornehmen, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt ... "; vgl. weiter H. Schneider, Die Güterabwägung, S. 50 ff.; Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 907; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 920; vgl. auch die Verbindung der Prinzipientheorie von Alexy mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in: Der Staat, S. 54 f , der in der Fn. 37 (dort) auf das Apotheken-Urteil des BVerfG hinweist. 1584 Vgl. dazu Lerche, in: HdDStR, V, § 122, Rd. 19. 1585 So betrachtet der VGH Kassel GewArch 1995, S. 417, die Warnhinweise im Bereich des technischen Arbeitsschutzes ausdrücklich nur dann als zulässig, "wenn

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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rung 1 5 8 7 sowie für die anderen "nicht klassischen" Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit. Das bedeutet praktisch, daß die Verwaltung sich statt eines Boykottaufrufes einer bloßen Warnung oder statt einer Warnung einer bloßen Information bedienen muß, wenn sie den angestrebten "legitimen" Zweck, wie ζ. B. den Umwelt- oder den Verbraucherschutz oder die Volksgesundheit, mit dem jeweils milderen Mittel erreichen kann 1588 . Jedenfalls müssen die von der Auswirkung der Maßnahme zu erwartenden Kosten für die betroffenen Unternehmer im Verhältnis zu dem zu schützenden Rechtsgut sorgfältig mitberücksichtigt werden 1589 . Der mittelbare bzw. schlicht-hoheitliche Eingriff (Information, Warnung, Empfehlung) kann auch statt des hoheitlichen (Gebot, ein bestimmtes Produkt zu vermeiden, Verbot des Imports oder des Verkehrs eines Produktes) bevorzugt werden, wenn das zu schützende Rechtsgut mindestens genauso gut geschützt werden kann. Hier bekommt auch das Argument der Selbstverantwortung des einzelnen Relevanz 1590 . "Legitime" Zwecke eines "Eingriffs durch Subventionierung" können die Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wettbewerb deutscher (Export-)Unternehmen 1591 , der Abbau der Arbeitslosigkeit, der Umweltschutz, die Existenz- und Funktionsfähigkeit einer Unternehmensbranche, die a) ein hinreichender Anlaß für diese Warnung besteht, insbesondere Gefahr im Verzug ist, b) die Warnhinweise im wesentlichen zutreffend sind und keine unsachlichen oder agressiven Wertungen enthalten und c) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewährt ist"; vgl. ferner Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 70; Dolde, Behördliche Warnungen, S. 31 ff.; Di Fabio, in: JuS 1997, S. 6; Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1030.

1586 ygj z u r Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in allen seinen drei Teilkomponenten für die "Eingriffe durch Information/Warnung" in die Wettbewerbsfreiheit BVerwGE 87, 37, 47 ff. (Diethylenglykolweine), obwohl seltsamerweise das Gericht keinen grundrechtseingreifenden Charakter in der Maßnahme der Bundesregierung gesehen hat (vgl. zur Kritik dazu oben sub dd δ γγ); vgl. ferner zur allgemeinen Problematik BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten); BVerwGE 82, 76, 83 f. (Jugendsekten); BVerwG NVwZ 1994, S. 163; OVG Münster NJW 1996, S. 3356. Aus dieser Rechtsprechung, insbesondere aus der Stellungnahme des BVerfG dazu, ergibt sich eher die Position, daß die Rechtsprechung die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als einen Ersatz des Gesetzesvorbehalts handhabt - vgl. dazu auch Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 552 f. 1587 So Bleckmann, Subventionsrecht, S. 37; Henseler, in: VerwArch 1986, S. 275 ff.; Haverkate, Subventionsrecht in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 80, 86, 89 ff.; a. A. Gusy, in: JA 1991, S. 291. 1588 Ygj 1589

Rd. 10. 1590 1591

aucl l

ρ _M

Huber, Konkurrenzschutz, S. 364.

So Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 71; Maurer,

VerwR, § 15,

Ebenfalls in diese Richtung Hufen, in: NJW 1994, S. 2922. Vgl. BVerwGE 30, 191, 194 (Winzergenossenschaftensubventionierung).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Entwicklung moderner Technologie u. a. sein. Für die nicht von Art. 12 I GG geschützten Positionen und Interessen kann die "Dreistufentheorie" zwar nicht angewendet werden, es gilt aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip für die staatliche Intervention in diese Positionen aufgrund des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 I I I GG 1 5 9 2 .

b) Art. 14 GG I m Vergleich zu Art. 12 GG sind die Eingriffe, die den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 14 GG berühren, weniger, denn die Bedeutung des Art. 14 GG ist für die Bestimmung dieses Schutzbereichs entsprechend geringer. Trotzdem umfassen die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit in bezug auf Art. 14 GG fast die ganzen Teilbereiche der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, die bereits hinsichtlich des Art. 12 GG ausführlich dargestellt wurden. Sie gehen sowohl die Freiheit im Wettbewerb als auch die, in ihm zu verbleiben, an 1 5 9 3 . Sie erschöpfen sich nicht nur in den sog. klassischen Grundrechtseingriffen, sondern erstrecken sich auch auf die Grundrechtseingriffe nach dem modernen Grundrechtseingriffsverständnis. Wie sich bei der Bestimmung des Eigentumsschutzbereichs gezeigt hat, bezieht sich die Wettbewerbsfreiheit auf die Rechtsfigur des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs". Genauso werden die Eingriffe in diesen, die die Konkurrenztätigkeit bzw. -fähigkeit eines Gewerbebetriebes betreffen, als Eingriffe in die aus Art. 14 I 1 GG gewährleistete Wettbewerbsfreiheit betrachtet. Wie bei Art. 12 GG können sie durch Belastung eines, mehrerer oder aller Wettbewerbsteilnehmer oder durch Begünstigung eines oder mehrerer Wettbewerbsteilnehmer zugunsten eines oder mehrerer seiner Konkurrenten auferlegt werden. Das entscheidende Kriterium für die Annahme eines Eingriffs in den "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" ist die Minderung des Werts des Betriebes durch eine staatliche Maßnahme, die eine von Art. 1411 GG geschützte Rechtsposition betrifft 1 5 9 4 . M . a. W. muß man zuerst ermitteln, ob die umstritte-

1592

s. auch oben sub α δδ. Eingriffe in die Freiheit zum Wettbewerb können nicht mitumfaßt sein, weil Art. 141 1 GG den Bestand bzw. das Ergebnis der unternehmerischen bzw. wettbewerblichen Betätigung schützt und nicht die Betätigung selbst - vgl. dazu BVerwGE 96, 293, 301 (Sportwettunternehmen); 96, 302, 317 f. (Spielbanken); noch weniger sogar kann er das Recht, diese Betätigung zu wählen, schützen. 1594 Vgl. BGHZ 78, 41, 44 (Werbefahrt); vgl. auch Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 105; Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 12, unter dem Vorbehalt, daß die Wertminderung nicht geringfügig ist; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 83; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 693; anders aber BVerwGE 101, 1, 10, wonach Art. 141 GG grundsätzlich nicht gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit schütze; ebenso Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 262. Die Antwort auf diese Aussage lautet, 1593

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ne Maßnahme den Schutzbereich des Art. 14 GG überhaupt berührt und dann prüfen, ob durch diese Maßnahme der Wert des Gewerbebetriebs verringert wurde 1595 . Je nach Ausmaß der Wertminderung wird der Eingriff nach den verschiedenen Maßstäben des Art. 14 GG behandelt. Für die "eigentumsmäßige" Wettbewerbsfreiheit bekommt der Eingriff erst Relevanz, wenn die Wertminderung den Bestand (das Erworbene) berührt und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seine Lage auf dem Markt beeinträchtigt 1596 . Der Eingriff kann den gesamten Gewerbebetrieb oder seine einzelnen Erscheinungsformen betreffen. Voraussetzung für die Annahme eines Eingriffs in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit ist genauso wie bei der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnis-

aa) Inhalts- und Schrankenbestimmungen Zuerst kommen die Inhalts- und Schrankenbestimmungen 1598 nach Art. 1412 GG für die Arten von Eingriffen in Betracht, die nach dieser Vorschrift Aufgabe des Gesetzgebers sind. Es ist allerdings umstritten, ob sie Eingriffe in das Eigentum darstellen können 1599 1 6 0 0 oder ob sie als Ausgestaltung

daß Art. 14 I GG auch gegen eine Minderung der Wirtschaftlichkeit schützt, wenn sie durch eine in den Bestand des Gewerbebetriebs eingreifende Maßnahme erfolgt. 1595 Vgl. auch Engel, in: AÖR 1993, S. 226 f. 1596 Vgl. dazu Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 83 der zutreffend darauf hinweist, daß der Staat nicht dem Eigentümer seine Sache lassen und ihm "seinen Markt nehmen" darf, auf dem diese erst zum "Gut" wird. 1597 Demnach ist es irrelevant für die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit, ob aufgrund der allgemein für Apotheken geltenden Ladenschlußregelung die Bahnhofsapotheken anders behandelt werden als sonstige Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen, weil es kein Wettbewerbsverhältnis zwischen ihnen gibt - vgl. zum Beispiel Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 268. 1598 Nach überwiegender Meinung soll man grundrechtsdogmatisch betrachtet nicht zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen trennen, sondern beide Begriffe einheitlich benutzen; vgl. die gemeinsame Benutzung beider Begriffe in BVerfGE 53, 257, 292; 70, 101, 110; 89, 237, 241; 95, 48, 58; Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 179 ff.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 128; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 51; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 135; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 300; a. A. Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 63 f f ; Sachs, in: JuS 1995, S. 694. 1599 So Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 21, der die Eingriffe in das Eigentum in drei Kategorien einteilt: Eigentumsbestimmung nach Art. 14 I 2 GG, Enteignung nach Art. 14 III GG und sonstige Eigentumsbeeinträchtigungen; vgl. auch die Einteilung von Maurer, VerwR, § 26, Rd. 65; ferner Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 987 f.; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 134; Maurer, in: FS Dürig, S. 310, der den Begriff "Eigentumsbeschränkungen" benutzt; diesen Begriff benutzt auch für die Inhalts- und Schrankenbestimmungen BGHZ 77, 179, 183; ähnlich Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 27.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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bzw. Bestimmung des Schutzbereichs des Eigentums 1601 und über die Sozialbindung ihres Gebrauchs als dem verfassungsrechtlichen Begriff "Eigentum" immanent betrachtet werden sollen 1602 . Nach der hier vertretenen Meinung ist beides im Rahmen dieser Norm möglich 1 6 0 3 . Die Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des konkurrierenden Gewerbetreibenden festlegen 1604 . Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, die als solche zu behandeln sind, sind etwa die unternehmerische Mitbestimmung 1 6 0 5 , die Einführung einer staatlichen Investitionskontrolle, die Untersagung der Immissionen von einem Betrieb nach dem BImSchG, die die Nachbarn oder die Umwelt beeinträchtigen, Regelungen über die Sanierung von Weinbergen 1606 , das Bauverbot 1607 einer Anlage, die wichtig für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist, Vorschriften, die in die Preisfreiheit der konkurrierenden Unternehmen eingreifen (ζ. B. § 2 PreisG v. 10. 04. 1948) 1 6 08 , Sperrzeitregelungen 1609 , eine die Regelung des § 6 V Milch1600 ygj BVerfGE 13, 225, 229, wonach es zwischen Regelungen, die die Substanz des Gewerbebetriebes treffen, und denjenigen, die die Substanz nicht, aber die Nutzung des Eigentums betreffen, differenziert wird. Die ersten stellten Grundrechtsverletzungen dar, die zweiten würden als Bestimmungen des Inhalts und der Grenzen des Eigentums nach Art. 1412 GG gelten. Man kann daraus schließen, daß die zweiten Regelungen als bloße Grundrechtseingriffe in den eigentumsmäßigen Gewerbebetrieb betrachtet werden können; denn, wie bereits gezeigt, nicht nur die Grundrechtsverletzungen sind Grundrechtseingriffe; vgl. auch BVerfGE 45, 142, 173; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 268; Kluth, Grenzen, S. 80. 1601 ygj H e s s 6 t Grundzüge, Rd. 448, der von einem "Auftrag zur Ausgestaltung" des Eigentumsrechts nach Art. 14 I 2 GG spricht; weiterhin Böhmer, in: AgrarR 1984 Beilage 1/1984, S. 12; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 50 f.; P. Kirchhof, Verwaltung, S. 268, Fn. 333 (dort), spricht von dem Vorbehalt nach Art. 14 I 2 GG zur Grundrechtsausprägung. 1602 So Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 177, und die ursprüngliche Rechtsprechung des BGH - Nachweise bei Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 114 ff.; vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 127; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 151; ders.,

in: FS Friauf, S. 392 f.; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 183; dazu tendiert auch BVerfGE 95, 48, 58; diese Meinung scheint auch Hesse, Grundzüge, Rd. 449, anzunehmen, wobei er als echten Eingriff in das Eigentum nur die Enteignung betrachtet. 1603 Vgl. auch Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 60 ff, 134 ff.; E. Stein, Staatsrecht, § 41 III 1; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 55; andeutend auch BVerfGE 94, 241,258. 1604 BVerfGE 58, 300, 330 (Naßauskiesung); 72, 66, 76 (Salzburger Flughafen); BGHZ 6, 270, 278; BVerwG NVwZ 1997, S. 890. 1605 BVerfGE 50, 290, 341 f , 347 (Mitbestimmung). 1606 BVerwGE 68, 143, 148. 1607

Daß das Bauverbot an Art. 14 GG zu messen ist, vgl. statt aller Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 104, unter Hinweis auf BVerfGE 35, 263, 276 f.; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 58. 1608 BVerfGE 8, 274, 330 (Preisgesetz); vgl. auch BVerfGE 87, 114, 146; P. Kirchhof Verwalten, S. 411. 1609 ßVerwG DVB1. 1986, S. 565.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Garantiemengen-Verordnung (MGVO) v. 25. 05. 1984 (BGBl. I, 720) erfassende Milchmengenbegrenzung nach § 6 V I M G V O a. F., die einem Vermarktungsverbot gleichkam und die Nutzung des Eigentums beeinträchtigte 1610 , Vorschriften zum Kündigungsschutz 1611 , das Verbot des Ausfahrens von Backwaren zur Nachtzeit 1612 , die Werbebeschränkung für Wanderlager aufgrund des § 56 a GewO 1 6 1 3 , die Beeinträchtigung der Lieferantenbeziehungen eines Betriebs 1614 , die Offenbarungspflicht von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Gewerbebetriebs 1615 , Störungen des Gemeingebrauchs an einer Straße, die den Kontakt des Betriebes nach außen beeinträchtigen, wie das Verbot des KfzVerkehrs, die Untertunnelung für eine U-Bahn 1 6 1 6 , Beschränkungen der Außenwerbung einer Gastwirtschaft 1617 usw. Dagegen wurde entschieden, daß der "eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" und die Wettbewerbsfreiheit der Gewerbetreibenden nicht von der Senkung eines Außenzollsatzes 1618 berührt werden oder daß die Einführung des Kinoverbotes für Kinder unter 6 Jahren aufgrund des § 6 1 JÖSchG nicht in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 14 11 GG der Märchenfilmvorführer eingreift 1619 , weil die von den staatlichen Maßnahmen beeinträchtigten Interessen als von Art. 14 I 1 GG nicht erfaßten "Chancen" behandelt wurden 1620 .

1610

BVerwGE 81, 49, 50 ff, 55 (Milchgarantiemengen). BAGE46, 42, 47 f. 1612 BVerfGE 41, 360, 377. 1613 BVerfG GewArch 1970, S. 33; vgl. auch VGH Kassel GewArch 1977, S. 90; ausführlich zur Einschränkung der Werbefreiheit bezüglich des Eigentums Selmer, in: FS Ipsen, S. 528 ff. 1614 Vgl. Engel, in: AÖR 1993, S. 216 f., der die hervorragende Bedeutung der Lieferantenbeziehungen für ein Unternehmen am Beispiel des Marktes des Automobilwerkes wie folgt beschreibt: "Diese Unternehmen sind unter dem Druck japanischer Wettbewerber sämtlich dazu übergegangen, die Lagerhaltung durch Just-in-time-Lieferungen der Zulieferer zu ersetzen. Im Moment, in dem der Kunde ein Auto bestellt, werden die für seine Herstellung benötigten Einzelteile erst bei den Lieferanten bestellt, die sie genau zum benötigten Zeitpunkt ans Band liefern"; vgl. ferner Ramsauer, S. 42. 1615 R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 192 ff.; Ossenbühl, in: AÖR 1990, S. 29 f.; Turiaux, Zugangsrechte, S. 64 f.; Berg, in: GewArch 1996, S. 178; Wolff, in: NJW 1997, S. 99 ff. 1616 BVerwG BayVBl. 1966, S. 348 f. 1617 BVerwG NJW 1980, S. 2091. 1618 BGHZ 45, 83, 88 (Knäckebrot). 1619 BGH NJW 1964, S. 769 (Märchenfilm). 1620 D i e s e Auffassung scheint im zweiten Fall des sog. Märchenfilm-Urteils des BGH unter zwei Bedingungen problematisch: a. Die Märchenfilmvorführer hatten vor der Einführung des umstrittenen Kinoverbotes Kundschaft erworben, die aus Kindern unter 6 Jahren bestand; b. die erworbene Kundschaft ist, wie auch hier vertreten wird (s. oben sub II 2 b bb), keine bloße Chance, sondern Bestandteil des aus Art. 1411 GG garantierten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. 1611

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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bb) Enteignung Die Wettbewerbsfreiheit kann auch durch Enteignung eingeschränkt werden, wobei die Enteignung eine sehr drastische Form von Eingriff in das Eigentum darstellt und den Staat zur Entschädigung verpflichtet. Nach dem BVerfG ist die Enteignung nach dem GG "ein staatliches Zwangsinstrument, das der Verwirklichung bestimmter, im öffentlichen Nutzen liegender Zwecke dient und dadurch gekennzeichnet ist, daß das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 gewährleistete Eigentum ganz oder teilweise im Interesse der Allgemeinheit entzogen w i r d " 1 6 2 1 , oder dadurch begrifflich gekennzeichnet ist, "daß die öffentliche Gewalt in konkrete subjektive Rechte eingreift, die als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 gewährleistet sind" 1 6 2 2 1 6 2 3 . Man muß zwischen Inhalts· und Schrankenbestimmungen 1624 einerseits und Enteignung andererseits unterscheiden, obwohl die Unterscheidung in vielen Fällen schwierig ist 1 6 2 5 . Der Begriffsdefinition des BVerfG folgend, charakterisieren drei Merkmale die Unterschiede. Die Enteignung "ist konkret statt abstrakt, trifft individuell statt generell und beläßt das Eigentum dem Eigentümer nicht, sondern entzieht es ihm" 1 6 2 6 . Demgemäß bezieht sich der Unterschied nicht nur auf die Intensität (materielles Abgrenzungskriterium) 1627 , sondern vielmehr auf die Form des

1621

BVerfGE 42, 263, 299 (Contergan); vgl. auch BVerfGE 24, 367, 394 (Hamburgische Deichordnung); 52, 1, 27 (Kleingarten); 70, 191, 199 (Fischerei); 72, 66, 76 (Salzburger Flughafen); BGHZ 99, 24, 28 f. 1622 BVerfGE 51, 193, 211 (Weinlagennamen); vgl. auch BVerfGE 79, 174, 191 (Straßenlärm); 95, 1,21. 1623 ygj a u c h die Definition von Maurer, in: FS Dürig, S. 305: "Enteignung ist die durch einen gezielten hoheitlichen Rechtsakt erfolgende Entziehung einer Vermögenswerten Rechtsposition i. S. d. Art. 14 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben"; weiterhin Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 56. 1624

Es ist hier noch mal zu betonen, daß auch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 1412 GG Eingriffe in das Eigentum darstellen können. 1625 Darauf weisen Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 52 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 989 ff.; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 530, hin. 1626 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 990; vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 367; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 533; Ossenbühl, in: FS Friauf, S. 392; teilweise kritisch zu dieser Position Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 58. 1627 Bezüglich der Intensität des Eingriffs als Abgrenzungskriterium zwischen Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmungen vgl. die alte Zumutbarkeits- oder Schweretheorie des BVerwG - BVerwGE 5, 143, 145; BVerwG DÖV 1968, S. 432. Nach dieser Theorie kann die Abgrenzung zwischen entschädigungspflichtiger Enteignung und entschädigungslos hinzunehmender Eigentumsbindung nicht mit formellen Kriterien gelöst werden, sondern der materielle Wertgehalt des Eigentums und die Schwere des Eingriffs in das Eigentum sind dafür maßgebend; vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 338, die in Rd. 268 den enteignenden Charakter des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit dem Eingriff in seine Substanz verbinden. Alle anderen staatlichen Maßnahmen, die jenseits dieses Eingriffs

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Eingriffs (formales Abgrenzungskriterium) 1628 . Eine rechtswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung ist keine Enteignung, sondern bloß ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff 1 6 2 9 , der grundsätzlich, von der Staatshaftungspflicht nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB und einfachrechtlichen Entschädigungspflichten 1630 abgesehen, nicht entschädigungspflichtig ist 1 6 3 1 . Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs durch Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 1412 GG kann nicht durch die Umschlagung in eine Enteignung und die Gewährung einer Entschädigung geheilt werden 1632 . Wenn die Entschädigung gesetzlich fehlt, muß der Betroffene sich vor den zuständigen Gerichten um die Aufhebung des rechtswidrigen Aktes bemühen 1633 . Daraus schließt man, daß Enteignung nach Art. 14 I I I GG einerseits und Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 1412 GG andererseits verschiedene Eingriffsinstitute sind und

liegen und lediglich Auflagen für die Ausübung des Gewerbes machen, sollen als Inhalts· und Schrankenbestimmungen qualifiziert werden; zur Schweretheorie weiterhin Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 15 1 f.; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 197 f.; vgl. auch BGHZ 121, 328, 332; vgl. ablehnend zu dieser Theorie Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 52; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 56; Eschenbach, in: Jura 1997, S. 520. 1628 So die bereits dargestellte Rechtsprechung des BVerfG; weiterhin Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 535; Ossenbühl, in: FS Friauf, S. 392; vgl. auch mittlerweile BVerwGE 77, 295, 297 f.; 84, 361, 366 f.; 87, 241, 243; BVerwG NVwZ 1997, S. 890; zu den verschiedenen Abgrenzungstheorien s. ausführlich bei Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 190 ff.; Jaschinski, Der Fortbestand, S. 111. 1629 BVerfGE 52, 1, 27 (Kleingarten); 58, 300, 320, 331 (Naßauskiesung); 70, 171, 199 (Fischerei); 80, 174, 192; BVerwGE 81, 49, 55 (Milchgarantiemengen); 84, 361, 367; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 367; BGHZ 111, 349, 357 (Kakaoverordnung); 133, 265, 267; BGH DVB1. 1993, S. 719; BVerwG NVwZ 1997, S. 890; vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 337; Maurer, in: FS Dürig, S. 314; ders., VerwR, §26, Rd. 64 ff. ; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 137; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 151; ders., in: FS Friauf, S. 393; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 52; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 179; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 28, 319 f.; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 26, 28, 41; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 990 (m. w. N.); a. A. Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 148. 1630 D a r u n t e r fallt das Haftungsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs (s. dazu unten sub cc α) - vgl. auch Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 42. 1631 Zur Ausnahme von dieser Regel vgl. die Problematik der sog. ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung - dazu BVerfGE 58, 137, 148 (Pflichtexemplar); 79, 174, 192; BVerwGE 84, 361, 363 ff.; 94, 1, 10 ff.; BVerwG NVwZ 1997, S. 889; BGHZ 121, 328, 336 f.; 126, 379, 381; 133, 265, 267; Maurer, in: FS Dürig, S. 310 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 153 ff.; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 200 ff.; Rüfner, Schadensersatz und Entschädigungsleistungen in: Erichsen (Hg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49, Rd. 38 f.; Ossenbühl, in: FS Friauf, S. 394 ff.; weiterhin ausführlich zü dem Pflichtexemplar-Urteil des BVerfG und zur ganzen Problematik Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 495 ff. 1632 So Maurer, in: FS Dürig, S. 310; Ossenbühl, in: FS Friauf, S. 393; vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 337; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 41. 1633 BVerfGE 58, 300, 324 (Naßauskiesung); Jaschinski, Der Fortbestand, S. 24.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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sich nicht in einem Stufenverhältnis miteinander befinden 1634 . Darüber hinaus muß die Enteignung rechtlich 1635 , gezielt 1636 , hoheitlich 1637 und unmittelbar 1638 in eine von Art. 1411 GG geschützte Rechtsposition 1639 eingreifen 1640 . Eine Enteignung kann die Wettbewerbsfreiheit dadurch beeinträchtigen, daß sie von Art. 1411 GG geschützte Rechtspositionen des Gewerbebetriebs (ζ. B. eine Anlage oder ein betriebsbezogenes Grundstück) entziehen kann, die seinen Wert und demgemäß seine Wettbewerbsfähigkeit seinen Konkurrenten gegenüber verringern können.

cc) Besondere Probleme der Eingriffe in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit α) Der enteignungsgleiche und enteignende Eingriff Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie Enteignungen sind die wichtigsten, aber nicht die einzigen Formen von Eigentumseingriffen. Daneben gibt es zwei Rechtsschöpfungen des BGH, die als Eingriffe in das Eigentum bzw. in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 14 I 1 GG betrachtet werden und einen Entschädigungsanspruch auslösen können. Es handelt sich um den enteignungsgleichen Eingriff 1 6 4 1 und den enteignenden Eingriff. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein enteignungsgleicher Eingriff ein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum, der für den Fall seiner gesetzlichen Zulässigkeit sowohl nach seinem

1634

Vgl. dazu BVerfGE 58, 300, 331 (Naßauskiesung); Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 55; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 989; vgl. aber BGHZ 121, 328, 332. 1635 Vgl. dazu unten sub dd ß. 1636 So Schmidt-Aßmann, in: JuS 1986, S. 837; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 334; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 152; ders, in: FS Friauf, S. 392; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 72; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 539 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 456; a. A. Maurer, VerwR, § 26, Rd. 16; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 241. 1637 Vgl. dazu BVerfGE 14, 263, 277 (Feldmühle): "Eine Enteignung muß stets vom Staat oder doch von dem mit staatlichen Zwangsrechten beliehenen Unternehmer ausgehen". 1638 BVerfGE 95, 1, 21; BGHZ 92, 34, 41. 1639 BVerfGE 95, 1, 21; BVerwG NVwZ 1997, S. 889; BGHZ 121, 328, 332; 133, 265, 267; Schmidt-Aßmann, in: JuS 1986, S. 833, mit der Bemerkung, daß die Enteignung in einem "komplementären" Verhältnis zur Eigentumsgarantie stehe; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 324, 336; Boujong, in: FS Nirk, S. 62; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 178, 181; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 53; Hesse, Grundzüge, Rd. 455; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 240 f. (m. w. N.). 1640 ygj z u d i e s e n Enteignungsvoraussetzungen statt aller Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 152 (m. w. N.). 1641 V g l a u c h BGHZ 111, 349, 353 (Kakaoverordnung), in der der Gerichtshof den enteignungsgleichen Eingriff als richterrechtliches Haftungsinstitut bezeichnet.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Inhalt als auch nach seiner Wirkung als Enteignung behandelt wird und dem Betroffenen ein besonderes Opfer auferlegt hat 1 6 4 2 . Der Unterschied zur Enteignung liegt darin, daß er nicht rechtmäßig wie die Enteignung, sondern rechtswidrig ist 1 6 4 3 . Eine weitere Voraussetzung, die nach dem Naßauskiesungs-Urteil des BVerfG 1 6 4 4 fur die Annahme eines enteignungsgleichen Eingriffs verlangt wird, stellt die Tatsache dar, daß der Betroffene die durch den rechtswidrigen A k t verursachten Nachteile nicht durch zumutbare Rechtsmittel hätte vermeiden können (vgl. § 254 BGB - Mitverschulden) 1645 . Darüber hinaus muß der Eingriff, wie auch i m Fall der Enteignung, hoheitlich 1 6 4 6 und unmittelbar 1 6 4 7 in eine von Art. 14 11 GG (eigentumsmäßig) geschützte Rechtsposition einwirken 1 6 4 8 . Die Zielgerichtetheit der Maßnahme ist nicht erforderlich 1649 . Was die Wettbewerbsfreiheit anbelangt, ist die eigentumsmäßig geschützte Rechtsposition des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs im Wett-

1642 BGHZ 6, 270, 290; 76, 387, 393 (Fluglotsenstreik); 107, 240, 252; 134, 316, 322 f. - st. Rechtsprechung; weiterhin Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 174. 1643 Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 335; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 140. 1644 BVerfGE 58, 300 ff.; zur Dogmatik des Eigentumsrechts vor sowie nach dem Naßauskiesungs-Urteil des BVerfG vgl. insbesondere W. Böhmer, in: AgrarR 1984, Beilage 1/1984, S. 2 ff. 1645 Vgl. BGHZ 90, 17, 32; 110, 12, 14 f.; Schenke, in: NJW 1991, S. 1779; Jaschinski, Der Fortbestand, S. 29 f. 1646 Darunter versteht man auch das schlicht-hoheitliches Handeln - vgl. auch LG Stuttgart NJW 1989, S. 2263 (Birkel); Ossenbühl, in: ZHR 1991, S. 345 ff.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 40 und unten sub ε. 1647 Hier muß man Vorsicht walten lassen: Die Unmittelbarkeit in dem hier gemeinten Sinne darf nicht mit der Unmittelbarkeit als Grundrechtseingriffsmerkmal verwechselt werden, im Sinne, daß der Eingriff an den Betroffenen adressiert sein muß. Hier ist mit Unmittelbarkeit gemeint, daß der Eingriff das Eigentum bzw. den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in einer betriebsbezogenen Rechtsposition direkt trifft oder eine typische Aktualisierung einer hoheitlich geschaffenen Gefahrenlage ist oder ein Ergebnis verursacht, das einem hoheitlichen Verantwortungszusammenhang wertend zuzurechnen ist. Er muß aber nicht an den Betroffenen adressiert sein; vgl. Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 18 f.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 38 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 993, mit Hinweis auf BGHZ 92, 34, 41; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 52, 176; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 139; vgl. auch BVerwGE 32, 173, 178; 50, 282, 286 ff.; 66, 307, 309 (Dünnsäure). Die bundesverwaltungsgerichtliche Judikatur nimmt richtigerweise einen mittelbaren Eigentumseingriff im Sinne des nicht adressierten an. 1648 BGHZ 92, 34, 36, 41; 111, 349, 355 (KakaoVerordnung); BGH DVB1. 1993, S. 719; BGH DVB1. 1996, S. 799; vgl. auch ausführlich Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 416 ff.; weiterhin Boujong, in: FS Nirk, S. 62; Maurer, in: JZ 1996, S. 1125; Jaschinski, Der Fortbestand, S. 73. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 993, greifen zusätzlich auf das Intensitätskriterium zurück und verlangen, daß die Maßnahme das Eigentum schwer, unerträglich und unzumutbar beschränken soll. 1649

Vgl. Ramsauer, S. 33 ff.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 40, 73; A. Philipp, Arz-

neimittellisten, S. 109.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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bewerb relevant. Einen solchen enteignungsgleichen Eingriff in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit stellte die als rechtswidrig behandelte streikähnliche Aktion der bundesdeutschen Flugleiter (Fluglotsen) in den Gewerbebetrieb einer ausländischen Fluggesellschaft 1650 oder die Einstellung eines Werbefahrtenbetriebs aufgrund des vom B V e r f G 1 6 5 1 als verfassungswidrig erklärten § 33 13 StVO a. F. dar 1 6 5 2 . Da der betroffene Unternehmer im letzten Fall seinen Gewerbebetrieb einstellen mußte, hat die umstrittene Maßnahme als Eingriff auf sein Recht, i m Wettbewerb zu verbleiben, eingewirkt 1653 . Das gleiche gilt aber nicht für die nachteiligen Auswirkungen eines verfassungswidrigen formellen Gesetzes und seines Vollzuges 1 6 5 4 - darunter versteht man nicht ein materielles Gesetz (Rechtsverordnung oder Satzung) 1655 . Umstritten ist, ob dies auch für die Ausgestaltung eines einzelnen Produktes eines Gewerbebetriebs gilt 1 6 5 6 .

1650 BGHZ 76, 387, 392 ff. (Fluglotsenstreik). Der BGH hat den enteignungsgleichen Eingriff durch diese streikähnliche Aktion der Fluglotsen mit dem Argument angenommen, daß über die hoheitliche und unmittelbare Einwirkung des Streiks hinaus der durch diesen dargestellte Eingriff "gezielt" und "betriebsbezogen" auf die von Art. 14 I 1 GG geschützte Rechtsposition der betroffenen Fluggesellschaft eingewirkt habe, nämlich auf die Planung und Organisation von Flugreisen, die auf der ordnungsgemäßen Durchführung der Flugsicherung basiere. Daraus ergibt sich die Frage, ob die geplanten Flüge, die wegen des Streikes abgesagt werden mußten, zum "Bestand" bzw. "Substanz" des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes" i. S. d. Art. 14 I 1 GG gehören, wie der BGH selbst in seiner übrigen Judikatur definiert hat, oder zu den schutzlosen "Chancen" und Erwerbserwartungen, die ebenso er in dieser Judikatur definierte. Nach den Grundsätzen dieser Definitionen handelt es sich um Chancen oder, genauer gesagt, um den Erwerb und nicht das Erworbene. Die positive Antwort auf die erste Frage bedeutet jedoch, daß "Erwerbsmöglichkeiten" als Rechtsposition i. S. d. Art. 1411 GG transformiert werden können, wenn nach dem BGH ihre Beeinträchtigung durch die öffentliche Hand "betriebsbezogen" und "gezielt" ist. Hier geht es offensichtlich um einen Bruch der These der sog. Schutzlosigkeit der Erwerbsmöglichkeiten und Chancen von Art. 14 I GG - so auch Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 21; zum Bruch dieser These vgl. ferner BVerwGE 66, 307, 309 (Dünnsäure). 1651

BVerfGE 40, 371 ff. BGHZ 78, 41, 42 ff. (Werbefahrt). 1653 Vgl. auch eine ähnliche Fallkonstellation bei BVerwGE 81, 49, 55 (Milchgarantiemengen); BGH DVB1. 1993, S. 719. 1654 BGHZ 78, 41, 43 (Werbefahrt); 102, 350, 359; 111, 349, 353 (Kakaoverordnung). 1655 BGHZ 111, 349, 353 (KakaoVerordnung); BGH DVB1. 1993, S. 719. 1656 ygj verneinend BGHZ 111, 349, 356 f. (KakaoVerordnung); bestätigt durch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); zustimmend BGH DVB1. 1996, S. 799; Boujong, in: FS Nirk, S. 70; Badura, in: HdVerfR I, § 10, Rd. 95. Hier muß man darauf hinweisen, daß der BGH den Kakaoverordnungs-Fall widersprüchlich behandelt hat, wobei er einerseits das Verbot als einen Eingriff in die nicht von Art. 1411 GG erfaßten Chancen und Erwerbsmöglichkeiten des Gewerbebetriebs, andererseits als eine (verfassungsrechtlich zulässige?) Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Gewerbebetriebs) nach Art. 1412 GG behandelt hat. Diese Posi1652

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

tion verwundert, weil die Erwerbschancen und -möglichkeiten nach h. M. (s. oben sub II 2 b bb) grundsätzlich nicht Schutzpositionen i. S. d. Art. 1411 GG und deswegen nicht Gegenstand einer Inhalts- und Schrankenregelung nach Art. 1412 GG sein können. Der BGH hat eine Anwendung des Gesetzes- bzw. Regelungsvorbehalts des Art. 1412 GG in eine nicht vom Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG gefaßte Schutzposition gesehen! Seine Argumentation mangelt aber auch an einem anderen Punkt: Er legt dar, daß eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 1412 GG auch bei Rechtswidrigkeit tatbestandsmäßig eine Inhaltsbestimmung bleibe und nicht etwa nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen zu einer Entschädigung führte. Die Bemerkung ist teilweise richtig, soweit sie ihren ersten Teil angeht, überraschend falsch aber bezüglich ihres zweiten Teils. Daß eine unzulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung in keine entschädigungsbedürftige Enteignung i. S. d. Art. 14 III GG umgewandelt wird, ist mittlerweile annerkannt worden - aber darum geht es nicht. Wie auch der BGH an anderer Stelle dieses Urteils ausführt (a. a. O , S. 352), handelt es sich um einen enteignungsgleichen Eingriff, ein (einfachrechtliches) Haftungsinstitut, dessen Geltung er auch nach dem sog. Naßauskiesung-Urteil des BVerfG - s. BVerfGE 58, 300 ff. - nie aufgegeben hat und zu dessen Tatbestand nach der ständigen Rechtsprechung des BGH selbst und seiner Darlegung in diesem Urteil (a. a. O , S. 352) die Rechtswidrigkeit der Maßnahme der Exekutive gehört. Infolgedessen sollte die (Verfassungs-)Rechtswidrigkeit der Regelung u. U. zu einer Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs führen - vgl. dazu Schenke, in: NJW 1991, S. 1787. Das gegenteilige Ergebnis wäre richtig gewesen, nur wenn der BGH die umstrittene Regelung als vereinbar mit Art. 1411 GG behandelt hätte. Wenn er aber das sog. Kakaoverordnung-I-Urteil des BVerfG - E 53, 135 ff. -, das die umstrittene Regelung wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. den Art. 12 I GG für nichtig erklärt hat, nicht in Frage stellt und darüber hinaus Art. 1412 GG für einschlägig hält, wie konnte er die Inhaltsund Schrankenbestimmung nach Art. 1412 GG als verfassungsrechtlich zulässig behandeln? Kann man wohl davon ausgehen, daß die Regelung als Berufsausübungsregelung i. S. d. Art. 1212 GG unverhältnismäßig bzw. nicht erforderlich und als Inhaltsund Schrankenregelung i. S.d. Art. 1412 GG verhältnismäßig bzw. erforderlich ist? Eine solche Gegenüberstellung würde fehl am Platz sein, der BGH aber scheint sie zu teilen, wie sich auch aus BGH DVB1. 1993, S. 719 eindeutig ergibt - vgl. auch die berechtigte Kritik dazu von Maurer, in: JZ 1991, S. 39; sich ihm anschließend Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 107; Schenke, a.a.O., S. 1781 ff, sieht in einem solchen Fall, selbst wenn nur in die Berufsfreiheit (rechtswidrig) eingegriffen wird, einen Entschädigungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Aufopferungsgedankens; zur Kritik dieser Entscheidung auch aus der Sicht der Grundrechtskonkurrenzlehre vgl. unten sub V 1 b aa β. Genauso wenig anzunehmen ist die Position, die eine unzulässige Inhaltsund Schrankenbestimmung erst bei einem Eingriff in die Substanz des Gewerbebetriebs bzw. einem existenzbedrohenden oder gar existenzvernichtenden Eingriff in den Gewerbebetrieb sieht, wie der BGH letztens andeutet - vgl. BGHZ 121, 328, 337 f.; 132, 181, 187 (Computertomographen); 133, 265, 267 -, wenn die Substanz des Gewerbebetriebs als "Kernsubstanz" bzw. Existenz betrachtet werden soll (daß hier nicht davon ausgegangen wird, vgl. dazu oben sub II 2 b bb). Dem Ergebnis dieses Urteils könnte man trotz der übrigen Fehlargumentation nur dann zustimmen, wenn man annehmen würde, daß der Eingriff sich nur auf ein Produkt bzw. "Erscheinungsform" des Gewerbebetriebs bezieht und deswegen nicht die Substanz des Betriebs (als Gesamtorganismus) berühre - das deutet Boujong, in: FS Nirk, S. 72, an. Diese Position ist aber abzulehnen, soweit der Eingriff, der auch "Erscheinungsformen" bzw. "Ausstrahlungen" des Betriebs betreffen kann, den Gesamtorganismus des Betriebs gestört und seinen Wert dadurch gemindert hat (vgl. dazu oben sub b und unten die Nachweise sub ε). Konsequenter und im Ergebnis richtig war die Darle-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Zum Begriff des enteignenden Eingriffs gehören alle enteignend wirkenden Beeinträchtigungen, die als atypische und ungewollte Nebenfolgen rechtmäßigen Verwaltungshandelns 1657 (häufig von Realakten) 1658 gelten, wie ζ. B. die Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs durch Straßenlärm 1659 oder Bauarbeiten, wenn die zuständigen Verwaltungsbehörden alle geeigneten Maßnahmen getroffen haben, um den Gewerbebetrieb zu schonen 1660 . Wegen ihres ungezielten Charakters gehört ihre Erörterung zu der Problematik der Grundrechtseingriffe nach dem modernen Eingriffsverständnis 1661 . Die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Gewerbetreibenden wird dadurch belastet, daß wegen dieser Beeinträchtigungen weniger Kunden ihre Gewerbe besuchen und demzufolge Umsatzverluste von der erworbenen Kundschaft hingenommen werden müssen 1662 . Regelmäßig sollen diese Beeinträchtigungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i. S. d. Art. 1412 GG behandelt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH jedoch können sie nach Art, Umfang und Intensität den Betroffenen so benachteiligen, daß sie für ihn ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer bedeuten und deshalb eine Entschädigung erforderlich ist, obwohl eine gesetzliche Regelung nach Art. 14 I I I 2 GG fehlt 1 6 6 3 . Die hoheitliche Maßnahme muß genauso wie beim enteignungsgleichen Eingriff unmittelbar 1 6 6 4 auf eine von Art. 14 11 GG geschützte Rechtsposition wirken 1 6 6 5 . Wie beim enteignungsgleichen Eingriff wird vom BGH auch ein enteignender Eingriff abgelehnt, wenn die staatliche Maßnahme eine Erscheinungsform, aber nicht die Substanz trifft 1 6 6 6 .

gung des BGH in dem vergleichbaren Fall des BGHZ 78, 41, 44 ff. (Werbefahrt). Einen Unterschied zwischen beiden Urteilen unter dem Gesichtspunkt der "Betriebssubstanz" stellt aber Boujong, a. a. O, fest. 1657 Vgl. BGHZ 100, 335, 337; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 142. 1658 So Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 449. 1659 Vgl. BGHZ 64, 220, 230 (Verkehrslärm); 97, 361, 369 ff. (Straßenlärm); vgl. auch BGH DVB1. 1995, S. 742 (Fluglärmimmissionen). 1660 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 994. 1661 V g i a u c h R a m s a u e r t s. 47; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 73. 1662 ygj a u c h v Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 211; Maurer, VerwR, § 26, Rd. 56. 1663 Maurer, VerwR, § 26, Rd. 56 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGH); Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 179. 1664 F ü r die "Unmittelbarkeit" im hier gemeinten Sinne gilt analog, was über den enteignungsgleichen Eingriff dargelegt wurde; dazu BGHZ 77, 179, 186 f. 1665 BGHZ 76, 387, 392 (Fluglotsenstreik); s. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 450. 1666 BGH NJW 1967, S. 1857 (Saatgut).

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland ß) Eingriff durch Besteuerung? αα) Die bisherige Rechtsprechung des BVerfG Besonders umstritten ist die Frage, ob die Auferlegung einer Geldleistungspflicht (Steuer, Abgabe usw.) einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen kann und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Aus der Sicht der Gewerbesteuerpolitik des Staates hat die Erörterung der Frage eine nicht geringfügige Bedeutung. Das BVerfG 1 6 6 7 und sich ihm anschließend auch die anderen Bundesgerichte 1668 lehnen in ständiger Rechtsprechung und entgegen einer nicht unbedeutenden Kritik i m Schrifttum 1669 einen Eingriff in das Eigentum durch Besteuerung ab, weil das Vermögen als solches nicht von Art. 14 11 GG, sondern von der allgemeinen Handlungsfreiheit als allgemeine Wirtschaftsfreiheit des Art. 2 I GG geschützt werde. Das Eigentum werde erst dann tangiert, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen in der Weise übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen, daß sie eine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung ausüben 1 6 7 0 . In einem solchen Fall gebe es sogar eine Grundrechtsverletzung. Das BVerfG scheint sich in dieser Rechtsprechung der ExistenzgefährdungsTheorie als Variation der Schwere-Theorie des BVerwG in den Fragen des "Eingriffs durch Subventionierung" und des "Eingriffs durch öffentlichen Wettbewerb" unter dem Motto "kein Eingriff durch Besteuerung bis auf die erdrosselnde Geldleistungspflicht, die sogar eine Grundrechtsverletzung darstellt" anzunähern.

1667 BVerfGE 4, 7, 17 (Investitionshilfe); 68, 287, 310 f.; 75, 108, 154; 78, 249, 277; 82, 159, 190; 91, 207, 220; 95, 267, 300 (Altkreditschulden); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 58; BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1997, S. 125 (Kopierladen II); ausführlich zur Rechtsprechung des BVerfG darüber Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 231 ff; weiterhin Schenke, in: WiVerw 1978, S. 320 f.; Nüßgens/Boujong, Eigentum,

Rd. 35 f.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 23; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 3, 160; Hesse,

Grundzüge, Rd. 446; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 48. 1668 Vgl. auch BVerwGE 6, 247, 266 ff.; 7, 304, 317; 12, 140, 162; BFHE 73, 387, 394; 89, 422, 441 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH und des BVerfG); BFH BB 1996, S. 2552; BGHZ 83, 190, 194; BSGE 27, 43, 45; 31, 136, 138. 1669 Friaufl in: Jura 1970, S. 308; v. Arnim, in: VVDStRL, 39 1981, S. 309 f.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 236; Ρ. Kirchhof in: HdDStR, IV, § 88, Rd. 69, 75, 86 ff. - mit weiteren Nachweisen auch in der Fn. 140 (dort); ders, in: Steuern im Verfassungsstaat, S. 45; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 143. 1670 Diese Ausnahme aus der Regel hat das BVerfG erst nach der BVerfGE 14, 221, 241, und seitdem in ständiger Rechtsprechung angenommen.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ßß) "Grundfreibetrag" und "Vermögenssteuer": Wende oder Konkretisierung der Rechtsprechung? Das BVerfG benutzt diese Formel seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr einheitlich. Genauer gesagt legt der 1. Senat dar, daß die auferlegte Geldleistungspflicht die allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG berühren könne, wenn andere spezifische Grundrechte, insbesondere Art. 121 GG, nicht in Betracht kommen 1671 . Etwas später wird das Gericht bzw. sein 2. Senat deutlicher: "Steuergesetze sind in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, daß Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen" 1672 . Kürzlich ging das Gericht im sog. Vermögenssteuer-Urteil noch einen Schritt weiter und führte aus: "Der steuerliche Zugriff auf das Vermögen belastet auch Wirtschaftsgüter, die der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie dienen. Sie ermöglichen einen Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs. Dieses Vermögen genießt einen besonderen Schutz (vgl. BVerfGE 24, 367, 389 - hamburgische Deichverordnung; 50, 290, 339 f. - Mitbestimmung; st. Rechtsprechung)" 1673. Man muß sich fragen, ob dieser besondere Schutz als eigentumsmäßige Rechtsposition i. S. d. Art. 14 I 1 GG betrachtet werden kann. Der Hinweis auf seine bereits dargelegten Urteile, die in den zitierten Stellen den Eigentumsschutz erörtern, zwingt zur Bejahung der Frage 1674 . Ob nun diese Urteile eine Wende in der bisherigen Eigentums-Rechtsprechung des BVerfG 1 6 7 5 oder ihre Konkretisierung bezüglich des Erdrosselungs- bzw. Konfiskationsverbots 1676 darstellen, soll hier da-

1671

BVerfGE 82, 159, 190. BVerfGE 87, 153, 169 (Grundfreibetrag). 1673 BVerfGE 93, 121, 140 f. 1674 ygj e b e n s o Leisner, Belastungsgrenze, S. 67, demnach das BVerfG in seinem Vermögenssteuer-Urteil angenommen hat, daß über die Substanz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs hinaus das Vermögen als eigentumsrechtliche Position i. S. d. Art. 1411 GG geschützt wird. Die Formulierung des Urteils bestätigt diese Position - vgl. auch Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 46; es ist allerdings fraglich, ob das BVerfG bzw. sein 1. Senat dieser Position weiterhin folgen will - so auch Wieland, a. a. Ο. 1675 So das Sondervotum des Richters Böckenförde im Vermögenssteuer-Urteil, a.a.O., S. 149 ff, 153 ff.; Leisner, Belastungsgrenze, S. 65; ders., in: NJW 1995, S. 2591 ff.; Bull, in: NJW 1996, S. 282 f.; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 46, jeweils aus verschiedener Perspektive. 167 6 H.-W. Arndt/Schumacher, in: NJW 1995, S. 2604; H.-W. Arndt, in: ZRP 1996, 1672

S. 180; K. Vogel, in: NJW 1996, S. 1258. 20 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland hingestellt bleiben 1 6 7 7 . Jedenfalls kann festgestellt werden, daß die differenzierte Formulierung der beiden letzteren Urteile auf eine zögernd fortschrittliche Haltung des 2. Senats gegenüber dem 1. Senat hinsichtlich der Frage des Verhältnisses zwischen dem Auffanggrundrecht des Art. 2 I GG und der speziellen Grundrechte aus Art. 12 I, 14 I GG, insbesondere bezüglich der Bestimmung des Schutzbereichs des Eigentums und des diesbezüglichen Eingriffs durch Steuerbelastung, zurückgeht 1678 .

γγ) Kritik - Stellungnahme Man kann bezüglich der Position, die einen Eingriff erst bei einer Erdrosselung bejaht, dieselbe Kritik wie an der Rechtsprechung des BVerwG üben, nämlich daß Grundrechtseingriff und -Verletzung nicht gleichbedeutend sind. Man kann in diesem Sinne argumentieren, daß entweder in der staatlichen Tätigkeit (Besteuerung) ein eingreifender Charakter anerkannt werden kann, der ggf. eine Grundrechtsverletzung darstellt, oder daß sie überhaupt keinen Eingriff und infolgedessen auch keine Grundrechtsverletzung darstellen kann 1 6 7 9 . Diese Argumente wurden zwar bereits als Kritik an der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG verwendet, es erscheint aber fragwürdig, ob sie zutreffend sind. Es wurde bereits ausgeführt, daß Art. 1411 GG den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in seiner Substanz sowie in seinen einzelnen Erscheinungsformen schützt. Wenn man also annimmt, daß das Vermögen als solches kein Eigentum ist, dann muß man konsequenterweise auch davon ausgehen, daß eine Geldleistungspflicht, die gegenüber dem Vermögen eines Gewerbebetriebs entsteht, den Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG nicht tangiert. Das Eigentumsgrundrecht kann demzufolge keinen Schutz gegen jeden Steuerzugriff gewähren 1680 . Wenn aber dieser Zugriff zur Erdrosselung des Gewerbebetriebs

1677 yg] dazu nur die Reaktion des 1. Senats auf diese Rechtsprechung des 2. Senats in BVerfGE 95, 267, 300 f. (Altkreditschulden), wonach nicht nur die bisherige Rechtsprechung des 1. Senats bestätigt wurde, sondern auch die VermögenssteuerRechtsprechung des 2. Senats als eine Bestätigung dieser Rechtsprechung des 1. Senats interpretiert wurde. 1678 Vgl. die Darlegung A. Kleins , in: BB 1996, S. 1809. Nach Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 143, bahnt das BVerfG in seinen jüngsten Entscheidungen einen Wandel in seiner Rechtsprechung an; zurückhaltend dagegen Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 46. 1679 Vgl. zu dieser Kritik v. Arnim, in: VVdDStRL 39 1981, S. 299 (m. w. N.); Stober, Grundrechtsschutz, S. 109; Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 264; v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 217; ferner zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Literatur Wieland, Konzessionsabgaben, S. 206 ff. 1680 P. Kirchhof in: VVDStRL, 39 (1981), S. 233.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik fuhrt, dann ist die Frage, ob Art. 14 11 GG das Vermögen als solches schützt, nicht mehr relevant. Denn dadurch wird die Substanz des Gewerbebetriebes 1681 als Gesamtorganismus oder darüber hinaus sein Wesensgehalt nach Art. 19 I I GG 1 6 8 2 beeinträchtigt 1683 . Die staatliche Maßnahme ist nicht nur ein Grundrechtseingriff, sondern auch eine Grundrechtsverletzung. Die Institutsgarantie des Eigentums, sieht man sie unabhängig vom seinem Wesensgehalt, ist ein anderes Argument dafür 1684 . Demnach kann die Auferlegung einer Geldleistungspflicht die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit dadurch verletzen, daß ein Gewerbebetrieb, der von einer Besteuerung erdrosselnd bzw. übermäßig belastet wurde, nicht mehr bzw. mit schweren Umsatzverlusten an einem Wettbewerbsmarkt teilnehmen kann. In diesem Fall gilt sie als eine unzulässige Inhalts· und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 1412 GG 1 6 8 5 und

1681

Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 126 f., 129; ders., Belastungsgrenze, S. 67. BFHE 89, 422, 441; P. Kirchhof, in: VVdDStRL 39 1981, S. 233. Das Argument kann benutzt werden, wenn man davon ausgeht, daß Art. 19 II GG für die Einschränkung des Eigentums anwendbar ist; für diese Anwendung BGHZ 6, 270, 275; 60, 126, 130; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 151; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 57; dagegen BVerfGE 58, 300, 348 (Naßauskiesung); Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 135; vgl. aber BVerfGE 72, 66, 78 (Salzburger Flughafen); 91, 294, 308, wonach der Kernbereich der Eigentumsgarantie nach der gesetzgeberischen Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht ausgehöhlt werden dürfe; vgl. ferner BVerfGE 50, 290, 341 (Mitbestimmung); 93, 121, 137 (Vermögenssteuer), wonach in beiden Urteilen dargelegt wird, daß die Substanz des Eigentums nach der Auferlegung von Eigentumseinschränkungen gewahrt bleiben soll; weiterhin P. Kirchhof in: HdDStR, IV, § 88, Rd. 99. Ob nach dieser Formel die "Substanz" des Eigentums auf seinen Wesensgehalt nach Art. 19 II GG bezogen werden soll, mag hier offen bleiben. 1683 Vgl. BVerfGE 93, 121, 137, 138 (Vermögenssteuer), in dem das Verfassungsgericht diese Position folgendermaßen erläutert: Das geschützte Freiheitsrecht (seil.: Art. 1411 GG) dürfe so weit beschränkt werden, "daß dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verftigungsbefugnis über die geschaffenen Vermögenswerten Rechtspositionen erhalten wird (vgl. BVerfGE 87, 153, 169)". "(Es) muß dem Berechtigten ein privater Ertragsnutzen verbleiben. Die Vermögenssteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt ...". Mit dieser Rechtsprechung wird klar, daß demnach der Steuergesetzgeber nicht mehr erst dann die Verfassungsschwelle unter dem Gesichtspunkt des Eigentums nach Art. 14 GG überschreitet, wenn die Steuerbelastung erdrosselnde bzw. existenzvernichtende Wirkung hat, ausreichend ist, daß sie über die hälftige Teilung hinausgeht; vgl. dazu auch Leisner, Belastungsgrenze, S. 67 f.; ders. NJW 1996, S. 1515; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 145. 1682

1684 1685

Vgl. Ramsauer, S. 141 f. So auch Ramsauer, S. 141; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 23; Wendt, in: Sachs,

GG-K, Art. 14, Rd. 143.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland keinesfalls als Enteignung nach Art. 14 I I I GG 1 6 8 6 . Die Geldleistungspflicht kann auch eine einzelne Erscheinungsform des Gewerbebetriebs treffen, wie ζ. B. die Kraftfahrzeuge, die für das Funktionieren des Gewerbebetriebs notwendig sind. Diesbezüglich kommt auf jeden Fall ein Grundrechtseingriff in Betracht und eventuell nach den Maßgaben des Art. 14 I 2, I I GG eine Grundrechtsverletzung. Nicht nur die Erscheinungsform, sondern auch der gesamte Organismus des Gewerbebetriebs kann dadurch beeinträchtigt werden, und die steuerliche Belastung bekommt eigentumsrechtliche Relevanz.

δδ) Eingriff durch Besteuerung nach dem modernen Eingriffsverständnis? Dieses grundrechtliche Ergebnis gilt zweifelsohne, wenn nur von dem sog. klassischen Grundrechtseingriffsverständnis ausgegangen wird. Nach der modernen Grundrechtseingriffslehre aber kann diese Konstruktion nicht ausreichend sein. Denn auch ungezieltes 1687 , faktisches und mittelbares 1688 staatliches Handeln kann, wie ausführlich für die Berufsfreiheit dargelegt wurde, in den Schutzbereich eines Grundrechts bzw. des Eigentums eingreifen. Das ist hier der Fall. Die Geldleistungspflicht greift unmittelbar, gezielt und rechtlich betrachtet in das Vermögen ein, das nicht als "Eigentum" i. S. d. Art. 14 11 GG gewährleistet wird. Man kann aber keinesfalls ausschließen 1689 , daß sie mittelbar 1 6 9 0 , ungezielt 1691 und faktisch 1692 in den Bestand, die Verwendung, die Innehabung oder die Nutzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs

1686 v. Arnim, in: VVdDStRL 39 1981, S. 310 (m. w. N.); BGH DB 1958, S. 627; BGH DB 1967, S. 1313. 1687 yg] Ramsauer, S. 32 ff, und zusammenfassend auf S. 190; Lübbe-Wolff, in:

NJW 1987, S. 2710 (m. w. N.); Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 40; Papier, in: MD,

Art. 14, Rd. 29, 170. 1688 Daß eine staatliche Maßnahme "mittelbar" oder "faktisch" in das Eigentum eingreifen kann, vgl. Ramsauer, S. 49; Sodan, in: DÖV 1987, S. 863; Stober, Grundrechtsschutz, S. 120; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 170; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 77; vgl. auch neuestens VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 186. 1689 Deswegen zu Unrecht Ehlers, Verwaltung, S. 104, der überhaupt einen mittelbaren Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ablehnt. 1690 Zu einem "mittelbaren" Grundrechtseingriff in das Eigentum durch die Auferlegung einer Geldleistungspflicht vgl. Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 38; dagegen lehnt einen "mittelbaren" Eingriff durch Besteuerung in das Eigentum BFHE 92, 495, 505 ab. 1691 Die mittelbare bzw. ungezielte Einwirkung der Geldleistungspflicht in die eigentumsrechtliche Position nach Art. 1411 GG nimmt in diesem Fall Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 170, an. 1692 Einen faktischen Eingriff durch Besteuerung in das durch Art. 14 I 1 GG geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nehmen auch Schenke, in: NJW 1991, S. 1787; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 52, an.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik i. S. d. Art. 14 11 GG eingreifen kann 1 6 9 3 , wenn sie die Wertminderung des Gewerbebetriebs (vgl. §§ 2 I Nr. 2, 15 EStG), die Liquidierung des Unternehmens 1 6 9 4 , die Schmälerung des Ertrags 1695 oder die Entwertung von Investitionen 1 6 9 6 zur Folge hat 1 6 9 7 . Unter diesen Umständen sind die Geldleistungspflichten (ζ. B. Gewerbebesteuerung) in den Schutzbereich des Art. 1411 GG einbezogen und gelten als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des eigentumsmäßigen Gewerbebetriebs 1698 gem. Absatz I I Satz 2 (Sozialbindung des Gewerbebetriebs) 1699 dieses Artikels. Die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit wird, wie auch die aus Art. 121 GG 1 7 0 0 , dadurch beeinträchtigt. In einem solchen Fall des rechtswidrigen Eingriffs durch Besteuerung in diese Rechtsposition kann ggf. ein Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs ausgelöst werden 1701 .

γ) Eingriff durch öffentliche wirtschaftliche Betätigung? Es wurde bereits ausfuhrlich untersucht 1702 , ob, inwieweit und unter welchen Bedingungen die öffentliche monopolistische oder konkurrenzwirtschaftliche Betätigung in die Wettbewerbsfreiheit in bezug auf Art. 12 I GG eingreifen kann. Eine gleichartige Untersuchung wird im folgenden bezüglich des Art. 14 GG durchgefühlt. 1693 V

g l

ρ Kirchhof

in: VVdDStRL 39 1981, S. 242 ff; ders., in: HdDStR, IV,

§88, Rd. 99; v.Arnim, in: VVdDStRL 39 1981, S. 299 ff.; Ramsauer, S. 142; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 134; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 23; Papier, in: MD,

Art. 14., Rd. 170; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 974; dazu neigte letztens auch das BVerfGE 93, 121, 137 (Vermögenssteuer), wie gezeigt, ohne aber auf die Rechtsfigur der "mittelbaren" und "faktischen" Grundrechtseingriffe zurückzugreifen. 1694 1695

1696

So Schenke, in: NJW 1991, S. 1787. So Schenke, in: NJW 1991, S. 1787.

Vgl. H.-W. Arndt, in: ZRP 1996, S. 179, für das DIW-Energiesteuerkonzept.

1697 y g j dazu auch Leisner, Belastungsgrenze, S. 65; ders., in: NJW 1996, S. 1515,

jeweils unter Hinweis auf die Vermögenssteuer-Rechtsprechung des BVerfG, a. a. O. 1698

Ramsauer, S. 142; P. Kirchhof, in: VVdDStRL, a.a.O., S. 242; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 134; Schenke, in: NJW 1991, S. 1787; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 23; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 171; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 143;

vgl. auch die Position Hesses, Grundzüge, Rd. 447. 1699 Zur Rolle der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 II GG bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Steuerbelastung vgl. BVerfGE 93, 121, 138 (Vermögenssteuer); P. Kirchhof, in: HdDStR, IV, Rd. 88, Rd. 75, 98. 1700 s. dazu oben sub add α; vgl. auch die Parallelität der Art. 12 I und 14 I GG in der betroffenen Frage nach dem Abgrenzungskriterium des BVerfG (s. dazu oben sub II 2 b cc) bei v. Arnim, in: VVdDStRL, a. a. O., S. 309; ferner BVerfGE 87, 153, 169 (Grundfreibetrag); 93, 122, 137, 142 (Vermögenssteuer). 1701 So auch Schenke, in: NJW 1991, S. 1787. 1702 s. oben sub a cc γ, dd ε.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland αα) Das Eigentum und die öffentliche Teilnahme am Wettbewerb im Lichte der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Wie hinsichtlich der Berufsfreiheit ist die Rechtsprechung des BVerwG und sich ihr anschließend die Rechtsprechung der unteren Verwaltungsgerichte sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, einen Eingriff in eine eigentumsmäßige Rechtsposition nach Art. 1411 GG durch öffentliche Konkurrenz anzunehmen. Das BVerwG verlangt, daß diese bei einem privaten Konkurrenten widerrechtlich und unmittelbar in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreife. Erst die Betätigung aufgrund der Zulassung (durch die öffentliche Hand) würde es ermöglichen, die wirtschaftliche Tätigkeit der Privaten zu beeinträchtigen. Art. 14 GG schützt aber nicht vor dem Auftreten eines neuen Konkurrenten, selbst wenn er in öffentlicher Trägerschaft steht 1703 , es sei denn, daß dieser durch eine behördliche Maßnahme eine Monopolstellung erlangt 1704 . In diesem Fall gehe es um eine Verletzung des Art. 14 11 GG. Noch weniger kann ein neuer Konkurrent von der öffentlichen Hand verlangen, daß diese auf weitere wirtschaftliche Betätigung in der bisher geübten Weise verzichtet 1705 . Was hier über die Problematik des "Eingriffs durch öffentlichen Wettbewerb" in den Schutzbereich des Art. 121 GG hinaus hervorgehoben werden kann, ist folgendes: Das BVerwG verlangt, daß die öffentliche Konkurrenz in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als geschützte Rechtsposition i. S. d. Art. 14 I 1 GG eingreifen muß; der Eingriff muß unmittelbar sein; er liegt nur dann vor, wenn der neue Konkurrent - gleichgültig, ob er ein Privater oder die öffentliche Hand bzw. eines ihrer Fiskalate ist - ausgerechnet eine Monopolstellung erlangt. Die öffentliche konkurrenzwirtschaftliche Betätigung kann genauso wenig wie die private einen Eingriff in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit der vorhandenen Konkurrenten darstellen.

1703

So ausdrücklich BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler). So BVerwGE 17, 306, 313 f. (Mobiliarfeuerversicherung); vgl. auch BVerwGE 39, 329, 337 (Bestattung); BVerwG NJW 1978, S. 1540 (kommunale Wohnungsvermittlung); BVerwG NJW 1995, S. 2939 (kommunaler Immobilienmakler); OVG Kassel in: GewArch 1996, S. 233; OVG Bremen GewArch 1996, S. 377; VG Münster NVwZ 1982, S. 523 (kommunale tierärztliche Tätigkeit); vgl. auch BVerwG NJW 1988, S. 1278 (Wohlfahrtspflege); LG Bonn GewArch 1998, S. 153; im Prinzip zustimmend Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 21; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 82; P.M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 323; Englisch, Kommunales Eigentum, S. 139; 1704

Wolff/Bachof/Stober,

Verwaltungsrecht I, § 23, Rd. 10; Gusy, in: JA 1995, S. 257; Pa-

pier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 45. 1705 So BVerwGE 39, 329, 337 f. (Bestattung).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

1

ßß) Der Anschluß- und Benutzungszwang i m Lichte der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG Eine mittelbare Errichtung eines Monopols ist die Einfuhrung eines Anschluß- und Benutzungszwanges für die Nachfrager, indem sie Gebrauch von den Leistungen (Abfallbeseitigung, Wasser- oder Energieversorgung u. a.) eines bestimmten öffentlichen bzw. gemischtwirtschaftlichen, meistens kommunalen, Unternehmens machen "müssen". Das Monopol beinhaltet kein Gebot für die privaten Wettbewerbsteilnehmer, ihren Gewerbebetrieb aufzugeben, und betrifft normalerweise einen bestimmten Ort (Gemeinde, Stadt oder Land), so daß theoretisch die Möglichkeit besteht, daß diese den Gewerbebetrieb fortführen, indem sie in einem anderen Ort tätig werden. Da sie dies aber meistens regional tun und sich ihr Kundenstamm demgemäß aus einem bestimmten Ort rekrutiert, hat die Errichtung des Anschluß- und Benutzungszwangs faktisch und mittelbar die Stillegung des privaten Betriebes oder dessen Fortsetzung unter schlechteren Bedingungen als bis zur Einführung des Benutzungszwangs zur Folge 1 7 0 6 . Die Frage hat bisher die Judikatur des BGH und des BVerwG beschäftigt. Der BGH hat einheitlich ausgeführt, daß die aus Gründen des Gemeinwohls vorgenommene Einführung des Anschluß- und Benutzungszwangs für kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge grundsätzlich keinen enteignenden Eingriff in das Grundeigentum oder den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, sondern in der Regel lediglich eine Inhaltsbestimmung bzw. Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums darstelle 1707 . Da der Betrieb eines privaten Unternehmens in den betroffenen Bereichen der Daseinsvorsorge unter dem von den jeweiligen Gemeindeordnungen vorgesehenen Vorbehalt der Einführung eines Anschluß- und Benutzungszwangs stehe, greife er in den Gewerbebetrieb nicht enteignend ein, wobei er nichts von einer nach Art. 1411 GG geschützten Rechtsposition nehme 1708 . Noch viel weniger erlegt er ein Sonderopfer auf, so daß eine enteignende Wirkung nicht in Betracht kommen kann 1 7 0 9 . Anders sei die Rechtslage zu beurteilen, wenn ein privater Unternehmer bestimmte Aufträge, Zusagen oder Zusicherungen von der Gemeinde erhalten hat, aufgrund derer er auf eine unbeschränkte und fortdauernde Aus-

1706

Vgl. die Darlegung im BGHZ 40, 355, 364 f.; vgl. auch Gusy, in: JA 1995,

S. 257. 1707

So BGHZ 77, 179, 181 f.; vgl. auch BGHZ 40, 355, 362 ff.; 54, 293, 297 ff. So BGHZ 40, 355, 366; bestätigt in BGHZ 133, 265, 268 ff.; vgl. auch BGHZ 54, 293, 299; zustimmend Stober, Grundrechtsschutz, S. 102 f.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 20, mit dem Argument, daß dem Unternehmer das Unternehmensrisiko nicht mit Hilfe der Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs abgenommen werden könne. 1709 BGHZ 77, 179, 183. 1708

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Übung seines Gewerbes vertrauen konnte oder durfte 1710 . Dieser Judikatur des BGH hat sich das BVerwG angeschlossen1711.

γγ ) Kritik - Stellungnahme Zunächst muß dem BVerwG Recht gegeben werden, wenn es darlegt, daß die öffentliche Teilnahme am Wettbewerb in eine geschützte Rechtsposition i. S. d. Art. 14 I 1 GG wie den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifen muß 1 7 1 2 . Genauso treffen die Ausführungen zu, daß die neuen Konkurrenten keinen Anspruch aus Art. 1411 GG darauf haben, daß die öffentliche Hand auf die Fortsetzung ihrer wirtschaftlichen Betätigung in der bisher ausgeübten Art verzichten soll. Denn Art. 14 11 GG schützt den Bestand bzw. das Erworbene, so daß der Bestand des neuen Unternehmens unmöglich schon von dem öffentlichen Wettbewerb berührt worden wäre. Daß der betroffene neue Konkurrent eventuell einen Anspruch aus Art. 121 GG hat 1 7 1 3 , ändert die Situation hinsichtlich des Art. 14 11 GG nicht. Demgemäß können nur schon im Wettbewerb vorhandene Konkurrenten, wenn überhaupt, die Rechte aus Art. 14 I 1 GG geltend machen 1714 . Selbst diese aber können den Eingriffscharakter der öffentlichen konkurrenzwirtschaftlichen Tätigkeit nicht damit begründen, daß sie dadurch mit Umsatzverlusten rechnen müßten, soweit diese Umsatzverluste Erwerbsmöglichkeiten und Chancen im Wettbewerb angehen 1 7 1 5 . Die Formel, daß der Eingriff in den Gewerbebetrieb unmittelbar sein müsse, schafft Schwierigkeiten. Einerseits ist bereits aufgezeigt worden 1 7 1 6 , daß der Eingriff in das Eigentum grundsätzlich unmittelbar ist, andererseits aber muß man die "Unmittelbarkeit" des Eingriffs in dem bereits definierten Sinne verstehen 1717 . Dieser Meinung scheinen auch der BGH und das BVerwG zu folgen, wenn sie in der Einführung eines Anschluß- und Benutzungszwangs eine Inhalts- und Schrankenbestimmung bzw. Konkretisierung der Sozialbindung des

1710

BGHZ 40, 355, 367; vgl. auch BGHZ 77, 179, 186 f.; 133, 265, 270. BVerwGE 62, 224, 226 f. (Abfallbeseitigungsmonopol) - Übertragung der Abfallbeseitigung auf öffentlich-rechtliche Körperschaften gemäß § 3 II AbfG i. d. F. der Bekanntmachung v. 05. 01. 1977; vgl. auch bereits früher BVerwG DÖV 1960, S. 594; BVerwG DÖV 1969, S. 432; BVerwG BayVBl. 1972, S. 670. 1712 ygj Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 123. 1711

1713

s. dazu oben sub a dd ε. Vgl. auch Gusy, in: JA 1995, S. 257. 1715 Vgl. auch VG Bremen NJW 1988, S. 842; Kluth, Grenzen, S. 82; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 323; Gusy, in: JA 1995, S. 253. 1716 s. oben sub aa, bb, cc α. 1717 s. oben sub α. 1714

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

313

Eigentums nach Art. 14 12 i. V. m. Art. 14 I I GG sehen, die nach der hier vertretenen Auffassung einen Grundrechtseingriff 1718 darstellt 1719 . Fragen schafft aber die These, daß der Anschluß- und Benutzungszwang grundsätzlich keinen entschädigungspflichtigen enteignenden Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. in seine Erscheinungsform, den erworbenen Kundenstamm, darstelle, wenn der Gewerbebetrieb erst nach dem Erlaß des Gesetzes (grundsätzlich der jeweiligen Gemeindeordnung), das die Einführung des Benutzungszwangs erlaubt, eröffnet wurde. Das sollte e contrario bedeuten, daß ein enteignender Eingriff anzunehmen ist, wenn der Gewerbebetrieb vor dem Erlaß der Gemeindeordnung eröffnet wurde, so daß er sich auf das Vertrauensschutzprinzip berufen kann 1 7 2 0 . Es liegt also auch nach der zurückhaltenden Rechtsprechung auf der Hand, daß nicht nur die unmittelbare Einführung eines rechtlichen oder faktischen Monopols 1 7 2 1 einen Eingriff bzw. eine Verletzung des Eigentums, sondern auch die mittelbare Einführung eines Anschluß- und Benutzungszwangs einen Eingriff nach Art. 1412 GG darstellt 1722 , die ggf. einen entscheidungspflichtigen, enteignenden Eingriff darstellen kann 1 7 2 3 . Fraglich ist aber, ob die konkurrenzwirtschaftliche Betätigung eines öffentlichen Unternehmens einen Eingriff in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit der privaten Wettbewerber darzustellen vermag. Eine solche Möglichkeit scheint nach alledem, was bereits ausgeführt wurde, schwierig realisierbar zu sein 1724 . Man sollte sie aber nicht per se 1718

So auch Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 50; vgl. auch BGHZ 77, 179, 186 f , wonach der Gerichtshof einen entscheidungspflichtigen enteignenden Eingriff in einem Anschluß- und Benutzungszwang sieht, der wegen Verstoßes gegen das Vertrauensprinzip eine von Art. 1411 GG garantierte Rechtsposition verletzt hat. 1719 In diesem Sinne geht die Meinung Stobers, Grundrechtsschutz, S. 102, fehl, daß der BGH in den betroffenen Urteilen keinen Eingriff in der Einführung des Anschlußund Benutzungszwangs angesehen hat, weil er nicht unmittelbar in eine von Art. 1411 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen habe. 1720 ygj Q U S y i i n : j a 1995, S. 257, der den Vertrauenstatbestand auch auf andere Fälle erweitert; weiterhin Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 160, der sowieso in der Einführung eines Anschluß- und Benutzungszwangs eine Enteignung bzw. enteignenden Eingriff sieht, wenn die privaten Unternehmer keine Möglichkeit haben, ihr Unternehmen in einem anderen Ort auszuüben. 1721 Dazu zählt man auch die Gewährung der Monopolstellung einem privaten Unternehmer auf einem Markt - so auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 143. 1722 M a n j c a n n jedoch demgegenüber darlegen, daß der BGH die zulässige Inhaltsund Schrankenbestimmung nach Art. 1412 GG nicht als Grundrechtseingriff oder -beschränkung, sondern als Grundrechtsausgestaltung behandelt - vgl. die Deutung der früheren BGH-Rechtsprechung dazu von Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 150 ff. (vgl. auch die Nachweise oben sub aa). Dieser Position wird hier nicht gefolgt, zumindest was die hier dargestellte Problematik des Eingriffs in den Gewerbebetrieb durch die Einführung eines Anschluß- und Benutzungszwangs anbelangt. 1723 1724

So auch Gusy, in: JA 1995, S. 257. Vgl. Ehlers, Verwaltung, S. 106.

314

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ausschließen. Wenn das Auftreten eines öffentlichen Unternehmens im Wettbewerb die Beeinträchtigung des Bestandes eines Unternehmens, insbesondere in bezug auf den erworbenen Kundenstamm 1725 , den Absatz bereits hergestellter Produkte oder einen Teil des Betriebs, zur Konsequenz hätte, kommt ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 14 12 i. V. m. Art. 14 I I G G 1 7 2 6 und ggfs ein enteignungsgleicher Eingriff 1 7 2 7 bzw. Eigentumsverletzung in Betracht, wenn die Maßgaben des Art. 14 I, I I nicht beachtet werden 1728 .

δ) Eingriff durch Subventionierung? Die Frage nach einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i. S. d. Art. 1411 GG durch eine Subventionsgewährung ist vergleichsweise mit den bisher erörterten Fragen der Eingriffe in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit nicht ausführlich diskutiert worden 1729 . Die Rechtsprechung des BVerwG hat sogar abgelehnt, die Subventionierung an Art. 14 I 1 GG zu messen. Demnach könnte es sich immer nur um einen enteignungsgleichen Eingriff handeln, der gerade nicht unter Art. 14 GG falle, 1725

Ablehnend unter diesem Gesichtspunkt aber Schliesky, werbsrecht, S. 266. 1726

Öffentliches Wettbe-

Vgl. auch Gallwas, S. 104; Grupp, in: ZHR 1976, S. 379 f., 383 f.; Badura, in:

FS Schlohauer, S. 21 f.; ders., in: ZHR 1982, S. 460; ders., in: FS Steindorf, S. 840; P. Kirchhof, in: DVB1. 1982, S. 938; Ehlers, Verwaltung, S. 105; ders., in: JZ 1990,

S. 1096; Kluth, Grenzen, S. 83, aber nur für die öffentlichen Unternehmen, die sich nicht marktkonform verhalten; Stober, Grundrechtsschutz, S. 103, aber nur bezüglich der öffentlichen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 526; Rolls, in: GewArch 1992, S. 283; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 51; a. A. Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 124 ff. 1727 ygj aber zurückhaltend bezüglich des eigentumsrechtlichen Schutzes des Kundenstammes vor öffentlicher Teilnahme am Wettbewerb Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 124 ff, der auch auf das Argument der mangelnden "Unmittelbarkeit" der Beeinträchtigung des Kundenstamms von der öffentlichen Teilnahme am Wettbewerb zurückgreift, um seine Ansicht zu begründen. 1728 V

g l

ρ Kirchhof,

in: DVB1. 1982, S. 938 f.; Ehlers, Verwaltung, S. 105; Stober,

Grundrechtsschutz, S. 103; das kann natürlich bei einer diese Grenzen überschreitenden Einführung eines Monopols oder eines Anschluß- und Benutzungszwangs auch der Fall sein - so Hoffmann-Becking, in: FS Wolff, S. 455 - oder, wenn das private Unternehmen wegen der staatlichen Konkurrenz ihre Teilnahme am Wettbewerb aufgeben muß - so Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 266. Andererseits muß man aber hervorheben, daß nicht jede Stillegung des Betriebs eines privaten Unternehmens wegen der öffentlichen Teilnahme am Wettbewerb eine Grundrechtsverletzung darstellt. Die Verfassungsmäßigkeit des eigentumsmäßigen Eingriffs muß nach den Maßstäben, insbesondere der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 II GG (vgl. unten sub dd α) und des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. unten sub ddô), geprüft werden - so Schliesky, a. a. O., S. 272.

1729 Ygj S. 102 ff.

ausführlich zu dieser Problematik Klenke, Wirtschaftssubventionen,

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

31

weil kein subjektiv-privates Recht entzogen, sondern lediglich die wirtschaftliche Chancengleichheit beseitigt würde 1 7 3 0 . Das BVerwG hat sich geweigert, seine Schwere-Theorie in dieser Frage anzuwenden und eine Grundrechtsverletzung nach Art. 14 11 GG mindestens in dem Fall anzuerkennen, wenn die Subventionierung eines Wettbewerbsteilnehmers die Existenzfähigkeit des Unternehmens seines(r) Konkurrenten gefährden würde oder seine Erdrosselung zur Konsequenz hätte. Diesbezüglich hat auch die Rechtsprechung des BGH abgelehnt, die Einschlägigkeit des Art. 14 GG anzunehmen: "Daß das Absatzgebiet eines gewerblichen Unternehmens freibleibt von Wettbewerbern, die durch sachlich gerechtfertigte staatliche Stützungsmaßnahmen in eine günstigere Wettbewerbslage versetzt worden sind, ist indessen rechtsgrundsätzlich nicht etwas zum Betrieb Gehöriges", wurde vom BGH anläßlich von Schadensersatzansprüchen wegen wirtschaftslenkender Maßnahmen dargelegt, die die saarländische Wirtschaft bevorzugt hatten 1731 . Nach alledem, was bereits bezüglich der Problematik des "Eingriffs durch Subventionierung" in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I G G 1 7 3 2 und der "Eingriffe durch Besteuerung" und durch "öffentliche Teilnahme am Wettbewerb" 1 7 3 3 im Bereich des eingerichteten und ausgübten Gewerbebetriebs ausgeführt wurde, gibt es keinen Grund, einen Eingriff in den Gewerbebetrieb des nicht begünstigten Konkurrenten nicht anzunehmen, wenn die Subventionierung seines Mitbewerbers zur Konsequenz hätte, daß er seinen Gewerbebetrieb wegen der "schweren" und "unerträglichen" Beeinträchtigung stillegen müßte 1 7 3 4 (Eingriff in den Kernbestand des Gewerbebetriebs). Man darf aber einen Eingriff auch in anderen Fällen nicht ausschließen, wenn durch die Subventionierung des Konkurrenten (Kausalitätsverhältnis) der Wert des Gewerbebetriebs herabgesetzt wird bzw. einzelne Erscheinungsformen des Gewerbebe1730 BVerwGE 30, 191, 199 (Winzergenossenschaftensubventionierung); vgl. auch BVerwG NJW 1988, S. 1278; OVG Münster NVwZ 1984, S. 522 ff., das sich gar nicht mit der Frage befaßte, ob eine durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gewährte Subvention den Schutzbereich des Art. 14 GG berührt; zustimmend, Grosser, Die Spannungslage, S. 92. 1731 BGH DB 1968, S. 2211 f. 1732 s. oben sub add β αα ßßß. 1733 s. oben sub α, β. 1734 ygj auch Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 17, der auf S. 21 einen Eingriff in den Bestand des Gewerbebetriebs durch Subventionsförderung des Konkurrenten sieht, auch im Falle, daß dadurch die Erwerbschancen des beeinträchtigten Unternehmers im Wettbewerb erheblich veringert werden; Jarass, in: NVwZ 1984, S. 476 f.; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rd. 910; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 411; Hösch, in: Die Verwaltung 1997, S. 224; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 269; Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 277 f., leitet einen eigentumsrechtlichen Schutz in diesem Fall aus dem Wesensgehalt (Art. 19 II GG) der Eigentumsgarantie (Art. 14 I 1 GG) ab; nach Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 172 ff., kann das selten der Fall sein.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

triebs getroffen werden und der Wert des Gewerbebetriebs als gesamten Organismus dadurch herabgesetzt würde 1 7 3 5 1 7 3 6 . Ein Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs in den Gewerbebetrieb, wenn die Subventionsgewährung rechtswidrig ist, kann in Betracht kommen 1 7 3 7 . Eine Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs ist nicht ausgeschlossen, wenn die Subventionsgewährung zwar rechtmäßig ist, aber als atypische Nebenfolge in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit des(r) Konkurrenten eingreift. Voraussetzung für die Begründung eines Entschädigungsanspruchs in beiden Fällen ist, daß der Betroffene den Eingriff durch die Einlegung der ihm vom (Verwaltungs-)Prozeßrecht gewährten Rechtsbehelfe nicht hätte vermeiden können. Wenn die Subvention nach den Maßgaben eines Gesetzes 1738 gewährt wird und verhältnismäßig in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit des(r) Konkurrenten eingreift, handelt es sich dagegen um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 I 2 GG 1 7 3 9 . Bezüglich der aufgrund der sog. zweiseitig verhaltensbindenden Subventionsverhältnisse gewährten Subventionen kann man einen Eingriff in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit des subventionsgefÖrderten Unternehmers ansehen, wenn der Subventionsvertrag Einschränkungen der Nutzung des Gewerbebetriebs oder seiner Erscheinungsformen vorsieht 1740 .

1735

So auch Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 278; Friehe, in: JuS 1981, S. 869; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 430; weiterhin Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 51 ; a. A. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 269; vgl. auch oben sub γ. 1736 Bezüglich der Bedenken, die die "Unmittelbarkeit" des Eingriffs anbelangen vgl. dazu bei Friehe, in: JuS 1981, Fn. 32 (dort); Rüfner, Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen in: Erichsen (Hg.), Verwaltungsrecht, § 49, Rd. 59 - gilt, was bereits oben dargelegt wurde - vgl. auch Badura, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 17 f., 22. 1737 Bleckmann, Struktur, S. 64, 87, sieht in den Grundrechten gemäß einer Kompensationstheorie eine Entschädigungspflicht für den Staat als Ausgleich einer Grundrechtsverletzung an, die für das Grundrecht des Eigentums in Art. 14 III GG verortet. Von dieser grundrechtsdogmatischen Position ausgehend versucht er, eine Entschädigung für den (grund)rechtswidrig durch eine Subventionierung seines Konkurrenten belasteten Unternehmer zu begründen, obwohl er zugibt, daß diese Konzeption sich bisher noch nicht allgemein hat durchsetzen können. Daß diese Konzeption der Rechtsprechung des BVerfG und der inzwischen h. L. nicht entspricht, wurde bereits gezeigt (s. oben sub bb). 1738 Zur ganzen Problematik der Subventionierung und des Gesetzesvorbehaltes vgl. oben sub a ee α γγ ααα und spezifisch in bezug auf das Eigentum Klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 155 ff. 1739 V g i a u c h klenke, Wirtschaftssubventionen, S. 152, 173 f. 1740

Vgl. Henseler, in: VerwArch 1986, S. 252 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ε) Eingriff durch Information und Warnung? Die in den letzten Jahren aufgeworfene und seitdem vieldiskutierte Frage des "Eingriffs durch Information, Empfehlung, Warnung" etc. hat sich auf die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 GG bezogen 1741 . Das BVerwG hat sich bisher besonders aus prozeßökonomischen Gründen mit der Frage, ob diese Tätigkeit der Exekutive einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 1411 GG darstellt, nicht befaßt. Es hat allerdings in seinem sog. DiethylenglykolweineUrteil dargelegt, daß die Ausführungen zur Eingrenzung des Schutzbereichs des Art. 121 GG durch die verfassungsrechtlichen Befugnisse der Bundesregierung auf jeden Fall in gleicher Weise auch für die anderen (in der Entscheidung) angesprochenen Grundrechte (einschließlich des Art. 14 GG) gelten würden 1 7 4 2 . Es wurde bereits dargelegt, warum diese Ausführungen für den Schutzbereich des Art. 121 GG nicht zutreffen. Das gleiche gilt mutatis mutandis für den Schutzbereich des Art. 1411 GG bzw. seiner Rechtsfigur des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" - man braucht hier nicht mehr darauf einzugehen. Man muß sich der Problematik aber aus den Besonderheiten des Begriffs, des Schutzbereichs und der Einschränkbarkeit des Eigentums her nähern. Zunächst muß auch hier klar werden, daß die Untersuchung sich an dem "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als Rechtsposition i. S. d. Art. 1411 GG zu orientieren hat 1 7 4 3 . Sie betrifft ihn nicht nur als ganzen Organismus (Substanz), sondern, wie nach der Schutzbereichsbestimmung gezeigt wurde, auch seine einzelnen Erscheinungsformen oder Ausstrahlungen 1744 . Wie in Art. 121 GG kommen grundsätzlich die Produkte und der Ruf des Unternehmens in Verbindung mit dem erworbenen Kundenstamm als besondere Erscheinungsformen des Gewerbebetriebs in Betracht. Die bereits hergestellten Produkte gehören ohne weiteres zum Gewerbebetrieb und werden als eigentumsmäßige Rechtsposition geschützt. Der Eigentumsschutz erstreckt sich auch auf das Recht, die Produkte in den Verkehr zu 1741

s. oben sub add δ. BVerwGE 87, 37, 51 f.; vgl. auch VGH Kassel GewArch 1995, S. 417, wonach in einem vergleichbaren Fall offen gelassen wurde, ob Art. 14 GG für einen Eingriff durch Warnhinweise in Betracht kommen kann. Man muß hier darauf hinweisen, daß nach einer Meinung eine staatliche Maßnahme bzw. eine Information oder Warnung in den Schutzbereich des Art. 1411 GG eingreife, wenn sie auch in den Schutzbereich des Art. 12 I GG eingreife. Denn es sei schwierig, eine Abgrenzung nach den Maßstäben des BVerfG zu machen - Art. 12 GG für den Erwerb, Art. 14 GG für das Erworbene - so Schulte, in: DVB1. 1988, S. 516; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 200. Diese Meinung geht zu weit. 1743 So auch VGH Kassel DÖV 1995, S. 77 ff.; Ossenbühl, in: ZHR 1991, S. 346; A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 199. 1744 s. oben sub II 2 b aa, bb. 1742

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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bringen und zu verkaufen, soweit es auf ihrem Bestand (das Erworbene bzw. das Ergebnis der unternehmerischen Betätigung) und ihrer Nutzung beruht 1745 . Die These, daß sie nicht in den Schutzbereich des Eigentums fallen dürften, weil sie als bloße Chancen und Erwerbsmöglichkeiten betrachtet werden sollen 1 7 4 6 , trifft deswegen nicht zu. Es ergibt sich allerdings die Frage, ob in den eigentumsmäßigen Gewerbebetrieb sogar auch offensichtlich das Leben oder die Gesundheit gefährdende bzw. beschädigende Produkte fallen können oder ob sie, wie bei dem Schutzbereich des Art. 12 I GG, herausfallen, da sie der grundgesetzlichen Wertordnung bzw. grundrechtlichen Positionen anderer Grundrechtssubjekte widersprechen 1 7 47 . Man sollte die Situation in bezug auf das Eigentum anders als bei der Berufsfreiheit bewältigen. Denn die Rolle des Gesetzgebers zur Bestimmung bzw. Ausgestaltung des Schutzbereichs des Eigentums ist aufgrund der Inhaltsund Schrankenbestimmungsklausel nach Art. 1412 G G 1 7 4 8 und der Sozialbindungsklausel nach Absatz I I konstitutiv. Die letzte Vorschrift lautet: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen". Diese Norm ist als "Sozialbindung", "Sozialverpflichtung" oder "Sozialgebundenheit" des Eigentums bekannt 1749 . Sie ist zum einen an den Eigentümer und zum anderen an den Gesetzgeber gerichtet 1750 . Das bedeutet, daß der Eigentümer sein Eigentum nicht in einer Art benutzen darf, die sich gegen das Allgemeinwohl richtet, und daß der Gesetzgeber nach der Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gem. Art. 14 I 2 GG die Eigentumsgarantie nach Art. 14 I 1 GG einerseits und die Sozialbindung des Eigentums nach

1745

So Sodan, in: DÖV 1987, S. 862; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 365; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 108; vgl. auch Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 46; ders., in: ZHR 1991, S. 346. Diese Position entspricht absolut der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur, nach der zum Kernbereich der Eigentumsgarantie "sowohl die Privatnützigkeit, also die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll, als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand" gehöre - so BVerfGE 91, 294, 308. Die Eigentumsgewährleistung "schützt grundsätzlich auch die Entscheidung des Eigentümers darüber, wie er das Eigentumsobjekt verwenden will" so BVerfGE 88, 366, 377. 1746 So aber R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 184 f.; Gröschner, in: DVB1. 1990, S. 626; dazu neigt auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 263 f. 1747 Zur Problematik vgl. oben sub II 1, 2 a aa γ. 1748 Vgl. BVerfGE 50, 290, 339 f. (Mitbestimmung); 80, 137, 151 f.; 82, 6, 15 f., wonach die Inhalts- und Schrankenbestimmungen nur der Gesetzgeber ... bestimmen darf; 91, 294, 308; vgl. auch Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 137; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 299 (m. w. N.); ferner Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 50; a. A. Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 165 f. 1749 Mehr dazu unten sub dd α. 1750 So Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 141; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 67 ff.; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 154; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 298.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Art. 14 I I GG andererseits zu berücksichtigen hat 1 7 5 1 . Voraussetzung für diese Konstruktion ist, "daß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht" 1752 . Die Herstellung und die Behandlung gefährlicher Produkte widerspricht offenkundig der Sozialverpflichtung des Eigentümers. Soweit der Gesetzgeber tätig geworden ist, hat er seine Aufgabe nach Art. 1412 GG i. V. m. Art. 14 I I GG erledigt und das sozialwidrige "Eigentum" aus dem Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Eigentums nach Art. 14 I GG ausgeklammert 1753 . I m betreffenden Diethylenglykolweine-Fall hat der Gesetzgeber seine Aufgabe mit dem Erlaß des Lebensmittel- und Bedarfgegenständegesetzes (LMBG) i. d. F. der Bekanntmachung v. 08. 07. 1993 und insbesondere mit § 8 erfüllt, der Verbote von Lebensmitteln, Stoffen und Erzeugnissen zum Schutz der Gesundheit vorsieht. Demzufolge kann die Herstellung und Behandlung solcher Produkte nicht in den "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" i. S. d. Art. 14 I 1 GG fallen, und eine Information über ihre gefährliche Auswirkung oder eine Empfehlung bzw. Warnung, diese Produkte zu vermeiden, kann keinen eingreifenden Charakter haben 1754 . Bemerkenswert ist, daß man praktisch zum gleichen Ergebnis wie mit Art. 12 I GG kommt, jedoch auf einem anderen grundrechtsdogmatischen Weg. Was die anderen Produkte, die keine Lebens- oder Gesundheitsgefahr darstellen, anbelangt, gibt es hinsichtlich ihrer eigentumsrechtlichen Qualität kein Problem. Die Beeinträchtigung ihres Absatzes durch die staatliche Maßnahme greift unmittelbar 1755 , obwohl nicht adressiert, nicht imperativ, nicht final 1 7 5 6 und fak1751 BVerfGE 50, 290, 339 ff. (Mitbestimmung); Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 158 ff, 165 ff. Man muß hier hervorheben, daß der Gesetzgeber über die Eigentumsgewährleistung und -Sozialbindung hinaus das Rechtsstaats- bzw. Verhältnismäßigkeitsprinzip, den Gleichheitssatz und die Wertordnung des GG beachten muß - vgl. dazu Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 78; vgl. auch BVerfGE 14, 263, 277 f. (Feldmühle); 18, 121, 132; 62, 169, 183; 72, 66, 78 (Salzburger Flughafen); Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 36. Dazu gehört auch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG), die Verbraucherfreiheit (Art. 2 I GG) und die Umwelt (Art. 20 a GG). 1752 BVerfGE 50, 290, 340 f. (m. w. N.); 53, 257, 292. 1753 Vgl. auch Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 137; a. A. Dolde, Behördliche Warnungen, S. 20; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 149 f. 1754 Vgl. ähnlich P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 362; Sodan, in: DÖV 1987, S. 862, spricht von verfassungsimmanenten Begrenzungen des Eigentums; wie Sodan W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 340; vgl. ferner Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 137: "Es muß zuerst einmal Eigentum (noch) vorhanden sein, damit es dann beschränkt werden kann ...; was gar nicht Eigentum ist, kann auch nicht durch "kumulierte Schranken" beeinträchtigt werden". "Wenn der Gesetzgeber Güter aus dem Eigentumsbegriff "ausklammert", so bedarf es gar keiner Schranken mehr, diese sind jedenfalls gerechtfertigt"; a. A. Dolde, Behördliche Warnungen, S. 20. 1755 Die "Unmittelbarkeit" des Eingriffs wird hier wie oben sub α verstanden. 1756 j y j a n hier nochmals auf die Meinung hinweisen, die auf jeden Fall die Finalität des Eingriffs annimmt - so Dolde, Behördliche Warnungen, S. 18 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 364. Wie bereits dargestellt wurde, hat die Veröffentlichung der Transparenzliste gewollt in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

tisch, in den Gewerbebetrieb des betroffenen Unternehmens ein, soweit sie die Nutzung der Produkte behindert und sie demzufolge zunichte macht 1 7 5 7 . Der Eingriff in das Produkt (Erscheinungsform) muß aber auch den Gesamtorganismus (Substanz) berühren 1758 . Soweit der Eingriff nicht durch Gesetz, sondern durch eine Maßnahme der Exekutive dargestellt wird 1 7 5 9 , handelt es sich zwar um keine Enteignung nach Art. 14 I I I GG 1 7 6 0 , er kann aber unter den Um-

der Medikamentenherstellungsunternehmer eingegriffen - BVerwGE 71, 183, 193 f. (Transparenzlisten); vgl. auch LG Stuttgart NJW 1989, S. 2263 (Birkel) - im Gegensatz zur Veröffentlichung der mit DEG kontaminierten Weine, die ungezielt in die Wettbewerbsfreiheit der Weinhersteller in bezug auf ihren Ruf und die übrigen Produkte eingegriffen hat - BVerwGE 87, 37, 43 (DEG). Huber, a. a. O., und Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 46, betrachten die "Finalität" als Bestandteil des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit des betroffenen Unternehmens nach Art. 14 I GG. Die Position Hubers führt praktisch zu demselben Schluß wie die hier vertretene Meinung. Ossenbühl bejaht dagegen zwar den Eingriff in die eigentumsrechtliche Position, wenn er gezielt ist, er nimmt aber an, daß sich die staatliche Maßnahme auch nicht gezielt auswirken kann. In diesem Fall liege kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG vor. An anderer Stelle, Bestand und Erweiterung, S. 125 f., meint Ossenbühl selbst, daß das Finalitätskriterium im Bereich des Eigentums entfallen ist. Man sieht keinen Grund, dieses Kriterium bezüglich der Problematik des sog. Eingriffs durch Information und Warnung wieder in die Diskussion zu bringen. Der BGH hat die Finalität neben der Betriebsbezogenheit zwar als Eingriffs-, aber nicht als notwendiges Eingriffskriterium in dem sog. Fluglotsenstreik-Urteil - BGHZ 76, 387, 392 ff. - gehandhabt, um einen enteignungsgleichen Eingriff in eine Position zu bejahen, die ansonsten als "Erwerbsmöglichkeit" hätte betrachtet werden müssen. Deswegen kann hier die Finalität kein ausschlaggebendes Kriterium sein; vgl. auch wie hier Ramsauer, S. 33 ff, und zusammenfassend S. 190; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 40; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 29. 1757 Das LG Stuttgart NJW 1989, S. 2263 (Birkel) bezieht die Produkte auf den Kundenstamm. Es kommt aber praktisch zum gleichen Ergebnis; so auch Schulte, in: DVB1. 1988, S. 518; hingegen halten Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 48, und A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 199, Kundenstamm und Produkte für getrennte Rechtsgüter, die beide von einem staatlichen Eingriff durch Information oder Warnung beeinträchtigt werden können; einen Eingriff in die Produkte bejaht auch Schwerdtfeger, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 721. 1758 einer anderen Meinung kann man den Eingriff nur auf die Substanz beschränken - so VGH Kassel DÖV 1995, S. 77 ff.; Ossenbühl, in: ZHR 1991, S. 346. Das LG Stuttgart NJW 1989, S. 2263 (Birkel), sieht den Eingriff zwar beschränkt auf die Substanz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs an. Es konkretisiert ihn aber in dem entgangenen Umsatzgewinn und den sog. Folgekosten, ζ. B. dem Verlust des Kundenkreises. Es geht m. a. W. davon aus, daß die Erscheinungsformen des Gewerbebetriebs, wie ζ. B. der Kundenstamm, unteilbar mit seiner Substanz verbunden sind - vgl. auch so Di Fabio , in: JuS 1997, S. 6; a. A. Schwerdtfeger, in: FS juristischer Gesellschaft, S. 721 f. 1759 Dieses Argument bringt wieder den Streit um den Gesetzesvorbehalt in die Diskussion ein. Nach dem, was bisher dargelegt wurde, sollte man die Anwendung des Gesetzesvorbehalts unter dem Gesichtspunkt des Art. 1412, II GG bejahen - so zögernd VGH Kassel in: DÖV 1995, S. 78. 1760 So auch Di Fabio , in: JuS 1997, S. 6.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ständen der Amtshaftung nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 B G B 1 7 6 1 und des enteignungsgleichen Eingriffs 1 7 6 2 einen Entschädigungsanspruch auslösen. Was den Ruf des Unternehmers (good will) anbelangt, ist zu differenzieren: Wenn die Informations- oder Warnungsmaßnahme zutreffend war, weil sie auf wahren Tatsachen beruht, dann kann der betroffene Unternehmer seine Verletzung nicht geltend machen - denn man hat den Ruf, den man verdient 1763 . In diesem Sinne wird nicht der Ruf des Unternehmers (good will) als Rechtsposition i. S. d. Art. 14 I 1 GG getroffen 1764 . Diese Rechtsposition kann unter dem Gesichtspunkt des Eigentums von demjenigen, der von einer solchen Maßnahme der Exekutive beeinträchtigt wird, nur dann geltend gemacht werden, wenn die Maßnahme unzutreffend war 1 7 6 5 . Schließlich kommt darüber hinaus auch der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in Betracht, soweit der Produkthersteller wegen der staatlichen Maßnahme faktisch gezwungen ist, diese Geheimnisse zu offenbaren, um weitere Einbußen und eine Herabsetzung des Betriebswertes zu vermeiden 1766 .

dd) Verfassungsrechtliche

Rechtfertigung

α) Das "Sozialmodell" des Art. 14 I, I I GG und der Gesetzesvorbehalt Nach Art. 1412 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetz bestimmt. Wie bereits gezeigt wurde, gibt diese Vorschrift dem Gesetzgeber die Befugnis, einerseits den Schutzbereich des Eigentums auszugestalten

1761 Vgl. dazu LG Stuttgart NJW 1989, S. 2257 ff. (Birkel); bestätigt durch OLG Stuttgart NJW 1990, S. 2690. 1762 YQ Stuttgart NJW 1989, S. 2263, das eine Konkurrenz zwischen den beiden Entschädigungsinstituten annimmt; offengelassen aus prozeßökonomischen Gründen in: OLG Stuttgart NJW 1990, S. 2694; vgl. auch Ossenbühl, in: ZHR 1991, S. 345 f , nach dem Amtshaftung und Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff nebeneinander bestehen. Das setzt allerdings voraus, daß auch ihre Anwendungsbereiche im betroffenen Fall nebeneinander bestehen; Maurer, VerwR, § 15, Rd. 11; Di Fabio , in: JuS 1997, S. 6; restriktiver Boujong, in: FS Nirk, S. 70, der aber grundsätzlich den Eingriff in den Gewerbebetrieb und den enteignungsgleichen Entschädigungsanspruch bejaht. 1763 ygj 0 b e n s u b a dd δ δδ. 1764

Einen eigentumsrechtlichen Schutz des Rufs des Unternehmers vor solchen Maßnahmen lehnen R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 175 ff.; Spaeth, Grundrechtsei ngri ff, S. 112, ohnehin ab; im Ergebnis ablehnend auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 264 f. 1765 Den eigentumsrechtlichen Schutz des Rufs des Unternehmens in solchen Konstellationen nehmen, ohne zu differenzieren, Ossenbühl, in: ZHR 1991, S. 347, und Di Fabio , in: JuS 1997, S. 6, an ; vgl. zur Auseinandersetzung oben sub 2 b bb. 1766 ygj z u dieser Position zurückhaltend Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 120. 21 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

und letzten Endes festzulegen 1767 , und andererseits, in diesen Schutzbereich einzugreifen. Diese Aufgaben kann er nach dem "Sozialmodell" erfüllen, das die Absätze I und I I des Art. 14 GG beschreiben. Aufgrund des Art. 14 12 GG hat der Gesetzgeber diese Befugnis 1768 , darf sie aber nicht nach Gutdünken ausüben. Er muß einerseits die Eigentumsgarantie nach Art. 14 I 1 GG und andererseits die Sozialbindung bzw. die "verbindliche Richtschnur" des Art. 14 I I GG gleichermaßen berücksichtigen 1769 . Die Eigentumsgarantie des Art. 14 11 GG, der Inhalts- und Schrankenbestimmungsauftrag nach Art. 1412 GG und die Sozialbindung des Art. 14 I I GG stehen somit in einem unlösbaren Zusammenhang 1770 . Der Gesetzgeber muß demnach "den Bereich des einzelnen und die Belange der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewo-

1767

Das ist auch der Fall, wenn der Gesetzgeber "unlauteren" Wettbewerb (vgl. UWG) verbietet. Vermögenspositionen, die sich aus "unlauterem" Wettbewerb ergeben, können nicht als "Eigentum" i. S. d. Art. 1411 GG betrachtet werden - so auch BVerfGE 32, 311, 319 (Grabsteinwerbung). Denn sie sind "sozialwidrig" i. S. d. Art. 14 II GG, der auch Private verpflichtet. Der Gesetzgeber klammert sie nach Art. 1412 GG aus dem Schutzbereich des Art. 1411 GG aus - vgl. auch Scholz, Entflechtung, S. 146; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 279; Stober, in: FS Lukes, S. 602. Schwieriger ist der Fall im Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen, wenn der Gesetzgeber sich gegen die Machtkonzentration richtet und eine Zusammenschlußkontrolle einführt (vgl. § 24 GWB). Nach h. M. werden die von dieser Vorschrift vorgesehenen Maßnahmen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 1412 i. V. m. Art. 14 II GG qualifiziert. Man könnte sagen, daß der Gesetzgeber in Fällen des Machtmißbrauchs die wirtschaftliche bzw. unternehmerische Konzentration nach diesen Vorschriften i. V. m. Art. 74 I Nr. 16 GG aus dem Schutzbereich des Eigentums ausklammert - so Schulte-Braucks, Die Auflösung, S. 265 f.; ferner Wendt, in: Sachs, GGK, Art. 14, Rd. 98. Das praktische Ergebnis ist sowieso gleich, soweit der Gesetzgeber tätig geworden ist und die verfassungsrechtlichen bzw. rechtsstaatlichen Maßstäbe, insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip (vgl. auch § 24 I, VI GWB), beachtet hat vgl. zur h. M., besonders am Beispiel der Unternehmensentflechtungen, Möschel, Entflechtungen, S. 135 ff; Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 53 ff, 62 ff., der sogar "die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung" als "verfassungsunmittelbare (verfassungssystematische) Eigentumsschranke" bezeichnet; ders., Entflechtung, S. 155 ff.; Selmer, Unternehmensentflechtungen, S. 20 ff., 28 ff., 32 ff.; Schlichter, Die

Beseitigung, S. 174 ff.; vgl. auch BVerfGE 14, 263, 276 ff. (Feldmühle). 176 8

Kiminich, in: BK, Art. 14, Rd. 165; weiterhin BVerfGE 95, 48, 58. BVerfGE 37, 132, 140 (Mietrecht); 50, 290, 339 ff. (Mitbestimmung); 52, 1, 29 (Kleingarten); 58, 300, 338 (Naßauskiesung); 72, 66, 77 f. (Salzburger Flughafen); 81, 208, 220 (m. w. N.); 87, 114, 138; 91, 294, 310; 95, 48, 58; 95, 64, 84; BVerwGE 40, 94, 98; 81, 49, 55 (Milchgarantiemengen); BVerwG NJW 1980, S. 2091; vgl. auch 1769

Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 140 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 137; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 59; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 138; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 303, 317; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 30; E. Stein, Staatsrecht, § 41 III 1;

Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 70. 1770 BVerfGE 50, 290, 340 (Mitbestimmung); Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 72.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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genes Verhältnis bringen" 1 7 7 1 . "Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung" stehe "mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang" 1 7 7 2 . Je mehr sich das Eigentum in einem "sozialen Bezug" bzw. in einer sozialen Funktion befindet, desto mehr ist es nach Art. 14 I I GG sozialgebunden und muß sich der Gesetzgeber demgemäß daran orientieren 1773 . Je mehr dagegen die Funktion des Eigentums der Sicherung der persönlichen Freiheit dient, desto weniger darf der Gesetzgeber darin eingreifen 1774 . Daraus ergibt sich, daß die Sozialbindung des Eigentums nicht nur Ermächtigung ftir den Gesetzgeber, sondern auch Grenze für seine ausgestaltende bzw. einschränkende Befugnis darstellt 1775 1 7 7 6 . Soweit 1771 BVerfGE 25, 112, 118 (niedersächsische Deichordnung); 52, 1, 29 (Kleingarten); 70, 191, 201 f.; 72, 66, 77 (Salzburger Flughafen); 87, 114, 138; 91, 294, 308; 95, 48, 58; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 368; BVerwGE 94, 1, 4; vgl. auch BVerfGE 37, 132, 140 (Mietrecht), wo von einem "dialektischen Verhältnis von verfassungsrechtlich garantierter Freiheit und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung" die Rede ist. 1772 BVerfGE 50, 290, 340 (Mitbestimmung); 52, 1, 29 (Kleingarten); 81, 208, 220; 83, 201, 208 (Vorkaufsrecht). 1773 Man nennt in diesem Fall die Aufgabe des Gesetzgebers auch Konkretisierung der Sozialbindungsklausel - so BGHZ 77, 179, 182; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 135 f.; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 159; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 70; Jaschinski, Der Fortbestand, S. 100; vgl. auch BGHZ 121, 328, 332 - "Aktualisierung" der Sozialbindung des Eigentums. 1774 BVerfGE 50, 290, 340 (Mitbestimmung); 70, 191, 201; 95, 64, 84; BVerwGE 94, 1, 4; BVerwG NJW 1996, S. 2808; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 133; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 139; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 33; Stober, Grundrechtsschutz, S. 116 f., der von der Anwendung einer Art "Dreistufentheorie" für die Eigentumseingriffe nach dem Vorbild der "Dreistufentheorie" in bezug auf die Eingriffe in die Berufsfreiheit spricht; vgl., wie Stober, Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 303 ff. 1775 BVerfGE 25, 112, 118 (niedersächsische Deichordnung); 50, 290, 340 f. (Mitbestimmung); 52, 1, 29 f. (Kleingarten); 58, 300, 338 (Naßauskiesung); 72, 66, 78 (Salzburger Flughafen); 81, 208, 220; 89, 1, 5; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 140; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 299, 301; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 70. 1776 Eine neue Art von Grenze der einschränkenden Befugnis des Gesetzgebers hat neulich das Verfassungsgericht in seinem Erbschaftssteuer-Urteil - BVerfGE 93, 165, 175 - aus der Sozialbindung abgeleitet. Das Gericht legt dar: "Zudem hat der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast zu berücksichtigen, daß die Existenz von bestimmten Betrieben - namentlich von mittelständischen Unternehmen - durch zusätzliche finanzielle Belastungen, ..., gefährdet werden kann. Derartige Betriebe, die durch ihre Widmung für einen konkreten Zweck verselbständigt und als wirtschaftlich zusammengehörige Funktionseinheit organisiert sind, sind in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet: Sie unterliegen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen insbesondere durch Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern, das Betriebsverfassungsrecht, das Wirtschaftsverwaltungsrecht und durch die langfristigen Investitionen einer gesteigerten rechtlichen Bindung"; vgl. dazu Leisner, in: NJW 1996, S. 1516, der die vorher zitierte Passage des Erbschaftssteuer-Urteils als entscheidende Wende bezeichnet und weiter darlegt, daß die Sozialpflichtigkeit des eigentumsrechtlichen "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" dadurch zur Grundrechtsposition des Eigentümers gegen den Staat werde. Es ist hier zu betonen, daß

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Art. 1412 GG als verfassungsrechtliche Grundlage 1777 für Eingriffe in das Eigentum bzw. in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 1411 GG behandelt wird, gilt er auch als Gesetzesvorbehalt 1778 . "Gesetz" i. S. d. Art. 14 I 2 GG können nicht nur formelle (Bundes- oder Landesgesetze), sondern auch materielle Gesetze (Rechtsverordnungen, Satzungen und Gewohnheitsrecht) sein 1779 . Die Maßstäbe der Delegationsermächtigung nach Art. 80 I 2 GG gelten auch hier 1 7 8 0 . Auch Art. 14 12 GG fällt genauso wie Art. 1212 GG in den Anwendungsbereich der "Wesentlichkeitstheorie" 1 7 8 1 . Soweit diese Grundrechtseingriffe entgegen den Bestimmungen des Art. 14 I, I I GG oder darüber hinaus entgegen den Vorschriften, die die Gesetzgebungszuständigkeit und das Gesetzgebungsverfahren regeln 1782 , auferlegt wurden, werden sie als Grundrechtsverletzungen behandelt 1783 .

ß) Die Regelungen des Art. 14 I I I GG Eine Enteignung muß durch Gesetz, wenn es sich um den Entzug konkreter Eigentumsrechte eines bestimmten oder bestimmbaren Personenkreises handelt (Legalenteignung), oder aufgrund eines Gesetzes bzw. durch administrative Maßnahmen (Verwaltungsakte), wenn es um den Entzug "konkreten Eigentums

diese Grenze des Gesetzgebers bzw. die Grundrechtsposition des Eigentümers aus der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 II GG nicht für jeden Betrieb, sondern für Betriebe der oben dargestellten Art gilt. 1777 Wie Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 165, richtig erkannt hat, gibt Art. 14 I 2 GG dem Gesetzgeber die eigentliche Eingriffsermächtigung. Sie gilt als Ermächtigungsnorm. Art. 14 II GG gilt als Richtlinie bzw. Maßstabsnorm für die Eingriffsbefugnis des Art. 1412 GG; vgl. auch Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 27. 1778 V g | a u c h Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 995; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 175 ff.; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 136, und Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 299, sprechen von einem "einheitlichen Gesetzesvorbehalt" nach Art. 14 I 2 und II GG; vgl. auch Leisner, Sozialbindung, S. 44, wo er von einem "einheitlichen Sozialvorbehalt" spricht; a. A. Ramsauer, S. 69; Böhme, in: AgrarR 1984, Beilage 1/1984, S. 12 ff.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 50; auch kritisch dazu Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 165. 1779 BVerfGE 8, 71, 79; BVerwGE 68, 143, 148 f.; 94, 1, 4; BGHZ 77, 179, 183; 111, 349, 357 (KakaoVerordnung); s. auch Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 332; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 995; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 85. 1780 BVerfGE 58, 137, 146; BVerwGE 68, 143, 148 f , wonach auch Satzungen, Beitragsordnungen und Verwaltungsakte, die Inhalts- und Schrankenbestimmungen regeln, einer nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage bedürfen; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 332. nei V g i ausführlich Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 179 ff. 1782 Vgl. BVerfGE 88, 366, 378. 1783 Die Abgrenzung zwischen rechtswidrigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen einerseits und Enteignung andererseits wurde bereits (s. oben sub bb) gezeigt.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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einzelner" geht (Administrativenteignung), auferlegt werden 1784 . Die Legalenteignung ist formelle Gesetzgebung 1785 und ihre Realisierung bedarf nicht eines Vollzugsaktes 1786 . Die Administrativenteignung stellt den Regelfall der Enteignung dar 1 7 8 7 . Sie erfordert einen behördlichen Rechtsakt, der - anders als die Legalenteignung - mit Rechtsmitteln angefochten werden kann 1 7 8 8 . Dagegen kann sie nicht durch einen Realakt - anders als ein enteignungsgleicher oder enteignender Eingriff 1 7 8 9 - erfolgen 1790 . Das Gesetz i. S. d. Art. 14 I I I 2 GG muß ein formelles (Bundes- oder Landesgesetz) sein 1791 . Vorkonstitutionelle Gesetze fallen nicht darunter 1792 . Es muß in dem Gesetz bestimmt werden, für welche Vorhaben, unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke eine Enteignung zulässig sein soll 1 7 9 3 . Enteignungen durch Verordnungen und Satzungen sind zwar möglich 1 7 9 4 , sie bedürfen aber einer gesetzlichen Ermächtigung 1 7 9 5 . I m Falle der Enteignung durch Rechtsverordnungen gilt der Delegationsvorbehalt des Art. 80 I GG. Wenn die Verwaltung vom Gesetz ermächtigt wird, (Administrativ-)Enteignungen durchzuführen, muß sie sich an den Rahmen und die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung halten. Aus alledem ergibt sich, daß die Junktimklausel des Art. 14 I I I 2 GG als Gesetzesvorbehalt für die Eingriffe aus Enteignungen gilt 1 7 9 6 . Nach der Junktimklausel muß das Gesetz (ausdrücklich) die Art und das Ausmaß der Entschädigung regeln. Die Entschädigungsregelung kann nicht Art. 14 I I I GG unmittelbar entnommen

1784

BVerfGE 58, 300, 330 f. (m. w. N.); so auch Schmidt-Aßmann, in: JuS 1986, S. 833 ff; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 72 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 989, 1007. 1785 So BVerfGE 45, 297, 325; anders ausgedrückt in der BVerfGE 24, 367, 401 (Hamburgische Deichordnung) - die Legalenteignung sei "Verwaltung durch Gesetz". 1786 BVerfGE 95, 1,21. 1787 So Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 325; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 73. 1788 BVerfGE 58, 300, 331 (Naßauskiesung). 1789 ygj dazu oben sub cc α. 1790

Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 334; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 73. BVerfGE 56, 249, 261; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 348; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 76, der diese Position mit der "Wesentlichkeitstheorie" bzw. dem "Parlamentsvorbehalt" verbindet - Argument aus der BVerfGE, a. a. O.; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 556; Maurer, VerwR, § 26, Rd. 36; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 1007. 1792 BVerfGE 4, 229, 237; 46, 268, 288. 1793 BVerfGE 56, 249, 261 (m. w. N.); 74, 264, 285 (Teststrecke Boxberg). 1794 So Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 76, der darlegt, daß "Enteignungen durch untergesetzliche Rechtssätze nur als Enteignungen auf Grund eines Gesetzes (i. S. d. Art. 14 III 2 GG) in Betracht" kommen; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 559. 1795 Die Anwendung der sog. Wesentlichkeitstheorie in diesem Fall bedeutet, daß das (formelle) ermächtigende Gesetz die "wesentlichen" Entscheidungen (Enteignungsvoraussetzungen und -zweck) bereits getroffen hat (vgl. auch oben sub a ee α ßß). 1791

1796

So Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 541.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

werden 1797 , weswegen ein Enteignungsgesetz ohne Entschädigungsregelung verfassungswidrig ist 1 7 9 8 . Die Entschädigung ist nach Art. 14 I I I 3 GG unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Fraglich ist i m betreffenden Fall der Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit durch eine Enteignung, ob die Interessen des betroffenen Gewerbetreibenden i m Wettbewerb aufgrund des Abwägungsgebots dieser Regelung mitberücksichtigt werden müssen. Man muß die Frage bejahen, soweit die Wettbewerbsfähigkeit des Betroffenen seinen Konkurrenten gegenüber wegen der Enteignung verringert wurde. Die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit muß sich aber auf den Bestand des Gewerbebetriebs (ζ. B. Verlust des bisherigen Kundenstamms) 1799 und nicht auf verlorenen Erwerbsmöglichkeiten und Chancen (ζ. B. weiterer als der bisher erworbene Kundenkreis, Gewinne aus einer Geschäftserweiterung 1800 usw.) beziehen, die nach dem Abwägungsgebot des Art. 14 I I I 3 GG außer acht gelassen werden müssen 1801 .

γ) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs? Die Bedeutung dieser beiden Rechtsschöpfungen (enteignungsgleicher und enteignender Eingriff) des BGH wurde nach dem Naßauskiesungs-Urteil des BVerfG 1 8 0 2 , wonach die Trennungslinie zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen einerseits und Enteignung andererseits formal und streng festgelegt wurde, in Frage gestellt 1803 . Bis dahin hatte der BGH die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Haftungsinstitute direkt aus Art. 14 GG hergeleitet. Der BGH hat sogar auf den enteignungsgleichen Eingriff zurückgegriffen, wenn er einen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum bzw. eine verfassungswidrige Anwendung des sog. "Sozialmodells" des Eigentums 1804 feststellte. Nach dem Konzept des sog. Naßauskiesungs-Urteils kann die Entschädigung den enteignungsgleichen nicht nachträglich rechtfertigen und den enteignenden

1797

So Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 173; Hesse, Grundzüge, Rd. 452. BVerfGE 24, 367, 418 (hamburgische Deichordnung). 1799 Vgl. BGHZ 55, 294, 299; 95, 28, 38. 1800 Rüfner, Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49, Rd. 69 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGH). 1801 Vgl. auch Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 95. 1802 BVerfGE 58, 300 ff. 1803 So auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 136; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 720; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 1017; Maurer, VerwR, § 26, Rd. 61 (m. w. N.); vgl. mehr zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung darüber bei Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 428 ff., 451 ff.; Maurer, VerwR, Rd. 69 ff. 1804 ygj dazu oben sub α. 1798

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Eingriff nicht rechtmäßiger machen, als er tatsächlich ist 1 8 0 5 . Eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung bleibt verfassungswidrig und stellt eine Grundrechtsverletzung dar. Sie soll aber noch keinen Entschädigungsanspruch rechtfertigen. Das BVerfG zeigt den Weg, dem der betroffene Eigentümer folgen soll: "Sieht der Bürger in der gegen ihn gerichteten Maßnahme eine Enteignung, so kann er eine Entschädigung nur einklagen, wenn hierfür eine gesetzliche vorhanden ist. Fehlt sie, so muß er sich bei den Verwaltungsgerichten um die Aufhebung des Eingriffsaktes bemühen. Er kann aber nicht unter Verzicht auf die Anfechtung eine ihm vom Gesetz nicht zugebilligte Entschädigung beanspruchen" 1806. Er muß sich m. a. W. entweder gegen die Maßnahme wehren oder sie entschädigungslos hinnehmen 1807 . Ein vom BGH und der h. L. bislang angenommenes Wahlrecht zwischen Anfechtung und Entschädigung findet nach der Naßauskiesungs-Rechtsprechung des BVerfG keine Grundlage in Art. 14 GG 1 8 0 8 . Der BGH hat aber seine Rechtsprechung über diese Haftungsinstitute nicht aufgegeben und hat an ihnen, obwohl mit verschiedener Rechtsgrundlage, festgehalten. Sie finden ihre rechtliche Grundlage in dem Gedanken der Aufopferung, die erstmals in §§ 74, 75 Einl. ALR positiviert, richterrechtlich entfaltet und schon gewohnheitsrechtlich anerkannt wurde 1809 . Damit sind sie einfach- bzw. richterrechtlich gerechtfertigt worden 1810 . Fraglich ist, ob sie trotz der Naßauskiesungs-Rechtsprechung auch von der Verfassung her gerechtfertigt sein können. Es gibt Beeinträchtigungen, gegen die sich der Eigentümer verwaltungsprozeßrechtlich nicht wehren kann, da sie unanfechtbar sind bzw. der von ihnen verursachte Schaden irreparabel ist. Das ist besonders der Fall bei bereits vollzogenen rechtswidrigen Eingriffen durch Rechtsakt oder Realakt - ζ. B. Eingriff durch Information und Warnung 1811 und in unbeabsichtigten und unvorhersehbaren Eingriffen rechtmäßigen Verwaltungshandelns durch Realakt. Eine Entschädigung ist ausnahmsweise in solchen Fällen - wie auch im Fall der sog. entschädigungspflichtigen Inhaltsbe-

1805

So Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 1017. 1806 BVerfGE 58, 300, 324. 1807

1808

So Pieroth/Schlinck,

Rd. 1019; Jaschinski, Der Fortbestand, S. 49 ff.

So Maurer, VerwR, § 26, Rd. 60. 1809 Vgl. BGHZ 90, 17 ff.; 92, 34, 36; 111, 349, 356 (Kakaoverordnung); BGH DVB1. 1993, S. 719, zum enteignungsgleichen Eingriff und BGHZ 91, 20, 26 ff.; BGH DVB1. 1995, S. 742, zum enteignenden Eingriff.; weiterhin BVerwGE 94, 1, 8; zustimmend Schenke, in: NJW 1991, S. 1778. Den "enteignungsgleichen Eingriff' als Haftungsinstitut des einfachen Rechts erkennt auch das BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II), an. 1810 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rd. 455. 1811 s. oben sub cc ε.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Stimmung1812 - aus Art. 14 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip geboten 1813 .

δ) Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 1411 GG Das Verhältnismäßigkeitsgebot gilt zweifelsfrei auch für die Eingriffe in das Eigentum. Das gilt sowohl für die Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 1 4 1 2 1 8 1 4 als auch für die Enteignung nach Art. 14 I I I GG 1 8 1 5 . Ob ihre verfassungsrechtliche Grundlage das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 I I I GG, wie für die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG, oder Art. 14 GG selbst 1816 ist, hat keine besondere praktische Bedeutung - von dem Tatbestand der sog. Ewigkeitsklausel nach Art. 79 I I I GG abgesehen, die aber hier irrelevant ist. Es gelten auch hier die gleichen Maßstäbe wie für die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG. Der Eingriff muß einen "legitimen" Zweck verfolgen sowie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig i. e. S. für das Erreichen dieses Zwecks s e i n 1 8 1 7 1 8 1 8 .

1812 ygj dazu die oben sub bb. 1813 So Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 340; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 1020; Schenke, in: NJW 1991, S. 1778, der einen solchen Anspruch direkt aus Art. 14 III GG ableitet; Maurer, VerwR, § 26, Rd. 73 f., der aber in Rd. 72, die unbeabsichtigten Nebenfolgen rechtmäßigen Verwaltungshandelns durch Realakt und damit den enteignenden Eingriff von dieser Kategorie ausklammert; dagegen im Prinzip ablehnend Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 336 ff. 1814 BVerfGE 8, 71, 80; 21, 150, 155; 26, 215, 228; 50, 290, 341 (Mitbestimmung); 58, 300, 335 (Naßauskiesung); 72, 66, 78 (Salzburger Flughafen); 79, 174, 198 (Straßenlärm); 95, 48, 58; 95, 64, 84; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 368; BVerwGE 81, 49, 55 (Milchgarantiemengen); BVerwG NJW 1996, S. 2808; BGHZ 78, 41, 47 (Werbefahrt); VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 187; Schlink, Abwägung, S. 83 f.; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 143; Stober, Grundrechtsschutz, Rd. 118 f.; Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 140; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 62 f.; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 307; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 800 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 448; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 996 ff.; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 57; Jaschinski, Der Fortbestand, S. 104 f., 146 ff. 1815 BVerfGE 24, 367, 404 f. (hamburgische Deichordnung); 74, 264, 286 (Teststrecke Boxberg); BVerwGE 19, 171, 172 f.; Schlink, Abwägung, S. 84; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 366; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 143; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 166; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 85; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2., S. 806; Maurer, VerwR, § 26, Rd. 38; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 1012; Eschenbach, in: Jura 1997, S. 521. 1816 So Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 62. 1817 BVerfGE 21, 150, 155; 49, 220, 232 f.; 50, 290, 352 (Mitbestimmung); 74, 203, 214; 75, 78, 97; BVerwG NJW 1996, S. 2808; VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 187; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 73, 85 (m. w. N.).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Bezüglich der "legitimen" Zwecke, die die Eingriffe durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 1412 GG verfolgen müssen, gibt es die Richtlinie der Sozialbindungsklausel des Art. 14 I I GG, die als Spezialisierung der Sozialstaatsklausel aus Art. 201, 28 I GG g i l t 1 8 1 9 1 8 2 0 . Ihr Anwendungsbereich aber ist nicht identisch mit dem Anwendungsbereich der Sozialstaatsklausel. Die Sozialbindungsklausel findet nur dann Anwendung, wenn das Eigentumsobjekt sich in einem "sozialen Bezug" befindet 1821 . Der Zusammenhang der zu schützenden Rechtsgüter mit dem "sozialen Bezug" des Eigentumsobjekts definiert die "Legitimität" des verfolgten Zwecks i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgebots 1822 . Der "soziale Bezug" des Eigentumsobjekts kann den Anwendungsbereich der Sozialbindungsklausel über die besonderen Ausprägungen der Sozialstaatsklausel (Daseinsvorsorge, Bildung, Volksgesundheit, soziale Versicherung, Arbeits- und Wohnungspolitik, Mutterschaft, Alter, Behinderte usw.) hinaus auf andere Rechtsgüter erweitern, die sich entweder aus der grundgesetzlichen Wertordnung, wie ζ. B. dem Umwelt- (vgl. Art. 20 a GG) 1 8 2 3 oder dem Verbraucherschutz (vgl. Art. 2 I GG bzw. Art. 2 I GG i. V. m. Art. 11 GG), oder aus dem einfachen Recht, wie ζ. B. der öffentlichen Verkehrssicherheit, ergeben 1824 . Andererseits aber, weil der "soziale Bezug" eine conditio sine qua non für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe nach Art. 1412 GG über Art. 14 I I GG darstellt, entfällt automatisch der "legitime" Zweck, der den Eingriff rechtfertigen soll, wenn der "soziale Bezug" nicht vorliegt, und deswegen muß die Eigentumsgarantie nach Art. 1411 GG vorgehen, selbst wenn der verfolgte Zweck direkt aus dem Sozialstaatsprinzip 1818

Ob die Verhältnismäßigkeitsprüfung auch dann gilt, wenn der Gesetzgeber die Eigentumsgarantie zuungunsten der Sozialbindung des Eigentums bevorzugt - so Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 997 -, mag hier dahinstehen. Das BVerfG hat in dieser Richtung bloß betont, daß "die Eigentumsgarantie (nicht) eine die soziale Funktion eines Eigentumsobjekts mißachtende Nutzung schützt" - so BVerfGE 37, 132, 140 f. (Mietrecht); 68, 361, 368. 1819 So Kimminich, in: BK, Art. 14, Rd. 137, 172 f.; vgl. auch BVerfGE 25, 112, 117; Badura, in: DÖV 1989, S. 495; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 72; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 99. 1820 M a n g h j e r daraufhinweisen, daß sich aus dem Richtliniencharakter der Sozialbindungsklausel aus Art. 14 II GG ergibt, daß sie genauso wenig wie die Sozialstaatsklausel aus Art. 20 I, 28 I GG ein subjektives Recht begründet - so BVerfGE 89, 1, 5. 1821 ygj dazu oben sub a. m

a

1822 D i e s e r Zusammenhang bezieht sich auf die Anwesenheit Dritter bei Nutzung fremden Eigentums - so BVerfGE 18, 121, 132; 37, 132, 140 f. (Mietrecht); vgl. auch Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 305; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 31. 1823

Vgl. Steinberg, in: NJW 1996, S. 1988; vgl. auch BVerwG NVwZ 1997, S. 890. 1824 V g l ähnlich Scholz, Entflechtung, S. 144; Jarass, in: J/P, Art. 14, Rd. 36; vgl. auch Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 161, nach dem der Begriff des "Sozialen" auch "gesellschaftliche Bezüge" schlechthin bezeichne. Diese Position geht eher zu weit.

3

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

hergeleitet wird. Was das betreffende Thema angeht, sind es die Eingriffe in den "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb", die gleichzeitig die Wettbewerbsfreiheit des Gewerbetreibenden einschränken. Sie können u.a. aus den Umwelt-, Verbraucher 1825 - und Arbeitnehmerschutz 1826 , die Daseinsvorsorge (ζ. B. Wasser- oder Energieversorgung) 1827 oder die Volksgesundheit 1828 betreffenden Gründen auferlegt werden. Sie müssen darüber hinaus geeignet, erforderlich und zumutbar sein. U m einen unzumutbaren Eingriff in das Eigentum ginge es, wenn die Einführung der unternehmerischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer zur Funktionsunfähigkeit der Unternehmen führen würde 1 8 2 9 . Der Gesetzgeber besitzt auch hier einen weiten Gestaltungs- 1830 und Prognosespielraum 1 8 3 1 , er ist aber nach der Auswahl des "legitimen" Zwecks auf den Rahmen und die Grenzen der Sozialbindung des Eigentums und der "sozialen Bezogenheit" des Eigentumsobjekts begrenzt 1832 . Das Verhältnismäßigkeitsgebot gilt, wie bereits dargelegt, auch für die intensivste Eingriffsform in das Eigentum, die Enteignung. Art. 14 I I I 1 GG bestimmt sogar, daß eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist. Damit sind nicht nur sozialstaatliche Gründe i. S. d. Art. 201 und 28 I GG oder sozialgebotene i. S. d. Art. 14 I I GG gemeint 1833 . Andererseits aber genügen bloße öffentliche Interessen nicht. Es ist vielmehr erforderlich, daß ein besonderes, schwerwiegendes und dringendes Gemeinwohlbedürfnis besteht 1834 .

1825

BVerfGE 8, 274, 330 (Preisgesetz); BVerwGE 71, 183, 190 ff. (Transparenzlisten); 87, 37, 48 ff. (Diethylenglykolweine); LG Stuttgart NJW 1989, S. 2258 (Birkel). 1826 Ygj BVerfGE 50, 290, 349 (Mitbestimmung), wonach der Arbeitnehmerschutz in der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer konkretisiert wurde; BAGE 46,42,47 f. 1827 Vgl. BGHZ 40, 355, 358 ff.; 54, 293, 295 ff.; 77, 179, 183 ff.; BVerwGE 62, 224, 229 (Abfallbeseitigungsmonopol); vgl. auch Gusy, in: JA 1995, S. 257. 1828 Vgl. BVerwGE 87, 37, 48 ff. (Diethylenglykolweine); LG Stuttgart NJW 1989, S. 2258 (Birkel). 1829 Stober, Grundrechtsschutz, S. 119. 1830 BVerfGE 8, 71, 80; 21, 73, 83; 50, 290, 341 (Mitbestimmung); 53, 257, 293; 74, 203, 214; vgl. auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 137; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 998. 1831 So Scholz, Entflechtung, S. 148; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 144; Bry-

de, in: vM/K, Art. 14, Rd. 63; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 312 f.; Jarass, in: J/P,

Art. 14, Rd. 30. 1832 ygj a u c l Art. 14, Rd. 70. 1833

l

Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 997 f.; Wendt, in: Sachs, GG-K,

Zur unterschiedlichen Funktion des Gemeinwohlbegriffs in den Abs. II und III des Art. 14 GG vgl. Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 81; vgl. auch das Sondervotum Böhmers, in der BVerfGE 56, 249, 275 f. 1834 So BVerfGE 66, 248, 257; 74, 264, 287 (Teststrecke Boxberg); BVerwGE 87, 241, 243, 246, wonach die Enteignung einem konkreten Zweck dienen muß; vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 354 (m. w. N.); Leisner, in: HdDStR, VI, § 149,

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

33

Enteignungen aus fiskalischen Gründen 1835 oder zugunsten Privater 1836 sind grundsätzlich unzulässig, es sei denn, daß durch den Vorteil, den der Private durch die Enteignung erlangt, auch dem allgemeinen Wohl genutzt wird 1 8 3 7 . In diesem Fall kann die Enteignung zugunsten Privater sogar wettbewerbsfördernden Charakter für sie haben 1838 . Die "soziale Bezogenheit" des zu enteignenden Eigentumsobjekts ist hier nicht erforderlich. A u f jeden Fall ist eine Abwägung zwischen den Interessen des betroffenen Eigentümers bzw. Konkurrenten und dem allgemeinen Wohl nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgedankens geboten. Die Enteignung muß m. a. W. geeignet und erforderlich für das Erreichen des verfolgten Zwecks sein und darf nicht unangemessen bzw. unzumutbar den betroffenen Gewerbetreibenden belasten 1839 . Wenn ζ. B. eine Teilenteignung oder die Eigentumsbelastung mit dinglichen Rechten geeignet (Geeignetheitsgebot) und genauso effektiv (Erforderlichkeitsgebot) für das Erreichen des verfolgten Zwecks wie eine Vollenteignung bzw. ein Eigentumsentzug sein können, dann muß diese Maßnahme statt der verhältnismäßig härteren bevorzugt werden 1840 . Wenn die Enteignung zur Stillegung des Gewerbebetriebs führen kann, die unzumutbare Konsequenzen für den Gewerbetreibenden selbst (Ausschluß aus dem Wettbewerb ohne positive Aussichten, in diesen wieder bald einzusteigen) und eventuell für seine Familie schaffen kann, dann wirkt sie unverhältnismäßig i. e. S. bzw. unproportional für ihn und muß deswegen scheitern. Ob die Enteignung negative Folgen für das öffentliche Interesse verursacht - ζ. B. Steigerung der Arbeitslosigkeit wegen der Betriebsstillegung - ist eine Angelegenheit, die im Rahmen der Abwägung mitberücksichtigt werden muß, ob die Enteignung dem Wohl der Allgemeinheit i. S. d. Art. 14 I I I 1 GG dient. Wenn der Schaden für die Allgemeinheit (ζ. B. Arbeitslosigkeit) größer als der Nutzen (ζ. B. öffentliche Verkehrssicherheit) sein wird, dann scheitert die Enteignung nur aufgrund dieser Vorschrift, abgesehen

Rd. 170; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 141 f.; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 81;

Maurer, VerwR, § 26, Rd. 37; Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 78 f. 1835 Vgl. BVerfGE 38, 175, 180; BGH NJW 1976, S. 1266; vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 354; Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 170; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 83; Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 583; Pieroth/Schlink,

Grundrechte,

Rd. 1011. 1836

Papier, in: MD, Art. 14, Rd. 584; Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 1011;

Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 95. 1837 BVerfGE 66, 248, 257; 74, 264, 285 (Teststrecke Boxberg); vgl. auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 356 (m. w. N.); Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 84; Papier,

in: MD, Art. 14, Rd. 585 ff.; Maurer, VerwR, § 26, Rd. 37; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 1011; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 95. 1838 Vgl. BVerfGE 74, 264, 285 (Teststrecke Boxberg). 1839 Vgl. dazu BVerwGE 81,49, 55 (Milchgarantiemengen). 1840 ygj Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rd. 366; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 143; Bryde, in: vM/K, Art. 14, Rd. 85; Maurer, VerwR, Rd. 38; Jarass, in: J/P,

Art. 14, Rd. 61; Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 1013.

3

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

von der Frage, ob sie für den Eigentümer verhältnismäßig i. w. S. ist. Auch hier hat der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung einen großen Beurteilungsspielraum, den dem allgemeinen Wohl dienenden Zweck zu bestimmen und die Konsequenzen für die Allgemeinheit sowie den Betroffenen abzuwägen 1841 .

c) Art. 9 GG aa) Die Eingriffe

in die Wettbewerbsfreiheit

aus Art. 91 GG

Die Bedeutung der Einschränkbarkeit der Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit des Art. 9 I GG ist im Vergleich zu den bereits dargelegten Grundrechten der Berufsfreiheit und des Eigentums erheblich geringer. Die staatlichen Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, die als Prüfungsmaßstab Art. 9 GG haben, beziehen sich auf die Möglichkeit des einzelnen, kollektiv i m Rahmen einer wirtschaftlichen Vereinigung (Gesellschaft) bessere Bedingungen i m Wettbewerb zu erreichen und dadurch ihre Leistung wettbewerbsfähiger zu machen. Diese sind in jedem Stadium der unternehmerischen bzw. wettbewerblichen Tätigkeit denkbar 1842 und können sowohl das Entstehen als auch das Bestehen der Gesellschaft betreffen. In diesem Sinne können derartige Eingriffe die folgenden sein: das Verbot oder die Beeinträchtigung der Gründung einer Gesellschaft 1843 , die präventive Kontrolle durch ein Konzessionssystem 1844 , Verhinderung des Beitritts oder Verbleibs durch den Staat 1845 , Reglementierung der Mitglieder- bzw. Anteilserwerbung 1846 , die Zwangsbeteiligung an einer Gesellschaft, das Abhängigmachen der Gesellschaftssatzung von einer behördlichen Genehmigung 1847 , das Verbot der Werbung für den Beitritt neuer Gesellschafter bzw. Anteilsinhaber 1 8 4 8 , das Verbot für die Gesellschaft, einen bestimmten Namen zu tragen 1849 oder das Verbot bzw. das Gebot einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung als Wettbewerbszweck 1850 , wie ζ. B. die Regelung, daß der Wettbewerbszweck nicht gegen die guten Sitten verstoßen darf. Als ein solcher Eingriff muß auch 1841

Vgl. Leisner, in: HdDStR, VI, § 149, Rd. 172. So Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 805. 1843 V g j Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 806. 1842

1844 1845 1846 1847 1848

Rd. 34. 1849 1850

Ebenda. Ebenda. Ebenda. Ebenda. BVerfGE 84, 372, 378; BGH MDR 1995, S. 1031; Löwer, in: vM/K, Art. 9, Löwer, in: vM/K, Art. 9, Rd. 34. Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 72.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

33

der Entzug der Mitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft im Fall der Mehrheitsumwandlung betrachtet werden 1851 ; das BVerfG hat aber eine solche Maßnahme in seinem sog. Feldmühle-Urteil 1852 nicht als Eingriff in den Art. 9 I GG behandelt, sondern hat nur Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen 1853 . Dagegen berührt die Einführung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in einem Unternehmen den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 9 I GG gar nicht 1 8 5 4 , abgesehen von der Frage, ob große Kapitalgesellschaften in den Schutzbereich des Art. 9 I GG fallen 1 8 5 5 . Nicht als Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 9 I GG dürfen die gesetzlichen Regelungen behandelt werden, die die verschiedenen Typen der Gesellschaften (OHG, A G usw.) festlegen; sie werden als bloße Grundrechtsausgestaltungen bzw. -prägungen behandelt 1856 . Wie in den einschlägigen Kapiteln der Berufsfreiheit und des Eigentums dargelegt, ergeben sich auch hier besondere Probleme hinsichtlich der Beschränkung der Machtkonzentration durch das GWB. Nach der hier vertretenen Meinung werden auch Kartelle, Konzerne und Unternehmenszusammenschlüsse von Art. 9 1 GG geschützt 1857 , soweit sie nicht der grundgesetzlichen Wertordnung widersprechen. In diesem Fall gelten die Maßnahmen gegen diese Vereinigungen nicht als Grundrechtseingriffe. Jedenfalls müssen die rechtsstaatlichen (vgl. Art. 20 I I I GG) Maßstäbe des (allgemeinen) Vorbehalts des Gesetzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips beachtet werden 1858 . Wenn man dagegen in den Maßnahmen des GWB ohnehin einen eingreifenden Charakter sehen will, dann muß man davon ausgehen, daß das Kartellverbot bzw. die Festlegung von Voraussetzungen für die Erlaubnis eines Kartells (vgl. §§ 1 G W B ) 1 8 5 9 , die präventive (vgl. §§ 23 ff. GWB) und die repressive (vgl. § 24 V, V I GWB) Konzentrationskontrolle bzw. Unternehmensentflechtung 1860 Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 9 I GG darstellen.

1851

So auch Scholz, Entflechtung, S. 192. BVerfGE 14, 263, 273 ff. 1853 ygj BVerfGE 4, 7, 26 (Investitionshilfe) - wonach die Zwangszuteilung von Aktien nicht als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 9 I GG behandelt wurde; differenzierend dazu Löwer, in: vM/K, Art. 9, Rd. 34. 1854 ygj überzeugende Argumentation des BVerfG in der E 50, 290, 356 ff. (Mitbestimmung). 1855 Ygj dazu oben sub II 2 c bb. 1852

1856 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 805. 1857 s. oben sub II 2 c aa. 1858 1859

1860

So Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 117. Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 64, 116.

Vgl. dazu Möschel, S. 144; Scholz, Entflechtung, S. 187 ff.

34

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

bb) Verfassungsrechtliche

Rechtfertigung

Art. 9 I I GG lautet: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung 1 8 6 1 oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten". Es ist nicht unumstritten, ob diese Vorschrift nicht eine verfassungsunmittelbare Grenze des Schutzbereichs der Vereinigungsfreiheit oder aber die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe in diese darstellt. Die zweite Position erscheint richtiger 1862 . Es ist aber sicher, daß die bereits erwähnten Vorschriften des GWB, die ggf. einen Eingriff in die wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit darstellen, unter keinen der Fälle zu subsumieren sind, die Art. 9 I I GG bestimmt, um den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit zu begrenzen bzw. die Grundrechtseingriffe in ihn zu rechtfertigen. Von dieser Feststellung ausgehend wurde in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten des GWB versucht, seine Verfassungswidrigkeit zu begründen 1863 . Diese Meinung trifft nicht zu, denn die Vereinigungsfreiheit, wie jedes Grundrecht, hat von Verfassungs wegen immanente Schranken bzw. Grenzen 1864 . Wenn das Gesetz diese Schranken bzw. Grenzen zieht und in die Vereinigungsfreiheit eingreift, um die Grundrechte anderer oder andere Verfassungsgüter zu schützen, dann wird dieser Eingriff von diesen grundgesetzlichen Vorschriften, die die jeweiligen Grundrechte bzw. Verfassungsgüter enthalten, verfassungsrechtlich gerechtfertigt. I m betroffenen Fall der aus Art. 9 1 GG resultierenden Wettbewerbsfreiheit geht es um folgendes: Die Freiheit zu wirtschaftlichen Zusammenschlüssen entweder in der Form der Unternehmenskonzentration (Fusionen) oder in Form der Kartelle wird zunächst von Art. 9 I GG garantiert. Jedoch im Falle eines Machtmißbrauchs dieser Zusammenschlüsse im Wettbewerb, die der grundge-

1861

Nach h. M. wird unter "verfassungsmäßiger Ordnung" i. S. d. Art. 9 II GG die freiheitliche demokratische Grundordnung i. S. d. Art. 10 II 2, 11 II, 18, 21 II GG - vgl. dazu BVerwGE 47, 330, 351 , Merten, in: HdDStR, VI, § 144, Rd. 74; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 151; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 9, Rd. 52; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rd. 815 - und nicht die "verfassungsgemäße Rechtsordnung" i. S. d. Art. 2 I HS. 2 GG oder die Verfassung im formellen Sinne (Verfassungstext) i. S. d. Art. 20 III, 20 a GG - so aber Jarass, in: J/P, Rd. 17 - verstanden. 1862

So Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 113; Löwer, in: vM/K, Art. 9, Rd. 46; Pie-

roth/Schlink, Grundrechte, Rd. 810 (m. w. N.); Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 467, 469, der die Regelungen des Art. 9 II GG als qualifizierten Gesetzesvorbehalt behandelt; Jarass, in: J/P, Art. 9, Rd. 15; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 9, Rd. 49; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 9, Rd. 38; a. A. Merten, Rd. 73; Hesse, Grundzüge,

Rd. 312; Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 189 f. 1863 ygi dit Nachweise oben sub a cc β αα. 1864 Zur Vereinigungsfreiheit speziell vgl. Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 9, Rd. 54.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

33

setzlichen Wertordnung offensichtlich widersprechen würden, würden sie aus dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 9 I GG herausfallen, so daß ihr Verbot oder ihre präventive bzw. repressive Kontrolle nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 9 1 GG eingreifen würde. Selbst wenn man in diesen Maßnahmen des GWB einen Eingriff in die wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit sieht, ist er verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn diese GWBNormen haben die Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten der betroffenen Unternehmen aus Art. 121, 14 11 GG oder den Wettbewerb als verfassungsrechtliches Rechtsinstitut (vgl. auch Art. 74 I Nr. 16 GG) zu schützen 1865 , die von den strittigen Zusammenschlüssen mindestens beeinträchtigt, wenn nicht verletzt wird. Es handelt sich m. a. W. um einen Grundrechtskollisionsfall zwischen den Grundrechten bzw. der Wettbewerbsfreiheit (Art. 91, 121, 14 I 1 GG) der Unternehmen, die sich zusammenschließen wollen oder zusammengeschlossen sind, und den Grundrechten bzw. der Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 I, 1411 GG) ihrer (potentiellen) Konkurrenten 1866 . Eine Wettbewerbsgefährdung ist erforderlich 1867 . Außerhalb dieser immanenten Grundrechtsschranken bzw. grenzen 1868 sind die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 9 I GG nicht mehr verfassungsrechtlich gedeckt 1869 .

d) Art. 5 GG aa) Die Eingriffe

in die Wettbewerbs-

bzw. Werbefreiheit

aus Art. 511 GG

Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, die als Prüfungsmaßstab Art. 5 GG haben, beziehen sich auf die Werbefreiheit und haben die Einschränkung der Werbung als Wettbewerbsmittel auf einem Markt zum Gegenstand. Das Werbeverbot ist die strengste und intensivste Form eines Eingriffs in die Werbe-

1865 ygj dazu oben sub II 1 b aa γ und unten sub VI 3 c aa. 1866 Y g j Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 150 ff.; ders., Entflechtung, S. 191; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 151 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 819; Jarass, in: J/P, Art. 9, Rd. 20; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 9, Rd. 40. a

u

c

h

1867 So Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 153, der davon ausgeht, daß eine Fusionskontrolle, die jeden gesellschaftsrechtlichen Zusammensehluß unter Erlaubnisvorbehalt stelle, unverhältnismäßig und dementsprechend verfassungswidrig wäre. 1868 M a n m u ß j 1 j e r daraufhinweisen, daß als solche immanente Grundrechtsschranke bzw. -grenze nicht die Sozialbindung bzw. -Verpflichtung des Eigentums nach Art. 14 II GG herangezogen werden kann wie Scholz, in: MD, Art. 9, Rd. 149; ders., Entflechtung, S. 193, meint. Denn die Sozialbindung bezieht sich nur auf das Eigentum, wobei sie Bestandteil des sog. sozialen Modells (vgl. dazu oben sub b dd α) ist, und ist genauso wenig auf die Einschränkbarkeit bzw. die Ausgestaltung des Schutzbereichs anderer Grundrechte übertragbar. 1869 Vgl. BVerfGE 84, 372, 377 ff.; Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 199 ff.; a. A. v. Münch, in: BK, Art. 9, Rd. 90 ff., der aber zu weit geht.

3

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

freiheit. Die Werbeverbote können Schriften betreffen, wie ζ. B. das Verbot der Werbung für Schriften, die geeignet sind, Jugendliche zu gefährden, aufgrund des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) v. 09. 06. 1953 (BGBl. I, S. 377) 1 8 7 0 , oder Bilder wie das Verbreitungsverbot für FKK-Bilder aufgrund des § 6 I I GjS v. 09. 06. 1953 i. d. F. v. 29. 04. 1961 (BGBl. I, S. 497) 1 8 7 1 . Sie werden aber häufig auch bei freiberuflichen Tätigkeiten im Wettbewerb auferlegt. Solche Werbeverbote und demgemäß Eingriffe in die Wettbewerbs- bzw. Werbefreiheit aus Art. 5 1 1 GG stellen die folgenden Vorschriften bzw. Maßnahmen dar: § 9 BayBerufsO für Apotheker v. 22. 05. 1958 i. V. m. Art. 33 I I des BayG über die Berufsvertretungen und über die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker v. 15.07. 1957 1872 , §21 BO für die Ärzte Bayerns v. 01. 01. 1978 1873 , §22 StBerG a. F., § 5 7 1 StBerG n.F. 1 8 7 4 . Als ein ähnlicher Eingriff wird § 3 1 WerbVOStBerG (BGBl. I, 3245) behandelt, aufgrund dessen die Anzeigen, in denen auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen hingewiesen wird, nur zum Abdruck in Tageszeitungen erlaubt sind 1875 . Einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 5 1 1 GG stellt auch ein gerichtliches Verbot dar, die Bezeichnung "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" 1876 bzw. "Mietrechtspezialist" 1877 zu führen. Darüber hinaus kommen auch Vorschriften, die die Werbung an bestimmten Orten verbieten bzw. an bestimmten Orten gebieten, als Eingriffe in die von Art. 5 11 GG geschützte Werbe- bzw. Wettbewerbsfreiheit in Betracht, wie ζ. Β. § 11 Nr. 3 MarktO der Stadt Bochum v. 11. 12. 1975, nach der es unzulässig ist, Geschäftsanzeigen, Reklamezettel oder Werbeprospekte auf dem Markt zu verteilen 1878 , oder § 33 13 StVO a. F., der das Werbefahrtverbot eingeführt hatte 1879 .

1870

Vgl. BVerfGE 11, 234, 238; vgl. auch BVerfGE 90, 1, 17. Vgl. BVerfGE 30, 336, 352 ff. (FKK-Bilder). 1872 Vgl. BVerfGE 53, 96, 99. 1873 Vgl. BVerfGE 71, 162, 175 f. 1874 Vgl. BVerfGE 60, 215, 231 f. 1875 Vgl. BVerfGE 85, 97, 100. 1876 BVerfGE 57, 121, 130 ff. Man muß hier daraufhinweisen, daß das Gericht in den letzten drei Urteilen Art. 5 I 1 GG als Prüfungsmaßstab des umstrittenen Werbeverbots nicht herangezogen hat. 1877 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 123 f. 1878 BVerfGE NJW 1980, S. 581. 1879 Vgl. BVerfGE 40, 371 ff. (Werbefahrtverbot), obwohl das Gericht das umstrittene Werbeverbot nicht am Maßstab des Art. 5 GG geprüft hat. Hier muß hervorgehoben werden, daß das in diesem Fall umstrittene Werbeverbot bezüglich der aus Art. 5 I 1 GG resultierenden Werbefreiheit den Werbenden (mittelbar) und nicht den Werbefahrtunternehmer betroffen hat. Deswegen hat es als ein sog. mittelbarer Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG des Werbenden, wenn er Unternehmer im Wettbewerb ist, eingewirkt (vgl. zu dieser Problematik oben sub a aa α). Für den Wer1871

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

33

Es ist häufig der Fall, daß der Eingriff in die Werbe- bzw. Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG aufgrund des § 1 U W G 1 8 8 0 auferlegt wird, soweit er überhaupt als Grundrechtseingriff herangezogen werden kann und nicht die Rechtsgrundlage für das Verbot einer Werbung darstellt, die nicht grundrechtlichen Schutz genießt, weil sie der grundgesetzlichen Wertordnung widerspricht 1881 . Infolgedessen greifen in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 I GG folgende Werbeverbote aufgrund des § 1 UWG ein: Verbot einer Werbung mit Angst 1 8 8 2 oder Verbot einer gefühlsbetonten (Erweckung des Kaufinteresses aus sozialem Verantwortungsgefühl bzw. Hilfsbereitschaft 1883 oder Mitleid 1 8 8 4 ) 1 8 8 5 ,

befahrtunternehmer kommt das Verbot unmittelbar für seine aus Art. 5 I 1 GG resultierende Wettbewerbsfreiheit in Betracht, wenn er durch die Werbefahrt selbst für sein Unternehmen wirbt. 1880 ygj z u e j n e r Auslegung der Guten-Sitten-Generalklausel des § 1 UWG bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Werbung Kort, in: WRP 1997, S. 526 f.; zu einem wettbewerbsrechtlichen Werbeverbot als Eingriff in die Kommunikationsgrundrechte vgl. Fezer, in: JZ 1998, S. 269. 1881 Ygj dazu oben sub a cc α. 1882 Eine Werbung mit Angst liegt vor, wenn durch die Art der Schilderung einer Tatsache oder Situation beim Kunden besondere Angstgefühle hervorgerufen oder bereits bestehende noch verstärkt werden, um dadurch den Warenabsatz zu steigern - so Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rd. 176; vgl. zur Unzulässigkeit einer solchen Werbung LG Frankfurt WRP 1971, S. 86 (Brillanten contra Inflation). 1883 Ygj BGHZ 112, 311, 314 - m. w. N. (Biowerbung mit Fahrpreiserstattung). 1884

Vgl. BGHZ 130, 196, 200 f. (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente), wonach eine Werbung der Firma Benetton für Textilien, die die farbphotographische Abbildung einer ölverschmutzten Ente zum Gegenstand hatte, die auf einem Ölteppich schwamm, als wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG behandelt wurde, "weil die durch die photographische Darstellung des ölverschmutzten Vogels beim Betrachter ausgelösten Wirkungen, wie Mitleid mit der betroffenen Kreatur und Ohnmacht und Enttäuschung über eigene Hilflosigkeit, vom Werbenden als Vehikel zur eigenen Umsatzsteigerung oder ... zur Steigerung der Verkehrsbekanntheit seines Namens eingesetzt wird ..."; genauso BGH NJW 1995, S. 2491 (Benetton-Werbung II - Kinderarbeit); BGH NJW 1995, S. 2493 (Benetton-Werbung III - HIV-Positive), wonach die Veröffentlichung einer Werbung derselben Firma in einem Magazin mit der Abbildung eines menschlichen Körperteils mit dem Stempelaufdruck "HIV-positiv", die dadurch auf den Namen der Firma aufmerksam macht, als wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG behandelt wurde. Denn, wer "in dieser Weise wirbt, nutzt... die Gefühle des Mitleids und des Schreckens zu kommerziellen Zwecken aus ..." In allen solchen Fällen ist § 1 UWG zu Recht als ein Eingriff in die aus Art. 5 I 1 GG resultierende Meinungsfreiheit behandelt worden, und nach der hier vertretenen Meinung gilt er als Eingriff in die aus derselben Vorschrift resultierenden Wettbewerbs- bzw. Werbefreiheit (vgl. zur Frage der Grundrechtskonkurrenzen und -kollisionen sowie der Einwirkung der Grundrechte auf den § 1 UWG jeweils unten sub V 1 b aa δ, 2 b a, C II 2 a cc ß). 1885 Eine gefühlsbetonte Werbung ist nur dann wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG, "wenn sie unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit dem Waren- oder Dienstleistungsangebot des werbenden Unternehmens steht" oder auch dann, "wenn sie im wesentlichen nur zur Steigerung des Ansehens des Unternehmens bei den Verbrauchern eingesetzt wird" - so BGHZ 112, 311, 315 (Biowerbung mit Fahrpreiserstattung); 130, 22 Tsiliotis

3

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

geschmacklosen1886, irreführenden und vergleichenden kritisierenden Werbung 1887 . Bezüglich der vergleichenden Werbung und ihrer Konformität mit § 1 bzw. § 3 UWG ist folgendes darzulegen: Der werbende Vergleich besteht aus der positiven (anlehnenden) und der negativen (kritisierenden) Form. Ein generelles Verbot der vergleichenden Werbung kennt das deutsche Wettbewerbsrecht nicht. Der wahre Werbevergleich ist zulässig, es sei denn, daß es für ihn keinen hinreichenden Anlaß gibt und der Mitbewerber in unnötiger Weise (ohne sachlichen Grund) herabgesetzt wird. Eine Abwägung der vom Vergleich betroffenen Interessen ist geboten 1888 . Das Verbot der vergleichenden kritisierenden Werbung wird nur dann als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG behandelt, wenn sie auf wahren Tatsachenbehauptungen beruht 1889 . Denn objektiv oder erwiesen falsche oder unwahre Tatsachenbehauptungen fallen

196, 201 (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente); vgl. näherer/, in: WRP 1997, S. 530 f. 1886 Eine solche Werbung kann erst dann nach § 1 UWG beanstandet werden, wenn sie nach Auffassung der betroffenen Verkehrskreise das sittliche Empfinden verletzt, insbesondere in grobem Maße gegen Pietät und Takt verstößt und dadurch ärgerniserregend und belästigend wirkt - so Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rd. 84; vgl. auch OLG Frankfurt/a. M. GRUR 1993, S. 130 (nicht rechtskräftig). 1887 Vgl. dazu Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG; Rd. 329 ff., 335 ff., wonach ein grundsätzliches Verbot wahrer kritisierender Werbung mit dem Art. 5 I GG nicht vereinbar ist; vgl. auch zur vergleichenden Werbung durch die Presse BGHZ 51, 1, 3 ff. (Pelzversand); BGH BB 1967, S. 974 (Favorit II), oder zur Kritik eines Konkurrenten durch die Presse BGH NJW 1982, S. 637 ff. (Großbanken-Restquoten); darüber hinaus zu einer rechtsvergleichenden Darstellung vgl. Kloepfer/Michael, in: GRUR 1991, S. 170 ff., und zu der verfassungsrechtlichen Problematik des Verbots der vergleichenden Werbung, a.a.O., S. 173 ff., S. 179 f. (m. w. N.); Lindacher, in: FS Brandner, S. 401 ff.; Ulmann, in: GRUR 1996, S. 957 f.; das Verbot einer vergleichenden Werbung mißt auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 327, an Art. 5 I 1, II GG; zu Preisvergleichen Piper, in: GRUR 1992, S. 808. 1888 So Ulmann, in: GRUR 1996, S. 957. 1889 Vgl. BGH MDR 1996, S. 1031 (Energiekosten-Preisvergleich). Darunter fällt auch das Verbot nach § 1 UWG einer vergleichenden kritisierenden Werbung, die eine Schmähkritik darstellt. Nach der BVerfGE 82, 43, 51 (Strauß-Transparent), und unter Hinweis auf die BVerfGE 66, 116, 151 (Springer/Wallraff), tritt in Fällen der Schmähkritik die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück; vgl. ferner BVerfGE 85, 1, 17; 90, 241, 248 (Auschwitzlüge); OLG Brandenburg NJW 1996, S. 1002 (Nichtstun). Nach Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rd. 416, liegt das Problem insoweit beim Unternehmens- nicht anders als beim Persönlichkeitsschutz (unter Hinweis auf die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung des BGH). Wenn man diese rechtlichen Schlüsse in dem betroffenen Fall vereinigen will, muß man annehmen, daß in Fällen einer vergleichenden kritisierenden Werbung, die eine Schmähkritik darstellt, die Meinungsfreiheit (Werbung) hinter den wettbewerblichen Unternehmensschutz zurücktreten soll; vgl. weiter allgemein zur Zulässigkeit einer kritisierenden Äußerung zum Zwecke des Wettbewerbs am Maßstab des Art. 5 11, II GG BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

33

nach h. M . 1 8 9 0 nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit und ihr Verbot kann nicht als Grundrechtseingriff behandelt werden 1891 . Im übrigen sind unrichtige Tatsachenbehauptungen als Einschränkungen aufgrund der allgemeinen Gesetze gemäß Art. 5 I I GG anzusehen, die aber leichter als Meinungsäußerungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können 1892 . Dasselbe gilt für das Verbot einer irreführenden Werbung nach § 3 U W G 1 8 9 3 . In den Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG greift auch ein aufgrund des § 211 Buchst, a, I V BO für die Ärzte Bayerns, § 11 Nr. 3, 4 und 11 Heilmittelwerbegesetz (HWG) v. 11. 07. 1965 (BGBl. I, 604) i. V. m. § 1 U W G ausnahmsloses Verbot für den Arzt ein, bei redaktionellen Presseberichten über seine berufliche Tätigkeit mitzuwirken 1 8 9 4 , oder ein allgemeines Verbot für Heilpraktiker aufgrund einer "einheitlichen Standesauffassung der Heilpraktiker" in Verbindung mit § 1 UWG1895.

bb) Verfassungsrechtliche

Rechtfertigung

α) Die Schrankenregelungen des Art. 5 I I GG Nach Art. 5 I I GG finden die Rechte des Abs. I - hier interessiert nur die Meinungsfreiheit - ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Diese Vorschrift stellt einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt 1 8 9 6 für die Einschränkbarkeit der Meinungsfreiheit dar 1 8 9 7 , so daß sie nur 1890

s. dazu oben sub II 2 d bb ß. Das kommt in Betracht in bezug auf die Sanktionen der §§ 14, 15 UWG im Falle einer vergleichenden kritisierenden Werbung über die Waren oder gewerblichen Leistung eines Konkurrenten, die geeignet ist, den Betrieb seines Geschäfts oder seinen Kredit zu schädigen, sofern sie auf nachweislich unwahren "Tatsachen" beruht (Anschwärzung) oder (noch schlimmer) sie wider besseren Wissens der Wahrheit zuwider verbreitet wird (geschäftliche Verleumdung); vgl. auch BGH AfP 1995, S. 407, das unter Nachweis auf BVerfG NJW 1991, S. 95, 97 (m. w. N.), die Verunglimpfung aus dem Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG ausklammert. 1892 Vgl. BVerfGE 61, 1, 8 (Wahlkampf); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt). 1893 Vgl. dazu Kloepfer/Michael, in: GRUR 1991, S. 171. 1894 BVerfGE 85, 248, 263 f. 1895 BGH GRUR 1989, S. 827 f. (Heilpraktiker). Der BGH hat nur Art. 12 I und nicht Art. 5 I 1 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen. 1896 Zu diesem Begriff vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 276; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 462 ff. 1897 So Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 645; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 466 (m. w. N.); a. A. Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 40, der in Art. 5 II GG nicht eine Eingriffs- bzw. Einschränkungsermächtigung, sondern einen "Begrenzungsvorbehalt" sieht. 1891

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

34

durch bestimmte Gesetze und für bestimmte Zwecke, die teilweise Art. 5 I I GG beschreibt, eingeschränkt werden kann. Dasselbe gilt für die Wettbewerbsbzw. Werbefreiheit aus Art. 5 1 1 GG . Besonders problematisch war die Auslegung der Klausel "allgemeine Gesetze". Das BVerfG hat die diesbezügliche Weimarer Auseinandersetzung 1898 überwunden und dargelegt, daß "allgemeine Gesetze" i. S. d. Art. 5 I I GG diejenigen Gesetze sind, "die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat" 1 8 9 9 . Aus dieser Formel ergeben sich ein Verbot und zwei Gebote für den Gesetzgeber: Das Verbot betrifft die Meinung, deren Äußerung durch ein "allgemeines Gesetz" einzuschränken ist - sie darf keine bestimmte Meinung sein. Das erste Gebot geht den Zweck an, den das "allgemeine Gesetz" erreichen muß - es muß ein Rechtsgut geben, das durch das "allgemeine Gesetz" zu schützen ist - und das zweite Gebot betrifft das Abwägungsverhältnis zwischen der einzuschränkenden Meinungsäußerung und des zu schützenden Rechtsguts (Güterabwägungsgebot). Das Verbot bzw. die Gebote müssen kumulativ gelten, damit ein Gesetz als "allgemein" i. S. d. Art. 5 I I GG betrachtet werden kann 1900 . Solche allgemeinen Gesetze, die auch die Werbefreiheit angehen, sind das UWG, insbesondere seine Generalklausel der §§ l 1 9 0 1 , 3 1 9 0 2 , das GWB 1 9 0 3 , § 2 I d ZugabeVO 1904 , §§ 12 1 9 0 5 , 823 I 1 9 0 6 , I I 1 9 0 7 , 826 1908 , 906, 1004 1909 BGB, Normen des

1898 Zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung über den Begriff "allgemeine Gesetze" i. S. d Art. 118 I 2 WRV in der Weimarer Zeit s. bei Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 649. 1899 BVerfGE 7, 198, 209 f. (Lüth); 62, 230, 244 (Denkzettel-Aktion); 71, 162, 175; 93, 266, 291 (Soldaten sind Mörder II) - st. Rechtsprechung; BVerwGE 86, 188, 194; zustimmend Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 41; Wendt,, in: v/MK, Art. 5, Rd. 70; Messer, in: FS Vieregge, S. 638; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 653; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 46. 1900

So Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 77.

1901

BVerfGE 62, 230, 245 (Denkzettel-Aktion); 85, 248, 263; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski); BGHZ 14, 163, 171 f.; 51, 1, 5 (Pelzversand); BGHZ 130, 196, 203 (Benetton-Werbung I-Ölverschmutzte Ente); 136, 111, 122 (Kaffeebohne); BGH GRUR 1992, S. 709 (Erdgassteuer); BGH NJW 1995, S. 2493 (Benetton-Werbung III-HIV-Positive); OLG München AfP 1994, S. 230 (nicht rechtskräftig); OLG Hamburg NJW 1996, S. 1003 (Schmuddelsender); Hoffmann-Riem, in: ZUM 1996, S. 5; Abeltshauser, in: WRP 1997, S. 1143. 1902

Abeltshauser, in: WRP 1997, S. 1143.

1903

BGHZ 76, 55, 67. OLG Hamburg GRUR 1995, S. 830. OLG Karlsruhe NJW 1972, 1812.

1904 1905

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

31

StGB 1 9 1 0 und der StPO 1 9 1 1 , standesrechtliche Normen wie die der B R A O 1 9 1 2 oder der BO der Ärzte Bayerns 1913 , § 11 des Heilmittelgesetzes ( H M G ) 1 9 1 4 , das Polizei- und Ordnungsrecht u. a. Der Begriff "allgemeine Gesetze" i. S. d. Art. 5 I I GG umfaßt nicht nur formelle, sondern auch materielle Gesetze, also auch Rechtsverordnungen 1915 und Satzungen 1916 , deren Erlaß immer nach den Maßgaben des Art. 80 I GG zu überprüfen ist. Gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend sind diejenigen Normen, die bestimmt und geeignet sind, die Jugend vor Gefahren zu schützen 1917 . Die Gefahren, vor denen die Jugend geschützt werden soll, "drohen auf sittlichem Gebiet von allen Druck-, Ton- und Bilderzeugnissen, die Gewalttätigkeiten oder Verbrechen glorifizieren, Rassenhaß provozieren, den Krieg verherrlichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen und deswegen zu erheblichen, schwer oder gar nicht korrigierbaren Fehlentwicklungen führen können" 1 9 1 8 . Solche Gesetze sind das Gesetz über die Verbreitungjugendgefährdender Schriften (GjS) 1 9 1 9 und das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG). Nach dem Wortlaut und der Systematik des Art. 5 I I GG hat die Klausel über das Recht der persönlichen Ehre genauso wie die Klausel der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend als Schrankenermächtigung der Meinungsfreiheit eine eigenständige, konstitutive Bedeutung der Klausel der allgemeinen Gesetze gegenüber 1920 . Die ältere Rechtsprechung des BVerfG und,

1906 BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya); 61, 1, 10 (Wahlkampf); 66, 116, 138 (Springer/Wall raff); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt); BGHZ 128, 1, 10 (Caroline von Monaco I). 1907 BVerfGE 94, 1, 8 (DGHS). 1908 BVerfGE 7, 198, 211 (Lüth); 66, 116, 138 (Springer/Wallraff). 1909 BVerfGE 7, 230, 234; 61, 1, 10 (Wahlkampf); 66, 116, 138 (Springer/ Wallraff); 94, 1, 8 (DGHS); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt); BGHZ 128, 1, 10 (Caroline von Monaco I). 1910 BVerfGE 47, 130, 143; 47, 198, 231; 94, 1,8 (DGHS). 1911 BVerfGE 27, 88, 99; 64, 108, 115. 1912 BVerfGE 71, 161, 175. 1913 BVerfGE 71, 162, 175; 85, 248, 263. 1914 BVerfGE 85, 248, 263. 1915 Vgl. BVerwGE 72, 183, 186; vgl. auch Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 73; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 646; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 45. 1916 BVerfGE NJW 1980, S. 581; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 646; Jarass, a. a. O, Rd. 45. 1917

So F. Bauer, in: JZ 1965, S. 44; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 79.

1918

BVerfGE 30, 336, 347 (FKK-Bilder). BVerfGE 30, 336, 347 f. (FKK-Bilder); 77, 346, 356; 90, 1,17. So auch Nolte, Beleidigungsschutz, S. 4.

1919 1920

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

34

sich ihr anschließend, die des BGH haben dazu geneigt, diese eigenständige Bedeutung des Rechts der persönlichen Ehre abzusprechen, wobei sie es als Unterfall der allgemeinen Gesetze behandelten 1921 . Obwohl man von dem Wortlaut und der Systematik des Art. 5 I I GG ausgehen und die konstitutive, eigenständige Bedeutung des Rechts der persönlichen Ehre genauso wie die der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend als qualifizierten Gesetzesvorbehalt der Meinungsfreiheit bejahen muß 1 9 2 2 , muß man auch annehmen, daß sich die Begriffe "allgemeine Gesetze" und "Recht der persönlichen Ehre" i. S. d. Art. 5 I I GG in der Praxis häufig decken, indem einige Gesetze oder Vorschriften den Tatbestand beider Begriffe erfüllen (z. B. §§ 823 I, 826, 1004 BGB, §§ 185 StGB, § 823 I I BGB i. V. m. § 185 StGB u. a.), so daß ihre Trennung ohne praktisches Interesse für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe in die Meinungsfreiheit wäre 1 9 2 3 . Jedenfalls ist es grundrechtsdogmatisch und -systematisch richtig und konsequenter, die Eingriffe in die Meinungsfreiheit, die die persönliche Ehre schützen sollen, getrennt von den allgemeinen Gesetzen zu prüfen 1924 . Diese Trennung bekommt allerdings darüber hinaus praktische Relevanz, wenn eine Norm zum Schutz der persönlichen Ehre, die die Meinungsfreiheit und demgemäß die Wettbewerbs- bzw. Werbefreiheit aus Art. 5 1 1 GG beschränkt, nicht als "allgemeines Gesetz" i. S. d. Art. 5 I I GG betrachtet werden kann. Hier muß die Eigenständigkeit des Rechts der persönlichen Ehre hervorgehoben werden, und es darf keinesfalls dadurch als "Unterfall der allgemeinen Gesetze" behandelt werden, daß diese Norm als Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG verfassungsrechtlich scheitern würde, weil sie kein "allgemeines Gesetz" i. S. d. Art. 5 I I GG ist. Wenn das Recht der persönlichen Ehre auch als "allgemeines Gesetz" betrachtet werden kann, führt die Behandlung der eingreifenden Normen als "allgemeine Gesetze" praktisch zu keinem falschen verfassungsrechtlichen Ergebnis. Der Eingriff ist nach Art. 5 I I GG zulässig. Wenn dagegen eine Vor-

1921

C. Starck, in: JZ 1996, S. 1036; vgl. auch Nolte, Beleidigungsschutz, S. 4 f. (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG); vgl. statt aller BVerfGE 47, 130, 143. 1922 So auch Friauf/Höfling, in: AfP 1985, S. 254, Fn. 85 (dort); Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 47; Herzog. in: MD, Art. 5 I, II, Rd. 244; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Art. 5, Rd. 83; Reichold, in: WRP 1994, S. 224; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 661; Grigoleit/Kersten,

in: DVB1. 1996, S. 604; Isensee, in: JZ 1996, S. 1090; C.

Starck, in: JZ 1996, S. 1036; Stark, Ehrenschutz, S. 108; Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 159, aber nur für die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend. 1923 Vgl. auch Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 162. 1924 Zu dieser Position neigt mittlerweile die neuere Rechtsprechung des BVerfG und des BGH; vgl. BVerfGE 42, 143, 150 ff. (DGB); 85, 23, 33; 86, 1, 10 (Soldaten sind Mörder I); 90, 1, 17; 90, 241, 248 (Auschwitzlüge); 93, 266, 290, 299 f. (Soldaten sind Mörder II); BGH NJW 1994, S. 125 (Greenpeace); BGH AfP 1995, S. 407 (Dubioses Geschäftsgebaren); zu dieser Deutung auch Tettinger, in: JuS 1997, S. 771. Diese Rechtsprechung verkennt anscheinend C. Starck, in: JZ 1996, S. 1036.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

33

schrift oder ein Gesetz des Rechts der persönlichen Ehre nicht als "allgemeines Gesetz" gelten können, dann ist eine kumulative Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs aufgrund sowohl des Rechts der persönlichen Ehre als auch der allgemeinen Gesetze verfassungsrechtlich unzulässig. Das Gesetz ist nicht verfassungswidrig, weil es nicht "allgemein" i. S. d. Art. 5 I I Alt. 1 GG ist, sondern verfassungsmäßig, weil es zum "Recht der persönlichen Ehre" nach Art. 5 I I Alt. 3 GG gehört, obwohl es nicht "allgemein" ist 1 9 2 5 . Dasselbe gilt andererseits genauso für ein Gesetz, das zwar nicht die persönliche Ehre, sondern den Ruf des Unternehmens zu schützen hat, aber "allgemein" ist (ζ. Β. § 1 UWG).

ß) Die Schranken des Art. 5 I I GG und die "immanenten Grundrechtsschranken" Wie nach der Darstellung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die anderen Grundrechte dargelegt wurde, wird dieser von dem Schutzbereich der Grundrechte anderer oder anderen Rechtsgütern mit Verfassungsrang begrenzt. Das muß ebenfalls für den Schutzbereich der Meinungsund dementsprechend der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG gelten 1926 . Das BVerfG hat sogar in zwei bereits dargelegten Fällen Behauptungen, die ansonsten in den Regelungsbereich der Meinungsfreiheit fallen, aus ihrem Schutzbereich ausgenommen1927. Bezüglich der sog. immanenten Schranken bzw. Grenzen der Meinungsfreiheit gelten die folgenden Besonderheiten: Das Recht der persönlichen Ehre hat das verfassungsrechtliche Gut bzw. "unbenannte Grundrecht" 1928 des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG zu schützen 1929 . Es wäre nicht unzutreffend, wenn man darlegen würde, daß das "Recht der persönlichen Ehre" i. S. d. Art. 5 I I Alt. 3 GG nichts anderes als der

1925 Das verkennt aber Stark, Ehrenschutz, S. 108, obwohl er ansonsten von der richtigen Auffassung ausgeht, daß das "Recht der persönlichen Ehre" eine eigenständige und konstitutive Bedeutung der "allgemeinen Gesetze" gegenüber hat. 1926 So auch BVerfGE 66, 116, 136 (Springer/Wallraff); Bleckmann, Staatsrecht II, §26, Rd. 105; Schmidt-,Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 40; Herzog, in: MD, Art. 5 I, II, Rd. 293 ff.; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 53; zu eng Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 121; Stark, Ehrenschutz, S. 110 f.; kritisch zu einer Ausdehnung der "Immanenzlehre" auf die unter Gesetzesvorbehalt garantierten Grundrechte Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 360. 1927 s. oben sub II 2 d bb ß. 1928 Zu diesem Begriff vgl. oben sub I 2 b, c. 1929 So BVerfGE 54, 148, 153 f.; 93, 266, 290, 299 f. (Soldaten sind Mörder II); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt); vgl. auch OLG Brandenburg NJW 1996, S. 666; Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 48; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 51; Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 163; Tettinger, in: JuS 1997, S. 770.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

teilweise einfachrechtliche Rechtsschutz des grundrechtlichen Gutes "allgemeines Persönlichkeitsrecht" ist 1 9 3 0 (vgl. die Klausel "sonstiges Recht" oder die Gute-Sitten-Generalklausel jeweils i m Sinne der deliktsrechtlichen §§ 823 I 1 9 3 1 , 826 B G B , 1 9 3 2 §§ 185 ff. StGB) 1 9 3 3 . In diesem Sinne stellt es eine immanente Grundrechtsschranke bzw. Grenze dar 1 9 3 4 . Ähnliches kann auch für die "gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend" nach Art. 5 I I Alt. 2 GG gesagt werden, soweit der Jugendschutz Verfassungsrang besitzt 1935 . Die Klausel nach Art. 5 I I Alt. 1 GG setzt als solche keine verfassungsimmanente

1930 M a n m u ß hier hervorheben, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht mit der persönlichen Ehre identisch ist. Die "persönliche Ehre" ist nur ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG - vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 26, Rd. 105; Herzog, in: MD, Art. 5 I, II, Rd. 294 a.; Stark, Ehrenschutz, S. 34 ff.; Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 37 f.; andeutend BGHZ 132, 13, 23 f. (Pressemäßige Sorgfalt) - oder seine besondere Ausprägung - so W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 466; vgl. weiter Ehlers, in: WRP 1983, S. 188, der das Persönlichkeitsrecht nach der "Dreisphärentheorie" des BVerfG in drei Schutzkreise einteilt. Den ersten Schutzkreis stellt die Individualsphäre dar, die die persönliche Eigenart des Menschen in seinen Umweltbeziehungen, ζ. B. in seinem beruflichen oder öffentlichen Wirken, bewahrt. Man kann sie als die "persönliche Ehre" i. S. d. Art. 5 II Alt. 3 GG betrachten; weiterhin Ricker, Unternehmensschutz, S. 36 ff.; Stark, Ehrenschutz, a. a. Ο.; vgl. aber BGH AfP 1995, S. 407 (Dubioses Geschäftsgebaren), das zwar zwischen Intimbereich und Sozialsphäre unterscheidet, aber beides in die persönliche Ehre einordnet. 1931 Daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht als "sonstiges Recht" i. S. d. § 823 I BGB geschützt wird, vgl. Ehlers, in: WRP 1983, S. 188 (m. w. N.); Stark, Ehrenschutz, S. 155. 1932 Vgl. zum Verhältnis der §§ 823 I, 826 sowie des § 1004 BGB mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG Schmitt Glaeser, in: HdDStR, VI, § 129, Rd. 7; BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya); 89, 276, 291 (§ 611 a BGB); BGH NJW 1987, S. 2667. 1933 Vgl. dazu BVerfGE 54, 208, 217; 93, 266, 290, 299 f. (Soldaten sind Mörder II); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt); andeutend BGHZ 132, 13, 23 f. (Pressemäßige Sorgfalt); weiterhin Schmitt Glaeser, in: HdDStR, VI, § 129, Rd. 7 ff.; Reichold, in: WRP 1994, S. 224; Hager, in: Jura 1995, S. 566; Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 162; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 119; Stark, Ehrenschutz, S. 36; vgl. weiter die Nachweise bei W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 478, Fn. 119 (dort), der aber unzutreffend zwischen dem "Recht der persönlichen Ehre" i. S. d. Art. 5 II Alt. 3 GG und den Gesetzen zum Schutz der persönlichen Ehre unterscheidet. 1934 An dieser Tendenz orientiert sich BVerfGE 93, 266, 290 (Soldaten sind Mörder II); a. A. Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 123. 1935 V g j BVerfGE 83, 130, 139 f. (Josefine Mutzenbacher), wonach der Jugendschutz sich der vorbehaltlos geschützten Kunstfreiheit aus Art. 5 III 1 GG gegenübergestellt hat und ihr verfassungsrechtlicher Rang aus dem in Art. 6 II 1 verbrieften Erziehungsrecht der Eltern sowie dem aus Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG garantierten Anspruch der Kinder, sich unter dem Schutz des Staates zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu entwickeln, abgeleitet wurde; vgl. auch bereits BVerfGE 79, 51, 63; weiterhin Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 50; Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 160; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 116; zu weit Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 47, Fn. 117 (dort).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Schranke bzw. Grenze, weil die ;inen Gesetze" als solche keinen Verfassungsrang besitzen; sofern Grundrechte anderer wie die aus Art. 12 I, 14 11 GG garantierte Wettbewerbsfreiheit (vgl. § 1 UWG) oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 1 i. V. m. Art. 1 I GG - soweit es über den Begriff "persönliche Ehre" i. S. d. Art. 5 I I Alt. 3 hinausgeht 1936 - bzw. andere Verfassungsgüter, wie ζ. B. die Umwelt nach Art. 20 a GG, die Bundesflagge nach Art. 22 GG (vgl. § 90 a I Nr. 2 StGB) 1937 , schützen, können sie als verfassungsimmanente Schranken bzw. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG betrachtet werden. Das praktische Ergebnis ist wie grundsätzlich auch bei den anderen Grundrechten, die den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit darstellen, gleich 1938 , denn die Anerkennung der Eigenschaft der "immanenten Grundrechtsschranken" der Schranken nach Art. 5 I I GG entbindet den Gesetzgeber nicht, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die sog. Wechselwirkungslehre 1939 anzuwenden, es sei denn, daß sie sich gegen von vornherein nicht geschützte "Meinungen" nach Art. 5 1 1 GG richten (vgl. §§ 14, 15 UWG). Praktische Bedeutung bekommt die Problematik aber für die die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Schrankenklausel des Art. 5 I I GG liegen bzw. nicht "allgemein" im Sinne dieser Vorschrift sind und ein Verfassungsgut außer dem Jugendschutz oder der persönlichen Ehre schützen sollen 1940 . Ihre Verfassungsmäßigkeit kann nicht ausgeschlossen werden. Eine Verhältnismäßigkeitskontrolle, aufgrund derer insbesondere eine Güterabwägung nach dem Prinzip der Einheit der Verfassung und des schonenden Ausgleichs (praktische Konkordanz) stattfindet, wie bei sonstigen Grundrechts- bzw. Verfassungsgüterkollisionen, ist geboten und

1936 Vgl. dazu Nolte, Beleidigungsschutz, S. 16 f.; vgl. auch Ehlers, in: WRP 1983, S. 188, der die Privat- und Intim- oder Geheimsphäre als die zwei anderen Schutzkreise des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über die Individualsphäre (persönliche Ehre) hinaus charakterisiert; genauso Ricker, Unternehmensschutz, S. 38 ff.; Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 604 - vgl. auch die "Sphärentheorie" bei Jarass, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hg.), S. 95, Fn. 27 (dort); weiterhin BGHZ 128, 1, 9 f. (Caroline von Monaco I), die der Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG unmittelbar die Schranken aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG gesetzt hat, ohne auf die Schranken der "allgemeinen Gesetze" oder des "Rechts der persönlichen Ehre" zurückzugreifen; weiterhin BGHZ 131, 332, 337 f. (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos); vgl. ferner zum Verhältnis des "allgemeinen Persönlichkeitsrechts" gemäß Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG mit den "allgemeinen Gesetzen" nach Art. 5 II Alt. 1 und nicht mit dem "Recht der persönlichen Ehre" nach der Alt. 3 dieser Vorschrift BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya). 1937 Vgl. BVerfGE 81, 278, 293 f. (Bundesflagge), wonach § 90 a I Nr. 2 StGB als eine im Prinzip und ggf. zulässige Einschränkung der aus Art. 5 III 1 GG resultierenden Kunstfreiheit angesehen wurde. Denn er schützt die Bundesflagge, ein über Art. 5 II GG hinausgehendes, aus Art. 22 GG abgeleitetes Verfassungsgut. 1938 Vgl. auch Stark, Ehrenschutz, S. 111. 1939 s. gerade unten sub γ. 1940 So Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 53; Stark, Ehrenschutz, S. 111.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

der Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des betroffenen Geset-

γ) Die "Wechselwirkungslehre" des BVerfG und die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG Als eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung der Gesetze hat das BVerfG in seiner Rechtsprechung über die Bedeutung der allgemeinen Gesetze als Schranken der Meinungsfreiheit 1942 die sog. Wechselwirkungslehre abgeleitet 1943 . "Die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Grundrechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muß, auf jeden Fall gewahrt bleibt. Die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrecht und "allgemeinem Gesetz" ist also nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch die "allgemeinen Gesetze" aufzufassen; es findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die allgemeinen Gesetze zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen" 1944 . Wie bei der Einschränkbarkeit der anderen Grundrechte muß es einen legitimen Zweck geben, der dem Schutz eines Rechtsguts (von höherem Rang) 1945 dienen und in einem abgewogenen Verhältnis in concreto (im Einzelfall) der Meinungsfreiheit vor-

1941

So F ria uf/Höfling, in: AfP 1985, S. 255; Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 46; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 46, 53; vgl. ausführlich zu solchen Grundrechtskollisionen unten sub V 2 a. 1942 ygj dazu oben sub a. 1943 Zum Verhältnis zwischen beiden vgl. BGHZ 51, 1, 5 (Pelzversand); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 656. 1944 BVerfGE 7, 198, 208 f. (Lüth); vgl. auch BVerfGE 20, 162, 176 f. (Spiegel); 60, 234, 240 (Kredithaie); 61, 1. 10 f. (Wahlkampf); 71, 206, 214; 82, 43, 50 (StraußTransparent); 93, 266, 292 (Soldaten sind Mörder II); 94, 1, 8 (DGHS); BVerfGE (Dreierkammer) EuGRZ 1993, S. 147 - st. Rechtsprechung; vgl. auch BGHZ 51, 1, 5 (Pelzversand); BGH GRUR 1992, S. 709 (Erdgassteuer). 1945 j y j a n m u ß j 1 j e r darauf hinweisen, daß die Höherrangigkeit des zu schützenden Rechtsgutes nicht die Normenhierarchie angeht, wobei ein überverfassungsrechtliches Gut ausgesucht werden sollte, sondern seine Bedeutung im Einzelfall gegenüber der Meinungsfreiheit.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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gehen muß 1 9 4 6 . Die Existenz dieser überwiegenden Interessen muß auf Grund aller Umstände des Falles ermittelt werden 1947 . Als ein solches überwiegendes Interesse oder zu schützendes Rechtsgut wird die Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten in ihren drei wichtigsten Formen, dem Zugang zum Wettbewerbsmarkt (Berufswahlfreiheit), der erwerbswirtschaftlichen Betätigung im Wettbewerb (Berufsausübungsfreiheit) und dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Eigentumsrecht (Art. 14 I 1 GG), aber auch als "sonstiges Recht" i. S. d. § 823 I BGB sowie in ihren einzelnen Formen, Produktions-, Leitungs- und Dispositions-, unternehmensmäßiger Organisationsfreiheit u. ä. (Art. 12 I GG), Ruf des Unternehmens (Art. 12 I, 14 I 1 GG) usw., betrachtet 1948 . Das ist auch ein Fall, in dem die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG (und darüber hinaus aus Art. 121 und eventuell 14 11 GG) des werbenden Wettbewerbers um der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121, 1411 GG seines(r) Konkurrenten willen eingeschränkt werden soll 1949 . Andere Rechtsgüter in dem bereits dargelegten Sinne sind die Menschenwürde aus Art. 11 GG 1 9 5 0 , das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG 1 9 5 1 - soweit es nicht mit der "persönlichen Ehre" identisch ist -, die freie Religionsausübung aus Art. 4 I I GG, die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. Art. 9 II, 11 II, 18, 21 I I 1 GG), die Umwelt (vgl. Art. 20 a GG), die Völkerverständigung, der Verbraucherschutz entweder als objektives Rechtsgut oder als Resultante der subjektiven (Grund-)Rechte der Verbraucher 1952 , der lautere Wett1946

BVerfGE 7, 198, 210 f. (Lüth); 28, 191, 202; 35, 202, 223 f. (Lebach); 94, 1, 8 (DGHS); BVerwGE 43, 9, 24; 64, 55, 62 ff. (Mörderbande). 1947 s. Fn. 1946. 1948 Vgl. Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 49; Kloepfer/Michael, in: GRUR 1991, S. 178. 1949 Vgl. dazu BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski), die aber als mit der von Art. 5 I 1 GG garantierten Meinungsäußerungsfreiheit zum Zwecke des Wettbewerbs kollidierendes und im konreten Fall vorzugehendes Rechtsgut unzutreffend nur den lauteren Wettbewerb im Rahmen des einfachrechtlichen § 1 UWG anerkannt hat. Es handelte sich vielmehr um den im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit nach Art. 121, 141 1 GG geschützten Ruf des von der Meinungsäußerung angegriffenen Presseunternehmens - vgl. besser, wenngleich nicht ganz eindeutig, EGMR NJW 1995, S. 858 (Jacubowski/Deutschland); ferner EGMR Urteil vom 20. 11. 1989, abgedruckt in EuGRZ 1996, S. 302 ff. (markt intern Verlag GmbH/Deutschland). 1950 Zur Rolle der Menschenwürde als Schranke der aus Art. 5 I 1 GG resultierenden Werbefreiheit vgl. BGH NJW 1995, S. 2493 (Benetton-Werbung III-HIV-Positive); vgl. ferner zu Art. 1 I GG als Schranke des wettbewerblichen Verhaltens im allgemeinen BVerwGE 64, 274, 277 ff. (Peep-Show I); BGHZ 130, 5 ff. (Busengrapscher/Schlüpferstürmer). 1951 Vgl. BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya); BGHZ 128, 1, 10, 15 (Caroline von Monaco I); 131, 332, 337 f. (Caroline von Monaco IV-Paparazzi-Fotos); BGHZ 132, 13, 23 f., 26 (Pressemäßige Sorgfalt); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II Brustkrebs); Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 604. 1952 Vgl. Ehlers, in: WRP 1983, S. 187 ff; vgl. ferner Stober, in: FS Lukes, S. 598 ff.. Man mag hier wohl behaupten, daß sich der Verbraucherschutz gegen das

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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bewerb als objektiv-rechtliches Rechtsinstitut 1953 u. a. Bezüglich der beiden anderen Schrankenklauseln des Art. 5 I I GG gibt es kein besonderes Problem. Hier muß der Gesetzgeber ebenfalls abwägen und darf die Meinungsfreiheit nur dann beschränken, wenn die jeweiligen zu schützenden Rechtsgüter, Jugendschutz 1954 und persönliche Ehre 1 9 5 5 , in concreto der Meinungsfreiheit vorgehen müssen 1956 . Es liegt auf der Hand, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als SchrankenSchranke der Grundrechtseingriffe auch für die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG gilt. Das BVerfG hat das in allen Fällen der Einschränkbarkeit der Rechte aus Art. 5 I GG betont. Demnach müssen die Meinungs- bzw. Wettbewerbsfreiheit einschränkende Gesetze bzw. ihre Auslegung sowie die Anwendung geeignet, erforderlich und proportional zum Erreichen des angestrebten Zwecks sein 1957 . Die Prüfung dieser Teilparameter des Verhältnismäßigkeitsprinzips in bezug auf die Eingriffe in die Meinungsfreiheit verliert zugunsten der "Wechselwirkungslehre" und des Abwägungsgebots 1958 jedoch an eigenständiger Bedeutung. Es ist schließlich darauf hinzuweisen, daß der wirtschaftlichen Werbung als Ausdruck der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 1 1 GG, vor allem als Mit-

Verbot der vergleichenden Werbung richten könne. Denn eine vergleichende Werbung trage zur besseren Information der Konsumenten und demnach zu einer besseren Ausübung ihrer Informationsfreiheit aus Art. 5 I 1 Alt. 2 bei - vgl. Kloepfer/Michael, in: GRUR 1991, S. 178; ferner Ulmann, in: GRUR 1996, S. 957. 1953 Vgl. BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski); BGHZ 130, 196, 204 (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente); BGH NJW 1995, S. 2493 (Benetton-Werbung III - HIV-Positive); vgl. weiter hier oben sub A II 1 a bb. 1954 ygj z u r Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Jugendschutz nach der Wechselwirkungslehre BVerfGE 30, 336, 347 f. (FKK-Bilder); 90, 1,17; SchulzeFielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 117; a. A. Stark, Ehrenschutz, S. 109, der seine Meinung gerade auf die Eigenständigkeit dieser Schranke der "allgemeinen Gesetze" gegenüber stützt. 1955 Ygj z u r Abwägung zwischen dem Recht der persönlichen Ehre bzw. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit nach der Wechselwirkungslehre BVerfGE 85, 23, 33; 86, 1, 10 f. (Soldaten sind Mörder I); 93, 266, 290 f. (Soldaten sind Mörder II); BGH NJW 1994, S. 125 (Greenpeace); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 119; zum Persönlichkeitsschutz vor Werbung vgl. Ehlers, in: WRP 1983, S. 187 ff. 1956 So auch Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 47 f.; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 80 ff., 84; Jarass, in: J/P, Art. 5, Rd. 51. 1957

Schnapp, in: JuS 1978, S. 732; Schmidt-Jortzig, in: HdDStR, VI, § 141, Rd. 43; Kloepfer/Michael, in: GRUR 1991, S. 177 bezüglich des Verbots der vergleichenden Werbung; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 127; Stark, Ehrenschutz, S. 124 ff. 1958 Ygj a b e r Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 655, nach denen der Ergänzung durch die Abwägungslehre dabei dieselbe Bedeutung wie sonst der Verhältnismäßigkeit i. e. S. zukommt; in diese Richtung auch Schnapp, in: JuS 1978, S. 731 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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tel zur Gewinnerzielung im wirtschaftlichen Wettbewerb, in einer Güter- und Interessenabwägung im Rahmen der "Wechselwirkungslehre" und der Verhältnismäßigkeitsprüfung keine ebenso wichtige Rolle wie der der politischen Meinungsäußerung als Mittel im geistigen - politischen oder gesellschaftlichen - Kampf und einer diesbezüglichen Auseinandersetzung zukommen kann. Das wurde durch die Rechtsprechung eindeutig klargestellt 1 9 5 9 1 9 6 0 .

e) Art. 3 GG aa) Problemstellung Art. 3 GG verankert Gleichheits- und nicht Freiheitsrechte. Die Gleichheitsrechte haben, wie bereits nach der Bestimmung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit dargelegt wurde 1961 , eine andere Schutzwirkung als die Freiheitsrechte. Demgemäß kann die Grundrechtseingriffssystematik nicht glei-

1959 ygj z w a r n j c j l t an iässig der wirtschaftlichen Werbung, sondern im allgemeinen bezüglich der Bedeutung der Meinungsäußerung zum Zwecke des (eigenen oder fremden) Wettbewerbs BVerfGE 62, 230, 247 f. (Denkzettel-Aktion); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski); BGHZ 51, 236, 249; 125, 91, 97 (Markenverunglimpfung I); 130, 5, 11 (Busengrapscher/Schlüpferstürmer); BGH NJW 1985, S. 62; BGH NJW 1987, S. 1082 f.; zur wirtschaftlichen Werbung vgl. BGHZ 130, 197, 205 (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente); Lindacher, in: FS Brandner, S. 402; kritisch dazu Friauf/Hößing, in: AfP 1985, S. 285 (vgl. auch unten sub C II 2 a cc ß). 1960 Man kann aber andererseits dem BGH in BGH GRUR 1986, S. 813 (Gastrokritiker) nicht folgen, wonach Äußerungen, die "über eine bloße Meinungskundgabe hinaus dazu dienen, in den individuellen Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs bestimmter Konkurrenten einzugreifen", "... durch die Meinungsfreiheit des Art. 5 I GG, die ihre Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und damit auch des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb findet (Art. 5 II GG), nicht gedeckt" werden. Diese Darlegung geht zu weit und leidet an zwei Fehlern. Der eine ist Folge des anderen: Er betrachtet die Schranken des Art. 5 II GG und damit auch das UWG als immanente (interne) Schranken der Meinungsfreiheit und gelangt deswegen zu dem Fehlschluß, daß, was nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wettbewerbswidrig und demgemäß verboten ist, aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 I 1 GG ausgenommen wird. Daß die "allgemeinen Gesetze" i. S. d. Art. 5 II Alt. 1 GG grundsätzlich externe Schranken der Meinungsfreiheit setzen, wurde bereits ausgeführt (s. oben sub α). Selbst wenn ihr darüber hinaus auch immanente Schranken gesetzt werden (s. dazu oben sub β), bedeutet das nicht, daß die einzuschränkenden Äußerungen automatisch aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit ausgenommen werden, es sei denn, daß sie offensichtlich gegen Grundrechte anderer oder die Wertordnung des GG, wie ζ. B. im Fall der Formalbeleidigung, verstoßen (vgl. dazu oben sub II 2 d bb ß). Aus dem Sachverhalt des betroffenen Falles hat sich nicht etwas solches ergeben. Diese Meinung ist nur dann anzunehmen, wenn mit der Formel "diese Äußerungen ... werden durch die Meinungsfreiheit... nicht gedeckt" der definitive und nicht der potentielle Grundrechtsschutz gemeint ist. 1961 Vgl. oben sub II 2 e.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

chermaßen wie bei den Freiheitsrechten behandelt werden 1962 . Da der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG das sog. Willkürverbot garantiert, sollte jeder Eingriff der öffentlichen Gewalt in der Form der Abweichung von diesem Grundsatz als Grundrechtsverletzung betrachtet werden, denn das Gleichheitsgebot trägt seine Schranken in sich 1963 . Dies wäre die konsequente Behandlung der Eingriffe in das Gleichheitsgebot nach der Grundrechtssystematik 1964. Hier wird aber aus reinen arbeitssystematischen Gründen, die nicht die Grundrechtsdogmatik anbelangen, diesem Weg nicht gefolgt, sondern jede Ungleichbehandlung, die einem einzelnen Unternehmer, einer bestimmten Gruppe von Unternehmern einer konkreten Branche oder einer bestimmten Branche ihren jeweiligen Wettbewerbern gegenüber ein Wettbewerbsvorteil gewährt, wird im wirtschaftlichen Wettbewerb als Eingriff des Staates in die jeweilige Wettbewerbslage abgesehen von der Frage behandelt, ob sie nach den Maßstäben des Willkürverbotes und Begründungsgebotes (Bestehen eines sachlichen Grundes) und ggf. des Verhältnismäßigkeitsgebotes gerechtfertigt werden können 1965 . Wie nach der Darstellung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit ausgeführt wurde 1966 , ist das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses entscheidend für die Prüfung des Beachtens des Gleichheitsgebots in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit. Das Wettbewerbsverhältnis betrifft nicht nur Unternehmen der gleichen Branche, sondern auch Unternehmen verschiedener Branchen oder verschiedene Branchen selbst, die miteinander konkurrieren 1967 . Die Prüfung des Gleichheitssatzes geht natürlich über die Prüfung des Wettbewerbsverhältnisses hinaus und kann Unternehmen oder Unternehmensbranchen betreffen,

1962 Müller, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 40; vgl. ferner zu dieser Problematik Huster, Recht und Ziele, S. 53 ff.; ders., in: JZ 1994, S. 541 ff. 1963 So auch Huster, Rechte und Ziele, S. 55; ders., in: JZ 1994, S. 542. 1964 Zu diesem Schluß auch Huster, in: JZ 1994, S. 541 f.; vgl. zu dieser Meinung die Nachweise bei Huster, in der Fn. 10 (dort). 1965 ygj dazu auch Jarass, in: NJW 1997, S. 2546. Diese arbeitssystematischen Gründe bezwecken, die Ungleichbehandlungen ausführlich darzustellen, die sich aus der Verteilungspolitik des Staates ergeben und Wettbewerbsverzerrungen verursachen. Da jede Verteilung in einem System, das im Prinzip auf den freien Marktkräften und dem freien Wettbewerb beruht, grundsätzlich die Ungleichbehandlung voraussetzt - vgl. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 507 -, wird diese Politik besser dargestellt, wenn auch die jeweiligen Ungleichbehandlungen in sämtlichen Bereichen der Verteilungspolitik, wo der Wettbewerb herrscht, dargestellt werden. Daß Ungleichbehandlungen aus der Verteilungspolitik Wettbewerbsverzerrungen schaffen und die nicht begünstigten Konkurrenten in ihrer Wettbewerbslage beeinträchtigen, ohne daß die Ungleichbehandlungen gegen den Gleichheitssatz verstoßen müssen, hat das BVerfG mehrmals anerkannt - vgl. BVerfGE 18, 1, 12 f.; 27, 375, 386 ff, 389; 37, 38, 52 ff.; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 94. 1966 Vgl. oben sub II 2 e cc. 1967 Ygj BVerwGE 30, 191, 193 f. (Winzergenossenschaftensubventionierung) am Beispiel des Beachtens des Gleichheitsgebotes durch Subventionierung; vgl. ferner Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 263 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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die nicht im Wettbewerb - unmittelbar oder mittelbar - stehen. Diese Fälle bleiben hier außer Betracht 1968 . Darüber hinaus kann der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung auch in die Freiheit zum Wettbewerb bzw. Gleichheit zum Wettbewerb im Sinne der Chancengleichheit eingreifen, indem sie nur bestimmten Personen oder Gruppen je nach (subjektiven oder objektiven) Zulassungsvoraussetzungen den Zugang auf einen Markt erlauben 1969 . Die Verbindung des Art. 3 mit dem Art. 12 GG ist in diesem Fall stark 1970 . Ein Eingriff in die Wettbewerbslage kann sowohl durch Ungleichbehandlung als auch durch Gleichbehandlung 1971 stattfinden.

bb) Eingriffsarten in eine Wettbewerbslage als Prüfungsmaßstab

mit dem Gleichheitssatz

α) Eingriffe durch steuerrechtliche Ungleichbehandlung Es ist häufig der Fall, daß der Gesetzgeber in ein Wettbewerbsverhältnis und in die Lage eines Unternehmers bzw. einer Unternehmensbranche durch steuerliche Maßnahmen eingreift 1972 , die ungleiche wirtschaftliche Auswirkungen auf die einzelnen Steuerschuldner und auf ihre Wettbewerbslage schaffen 1973.

1968 Vgl. BVerfGE 37, 38, 49 f., wonach die Nicht-Einbeziehung der Dienstleistungsunternehmen generell in die Steuerbegünstigung des § 12 UStG v. 29. 05. 1967 im Gegensatz zu den Warenlieferungsunternehmen, die doch in diese Begünstigung einbezogen waren, die Wettbewerbsfreiheit der ersteren überhaupt nicht berührt hat. Denn diese Unternehmensbranchen standen nicht in einem Wettbewerbsverhältnis; vgl. auch andererseits BVerfGE 34, 71, 78 ff., wonach die Regelung des EinzelHG, daß die Bewerber zur Erlangung einer Erlaubnis für den Einzelhandel mit Lebensmitteln aller Art Sachkunde nachweisen sollen, als gleichheitswidrig (über einen Verstoß gegen Art. 12 I GG hinaus) erklärt wurde. Denn sie habe ungerechtfertigt Unternehmer mit einem Lebensmittelartikel-Einzelhandel und Einzelhändler bzw. Bewerber, die Kaugummi oder sonstige kaum verderbliche Süßigkeiten im Einzelhandel vertreiben wollen, gleichbehandelt. Die Regelung war zwar gleichheitswidrig, für die Wettbewerbsfreiheit der Kaugummi-Einzelhändler aus Art. 3 I GG gegenüber den Lebensmittelhändlern aber irrelevant, weil sie nicht in einem Wettbewerbsverhältnis standen. Sie ging aber auch die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 3 I GG aller sich bewerbenden Einzelhändler in dem Sinne an, daß sie nur diejenigen Bewerber bevorzugte, die Sachkunde nachweisen konnten; vgl. auch BVerwGE 96, 372, 378. 1969 V g l ρ _M Huber, Konkurrenzschutz, S. 534; vgl. auch den in der Fn. 1968 dargestellten Fall von BVerfGE 34, 71, 78. 1970 ygj z u m Konkurrenzverhältnis unten sub V 1 b bb. 1971 Vgl. zu den letzteren Rüfner, in: FS Kriele, S. 276 ff. 1972 Zur Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG für die Eingriffe in eine Wettbewerbslage durch steuerrechtliche Normen vgl. Selmer, Steuerinterventionismus, S. 294; Knobbe-Keuk, in: BB 1982, S. 386 ff. 1973 BVerfGE 21, 12, 27; 27, 375, 387; vgl. auch BVerfGE 16, 25, 27; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 541.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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Denn eine wettbewerbsneutrale Steuer ist kaum denkbar 1974 . Bezüglich der Steuerbelastungen kann man darlegen, daß, je höher die von dem einzelnen Unternehmer aufzubringende Steuerbelastung ist, seine eigenen Kosten (Selbstkosten) desto höher sind und seine Wettbewerbschancen gegenüber Unternehmern mit geringeren Selbstkosten desto schlechter sein können 1975 . Solche Eingriffe, denen als Prüfungsmaßstab der Gleichheitssatz dient, kommen am häufigsten vor und haben die Bundesgerichte und insbesondere die Judikatur des BVerfG sehr oft beschäftigt. Ob der Gesetzgeber dadurch eine Wettbewerbslage verändern will oder das ungezielt erreicht, spielt keine Rolle 1 9 7 6 . Solche Eingriffe sind u.a. die Regelung des Überbrandabzugs nach § 74 BrandwMonG v. 08. 04. 1922 (RGBl. I, S. 335/405) 1977 , die Einfügung der Organschaft für bestimmte Unternehmen als Sondervorschrift in § 2 I I Nr. 2 UStG i. d. F. des Elften Gesetzes zur Änderung des UStG v. 16.08. 1961 (BGBl. I, 1330), die die Minderung der Wettbewerbsfähigkeit der einstufigen Unternehmen bedeutete 1978 , die Heranziehung zur Ausgleichsabgabe nach § 12 I I I des Milch- und Fettgesetzes (MFG) i. d. F. v. 10. 12. 1952 (BGBl. I, 811) der Hersteller von Sterilmilch und -sahne (Rahm), entrahmter Milch und Schlagsahne, aber nicht von Trinkmilch 1979 , die Steuerbelastung der Zweigstellenunternehmen, aber nicht der Großunternehmen ohne Filialen 1980 aufgrund des § 17 GewStG i. d. F. v. 25. 05. 1965 (BGBl. I, 459), die Regelung der Organschaft durch Art. 2 des Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes v. 18. 10. 1957 (BGBl. I, 1743) i. V. m. Art. 1 Ziff. 1 des Elften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes v. 16. 08. 1961 (BGBl. I, 1330), soweit es sich um die "einstufigen" und "mehrstufigen" Unternehmen handelte 1 9 8 1 , die Einführung einer Nachsteuer aufgrund des Haushaltssicherungsgesetzes (HSichG) v. 20. 12. 1965 (BGBl. I, 2065) für Schaumweinhändler je nach 1974

So BVerfGE 21, 12, 27; 27, 375, 389. Man muß hier aber differenzieren. Wenn man in der Branche der Gastwirte ein Wettbewerbsverhältnis nur zwischen den Gastwirten annimmt, dann ist die höhere Besteuerung der Gastwirte in dem Sinne wettbewerbsneutral, daß sie alle Wettbewerber auf diesem Markt gleich trifft, wenn man von ihrer Eingriffswirkung auf die Wb aus Art. 12 I GG - und eventuell Art. 14 I 1 GG - absieht. Wenn man aber von einem weiten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Gastwirten einerseits und anderen Lokalen andererseits, die sich an den gleichen Kundenkreis wie die Gastwirte richten, ausgeht, dann hat die höhere Besteuerung zweifelsohne Auswirkungen auf die Wettbewerbslage gegenüber den Gastwirten der anderen Lokale und trifft auch die Wettbewerbsgleichheit aus Art. 3 I GG - vgl. BVerfGE 44, 216, 227. 1975 So BVerfGE 18, 1, 12 f. 1976 Zur Bedeutung der sog. mittelbaren oder ungezielten Eingriffe für den Gleichheitssatz vgl. Bleckmann, Struktur, S. 65. 1977 BVerfGE 14, 105, 117 (Branntweinmonopol). 1978 BVerfGE 18, 1, 12 f. 1979 BVerfGE 18, 315, 335 ff. (Sterilmilch). 1980 BVerfGE 19, 101, 114. 1981 BVerfGE 21, 12, 26 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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dem Lagerbestand von Flaschen 1982 , die Abwälzung der Mehrwertsteuer für Kleinunternehmen nach § 19 UStG v. 29. 05. 1967 (BGBl. I, 545) 1 9 8 3 , die Umsatzbesteuerung der Schallplatten, aber nicht der anderen Kommunikationsmittel (Bücher, Zeitungen und Zeitschriften) nach § 12 UStG i. d. F. der Bekanntmachung v. 16. 11. 1973 (BGBl. I, 1689) 1 9 8 4 , die Steuerfreiheit der Leistungen ärztlicher Laborgemeinschaften i m Gegensatz zu Leistungen der konkurrierenden gewerblichen Analyseunternehmen, die steuerpflichtig geblieben sind und dadurch eine Minderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit hinnehmen mußten nach § 4 Nr. 14 S. 2 UStG i. d. F. v. 16. 11. 1973 (BGBl. I, 1682) 1 9 8 5 oder die umsatzsteuerrechtlich bessere Behandlung des Personenverkehrs mit Kraftdroschken als desjenigen mit Mietwagen aufgrund des § 12 I I Nr. 10 UStG 1980 vom 26. 11. 1979 (BGBl. I, 1953) i. d. F. d. Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts v. 20. 12. 1982 (BGBl. I, 1857) 1 9 8 6 .

ß) Eingriffe durch Subventionierung Wesentliche Eingriffe in die Wettbewerbslage eines Marktes stellt die Subventionierung von Unternehmen oder Unternehmensbranchen dar. Diesbezüglich wurde bereits eine ausführliche Darstellung gegeben 1987 . Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit aus Art. 3 I GG liegt hier vor, wenn durch die Subventionsgewährung die Wettbewerbslage zwischen zwei oder mehreren konkurrierenden Unternehmern, Unternehmensgruppen oder -branchen ungleich und für den einen nachteilig gestaltet wird 1 9 8 8 . Der entscheidende Punkt für die Prüfung des Beachtens des Gleichheitssatzes nach einer Subventionsvergabe ist die richtige Festlegung des Subventionsverhältnisses 1989, das aus den bereits dargelegten Gründen 1990 nicht mit dem Wettbewerbsverhältnis gleichgesetzt werden kann, sondern nur als ein Teil von diesem gilt 1 9 9 1 . Nach

1982

BVerfGE 27, 375, 386 f. BVerfGE 37, 38, 51 ff. 1984 BVerfGE 36, 321, 336 (Schallplatten). 1985 BVerfGE 43,58,70. 1986 BVerfGE 85, 238, 244 f. 1987 ygj dazu oben sub a dd β αα ααα. 1983

1988

So Η.-P. Ipsen, in: VVdDStRL 25 (1967), S. 303. Ipsen will aus Art. 3 I GG im Subventionswesen einen "Grundrechtsschutz auf hoheitliche Respektierung der wettbewerblichen Ausgangslage" ableiten; vgl. ferner Badura, in: FS Steindorff, S. 852; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 275. 1989 So auch P.-M Huber, Konkurrenzschutz, S. 539. 1990 Vgl. oben sub II 2 e cc. 1991 Gusy, in: JA 1991, S. 291, beschreibt befriedigend das Subventionsverhältnis zweier konkurrierender Unternehmer im folgenden Schema: "Wenn X sich darauf be23 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

der bisherigen Praxis betrifft die Subventionsvergabe die Verwaltung in ihrer leistenden Tätigkeit (sog. Leistungsverwaltung), die aber genauso wie die sog. Eingriffsverwaltung an den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG nach dem Art. 1 I I I GG gebunden ist. Besondere Bedeutung erlangt diese Bindung im Rahmen des Ermessensspielraums der Verwaltung, wobei in diesem Rahmen die Verwaltung von der Bindung an den Gleichheitssatz wegen des Grundsatzes der sog. Selbstbindung der Verwaltung 1 9 9 2 nicht befreit wird 1 9 9 3 . Solche Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 3 I GG stellen die folgenden Beispiele dar: Subventionierung einer Firma zur Errichtung eines Hotels mit internationalem Namen, aber nicht einer anderen, die das gleiche angeboten hatte 1994 ; der Kleinbetriebe, aber nicht der Großbetriebe nach dem früheren Gesetz der Geflügelwirtschaft 1995 ; der Winzergenossenschaften, aber nicht der Weinhändler in dem Ausmaß ihres Wettbewerbsverhältnisses 1996 . Jedes dieser drei Beispiele umfaßt den Anwendungsbereich des Gleichheitsgebots in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit im Bereich des Subventionswesens: Das erste Beispiel bezieht sich auf einzelne Unternehmen (Konkurrenten) derselben Gruppe (Branche), das zweite auf verschiedene Untergruppierungen derselben Gruppe (Branche) und das dritte auf verschiedene Gruppen (Branchen). In allen drei Beispielen besteht ein Wettbewerbs- bzw. Subventionsverhältnis zwischen den Betroffenen, so daß die jeweiligen Differenzierungen den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 3 GG tangieren.

γ) Eingriffe durch öffentlichen Wettbewerb Die öffentliche Teilnahme am Wettbewerb greift als solche nicht in die Wettbewerbsgleichheit der privaten Konkurrenten ein 1 9 9 7 . Daß dadurch ggf. die Freiheitsrechte aus Art. 12 I und 14 I 1 GG berührt werden, ist eine andere Frage, die bereits untersucht wurde 1 9 9 8 . Eine Prüfung des Beachtens des Gleichheitssatzes kommt nur in zwei Fällen in Betracht: Erstens im Falle der öffentli-

ruft, Y habe tags zuvor Subventionen erhalten und sein, des X, Fall sei insoweit gleich, so muß geprüft werden, ob bei Y tatsächlich die gleichen Voraussetzungen vorlagen"; ähnlich bezüglich des Subventionsabbaus BVerfGE 78, 249, 288. 1992 Zum Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung vgl. Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 39. 1993 Vgl. Stober, Grundrechtsschutz, S. 134; Gusy, in: JA 1991, S. 290. 1994 Vgl. dazu OVG Münster NVwZ 1984, S. 525. 1995 ygj z u d j e s e m Beispiel Götz, Wirtschaftssubventionen, S. 264. 1996 ygj BVerwGE 30, 191, 193 f. (Winzergenossenschaftensubventionierung). 1997 So BVerwGE 17, 306, 311 (Mobiliarfeuerversicherung); VG Münster NVwZ 1982, S. 523 (kommunale tierärztliche Tätigkeit); C. Starck,, in: vM/K/S, Art. 3 I, Rd. 54; vgl. auch VG Bremen NJW 1988, S. 842. 1998 s. oben sub a dd ε, b cc γ.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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chen sozial- oder erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit in allen Rechts- und Organisationsformen 1999 gegenüber der Marktgegenseite (Kunden, Lieferanten, Abnehmer). Diese Frage hat besondere Relevanz im Bereich der Vergabe von öffentlichen Aufträgen 2000 . Zweitens in demselben Bereich, aber diesmal gegenüber den privaten Wettbewerbern hinsichtlich der verschiedenen Privilegien und anderer Wettbewerbsvorteile und -begünstigungen ("Strukturvorteile") 2001 , mit denen der Gesetzgeber oder die Verwaltung die öffentliche Hand nach ihrer wirtschaftlich-unternehmerischen Betätigung ausrüstet, damit letztere den privaten Wettbewerb besser bewältigt 2002 . Solche Begünstigungen sind Fiskalprivilegien 2003 (Steuerbefreiungen, bevorzugte Informationsgewährung usw.) 2004 , Subventionen 2005 (vgl. § 10 BSGH) 2 0 0 6 , die Förderung und finanzielle Ausstattung von kommunalen und öffentlichen Theatern 2007 , die Möglichkeit für die öffentliche Hand, sich die zum Betrieb ihrer Unternehmen notwendigen finanziellen Mittel unter Einsatz hoheitlicher Zwangsgewalt zu beschaffen 2008, die 1999 Vgl. zur Grundrechtsbindung der Verwaltung oben sub III 3 b und speziell zu ihrer Bindung an den Gleichheitssatz im Bereich ihrer wirtschaftlichen Betätigung Zippelius, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 12; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 535. 2000 Vgl. dazu unten sub. δ. 2001 So P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 535. 2002 BVerwGE 39, 329, 337 (kommunales Bestattungsunternehmen); VG Münster NVwZ 1982, S. 523 (kommunale tierärztliche Tätigkeit); R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 165 (m. w. N.). 2003 Vgl. dazu Leisner, in: BB 1970, S. 405 ff. 2004 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 536; vgl. auch BVerfGE 64, 229, 238 ff. (Grundbucheinsicht), wonach die Verfassungsmäßigkeit einer Befreiung für öffentlichrechtliche organisierte Sparkassen im Gegensatz zu den privatrechtlichen Kreditinstituten, ihr berechtigtes Interesse bei der Grundbucheinsicht darzulegen, am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes geprüft wurde. 2005 Vgl. BVerwG NJW 1972, S. 2326, der ganz zutreffend folgendes darlegt: "Die Chancengleichheit ist nämlich nicht nur beeinträchtigt, wenn der Staat einen Konkurrenten begünstigt, sondern auch dann, wenn er selbst zu den günstigeren Bedingungen tätig wird". Demgemäß wurde im Falle des Verhaltens der Bundesrepublik Deutschland, die Abnehmerpreise durch Verkauf unabgeschöpften Getreides zu drücken, so daß ein Getreideimporteur nur mit Verlust Roggen hätte verkaufen können, der sich aus dem allgemeinen Gleichheitsgebot des Art. 3 I GG ergebende Grundsatz der Chancengleichheit als Prüfungsmaßstab herangezogen; vgl. auch VG Münster NVwZ 1982, S. 523: "Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 I GG kommt in Betracht .., wenn der Staat von mehreren privaten Konkurrenten nur einen oder nur einige subventioniert". Es kann "nichts anderes gelten, wenn der Staat sich im Wege der Selbstsubventionierung einen Wettbewerbsvorteil verschafft". 2006 Vgl. dazu BVerwG NJW 1988 S. 1277 f. (Wohlfahrtspflege), wonach aufgrund des Art. 3 I GG die Gleichheitsmäßigkeit des § 10 BSHG überprüft wurde, der die Gewährung von Zuschüssen an Altenheime von Trägern der sog. freien Wohlfahrtspflege, nicht aber an die gewerblicher Träger vorsieht. 2007 Vgl. OVG Lüneburg DÖV 1969, S. 396 ff.; OVG Berlin OVGE 15, 103 ff. 2008 Η. H. Klein, Die Teilnahme, S. 231; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 535; vgl. auch BVerwG NJW 1978, S. 1540 (kommunale Wohnungsvermittlung), wonach

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

u. a. vor Konkursgefahren schützen, die Ausstattung mit Anschluß- und Benutzungszwang 2009 etc. Ob die öffentliche Hand mit ihrer wettbewerblichen Tätigkeit den Wettbewerb bezweckt oder nicht, ist für die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz genauso irrelevant wie bei den Freiheitsrechten. Ausschlaggebend ist die Auswirkung der Begünstigung der öffentlichen Hand auf die Wettbewerbslage 2010 .

δ) Eingriffe durch Vergabe von öffentlichen Aufträgen In diesem Bereich der öffentlichen Tätigkeit ist die Anwendung des Gleichheitsgebots von großer Bedeutung für die Wettbewerbsneutralität der Verwaltung und die Wettbewerbsgleichheit der Marktteilnehmer 2011 . Die Verwaltung (in allen ihren Rechts- und Organisationsformen) 2012 kann dadurch die Wettbewerbslage zwischen zwei oder mehreren Konkurrenten beeinflussen, die Anbieter einer Leistung oder Ware sind, indem sie ζ. B. den erforderlichen Zuschlag einem Anbieter erteilt, ihm einen Vorsprung im Wettbewerb mit seinen Konkurrenten gibt und damit letztere zwangsläufig benachteiligt 2013 . Wenn die Vergabe von öffentlichen Aufträgen sogar mit der Subventionsvergabe verbunden ist, spielt die Belastung der Konkurrenten des bevorzugten Unternehmers eine konkurrenzerhebliche Rolle 2 0 1 4 . Wird in diesem Sinne der Antrag einer Fußpflegeartikel herstellenden Firma, die Filiale dieser Firma in der Stadt, in der die betroffene AOK-Filiale ihren Sitz hatte, für den Artikel "Gummi-

Art. 3 I GG als Prüfungsmaßstab für die mit öffentlichen Mitteln betriebene Tätigkeit einer Gemeinde auf dem Gebiet der Wohnraumvermittlung herangezogen wurde. 2009 Skeptisch aber BVerwGE 17, 306, 311 f. (Mobiliarfeuerversicherung), die trotzdem die Einführung eines solchen Benutzungszwangs nach § 32 des preußischen Gesetzes über die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten an den Maßstäben des Willkürverbots gemessen hat. 2010 So P.-M; Huber, Konkurrenzschutz, S. 535. 2011 Zur Bedeutung des öffentlichen Vergabewesens vgl. Faber, in: DÖV 1995, S. 403 f. 2012 ygj z u ihrer Bindung an die Grundrechte, insbesondere an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG und das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 III GG im Bereich der Vergabe der öffentlichen Aufträge, OLG Düsseldorf in: DÖV 1981, S. 538; OLG Frankfurt WuW/OLG, S. 4354, 4355; OLG Celle WuW/OLG, S.4130, 4132; Pietzcker, in: AÖR 1982, S. 69 ff.; Zuleeg;, in: WiVerw 1984, S. 120; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 442; Faber, in: DÖV 1995, S. 405; Hermes, in: JZ 1997, S. 912 f.; vgl. auch VG Bremen NJW 1988, S. 842, das zwar in einem Fall öffentlichen Wettbewerbs Art. 3 I GG als Prüfungsmaßstab nicht herangezogen, das aber für den Fall nicht ausgeschlossen hat, daß die öffentliche Hand den einen Konkurrenten zugunsten des anderen diskriminiert. 2013 Vgl. dazu VGH Kassel NJW 1985, S. 1357. 2014 So P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 442; vgl. auch OVG Münster NVwZ 1984, S. 522 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Strümpfe" auf die Liste der zu Belieferung von Mitgliedern der A O K zugelassenen Firmen aufzunehmen, durch die Allgemeine Ortskrankenkasse aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Vertrags abgelehnt, so stellt dies einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit aus Art. 3 I GG dar 2 0 1 5 . Das gilt genauso für die Nicht-Beauftragung eines Abschleppunternehmens durch eine Polizeibehörde entgegen ihrer vorherigen Praxis 2016 . Es muß zusätzlich sichergestellt sein, daß alle Interessenten sich um den Zuschlag bemühen können 2017 . Denn auch der Ausschluß eines oder mehrerer Bewerber aus dem Verfahren würde in ihre Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit aus Art. 3 GG eingreifen. Das war ζ. B. der Fall, als die Deutsche Bundespost, die auf dem betreffenden Markt ein Nachfragemonopol besaß, einen Anbieter von der Teilnahme an der Bewerbung um Aufträge ausgeschlossen hatte 2018 . Daß der betroffene Sachverhalt in den Anwendungsbereich des § 26 I I i. V. m. § 98 GWB fällt, schließt nicht den Eingriffscharakter der umstrittenen Maßnahme im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus, wie natürlich auch umgekehrt 2019 . Der Eingriff in die Wettbewerbslage eines Marktes durch Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist häufig unvermeidbar. Denn es ist in diesem Bereich nicht immer möglich, daß alle Wettbewerber von der Verwaltung begünstigt werden 2020 . Seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit wird nach den Maßstäben der Anwendung des allgemeinen Gleichheitsgebots aus Art. 3 I GG und seiner spezifischen Aspekte aus Art. 3 II, I I I GG behandelt, wobei das Diskriminierungsverbot eine wesentliche Rolle spielt 2 0 2 1 . Das betrifft gleichermaßen den ähnlich gelagerten Fall i m Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge bezüglich der Auswahl eines bestimmten Bewerbers bei einem Überangebot von Bewerbern für die berufliche Benutzung öffentlicher Einrichtungen 2022 .

2015 ygj BGHZ 36, 91 ff. (GummiStrümpfe), die aber eine Grundrechtsbindung der beklagten AOK nicht angenommen hat. Denn sie ist im Bereich des Abschlusses der Bedarfsdeckungshilfsgeschäfte mit Mitteln des Privatrechts (bürgerlichrechtlicher Vertrag) tätig geworden, und in diesem Bereich sei die Verwaltung - entgegen der herrschenden und der hier vertretenen Auffassung (vgl. oben sub III 3 b bb) - nicht grundrechtsgebunden. 2016 Vgl. BGH NJW 1977, S. 630; ferner Broß, in: FS Brandner, S. 351. 2017 So P.-M: Huber, Konkurrenzschutz, S. 545. 2018 OLG Düsseldorf DÖV 1981, S. 537 ff.; OLG Frankfurt WuW/OLG, S. 4354, 4355; vgl. auch Faber, in: DÖV 1995, S. 407; Broß, in: FS Brandner, S. 347; kritisch dagegen die Anmerkung Pietzckers zu dem eben erwähnten Urteil in DÖV 1981, S. 540; ders., in: AÖR 1982, S. 81. 2019

Vgl. oben sub III 3 b bb, dd und unten sub C II 1 c aa. So OLG Frankfurt WuW/OLG, S. 4354, 4355. 2021 So auch Faber, in: DÖV 1995, S. 406. 2022 Ygj V G H München GewArch 1980, S. 299 - zur Auswahl bei einem Überangebot von Bewerbern für ein Volksfest. 2020

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ε) Eingriffe durch Information und Warnung Wenn der Staat sich mit Produktinformationen bzw. -Warnungen an die Öffentlichkeit wendet, muß er auch das Gleichheitsgebot beachten 2023 . Eingriffe in die Wettbewerbsgleichheit aus Art. 3 I GG können auch durch Information und Warnung stattfinden 2024 und zwar sowohl durch Ungleich- als auch durch Gleichbehandlung. Das ist der Fall, wenn die zuständige Behörde ζ. B. die Weinkonsumenten oder die Verbraucherinnen von Anti-Baby-Pillen über die Gesundheitsgefahren dieser Produkte von bestimmten Firmen informieren und sogar vor ihnen warnen will. Der Eingriff in die Wettbewerbslage erfolgt durch Ungleichbehandlung, indem die Behörde ζ. B. auf einer Liste nur bestimmte Herstellungsfirmen angibt. Der Eingriff durch Gleichbehandlung kommt dagegen dadurch in Betracht, daß die Behörde alle Firmen auf der Liste veröffentlicht. Dasselbe gilt für die anderen Mittel der staatlichen Informationspolitik (Empfehlungen, Boykotte usw.). Die Zulässigkeit dieser Eingriffe in die Wettbewerbslage der Herstellungsfirmen ist eine Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

ζ) Eingriffe im Bereich des Gewerbe- und Berufsrechts Andere Einzelfälle der Differenzierung in einer Wettbewerbslage mit dem Gleichheitssatz als Prüfungsmaßstab sind folgende: Das Barrabattverbot nur für Warenhäuser, Einheits-, Klein- oder Serienpreisgeschäfte nach § 6 RabattG v. 25. 11. 1933 (RGBl. I, 1011) i. d. F. des Gesetzes v. 21.07. 1954 (BGBl. I, 212) 2 0 2 5 ; die Regelung des Vermahlungsplafonds für die Mühlen nach § 8 des Mühlenstrukturgesetzes v. 22. 12. 1971 (BGBl. I, 2098) 2026 ; der Ausschluß von der Teilnahme an Markt- oder Volksveranstaltungen gemäß § 70 I I I GewO oder nach Regelungen des Kommunalrechts 2027 ; eine einem Inhaber eines Ladengeschäfts der Bekleidungsbranche erteilte befristete Ausnahmegenehmigung aufgrund des § 23 11 LadschlG v. 28. 11. 1956 (BGBl. I, 875) i. d. F.

2023

S. 123. 2024 V 2025

So R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 185; Spaeth, Grundrechtseingriff, g l

p _M

Huben

Konkurrenzschutz, S. 540.

BVerfGE 21, 292, 296 ff. (Rabattgesetz). Der Eingriff ist offensichtlich: Der Barrabatt ist in erster Linie ein Werbemittel und seine Benutzung von einem Marktteilnehmer in der Hinsicht bezweckt, daß er einen Vorsprung im Wettbewerb mit seinen Mitbewerbern gewinnt. Wenn eine bestimmte Gruppe von Unternehmen einer Branche (z. B. Einzelhandel) sich dieses Wettbewerbsmittels nicht bedienen darf, aber andere konkurrierende Gruppen doch, ist der Nachteil, den die nicht begünstigten Unternehmer in ihrer Wettbewerbslage hinnehmen müssen, grundsätzlich spürbar. 2026 BVerfGE 39, 210, 237 (Mühlenvermahlungsplafond). 2027 BVerwG NVwZ 1982, S. 194.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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vom Änderungsgesetz v. 05. 07. 1976 (BGBl. I, 1773), seine Verkaufsstellen montags bis freitags von 18.30 Uhr bis 22 Uhr zum Verkauf an jedermann offenzuhalten, im Gegensatz zu seinen Konkurrenten, die ihre Verkaufsstellen nur bis 18.30 Uhr offenhalten durften 2028 ; gleiches gilt bezüglich einer Ausnahmegenehmigung vom Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot nach § 28 Arbeitszeitordnung (AZO) vom 30. 04. 1938 (RGBl. I, 447) 2 0 2 9 2 0 3 °; die Anforderungen des § 4 I I - I V EinzelHG v. 05. 08. 1957 (BGBl. I, 1121) zur Gewährung der Erlaubnis für den Einzelhandel mit Lebensmitteln aller Art, daß der betroffene Bewerber Sachkunde nachweisen muß 2 0 3 1 ; die Anforderungen des § 13 II PersBefG i. d. F. der Bekanntmachung vom 08. 08. 1990 für die Genehmigung von Straßen-, Omnibus- und Linienverkehr, die die Altunternehmer zuungunsten der Newcomer begünstigen; die Bevorzugung Vertriebener bei den Kraftdroschkenkonzessionen 2032. Die drei letzten Eingriffe gehen die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit zum Wettbewerb an 2033 .

cc) Verfassungsrechtliche

Rechtfertigung?

α) Problemstellung αα) Entwicklungslinien der Rechtsprechung des BVerfG aus der Willkürverbotskontrolle zu der "neuen Formel"? Die gleichen Probleme, die sich aus der Anwendung der Eingriffssystematik der Freiheitsrechte auf die Gleichheitsrechte ergeben haben, tauchen auch bei der Problematik ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung auf. Man muß die Systematik einheitlich anwenden, wenn man Inkonsequenz und Mißverständnisse vermeiden will. Nach der Position, die einen Eingriff in den Gleichheitssatz nur dann annimmt, wenn eine staatliche Maßnahme vom Willkürverbot

2028

Vgl. BVerwGE 65, 167, 173 f.; vgl. auch BVerwG DVB1. 1983, S. 1251 f. bezüglich einer Ausnahmebewilligung ggü. einem selbständig tätigen Handwerksmeister aufgrund des § 8 HandwO i. d. F. vom 28. 12. 1965 (BGBl. 1966 I, 1). Das Gericht hat aber Art. 3 I GG nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen. 2029 Vgl. OVG Koblenz GewArch 1993, S. 243. 2030 H i e r ] < a n n m a n < j a r a u f hinweisen, daß solche Differenzierungen bezüglich der Ladenschluß- oder Produktionszeit auch von einem Tarifvertrag geregelt werden können, der aber, wie auch das Gesetz, nach Art. 1 III GG an die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit gebunden ist (vgl. dazu oben sub III 2), so daß seine differenzierten Regelungen einen Eingriff in diese darstellen - vgl. Scholz, in: FS Rittner, S. 645. 2031 BVerfGE 34, 71, 78 f.; vgl. auch oben sub aa. 2032 BVerwGE 23, 312 ff. 2033 V g i a u c h ρ _M Huber, Konkurrenzschutz, S. 534.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

bzw. Begründungsgebot 2034 abweicht, kann der Eingriff nicht mehr verfassungsrechtlich gerechtfertigt und gerettet werden. Er wird automatisch mit einer Grundrechtsverletzung gleichgestellt. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ungleich- bzw. Gleichbehandlung gehört anscheinend zum Tatbestand des Gleichheitsgebots, wenn man eine solche Prüfung annehmen will. Wie bereits gezeigt wurde, wird dieser grundrechtsdogmatischen Methode hier nicht gefolgt. Die konsequente Anwendung der hier vertretenen Methode führt zu dem Ergebnis, daß die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit aus Art. 3 GG dadurch geprüft wird, daß die Differenzierung nicht willkürlich (Willkürverbot) bzw. aus einem sachlichen, vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund verlangt wird (Begründungsgebot) 2035 sowie ggf. verhältnismäßig ist 2 0 3 6 . Das BVerfG hat eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des Beachtens des Gleichheitssatzes und demgemäß nach der hier gefolgten Methode der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung anerkannt: Der Gesetzgeber bewegt sich auch im Bereich der Gleichheitsrechte in einem weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum (Gestaltungsfreiheit) 2037 , in welchem er regeln kann, was "gleich" und was "ungleich" im Sinne des Gleichheitsgebots des GG ist 2 0 3 8 , indem er ein Differenzierungskriterium aussucht 2039 . Dieser Gestaltungsspielraum hat aber eine unterschiedliche Weite, und es werden ihm Schranken gesetzt 2040 . Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG "ist ... vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von

2034

Zum Begründungsgebot als Folge des Willkürverbots vgl. Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 32; Dürig,, in: MD, Art. 3 I, Rd. 316; P. Kirchhof in: HdDStR, V, § 124, Rd. 219 f.; Huster, Rechte und Ziele, S. 50 ff; im Ergebnis ebenso Krugmann, in: JuS 1998, S. 8. 2035 P. Kirchhof in: HdDStR, V, § 124, Rd. 41 f.; ders., in: FS Lerche, S. 139, spricht hier von 'Objektivitätsgebot"; vgl. auch unten sub zweiter Teil die Rechtsprechung des Luxemburger EuGH zu dem allgemeinen Gleichheitssatz im Rahmen des Europäischen Gemeinschaftsrechts. 2036 ygi z u d j e s e m Schema auch Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 16 ff. 2037 BVerfGE 14, 105, 117 (Branntweinmonopol); 22, 100, 103; 27, 375, 386 f.; 43, 58, 70; 85, 283, 244; 93, 121, 136 (Vermögenssteuer); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1997, S. 123; BGHZ 131, 44, 50 f. (Altkreditschulden); 134, 1, 26 f. (Stromeinspeisung) Stober, Grundrechtsschutz, S. 127; Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 23; Hesse, in: FS Lerche, S. 123; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 508. 2038 BVerfGE 17, 210, 217; 21, 12, 26; 36, 321, 341 (Schallplatten); 43, 58, 70; 85, 238, 244; kritisch dazu P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 529. 2039 Vgl. BVerfGE 93, 319, 348 (Wasserpfennig); weiterhin Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 16 a ; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 21. 2040 Vgl. BVerfGE 13, 290, 298 f.; 17, 210, 217, wonach die Wertentscheidung des GG die Schranke der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers ist, zu bestimmen, was "gleich" und "ungleich" sein soll. Diese Wertentscheidung bzw. Wertordnung bezieht sich in erster Linie auf die Grundrechte; weiterhin Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 20.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen nicht "Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können" 2 0 4 1 . Aus dieser Formulierung ergibt sich die sog. neue Formel, die das Verfassungsgericht bzw. sein 1. Senat weiterentwickelt hat 2 0 4 2 . Genauer gesagt hat das BVerfG je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber gesetzt, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an die Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen 2043 . Der allgemeine Gleichheitssatz soll in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern. Deshalb unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung 2 0 4 4 . Kommt als Maßstab allein das Willkürverbot in Betracht, so soll eine gesetzgeberische Differenzierung, die der Gesetzgeber macht, um einen Fall i m Rahmen semer Gestaltungsfreiheit zu behandeln, nicht willkürlich sein, wenn ihre Unsachlichkeit nicht evident ist 2 0 4 5 . Wenn es sich dagegen um Regelungen handelt, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken 2046 oder einem der nach Art. 3 I I I GG verbotenen Kriterien annähern, dann soll die Intensität der bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle größer werden 2047 . Diese Rechtsprechung des 1. Senats, die die sog. "Neue Formel" weiterentwickelte, wurde dahingehend interpretiert, daß sich daraus die Verhältnismäßigkeitsprüfung 2048 der gesetzgeberischen Differenzierun-

2041

BVerfGE 55, 72, 88; 82, 126, 146; 85, 238, 244; 88, 87, 97; 89, 69, 89; 91, 346, 362 f.; 91, 389, 401; 92, 26, 52 (Zweitregister); 94, 241, 260; vgl. auch BVerwGE 100, 206,210; 100, 287, 295. 2042 Zu dieser Entwicklungslinie der Rechtsprechung vgl. Hesse, in: FS Lerche, S. 122 ff.; Huster, Rechte und Ziele, S. 62, 193; Sachs, in: JuS 1997, S. 125 ff. 2043 BVerfGE 88, 87, 96 ff.; 89, 365, 375; 91, 389, 401; 92, 26, 51 (Zweitregister); 92, 365, 407 f.; 95, 143, 155; 95, 267, 316 (Altkreditschulden); BVerfG NJW 1998, S. 1477 (Kleinbetriebsklausel). 2044 Ebenda. 2045 BVerfGE 55, 72, 90; 88, 87, 96 f.; 91, 346, 363; 91, 389, 401; 95, 267, 317 (Altkreditschulden). 2046 Zu diesen Auswirkungen der Ungleichbehandlungen auf die Grundrechte, insbesondere auf Art. 12 I GG, vgl. BVerfGE 30, 292, 327 ff. (Erdölbevorratung); 37, 71, 78 ff.; 37, 342, 354; 46, 246, 256 ff.; 62, 256, 274; 79, 212, 218; 85, 238, 247; 93, 121, 142 (Vermögenssteuer); BVerfG NJW 1998, S. 1477 (Kleinbetriebsklausel); vgl. auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 166 (vgl. weiter unten sub V 1 b bb). 2047 BVerfGE 88, 87, 96; 89, 365, 375; 91, 346, 362 f.; 91, 389, 401; 92, 26, 51 f. (Zweitregister); 92, 365, 407 f.; 94, 260, 241; 95, 143, 155; 95, 267, 317 (Altkreditschulden); vgl. auch BVerwGE 100, 287, 295; vgl. zu dieser Einschätzung Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 481 ; Jarass, in: NJW 1997, S. 2546 f. 2048 j ) j e Anwendung der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ungleichbehandlungen befürworten im Prinzip Zippelius, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 23; P.-M. Huber, Kon-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

gen 2 0 4 9 als Voraussetzung ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ergibt, wenn sie über das Willkürverbot hinausgehen 2050 . Ist die Gleichheitsprüfung nur eine Willkürverbotsprüfung (besonders bei sachlicher Ungleichbehandlung), dann braucht ihre Verhältnismäßigkeit nicht weiter geprüft zu werden, wenn man der Formulierung der neueren Rechtsprechung des BVerfG folgen will. Dieser Schluß erscheint allerdings aus mindestens zweierlei Gründen problematisch: Zuerst ist zu erwähnen, daß der Unterschied zwischen sachlicher Differenzierung und differenzierender Behandlung verschiedener Personengruppen als Anwendungskriterium der Verhältnismäßigkeitskontrolle der Differenzierung in der Praxis schwierig zu erkennen sein kann 2 0 5 1 . Zusätzlich scheint die Annahme einer solchen Position auch bezüglich der Verhältnismäßigkeit i. e. S. und des Abwägungsgebots problematisch 2052 und kann nur in

kurrenzschutz, S. 527; Rüfner, in: BK, Art. 3 I, Rd. 97; Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 29; Huster, in: JZ 1994, S. 543 ff., 548; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 95; Schliesky,

Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 276. 2049 Zur ähnlichen Problematik in der Rechtsprechung des Straßburger EGMR vgl. die Nachweise bei Huster, Rechte und Ziele, S. 63; zum allgemeinen Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des Luxemburger EuGH vgl. unten zweiter Teil. 2050 Vgl. zu dieser Interpretation der "neuen Formel" BVerfGE 95, 143, 155; vgl. auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts in der Anm. oben; weiterhin Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 14 (m. w. N.); Huster, Rechte und Ziele, S. 62 f. (mit zahlreichen Hinweisen auf die Literatur); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 482 f.; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 24; Krugmann, in: JuS 1998, S. 8; im Ergebnis ebenso VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 189; Osterloh, in: Sachs, GG-K, Art. 3, Rd. 13 f , 25; Jarass, in: NJW 1997, S. 2548; dazu neigt auch Neumann, in: DVB1. 1997, S. 95; vgl. auch Rüfner, in: BK, Art. 3., Rd. 26 ff, der die "neue Formel" des BVerfG nicht als eine Fortsetzung der alten Rechtsprechung, sondern als eine "völlige Neuerung" bezeichnet hat; vgl. demgegenüber die abw. Meinung des Richters Katzenstein, in: BVerfGE 74, 9, 30, der, obwohl er zum gleichen Ergebnis kommt, die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips beim Gleichheitssatz kritisiert, und die Bedenken von Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 35; weiterhin meint Hesse, in: FS Lerche, S. 129, daß das Willkürverbot einen Rückgriff auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrifflich ausschließe; ablehnend auch Sachs, in: JuS 1997, S. 129. 2051 ygj a u c h Gubelt, i n : vM/K, Art. 3, Rd. 14, der davon ausgeht, daß zwischen persönlicher und sachlicher Rechtsgleichheit kein rechtserheblicher Unterschied besteht; Osterloh, in: Sachs, GG-K, Art. 3, Rd. 27; Sachs, in: JuS 1997, S. 128 f.; Jarass, in:

NJW 1997, S. 2547. 2052

Diese Probleme sind in der BVerfGE 36, 321 ff. (Schallplatten) eindeutig. Wegen der spezifischen Marktstellung, die die Schallplatten im Vergleich zu den Büchern, Zeitungen und Zeitschriften innehaben, wurde die umsatzsteuerliche Benachteiligung der Schallplatten den anderen publizistischen Kommunikationsmedien gegenüber nicht sachwidrig und dementsprechend nicht willkürlich beurteilt - a. a. O., S. 337 ff. Das Gericht hat aber trotzdem zu Recht dargelegt - a. a. O., S. 334 -, daß es allerdings verfassungsrechtlich bedenklich wäre, wenn durch die verschiedene Besteuerung der Umsätze ein Medium in seiner Wettbewerbsfähigkiet gegenüber anderen Kommunikationsmitteln wesentlich beeinträchtigt würde. Die Wesentlichkeitsprüfung der Beeinträchtigung ist nichts anderes als eine Verhältnismäßigkeitsprüfung i. e. S. und eine Abwägungskon-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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solchen Fällen zutreffen, die auf Erwägungen der Gerechtigkeit oder sogar auf der Natur der Sache beruhen 2053 . Das bedeutet, daß eine Verhältnismäßigkeitskontrolle i. e. S. bzw. eine Abwägung zwischen der umstrittenen Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung und dem verfolgten Zweck regelmäßig erforderlich ist 2 0 5 4 . Andererseits aber ist auf die Schwierigkeiten einer Verhältnismäßigkeitsprüfung von Ungleichbehandlungen hinzuweisen. Es darf nicht verkannt werden, daß hinsichtlich der Ungleichbehandlungen, deren Gleichheitsmäßigkeitsprüfung über das Willkürverbot hinausging, die richterliche Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Gleichheitsrechte bisher nicht einheitlich und nicht immer genauso streng wie für die Freiheitsrechte war 2 0 5 5 . Das betrifft insbesondere das Erforderlichkeitsgebot, das die Rechtsprechung des BVerfG vergleichsweise weniger streng angewendet hat. Denn seine Anwendung soll hin-

trolle. Das wird noch eindeutiger in den BVerfGE 21, 12, 27 f.; 93, 121, 146 (Vermögenssteuer), gezeigt, wobei von einem "Mißverhältnis" gesprochen wird; vgl. auch BVerfGE 51, 1, 24; 81, 208, 224; 82, 126, 146; 85, 238, 24; VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 189; weiterhin Selmer, Steuerinterventionismus, S. 358; Müller, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 49; Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 29; Bleckmann, Struktur, S. 67, die eine Proportionalitäts- bzw. Abwägungsprüfung befürworten. 2053 Vgl. Huster, in: JZ 1994, S. 543 f.; zustimmend Jarass, in: NJW 1997, S. 2549. Wenn man den Fall der höheren Besteuerung der Gastwirte als Beispiel nimmt, kann man folgendes darlegen: Die Vereinbarkeit der ungleichen Besteuerung der Gastwirte untereinander entsprechend ihres Umsatzes mit dem allgemeinen Gleichheitsgebot kann nur am Maßstab des Willkürverbots geprüft und ohne weiteres bejaht werden, wenn die Ungleichbehandlung dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit entspricht, daß "die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird" - dazu BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögenssteuer); Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 51 \ Rüfner, in: BK, Art. 3 I, Rd. 199 f.; ders., in: FS Kriele, S. 277; Huster, a. a. O , S. 545, jeweils mit weiteren Nachweisen bzgl. der Rechtsprechung des BVerfG und BFH. Eine Verhältnismäßigkeitskontrolle ist nicht nur überflüssig, sondern auch gegenstandslos. Wenn man dagegen die Vereinbarkeit der höheren Besteuerung der Gaststätten im Vergleich zu den anderen Lokalen prüft, dann handelt es sich nicht mehr nur um die Willkür-, sondern auch um die Verhältnismäßigkeitskontrolle. Denn es muß weiter geprüft werden, ob diese Maßnahme einen "legitimen" Zweck verfolgt und darüber hinaus geeignet, u. U. erforderlich und angemessen dazu ist; anders Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 65, der unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips eine Verhältnismäßigkeitskontrolle steuerrechtlicher Ungleichbehandlungen per se ausschließt. 2054

Zippelius, in: VVdDStRL, a.a.O., S. 23; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 527; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 506; Bleckmann, Struktur, S. 67; Osterloh, in: Sachs, GG-K, Art. 3, Rd. 22; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 95; vgl. auch Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 14, wo die Verhältnismäßigkeit i. e. S. betont wird, und Rd. 29; a. Α. Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 25, der sowieso der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ungleichbehandlungen zurückhaltend gegenübersteht und sich eher am Sachlichkeitsgebot orientiert - so a. a. O , Rd. 29. 2055 ygj Bleckmann, Struktur, S. 66, der das Verhältnismäßigkeitsprinzip nur für beschränkt auf den Gleichheitssatz anwendbar hält.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ter der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zurücktreten 2056 . Ansonsten bedeutet die Anwendung der Verhältnismäßigkeitskontrolle, daß die Differenzierung einen "legitimen" Zweck 2 0 5 7 verfolgen muß 2 0 5 8 , der mit der Wertordnung des GG vereinbar sein 2 0 5 9 und dem öffentlichen Interesse dienen 2060 sowie geeignet für das Erreichen dieses Zwecks sein muß 2 0 6 1 . Es muß auch an dieser Stelle hervorgehoben werden, daß der Gesetzgeber und ggf. die Verwaltung nach der Wahl des zu verfolgenden Zwecks und bei der Einschätzung der Teilgebote einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum besitzen 2062 . Die "neue Formel" des 1. Senats hat der 2. Senat des BVerfG nur vereinzelt und zum Teil angenommen 2063 , ansonsten scheint er sie zu ignorieren. Dagegen erweckt er den Eindruck, daß er im Rahmen der Willkürverbots- bzw. Sachlichkeitsgebotskontrolle beim allgemeinen Gleichheitssatz als dem einzigen Maßstab bleibt 2 0 6 4 . Das ergibt sich auch aus seinen Verweisungen, die keinerlei

2056

Vgl. BVerfGE 3, 162, 182; 4, 7, 18 (Investitionshilfe): "Das Bundesverfassungsgericht ist" aus dem allgemeinen Gleichheitssatz "nicht befugt, Gesetze daraufhin zu prüfen, ob sie im ganzen oder in einzelnen Bestimmungen zweckmäßig sind"; 14, 105, 117 f. (Branntweinmonopol), wonach die Entscheidung, ob die Steuerung über den Preis im Rahmen des Monopols durch einen Überbrandabzug oder auf andere Weise erfolgen soll, im Grunde wirtschaftspolitischer Natur sei und infolgedessen zu dem Bereich gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit gehöre. Das BVerfG habe nicht zu prüfen, ob es eine andere Regelung gegeben hätte, die zweckmäßiger, gerechter oder auch finanziell ergiebiger gewesen wäre; zustimmend Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 29; dagegen für die Anwendung des Erforderlichkeitsgebots Zippelius, in: VVdDStRL 47 (1989), S. 23; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 527; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 506; Jarass, in: NJW 1997, S. 2549. Huster, in: JZ 1994, S. 543 ff, schließt das Erforderlichkeitsgebot aus dem Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsprinzips bezüglich der Eingriffe in den allgemeinen Gleichheitssatz nicht aus, betont aber die Verhältnismäßigkeit i. e. S. und das Abwägungsgebot. 2057

Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 24 setzt den "legitimen Zweck" mit dem "Differenzierungsziel" der Ungleichbehandlung gleich. 2058 Vgl. BVerfGE 4, 7, 19 (Investitionshilfe); 85, 238, 245; vgl. auch BVerfGE 93, 121, 148 (Vermögenssteuer); 93, 319, 348 f. (Wasserpfennig). 2059 BVerfGE 89, 365, 376; ferner BVerfGE 13, 290, 298 f.; 17, 210, 217. Das Verfassungsgericht spricht hier von "Wertentscheidungen", die den Gleichheitssatz prägen sollen; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 62 ff.; Gubelt, in: vM/K, Art. 3 Rd. 28; Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 24. 2060 So Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 274 ff. 2061 So Jarass, in: NJW 1997, S. 2549, der die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in vollem Umfang bevorzugt. 2062 So Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 508. 2063 BVerfGE 76, 256, 329; 92, 277, 318 (DDR-Spione). 2064 BVerfGE 75, 108, 157; 78, 249, 287 f.; 80, 109, 118; 93, 121, 142 ff. (Vermögenssteuer); 93, 319, 348 f. (Wasserpfennig); weiterhin BVerwGE 97, 24, 26; 98, 280, 288; 101, 86, 96; zur Erläuterung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vgl. P. Kirchhof, in: HdDStR, V, 3 124, Rd. 217; vgl. zu dieser Einschätzung wie hier die Rechtsprechung des 2. Senats bei Hesse, in: FS Lerche, S. 125.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Rücksicht auf die "Neue Former-Rechtsprechung des 1. Senats nehmen und sich entweder auf ältere Entscheidungen des BVerfG oder auf neuere Entscheidungen nur des 2. Senats beziehen. A u f die Verhältnismäßigkeitskontrolle der Ungleichbehandlungen als Maßstab des Art. 3 I GG findet man keinen Hinweis 2065 .

ßß) Die Rechtsprechung der beiden Senate des BVerfG im Vergleich Verhältnismäßigkeitsprüfung mit oder auch ohne "neue Formel"? Verallgemeinernd kann man aus einer gesamten Betrachtung der älteren Rechtsprechung des BVerfG, der Rechtsprechung des 1. und des 2. Senats nach der "neuen Formel" und des Schrifttums über die Frage "allgemeiner Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeitsprüfung" davon ausgehen, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sei es als Element des Tatbestandes, sei es als Element der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Eingriffe, in dem allgemeinen Gleichheitssatz mitenthalten ist. Infolgedessen weichen die beiden Senate des BVerfG nicht wesentlich voneinander ab, obwohl der 2. Senat im Gegensatz zum 1. Senat, wie gezeigt, nicht ausdrücklich auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip rekurriert. Soweit man also annimmt, daß in den Schutzbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht nur das Willkürverbot als Verbot, wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln, sondern auch das Sachlichkeits- bzw. Begründungsgebot fällt, und daß die Ungleich- bzw. Gleichbehandlung auf einen sachlichen Grund, der dem Allgemeinwohl dienen soll, zurückzuführen ist, findet man den ersten Verbindungspunkt zwischen dem Gleichheitsgebot i. S. d. Art. 3 I GG und der Verhältnismäßigkeit 2066 . Aber auch Elemente der Verhältnismäßigkeit i. e. S. findet man in dem Willkürverbot, wie bereits ausgeführt wurde 2067 . Schließlich wohnt auch das Geeignetheitsgebot dem Sachlichkeitsgebot inne 2068 , wie selbst das BVerfG

2065 Seine Zweifel, ob die "neue Formel" sich in der Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere der des zweiten Senats, durchgesetzt hat, äußert auch Huster, Rechte und Ziele, S. 62 f. 2066 Es ist grundsätzlich der Fall, daß der dem öffentlichen Interesse dienende Zweck die Willkürlosigkeit und Sachlichkeit der Differenzierung bzw. Gleichbehandlung bestimmt - vgl. auch Bleckmann, Struktur, S. 88, der ausführt, daß das öffentliche Interesse "von ihnen" auf den Gleichheitssatz dadurch einwirke, daß es die Sachlichkeit der Differenzierung bestimmen könne; vgl. auch in diese Richtung BVerfGE 84, 239, 274; 92, 26, 51 f. (Zweitregister); 93, 121, 148 (Vermögenssteuer); ferner Müller-Graff, Deutscher Bericht in: FIDE (Hg.) 1984, S. 11 f.; P. Kirchhof, in: HdDStR, V, 3 124, Rd. 217; vgl. aber Krugmann, in: JuS 1998, S. 8, der gerade das Sachlichkeits- bzw. Begründungsgebot als Differenzierungsmerkmal zwischen dem Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betrachtet. 2067 Vgl. oben sub αα. 2068 So auch P. Kirchhof in: HdDStR, V, § 124, Rd. 161.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

angenommen hat: Eine solche Geeignetheitskontrolle hat das BVerfG durchgeführt, wenn es daran zweifelte, ob die gewerbesteuerliche ungleiche Belastung der Zweigstellenunternehmen dem Mittelstandsschutz dienen könnte. Denn ein erheblicher Teil der Zweigstellenunternehmen gehört selbst zum Mittelstand. Es hat jedenfalls die umstrittene Regelung deswegen beanstandet, daß "der Gesetzgeber aus dem Kreis sämtlicher Großunternehmen nur die Zweigstellenunternehmen herausgegriffen hat und sie damit gegenüber den anderen Großunternehmen, die nach ihrer wirtschaftlichen Struktur und Ertragskraft in gleicher Weise eine belastende Konkurrenz für den mittelständischen Einzelhandel bilden, benachteiligt hat" 2 0 6 9 . Die Benachteiligung wurde als willkürlich behandelt, da Umsatzvergleiche zeigten, daß in dem umstrittenen Differenzierungskriterium zwischen Großunternehmen ohne Filialen und Filialunternehmen keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Die gesetzliche Regelung hat demgemäß wesentlich Gleiche ungleich behandelt. Wenn man die Zweifel des Gerichts bezüglich der Geeignetheit der Maßnahme, den erstrebten Zweck zu erreichen, und seinen Schluß über ihre willkürliche Differenzierung teilen will, wie sie hier für richtig gehalten wird, dann sollte man davon ausgehen, daß in dem betroffenen Fall nicht nur die Willkürverbots-, sondern auch die Verhältnismäßigkeits- als Geeignetheitsprüfung in Betracht kommen mußte 2070 , oder m. a. W. wurde die Willkürverbots- auch als Geeignetheitsprüfung behandelt. Zum anderen wurde auf die Interpretationsschwierigkeiten der "neuen Formel" des 1. Senats bereits Bezug genommen 2071 . Diese Schwierigkeiten, die sich besonders aus der unterschiedlichen Intensität der Prüfung der Ungleichbehandlung ergeben, stellen den Differenzierungspunkt zwischen der Rechtsprechung der beiden bundesverfassungsgerichtlichen Senate dar.

ß) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der ... αα) ... Eingriffe aus steuerlicher Ungleichbehandlung "Steuerrechtliche Vorschriften müssen nicht allein der Erzielung von Einnahmen für den Staatshaushalt dienen, sondern dürfen auch bestimmte sozialund wirtschaftspolitische Ziele verfolgen" 2072 . Es passiert oft, daß diese Ziele durch Ungleichbehandlungen und sonstige Differenzierungen erreicht werden können. Die steuerlichen Ungleichbehandlungen, die auf die Wettbewerbsgleichheit einwirken, dürfen wie jede Ungleichbehandlung nicht willkürlich 2069

BVerfGE 19, 101, 116 ff.; vgl. auch Bleckmann, Struktur, S. 98, bezüglich der Systemgerechtigkeit des Gesetzgebers. 2070 So auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 90. 2071 ygj oben sub αα. 2072

BVerfGE 85, 238, 244.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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und müssen aus sachlichen Gründen finanz- und sozialpolitischer, volkswirtschaftlicher oder steuertechnischer Natur und mit entsprechenden Erwägungen gerechtfertigt sein. Nur dann sind sie von dem Betroffenen hinzunehmen 2073 . Diese sachlichen Gründe können sich aus dem Charakter der Berufstätigkeit sowie der Prosperität, Stellung und Bedeutung der betroffenen Produkte, Unternehmen bzw. Unternehmensbranchen und freien Berufe im Sozialgefüge ergeben und eine Differenzierung von der Rüge der Willkür entbinden (Differenzierungskriterium) 2074 . Das war der Fall bei der ungleichen Umsatz- oder gewerbesteuerlichen Behandlung von Schallplatten einerseits und Büchern, Zeitungen und Zeitschriften andererseits 2075, zwischen "einstufigen" und "mehrstufigen" Unternehmen 2076 , zwischen Schaumweinhändlern, die einen Lagerbestand von mehr als 200 Flaschen Schaumwein besaßen und denen, die weniger als diese Grenze besaßen2077, oder zwischen Kraftdroschken und Mietwagen 2078 , nicht aber zwischen Unternehmen ohne Filialen und Filialunternehmen 2079 oder zwischen ärztlichen Laborgemeinschaften und gewerblichen Analyseunternehmen 2080 . Darüber hinaus müssen die Differenzierungen der Verfolgung eines "legitimen" Zwecks dienen, der den "sachlichen" Grund der Differenzierung darstellen soll. Solche Zwecke sind die Förderung eines im Interesse der Allgemeinheit stehenden Berufszweiges wie dem der Kraftdroschkenunternehmer 2081 , die Förderung der grenzüberschreitenden Wettbewerbsfähigkeit eines Produkts wie der Bücher 2082 , die Förderung des staatspolitischen Interesses an Information und öffentlicher Meinungsbildung 2083 , die Erleichterung umsatzschwächerer Betriebe (Kleinunternehmen) gegenüber den umsatzstärkeren (Großunternehmen) 2084, die Förderung des Mittelstandes 2085 u. a. Zusätzlich werden solche Maßnahmen durch den im Steuerrecht geltenden Satz von der verhältnismäßigen Gleichheit gerechtfertigt 2086. Dagegen ist kein "legitimer" 2073 So BVerfGE 43, 55, 70; 85, 238, 244; 93, 319, 348 f. (Wasserpfennig); vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 145; weitere Nachweise bei Huster, in: JZ 1994, S. 545, Fn. 66 (dort). 2074 BVerfGE 37, 38, 49. 2075 BVerfGE 36, 321, 337 ff. (Schallplatten). 2076 BVerfGE 21, 12, 26 ff. 2077 BVerfGE 27, 375, 386 ff. 2078 BVerfGE 85, 238, 244. 2079 BVerfGE 19, 101, 114. 2080 BVerfGE 43, 58, 68 ff. 2081 BVerfGE 85, 238, 245 f. 2082 Vgl. BVerfGE 36, 321, 340 (Schallplatten). 2083 BVerfGE 36, 321, 340 (Schallplatten). 2084 BVerfGE 14, 105, 117 f. (Branntweinmonopol); 19, 101, 114; 37, 38, 52 ff.; vgl. auch Leisner, in: DVB1. 1989, S. 1031. 2085 BVerfGE 19, 101, 114. 2086 BVerfGE 37, 38, 52.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Zweck fur eine ungleiche Steuerbelastung die ohne weiteres mögliche Wiederherstellung der Gleichheit im Wettbewerb und der Ausgleich des Vorsprungs als solchem, den Marktteilnehmer im Wettbewerb durch ihre (leistungsbezogene) wettbewerbliche Tätigkeit ihren Konkurrenten gegenüber bekommen haben. Denn ein solcher Zweck widerspricht der grundgesetzlichen Wertordnung, die eine gleiche (Wettbewerbs-)freiheit für alle gewähren will. Wenn aber dieser Zweck mit anderen Gründen verbunden ist, die sich aus Rechtsgütern ergeben, die nicht der Wertordnung des GG widersprechen und zumindest dem Allgemeinwohl dienen 2087 , wie ζ. B. der Umwelt- (vgl. Art. 20 a GG) 2 0 8 8 oder der Verbraucherschutz, die Volksgesundheit (vgl. Art. 2 I I 1 GG), die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaftsbranche, die Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Beseitigung bestehender Nachteile (vgl. Art. 3 I I 2 GG n. F.) oder das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht (vgl. Art. 109 I I GG) 2 0 8 9 , dann kann die Ungleichbehandlung nur deswegen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden 2090 . 2087

Vgl. auch Gubelt, vM/K, Art. 3, Rd. 51. Vgl. dazu BVerfGE 93, 319, 350 (Wasserpfennig). 2089 ygi Bleckmann, Struktur, S. 86, der aber das Gleichgewichtsgebot aus Art. 109 II GG als (immanente?) Schranke des Gleichheitssatzes bezeichnet. Man muß hier festhalten, daß das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht eine eventuelle steuerliche Ungleichbehandlung zwischen Unternehmen, die ihren Sitz in den alten Bundesländern, und denjenigen, die ihren Sitz in den neuen Bundesländern haben, zugunsten der letzteren unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebots rechtfertigen kann. Denn sie könnte dazu beitragen, daß Unternehmer Investitionen in den neuen Bundesländern tätigen und sich dadurch die wirtschaftliche Lage dort der entsprechenden Lage der alten Bundesländer angleicht. 2090 Vgl. BVerfGE 18, 315, 335 ff. (Sterilmilch), die eine steuerliche Ungleichbehandlung in dem (Wettbewerbs-)Verhältnis Sterilmilch-Trinkmilch zuungunsten der ersteren mit dem Argument der Wiederherstellung der Gleichheit im Wettbewerb und dem Ausgleich des Vorsprungs, den die erstere in ihm von der Milchmarktordnung bekommen hat, gerechtfertigt hat. Das BVerfG hat darüber hinaus die Regelung als nicht willkürlich mit dem Argument behandelt, daß innerhalb einer Marktordnung das Motiv des Schutzes bestimmter Erzeugnisse gegen Konkurrenz nicht sachfremd sei, wenn dies zur Verwirklichung der Marktordnung erforderlich erscheine. Aber welcher Marktordnung? Einer Marktordnung, deren Verwirklichung hauptsächlich der Gesetzgeber bestimmt, oder einer Marktordnung, die in erster Linie auf den wirtschaftlichen Grundrechten beruht, die der Gesetzgeber in ihrer zwar Gestaltungsfreiheit nur nach grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Maßstäben einschränken darf? In einer Marktordnung wie der ersteren könnte die Regelung zulässig sein. In einer Marktordnung wie der zweiten nicht. Dies ist aber die Marktordnung, die auf der Wirtschaftsverfassung des GG beruht, deren Bestandteil der Gleichheitssatz ist (vgl. oben sub A I 2 a). Da andere Gründe, die die Ungleichbehandlung hätten rechtfertigen können, in der Entscheidung nicht erkennbar sind, muß man zu dem Schluß kommen, daß das BVerfG hätte weiterprüfen müssen, ob der umstrittene Grund oder Zweck nicht der grundgesetzlichen Wertordnung widerspricht und dem Allgemeinwohl dient. Das war aber nicht der Fall. Die umstrittene Abgabebelastung verletzte die Wettbewerbsneutralität des Staates, indem sie den einen Konkurrenten zugunsten des anderen belastete, nur weil sie ihn im Wettbewerb fördern wollte. Die Verfassungswidrigkeit im Sinne des allgemeinen 2088

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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In einigen Fällen wird der "legitime" Zweck direkt aus dem Sozialstaatsprinzip 2 0 9 1 abgeleitet, wie im Fall der Steuerbegünstigung kleiner Unternehmen, damit sie im Wettbewerb bestehen können 2092 , oder überhaupt der Steuerbegünstigung von bestimmten Unternehmen bzw. Unternehmensbranchen, von denen zu erwarten ist, daß sie dadurch ζ. B. die Arbeitslosigkeit abbauende2093 oder Behinderte fördernde 2094 Investitionen tätigen. Die steuerliche Ungleichbehandlung muß auch, wie bereits dargelegt 2095 , geeignet und proportional (verhältnismäßig i. e. S.) sein. Über die Geeignetheitskontrolle wurde bereits das Beispiel der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Unternehmen mit und ohne Filialen ausgeführt 2096. Die Proportionalität der Ungleichbehandlung hat das BVerfG im Fall der umsatzsteuerlichen Differenzierung zwischen "einstufigen" und "mehrstufigen" Unternehmen 2 0 9 7 , Schallplatten und publizistischen Kommunikationsmitteln 2098 oder Kraftdroschken und Mietwagen 2099 geprüft. Diese Beispiele zeigen, daß die Kontrolle des Beachtens des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf jeden Fall in seinen einzelnen Teilgeboten die Kontrolle des Willkürverbots ergänzt und u. U. geboten ist.

ßß)... Eingriffe durch Subventionierung Die Ungleichbehandlungen, die sich aus einer Subventionsvergabe ergeben, müssen genauso willkürfrei und sachgerecht sein wie die aus einer SteuerbelaGleichheitssatzes aus Art. 3 I GG liegt darin - abgesehen von den hier vertretenen Zweifeln, ob die Regelung sachlich und willkürfrei i. S. d. Willkürverbots war -, daß es keinen anderen dem öffentlichen Interesse oder dem allgemeinen Wohl dienenden Grund gab, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen würde. Denn nach der hier vertretenen Ansicht - entgegen der Position des BVerfG - kann allein der Ausgleich eines Vorsprungs, der durch leistungsbezogene wettbewerbliche Tätigkeit erlangt wurde, eine Ungleichbehandlung eines Konkurrenten zugunsten eines anderen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Das ist vielmehr der Fall, wenn sich die umstrittene Regelung auf die Wahrnehmung von Grundrechten (vgl. Art. 12 I GG) nachteilig auswirkt - vgl. BVerfGE 91, 389, 401. Eine solche Regelung überschreitet die Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und der "relativ offenen" Wirtschaftsverfassung des GG. 2091 Vgl. dazu Neumann, in: DVB1. 1997, S. 95; weiterhin BVerfGE 94, 241, 263. 2092 So BVerfGE 37, 38, 53; vgl. auch E 19, 101, 114; Starck, in: vM/K/S, Art. 3 Abs. 1, Rd. 32; Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 60. 2093 Vgl. Bleckmann, Struktur, S. 88. 2094 Vgl. dazu Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 152. 2095 yg] oben sub α αα. 2096 2097 2098 2099

Vgl. oben sub α ßß. BVerfGE 21, 12, 27 ff. BVerfGE 36, 321, 334 (Schallplatten). BVerfGE 85,238,246.

24 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

stung oder -begünstigung. Die Maßstäbe, die eben dargelegt wurden, gelten auch hier. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Subventionierung im Sinne des allgemeinen Gleichheitsgebots ist grundsätzlich unproblematisch und bleibt im Rahmen der Prüfung des Willkürverbots 2100 . Da die Subventionen in einem sozialen Rechtsstaat kein Geschenk sein dürfen 2101 , muß weiter geprüft werden, ob die Subventionierung aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist 2 1 0 2 . Ein solcher Grund kann der Umweltschutz 2103 , die Förderung einer Wirtschaftsbranche oder eines Produkts im internationalen Wettbewerb sein 2104 oder aus dem Sozialstaatsprinzip 2105 abgeleitet werden, wie ζ. B. der Abbau der Arbeitslosigkeit 2106 , die Förderung von Behinderten u. s. w 2 1 0 7 . In diesem Sinne ist die Willkürkontrolle der Subventionierung unmittelbar mit dem Geeignetheitsgebot des Verhältnismäßigkeitsprinzips für das Erreichen dieses Zwecks verbunden. Wenn ein Unternehmen mit dem Argument subventioniert wird, kein Personal zu entlassen, damit die Arbeitslosigkeit bekämpft wird, ist die Subventionierung kein geeignetes Mittel zu diesem Zweck, wenn das betroffene Unternehmen finanziell so stark ist, daß es nicht in der schwierigen Lage ist, Arbeitnehmer entlassen zu müssen. Die Subventionierung kann auch als willkürlich scheitern, wenn zwischen zwei oder mehreren Unternehmen, die einen Sachverhalt genausowenig erfüllen (Bekämpfung der Arbeitslosigkeit), der eine von ihnen bevorzugt wird. Etwas anders liegt der Fall, wenn die Subventioniçrung zur Konsequenz haben kann, daß der Konkurrent des begünstigten Unternehmers wegen der Subventionierung seines Mitbewerbers gezwungen ist, seinen Betrieb mit den gleichen Folgen bezüglich der Arbeitslosigkeit stillzulegen. In diesem Fall kann zwar die Subventionsförderung willkürfrei und begründet sein, ist aber ungeeignet sowie darüber hinaus unangemessen

2100 So BVerwGE 30, 191, 194 (Winzergenossenschaftensubventionierung); OVG Münster NVwZ 1984, S. 525; Spanner, Die Spannungslage, S. 91; Stober, Grundrechtsschutz, S. 128; P.-M Huber, S. 378, 539; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 85. 2101 So auch Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 736; Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 72; Bleckmann, Struktur, S. 86 f. 2102 So auch BVerfGE 78, 249, 277 f.; 93, 121, 148 (Vermögenssteuer); 93, 319, 350 (Wasserpfennig); BVerwGE 30, 191, 194 (Winzergenossenschaftensubventionierung); Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 736; Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 45. 2103 So Gubelt, in: vM/K, Art. 3, Rd. 24; Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 5; vgl. auch BVerfGE 93, 319, 350 (Wasserpfennig). 2104 ygj BVerwGE 30, 191, 194 (Winzergenossenschaftensubventionierung); dagegen erscheint schlicht zweifelhaft die "generell problematische Wettbewerbssituation" einer gewerblichen Branche als hinreichenden Grund anzunehmen, um eine Subvention zu rechtfertigen - bejahend BVerfGE 93, 319, 350 (Wasserpfennig). 2105 Vgl. dazu Neumann, in: DVB1. 1997, S, 95. 2106 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 24, Rd. 46; ders., Struktur, S. 82, 88. 2107 Ygj f e r n e r o b e n sub a o t

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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(unverhältnismäßig i. e. S.) für den Konkurrenten 2108 und demgemäß unverhältnismäßig (i. w. S.) zur Verfolgung dieses "legitimen" Zwecks. Dagegen ist die Subventionsförderung eines wirtschaftlich starken Unternehmens ein geeignetes Mittel, wenn sie zu weiteren Investitionen beiträgt, die die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zum Ziel haben. Es steht außer Frage, daß der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung in diesem Bereich der Leistungsverteilung einen besonders weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum haben, den zu verfolgenden Zweck zu bestimmen sowie zu prüfen, ob ihre Leistung das geeignete Mittel zum Erreichen dieses Zwecks ist, so daß in der Praxis die Kontrollbefugnis des Richters in solchen Fragen entsprechend gering ist 2 1 0 9 .

γγ) ... Eingriffe durch öffentlichen Wettbewerb Dasselbe gilt für den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 3 I GG durch die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb. Die Begünstigung der öffentlichen Unternehmen im wirtschaftlichen Wettbewerb gegenüber Privaten darf nicht willkürlich oder sachwidrig geschehen2110 und muß aus einem dem Allgemeinwohl dienenden Zweck gerechtfertigt sein 2111 . Im Bereich der Daseinsvorsorge und der weiteren Sozialpolitik 2112 ist eine Förderung verschiedener Art aus diesen Gründen unproblematisch. Zweifelhaft ist aber im Sinne des allgemeinen Gleichheitsgebots die Privilegierung der öffentlichen Hand in ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung. Es wurde aber bereits dargelegt 2113 , daß die reine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand kaum vorstellbar ist, so daß sich die Frage eher theoretisch stellt. Abgesehen davon besitzt die öffentliche Hand tatsächliche Privilegien im Wettbewerb mit Privaten,

2108 Man muß hier hervorheben, daß in diesem Fall nicht nur die Wettbewerbsgleichheit aus Art. 3 I GG, sondern auch die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121 und 1411 GG verletzt wird (vgl. dazu oben sub add β αα ßßß, b cc δ und unten sub V 1 b bb). 2109 Vgl. wie hier Bleckmann, Struktur, S. 83 f. 2110 BVerfGE 64, 229, 239 f. (Grundbucheinsicht); BVerwGE 17, 306, 312 (Mobiliarfeuerversicherung); 39, 329, 337 (kommunales Bestattungsunternehmen); BVerwG NJW 1988, S. 1278 (Wohlfahrtspflege); VG Bremen NJW 1988, S. 842; H. H. Klein, Die Teilnahme, S. 231; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 127; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 165 (m. w. N.). 2111 BVerwGE 17, 306, 312 (Mobiliarfeuerversicherung); 39, 329, 337 (kommunales Bestattungsunternehmen); BVerwG NJW 1978, S. 1540 (kommunale Wohnungsvermittlung); BVerwG NJW 1988, S. 1278 (Wohlfahrtspflege); VG Münster NVwZ 1982, S. 523 (kommunale tierärztliche Tätigkeit). 2112 Vgl. BVerwGE 39, 329, 333 (kommunales Bestattungsunternehmen), wonach die die öffentliche unternehmerische Betätigung rechtfertigenden Gründe nicht nur im Bereich der Daseinsvorsorge liegen müssen. 2113 Vgl. oben sub I I 3 c d d ß.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

die allerdings nicht am Gleichheitssatz zu messen sind 2114 . Infolgedessen wurden die Einfuhrung eines Anschluß- und Benutzungszwangs bei einem öffentlichen Feuerversicherungsunternehmen 2115, die wirtschaftliche Betätigung einer Stadt auf dem Gebiet des Bestattungswesens2116, die kommunale Betätigung im Pferdegesundheitsdienst aus Gründen, die die Gesundheit des Pferdebestandes anbelangten2117, die Tätigkeit einer Stadt im Bereich der WohnungsVermittlung aus sozialstaatlichen Gründen 2118 oder die Gewährung von Zuschüssen an Altenheime von Trägern der freien Wohlfahrtspflege ebenfalls aus sozialstaatlichen Gründen 2119 als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar erklärt. Dagegen wurden das Drücken der Abnehmerpreise durch Verkauf unabgeschöpften Getreides durch die Bundesrepublik Deutschland, was bei den Importeuren des abgeschöpften Getreides Verluste verursachte 2120, und die Erleichterung der Grundbucheinsicht für die Sparkassen 2121 verfassungsrechtlich im Sinne des allgemeinen Gleichheitsrechtsgrundsatzes beanstandet. Im letzten Fall wurde das BVerfG nicht davon überzeugt, daß es zwischen den Sparkassen und ihren privaten Konkurrenten wesentliche Unterschiede gibt, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, und hat die umstrittene Regelung als einen verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 3 I GG der privaten Konkurrenten behandelt, weil sie gegen das Willkürverbot des allgemeinen Gleichheitssatzes verstoßen habe.

δδ)... Eingriffe durch Vergabe öffentlicher Aufträge Wie bereits dargelegt wurde, kann die öffentliche Gewalt, insbesondere die Verwaltung in allen ihren Handlungs- und Organisationsformen, auch durch Vergabe eines öffentlichen Auftrags in die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit aus Art. 3 eingreifen. Über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG hinaus spielen hier eine besondere Rolle die Gleichberechtigung von Männern und Frauen nach Art. 3 I I GG und das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 I I I GG. Die Maßstäbe des Willkürverbots bzw. Begründungsgebots gelten auch hier 2 1 2 2 . Mit einem öffentlichen Auftrag soll derjenige bevorzugt

2114

Vgl. Κ Η Klein, Die Teilnahme, S. 231. BVerwGE 17, 306, 311 f. (Mobiliarfeuerversicherung). 2116 BVerwGE 39, 329, 333 f., 337 (kommunales Bestattungsunternehmen). 2117 VG Münster NVwZ 1982, S. 523. 2118 BVerwG NJW 1978, S. 1540 (kommunale Wohnungs Vermittlung). 2119 BVerwG NJW 1988, S. 1278 (Wohlfahrtspflege). 2120 BVerwG NJW 1972, S. 2326. 2121 BVerfGE 64, 229, 238 ff. (Grundbucheinsicht); zustimmend Starck, in: vM/K/S, Art. 3 Abs. l,Rd. 189. 2115

2122

Faber, in: DÖV 1995, S. 408 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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werden, der sachlich das "beste" Angebot gemacht hat. Die Qualifizierungsentscheidung aus der Sicht des Gleichheitssatzes bestimmen nicht nur Gründe, die die Wirtschaftlichkeit und die Kostenersparnis anbelangen (vgl. § 6 HGrG) 2 1 2 3 , sondern auch andere das Allgemeinwohl betreffende Gründe. Das ist der Fall, wenn einer der Interessenten ein Angebot macht, das vergleichsweise mehr für die öffentliche Kasse kosten würde (ζ. B. durch höhere Preise), aber mit der Verpflichtung verbunden ist, daß er i m Falle der Vergabe des Zuschlags Investitionen tätigt, die offensichtlich dem Allgemeinwohl dienen würden (ζ. B. Abbau der Arbeitslosigkeit, Transfer von Know-how usw.). Der Gestaltungsspielraum für die Vewaltung ist hier besonders groß 2 1 2 4 , er wird aber durch die sog. Selbstbindung der Verwaltung eingeschränkt 2125 .

εε)... Eingriffe durch Information und Warnung Die Vereinbarkeit einer staatlichen Information über oder einer Warnung vor einem Produkt mit dem allgemeinen Gleichheitssatz muß auch nach den Kriterien des Willkürverbots bzw. Begründungsgebots geprüft werden. Dementsprechend muß der Staat die Produkte, über die er informiert oder vor denen er warnt, nach sachgerechten Erwägungen und gleichen Maßstäben beurteilen 2 1 2 6 . Das bedeutet, er darf nicht einzelne Produkte oder Firmen ohne sachlichen Grund aussuchen, wenn die hervorgehobene Tatsache gleichermaßen auf andere Produkte zutrifft 2 1 2 7 , d. h. wenn die Artikel aller Firmen gleich wirksam sind 2 1 2 8 . Andererseits darf er sich auch nicht ohne sachlichen Grund gegen alle Herstellungsfirmen richten, wenn die hervorgehobene Tatsache sachlich nicht auf alle das umstrittene Produkt herstellenden Firmen zutrifft; wenn m. a. W. ihre Wein- bzw. Anti-Baby-Produkte nicht die gleiche gefährliche Wirkung haben.

ζζ)... Eingriffe im Gewerbe- und Berufsrecht Für die bereits dargestellten Einzelfälle des Gewerbe- und Berufsrechts gilt nichts anderes. Eine gleiche Regelung in Form des Vermahlungsplafonds für

2123 2124 2125

So auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 545 f. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 546. Vgl. Faber, in: DÖV 1995, S. 408.

2126 ygj ^ Philipp, Verbraucherinformationen, S. 187; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 124. 2127 Yg] ^ Philipp, Verbraucherinformationen, S. 186; Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 124. 2128 Spaeth, Grundrechtseingriff, S. 123.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

alle Mühlen wurde aus Gründen, die den Ausgleich zwischen leistungsschwächeren und leistungsstärkeren Mitgliedern einer Gruppe zu Lasten der letztgenannten betreffen, im Hinblick auf den Mittelstandsschutz mit dem allgemeinen Gleichheitssatz als vereinbar behandelt 2129 , nicht aber die rabattrechtliche Diskriminierung der Warenhäuser gegenüber anderen Großunternehmen des Einzelhandels 2130 . Sozialpolitische Gründe können andere Ungleichbehandlungen, wie ζ. B. die Bevorzugung Vertriebener bei Kraftdroschkenkonzessionen, rechtfertigen 2131 .

V. Die Wettbewerbsfreiheit in der Problematik des Verhältnisses der Grundrechte untereinander Häufig ist es der Fall, daß die Grundrechtsträger mit einer Handlung oder in einem Sachverhalt die Ausübung zweier oder mehrerer Grundrechte erfüllen. In diesem Fall ergibt sich die Frage, welches oder welche der Grundrechte als Rechtsnormen für den betroffenen Einzelfall (in concreto) angewendet werden sollen bzw. ob alle Grundrechtsnormen, die zuerst relevant erscheinen, dann auch anwendbar sind. Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Problematik des Verhältnisses der Grundrechte untereinander. Sie betrifft die sog. Grundrechtskonkurrenzen und -kollisionen und wird für diese beiden Probleme der allgemeinen Grundrechtslehre als Oberbegriff benutzt 2132 . Gelegentlich wird auch der Begriff "Grundrechtskonflikte" als Oberbegriff für diese zwei (Teil-)Begriffe verwendet 2133 , aber er ist abzulehnen, denn er bezieht sich terminologisch eher auf die Grundrechtskollisionen als auf die Grundrechtskonkurrenzen 2134 . Hier sollen die Grundrechtskonkurrenzen und -kollisionen am Beispiel der Wettbewerbsfreiheit getrennt untersucht werden. Die Schlüsse, die sich aus der Untersuchung des Schutzbereichs, der Eingriffe und der verfas-

2129

BVerfGE 39, 210, 237 (Mühlenvermahlungsplafond). BVerfGE 21, 292, 298 ff. (Rabattgesetz). Das BVerfG hat auf gleicher Linie mit seiner übrigen Rechtsprechung anerkannt, daß der Schutz der mittelständischen Einzelgeschäfte vor der überlegenen Konkurrenz der Großbetriebe des Einzelhandels, auch der Warenhäuser, ein vertretbares und verfassungsrechtlich zulässiges wirtschaftspolitisches Ziel ist. Da aber die umstrittene Regelung des Barrabatts, die dieses Ziel hatte, von allen Großunternehmen nur die Warenhäuser betraf, wurde zu Recht angenommen, daß ihr Differenzierungskriterium sachfremd ist und die Warenhäuser willkürlich diskriminiert. Deswegen hat sich das BVerfG auf eine Willkürkontrolle beschränkt, obwohl der mit der Regelung zu verfolgende Zweck (Differenzierungsgrund) "legitim" war. 2131 Vgl. BVerwGE 23, 312 ff. 2132 v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 41. 2133 Lepa, in: DVB1. 1972, S. 161 ff.; Rüfner, in: FG BVerfG, S. 453 ff.; H. Schneider, Die Güterabwägung, S. 107. 2134 So v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 41. 2130

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

375

sungsrechtlichen Rechtfertigung der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit ergeben haben, werden hier in beachtlichem Umfang berücksichtigt.

1. Die Wettbewerbsfreiheit

in der Problematik der Grundrechtskonkurrenzen a) Problemstellung

Eine Grundrechtskonkurrenz liegt vor, wenn auf das Verhalten eines Grundrechtsträgers mehrere Grundrechte Anwendung finden 2135 oder auf den ersten Anschein hin Anwendung finden könnten. Daraus ergibt sich die Frage, welches von diesen Grundrechten jeweils maßgeblich ist 2 1 3 6 . Die Antwort auf diese Fragen kann nicht mit einheitlichem Maßstab für die jeweiligen Sachverhalte und Grundrechtskonkurrenzen beantwortet werden, denn sie bezieht sich auf eine Vielzahl von Fragen der Normenkonkurrenz in allen rechtlichen Bereichen 2137 sowie auf die Natur der jeweiligen Grundrechte 2138, den Umfang ihres Schutzbereichs und ihre Einschränkbarkeit. Deswegen wurde dargelegt, daß eine befriedigende Lösung des Problems noch nicht gefunden sei 2139 . Die Grundrechtskonkurrenzenfrage hat nicht so große praktische Relevanz bei der Ausübung zweier oder mehrerer Grundrechte, sondern erst dann, wenn zwei oder mehrere Grundrechte der staatlichen Gewalt gegenüber, nachdem diese in ihre Ausübung eingegriffen hat, geltend gemacht werden 2140 . Besondere praktische Bedeutung hat die Frage, wenn zwei oder mehrere Grundrechte anzuwenden sind, die unter verschiedenen grundgesetzlichen Voraussetzungen eingeschränkt werden können 2141 . Das ist der Fall, wenn das eine Grundrecht mit einfachem und das andere mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt garantiert wird oder das eine mit Gesetzesvorbehalt (einfachem oder qualifiziertem) und das andere vorbehaltlos verfassungsrechtlich geschützt wird. Deswegen sollte die Grundrechtskonkurrenzproblematik nicht als eine fruchtlose, theoretische wissenschaftliche Auseinandersetzung betrachtet werden 2142 . Bevor diese Problematik am Beispiel der Wettbewerbsfreiheit ausführlich untersucht wird, ist eine 2135 Lepa in: DVB1. 1972, S. 161; v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 42; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 14, Rd. 1; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1368, 1382. 2136 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 366. 2137 Vgl. ausführlich Stern, Staatsrecht III/2, S. 1371 ff. 2138 Die Frage der Natur der Grundrechte darf nicht mit einer (abstrakten) Rangordnung der Grundrechte verwechselt werden. Eine solche Rangordnung der Grundrechte ist nach dem Prinzip der Einheit der Verfassung grundsätzlich abzulehnen - so auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1375. 2139 v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 43. 2140 v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 42; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1383. 2141 v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 43; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1367. 2142 yg] ^çh jj Schneider, Die Güterabwägung, S. 110.

376

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

kurze Darstellung der Kriterien nützlich, mit denen die allgemeine Grundrechtslehre versucht, das Problem der Grundrechtskonkurrenzen zu bewältigen. Es wurden bisher einige Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, die aber nicht immer zum gleichen praktischen Ergebnis kommen 2143 . Bevor man die verschiedenen Meinungen und Positionen insgesamt betrachtet, kann man einige nützliche methodische Regeln aufstellen: Zuerst muß der Schutzbereich der einschlägigen Grundrechte genau bestimmt und von dem Schutzbereich anderer Grundrechte abgegrenzt werden 2144 . Dann muß man prüfen, ob die betroffene Handlung des Grundrechtsträgers in dem konkreten Einzelfall in den Schutzbereich eines oder mehrerer Grundrechte fällt. Schränkt der Staat - was hier von Wichtigkeit ist - diese Handlung ein, dann ist zu ermitteln, ob die umstrittene staatliche Norm, Maßnahme usw. den Schutzbereich aller einschlägigen Grundrechte berührt. Das ist der Fall, wenn der Staat nur mit einem Eingriff die Handlung berührt, die in den Schutzbereich mehrerer Grundrechte fällt. Das bedeutet, daß es keine Grundrechtskonkurrenz gibt, wenn "in Wahrheit mehrere selbständige (meist aufeinanderfolgende) Eingriffe vorliegen, die jeder nur ein Grundrecht betreffen" 2 1 4 5 , oder in einem Sachverhalt, in dem mehrere Grundrechte einschlägig sind, eine staatliche Maßnahme nur das eine Grundrecht betrifft 2146 oder das gleiche von mehreren Personen 2147. Dann muß weiter geprüft werden, ob alle betroffenen Grundrechte nebeneinander anwendbar sind (Schutzbereichsüberschneidung oder -kumulation) 2148 oder aufgrund einer Konsumtionsregel eines oder mehrere von ihnen die anderen verdrängen können 2149 .

2143

Zu einem gesamten Überblick der verschiedenen Meinungen vgl. Stern, Staatsrecht II 1/2, S. 1366 ff. 2144 V g l a u c h S t e m staatsrecht III/2, S. 1378, 1380 mit der zutreffenden Bemerkung: "Je umfassender der Grundrechtstatbestand allerdings bemessen wird, desto häufiger ist die Konkurrenzsituation"; vgl. auch S. 1395 und die Abgrenzungskriterien nach "Themamerkmalen", "Begrenzungsmerkmalen", "Einschränkungsmerkmalen", die die Untersuchung Fohmanns, in: EuGRZ 1985, S. 55, zugrundegelegt haben. 2145 So Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 324; zustimmend v. Münch, in: vM/K, Vorb 1-19, Rd. 42; vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1381 f. 2146 Ygj a u c h Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 326. 2147

So auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 325. Schutzbereichsüberschneidung und -kumulation sind keine gleichbedeutenden Begriffe. Der erste Begriff bedeutet, daß sich die Schutzbereiche zweier oder mehrerer Grundrechte teilweise decken. Schutzbereichskumulation bedeutet, daß ein und dasselbe Verhalten unter den Schutzbereich verschiedener Grundrechte, die keinen deckungsgleichen Schutzbereich aufweisen, fällt - vgl. dazu H. Schneider, Die Güterabwägung, S. 108 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1368, 1397. 2149 Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1397 ff.; weiterhin die Methodik von Fohmann in: EuGRZ 1985, S. 56. 2148

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

37

Keine Grundrechtskonkurrenz - oder nach anderer Meinung eine unechte Konkurrenz (Gesetzeskonkurrenz) 2150 - besteht nach dem Verhältnis des "Auffanggrundrechts" der freien Entfaltung der Persönlichkeit bzw. der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 1 GG und der anderen Freiheitsrechte, ζ. B. Art. 4 I, 5 I, III, 6 I GG usw., die aus der freien Entfaltung der Persönlichkeit fließen. Die besonderen Grundrechte verdrängen die Anwendung des Auffanggrundrechts, so daß letzteres nur dann anwendbar ist, wenn die anderen nicht angewendet werden können (Subsidiaritätsregel) 2151. Genauso verhält es sich zwischen dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG und seinen besonderen Formen, ζ. B. Art. 3 II, I I I GG usw. Anders, aber im Ergebnis gleich ist der Fall, wenn eine Handlung in den Schutzbereich zweier oder mehrerer spezifischer Grundrechte zu fallen scheint 2152 , wie ζ. B. die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG und die Glaubensfreiheit aus Art. 4 I GG für die Äußerung einer Weltanschauung ("es gibt Gott"). Diese spezifische Äußerung gehört nicht zum verfassungsrechtlichen Begriff "Meinung" des Art. 5 I 1 GG, sondern zu dem "Glauben" des Art. 4 I GG 2 1 5 3 , so daß die Anwendung der letzteren Vorschrift die Anwendung der ersten verdrängt 2154 (Spezialitätsregel oder Grundrechtskonsumtion) 2155. In beiden Fällen (Subsidiaritäts- oder Spezialitätsregel) gilt die Interpretationsregel "lex specialis derogat legi generali"

2150

Stern, Staatsrecht, Staatsrecht III/2, S. 1377. Eine Konkurrenz überhaupt ist im betroffenen Fall anzunehmen, wenn man sie auch in einem Fall annimmt, in dem die eine Norm die andere verdrängt. Deswegen spricht man von "unechter" Konkurrenz. 2151 Bleckmann, Staatsrecht II, § 14, Rd. 9; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1377. 2152 Rüfner, in: BVerfG und GG, II, S. 475, spricht von "Scheinkonkurrenzen". 2153 Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 48; vgl. auch BVerfGE 30, 193, 200 (Mephisto), über das Verhältnis zwischen der Kunstfreiheit nach Art. 5 III 1 GG und der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG. Das Gericht hat dargelegt, daß künstlerische Aussagen, auch wenn sie Meinungsäußerungen enthalten, gegenüber diesen Äußerungen ein aliud bedeuten würden. Insoweit sei Art. 5 III 1 GG gegenüber Art. 5 I 1 GG ein lex spezialis. 2154 So auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 327; Herzog, in: MD, Art. 5 I, II, Rd. 96; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1403; vgl. zum Spezialitätsverhältnis zwischen beiden Grundrechten die Literatur bei Stern, Staatsrecht III/2, S. 1393, Fn. 142 (dort); Rüfner, in: FG BVerfG, S. 477, spricht von Schrankendivergenz der betroffenen Grundrechte, nach der das "stärkere" Grundrecht (hier die Glaubensfreiheit) das Maß möglicher Beschränkungen bestimme. 2155 Andere solche Beispiele ergeben sich aus dem Verhältnis des Art. 9 I GG (lex generalis) zu den Art. 9 III, 21 I GG - vgl. dazu BVerfGE 2, 1, 13 (SRP) - oder zu Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 II, III WRV (lex specialis) - vgl. dazu OVG Münster NJW 1996, S. 3362 -, des Art. 4 I GG (lex generalis) zu Art. 4 III GG (lex specialis) oder des Art. 121 GG (lex generalis) zu Art. 33 GG (lex specialis) - vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 327; Bleckmann, Staatsrecht II, § 14, Rd. 9.

37

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

und, wenn man von dieser Auffassung ausgehen will, gibt es eine unechte Konkurrenz 2156 . Eine echte Grundrechtskonkurrenz gibt es in dem Fall, daß, falls mehrere Grundrechte einschlägig sind, kein Grundrecht wegen Subsidiarität oder Spezialität ein anderes Grundrecht verdrängen kann. Dann sind alle einschlägigen Grundrechte anwendbar 2157 . In diesem Fall liegt eine echte Idealkonkurrenz im Sinne der strafrechtlichen Normenkonkurrenz vor 2 1 5 8 . Beispiele einer solchen Grundrechtskonkurrenz ist die Meinungsäußerung in einer Demonstration, die sowohl von der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 1 1 GG als auch von der Versammlungsfreiheit des Art. 8 I GG geschützt wird 2 1 5 9 , oder die Veröffentlichung eines Artikels von einem Arbeitnehmerverband in der Verbandszeitung, die in den Schutzbereich der Art. 9 I I I und 5 1 1 GG fällt 2 1 6 0 (Schutzbereichsüberschneidungen). Die Problematik der Grundrechtskonkurrenzen betrifft nicht nur die Grundrechtsausübung, sondern vielmehr, wie bereits dargelegt wurde, die Einschränkbarkeit der Grundrechte. Zwei Fragen interessieren die vorhandene Untersuchung in diesem Hinblick: ob ein Eingriff mehrere Grundrechte berühren kann und, wenn ja, von welchem Grundrecht die Schrankenklausel für die Überprüfung anwendbar ist, ob der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist oder nicht. Diese Fragen stellen allerdings die praktische Relevanz der ganzen Problematik dar. Was in bezug auf die Handlungen der Grundrechtsträger für den Schutzbereich der jeweiligen Grundrechte dargelegt wurde, gilt mutatis mutandis auch für die Grundrechtseingriffe. Eine (echte) Idealkonkurrenz liegt vor, wenn der einheitliche Eingriff der öffentlichen Gewalt in den Schutzbereich mehrerer Grundrechte fällt. Demgemäß beeinträchtigt die Auflösung einer Demonstration, in der ζ. B. die Befürwortung der Friedenspolitik oder des Umwelt- bzw. des Tierschutzes dargestellt wird, sowohl die Versammlungs- als auch die Meinungsfreiheit jeweils aus Art. 8 I und 5 11 GG 2 1 6 1 . Genauso verhält es sich mit der Auflösung einer Prozession, die die Versammlungsfreiheit

2156

Rd. 46. 2157

So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 377; vgl. auch Lerche, in: HdDStR, V, § 122,

So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1379; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 373. Vgl. auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 332 f.; H. Schneider, Die Güterabwägung, S. 107; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1382. 2159 So auch Rüfner, in: FG BVerfG, S. 478; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1377, 1403; BGHZ 52, 30, 35 f.; OLG Stuttgart NJW 1969, S. 1543 f.; OLG Celle NJW 1970, S. 206 ff., die als Prüfungsmaßstab für eine Demonstration neben Art. 8 I GG auch Art. 5 I 1 GG herangezogen haben; vgl. aber BVerfGE 69, 315, 342 (Brokdorf); 73, 206, 248 (Sitzblockaden I); 92, 191, 202 f. (Sitzblockaden II), wonach nur Art. 8 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen wurde. 2160 Vgl. BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 3377 f. 2161 So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1382. 2158

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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aus Art. 8 I GG und die freie Religionsausübung aus Art. 4 I I GG beeinträchtigt 2 1 6 2 . Derselbe Fall liegt vor, wenn ein Eingriff sich unmittelbar gegen ein Grundrecht richtet, aber mittelbar auch ein zweites trifft 2 1 6 3 . Bezüglich der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Eingriffe in konkurrierende Grundrechte und der Frage, welche Schrankenvorbehalte gelten sollen, sind verschiedene Theorien über die Maßstäbe des "schwächsten" oder "stärksten" Grundrechts entwickelt worden 2 1 6 4 . Die hier vertretene Position braucht nicht auf diese Theorien zurückzugreifen. Sie geht davon aus, daß, soweit Grundrechte sich in ihren Schutzbereichen überschneiden oder kumulieren, dasselbe für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ihrer Eingriffe nach den jeweiligen Einschränkungsmöglichkeiten gelten soll. Das bedeutet, daß der Eingriff, der mehrere Grundrechte betrifft, nach den Maßstäben aller betroffenen Grundrechte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein muß 2 1 6 5 . Letzten Endes herrscht i m Ergebnis das Grundrecht mit den strengsten Einschränkungsvoraussetzungen ("stärkstes Grundrecht"), so daß die Theorie des "schwächsten Grundrechts" praktisch i m Gegensatz zu der hier vertretenen Position steht und deswegen abgelehnt wird. Bemerkenswert ist hier die Bewältigung des betroffenen Problems durch einen Teil des Schrifttums 2166 , aber teilweise auch durch die Rechtsprechung des BVerfG 2 1 6 7 bezüglich der Grundrechtskonkurrenzen i m Falle eines Grundrechtseingriffs, die den Schutzbereich mehrerer Grundrechte tangiert. Nach dieser Gegenüberstellung wird geprüft, ob der Eingriff alle einschlägigen Grundrechte i m Zentralbereich (Schwerpunkt) getroffen hat oder ob eines bzw. einige von ihnen im Randbereich getroffen wurden. I m ersten Fall gibt es eine Idealkonkurrenz, der Eingriff muß nach den Maßstäben aller betroffenen Grundrechte gerechtfertigt werden; i m zweiten Fall hingegen muß der Grundrechtseingriff nur am Maßstab desjenigen oder derjenigen Grundrechte gerechtfertigt werden, die im Zentralbereich (Schwerpunkt) getroffen wurden 2168 . Der Grundrechts2162 So auch Rüfner, in: FG BVerfG, S. 478; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 374; a. A. Stern, Staatsrecht III/2, S. 1403. 2163 Vgl. auch Murswiek, in: DVB1. 1997, S. 1026; vgl. ausführlich zur Problematik der sog. faktischen oder mittelbaren Grundrechtseingriffe oben sub IV 1 c. 2164 Zu einem Überblick darüber vgl. v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 43; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1390 ff. 2165 So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1405. 2166 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1406 ff.; ferner Dreier, in: ders., Grundgesetz, Vorb., Rd. 97. 2167 yg] die Darstellung der Rechtsprechung des BVerfG bei H. Schneider, Die Güterabwägung, S. 110 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1385. 2168 Man muß hier hervorheben, daß dies die Position des BVerfG (aber auch der anderen obersten Gerichte) ist. Das Gericht vermeidet bisher, den Begriff "Grundrechtskonkurrenzen" anzuwenden und abgesehen von Spezialitätsverhältnissen, insbesondere im Konkurrenzverhältnis zwischen dem Auffanggrundrecht aus Art. 2 I GG und den

3

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

eingriff wird m. a. W. nach dem Kriterium der "Meistbetroffenheit" 2169 verfassungsrechtlich geprüft. Der Priester übt in der Ausübung seines Amtes die Grundrechte der Religions- und Glaubensfreiheit aus Art. 4 I GG, der freien Religionsausübung aus Art. 4 I I GG, aber auch der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG aus. Ein staatlicher Eingriff in die Predigt- und Seelsorgetätigkeit berührt zweifelsohne den Zentralbereich der Grundrechte aus Art. 4 I, I I GG, tangiert aber die Berufsfreiheit als freie Berufsausübung, wenn überhaupt, nur ganz am Rande. Deswegen ist für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs nur Art. 4 I, I I GG einschlägig, nicht aber Art. 121 GG 2 1 7 0 . Man kann genauso gut sagen, daß der Eingriff in die Berufsfreiheit des Priesters ein Bagatelleingriff ist, der verfassungsrechtlich irrelevant ist und deswegen keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf 2171 . Nach der hier vertretenen Meinung speziellen Grundrechten bzw. dem allgemeinen Gleichheitssatz und seinen spezifischen Formen, greift es selten auf die Konkurrenzlehre - anscheinend aus prozeßökonomischen Gründen - zurück. In anderen Fällen - besonders, wenn es sich um das Verhältnis zwischen den Art. 12 I und 14 I GG handelt - prüft das Gericht alle betroffenen Grundrechte kumulativ, falls ihr Abgrenzungskriterium nicht angewendet werden kann; vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1370, 1386 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). 2169 H. Schneider, Die Güterabwägung, S. 112, im Anschluß an Bachof - vgl. Fn. 2170. 2170 Vgl. zum Beispiel Bachof, Freiheit des Berufs in B/N/S, GR III/l, S. 170, der aber von einer Spezialität des Art. 4 I, II GG zu Art. 12 I GG für die bestimmte Tätigkeit ausgeht. Die Annahme der Spezialität bedeutet, daß für die bestimmte Tätigkeit Art. 4 I, II GG die Anwendung des Art. 12 I GG verdrängt, so daß letzterer überhaupt nicht in Betracht kommen kann. Diese Auffassung legt die andere Auffassung Bachofs zugrunde, daß mehrere Tätigkeiten eines einheitlichen Sachverhalts teils von dem einen Grundrecht (z. B. Art. 4 I, II GG), teils von dem anderen (z. B. Art. 12 I GG) geschützt würden. Diese Auffassung des Zerreißens einheitlicher Sachverhalte muß man ablehnen, soweit sie so pauschal vertreten wird - so auch Lepa, in: DVB1. 1972, S. 164. 2171 Vergleichbar ist die Situation mit der des Künstlers, der seine Kunstwerke in seinem Geschäft ausstellt und verkauft. Er übt sowohl die Kunstfreiheit aus Art. 5 III GG als auch die Gewerbe- bzw. Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121, 14 I 1 GG aus. Eine Regelung des LSchlG würde ohne weiteres in seine Wettbewerbsfreiheit eingreifen (vgl. bereits oben sub IV 2 a aa α). Sie würde aber seine Kunstfreiheit unberührt lassen und würde, wenn überhaupt, ganz am Rande seiner Kunstfreiheit in einer bagatellisierten Form in diese eingreifen. Deswegen ist der Eingriff durch die Regelung des LSchlG an Art. 12 I bzw. 14 I 1, II GG zu messen - vgl. zum Beispiel Rüfner, in: FG BVerfG, S. 475, der es in die Figur der "Scheinkonkurrenzen" einordnet; vgl. aber die Rechtsprechung des BVerfG, wonach die kommerzielle Verwertung eines Kunstwerkes in den Schutzbereich der Art. 12 I, 14 I 1 GG und nicht in den des Art. 5 III 1 GG falle - vgl. BVerfGE 31, 227, 239; 49, 382, 392. Ein ähnliches Beispiel liegt vor, wenn einem Untersuchungshäftling ein notwendiges Medikament weggenommen wird. Hier scheinen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG und auf Eigentum aus Art. 1411 GG einschlägig zu sein. Die Beeinträchtigung des Eigentums durch diese Maßnahme ist aber vergleichsweise geringfügig, so daß eine besondere Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme über Art. 211 1, 3 GG hinaus am Maßstab des Art. 14 GG nicht erforderlich und überflüssig ist - vgl. zum Beispiel Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 374.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

3

kann nur unter dieser Bedingung das Kriterium der "Meistbetroffenheit" des Eingriffs angenommen werden. Sonst besteht die Gefahr, "daß dadurch vorschnell Grundrechtsnormen ausgeblendet werden" 2172 .

b) Die Wettbewerbsfreiheit als Musterbeispiel der Grundrechtskonkurrenzen Nachdem die allgemeine Problematik der Grundrechtskonkurrenzen dargestellt wurde, wird nun ermittelt, ob und wie die bereits dargelegten Schlüsse am Beispiel des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit angewendet werden können. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit besteht aus mehreren Grundrechten und man muß natürlich ermitteln, ob sie miteinander konkurrieren können. Zuerst wird die Beziehung der besonderen Grundrechte mit dem Auffanggrundrecht des Art. 2 I GG dargelegt; dann wird ihre Beziehung zueinander sowie zu anderen Freiheitsrechten, die in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit nicht einbezogen werden, geprüft. A m Ende wird die Beziehung der den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit bestimmenden Freiheitsrechte mit dem allgemeinen Gleichheitsrecht des Art. 3 I GG untersucht. Die Frage, welches Grundrecht im konkreten Fall der unternehmerisch-wettbewerblichen Betätigung Schutz bietet, kann man nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des unternehmerischen und wettbewerblichen Handelns sowie der spezifischen Wirkungsweise der jeweiligen zu überprüfenden Maßnahme beantworten 2173 .

aa) Das Konkurrenzverhältnis zwischen Freiheitsrechten am Beispiel der Wettbewerbsfreiheit

untereinander

α) Art. 2 I GG und die speziellen Grundrechte Die Bedeutung des Art. 2 I GG für die Wettbewerbsfreiheit nach der mittlerweile in Literatur und Rechtsprechung herrschenden und hier als richtig vertretenen Meinung ist bereits ausführlich dargelegt worden 2174 . Soweit die spezifischen (hauptsächlich) Art. 121, 14 I GG sowie die Art. 9 I und 5 I 1 GG (verhältnismäßig sekundär) in Betracht kommen, verdrängen sie die Anwendung des allgemeinen Auffanggrundrechts des Art. 2 I GG. Da die Wettbewerbsfreiheit unmittelbar mit dem Begriff "Beruf' i. S. d. Art. 121 GG verbunden ist, 2172

Vgl. Stern, Staatsrecht III/2, S. 1407.

2173

So M. Hoffmann,

2174

in: BB 1995, S. 53.

s. oben sub II 1 c die dort angeführten Nachweise mit der teilweise widersprüchlichen Rechtsprechung des BVerfG und die diesbezügliche Kritik; die widersprüchliche Position des BVerfG dazu scheint neulich Stern, a. a. O, S. 1401, unter Hinweis auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung in Fn. 164 (dort) bezüglich der Grundrechtskonkurrenzen leider akzeptiert zu haben.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

kann Art. 2 I GG für die Wettbewerbsfreiheit kaum angewendet werden, denn er wird zumindest immer von Art. 12 I GG verdrängt. In diesem Sinne besteht keine (echte) Grundrechtskonkurrenz oder - nach anderer Meinung eine unechte Grundrechtskonkurrenz - zwischen Art. 2 I und Art. 121, 1411, 9 1 und 5 1 1 GG, und es erübrigt sich die parallele Erwähnung des Art. 2 I GG hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Garantie der Wettbewerbsfreiheit neben den Art. 12 I und 141 GG 2 1 7 5 . Daß die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG auch die allgemeine Wirtschaftsfreiheit mitenthält, ändert an der Situation der Wettbewerbsfreiheit nichts. Die wirtschaftlichen Tätigkeiten und Interessen, die die allgemeine Wirtschaftsfreiheit oder die freie wirtschaftliche Betätigung aus Art. 2 I GG schützen, haben mit der Wettbewerbsfreiheit nichts zu tun, weil sie außerhalb des Begriffs "Beruf' liegen. Können sie sich auf diesen Begriff beziehen, dann fallen sie in den Schutzbereich des Art. 121 GG. Art. 2 I GG schützt auch nicht solche wirtschaftliche Erwerbstätigkeiten, die nicht vom "Berufsbegriff' i. S. d. Art. 121 GG mitumfaßt werden können. Denn solche Aktivitäten widersprechen der Wertordnung des GG und können nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 2 I 2. HS Var. b GG gehören oder verletzen die Rechte anderer im Sinne der Var. a derselben Vorschrift 2176 . Dagegen ist Art. 2 I GG als (subsidiäres) Auffanggrundrecht für den persönlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit relevant und zwar für die "Deutschengrundrechte" der Art. 12 I und 9 I GG, die nicht für Nicht-Deutsche i. S. d. Art. 116 I GG gelten 2177 . Es muß hier nochmals deutlich werden, daß 2175 So auch zutreffend Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 133 f.; vgl. auch Grabitz, in: ZHR 1985, S. 283, der die Subsidiarität des Art. 2 I GG den Art. 12 I, 14 I GG gegenüber betont; Wieland in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 169. Deswegen wurde vom BVerfG unzutreffend im sog. Mitbestimmungs-Urteil - E 50, 290, 361 f., 366 Art. 2 I neben Art. 12 I und 14 GG als Prüfungsmaßstab für das Mitbestimmungsgesetz, das in die Unternehmens- bzw. Wettbewerbsfreiheit eingreift, herangezogen. Das Gericht hat zwar im Anschluß an seine ständige Rechtsprechung den Subsidiaritätscharakter des Art. 2 I GG im Verhältnis zu den besonderen Grundrechten - auch zu den Art. 12 I und 14 I GG - ausdrücklich anerkannt, hat aber trotzdem auf ihn zurückgegriffen. Genauso unzutreffend hat es anscheinend einen angemessenen Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative dem Art. 2 I GG zugeordnet - kritisch zu dieser Position unter diesem Gesichtspunkt Manssen, a. a. Ο.; Wieland, a. a. Ο. Den Art. 2 I GG erwähnen als Prüfungsmaßstab von Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit auch das BVerwG und die unteren Verwaltungsgerichte, obwohl sie ihm mittlerweile nach dem sog. Transparenzlisten-Urteil des BVerwG - BVerwGE 71, 183 ff. - eine sekundäre Bedeutung hinter Art. 12 I GG beigemessen haben. Es wurde hier bereits ausführlich dargelegt, daß die Unternehmensinitiative im Wettbewerb als freie Berufsausübung von Art. 12 I und als Eigentumsnutzung von Art. 14 I 1 GG garantiert wird, so daß nichts für Art. 2 I GG übrig bleibt (vgl. auch oben sub II 2 a, b). Die Bedeutung des Art. 2 I GG ist für die Wettbewerbsfreiheit nicht sekundär, sondern subsidiär. 2176 A.A. zu Unrecht Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 370; vgl. auch oben sub II 2 a aa γ. 2177 Α. Α. und nicht überzeugend Fohmann, in: EuGRZ 1985, S. 57, 59; skeptisch dazu Stern, Staatsrecht III/2, S. 1401 f.; vgl. auch die Nachweise oben sub II 3 b aa α.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Wettbewerbsfreiheit ohne Berufsfreiheit wie ein Haus ohne Fundamente ist. Deswegen kann nicht die Wettbewerbsfreiheit geltend gemacht werden, ohne daß man sich auf die Berufsfreiheit berufen kann. Soweit die Nicht-Deutschen bzw. Ausländer sich nicht auf die Berufsfreiheit sowie auf die wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit berufen können, können sie über Art. 2 I GG trotzdem Träger der Wettbewerbsfreiheit sein. Der Kritik an dieser Position ist bereits an anderer Stelle widersprochen worden 2178 . Das bedeutet praktisch, daß nach der unechten Grundrechtskonkurrenz zwischen Art. 2 I und 12 I GG die Teilnahme eines Ausländers an einem Markt mit einem Unternehmen, Gewerbe oder Praxis in bezug auf die berufliche Betätigung von Art. 2 I GG geschützt wird, weil Art. 121 GG für Nicht-Deutsche nicht anwendbar ist. Dasselbe gilt für die Teilnahme eines Ausländers an der Gründung einer wirtschaftlichen Vereinigung i. S. d Art. 9 I GG 2 1 7 9 . Dagegen sind ausländische juristische Personen von dem persönlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit sowie grundsätzlich aller Grundrechte nach Art. 19 I I I GG ausgeschlossen2180; wegen dieser Vorschrift, die ausdrücklich die Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen regelt, kann Art. 2 I GG ihnen keinen (subsidiären) Grundrechtsschutz gewähren. Dasselbe gilt für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie aus dem Anwendungsbereich des Art. 19 I I I GG ausgenommen sind 2181 .

ß) Das Konkurrenzverhältnis der Art. 121 und 141 GG untereinander Es wurde bereits dargelegt, wie das BVerfG und ihm folgend die h. L. die Schutzbereiche der Berufsfreiheit und des Eigentums abgegrenzt hat 2182 . Das bedeutet, es ist nach diesem Kriterium möglich, daß eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt in den Schutzbereich des einen Grundrechts eingreift, ohne in den Schutzbereich des anderen Grundrechts eingreifen zu müssen. In diesem Fall gibt es keine Grundrechtskonkurrenz, und es wird nur das betroffene Grundrecht als Prüfungsmaßstab für den Grundrechtseingriff herangezogen (Konsumtionsregel aufgrund Grundrechtstatbestandsabgrenzung) 2183. Das kann eigentlich nur in dem Fall passieren, daß eine Maßnahme, die in die Berufsfreiheit eingreift, das Eigentum unberührt läßt. Denn sie trifft die Betätigung, den 2178

s. oben sub II 3 b aa α. 2179 ygj a n ( j i e s e r stelle zu Art. 9 I GG Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 9, Rd. 26. 2180 Ygj ausführlich oben sub II 3 b bb. 2181 Ygj aus führlich oben sub II 3 c aa, cc, dd. 2182

s. oben sub II 2 b cc. Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1382, 1394, 1397 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 270; vgl. insbesondere zur Problematik des sog. Eingriffs durch Information und Warnung Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 48; 2183

Schulte, in: DVB1. 1988, S. 515.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Erwerb selbst - dazu gehören auch die Erwerbschancen oder -möglichkeiten -, nicht aber das Ergebnis der Betätigung, das Erworbene. Erwerbschancen und -möglichkeiten läßt das Eigentum nach h. M. grundsätzlich außer acht 2184 . Solche Beispiele können im ganzen Bereich der Freiheit zum Wettbewerb gefunden werden, die zwar nach Art. 12 I GG garantiert wird, aber prinzipiell keine Schutzposition im Sinne des Art. 14 11 GG ist. Ein charakteristisches Beispiel ist der Grundrechtseingriff durch die öffentliche monopolwirtschaftliche Tätigkeit. Herrscht das öffentliche Monopol auf einem Markt, weil den Privaten der Zugang zu dem Markt gesperrt ist, dann liegt ein Grundrechtseingriff nur in die von Art. 12 I GG garantierte Wettbewerbsfreiheit vor. Denn die Privaten haben nichts Vorhandenes zu verlieren. Sie werden nur in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten beeinträchtigt, die in diesem Fall von der freien Berufswahl geschützt werden. Wie diese Abgrenzung geschaffen werden kann, ist die Frage einer getrennten und schwierigen Untersuchung 2185 . Es ist aber nicht selten der Fall, daß ein Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit auch den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 11 GG tangiert 2186 . Das kann geschehen, wenn die staatliche Maßnahme eine beeinträchtigende Wirkung auf konkrete Rechtspositionen hat, die in eine berufliche Betätigung bereits einbezogen sind 2187 . Das sieht man klar am Beispiel des öffentlichen Monopols. Wird ein Markt von der öffentlichen Hand monopolisiert, auf dem schon (ein) private(r) Wettbewerber tätig (ist) sind, sei es unmittelbar durch Betriebsverbot, sei es mittelbar durch die Einführung eines Anschluß- und Benutzungszwangs, dann kommt für die Wettbewerbsfreiheit nicht nur Art. 12 I GG, sondern auch Art. 14 GG in Betracht. In diesem Fall sind beide Grundrechte in einer Idealkonkurrenz anwendbar. Nach der hier vertretenen Auffassung gelten diese

2184 ygj 0 b e n s u b h 2 b bb sowie die Ausnahmen zu diesem Dogma. Zum Hinweis auf diese Schwierigkeiten vgl. Maurer, in: JZ 1991, S. 39; ders., in: JZ 1996, S. 1124; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 270; vgl. auch Selmer, in: FS H.-P. Ipsen, S. 528, der darlegt, daß zum Verhältnis von Art. 14 GG zu Art. 12 I GG zu bemerken sei, daß sich trotz prinzipieller Gleichrangigkeit gelegentlich die eine, gelegentlich die andere Vorschrift thematisch in den Vordergrund schiebt. Man kann das auch in der Rechtsprechung des BVerfG und anderer Gerichte bemerken. 2186 So Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 59; Eschenbach, Schutz des Eigentums, S. 225 ff.; Maurer, in: JZ 1996, S. 1124; vgl. auch Wendt, in: Sachs, GG-K, Art. 14, Rd. 186; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 270; Schilling, in: EuGRZ 1998, S. 178; andeutend auch Rupp, in: JZ 1995, S. 353; ähnlich BVerwG NVwZ 1998, S. 614. Schulte, in: DVB1. 1988, S. 515, behauptet sogar, daß ein staatlicher Eingriff "in die gewerbliche Betätigung (seil, des Art. 12 I GG) sich regelmäßig als Eingriff in das von der Eigentumsgarantie umfaßte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" darstelle. "Gewerbliche Betätigung und gewerblicher Betrieb bedingen einander gegenseitig, sind funktional aufeinander bezogen und gehören deshalb auch rechtlich zusammen". 2187 So BGH NJW 1994, S. 1468; BGH NJW 1994, S. 2230. 2185

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Schlüsse auch für die öffentliche konkurrenzwirtschaftliche Betätigung, soweit sie in den eingerichteteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifen kann 2188 . Andere Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, die sowohl Art. 121 als auch Art. 14 I GG berühren, stellen das Mitbestimmungsgesetz2189, Eingriffe durch Information und Warnung 2190 , die nicht nur in die freie berufliche Betätigung des betroffenen Unternehmers, sondern auch in die von der staatlichen Maßnahme getroffenen Produkte als Eigentumsobjekte eingreifen, die Beschränkungen des Anbaus von Weinreben durch die AO ν. Ol. 04. 1937 (RNVB1. 145) 2191 , das Werbefahrtverbot 2192 , das absolute Verkehrsverbot für mit kakaohaltiger Fettglasur hergestellte Puffreiserzeugnisse 2193, eine Pflichtveräußerung nach § 5 ASHG für Wohnungsgenossenschaften von 15 % ihres Wohnungsbestandes2194 usw. dar. Während Art. 121 GG ohne Art. 14 GG angewendet werden kann 2195 , scheint das Gegenteil wohl unmöglich zu sein. Es ist schwierig, daß ein Ein2188 ygj dazu Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 271, der einen solchen Fall allerdings für selten hält; weiterhin oben sub IV 2 a dd ε, b cc γ. 2189 Vgl. BVerfGE 50, 290, 339 ff, 362 ff. (Mitbestimmung). 2190 Eine Idealkonkurrenz zwischen beiden Grundrechten bzw. ihren Vorbehaltsschranken für einen Eingriff durch einen Warnhinweis scheint BVerwGE 87, 37, 51 f. (DEG-Weine) anzunehmen, obwohl sie die Anwendung des Art. 14 GG offen gelassen hat, wobei sie darlegt, daß die Ausführungen zu Art. 12 I GG entsprechend für Art. 14 I GG gelten; vgl. auch VGH Kassel GewArch 1995, S.417; LG Stuttgart NJW 1989, S. 2258 (Birkel); vgl. auch im Schrifttum Ossenbühl, Warnungen und Empfehlungen, S. 48; Schulte, in: DVB1. 1988, S. 516; Di Fabio, in: JuS 1997, S. 6. 2191 So BVerfGE 8, 72, 76; vgl. auch Bachof, Freiheit des Berufs in B/N/S GR III/l, S. 169; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 379; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1380; anders BVerwGE 5, 171, 174, wo Art. 14 GG als lex spezialis zum Art. 12 GG behandelt wird. 2192 Ygj BVerfGE 40, 371 ff, die aber - anscheinend aus prozeßökonomischen Gründen - das Werbefahrtenverbot nur am Maßstab des Art. 12 I GG herangezogen und offengelassen hat, ob es mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG und der Eigentumsgarantie aus Art. 141 1 GG in Einklang steht; BGHZ 78, 41, 44 ff. (Werbefahrt), wo Art. 14 GG einbezogen wurde, um festzustellen, ob die Stillegung des betroffenen Betriebs wegen des Verbotes aufgrund des § 33 I 3 StVO a. F. einen enteignungsgleichen Eingriff in den Gewerbebetrieb nach Art. 1411 GG dargestellt hat. Der BGH hat die Frage mit der Feststellung bejaht, daß die umstrittene Regelung über den Art. 12 I GG hinaus auch Art. 1411 GG verletze, indem sie die Grenzen des Art. 1412, II überschreite. Der Fall zeigt ein typisches Beispiel von Idealgrundrechtskonkurrenzen, in dem eine Regelung am Maßstab von zwei Grundrechten und seinen Schrankenvorbehalten zu messen ist. Eine Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs war nur dann möglich, wenn die Regelung auch gegen Art. 1411 GG verstoßen hat. 2193 Vgl. BVerfGE 53, 135 ff. (Kakaoverordnung I), die aber das umstrittene Verbot nur am Maßstab des Art. 12 I GG überprüft und beanstandet hat, ohne zu Art. 14 GG überhaupt Stellung zu nehmen; vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); BGHZ 111, 349, 356 ff. (Kakaoverordnung). 2194 So BGHZ 131,44,51. 2195 Vgl. BVerfGE 39, 210, 237 (Mühlenvermahlungsplafond); BGH DVB1. 1996, S. 799 (Computertomographen). 25 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

griff, der in die aus Art. 14 11 GG resultierende Wettbewerbsfreiheit eines Unternehmers eingreift, die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG unberührt läßt. Denn jede Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit, die den "eingerichteteten und ausgeübten Gewerbetrieb" i. S. d. Art. 14 I 1 GG zum Gegenstand hat, muß auch die Berufsfreiheit berühren 2196 . Auch hier handelt es sich um eine Idealkonkurrenz zwischen der Berufsfreiheit aus Art. 121 und dem Eigentum aus Art. 14 I GG 2 1 9 7 . Fraglich ist, nach welchem Maßstab von welchem Grundrecht die Eingriffe in die konkurrierenden Grundrechte gerechtfertigt werden sollen. Die Grundrechte der Berufsfreiheit und des Eigentums stehen in erster Linie jeweils unter dem einfachen Gesetzesvorbehalt der Art. 1212 und 14 12 GG, soweit letztere Vorschrift einen Gesetzesvorbehalt verankert 2198 . Aber die Sachlage ist nicht so einfach. Die Berufsfreiheit ist nach den Kriterien der "Dreistufentheorie" einschränkbar, d.h. nach verschiedenen Einschränkungsvoraussetzungen je nach höherer Stufe 2199 . Das Eigentum andererseits steht unter dem Sozialvorbehalt des Art. 14 I I GG, der auf das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I, 28 I GG zurückzuführen ist und umso stärker wird, je mehr das Eigentumsobjekt in einem Sozialbezug steht 2200 . Es scheint, daß es nicht immer eindeutig ist, welches von beiden Grundrechten das "stärkste" ist 2 2 0 1 , wobei diese Behauptung auch nicht so einfach ist. Das Eigentum ist grundsätzlich das "stärkste" Grundrecht 2202 . Da wie bereits dargelegt die Freiheit zum Wettbewerb, die sich aus der freien Berufswahl ergibt 2203 , prinzipiell nicht in den Schutzbereich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs fällt und dementsprechend ein Eingriff in diese, der nach den strengeren Voraussetzungen der Dreistufentheorie für die objektiven Zulassungsbeschränkungen gerechtfertigt werden sollte, das Eigentum

2196 yg] a u c h i ei sner > Sozialversicherung, S. 45; Papier, in: HdVerfR, I, §18, Rd. 59; das vernachlässigt aber BVerfG (Dreierkammer) JZ 1995, S. 353; zu Recht kritisch die Anmerkung Rupps, ebenda, dazu. 2197

Vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 138; Maurer, in: JZ 1991, S. 39; ders.,

in: JZ 1996, S. 1124 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1377, 1387; Tettinger, in: Sachs, GGK, Art. 12, Rd. 165; Wendt, ebenda, Art. 14, Rd. 186; vgl. auch am Beispiel des grundrechtlichen Schutzes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Unternehmens vor fremder Konkurrenz Turiaux, Zugangsrechte, S. 65. 2198 Dazu mehr oben sub IV 2 a ee α αα. Aus einer Gleichstellung der Schrankenvorbehalte der Art. 12 I 2 und 14 I 2 GG geht nach Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 142, die Judikatur des BVerfG aus - vgl. die dort zitierten Nachweise; vgl. auch BGHZ 78, 41, 44 ff. (Werbefahrt); BGHZ 111, 349, 357 (KakaoVerordnung). 2199 ygj ausführlich oben sub IV 2 a aa, ee β ßß ααα. 2200 Vgl. oben sub IV 2 b dd α. 2201 Vgl. in diese Richtung Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 142. 2202 Ygj a u c j 1 R ü f n e r j n : pG BVerfG, S. 475 f., der dazu neigt, dem Eigentum einen stärkeren Schutz als der Berufsfreiheit zuzuerkennen. 2203 Y g j

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α.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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unberührt läßt, kann ein Konkurrenzfall grundsätzlich nur im Rahmen der Freiheit im Wettbewerb (freie Berufsausübung) in Betracht kommen 2204 . Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs muß in beiden Grundrechten kumulativ 2205 nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsprinzips geprüft werden 2206 . Gerade wegen des Sozialvorbehalts (Art. 14 I I GG) setzt Art. 14 GG strengere Voraussetzungen für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs als der ersten "Stufe" der Dreistufentheorie. Das bedeutet, daß ein unverhältnismäßiger Eingriff nach Art. 121 GG ebenso unverhältnismäßig auch i. S. d. Art. 14 I, I I GG sein kann 2207 . Das Gegenteil muß nicht unbedingt der Fall sein. Darüber hinaus liegt es wohl auf der Hand, daß die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in das Eigentum "stärker" wird, wenn es um eine Enteignung geht, die zwar in die Berufsfreiheit des Betroffenen eingreifen und nach den Maßstäben des einfachen Gesetzesvorbehalts des Art. 1212 GG gerechtfertigt sein kann, aber verfassungsrechtlich ungerechtfertigt bleibt, wenn die Junktimklausel des Art. 14 I I I 2 GG in dem Sinne verletzt ist, daß das Gesetz i. S. d. Art. 12 I 2 GG keine Entschädigung vorsieht 2208 . Daß es eine Verletzung des Art. 14 I I I 2 GG gibt, die den Eingriff aus der Enteignung ungerechtfertigt macht, bedeutet nicht, daß kein Eingriff in die Berufsfreiheit des Betroffenen vorliegt oder daß er nicht unbedingt im "Schwerpunkt" der Berufsfreiheit liegt bzw. daß er ein Bagatelleingriff sein muß. Daß ein Gericht bzw. das BVerfG sich aus prozeßökonomischen Gründen nicht mit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit beschäftigen würde, wenn es die (Verfassungs)Rechtswidrigkeit der Enteignung feststellen sollte, schafft den Eingriff in die Berufsfreiheit nicht ab 2209 . Ebenso liegt der Fall bei den enteignenden und dem enteignungsgleichen Eingriff. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Berufsausübungsregelung kann auch enteignungsgleiche Wirkung haben (Idealkonkurrenz), was jedoch nicht unbedingt der Fall sein muß (Konsumtion) 2210 . Im ersten Fall aber ist eine Entschädigung

2204 Eine Ausnahme stellt nur die Einfuhrung eines Monopols dar, die nicht nur in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreift, sondern sich auch auf die freie Berufswahl auswirkt. 2205 Vgl. so BGHZ 131, 44, 51 f.; BVerwGE 101, 185, 189; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1405, spricht von "Schrankendivergenzen". 2206 Y g i a u c h grundsätzlich wie hier Stern, Staatsrecht III/2, S. 1405 f. 2207 Vgl. aber anders BGHZ 111, 349, 357 (Kakaoverordnung); BGH DVB1. 1993, S. 719. 2208 Vgl. auch Rüfner, in: FG BVerfG, S. 476; Selmer, in: FS H.-P. Ipsen, S. 528. 2209 Einen solchen Konkurrenzfall, in dem eine Enteignung nach Art. 14 III GG auch als Berufsausübungsregelung nach Art. 1212 GG betrachtet werden kann, scheint BGHZ 131, 44, 52, nicht auszuschließen. 2210 Genauso BGHZ 132, 181, 186 f. (Computertomographen); zustimmend Maurer, in: JZ 1996, S. 1125.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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u. U. geboten 2211 , nicht aber im zweiten, wenn eigentumsmäßige Rechtspositionen i. S. d. Art. 14 I 1 GG nicht in Betracht gezogen werden 2212 - wenn man von Amtshaftungsansprüchen nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG absieht 2213 . Zum anderen stellt grundsätzlich jeder enteignungsgleiche oder enteignende Eingriff einen Eingriff in die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG dar (Idealkonkurrenz).

2211 s. oben sub IV 2 b cc α; vgl. auch BGHZ 78, 41, 44 ff. (Werbefahrt); vgl. aber anders BGHZ 111, 349, 356 ff. (KakaoVerordnung). An anderer Stelle (s. oben IV 2 b cc α) wurde auf die Widersprüchlichkeit der Haltung des BGH zu der Frage nach der Anwendung des Art. 1411 GG im betroffenen Fall aufmerksam gemacht und gezeigt, wie überraschend diese Haltung ist. Diese Position verwundert auch hinsichtlich der Grundrechtskonkurrenzfrage. Soweit man mit dem BGH, der sich dem BVerfG bezüglich der BVerfGE 53, 135, 143 ff., anschließt, davon ausgeht, daß die umstrittene Regelung eine un verhältnismäßige und deswegen verfassungsrechtlich i. S. d. Art. 1212 GG unzulässige Berufsausübungsregelung und zusätzlich (kumulativ oder grenzüberschneidend) eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 1411 GG darstellt, muß man konsequenterweise nach der Konkurrenzlehre annehmen, daß die Regelung auch unverhältnismäßig und verfassungswidrig nach Art. 1412 GG ist und demgemäß u. U. einen enteignungsgleichen Eingriff darstellt, der entschädigungsbedürftig ist - vgl. ebenso Schenke, in: NJW 1991, S. 1787; Papier, in: HdVerfR, I, § 18, Rd. 59; VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 188; vgl. auch grundlegend zu einem solchen Konkurrenzverhältnis Schilling, in: EuGRZ 1998, S. 178. Will man keine Konkurrenz zwischen Art. 12 I und 14 I 1 GG in dem betroffenen Fall annehmen, wie es der BGH unkonsequenterweise auch macht, dann muß man das Abgrenzungskriterium zwischen beiden grundrechtlichen Normen anwenden, nach dem Art. 12 I GG die Anwendung des Art. 14 GG ausschließt (Konsumtionsregel), wenn die umstrittene Maßnahme (nur) den Erwerb, die Tätigkeit und nicht den Bestand, das Erworbene trifft - so richtig BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); BGH NJW 1994, S. 1468; BGH NJW 1994, S. 2229. Beides kann jedoch nicht angenommen werden was der BGH aber im Kakaoverordnungs-Urteil überraschenderweise getan hat! Er hat das Abgrenzungskriterium angewendet - ob das für den einschlägigen Fall zutreffend war, mag hier dahinstehen -, ist aber darüber hinaus zu dem Fehlschluß gekommen, daß die umstrittene Regelung zwar rechtswidrig nach Art. 12 I GG, aber rechtmäßig nach Art. 14 I, II GG gewesen sei, so daß sich nichts hätte ändern sollen, selbst wenn man eine Konkurrenz und nicht eine Konsumtion angenommen hätte! Vgl. auch zu diesem Schluß eindeutiger BGH DVB1. 1993, S. 719. Dieses Ergebnis kritisiert heftig Maurer, in: JZ 1991, S. 39. Der BGH wäre vielleicht nicht zu diesem Fehlschluß gekommen, hätte er die Grundrechtskonkurrenzlehre im betroffenen Fall zugrundegelegt und richtigerweise gehandhabt. 2212

So BGHZ 132, 181, 188 (Computertomographen) - m. w. N., wonach der BGH keine Grundlage findet, das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs auch auf die durch Art. 12 I GG gewährleistete Berufsfreiheit auszudehnen - zustimmend BVerfG (Dreierkammer) NVwZ 1998, S. 272; Boujong, in: FS Nirk, S. 63, 66 f.; Maurer, in: JZ 1996, S. 1125; weiterhin BGH NJW 1994, S. 1468;

BGH NJW 1994, S. 2229 f.; a. A. Schenke, in: NJW, S. 1787. 2213 Boujong in: FS Nirk, S. 63.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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γ) Das Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 121, 141 GG und Art. 9 I GG Ähnlich liegt der Fall mit dem Verhältnis zwischen Art. 121, 141 GG einerseits und der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG andererseits. Soweit es sich nicht um eine Grundrechtskonsumtion handelt 2214 , geht es wieder um eine Idealkonkurrenz; zunächst zwischen Art. 12 I und 9 I GG und im Fall der Kapitalgesellschaften zwischen allen drei Grundrechten 2215. Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit, der alle drei Grundrechte tangiert, wie ζ. B. Maßnahmen des externen Unternehmenswachstums im Wettbewerb (Fusionskontrolle nach Art. 23 GWB, eine repressive Entflechtungsregelung), muß nach allen ihren Voraussetzungen gerechtfertigt werden 2216 . Die strengsten Voraussetzungen setzt, wie bereits ausgeführt wurde, Art. 9 I I GG, so daß ein Eingriff in alle Grundrechte nur dann gerechtfertigt sein könnte, wenn Grundrechte anderer oder sonstige Rechtsgüter mit Verfassungsrang zu schützen wären 2217 .

δ) Das Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 121, 141 GG und Art. 5 1 1 GG Ebenso verhält es sich mit der Berufsfreiheit, dem Eigentum und der Meinungsfreiheit. Eine solche Idealkonkurrenz zwischen diesen Grundrechten kommt vor allem im Fall der Werbung als Wettbewerbsmittel in Betracht. Es wurde bereits ausführlich gezeigt, daß die Werbung ggf. von allen drei Grundrechten geschützt wird. Auch in einem solchen Fall muß ein Eingriff in die Werbefreiheit nach den Maßstäben aller einschlägigen Grundrechte gerechtfertigt werden 2218 . Die "schwächsten" Bedingungen setzt Art. 1212 GG, der die

2214 ygj z u r Abgrenzung der Schutzbereiche der Grundrechte oben sub II 2 c. 2215 Vgl. auch Scholz, Art. 12, Rd. 184; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1398, der eigentlich von Grundrechtskumulationen spricht; vgl. auch BVerfGE 84, 372 378 ff, die den gerügten Eingriff am Maßstab des Art. 9 I GG überprüft und ausdrücklich offen gelassen hat, ob darüber hinaus Art. 12 I und 5 I 1 GG in Betracht kommen können. Man kann dafür prozeßökonomische Gründe, man kann aber auch die Theorie der "Meistbetroffenheit" (vgl. dazu oben a) vermuten; vgl. aber anders und unzutreffend BVerfGE 14, 263, 276 ff. (Feldmühle). 2216 Vgl. auch Rüfner, in: FG BVerfG, S. 478, Fn. 128 (dort); Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 186 f. 2217 Vgl. dazu oben sub IV 2 c bb. 2218 Vgl. BVerfGE 85, 248, 256 ff, 263 f , wonach es ein Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 12 I und 5 I 1 GG gab. Das BVerfG hat beide Grundrechte und ihre Schrankenvorbehalte kumulativ überprüft. Es ging eigentlich um eine Idealkonkurrenz; vgl. auch BVerfGE 76, 196, 210, wonach der Erfolg, "der mit der Anwendung des (seil, im Fall umstrittenen) Werbeverbots erreicht werden könnte, in keinem angemessenen Verhalten zu der mit ihm verbundenen Einbuße für die Berufs- und die Meinungsfreiheit" stehe; vgl. weiter BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski), das für eine kritisierende Äußerung zum Zwecke des Wettbewerbs die Heranziehung des Art. 12 I GG über Art. 5 I 1 GG hinaus zwar nicht ausgeschlossen, aber dargelegt hat,

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Berufsausübungsfreiheit unter einfachem Gesetzesvorbehalt schützt, und die nach der "Dreistufentheorie" des BVerfG aus "vernünftigen Gründen des Gemeinwohls" eingeschränkt werden kann. Die strengsten Voraussetzungen scheint Art. 5 I I GG zu setzen, der die Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG unter qualifiziertem Gesetzesvorbehalt garantiert 2219 . Das bedeutet, daß der Eingriff nur dann gerechtfertigt ist, wenn er den Jugendschutz bzw. die persönliche Ehre zu schützen hat oder durch ein "allgemeines" Gesetz angeordnet wird. Darüber hinaus muß die Werbung nach Art. 1412, I I GG in einem Sozialbezug stehen. Die Konkurrenz dieser Schrankenklauseln bedeutet, daß, soweit die Werbefreiheit durch ein Gesetz eingeschränkt wird, welches nach Art. 5 I I Fall b und c GG den Jugendschutz und die persönliche Ehre zu schützen hat, dieses Gesetz auch die Voraussetzungen des Art. 1412, I I GG erfüllt. Denn diese Rechtsgüter prägen den sozialen Bezug des Eigentums. Wenn dagegen die Werbung durch ein "allgemeines Gesetz" nach Art. 5 I I Fall a GG eingeschränkt wird, muß sich auch das von ihm zu schützende Rechtsgut aus der Sozialbindungsklausel des Art. 14 I I GG ergeben bzw. das einzuschränkende Eigentumsobjekt der Werbung muß sich in einem Sozialbezug befinden. Wenn das nicht der Fall ist, kann der Eingriff aus der Sicht des Art. 5 I I GG, aber nicht aus der Sicht des Art. 1412, I I GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein und muß deswegen scheitern. Das wird jedoch nur selten der Fall sein. Ein Beispiel, in dem alle drei Grundrechte ideal konkurrieren, stellt die Außenwerbung einer Gastwirtschaft in der Form eines Plakats mit dem Inhalt: "Hier finden Sie das beste Vergnügen. Wir bieten ihnen internationale Küche preiswert und gut" und ihr Verbot aus baurechtlichen und umweltschützenden Gründen dar 2220 . Die Werbung wird von Art. 121 GG als freie Berufsausübung, von Art. 1411 GG im Rahmen der Rechtsfigur des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" (Schutz des "Kontakts des Betriebs nach außen") und

daß sich im betroffenen Fall aus Art. 121 GG kein weitergehender Schutz als aus Art. 5 I 1 GG ergebe; weiterhin zu dieser Position Sodan, Freier Beruf, S. 73 f.; anders dagegen die Rechtsprechung des BGH - vgl. BGHZ 130, 5, 11 (Busengrapscher/Schliipferstürmer), das die Zulässigkeit des Vertriebs von Likörflaschen mit Etikettierungen, auf denen die Bezeichnung "Busengrapscher" bzw. "Schlüpferstümer" mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen verbunden war, im Rahmen des Art. 5 I und ggf. Art. 5 III GG ermittelt hat, ohne auf die wirtschaftlichen Grundrechte der Art. 121 und 14 I 1 GG zurückzugreifen, obwohl der BGH ausdrücklich erkannt hat, daß "die Werbung des Beklagten erkennbar keinerlei Aussagebedürfnisse befriedigen, sondern allein der Förderung des Absatzes seiner Waren dienen soll"; vgl. auch in diese Richtung BGHZ 130, 196, 202 ff. (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente); BGH NJW 1995, S. 2492 ff. (Benetton-Werbung III - HIV-Positive); anläßlich dieser Rechtsprechung spricht Ahlers, in: JZ 1995, S. 1100, für eine parallele Heranziehung der Art. 121 und 511 GG sowie ihrer Schrankenklausel (vgl. weiter unten sub C II 2 aa cc α, β). 2219 Vgl. aber Ahlers, in: JZ 1995, S. 1100. 2220 Vgl. zum Sachverhalt BVerwG NJW 1980, S. 2091.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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von Art. 5 I 1 GG als Ausdruck der freien Meinungsäußerung geschützt 2221 . Ein Verbot dieser Werbung greift zweifelsohne in alle drei Grundrechte ein, deren Schutzbereiche sich in diesem Beispiel überschneiden 2222. Es beeinträchtigt die Berufsausübung des Gastwirtes im Wettbewerb, weil er sich wegen des Verbotes nicht an seine potentiellen Kunden richten kann, um sie von seinen Konkurrenten zu gewinnen und Geschäfte mit ihnen abzuschließen; es beeinträchtigt den Kontakt des Gewerbebetriebs nach außen als eigentumsrechtliche Schutzposition nach Art. 1411 GG mit den gleichen Konsequenzen wie für die wettbewerbliche Berufsausübung; es beeinträchtigt schließlich ebenfalls seine Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG, indem er nicht mehr mit der Werbung dazu beitragen kann, daß sich seine (potentiellen) Kunden eine gute Meinung über sein Lokal bilden können, um sein Geschäft den Geschäften seiner Konkurrenten vorzuziehen. Der Eingriff muß nach den vorher dargelegten Maßstäben aller drei einschlägigen Grundrechte gerechtfertigt werden. Vergleichbar ist das Beispiel des Unternehmers und des Verbots von Werbefahrten, vorausgesetzt, daß die Werbung Werbeaussagen für den Werbefahrtunternehmer enthält und nicht für einen Dritten 2223 . In dem letzten Fall liegt ein Eingriff in die Berufsfreiheit und Eigentum des Werbefahrtunternehmers sowie in die Meinungsfreiheit des werbenden Unternehmers vor. Deswegen besteht Grundrechtskonkurrenz zwischen Art. 12 und 14 GG, aber nicht zwischen diesen und Art. 5 11 GG.

ε) Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 121, 14 I GG und den Grundrechten aus Art. 5 1 2 GG Besonders umstritten ist die Beziehung dieser Grundrechte untereinander. Die Frage nach ihrem Verhältnis bekommt hier praktische Relevanz in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit der Presse-, Film und Rundfunkunternehmen 2224. Die Position, die von einer Überschneidung der Grundrechte aus Art. 121, 14 I und 5 1 2 GG und dementsprechend von ihrer Idealkonkurrenz ausgeht, wird hier für richtig gehalten. Ein Presse-, Film- oder Rundfunk- bzw. Fernsehunternehmen übt in erster Linie die Grundrechte aus Art. 5 1 2 GG aus. Heutzutage hat aber ein solches Unternehmen nicht mehr nur den Sinn, das Publikum zu informieren, Meinungen zu bilden und dadurch bei dem politischen, ökonomi-

2221

Vgl. dazu oben sub II 2 d bb ß; vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 327, der darlegt, daß Art. 5 I 1 GG im Verhältnis zu Art. 12 I GG erhebliche Bedeutung für die vergleichende Werbung bekomme. 2222 So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1380, unter Hinweis auf BVerwGE 2, 171 ff. 2223 So aber in der BVerfGE 40, 371 ff. (Werbefahrt), so daß das Gericht Art. 5 I 1 GG und die von ihm garantierte Werbefreiheit zu Recht nicht erwähnt hat. 2224 Zu einem Gesamtüberblick der Problematik vgl. Degen, Pressefreiheit, S. 26 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

sehen und gesellschaftlichen Geschehen mitzuwirken; ein Presse-, Film-, Rundfunk· und mittlerweile Fernsehunternehmen nimmt darüber hinaus am wirtschaftlichen Wettbewerb teil und bestimmt seine Funktion mal mehr, mal weniger auch nach gewinnerzielenden Kriterien, um in diesem harten und manchmal skrupellosen Wettbewerb der Massenmedien überleben zu können 2 2 2 5 . Deswegen hört es nicht auf, ein wirtschaftliches Unternehmen auf einem Markt zu sein, welches einen "Beruf' i. S. d. Art. 12 I G G 2 2 2 6 ausübt, als "eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb" Eigentum i. S. d. Art. 14 I 1 GG besitzt und benutzt und damit auf den publizistischen genauso wie auf den wirtschaftlichen Medienmärkten wettbewerblich handelt. Demzufolge kommen für ein solches Unternehmen die Grundrechte aus Art. 5 1 2 , aber auch aus Art. 12 I, 14 I und 9 I GG in Betracht 2227 . Es ist heutzutage die Regel, daß diese Unternehmen in einer Gesellschaftsform, meistens in einer AG, organisiert sind, so daß sie diese Rechte über Art. 19 I I I GG geltend machen. Bezüglich

2225

Vgl. dazu jüngst BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG). 2226 j y j a n m u ß h j e r d a r a u f hinweisen, daß eine erwerbswirtschaftliche Betätigung eines solchen Unternehmens die Merkmale des verfassungsrechtlichen "Berufsbegriffs", wie sie bereits dargestellt wurden (s. oben sub II 2 a aa), ohne weiteres besitzt - so auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 162 ff., 166; Meyer-Arndt,

in: Z U M 1996, S. 760 ff.; au-

ßerdem unter dem Topos der "berufsregelnden Tendenz" BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 (WDR-G/LRG). 2227 ygj a u c h R ü f n e r t i n : FG BVerfG, S. 476; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 376; M. Degen (Anm.), S. 298 ff., 303 ff; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 161 ff.; Stern,

Staatsrecht III/2, S. 1380, 1407; in diese Richtung BVerfG EuGRZ 1998, S. 48 ff. (WDR-G/LRG); vgl. auch BVerfGE 77, 346, 356 ff., 358 f., wonach das Gericht die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs, den § 6 Nr. 3 GjS i. d. F. des Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts von 23. 11. 1973 (BGBl. I, 1725) darstellt, am Maßstab sowohl des Art. 5 I 2 GG als auch des Art. 12 I GG überprüft und bejaht hat. Es ist aber davon ausgegangen, daß die Gerichte des Ausgangsverfahrens die Auslegung und Anwendung dieser einfachgesetzlichen Vorschrift in dem Sinne verkannt haben, daß sie gegen die Pressefreiheit des Art. 5 I 2 GG der betroffenen Presseunternehmer verstoßen hätten. Es hat aber (aus prozeßökonomischen Gründen?) offengelassen, ob die beanstandete Regelung auch gegen die Berufsfreiheit des Art. 121 GG verstoßen hat; vgl. auch AG Rendsburg NJW 1996, S. 1005, wonach das Recht eines Zeitungsverlags, eine Anzeige zu veröffentlichen oder nicht, nicht nur an Art. 5 I 2 GG, sondern auch an Art. 12 I GG gemessen wurde; ferner am Beispiel eines Rundfunkunternehmens VGH Kassel NJW 1997, S. 1180; vgl. ferner zur Erörterung der Frage, ob ein Presseunternehmen den Eigentumsschutz i. S. d. Art. 14 I 1 GG genießen kann, BVerfGE 66, 116, 145 f. (Springer/Wall raff); a. A. Herzog, in: MD, Art. 5 I, II, Rd. 140 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 372; OVG Berlin 1975, S. 905 ff.; VG Berlin DÖV 1974, S. 100 ff.; VG Berlin DÖV 1975, S. 134 ff., mit zustimmender Anmerkung von Scholz; später hat Scholz diese Meinung anscheinend revidiert; vgl. auch BVerfGE 34, 269, 282 ff., 293 (Soraya), wonach nur Art. 5 I 2 GG vom Gericht in Betracht kam, obwohl der Beschwerdeführer, der ein Presseunternehmen war, darüber hinaus auch Art. 121, 1411 GG geltend gemacht hat; 80, 124, 133 ff. (Pressesubventionierung), wo nur Art. 5 I 2 GG und die Institutsgarantie der Presse als Prüfungsmaßstab herangezogen wurde; OLG Hamburg NJW 1996, S. 1003 (Schmuddelsender); weitere Nachweise der Gegenmeinung bei Degen, Pressefreiheit, S. 66, Fn. 111 (dort).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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der Konkurrenz der Schrankenvorbehalte gilt, was für das Konkurrenzverhältnis zwischen den Art. 121, 141 und Art. 5 1 1 GG dargelegt wurde 2228 . Ausnahmsweise dürfen sich auf die Rechte des Art. 5 1 2 GG über Art. 19 I I I GG auch öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernseheinrichtungen berufen 2229 . Sie dürfen aber nicht die Grundrechte aus Art. 12, 14 und 9 GG geltend machen. Das bedeutet, daß eine Maßnahme, die die öffentlich-rechtlichen Programme in ihrer unternehmerischen Organisation beeinträchtigt, nur am Prüfungsmaßstab des Art. 5 I 2, I I GG verfassungsrechtlich geprüft werden kann, vorausgesetzt, daß auch die Rundfunk- bzw. Fernsehfreiheit dadurch beeinträchtigt wurde. Man kann wohl nicht ausschließen, daß eine staatliche Maßnahme das eine Grundrecht (ζ. B. die Presse- oder die Berufsfreiheit) im Schwerpunkt und das andere oder die anderen nur am Rande trifft, so daß sie für die letzteren nur als grundrechtlich irrelevanter Bagatelleingriff behandelt werden soll 2 2 3 0 . Verfassungsrechtlich unzulässig wäre aber, einer Maßnahme den Eingriffscharakter für ein Grundrecht abzusprechen, weil sie sich nicht unmittelbar gegen dieses richtete. Es kann der Fall sein, daß eine Maßnahme unmittelbar in die Berufsfreiheit und das Eigentum eines Presse- oder Fernsehunternehmens eingreift, aber mittelbar oder faktisch auch negative Folgen für ihre Presse- bzw. Fernsehfreiheit haben kann 2231 . Das wird eindeutiger, wenn der Gesetzgeber eine subventions- 2232 , arbeits-, berufs-, gewerbe- oder kartellrechtliche 2233 Regelung 2228 2229 y

Vgl. oben sub δ. g] dazu oben sub II 2 c aa.

2230 Das war ζ. B. bei BVerfGE 60, 234, 239 ff. (Kredithaie) der Fall, wo es sich um die Untersagung der Schlagzeile "Vorsicht vor Kredithaien" einer Zeitschrift handelte, die dadurch das Publikum über die Praktiken der Kreditverleiher bei ihren Kreditgeschäften informieren wollte. Die eingreifende Wirkung der gerichtlichen Untersagung dieser Schlagzeile hat hauptsächlich die Pressefreiheit des betroffenen Presseorgans und seine Berufsfreiheit (sowie Eigentum), wenn überhaupt, nur ganz am Rande getroffen. Denn dieser Satz und der ihm folgende Artikel hatten eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse zum Gegenstand und bezweckte eher, die Menschen, die Kreditgeschäfte mit Kreditverleihern abschließen wollten, zu warnen, als durch diese Warnung Gewinne im wirtschaftlichen Wettbewerb zu erreichen. Deswegen ist Art. 121 GG zu Recht überhaupt nicht in Betracht gekommen. 2231 Diese Position ist mit der bereits ausgeführten Problematik der sog. faktischen oder mittelbaren Grundrechtseingriffe vereinbar (vgl. dazu oben sub IV 1 c) - vgl. in diese Richtung Degen, Pressefreiheit, S. 86. 2232 Besonders brisant wird die Problematik des Wettbewerbs der Massenmedien untereinander und das Verhältnis zwischen den Kommunikationsgrundrechten aus Art. 5 I 2 GG und den wirtschaftlichen Grundrechten aus Art. 12 I und 1411 GG im Fall der Subventionierung von Presseunternehmen. Daher liegen nicht nur Probleme einer Verfälschung des wirtschaftlichen Wettbewerbs, sondern auch des geistigen journalistischen bzw. politischen Wettbewerbs vor, den die Massenmedien ausdrücken. Vgl. dazu die Urteile des Berliner VG und OVG, die aber von einem Spezialitätsverhältnis zugunsten des Art. 5 I 2 GG ausgingen, und BVerfGE 80, 124, 133 ff. (Pressesubven-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

trifft, um manche Presseunternehmen oder die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehprogramme im Wettbewerb mit den anderen Presseunternehmen bzw. privaten Programmen zu unterstützen.

ζ) Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 12 I, 14 I GG und Art. 11 I GG Die Frage des Verhältnisses der wirtschaftlichen Grundrechte aus Art. 12 I und 14 I GG mit dem Freizügigkeitsrecht aus Art. I I I GG ist nicht selten Gegenstand einer Untersuchung geworden. Das geschah nicht zufällig, da Art. 111 WRV ein sehr weites Freizügigkeitsrecht einschließlich der Niederlassungsfreiheit garantierte 2234 . Das GG ist dem Beispiel der WRV nicht gefolgt und hat nicht ausdrücklich die Niederlassungsfreiheit dem Freizügigkeitsrecht des Art. I I I GG untergeordnet. Das hat die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre motiviert, die berufliche Freizügigkeit bzw. Niederlassungsfreiheit in Art. 12 I GG als lex specialis zu Art. 111 GG anzusehen2235. Das Argument der Spezialität des Art. 12 I GG bekommt eine noch größere Bedeutung bezüglich der ausdrücklichen Verankerung der Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes im einheitlichen Grundrecht der Berufsfreiheit. Die hier vertretene Position geht von einer grundsätzlichen Anwendung des Art. 121 GG und, soweit das Eigentum einschlägig ist, des Art. 14 I GG für die Niederlassungsfreiheit der Unternehmer, Freiberufler etc. aus. Demgemäß verdrängen Art. 12 I bzw. 1411 GG den Art. I I I GG als lex generalis und bestimmen ihr Verhältnis mit ihm im Rahmen der unechten Grundrechtskonkurrenz bzw. Gesetzeskonkurrenz 2236.

tionierung). Es muß auch hier aufgezeigt werden, daß auch in diesem Teil der allgemeinen Problematik des Eingriffs durch Subventionierung die bereits dargelegten Probleme der Grundrechtseingriffe nach dem modernen Eingriffsverständnis, der Anwendung des Gesetzesvorbehalts usw. mutatis mutandis wiederbelebt werden. Der einzige Unterschied ist, daß bezüglich der Problematik der Anwendung des Gesetzesvorbehalts für die Eingriffe, die die Subventionierung eines Presseunternehmens in die grundrechtlichen Schutzpositionen darstellt, neben den Gesetzesvorbehalten aus Art. 1212, 1412, II GG auch der Gesetzesvorbehalt aus Art. 5 II GG in Betracht kommt - vgl. die Pressesubventionierungs-Urteile der Berliner Verwaltungsgerichte und die Anmerkung von Scholz, in: DÖV 1975, S. 136 f. 2233 Zur Problematik der verfassungsrechtlichen Fragen einer Pressekonzentration und ihrer gesetzlichen Kontrolle vgl. Lerche, Pressekonzentration; vgl. auch BGHZ 76, 55, 66 ff, die aber für die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften der 3. Novelle des GWB für die Pressekonzentration nur Art. 5 I 2 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen hat. 2234 Vgl. dazu Hailbronner, in: HdDStR, § 131, Rd. 5. 2235 s. dazu oben sub II 2 a cc α. 2236 Nach Stern, Staatsrecht III/2, S. 1377, sind Überschneidungen möglich.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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η ) Das Konkurrenzverhältnis der Art. 121, 141 GG zu anderen Grundrechten Ein Konkurrenzverhältnis ist auch zwischen den für die Bestimmung des Schutzbereichs erheblichen wirtschaftlichen Grundrechten und anderen Grundrechten zu ermitteln, die für die Wettbewerbsfreiheit grundsätzlich keine Rolle spielen, aber für bestimmte Personen oder Organisationen im Vordergrund ihrer Tätigkeiten stehen. Als erstes Beispiel kommt das Grundrecht der Religions-, Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 I GG in Betracht und betrifft in erster Linie die erwerbswirtschaftliche Betätigung, u. U. auf einem Wettbewerbsmarkt, von Kirchen und Religionsgemeinschaften. Das Problem besteht in der Frage, ob für diese Betätigung Art. 121, 14 I GG leges speciales zu Art. 4 I GG sind oder umgekehrt oder ob alle diese Grundrechte in einer idealen Art miteinander konkurrieren. Soweit es sich um die Kirchen und die Religionsgemeinschaften handelt, die juristische Personen (Körperschaften) des öffentlichen Rechts sind, ist die Frage irrelevant: Sie dürfen nach h. M . 2 2 3 7 nur die Grundrechte aus Art. 4 I, I I GG geltend machen. Unterdessen können sie sich auf Art. 4 I GG berufen, soweit ihre wirtschaftliche Betätigung ihre Religionsfreiheit anbelangt, ζ. B. bei einer Buchhandlung, die hauptsächlich Religionsschriften bzw. Schriften ihres Glaubens verkauft. Wenn sie in privatrechtlicher Form organisiert sind, können sie über die Religionsfreiheit aus Art. 4 I GG hinaus die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121, 141 GG geltend machen 2238 , wenn neben den Religionsgründen auch die gewinnerzielenden Gründe 2239 eine - nicht bagatellisierte - Rolle spielen. Sie können sich sogar auf Art. 9 I GG berufen, wenn sie sich mit anderen Personen vereinigen wollen, um ihr Geschäft (ζ. B. eine Buchhandlung) besser ausüben zu können 2240 . Es besteht auch in diesem Fall

2237

s. oben sub II 3 c aa. Etwas anders sieht das Problem Bachof, Freiheit des Berufs in B/N/S GR III/l, S. 169 f. Nach ihm wird der Inhalt der religiösen Schriften von Art. 4 I GG und der Vertrieb vom Art. 12 I GG geschützt. Kann man eigentlich den Vertrieb der Schriften von ihrem Inhalt trennen? Würde nicht ein Vertriebsverbot über die Berufsfreiheit hinaus (mindestens mittelbar) auch in die Religions- und Glaubensfreiheit eingreifen? Nach der hier vertretenen Position liegt dies auf der Hand. 2239 Vgl. OVG Hamburg NVwZ 1994, S. 192 - Leitsatz 2 (nicht rechtskräftig), das eine gewerbliche Betätigung einer Religionsgemeinschaft in dem Falle sieht, "wenn sie mit der Absicht der Gewinnerzielung auf Dauer den Verkauf von Waren und Dienstleistungen betreibt, insbesondere wenn sie durch Werbung und Verkauf in Konkurrenz zu anderen Gewerbetreibenden tritt und ihre Betätigung sich nach dem Gesamtbild als gewerblich darstellt". 2240 Hier muß klar werden, daß die Vereinigung als Religionsgemeinschaft und die Gründung, das Bei- und Austreten aus ihr von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 II, III WRV als leges speciales zu Art. 9 I GG geschützt werden. Wenn dagegen diese (privatrechtliche) Religionsgemeinschaft sich mit anderen Personen, die nicht Religionsge2238

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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eine Idealkonkurrenz 2241 . Hat dagegen die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit keinen Zusammenhang mit der Religions- und Glaubensfreiheit der betroffenen Religionsgemeinschaften, sind nur die wirtschaftlichen Grundrechte anwendbar, weil diese Tätigkeit nicht in den Schutzbereich des Art. 4 I GG fallen kann 2242 . Dieselben Schlüsse gelten auch für die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit einer oder mehrerer Einzelpersonen aus Glaubens- und Religionsgründen. Mit Art. 5 1 1 GG (Meinungs- als Werbefreiheit) konkurriert Art. 4 I GG nicht bzw. befinden sich beide in einer unechten Grundrechtskonkurrenz 2243. Entweder hat die Werbung einen Religions- bzw. Glaubensinhalt (ζ. B. "Hier finden Sie die Bücher der ewigen Wahrheit"), so daß Art. 4 I GG den Art. 5 11 GG verdrängt, oder ist dies nicht der Fall (ζ. B. "Die beste Buchhandlung in der Stadt"), so daß es sich umgekehrt verhält. Auch in diesem Fall existiert die Gefahr, daß der Staat durch gewerbe-, berufs- oder preisrechtliche Maßnahmen mittelbar bezweckt, die Religions- oder Glaubensfreiheit einzuschränken. Andererseits aber kann die Religions- und Glaubensfreiheit als Vorwand für unternehmerische Betätigungen von Religionsgemeinschaften bzw. Sekten, die nichts mit Religion oder Glauben zu tun haben, ausgenutzt werden, damit die strengeren Schrankenvorbehalte des Art. 4 I GG (Grundrechte anderer oder andere Verfassungsgüter) aktiviert werden 2244 . Die Grundrechtskonkurrenzlehre kann dazu beitragen, daß solche Umwege des Grundrechtsschutzes, die sich entweder aus der öffentlichen Gewalt oder aus den Grundrechtsträgern ergeben, vermieden werden 2245 . Man kann aber die Frage stellen, ob es ein Wettwerbsverhältnis geben kann, wenn ζ. B. ausschließlich oder hauptsächlich Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsschriften verkauft werden, um die Wettbewerbsfreiheit geltend

meinschaften sind, vereinigen oder zusammenschließen will, kann sie sich auf Art. 9 I (und eventuell 4 I) GG i. V. m. Art. 19 III GG berufen. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV findet in diesem Fall keine Anwendung. 2241 Vgl. auch Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 157; a. A. BVerwG NVwZ 1995, S. 474 f , das nur Art. 4 GG als einschlägig betrachtet; genauso Stober, Grundrechtsschutz, S. 140, der in dieser Konstellation die Berufsfreiheit im Hintergrund sieht. 2242 Vgl. OVG Hamburg NVwZ 1994, S. 192 (nicht rechtskräftig); dagegen zu Unrecht BVerwG NVwZ 1995, S. 475. Der Fehlschluß des BVerwG wird eindeutiger, weil das Gericht Art. 4 GG heranzieht, ohne zu differenzieren, ob der Eingriff die Religionsfreiheit trifft oder nicht. Daß es sich um eine Religionsgemeinschaft handelt, bedeutet nicht, daß für jede ihre Tätigkeit immer Art. 4 I, II GG in Betracht kommen muß - so auch OVG Münster NJW 1996, S. 3362. 2243 y g j

2244

a u c

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b

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b

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Diesen Umweg hat glücklicherweise das OVG Hamburg NVwZ 1994, S. 192 f , im Gegensatz zu BVerwG NVwZ 1995, S. 473 ff, vermieden, das zum Fehlschluß sowohl bezüglich des Prüfungsmaßstabs für den Grundrechtseingriff (Art. 4 I GG) als auch bezüglich ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung gekommen ist. 2245 Vgl. BVerwG NVwZ 1995, S. 475.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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machen zu können. Man muß diese Frage aus zweierlei Gründen bejahen: Es besteht erstens ein Wettbewerbsverhältnis i. e. S. zwischen den Buchhandlungen oder anderen Geschäften, die Glaubens- und Weltanschauungsschriften anderer Richtungen verkaufen. Mit dem Angebot der Schriften ihres Glaubens und Weltanschauung will eine solche Religionsgemeinschaft "Kunden" von anderen Geschäften gewinnen - daß ihr Zweck in erster Linie ist, "Seelen zu fangen", ändert nichts an der Tatsache, daß sie darüber hinaus Gewinne erzielt 2246 . Es besteht aber auch ein Wettbewerbsverhältnis i. w. S. mit Geschäften, die nicht religiöse u. a. Schriften verkaufen. Denn der Verkauf der religiösen Schriften richtet sich auch an Leser aus anderen Lesebereichen, die eventuell Interesse haben könnten, die Ansichten einer neuen Sekte oder Weltanschauungsgemeinschaft in Erfahrung zu bringen 2247 . Bezüglich des Verhältnisses der wirtschaftlichen Grundrechte, aus denen der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit besteht, gegenüber anderen Grundrechten (ζ. B. Kunst- 2248 , Wissenschafts- oder Forschungsfreiheit aus Art. 5 I I I GG) gilt entsprechend, was über die Religionsfreiheit dargelegt wurde. Beispiele dafür sind der Künstler, der seine Kunstwerke verkauft 2249 , der Produzent

2246 Es muß hier klar werden, daß die gewinnerzielende Tätigkeit als solche nur von Art. 12 I GG geschützt wird. Wenn dagegen das Angebot der Schriften kostenlos stattfindet oder die Gewinnerzielung ganz am Rande der Betätigung steht, dann kommt nur Art. 4 I GG in Betracht. 2247 V g i d a z u d i e Bemerkungen des OVG Hamburg 1994, S. 192 (Leitsatz 3): "Die Absicht der Gewinnerzielung im Sinne des Gewerberechts ist auch dann gegeben, wenn die im voraus festgelegten Gegenleistungen als Spendenbeiträge bezeichnet werden und wenn die Erträge idealen Zwecken zugeführt werden sollen. Auch soweit der Verkauf gegenüber Mitgliedern stattfindet, liegt eine gewerbliche Betätigung vor"; das Gericht fährt in Leitsatz 4 fort: "Die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn beim Verkauf eines Teiles der Waren und Dienstleistungen, insbesondere gegenüber neu geworbenen Mitgliedern, die Kosten höher als die Erträge sind. Bei einem Vertrieb, der auf den Verkauf weiterer Waren und Dienstleistungen zu zunehmend höheren Entgelten ausgerichtet ist, kommt es bei der Absicht der Gewinnerzielung auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis an". 2248 ygj d a s Beispiel d e s Berufskünstlers oben sub a. 2249 So auch Rüfner, in: FG BVerfG, S. 477; Schwabe, Grundrechtsdogmatik,

S. 367; Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 171; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1407; a. A. Bachof

Freiheit des Berufs in B/N/S GR III/l, S. 170; vgl. ferner BGHZ 130, 5, 11 (Busengrapscher/Schlüpferstürmer), wonach ggf. auch die Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG als Prüfungsmaßstab herangezogen wurde; vgl. auch BGHZ 130, 196, 202 f. (BenettonWerbung I - ölverschmutzte Ente), wonach als Prüfungsmaßstäbe nur die Meinungsund die Kunstfreiheit nach Art. 5 I, III GG jeweils in Betracht kamen. Der BGH hat dargelegt, daß das Verbot des Vertriebs in einer wettbewerbswidrigen Art einer Werbung, die ggf. als Kunstwerk i. S. d. Art. 5 III GG behandelt werden kann, nicht die Kunstfreiheit berühre. Denn Art. 5 III GG schütze nicht den zweckwidrigen Einsatz von Kunst zur Mißachtung der gesetzlichen Ordnungsvorschriften in der Absicht, daraus einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen. Ist das tatsächlich so, verwundert die Haltung des Gerichtshofs, neben Art. 5 I 1 GG nicht Art. 12 I und 1411 GG heranzuziehen.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

eines Films ebenso wie dessen Vertriebsunternehmer 2250, der Forscher, der beruflich Tierversuche 2251 durchführt, oder der Wissenschaftler, der seine wissenschaftlichen Projekte beruflich anbietet.

bb) Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Freiheitsrechten und den Gleichheitsrechten am Beispiel der Wettbewerbsfreiheit In einer Verfassung, in der Freiheits- und Gleichheitsrechte in der gleichen Rangordnung stehen, können sich untereinander häufig Konkurrenzprobleme ergeben, denn jedes Grundrecht enthält ein Element von Freiheit, indem die Gleichheitsrechte und insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz die gleiche Anwendung der Freiheitsrechte garantieren. Bei der Wettbewerbsfreiheit und den Grundrechten, aus denen ihr Schutzbereich besteht, liegt der Fall nicht anders. Wie bereits ausführlich gezeigt wurde, garantieren die Freiheitsrechte die Wettbewerbsfreiheit und die Gleichheitsrechte bzw. der allgemeine Gleichheitsgrundsatz die gleiche Wettbewerbsfreiheit bzw. die Wettbewerbsgleichheit. Infolgedessen kann die eine Kategorie von Grundrechten die andere nicht verdrängen, da zwischen beiden kein Subsidiaritäts- oder Spezialitätsverhältnis besteht. Demgemäß liegt zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten hinsichtlich der Wettbewerbsfreiheit eine Idealkonkurrenz 2252 im Sinne von Überschneidung 2253 oder Kumulation 2254 ihrer Schutzbereiche vor. Das betrifft alle Bereiche der Wettbewerbswirtschaft und insbesondere die Bereiche des Steuer·, Subventions-, Gewerbe- und Berufsrechts. Solche Grundrechtskonkurrenzen ergeben sich aus Ungleichbehandlungen und Differenzierungen bzw. Gleichbehandlungen, die auch in die Freiheitsrechte, besonders aus Art. 121 und 14 I 1 GG (auch 9 I GG), sei es als Berufsbeschränkungen, sei es als Inhalts· und Schrankenbestimmungen des Eigentums eingreifen 2255 .

2250 Vgl. aber BGHZ 130, 205, 211 ff. (Feuer, Eis & Dynamit I); BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II), wo nur auf die Kunstfreiheit des Art. 5 III GG zurückgegriffen wurde. 2251 So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1377; vgl. auch Lepa, in: DVB1. 1972, S. 164. 2252 So auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 436; vgl. auch Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 166; weiterhin im Ergebnis Müller-Graff Deutscher Bericht in FIDE (Hg.) 1984, S. 19. 2253 So P. Kirchhof, in: FS Lerche, S. 137. 2254 Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 153 geht sogar davon aus, daß das GG gerade mit dieser Kumulation (Art. 12 I GG i. V. m. Art. 3 I GG) die Chancengleichheit im beruflichen bzw. wettbewerblichen Bereich schützt; vgl. auch BVerfGE 33, 303, 329 ff, 332 (Numerus clausus); Bleckmann, Struktur, S. 66; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 167. 2255 V g i a u c h Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 145; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 508; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1387 - mit weiteren Hinweisen auf die Rechtspre-

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Wie aus dem Konkurrenzverhältnis der Freiheitsrechte untereinander, ergibt sich auch hier aus dem Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsrechten die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs, welcher Freiheits- und Gleichheitsrechte tangiert. Die Frage hat mehrmals das BVerfG 2 2 5 6 , das BVerwG 2 2 5 7 und neuerdings auch den BGH 2 2 5 8 sowie die unteren Verwaltungsgerichte 2259 beschäftigt, als sie - zwar nicht immer aus dem gleichen Blickwinkel 2 2 6 0 - als Prüfungsmaßstab für einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit die Freiheitsrechte aus den Art. 121, 14 I 1, I I GG und den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG heranzogen. Das Idealkonkurrenzverhältnis bedeutet, daß alle Schrankenvorbehalte mitberücksichtigt werden sollen. Was das Konkurrenzverhältnis der Freiheitsrechte untereinander anbelangt, ist das bereits ausgeführt worden. Bezüglich des Gleichheitsgebots gilt das Willkürverbot bzw. Begründungsgebot und ggf. das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Akzeptiert man die Aussage des BVerfG in seinem Apotheken-Urteil, daß der Gesetzgeber im Rahmen der Berufsfreiheit nicht so entscheidungsfrei sei wie beim Gleichheitssatz, da das Grundrecht der Berufsfreiheit eine klare materielle Wertentscheidung des Grundgesetzes für einen konkreten wichtigen

chung des BVerfG in der Fn. 105 (dort); Bleckmann, Struktur, S. 57; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 167; zu eng dagegen Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 243. 2256 BVerfGE 30, 292, 327, 333 (Erdölbevorratung); 34, 71, 78 f.; 39, 210, 225 ff, 237 (Mühlenvermahlungsplafond), wonach die Vermahlungsregelung für Mühlen neben Art. 12 I auch am Maßstab des "im Rahmen von Art. 12 I GG zu berücksichtigenden Gleichheitsgebots" gemessen wurde; 80, 40, 49; 85, 238, 244 ff, 247; 93, 121, 142 (Vermögenssteuer); vgl. ferner BVerfGE 82, 126, 146; 88, 87, 97; 91, 346, 362 f.; 91, 389, 401; BVerfG NJW 1998, S. 1477 (Kleinbetriebsklausel), in denen das Gericht die verschiedene Behandlung von Differenzierungen anerkennt, die "sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken". 2257 BVerwGE 17, 306, 308 ff. (Mobiliarfeuerversicherung); 30, 191, 193, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung); 39, 329, 336 ff. (kommunales Bestattungsunternehmen); 60, 154, 158 ff.; 65, 167, 173 f.; BVerwG NJW 1978, S. 1539 f. (kommunale Wohnungsvermittlung); BVerwG NJW 1988 (Wohlfahrtspflege), wonach geprüft wurde, ob die Subventionierung eines Altenheimes von Trägern der freien Wohlfahrtspflege nach § 10 BSHG für die gewerbliche Träger von Altenheimen einerseits aus freiheitsrechtlichen Aspekte zumutbar und andererseits aus gleichheitsrechtlichen Aspekten willkürfrei bzw. sachgerecht war; BVerwG DVB1. 1983, S. 1252. 2258 BGHZ 134, 1, 24 (Stromeinspeisung). 2259 OVG Münster NVwZ 1984, S. 524 f , das die Vereinbarkeit einer Subventionierung mit der Wettbewerbsfreiheit des Konkurrenten des Subventionierten nach Art. 3 I GG i. V. m. Art. 12 I bzw. 2 I GG geprüft hat; OVG Koblenz GewArch 1993, S. 243 f.; VG Münster NVwZ 1982, S. 523 (kommunale tierärztliche Tätigkeit); VG Bremen NJW 1988, S. 842. 2260 j ) j e Unterschiede liegen darin, daß nicht immer alle Grundrechtsnormen im Schwerpunkt der Verfassungsmäßigkeitsprüfung einer eingreifenden Regelung oder Maßnahme lagen. Es gab Fälle, in denen der Schwerpunkt in den Freiheitsrechten, und Fälle, in denen der Schwerpunkt im allgemeinen Gleichheitssatz lag.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Lebensbereich enthalte, während der allgemeine Gleichheitssatz nur einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstelle, dessen konkreten Inhalt für bestimmte Lebensverhältnisse erst der Gesetzgeber bestimmen könne und müsse 2261 , dann muß man annehmen, daß die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in die Wettbewerbsgleichheit aus Art. 3 I GG hinter der entsprechenden Rechtfertigung des Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121, 14 I 1 GG zurücktreten soll. Das ist auch eindeutig bei der Problematik des Eingriffs durch Förderung des Konkurrenten der Fall 2 2 6 2 . Denn "die Verweisung..." auf den Grundrechtsschutz "nach Art. 3 I GG mit dem Ziel, selbst an der Begünstigung beteiligt zu werden, dürfte nicht immer ausreichen, weil Fälle denkbar sind, in denen der Dritte den Förderungsberechtigten nicht gleichsteht, aber dessen schutzwürdige Interessen doch durch die Begünstigung einer bestimmten Gruppe geschädigt werden" 2263 . Es ist der Normalfall, daß ein Eingriff durch Ungleichbehandlung, der im Sinne der Freiheitsrechte (Art. 12, 14 GG) verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes gerechtfertigt ist. Selbst die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im ganzen Umfang seines Anwendungsbereichs (alle drei Teilgebote) über die Willkürkontrolle hinaus, falls wie im betreffenden Fall Freiheitsrechte berührt werden, gewährt dem von der Ungleichbehandlung betroffenen Grundrechtsträger grundsätzlich keinen besseren Schutz 2264 . Eine willkürliche oder unsachliche Differenzierung im Wettbewerb verletzt die Wettbewerbsgleichheit aus Art. 3 I GG, aber auch darüber hinaus die (gleiche) Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I, 1411 GG 2 2 6 5 . Das ist besonders bei 2261

So BVerfGE 7, 377,404. So Zuleeg, in: DÖV 1984, S. 739; vgl. auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 276. 2263 So BVerwGE 30, 191, 197 (Winzergenossenschaftensubventionierung). 2264 Vgl. BVerfGE 85, 238, 244 ff, 247, die einen Eingriff aus einer umsatzsteuerlichen Regelung in die Wettbewerbsfreiheit und -gleichheit aus den gleichen Erwägungen, die Art. 12 I und 3 I GG betroffen haben, gerechtfertigt hat; vgl. auch Osterloh, in: Sachs, GG-K, Art. 3, Rd. 141, für die Auferlegung namentlich lenkender Steuern. 2265 In solchen Fällen erschöpft sich die gerichtliche Kontrolle aus prozeßökonomischen Gründen in der Feststellung der Unvereinbarkeit der Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz - vgl. BVerfGE 21, 292 ff. (Rabattgesetz); vgl. aber BGH NJW 1977, S. 630 f. (Abschleppunternehmen), wo der Gerichtshof geprüft hat, ob die NichtBeauftragung eines Abschleppunternehmens von einer Polizeibehörde entgegen ihrer vorherigen Praxis willkürlich im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG war, um weiter prüfen zu können, ob es auch ein rechtswidriger Eingriff in den "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" i. S. des § 823 I BGB vorlag, der nach § 823 I BGB i. V. m. §§ 89, 31 bzw. 831 BGB sogar ersatzbedürftig sein sollte. Die Willkür der Differenzierung des betroffenen Unternehmens im Wettbewerb sollte auch einen (verfassungs)rechtswidrigen Eingriff nach Art. 14 I 2 GG in den Gewerbebetrieb als Schutzposition i. S.d. Art. 141 1 GG bedeuten. Der BGH hat seine verfassungsrechtliche Prüfung bei dem Willkürverbot eingeschränkt, weil er keine Willkür in dem Verhalten der Polizeibehörde feststellen konnte. Die Weiterpüfung des Eingriffs in den 2262

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Eingriffen durch Förderung der Fall. Ein Verstoß gegen die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 3 I GG i. V. m. Art. 12 I (14 11) GG liegt auch dann vor, wenn "eine Berufsausübungsregelung, die im ganzen nicht zu beanstanden ist, innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppen typischer Fälle ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker belastet" 2266 . In diesem Fall besteht ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I (eventuell 14 11) GG, der aus Gründen des Allgemeinwohls nach einer geeigneten, erforderlichen und zumutbaren Art gerechtfertigt ist. Irn Rahmen dieses Eingriffs belastet der Gesetzgeber entweder unsachlich eine oder mehrere Gruppen mehr als andere oder nimmt aus dieser Belastung unsachlich eine oder mehrere Gruppen zuungunsten anderer Gruppen im Wettbewerb aus. Der Eingriff ist zunächst im Sinne der Freiheitsrechte gerechtfertigt - er ist aber im Sinne des Gleichheitssatzes ungerechtfertigt. Er trifft aber auch mittelbar die Wettbewerbsfreiheit der schwerer belasteten Unternehmer bzw. der einzigen belasteten Unternehmer aus Art. 121 (14 I) GG als gleiche Wettbewerbsfreiheit, so daß die Grundrechtsverletzung aus Art. 3 I i. V. m. Art. 121 (1411) GG in Betracht gezogen wird 2 2 6 7 . In diesem Konkurrenzfall liegt der Schwerpunkt des Eingriffs auf dem Gleichheitsrecht, ohne daß das bedeutet, daß der Gleichheitssatz die Freiheitsrechte verdrängt. Es besteht immer noch Idealkonkurrenz zwischen Art. 3 I GG und 12 I (14 11) GG 2 2 6 8 . Sollen die besonderen Aspekte des Gleichheitssatzes aus Art. 3 II, I I I GG in Betracht kommen, besteht eine unechte Konkurrenz zwischen dem allgemeinen Gleichheitsgebot aus Art. 3 I GG und seinen besonderen Formen, so daß letzte-

Gewerbebetrieb hätte nach dem BGH praktische Relevanz im Falle des willkürlichen und deswegen nach dem einfachen Deliktsrecht (§ 823 I BGB) ersatzbedürftigen Eingriffs gehabt; vgl. auch zum Beispiel der Vergabe öffentlicher Aufträge Zuleeg, in: WiVerw 1984, S. 121. 2266 BVerfGE 30, 292, 327, 333 (Erdölbevorratung), wo es sich um eine Verletzung gegen Art. 12 I GG i. V. m. Art. 3 I GG durch willkürliche Gleichbehandlung "wesentlich Ungleicher" handelte; BGHZ 134, 1, 24 (Stromeinspeisung); vgl. ähnlich BVerfGE 34, 71, 78 f. - zustimmend Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 46; zu eng dagegen Müller-Graff, Deutscher Bericht in: FIDE (Hg.) 1984, S. 9. 2267 yg] a u c h Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmann, (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 46. 2268 Bezüglich der gerügten Regelungen hat das BVerfG in den E 30, 292, 333 (Erdölbevorratung); 34, 71, 78 f , die Gleichmäßigkeit i. S. d. Art. 3 I GG der Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in die Berufsfreiheit geprüft. Es hat m. a. W. nicht nur untersucht, ob diese Regelungen die betroffenen Wettbewerber verhältnismäßig in ihren Freiheitsrechten, sondern auch ob sie gleichmäßig ihre Gleichheitsrechte getroffen haben; ähnlich der Fall der Einführung einer Konzessionspflicht oder der höheren Gewerbeabgabebelastung der nicht-ortsansässigen, nicht aber der ortsansässigen Gastwirte - vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 392. 26 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland re die Anwendung des ersteren verdrängen 2269 . Greift eine Regelung, die die besonderen Gleichheitsrechte berührt, auch in Freiheitsrechte (Art. 121, 14 I 1GG) ein, dann besteht unter den gleichen Voraussetzungen wie mit dem Verhältnis des allgemeinen Gleichheitsgebots und der Freiheitsrechte eine echte Idealkonkurrenz zwischen dem jeweiligen spezifischen Gleichheitsrecht aus Art. 3 II, I I I GG und den Freiheitsrechten aus Art. 121, 14 11 GG, so daß der Eingriff i. S. d. Art. 3 II, I I I i. V. m. Art. 12 I, 14 11 GG verfassungsrechtlich geprüft werden muß.

cc) Allgemeine Würdigung der Grundrechtskonkurrenzlehre Was bisher über die Problematik der Grundrechtskonkurrenzen dargelegt wurde, sowohl allgemein als auch am Beispiel der Wettbewerbsfreiheit, ergibt eine interessante grundrechtsdogmatische Auseinandersetzung, die aber ggf. nicht der praktischen Relevanz entbehrt. Die theoretische Dimension der Frage nach den Grundrechtkonkurrenzen betrifft die Problematik des Grundrechtsschutzbereichs und -eingriffs. Die praktische Dimension bezieht sich auf die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs in mehrere Grundrechtsschutzbereiche nach den Schrankenvorbehalten der jeweiligen Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Da die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nach dem jeweiligen Grundrecht in verschiedenen Besonderheiten variiert (Dreistufentheorie für Art. 121 GG, Sozialvorbehalt bzw. Junktimklausel für Art. 14 GG, Wechselwirkungslehre für Art. 5 I, I I GG), ist die Prüfung des Konkurrenzverhältnisses der Grundrechte untereinander, in deren Schutzbereich der Grundrechtseingriff fällt, nicht ohne praktische verfassungsrechtliche Bedeutung. Deswegen ist im Endergebnis die Frage der Grundrechtskonkurrenzen eine Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe.

2. Die Wettbewerbsfreiheit

in der Problematik der Grundrechtskollisionen a) Problemstellung

aa) Begriff Die Frage der Grundrechtskollisionen bildet den zweiten Teil der Problematik des Verhältnisses der Grundrechte untereinander. Sie ist auf die eine oder andere Art mit den Fragen des Grundrechtsschutzbereichs, der Grundrechtseingriffe, der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Eingriffe, der 2269

So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1402.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

3

Schutzpflicht des Staates und der sog. Drittwirkung der Grundrechte verbunden. Eine Grundrechtskollision liegt vor, "wenn die Grundrechtsausübung eines Grundrechtsträgers auf Kosten der Grundrechtsausübung eines anderen Grundrechtsträgers geht" 2270 . Im Gegensatz zu den Grundrechtskonkurrenzen geht es bei Grundrechtskollisionen nicht um ein "Nebeneinander" sondern um ein "Gegeneinander" der Grundrechte 2271 , und Voraussetzung für eine solche Konstellation ist nicht der Plural von Grundrechten ein und desselben Grundrechtsträgers - wie in Konstellationen der Grundrechtskonkurrenzen -, sondern der Plural von Grundrechtsträgern eines oder mehrerer Grundrechte 2272. Man kann die Grundrechtskollisionen in zwei Kategorien teilen 2273 : in die sog. echten Grundrechtskollisionen, wenn die Grundrechte zweier oder mehrerer Grundrechtsträger kollidieren 2274 , und in die sog. unechten Grundrechtskollisionen, - oder nach anderer Terminologie - Verfassungskollisionen 2275, wenn den einen Teil der Konstellation die Grundrechte eines Grundrechtsträgers und den anderen Teil andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte oder -güter 2276 darstellen 2277 . Grundrechtskollisionen treten häufig auf 2 2 7 8 ; damit die 2270

So v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 44; vgl. aber kritisch zum Begriff "Grundrechtskollisionen" J. Ipsen, in: JZ 1997, S. 476. 2271 So v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 44; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 457, Fn. 6 (dort) vgl. auch BVerfGE 51, 324, 345, die von einem "Spannungsverhältnis" der im betroffenen Fall kollidierenden Grundrechtspositionen spricht. 2272 Vgl. auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 134, Fn. 52 (dort); Lepa, in: DVB1. 1972, S. 166; v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 44; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 457, Fn. 6 (dort), der aber nicht Grundrechtskollisionen derselben Person ausschließt. 2273 Dazu W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 457, 461 ff, 470 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 615 ff, 629, 657, und die dort dargestellten Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Kategorien. 2274 Schematisch kann man diese Konstellation wie folgt beschreiben: Grundrecht(e) eines Grundrechtsträgers oder mehrerer Grundrechtsträger gegen Grundrecht(e) eines anderen Grundrechtsträgers oder anderer Grundrechtsträger - vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 629. 2275 So W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 457. 2276 Im Lauf der Entwicklung dieser Lehre wurde die Frage aufgeworfen, welche diese Werte oder Güter sind. Als solche wurden von der Rechtsprechung des BVerfG folgende betrachtet: die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, der Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. Art. 10 II, 11 II, 18, 21 II, 73 Nr. 10 b GG), der Jugendschutz (Art. 6 II GG, Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG), die Rechtspflege (Art. 74 I Nr. 1, 92 ff. GG), das Steuerwesen (Art. 105 ff. GG), die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung, die Bundesflagge (Art. 22 GG) und nun auch die Umwelt (Art. 20 a GG) - vgl. dazu BVerwG NJW 1995, S. 2648 f.; Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 5; Kloepfer, in: DVB1. 1996, S. 78 - u. a ; vgl. zu einer Kategorisierung der Verfassungsgüter Schnapp, in: JuS 1978, S. 734. Besonders problematisch war die Verwendung der Kompetenztitel der Art. 70 ff. GG durch das BVerfG als solche Rechtswerte, die Eingriffe in vorbehaltlos geschützte Grundrechte rechtfertigen können, wie ζ. B. die Versicherungsmonopole (Art. 74 I Nr. 11 GG) oder die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Rechtsordnung von der parallelen Geltung aller kollidierenden Grundrechtsnormen nicht durch einen inneren Widerspruch gelähmt wird, muß man die betroffenen Probleme möglichst nach einheitlichen Regeln und Maßstäben lö-

bb) Grundrechtskollisionen

und die "Immanenzlehre" des BVerfG

Diese Frage hat die Rechtsprechung des BVerfG, aber auch des BVerwG 2 2 8 0 schon frühzeitig beschäftigt. In der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts hat sie besondere praktische, aber auch grundrechtsdogmatische Relevanz be-

(Art. 12 a, 73 Nr. 1, 87 a und 115 b GG) - vgl. dazu BVerfGE 69, 1, 21 f. (Kriegsdienstverweigerung II). Diese ausdehnende Interpretation des Begriffs "immanente Grundrechtsschranken" geht zu weit und wurde zu Recht kritisiert - vgl. das Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenförde in BVerfGE 69, 1, 57 ff, 60 (Kriegsdienstverweigerung II), daß diese Ausdehnung "eine unzulässige interpretative Umdeutung dieser Bestimmungen" bedeuten sollte; vgl. ferner Lepa, in: DVB1. 1972, S. 166; Schnapp, in: JuS 1978, S. 734 f.; Kriele, in: HdDStR, V, § 110, Rd. 68, Fn. 109

(dort); Stern, Staatsrecht III/2, S. 683 ff. (m. w. N.); Steinberg, in: NJW 1996, S. 1985; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 253. Ob das BVerfG in allen Kompetenznormen des GG eine "immanente Grundrechtsschranke" sieht, erscheint zweifelhaft - so Stern, Staatsrecht III/2, S. 684. Jedenfalls muß eine solche Meinung abgelehnt werden. Den Kompetenztiteln kann aber diese Rolle unter der Bedingung zukommen, daß sie Rechtswerte oder -güter zum Gegenstand haben, die im GG an anderer Stelle ihre Verankerung finden. Das ist der Fall bei der "Verhütung des Mißbrauchs wissenschaftlicher Stellung", die über Art. 74 I Nr. 16 GG hinaus vor allem in dem subjektiv - abwehrrechtlichen und dem objektiv-rechtlich institutionellen Charakter der wirtschaftlichen Grundrechte ihre Verankerung findet - vgl. zu dieser Position die Nachweise oben sub A I 2 c. Nach richtiger Auffassung stellt auch nicht das Sozialstaatsprinzip der Art. 20 I, 28 I GG eine unmittelbare verfassungsrechtliche oder "immanente" Grundrechtsschranke dar - so Badura, in: DÖV 1989, S. 494; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98, vgl. auch

Sachs, in: GG-K, Vor Art. 1, Rd. 104, für alle Verfassungsgrundprinzipien des Art. 20 I-III GG.

2277 Schematisch wird diese Konstellation wie folgt dargestellt: Grundrecht(e) eines Grundrechtsträgers oder mehrerer Grundrechtsträger gegen ein oder mehrere mit Verfassungsrang ausgestattete(n) Rechtswert(e) bzw. -güter(-gut) - vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 657. 2278 ygj jjg grundrechtskollidierenden Fallkonstellationen bei Stern, Staatsrecht III/2, S. 630 f. 2279 Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 634. 2280 BVerwGE 1, 48, 52; 2, 295, 300; 5, 153, 159; weitere Hinweise auf diese Rechtsprechung bei Stern, Staatsrecht III/2, S. 662 f. Mit dieser Rechtsprechung kann man zu dem Schluß kommen, daß das BVerwG für die Einschränkung der Berufsfreiheit bzw. die Begrenzung ihres Schutzbereichs einen "Gemeinschaftsvorbehalt" als "immanente Grundrechtsschranke bzw. -grenze" abgeleitet hat - kritisch dazu Schnapp in: JuS 1978, S. 732 f. Dieser "Gemeinschaftsvorbehalt" zeigte sich sogar auch für die Definition des Begriffs "Beruf' i. S. d. Art. 12 I GG in der älteren Rechtsprechung des Gerichts, die es inzwischen aufgegeben hat (vgl. dazu ausführlich oben sub II 2 a aa β, γ).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

5

züglich der Einschränkbarkeit der vorbehaltlosen Grundrechte bekommen und die Lehre der sog. immanenten Grundrechtsschranken geprägt 2281 . Aus der Rechtsprechung des BVerfG wird nicht immer deutlich, ob diese Lehre als Schutzbereichsabgrenzung - dann geht es eher um Grundrechtsgrenzen - oder nur als verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Eingriffe in diese Grundrechte benutzt wird. Denn das Gericht steuert diese Theorie mal in die eine 2282 und mal in die andere Richtung 2283 2 2 8 4 . Einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen Rechtsprechung kann man entnehmen, daß die "Immanenzlehre" vom Gericht benutzt wird, damit die Grundrechtseingriffe, die ausdrücklich nicht unter Gesetzes· bzw. Schrankenvorbehalt stehen, verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können. Das zeigt auch die Position des Gerichts in grundrechtskollidierenden Konstellationen: Die Lösung soll fallbezogen (in concreto) gegeben werden, so daß a priori und in abstracto die Herausnahme einer Tätigkeit oder eines Interesses aus dem Schutzbereich eines Grundrechts, da diese Grundrechte anderer oder andere Verfassungswerte bzw. -güter verletzen bzw. der

2281 Vgl. dazu BVerfGE 28, 243, 260 f.; 47, 327, 368 f.; 69, 1, 21 (Kriegsdienstverweigerung); 83, 130, 139 (Josefine Mutzenbacher); 93, 1, 21 (Kruzifix); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten); vgl. ferner aus der neueren Rechtsprechung des BVerwG BVerwGE 82, 76, 82 f. (Jugendsekten), wo von "Grenzen" und nicht "Schranken" der kollidierenden Grundrechte gesprochen wird; 87, 37, 45 f. (Diethylenglykolweine); 90, 112, 117 f. (Osho); BVerwG NVwZ 1995, S. 474 f. (Scientology Church), obwohl die Verbindung der Rechte der Arbeitnehmer oder Dritter als verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs des § 14 GewO in die Religions- und Glaubensfreiheit des Art. 4 I GG mit dem "allgemeinen" Charakter dieser Vorschrift nur Mißverständnisse schaffen kann. Diese Lehre hat im Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden - vgl. statt aller Schnapp, in: JuS 1978, S. 733 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 689 (m. w. N.); Sachs, in: ders, GG-K, Vor Art. 1, Rd. 94 ff.; kritisch dazu Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 360 ff. 2282 BVerfGE 12, 1, 4, wo das Gericht die Grenzen des Schutzbereichs der Glaubensfreiheit in der "allgemeinen Wertordnung" des GG bzw. der Grundrechte, insbesondere der Würde der Person, gesetzt und dargelegt hat, daß eine Glaubensbetätigung, die die grundrechtliche Wertordnung verletze, nicht zum Schutzbereich des Art. 4 I GG gehöre; E 19, 135, 138, in der es den Schutzbereich des Art. 4 III 1 GG durch Art. 12 II GG a. F. begrenzt hat; E 44, 37, 49 f , nach der den in Abs. 1 und 2 des Art. 4 GG gewährleisteten Freiheiten nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung allein durch andere Bestimmungen des GG Grenzen gezogen werden könnten; E 49, 24, 55 f.; vgl. auch BVerwGE 82, 76, 82 (Jugendsekten). 2283 So BVerfGE 28, 243, 260 f , in der die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, die sich auf Art. 12 a I, 73 Nr. 1 und 87 a I 1 GG begründen, Eingriffe in die Gewissensfreiheit des Art. 4 III 1 GG gerechtfertigt hat; vgl. dazu 69, 1, 21 (mit Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenförde, a. a. O, S. 58 ff.); E 35, 202, 225 f. (Lebach-Urteil), wo es um die Abwägung zwischen der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsrecht einerseits und der Rundfunkfreiheit andererseits ging; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten). 2284 Vgl. zu diesem Schluß auch Sachs, in: ders, GG-K, Vor Art. 1, Rd. 100; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 357.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

grundgesetzlichen Wertordnung widersprechen, grundsätzlich als ausgeschlossen erscheint 2285 . Wie bereits dargelegt wurde 2286 , soll diese Lehre nach neueren Tendenzen in der Rechtsprechung des BVerwG und der Literatur auf alle - auch in die nicht vorbehaltlos garantierten - Grundrechte ausgedehnt werden. Das bedeutet die Verbindung dieser Theorie mit der Abgrenzung des Grundrechtsschutzbereichs anderer Grundrechte oder Verfassungsgüter. Das BVerfG hat bisher keine Stellung dazu genommen 2287 , es wendet aber diese Lehre weiter an, wenn es sich um die Eingriffe in vorbehaltlos geschützte Grundrechte handelt. Je nach dem, welche Auffassung man annimmt, gestaltet sich auch die Stellungnahme gegenüber den Grundrechtskollisionen. Geht man von der Theorie des sog. weiten Schutzbereichs oder ihrer Variationen aus, so daß jedes menschliche Handeln potentiell in den Schutzbereich eines Grundrechts, letzten Endes der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG fällt 2 2 8 8 , dann muß man annehmen, daß jede Konstellation, in der Handlungen, Interessen, Aktivitäten usw. mit der Ausübung des Grundrechts einer anderen Person oder mit einem sonstigen Verfassungsgut kollidieren, zwangsweise zu einer (echten oder unechten) Grundrechtskollision führt. Ist man jedoch der hier vertretenen Meinung, daß über die sog. verfassungsunmittelbaren Grundrechtsgrenzen hinaus, die sich ausgesprochen aus dem Verfassungstext ergeben, auch andere Grenzen bestehen, die nicht ausdrücklich im Verfassungstext als Grenzen oder Schranken gelten, sich aber aus der grundgesetzlichen Wertordnung als kollidierendes Verfassungsrecht ergeben und den Schutzbereich eines Grundrechts von seinem Regelungsbereich abgrenzen, dann muß man die realen Kollisionen 2289 von den Scheinkollisionen unterscheiden 2290. Eine Scheinkollision liegt vor,

2285 ygi a b e r pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 351 ff, die die Situation anders betrachten: Sie gehen davon aus, daß das BVerfG nach einer Lösung von Grundrechtskollisionen den Schutzbereich der jeweils kollidierenden Grundrechte bestimmt. Da die Kollisionslösungen nach dem Gericht in concreto gelten sollen, soll das heißen, daß der Schutzbereich der kollidierenden Grundrechte entsprechend fallbezogen bestimmt werde. 2286 Vgl. oben sub II. 2287 Diese Undeutlichkeit des BVerfG zu der Frage kritisieren Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 356. 2288 Vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 291 ff. 2289 M a n spricht hier statt von "realen" von "echten" Grundrechtskollisionen - so Rüfner, in: FG BVerfG, S. 461; vgl. Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 135, der die Gegenpole "real - unecht" einerseits und "scheinbar - unecht" andererseits benutzt. Da hier der Einteilung der Grundrechtskollisionen wie bei Stern, Staatsrecht III/2, S. 615 ff, 629, 657, gefolgt wird, die dem Begriff "echte Grundrechtskollisionen" eine andere Bedeutung beimißt, wird in diesem Sinne zwischen "realen" und "scheinbaren" Grundrechtskollisionen unterschieden. 2290 Vgl. auch Rüfner, in: FG BVerfG, S. 458; v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 45; Stern, Staatsrecht III/2, S. 622 f., 643; Aussem, S. 75.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

7

wenn die Handlung einer Person, die aus den vorher genannten Gründen nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, mit dem Grundrecht einer anderen Person oder einem anderen Verfassungsgut kollidiert 2291 .

cc) Instrumente und Kriterien

der Grundrechtskollisionslösungen

Bezüglich der Kollisionslösung handhabt das BVerfG wichtige Instrumente: Der Gesetzgeber ist in erster Linie aufgrund des Grundsatzes des - spezifischen (grundrechtlichen), für die ausdrücklich unter Schrankenvorbehalt garantierten Grundrechte und des allgemeinen (rechtsstaatlichen) 2292, für die vorbehaltlosen Grundrechte geltenden - Gesetzesvorbehalts und des Demokratieprinzips (vgl. Art. 201, I I 1 GG) von der verfassungsrechtlichen Ordnung aufgerufen, die Grundrechtskollisionen zu lösen 2293 . Im Rahmen ihrer Kompetenzen und unter den strengen rechtsstaatlichen Bindungen (Art. 20 III, 801 GG, Grundsatz des Gesetzesvorbehalts) kann das auch die Exekutive (Regierung und Verwaltung) durchführen 2294 . Man mag hier darauf hinweisen, daß dem Gesetzgeber bei der 2291

Vgl. Stern, Staatsrecht III/2, S. 623, 643, der unter Hinweis auf F. Müller, Freiheit der Kunst, S. 55, 57, das Beispiel des Mordes auf der Bühne erwähnt. Man kann auch das Beispiel einer unfriedlichen oder bewaffneten Demonstration im Zentrum einer Stadt erwähnen. Die bewaffneten oder unfriedlichen Versammlungen fallen, wie bereits dargelegt, nicht in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Art. 8 I GG, weil diese Vorschrift selbst sie aus dem Schutzbereich dieses Grundrechts herausnimmt - vgl. dazu BGHZ 52, 30, 35 f.; OLG Stuttgart NJW 1969, S. 1543 f.; OLG Celle NJW 1970, S. 206 ff. Dementsprechend liegt keine Grundrechtskollision zwischen den Grundrechten der Demonstranten und den Grundrechten der Fußgänger oder der Autofahrer, die von der Demonstration beeinträchtigt werden, vor. Denn die Teilnehmer an einer solchen Demonstration dürfen sich nicht auf die Versammlungsfreiheit des Art. 8 I GG berufen, die eventuell mit der Bewegungsfreiheit des Art. 2 II 2 GG i. V. m. Art. 104 I GG der Fußgänger oder Autofahrer kollidieren würde - vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 643 (m. w. N.); Aussem, S. 75; vgl. auch zum Begriff "Scheinkollisionen" Rüfner, in: FG BVerfG, S. 458, der aber zu weit geht. 2292 Zur Differenzierung zwischen grundrechtlichem und rechtsstaatlichem Gesetzesvorbehalt vgl. oben sub IV 2 a ee α ßß ααα. 2293 Vgl. auch BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter); 88, 203, 255 (Abtreibung II); 89, 214, 232 (Bürgschaft); Schnapp, in: JuS 1978, S. 733; Scholz, Entflechtung, S. 114; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 197; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 667; W.

Roth, Faktische Eingriffe, S. 476 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 619, 635; Aussem, S. 57 ff, 75; Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 910; grundsätzlich auch Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 252 ff. 2294 V g i a u c h Rüf ner > i n : ρ G BVerfG, S. 455; Scholz, Entflechtung, S. 114; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 672; Stern, Staatsrecht III/2, S. 639 f.; vgl. auch im Prinzip gleich Jarass, in: AÖR 1985, S. 385; vgl. aber die bedenkliche und im Schrifttum heftig kritisierte Rechtsprechung des BVerwG, aber auch des BVerfG zu der Frage der "Eingriffe durch Information und Warnung" und der Anwendung des Gesetzesvorbehalts auf sie (s. ausführlich dazu bereits oben sub IV 2 a dd δ δδ, ee α γγ γγγ). Insbesondere in dem sog. Diethylenglykolweine-Urteil - BVerwGE 87, 37, 46 - hat das Gericht dargelegt, wie bereits gezeigt, daß die Lehre der sog. immanenten Grundrechtsschranken ebenso

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Erfüllung dieser Aufgabe ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zuerkannt wird 2 2 9 5 . Diese Aufgabe dürfen die dafür zuständigen Organe der Legislative und der Exekutive freilich nicht beliebig ausüben. Abgesehen von den formellen Voraussetzungen (ζ. B. Kompetenzvoraussetzungen) gelten auch materielle Bedingungen bzw. Gebote. Die Bedingung, auf die das BVerfG die Lösungen der Grundrechtskollisionen stützt, ist das Abwägungsgebot. Der Gesetzgeber usw. muß als erstes die kollidierenden grundrechtlichen Güter und Interessen richtig erkennen 2296 und dann nach dem Prinzip der "Einheit der Verfassung" 2297 , der Gleichrangigkeit der Grundrechte, mit dem Ziel des "schonenden oder angemessenen Ausgleichs" 2298 und der "Herstellung praktischer Konkordanz" 2299 , durch die Optimierung der kollidierenden Interessen 2300 sowie

Anwendung bei solchen Grundrechten findet, die einen Regelungsvorbehalt (seil. Gesetzesvorbehalt) für den Gesetzgeber enthalten. "Grundrechtsbegrenzungen, die sich aus der Verfassung selbst ergeben, gehen notwendig einer dem einfachen Gesetzgeber überlassenen Begrenzungsmöglichkeit vor". Diese Position ist zwar zu begrüßen, soweit man damit ausdrücken will, daß alle und nicht nur die vorbehaltlos garantierten Grundrechte aus der Verfassung resultierende Grenzen haben, die ihren Schutzbereich von ihrem Regelungsbereich und dem Schutzbereich anderer Grundrechte abgrenzen, wie hier an anderen Stellen mehrmals betont wurde; es erscheint allerdings fragwürdig, ob das BVerwG das damit gemeint hat Aus seiner Darlegung über den Eingriffs- und Gesetzesvorbehaltstatbestand ergibt sich eher, daß diese "immanenten Grundrechtsschranken", die grundrechtskollidierenden Fallkonstellationen bilden, die der Aufgabe des Gesetzgebers, die Kollisionen zu lösen oder zur Kollisionslösung zu ermächtigen, vorgehen sollen, so daß der Eingriff durch die Exekutive - im betroffenen Fall die Bundesregierung - über andere Voraussetzungen hinaus verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein soll. Die Richtigkeit dieser Position ist bereits hinsichtlich der Problematik der Anwendung des Gesetzesvorbehalts für die Eingriffe nach dem modernen Verständnis der Grundrechtsdogmatik kritisiert worden. Das gleiche gilt auch bezüglich der vergleichbaren Problematik der Grundrechtskollisionen. 2295

So BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvetreter). So auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 671. 2297 Vgl. dazu Hesse, Grundzüge, Rd. 71; BVerfGE 28, 243, 261; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten); vgl. auch BVerfGE 47, 327, 329, und BGH AfP 1994, S. 139, wo von der "Einheit des grundgesetzlichen Wertsystems" gesprochen wird; vgl. weiter Lepa in DVB1. 1972, S. 166; Rüfner, in: FG BVerfG, S. 466; F. Müller, Die Einheit der Verfassung; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 197; Stern, Staatsrecht III/2, S. 664 f.; Sachs, in: JuS 1995, S. 987. 2298 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 153, der den Begriff "schonend" benutzt; ders., in: HdDStR, V, § 122, Rd. 3, wo er den Begriff "schonend" durch den Begriff "angemessen" ersetzt hat; weiter BVerfGE 81, 242, 261 (Handelsvertreter); 93, 1, 21 (Kruzifix); 93, 266, 291 (Soldaten sind Mörder II), wo das Gericht im ersten Urteil den Begriff "Ausgleich auf das Angemessene" und im zweiten und dritten den Begriff "schonender Ausgleich" benutzt; s. auch BVerwG NVwZ 1994, S. 163; Leisner, SBGroßhandel, S. 96 f. 2299 So Hesse, Grundzüge, Rd. 72, 317; auch BVerfGE 83, 130, 143 (Josefine Mutzenbacher); 89, 214, 232 (Bürgschaft); 93, 1, 21 (Kruzifix); BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021, wo das Gericht von einer "Wechselwirkung" der kollidierenden Grundrechtspositionen spricht; 2296

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips 2301 ihre Bedeutung und Gewicht für den konkreten Fall 2 3 0 2 abwägen 2303 und die definitive Lösung aufzeigen. Die Anwendung dieser Begriffe kommt nicht von ungefähr: Das Prinzip der Einheit der Verfassung bzw. der Gleichrangigkeit der Grundrechte bedeutet, daß kein Grundrecht oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswert einen höheren Rang in der Normenhierarchie als die anderen Verfassungsnormen besitzt, von den in Art. 79 I I I GG und nur für die Verfassungsänderung dargestellten Vorschriften abgesehen2304. Deswegen müssen bei der

Rüfner, in: FG BVerfG, S. 467; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 458; Sachs, in: JuS 1995, S. 988. 2300 So Hesse, Grundzüge, Rd. 72; BVerwGE 87, 37, 45 f. (Diethylenglykolweine). 2301 ygj z u r Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in der Problematik der Grundrechtskollisionen Rüfner, in: FG BVerfG, S. 467; Scholz, Entflechtung, S. 114 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 197; Hesse, Grundzüge, Rd. 72, 318; ^ Roth, Fak-

tische Eingriffe, S. 459; Stern, Staatsrecht III/2, S. 620, 627 f.; Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 907, der aber daraufhinweist, daß solche Konstellationen (seil, grundrechtskollidierende) nicht mehr von der klassischen Verhältnismäßigkeit erfaßt würden, weil es an einem hoheitlichen Eingriff fehle; vgl. auch die Prinzipientheorie von Alexy, in: Der Staat 1990, S. 54 f.; zustimmend Jansen, in: Der Staat 1997, S. 27 ff.; aus einem anderen Blickwinckel Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 20 f.; zu einer Auseinandersetzung mit der Prinzipientheorie Alexys vgl. letztens Lerche, in: FS Stern, S. 197 ff.; vgl. weiter aus der Rechtsprechung BVerfGE 39, 1, 47 (Abtreibung I); 44, 353, 373; 51, 324, 346; 80, 137, 159 ff. (Reiten im Wald); 81, 242, 261 (Handelsvertreter); 81, 278, 292 (Bundesflagge); 83, 130, 143 (Josefine Mutzenbacher); 87, 363, 386 ff. (Nachtbackverbot III); 88, 203, 255, 258 (Abtreibung II); BVerwGE 90, 112, 118 (Osho); BGH AfP 1994, S. 139; BGH NJW 1995, S. 3182 f. (Feuer, Eis & Dynamit II). In den Bundesflagge-, Josefine Mutzenbacher- und Abtreibung-II-Urteilen wird der Begriff "verhältnismäßiger Ausgleich" benutzt; vgl. auch aus einer etwas anderen Perspektive BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten); BVerwGE 82, 76, 83 f. (Jugendsekten); BVerwG NVwZ 1994, S. 163; vgl. ferner zur dieser Problematik, aber zutreffender VGH Kassel GewArch 1995, S. 417. 2302 £)je Fallbezogenheit der Abwägungsaufgabe betont das BVerfG seit seinem Lüth-Urteil - E 7, 198, 211 - ständig; vgl. auch BVerfGE 21, 239, 243 f.: "Die konkrete Abwägung kann in dem einen Fall ... zum Vorrang des einen, im anderen des anderen Rechtsguts führen"; weiterhin 35, 202, 221, 225 (Lebach); 51, 324, 346; weiterhin BVerwGE 87, 37, 46 (Diethylenglykolweine); BVerwG NVwZ 1994, S. 163. 2303 Mehr zur Güter- und Interessenabwägung als verfassungsrechtliche Aufgabe bei Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 272 ff.; Aussem, S. 76 ff.; Ossenbühl in: DVB1. 1995, S. 904 ff.; Sachs, in: JuS 1995, S. 988; Jansen, in: Der Staat 1997, S. 27 ff.;

Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 251. 2304 Dazu Rüfner, in: FG BVerfG, S. 462; v.Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 46; Stern, Staatsrecht III/2, S. 614; Diederichsen, S. 88 ff:, Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 907; vgl. auch Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 87. Daß bestimmte Grundrechte, wie ζ. B. die Menschenwürde (Art. 1 I GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) oder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 GG), in grundrechtskollidierenden Konstellationen grundsätzlich bevorzugt werden sollen, wird später dargelegt und erklärt.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland Auslegung einer jeder Verfassungsnorm die übrigen Verfassungsnormen, wo es notwendig ist, mitberücksichtigt werden 2305 . Die Instrumente des schonenden und angemessenen Ausgleichs bzw. der Herstellung der praktischen Konkordanz bedeuten, daß der Gesetzgeber nicht nach einer "vorschnellen Güterabwägung" oder "gar abstrakten Wertabwägung" das eine Grundrecht zuungunsten des anderen vollkommen bevorzugen darf 2306 . Als ein solches Hindernis kommt darüber hinaus die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 I I GG in Betracht, die gebietet, daß von der Ausübung der kollidierenden Grundrechte "etwas" übrig bleibt 2307 . Es ist nicht selten der Fall, daß beide kollidierenden Positionen teilweise zugunsten der anderen zurücktreten sollen, so daß der soziale Frieden und das Zufriedenstellen der Rechtsordnung erreicht werden 2308 . Es ist aber auch nicht selten der Fall, daß nach der Abwägungsaufgabe die Friedensfunktion der Rechtsordnung verlangt, daß das eine kollidierende Grundrecht oder Verfassungsgut Zugunsten des anderen zurücktreten soll, ohne daß es möglich ist, zu einem "schonenden" bzw. "angemessenen" Ausgleich zu kommen 2 3 0 9 . Daraus ergibt sich die Frage, nach welchen Maßstäben das zuständige Organ die Abwägung handhaben soll, so daß das eine oder das andere Grundrecht bevorzugt wird 2 3 1 0 . Nach der einen Auffassung darf die "Wertordnung" bzw. das "Wertsystem" des GG und die Stellung der Grundrechte in diesem bei der Abwägungsaufgabe nicht außer acht bleiben 2311 . Man könnte dieser Positi2305

W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 458. Hesse, Grundzüge, Rd. 72, der aber diese Topoi mit dem Prinzip der Einheit der Verfassung verbindet; wie Hesse, auch Lepa> in: DVB1. 1972, S. 167; wie hier W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 458; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 251; vgl. ferner Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 80, und seine "Prinzipienkollision". 2307 Vgl. auch BVerfGE 39, 1, 43 (Abtreibung I); Lepa, in: DVB1. 1972, S. 167; Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 944; Stern, Staatsrecht III/2, S. 655, 670, 677; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 458. 2308 Vgl Leisner, SB-Großhandel, S. 96 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 72, der darlegt, daß die gegenseitige Grenzenziehung aller kollidierenden Rechtsgüter immer der Fall sein muß; aus der Rechtsprechung: BVerfGE 51, 324, 345; 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BVerwGE 87, 37, 45 f. (Diethylenglykolweine). 2309 Vgl. BVerfGE 39, 1, 43 (Abtreibung I); 88, 203, 255 f. (Abtreibung II); vgl. aber das Sondervotum der Richter Mahrenholz und Sommer im letzten Urteil, a. a. O, S. 340 f. 2310 Mehr zu dieser Frage bei Rüfner, in: FG BVerfG, S. 461; Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 908; vgl. ferner Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 84 ff, und seine "Dreistufentheorie" bezüglich der Güter- und Interessenabwägung in einer Grundrechtskollision. 2311 Stern, S. 665 f , unter Hinweis in den Fn. 285, 286 (dort) auf die Rechtsprechung des BVerfG; vgl. dazu in der Tat BVerfGE 39, 1, 47 (Abtreibung I), wonach der Gesetzgeber nach der Erfüllung der Güterabwägung den Grundrechtskonflikt über die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hinaus nach Maßgabe der Wertordnung des GG lösen soll; ähnlich E 28, 243, 261 - kritisch dazu Rüfner, in: FG BVerfG, S. 465. 2306

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik on beipflichten, dadurch ist aber die Gefahr gegeben, daß durch die "Hintertür" der grundgesetzlichen "Wertordnung" eine quasi abgestufte Rangordnung der Grundrechte je nach ihrem Wert eingefügt wird 2 3 1 2 . Deswegen scheint es hier vernünftiger, auf die Wertordnung des GG zurückzugreifen, wenn es eher um die Abgrenzung des Schutzbereichs der Grundrechte von anderen Grundrechten bzw. Verfassungsgütern geht, die zur Wertordnung des GG gehören, und diejenigen Interessen, Handlungen usw. außerhalb des Schutzbereichs gelassen werden, die dieser Wertordnung offensichtlich widersprechen 2313. Die "Wertordnung" des GG kann nur dann als Instrument der Abwägungsaufgabe benutzt werden, um für die konkret zu entscheidende Frage festzustellen, welches Grundrecht oder Verfassungsgut das größere Gewicht hat 2 3 1 4 , oder, um einen Begriff aus der Grundrechtskonkurrenzlehre zu benutzen, welches Grundrecht im konkreten Fall das "stärkere" und welches das "schwächere" ist 2 3 1 5 . Die "Schwäche" des einen Teils der Grundrechtskollision kann auch dadurch bestimmt werden, daß dieser nur in seinem Randbereich oder im Vergleich zu dem anderen Teil der Kollision weniger getroffen ist 2 3 1 6 . Einschlägig ist auch die These, die das Abwägungsgebot mit der sog. Wechselwirkungslehre verbindet. Diese Lehre hat das BVerfG in seinem sog. Lüth-Urteil bezüglich der Einschränkbarkeit der Meinungsäußerungsfreiheit konzipiert 2317 . Nach dieser These ist jede Grundrechtseinschränkung im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts zu sehen. Das Prinzip der Wechselwirkungslehre steht auch hinter den dogmatischen Figuren der Güterabwägung, der Dreistufenlehre im Rahmen von Art. 121 GG und des Übermaßverbots mit seinen drei Regelungskomponenten Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit

2312 ygj z u r Auseinandersetzung darüber Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 134 ff.; vgl. ferner die Nachweise bei Η Schneider, Die Güterabwägung, S. 222, Fn. 7 (dort); Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 86; Diederichsen, S. 89, Ossenbühl, in:

DVB1. 1995, S. 907; Sachs, in: JuS 1995, S.987 f.; ders., in: Sachs, GG-K, Vor Art. 1, Rd. 97, und Bethge, in: Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 170, lehnen auch eine Wertrangordnung ab. 2313 ygj a u c j 1 0 b e n s u b u 2 a aa γ. 2314

Vgl. auch BVerfGE 2, 1, 72 f. (SRP); 28, 243, 261; BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); Jansen, in: Der Staat 1997, S. 46; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 251. 2315 Yg] a u c h BVerfGE 81, 278, 289 (Bundesflagge), wonach von der Eigenart und nicht von dem Rang oder der Stelle - der zur Diskussion stehenden Grundrechte gesprochen wird. Außerdem hat das BVerfG auf die Wertordnung des GG mehrmals in Verbindung und mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung zurückgegriffen - vgl. BVerfGE 28, 243, 261; 30, 173, 193 (Mephisto); 32, 98, 108 (Gesundbeter) - kritisch dazu Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 269. 2316 Vgl. Rüfner, in: FG BVerfG, S. 466 (m. w. N.); Stern, Staatsrecht III/2, S. 679. Dieses Argument weist auf das "Intensitätskriterium" des Eingriffs hin. 2317 BVerfGE 7, 198, 208; vgl. ausführlich oben sub IV 2 d bb γ.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland (i. e. S.) 2318 . Es muß auch hier hervorgehoben werden, daß die "Schwäche" oder die "Stärke" der kollidierenden Grundrechte bzw. ihre besondere Bedeutung unter allen Umständen und Gegebenheiten des Einzelfalles in Betracht gezogen werden müssen 2319 . Als Fazit kann gesagt werden, daß das Verhältnismäßigkeitsprinzip zumindest in seinem dritten Teilgebot, der Verhältnismäßigkeit i. e. S. (Proportionalität) oder Zumutbarkeit (Angemessenheit) bzw. dem Abwägungsgebot 2 3 2 0 , angewendet wird 2 3 2 1 . Bezüglich der zwei anderen Teilparameter und des Erreichens eines "legitimen Zwecks" kann man folgendes ausführen: Der "legitime Zweck" ist die Sicherung des einen Grundrechts bzw. Verfassungsgutes, die nur durch das Zurücktreten des anderen Grundrechts erreicht werden kann. Welches Grundrecht zurücktreten soll, ist auch eine Frage des Abwägungsgebots. Soweit ein Grundrecht, das mit einem anderen kollidiert, zurücktreten soll, muß seine Ausübung eingeschränkt werden 2322 . Diese Einschränkung (Eingriff) muß darüber hinaus geeignet und erforderlich für das Erreichen des legitimen Zwecks sein 2323 . Ob der Gesetzgeber bzw. die Exekutive die vorher genannten Maßstäbe verfassungsrechtlich tauglich gehandhabt haben, obliegt der richterlichen Kontrolle, in der letzten Instanz der Kontrolle des BVerfG 2 3 2 4 2 3 2 5 .

2318 So Schnapp, in: JuS 1978, S. 731; dazu tendiert seit kurzem auch das BVerfG zumindest für das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG in BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); 95, 267, 306 (Altkreditschulden); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. auch H. Schneider, Die Güterabwägung, S. 31 f.; es ist hier zu erwähnen, daß das Lüth-Urteil - BVerfGE 7, 198, 209 ff. - selbst für die "allgemeinen Gesetze" i. S. d. Art. 5 II GG die "Wechselwirkungslehre" mit der Güterabwägung unmittelbar verbunden hat - so auch Oldiges, in: FS Friauf, S. 289. 2319

2320

So Lepa, in: DVB1. 1972, S. 167.

Zum Übermaßverbot als Abwägungs- bzw. Zumutbarkeitsgebot vgl. Stern, Staatsrecht III/2, S. 818; Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 906. 2321 ygj z u e j n e m Übermaßverbot bzw. Zumutbarkeitsgebot nach der Lösung eines grundrechtskollidierenden Falls BVerfGE 32, 98, 109 (Gesundbeter); 39, 1, 53 (Abtreibung I); 81, 242, 261 ff. (Handelsvertreter); 88, 203, 256 (Abtreibung II); vgl. auch Scholz, Entflechtung, S. 114; Medicus, in: AcP 1992, S. 50, 60; Stern, Staatsrecht III/2, S. 676 f. 2322 V g i a u c h Scholz, Entflechtung, S. 115; Stern, Staatsrecht III/2, S. 629; aber anders BVerwGE 87, 37, 50 (Diethylenglykolweine), die in der strittigen Listenveröffentlichung aus den bereits ausgeführten Gründen keinen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Weinunternehmer anerkannt hat. 2323 So Scholz, Entflechtung, S. 114; Hesse, Grundzüge, Rd. 318; Stern, Staatsrecht III/2, S. 676. 2324 Vgl. dazu Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 282 ff.; Scholz, Entflechtung, S. 114; Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 9; Stern, Staatsrecht III/2, S. 641 ff, 650. Die Kontrolle des (Verfassungs-)Richters ist besonders weit im Privatrecht, wenn der Privatrechtsgesetzgeber nicht konkrete Lösungen gegeben hat. Dann wird der (Verfassungs-)Richter aufgerufen, die Austrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

3

dd) Allgemeine Würdigung der Grundrechtskollisionslehre Die Problematik der Grundrechtskollisionen spielt zweifelsohne eine größere praktische Rolle für die Einschränkbarkeit der vorbehaltlos garantierten Grundrechte. Denn nach der "Immanenzlehre" des BVerfG darf die Einschränkung eines solchen Grundrechts nur durch ein anderes Grundrecht bzw. Verfassungsgut gerechtfertigt werden. Wenn das tatsächlich der Fall ist, dann geht es zwangsweise um eine echte oder unechte Grundrechts- bzw. Verfassungskollision. Praktische Relevanz bekommt diese Problematik aber auch für die unter qualifiziertem Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechte, soweit die Einschränkung die Grenzen des qualifizierten Vorbehalts überschreitet 2326. Die Suche nach Grundrechten oder anderen Verfassungsgütern, um eine solche Einschränkung rechtfertigen zu können, ist erforderlich. Nicht bedeutungslos ist diese Problematik indes aus zweierlei Gründen für die unter einfachem Gesetzesvorbehalt garantierten Grundrechte, obwohl die einschränkende Möglichkeit des Gesetzgebers in diesem Fall vergleichsweise größer ist: Erstens wird die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs (nach der Abwägungsaufgabe) aufgewertet, wenn es sich bei dem "legitimen Zweck", dem der Eingriff dienen soll, um den Schutz eines anderen Grundrechts oder eines mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsguts handelt. Zweitens bekommt die Grundrechtskollisionenlehre eine besondere praktische Bedeutung, wenn die Grundrechte auf das einfache Recht einwirken sollen bzw. wenn es sich um die sog. Drittwirkungsproblematik handelt 2327 .

Recht durch die "Einbruchstellen" der Generalklauseln und anderer unbestimmter Rechtsbegriffe zu bewerten und aufgrund der Lehre der sog. mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte sowie des Abwägungs- und Verhältnismäßigkeitsgebots die Grundrechtskollision zu lösen - vgl. auch Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 288; Schnapp, in: JuS 1978, S. 733, der sogar von einem "judicial self-restraint" des BVerfG in diesem Fall spricht; Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 9; Stern, Staatsrecht III/2, S. 619, 642 (mehr dazu unten sub C I 3 e, 4 a, II 2). 2325 Aus dieser Analyse ergibt sich, daß die ganze öffentliche Gewalt (Legislative, Exekutive und Judikative) die Aufgabe trägt, im Rahmen des Gewaltenteilungsprinzips (Art. 20 II 2 GG), der Kompetenzen ihrer jeweiligen Organe (vgl. Art. 30, 32, 65, 70 ff, 83 ff, 92 ff. GG) und vor allem aufgrund ihrer Grundrechtsbindung (Art. 1 III GG) die Grundrechtskollisionen nach den bereits dargelegten Grundsätzen zu lösen - vgl. auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 634 ff.; ferner Scholz, Entflechtung, S. 114 f , nach dem die Legislative (Gesetzgeber) die Kollisionen in allgemeinen bzw. typischen Fällen, die Exekutive (Regierung und Verwaltung) und die Judikative (Gerichte, das BVerfG in letzter Instanz) diese dagegen im Einzelfall lösen. Es wird wohl vorausgesetzt, daß der sich auf die Grundrechtskollision berufende Träger öffentlicher Gewalt auch tatsächlich der durch beide Grundrechte Verpflichtete nach Art. 1 III GG sein muß - so W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 463. 2326 y g l a u c h w R o t h t Faktische Eingriffe, S. 460. 2327

Dazu aber mehr unten sub C I 3 e, 4 a.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland b) Die Wettbewerbsfreiheit als Musterbeispiel der Grundrechtskollisionen aa) Allgemeines Die Wettbewerbsfreiheit bleibt nicht außerhalb der Problematik der Grundrechtskollisionen; nicht nur, weil sie aus mehreren Grundrechten besteht, sondern vielmehr, da sie ein wirtschaftliches Grundrecht ist und im Bereich der Wirtschaft die Antagonismen und Spannungslagen ein häufiges Phänomen sind. Vereinfacht kann man sagen, daß die Wettbewerbsfreiheit die Kollisionen in sich trägt. Die Freiheit zu konkurrieren bedeutet die Freiheit, etwas zu schaffen, bevor der Konkurrent es schafft. Soweit aber der Konkurrent das gleiche Recht hat, fuhrt diese Konkurrenz häufig zu Kollisionen. In einer Wirtschaft, in der die Wettbewerbsfreiheit die Regel ist, sind solche Kollisionen ein conditio sine qua non fur ihre Entwicklung. Es soll hier zunächst ermittelt werden, ob diese Kollisionen zu Grundrechtskollisionen zwischen Wettbewerbern auf einem Markt fuhren können; dann werden die Kollisionen zwischen der Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer, Gewerbetreibenden usw. und den Grundrechten anderer dargestellt, wobei die Grundrechte der Verbraucher und der Arbeitnehmer eine wichtige Rolle spielen. A m Schluß werden auch die sog. unechten Grundrechtskollisionen zwischen der Wettbewerbsfreiheit und anderen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswerten bzw. -gütern untersucht. Die folgende Überprüfung wird besonders auf dem dreiseitigen Verhältnis Grundrechtsträger - Staat - Grundrechtsträger basieren, wobei der Staat die Spitze dieses "Dreiecks" bildet und ihm, wie bereits ausführlich gezeigt wurde 2328 , die Aufgabe obliegt, den Kollisionsfall zu lösen.

bb) Die Kollision der Wettbewerbsfreiheit

der Konkurrenten

untereinander

Dazu gehört jede Handlung und Aktivität, jedes Interesse, die ein Wettbewerber auf einem Markt entwickelt, um von seinen Konkurrenten Vorteile (Kunde, höheren Umsatz usw.) zu gewinnen, und die mit den entsprechenden Interessen und Tätigkeiten der Konkurrenten kollidieren. Die Lösung dieser Fallkonstellationen hat der Gesetzgeber durch das Unlauterkeitsrecht - insbesondere das U W G 2 3 2 9 - und das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufgezeigt 2330 , welche u. a. auch die Rechte der Konkurrenten zu schüt-

2328

s. oben sub a cc. 2329 ygj a u c h Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 147 ff. 2330 So Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 176 f., Fn. 21 (dort); ders., Konzentrationskontrolle, S. 49.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

5

zen haben 2331 . Diese Gesetze stellen den typischen Fall dar, daß der Gesetzgeber in grundrechtlich geschützte und kollidierende Positionen eingreift, um nach den oben dargelegten Prinzipien und Zwecken die unterschiedlichen Interessen auszugleichen. Von herausragender Wichtigkeit ist die Rolle des Richters in der richterrechtlichen Rechtsfortbildung der "großen" und - weniger - der "kleinen" Generalklausel der §§ 1 (Gute-Sitten-Generalklausel), 3 (Verbot der irreführenden Werbung) UWG 2 3 3 2 . Nach der Güterabwägung, die der Richter im Rahmen der Auslegung dieser Generalklauseln vornimmt, müssen die kollidierenden Grundrechtspositionen der Konkurrenten berücksichtigt werden, damit man zu einem schonenden und verhältnismäßigen Ausgleich kommt 2 3 3 3 . Deutlicher wird es nach der Darstellung der folgenden Beispiele: Von der Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 I und ggf. 14 I 1, 5 I 1 GG) wird das Werben um und grundsätzlich das Abwerben der Kunden vom Konkurrenten gedeckt 2334 . Sittenwidrig nach § 1 UWG ist hingegen das gezielte Abwerben von Kunden eines bestimmten Mitbewerbers in unmittelbarer Nähe seines Geschäftes 2335. In dieser Fallkonstellation muß nach einer verhältnismäßigen Güter- und Interessenabwägung dieses Recht bzw. Interesse eines Gewerbetreibenden hinter dem Recht bzw. Interesse seines Konkurrenten (ebenso aus Art. 12 I, 1411, 5 1 1 GG) zurücktreten, den Kunden in der unmittelbaren Nähe seines Geschäftes ohne die Verwendung von Konkurrenzmitteln seines Mitbewerbers abspenstig machen zu können. Eine grundrechtskollidierende Fallkonstellation zwischen Mitbewerbern bildet die vergleichende kritisierende Werbung eines Mitbewerbers in bezug auf Waren, Leistung oder Betrieb seines Konkurrenten 2336 . Einerseits liegt in der Waagschale die Werbefreiheit des werbenden Mitbewerbers (Art. 511, 12 I GG), aber auch die Informationsfreiheit der Verbraucher (Art. 5 11 Var. b GG), und andererseits der Ruf der Firma seines Konkurrenten (Art. 12 I, 14 I 1 GG) 2 3 3 7 . Vergleichbar ist diese Konstellati-

2331 Vgl. Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 537; vgl. auch oben sub A II 1 abb, b aa γ und unten VI 3 c aa. 2332 Vgl. auch unten sub C II 2 a. 2333 ygj zutreffend auch Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 148 f , 154 f. 2334 ygj u n t e r d e m Gesichtspunkt des § 1 UWG Spoer/Brinker/Diller, in: NJW 1997, S. 3056. 2335 Vgl. BGH GRUR 1960, S. 433 (Kfz-Nummernschilder). 2336 Yg] z u r betroffenen Fallkonstellation insbesondere BGHZ 51, 1, 3 ff. (Pelzversand); näher zu diesem Fall bezüglich der Problematik der Grundrechtskollisionen unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 157 ff. 2337 Ulmann, in: GRUR 1996, S. 957; ähnlich Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 158; vgl. ferner BGH NJW 1982, S. 637 ff. (Großbanken-Restquoten), wo es um eine herabsetzende Kritik eines Presseorgans gegenüber einem anderen (konkurrierenden) ging. Da der BGH dargelegt hat, daß die Pressekritik pauschal und ohne erkennbaren sachlichen Bezug gewesen sein soll, hat er sie nicht nur als wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG, sondern auch als durch das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 I GG nicht gedeckt behandelt. Das hat m. a. W. zu bedeuten, daß nach

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

on mit der Situation, daß ein ehemaliger Chefredakteur einer Presseagentur an (potentielle) Kunden ein Rundschreiben mit herabsetzender Kritik gegenüber seinem früheren Arbeitgeber zum Zwecke des eigenen Wettbewerbs versendet 2338 . Von der Wettbewerbsfreiheit wird auch der Versuch geschützt, einen Markt zu beherrschen, selbst wenn dazu die anderen Konkurrenten aufgeben müssen 2339 . Sitten- bzw. wettbewerbswidrig nach § 1 UWG sind aber Verdrängungspraktiken (ζ. B. Ausschalten vom Markt) 2 3 4 0 im Wettbewerb, weil sie den Mitbewerber (auch den potentiellen) hindern, seine Wettbewerbsfreiheit auszuüben. In diesem Sinne sollen nach der gleichen Methode auch die Rechte bzw. Interessen der Konkurrenten gewahrt werden. Um Grundrechtskollisionen bzw. um eine gesetzgeberische Kollisionslösung handelt es sich auch im Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen 2341. Das Gesetz verbietet wettbewerbsbeschränkende Handlungen (ζ. B. Kartelle, Machtkonzentration durch Zusammenschlüsse, den Abschluß von vertikalen Preisverträgen, aufeinander abgestimmtes Verhalten, Empfehlungen etc.), um u. a. die Rechte der anderen Marktteilnehmer (grundsätzlich Konkurrenten sowie ggf. Lieferanten, Abnehmer, Arbeitnehmer) 2342 zu bewahren 2343 . In diesem dem BGH eine reale Grundrechtskollision zwischen der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 121, 14 I 1 GG, aber auch aus Art. 5 I 2 GG des kritisierten Presseorgans und dem Interesse seines die Kritik übenden Konkurrenten, nicht bestehen kann, sondern es handelt sich bloß um eine Scheinkollision. Diese Meinung geht aber zu weit. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, daß dieser Kritik der prima facie oder potentielle grundrechtliche Schutz (vgl. zu diesen Begriffen oben sub I 1), sei es des Art. 5 I GG, sei es des Art. 12 I GG, abgesprochen werden muß. Daß sie im Ergebnis tatsächlich als W e t t bewerbs· bzw. sittenwidrig i. S. d. § 1 UWG zu behandeln ist, ist eine Sache der Schrankenproblematik (vgl. Art. 5 II, 1212 GG) und der Güter- und Interessenabwägung zwischen den kollidierenden Positionen; vgl. auch ähnlich OLG Hamburg NJW 1996, S. 1003 f. (Schmuddelsender), das aber als die Meinungsfreiheit kollidierende Position nur den Schutz des lauteren Wettbewerbs nach § 1 UWG anerkannt hat. 2338 Vgl. zum Fall BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1153 f. (Jacubowski), das aber in den schützenswerten Positionen der Presseagentur nicht den grundrechtlich geschützten Ruf der Firma, sondern nur den im Rahmen des einfachrechtlichen § 1 UWG geschützten, lauteren Wettbewerb anerkannt hat; vgl. besser OLG München MDR 1994, S. 28, sowie EGMR NJW 1995, S. 858 (Jacubowski/Deutschland). 2339 So Baumbach/Hefermehl, Allg, Rd. 22; vgl auch VGH Mannheim NVwZ 1990, S. 575; dagegen geht Nordemann, in: GRUR 1975, S. 630, davon aus, daß Behinderungs- oder Vernichtungspraktiken aus dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit a priori herausfallen. 2340 Vgl. BGH WRP 1976, S. 371 (Puderdose). 2341 y g j

dazu ausführlich Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 176 f f , wo Scholz auf

S. 178 davon ausgeht, daß das Kartellrecht über die Kollisionslösung hinaus auch die Mißbrauchswehr, die aber mit der ersteren verbunden ist, bewältigen sollte; ders., Konzentrationskontrolle, S. 49 ff.; ders., Entflechtung, S. 108 ff.; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 272, 291. 2342 Vgl. Schlichter, Die Beseitigung, S. 201.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Sinne greift es zum einen in die aus Art. 12 I, 14 I 1 und 9 I GG resultierende Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit in all ihren Teilformen (Erwerbs-, Wachstums·, Investitions- oder Konzentrationsfreiheit) der einschränkenden Unternehmer ein, wenn und soweit man annimmt, daß diese Interessen und Praktiken in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen, zum anderen aber verstärkt und fördert sie die aus Art. 121, 141 1 GG resultierende Wettbewerbsfreiheit ihrer Wettbewerber 2344 . Andererseits aber erlaubt das Gesetz u. U. diese Wettbewerbsbeschränkungen (vgl. §§ 2 ff. GWB). Dann greift es, wie bereits dargelegt, in die Wettbewerbsfreiheit derjenigen Unternehmer ein, die durch die Erlaubnis die Wettbewerbsbeschränkungen hinnehmen müssen. Es handelt sich auch hier um Grundrechtskollisionen bzw. um kollisionslösende Gesetzgebung2345. Das Beachten der bereits dargelegten Prinzipien und Gebote bzw. Verbote bestimmt, ob die Lösung der Grundrechtskollisionen verfassungsmäßig erfolgt ist oder nicht 2346 . Eine Grundrechtskollision besteht ebenfalls bei der Erlaubnis zur Aufnahme von genehmigungspflichtigen Berufstätigkeiten, wenn sich mehrere Personen um sie bewerben, aber nicht alle berücksichtigt werden können. Die Rechte aller Bewerber auf Zugang zum Wettbewerb durch die Erlaubnis kollidieren miteinander 2347 . Dagegen besteht keine Grundrechtskollision zwischen dem Recht einer Person, die zwar noch nicht am Wettbewerb teilnimmt, aber in diesen einsteigen will, und dem Interesse der Altunternehmen, die keinen neuen Wettbewerber erstreben. Denn deren Interesse wird weder von der Wettbewerbsfreiheit noch von einem anderen Grundrecht geschützt 2348 , so daß es nicht

2343 y g j hier d i g Einteilung der auf die Wettbewerbsfreiheit bezogenen Konfliktkonstellationen nach Scholz, Entflechtung, S. 109, in "wettbewerbsautonome" und "wettbewerbsheteronome". Die ersteren betreffen Grundrechtskollisonen im Verhältnis der einzelnen (gleichstarken) Wettbewerber zueinander, die zweiten die Grundrechtskonflikte zwischen einerseits wirtschaftlich "schwächeren" und andererseits "stärkeren" Unternehmern. 2344 So Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 176 f , Fn. 21 (dort); ders., Konzentrationskontrolle, S. 49 ff.; ders., Entflechtung, S. 109, 111; Schlichter, Die Beseitigung, S. 201. 2345 So auch Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 176 f , Fn. 21 (dort); Grabitz, in: ZHR 1985, S. 291. 2346 Y g j Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 49 f.; vgl. auch ders., Wirtschaftsaufsicht, S. 177, 181; ders., Entflechtung, S. 113 ff. - in diesen drei Werken wird auf das Prinzip des "schonenden Ausgleichs" von Lerche hingewiesen, der darlegt, daß die kollidierende Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit der beschränkenden und der von den Wettbewerbsbeschränkungen beeinträchtigten Unternehmer gleichwertig seien. Das kann unter den Umständen angenommen werden, daß der Begriff "Gleichwertigkeit" als "Gleichrangigkeit" verwendet wird - Argument aus dem Prinzip der "Einheit der Verfassung"; vgl. auch Grabitz, in: ZHR 1985, S. 291 f. 2347 Vgl. Stern, Staatsrecht III/2, S. 640. 2348 s. dazu oben sub II 2 a cc ß. 27 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland mit der Freiheit zum Wettbewerb der sich bewerbenden Unternehmen grundrechtlich konkurrieren kann. Genauso wenig liegt eine Grundrechtskollision zwischen dem Anspruch auf Subventionierung und dem Recht des nicht subventionierten Unternehmers vor, im Wettbewerb ohne Begünstigung seines Konkurrenten tätig zu werden. Denn die Grundrechte bzw. Art. 12 I, 14 I 1 GG - auch nicht Art. 5 1 2 GG bezüglich der Pressefreiheit eines Presseunternehmens 2349 - gewähren kein Recht auf Subventionsförderung 2350. Sollte ein solcher Anspruch existieren, kann seine rechtliche Grundlage nur einfachgesetzlicher Natur sein 2351 .

cc) Die Kollisionen der Wettbewerbsfreiheit

mit Grundrechten anderer

α) Wettbewerbsfreiheit vs. Verbraucher(grund)rechte Es kommt sehr häufig zu Grundrechtskollisionen zwischen der Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer und der Rechte der Verbraucher. Das ist ebenso plausibel wie die Grundrechtskollisionen zwischen den Unternehmern. Denn die Verbraucher stellen die Gegenseite bzw. die "dritte Ecke" des Dreiecks eines Wettbewerbsverhältnisses auf einem Markt dar. Ihre Rechte sind auch verfassungs- bzw. grundrechtlich garantiert 2352 , so daß sie häufig mit den Grundrechten der Anbieter (Unternehmer) nach Art. 12 I, 1411 GG in Konflikt geraten können 2353 . Die charakteristische Fallkonstellation einer solchen Grundrechtskollision stellte der sog. Diethylenglykolwein-Fall dar, mit dem sich in letzter Instanz das BVerwG befaßte 2354 . In diesem Fall handelte es sich zum einen um die aus Art. 12 I GG und - nach der hier vertretenen Meinung - aus Art. 14 I 1 GG resultierende Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit der Weinherstellungsfir-

2349 So ausdrücklich BVerfGE 80, 124, 133 (Pressesubventionierung); vgl. aber anders Stern, Staatsrecht III/2, S. 633. 2350 s. dazu oben sub II 2 a cc ß. 2351 Zu den Grundrechtskollisionen, wenn mindestens der eine Teil der Kollision ein positives Leistungsrecht ist, vgl. W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 463 f, der allerdings zutreffend hervorhebt, daß eine solche Grundrechtskollision nur dann in Betracht kommen kann, wenn ein Leistungsrecht materiell besteht. 2352 Vgl. dazu BGHZ 130, 205, 211 (Feuer, Eis & Dynamit I); BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); LG München NJW - RR 1997, S. 1545; Nordemann,

in: GRUR 1975, S. 629; Püttner, in: NJW 1979, S. 2132 f.; Ehlers, in: WRP 1983, S. 188; Stober, Grundrechtsschutz, S. 36 f.; ders., in: FS Lukes, S. 601; HenningBodewig, in: GRUR 1993, S. 952; Hufen, in: NJW 1994, S. 2922; v. Gierke, in: FS Pi-

per, S. 253. 2353 ygj 2i\xàì Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 149. 2354 BVerwGE 87, 37 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik men, deren Weinprodukte mit Diethylenglykol versetzt waren, und zum anderen um das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Konsumenten. Das BVerwG hat darüber hinaus auch eine andere Grundrechtsposition erkannt, namentlich die Wettbewerbsfähigkeit (Art. 12 I, 14 I 1 GG) der Weinhersteller, deren Weine nicht mit diesem chemischen Mittel versetzt waren. Ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit soll dadurch verringert worden sein, so daß im Ausland bei ausländischen Verbrauchern Beunruhigung und Unsicherheit herrschte. Denn diese Weinkonsumenten konnten mangels Information und Aufklärung von deutscher Seite nicht wissen, welche deutschen Weine mit dem gesundheitsgefährdenden Mittel versetzt waren und welche nicht. Die staatliche Information durch die Veröffentlichung einer Weinliste sollte auch ihre Rechte und Interessen schützen 2355 . Die Fehlschlüsse dieses bundesverwaltungsgerichtlichen Urteils sowie die von ihm geübte Kritik wurden bereits ausführlich dargelegt. Das Paradoxum dieser Schlüsse war, daß das Gericht in seiner ganzen Darlegung die grundrechtskollidierenden Positionen erkannt und auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip zurückgegriffen hat. A m Schluß aber hat es eine (unechte) Grundrechtskollision zwischen den grundrechtlichen Positionen der Weinhersteller einerseits und der Befugnis bzw. Pflicht der Bundesregierung als leitendes Staatsorgan (vgl. Art. 65 GG) zur verantwortlichen Leitung des Ganzen der inneren Politik andererseits festgestellt, die Grundrechte der Konsumenten und der Konkurrenten zu schützen. Richtig gesagt handelte es sich nach alledem, was über die grundrechtsdogmatische Problematik der Grundrechtskollisionen dargelegt wurde, nicht um eine unechte, sondern um eine nicht vorhandene Grundrechtskollision. Denn wie bereits gezeigt wurde 2356 , kann die Ausübung der staatlichen Schutzpflicht nicht mit der Ausübung eines Grundrechts kollidieren. Die Ausübung der staatlichen Schutzpflicht hat vielmehr die bereits dargestellten Grundrechtskollisionen aufgelöst. Ähnlich war die grundrechtliche Situation im sog. Birkel-Fall 2357 . Es handelte sich auch hier um eine Grundrechtskollision zwischen der aus Art. 12 I und 14 I 1 GG resultierenden Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit des betroffenen Nudelunternehmens einerseits und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 I I 1 GG der Konsumenten andererseits 2358. Um eine andere Grundrechtskollision, bei der die Wettbewerbsfreiheit des Anbieters nach Art. 12 I GG und diesmal das allgemeine Persönlichkeitsrecht 2355 2356 2357

S. 2257.

BVerwGE 87, 37, 48. s. dazu oben sub IV 2 a dd δ δδ. Vgl. dazu OLG Stuttgart NJW 1990, S. 2690 ff.; LG Stuttgart NJW 1989,

2358 Die dazu berufenen Gerichte haben den Rechtsstreit wegen ihres zivil- bzw. deliktsrechtlichen Charakters nicht aus der Sicht einer Grundrechtskollision bewältigt. Das LG Stuttgart hat aber die aus Art. 121, 1411,21 (seil, überflüssig) GG grundrechtlichen Positionen und Interessen der Nudelfirma erkannt - s. a. a. O, S. 2258.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland in bezug auf die Intim- bzw. Privatsphäre der Verbraucher nach Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG 2 3 5 9 in Konflikt standen 2360 , handelte es sich im sog. Grabsteinwerbung-Fall 2361 . Vergleichbar ist die Fallkonstellation aus der Telefon- 2 3 6 2 , Brief- 2 3 6 3 , Telex 2364 - und Telefaxwerbung 2365 2 3 6 6 , der Suggestivwerbung 2 3 6 7 und der Werbung mit psychologischem Kaufzwang 2368 2 3 6 9 .

2359 ygj z u m grundrechtlichen Schutz der Intim- bzw. Privatsphäre des Menschen im Rahmen der Rechtsfigur des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG BVerfGE 34, 269, 281 (Soraya); 39, 1, 42 (Abtreibung I)f BGHZ 128, 1, 10, 15 (Caroline von Monaco I - Erfundenenes Interview); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II - Brustkrebs); Ehlers, in: WRP 1983, S. 188, und seine zutreffende Aufteilung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in drei Schutzkreise; Schmitt Glaeser, in: HdDStR, VI, §129, Rd. 8 f.; Ricker,

Unternehmensschutz,

S. 36 ff.; Sosnitza, in: GRUR 1993, S. 541; Ulrich, in: FS Vieregge, S. 902 ff. (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGH); Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 604; v. Gierke, in: FS Piper, S. 253; Jarass, in: Erichsen/Kollhosser/Welpe (Hg.): Recht der Persönlichkeit, S. 94 f.; Ehmann, in: JuS 1997, S. 200; Forkel, in: JZ 1997, S. 43 ff.; vgl. auch BGH GRUR 1994, S. 382 (Lexikothek); BGHZ 131, 332, 338 (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos), wonach für den Schutz der Privatsphäre nur der Art. 2 GG herangezogen wurde. 2360 So auch Krüger-Nieland, in: GRUR 1974, S. 563; Ehlers, in: WRP 1983, S. 193 (m. w. N.); Henning-Bodewig, in: GRUR 1993, S. 952; Raeschke-Kessler/Schroeder,

in:

FS Piper, S. 405 f. 2361 BVerfGE 32, 311, 317 f.; vgl. dazu ausführlicher unten sub C II 2 a bb. 2362 BGHZ 54, 188, 190 f. (Telefonwerbung I); 113, 282, 283 ff. (Telefonwerbung IV); BGH GRUR 1995, S. 220 (Telefonwerbung V); OLG Hamburg NJW-RR 1992, S. 1132; vgl. auch BGH GRUR 1989, S. 754; GRUR 1994, S. 381 f. (Lexikothek), in dem der BGH ausdrücklich zwischen den Grundrechten des Umworbenen (Art. 2 GG Schutz der Privatsphäre) und den Grundrechten des Werbenden (Art. 12, 14 GG) abgewogen hat; weiterhin Krüger-Nieland, in: GRUR 1974, S. 562; Ehlers, in: WRP 1983, S. 190; Raeschke-Kessler/Schroeder, in: FS Piper, S. 406; Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 160 f. 2363 BGH GRUR 1973, S. 552 ff. (Briefwerbung). 2364 BGH GRUR 1973, S. 211 f. (Telexwerbung). 2365 BGH NJW 1996, S. 660 f. (Telefaxwerbung); OLG Hamm NJW-RR 1991, S. 160 (Telefaxwerbung). 2366 Ygj f e r n e r d a z u i m Schrifttum Baumbach/Hefermehl, UWG Einl, Rd. 93; Krü-

ger-Nieland, in: GRUR 1974, S. 561 ff.; Ehlers, in: WRP 1983, S. 190 (m. w. N.); Un-

ger/Sell, 2367

in: GRUR 1994, S. 24 ff.

Vgl. Ehlers, in: WRP 1983, S. 193. Vgl. Krüger-Nieland, in: GRUR 1974, S. 565. 2369 Vgl. auch den Kollisionfall, den die BGHZ 130, 205, 211 (Feuer, Eis & Dynamit I), herausgearbeitet hat, zwischen dem aus Art. 5 III und - nach der hier vertretenen Auffassung - Art. 121, 1411 GG herrührenden Recht auf Herstellung, Vertrieb und Vorführung eines Films, der teilweise oder größtenteils Werbung ohne Werbeaussagen beinhaltet, und dem Verbraucherrecht nach Art. 2 I GG und 1 I GG "auf freie, d. h. auch von Manipulation unbeeinflußte, Entfaltung der eigenen Persönlichkeit" zu unterscheiden, die zu wissen verlange, daß das geworbene Produkt als Werbung dargestellt wird. Daß der Verbraucherschutz im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit garantiert 2368

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik Man kann auch davon ausgehen, daß die durch §§ 1 I, 2 I der PreisVO v. 10. 05. 1973 begründete Pflicht zur Preisauszeichnung im Handel eine Grundrechtskollision zwischen Unternehmern (Art. 121 GG) und Verbrauchern (Art. 2 I GG) gelöst hat 2 3 7 0 . Diese Regelungen sollten die "Aufrechterhaltung des Preisstandes" zu schützen bezwecken 2371 , sie dienten aber auch den legitimen und von dem Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit als allgemeinen Wirtschaftsfreiheit bzw. Verbraucherfreiheit geschützten Interessen der Konsumenten, den Preis eines Produktes zu wissen, bevor sie es einkaufen. Denn die Preiskennzeichnung trägt zur besseren Information des Verbrauchers bei, indem er die Preise in möglichst allen Geschäften vergleichen und dadurch das für ihn günstigere Produkt kaufen kann 2372 . Diese grundrechtlich geschützten Interessen kollidieren aber mit den ebenfalls grundrechtlich in bezug auf die Wettbewerbsfreiheit (Art. 121 GG) geschützten Interessen der Händler usw., ihre Produkte zu verkaufen, ohne den Preis kenntlich machen zu müssen.

ß) Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber vs. Grundrechte der Arbeitnehmer 2373 Noch häufiger sogar treten Grundrechtskollisionen auf, die einerseits die Rechte der Unternehmer bzw. Arbeitgeber (Wettbewerbsfreiheit im betroffenen Fall) und andererseits die Rechte der Arbeitnehmer (Art. 12 I 2 3 7 4 , 9 III, 2 I I 1,

wird, ist mehrmals gezeigt worden, daran braucht nicht gezweifelt zu werden. Die Frage ist, ob ein solcher verfassungsrechtlicher Schutz so weit gehen kann, daß er unter seinem "Schutzmantel" den ansonsten mündigen und selbstverantwortlichen Verbraucher schützt, der nicht fähig sei, die Werbung mit Werbeaussagen von einer mittelbaren Werbung als Teil eines Films ohne Werbeaussagen zu unterscheiden. Nach der hier vertretenen Würdigung der betroffenen Fallgestaltung geht es eher um eine extensive Auslegung des Schutzbereichs des Art. 2 I GG durch den BGH in bezug auf den Verbraucherschutz und damit des Begriffs "immanente Grundrechtsschranken", damit er den wettbewerbsrechtlichen Eingriff, der aufgrund des § 1 UWG auferlegt wurde, konsequenterweise verfassungsrechtlich rechtfertigen kann; vgl. auch BGH NJW 1995, S. 3182 f. (Feuer, Eis & Dynamit II), der aber eine erfolgreichere Lösung der Kollision aufgezeigt hat; LG München NJW - RR 1997, S. 1545; vgl. weiter zu grundrechtskollidierenden Positionen zwischen der Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verbraucher am Beispiel der Werbung Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 604; kritisch dagegen zur Ableitung eines Verbrauchergrundrechts aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Sevecke, in: AfP 1997, S. 971. 2370 Vgl. zum Fall BVerfGE 65, 248 ff. (Preisauszeichnung). 2371 So ausdrücklich BVerfGE 65, 248, 259. 2372 Vgl. dazu Nordemann, in: GRUR 1975, S. 629. 2373 Zu den grundrechtlichen Positionen Arbeitgeber-Arbeitnehmer in solchen Konstellationen Aussem, S. 80 ff. 2374 BVerfGE 50, 290, 349 (Mitbestimmung) bezüglich des Grundrechts der Arbeitnehmer auf Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG; vgl. aber nur unter dem Gesichtspunkt der

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland 4 I, II, 5 I 1, 8 I GG u. a.) zum Gegenstand haben. Es ist nicht selten der Fall, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer kollidierende Interessen vertreten, welche sogar grundrechtlich garantiert sind 2375 . Der Verfassungsgeber hat diese Konstellationen vorhergesehen, indem er in Art. 9 I I I GG ausdrücklich die Tarifautonomie verankert hat. Daraus ergibt sich auch der Arbeitskampf der Arbeitnehmer, der ein starkes Mittel in ihrer Hand ist, ihre Rechte im Rahmen der Tarifautonomie zum Zweck der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Gegenseite gegenüber geltend zu machen 2376 . In diesem Sinne liegt ein Grundrechtskonflikt zwischen dem Recht auf Arbeitskampf der Arbeitnehmer nach Art. 9 I I I GG und der aus Art. 121, 14 I 1 GG resultierenden Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit der Arbeitgeber vor 2 3 7 7 . Die Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber wird beeinträchtigt, indem die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen durch den Arbeitskampf der Arbeitnehmer vermindert wird. Deswegen wäre eine gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung gem. Art. 121 und 1411 GG oder eine Rechtsauslegung bzw. -anwendung für die Rechte der Unternehmer unverhältnismäßig bzw. unangemessen, die den "ruinösen" Arbeitskampf dank der Rechte der Arbeitnehmer nach Art. 9 I I I GG erlauben würde 2378 . Ebenso unangemessen für die Rechte der Arbeitnehmer wäre dagegen eine übermäßige Einschränkung des Rechts auf Arbeitskampf dank der Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit der Arbeitgeber nach Art. 12 I, 14 11 GG. Die kollidierenden Grundrechte der Ge-

objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates BVerfGE 84, 133, 146 f. (Warteschleifen); BVerfG NJW 1998, S. 1475 f. (Kleinbetriebsklausel). 2375 Vgl. dazu BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); Badura, in: FS Molitor, S. 4; vgl. weiter zu solchen grundrechtskollidierenden Fallkonstellationen Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 19 ff.; Aussem, S. 80 ff. 2376 Vgl. BVerfGE 84, 212, 224; 92, 26, 38 (Zweitregister); 93, 352, 357 (Koalitionsmitgliederwerbung). 2377 V g l allgemein zu einer solchen Konstellation BVerfGE 93, 352, 361 (Koalitionsmitgliederwerbung), das aber die grundrechtlich geschützten Interessen der Unternehmer - Arbeitgeber unzutreffend in Art. 2 I GG verortet hat. 2378

Vgl. Scholz, in: FS Rittner, S. 642 ff.; vgl. auch die Argumentation der BVerfGE 86, 122, 130 (Schülerzeitung) in einer vergleichbaren Fallkonstellation. Man kann sich allerdings fragen, ob diese Art von Arbeitskampf in den Schutzbereich des Art. 9 III GG fällt. Man sollte hier besser von Scheinkollisionen sprechen. Genauso ist es, wenn die Arbeitnehmer als Mittel für ihren ("ruinösen") Arbeitskampf eine unfriedliche oder bewaffnete Versammlung benutzen, die den Betrieb des Unternehmens, in dem sie arbeiten, oder eines anderen Unternehmens, behindern. Diese Aktionen werden weder von Art. 9 III noch von Art. 8 I GG geschützt, so daß eine Kollision mit anderen Grundrechten nicht möglich ist. Sie müssen darüber hinaus immer als rechtswidrig behandelt werden - vgl. auch BGHZ 52, 30, 35 ff; OLG Stuttgart NJW 1969, S. 1543 f.; OLG Celle NJW 1970, S. 206 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

3

genseite i. V. m. Art. 19 I I GG nach einer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgebots würden für solche "Lösungen" im Weg stehen 2379 . Eine besondere grundrechtskollidierende Fallkonstellation stellt das vertragliche Wettbewerbsverbot dar, das sich an Arbeitnehmer und Gesellschafter richtet. Seine Besonderheit liegt darin, daß die vom Wettbewerbsverbot gebundenen Arbeitnehmer oder Gesellschafter als potentielle Konkurrenten betrachtet werden, so daß seine Bedeutung nicht nur für die arbeits-, handels- oder gesellschaftsrechtlichen, sondern auch für die wettbewerbsrechtlichen Verhältnisse relevant ist. Was hier vor allem interessiert, ist der Konflikt zwischen zwei Grundrechtspositionen: Zum einen existiert das von der Freiheit im Wettbewerb nach Art. 121 und 14 I 1 GG umfaßte Recht des Arbeitgebers bzw. Unternehmers, daß seine Arbeitnehmer (Handelsvertreter, Gehilfen usw.), welche Kenntnis von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (Know-how, Kundenstamm usw.) haben, nicht im Geschäftsbereich des Unternehmens oder zumindest in demselben örtlichen Betätigungskreis beruflich bzw. wettbewerblich tätig werden dürfen; denn durch den Wettbewerb des bisherigen Arbeitnehmers kann die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erheblich beeinträchtigt werden 2380 2 3 8 1 . Zum anderen aber existiert das von der Freiheit zum Wettbewerb bzw. der Freiheit zur Wahl des Arbeitsplatzes ebenso nach Art. 12 I GG garantierte Recht des Arbeitnehmers, Beruf und Ort des Arbeits- bzw. Beruf splatzes (Niederlassungsfreiheit) zu wählen, um am Wettbewerb teilnehmen zu

2379 V g i a u c h Scholz, in: FS Rittner, S. 642, 644, der darlegt, daß die Koalitionszweckgarantie (seil, gemäß Art. 9 III GG), also die verfassungsgemäße "Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen", über den Grundgehalt dieser (Individual-)Grundrechte (seil, nach Art. 121, 141 1 GG) nicht hinausgehen könne. Andererseits aber könne die unternehmerisch-konkurrierende Betätigung nach Art. 121, 1411 GG ihrerseits bei entsprechenden Gemeinwohlgründen beschränkt werden. "Gemeinwohlgründe dieser Art liegen im Falle der Tarifautonomie in der tarifvertraglichen Regelungskompetenz für die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen", d. h. in all jenen regelungsmäßigen Auswirkungen, die zur entsprechend "sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens" gehören". 2380 Vgl. dazu BVerfGE 81, 242, 257 f. (Handelsvertreter), die von einem "legitimen" Interesse des Unternehmers spricht, welches nicht anders als verfassungsrechtlich legitim bzw. geschützt sein kann; vgl. auch BGHZ 91, 1,4 (GmbH-Geschäftsführer); BAG BB 1996, S. 379, die von "berechtigten geschäftlichen Interessen" sprechen; so auch der Wortlaut des § 74 a I HGB; ähnlich BGH NJW 1997, S. 3089 (Tierarztpraxis): "anerkennenswertes Bestreben"; vgl. weiter im Schrifttum Stahlhacke, in: NJW 1972,

S. 1076; Hager, in: JZ 1994, S. 380; a. A. Achterberg, in: JZ 1975, S. 719. 2381

Man muß wohl hier darauf hinweisen, daß die Konstellation nicht mit der allgemeinen Formel "Art. 12 I GG schützt nicht vor (privatem) Wettbewerb" (vgl. dazu oben sub II 2 a cc ß) zu verwechseln ist, weil die Kenntnisnahme der Geheimnisse durch den Arbeitnehmer sein Verhältnis gegenüber seinem Arbeitgeber im Vergleich zum Verhältnis eines Alt- mit einem Neukonkurrenten qualitativ ändert. Der Arbeitnehmer ist in dieser Konstellation nicht schlicht ein "Neukonkurrent".

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland können 2382 . Ähnlich ist die Problematik mit dem Wettbewerbsverbot von Gesellschaftern einer Handelsgesellschaft 2383 oder bei der Übernahme eines Unternehmens oder einer freiberuflichen Praxis 2384 , wobei hier eher die Freiheit im Wettbewerb als freie Berufsausübung des ausgeschiedenen Partners bzw. des Veräußerers des Unternehmens und nicht die Freiheit zum Wettbewerb als freie Berufswahl in Betracht kommt 2 3 8 5 . Die Arbeitnehmer können nicht nur ihre wirtschaftlichen Grundrechte nach Art. 9 III, 12 I GG, sondern auch andere Grundrechte geltend machen, die zwar nicht unmittelbar mit dem Arbeitsverhältnis verbunden sind, aber auch während der Arbeit ausgeübt werden können oder sich auf die Erfüllung der Arbeitsleistung beziehen. Art. 2 I I 1, 4 I, II, 5 I 1 GG sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG 2 3 8 6 kommen in Betracht und können mit den Grundrechten der Arbeitgeber kollidieren. Charakteristisch ist das Beispiel des Nachtbackverbots. Hier handelt es sich einerseits um einen Konflikt zwischen der Wettbewerbs- bzw. Produktionsfreiheit nach Art. 121 und (eventuell) Art. 14 I 1 GG der Bäcker und Konditoren s^wie auch um das Recht der Konsumenten nach Art. 2 I GG, Brötchen nachts und sonntags zu kaufen, welches mittelbar betroffen ist, und andererseits um das Recht der Arbeitnehmer auf körperliche Unversehrtheit 2387 . Einen Konflikt\^nit denselben kollidierenden Grundrechten - von den Rechten der Konsumenten abgesehen -

2382

Vgl. zu dieser Ausführung BVerfGE 81, 242, 256 ff. (Handelsvertreter); BGHZ

91, 1, 4 (GmbH-Geschäftsführer); Stahlhacke, in: NJW 1972, S. 1076; Hermes, in: NJW 1990, S. 1768; Wiedemann, in: JZ 1990, S. 696; Medicus, in: AcP 1992, S. 52;

vgl. aus einer anderen Perspektive Hillgruber, in: AcP 1991, S. 73, nach dem mit dem Abschluß des vertraglichen Wettbewerbsverbots auch die negative Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit durch Art. 12 I GG in Betracht gezogen wird. 2383 Vgl. dazu BGHZ 89, 162 ff.; 91, 1, 5 (GmbH-Geschäftsführer); BGH WM 1974, S. 74 ff.; BGH NJW 1997, S. 3089 (Tierarztpraxis); OLG Hamm NJW - RR 1993, S. 1314 f. (nicht rechtskräftig); OLG Düsseldorf NJW - RR 1994, S. 35 ff.; OLG Düsseldorf BB 1996, S. 2377 ff.; weiterhin Ulmer, in: NJW 1979, S. 1587 ff.; Kanzleiter, in: DNotZ 1989, S. 195 f.; Wernicke, in: BB 1990, S. 2209; Mayer, in: NJW 1991, S. 23 ff.; C. Münch, in: NJW 1993, S. 226 ff. 2384 Vgl. dazu BGH NJW 1979, S. 1605 ff. (Frischbeton); BGH NJW 1986, S. 2944 f.; OLG Koblenz NJW - RR 1993, S. 611 f.; OLG München NJW - RR 1995,

S. 1191 ff.; Lammel, in: AcP 1989, S. 244 ff.; Hirte, in: ZHR 1990, S. 444, 446, 451;

Wernicke, in: BB 1990, S. 2209. 2385 BGH NJW 1997, S. 3089 (Tierarztpraxis); Spoer/Brinker/Diller, in: NJW 1997, S. 3057. 2386 ygi z u e j n e r solchen Grundrechtskollision zwischen der Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit der Arbeitgeber und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer Badura, in: FS Molitor, S. 10 ff.; ferner Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 15 ff. 2387 BVerfGE 23, 50, 57 f. (Nachtbackverbot I); 41, 360, 370 (Nachtbackverbot II); 85, 191, 212 f. (Nachtbackverbot für Frauen); 87, 363, 385 f. (Nachtbackverbot III); BVerwG GewArch 1995, S. 251; vgl. auch BVerfGE 22, 1, 20 f. (Arbeitszeitordnung).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

5

in etwas anders gelagerten Positionen haben auch die Warnhinweise einer zuständigen Behörde im Bereich des Arbeitsschutzes gemäß der §§ 120 a, 120 d GewO gelöst 2388 . Dagegen stellte die Mitbestimmungsproblematik keinen Grundrechtskonflikt zwischen Grundrechten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar, so daß das Mitbestimmungsgesetz von 1976 zu Recht als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips bzw. der Sozialbindung des Eigentums sowie als Eingriff in die Berufsfreiheit der Arbeitgeber und nicht als Lösung einer Grundrechtskollision betrachtet wurde 2389 . Denn die Grundrechte begründen keinen Anspruch für die Arbeitnehmer auf Mitbestimmungsrecht in dem Unternehmen. Ein Grundrechtskonflikt liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die für die Wettbewerbsfähigkeit seines Betriebes wichtig ist, der Arbeitnehmer sie jedoch aus Gewissensgründen verweigert, woraufhin der Arbeitgeber ihn entläßt 2390 . Eine Grundrechtskollision zwischen dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, das sich von seiner Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit gemäß Art. 12 I, 14 11 GG ableiten läßt 2391 , und der Gewissensfreiheit nach Art. 4 I GG des Arbeitnehmers ist offensichtlich. Vergleichbar ist die Fallkonstellation mit einem moslemischen Arbeitnehmer, der aus religiösen Gründen nach Mekka fahren und seine Arbeit in dieser Zeit einstellen will. Der Arbeitnehmer beruft sich diesmal auf die Religionsfreiheit und die freie Religionsausübung gem. Art. 4 I, I I GG. Ein schonender und verhältnismäßiger bzw. angemessener Ausgleich aller grundrechtlich geschützten Rechtspositionen ist für die Lösung dieser Grundrechtskollision wieder das verfassungsrechtlich Gebotene 2392 . Strittig ist, ob es zwischen dem Recht eines Arbeitnehmers, als Mitglied der Bhagwan-Bewegung rote Kleidung und die Mala zu tragen, und dem Anspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, dieses eben nicht zu tun, eine Grundrechtskollision gibt 2 3 9 3 . Aus diesem Sachverhalt ergibt sich allerdings die Frage, ob der Arbeitgeber ein Bestimmungsrecht bezüglich der Kleidung seiner Angestellten während der Arbeitszeit hat. Die Frage ist zu bejahen und damit auch die Frage nach der Grundrechtskollision, soweit die Art und Weise sowie die Qualität der Kleidung und im allgemeinen das Aussehen erheblich für den Betrieb, das gute Ansehen und damit

2388

VGH Kassel GewArch 1995, S. 416 f. BVerfGE 50, 290, 349 ff, 361 ff. (Mitbestimmung); zustimmend auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 384 f.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 469 f. 2390 Vgl. zum Fall BAG NJW 1986, S. 85 ff.; BAG NJW 1990, S. 203 ff. 2391 Dazu gehört die Leitungs- und Dispositionsfreiheit sowie das Recht, den Betrieb frei zu organisieren (unternehmensmäßige Organisations- und Planungsfreiheit), um bessere Bedingungen im Wettbewerb zu schaffen (vgl. dazu oben II 2 a cc α). 2392 ygj ausführlich unten sub C II 1 b cc. 2389

2393

Vgl. dazu LAG Düsseldorf DB 1985, S. 391.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist 2 3 9 4 . Vergleichbar ist dies mit der Problematik, daß die wirtschaftlichen Grundrechte des Arbeitgebers mit der Meinungsfreiheit (Art. 5 11 GG) des Arbeitnehmers kollidieren 2395 . Besondere praktische Relevanz bekommt diese Frage im Bereich der Presseunternehmen, die über die Art. 12 I, 14 11 GG hinaus auch von der Pressefreiheit des Art. 5 I 2 GG geschützt werden. Dagegen handelt es sich um eine "Scheinkollision" im Fall der Entlassung einer Arbeitnehmerin, die sich nicht der sexuellen Belästigung ihres Arbeitgebers ausgesetzt sehen wollte. Denn diese Art von Belästigungen, insbesondere wenn es ζ. Β ein Gewaltenverhältnis gibt, verletzt offensichtlich die Menschenwürde der Arbeitnehmerin nach Art. 1 I GG und fällt - sowie damit auch das Recht auf Entlassung aus solchen Gründen - aus dem Schutzbereich sowohl des Art. 12 I als auch des Art. 1411 GG heraus 2396 .

γ) Wettbewerbsfreiheit vs. Grundrechte von Dritten Aus arbeitssystematischen, aber auch aus grundrechtsdogmatischen Gründen werden diese Grundrechtskollisionen in zwei Kategorien eingeteilt: Zu der einen gehören die Kollisionen, bei denen die konkurrierenden Unternehmer zum Zwecke des Wettbewerbs und im Rahmen der Ausübung ihrer Wettbewerbsfreiheit als "Störer" der Grundrechte Dritter auftreten. Das heißt, daß in einer solchen Konstellation die Wettbewerbsfreiheit auf ein bestimmtes Tun gerichtet ist und das mit ihr kollidierende Grundrecht eher auf das Unterlassen dieses Tuns 2397 . Zum anderen werden diejenigen Grundrechtskollisionen dargestellt, bei denen die Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer von der Ausübung der Grundrechte Dritter "gestört" zu werden scheint. Das hat zu bedeuten, daß diesmal das andere Grundrecht auf ein Tun gerichtet ist und die Wettbewerbsfreiheit eher auf sein Unterlassen. Das zeigt, daß häufig die als "störend" bzw. "angreifend" auftretenden Grundrechte einer Fallkonstellation hinter die mit ihnen kollidierenden und als "gestört" bzw. "angegriffen" erscheinenden Grundrechte zurücktreten müssen. Ob darüber hinaus ein Anspruch auf Schutz

2394 ygj z u e j n e m ähnlichen Fall, aber im Bereich des öffentlichen Dienstes, BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1477 f. (Ohrschmuck zur Dienstkleidung). 2395 Vgl. dazu BVerfGE 86, 122, 127 ff. (Schülerzeitung), wonach zwar die grundrechtlich kollidierenden Positionen richtig erkannt wurden, das BVerfG aber unzutreffenderweise für die grundrechtliche Position des Arbeitgebers die Privatautonomie als Ausfluß der allgemeinen Handlungs- bzw. Wirtschaftsfreiheit aus Art. 2 I GG und nicht die vertragliche Privatautonomie des Arbeitgebers als Bestandteil seiner freien unternehmerischen Betätigung im Wettbewerb nach Art. 12 I GG in Betracht gezogen hat. 2396 Ygj z u r p r a g e d e r Menschenwürde der Frau in bezug auf Abwehr sexistischer Handlung als Schranke wettbewerblichen Verhaltens BGHZ 130, 5, 10 ff. (Busengrapsch er/Schlüpferstürmer). 2397 Ygj d a z u w R o t h Faktische Eingriffe, S. 462.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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gegenüber dem Staat begründet werden kann, wird später 2398 untersucht 2399 . Die vorher dargelegten Regeln und Prinzipien über die Grundrechtskollisionslösungen 2400 gelten auch hier 2 4 0 1 .

αα) Die Wettbewerbsfreiheit als "Störer" der Ausübung von Grundrechten Dritter in einer Grundrechtskollision Eine häufig auftretende Fallkonstellation ist die Kollision zwischen der Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verbraucher im Sinne des Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG. Besonders brisant wird die Konstellation im Bereich der Werbung, wo über die Art. 121, 14 I 1 GG hinaus vielmehr auch die Meinungs- sowie Presse- bzw. Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 I 1, 2 GG in Betracht kommt 2 4 0 2 . Grundrechtskonflikte können sich aus der Veröffentlichung von Berichten manchmal unterstützt durch Bilder - in der Presse bzw. in Rundfunk und Fernsehen über das Leben, die Gewohnheiten oder den Umgang prominenter Personen ergeben, ohne daß diese dazu ihre Einwilligung gegeben hätten. Auf der einen Seite stehen die Kommunikationsgrundrechte der Medienunternehmer (Art. 5 1 2 GG), die über ihre Wirtschaftsgrundrechte 2403 hinausgehen2404 - aus

2398

s. unten sub VI 2 b. 2399 ygj hier die Differenzierung W. Roths, S. 465 ff., zwischen Abwehr- und Schutzgrundrechten. 2400 s. dazu oben sub a cc. 2401 ygj a u c h # Schneider, Die Güterabwägung, S. 43, der von der "aktiven" und "passiven" Seite der Grundrechtskollision spricht. 2402 Ygj dazu ausführlich Hager, in: Jura 1995, S. 566 ff.; ferner Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 601. 2403 p ü r dit Gegner einer Heranziehung der wirtschaftlichen Grundrechte der Art. 121, 1411 GG und der daraus resultierenden Wettbewerbsfreiheit in diesen Fallkonstellationen kann man zweifellos das Argument benutzen, daß die betroffenen Presseunternehmer bei der Veröffentlichung solcher Berichte über die "Erfüllung des Informationsanspruchs des Publikums" und ihren "Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung"- vgl. dazu BVerfGE 34, 269, 283 (Soraya) - hinausgehen und vielmehr deshalb diese Vorgehensweise benutzen, um durch die Erregung des Neugier- und Sensationslustgefühls des Publikums weitere Leser oder Zuhörer bzw. -schauer von ihren Konkurrenten auf dem betroffenen Medienmarkt und dadurch einen Wettbewerbsvorsprung ihnen gegenüber zu gewinnen - vgl. auch BGHZ 128, 1,9 (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview), wonach diese Feststellungen zwar dargelegt wurden, als Prüfungsmaßstab in der vorliegenden Grundrechtskollision mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aber nur die Pressefreiheit herangezogen wurde; vgl. auch in diese Richtung BGHZ 131, 332, 338 (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos); BGH GRUR 1995, S. 494 (Bio-Tabletten); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II Brustkrebs); BGH NJW 1996, S. 986 (Caroline von Monaco III - Kumulationsgedanke).

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland denen in der vorliegenden Untersuchung ihre Wettbewerbsfreiheit resultiert -, und auf der anderen Seite das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 I GG i. V. m. Art. 11 GG 2 4 0 5 der betreffenden Personen, welches besonders betroffen ist, wenn sich solche Berichte bzw. Bilder auf Themen beziehen, die die Privat- oder Intimsphäre der Personen berühren 2406 . Dagegen handelt es sich um Scheinkollisionen, wenn der Bericht auf einem "erfundenen Interview" mit der prominenten Person basiert. Denn die Veröffentlichung eines solchen "Interviews" findet weder in dem Schutzbereich der Pressefreiheit etc. der Medienunternehmer gem. Art. 5 1 2 GG noch im Schutzbereich der Informationsfreiheit des Publikums nach Art. 5 1 1 Fall b Schutz 2407 , da sie "bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen" zugrundelegt 2408 . Eine neue Dimension zur Einschränkung wettbewerblichen Handelns - sei es des Handelns durch Werbung, sei es des Handelns durch Kennzeichnung mit Etikettierungen - zugunsten grundrechtlicher Positionen Dritter hat vor kurzem die sog. Benetton- bzw. Busengrapscher/Schlüpferstürmer-Rechtsprechung des 2404 M a n mag hier erwähnen, daß auf der Seite der Presseunternehmer bei dieser Grundrechtskollision auch die Informationsfreiheit des Publikums nach Art. 5 I 1 Alt. 2 GG in Betracht kommt - vgl. auch den Soraya-Fall in der Fn. 2403. 2405 £) as kann in weiteren "unbenannten" (Teil-)Grundrechten analysiert werden wie dem Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort - vgl. BVerfGE 34, 238, 246; BGH NJW 1996, S. 986 - oder dem Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person - vgl. BVerfGE 34, 269, 282 ff. (Soraya); 35, 202, 220 (Lebach); BGHZ 128, 1, 10 (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); 131, 332, 338 f. (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II Brustkrebs). 2406 yg] z u solchen grundrechtskollidierenden Fallkonstellationen 131, 332, 338 (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos); BGH NJW 1996, S. 986 (Caroline von Monaco III - Kumulationsgedanke); vgl. weiter BVerfGE 35, 202, 219 (Lebach), wo es sich um eine Kollision zwischen der Fernsehenfreiheit nach Art. 5 I 2 GG des ZDF und dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht resultierenden Recht auf Resozialisierung des in der sog. Lebach-Affäre involvierten Gefangenen handelte. Wegen der öffentlich-rechtlichen Organisationsform des betroffenen Senders konnte seine Wettbewerbsfreiheit nach Art. 121 GG nicht in Betracht kommen; BGH NJW 1987, S. 2667 ff., wo ein Presseorgan in enger Verknüpfung mit einer Person ungenehmigt Informationen veröffentlichte, die sein Informant in intensiven vertraulichen Gesprächen von der betroffenen Person erfahren hatte, die dabei ihre Gedankenwelt zu einem bestimmten Thema, in einer nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Weise komplex offengelegt hatte; OLG Hamburg AfP 1995, S. 510 - Veröffentlichung eines Fotos einer Privatperson ohne deren Einwilligung im Zusammenhang mit einem pornographischen Text. 2407 So auch BVerfGE 34, 269, 283 (Soraya). 2408 Urn eine solche Scheinkollision ging es eigentlich in den BVerfGE 34, 269, 282 ff. (Soraya); BGHZ 128, 1,6 ff. (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); vgl. auch BGH GRUR 1995, S. 495 (Bio-Tabletten) zur Schutzlosigkeit der Unterrichtung bewußt unwahrer, falscher Behauptungen tasächlicher Art, und BVerfGE 66, 116, 137 (Springer/Wallraff) zur Schutzlosigkeit der rechtswidrigen Beschaffung von Informationen.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik BGH hervorgebracht 2409. Bei diesen Fällen handelte es sich hauptsächlich über ihre wettbewerbsrechtlichen Fragen hinaus um Grundrechtskollisionen und ihre in concreto (richterlichen) Lösungen. In dem sog. ersten Benetton-WerbungUrteil 2 4 1 0 war nach der Darlegung des BGH keine Grundrechtskollision ersichtlich. Auf jeden Fall ging es um die Wettbewerbs- bzw. Werbefreiheit der Textilfirma Benetton gem. Art. 5 11, 121 und (eventuell) 14 I 1 GG. Ob auf der anderen Seite (der Verbraucher) grundrechtliche Positionen vorlagen, erscheint fragwürdig. Der BGH hat sie nicht erkannt, sondern ist vielmehr davon ausgegangen, daß die umstrittene Werbung im geschäftlichen Verkehr zur Umsatzsteigerung oder zur Steigerung der Verkehrsbekanntheit des Namens der werbenden Firma eingesetzt worden sei, um Gefühle des Mitleids oder der Solidarität ohne sachliche Veranlassung zu Wettbewerbszwecken auszunutzen - deswegen sollte sie sich dem Vorwurf sittenwidrigen Handelns im Wettbewerb (§ 1 UWG) stellen 2411 . Es wurde bereits dargelegt, daß die Suggestivwerbung sowie die Werbung, die Angst- oder Schuldgefühle der Verbraucher auszunutzen versucht, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) der Verbraucher kollidiert. Die Schutzbereichserweiterung dieses Grundrechts auf die Mitleidsgefühle der Verbraucher wäre vielleicht übermäßig. Dagegen ging es bei dem sog. dritten Benetton-Werbung-Urteil des BGH zweifelsohne um eine Grundrechtskollision 2412 . Die grundrechtlich wettbewerblichen Schutzpositionen der werbenden Firma kollidieren mit der Menschenwürde der Personen, die HIV-Positiv sind 2413 . Im Falle der Veröffentlichung dieser Werbung in einer Zeitschrift oder ihrer Ausstrahlung durch einen Fernsehsender kommen in der vorliegenden Fallkonstellation über die Grundrechte der werbenden Firma hinaus die Grundrechte bzw. die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I, 1411 GG, aber auch Art. 5 I 2 GG der betroffenen Medienunternehmen in Betracht 2414 . Ähnlich gelagert sind die grundrechtlichen Schutzpositionen in dem sog. Busengrapscher/Schlüpferstürmer-Fall des BGH 2 4 1 5 . Hierbei handelt es sich bezüglich der umstrittenen Etikettierungen um die Wettbewerbs- bzw. Vertriebsfreiheit (Art. 12 I, 14 11 GG) 2 4 1 6 der Likör-

2409 ygj aus führlich dazu unten sub C II 2 a cc α, β. 2410 BGHZ 130, 196 ff. (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente). 2411 BGHZ 130, 196, 200 f. (Benetton-Werbung I - Ölverschmutzte Ente). 2412 BGH NJW 1995, S. 2492 ff. (Benetton-Werbung III - HIV-Positive). 2413 BGH, ebenda S. 2493. 2414 Vgl. BGH NJW 1995, S. 2493 (Benetton-Werbung III - HIV-Positive); vgl. auch BGH NJW 1995, S. 2490 (Benetton-Werbung II - Kinderarbeit); Grigoleit/Kersten, 2415

in: DVB1. 1996, S. 601.

BGHZ 130, 5 ff. 2416 Es wurde bereits gezeigt (s. oben 1 b aa δ, η), daß der BGH in dem erkennenden Urteil unzutreffend nicht auf die Berufsfreiheit und das Eigentum zurückgegriffen, son-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

vertreiber und bezüglich des sexistischen und für die Frauen erniedrigenden Aufdrucks der Etikettierungen - die Bezeichnungen "Busengrapscher" bzw. "Schlüpferstürmer" mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen - um die Menschenwürde der Frauen gem. Art. 11 GG. Eine andere Fallkonstellation stellt schließlich der Betrieb eines Lokals in der Nähe einer Kirche dar, der sich eventuell mit der Religionsausübung der Gläubigen, die die Kirchenveranstaltungen besuchen, und der Geistlichen nicht vereinbaren lassen kann (ζ. B. Sex-Shops oder -Kinos, Striptease-Show-Lokale usw.) 2417 . Dem Grundrecht der Religionsausübung (Art. 4 I I GG) stehen die Grundrechte des Gewerbetreibenden - freie Berufsausübung und -wähl (Art. 121 GG), Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (1411 GG), je nach seiner rechtlichen Lage, gegenüber.

ßß) Die Grundrechte Dritter als "Störer" bei der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit in einer Grundrechtskollision In solchen Fallkonstellationen ist die Wettbewerbsfreiheit dasjenige Grundrecht, das sich in der "Defensive" befindet, indem ihre Ausübung von der Ausübung des(r) Grundrechts(e) Dritter "gestört" wird. Die Kollisionen mit den Kommunikationsgrundrechten kommen auch hier in Betracht und ergeben sich aus Handlungen in Wort, Schrift oder Bild, die die Wettbewerbsfreiheit- bzw. -fähigkeit der Wettbewerber beeinträchtigen könnten. Unter solche Handlungen fällt u. a. auch die Bekanntmachung einer von der Bundesregierung veröffentlichten Liste durch Presse oder Fernsehen mit Angabe der Namen von Unternehmen, deren Produkte lebens- oder gesundheitsgefährlich sein sollen, mit der Empfehlung, daß die Verbraucher diese Produkte vermeiden sollen. Die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Unternehmen - Ruf der Firma, Absatz ihrer Produkte usw. - kollidiert mit der Presse- bzw. Fernsehfreiheit der betroffenen Medienorgane 2418 . Ein weiteres Beispiel für solche Handlungen ist die Kritik eines Gastrokritikers durch die Presse bezüglich der Qualität des Restaurants eines Gastwirtes, die sogar den Inhalt hatte, daß die Gäste den Besuch vermeiden sollten 2419 . Der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 I GG des Gastrokritikers steht der Ruf der Firma (Art. 121, 14 I 1 GG) des Gastwirtes gegenüber 2420 ; ähnlich ist die Fallkonstellation bei dem Schreiben einer Nachbarin eidern über die Meinungsfreiheit hinaus ggf. die Einschlägigkeit der Kunstfreiheit des Art. 5 III GG angenommen hatte. 2417 Vgl. zum Fall BVerwGE 10, 91, 92 ff. 2418 R. Philipp, Verbraucherinformationen, S. 186. 2419 Vgl. zum Sachverhalt BGH GRUR 1986, S. 812 ff. (Gastrokritiker). 2420 Vgl. auch zu einer solchen Konstellation OLG München ZUM 1997, S. 144 (nicht rechtskräftig).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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nes Flohmarktes an den Bundesfinanzminister mit dem Inhalt, daß 50 % der Sachen des Flohmarktes Diebesgut seien. Die Nachbarin hat über ihre Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG hinaus das Petitionsrecht nach Art. 17 GG geltend gemacht. Diese grundrechtlichen Positionen aber standen wie im vorherigen Beispiel dem Ruf der Firma des Flohmarktes entgegen 2421 . Einen komplizierten Fall von Grundrechtskollisionen, in dem u. U. sehr viele (konkurrierende und kollidierende) Grundrechte geltend gemacht werden können, stellt der Boykottaufruf gegen einen Unternehmer dar. Je nach Boykottierer, Adressaten und Boykottierten 2422 kommen verschiedene Grundrechte in Betracht. Wenn der Boykottierer ein einfacher Bürger ist, beruft er sich auf seine Meinungsfreiheit. Ist er eine Vereinigung (ζ. B. Verbraucher-, Menschenrechts- oder Umwelt- bzw. Tierschützervereinigung) ist, kann er darüber hinaus die Vereinigungsfreiheit geltend machen. Wird zu dem Boykott im Rahmen eines Gottesdienstes in der Predigt von der Kanzel aufgerufen, dann bekommt auch die freie Religionsausübung (Art. 4 I I GG) praktische Relevanz. Ist er ein Presse- oder Rundfunkorgan, kann die Presse- und Rundfunkfreiheit in Betracht gezogen werden. A u f der anderen Seite der Kollisionslage steht der in Verruf geratene Unternehmer, dessen Wettbewerbsfreiheit der Boykottaufruf als freie berufliche Betätigung i m Wettbewerb (Art. 12 I GG) und als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb (Art. 14 I 1 GG) schaden kann 2 4 2 3 .

2421

Vgl. dazu BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt), wo das Gericht aber als einziges von dem Schreiben beeinträchtigtes Rechtsgut der Flohmarktbetreiber nur ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG gesehen hat; vergleichbar auch BVerfGE 42, 143, 150 ff. (DGB); 60, 234, 239 ff. (Kredithaie); BGH AfP 1995, S. 407 - Presse- bzw. Meinungsfreiheit einerseits, Wettbewerbsfreiheit bzw. Ruf des Unternehmens andererseits. 2422 ygj z u dgjn Dreiecksverhältnis des Boykotts unten sub C II 2 b aa. 2423

Daß der Boykottierte seine wirtschaftlichen Interessen geltend machen kann, erkennt schon das BVerfGE 7, 198, 219 (Lüth), ohne aber ausdrücklich die einschlägigen grundrechtlichen Vorschriften zu erwähnen; offengelassen in BVerfGE 25, 256, 269 (Blinkfüer); vgl. auch eindeutiger unter dem Gesichtspunkt des "rechtlich geschützten" "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs" BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott), obwohl es fraglich bleibt, ob das Gericht diese Rechtsfigur im Sinne des § 823 I BGB oder darüber hinaus i. S. d. Art. 1411 GG gemeint hat. Der Grund muß zu sehen sein, daß in der neueren Rechtsprechung des BVerfG in Frage gestellt wurde, ob der "eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" eine grundrechtliche Position i. S. d. Art. 1411 GG darstellt (vgl. ausführlich oben sub II 2 b aa) - zum reinen privatrechtlichen Charakter dieser Rechtsposition in diesem Zusammenhang vgl. auch Lohr, in: WRP 1975, S. 584. Dagegen erblickt das Verfassungsgericht in BVerfGE 62, 230, 245 (Denkzettel-Aktion) in denen der Pressefreiheit des Boykottierers gegenüberstehenden Rechtspositionen nur die im Rahmen des § 1 UWG geschützte einfachrechtliche Lauterkeit des Wettbewerbs. Wie aber bereits gezeigt wurde (s. oben sub A II 1 a bb), werden vom UWG bzw. seiner großen Generalklausel des § 1 UWG neben der Lauterkeit des Wettbewerbs als Rechtsinstitut u. a. die Konkurrenten und die Allgemeinheit geschützt (Schutzzweckproblematik). Die Konkurrenten genießen nach der hier vertretenen Auffassung grundrechtlichen Schutz. Genauso kann man in der

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Sollte der Unternehmer ein Presse- bzw. Rundfunkorgan sein, wird zusätzlich die Presse- bzw. Rundfunkfreiheit nach Art. 5 1 2 GG in Betracht gezogen 2424 , während im Falle einer Filmproduktionsfirma auch die Kunstfreiheit nach Art. 5 I I I GG einschlägig ist. Hingegen wird von Art. 5 1 2 GG nicht der Boykottaufruf durch die Presse gegen einen Wettbewerber bzw. seine Produkte zum Zwecke fremden Wettbewerbs geschützt, wenn die Aufforderung mit Nachdruck gegenüber den Adressaten des Boykotts geäußert wird 2 4 2 5 , so daß eine solche Handlung nur in eine Scheinkollision mit der Wettbewerbsfreiheit des von dem Boykottaufruf beeinträchtigten Wettbewerbers münden kann. Denn eine solche Aktion vereinbart sich nicht mit den Grundrechten (Berufsfreiheit, Eigentum, Pressefreiheit, allgemeines Persönlichkeitsrecht u. a.) der Adressaten des Boykotts. Genauso geht es um eine Scheinkollision, wenn ein Presseorgan über ein Produkt zu Zwecken fremden Wettbewerbs mit bewußt unwahren und falschen Angaben unterrichtet 2426 . Von einer solchen Darstellung wird die Wettbewerbsfreiheit einer konkurrierenden Firma getroffen, die gleiche oder ähnliche Präparate herstellt und vertreibt. Das Presseorgan kann aber ihrer Wettbewerbsfreiheit nicht ihre Pressefreiheit gegenüberstellen, denn die Darstellung einer solchen Werbung wird nicht von Art. 5 1 2 GG geschützt. Schließlich besteht überhaupt keine Grundrechtskollision zwischen der Wettbewerbsfreiheit eines Unternehmers, der mit Lastwagen Altmaterial sammelt, und der freien Religionsausübung gem. Art. 4 I I GG einer kirchlichen Landjugendbewegung, die von der Kanzel für die gleiche Aktion aus humanitären Gründen geworben hat 2427 . Denn die Wettbewerbsfreiheit gewährt keinen Anspruch auf Unterlassung des Wettbewerbs 2428 , selbst wenn man annehmen möchte, daß die kirchliche ideelle Aktion, die Bestandteil der freien Religionsausübung ist, einen wettbewerblichen Charakter gegenüber der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens hatte. Das erscheint hier indessen sehr fragwürdig 2429 .

"Allgemeinheit" als Schutzzweck des UWG grundrechtliche Positionen finden. Diese Position entspricht am besten der Theorie der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht (s. ausführlich unten C II 2 a). 2424 So BVerfGE 25, 256, 268 (Blinkfüer). 2425 Vgl. BVerfGE 25, 256, 266 ff. (Blinkfüer); 62, 230, 242 f. (Denkzettel-Aktion). 2426 Vgl. BGH GRUR 1995, S. 494 f. (Bio-Tabletten). 2427 Vgl. zum Fall BVerfGE 24, 236, 244 ff. (Werbung von der Kanzel). 2428 ygj c j a z u 0 b e n s u b π 2 a cc ß. 2429

Vgl. auch Gärtner, in: BB 1970, S. 1363.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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δ) Wettbewerbsfreiheit vs. Gleichheitsrechte Diese Kategorie von Grundrechtskollisionen ist eine besondere Ausprägung der Kollisionen zwischen der Wettbewerbsfreiheit einerseits und den Grundrechten der Konkurrenten, der Abnehmer, der Lieferanten, der Kunden, der Arbeitnehmer usw. andererseits. Diese Problematik bezieht sich auf die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Gleichheit oder Privatautonomie und Gleichberechtigung. Diese Kollisionen werfen eine Menge von Fragen auf: Darf der Wettbewerber im Rahmen der Ausübung seiner Wettbewerbsfreiheit bestimmte Abnehmer, Lieferanten oder Kunden bevorzugen und andere benachteiligen? Darf der Wettbewerber/Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmer einstellen und andere nicht oder bestimmte Arbeitnehmer besser bezahlen und andere nicht? Darf der Presse- oder Rundfunkunternehmer die Werbung bestimmter Wettbewerber ausstrahlen, die Werbung bestimmter anderer jedoch nicht oder zu einem Boykott gegen ein bestimmtes Unternehmen aufrufen, gegen andere aber nicht? Wenn die Antwort auf diese Fragen ja lautet, dann haben alle diese Marktteilnehmer grundsätzlich dieses Recht aufgrund ihrer Privatautonomie wie sie im wirtschaftlichen Wettbewerb durch die Wettbewerbsfreiheit ausgedrückt wird; man muß dann weiter fragen, ob und welche Grenzen diese Privatautonomie hat bzw. welche Rolle der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und seine besonderen Ausprägungen, die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen (Art. 3 I I GG) und das Diskriminierungsverbot (Art. 3 I I I GG) für die Begrenzung dieser Privatautonomie spielen. Diese Fragen müssen zuerst im Rahmen der Problematik der Grundrechtskollisionen untersucht werden. Sie können aber erst dann beantwortet werden, nachdem die Einwirkung der Grundrechte - Wettbewerbsfreiheit einerseits, Gleichheitsrechte andererseits - auf die privatrechtlichen Beziehungen ausführlich beleuchtet wurde 2430 .

dd) Die Kollisionen der Wettbewerbsfreiheit

mit anderen Verfassungsgütern

Kollisionen auf Verfassungsebene sind nicht nur zwischen Grundrechten, sondern, wie bereits gezeigt wurde, auch zwischen Grundrechten zum einen und "mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswerten und -gütern" zum anderen (Verfassungskollisionen oder "unechte" Grundrechtskollisionen) möglich. Diese Werte oder Güter müssen nur in grundgesetzlichen Bestimmungen bzw. in der Wertordnung des GG ihre rechtliche Grundlage finden. Sie müssen aber nicht unbedingt eigenständig subjektive Rechte begründen, es reicht vielmehr aus, daß sie Güter, Werte oder Interessen des objektiven Verfassungsrechts sind. 2430

Vgl. dazu unten sub C II 1.

28 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Ein solches Verfassungsgut, das eventuell mit der Wettbewerbsfreiheit in eine Grundrechts- bzw. Verfassungskollision geraten könnte, ist von dem Gesetz zur Änderung des GG v. 22. 10. 1994 in das GG eingefügt worden. Bis dahin waren alle Versuche gescheitert, ein Verfassungsgut "Umwelt" im GG zu verankern, sei es im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, sei es im Rahmen des Sozialstaatsprinzips, sei es in dem Gesetzgebungskompetenzkatalog der Art. 70 ff. GG 2 4 3 1 . Zu Recht wurde die Umwelt verfassungsrechtlich nur in einem sehr begrenzten Umfang als geschützt angesehen, den das Recht aufs Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 I I 1 GG und das Eigentum nach Art. 14 GG bestimmt haben 2432 . Aber auch seine verfassungsrechtliche Verankerung im neuen Art. 20 a GG als selbständiges expressis verbis Rechtsgut mußte sich nur auf den Rahmen einer objektiv-rechtlichen Staatszielbestimmung2433 beschränken, die kein subjektives öffentliches Recht auf Umwelt begründet, wenn man wohl - wie gezeigt - von den vorhin genannten grundrechtlichen Vorschriften absieht 2434 . Art. 20 a GG bestimmt, daß der Staat die Umwelt im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und Rechtsprechung schützt. Art. 20 a GG orientiert sich an dem Vorbild des Art. 20 I I I GG. Dementsprechend wird als "verfassungsmäßige Ordnung" i. S. d. Art. 20 a GG wie in Art. 20 I I I GG die formelle Verfassung (Verfassungstext) verstanden 2435. Damit muß anerkannt werden, daß der Art. 20 a GG für den verfassungsrechtlichen Schutz der Umwelt auf das Prinzip der Einheit der Verfassung rekurriert, um keine Zweifel daran zu lassen, daß die Umwelt als kein höherrangiges Rechtsgut angesehen werden darf, wenn sie mit anderen grundgesetzlichen Vorschriften kollidiert 2436 . Diese Klausel der verfassungsmäßigen Ordnung ist überflüssig, soweit das Prinzip der Einheit der Verfassung in Anlehnung an die Interpretationsmaßstäbe des "schonenden und angemessenen Ausgleichs" sowie der "Optimierung" der kollidierenden Rechtsgüter geltendes Recht und bisher allgemein anerkannt ist 2 4 3 7 . Demgemäß kann die Wettbewerbsfreiheit 2431

Vgl. Steinberg, in: NJW 1996, S. 1985. Peters, in: N V w Z 1995, S. 556; Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 1; Kloepfer, DVB1. 1996, S. 74, 78; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1986. 2432

in:

2433 Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 1 spricht vom "Umweltschutzprinzip" nach dem Vorbild des Sozialstaatsprinzips. 2434

Peters, in: N V w Z 1995, S. 555 f.; Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 1; Kloepfer, in: DVB1. 1996, S. 74; Graf Vitzhum/Geddert-Steinacher, in: Jura 1996, S. 43; Murswiek,

in: NVwZ 1996, S. 223; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1990 ff. 2435

So Peters, in: NVwZ 1995, S. 556; Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 4; Kloepfer,

in:

So Peters, in: NVwZ 1995, S. 556; Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 4; Kloepfer, DVB1. 1996, S. 75; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1992.

in:

DVB1. 1996, S. 75. 2436

2437

So auch Kloepfer,

in: DVB1. 1996, S. 75; vgl. auch oben sub a cc.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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(Art. 12 I, 14 I 1 GG) mit dem Staatsziel Umweltschutz kollidieren 2438 , wenn eine Ökosteuer zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen eingeführt wird oder wenn die Frage erörtert wird, ob die Genehmigung eines Betriebs zurückgenommen werden soll, weil er die Umwelt verschmutzt, oder wenn ein Projekt den Bau neuer Industrien vorsieht, wodurch der Wettbewerbsmarkt und der Zugang zum Wettbewerb zwar erweitert werden soll, aber andererseits Umweltschäden zu erwarten wären. Natürlich können auch andere verfassungsrechtliche Schutzpositionen in diese Konflikte involviert werden, wie im ersten Beispiel das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Bewohner des Gebiets, in dem die Industrie ihre Anlagen hat, oder das Sozialstaatsgebot, wenn zu erwarten ist, daß durch die Stillegung des Betriebs 1000 Arbeitnehmer arbeitslos werden müssen bzw. durch den Bau der neuen Industrieanlage 1000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können 2439 . Ein schonender Ausgleich der gegenüberstehenden Interessen nach einer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist die verfassungsrechtlich gebotene Lösung 2440 . Als andere Verfassungsgüter, die mit der Wettbewerbsfreiheit kollidieren können, können auch die Volksgesundheit, der Jugendschutz, das Eigentum und der freie Wettbewerb als Institutsgarantien, der Arbeitnehmerschutz u. ä. betrachtet werden. Ihr verfassungsrechtlicher Schutz bezieht sich entweder auf die objektiv- über die subjektiv-rechtliche Seite der Grundrechte hinaus als subjektive Rechte und objektive Institute oder auf den Sozialstaatsgrundsatz der Art. 20 I, 28 I GG. Infolgedessen nutzt ihre eigenständige Erwähnung nur der Güterabwägung, wenn die durch die Kollision verursachte Aushöhlung der Institutsgarantie, ζ. B. des Eigentums oder des freien Wettbewerbs als Resultante der Institutsgarantien des Eigentums, des Berufs und der Vertragsfreiheit 2 4 4 1 , vermieden werden soll. Solche Darlegungen bekommen besonders in der Kartellgesetzgebung eine bedeutende Relevanz, die zur Aufgabe hat, neben der Wettbewerbsfreiheit der Wettbewerbsteilnehmer auch den freien Wettbewerb als Rechtsinstitut zu schützen 2442 .

2438

Vgl. zu einer solchen Erkenntnis Steinberg, in: NJW 1996, S. 1988. Vgl. Steinberg, in: NJW 1996, S. 1992; vgl. auch neuerdings BVerfGE 93, 165, 175 (Erbschaftssteuer), wonach sich eine neue grundrechtliche Position für den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i. S. d. Art. 1411 GG aus seiner Sozialbindung nach Art. 14 II GG ableiten läßt, wenn er als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen gilt. Diese Grundrechtsposition ist bei einer Grundrechtskollision mitzuberücksichtigen; vgl. auch Leisner, in: NJW 1996, S. 1516. 2440 Vgl. auch Peters, in: NVwZ 1995, S. 556; Kloepfer, in: DVB1. 1996, S. 75; 2439

Steinberg, in: NJW 1996, S. 1992. 2441 2442 y

Vgl. oben sub A I 2 c. gì z u m Schutzzweck des GWB oben sub A II 1 b aa γ.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland V I . Die Wettbewerbsfreiheit in der Problematik der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates 1. Problemstellung

Bisher wurde die Wettbewerbsfreiheit als subjektives Abwehrgrundrecht in allen Dimensionen ihrer grundrechtlichen Garantie untersucht. Diese Garantie hat einen statischen Charakter, wobei sie einen Anspruch gegenüber dem Träger der öffentlichen Gewalt auf Unterlassung darstellt. Nun wird die Frage untersucht, ob der Staat neben seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung, in die grundrechtliche Ausübung nicht einzugreifen, und, wenn überhaupt, nach den verfassungsrechtlichen Maßgaben, eine andere Pflicht zu erfüllen hat, nämlich die grundrechtliche Ausübung positiv vor Beeinträchtigungen Dritter zu schützen, oder anders gesagt, ob die Grundrechte bzw. die Wettbewerbsfreiheit über diese grundrechtliche Dimension hinaus auch einen Anspruch auf Tun gewähren. Diese Frage nach der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates hängt mehr oder weniger mit der Problematik des (negativen) Abwehrgrundrechts und des (positiven) Leistungsgrundrechts und ihrer Teilaspekte (Schutzbereich, Grundrechtsberechtigung und -bindung, Grundrechtseingriff, Grundrechtskollisionen, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, Drittwirkung) zusammen. Die genaue Festlegung ihres Tatbestandes und die Ermittlung ihrer verfassungsrechtlichen Natur bedürfen aber der Abgrenzung von diesen zwei Begriffen.

2. Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates als Frage der Grundrechtslehre a) Konzeption und verfassungsrechtliche Begründung - die Frage nach dem "Ob" aa) Die Rechtsprechung des BVerfG Das GG benutzt an mehreren Stellen den Begriff "Schutz", "schützen" etc., obwohl mit verschiedener Bedeutung und rechtlichen Konsequenzen (vgl. Art. 6 I 2 4 4 3 , I I 2 4 4 4 , I V 2 4 4 5 , 10 I I 2, 11 II, 13 III, 5 II, 20 a, 73 Nr. 1, 74 I Nr. 11 a,

2443 y g ] d i e s e m Schutzauftrag bzw. -gebot BVerfGE 6, 55, 76 (Ehegattenbesteuerung I); 17, 210, 216 ff.; 76, 1, 44 f., 49 f. (Familiennachzug); 88, 203, 260 (Abtreibung II); BVerwG NVwZ 1994, S. 163. 2444 s. dazu BVerfGE 24, 119, 144. 2445 Vgl. dazu BVerfGE 52, 357, 365 (Mutterschutz II); 84, 133, 155 f. (Warteschleifen); 88, 203, 258 (Abtreibung II). z u

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

437

74 I Nr. 20 GG) 2 4 4 6 . A n anderen Stellen benutzt das GG die Begriffe "'fördert" bzw. "Förderung" 2447 (vgl. Art. 3 I I 2 n. F , 74 I Nr. 17 GG). Die Vorschrift aber, in der das BVerfG die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates 2448 ursprünglich als niedergelegt angesehen hat und sie meistens als ihre verfassungsrechtliche Grundlage gehandhabt hat, so daß es in Verbindung mit ihr eine staatliche Schutzpflicht für die Grundrechte aus Art. 2 I I 1 GG ableiten konnte, ist die des Art. 1 1 2 G G 2 4 4 9 , der dahingehend lautet, daß die Menschenwürde zu achten und zu schützen, Verpflichtung aller staatlicher Gewalt sei 2 4 5 0 . Darüber hinaus begründet das BVerfG die staatliche Schutzpflicht in dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte bzw. der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit 2451 oder nur in diesem Gehalt, ohne auf Art. 1 1 2 GG und die Menschenwürde zurückzugreifen 2452 . Gelegentlich wird

2446 Daß die Lehre der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates nicht auf diesen Vorschriften begründet werden kann, zeigt sich zutreffend bei Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 13; vgl. auch hinsichtlich des Art. 6 I GG Η. Η Klein in: DVB1. 1994, S. 490, Fn. 26 (dort). 2447 Man darf die Begriffe "Schutz" und "Förderung" bzw. "Schutzpflicht" und "Förderungspflicht" nicht verwechseln. Die Schutzpflicht bezieht sich trotz ihres positiven Charakters auf das Freiheitsrecht, die Förderungspflicht eher auf das soziale Leistungsrecht (vgl. zum Verhältnis dieser Begriffe unten sub b aa). Deswegen hat die Förderungspflicht des Staates für (einige) Grundrechte, damit sie nicht leerlaufen, mit der hier zu erörternden Frage der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates eigentlich kaum zu tun - so auch E. Klein, in: NJW 1989, S. 1634. Diese Feststellung scheinen aber Brohm, in: NJW 1994, S. 283, und Kopp, in: NJW 1994, S. 1755 f , zu verkennen. 2448 Der Begriff "grundrechtliche Schutzpflicht des Staates" entspricht den beiden (Teil-)Begriffen "grundrechtliche Schutzpflicht" und "staatliche Schutzpflicht". Sein "grundrechtlicher" Charakter betrifft den Gegenstand der Pflicht, die Grundrechte (vgl. dazu unten sub c aa), und sein "staatlicher" Charakter den Adressaten dieser Pflicht, den Staat (vgl. dazu unten sub b aa) - so auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 3. 2449 Man muß hier eigentlich darauf hinweisen, daß die staatliche Schutzpflicht aus Art. 1 I 2 GG für die Menschenwürde des Art. 1 I 1 GG als erstes von Dürig, in: MD, Art. 1 Abs. I, Rd. 2, herausgearbeitet wurde - vgl. zu dieser Einschätzung auch Pietzcker, in: FS Dürig, S. 346. 2450 Vgl. zu einer solchen Schutzpflicht BVerfGE 39, 1, 41 (Abtreibung I - Leitentscheidung); 46, 160, 164 (Schleyer); 49, 89, 141 f. (Kalkar I); 57, 250, 284 f. (Spionage); 64, 261, 275; 88, 203, 251 ff, 298, 301 (Abtreibung II); 90, 145, 195 (Cannabis); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon); andeutend BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 250 (Baby-Bottle-Syndrom); vgl. auch BVerwGE 82, 76, 82 f. (Jugendsekten); vgl. ferner zu einer Schutzpflicht nach Art. 1 12 GG für die Menschenwürde i. S. d. Art. 1 I 1 GG BVerwGE 64, 274, 278 (Peep-Show I); Rädler, in: DÖV 1997, S. 112. 2451 So BVerfGE 39, 1, 41 (Abtreibung I); 49, 89, 142 (Kalkar I); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 3085 (Edelfosin). 2452 So BVerfGE 53, 30, 57 (Mülheim-Kärlich); 56, 54, 73 (Fluglärm); 77, 170, 214 (C-Waffen); 85, 191, 212 f. (Nachtbackverbot für Frauen); 92, 26, 46 (Zweitregister); BVerfGE (Dreierkammer) NVwZ 1997, S. 158 (KKW-Obrigheim); vgl. auch BVerfGE

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

dargelegt, daß aus Art. 2 I I 1 GG schlicht eine Schutzpflicht des Staates abgeleitet werde 2453 2 4 5 4 . Aber weder die Menschenwürde und der objektiv- rechtliche Gehalt der Grundrechte sind die einzigen Grundlagen einer solchen Schutzpflicht noch erschöpft sie sich in den Grundrechten des Art. 2 I I 1 GG nach der Judikatur des Gerichts. Das Verfassungsgericht hat dargelegt, daß der Staat verpflichtet sei, neben Menschenwürde und Leben die Freiheit und das Eigentum als Grundrechte 2455 oder die verfassungsmäßig verbürgten Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren 2456 zu schützen. Es hat weiter ausgeführt, daß gesetzliche Vorschriften, die sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenwirken, die objektive Grundentscheidung des Grundrechtsabschnitts und damit zugleich das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG) verwirklichen würden 2457 . Es wurde auch eine Pflicht für den Staat aus Art. 4 1 GG deduziert, den Glaubensüberzeugungen, -handlungen und -darstellungen einzelner oder religiösen Gemeinschaften einen Betätigungsraum zu sichern und sie vor Angriffen oder Behinderungen von Anhängern anderer Glaubensrichtungen oder konkurrierender Religionsgruppen zu schützen 2458 . Vor kurzem hat das BVerfG diese Schutz- und Sicherungspflicht von dem objektiv-rechtlichen Gehalt aller Freiheitsgrundrechte und insbesondere

66, 39, 61 (NATO-Nachrüstung), wo schlicht von einer "objektiv-rechtlichen Schutzpflicht" gesprochen wird; 79, 174, 201 (Straßenlärm). 2453 So BVerfGE 77, 381, 403 (Gorleben); 87, 363, 386 (Nachtbackverbot III); BVerwGE 87, 37, 49 f. (Diethylenglykolweine); 101, 1, 10; vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten), wonach neben den Rechten aus Art. 2 II 1 GG die verfassungsrechtlich hervorgehobenen Belange des Jugendschutzes als Gegenstand der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates herangezogen wurden; ferner BVerfGE 93, 1, 16 (Kruzifix) für das Grundrecht der Religions- und Glaubensfreiheit nach Art. 4 I GG. 2454 Zu einer allgemeinen Bewertung der Judikatur des BVerfG bei dieser Frage vgl. Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 43 ff. 2455 BVerfGE 48, 127, 161. 2456 BVerfGE 51, 324, 345. 2457 So BVerfGE 81, 242, 255 u. 256 (Handelsvertreter), wonach die Verwirklichung der staatlichen Schutzpflicht für die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG verfassungsrechtlich geprüft wurde; bestätigt durch BVerfGE 85, 191,213 (Nachtbackverbot für Frauen); vgl. auch BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft), wo das Gericht die "objektiven Grundentscheidungen" des GG durch die "Gewährleistung der Privatautonomie" (Art. 2 I GG) ersetzt hat; vgl. ferner BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 381; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021, zustimmend BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185. 2458 BVerfGE 93, 1, 16 (Kruzifix). Hingegen hat das Gericht dargelegt, daß Art. 4 I GG dem einzelnen und den religiösen Gemeinschaften grundsätzlich keinen Anspruch darauf verleihe, ihrer Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen; vgl. aber die abweichende Meinung im Sondervotum der Richter Seidl und Söllner und der Richterin Haas, a. a. O., S. 25 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 I GG abgeleitet 2459 . Einen Schutzauftrag für den Staat hatte das Gericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG bereits seit langem hergeleitet 2460 und neuerdings auch für die besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, dem Gleichberechtigungsgebot für Männer und Frauen aus Art. 3 I I GG, hervorgehoben 2461 (vgl. auch Art. 3 I I 2 GG n. F.) 2 4 6 2 . Darüber hinaus hat es sie auch für andere Rechtsgüter anerkannt, die zwar nicht von den Grundrechten deduziert werden, aber Verfassungsgüter darstellen wie der diplomatische Schutz 2463 oder die wirksame 2 4 6 4 und funktionstüchtige 2465 Rechtspflege.

bb) Die Literatur

2466

Ein Teil der Literatur war mit dieser bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption und Begründung nicht zufrieden und versuchte, die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates durch die Verknüpfung der Staatsaufgabe Sicherheit mit den Grundrechten zu begründen. Es sei Aufgabe des Staates, die her-

2459 BVerfGE 92, 26, 46 (Zweitregister); vgl. auch für Art. 12 I GG und die Wettbewerbsfreiheit bzw. -fähigkeit BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter); BVerwGE 87, 37, 48 (Diethylenglykolweine); vgl. ferner zur Schutzpflicht aus Art. 12 I GG in bezug auf den Arbeitnehmerschutz BVerfGE 84, 133, 146 f. (Warteschleifen); BVerfG NJW 1998, S. 1475 (Kleinbetriebsklausel). 2460 BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya); 35, 202, 221 (Lebach); 73, 118, 201; 96, 56, 64; BVerfG EuGRZ 1998, S. 233 (Caroline von Monaco bzw. Franziska van Almsick Gegendarstellung); BVerfG (Dreierkammer) DtZ 1994, S. 67. In den letzten Urteilen spricht das Gericht von "Schutzpflicht"; vgl. auch die Caroline-von-MonacoRechtsprechung des BGH, die den Begriff "Schutzgebot" verwendet - BGHZ 128, 1, 15 (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II - Brustkrebs); BGH NJW 1996, S. 987 (Caroline von Monaco III - Kumulationsgedanke); zustimmend zu einer solchen, aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Schutzpflicht oder einem -gebot Starck, in: vM/K/S, Art. 2 Abs. 1,

Rd. 115; Kunig, in: vM/K, Art. 2, Rd. 40; Jarass in: H.-U. Erichsen/H.

Kohlhoser/J.

Welp (Hg.): Recht der Persönlichkeit, S. 98; Forkel, in: JZ 1997, S. 45. Diese Rechtsprechung muß Isensee, in: AfP 1993, S. 626, verkannt haben. 2461 BVerfGE 89, 276, 286 f. (§ 611 a BGB). 2 4 6 2 y g i z u r Ableitung einer staatlichen Schutzpflicht bezüglich der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Teilhabe am Arbeitsleben bereits vor der Ergänzung mit Satz 2 BVerfGE 88, 203, 260 (Abtreibung II); Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 84 f. (m. w. N.); Kopp, in: NJW 1994, S. 1757 (m. w. N.). 2463

BVerfGE 55, 349, 364 f. (Hess). BVerfGE 51, 324, 345. 2465 BVerfGE 46,214, 222. 2466 Y g ] i Oberblick über die verschiedenen Konzeptionen der dogmatischen Herleitung der staatlichen Schutzpflicht bei Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, 2464

e

n e n

S. 108 f f , und Pietrzak, in: JuS 1994, S. 748 f.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

kömmlich auch auf die objektiven Normen und Institutionen der Rechtsordnung bezogen wird, nicht nur nicht in die Abwehrgrundrechte der Grundrechtsträger einzugreifen, sondern auch die innere Sicherheit zu gewährleisten und das Gebot des "neminem laedere" 2467 durchzusetzen, indem er die Freiheit des einen Grundrechtsträgers vor Übergriffen des anderen schützt. Denn jedes Grundrecht, wie auch hier mehrmals hervorgehoben wurde, hat immanente Schranken bzw. Grenzen, die auch die Grundrechte anderer Grundrechtsträger bestimmen 2468 . Infolgedessen wurde von diesem Teil des Schrifttums ein Recht auf Sicherheit abgeleitet, das die andere Seite der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates darstellt 2469 . Dagegen wurde von einem anderen Teil des Schrifttums die Schutzpflichtlehre mit dem Argument abgelehnt, daß keine besondere Schutzpflicht für den Staat bestehe, die Grundrechte zu schützen, sondern jede Beeinträchtigung des Grundrechts eines Grundrechtsträgers durch einen Dritten dem Staat als staatlicher Grundrechtseingriff zugerechnet werden und demgemäß den (subjektiven) abwehrgrundrechtlichen Anspruch dem Staat gegenüber aktivieren sollte 2470 .

cc) Zwischenergebnis - Stellungnahme Die Konzeption der Schutzpflichtlehre ist mittlerweile im allgemeinen anerkannt und gilt als Bestandteil der modernen Grundrechtslehre 2471. Die ur-

2467

Vgl. mehr dazu Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 103 ff. Vgl. so Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 5. 2469 ygj dazu statt aller Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 34 ff.; ders., V, § 111, Rd. 3 ff., 83 ff. (m. w. N.). 2470 Vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 212 ff.; ders., in: NVwZ 1983, S. 523 ff.; ders., in: DVB1. 1990, S. 477 ff.; Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 88; zustimmend Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 200; vgl. die gerechte Kritik zu dieser These bei F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 523; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1639; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 119; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 38 ff.; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 93 ff; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 417 ff; vgl. dazu auch die Ausführung Pietzckers, in: FS Dürig, S. 349 ff. 2471 So Stern, Staatsrecht III/l, S. 944, 949; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 40 f.; Canaris , in: JuS 1989, S. 163; vgl. weiter zu Befürwortern der Schutzpflichtlehre Jarass, in: AÖR 1985, S. 378 ff.; ders., in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 8; Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 1 ff., insbesondere 79 ff.; F. Kirchhof Private Rechtsetzung, S. 522; Stober, Grundrechtsschutz, S. 9; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 77 ff.; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 34 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 183; Haverkate, Verfassungslehre, S. 216; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 69 ff.; v.Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 22; Hain, in: 2468

DVB1. 1993, S. 982; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 51; Pietrzak, in: JuS 1994,

S. 749; Schiette, in: JZ 1996, S. 332; kritisch dagegen Preu, in: JZ 1991, S. 265 ff.;

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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sprüngliche Konzeption der Schutzpflichtlehre durch das BVerfG, daß die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates vom systematischen Zusammenhang des Art. 2 I I 1 GG i. V. m. Art. 1 12 GG abgeleitet werde, ist zu eng, obwohl sie sich auf den Verfassungstext selbst stützt. Es wäre heutzutage unzutreffend - mehr als zwanzig Jahre nach dem Abtreibung I-Urteil, das als Leitentscheidung für die Schutzpflichtjudikatur des Gerichts gilt - zu behaupten, daß das Gericht allein in diesem Zusammenhang die verfassungsrechtliche Verankerung dieser Lehre ansieht 2472 . Deshalb ist die Erweiterung ihrer verfassungsrechtlichen Grundlage auf den objektiv-rechtlichen Gehalt aller Grundrechte 2473 , dessen Bestand und Bedeutung für die Grundrechtsdogmatik nach seinem ursprünglichen Konzept von dem sog. Lüth-Urteil 2474 gleichermaßen anerkannt wurde 2475 , und ggf. auf den Sozialstaatsgrundsatz 2476 begrüßenswert. Der Bezug aber auf den objektiv-rechtlichen Gehalt bzw. das Wertsystem etc. der Grundrechte bedarf der Konkretisierung. Denn seine Verknüpfung mit der

Zöllner, in: AcP 1996, S. 11; vgl. auch kritisch Hesse/Kaufmann, in: JZ 1995, S. 222, in bezug auf das Verhältnis der Schutzpflichtlehre zu dem Gewaltenteilungsprinzip. 2472 j arass y i a ö R 1985, S. 380; Stern, Staatsrecht III/l, S. 943 f.; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 748 f.; Erichsen, in: Jura 1997, S. 86; im Ergebnis auch Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 66 f. V

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e b e n s o

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2473

Zustimmend in diesem Sinne auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 378 ff; ders., in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 4; Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 2; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 523 f.; Stern, Staatsrecht III/l, S. 931, 948; Stober, Grundrechtsschutz, S. 9; Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 12; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 183; v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 22; Kopp, in: NJW 1994, S. 1754; Hager, in: JZ 1994, S. 378; Pietrzak, in: JuS, 1994, S. 749; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 31, 45; Manssen, Staatsrecht I, Rd. 49; Schiette, in: JZ 1996, S. 332; Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 92; Erichsen, in: Jura 1997, S. 86; eine Schutzpflicht aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Art. 12, 14 oder 2 I GG für die freie wirtschaftliche Betätigung mit gleichen Chancen im Wettbewerb nimmt auch Brohm, in: NJW 1994, S. 283 an; vgl. auch die in der Begründung davon abweichende Argumentation von Canaris, in: AcP 1984, S. 226, der die Schutzpflicht auf den Zusammenhang der Art. 1 I 1, 1 I 2 und 1 II GG stützt. 2474 BVerfGE 7, 198, 205, wonach das GG eine "objektive Wertordnung" enthält. 2475 Vgl. statt aller Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 1 ff.; v. Münch, in: vM/K, Vorb. Art. 1-19, Rd. 22; Dreier, in: Jura 1994, S. 509, 513. 2476 So auch Pietzcker, in: FS Dürig, S. 362; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 57 f.; Wiedemann, in: JZ 1990, S. 697; ders., in: JZ 1994, S. 412; ders., in: AP § 611 BGB Aus-

bildungsbeihilfe Nr. 18 , Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98; vgl. bereits früher Achterberg, in: JZ 1975, S. 720; Müller-Graff

Unternehmensinvestitionen, S. 259, Fn. 57

(dort); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 523. Die Betroffenheit des Sozialstaatsgrundsatzes bejaht hier auch Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 144 f., seinen Zusammenhang mit der Schutzpflichtlehre aber lehnt er ab; vgl. auch die Position von Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 131 f., daß der Sozialstaatsgrundsatz nicht die legitimierende Basis für die Ableitung einer staatlichen Schutzpflicht in dem hier erörterten Sinne sein könne; ferner ders., in: JZ 1996, S. 1089 f.; ihm zustimmend Eschenbach/Niebaum, in: NVwZ 1994, S. 1080; Oldiges, in: FS Friauf, S. 304 f.; zurückhaltend auch Hager, in: JZ 1994, S. 379.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

staatlichen Schutzpflicht läßt eine Lücke offen und gilt deswegen als vage. Diese Lücke wird von der Theorie geschlossen, die die Aufgabe für den Staat bzw. das Recht für die Grundrechtsträger auf Sicherheit zugrundelegt. Die öffentliche Gewalt ist nach Art. 1 I I I GG grundrechtsgebunden 2477. Ihre Bindung wäre aber mangelhaft, wenn sie sich auf die Nicht-Störung der Grundrechte begrenzen würde 2478 . Nicht nur Gründe, die auf die schrecklichen Erlebnisse der nationalsozialistischen Diktatur zurückgehen, sondern auch der Konzeptionswandel der Rechtsordnung und der allgemeinen Grundrechtslehre im Zusammenhang mit der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung im 20. Jahrhundert - insbesondere in seiner zweiten Hälfte haben dazu beigetragen. Die Konzeption der Rechtsordnung, die bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts galt und eine Identifizierung des Staates mit der Gesellschaft zugrundelegte 2479 , in der der Staat (der absolute Monarch) die Gesellschaft (Volk) unterdrückt hat, ist in eine liberale umgewandelt worden. Nach dieser Konzeption sollen Staat und Gesellschaft völlig getrennt sein. Das dipolistische Modell Staat - Gesellschaft in der Form "absoluter Monarch - Volk ohne Rechte" hat die Form einer Antithese angenommen, nach der den Staat der nicht mehr absolute, sondern mittlerweile konstitutionalisierte Monarch und seine Regierung und die Gesellschaft das Bürgertum verkörperten. Die Grundrechte stellen Gewährleistungen der Bürger gegenüber dem Staat dar, die nur in dieser staatsgerichteten Funktion ausgeschöpft wurden. Diese Konzeption ist bereits seit langem überholt und entspricht nicht mehr der politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Realität, wie sie sich insbesondere nach dem Ende des 2. Weltkrieges entwickelt hat und geprägt wurde. In einer parlamentarischen Demokratie verkörpert den Staat nicht mehr der Monarch, sondern in erster Linie das vom Volk in freier, unmittelbarer, geheimer und vor allem allgemeiner Wahl gewählte Parlament (vgl. Art. 20 I I 2, 381 GG) und die ihm gegenüber verantwortliche Regierung (vgl. Art. 65 GG). Darüber hinaus verkörpert nach dem Gewaltenteilungsprinzip nicht mehr eine Person oder Organ mehrere Gewalten (vgl. Art. 20 I I 2 GG); die dritte, die judikative Gewalt,

2477 ygj dazu ausführlich oben sub III. 2478 Vgl. so Stern, Staatsrecht III/l, S. 948; Wahl/Masing, in: JZ 1990, S. 557, 560; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 748; Enders, in: Der Staat 1996, S. 351; Oldiges, in: FS Friauf, S. 299 f.; Erichsen, in: Jura 1997, S. 86; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 111, versucht eine Schutzpflicht aus Art. 1 III GG i. V. m. Art. 20 III GG zumindest für die Legislative zu begründen. 2479 Hervorgehoben werden muß, daß diese totalitäre Konzeption des Verhältnisses zwischen Staat und Gesellschaft in der Form, daß Staat und Gesellschaft identisch sein mußten und der Staat mit der Kommunistischen Partei identifiziert wurde, in der ehemaligen Sowjetunion, einem Teil Deutschlands und in den meisten Ländern Ost- und Südosteuropas verwirklicht wurde.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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kontrolliert unabhängig von den beiden anderen (vgl. Art. 92, 97 GG) die Rechtmäßigkeit ihrer Akte (vgl. Art. 20 III, 97 GG). Das bedeutet, daß der Staat nicht mehr der Feind des Volkes sein soll, da die Legitimation seiner Organe direkt oder indirekt vom Volk ausgeht (vgl. Art. 20 I I 1 GG) und, wenn er in die Grundrechte der Bürger (unzulässig) eingreift, können letztere auch von einer der Gewalten des Staates geschützt werden (vgl. Art. 19 I V i. V. m. Art. 1 III, 93 I 4 a GG). Zum anderen aber sind neue Formen von "Gewalten" aufgetreten, die zunächst als Gewinn der demokratischen, freiheitlichen, aber auch sozialen Gesellschaft gelten, wie ζ. B. die Presse als "vierte Gewalt" (vgl. Art. 5 I 2, 3 GG), Parteien (vgl. Art. 21 GG), Verbände (vgl. Art. 9 I GG) und Gewerkschaften (vgl. Art. 9 I I I GG). Diese neuen "Gewaltsformen" treten neben der wirtschaftlichen Macht (Kartelle, Konzerne, Konzentration), der heutzutage die Rolle einer "fünften Gewalt" 2 4 8 0 neben und manchmal in Verflechtung mit den drei staatlichen Gewalten und der Presse zukommt, und der modernen technologischen Entwicklung (Atomenergie, Gentechnik, Informatik usw.) als Gefahren für die Ausübung der Grundrechte der Einzelnen auf. Man bringt Eulen nach Athen, wenn man davon ausgeht, daß heutzutage die Grundrechte nicht mehr nur vom Staat, sondern auch von kollektiven Interessen politischer, sozialer und vor allem wirtschaftlicher Natur, die aus diesen "Mächten" herrühren, bedroht und sogar beeinträchtigt werden 2481 . Die gefährdeten Grundrechtsgüter und ihre Träger sind häufig den Gefahren, die sich aus der Wahrnehmung dieser Interessen ergeben, ausgesetzt, ohne daß sie sich - oder zumindest nicht ausreichend - wehren können 2 4 8 2 . Eine Ablehnung der Begründung der staatlichen Schutzpflicht von den Funktionen der Grundrechte würde ihre praktische Bedeutung verkennen 2483 . Infolgedessen muß der Staat dafür sorgen, nicht nur selbst die Grundrechtsausübung nicht zu stören, sondern auch Störungen seitens Dritter zu verhindern 2484 . Seine Rolle als Hüter der Rechtsordnung, des sozialen Friedens und Sicherheit mit der "Waffe" des Gewaltmono-

2480

Stern, Staatsrecht III/l, S. 1588 spricht unter Hinweis auf Leisner, Grundrechte, S. 380-384, von "privater Gewalt". 2481 ygj dazu Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 196; vgl. auch die Ausführung Sterns, Staatsrecht III/l, S. 1586 ff.; zu weit Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 112 ff. 2482

Vgl. zum Beispiel des Nasciturus E. Klein, in: NJW 1989, S. 1636. Ygj a u c h stem, Staatsrecht III/l, S. 948 f.; Dirnherger, Recht auf Naturgenuß, S. 166; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 45 f. Ein Argument für die Ableitung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates auch aus der Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt nach Art. 1 III GG gibt BVerfGE 81, 242, 253 i. V. m. S. 255 ff, 260 ff. (Handelsvertreter), wenn man die Position annimmt, daß dieses Urteil für die Schutzpflichtproblematik relevant ist. 2483

2484 Vgl. zu dieser Konzeption Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 17 f.; Erichsen, in: Jura 1996, S. 529.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

pois 2 4 8 5 vollendet diese Aufgabe 2 4 8 6 . Diese Konstruktion gilt als Ergänzung der bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption und nicht als ihre Ablehnung 2 4 8 7 .

b) Adressaten und Berechtigte der Schutzpflicht aa) Adressaten α) Die Legislative Die grundrechtliche Schutzpflicht ist an den Staat adressiert. Unter "Staat" wird die öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 1 I I I GG verstanden 2488 . In diesem Sinne ist der Anwendungbereich dieser Vorschrift mit dem Adressatenkreis der grundrechtlichen Schutzpflicht identisch, unabhängig von dem privat- oder öffentlich-rechtlichen Charakter der Organisationsform oder der Mittel, vorausgesetzt natürlich, daß die öffentliche Hand daran beteiligt ist 2 4 8 9 . Trotzdem wurde zu Recht angenommen, daß sich die grundrechtliche Schutzpflicht in erster Linie an den Gesetzgeber richtet 2490 . Die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bedarf meistens der Umsetzung durch den Gesetzgeber, sie ist m. a. W.

2485 Zum Verhältnis der staatlichen Schutzpflicht mit dem Gewaltmonopol des Staates vgl. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 102; ders. ebenda, § 115, Rd. 115; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 26 f. 2486 ygj a u c j 1 fferdegen, in: Heckmann/Meßerschmidt (Hg.): Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, S. 177. 2487 Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 946 ff.; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1636; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 65, nach dem es keine abstrakte staatliche Schutzpflicht (seil, auf Sicherheit) neben der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates gibt. Vielmehr seien beide Pflichten identisch, da die Schutzpflicht des Staates unteilbar sei. 2488 So Stern, Staatsrecht III/l, S. 950; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 168; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 4, 148; Η. Η Klein, in: DVB1. 1994, S. 494. 2489 So Isensee, in: HdDStR, V, § 111, § 111, Rd. 116 (s. dazu ausführlich oben sub II 3 c bb, III 3 b). 2490 So BVerfGE 39, 1, 51 (Abtreibung I); vgl. auch BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter); 85, 191, 213 (Nachtbackverbot für Frauen); 88, 203, 252, 261 f. (Abtreibung II); 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1983, S. 2932; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 652 (Geschwindigkeitsbeschränkungen); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 384; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 525; Stern, Staatsrecht III/l, S. 942, 951; ders., in: HdDStR, V, § 109, Rd. 60; Hermes, in: NJW 1990, S. 1765; Wahl/Masing, in: JZ 1990, S. 559; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 165; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 184; Η. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 491; Höfling, in: Sachs, GG-K, Art. 1, Rd. 86; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 96; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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gesetzesmediatisiert 2491. Das Demokratie-, Gewaltenteilungs- und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 I, II, I I I GG) stellen über die Wesentlichkeitstheorie und die Grundrechtsbindung der Legislative hinaus (Art. 1 I I I GG) die legitimierende Basis einer solchen Auffassung dar 2 4 9 2 . Soweit der Gesetzgeber in die Grundrechte Dritter eingreifen muß, um seine Schutzpflicht zu realisieren, greifen die spezifischen Gesetzesvorbehalte der Grundrechte ein 2 4 9 3 . Die Gesetzgebungskompetenzverteilung nach Art. 70 ff. GG bleibt unberührt 2494 .

ß) Die Exekutive Exekutive 2 4 9 5 und Judikative tragen i m Rahmen ihrer Aufgaben und Kompetenzen (vgl. Art. 20 I I 2, III, 30, 65, 83 ff., 92 ff.) 2 4 9 6 auch die Schutzpflicht. Insbesondere für die Verwaltung bekommt die grundrechtliche Schutzpflicht eine eigenständige Bedeutung, wenn sie im Rahmen ihres Ermessens oder in einem gesetzesfreien Raum tätig wird 2 4 9 7 . Die Realisierung der Schutzpflicht kann ihr Ermessen unter ganz besonderen Umständen auf null reduzieren 2498 . 2491

So Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 44, 86 f.; ders, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 8, 151; Stern, Staatsrecht III/l, S. 951; Wahl/Masing, in: JZ 1990, S. 559; H.-J Cremer, Auslandsfolgen, S. 235; Η. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 491; Hager, in: JZ 1994, S. 379; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 753. 2492 Vgl. dazu BVerfGE 56, 54, 81 (Fluglärm); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1983, S. 2932; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 652 (Geschwindigkeitsbeschränkungen); vgl. auch Η. Η Klein, in: DVB1. 1994, S. 491; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 111, obwohl mangelhaft. 2493 Vgl. auch Η Η Klein, in: DVB1. 1994, S. 494; Sachs, in: JuS 1995, S. 987; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 96. 2494 Vgl. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 148; Η. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 494 f. 2495 Zur Schutzpflicht der Exekutive vgl. BVerfGE 46, 160, 164 (Schleyer); 49, 89, 142 (Kalkar I); 53, 30, 58 f. (Mülheim-Kärlich); 77, 170, 214 (C-Waffen); 88, 203, 259 (Abtreibung II); 96, 56, 64; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekten); BVerwGE 82, 76, 80 ff. (Jugendsekten); 87, 37, 47 ff. (Diethylenglykolweine); OVG Münster NJW 1996, S. 2114; OVG Münster NJW 1996, S. 3355; Jarass, in: AÖR 1985, S. 381; Stern, Staatsrecht III/l, S. 952; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 71 f.; Elbing, Zur Anwendbarkeit, S. 102; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88. 2496 So Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 148; das Zuständigkeitskriterium heben auch Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 96, und Hesse, Grundzüge, Rd. 350, hervor; vgl. zur Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht nach den Bund-LänderKompetenzen BVerfGE 81, 310, 339 (Kalkar II); Schoch, in: DVB1. 1991, S. 672 ff.; anders aber BVerwG NVwZ 1994, S. 162 f. 2497 So auch Isensee, in: HdDStR, V, §111, Rd. 90; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 71 f.; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 168. 2498 Vgl. BVerfGE 77, 170, 215 (C-Waffen), wonach das Auswahlermessen der schutzverpflichtenden Organe sich "unter ganz besonderen Umständen ... in der Weise verengen" kann, "daß allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann"; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 90, 167; Η. Η Klein, in:

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Die besonderen Ausprägungen der Rechtsstaatlichkeit, das Gesetzmäßigkeitsprinzip bzw. der Grundsatz des (allgemeinen) Vorbehalts des Gesetzes, der Parlamentsvorbehalt 2499 , das Delegationsverbot (Art. 801 GG) sowie ihre Bindung an die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, soweit die Verwirklichung der Schutzpflicht die Einschränkung eines anderen Grundrechts bedeutet, gelten auch hier 2 5 0 0 . I m Falle fehlender spezifischer gesetzlicher Bestimmungen muß die Exekutive auf die Generalklauseln zurückgreifen 2501 , und nur wenn das ausnahmsweise unmöglich ist, wie im gesetzesfreien Raum, darf sie die Schutzpflicht eigenständig erfüllen 2502 .

DVB1. 1994, S. 495; Hesse, Grundzüge, Rd. 350 (m. w. N.); vgl. aber andererseits BVerfGE 46, 160, 165 (Schleyer). 2499 yg] z u m y e rhältnis der sog. Wesentlichkeitstheorie mit der grundrechtlichen Schutzpflicht BVerfGE 77, 381, 403 (Gorleben); A. Roth, Verwaltungshandeln, S. 271 ff.; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 753; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 96; Schiette, in: JZ 1996, S. 333; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88. 2500 V g | a u c h Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 39; Heintzen, in: VerwArch 1990, S. 554; Gröschner, in: JZ 1991, S. 630; Schoch, in: DVB1. 1991, S. 670 ff.; Isensee, in:

HdDStR, V, § 111, Rd. 90 f., 149 ff., 161, 169; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 71, 109 f.; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 155; Di Fabio , in: JZ 1993, S. 696 f; ders., in: JuS 1997, S. 5; H. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 494; Sachs, in: JuS

1995, S. 987; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 225 f.; anders aber BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekte); BVerwGE 82, 76, 80 f. (Jugendsekte); 87, 37, 46 ff. (Diethylenglykolweine), wonach die Grundrechtsgewährleistungen zwar den Zwang für die Bundesregierung, ihre Befugnis aber zur verantwortlichen Leitung des Ganzen der inneren und äußeren Politik nach Art. 65 GG und nicht das Rechtsstaats- bzw. Gesetzmäßigkeitsprinzip oder der (grundrechtliche) Gesetzesvorbehalt die Ermächtigung zum Handeln (z. B. Veröffentlichung der Weinliste) einschließe; von dieser Meinung, die den Gesetzes vorbehält für Grundrechtseingriffe, die eine Schutzpflicht erfüllen, für nicht anwendbar hält, scheint auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 385, auszugehen, bevor die Rechtsprechung sie dargelegt hat; vgl. auch BVerwGE 90, 112, 122 (Osho), das zwar im Prinzip von der hier vertretenen Auffassung ausgeht, sich aber ausnahmweise der Position des JugendsektenUrteils anschließt. Man muß hier eigentlich wiederholen, was bereits an anderen Stellen hervorgehoben wurde (vgl. oben sub IV 2 a ee α γγ yyy): Weder Art. 65 GG noch die Realisierung der Schutzpflicht des Staates als solche erteilen der Exekutive eine Eingriffskompetenz oder -befugnis, so daß sie sie von der Bindung des Gesetzesvorbehalts und anderen rechts- und bundesstaatlichen Anforderungen der Verfassung befreien würden, wie zu Unrecht die höchstrichterliche Rechtsprechung darlegt. Der Schutzstaatsgedanke darf nicht den Rechts- und Bundesstaatsgedanken ablösen - vgl. dazu H. A. Hesse, in: JZ 1991, S. 746. 2501

Vgl. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 152 ff., 156, 161; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 151; vgl. aber etwas anders Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 40. 2502 So auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 161; vgl. weiter BVerfGE 46, 160, 164 f. (Schleyer).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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γ) Die Judikative Die judikative Gewalt darf genauso wenig wie die exekutive Gewalt ohne rechtliche Grundlage die Schutzpflicht ausüben, indem sie etwa sogar Sanktionen auferlegt 2503 . Das würde nicht nur das Rechtsstaats- und Gewaltenteilungsprinzip aus Art. 20 I I 2, I I I GG, sondern im Fall der strafrechtlichen Sanktionen auch das Prinzip "nullum crimen nulla poena sine lege" des Art. 103 I I GG verletzen 2504 , das in diesem Fall als lex specialis gegenüber den zwei vorhergenannten Prinzipien gilt. Für den Richter bekommt aber die grundrechtliche Schutzpflicht große praktische Relevanz, wenn er Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe oder andere auslegungsbedürftige Rechtsnormen zu interpretieren hat 2 5 0 5 . Seine Verantwortung aber wird an den Grenzen der Rechtsfortbildung 2506 und der "schöpferischen Rechtsfindung" 2507 erschöpft. Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte 2508 und die verfassungskonforme bzw. -orientierte Auslegung des einfachen Rechts stellen neben seiner Grundrechtsbindung nach Art. 1 I I I GG und Gesetzes- bzw. Rechtsbindung nach Art. 20 I I I GG Instrumente dar, mit deren Hilfe er seine Schutzpflicht er2503

So auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 161. So auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 156; Hager, in: JZ 1994, S. 379. 2505 Vgl. BVerfGE 34, 269, 282, 286 ff. (Soraya); 81, 242, 253, 256 (Handelsvertreter); 89, 214, 234 (Bürgschaft); 89, 276, 286 (§ 611 a BGB); 96, 56, 64; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; andeutend BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 250 (Baby-Bottle-Syndrom); vgl. auch BGHZ 128, 1, 15 (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II - Brustkrebs); Canaris , in: AcP 1984, S. 227 f , der auf den S. 232 ff. die Bedeutung und die Rolle dazu insbesondere des § 138 BGB hervorhebt; ders, in: JuS 1989, S. 163 f.; Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 40; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1633 f , Fn. 8 (dort), 1640; Pietzcker, in: FS Dürig, S. 363; Wiedemann , 2504

in: JZ 1990, S. 696; ders, in: JZ 1994, S. 412; Hillgruber, in: AcP 1991, S. 76; Dirn-

berger, Recht auf Naturgenuß, S. 168; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 153, 156; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 53; H. H Klein, in: DVB1. 1994, S. 492; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 25; Oldiges, in: FS Friauf, S. 302 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 196; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 151; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98; vgl. auch Oeter, in: AÖR 1994, S. 535 ff, der die Schutzpflichtaufgabe des Richters in diesem Fall besonders hervorhebt. 2506 V g l ebenso BVerfG 96, 56, 64; vgl. auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 951; Canaris , in: JuS 1989, S. 164; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 53; C. D. Classen (Anm.), S. 85 f. 2507 Vgl. zur Erfüllung einer solchen Schutzpflicht BVerfGE 34, 269, 286 ff. (Soraya); 35, 202, 221 (Lebach); 73, 118, 201; 96, 56, 64; BVerfG EuGRZ 1998, S. 234 (Caroline von Monaco bzw. Franziska van Almsick - Gegendarstellung); BVerfG (Dreierkammer) DtZ 1994, S. 67; BGHZ 128, 1, 15 (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II - Brustkrebs); vgl. auch zur richterlichen Rechtsfortbildung bzw. schöpferischen Rechtsfindung BVerfGE 49, 304, 319 ff. (Haftung der Sachverständigen); 65, 162, 190 f.; 84, 212, 226 f. (Abwehraussperrung); BVerfG NJW 1998, S. 520 (fehlgeschlagene Sterilisation). 2508 s. dazu oben sub C.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

füllen kann bzw. muß 2 5 0 9 . Insbesondere für die verfassungskonforme Auslegung 2 5 1 0 kann man darlegen, daß der Richter zwischen zwei oder mehreren Auslegungen diejenige auswählen muß, die die grundrechtliche Schutzpflicht am besten und effektivsten verwirklicht 2 5 1 1 2 5 1 2 . Außerdem obliegt dem Richter bzw. dem Verfassungsrichter in letzter Instanz die Aufgabe, zu prüfen, ob der Gesetzgeber oder die Exekutive die Schutzpflicht verfassungsgemäß erfüllt haben oder nicht 2 5 1 3 . Das Gericht darf sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen 2514 . Da die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht von einem positiven

2509 So BVerfGE 81, 242, 256 (Handelsvertreter); 89, 214, 234 (Bürgschaft); 89, 276, 286 (§ 611 a BGB); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. auch Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 40; Stern, Staatsrecht III/l, S. 951, 1577 f., 1583; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1640; Pietzcker, in: FS Dürig, S. 363; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 25; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 196; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 170; Gersdorf in: AÖR 1994, S. 420 f.; Sevecke, in: AfP 1994, S. 198; vgl. auch im Ergebnis gleich Canaris , in: JuS 1989, S. 164, Oldiges, in: FS Friauf, S. 302, die aber eine Abneigung für den Begriff "Ausstrahlungswirkung" zeigen; Wiedemann , in: JZ 1990, S. 696, benutzt den Begriff "beschränkte Schutzwirkung der Grundrechte im Privatrecht". 2510

Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 149, 153 spricht von "schutzpflichtkonformer Interpretation". 2511 Man würde nicht zu weit gehen, wenn man davon ausginge, daß gerade das der Fall im sog. Handelsvertreter-Urteil - BVerfGE 81, 242 ff. - war. Genauer gesagt, hat der zum Verfahren Stellung nehmende Bundesminister der Justiz dargelegt, daß die verfassungswidrige Auswirkung des umstrittenen § 90 a II 2 HBG dadurch hätte verhindert werden können, wenn die von ihm erlaubte Wettbewerbsklausel, die u. U. das Wettbewerbsverbot auferlegt und eine angemessene Karenzentschädigung ausschließt, im Einzelfall für sittenwidrig i. S. d. §1381 BGB (nach der Ausstrahlungswirkung des Art. 12 I GG auf diesen?) erklärt werden könnte - a. a. O., S. 250. Das BVerfG ist konsequenterweise dieser Auslegung nicht gefolgt, obwohl sie möglich gewesen wäre, und hat glücklicherweise nach einer zutreffenden verfassungskonformen Anwendung der Schutzpflichtlehre den § 90 a II 2 HGB für verfassungswidrig erklärt, da er gegen den Art. 121 GG und die daraus sowie aus dem Sozialstaatsprinzip hergeleitete Schutzpflicht des Staates verstoßen habe - a. a. O., S. 255, 256 ff, 260 ff. Dagegen hätte die Akzeptanz der Position des Bundesjustizministers die Bedeutung der staatlichen Schutzpflicht verkannt oder mindestens relativiert und wäre deswegen verfassungsunkonform gewesen - vgl. dazu Hermes, in: NJW 1990, S. 1767. Man könnte sie auch als verfassungswidrig im Sinne des Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip (Richterbindung an Gesetz und Recht) nach Art. 20 III GG behandeln, soweit der Richter die klassische Interpretationsregel "lex specialis (hier § 90 a II 2 HGB) derogat legi generali (§ 138 I BGB)" mißachtet hätte - vgl. dazu Canaris , in: AP Nr. 658 zu Art. 12 und im allgemeinen über die Problematik der Schutzgebotsfunktion des § 90 a HGB unten sub dbb. 2512 Vgl. auch BVerfGE 89, 276, 286, 290 (§ 611 a BGB), obwohl sich das Gericht dort zurückhaltend zur Frage geäußert hat, ob das BVerfG zu kontrollieren hat, wie die Gerichte den Schutz im einzelnen auf der Grundlage des einfachen Rechts gewähren und ob ihre Auslegung den bestmöglichen Schutz sichert. 2513 BVerfGE 39, 1, 51 (Abtreibung I). 2514 So BVerfGE 39, 1,51 (Abtreibung I); 66, 39, 61 (NATO-Nachrüstung); vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rd. 320; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 426.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Tun seitens des Gesetzgebers oder der Exekutive abhängt, gilt ihr Schutzgebot im Rahmen des faktisch Möglichen 2 5 1 5 . Das bedeutet, daß Legislative und Exekutive einen weiten Einschätzungs-, Wertungs-, Gestaltungs- und Prognosespielraum bei der Erfüllung der Schutzpflicht 2516 , einen größeren sogar 2517 als bei Einsatz eines grundrechtseingreifenden Mittels besitzen und demzufolge die Kontrolldichte des Richters entsprechend geringer wird 2 5 1 8 . Die Entscheidung, ob und mit welchem Inhalt ein Gesetz zu erlassen ist, hängt "von vielen

2515

So BVerfGE 56, 54, 81 (Fluglärm); Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 144; vgl. auch BVerfGE 92, 26,47 (Zweitregister). 2516 BVerfGE 77, 170, 214 f. (C-Waffen); 79, 174, 202 (Straßenlärm); 81, 242, 255 (Handelsvertreter); 85, 191, 212 f. (Nachtbackverbot für Frauen); 88, 203, 262 f. (Abtreibung II); 89, 214, 232 (Bürgschaft); 92, 26, 46 (Zweitregister); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 2509 (TrafoStation); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 976; vgl. auch BVerfGE 46, 160, 164 (Schleyer), das darlegt: "Wie die staatlichen Organe (seil, der Exekutive und Legislative) ihre Verpflichtung zu einem effektiven Schutz des Lebens erfüllen, ist von ihnen grundsätzlich in eigener Verantwortung zu entscheiden". Ausgerechnet in diesem Urteil hat das BVerfG dem zuständigen Organ, der Bundesregierung, ein weites Ermessen anerkannt - s. a. a. O., S. 165; so auch letztens BVerfG 96, 56, 64 f.; vgl. ferner BVerfGE 56, 54, 80 f. (Fluglärm), wonach die evidente Verletzung der Schutzpflicht verlangt wird, damit eine Verfassungsbeschwerde, die diese Verletzung rügt, Erfolg hat; etwas anders aber BVerfGE 53, 30, 58 (Mülheim-Kärlich); den weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers scheint das BVerfGE 88, 203, 255 ff., 305 (Abtreibung II) einzuschränken. Die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung scheint in diesem Punkt nicht immer einheitlich zu sein - zu dieser Deutung vgl. Erichsen, in: Jura 1997, S. 89; für das Schrifttum vgl. weiter Stern, Staatsrecht III/l, S. 950; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1638; P.-M Huber, Konkurrenzschutz, S. 184; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 90, 162; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 423 ff.; Η Η Klein, in: DVB1. 1994, S. 495; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1989. 2517 Vgl. ebenso Jarass, in: AÖR 1985, S. 384; Stern, Staatsrecht III/l, S. 951, 1570; andeutend BVerfG 96, 56, 64 f.; vgl. ähnlich Η Η Klein, in: DVB1. 1994, S. 496 f.; vgl. aber BVerfGE 88, 203, 262 (Abtreibung II), wonach der Umfang dieses Spielraums von Faktoren verschiedener Art abhänge und konkretisiert seine Darlegung weiter, indem es auf das BVerfGE 50, 290, 332 f. (Mitbestimmung) nachweist; vgl. auch BVerfGE 77, 170, 214 f. (C-Waffen). Der Nachweis auf das Mitbestimmungs-Urteil, das dem Gesetzgeber bei der Einschränkung der Grundrechte einen weiten Prognosespielraum anerkannt und demgemäß die Maßstäbe der (verfassungs)richterlichen Kontrolle seiner Entscheidungen bestimmt hat, kann dahingehend ausgelegt werden, daß das BVerfG dem Gesetzgeber bzw. der öffentlichen Gewalt bei der Ausübung der grundrechtlichen Schutzpflicht keinen weiteren Einschätzungs- oder Prognosespielraum anerkennt als den zur Ausübung ihrer grundrechtseinschränkenden Befugnis - so Hain, in: DVB1. 1993, S. 984; vgl. aber gerade zur gegenteiligen (und zu engen) Position Pietzcker, in: FS Dürig, S. 360, wonach der Eingriff sich als geeignet, erforderlich und verhältnismäßig erweisen müsse, während die Schutzpflicht nur bei evidenter Mißachtung verletzt sei. 2518 Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 951; Isensee, in: HdDStR, V, §111, Rd. 162. 29 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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wirtschaftlichen, politischen und haushaltsrechtlichen Gegebenheiten ab, die sich im allgemeinen richterlicher Nachprüfung entziehen" 2519 . Der Gesetzgeber muß aber das Untermaßverbot beachten und unterliegt insofern der verfassungsrichterlichen Kontrolle 2520 .

bb) Die Schutzpflichtberechtigten Bezüglich der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates sind alle Träger eines Grundrechts berechtigt 2521 , d. h. alle natürlichen Personen, einschließlich des Nasciturus für das Recht auf Leben nach Art. 2 I I 1 GG 2 5 2 2 und des Verstorbenen für die Menschenwürde 2523 und alle inländischen juristischen Personen nach Art. 19 I I I GG. Auch hier gilt der Anwendungsbereich dieser Vorschrift 2524 als Maßstab für den Berechtigtenkreis der staatlichen Schutzpflicht 2525 .

c) Grundrecht auf Schutz? aa) Die grundrechtliche Schutzpflicht im Verhältnis zum negativen Abwehr- und zum positiven Leistungsgrundrecht Um den Inhalt richtig zu definieren und die eventuelle Begründung eines subjektiven Rechts auf Schutz abzuleiten, muß man, wie bereits gezeigt, die objektiv-rechtliche Schutzpflicht und das (eventuelle) subjektiv-rechtliche Recht auf Schutz von den Begriffen des (negativen) Abwehrgrundrechts (Status negativus) und des (positiven) Leistungsgrundrechts (status positivus) abgrenzen. Die grundrechtliche Schutzpflicht hat wie gesagt den gleichen Adressaten· und Berechtigtenkreis wie das Abwehrrecht sowie das gleiche Objekt. Andererseits ergibt sich diese aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grund2519

BVerfG (Dreierkammer) NJW 1983, S. 2932. So BVerfGE 88, 203, 254 (Abtreibung II) unter Hinweis auf Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 165 f.; vgl. weiter BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon) - vgl. weiterhin zum Untermaßverbot unten sub e. 2521 So auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 946. 2522 BVerfGE 39, 1, 41 (Abtreibung I); 88, 203, 251 (Abtreibung II); Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 93. 2523 So Diedein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 124; Isensee, in: HdDStR, V, §111, Rd. 93; zur postmortalen Grundrechtsträgerschaft der Menschenwürde vgl. BVerfGE 30, 173, 194 (Mephisto); BGHZ 107, 384, 391 (Emil Nolde); OLG München BB 1997, S. 1972 (Blauer Engel); Hillgruber, in: JZ 1997, S. 977 f. 2524 s. dazu ausfuhrlich oben sub II 3 bb. 2525 Isensee, in: HdDStR, V, § 111, § 111, Rd. 93. 2520

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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rechte, während das Abwehrrecht unmittelbar einklagbare subjektiv-rechtliche Ansprüche begründet, die sich auf das Unterlassen der öffentlichen Gewalt richten 2526 . Dagegen stützt sich die objektiv-rechtliche Schutzpflicht auf das positive Tun der öffentlichen Gewalt. Sie muß nicht wie im Abwehrrecht etwas unterlassen, sondern sie muß tätig werden bzw. handeln 2527 . Der letzte Punkt verbindet die grundrechtliche Schutzpflicht mit dem positiven Leistungsrecht. Das bezieht sich auch auf das positive Tun des Staates (status positivus) 2528 , es begründet aber vielmehr einen Anspruch auf (materielle) Leistung (ζ. B. Recht auf Arbeit, auf Wohnung, auf soziale Versicherung, auf Studienplatz usw.) 2 5 2 9 durch Verteilung der Lebensgüter i m Gegensatz zur grundrechtlichen Schutz-

2526 y g j z u r Problemstellung des Verhältnisses zwischen subjektivem Abwehrrecht und objektiv-rechtlicher Schutzpflicht Alexy, in: Der Staat 1990, S. 49 ff.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 8; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 133 ff. 2527 Stern, Staatsrecht III/l, S. 945; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1633, 1639; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 1 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410; H.-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 235; Dreier, in: Jura 1994, S. 512; ders., Grundgesetz, Vorb, Rd. 62; Hesse, Grundzüge, Rd. 350; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 34 f , der zusätzlich bemerkt, daß der Staat nach der Erfüllung einer Schutzpflicht die Bürger nicht nur "in Ruhe lassen" soll, er soll darüber hinaus "für Ruhe sorgen". 2528 Daß die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates auch zum status positivus gehört, vgl. auch bei Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 132; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410; a. A. Dürig, in: MD, Art. 1 Abs. 1, Rd. 3. 2529 Das GG und die h. M. sind in diesem Bereich der sog. sozialen Leistungsgrundrechte sehr zurückhaltend. Abgesehen von der expressis verbis Niederlegung eines Anspruchs für jede Mutter auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft in Art. 6 IV GG, sind aus den Grundrechten und immer in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot nur das Recht auf einen Studienplatz (Art. 12 I GG i. V. m. Art. 3 I GG) - so BVerfGE 33, 303, 332 f. (Numerus clausus) - und das Recht auf das Existenzminimum (Art. 1 I 1 GG) - vgl. BVerfGE 40, 121, 133; 45, 187, 228 (lebenslängliche Freiheitsstrafe I); 82, 60, 85 (Existenzminimum); BVerwGE 82, 364, 367 f.; BSGE 57, 59, 63 f. - abgeleitet worden. Für letzteres gilt nach Art. 1 I 2 GG auch eine staatliche Schutzpflicht; vgl. ferner zur Problematik einer Ableitung von Leistungs-, Teilhabe- oder Förderungsrechten aus Art. 6 I, 5 III, 7 IV GG oben die Fn. 2424 sowie BVerfGE 35, 79, 112, 114 ff. (Hochschulen); Stern, Staatsrecht III/l, S. 934 ff; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 94; vgl. aber die Apostrophierung des Verfassungsgerichts in BVerfGE 85, 191, 213 (Nachtbackverbot für Frauen), daß, soweit einzelne Gruppen von Arbeitnehmern besonders schutzbedürftig seien, sich aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte die Pflicht zu weitergehender gesetzgeberischer Vorsorge ergeben könne. Ob das Gericht hier aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte die Begründung subjektiver öffentlicher Leistungs(grund)rechte ableiten will, erscheint zweifelhaft. Man muß hier aber hervorheben, daß die Realisierung der sozialen Grundrechte nur unter dem Vorbehalt des tatsächlich Möglichen geschehen kann - vgl. auch BVerfGE 33, 303, 333 (Numerus clausus); Jarass, in: AÖR 1985, S. 389; ders, in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 7; Badura, in: DÖV 1989, S. 495; Murswiek, in: HdDStR, V, § 112, Rd. 57 ff.; Manssen, Staatsrecht I, Rd. 63; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Vorb, Rd. 42; H. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 497, der in einer zutreffenden und überzeugenden Art seine Bedenken gegen die grundsätzliche Ableitung subjektiver sozialer Grundrechte aus der Verfassung darstellt; genauso Dreier, a. a. O , Rd. 51.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

pflicht, die vorhandene (Grund-)Rechtsgüter zu wahren hat 2 5 3 0 . U m das Grundrecht der freien Religionsausübung oder der Berufsfreiheit zu schützen, muß der Staat nicht neue Kirchen, Moscheen, Synagogen usw. bauen bzw. neue Arbeitsplätze schaffen. Anders würde es sich verhalten, wenn die Rechtsordnung ein solches subjektives (Leistungs-)Recht anerkennen würde. Dann würde es sich um die Befriedigung des Leistungsrechts und nicht die Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht handeln 2531 .

bb) Von der objektivrechtlichen Schutzpflicht zu dem subjektivrechtlichen Recht auf Schutz Wird das Grundrecht bedroht, muß die öffentliche Gewalt tätig werden, um die aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte abgeleitete Schutzpflicht auszuüben. Tut sie das nicht oder tut sie das nicht ausreichend, verletzt sie diese objektiv-rechtliche Schutzpflicht 2532 und eröffnet den Rechtsweg für

2530

So Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 144; vgl. auch Pietrzak, in: JuS 1994, S. 749; Manssen, Staatsrecht I, Rd. 63; den Unterschied verkennen aber Kopp, in: NJW 1994, S. 1754, und Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 421. 2531 Vgl. auch E. Klein, in: NJW 1989, S. 1634, und seine Darlegung auf S. 1639, nach der die grundrechtliche Schutzpflicht zwar durch "Leistung" erfüllt werden soll, man sich aber dabei freilich des grundsätzlichen Unterschieds zu wirtschaftlichen und sozialen Leistungsrechten bewußt sein müsse; weiterhin Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 118 f.; Manssen, Staatsrecht I, Rd. 62; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Vorb., Rd. 62; vgl. aber die Gegenmeinung eines Teils der Literatur, die die Schutzpflichten mit dem Sozialstaatsprinzip und den sozialen Leistungs- oder Teilhaberechten verbindet, bei Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 66; hingegen lehnt Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 132 f., irgendwelche Verbindung der grundrechtlichen Schutzpflicht mit dem Staatsziel der Sozialstaatlichkeit kategorisch ab. Man muß hier folgendes bemerken, um Mißverständnisse aufzulösen: Die Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates gehört, wie dargelegt, zum status positivus wie auch die subjektiven sozialen Leistungsgrundrechte und das objektiv-rechtliche Sozialstaatsprinzip. Man muß einräumen, daß die Schutzpflicht doch Ähnlichkeiten mit dem Sozialstaatsprinzip zeigt, denn beide sind objektiv-rechtlicher Natur und die Rechte, die sie begründen, bedürfen im Grunde genommen der Konkretisierung des Gesetzes - zur gesetzgeberischen Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips vgl. Neumann, in: DVB1. 1997, S. 92 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Die Schutzpflicht geht zwar weiter als das Sozialstaatsprinzip, weil sie u. U. justiziable Schutzansprüche auch gegen den Gesetzgeber auf Wahrung der Grundrechte ableitet (vgl. auch unten sub bb), während das Sozialstaatsprinzip eine objektiv-rechtliche Verpflichtung für den Gesetzgeber auf Verteilung der materiellen Lebensgüter beinhaltet. Die Schutzpflicht des Staates geht aber nicht so weit wie die subjektiven Leistungs- und Teilhaberechte, daß sie ein justiziables Leistungsrecht begründen (vgl. dazu auch unten sub 3 e aa). Trotz der Ähnlichkeiten mit den beiden Rechtsfiguren, ist die grundrechtliche Schutzpflicht ein aliud im Vergleich zu ihnen. 2532

So Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 5; Oldiges, in: FS Friauf, S. 302.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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die Geltendmachung eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf Schutz 2533 des jeweiligen Grundrechts, der auch durch die Verfassungsbeschwerde verfolgt werden kann 2 5 3 4 . Eine solche Verfassungsbeschwerde kann nach den Worten des BVerfG Erfolg haben, wenn der Gesetzgeber die genannte Pflicht evident verletzt hat 2 5 3 5 . Das ist der Fall, wie sich bereits gezeigt hat, "wenn die öffentli2533

So Badura, in: FS Eichenberger, S. 491 f., der die Ableitung des subjektiven Rechts auf Schutz mit der Verletzung der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht verbindet; im Ergebnis auch für ein subjektives Recht auf Schutz E. Klein, in: NJW 1989, S. 1638 f.; Hermes, in: NJW 1990, S. 1765; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 177 ff.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 8, 92, 183 ff. (mit weiteren Hinweisen auf die pro und contra Meinung); Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 152 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 415 ff, 421 ff.; ders., in: Der Staat 1990, S. 62 ff.; Η. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 493; Hesse, Grundzüge, Rd. 350; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1990; Erichsen, in: Jura 1997, S. 89; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 752, spricht von "Anspruch auf Schutz"; zurückhaltend Herdegen, in: Heckmann/Meßerschmidt (Hg.): Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, S. 178; skeptisch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 184; gegen die Ableitung subjektiver Rechte aus der objektivrechtlichen Schutzpflicht plädieren u. a. Stober, Grundrechtsschutz, S. 10; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 39 f. 2534 So auch BVerfGE 77, 170, 214 (C-Waffen); 79, 174, 201 f. (Straßenlärm); 81, 242, 260 ff. (Handelsvertreter); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 3085 (Edelfosin); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 976; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1637 f.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 92.; Η. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 493; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 752; Hesse, Grundzüge, Rd. 350; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1990; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88; skeptisch dagegen Eschenbach/Niebaum, in: NVwZ 1994, S. 1081 f. 2535 Vgl. BVerfGE 56, 54, 80 (Fluglärm), das darlegt, daß das BVerfG im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde erst dann eingreifen könne, wenn der Gesetzgeber die genannte Pflicht evident verletzt habe. Das Wort "eingreifen" sollte man als Annahme der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde verstehen, die sogar nicht im Falle einer schlichten, sondern nur einer evidenten Verletzung der Schutzpflicht Erfolg haben könne - so zutreffend Steinberg, in: NJW 1996, S. 1990; vgl. weiter BVerfGE 77, 170, 214 (C-Waffen); 79, 174, 201 f. (Straßenlärm); 81, 242, 260 ff. (Handelsvertreter); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1983, S. 2932; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon); vgl. auch BVerfGE 46, 160, 164 f. (Schleyer), wo es um einen Antrag auf einstweilige Anordnung ging; vgl. weiter Badura, in: FS Eichenberger, S. 491 f.; Jarass, in: AOR 1985, S. 380; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1636; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 71; Oeter, in: AÖR 1994, S. 538; Hesse, Grundzüge, Rd. 350; ferner Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410 ff.; ders., in: Der Staat 1990, S. 62 ff., und seine Ausführung über die primafacie und definitive Schutzrechte. Das "Eingreifen" des BVerfG sollte, wenn man Alexy, in: Der Staat, a. a. Ο., folgen will, erst dann stattfinden, wenn die öffentliche Gewalt dem "definitiv gesollten" Schutz des betroffenen Grundrechtsguts nicht genug Rechnung getragen hat; vgl. aber BVerfGE 88, 203, 262 f. (Abtreibung II), das auf das CWaffen-Urteil hinweist und diese Bedingungen als Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Verfassungsbeschwerde nennt. Wenn tatsächlich das gemeint sein sollte - was fragwürdig erscheint (vgl. die in dieser Fn. dargestellten Hinweise) -, kann man sich ihm nicht anschließen. Eine Erläuterung der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur in dieser Frage versuchen Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 112 ff., jedoch oh-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

che Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen" 2536 . Infolgedessen wird die objektiv-rechtliche Schutzpflicht, deren Träger die öffentliche Gewalt ist, in ein subjektives Recht auf Schutz erweitert 2537 , dessen Träger der Grundrechtsträger und Adressat die öffentliche Gewalt nach Art. 1 I I I GG ist und dessen Inhalt sich nicht weiter als die Tragweite des Tatbestandes der objektiv-rechtlichen Staatsaufgabe Schutzpflicht erstreckt 2538 .

d) Tatbestand der Schutzpflicht aa) Gegenstand Damit man den Inhalt (anders den Tatbestand oder den sachlichen Anwendungsbereich) der grundrechtlichen Schutzpflicht genau festlegt, muß man auch ihren Gegenstand bestimmen. Das Gericht hat bisher eine staatliche Schutzpflicht, besonders für die Grundrechte, aus Art. 2 I I 1 GG angenommen. Wie bereits dargelegt wurde, muß man mit dem Zweitregister-Urteil des BVerfG davon ausgehen, daß jedes Grundrecht - die Gleichheitsrechte eingeschlossen 2539 - Gegenstand der Schutzpflicht des Staates ist 2 5 4 0 , soweit seine

ne Berücksichtigung des Abtreibung Il-Urteils, und H. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 495, indes unter seiner Berücksichtigung. Beide lassen Fragen offen. 2536 BVerfGE 56, 54, 81 (Fluglärm); 77, 170, 215 (C-Waffen); 79, 174, 202 (Straßenlärm); 85, 191, 212 (Nachtbackverbot für Frauen); 92, 26, 46 (Zweitregister); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 2509 (Trafo-Station); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 3085 (Edelfosin); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 976; zustimmend Hesse, Grundzüge, Rd. 350; Erichsen, in: Jura 1997, S. 89. 2537 Den Begriff "erweitert" benutzt zutreffend Herdegen, in: Heckmann/Meßerschmidt (Hg.): Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, S. 178. Dieser Begriff entspricht besser dieser Rechtskonstruktion als der Begriff "Umwandlung" oder "Transformation" der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht in ein subjektives Recht; vgl. weiter zur Rechtsfigur der Subjektivierung der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 8; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 144 ff. 2538 So Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 184; zustimmend H. H Klein, in: DVB1. 1994, S. 495. 2539 Vgl. BVerfGE 89, 276, 286 (§611 a BGB); Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 104 f , 106 ff.; zu weit Heun, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 3, Rd. 58; ferner BVerfGE 88, 203, 260 (Abtreibung II); Erichsen, in: Jura 1997, S. 87, aber nur begrenzt auf die spezifischen Formen des Art. 3 II, III GG; a. Α. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 96; ihm zustimmend Hillgruber, in: ZRP 1995, S. 7. Als die Realisierung der staatlichen Schutzpflicht für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen nach Art. 3 II GG in der Arbeitswelt können §§ 611 a, 611 b, 612 III BGB betrachtet werden - so auch Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 204 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Ausübung bedroht, gefährdet oder beeinträchtigt werden kann. Das bedeutet, daß die Frage bezüglich des Objekts der Schutzpflicht definitiv beantwortet ist.

bb) Inhalt - die Frage nach dem "Wann" und dem "Wie" Die Frage, die nun aufgeworfen wird und unmittelbar mit dem Inhalt der grundrechtlichen Schutzpflicht zusammenhängt, ist die Frage nach dem "Wann" und "Wie" der Erfüllung dieser Schutzpflicht; und da bleiben einige Teilfragen noch offen. Die Rechtsprechung des BVerfG, wenngleich häufig zurückhaltend 2541 und manchmal schwankend in dieser Frage, bietet zögernd einige Richtlinien 2 5 4 2 an. Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates lebt auf, wenn das jeweilige grundrechtliche Schutzgut von Dritten 2 5 4 3 beeinträchtigt bzw. gefährdet wird 2 5 4 4 . Solch ein Dritter ist nicht der Staat 2545 , der Adressat der 2540

So auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 937; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 86, 93; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410; Kopp, in: NJW 1994, S. 1754 f.; Η Η Klein, in: DVB1. 1994, S. 491; Oldiges, in: FS Friauf, S. 300; Erichsen, in: Jura 1997, S. 86; in diese Richtung auch Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 74 ff.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 244; vgl. auch zu diesem Ergebnis Canaris , in: AcP 1984, S. 226, aber mit verschiedener Begründung - vgl. weitere Beispiele aus der Rechtsprechung des BVerfG oben sub a aa. 2541 Das Gericht im BVerfG (Dreierkammer) NJW 1983, S. 2932, bezeichnet die Frage als "höchst komplex", wie eine positive Schutz- und Handlungspflicht durch aktive gesetzgeberische Maßnahmen zu erfüllen sei; genauso BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon); vgl. auch BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter); 92, 26, 46 (Zweitregister), wonach bestimmte Anforderungen an die Art und das Maß des Schutzes sich der Verfassung grundsätzlich nicht entnehmen ließen; vgl. auch die Nachweise oben sub b aa γ über die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; vgl. auch zu dieser Bewertung der Rechtsprechung des BVerfG Jarass, in: AÖR 1985, S. 380. 2542 Vgl. wieder BVerfGE 92, 26, 46 (Zweitregister), wonach das GG für die Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates nur den Rahmen, nicht aber bestimmte Lösungen vorgebe. 2543 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 523; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1574; ders, in: HdDStR, V, § 109, Rd. 60; Stober, Grundrechtsschutz, S. 10; Pietzcker, in: FS Dürig, S. 356; Haverkate, Verfassungslehre, S. 217; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 97; H.-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 239 f.; Η Η. Klein, in: DVB1. 1994, S. 490; W Roth, Faktische Eingriffe, S. 243; Jarass, in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 8; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Vorb, Rd. 62; Oldiges, in: FS Friauf, S. 301; Erichsen, in: Jura 1997, S. 87. 2544 Das hat zu bedeuten, daß grundsätzlich das Handeln der Dritten nicht dem Staat im Sinne der Auslösung des Abwehrrechts für den in seinem Grundrecht beeinträchtigten Grundrechtsträger zuzurechnen ist - vgl. dazu BVerfGE 49, 89, 140 ff. (Kalkar I); F. Kirchhof Private Rechtsetzung, S. 522 f. Die staatliche Mitverantwortung beginnt erst mit der Auslösung der grundrechtlichen Schutzpflicht - vgl. dazu BVerfGE 53, 30, 58 (Mülheim-Kärlich); 81, 242, 253 ff. (Handelsvertreter); kritisch zum Begriff "Mitverantwortung" des BVerfG Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 116; vgl. auch seine Ausführung bei Rd. 117.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Schutzpflicht ist, und nach h. M . auch nicht der Grundrechtsträger 2546 , der der Berechtigte der Schutzpflicht ist 2 5 4 7 2 5 4 8 . Es können auf jeden Fall Private (natürliche Personen - als einzelne oder in einer Gruppe agierend - oder juristische Personen 2549 ) sein, selbst wenn sie nur mittelbar das zu schützende Rechtsgut beeinträchtigen können 2 5 5 0 . Umstritten ist, ob darüber hinaus auch andere Staaten "Dritte" in diesem Sinne sein können 2 5 5 1 . Die Privaten müssen nicht unbe-

Eine andere Frage stellt sich aber, wenn der Staat (Gesetzgeber oder Verwaltung) die Grundrechtsbeeinträchtigung oder -gefährdung seitens der Privaten durch einen Akt erlaubt oder genehmigt. Dann geht es zunächst um einen (unmittelbaren oder mittelbaren) staatlichen Grundrechtseingriff, der aber ggf. das Schutzrecht auslösen kann - vgl. dazu unten sub 3 c aa, d bb ß; dagegen Pietzcker, in: FS Dürig, S. 357, Haverkate, Verfassungslehre, S. 217, und H H Klein, in: DVB1. 1994, S. 496, sehen im letzten Fall nur das Abwehrrecht ausgelöst; vgl. auch in diese Richtung Jarass, in: AÖR 1985, S. 381 f.; in der Antipode F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 523, 525 f., der nur von einer Schutzpflicht ausgeht. 2545 Das ist auch eine Diskrepanz zwischen Abwehrrecht und grundrechtlicher Schutzpflicht. Der Eingriff in das Grundrecht und ggf. seine Bedrohung oder Gefährdung seitens des Staates lösen das Abwehrrecht nach Art. 1 III GG in Verbindung mit der jeweiligen Grundrechtsnorm und nicht die Schutzpflicht gegen den Staat aus - so Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 1 ff., 89, 116; vgl. ähnlich Hermes, Das Grundrecht auf Schutz, S. 37; Stern, Staatsrecht III/l, S. 945 f.; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1633; Hesse, Grundzüge, Rd. 350. Damit wird klar, daß die das Grundrecht bedrohenden Personen außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 1 III GG liegen müssen; a. Α. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 92; v. Münch, in: JuS 1997, S. 249. 2546 So Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 219 f.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 89, 113 f.; Adomeit, in: NJW 1994, S. 2467 ff.; dazu tendiert auch Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 37; ders., in: NJW 1990, S. 1766; a. A. Singer, in: JZ 1995, S. 1140 f.; ferner BVerwGE 64, 274, 278 (Peep-Show I) unter dem Gesichtspunkt der Unzulässigkeit des Grundrechtsverzichts. 2547 Die Annahme einer solchen Position bedeutet, daß nach dieser h. M. die Rechtsordnung keine staatliche Pflicht auf Schutz vor sich selbst anerkennt. 2548 Schematisch kann man das Verhältnis der Betroffenen in der Schutzpflichtproblematik in einem "Rechts-Dreieck" - Grundrechtsgeschützter (Grundrechtsträger), Grundrechtsbeeinträchtiger (ein Dritter), Grundrechtsschützer (die öffentliche Gewalt nach Art. 1 III GG) - darstellen. So Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 34; Stern, Staatsrecht III/l, S. 948; H.-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 241; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 748; Manssen, Staatsrecht I, Rd. 57; kritisch dazu Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 36. 2549 So auch Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 37; Hesse, Grundzüge, Rd. 350, spricht von "Mächten"; vgl. auch BVerfGE 93, 1, 16 (Kruzifix), wonach das Grundrecht der Religions- und Glaubensfreiheit aus Art. 4 I GG neben dem einzelnen auch religiöse Gemeinschaften bedrohen oder beeinträchtigen können. 2550 Vgl. BVerfGE 88, 203, 253, 296 (Abtreibung II). 2551 Bejahend Hermes, Das Grundrecht auf Schutz, S. 37; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1633; Elbing, Zur Anwendbarkeit, S. 103; H. H Klein, in: DVB1. 1994, S. 490; Manssen, Staatsrecht I, Rd. 53; Hesse, Grundzüge, Rd. 350; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 224; ablehnend BVerfGE 66, 39, 61 f. (NATO-Nachrüstung); 77, 170, 213 ff. (C-Waffen); Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 89, 120 f.; Erichsen, in: Jura 1997, S. 85; weniger kategorisch BVerfGE 92, 26, 47 (Zweitregister); unklar noch

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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dingt in Deutschland ansässig sein. Es reicht aus, daß sie i m oder vom Ausland her das grundrechtliche Rechtsgut eines Grundrechtsträgers nach dem GG beeinträchtigen bzw. gefährden können. Der Eingriff seitens des Dritten braucht nicht rechtswidrig i m Sinne des Verstoßes gegen das einfache Recht (Gesetz, Rechtsverordnung usw.) zu sein 2 5 5 2 , sondern er muß vielmehr die Ausübung eines Grundrechts beeinträchtigen, bedrohen oder gefährden 2553 . Die Intensität der konkreten Bedrohung 2554 , das Ausmaß der Gefahr sowie der Grad der Betroffenheit allgemeiner Interessen bestimmen auch das "Wann" und "Wie" der Erfüllung der Schutzpflicht 2555 . Auch das "Wie" des Genügens der staatlichen Verpflichtung, die Grundrechte zu schützen, wird aus ihrem objektivrechtlichen Gehalt geschlossen 2556 . Die grundrechtliche Schutzpflicht ist nach den Worten des Gerichts umfassend 2557 und "muß um so ernster genommen werden, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsguts innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes anzusetzen ist" 2 5 5 8 . Entscheidend für den Ein-

in BVerfGE 53, 30, 57 (Mülheim-Kärlich); 56, 54, 73 (Fluglärm); 57, 250, 285 (Spionage), wo nur von "anderen" gesprochen wird; genauso BVerwGE 82, 76, 83 (Jugendsekte); vgl. aber BVerfGE 6, 290, 299; 41, 126, 182 (OstVerträge); 55, 349, 364 (Hess). Aus der Darlegung dieser Rechtsprechung wird klar, daß das BVerfG die Schutzpflicht gegenüber auswärtigen Staaten nur im Rahmen des diplomatischen Schutzes deutscher Staatsangehöriger vollzieht. 2552 So Isensee, in HdDStR, V, § 111, Rd. 100. 2553 So auch Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 48; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1636; Erichsen, in: Jura 1997, S. 87; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 89, 97, 99, 103, der aber die Rechtswidrigkeit des Eingriffs seitens der Dritten zu eng mit dem Neminem-laedere-Gebot begründet; sich ihm anschließend H. H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 491; zu eng Oldiges, in: FS Friauf, S. 306; vgl. aber BVerfGE 39, 1, 42 (Abtreibung I); 88, 203, 251 (Abtreibung II), wonach "die Schutzpflicht... dem Staat... gebietet.., vor allem, es (seil, das werdende Leben) auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren"; genauso BVerfGE 46, 160, 164 (Schleyer); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon); BVerfGE (Dreierkammer) NVwZ 1997, S. 158 (KKW-Obrigheim); in den BVerfGE 53, 30, 57 (Mülheim-Kärlich); 56, 54, 73 (Fluglärm); 57, 250, 285 (Spionage) ist das Gericht vorsichtiger, indem es darlegt, daß die staatlichen Organe die Pflicht haben, Leben und körperliche Unversehrtheit insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. 2554 Unerhebliche Belästigungen oder bagatellisierte Eingriffe werden nicht anerkannt - so auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 89, 107. 2555 Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 87. 2556 BVerfGE 39, 1, 41 f. (Abtreibung I). 2557 BVerfGE 39, 1, 42 (Abtreibung I); 46, 160, 164 (Schleyer); 57, 250, 285 (Spionage). 2558 BVerfGE 39, 1, 42 (Abtreibung I); vgl. auch BVerfGE 46, 160, 164 (Schleyer); 49, 89, 142 (Kalkar I); 56, 54, 78 (Fluglärm); Canaris , in: JuS 1989, S. 163; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1634; Pietzcker, in: FS Dürig, S. 357, 362; Hager, in: JZ 1994, S. 378; vgl. auch S. 81 im sog. Fluglärm-Urteil, a. a. Ο , wonach die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter die Kontrolldichte des BVerfG nach der verfassungsrechtlichen Prüfung bezüglich der Beachtung der Schutzpflicht durch die öffentliche Gewalt be-

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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griff der öffentlichen Gewalt ist nicht unbedingt, daß die Schutzgüter beeinträchtigt werden oder worden sind (repressiver Rechtsschutz) oder daß sie bloß bedroht oder gefährdet werden, sondern daß sie beeinträchtigt, bedroht oder gefährdet werden können (präventiver Rechtsschutz)2559. Ausschlaggebend ist m. a. W., daß die Gefahr für das zu schützende Rechtsgut irgendwann auftreten kann 2 5 6 0 - in diesem Sinne gilt hier die Redensart "vorbeugen ist besser als heilen" 2 5 6 1 . Demgemäß ergibt sich aus dieser Schutzpflicht auch das Gebot für die öffentliche Gewalt, rechtliche Regelungen so auszugestalten, daß die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt 2562 . Das schließt nicht aus, daß die öffentliche Gewalt bzw. der Gesetzgeber dazu Verbots- oder Gebotsnormen des Zivil-, Verwaltungs-, Polizei-, Sozial- 2563 , Verfahrens- 2564 , Prozeß-, Ordnungswidrigkeits- und sogar des Strafrechts 2565 einsetzt, welche Handlungsoder Unterlassungspflichten auferlegen 2566. Sämtliche Normen des StGB, die die Delikte gegen grundrechtliche Schutzgüter wie das Leben, die körperliche Unversehrtheit, das Eigentum, die persönliche Ehre usw. mit Strafe bedrohen,

stimmt. Bezüglich des Ranges des betroffenen Rechtsgutes in der grundgesetzlichen Wertordnung gilt mutatis mutandis, was bereits über die Grundrechtskollisionen dargelegt wurde (s. oben V 2 a cc) und was unten sub d dargelegt werden wird. 2559 Zu einem präventiven Rechtsschutz vgl. BVerfGE 88, 203, 261 (Abtreibung II); Stern, Staatsrecht III/l, S. 950; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 137; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 70 f.; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 749 f.; vgl. auch E. Klein, in: NJW 1989, S. 1637, mit der zutreffenden Bemerkung, daß "bei potentiellen, drohenden Eingriffen in Grundrechtsgüter (Grundrechtsgefährdungen) durch Dritte die Schutzpflicht" erfordert, "daß die zuständigen Organe die Gefährdungsrealisierung verhindern"; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 93, setzen darüber hinaus die Irreparabilität und die Unbeherrschbarkeit der aus der Grundrechtsgefährdung entwickelten Grundrechtsverletzung voraus; vgl. dazu auch Jarass, in: J/P, Vorb. vor Art. 1, Rd. 8. 2560 ygj dazu Stern, Staatsrecht III/l, S. 1575, der den Rechtsgüterschutz als absolut, "d. h. unabhängig von Angriffssubjekt und Angriffsrichtung" bezeichnet. 2561 So auch BVerfGE 39, 1, 44 (Abtreibung I) unter Hinweis auf BVerfGE 30, 336, 350 (FKK-Bilder). 2562 BVerfGE 49, 89, 142 (Kalkar I); 56, 54, 78 (Fluglärm). Dieses Gebot richtet sich eher an die Exekutive und Judikative, wenn sie das einfache Recht auszulegen und anzuwenden haben; zustimmend auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 942. 2563 V g l BVerfGE 88, 203, 264 ff. (Abtreibung II). 2564

Vgl. BVerfGE 49, 89, 142 f. (Kalkar I); 53, 30, 59 (Mülheim-Kärlich). z u r Problematik der Ausübung der grundrechtlichen Schutzpflicht durch das Mittel des Strafrechts einerseits BVerfGE 39, 1, 45 ff. (Abtreibung I); 88, 203, 255 ff. (Abtreibung II), und andererseits die abweichende Meinung im Sondervotum der Richterin Rupp-v. Brünneck und des Richters Simon im BVerfGE 39, 1, 68 ff. Das Sondervotum hat die Meinung der Senatsmehrheit nicht in bezug auf das "Ob" der staatlichen Schutzpflicht, sondern in bezug auf ihr "Wie" in Frage gestellt - so auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 379. 2566 BVerfGE 88, 203, 252 (Abtreibung II); vgl. auch Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 38 f.; ders., in: NJW 1990, S. 1765; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 139; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410. 2565 y g ]

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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sowie auch sämtliche Normen des Polizeirechts und das Deliktsrecht des BGB (vgl. §§ 823, 826 i. V. m. § 1004) sind nichts anderes als die staatliche bzw. gesetzgeberische Ausübung der grundrechtlichen Schutzpflicht 2567 . Entscheidend für die Einsetzung der betroffenen Mittel ist nicht ihre rechtliche Natur 2 5 6 8 , sondern die Frage, wie nah die Gefahr bzw. die Bedrohung für das zu schützende Rechtsgut und in welchem Ausmaß sie möglich sind 2 5 6 9 sowie ob sie (die Mittel) einen der Bedeutung des zu sichernden Rechtsguts entsprechenden tatsächlichen Schutz gewährleisten 2570 . Die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht kann nicht nur überhaupt durch das Treffen von (Schutz-)Maßnahmen, sondern auch durch die Nachbesserung der ursprünglich getroffenen erfolgen 2571 . Aber auch Nachbesserungsmaßnahmen sind wie jede Schutzvorkehrung und maßnahme zu beanstanden, wenn sie offensichtlich fehlsam 2572 oder in anderer Formulierung "gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich" 2573 sind 2 5 7 4 . Der Gesetzgeber erfüllt auch seine grundrechtliche Schutzpflicht, wenn er die Pri2567 ygi z u strafrechtlichen Normen BVerfGE 39, 1, 46 (Abtreibung I), und zu deliktsrechtlichen Canaris , in: AcP 1984, S. 229 ff.; Isensee, in: HdDStR, V, §111, Rd. 128 f.; Hager, in: JZ 1994, S. 378 f.; Oldiges, in: FS Friauf, S. 302; vgl. auch oben sub II 2 a aa γ. 2568

Schutzmaßnahmen können nicht nur normativer, sondern auch tatsächlicher Art sein - so BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon); auch BVerfGE 46, 160, 164 (Schleyer). 2569 Vgl. BVerfGE 49, 89, 142 (Kalkar I); bestätigt durch BVerfGE 53, 30, 57 (Mülheim-Kärlich); 56, 54, 78 (Fluglärm); zustimmend auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 942 f. 2570 BVerfGE 39, 1, 46 f. (Abtreibung I); 46, 160, 164 (Schleyer); 56, 54, 80 f. (Fluglärm); zustimmend Hager, in: JZ 1994, S. 378. 2571 So BVerfGE 56, 54, 78 f. (Fluglärm) mit weiteren Hinweisen auf die ältere Judikatur des Gerichts, nach der der Gesetzgeber verpflichtet sein könne, eine ursprünglich als verfassungsmäßig angesehene Regelung im Wege der Nachbesserung neu zu gestalten; 88, 203, 309 ff. (Abtreibung II); vgl. auch Badura, in: FS Eichenberger, S. 482 f.; Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 39; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1638; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 155; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88. 2572 BVerfGE 56, 54, 81 (Fluglärm). 2573 BVerfGE 77, 170, 215 (C-Waffen); 79, 174, 202 (Straßenlärm); 85, 191, 212 (Nachtbackverbot für Frauen); 92, 26, 46 (Zweitregister); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 3085 (Edelfosin). 2574 Ygi a b e r BVerfGE 88, 203, 254 f. (Abtreibung II), das für den Gesetzgeber "strenger" wird, indem es erkennt, daß die Schutzvorkehrungen nicht einer beliebigen Art sein dürfen, und diese Meinung konkreter mit dem Abwägungsgebot begründet. Auf den S. 262 f. des betroffenen Urteils erstreckt das Gericht (2. Senat) die verfassungsrechtliche Prüfung darauf, "ob der Gesetzgeber" bestimmte "Faktoren ausreichend berücksichtigt und seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat", und distanziert sich sogar von dem C-Waffen-Urteil des 2. Senats - BVerfGE 77, 170, 214 f. -, wobei es die dort dargelegten Ausführungen entgegen ihrem Wortlaut interpretiert hat; vgl. auch die Ausführung Η. H. Kleins, in: DVB1. 1994, S. 495; wie im C-Waffen-Urteil der 1. Senat im BVerfGE 92, 26, 46 (Zweitregister), das aber genauso auf die beiden vorhergenannten Urteile hinweist.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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vatautonomie so ausgestaltet, daß in den privatrechtlichen Beziehungen Selbstund nicht Fremdbestimmung herrscht 2575 .

e) Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates und Grundrechtskollisionen Fragwürdig sieht die Lage in einer Grundrechtskollision aus. Daraus ergibt sich die Frage, für welche der kollidierenden Grundrechtspositionen die staatliche Pflicht besteht, vor der (übergreifenden) Ausübung des anderen Grundrechts zu schützen. Es wurde bereits ausgeführt, daß es die Aufgabe der öffentlichen Gewalt ist, die Grundrechtskollisionen zu lösen, wenn sie vermeiden will, daß die Rechtsordnung gelähmt bzw. durch die Willkür der Betroffenen aufgelöst wird 2 5 7 6 . Es wurde auch ausführlich dargelegt, nach welchen Prinzipien und Maßgaben sie dies tun kann bzw. muß 2 5 7 7 . Das Genügen einer grundrechtlichen Schutzpflicht kommt darüber hinaus als Kollisionslösungskriterium in Betracht. Wenn es sich um die sog. Scheinkollisionen handelt, d. h. das Handeln der einen Seite der Kollision fällt nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts, gerade weil es gegen die Ausübung des Grundrechts des anderen oder die grundgesetzliche Wertordnung verstößt, ist die Situation unproblematisch. Es besteht eine Pflicht für die öffentliche Gewalt, das bedrohte Grund2575

So BVerfGE 81, 242, 254 f. (Handelsvertreter); 85, 191, 213 (Nachtbackverbot für Frauen), dessen Darlegung besonders interessant ist: "Ein besonderer gesetzlicher Schutz ist nicht deswegen entbehrlich, weil Nachtarbeit durchweg aufgrund freiwillig getroffener Vereinbarungen verrichtet wird. Das dem Vertragsrecht zugrundeliegende Prinzip der Privatautonomie kann hinreichenden Schutz nur gewährleisten, soweit die Bedingungen freier Selbsbestimmung gegeben sind. Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten". Daraus ergibt sich, daß das Gericht bei einem fehlenden Kräftegleichgewicht der beteiligten Parteien eines Vertragsabschlusses (Fremdbestimmung) den sog. "Schutz vor sich selbst", der in der Tat nichts anderes als der Schutz der schwächeren Vertragspartei vor der stärkeren ist, als ausgelöste grundrechtliche Schutzpflicht des Staates ansieht; andeutend in diese Richtung Classen , in: AÖR 1997, S. 75 ff.; vgl. auch BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 381; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. zu dieser These bereits vor der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Canaris , in: AcP 1984, S. 225 ff.; ders., in: JuS 1989, S. 163; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1640; Pietzcker, in: FS Dürig, S. 362 f. und danach Canaris , in: AP Nr. 6 5 8 zu Art. 12; Wiedemann , in: JZ 1990, S. 697; ders., in: JZ 1994, S. 412; Hager, in: JZ 1994, S. 378 ff., 381 ff.; Singer, in: JZ 1995, S. 1138 ff.; Neu-

mann, in: DVB1. 1997, S. 98; im Prinzip und im Kern der Problematik wohl auch Hillgruber, in: AcP 1991, S. 75 f., 85; zu restriktiv Oldiges, in: FS Friauf, S. 304 f.; anders Schwabe, in: DVB1. 1990, S. 477 ff.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 131; ders., in: JZ 1996, S. 1089 f.; Medicus, in: AcP 1992, S. 62; Adomeit, in: NJW 1994, S. 2467 ff.; Eschenbach/Niebaum, in: NVwZ 1994, S. 1081; Zöllner, in: AcP 1996, S. 13 f., 25 ff. 2576 2577

s. oben sub V 2 a aa. s. oben sub V 2 a cc.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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recht zu schützen 2578 . Das Tätigwerden der öffentlichen Gewalt, das die Verwirklichung der Schutzpflicht bedeutet, stellt keinen Grundrechtseingriff dar 2 5 7 9 . Dagegen stellt das Nicht-Eingreifen der öffentlichen Gewalt, das gleichbedeutend mit dem Nicht-Genügen der Schutzpflicht ist, eine Verletzung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates dar und begründet ein subjektives Recht auf Schutz für den Berechtigten des staatlichen Schutzes 2580 . Schwieriger wird die Situation, wenn beide kollidierende Positionen grundrechtlich geschützt sind und der Beurteilungsspielraum der öffentlichen Gewalt zur Lösung der Kollision dadurch zunächst größer wird 2 5 8 1 . Selbst in einer solchen Konstellation wird auch die grundrechtliche Schutzpflicht aktiviert, wenn der eine Grundrechtsträger als "Störer" und der andere als "Opfer" 2 5 8 2 oder die Ausübung des einen Grundrechts "aktiv" und die andere als "passiv" erscheint. Infolgedessen besteht die Schutzpflicht dem "Opfer" gegenüber, deren Realisierung einen verfassungsrechtlich legitimierten Eingriff 2 5 8 3 in das "aktive"

2578 Vgl. ähnlich Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 176; Oldiges neigt in FS Friauf, S. 306, unter Hinweis auf Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 98 f., dazu, nur in einer solchen Konstellation die Auslösung der Schutzpflicht für die öffentliche Gewalt bzw. des Schutzrechts für den Grundrechtsträger anzunehmen. Eine Scheinkollision scheint das BVerfGE 39, 1, 43 ff. (Abtreibung I) zu erkennen und deswegen, nachdem es keinen Raum für den schonendsten und einen angemessenen Ausgleich nach einer Abwägung der kollidierenden Interessen erkannt hatte, hat es eine Schutzpflicht für das Recht auf Leben des Embryos bejaht, das von dem Willen der schwangeren Mutter, es abzutreiben, bedroht wird; im Prinzip bestätigt durch das BVerfGE 88, 203, 255 f. (Abtreibung II); vgl. aber anders die abweichende Meinung im Sondervotum der Richter Mahrenholz und Sommer im Abtreibung-II-Urteil E 88, 203, 338, 340 f.; vgl. weiter die Beispiele bei den Grundrechtskollisionen oben sub V 2 b. 2579 Vgl. auch Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 56. Im sog. Schleyer-Fall BVerfGE 46, 160, 164 f. - hätte das Eingreifen der Exekutive als solches, ζ. B. durch die GSG-9 Kommandos, das die staatliche Schutzpflicht für das Leben des entführten Arbeitgeberpräsidenten realisiert hätte, in kein Grundrecht der Terroristen eingegriffen, denn die grundgesetzliche (Wert-)Ordnung kennt kein "Grundrecht auf Entführung". 2580 ygj z u d i e s e r Konstruktion des Verhältnisses zwischen Grundrechtskollisionen und grundrechtlicher Schutzpflicht die Ausführung des BVerfGE 39, 1, 43 ff. (Abtreibung I), das aber nicht so weit gegangen ist, ein subjektives Recht auf Schutz zu begründen. 2581 Vgl. ebenso Jarass, in: AÖR 1985, S. 383; Stern, Staatsrecht III/l, S. 942; Canaris , in: JuS 1989, S. 163; Wahl/Masing, in: JZ 1990, S. 558, unter dem Gesichtspunkt der Unbestimmtheit und Unspezifität der grundrechtlichen Schutzpflicht; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 166. Der Beurteilungsspielraum betrifft hier das Ermessen bei der Gewichtung der kollidierenden Rechtsgüter. 2582 Y g j z u d i e s e m bipolaren Verhältnis Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 5; ders., in: AfP 1993, S. 626; Erichsen, in: Jura 1997, S. 85. 2583 Gerade die Realisierung der grundrechtlichen Schutzpflicht kann das Gewicht der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs vergrößern, indem der Eingriff nicht nur als verfassungsrechtlich hinnehmbar, sondern vielmehr als geboten gilt - vgl. dazu BVerfGE 87, 363, 386 (Nachtbackverbot III); BVerwGE 90, 112, 122 (Osho); ferner Jarass, in: AÖR 1985, S. 383; Herdegen, in: Heckmann/Meßerschmidt (Hg.): Ge-

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Grundrecht des "Störers 11 zur Folge hat 2 5 8 4 . In diesen Konstellationen greift der Staat in das Grundrecht des einen Grundrechtsträgers ein, um das Grundrecht eines anderen vor der "grundrechtsbedrohenden" oder "-gefährdenden" oder "-beeinträchtigenden" Grundrechtsausübung des ersteren zu schützen 2585 . Dann wird das Untermaßverbot als Prüfungsmaßstab für die Schutzpflicht 2586 und das Übermaßverbot als Prüfungsmaßstab für den (Abwehr-)Grundrechtseingriff 2587

genwartsfragen des öffentlichen Rechts, S. 177; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 154 f.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 87, 157; Manssen, Staatsrecht I, Rd. 58. 2584 So Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 170. Als Beispiel nennt Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 101, die Schutzpflicht für die Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit aus Art. 12 I GG vor dem Eingriff oder der Gefahr der Besetzung eines Betriebs oder der Zugangssperre. 2585 Zur Rechtsfigur des "Schutzes durch Eingriff' BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter); BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 5 ; vgl. auch F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 528; Rüfner, in: FS BVerfG, S. 455; Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 40; Canaris, in: JuS 1989, S. 163; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1637; Wahl/Masing, in: JZ 1990, S. 554 f.; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 166; Isensee, in: HDDStR, V, § 111, Rd. 5; H H. Klein, in: DVB1. 1994, S. 493 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 350; Classen , in: AÖR 1997, S. 76 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 224; vgl. auch BVerwGE 82, 76, 83 (Jugendsekte); 87, 37, 45 ff. (Diethylenglykolweine); BVerwG NVwZ 1994, S. 163. 2586 Wie das BVerfG das Untermaßverbot nachvollzieht, wird in BVerfGE 88, 203, 254 f. (Abtreibung II), dargelegt: Für das Beachten des Untermaßverbots "notwendig ist ein - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessener Schutz ... Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber trifft, müssen für einen angemessenen und wirksamen Schutz ausreichend sein und zudem auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen ... Soll das Untermaßverbot nicht verletzt werden, muß die Ausgestaltung des Schutzes durch die Rechtsordnung Mindestanforderungen entsprechen"; diese Darlegung wiederholt das Gericht in den BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon). 2587 So BVerfGE 88, 203, 254 (Abtreibung II), das darlegt: "Ihre (seil, der Schutzpflicht) Reichweite ist vielmehr im Blick auf die Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des zu schützenden Rechtsguts ... einerseits und der mit ihm kollidierenden Rechtsgüter andererseits zu bestimmen"; überdies Canaris , der erstmals den Begriff in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht hat, in: AcP 1984, S. 228; ders., in: JuS 1989, S. 163 f.; ders, in: AP Nr. 65 7 zu Art. 12; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 91, 119, 165, 208; vgl. auch ders, in: Ossenbühl (Hg.): Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 6 ff.: "Zusammenspiel von Abwehrrecht und Schutzpflicht"; ders, in: AfP 1993, S. 626; zustimmend Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 73; vgl. ferner Jarass, in: AÖR 1985, S. 383; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1637; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 150; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88; vgl. auch ähnlich, ohne diese Begriffe ausdrücklich zu benutzen, Wiedemann , in: JZ 1990, S. 696; Dirnberger, Recht auf Naturgenuß, S. 166; Oldiges, in: FS Friauf, S. 308; Schiette , in: JZ 1996, S. 333; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1989; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 7 IV 4; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88; kritisch zur eigenständigen Bedeutung des Untermaßverbots in einer solchen Kollision, aber im Prinzip das gleiche Ergebnis Hain, in: DVB1. 1993, S. 983 f. ; dagegen zu eng Pietzcker, in: FS Dürig, S. 360.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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nach einer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips 2588 (Bestehen eines "legitimen" Zwecks, dessen Verfolgung nach einer Güter- und Interessenabwägung dem einzuschränkenden Grundrechtsgut vorgehen soll 2 5 8 9 , Geeignetheit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit i. e. S. oder Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit) 2590 angewendet. Wenn der Träger der öffentlichen Gewalt dagegen entgegen seiner Schutzpflicht den kollisionslösenden Weg aussucht, um in das "passive" Recht zugunsten des "aktiven" einzugreifen, dann hat er nicht in das Abwehrrecht, sondern in das Recht auf Schutz des "Opfers" eingegriffen 2591 . 2588 £ u r Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (i. w. S.) für die Ausübung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates, besonders in grundrechtskollidierenden Fallkonstellationen, vgl. BVerfGE 39, 1, 47 ff. (Abtreibung I); 46, 160, 164 f. (Schleyer); 56, 54, 79 f. (Fluglärm); 57, 250, 285 (Spionage); 81, 242, 261 ff. (Handelsvertreter); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 3270 (Jugendsekte); BVerwGE 82, 76, 83 (Jugendsekte); 87, 37, 47 f., 50 (Diethylenglykolweine); BVerwG NVwZ 1994, S. 163. Es liegt auf der Hand, daß die Abwägung der kollidierenden grundrechtlichen Güter und Interessen nach den Prinzipien der Einheit der Verfassung und der praktischen Konkordanz (vgl. dazu oben sub V 2 a cc) auch in der Schutzpflichtlehre der gebotene Lösungsweg ist - so auch Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 944; Canaris , in: JuS 1989, S. 163; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1637 f.; Wiedemann , in: JZ 1990, S. 697; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 170; ders., in: AfP 1993, S. 626; Medicus, in: AcP 1992, S. 53, 60; Hain, in: DVB1. 1993, S. 983; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 427 f.; Hesse, Grundzüge, Rd. 350; Oldiges, in: FS Friauf, S. 308; Steinberg , in: NJW 1996, S. 1989; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 150; weiterhin Jarass, in: AÖR 1985, S. 384; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 528; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1577; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 70; Pietrzak, in: JuS 1994, S. 751, die ausdrücklich auf die hier eben dargelegten Prinzipien der Grundrechtskollisionslösung rekurrieren. 2589 Es ist klar, daß in den meisten der kollidierenden Fallkonstellationen, in denen die eine Seite der Kollision ein zu schützendes Grundrecht ist, der legitime Zweck gerade das Genugtun der grundrechtlichen Schutzpflicht ist - vgl. zu einer solchen Konstellation am Beispiel der Wettbewerbsverbote BGH WM 1974, S. 76; BGH NJW 1979, S. 1606; weiterhin Erichsen, in: Jura 1997, S. 88, und oben sub V 2 a cc. 2590 Das Erforderlichkeits- und Angemessenheitskriterium kann dadurch erfüllt werden, daß der Eingriff in das Grundrecht des "Störers" den "angemessenen und wirksamen Schutz" für die Grundrechtsausübung des "Opfers" erreicht, wie es in den BVerfGE 88, 203, 254 (Abtreibung II); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1995, S. 2343 (Alkoholgrenzwert); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 651 (Ozon), dargelegt wird - vgl. dazu Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 944; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 170; Hain, in: DVB1. 1993, S. 983; Hager, in: JZ 1994, S. 378; Schiette , in: JZ 1996, S. 333; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 7 I V 4; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 150; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88; vgl. ferner BGH WM 1974, S. 76; BGH NJW 1979, S. 1606. 2591 Man mag hier nicht ausschließen, daß ein staatlicher Akt das Abwehr- und parallel auch das Schutzrecht verletzen kann, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 489, und unten sub 3 c aa, d bb ß. In solchen Fallkonstellationen erscheint es aber sinnvoller, anzunehmen, daß der staatliche Akt (z. B. Gerichtsurteil), der die Kollisionen zugunsten des "aktiven" Grundrechts auflöst, nur in das Schutzrecht des "Opfers" eingreift und eventuell gegen dieses verstößt - vgl. so Pietzcker, in: FS Dürig, S. 359; Oeter, in: AÖR 1994, S. 536, am Beispiel des Boykottaufrufs; ihm zustimmend Oldiges, in: FS Friauf, S. 287; vgl. auch Classen , in: AÖR 1997, S. 73 f.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Seine Option fuhrt grundsätzlich zu einer Grundrechtsverletzung, es sei denn, daß sie nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. der Güterabwägung gerechtfertigt war 2 5 9 2 . Denn fallbezogen (in concreto) sollte das Recht des "Störers" dem Recht des "Opfers" vorgehen. Das kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder des Allgemeinwohls der Fall sein 2593 . Solche "passiven" Grundrechte, deren Träger als "Opfer" einer Grundrechtskollision erscheinen und besonders empfindlich den Gefahren oder Drohungen der Grundrechtsausübung der "Störer" ausgesetzt sind, sind das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 I I 1 GG, das Eigentum nach Art. 1411 GG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. 1 I G G 2 5 9 4 oder die Menschenwürde aus Art. 11 GG als eigenständiges Rechtsgut. Als "aktive" Grundrechte und die Grundrechtsausübung der "passiven" Grundrechte bedrohend treten häufig die freie unternehmerische Betätigung i m Wettbewerb nach Art. 12 I (und 14 I 1) GG und die Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 I GG über die wirtschaftlichen Grundrechte hinaus auf. Die ersteren sollen meistens 2595 letzteren vorgehen, wenn sie ihren Gefahren ausgesetzt sind. Die definitive Lösung wird wieder nach einer Güter- und Interessenabwägung und un-

2592

Pietrzak, in: JuS 1994, S. 751 betont, daß auch die Schutzpflicht einschränkbar sei, da es einen Grundsatz des Vorrangs der Schutzintention nicht geben könne, und führt die Maßgaben der Einschränkbarkeit der Schutzpflicht aus; vgl. auch die Ausführung Alexys, Theorie der Grundrechte, S. 273, 278, über den "prima-facie" und "definitiven" Grundrechtsschutz. Das "definitive" Schutzrecht soll das eingeschränkte Schutzrecht sein. 2593 Vgl. dazu BVerfGE 53, 30, 57 f. (Mülheim-Kärlich); 88, 203, 254 (Abtreibung II); Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 40; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1638 f.; Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 162; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 424 f.; Erichsen, in: Jura 1997, S. 88. 2594 ygi dazu Isensee, in: AfP 1993, S. 626. Hier sollte man auch zwischen den drei Schutzkreisen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Individuai-, Privat- und Intimsphäre) unterscheiden - zur Aufteilung vgl. Ehlers, in: WRP 1983, S. 188; Ricker, Unternehmensschutz, S. 36 ff. Denn nicht alle drei Schutzkreise genießen den selben Grad staatlichen Schutzes. Am stärksten ist die Intimsphäre und dann die Privat- und Individualsphäre zu schützen - so Ehlers, a. a. O; vgl. auch v. Gamm, WbR, 18. Kapitel, § 20; Sosnitza, in: GRUR 1993, S. 541; Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 604, unter Hinweis auf BVerfGE 34, 238, 245 (Tonbandaufzeichnung); 80, 367, 374 f. (Tagebuch); vgl. auch BGHZ 131, 332, 337 ff. (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos); zustimmend Forkel, in: JZ 1997, S. 45; ferner BVerfGE 35, 202, 220 (Lebach), das aber zwischen Privat- und Sozialsphäre unterscheidet. Das hat praktisch für die vorhandene Problematik zu bedeuten, daß die Aufteilung und Kategorisierung bei der Abwägungsaufgabe mitberücksichtigt werden soll. 2595 Daß selbst das Recht auf Leben nicht als absolut gilt und geschützt wird, zeigt das BVerfGE 88, 203, 253 f. (Abtreibung II), unter zutreffender Berufung auf Art. 2 II 3 GG. Genauso gilt für die anderen genannten "passiven" Rechtsgüter (vgl. die Schrankentrias des Art. 2 I HS 2 GG und besonders die Lehre über die sog. immanenten Grundrechtsschranken).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (i. w. S.) gefunden 2596 . Die staatliche Schutzpflicht bekommt in solchen Konstellationen besonders große Bedeutung, so daß das Abwägungsermessen der öffentlichen Gewalt in bezug auf die Frage, welches von den kollidierenden Grundrechten geschützt werden soll, entsprechend gering ausfällt 2597 , weil heutzutage die wirtschaftlichen und die kommunikativen Grundrechte trotz ihrer Bedeutung für die relativ offene Wirtschaftsverfassung und die freiheitliche demokratische Grundordnung manchmal wegen der erheblichen Machtkonzentration im Bereich der Wirtschaft und der Medien oder, noch schlimmer, wegen ihrer Verflechtung in einer mißbräuchlichen Art für Grundrechte Dritter ausgeübt werden. Das Leben, das die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung für die Ausübung der anderen Grundrechte ist 2 5 9 8 , die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit, die als physische Basis für die Betätigung anderer Freiheitsrechte gelten 2599 , und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das sich auch aus der Menschenwürde, dem höchsten Wert der Verfassung und Wurzel aller Grundrechte 2600 , ableiten läßt, haben eine besondere Bedeutung (nicht aber Rang) 2601 in der grundgesetzlichen Wertordnung und müssen ständig Gegenstand des staatlichen Schutzes sein 2602 . In den übrigen grundrechtskollidierenden Fallkonstellationen, in denen nicht offensichtlich ist, wer der "Störer" und wer das "Opfer" der Grundrechtskollision ist, gilt die Schutzpflicht nach dem Prinzip des verhältnismäßigen Ausgleichs nach einer Güter- und Interessenab-

2596 ygj z u r Roiie des Verhältnismäßigkeitsprinzips in einer Spannungslage zwischen den Interessen lebens- oder gesundheitsgefährdeten Bürgern zum einen und den Betreibern eines Industriebetriebs am Beispiel der Nutzung der Atomenergie BVerfGE 53, 30, 57 f. (Mülheim-Kärlich). Für die letzteren kommen im Prinzip auch grundrechtlich geschützte (vgl. Art. 121, 141 1 GG) wirtschaftliche Interessen in Betracht; vgl. auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 383; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 70. 2597 Vgl a u c h j m pnnzip wie hier Canaris , in: JuS 1989, S. 164, der aber die Bedeutung der vorher genannten "passiven" Grundrechte verkennt und hingegen die vorbehaltlos geschützten Grundrechte als Gegenstand der staatlichen Schutzpflicht überschätzt. 2598

So BVerfGE 39, 1, 42 (Abtreibung I); vgl. auch BVerfGE 46, 160, 164 (Schleyer); 49, 24, 53 (Kontaktsperre), wonach das Leben einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung darstellt; weiterhin F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 529; Oldiges, in: FS Friauf, S. 307. 2599 Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 86. 2600 z u r prinzipiellen Abwägungsunfähigkeit der Menschenwürde vgl. BVerfGE 93, 266, 293 (Soldaten sind Mörder II). 2601 So auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 952; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 86 f.; von "Rang" spricht dagegen zu Unrecht Oldiges, in: FS Friauf, S. 307. 2602 Dj e p r a ge nach dem "Wie" der Realisierung der Schutzpflicht für das zu schützende Grundrecht bleibt nach wie vor offen und wird nach den bereits dargelegten Maßgaben beantwortet. 30 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

wägung 2603 . Der Prognose-, Bewertungs- und Einschätzungsspielraum der öffentlichen Gewalt bzw. des Gesetzgebers in einem solchen Fall ist dann besonders groß 2604 . Schutzrechte können auch mit anderen Schutzrechten kollidieren 2605 . Die Maßstäbe der Grundrechtskollisionslösungen finden auch hier analog Anwendung genauso wie die Maßstäbe für die Grundrechtseinschränkung, wenn Schutzrechte mit Gemeinschaftsgütern (des einfachen Rechts) kollidieren, deren Schutz durch die öffentliche Gewalt ihre grundrechtliche Schutzpflicht relativieren soll.

3. Grundrechtliche

Schutzpflicht des Staates für die Wettbewerbsfreiheit?

Nachdem die Lehre über die staatliche Schutzpflicht in ihren grundrechtsdogmatischen Dimensionen untersucht wurde, wird nun ermittelt, ob und wie sie auch für die hier zu erörternde Frage des verfassungsrechtlichen Schutzes des Grundrechts Wettbewerbsfreiheit angewendet werden kann oder m. a. W , ob eine staatliche Pflicht existiert, die Wettbewerbsfreiheit zu schützen und, bejahendenfalls, wie diese Schutzpflicht verwirklicht werden kann.

2603

Vgl. BVerfGE 92, 26, 46 (Zweitregister); vgl. auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 384; Stern, Staatsrecht III/l, S. 942, 1577 f.; Canaris , in: JuS 1989, S. 163; SchmidtPreuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 70; vgl. oben zu den Grundrechtskollisionen sub V 2 a cc. 2604 So auch Jarass, in: AÖR 1985, S. 381. 2605 Wenn man den sog. Schleyer-Fall - BVerfGE 46, 160, 164 f. - betrachtet und wieder auf ihn zurückgreifen will, kann man, abgesehen von der Lösung, die das Gericht in diesem Fall gefunden hat, eine grundrechtskollidierende Fallkonstellation feststellen. In diesem Fall kollidierten das Grundrecht auf Leben nach Art. 2 II 1 GG und auf persönliche Freiheit nach Art. 2 II 2 GG des entführten Arbeitgeberpräsidenten, die nach der Schutzpflichtlehre schützenswert waren, mit den Grundrechten auf persönliche Freiheit nach Art. 2 II 2 GG, körperliche Unversehrtheit im Sinne der physischen Gesundheit und Leben nach Art. 2 II 1 GG zukünftiger terroristischer Ziele (Politiker, Unternehmer, Richter usw.), die genauso schützenswert waren und nach einem eventuellen Nachgeben des Staates bezüglich der Erpressung durch die Terroristen höchst gefährdet gewesen wären. Denn die Terroristen hätten daraus schließen können, daß sich der Staat in solchen Fällen nachgiebig zeigt, so daß sie derartige Terroraktionen gegen andere Opfer hätten wiederholen können - vgl. auch Manssen, Staatsrecht I, Rd. 55, und die Darlegung des Gerichts in diesem Urteil, daß "das Grundgesetz eine Schutzpflicht nicht nur gegenüber dem einzelnen, sondern auch gegenüber der Gesamtheit aller Bürger" begründet; skeptisch dagegen Diederichsen, in: Starck (Hg.): Rangordnung der Gesetze, S. 90 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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a) Konzeption einer Schutzpflicht fur die Wettbewerbsfreiheit - Problemstellung In dem sog. Zweitregister-Urteil 2606 wurde, wie bereits dargestellt wurde, die Frage nach dem Gegenstand der Schutzpflicht definitiv beantwortet, indem das Gericht sie ausdrücklich auf alle Grundrechte erstreckt hat. Ein glücklicher Zufall für die betreffende Untersuchung ist, daß der Gegenstand des Urteils die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG und insbesondere die daraus resultierende Wettbewerbsfreiheit ist. Das Gericht hat die Geltung der staatlichen Schutzpflicht für die Berufsfreiheit ohne Zögern bejaht und auch für die Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt anerkannt 2607 . Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen und der Analyse der Schutzpflichtlehre in Verbindung mit diesem Urteil kann folgendes darlegt werden: Die Wettbewerbsfreiheit, die nicht nur aus der Berufsfreiheit, sondern auch aus anderen Grundrechten besteht, gehört ebenfalls zu den Grundrechten, die seitens Dritter bedroht, gefährdet oder beeinträchtigt werden können. Deswegen kann ggf. auch im Falle der Wettbewerbsfreiheit angewendet werden, was bereits über die allgemeine Problematik der Schutzpflicht in bezug auf das "Rechts-Dreieck", d. h. Schutzpflichtberechtigter - Schutzpflichtadressat Grundrechtsstörer, ausgeführt wurde. Die schwierige Frage, die sich daraus ergibt, betrifft die dritte Ecke des "Dreiecks", nämlich die Dritten, die die Wettbewerbsfreiheit beeinträchtigen. Bezüglich der letzteren Frage muß man sich an dem Begriff des Grundrechtseingriffs, wie er bereits dargelegt wurde 2608 , orientieren. Die Drohung oder die Gefährdung beziehen sich auf die Gefahr einer zukünftigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit in diesem Sinne. Als Dritte, die die Wettbewerbsfreiheit etc. beeinträchtigen können, kommen auf jeden Fall Private, Konkurrenten oder andere in Betracht. Beeinträchtigung oder Bedrohung der Wettbewerbsfreiheit bedeutet aber keinesfalls das Bestehen der Konkurrenz überhaupt oder die neue Konkurrenz. Der Staat hat keine Pflicht, die Wettbewerbsfreiheit vor der Konkurrenz bzw. der neuen Konkurrenz der Mitbewerber zu schützen, genauso wenig wie er in die Wettbewerbsfreiheit eingreift, wenn er die (neue) Konkurrenz erlaubt. Weder Art. 121 2606 BVerfGE 92, 26 ff.

2607 V g i a u c h ß r o h m 9 j n : NJW 1994, S. 283, der davon ausgeht, daß sich aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte, aus denen der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit besteht, eine Schutzpflicht für den Gesetzgeber ableiten läßt, eine wirtschaftliche Betätigung mit gleichen Chancen im Wettbewerb zu fördern und zu gewährleisten; für die Ableitung einer Schutzpflicht aus Art. 12 I GG plädieren auch Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 41; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 14, und Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 150 ff.; auf einer anderen Basis und zu weit auch Stober, in: BB 1996, S. 1850 f. 2608 s. oben sub IV 1.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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GG noch ein anderes Grundrecht kennen ein Recht auf Nicht-Konkurrenz des Konkurrenten, genauso wenig wie ein Recht auf Schutz vor der Konkurrenz des Konkurrenten. Die Argumente, die in der Problematik des "Eingriffs durch privaten Wettbewerb" ausgeführt wurden 2609 , gelten mutatis mutandis auch hier.

b) Schutzpflicht im grenzüberschreitenden Wettbewerb? Man muß gerade in diesem Punkt Vorsicht walten lassen: Es liegt auf der Hand, daß heutzutage der Wettbewerb häufig nicht mehr auf einem innerhalb der Grenzen eines Staates begrenzten Markt (Stadt, Region oder Land) stattfindet, sondern auch zwischenstaatlichen, oft kontinentalen, manchmal sogar weltweiten Charakter hat. Es ist also unvermeidbar, daß die deutschen Unternehmen, die so oft im internationalen Wettbewerb auftreten, solche Konkurrenten haben, die außerhalb des Territorialgebiets der Bundesrepublik Deutschland tätig werden oder sogar nicht in dem persönlichen Schutzbereich der Grundrechte des GG bzw. der Wettbewerbsfreiheit liegen (vgl. insbesondere Art. 19 I I I oder 91, 121 GG). Man mag sich fragen, ob die Aussage "kein Schutz vor fremdem Wettbewerb" auch den ausländischen Wettbewerb anbelangt. Man muß allerdings differenzieren. Man kann die Quellenkriterien der potentiellen Gefährdungen der Wettbewerbsfreiheit, die grenzüberschreitenden Charakter haben, je nach Territorialität, Grundrechtsträgerschaft und ihren privaten oder staatlichen Charakter aufteilen.

aa) Schutzpflicht nach dem Territorialkriterium? Was die erste Kategorie der genannten Kriterien angeht, so kann einfach wiederholt werden, was bereits vertreten wurde, nämlich daß für den Tatbestand der grundrechtlichen Schutzpflicht das Territorialkriterium, d. h. die Frage, von welchem Ort die Gefahr herrührt, grundsätzlich genauso wenig eine Rolle spielt wie für den Tatbestand des Grundrechtseingriffs 2610. Das betrifft nicht nur den fremden Wettbewerb, sondern auch andere Betätigungen, die die

2609

s. oben sub IV 2 add ßßß. So Elbing, Zur Anwendbarkeit, S. 102; vgl. auch BVerfGE 57, 9, 23, wonach die Grundrechte in ihrem sachlichen Geltungsumfang die deutsche öffentliche Gewalt auch dann binden würden, soweit Wirkungen ihrer Betätigung außerhalb des Hoheitsbereichs der Bundesrepublik Deutschland einträten. Man kann allerdings diese Darlegung dadurch in die Schutzpflichtproblematik umsetzen, daß die Grundrechte ggf. auch dann die deutsche öffentliche Gewalt in ihrer grundrechtlichen Schutzpflicht binden, soweit Grundrechtsbeeinträchtigungen usw. seitens Dritter außerhalb des Hoheitsbereichs der Bundesrepublik Deutschland eintreten. 2610

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Wettbewerbsfreiheit stören können. Wenn die Wettbewerbsfreiheit eines Wettbewerbers, der Träger der Wettbewerbsfreiheit nach dem GG ist, von jemandem bedroht oder sogar beeinträchtigt wird, ζ. B. durch den Boykottaufruf eines Presseorgans in Frankreich oder in den USA oder durch Diffamierung der Qualität der Produkte deutscher Unternehmen in Japan, dann wird die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates aktiviert. Erforderlich ist allerdings nicht nur die faktische, sondern vielmehr die rechtliche Möglichkeit der Erfüllung der Schutzpflicht 2611 .

bb) Schutz vor dem Wettbewerb

ausländischer Konkurrenten?

Wenn aber die "Störung" durch fremden Wettbewerb erfolgt, kann die Frage gestellt werden, ob ausländische Firmen, die nicht Träger der Wettbewerbsfreiheit nach Art. 19 I I I GG sind, die Wettbewerbsfreiheit der Firmen, die doch in den Anwendungsbereich des Art. 19 I I I GG fallen, in dem Sinne bedrohen oder beeinträchtigen können, daß dadurch eine staatliche Schutzpflicht ausgelöst werden soll. Denn in diesem Fall hätte die öffentliche Gewalt die Pflicht, die Produkte der deutschen Unternehmen durch verschiedene (protektionistische) Maßnahmen vor dem Wettbewerb der ausländischen Unternehmen zu schützen. In diesem Fall würden die Argumente für die Aussage "die Grundrechte gewähren keinen Schutz vor fremdem Wettbewerb" nicht gelten. Das GG gibt eigentlich genauso wenig konkrete Aussagen wie die bisher herausgearbeitete Lehre der grundrechtlichen Schutzpflicht. Einerseits gilt, daß Art. 121 GG, das Fundament der Wettbewerbsfreiheit, offensichtlich protektionistischen Charakter hat 2 6 1 2 , andererseits aber können die natürlichen Personen ihre Berufsfreiheit eingeschränkt über Art. 2 I GG geltend machen. Art. 19 I I I GG nimmt zwar die ausländischen juristischen Personen aus dem persönlichen Schutzbereich der Grundrechte aus, es erscheint aber fragwürdig, ob man daraus ein Argument für die Begründung einer staatlichen Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit der inländischen vor dem Wettbewerb der ausländischen Unter-

2611

Vgl. BVerfGE 92, 26, 47 (Zweitregister), das darlegt, daß "soweit die Voraussetzungen des Grundrechtsgebrauchs von Umständen abhängen, die von der deutschen öffentlichen Gewalt nicht beeinflußt werden können", "diese hierfür keine Verantwortung" treffe; vgl. aber anders Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 120, der die Aktivierung der Schutzpflicht des Staates ausschließt, wenn der "Störer" nicht der deutschen Staatsgewalt unterliegt. Wenn das der Fall ist, muß man zugeben, daß die rechtlichen Möglichkeiten der Verwirklichung einer solchen Schutzpflicht entsprechend geringer werden. Man kann sie aber nicht per se ausschließen. Die Formulierung des Zweitregister-Urteils ist allgemeiner und zutreffender; vgl. auch R. Hofmann, Grundrechte, S. 152, am Beispiel der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 14 I GG für das Eigentum. 2612 s. auch oben sub II 3 b aa α.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

nehmen ableiten kann 2613 . Noch weniger überzeugend scheint das Argument der aus Art. 161 GG hergeleiteten institutionellen Garantie der deutschen Staatsangehörigkeit, das das BVerfG konzipierte und verwendete, um die Pflicht bezüglich des diplomatischen Schutzes für die deutschen Staatsangehörigen zu begründen 2614 . Die Lehre der Schutzpflicht spricht zwar von "Beeinträchtigungen" etc., sie kann aber im betroffenen Fall nutzlos werden, wenn man den fremden Wettbewerb aus den bereits dargelegten Gründen nicht als eine solche Beeinträchtigung betrachtet. Das BVerfG schwankt in seinem Zweitregister-Urteil. Einerseits läßt es die Frage ausdrücklich offen, selbst wenn es um Verdrängungspraktiken der ausländischen Konkurrenten geht, andererseits aber legt es dar, daß im betreffenden Fall die Bundesrepublik jedenfalls dasjenige getan habe, was von ihr zum Schutz der Berufsfreiheit von Verfassungs wegen verlangt werden könnte 2615 . Es kommt eigentlich darauf an, ob man von der liberalen 2616 oder der protektionistischen Doktrin des internationalen Handels ausgeht. Wenn man die Wettbewerbsfreiheit und den freien Wettbewerb nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik nachvollzieht und den ausländischen Wettbewerb als die Quelle potentieller Gefahren für die Wettbewerbsfreiheit und -fähigkeit der deutschen Unternehmen, die nach Art. 19 I I I GG ihre grundrechtlichen Träger sein können, betrachtet, dann kann man in den Grundrechten, aus denen der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit besteht (insbesondere Art. 121 und 1411 GG), eine Schutzpflicht des Staates in dem vorher dargelegten Sinne begründen. Diese Doktrin und diese Schutzpflicht müßten aber in Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik im Rahmen der EU, des

2613 Ablehnend Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 120, mit dem zusätzlichen Argument, daß der das Grundrecht beeinträchtigende Grundrechtsträger, ein Inländer bzw. eine inländische juristische Person i. S. d. Art. 19 III GG, der deutschen Staatsgewalt unterliegen soll, so daß Grundrechtsbeeinträchtigungen, die von ausländischen "Störern" bzw. Inländern, die nicht der deutschen Staatsgewalt unterliegen, nicht die Schutzpflicht auslösen können sollen. 2614 Vgl. BVerfGE 37, 217, 241; 40, 141, 177. 2615 BVerfGE 92, 26, 46 f. Es handelte sich allerdings um die Frage, ob Art. 12 I GG den Staat dazu verpflichtet, deutsche Seeleute vor einem Verdrängungswettbewerb mit ausländischen Kollegen zu schützen oder generell Vorsorge dafür zu treffen, daß deutschen Arbeitnehmern der Seemannsberuf als solcher erhalten bleibt. Es ist jedoch nicht absolut klar, ob das Gericht mit der Aussage "von Verfassungs wegen" nur die grundrechtliche Schutzpflicht oder bzw. darüber hinaus den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit aus Art. 20 I, 28 I GG meint. Da im Urteil nur die erstere und nicht der letztere erwähnt wird, sollte man darunter die grundrechtliche Schutzpflicht verstehen. 2616 Nach der liberalen Doktrin des internationalen Handels besteht ein Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfreiheit und Außenwirtschaftsfreiheit - vgl. zu diesem Verhältnis Molsberger, in: FG Willgerodt, S. 427 ff.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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GATT bzw. W T O 2 6 1 7 oder anderer Organisationen stehen. Das hätte zum Ergebnis - über die Verpflichtungen im Rahmen des EG/EU-Rechts hinaus (vgl. Art. 30 ff., 92 ff. EGV) 2 6 1 8 -, daß entweder die Bundesrepublik Deutschland, um ihre grundrechtliche Schutzpflicht den deutschen Unternehmern gegenüber zu erfüllen (ζ. Β durch Quotenregelungen, Subventionierungen usw.), ihre internationalen vertraglichen Verpflichtungen verletzen müßte oder umgekehrt. Die erste Lösung würde für Deutschland große internationale Probleme schaffen, die zweite würde zur verfassungswidrigen Anwendung dieser völkerrechtlichen Verträge bzw. ihrer Ratifizierungsgesetze führen (vgl. Art. 59 I I 1 GG), soweit durch ihre Erfüllung die Pflicht der deutschen öffentlichen Gewalt, die Wettbewerbsfreiheit deutscher Unternehmen vor dem ausländischen Wettbewerb zu schützen, verletzt werden könnte 2619 . Eine solche protektionistische Konzeption würde die Grundrechte und insbesondere die Schutzpflichtlehre überstrapazieren und scheint nach der hier vertretenen Auffassung nicht verfassungskonform zu sein 2620 . Trotzdem wird die deutsche öffentliche Gewalt von ihrer Pflicht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen vor Beeinträchtigungen zu schützen, nicht ganz entbunden. Diese betrifft Gefahren und Störungen, die sich zwar nicht aus der Funktion des freien Wettbewerbs als solchem ergeben, sondern aus Faktoren, die außerhalb des Wettbewerbs bzw. des lauteren Wettbewerbs liegen. Einen solchen Fall hat das BVerwG in seinem sog. Diethylenglykolwein-Urteil 2621 ermittelt. Wie bereits ausgeführt wurde 2622 , hat das Inverkehrbringen von mit Diethylenglykol, einem chemischen Frostmittel, kontaminierten Weinen, eine Beunruhigung und Unsicherheit auf dem deutschen, aber auch ausländischen Weinmarkt verursacht. Denn deutsche und vor allem ausländische Konsumenten konnten nicht wissen, welche Weinprodukte genau mit diesem gesundheitsgefährlichen Schutzmittel versetzt waren, so daß sie pauschal die deutschen Weine vermieden haben. Das hatte im In- und Ausland negative Konsequenzen auf die Wettbewerbsfähigkeit auch derjenigen 2617 yg] Obereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) v. 15.04. 1994 (BGBl. II, 1625). 2618 Man nimmt die Verpflichtungen aus dem Gemeinschafts/EU-Recht aus, weil dafür der Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem innerstaatlichen Recht gilt (vgl. unten im zweiten Teil). 2619 vgl z u r Grundrechtsbindung der auswärtigen Gewalt bei dem Abschluß völkerrechtlicher Verträge R. Hofmann, Grundrechte, S. 102 ff. 2620 vgl. a u c h R. Hofmann, Grundrechte, S. 152, der anläßlich einer anderen Frage, die aber die Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates in grenzüberschreitenden Sachverhalten anbelangt, vor dem "nicht erwünschten Oktroi deutschen Grundrechtsverständnisses auf fremde Rechtsordnungen, dem auch gewichtige außenpolitische Belange Deutschlands zuwiderliefen", warnt. 2621 BVerwGE 87, 37 ff. 2622 s. oben IV 2 a dd δ γγ.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Weinfirmen, deren Produkte nicht mit diesem Mittel kontaminiert waren. Die Bundesregierung hat sich von ihrer Schutzpflicht in dem Sinne angesprochen gefühlt, daß sie die Wettbewerbsfähigkeit und demgemäß die Wettbewerbsfreiheit der "sauberen" Weinhersteller vor der Beunruhigung und der Unsicherheit der Konsumenten schützen sollte, die den Konsumrückgang deutscher Weine zur Folge hatte und deshalb die Existenz sämtlicher im Weingeschäft tätigen Unternehmen gefährdete und den ganzen Wirtschaftszweig zu ruinieren drohte 2 6 2 3 . Daß die Bedrohung oder die Gefahr auch aus dem Ausland kam bzw. von Ausländern, die nicht der deutschen Staatsgewalt unterlagen 2624 , oder die nicht rechtswidrig war - negative Reaktion der Weinverbraucher auf deutsche Weine als Ausfluß ihrer Konsumfreiheit (Art. 2 I GG) - spielt keine Rolle. Die öffentliche Gewalt mußte die Wettbewerbsfreiheit der gefährdeten Unternehmen vor diesen Gefahren schützen 2625 und hat sich des Mittels der Aufklärung der Verbraucher durch die Veröffentlichung einer Liste mit Angabe des Namens der Firmen und ihrer gefährlichen Produkte bedient. Das Gericht hat die Verhältnismäßigkeit bzw. die Beachtung des Übermaßverbots für dieses Mittel ausreichend begründet. Denn diese Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht hatte als Konsequenz den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit (Art. 121, 14 I 1 GG) der auf der Liste veröffentlichten Weinunternehmen. Andererseits aber hat es auch das Untermaßverbot beachtet, indem diese für geeignet und angemessen gehalten wurde, die Wettbewerbsfreiheit zu schützen2626. Die Nicht-Erfüllung der Schutzpflicht hätte zwar nicht das Abwehrgrundrecht, sondern ein Recht auf Schutz der Wettbewerbsfreiheit auslösen können. Die Erfüllung löst andererseits das Abwehrrecht der betroffenen Unternehmen aus (Grundrechtseingriff). Als die öffentliche Gewalt ihre Schutzpflicht erfüllt hat, hätte sie darüber hinaus andere rechts- und bundesstaatliche Komponenten beachten müssen. Andere Konstellationen, in denen die deutsche öffentliche Gewalt in den internationalen Wettbewerb eingreifen darf, um die Wettbewerbsfreiheit bzw. -fähigkeit deutscher Unternehmen zu schützen, stellen solche Fälle dar, in denen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wettbewerber durch den unlauteren Wettbewerb der ausländischen Unternehmen beeinträchtigt wird. Als "unlauter" wird hier besonders derjenige Wettbewerb verstanden, der entgegen internationalen Vereinbarungen stattfindet. Soweit es eine Sache des einfachen Rechts ist, sind dann die Gerichte zuständig, die aufgrund der Regeln des inter2623

So BVerwGE 87, 37, 48 (Diethylenglykolweine). Wichtiges Argument aber für Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 120. 2625 So BVerwGE 87, 37, 48 ff. (Diethylenglykolweine). 2626 y g i z u r Problematik des Übermaß- und Untermaßverbots bereits oben sub 2 e. Es wird hier ganz eindeutig bewiesen, daß das Geeignetheits- und Angemessenheitsgebot sowohl als Übermaß- als auch als Untermaßverbotskomponenten funktionieren, wenn ein Abwehr- und ein Schutzrecht kollidieren. 2624

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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nationalen Privatrechts, dieses Recht anwenden müssen. Ist das nicht der Fall, dann muß die deutsche öffentliche (auswärtige) Gewalt - Exekutive, aber ggf. auch Gesetzgebung - "im Rahmen der pflichtgemäßen politischen Entscheidung" 2 6 2 7 die erforderlichen Maßnahmen treffen, um ihre Schutzpflicht zu realisieren. Voraussetzung ist, daß Einflußmöglichkeiten völkerrechtlicher Art bestehen können 2628 . Hier gilt nicht nur der Vorbehalt des faktisch Möglichen, sondern auch der Vorbehalt des (völker)rechtlich Möglichen 2629 .

cc) Schutz gegenüber auswärtigen Staaten? α) Die Rechtsprechung des BVerfG Die Frage der staatlichen Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit gegenüber Beeinträchtigungen usw. seitens Privater aus dem Ausland wurde geklärt. Fraglich ist aber, wie bereits auch in der Darstellung der allgemeinen Problematik der Schutzpflicht gezeigt wurde, ob die Schutzpflicht auch dann gilt, wenn die Beeinträchtigung des Grundrechtsguts aus fremden Staaten herrührt. Während im Schrifttum eine Tendenz besteht, eine solche Schutzpflicht anzuerkennen, zeigt sich die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung in dieser Frage ablehnend. In seinen ersten beiden Urteilen hat sich das Gericht damit in bezug auf den Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik befaßt und zwar inwieweit der Einsatz amerikanischer Nuklearraketen auf deutschem Boden die Gefährdung des Grundrechts auf Leben und körperlicher Unversehrtheit seitens der damaligen Atommacht UdSSR verursachen könnte 2630 oder der Einsatz amerikanischer chemischer Waffen ebenso die Grundrechte aus Art. 2 I I 1 GG gefährden könnte 2631 . Das Gericht hat in einer judicial self-restraintDemonstration eine staatliche Schutzpflicht vor diesen Gefahren abgelehnt. Denn es sei nicht Aufgabe des Gerichts, jenseits rechtlich normierter Vorgaben in diesem Bereich seine Einschätzungen an die Stelle der Einschätzungen der 2627

So BVerfGE 92, 26, 47 (Zweitregister). So BVerfGE 92, 26, 47 (Zweitregister). 2629 ygj insbesondere die Argumentation des Gerichts im betreffenden Urteil, a. a. O., daß der Staat nur insoweit Schutz gewähren könnte, indem er die Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Handelsschiffahrt so verbessere, daß sie sich auch dann behaupten könne, wenn überwiegend deutsche Seeleute zu deutschen Tariflöhnen beschäftigt würden. Da festgestellt wurde, daß die Möglichkeiten begrenzt waren, hätte die Bundesrepublik nichts mehr tun können, um ihre Schutzpflicht besser zu erfüllen. Infolgedessen nimmt das Gericht an, daß im Rahmen des rechtlich und faktisch Möglichen die deutsche öffentliche Gewalt die Pflicht trägt, die Wettbewerbsfreiheit der Inländer (Unternehmer oder Arbeitnehmer) durch Intervention im internationalen Wettbewerb zu schützen. 2630 BVerfGE 66, 39, 56 ff., insbesondere 60 ff. (NATO-Nachrüstung). 2631 BVerfGE 77, 170, 213 (C-Waffen). 2628

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

zuständigen politischen Organe des Bundes zu setzen. Das gelte auch für die objektiv-rechtliche Schutzpflicht in bezug auf Grundrechte im Bereich der Außen- und Verteidigunspolitik gegenüber fremden Staaten. Da die gerügte Gefahrenlage wesentlich von der politischen Willensentscheidung eines fremden souveränen Staates abhinge, könne das BVerfG nicht beurteilen, ob und in welchem Ausmaß die sich daraus ergebende Gefahrenlage von der deutschen öffentlichen Gewalt ursächlich bestimmt oder mitbestimmt werde (Zurechnungskriterium) 2632 . Das sog. Zweitregister-Urteil hat diese Rechtsprechung zwar im Grunde bestätigt, es hat sie aber durch die Bemerkung ergänzt, daß der Einsatz der deutschen öffentlichen Gewalt immer im Rahmen der pflichtgemäßen politischen Entscheidung und Verantwortung der zuständigen deutschen Organe nur dann eingefordert werden könne, wenn Möglichkeiten völkerrechtlicher Art bestehen würden, mit denen die deutsche öffentliche Gewalt die Gefahrenlage so beeinflussen könne, daß sie ihre Schutzpflicht erfüllt 2633 . Mit diesem Urteil läßt der 1. Senat des BVerfG die "Tür" der staatlichen Schutzpflicht vor Gefahren aus fremden Staaten offen, die der 2. Senat durch seine NATONachrüstung- und C-Waffen-Urteile verriegelt hat.

ß) Stellungnahme Man darf die Grundrechtsbindung nach Art. 1 I I I GG nicht mit der Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates verwechseln. Es trifft zu, daß unter "öffentlicher Gewalt" i. S. d. Art. 1 I I I GG nur die deutsche öffentliche Gewalt und keinesfalls die Gewalt fremder Staaten oder inter- bzw. supranationaler Organisationen verstanden wird 2 6 3 4 . Die EU wird von dieser Regel nicht ausgenommen2635. An die Schutzpflicht ist die deutsche öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 1 I I I GG zwar gebunden 2636 , der Kreis der Grundrechtsbeeinträchtigenden oder -drohenden hat nichts mit dieser Vorschrift zu tun - ganz im Gegenteil, wie bereits gezeigt wurde. Der Grundrechtsbeeinträchtigende muß ein Dritter sein. Ist dieser ein auswärtiger Staat, kann dadurch selbstverständlich ihm gegenüber das Abwehrgrundrecht nach der jeweiligen Grundrechtsnorm i. V. m. Art. 1 I I I GG nicht aktiviert werden; es kann aber die grundrechtliche

2632 BVerfGE 66, 39, 61 (NATO-Nachrüstung); im Grunde genommen bestätigt durch BVerfGE 77, 170, 213 (C-Waffen). 2633 BVerfGE 92, 26, 47; vgl. dagegen die kritische Anmerkung zu diesem Urteil des Aufsatzes von Wimmer, in: NZA 1995, S. 255. 2634 BVerfGE 58, 1, 27 (Eurokontrol); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1998, S. 975. 2635 Vgl. aber anders BVerfGE 89, 255, 175 (Maastricht). 2636 Vgl. oben sub III.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Schutzpflicht des Staates ausgelöst werden 2637 . Es ist zwar richtig, daß im Rahmen der Außen- und Verteidigungspolitik die zuständigen Organe des Bundes, der exekutiven und legislativen Gewalt (vgl. Art. 23 n. F., 24, 59, 65, 73 I, 87 a GG) einen weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum haben, so daß die richterliche Kontrolle ihrer Handlungen nach dem Prinzip des judicial selfrestraint besonders eingeschränkt ist. Demgemäß sind die Voraussetzungen der Ausübung der staatlichen Schutzpflicht entsprechend geringer. Man kann aber eine solche Ausübung nicht ausschließen, wie das BVerfG in seinem Zweitregister-Urteil richtig erkannt hat. Es kann aber zum anderen von der öffentlichen Gewalt bzw. dem Bund nicht verlangt werden, ohne weiteres völkerrechtliche Verträge, die die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und ratifiziert hat, zu mißachten oder die bilateralen (wirtschaftlichen und/oder diplomatischen) Beziehungen mit dritten Ländern zu beeinträchtigen. Die Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht vor Gefahren oder Beeinträchtigungen aus fremden Staaten muß nicht um jeden Preis erfüllt werden 2638 . Die Darlegungen des Gerichts, die die Maßstäbe einer solchen Erfüllung bestimmen - Bedeutung des gefährdeten Grundrechtsguts, Ausmaß und Wahrscheinlichkeit der Gefahr 2639 -, sind u. a. Kriterien, die der Bund mit eventuell verursachten Konsequenzen aus einem völkerrechtlichen Vorgehen abwägen muß 2 6 4 0 . Das gilt ebenfalls für die Schutzpflicht der Wettbewerbsfreiheit von Unternehmen, die nach dem GG ihre Grundrechtsträger sein können. Wenn sie durch Maßnahmen oder die Gesetzgebung eines dritten Landes beeinträchtigt oder bedroht wird, löst der objektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte die staatliche Pflicht aus, daß sie durch positive Maßnahmen geschützt werden. Eine solche Schutzpflicht wird für den Fall von Inländerdiskriminierungen im Ausland postuliert. Solche Diskriminierungen können Wettbewerbsverzerrungen solcher Art und Ausmaßes schaffen, daß die internationale Wettbewerbsfähigkeit durch die davon verursachten Wettbewerbsungleichheiten deutscher Unternehmer beeinträchtigt wird. Die zuständigen Organe des Bundes müssen entweder bilateral oder im Rahmen der Mitgliedschaft in einer supranationalen Organisation oder einem Verbund (ζ. B. EU) dafür Sorge tragen, daß diese Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden. Das kann durch ihre Abschaffung oder durch die 2637 y g j z u r entsprechenden Literatur, die eine solche Meinung annimmt, die Nachweise oben sub 2 d bb und insbesondere die zutreffende Argumentation von Elbing, Zur Anwendbarkeit, S. 103 f. 2638 V g i a u c h j s e n s e 6 i i n : HdDStR, V, § 111, Rd. 120, und das Argument der völkerrechtlichen Koordination zwischen den auswärtigen Staaten und der Bundesrepublik Deutschland, die eine Subordination wie im Staat-Bürger-Verhältnis ausschließt. Isensee geht aber zu weit und schließt entgegen des Zweitregister-Urteils per se eine völkerrechtliche Einflußmöglichkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht aus. 2639 s. dazu oben sub 2 d bb. 2640 Y eingehend dazu Elbing, Zur Anwendbarkeit, S. 112 f f . g

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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Angleichung und Harmonisierung der Rechtsordnungen der Mitgliedsländer dieses Verbundes der Fall sein 2641 . Dasselbe gilt für andere wettbewerbsverzerrende Maßnahmen wie Subventionen, Steuerbegünstigungen, staatliche Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb usw. Schwierig erscheint aus den eben dargelegten Gründen die Auslösung des subjektiven Rechts auf Schutz, aufgrund dessen gerügt werden kann, daß der Bund seine Schutzpflicht verletzt haben soll und das Treffen einer geeigneten und erforderlichen Schutzvorkehrung eingefordert wird. Das ist theorethisch möglich und zwar im Rahmen des EG/EU-Rechts. Man muß jedoch zugeben, daß in bezug auf das EG/EU-Recht die rechtlichen Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland selbstverständlich begrenzt sind. In extremen Fällen kann aber die Lehre der Schutzpflicht des Staates in diesem Rahmen zum rechtlichen Handeln zwingen, nämlich aufgrund des Art. 175 EGV, wenn andere EULänder die Wettbewerbsregeln zugunsten ihrer Unternehmen und zuungunsten der Wettbewerbsfreiheit der deutschen Unternehmen verletzen und die Kommission als "Hüter der Verträge" nicht dagegen einschreitet. Dann kann die Möglichkeit, die Art. 175 I EGV für die Mitgliedstaaten der EU bzw. die Bundesrepublik Deutschland eröffnet, in eine Pflicht auf Schutz der Wettbewerbsfreiheit deutscher Unternehmen vor den Wettbewerbsstörungen anderer EU-Staaten von Verfassungs wegen umgewandelt werden. Diese Schutzpflicht kann unter den vorher genannten Voraussetzungen ein subjektives Recht auf Schutz begründen.

c) Die staatliche Erfüllung der Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit im Wettbewerbsrecht i. w. S. aa) Insbesondere die Rolle des GWB und UWG Einen großen Teil seiner grundrechtlichen Schutzpflicht hat der Gesetzgeber durch das Wettbewerbsrecht i. w. S. (Wettbewerbsrecht i. e. S. oder Recht gegen den unlauteren Wettbewerb und Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen oder Kartellrecht) erfüllt. Dazu tragen besonders die Vorschriften des UWG und GWB außerordentlich bei, davon wurde bereits mehrmals gesprochen. Die hier vertretene Auffassung geht davon aus, daß unter bestimmten Umständen viele Vorschriften des UWG - wie seine "Sittenwidrigkeitsklausel" (§ 1 UWG), aber auch die §§3 (irreführende Angabe), 4 (strafbare Werbung), 12 (Bestechung von Angestellten im Wettbewerb), 14 (Anschwärzung im Wettbewerb), 15 (strafbare geschäftliche Verleumdung), 16 (Schutz geschäftlicher Bezeichnungen), 20 (Verleiten und Erbieten zum Verrat im Wettbewerb)

2641

So Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 127 (m. w. N.).

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik UWG - und des GWB - wie die §§ 1 (Kartellverbot), 15 (Nichtigkeit von Verträgen über Preisgestaltung oder Geschäftsbedingungen), 22 (Marktbeherrschende Unternehmen), 24 (Zusammenschlußkontrolle), 25 (Verbot eines aufeinander abgestimmten Verhaltens und wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen), 26 (Verbot von Liefer - und Bezugssperren - Diskriminierungsverbot) GWB - nicht als echte Grundrechtseingriffe gelten können, weil sie Handlungen und Betätigungen ver- bzw. gebieten, die nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen können 2642 . Diese Vorschriften stellen sogar die Ausübung der staatlichen Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit dar, die von dem grundrechtswidrigen Verhalten Dritter bzw. ihrer Konkurrenten bedroht und beeinträchtigt werden können 2643 . Die Tatsache, daß das UWG im Jahre 1909, somit viel früher als das GG, erlassen wurde, spielt keine Rolle. Auch vorkonstitutionelles Recht kann die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates erfüllen. Ob diese Mittel die Wettbewerbsfreiheit hinreichend schützen können, ist eine Frage, die zuerst der Gesetzgeber beantworten sollte, wozu er einen großen Beurteilungs- und Prognosespielraum besitzt. Man kann aber ohne weiteres behaupten, daß die bisherige rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung ihn bestätigt hat. Die Vorschläge seitens des Schrifttums des Wettbewerbsrechts bezüglich einzelner Ergänzungen, Verbesserungen oder Korrekturen können nicht als offensichtlich falsche oder unzulängliche Entscheidungen bzw. Unterlassungen des Gesetzgebers betrachtet werden, so daß die Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde, die die nicht ausreichende Erfüllung der gesetzgeberischen Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit in bezug auf das Wettbewerbsrecht rügen würde, kaum nachvollziehbar ist. Dagegen erscheint eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht seitens der richterlichen Gewalt im Rahmen der Auslegung der Generalklauseln des Wettbewerbsrechts (vgl. §§1, 3 UWG) möglich. Bisher hatte das BVerfG nur einmal die Möglichkeit zu überprüfen, ob das GWB die staatliche Schutzpflicht verfassungsmäßig erfüllt. Das war im Aufgabenbereich einer Dreierkammer des 1. Senats der Fall 2 6 4 4 . Genauer gesagt hat das Gericht, nachdem es auf seine Doktrin über die "wirtschaftspolitische Neu-

2642 y g j aus führlich 2643

oben sub IV 2 a cc α, β. Selbst wenn das Verhalten, das sie verbieten bzw. gebieten, nach der Annahme der Theorie des sog. weiten Schutzbereichs als grundrechtsgeschützt betrachtet werden soll, bleibt es ein Verhalten des "Störers" - unlauterer Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkungen -, so daß die Schutzpflicht für das Verhalten des "Opfers" vor diesen Wettbewerbsbeeinträchtigungen ohne weiteres ausgelöst wird - so auch tendenziell Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 192 f.; vgl. auch zu dem schützenden Charakter des GWB Rittner, in: FS Sölter, S. 32; Sevecke, in: AfP 1994, S. 198, der diese Rolle dem gesamten Zivil- und Wirtschaftsrecht zuspricht. 2644 Vgl. dazu BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

tralität" der grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung rekurriert hatte, dargelegt, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die Wettbewerbsfreiheit überall und unter allen Bedingungen zu fördern bzw. gegenüber anderen Schutzgütern abzusichern. Demgemäß verstoße § 16 GWB, der eine Ausnahme von der Regel des § 15 GWB vorsieht und die Preisbindung bei Verlagserzeugnissen zuläßt, nicht gegen Art. 12 I GG und die daraus resultierende Wettbewerbsfreiheit. Denn aus diesem Grundrecht folge keine Pflicht des Gesetzgebers, auch beim Handel mit Verlagserzeugnissen privatrechtliche Bindungen zu untersagen. Man darf allerdings diese Rechtsprechung nicht überbewerten, nicht nur weil sie von einer Dreierkammer des 1. Senats und nicht von dem Senat selbst erging, sondern vielmehr, weil sie sich besonders auf eine spezifische Regelung des GWB bezieht, die eigentlich einen Ausnahmecharakter hat. Trotzdem kann man zu interessanten Schlüssen bezüglich der Problematik der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates und der Einordnung der Wettbewerbsfreiheit in diese kommen. Das Gericht überprüft die Verfassungsmäßigkeit des § 16 GWB sowohl nach seiner Vereinbarkeit mit dem Abwehr- bzw. Eingriffsrecht als auch mit dem Schutzrecht aus Art. 121 GG. In bezug auf letzteres greift es nicht mehr auf die objektiv-rechtliche Schutzpflicht, sondern direkt auf ihre subjektiv-rechtliche Seite zurück. Damit nimmt es (mittelbar) an, daß ein Grundrecht zwar von Dritten bedroht oder beeinträchtigt werden kann, aber darüber hinaus die öffentliche Gewalt Mitverantwortung für diese Beeinträchtigung tragen kann, die parallel das Eingriffs- und das Schutzrecht auslösen kann. Was aber die Schutzpflicht vor Beeinträchtigungen, die sich gegen die Wettbewerbsfreiheit richten, anbelangt, ist das Gericht sehr zurückhaltend. Es lehnt zwar nicht ab, daß die öffentliche Gewalt auch die Wettbewerbsfreiheit schützen muß, es mißt ihr aber keine besondere Bedeutung gegenüber anderen Schutzgütern zu, die es aber nicht nennt. M. a. W. hebt das Gericht das Abwägungsgebot im Rahmen einer Kollision - mehr als das Schutzgebot des Gesetzgebers hervor. Man kann ihm hier zunächst zustimmen. Die Wettbewerbsfreiheit ist aber ein Grundrechtsgut, das, wie bereits betont wurde, den Gefahren seitens des Mißbrauchs der wirtschaftlichen Machtstellung (vgl. Art. 741 Nr. 16 GG) besonders ausgesetzt ist. Deswegen ist sie von der öffentlichen Gewalt bzw. dem Gesetzgeber im Vergleich zu anderen Rechtsgütern besonders schutzbedürftig. Denn ihr kommt in solchen Grundrechtskollisionen (scheinbaren oder realen) die Rolle des "Opfers" und nicht des "Störers" zu. Das bedeutet jedoch nicht, daß der Gesetzgeber bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht die kollidierenden Rechtsgüter nicht abwägen und nicht auf das Verhältnismäßigkeitsgebot achten muß. Einen solchen charakteristischen Fall stellen die Vorschriften der §§ 2 ff. GWB dar, die u. U. die Ausnahmen von der Regel des Kartellverbots nach § 1 GWB vorsehen. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften wird sowohl nach den Maßgaben des Übermaßverbots, soweit sie Grundrechtseingriffe in die Wettbewerbsfreiheit der von den erlaubten

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Kartellen betroffenen Unternehmen anordnen 2645 , als auch des Untermaßverbots gemessen, soweit sie den von § 1 GWB vorgesehenen Schutz fur sie relativieren. Darüber hinaus, soweit sie erneut auf das Kartellverbot des § 1 GWB rekurrieren (vgl. § 3 III, I V GWB), müssen sie am Maßstab des Übermaßverbots überprüft werden, sofern und soweit das Kartellverbot als Grundrechtseingriff behandelt werden soll 2 6 4 6 . Die Komponenten der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit des Eingriffs in das Abwehrrecht und der Eindämmung der grundrechtlichen Schutzpflicht sowie das Bestehen eines legitimen Zweckes dazu müssen jedenfalls beachtet werden (vgl. §§3 III, IV, 4, 5 II, III, IV, 5 a, 5 b, 5 c, 6, 7 GWB). Als charakteristische Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit vor Eingriffen Dritter (Verbandsmächten) wird auch der § 27 I GWB behandelt, welcher bestimmt, daß im Falle einer Ablehnung der Aufnahme eines Unternehmens in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung die Kartellbehörde auf Antrag des betroffenen Unternehmens die Aufnahme in die Vereinigung anordnen kann, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte, ungleiche Behandlung darstellt und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führt. Die Kartellbehörde, die als Verwaltungsorgan die gesetzliche Schutzpflicht zu konkretisieren hat 2647 , kann erst eingreifen, um ihre Schutzpflicht zu erfüllen, wenn die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit aus Art. 121, 14 I, 9 I und 3 I GG von dem Verhalten der Dritten (Wirtschafts- und Berufsvereinigungen) benachteiligt wird 2 6 4 8 . Das "Rechts-Dreieck" der Schutzpflichtlehre - Grundrechtsgeschützter (Grundrechtsträger), Grundrechtsbeeinträchtigender (ein Dritter), Grundrechtsschützer (die öffentliche Gewalt) - findet im vorliegenden Fall vollkommen und beispielhaft Anwendung 2649 .

bb) Verfassungsrechtliche

Grundlage

In bezug auf die Ausübung der gesetzgeberischen Schutzpflicht durch das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen kann man über ihre legitimie-

2645 y g j c j a z u 0 b e n s u b IV 2 a cc β ßß und die ausführliche Darlegung von Scholz; vgl. auch zur Mitverantwortung des Gesetzgebers für solche Maßnahmen hier oben sub 2 d bb. 2646 Vgl. dazu oben sub IV 2 a cc β αα, ßß. 2647 Vgl. dazu oben sub 2 b aa β. 2648 v g | Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 201 ff., zur grundrechtlichen Position des aufnahmewilligen Wettbewerbers. 2649 vgl. dazu Michael, Verfassungsrechtliche Fragen, S. 193, der versucht, die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des § 27 GWB auch unter dem Blickwinkel der Schutzpflichtproblematik zu sehen.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

rende Grundlage folgendes darlegen: Als verfassungsrechtliche Basis einer solchen Schutzpflicht gilt über den objektiv-rechtlichen Gehalt der wirtschaftlichen Grundrechte 2650 hinaus der materiellrechtliche Gehalt des Art. 74 I Nr. 16 GG. Bisher wurde diese zuerst kompetenzrechtliche Norm als Argument für die Abgrenzung der Wettbewerbsfreiheit in dem Sinne benutzt, daß zu den Wertentscheidungen des Verfassungsgebers gehört, den Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht im Wettbewerb aus dem Schutzbereich der wirtschaftlichen Grundrechte herauszunehmen. Wenn das der Fall ist, dann kann man aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, der von der "Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung" spricht, eine staatliche, sogar gesetzgeberische Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit vor den Gefahren ableiten, die von einem Mißbrauch der wirtschaftlichen Machtstellung herrühren. Ein weiteres Argument für diese Position stellt auch die systematische Stellung der Nr. 16 im Art. 74 I GG dar. Wenn der Verfassungsgeber der Kompetenz über die Verhütung des wirtschaftlichen Machtmißbrauchs nicht eine besondere, schutzverpflichtende Bedeutung hätte beimessen wollen, dann hätte er nicht eine besondere Kompetenz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung begründen müssen. Art. 74 I Nr. 11 GG, der das Recht der Wirtschaft regelt, hätte diesbezüglich ausreichend sein können 2651 . Das Vorgehen des Verfassungsgebers war jedoch ein anderes, was nicht verkannt oder unterschätzt werden darf.

d) Schutz vor Fremdbestimmung im Wettbewerb? Eine Frage, die das Schrifttum schon in den 80er Jahren in die Problematik der grundrechtlichen Schutzpflicht eingebracht und dazu Stellung genommen hat und über die das sog. Handelsvertreter-Urteil des BVerfG 2 6 5 2 eine große Diskussion ausgelöst hat, ist, inwiefern bzw. ob es eine grundrechtliche Schutzpflicht gibt, wenn in den geschäftlichen privatrechtlichen Beziehungen der eine Teil eine Übermacht besitzt, so daß er, wenn nicht einseitig, jedenfalls aus einer stärkeren Verhandlungsposition heraus, diese Beziehungen bestimmt, 2650 ygj R U pp t Fusionskontrolle, S. 111, der in der institutionellen Seite der wirtschaftlichen Grundrechte den verpflichtenden Verfassungsauftrag auf Schutz der Wettbewerbsfreiheit sieht; Scholz, Entflechtung, spricht auf S. 108 vom "Schutzversprechen" aus Art. 12 und 14 GG, und auf der S. 110 sieht er ein Schutzgebot für die Wettbewerbsfreiheit in den liberal-rechtsstaatlichen Komponenten dieser Grundrechte. In Wirtschaftsaufsicht, S. 177 ff, und Konzentrationskontrolle, S. 49, spricht er nicht direkt von einer aus den wirtschaftlichen Grundrechten abgeleiteten Schutzpflicht fur die Wettbewerbsfreiheit, er betont aber die Schutzfunktion des Rechts gegen die Wettbewerbsbeschränkungen. 2651 Vgl. zu dieser Argumentation Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 239; ders., Entflechtung, S. 21; vgl. auch Selmer, Unternehmensentflechtung, S. 30; Schlichter, Die Beseitigung, S. 129 ff.; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 271. 2652 BVerfGE 81, 242, 255.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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oder m. a. W., wenn die geschäftlichen Beziehungen nicht nach dem Prinzip der Selbstbestimmung, sondern der Fremdbestimmung für die eine Vertragspartei festgelegt werden. Es wurde bereits gezeigt, daß das BVerfG sich einem großen Teil der Literatur angeschlossen und diese Frage bejaht hat, und die Reaktion des Schrifttums eher positiv war 2 6 5 3 . Aufgrund dieser Meinung wird hier die Schutzpflicht vor Fremdbestimmung im Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen und im Problem des Wettbewerbsverbots untersucht.

aa) Das Problem der Wettbewerbsbeschränkungen Die vorherigen Ausführungen über die Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit vor Wettbewerbsbeschränkungen seitens Dritter - hauptsächlich Konkurrenten - betreffen die allgemeine Problematik einer solchen Schutzpflicht, insbesondere in den sog. wettbewerbsautonomen Konstellationen 2654 . Hier handelt es sich um die Schutzpflicht bezüglich der sog. wettbewerbsheteronomen Konstellationen, in denen der eine Teil der Unternehmen wirtschaftlich "stark" und der andere "schwach" 2655 ist 2 6 5 6 . Nach den Maßstäben dieser Lehre gilt in solchen Konstellationen vielmehr eine solche Schutzpflicht, die ihre verfassungsrechtliche Grundlage neben der bereits dargelegten Legitimationsbasis auch i m Sozialstaatsprinzip hat. Diese Schutzpflicht hat der Gesetzgeber durch das GWB erfüllt, es gilt hier analog, was bereits ausgeführt wurde 2 6 5 7 .

bb) Das Problem des Wettbewerbsverbots Besonders brisant wird dieses Problem in den geschäftlichen Beziehungen, in denen aufgrund einer sog. Konkurrenzklausel dem einen Teil ein begrenztes oder unbegrenztes Wettbewerbsverbot auferlegt wird. Hier handelt es sich auch um wettbewerbsheteronome Verhältnisse, wenn der eine Teil der Arbeitgeber

2653

s. oben sub 2 a. Diese Konstellationen muß das BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397, im Auge gehabt haben, als es das Abwägungsgebot des Gesetzgebers bei der Kollision der Wettbewerbsfreiheit mit anderen Rechtsgütern - auch die Wettbewerbsfreiheit der anderen Wettbewerber - betonte (vgl. dazu oben sub c aa). 2655 M a n muß hier darauf hinweisen, daß neben Unternehmern (Mitbewerbern, Lieferanten, Abnehmern usw.) auch die Verbraucher als Marktgegenseite in einer schwachen Position in Betracht gezogen werden können, die von einer Wettbewerbsbeschränkung weiter gefährdet oder beeinträchtigt werden kann - vgl. dazu Röper, in: FS Sölter 48 ff. -, so daß der staatliche Schutz ihrer grundrechtlichen Positionen von Verfassungs wegen im Rahmen der Schutzpflichtdogmatik geboten ist. 2656 So Scholz, Entflechtung, S. 109. 2657 y g] dazu oben sub c aa. 2654

31 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

(Personal, Unternehmer usw.) und der andere der Arbeitnehmer (Gehilfe, Handelsvertreter usw.) ist. Das BVerfG hat dazu Stellung genommen.

α) Die Rechtsprechung des BVerfG unter besonderer Berücksichtigung des sog. Handelsvertreter-Urteils Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist das sog. HandelsvertreterUrteil 2 6 5 8 . Was die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates anbelangt, ist besonders die Frage zu erörtern, ob eine gesetzliche Regelung, wie ζ. B. im vorliegenden Fall § 90 a I I 2 HGB, die ausdrücklich erlaubt 2659 , daß ggü. dem einen Teil (im vorliegenden Fall einem Handelsvertreter) ein Wettbewerbsverbot ggf. ohne eine angemessene Karenzentschädigung angeordnet wird, die staatliche Schutzpflicht aktivieren und demgemäß ein subjektives Recht auf Schutz begründen kann; verneinendenfalls sollte man die Möglichkeit ermitteln, ob statt dessen das negative Abwehrrecht ausgelöst wird oder, wenn nichts von beiden zutreffend ist, ob ein Fall der sog. Drittwirkung der Grundrechte vorliegt. Eine Schlüsselrolle kommt der Frage nach dem Urheber der Wettbewerbsbeschränkung bzw. der Wettbewerbsbeschränkung ohne Karenzentschädigung zu: Ist es der Gesetzgeber, der Handelsvertreter selbst im Rahmen seiner privatautonomen Selbstbindung oder der Unternehmer Dritter im Rahmen einer Fremdbestimmung 2660? Dazu sollte man einige interessante Punkte dieses Urteils, die genau seine Konzeption und den Hintergrund jeder ihrer Dimensionen zeigen, darstellen. Das Gericht geht davon aus, daß ein vertraglich zwischen einem Unternehmen und seinem Handelsvertreter vereinbartes zweijähriges Wettbewerbsverbot nach dem Ablauf des Arbeitsvertrages für den zweiten eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit aus Art. 12 I GG sei 2661 . Diese weitreichende berufliche Beschränkung finde ihre rechtliche Grundlage allerdings nicht primär in staatlichem Handeln, vielmehr habe der Handelsvertreter selbst einer entsprechenden Verpflichtung vertraglich zugestimmt. Eine solche rechtsgeschäftliche Selbst2658

BVerfGE 81, 242 ff. Anders liegt der Fall bei §§ 60, 112 HGB, § 161 II HGB i. V. m. §§ 165, 112 HGB, die ausdrücklich ein (gesetzliches) Wettbewerbsverbot für jeweils Handlungsgehilfen und OHG-Gesellschafter bzw. KG-Komplementäre anordnen. In diesem Fall handelt es sich um einen Grundrechtseingriff - so auch Achterberg, in: JZ 1975, S. 716 und die Auslösung des Abwehrgrundrechts (Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG) des von dem Wettbewerbsverbot betroffenen Handlungsgehilfen bzw. OHG-Gesellschafters (s. oben sub IV 2 d aa α). Die gesetzgeberische Schutzpflicht wird erst bei der Ausgestaltung dieses Wettbewerbsverbots (vgl. §§74 ff.) ausgelöst; vgl. ebenso wie § 90 a HGB den § 133fGewO. 2660 Vgl. dazu Hermes, in: NJW 1990, S. 1766. 2661 BVerfGE 81, 242, 253. 2659

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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bindung führe zwar zu einer Beschränkung beruflicher Mobilität, sei aber zugleich Ausübung individueller Freiheit 2662 . Zur Ausübung der Möglichkeit, sich eine wirtschaftliche Grundlage der Existenz zu schaffen, sei es regelmäßig erforderlich, Bindungen auf Zeit oder auf Dauer durch zivilrechtliche Verträge einzugehen, in denen sich beide Vertragsteile wechselseitig in ihrer beruflichen Handlungsfreiheit 2663 beschränkten, und zwar im Austausch mit der ausbedungenen Gegenleistung 2664 . Die vertragliche Bestimmung dieser gegenseitigen Bindungen sei Ausübung grundrechtlich geschützter Positionen, die grundsätzlich vom Staat zu respektieren seien 2665 . Da die Privatautonomie nur im Rahmen der geltenden Gesetze bestehe, die ihrerseits an die Grundrechte gebunden seien (vgl. Art. 1 I I I GG), und das GG keine wertneutrale Ordnung sein wolle, sondern in seinem Grundrechtsabschnitt objektive Grundentscheidungen getroffen habe, die auch für das Zivilrecht und insbesondere diejenigen seiner Vorschriften gelten würden, die zwingendes Recht enthielten, reiche die Feststellung und Beachtung des Vertragsinhalts nicht aus, um die Wettbewerbsunterlassung unter allen Umständen zu rechtfertigen 2666 . Die Privatautonomie beruhe auf dem Prinzip der Selbstbestimmung2667 und setze voraus, daß einer der Vertragsteile nicht so starke Übermacht habe, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen könne - sonst würde dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung bewirken 2668 . Bei einer solchen Sachlage müßten staatliche 2662 BVerfGE 81, 242, 253 f.; vgl. auch BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S. 149; Knöpße, Ist die Freiheit, S. 182; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 146; Hillgruber, in: AcP 1991, S. 73, der betont, daß der Handelsvertreter durch den Abschluß des zweijährigen Wettbewerbsverbotes seine negative Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit für diese Zeit ausgeübt habe. 2663 j y j a n m u ß darunter nicht nur die freie Berufswahl, sondern auch die freie Berufsausübung verstehen; vgl. auch BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter). 2664 Vgl. auch Thiele, in: JR 1977, S. 362. 2665 BVerfGE 81, 242, 254 (Handelsvertreter); vgl. auch BVerfGE 89, 214, 231 (Bürgschaft) - unter Hinweis auf E 8, 274, 328 (Preisgesetz), und E 72, 155, 170; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 184; vgl. ebenso unten sub C I 4 b. 2666 BVerfGE 81, 242, 254 (Handelsvertreter); zustimmend BAG AP §611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18^. 2667 Vgl. auch BVerfGE 89, 214, 231 (Bürgschaft), wonach unter Hinweis auf Erichsen, in: HdDStR, VI, § 152, Rd. 58, die Privatautonomie als "Selbstbestimmung des einzelnen im Rechtsleben" von Art. 2 I GG gewährleistet wird; genauso BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; zustimmend Canaris , in: AP Nr. 65 7 zu Art. 12; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 , kritisch dagegen zu der Darlegung des BVerfG in diesem Punkt seiner Bürgschaft-Rechtsprechung Zöllner, in: AcP 1996, S. 13 f. 2668 BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter). Später hat das Gericht in dem sog. Bürgschaft-Urteil seine Vorstellungen über die Frage, wie sich die Fremdbestimmung in den geschäftlichen Beziehungen nachvollzieht, fortgesetzt und weiterentwickelt, indem

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Regelungen ausgleichend eingreifen, um dem Grundrechtsschutz zu genügen 2669 . Da sich der Verfassung nicht entnehmen läßt, wann Ungleichgewicht so schwer wiegt, daß die Vertragsfreiheit durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzt oder ergänzt werden müsse, sei dies eine Sache und Aufgabe des Gesetzgebers, wobei er zur Erfüllung dieser Aufgabe eine weite Gestaltungsfreiheit besitze 2670 . Schließlich greift das Gericht auf die Grundrechtskollisionproblematik und das Verhältnismäßigkeitsprinzip nach den Maßgaben der Güterund Interessenabwägung als Mittel der Kollisionslösung zurück 2671 .

es darlegt, daß die ordentlichen Gerichte im Inhalt der Verträge kontrollieren müssen, ob er zum einen die eine Seite ungewöhnlich belastet und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen ist, und zum anderen, ob die vertraglichen Regelungen eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind - vgl. BVerfGE 89, 214, 234; genauso BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185; vgl. auch ausführlicher unten sub C I 4b, e; weiterhin dazu Rittner, in: NJW 1994, S. 3330; Graf von Westphalen, in: MDR 1994, S. 5; Singer, in: JZ 1995, S. 1137 (m. w. N.), der darlegt, daß das BVerfG eine grundrechtliche Schutzpflicht in diesem Fall anerkennt, "wenn die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie typischerweise nicht gewährleistet sind"; Franke, in: JuS 1996, S. 390; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 148; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98. 2669

BVerfGE 81, 242, 254 f. (Handelsvertreter) im Anschluß an Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 37 f.; vgl. auch BVerfGE 85, 191, 213 (Nachtbackverbot für Frauen); 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 381; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BAG AP §611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 , Scholz, Entflechtung, S. 96, 110; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 149. 2670 BVerfGE 81, 242, 255 (Handelsvertreter); 89, 214, 231 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S.381; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. auch BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18^; Scholz, Entflechtung, S. 95 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 522, 525; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 12, Rd. 150; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397, nach der im Anschluß an Scholz, a. a. O, S. 111, der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die Wettbewerbsfreiheit überall und unter allen Bedingungen zu fördern bzw. gegenüber anderen Schutzgütern zu schützen. Dieser Spruch der 3. Kammer des ersten Senats des BVerfG relativiert seine Position über die staatliche Schutzpflicht. Wenn man die zwei Urteile vereinbaren und keine Widersprüche feststellen will, muß man davon ausgehen, daß das Gericht prinzipiell dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum zuerkennt. Es betrachtet aber sein Eingreifen zuungunsten der Wettbewerbsfreiheit für erforderlich und u. U. geboten, wenn damit die sozial und wirtschaftlich Schwächeren (Argument aus dem Sozialstaatsprinzip) der Vertragsparteien geschützt werden können; vgl. auch Scholz, a. a. O, S. 111. 2671 BVerfGE 81, 242, 255, 260 ff. (Handelsvertreter); vgl. auch BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. auch BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185> und die Ausführung von Scholz, Entflechtung, S. 98, 114; analytisch oben sub V 2 a cc.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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ß) Anmerkung - Stellungnahme: Abwehr- oder Schutzrecht? Bei diesen Darlegungen kann man ohne weiteres eine Darstellung zahlreicher grundrechtsdogmatischer Probleme feststellen. Der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung liegt auf der vorher genannten Frage 2672 . Man muß als erstes die Meinung, die eine Drittwirkung der einen oder anderen A r t 2 6 7 3 in diesem Problem sieht, ablehnen. Hier handelt es sich nicht um die direkte Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten (sog. unmittelbare Drittwirkung) 2 6 7 4 , es handelt sich auch nicht um ihre Einwirkung bzw. Austrahlungswirkung auf das Privatrecht mit der Auslegungshilfe der Einbruchsstellen seiner Generalklauseln oder anderer auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe (sog. mittelbare Drittwirkung) 2 6 7 5 . Es handelt sich um eine spezifische Norm des einfachen (Zivil-)Gesetzgebers (§ 90 a I I 2 HGB), der, wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, nach Art. 1 I I I GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist 2 6 7 6 . Der Verweis auf Art. 1 I I I GG weist zunächst auf das Abwehrrecht als negatives Eingriffsrecht hin. Der Gesetzgeber hat eine Regelung erlassen, die in die Freiheit eingreift. Soweit das der Fall ist, kann man davon ausgehen, daß das subjektive Abwehrrecht aus Art. 12 I GG i. V. m. Art. 1 I I I und 93 I Nr. 4 a GG ausgelöst ist und die aufgrund dessen erhobene Verfassungsbeschwerde diesen Gegenstand hat. Der Gesetzgeber hat durch Handlung seine Pflicht verletzt - wenn man von einer Grundrechtsverletzung ausgeht, wie es im Endergebnis auch das Gericht tut -, einen (verfassungsrechtlich ungerechtfertigten) Grundrechtseingriff zu unterlassen und nicht das Grundrecht positiv zu schützen 2 6 7 7 . Diese Rechtsposition enthält teilweise zutreffende Bemerkungen - sie ist aber nur die eine Seite der Medaille und verkennt die andere Seite. Denn die umstrittene Vorschrift regelt die Beziehungen zwischen Privaten. In diesen Beziehungen wird das Rechtsgut des einen Grundrechtsträgers (die Wettbewerbsfreiheit des Handelsvertreters als freie Wahl des Berufs bzw. des Arbeitsplatzes - Freiheit zum Wettbewerb) von der Grundrechtsausübung eines anderen Grundrechtsträgers (Wettbewerbsfreiheit des Unternehmers als freie Be-

2672 y g ]

0

b

e n

α

2673

Vgl. dazu unten sub C I 3. So auch Canaris , in: AP Nr. 65 8 zu Art. 12; vgl. ders., in: AcP 1984, S. 228 f. anläßlich des Wettbewerbsverbots nach den §§ 74 ff.; a. A. Hillgruber, in: AcP 1991, 2674

S. 71 f.; Zöllner, in: AcP 1996, S. 9. 2675 So auch zutreffend Hermes, in: NJW 1990, S. 1767; vgl. auch Oeter, in: AÖR 1994, S. 549; vgl. weiter zum ähnlichen § 75 III HGB Achterberg, in: JZ 1975, S. 717. 2676 Vgl. auch Canaris , in: AP Nr. 65 7 zu Art. 12; Hager, in: JZ 1994, S. 374 ff.; Classen , in: AÖR 1997, S. 76; ferner Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98. 2677 Vgl. die Ausführung Schwabes, in: DVB1. 1990, S. 477 ff.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

rufsausübung - Freiheit im Wettbewerb) bedroht bzw. beeinträchtigt 2678 . Daß die Vertragsvereinbarung Ausfluß des Selbstbestimmungsrechts und der daraus resultierenden Vertragsfreiheit ist, die im betreffenden Fall ihre grundrechtliche Stütze in Art. 12 I GG als lex specialis der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG findet, liegt auf der Hand 2679 . Genauso aber liegt es auf der Hand, daß in einem solchen Rechtsverhältnis normalerweise der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen eine vertragliche Übermacht besitzt, so daß er sich während der Verhandlungen zum Vertragsabschluß in einer faktischwirtschaftlich "stärkeren" Verhandlungsposition befindet. In diesem Sinne ist die Gefahr, die von der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit des Handelsvertreters nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses herrührt und die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit des Unternehmers bedroht, entsprechend geringer als umgekehrt 2680 . Deswegen besteht eine Schutzpflicht für die öffentliche Gewalt und in erster Linie für den Gesetzgeber, die Wettbewerbsfreiheit beider Beteiligten in solchen Fallkonstellationen zu schützen 2681 . Diese Schutzpflicht bekommt aber im Fall des Handelsvertreters ein viel größeres Gewicht. Als die Erfüllung dieser Schutzpflicht kann § 90 a HGB betrachtet werden (vgl. auch §§74 ff. HGB, 133 f GewO) 2682 , dessen Absatz I im zweiten Satz genauso nach wie vor der Gesetzesänderung durch das Gesetz vom 23. 10. 1989 (BGBl. I, 1910) regelt, daß die das Wettbewerbsverbot auferlegende Abrede nur für längstens zwei Jahre von der Beendigung des Vertragsverhältnisses an getroffen werden können soll. Darüber hinaus ist der Unternehmer nach Satz 3 derselben Vorschrift verpflichtet, dem Handelsvertreter eine angemessene Entschädigung zu zahlen. § 90 a I I 1 HGB gibt dem Unternehmer die Möglichkeit, u. U. auf die Wettbewerbsbeschränkung mit der Wirkung zu verzichten, daß er von der 2678 H j e r m u ß dargelegt werden, daß auch die Wettbewerbsfreiheit des Unternehmers von der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit des Handelsvertreters bedroht wird, im Falle, daß letzterer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in derselben Branche wettbewerblich tätig wird (vgl. dazu oben sub V 2 b cc ß). 2679 Vgl. auch BVerfGE 86, 122, 130 (Schülerzeitung). 2680 j ) a s verkennt aber Zöllner, in: AcP 1996, S. 12 f , der von einem (legitimen) Grundrechtsverzicht des Handelsvertreters bei dem Abschluß des Handelsvertrages spricht; vgl. im Ergebnis auch Diederichsen, in: Starck, S. 74, ohne auf den Argumentationstopos des Grundrechtsverzichts zu rekurrieren. Der Topos des Grundrechtsverzichts ist im betreffenden Fall fehl am Platz. Denn der Grundrechtsverzicht bezieht sich auf den Verzicht der Grundrechtsausübung gegenüber der grundrechtsgebundenen öffentlichen Gewalt und nicht gegenüber einem grundrechtsfähigem Privaten - vgl. ausführlich dazu Stern, Staatsrecht III/2, S. 887 ff. Hier handelt es sich um eine Selbstgrundrechtsbeschränkung.

2681 Daß die gesetzliche Auferlegung eines Wettbewerbsverbots Schutzcharakter für den Arbeitgeber hat, vgl. BAG BB 1996, S. 379. Danach erfüllt das Wettbewerbsverbot seinen Schutzzweck, wenn es entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch in den Kunden- oder Lieferantenkreis verhindern soll. Das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt nicht (vgl. auch oben und unten). 2682 So auch Canaris , in: AP Nr. 65 8 zu Art. 12.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. § 90 a I I I HGB gibt zum anderen dem Handelsvertreter die Möglichkeit, im Falle eines schuldhaften Verhaltens des Unternehmers sich ggf. von der Wettbewerbsabrede loszusagen. Schließlich sieht § 90 a IV HGB vor, daß für den Handelsvertreter nachteilige abweichende Vereinbarungen nicht getroffen werden können. Dieser Normenkomplex würde die kollidierenden grundrechtlichen Interessen beider beteiligten Parteien, vor allem des schwächeren Handelsvertreters - vgl. insbesondere § 90 a IV HGB, die ausschließlich einen Schutzcharakter hat 2683 -, befriedigend berücksichtigen und schützen, wenn es Satz 2 des Absatzes I I nicht gäbe, der im Falle einer Kündigung des Vertragsverhältnisses vom Unternehmer wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters die Karenzentschädigung für letzteren ausschließt. Diese Regelung nimmt keine Rücksicht darauf, daß der Handelsvertreter für eine Zeit von bis zu zwei Jahren nicht nur am Wettbewerb nicht teilnehmen darf bzw. ohne Beruf und die daraus resultierenden Lebensgrundlage bleibt 2 6 8 4 , sondern auch ohne eine andere finanzielle Möglichkeit, die diesen Mangel mindestens teilweise ausgleichen und eventuell die Basis für seinen späteren Zugang zum Wettbewerb nach dem Ablauf des Wettbewerbsverbots sein könnte. Die Rolle dieser Ersatzmöglichkeit kommt der Karenzentschädigung zu. Der Gesetzgeber verletzt mit dieser Regelung seine Pflicht, die Wettbewerbsfreiheit des Handelsvertreters vor der wirtschaftlichen und vertraglichen Übermacht des Unternehmers zu schützen, die auch zu einer Fremdbestimmung während der Bestimmung der privatrechtlichen vertraglichen Beziehungen führen kann 2685 . Er bleibt zwar nicht untätig, soweit er § 90 a HGB erlassen hat; seine Möglichkeiten, die Wettbewerbsfreiheit zu schützen, sind aber in bezug auf den Ausschluß der Karenzentschädigung unterschritten 2686 . Denn sie nimmt den Schutz, den sie mit Absatz 1 gewährt, durch den Absatz I I Satz 2 zurück, "ja verhindert ihn geradezu" 2687 und erreicht

2683

Anders aber Hillgruber, in: AcP 1991, S. 77. Vgl. BVerfGE 81, 242, 256 ff. (Handelsvertreter), wo das Gericht ausreichend erklärt, warum das der Fall ist. 2685 Qj e Betroffenheit der Schutzpflichtlehre im vorliegenden Fall bejahen auch Ca2684

naris , in: AP Nr. 65 8 zu Art. 12; Hermes, in: NJW 1990, S. 1766 ff; Wiedemann , in: JZ

1990, S. 696 ff.; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 55 ff.; tendenziell auch H.-J. Cremer, Auslandsfolgen, S. 238, Fn. 28 (dort); vgl. bereits früher F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 523; a. A. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 131; ders., in: JZ 1996, S. 1089, Fn. 29 (dort); Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 144; Zöllner, in: AcP 1996, S. 11, der der Schutzpflichtlehre ohnehin kritisch gegenübersteht. 2686 So Hermes, in: NJW 1990, S. 1768; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98. Das Argument verweist auf das Untermaßverbot und seine Beziehung auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip; a. A. Hillgruber, in: AcP 1991, S. 81 f., der die Regelung des 90 a II 2 GG im gesamten Komplex des § 90 a GG und der bürgerlichrechtlichen Vorschriften als verhältnismäßig betrachtet. 2687 So Canaris , in: AP Nr. 65 8 zu Art. 12; vgl. auch Hermes, in: NJW 1990, S. 1767.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

das Gegenteil - die Wettbewerbsfreiheit wird eingeschränkt. Gerade in diesem Punkt stellt die Norm des § 90 a I I 2 GG einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I GG des Handelsvertreters dar 2688 , weil sie die rechtlichen Konsequenzen aus dem Verhalten der betroffenen Person (Handelsvertreter) bestimmt und dementsprechend seine Freiheit verkürzt. Infolgedessen wird über die Schutzpflicht des Staates (objektiv- und subjektiv-rechtlich) hinaus das negative Eingriffsrecht des Handelsvertreters aktiviert. Der Gesetzgeber trägt eine Mitverantwortung für die Vereinbarung einer Abrede, die ein Konkurrenzverbot ohne Karenzentschädigung vorsieht, wobei er sie nicht nur ausdrücklich erlaubt 2689 , sondern vielmehr die Karenzentschädigung ausdrücklich ausschließt2690. Man muß wohl zugeben, daß § 90 a I I 2 GG von sonderbarer Natur ist. Er enthält eigentlich ein Tun des Gesetzgebers, das normalerweise in das Abwehrrecht eingreift, aber ausnahmsweise auch in die Schutzpflicht 2691 und das daraus resultierende Recht auf Schutz 2692 , sofern er eine ungerechtfertigte bzw. unverhältnismäßige Ausnahme zu der ansonsten ordentlichen Erfül-

2688

So auch Canaris, in: AP Nr. 65 8 zu Art. 12; Wiedemann , in: JZ 1990, S. 696. Hier legt Achterberg, in: JZ 1975, S. 717, dar, daß allein die gesetzliche Ermächtigung noch keinen Verstoß gegen die Berufsfreiheit bedeute; zu einem solchen könne es vielmehr erst dann kommen, wenn von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und das Wettbewerbsverbot vereinbart werde. Diese Position, obwohl sie einen richtigen Ausgangspunkt hat, leidet daran, daß sie zu weit geht. 2690 V g i a u c h Canaris, in: AP Nr. 65 8 zu Art. 12; dagegen hebt Schwabe, in: DVB1. 1990, S. 477 ff, konsequenterweise auf der Linie seiner Theorie (vgl. dazu oben sub 2 a aa) die absolute Verantwortung des Gesetzgebers für die umstrittene Regelung hervor, während Hermes, in: NJW 1990, S. 1766, nur fìir die Anwendung der Schutzpflichtlehre mit dem Argument plädiert, daß die Wettbewerbsbeschränkung nicht auf einem konstitutiven Akt der öffentlichen Gewalt beruhe. Selbst wenn das Auferlegen des Wettbewerbsverbots nicht auf einem konstitutiven Akt der öffentlichen Gewalt beruht - es ist richtig, daß § 90 a I 1 HGB bloß deklaratorische Bedeutung hat -, ist das bei dem Ausschluß der Karenzentschädigung nicht der Fall. Denn dieser Ausschluß wird durch § 90 a II 2 GG ausdrücklich und diesmal konstitutiv auferlegt, so daß seine Erwähnung in der vertraglichen Wettbewerbsklausel bloße deklaratorische Bedeutung hat. 2691 Zur Doppelfunktion dieser Vorschrift vgl. Canaris , in: AP Nr. 65 8 zu Art. 12; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 120; Wiedemann, in: JZ 1994, S. 696 f.; vgl. aber anders Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 116 f , der in einer solchen rechtlichen Situation die Auslösung des Abwehrrechts bevorzugt. Denn das subjektive Grundrecht auf Schutz stehe neben dem Abwehrrecht subsidiär; Zöllner, in: AcP 1996, S. 12, Fn. 41 (dort) - vgl. auch zur einschlägigen Problematik die Fn. 2545 mit Nachweisen bezüglich Rechtsprechung und Literatur; vgl. auch die Gegenmeinung von E. Klein, in: NJW 2689

1989, S. 1640; Hermes, in: NJW 1990, S. 1766 ff.; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98,

und die Fn. 2690. 2692 F ü r die Ableitung eines subjektiven Rechts auf Schutz in dem vorliegenden Fall für den Handelsvertreter plädiert ohne Bedenken Hermes, in: NJW 1990, S. 1767 f.

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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lung der grundrechtlichen Schutzpflicht vorsieht 2693 . Infolgedessen stellt die hier vertretene These kein Paradoxon dar 2 6 9 4 2 6 9 5 .

e) Sonderprobleme der staatlichen Pflicht zum Schutz der Wettbewerbsfreiheit Die Untersuchung der Problematik der grundrechtlichen Schutzpflicht wird durch die Darstellung dreier Sonderprobleme ergänzt, die seit langem Recht2693 Um diese Meinung überzeugender begründen zu können, muß auf die rechtlichen Folgen zurückgegriffen werden, sollte es § 90 a II 2 HGB nicht geben: In diesem Falle also sollte eine Abrede, die einen Ausschluß der Karenzentschädigung vorsehen würde, falls der Unternehmer das Vertrags Verhältnis aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters kündigte, als unwirksam nach § 90 a IV HGB und als nichtig nach derselben Vorschrift i. V. m. § 134 BGB gelten. Diese Folge würde sich gem. § 139 BGB auf das ganze Wettbewerbsverbot auswirken. Die gesetzgeberische Schutzpflicht würde vollkommen verfassungsmäßig realisiert werden - vgl. dazu auch BVerfGE 81, 242, 259 (Handelsvertreter); Canaris , in: AP Nr. 6 5 1 1 zu Art. 12 GG. Dagegen zeigt das Zurückgreifen auf § 138 I BGB, mit dessen Hilfe der Zivilrichter den Vertrag zwischen Unternehmer und Handelsvertreter nach der Erklärung des § 90 a II 2 HGB als verfassungswidrig zu modifizieren habe, wie Hager, in: JZ 1994, S. 380, vorschlägt, ein Verkennen der konstitutiven Wirkung des § 90 a IV HGB. 2694 Das BVerfG hat den § 90 a II 2 HGB zwar mit dem Art. 12 I GG für unvereinbar, aber nicht für nichtig erklärt, weil dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit zur Verfügung stünden - so BVerfGE 81, 242, 243, 263; kritisch zu dieser Haltung Hager, in: JZ 1994, S. 380. Der Gesetzgeber war durch das Gesetz vom 23. 10. 1989 (BGBl. I, 1910) schon vor dem Handelsvertreter-Urteil tätig geworden und hat den § 90 a I 2 HGB dadurch ergänzt, daß das Wettbewerbsverbot für den Handelsvertreter sich nur auf den ihm zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und nur auf die Gegenstände erstrecken dürfe, hinsichtlich derer sich der Handelsvertreter um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen hat. Die Einfügung dieser Klausel bedeutet neben der bereits vorhandenen zeitlichen auch eine örtliche sowie gegenständliche Einschränkung des Wettbewerbsverbots, natürlich zugunsten des Handelsvertreters. Sie ist als Verstärkung des Schutzes der Wettbewerbsfreiheit des Handelsvertreters durch den Gesetzgeber zu verstehen und deshalb zu begrüßen. Ob sie aber den Maßstäben des Handelsvertreter-Urteils in bezug auf die Verhältnismäßigkeit des § 90 a II 2 HGB entspricht ist eine andere Frage, die man eher verneinen soll - vgl. dazu Canaris , in: AP Nr. 65^ zu Art. 12 GG. Außerdem hatte der Gesetzgeber das Handelsvertreter-Urteil nicht im Blick, als er den § 90 a I 2 HGB ergänzt hat, so daß man nicht behaupten kann, daß er deswegen tätig geworden sei, um die Verfassungswidrigkeit des § 90 a II 2 HGB zu heilen. 2695 ygj a u c h z u r ähnlichen Problematik des Wettbewerbsverbots nach §§74 ff. HGB Canaris , in: AP Nr. 65 9 zu Art. 12 GG. Dagegen gelten §§60, 112 f. HGB, § 161 II HGB i. V. m. §§ 165, 112 f. HGB, die ausdrücklich ein Wettbewerbsverbot für die Handlungsgehilfen oder OHG-Gesellschafter bzw. KG-Komplementäre und damit einen Eingriff in ihre Wettbewerbsfreiheit erlauben, als die Erfüllung der gesetzgeberischen Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit (Art. 121, 141 GG) der UnternehmerArbeitgeber bzw. der anderen Gesellschafter der Gesellschaft sowie der Gesellschaft selbst, die auch über Art. 19 III GG Träger der Wettbewerbsfreiheit ist - vgl. dazu bezüglich des § 60 HGB Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 122, und der GmbH sowie der GmbH-Gesellschafter C. Münch, in: NJW 1993, S. 228.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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sprechung und Schrifttum beschäftigt haben, aber wegen ihrer neueren Entwicklungen sowie in der Verfassungsgesetzgebung neue praktische Relevanz erlangt haben. Diese stellen die Fragen nach dem Schutz der Wettbewerbsfreiheit durch materielle Leistung (aa), nach der Schutzpflicht für die Grundrechte, die diesmal von der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit bedroht oder gestört werden (bb), und nach der Relation der grundrechtlichen Schutzpflicht zu dem Staatsziel Umweltschutz, den der neue Art. 20 a GG eingeführt hat (cc).

aa) Schutz durch materielle Leistung? α) Das sog. Zweitregister-Urteil des BVerfG als Ausschnitt aus seiner Schutzpflichtrechtsprechung - Anmerkung Es wurde bereits ausgeführt, daß weder die objektiv-rechtliche Schutzpflicht noch das subjektive Recht auf Schutz mit dem subjektiven Leistungsgrundrecht verwechselt werden dürfen, obwohl es bei ihrer Erfüllung auf ein positives Tun ankommt 2696 . Demzufolge kann kein subjektives Recht auf Schutz durch materielle Leistung begründet werden, selbst wenn die Ausübung des Grundrechtes leerzulaufen droht. Denn im letzten Fall wird die Ausübung des Grundrechts nicht von Dritten bedroht, so daß die staatliche Schutzpflicht ausgelöst werden sollte. Jegliche Verpflichtung der öffentlichen Gewalt, das Grundrecht vor dem Leerlaufen zu schützen, läßt sich direkt aus dem Sozialstaatsgebot (Art. 201, 28 I GG) in Verbindung mit dem jeweiligen Grundrecht ableiten. Infolgedessen sollte die Diskussion bezüglich der Frage, ob die grundrechtliche Schutzpflicht durch materielle Leistung oder sogar durch das Geltendmachen eines Leistungsrechts erfüllt werden kann, hier endgültig erledigt sein. Die Frage ist aber erneut in dem sog. Zweitregister-Urteil des BVerfG 2 6 9 7 aufgetaucht. Das Gericht wiederholt seine Argumentation bezüglich des Genügens der staatlichen Schutzpflicht im Rahmen des (völker)rechtlich und tatsächlich Möglichen auch "für den Einsatz von Haushaltsmitteln, soweit wirksamer Schutz vor äußeren Beeinträchtigungen nur dadurch erkauft werden kann". Eine Verpflichtung dazu könne den Staat nur im Rahmen seiner Verantwortung für den Staatshaushalt als Ganzes treffen 2698 . Als Beispiele werden Finanzhilfen und Steuervorteile genannt 2699 . Das judicial self-restraint des Gerichts ist offensichtlich. Diese Darlegungen stellen einen Ausschnitt aus der Rechtsprechung des BVerfG über die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates dar. Das Gericht

2696

Vgl. oben sub 2 c aa. BVerfGE 92, 26,46 f. 2698 Vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1983, S. 2932. 2699 V g i a u c h j a b e r z u w e i t > stober, in: BB 1996, S. 1850 f. 2697

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

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nimmt zum ersten Mal an, daß die öffentliche Gewalt von Verfassungs wegen in bezug auf die Grundrechte und ihren objektiv-rechtlichen Gehalt und nicht mehr kraft des Sozialstaatsprinzips verpflichtet ist, ein Grundrecht vor Störungen seitens Dritter durch materielle Leistung zu schützen. Unterdessen, soweit man wie hier davon ausgeht, daß die objektiv-rechtliche Schutzpflicht u. U. in ein subjektives Recht auf Schutz erweitert oder umgewandelt werden kann, muß man akzeptieren, daß im Falle der Erfüllung der objektiven Schutzpflicht durch materielle Leistung ihre Metamorphose in ein subjektives Recht auf Schutz die Form des subjektiven Leistungsrechts unter den bereits genannten Bedingungen erlangen soll.

ß) Das sog. Zweitregister-Urteil des BVerfG und die Schutzpflicht durch materielle Leistung für die Wettbewerbsfreiheit Diese Schlüsse des sog. Zweitregister-Urteils haben auch praktische Bedeutung für die Wettbewerbsfreiheit, die ihr Gegenstand war. Die Tatsache, daß die Wettbewerbsfreiheit im Sinne der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber/Unternehmer der Gegenstand war, spielt nur eine geringe Rolle. Die Frage ist nun, ob sich aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Wettbewerbsfreiheit bzw. der Grundrechte, die ihren Schutzbereich bilden (insbesondere Art. 121, 14 I 1 GG), eine staatliche Schutzpflicht ableiten läßt, die durch materielle Leistung erfüllt und ggf. in ein subjektives Leistungsrecht transformiert werden kann, wenn die Wettbewerbsfreiheit von Störungen seitens Dritter bedroht wird 2 7 0 0 . Es wurde an anderen Stellen dargelegt, daß sich weder aus Art. 121 GG noch aus einem anderen wirtschaftlichen Grundrecht ein Recht auf Schutz vor privatem Wettbewerb ableiten läßt 2701 . Aus diesen Grundrechten wird auch nicht ein Anspruch auf Subventionierung begründet 2702 . Dasselbe gilt für andere finanzielle Begünstigungen. Dagegen kann ggf. die finanzielle Förderung eines Mitbewerbers durch die öffentliche Gewalt einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit seines(r) Konkurrenten darstellen 2703 . Die Annahme einer Schutzpflicht, die durch materielle Leistung erfüllt und u. U. eingeklagt werden kann, bringt die sog. sozialen (subjektiven) Leistungsgrundrechte durch die "Hintertür" der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht in die Verfassungsdiskussion 2700

Vgl. zur Frage Elbing, Zur Anwendbarkeit, S. 125. Vgl. oben sub II 2 a cc ß. 2702 Ebenda. 2703 In diesem Fall kann die Förderung und Verstärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen durch die finanzielle Begünstigung als ein "legitimer Zweck" betrachtet werden, der mit dem Eingriff durch die Begünstigung erreicht werden soll. 2701

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

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und die Grundrechtsdogmatik ein, während die "Eingangstür" für sie wegen ihres prinzipiell schwierig einklagbaren Charakters in der Regel verschlossen bleibt. Damit taucht wieder die Gefahr auf, einen Schutz vor (ausländischem) Wettbewerb von Verfassungs wegen begründen zu wollen. Deswegen muß man die ganze Problematik der Schutzpflicht durch materielle Leistung vorsichtig handhaben und die entsprechende Zweitregister-Rechtsprechung des BVerfG dazu zurückhaltend interpretieren. Außerdem war auch das Gericht selbst in diesem Urteil vorsichtig und zurückhaltend, obwohl nicht einheitlich, wie sich bereits gezeigt hat 2 7 0 4 . Aus den bereits dargelegten Gründen muß man eine Schutzpflicht ausschließen, soweit die Wettbewerbsfreiheit inländischer Wettbewerber durch den Wettbewerb ihrer auländischen Konkurrenten "bedroht" wird. Dadurch kann nicht ein "Recht auf Subventionierung" oder "sonstige finanzielle Förderung" begründet werden. Wenn die deutsche öffentliche Gewalt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen durch Subventionen usw. fördern will, kann sie das vorbehaltlich ihrer völkerrechtlichen und europarechtlichen Verpflichtungen (vgl. Art. 92 f f , 95 ff. EGV) tun, ohne von Verfassungs wegen dazu verpflichtet zu sein 2705 . Ebenso muß der Fall gelöst werden, selbst wenn inländische Wettbewerber von einem Verdrängungswettbewerb mit ausländischen Konkurrenten gefährdet werden 2706 . Der Verdrängungswettbewerb als solcher darf nicht als "Störung" seitens Dritter in dem bereits dargelegten Sinne 2707 verstanden werden und kann demgemäß nicht die Schutzpflicht des Staates aktivieren. Da aber dadurch die Existenz einer gesamten Unternehmensbranche gefährdet werden und die Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit der betroffenen Unternehmer leerlaufen kann, kann bzw. muß die öffentliche Gewalt im Rahmen der Sozialstaatsklausel der Art. 20 I, 28 I GG und immer vorbehaltlich des faktisch und völkerrechtlich Möglichen tätig werden 2708 . Wie bereits dargelegt wurde, begründet die Sozialstaatsklausel von Verfassungs wegen keine einklagbaren subjektiven Leistungsrechte 2709.

2704 Y g |

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ygj a b e r BVerfGE 92, 26, 46 (Zweitregister), wonach das Gericht, obwohl uneinheitlich und widersprüchlich, zur Gegenmeinung tendiert, daß es ggf. doch eine Schutzpflicht von Verfassungs wegen gebe. 2705

2706

Offengelassen im BVerfGE 92, 26, 46 (Zweitregister). Vgl. oben sub 2 d bb. 2708 y g j a b e r h i e r d i e position Brohms, in: NJW 1994, S. 283, nach der der Gesetzgeber nach dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Art. 12, 14 oder nach Art. 2 I GG eine freie wirtschaftliche Betätigung mit gleichen Chancen im Wettbewerb zu fordern und zu gewährleisten habe. Diese Formel erweckt den Eindruck, daß Brohm zu einer staatlichen Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit auch durch Förderung bzw. durch materielle Leistung neigt. 2709 s. oben sub 2 c aa. 2707

Β. Die Wettbewerbsfreiheit in der Grundrechtsdogmatik

43

Das Genügen einer Schutzpflicht durch materielle Leistung erscheint mindestens theoretisch und vorbehaltlich des EG/EU-Rechts möglich, wenn ausländische Staaten die internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen durch finanzielle Beihilfen fördern und dadurch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen benachteiligen.

bb) Schutzpflicht gegen die Wettbewerbsfreiheit Bisher wurde die Einordnung der Wettbewerbsfreiheit in die Schutzpflichtlehre aus der Sicht der Wettbewerbsfreiheit als Schutzgut bzw. Gegenstand der staatlichen Schutzpflicht vor Störungen Dritter vorgenommen. Es wird nun die staatliche Schutzpflicht dargestellt, die als Objekt bzw. Schutzgut ein anderes Grundrecht hat, das von der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit bedroht wird. In Betracht kommen, wie bereits gezeigt, vor allem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Verbraucher und Arbeitnehmer 2710 sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verbraucher 2711 und Dritter, das den Gefahren der grenzenlosen Ausübung der Wettbewerbsfreiheit ausgesetzt ist. Ein solches "verfassungsrechtliches Schutzgebot" - Schutzpflicht nach der hier befolgten Terminologie - hat der BGH für die Intimsphäre als Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die von der Telefonwerbung in einer unzumutbaren Art beeinträchtigt werden kann, anerkannt 2712 . Besonders gefährdet ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Medienorganen (Presse, Rundfunk, Fernsehen), die über ihre Kommunikationsgrundrechte (Art. 5 1 1 , 2 GG) hinaus ihre Wettbewerbsfreiheit geltend machen 2713 . Ferner kann die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit auch die Wettbewerbsfreiheit anderer Unternehmen, insbesondere ihren Ruf (good will), treffen 2714 . Bei solchen Konstellationen besteht eine Pflicht für die öffentliche Gewalt, das gefährdete und beeinträchtigte Grundrechtsgut vor der "Offensive" der Wettbewerbsfreiheit zu schützen 2715 . 2710

Vgl. statt aller BVerfGE 87, 363, 386 (Nachtbackverbot III). Vgl. statt aller BVerfGE 32, 311, 317 f. (Grabsteinwerbung); BVerwGE 87, 37, 49 ff. (Diethylenglykolweine). 2712 Vgl. BGH JZ 1989, S. 858 (Telefonwerbung II). 2713 Vgl. insbesondere BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya); BGHZ 128, 1, 9 ff. (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); BGH NJW 1996, S. 984 f. (Caroline von Monaco II - Brustkrebs). 2714 ygj die Beispiele oben sub V 2 b bb. 2711

2715 Aktuell wird das Problem des Schutzes der Intim- und Privatsphäre sowie der persönlichen Ehre (vgl. Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG sowie Art. 5 II Var. 3 GG) von Personen vor den Eingriffen der Massenmedien - vgl. letztens die Caroline-von-MonacoFälle in BGHZ 128, Iff. (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); 131, 332 ff. (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos) mit zustimmender Anmerkung Forkels, in: JZ 1997, S. 43 ff.; BGH NJW 1996, S. 984 f. (Caroline von Monaco II - Brustkrebs), in dem der BGH zutreffenderweise von einer "rücksichtslosen Zwangskommerzialisie-

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

4

Infolgedessen bekommt die Darlegung des BVerfG, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die Wettbewerbsfreiheit überall und unter allen Bedingungen zu fördern bzw. gegenüber anderen Schutzgütern abzusichern 2716 , erhebliche Relevanz. Genauer gesagt berührt es den Kernpunkt dieser Problematik.

cc) Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates und das Staatsziel Umweltschutz des neuen Art. 20 a GG Über die normative Kraft und Tragweite des neuen Umweltschutzartikels 20 a GG sowie seiner Relation zu den Grundrechten in verfassungskollidierenden Konstellationen ist bereits einiges ausgeführt worden 2717 . Es wird nun sein Verhältnis zu der grundrechtlichen Schutzpflicht ermittelt. Der Umweltschutz nach Art. 20 a GG richtet sich genauso wie die grundrechtliche Schutzpflicht an die öffentliche Gewalt (vgl. Art. 1 III, 20 I I I GG) 2 7 1 8 . Er beinhaltet nicht nur die Verpflichtung für sie, die Umwelt vor Gefahren seitens Dritter zu schützen (Handlungspflicht), sondern auch die Verpflichtung, daß sie selbst die Umwelt nicht belastet (Unterlassungspflicht) und darüber hinaus Vorsorge-, Pflege- und Verbesserungsmaßnahmen trifft (Handlungspflicht) 2719 . Seine verfassungsrechtliche Natur hat m. a. W. parallel Schutz-, Abwehr- und Leistungscharakter 2 7 2 0 . Was bereits über die Verfassungskollisionen zwischen Umweltschutz und den Abwehrgrundrechten dargelegt wurde, gilt analog für die Fallkonstelrung" und ... "Vermarktung" der Persönlichkeit spricht - vgl. auch BVerfG NJW 1998, S. 521 (fehlgeschlagene Sterilisation): "Kommerzialisierung menschlichen Daseins"; BGH GRUR 1981, S. 656 (Laienwerbung für Makleraufträge) - Kommerzialisierung der Privatsphäre. Bisher wurde die Erfüllung dieser staatlichen Schutzpflicht den Händen der richterlichen Gewalt durch die Auslegung der Generalklausel des Zivilrechts (vgl. §§ 823 I, 826, 847, 1004 BGB, § 1 UWG) überlassen, wenn man natürlich von den strafrechtlichen Vorschriften über den Ehrenschutz absieht - vgl. so Oeter, in: AÖR 1994, S. 538. Das weitere Eingreifen der gesetzgebenden Gewalt wäre zumindest unter dem Gesichtspunkt der Schutzpflicht des Staates verfassungsmäßig, obwohl man nicht vergessen darf, daß, sollten die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 I GG in Betracht gezogen werden, neben der Problematik der Realisierung der Schutzpflicht eine Menge grundrechtsdogmatischer Probleme, insbesondere die Wechselwirkungslehre des BVerfG, ausgelöst werden. Infolgedessen kann das Recht der persönlichen Ehre i. S. d. Art. 5 II Var. 3 GG und demzufolge ihr Schutz nicht mehr nur den legitimen Zweck für die Einschränkung der Grundrechte des Art. 5 I GG, sondern vielmehr die Realisierung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates darstellen. 2716

So BVerfG (Dreierkammer) NJW 1987, S. 1397. s. oben sub V 2 b d d . 2718 So Peters, in: NVwZ 1995, S. 556; Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 3; Kloepfer, in: DVB1. 1996, S. 74; Murswiek, in: NVwZ 1996, S. 223; Steinberg, in: NJW 1996, S. 1991 ff. 2717

2719

So Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 3; Kloepfer,

in: DVB1. 1996, S. 77; Murswiek,

in: NVwZ 1996, S. 225 f. 2720 Vgl. auch Murswiek, in: NVwZ 1996, S. 223 f , 225 f.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

495

lationen, in denen die staatliche Umweltschutzpflicht und die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit kollidieren 2721 . Soweit der Umweltschutz des Art. 20 a GG tatbestandlich von den Art. 2 I I 1 GG und / oder Art. 1411 GG gedeckt wird, verhält es sich genauso mit der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 20 a GG und der vom objektiv-rechtlichen Gehalt dieser Grundrechte abgeleiteten Schutzpflicht, wenn man von den subjektiven Schutzrechten, die die grundrechtlichen Vorschriften begründen, absieht 2722 . Ansonsten hat die Umweltschutzpflicht aus Art. 20 a GG einen eigenständigen Charakter.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen I. Die allgemeine Problematik der Grundrechtswirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen 1. Das Konzept der sog. Drittwirkungslehre Hier soll untersucht werden, ob neben der öffentlichen Gewalt nach Art. 1 I I I GG auch die Privaten, die nach der klassischen Grundrechtslehre nur Grundrechtsberechtigte sind, an die Grundrechte bzw. die Wettbewerbsfreiheit gebunden sein können 2723 , oder ob und gegebenenfalls wie die Grundrechte bzw. die Wettbewerbsfreiheit nicht nur auf die Beziehungen zwischen dem Staat und dem einzelnen (Staat-Bürger-Relation), sondern auf die Beziehungen

2721

2722

So Jarass, in: J/P, Art. 20 a, Rd. 6.

Vgl. dazu Kloepfer, in: DVB1. 1996, S. 78; im Ergebnis auch BVerwG NVwZ 1998, S. 628. Murswiek, in: NVwZ 1996, S. 224, geht weiter und legt dar, daß Art. 20 a GG nicht so ausgelegt werden dürfe, daß sie staatliche Umweltschutzpflichten, die sich aus den Grundrechten ergeben, abschwäche. Die Pflicht des Staates, Leben und körperliche Unversehrtheit sowie andere Rechtsgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen, sei präziser gefaßt als das Staatsziel des Art. 20 a GG und mit einem subjektiven Anspruch verbunden. Sie stehe selbständig neben dem Staatsziel und wird durch dessen Konkretisierungsbedürftigkeit nicht relativiert; vgl. auch grundsätzlich gleich Schiette , in: JZ 1996, S. 332. Anzumerken ist, daß bezüglich der Frage des Umweltschutzes Art. 20 a GG als lex specialis gegenüber den Art. 2 II 1, 14 I 1 GG gilt - a. Α. aber Schiette, a. a. O, Fn. 64 (dort). Demgemäß soll die Wirkung dieser grundrechtlichen Bestimmung, was die Umwelt angeht, subsidiären Charakter haben, und sie sollten erst dann angewendet werden, wenn sie dem einzelnen umfangreicheren Schutz gewähren als Art. 20 a GG. Das ist der Fall bei den subjektiv-rechtlichen Ansprüchen aus diesen Grundrechten, sei es als Abwehrgrundrechte, sei es als Schutzrechte, und nur in diesem Sinne muß man Murswiek und Schiette Recht geben - vgl. ähnlich Steinberg, in: NJW 1996, S. 1992. Besonders wichtig für den einzelnen bezüglich seines praktischen Schutzes sind die Gewährleistungen des Art. 14 III GG und die entschädigungspflichtigen Haftungsinstitute des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs, die natürlich nur nach einer Berufung auf den Eigentumsschutz nach Art. 14 GG ausgelöst und geltend gemacht werden können. 2723 s. dazu Stern, Staatsrecht III/l, S. 1512.

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

4

zwischen den Privaten untereinander (Bürger-Bürger-Relation) einwirken können. Dieses Problem, das die deutsche Rechtslehre und nicht nur die Staatsrechtslehre bereits vor dem Inkrafttreten des GG beschäftigt hat 2724 , wurde als "Drittwirkungsproblematik" oder -lehre" bekannt. Es hat die neue Verfassungslage Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und die Entwicklung der allgemeinen Grundrechtslehre über die Funktionen der Grundrechte 2725 im Verfassungsgefüge zugrundegelegt und gilt als eine der schwierigsten Fragen der Grundrechtsdogmatik 2726, aber auch des Privatrechts 2727. Die Frage nach einer "Drittwirkung" der Grundrechte bezieht sich direkt oder indirekt auf fast alle Aspekte der Grundrechtslehre wie den Grundrechtsschutzbereich und -eingriff, die Schutzpflichtlehre, die Schranken-Schranken (Verhältnismäßigkeitsprinzip, Wesensgehaltsgarantie), die Grundrechtskollisionen. In bezug auf die Terminologie herrscht keine Einigkeit. Neben dem Begriff "Drittwirkung der Grundrechte" werden auch die Begriffe "Horizontalwirkung" 2728 , "Geltung der Grundrechte im Privatrecht" 2729 oder "in den privatrechtlichen Verhältnissen", "Wirkung" oder "absolute Wirkung der Grundrechte im Privatrecht" 2730 oder "in der Privatrechtsordnung", "Einwirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen", "Austrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache bzw. Privatrecht" etc. verwendet. Nach einer Abgrenzung der sog. Drittwirkungsproblematik in dem hier gemeinten Sinne von anderen benachbarten Problemen und einer Untersuchung der wichtigsten "Drittwirkungstheorien" wird dargelegt, welche Theorie als die richtige behandelt werden soll und dementsprechend, welcher Begriff der zutreffendste ist. Bis dahin wird vorläufig der Begriff "Drittwirkung" etc. rein konventionell benutzt, weil er größtenteils im Schrifttum, aber mittlerweile auch in der Rechtsprechung herrscht 2731 .

2724

Vgl. die Studie von Krüger, in: NJW 1949, S. 163 ff. Vgl. dazu Bleckmann, Staatsrecht II, § 11, Rd. 1 ff. 2726 ygj z u r umfassenden Literatur der Staatsrechtswissenschaft in den ersten Jahren der Geltung des GG, die die "Drittwirkungsfrage" zum Gegenstand hatte, bei Stern, Staatsrecht III/l, S. 1518, Fn. 33 (dort). 2727 Ygj z u r privat-, insbesondere arbeitsrechtlichen Literatur Stern, Staatsrecht III/l, S. 1519, Fn. 34 (dort). 2728 Vgl. die Nachweise bei Stern, Staatsrecht III/l, S. 1513, Fn. 6 (dort). 2725

272 9

2730

Leisner, Grundrechte, S. 305; Oldiges, in: FS Friauf, S. 281 ff.

Nipperdey, in: Ennecerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, I, S. 93; ders., in: GR IV/2, S. 753. 2731 Vgl. dazu auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 1514.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen 2. Abgrenzung der sog. Drittwirkungslehre anderen benachbarten Fragestellungen

497

von

Die Frage nach dem "Ob" und "Wie" der Geltung oder Einwirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen muß zuerst von der Frage der sog. Fiskalgeltung der Grundrechte bzw. der Bindung der Verwaltung, wenn sie sich privatrechtlicher Mittel und / oder Organisationsformen bedient, abgegrenzt werden 2732 . Wie bezüglich der letzten Frage bereits ausführlich dargelegt wurde 2 7 3 3 , geht es dort um eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Verwaltung als "öffentliche Gewalt" i. S. d. Art. 1 I I I GG. Das gilt nicht nur im Bereich des sog. privaten Verwaltungsrechts, das ist unumstritten, sondern ebenfalls i m Sinne der auch hier vertretenen h. M . bezüglich des Abschlusses von Bedarfsdeckungs(hilfs)geschäften der Verwaltung sowie in ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung. Die Verwaltung wird theoretisch zwar wie ein Privater tätig, ihr rechtlicher Status aber nähert sich eher dem der öffentlichen Hand als dem der Privaten. Deswegen darf die "Drittwirkungslehre" nicht mit der Problematik der sog. Fiskalgeltung der Grundrechte verwechselt werden 2 7 3 4 . Ebenso verhält es sich mit den sog. Beliehenen, die zwar Private sind, aber im Rahmen der Beleihung als Träger öffentlicher Gewalt tätig werden, so daß sie, während sie nicht grundrechtsberechtigt sind, an die Grundrechte gem. Art. 1 I I I GG gebunden sind 2 7 3 5 . Die "Drittwirkungsfrage" darf auch nicht mit der allgemeinen Frage "Grundrechte und Privatrecht" identifiziert werden 2736 . Letztere hat einen weiteren Anwendungsbereich und beinhaltet die erste Fragestellung 2737 . Zur letzteren gehört aber auch die Frage nach der Grundrechtsbindung des Privatgesetzgebers. Hier handelt es sich um die Frage, ob der Gesetzgeber, wenn er die rechtlichen Beziehungen zwischen Privaten regelt, an die Grundrechte nach Art. 1 I I I GG gebunden ist 2 7 3 8 . Die Frage muß zweifelsohne bejaht werden. Der Privatrechtsgesetzgeber gehört zur "Gesetzgebung" i. S. d. Art. 1 I I I und 20 I I I 2732 y g l a u c h Stern, Staatsrecht III/l, S. 1511 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 17; v. Münch, in: vM/K, Vorb. 1-19, Rd. 34; Alexy, Theorie, S. 480, Fn. 28 (dort); Hesse, Grundzüge, Rd. 351. 2733 s. oben sub Β III 3 b. 2734 Man muß hier einräumen, daß die sog. Drittwirkungstheorie in den beiden letzteren wirtschaftlichen Bereichen der Verwaltung angewendet werden kann, wenn man davon ausgeht, daß sie nicht nach Art. 1 III GG grundrechtsgebunden ist, sondern tatsächlich wie ein Privater tätig wird. Dieser Auffassung ist, wie bereits erklärt wurde, nicht zu folgen. 2735 V g | a u c h Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 186. 2736

So auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 1514, 1564; Hager, in: JZ 1994, S. 374. 2737 ygj ^azu die Habilitationsschrift von Leisner, Grundrechte und Privatrecht, und die Studie von Hager, in: JZ 1994, S. 373 ff. 2738 So auch Canaris , in: AcP 1984, S. 212 f.; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1514, 1565. 32 Tsiliotis

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland GG und ist demgemäß an die Grundrechte bzw. die verfassungsmäßige Ordnung gebunden 2739 . Selbst wenn er die Beziehungen zwischen einzelnen regelt und das Privatrecht bestimmt, kann er dem einen Grundrechtsträger Grundrechtseinschränkungen zugunsten des anderen auferlegen, besonders wenn er die Grundrechtskollisionen 2740 löst 2 7 4 1 . Demgemäß gibt es keinen Grund, ihn vom Anwendungsbereich dieser Vorschriften auszunehmen. Durch diese Konstruktion wird das negative Abwehrrecht gegenüber der öffentlichen Gewalt nach Art. 1 I I I GG in Verbindung mit der jeweiligen Grundrechtsnorm effektiviert 2 7 4 2 . Demzufolge bleibt diese Frage bei der Staat-Bürger-Relation und berührt kaum die der Bürger-Bürger-Relation 2743 . Verwechseln darf man auch nicht die "Drittwirkungstheorie" mit der Abgrenzung des Schutzbereichs des einen Grundrechts von dem anderen. Fällt ein Handeln aus dem Schutzbereich eines Grundrechts heraus (ζ. B. Töten oder Stehlen), weil Grundrechte anderer verletzt werden (das Leben nach Art. 2 I I 2 GG bzw. das Eigentum nach Art. 14 I 1 GG), geht es in erster Linie nicht um eine Frage der Geltung der Grundrechte unter Grundrechtsträgern, sondern um die Bestimmung der Grenzen ihrer Schutzbereiche. Die Ausübung des einen Grundrechts grenzt den Schutzbereich des anderen ab 2 7 4 4 . Wie bereits dargelegt wurde, handelt es sich auch nicht um eine reale Grundrechtskollision, nach der der eine Grundrechtsträger sein Grundrecht gegenüber dem anderen Grund-

2739

Das hat schon früh das BVerfG in seiner E 7, 198, 205 (Lüth) anerkannt, indem es dargelegt hat, daß keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift in Widerspruch zum Wertesystem des grundgesetzlichen Grundrechtsabschnitts stehen dürfe; vgl. auch Achterberg, in: JZ 1975, S. 715; Canaris , in: AcP 1984, S. 212; Rüfner, in: GS Martens, S. 219; ders., in: HdDStR, V, § 117, Rd. 60; Ramm, in: JZ 1988, S. 489; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1563, 1565, 1578 f.; Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 939; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 27, Fn. 42 (dort); Medicus, in: AcP 1992, S. 54 f.; Dreier, in: Jura 1994, S. 509; ders., Grundgesetz, Vorb., Rd. 58; Hager, in: JZ 1994, S. 374 f.; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 23; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 156, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG in Fn. 247 (dort); Singer, in: JZ 1995, S. 1136; Isensee, in: JZ 1996, S. 1090; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 191; in diese Richtung auch Lübbe-Wolf Die Grundrechte, S. 164; vgl. aber anders Kopp, in: FS Wilburg, S. 149. 2740 Vgl. dazu oben sub Β V 2, VI 2 e. 2741

Vgl. auch Medicus, in: AcP 1992, S. 47; Hager, in: JZ 1994, S. 374 f.; Jarass,

in: J/P, Art. 1, Rd. 23; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 191; ferner, auch unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Schutzpflicht, Oeter, in: AÖR 1994, S. 549 ff.; Oldiges, in: FS Friauf, S. 301. 2742 Vgl. auch so Stern, Staatsrecht III/l, S. 1566; Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 939; Lübbe-Wolf Die Grundrechte, S. 163; Dreier, in: Jura 1994, S. 509 f.; Hager, in: JZ 1994, S. 374 f.; vgl. ferner Oldiges, in: FS Friauf, S. 301, der das Schutzrecht ausgelöst sieht. 2743 So auch Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 939. 2744 s. oben sub Β II 1.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

499

rechtsträger geltend machen kann, sondern - wenn überhaupt - um eine Scheinkollision, in der die eine Tätigkeit grundrechtlich nicht geschützt wird 2 7 4 5 .

3. Die wichtigsten

"Drittwirkungstheorien"

2746

a) Die Frage nach dem "Ob" einer "Drittwirkung" Hier muß zuerst hervorgehoben werden, daß für die Herausarbeitung der verschiedenen "Drittwirkungstheorien" die Auffassung zugrundegelegt wird, daß die Grundrechte auf die eine oder andere Art auf die privatrechtlichen Beziehungen angewendet werden können; m. a. W. wird vorausgesetzt, daß die Frage nach dem "Ob" einer "Drittwirkung" bejaht und die Frage nach dem "Wie" untersucht wird 2 7 4 7 . Die Frage nach dem "Ob", die direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der deutschen Rechtswissenschaft gestellt wurde, wurde relativ schnell im Sinne der Bejahung einer "Drittwirkung" beantwortet 2 7 4 8 . Die Argumente, die die Begründung und Ableitung einer grundrechtlichen Schutzpflicht angehen und bereits ausgeführt wurden 2 7 4 9 , gelten mutatis mutandis auch für die Annahme eines "Ob" der "Drittwirkung". Die Überwindung des liberalistischen Freiheitsverständnisses, die Umwandlung der Rechtsordnung und der allgemeinen Grundrechtslehre in bezug auf die Funktionen der Grundrechte, die Ableitung eines objektiv-rechtlichen Gehaltes bzw. einer Wertordnung der Grundrechte über ihre subjektiv-rechtliche Dimension hinaus sowie das Auftreten neuer, diesmal gesellschaftlicher "Gewalten" und "Mächte", die die Quellen verschiedener Grundrechtsgefahren darstellen, können auch als Argumente für die Bejahung des "Ob" einer "Drittwirkung" der Grundrechte angesehen werden 2750 .

2745

s. oben sub B V 2 a b b . Vgl. zu einem Überblick statt aller Eckhold-Schmidt, Legitimation, S. 28 ff; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1511 ff; Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 68 ff.; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 125 ff., 163 ff.; Braczyk, Rechtsgrund, S. 33 ff.; Diederichsen, in: AcP 1998, S. 171 ff., insbesondere S. 199 ff. 2747 Als drittes Parameter der "Drittwirkungsproblematik" kommt die Frage nach dem Umfang der Geltung bzw. Wirkung der Grundrechte auf die Bürger-BürgerRelation hinzu - vgl. dazu Eckhold-Schmidt, Legitimation, S. 40; Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 68; Alexy, Theorie, S. 480; vgl. ferner Canaris , in: AcP 1984, S. 202, der zwischen Normadressat und Normstruktur unterscheidet. 2748 Vgl. dazu Leisner, Grundrechte, S. 332 ff.; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1530 f.; v. Münch, in: vM/K, Vorb. 1-19, Rd. 29; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 58. 2749 s. oben sub Β VI 2 a cc. 2750 Vgl. dazu Stern, Staatsrecht III/l, S. 1565, 1586 ff.; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 60; Erichsen, in: Jura 1996, S. 527, 529. 2746

500

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland b) Die sog. "unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte"

aa) Die These Nipperdeys Als Vater dieser Theorie gilt der berühmte Arbeitsrechtler und erste Präsident des BAG, H. C. Nipperdey. Nach dieser Lehre gelten die Grundrechte "unmittelbar und zwingend" 2751 in den Beziehungen unter Privaten. Diese "Unmittelbarkeit" der Geltung oder Wirkung der Grundrechte schließt die interpretatorische Vermittlung durch die einfachen Gesetze aus. Nipperdey spricht sich zwar nicht für eine "Grundrechtsbindung" Privater nach Art. 1 I I I GG aus, er begründet aber seine These dadurch, daß der Grundsatz "Gleicher Lohn der Frauen bei gleicher Leistung wie der Mann ... nach Art. 3 GG für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, für Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge ... als zwingendes Recht" gelte 2752 . Die Verträge, die von diesem Grundsatz abweichen, sollen nichtig sein 2753 . Später hat Nipperdey seine Lehre auch auf andere, wenngleich nicht auf alle Grundrechte erweitert. Ihre Geltung sei von der einzelnen Grundrechtsnorm und jedem einzelnen, aus dem Grundrecht herzuleitenden Rechtssatz abhängig 2754 - er geht sogar noch weiter: "Die Rechtswirkung ist vielmehr eine unmittelbar normative, die bestehende Privatrechtsnormen, gleichgültig, ob zwingenden oder dispositiven Rechts, ob Generalklauseln oder bestimmte Rechtsnormen, modifiziert oder neue schafft, seien es Verbote, Gebote, subjektive Rechte, Schutzgesetze oder Rechtfertigungsgründe" 2755. In diesem Sinne sollen Grundrechte eine absolute Wirkung haben 2756 . Der Lehre Nipperdeys ist ein Teil des Schrifttums 2757 und vor allem auch das B A G 2 7 5 8 , dessen erster Präsident er war, ge2751

Vgl. zu diesem Ausdruck den Beitrag Nipperdeys "Gleicher Lohn der Frau für gleiche Leistung" in RdA 1950, S. 121 ff, 127. Dort hat der Verfasser seine Theorie nur auf Art. 3 GG beschränkt. 2752 Ebenda. 2753 Ebenda, S. 126. Man mag hier betonen, daß, obwohl Nipperdey das nicht erwähnt, die Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB eintreten soll. Denn die Grundrechte können hier als "gesetzliches Verbot" im Sinne dieser Vorschrift betrachtet werden - vgl. zu dieser Position BAGE 4, 274; 13, 168, 179. 2754 So Nipperdey, in: NJW 1958, S. 447; ders., in: GR IV/2, S. 748. 2755 So Nipperdey, in: FS E. Molitor, S. 26. 2756 So Nipperdey, in: FS E. Molitor, S. 24. 2757 Besonders wichtig ist für die Richtung dieser Lehre die Habilitationsschrift von Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 306 ff, der als ein großer Verfechter der sog. unmittelbaren Drittwirkung gilt; weitere Literatur bei Stern, Staatsrecht III/l, S. 1525, Fn. 74 (dort); zu neueren Variationen der Lehre der "unmittelbaren Drittwirkung" vgl. auch Alexy, Theorie, S. 489 ff; Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 942; Hillgruber, in: AcP 1991, S. 71 f.; vgl. auch eine neuere Position, die sich etwas der Theorie Schwabes (vgl. dazu unten sub d) annähert bei Hager, in: JZ 1994, S. 376 ff; zustimmend Singer, in: JZ 1995, S. 1136; eine unmittelbare "Drittwirkung" nur der Menschenwürde nach Art. 1 I GG nimmt v. Münch, in: JuS 1997, S. 250, an.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

501

folgt. Zu ihrer verfassungsrechtlichen Begründung und Grundlage wurde auf den Bedeutungswandel der Grundrechte und ihren objektiv-rechtlichen Wirkungsgehalt 2759 , das Sozialstaatsprinzip nach Art. 201, 28 I GG 2 7 6 0 , die Einheit der Rechtsordnung 2761 , Art. 1 I 1 (Unantastbarkeit der Menschenwürde) und 2 (Schutzpflicht des Staates für die Menschenwürde), 1 II, 1 I I I GG zurückgegriffen.

bb) "Unmittelbare

Drittwirkung"

gegenüber sozialer Macht oder Gewalt

Eine Variation der Lehre Nipperdeys über die sog. unmittelbare Drittwirkung oder absolute Wirkung der Grundrechte ist die Rechtsposition, die eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte in der Bürger-Bürger-Relation annimmt, wenn die privatrechtlichen Beziehungen sich in einem Gewaltverhältnis entfalten, in dem eine der Parteien eine überstarke politische, soziale oder wirtschaftliche Macht besitzt, so daß sie die privatrechtlichen Rechtsgeschäfte nach ihren Bedingungen und Interessen bestimmen kann oder bei dem Abschluß dieser Geschäfte einen größeren Einfluß als ihre Gegenparteien ausüben kann 2762 . Ein solcher Bereich ist der des Arbeitsrechts, in dem die sog. Drittwirkungslehre eine erhebliche Bedeutung erlangt hat, aber auch das Vertrags- und Wettbewerbsrecht. In solchen Bereichen gibt es Mächte (Parteien, Kartelle, Konzerne, Wirtschafts- und Berufsverbände, aber auch einfache Betriebe), wo sich politische, soziale und ökonomische Macht konzentriert und in erster Linie einseitig von den einen Grundrechtsträgern gegenüber den anderen Grundrechtsträgern ausgeübt werden kann. Da sich in solchen Fällen die Ausübung von dererlei Macht nicht von der Machtausübung der öffentlichen Gewalt i. S. d. Art. 1 I I I GG unterscheiden könne und die Grundrechtsausübung genauso wie gegenüber dem Staat gefährdet sei, sollen die Grundrechte unmittelbar unter Privaten gelten 2763 . Die Rolle des Sozialstaatsprinzips als Legitimationsbasis einer solchen

2758 Vgl. BAGE 1, 185, 193 f.; 4, 240, 243; 7, 256, 260; 13, 168, 175 f.; 24, 438, 441; 44, 201, 210 f.; BAG AP Nr. 4 zu Art. 3 GG = NJW 1955, S. 685 f.; BAG NJW 1978, S. 1847 f.; BAG NJW 1983, S. 190. 2759 So Nipperdey, in: GR IV/2, S. 748. 2760 So Nipperdey, in: GR IV/2, S. 753; BAGE 13, 168, 175 f.; BAG NJW 1957, S. 1689. 2761

So Nipperdey, in: GR IV/2, S. 751; Gamillscheg, in: AcP 1964, S. 420 f. dazu Nipperdey, in: GR IV/2, S. 753, der die Folgen der Ausübung "sozia-

2762 y g j

ler Gewalt" mit denen aus der Innehabung einer "wirtschaftlichen oder sonstigen Machtposition" vergleicht; vgl. so auch tendenziell Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 73 ff. 2763 Vgl. so Nipperdey, in: GR IV/2, S. 752 f., der hervorhebt, daß der Schutzzweck der Grundrechte verlange, daß die Grundsatznorm uneingeschränkt dort anwendbar sei, wo es sich um das Verhältnis des einzelnen zu sozialen Gewalten handelt; vgl. ferner

502

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

"unmittelbaren Drittwirkung" ist besonders wichtig 2764 . Darüber hinaus lasse sich aus Art. 1 I I I GG ein "Erst-recht-Schluß" (argumentum a maiore ad minus) in dem Sinne ableiten, daß, soweit nach dieser Vorschrift die demokratisch legitimierte öffentliche Gewalt grundrechtsgebunden ist, dies um einiges mehr ζ. B. für den nicht legitimierten Konzern gelte 2765 .

c) Die Lehre der sog. mittelbaren Drittwirkung oder Austrahlungswirkung der Grundrechte aa) Die These Dürigs G. Dürig war der erste, der diese Theorie begründete. Sie stützt sich darauf, was von der Lehre Nipperdeys und der sog. unmittelbaren Drittwirkung abgelehnt wird: die Vermittlung oder Mediation des einfachen, insbesondere Privatrechts für die Wirkung der Grundrechte auf die Bürger-Bürger-Relation. Dürig kann nicht eine verfassungsmäßige absolute oder unmittelbare Geltung der Grundrechte unter Privaten nachvollziehen, nach der die einzelnen den gleichen grundrechtlichen Bindungen untergeordnet wären wie die öffentliche Gewalt. Das würde nicht nur Art. 1 I I I GG, sondern vielmehr der in den Art. 11 und 2 I GG garantierten Privatautonomie widersprechen. Diese Garantie umschließe auch die Freiheit dem Staat gegenüber, von ihm ungehindert in der unter gleichgeordneten Privaten bestehenden Verkehrs- und Tauschgerechtigkeit des Zivilrechts von Grundrechtssätzen, die für staatliches Handeln unabdingbar sind, abweichen zu können 2766 . Darüber hinaus würde eine "unmittelbare Drittwirkung" die Eigenständigkeit des Privatrechts gegenüber dem öffentlichen bzw. Verfassungsrecht verkennen. Die Grundrechte bleiben nach Art. 1 I I I GG staatsgerichtet. Deswegen soll ein Rechtsstreit jeglicher Art unter Privaten, der in einer Staat-Bürger-Relation die Abwehr(grund)rechte der Grundrechtsberechtigten gegenüber der öffentlichen Gewalt nach Art. 1 I I I GG auslösen würde, im Bereich des Zivil- und Zivilprozeßrechts bleiben. "Die normativen Mittel zur Abwehr von Angriffen aus der Drittrichtung, mit deren Hilfe beim Fehlen spezieller zivilrechtlicher Schutznormen das objektive Privatrecht seinen Schutzauftrag (vgl. Art. 1 Satz 2 GG) erfüllt, sind seine wertausfüllungsfähigen und wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln" 2767. Dürig Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 28 ff. , 31 ff, und seine "Analogiebrücke"; Zippelius, in: VVdDStRL 1989, S. 12. 276 4 276 5

Nipperdey, in: GR IV/2, S. 753. Nipperdey, in: RdA 1950, S. 125; Gamillscheg, in: AcP 1964, S. 406; ders.,

Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 32 f. 276 6 Dürig, in: FS Nawiasky, S. 158 f.; vgl. auch ders., in: MD, Art. 3 I, Rd. 513 (dort unter a) für die außergeschäftlichen Beziehungen. 276 7 Ders., in: FS Nawiasky, S. 176.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

503

streitet nicht ab, daß das Grundgesetz bzw. sein Grundrechtskatalog Auslegungsrichtlinien auch für das Privatrecht enthält. Er begrenzt sie aber auf die Wertbegriffe des Privatrechts, wie ζ. B. das Anstandsgefühl aller "billig und gerecht denkenden Menschen". In solchen Fällen gehe es nicht um bloße Verdeutlichung und Wertdifferenzierung, sondern um echte wertausfüllende Auslegung und Wertakzentuierung der privatrechtlichen Schutznormen aus den in der Verfassung erkennbar gewordenen Wertvorstellungen der Rechtsgemeinschaft 2768 . Dies können auch solche sein, wo das privatrechtliche Schutzsystem, gemessen an dem in der Verfassung ausgeformten Wertsystem, Lücken aufweist 2769 . Genannt werden namentlich die §§ 823, 826 BGB 2 7 7 0 .

bb) Die "Ausstrahlungswirkungsthese"

des BVerfG

α) Die Rechtsprechung des BVerfG unter besonderer Berücksichtigung des sog. Lüth-Urteils als Leitentscheidung Auf die These Dürigs hat das BVerfG fast sofort und positiv reagiert, indem es sie in seinem sog. Lüth-Urteil 2771 grundsätzlich übernommen hat. Das Gericht hat anläßlich eines im Ausgangsverfahren zivilrechtlichen Streits um die Frage, ob ein Boykottaufruf von Herrn Lüth, dem damaligen Senatsdirektor und Leiter der Staatlichen Pressestelle der Freien Hansestadt Hamburg, gegen die Filme des Drehbuchverfassers und Regisseurs des in der Nazi-Zeit vorgeführten antisemitischen Filmes "Jud Süß", Veit Harlan, rechtmäßig war, folgendes dargelegt: Das GG wolle keine wertneutrale Ordnung sein 2772 . Die Grundrechte würden neben ihrer abwehrrechtlichen Seite auch eine objektive Wertordnung als prinzipielle Verstärkung ihrer Geltungskraft beinhalten. Dieses Wertsystem habe seinen Mittelpunkt in der sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit (vgl. Art. 2 I GG) und ihrer Würde (vgl. Art. 1 I GG) 2 7 7 3 und müsse als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten 2774 . Alle drei Staatsgewalten würden von ihm Richtlinien und Impulse empfangen 2775. So beeinflusse

2768

Ebenda, S. 179. Ebenda, S. 179. 2770 Ebenda S. 180 f. 2771 BVerfGE 7, 198 ff. 2772 Hier weist das Gericht auf BVerfGE 2, 1, 12 (SRP); 5, 85, 134 ff., 197 ff. (KPD); 6, 32, 40 f. (Elfes) hin. 2773 BVerfGE 7, 198, 205; 34, 269, 281 (Soraya). 2774 BVerfGE 7, 198, 205; 42, 143, 148 (DGB); 73, 261, 269 ff. (Sozialplan); 81, 242, 254 (Handelsvertreter); 89, 214, 229 (Bürgschaft). 2775 BVerfGE 7, 198, 205; 89, 214, 229 (Bürgschaft). 2769

504

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

es auch das bürgerliche Recht - "keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm stehen, jede muß in seinem Geiste ausgelegt werden" 2776 . Unter Hinweis auf Dürig geht das BVerfG davon aus, daß der Rechtsgehalt der Grundrechte sich als objektive Normen im Privatrecht durch das Medium der Vorschriften des Privatrechts, vor allem der "Generalklauseln", entfalte 2777 . Die grundrechtlichen Wertmaßstäbe würden diese Vorschriften beeinflussen, die einerseits zwingendes Recht enthalten und so einen Teil des ordre public i. w. S. bilden und sich andererseits auf Prinzipien stützen, die aus Gründen des gemeinen Wohls auch für die Gestaltung der privatrechtlichen Beziehungen verbindlich sein sollen. Genannt wird namentlich die Gute-SittenGeneralklausel des § 826 BGB, die zur Beurteilung menschlichen Handelns auf außerrechtliche Maßstäbe wie die "guten Sitten" verweise. Bei der Entscheidung darüber, was diese sozialen Gebote jeweils im Einzelfall fordern, müsse in erster Linie von der Gesamtheit der Wertvorstellungen ausgegangen werden, die das Volk in einem bestimmten Zeitpunkt seiner geistig-kulturellen Entwicklung erreicht und in seiner Verfassung fixiert habe 2778 . Die Generalklauseln seien mit Recht als die "Einbruchsteilen" der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet worden 2779 . Das Grundrecht entfaltet "als objektive Norm seinen Rechtsgehalt auch im Privatrecht und strahlt in dieser Eigenschaft auf die Auslegung und Anwendung privatrechtlicher Vorschriften aus" 2780 . Der Richter habe kraft Verfassungsgebots die Aufgabe zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden, materiellen zivilrechtlichen Vorschriften in der beschriebenen Weise grundrechtlich beeinflußt seien. Ist das der Fall, dann sollen diese privatrechtlichen Vorschriften nach Maßgaben des grundrechtlichen Gehalts ausgelegt und angewendet werden 2781 . Das ergebe sich aus dem Sinn der Bindung auch des Zivilrichters an die Grundrechte nach Art. 1 I I I GG 2 7 8 2 . Verkennt der Richter die Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte im Gebiet des bürgerlichen

2776 BVerfGE 7, 198, 205; vgl. auch BVerfGE 25, 256, 263 (Blinkfüer); 81, 242, 254 (Handelsvertreter). 2777 BVerfGE 7, 198, 205; 42, 143, 148 (DGB); vgl. auch BVerfGE 34, 269, 280 (Soraya); 89, 214, 229 (Bürgschaft), wonach die Grundrechte Bedeutung für die Konkretisierung und Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln hätten. 2778 BVerfGE 7, 198, 205 f.; vgl. auch BVerfGE 89, 214, 229 (Bürgschaft); ferner BVerfGE 81, 40, 49, 52, wonach die Fachgerichte die Anstößigkeit der Verträge nicht zivilrechtlichen Wertungskriterien entnehmen würden, sondern den objektiven Wertentscheidungen der Grundrechte. Es ging im betreffenden Urteil um die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG und die Chancengleichheit nach Art. 3 I GG. 2779 BVerfGE 7, 198, 206; 42, 143, 148 (DGB). 2780 So BVerfGE 84, 192, 194 f. (Entmündigter). Diese Formulierung ist präziser und beschreibt erfolgreicher die "Ausstrahlungswirkungskonzeption". 2781 BVerfGE 7, 198, 206 f.; 84, 192, 195 (Entmündigter); 89, 214, 229 (Bürgschaft). 2782 BVerfGE 7, 198, 206 f.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

505

Rechts, verstoße er nicht nur gegen objektives Verfassungsrecht, indem er den Gehalt der Grundrechtsnorm (als objektiver Norm) außer acht lasse oder nicht richtig erkenne, er verletze vielmehr als Träger öffentlicher Gewalt durch sein Urteil das Grundrecht, auf dessen Beachtung der Bürger auch durch die rechtsprechende Gewalt einen verfassungsrechtlichen Anspruch habe 2783 . Gegen ein solches Urteil könne das BVerfG im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufen werden 2784 . Das Gericht erklärt, daß es nicht seine Aufgabe sei zu überprüfen, ob die ordentlichen Gerichte das einfache Recht richtig interpretiert und angewendet haben. Es habe lediglich die "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte 2785 auf das bürgerliche Recht zu beurteilen und den Wertgehalt des Verfassungsrechtssatzes zur Geltung zu bringen 2786 . Trotz des grundrechtlichen Einflusses sollen die privatrechtlichen Normen Normen des Privatrechts und die durch sie begründeten Rechte und Pflichten Rechte und Pflichten des Privatrechts bleiben 2 7 8 7 .

2783 BVerfGE 7, 198, 207; 84, 192, 195 (Entmündigter); vgl. auch BVerfGE 32, 311, 316 (Grabsteinwerbung); 34, 269, 280 (Soraya); 89, 214, 229 f. (Bürgschaft); BVerfG NJW 1998, S. 521 (fehlgeschlagene Sterilisation). 2784 BVerfGE 7, 198, 207. 2785 y g j z u m Begriff "Ausstrahlungswirkung der Grundrechte" BVerfGE 24, 236, 245, 251 (Werbung von der Kanzel); 30, 173, 188 (Mephisto); 34, 269, 280 (Soraya); 73, 261, 269 (Sozialplan); BVerfG NJW 1998, S. 521 (fehlgeschlagene Sterilisation); Stern, Staatsrecht III/l, S. 923 ff; ders., in: HdDStR, V, § 109, Rd. 58; Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 8; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 25; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 194; vgl. auch BVerfGE 76, 143, 161. Das Gericht benutzt dort den Begriff "Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht", um ihn von der Anwendung und Auslegung des Asylverfahrensgesetzes a. F. am Maßstab des Art. 16 II 2 a. F. GG zu unterscheiden; vgl. auch weitere Fälle bei Stern, in: HdDStR, a. a. O., Rd. 58. 2786 BVerfGE 7, 198, 207; vgl. auch die Formel in den BVerfGE 42, 138, 148 (DGB); 54, 129, 135; 60, 234, 239 (Kredithaie); 62, 230, 242 f. (Denkzettel-Aktion); 66, 116, 131 (Springer/Wallraff); 89, 214, 230 (Bürgschaft), wonach es dem BVerfG lediglich obliege, die Beachtung der grundrechtlichen Normen und Maßstäbe durch die Gerichte sicherzustellen; präziser in BVerfGE 35, 202, 219 (Lebach); 73, 261, 269 (Sozialplan), wonach das BVerfG die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Privatrechts nur daraufhin überprüfe, ob die ordentlichen Gerichte bzw. die Arbeitsgerichte die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte hinreichend beachtet oder ob sie ihren Entscheidungen eine unrichtige Auffassung von der Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte zugrunde gelegt hätten; mit anderer Formulierung, aber grundsätzlich gleich BVerfGE 18, 85, 92 f.; 24, 236, 244 (Werbung von der Kanzel); 30, 173, 188, 197 (Mephisto); 32, 311, 316 (Grabsteinwerbung); 34, 269, 279 f. (Soraya); 61,1,6 (Wahlkampf); 81, 242, 253 (Handelsvertreter); 86, 122, 128 f. (Schülerzeitung); 89, 276, 285 (§ 611a BGB); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1984, S. 2345; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 1203 (Pferdeverein). 2787 BVerfGE 7, 198, 205; 42, 143, 148 (DGB); 94, 1, 8 (DGHS); 95, 28, 37 (Werkszeitung).

506

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ß) Die Fortsetzung und Entwicklung der Lüth-Rechtsprechung Das Lüth-Urteil gilt seitdem als Leitentscheidung für die Rechtsprechung des BVerfG bezüglich der Fragen, die die Anwendung oder die Wirkung des Grundrechtsschutzes auf die privat-rechtlichen Beziehungen anbelangen. Für das Gericht hat sich bisher nicht die Notwendigkeit gezeigt, diese Rechtsprechung zu revidieren. Sogar die Rechtsprechung des BGH 2 7 8 8 , der unteren ordentlichen Gerichte 2789 sowie die h. M. im Schrifttum 2790 orientieren sich mittlerweile an der Richtung der sog. mittelbaren Drittwirkung oder Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht. Es hat aber seine These auf andere Rechtsfragen, die entweder die Grundrechtslehre oder das Privatrecht angehen, erweitert und den Eigenarten der Einzelfälle angepaßt. Demzufolge hat es die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte nicht nur auf das bürgerliche Recht, sondern auch auf andere Rechtsbereiche anerkannt. Das war der Fall: a) im Arbeitsrecht in bezug auf die Interpretation eines Sozialplanes im Rahmen der Auslegung und Anwendung der §§ 133, 157 BGB 2 7 9 1 oder die nach dem Willkürverbot i. S. d. § 75 I BetrVG Rechtmäßigkeitsüberprüfung des nicht erfolgten Abschlusses eines ordentlichen Arbeitsverhältnisses nach dem Abschluß der Ausbildung des Arbeitnehmers 2792 oder die Berücksichti-

2788

BGHZ 91, 117, 120 ff. (Anti-Werbung); BGH NJW 1985, S. 63 f. (CopyCharge); BGH NJW 1986, S. 2944 (mit weiteren Hinweisen auf seine ältere Judikatur); vgl. insbesondere von der jüngeren Rechtsprechung BGHZ 128, 1, 10, 15 (Caroline von Monaco I - Erfundenes Interview); 130, 5, 10 ff. (Busengrapscher/ Schlüpferstürmer); 130, 205, 219 f. (Feuer, Eis & Dynamit I); 131, 332, 337 ff. (Caroline von Monaco IV Paparazzi-Fotos) BGH GRUR 1994, S. 381 f. (Lexikothek); BGH GRUR 1994, S. 818 f. (Schriftliche Voranmeldung); BGH AfP 1994, S. 139; BGH NJW 1995, S. 2493 (Benetton-Werbung III - HIV-Positive); BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); BGH NJW 1996, S. 985 (Caroline von Monaco II - Brustkrebs); BGH NJW 1996, S. 986 (Caroline von Monaco III - Kumulationsgedanke); vgl. auch inzwischen BAGE 48, 122 (Weiterbeschäftigungsanspruch); BAG NAZ 1985, S. 702, das dieser Lehre beizutreten scheint; zur weiteren und älteren Rechtsprechung des BGH vgl. Stern, Staatsrecht III/l, S. 1548, Fn. 227 (dort); Mayer-Maly, in: AcP 1994, S. 136 ff. 2789 Vgl. letztens OLG Bremen NJW 1996, S. 1001 (Memoiren-Willi Lemke); OLG Brandenburg NJW 1996, S. 1002 (Nichtstun). 2790 F . Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 521 f.; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1639 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 19 f.; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 58 ff.; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 25; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 194; Hesse, Grundzüge, Rd. 353 ff.; Erichsen, in: Jura 1996, S. 529 ff.; Classen , in: AÖR 1997, S. 70 f.; vgl. aus einer anderen Perspektive, aber grundsätzlich nicht ablehnend, Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 11; letztens dagegen kritisch ggü. dieser Konzeption Oldiges, in: FS Friauf, S. 281 ff. 2791 Vgl. BVerfGE 73, 261, 269 ff. (Sozialplan). 2792 BVerfGE 86, 122, 127 ff. (Schülerzeitung).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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gung des Gleichberechtigungsgebots zwischen Männern und Frauen in § 611 a BGB bei der Einstellung eines Arbeitnehmers 2793 ; b) im Recht gegen den unlauteren Wettbewerb (Wettbewerbsrecht i. e. S.) in bezug auf die Gute-Sitten-Generalklausel des § 1 UWG 2 7 9 4 . Das BVerfG hat letztendlich angenommen, daß die objektive Wertordnung des GG verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts beinhalte 2795 . Die "Einbruchstellen" der Grundrechte in das Privatrecht werden nicht mehr nur auf seine "Generalklauseln" beschränkt, sondern werden auch auf sonstige auslegungsfähige und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe 2 7 9 6 erweitert. Es hat die Ausstrahlungsdoktrin auch auf die richterliche "schöpferische Rechtsfindung", d. h. der Aufgabe des Richters, Gesetzeslücken auszufüllen, ausgedehnt2797. Das betrifft auch zivilrichterliche Aufgaben bei der Erkennung der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht in bezug auf die Grundrechtskollisionen. Das Gericht hat dazu dargelegt, daß die Aufgabe des Zivilrichters in Grundrechtskollisionsfällen darin bestehe, aufgrund einer wertenden Abwägung der Umstände des Einzelfalles die Schranken des Grundrechts der einen Partei gegenüber demjenigen der anderen Partei zu konkretisieren. Es hat die Rolle des BVerfG bei der Überprüfung der durch den Zivilrichter gefundenen Kollisionslösung folgendermaßen beschrieben: "Allerdings lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesver2793

BVerfGE 89, 276, 285 ff. (§ 611 a BGB). BVerfGE 24, 236, 244 ff, 251 (Werbung von der Kanzel); 32, 311, 316 (Grabsteinwerbung); 62, 230, 243 ff. (Denkzettel-Aktion); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1153 f. (Jacubowski); vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I). 2795 ygj die Nachweise oben sub α. 2794

2796 So BVerfGE 73, 261, 269 (Sozialplan). Das Gericht läßt in dem erkennenden Urteil die "Tür" offen für die weitere Erweiterung dieser Einbruchstellen", indem es darlegt, daß der Rechtsgehalt der Grundrechte über das Medium der einfachrechtlichen Vorschriften gelte, "insbesondere (seil, und nicht ausschließlich) der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und ausfüllungsbedürftigen Begriffe"; vgl. auch BVerfGE 84, 192, 194 ff. (Entmündigter). 2797 So BVerfGE 34, 269, 280 (Soraya), wonach der Richter die Wertvorstellungen des GG nicht in beliebiger Weise in seinen Entscheidungen zur Geltung bringen könne. Er würde die Verfassung auch verletzen, wenn er zu einem Ergebnis, das den Wertvorstellungen der Verfassung entspräche, auf einem methodischen Wege gelangte, der die dem Richter bei der Rechtsfindung gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen mißachtete; vgl. zur Verwirklichung dieser Aufgabe, BVerfGE, a. a. O, S. 286 ff. Man sollte hier bemerken, daß in diesem Fall die Grundrechte auf das einfache Recht gegen den Wortlaut des Gesetzes eingewirkt haben - vgl. auch zu dieser Einschätzung Alexy, Theorie, S. 481 \ Diederichsen, in: AcP 1998, S. 194; vgl. weiter zur "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte auf das zivilrechtliche Deliktsrecht (vgl. § 823 BGB) nach der Aufgabe der richterlichen Rechtsfortbildung BVerfGE 49, 304, 320 f. (Haftung der Sachverständigen); BVerfG NJW 1998, S. 520 (fehlgeschlagene Sterilisation); Classen , in: AÖR 1997, S. 85 f. (m. w. N.).

508

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

fassungsgerichts nicht starr und gleichbleibend ziehen; ihm muß ein gewisser Spielraum bleiben, der die Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalles ermöglicht. Von Bedeutung ist namentlich die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung: Das Bundesverfassungsgericht kann einer rechtskräftigen zivilgerichtlichen Entscheidung nicht schon dann entgegentreten, wenn es selbst bei der Beurteilung widerstreitender Grundrechtspositionen die Akzente anders gesetzt und daher anders entschieden hätte" 2798 . Das BVerfG könne eine Grundrechtsverletzung feststellen, wenn der Zivilrichter nach der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die Grundrechtskollision entgegen der Tragweite und dem Umfang des Schutzbereichs sowie der Bedeutung der kollidierenden Grundrechte für den konkreten Fall gelöst habe 2799 . "Je nachhaltiger und ferner ein zivilgerichtliches Urteil i m Ergebnis die Grundrechtssphäre des Unterlegenen trifft, desto strengere Anforderungen sind an die Begründung dieses Eingriffs zu stellen und desto weitreichender sind folglich die Nachprüfungsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts" 2800. Seine Terminologie hat das BverfG ebenfalls bereichert: Ohne auf den Begriff "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte auf das einfache Recht zu verzichten, benutzt es darüber hinaus auch die auf die "Ausstrahlungswirkung" bezogenen Begriffe "Einfluß" 2 8 0 1 oder "Einwirkung" 2 8 0 2 der Grundrechte auf das anzuwendende Recht. Viel später hat es in seinem sog. Sozialplan-Urteil auf die im Schrifttum etablierte "Drittwirkungsterminologie" zurückgegriffen und den Begriff "mittelbare Drittwirkung" der Grundrechte als Alternativbegriff zu der "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte benutzt 2803 2 8 0 4 . Vor kurzem hat es 2798 So BVerfGE 42, 143, 148 (DGB). Es ist hier ersichtlich, daß das BVerfG auf seine Argumentationsmethode bezüglich der in concreto Kollisionslösung rekurriert. Außerdem zeigt dies sein Hinweis auf den sog. Lebach-Fall - BVerfGE 35, 202, 219 auf S. 149. Dieser Fall gilt als Muster-Fall einer Grundrechtskollisionslösung; vgl. auch BVerfGE 54, 129, 135 (Kunstkritik); 61,1,6 (Wahlkampf). 2799 BVerfGE 7, 230, 234 (Wahlplakat); 30, 173, 197 (Mephisto); 32, 311, 318 (Grabsteinwerbung); 42, 143, 148 f. (DGB)); 60, 234, 239 (Kredithaie); 61, 1, 6 (Wahlkampf); vgl. auch BVerfGE 84, 192, 195 (Entmündigter); 86, 122, 128 f. (Schülerzeitung); 95, 28, 37 (Werkszeitung); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1984, S. 2345; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1991, S. 1476 (Flohmarkt); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1153 (Jacubowski); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 1203 (Pferdeverein). 2800 BVerfGE 42, 143, 149 (DGB); vgl. auch BVerfGE 54, 129, 135 (Kunstkritik); 61, 1,6 (Wahlkampf). 2801

So BVerfGE 42, 143, 147 (DGB); 61, 1, 6 (Wahlkampf); 62, 230, 243 (Denkzettel-Aktion); 89, 276, 285 (§ 611a BGB); 94, 1, 8 (DGHS); 95, 28, 37 (Werkszeitung); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1153 (Jacubowski). 2802 So BVerfGE 7, 230, 233 (Wahlplakat); 54, 129, 130 (Kunstkritik); 60, 234, 242 (Kredithaie); vgl. auch Hesse, Grundzüge, Rd. 353. 2803 So BVerfGE 73, 261, 269; weiterhin BVerfGE 89, 1, 13; vgl. auch Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 10, der die sog. Drittwirkung der Grundrechte als das "legitime Kind der Ausstrahlungswirkung" bezeichnet.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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die "Ausstrahlungswirkungslehre" auch auf die vertraglichen Verhältnisse angewendet. Das hat den Sinn, daß die Grundrechte in ihrer objektiv-rechtlichen Funktion oder Dimension als Wertmaßstäbe für die inhaltliche Kontrolle bereits abgeschlossener Verträge 2805 oder als Kontrolle des Nicht-Abschlusses neuer Verträge 2806 gelten sollen 2807 .

d) Die Theorie Schwabes Die gesamte "Drittwirkungsdiskussion" hat J. Schwabe in Frage gestellt. Schwabe gelangt zwar im Ergebnis wie die Vertreter der Lehre von der sog. unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zu einer unmittelbaren Wirkung der Grundrechte in den Privatrechtsverhältnissen, jedoch ist seine Begründung unterschiedlich. Er leitet aus Art. 1 I I I GG her, daß Grundrechte als ausschließlich gegen den Staat gerichtete, subjektiv-öffentliche Rechte verstanden werden müssen 2808 . Als solche sollen sie aber auch im Privatrecht wirken 2809 . Dies begründet er damit, daß letztlich die gesamte Rechtsordnung, also auch die rechtlichen Beziehungen zwischen Privaten, vom Staat festgelegt und durchgesetzt werde (durch Gesetzesbefehl, Richterspruch, Zwangsvollstreckung) 2810 . Privatrechtliche Ansprüche seien nichts anderes als staatliche Gewalt in Form von Geboten oder Verboten - alle privatrechtlichen Grundrechtsbeeinträchtigungen als von der staatlichen Rechtsmacht herrührend, seien prinzipiell ebenso an den Grundrechten zu messen wie die öffentlich-rechtlichen Beeinträchtigungen 2811. Auf diese Weise wird jedes Handeln von Privaten auf das staatliche (Dul-

2804 j_[j er j s t e s w e r t hervorzuheben, daß das Gericht bzw. sein 2. Senat in dem sog. Sozialplan-Urteil, a. a. O., S. 269, auf seine bisherige Rechtsprechung bzw. die Rechtsprechung des 1. Senats verweisend darlegt, daß eine Bindung des Richters an die Grundrechte bei streitentscheidenden Tätigkeiten auf dem Gebiet des Privatrechts nicht unmittelbar, wohl aber insoweit in Betracht komme, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung errichtet habe, die als verfassungsrechtliche für alle Bereiche des Rechts Geltung hätten, mithin auch das Privatrecht beeinflussen würden. Die Verbindung der "mittelbaren Grundrechtsdrittwirkung" oder "mittelbaren Wirkung" der Grundrechte auf das Privatrecht mit der "mittelbaren Grundrechtsbindung" des Richters hat Mißverständnisse geschaffen, worauf später eingegangen wird. 2805 BVerfGE 89, 214, 229 ff. (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021. 2806 BVerfGE 86, 122, 127 ff. (Schülerzeitung); 89, 276, 285 ff. (§ 611 a BGB). 2807 y g j ausführlicher unten sub II 1. 2808

So Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 140 ff., 148; ders., in: NJW 1973,

S. 230; ders., in: AÖR 1975, S. 444. 2809 Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 105 ff., 140 ff., 148. 2810 2811

Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 17 ff., 26 ff., 56 ff. Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 88.

510

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

dungs-)Gebot zurückgeführt 2812 . Als Beispiel, das auch für die vorliegende Untersuchung interessant ist, erwähnt Schwabe einen Gesetzesbefehl, der eine vertragliche Bindung an einem Wettbewerbsverbot für 15 Jahre ermöglicht dieser sollte gegen Art. 12 GG verstoßen und der Vertrag, der dieses Wettbewerbsverbot bestimmt hat, sollte (teil-)nichtig sein 2813 . Aber auch in einem Fall, in dem kein bestimmter Gesetzesbefehl besteht, macht es hinsichtlich der Rechtmäßigkeit keinen Unterschied, ob Presse oder Gesundheitsamt vor einer erheblichen (Schein-)Gefahr warnen und dabei den Gewerbebetrieb eines Unternehmers schädigen. Der Eingriff seitens der Presse in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des geschädigten Unternehmers soll genauso dem Staat zuzurechnen sein wie der Eingriff seitens des Gesundheitsamtes2814. I m Zivilrecht hat der Gesetzgeber in besonders starkem Maße mit Hilfe von Generalklauseln die Aufgabe der Güterabwägung auf den Richter verlagert. Dieser hat in jedem Einzelfall die kollidierenden Rechte und Rechtsgüter der Privaten gegeneinander abzuwägen 2815 . Urteilt der Richter über privatrechtliche Beziehungen, kommen nach Schwabes Ansicht über die Grundrechtsbindung des Richters aus Art. 1 I I I GG die Grundrechte in ihrer Staatsbezogenheit zur Anwendung 2816 .

e) Stellungnahme Aus der Darstellung der wichtigsten "Drittwirkungstheorien" bzw. der Theorien, die die Wirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen anbelangen, kann man zu interessanten Schlüssen gelangen. Alle drei Theorien lehnen eine Wirkung der Grundrechte auf die Bürger-Bürger-Relation nicht ab. Sie gehen aber von verschiedenen Konzeptionen aus, obwohl einige Schlüsse dieser Lehren, mindestens zum Teil, verbunden werden. Ob die Grundrechte in der Bürger-Bürger-Relation gelten oder auf die privatrechtlichen Beziehungen einwirken können, ist bereits auch hier positiv beantwortet worden. Es muß nun das "Wie" geklärt werden. Grammatikalische, historische, systematische und teleologische Argumente sprechen gegen eine "unmittelbare Drittwirkung" der Grundrechte 2817 . Das wird

2812

Vgl. dazu Schwabe, in: AÖR 1975, S. 453; vgl. auch Pietzcker,

in: FS Dürig,

S. 353. 2813

Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 71; vgl. auch ders, in: DVB1. 1990,

S. All f. 2814

Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 84. Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 111. 2816 Schwabe, in: NJW 1973, S. 230; auch Pietzcker, in: FS Dürig, S. 353 f. 2817 So auch Canaris , in: AcP 1984, S. 203 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 519 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 17 f.; v. Münch, in: vM/K, Vorb. 1-19, Rd. 29; 2815

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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klar nach dem Wortlaut des Art. 1 I I I GG und der historischen Auslegung des GG. Nach dieser Vorschrift sind die Grundrechte ausschließlich staatsgerichtet, die systematische Auslegung der Verfassung ermöglicht nicht, daß neben der öffentlichen Gewalt i. S. d. Art. 1 I I I GG auch die einzelnen einbezogen werden 2 8 1 8 . Diesen Positionen kann zwar mit den Argumenten widersprochen werden, daß weder Nipperdey noch Leisner als Väter und große Verfechter der sog. unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte von einer Grundrechtsbindung Privater gesprochen hätten 2819 und die historische Auslegung kein guter Interpretationshelfer sein könne, wenn sich die Rechtsordnung und damit die allgemeine Grundrechtslehre mittlerweile gewandelt haben. Der objektivrechtliche Wirkungsgehalt der Grundrechte wird über ihre subjektiv-rechtliche Dimension hinaus auch von den Vertretern der sog. mittelbaren Drittwirkung und ebenfalls vom BVerfG angenommen. Die Argumente, die für die Begründung einer staatlichen Schutzpflicht in bezug auf die Grundrechte und zusätzlich für die "Drittwirkung" der Grundrechte überhaupt (Frage nach dem "Ob") dargelegt wurden, könnten auch für die "unmittelbare Drittwirkung" (Frage nach dem "Wie") plädieren - das ist aber nicht der Fall. Dagegen sprechen nicht nur Art. 9 I I I 2 und 48 I, I I GG, die als einzige Normen gelten, die eine "unmittelbare Drittwirkung" oder absolute Wirkung der Grundrechte in die Bürger-Bürger-Relation vorsehen 2820 (Argument e contrario) 2821 , sondern auch andere Gründe, die die Funktionen und die Dogmatik der Grundrechte in einer teleologischen Argumentation betreffen 2822 . Es gibt keinen Grund in der Bürger-Bürger-Relation, auf die Grundrechte zu rekurrieren, wenn der einfache Gesetzgeber die Beziehungen unter einzelnen

Medicus, in: AcP 1992, S. 43; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 59; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 24; Singer, in: JZ 1995, S. 1135; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 188; Erichsen, in: Jura 1996, S. 530; Oldiges, in: FS Friauf, S. 282 f.; Spannowsky, in: ZHR 1996, S. 569; Zöllner, in: AcP 1996, S. 8; gerade zum gegenteiligen Schluß kommen Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 112 ff. und Braczyk, Rechtsgrund, S. 35 ff. 2818 Vgl. Fn. 2817. 2819 Auf dieses Argument greift aber nicht überzeugend Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 942, zurück. 2820 M a n m u ß h j e r darauf hinweisen, daß die Garantien des Art. 48 I, II GG nicht als Grundrechte im klassischen Sinne betrachtet werden können. Sie enthalten aber Abwehrrechte, die sich nicht nur an den Staat, sondern auch an den Privaten richten - vgl. auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 1571; Stober, Grundrechtsschutz, S. 17 f. 2821 Vgl. auch Stober, Grundrechtsschutz, S. 18; v. Münch, in: vM/K, Vorb. 1-19, Rd. 29; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rd. 188; Erichsen, in: Jura 1996, S. 530; Oldiges, in: FS Friauf, S. 283; Zöllner, in: AcP 1996, S. 8. 2822 V g i ebenso Canaris , in: AcP 1984, S. 205 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 19; Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 24.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

mit konkreten Normen regelt 2823 . Hier handelt es sich in erster Linie um die Gesetzesbindung des Richters nach Art. 20 I I I GG 2 8 2 4 . Die Grundrechte kommen erst im Hinblick auf die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers nach Art. 1 I I I GG in Betracht 2825 . Dies ist aber eine Frage, die die Staat-Bürger-Relation angeht. Ein Verstoß von drei Unternehmen gegen das Kartellverbot 2826 nach § 1 GWB, die einen Kartellvertrag entgegen dieser Vorschrift abgeschlossen und dementsprechend ein Kartell gebildet haben, macht die Erwähnung und das Zurückgreifen auf die Wettbewerbsfreiheit ihrer Konkurrenten aus Art. 121 und 14 I GG oder auf die aus Art. 2 I GG resultierende allgemeine Wirtschaftsfreiheit der Verbraucher als Konsumfreiheit überflüssig, wenn nicht sinnlos. Selbst wenn der Gesetzgeber nicht durch eine spezielle Norm in die Beziehungen unter Privaten, die meistens zu realen oder scheinbaren grundrechtskollidierenden Fallkonstellationen führen, eingegriffen hat und die Lösung dieser Kollisionen dem Richter (oder sekundär der Verwaltung) mittels der Generalklauseln oder anderer unbestimmten Rechtsbegriffe überlassen hat, macht die Annahme einer "unmittelbaren Drittwirkung" oder absoluten Wirkung der Grundrechte auf die Beziehungen Privater das einfache Recht bzw. Privatrecht überflüssig 2827 . Das ist aber nicht der Sinn des Verfassungsrechts und es ist nicht ersichtlich, daß der Verfassungsgeber das wollte 2 8 2 8 . Abgesehen davon darf man nicht vergessen, daß die Grundrechte in einer Bürger-Bürger-Relation anders als in der Staat-Bürger-Relation von einem Grundrechtsträger gegenüber einem anderen Grundrechtsträger geltend gemacht werden. Das ist noch ein Argument, das gegen die sog. unmittelbare Drittwirkung spricht 2829 . Die Wandlung der Rechtsordnung und der allgemeinen Grundrechtslehre bzw. die Ableitung eines objektiv-rechtlichen Gehaltes und einer objektiven Wertordnung oder -systems

2823 So auch Leisner, SB-Großhandel, S. 94; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1582; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 205; vgl. auch die zutreffende Ausführung Resses, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 29. 2824 Ebenso Stern, Staatsrecht III/l, S. 1555, 1582. 2825 ygj a u c j 1 Hesse, Grundzüge, Rd. 355; Stober, Grundrechtsschutz, S. 19, spricht hier von "legislatorisch angeordneter Drittwirkung". Hier erscheint es sinnvoll, dieser Position nicht zu folgen. 2826 Es ist hier hervorzuheben, daß das Kartellverbot im Sinne dieser Vorschrift von ihrer ungeschrieben primären Rechtsnorm auferlegt wird, während die geschriebene sekundäre Rechtsnorm die Sanktion (Unwirksamkeit des Kartellvertrages) aus dem Verstoß gegen die primäre Rechtsnorm auferlegt. 2827 So auch Stober, Grundrechtsschutz, S. 18; vgl. auch Canaris , in: AcP 1984, S. 209, bezüglich des § 138 BGB; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 29 f. 2828 Ebenso Stern, Staatsrecht III/l, S. 1583; Stober, Grundrechtsschutz, S. 18; vgl. auch Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 135. 2829 So auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 1553 f.; Oldiges, in: FS Friauf, S. 289; vgl. auch Rüfner, in: GS Martens, S. 223 f.; vgl. mehr unten sub 4 b bei der Erörterung der Frage nach der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die vertraglichen Beziehungen.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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aus den Grundrechten kann keinesfalls den Sinn der Ablösung oder Ersetzung des Privatrechts durch das Verfassungsrecht haben. Das Privatrecht bleibt zwar immer noch eigenständig 2830 , aber nicht in demselben Umfang wie zuvor, denn seine Eigenständigkeit wird gerade wegen dieses objektiv-rechtlichen Gehaltes relativiert, indem die Grundrechte durch ihre objektive Wertordnung auf das einfache Recht einwirken (Theorie der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte) 2831 . Die Grundrechte gelten nicht in den Verhältnissen unter Privaten als absolute gesetzliche Verbote oder Gebote, die die Privaten genauso wie die öffentliche Gewalt binden - so die Lehre der "unmittelbaren Drittwirkung" 2832 -, sondern sie wirken auf das einfache Recht durch die "Einbruchsstellen" der Generalklauseln (vgl. z.B. §§ 133, 138, 157, 242, 320 II, 823 1, 826, 1004 BGB, § 1 UWG etc.), der unbestimmten Rechtsbegriffe 2833 (vgl. z. B. § 3 UWG, 261, II, III, I V GWB, §§1231, 315 BGB, §751, BetrVG, § 1 KündSchG, § 6 EGBGB, § 23 I I KUG usw.) oder durch andere auslegungsund ausfüllungsbedürftigen Rechtsnormen (vgl. §§ 611 a, 847 BGB) 2 8 3 4 ein 2 8 3 5 .

2830 V g l a u c h stem, Staatsrecht III/l, S. 1555; Stober, Grundrechtsschutz, S. 18. 2831 ygj ( a b e r z u w e j t ) Hager, in: JZ 1994, S. 376 ff, der, um seine Favorisierung für die "unmittelbare Drittwirkung" zu begründen, die Eigenständigkeit des Privatrechts des Vorrangs der Verfassung wegen ablehnt; dagegen betont Diederichsen, in: Jura 1997, S. 57 ff, 60 ff, die Selbstbehauptung des Privatrechts gegenüber dem GG und stellt die "Wertordnungskonzeption" des BVerfG in Frage. 2832 Selbst wenn die Verfechter dieser Lehre nicht auf die Grundrechtsbindung nach Art. 1 III GG zurückgreifen, um ihre Theorie zu begründen, bleibt das praktische Ergebnis gleich. Absolute Geltung oder Wirkung der Grundrechte in der Bürger-BürgerRelation und Grundrechtsbindung sind die beiden Seiten derselben Medaille. 2833 Y g j h z u m Terminus "unbestimmte Rechtsbegriffe" bei Grabitz, in: ZHR 1985, S. 276 ff. m e

r

2834

Stern, Staatsrecht III/l, S. 1557 f., 1584, hält auch bestimmte Tatbestände und Rechtsbegriffe des Privatrechts auf die Einwirkung der Grundrechte für offen, insbesondere nach einer verfassungskonformen oder -orientierten Auslegung; vgl. wie Stern auch Canaris, in: AcP 1984, S. 223; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 178 f.; Medi-

cus, in: AcP 1992, S. 43; Braczyk, Rechtsgrund, S. 35. Diese Position paßt auch zur bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur - vgl. dazu die Nachweise oben sub 3 c bb. 2835 So auch F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 521 f.; Starck, in: vM/K/S, Art. 1, Rd. 137; Rüfner, in: GS Martens, S. 219 ff., 224 ff, 228; ders., in: HdDStR, V, § 117, Rd. 59, 73, 78, der aber die praktische Relevanz der "Ausstrahlungswirkungslehre" besonders für das Arbeitsrecht und im allgemeinen für die Gewaltverhältnisse hervorhebt; Stober, Grundrechtsschutz, S. 20; Medicus, in: AcP 1992, S. 43; Aussem, Ausstrah-

lungswirkung, S. 174 ff.; Dreier, in: Jura 1994, S. 510; Sevecke, in: AfP 1994, S. 198;

Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 25 f f ; Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 194; Erichsen, in:

Jura 1996, S. 530 f.; Classen, in: AÖR 1997, S. 70 f.; vgl. aber Hesse, Grundzüge, Rd. 356 f , der die Fälle differenziert und, obwohl er im Prinzip eine "mittelbare Drittwirkung" annimmt, zum einen eine (Ein-)Wirkung der Grundrechte ablehnt, wenn das Privatrecht mehr Freiheit gewährleiste als die Grundrechte, und zum anderen für eine "unmittelbare Drittwirkung" plädiert, die er sogar mit der Schutzpflichtlehre verbindet, wenn gesetzliche Regelungen überhaupt fehlen würden; vgl. genauso zurückhaltend, ders., Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 20 ff. Seine Differenzierungen scheint auch 33 Tsiliotis

514

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Zum einen beeinflussen sie in erster Linie die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts in der Bürger-Bürger-Relation als Auslegungswertmaßstäbe, zum anderen aber werden sie durch diese Generalklauseln und Rechtsbegriffe infiltriert. Sie ersetzen das Privatrecht zwar nicht, soweit seine Normen in dem (zivilprozeßrechtlichen) Rechtsstreit angewendet werden, sie geben ihnen aber eine andere Auslegungs- und Anwendungsqualität. Die zivilrechtlichen Normen unter dem Einfluß der Grundrechte bzw. seines Wertesystems sind ein Aliud im Vergleich zu denselben Normen ohne diesen Einfluß 2 8 3 6 . In diesem Sinne kann man nicht von (absoluter) "Eigenständigkeit" des Privatrechts sprechen, wie Dürig meint. Aus diesem Grund kann die ganze Diskussion über die "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte nicht nur auf zivil- und zivilprozeßrechtlicher Ebene bleiben. Die Privaten sind zwar nach Art. 1 I I I GG nicht an die Grundrechte gebunden, das ist indes für die Richter, auch für die Zivilrichter, nicht der Fall. Wegen ihrer Grundrechtsgebundenheit haben sie die Pflicht, die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht zu berücksichtigen 2837 2 8 3 8 . Tun sie das nicht, nicht hinreichend oder in einer dieser Ausstrahlungswirkung nicht entsprechenden Art, verletzen sie nicht nur objektives Verfassungsrecht, sondern vielmehr auch die subjektiven Grundrechte der Betroffenen. Dadurch wird das subjektive Abwehrrecht aktiviert (vgl. Art. 1 I I I GG in Verbindung mit dem jeweiligen Grundrecht) und der Weg der Verfassungsbeschwerde eröffnet (vgl. Art. 93 4 a GG, § 90 I BVerfGG in Verbindung mit der jeweiligen Grundrechtsnorm), soweit das Gerichtsurteil als Akt der öffentlichen Gewalt

Jarass, a. a. O , Rd. 27, zu teilen; eine "unmittelbare Drittwirkung" schließt auch Stern, Staatsrecht III/l, S. 1558, nicht aus, obwohl er grundsätzlich von der Theorie der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht bzw. von der sog. mittelbaren Drittwirkung ausgeht - s. a. a. O , S. 1556 ff. 2836 ygj a u c h Schlechtriem, in: 40 Jahre Grundgesetz, S. 49 f , und seine Beispiele aus der Judikatur der nationalsozialistischen Zeit; weiterhin Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 36. 2837 Vgl. Leisner, SB-Großhandel, S. 95; Stern, Staatsrecht III/l, S. 1551, unter Hinweis auf Eckhold-Schmidt, Legitimation, S. 79, daß die Erklärung der Wirkung der Grundrechte auf die Privatrechtsordnung mit der Grundrechtsgebundenheit des Zivilrichters nach Art. 1 III GG die Grundrechtsbindung privaten Handelns immer schon voraussetze; vgl. ähnlich Rüfner, in: GS Martens, S. 219 f.; ders, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 59; Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 15 f.; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 173; Sevecke, in: AfP 1994, S. 198; Classen , in: AÖR 1997, S. 70 ff.; vgl. ferner aus einer anderen Perspektive, aber in der Praxis mit gleichem Ergebnis, Lübbe-Wolf Die Grundrechte, S. 165 f. 2838 Hier muß man sich an K. Doehring, Staatsrecht, S. 209, erinnern, der ausführt, daß das Gericht Grundrechte zu beachten habe, "soweit sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet". Diese "Grundrechtsgeltung" nach Doehring ergibt sich gerade aus der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Privatrecht in Verbindung mit der Grundrechtsbindung des Richters nach Art. 1 III GG - vgl. zu dieser Einschätzung auch Rüfner, in: GS Martens, S. 220.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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nach Art. 1 I I I GG das Grundrecht des Grundrechtsträgers im Sinne des Art. 93 14 a GG, § 901 BVerfGG verletzt hat 2839 . Wie in der Problematik der staatlichen Schutzpflicht steht man auch hier vor der Rechtsfigur der Subjektivierung objektiven Rechts 2840 . Diese Feststellungen betreffen alle Grundrechte, wenn man von den ausschließlich staatsgerichteten (vgl. Art. 16 I, II, 16 a, 17, 28 II, 103 GG) absieht, und bekommen nicht nur dann Relevanz, wenn Grundrechte den "sozialen Gewalten" gegenübergestellt werden. Denn die Grundrechte können nicht nur von Trägern der sog. "sozialen Gewalten" beeinträchtigt werden, sondern können von jedem gefährdet werden 2841 . Die Sache bedürfte nicht der weiteren Untersuchung, wenn das BVerfG nicht in seinem sog. Sozialplan-Urteil die "mittelbare Drittwirkung" der Grundrechte im Sinne der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht mit einer "mittelbaren Grundrechtsbindung" des Richters verbunden hätte 2842 . Diese Formel hat Probleme und Mißverständnisse geschaffen. Es ist tatsächlich bemerkenswert, daß das BVerfG ca. 30 Jahre lang vorsichtig vermieden hat, den problematischen und irreführenden Begriff "Grundrechtsdrittwirkung" o. ä. zu benutzen. Da sich der Begriff aber als terminus technicus in der Grundrechtslehre durchgesetzt hat, kann daraus geschlossen werden, daß das BVerfG ihn rein konventionell verwendet hat 2843 . Was soll aber die "mittelbare Grundrechtsbindung" des Richters bedeuten? Der Begriff deutet unmißverständlich auf eine Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Grundrechtsbindung der richterlichen Gewalt hin. Wann ist diese "unmittelbar" grundrechtsgebunden? Während der Auslegung und Anwendung spezieller Rechtsnormen könnte man antworten. Dann könnte man aber auch von der "unmittelbaren und mittelbaren Grundrechtsbindung" des Gesetzgebers und warum nicht? - der Verwaltung sprechen! Das BVerfG versucht jedoch im erkennenden Urteil, seine Ansicht zu erklären: "Eine Prüfung unmittelbar am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG (seil. Gesetzmäßigkeit der Rechtsprechung) hat das Bundesverfassungsgericht lediglich in Fällen richterlicher Rechtsfortbildung vorgenommen" 2844 . So meint es also die "unmittelbare Grundrechtsbindung" der Judikative und weist auf zwei andere Fälle

2839

So Erichsen, in: Jura 1996, S. 532 f.; Classen , in: AÖR 1997, S. 71; vgl. auch Rüfner, in: GS Martens, S. 220; vgl. auch die ganze bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung über die Frage oben sub c bb α. 2840 Vgl. dazu Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 15; Hermes, in: NJW 1990, S. 1765; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 184; C. Starck,, in: JZ 1996, S. 1036; weiterhin unter einem kritischen Gesichtspunkt Oldiges, in: FS Friauf, S. 288 f. 2841 Grundsätzlich zutreffend dazu Canaris , in: AcP 1984, S. 206 f. 2842 BVerfGE 73,261,269. 2843 Das Gericht spricht von "sog. mittelbarer Drittwirkung der Grundrechte", ohne seinen "Lieblingsbegriff' "Ausstrahlungswirkung der Grundrechte" aufzugeben. 2844 BVerfGE 73, 261, 269 (Sozialplan).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

hin, in denen es um die "unmittelbare" Grundrechtsbindung des Richters ging 2 8 4 5 . Darin handelte es sich tatsächlich um die "richterliche Rechtsfortbildung" im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 I I I GG), dessen Verletzung durch den Richter auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG verletzen kann 2846 . Dieser Zusammenhang ist in der Tat mißverständlich. Nach dem BVerfG selbst - im sog. Soraya-Fall soll seine Lehre über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auch bei der richterlichen Aufgabe und Befugnis der "schöpferischen Rechtsfindung" angewendet werden 2847 . Es ist eigentlich nicht ersichtlich, warum in diesem Fall der Richter unmittelbar und in den anderen Fällen nur mittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Diese Auffassung muß abgelehnt werden. Der Richter ist nach wie vor bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts nach Maßstäben der Grundrechte bzw. ihrer objektiven Wertordnung unmittelbar an die Grundrechte gebunden. "Mittelbar" ist die Wirkung der Grundrechte auf das einfache Recht, gerade weil diese es nicht verdrängen dürfen 2848 . Infolgedessen muß auch die Ansicht Schwabes abgelehnt werden, obwohl sie von der richtigen Position einer Grundrechtsbindung des Richters bei der Anwendung des Privatrechts ausgeht. Schwabe geht aber zu weit und rechnet jedes Handeln oder Unterlassen Privater, das auch in Rechtsgüter Privater eingreift, dem Staat nach Art. 1 I I I GG zu. Der Staat aber ist verantwortlich für seine eigenen Handlungen und mitverantwortlich für die Handlungen der einzelnen, soweit er sie ausdrücklich erlaubt hat 2849 . Das ist außerdem der Sinn des Abwehrrechts: ein Anspruch auf Unterlassen des Staates. Wird der Staat tätig, dann greift er in den grundrechtlichen Schutzbereich ein 2 8 5 0 . Schwabe dehnt das

2845

BVerfGE 65, 182 ff.; 65, 196 ff. BVerfGE 65, 182, 190 f.; 65, 196,210. 2847 BVerfGE 34, 269, 280, 287. 2848 Es überrascht tatsächlich, wenn Jarass, in: J/P, Art. 1, Rd. 24, diese Position eigentlich annimmt, indem er darlegt, daß die Grundrechte bei diesen Streitigkeiten nicht unmittelbar angewendet werden könnten, aber andererseits auf das Sozialplan-Urteil des BVerfG rekurriert. Die "mittelbare Anwendung" der Grundrechte, wie Jarass annimmt, bedeutet nicht "mittelbare" Grundrechtsbindung des Zivilrichters. 2849 Die Ansicht Schwabes legt einen paternalistischen Staat zugrunde, der mit der Gesellschaft identisch sein soll. Außerdem ist der Kern seiner Konzeption die Einheit der Rechtsordnung und die Abschaffung der Unterscheidung zwischen öffentlichem und Privatrecht - s. dazu Schwabe, Die sog. Drittwirkung, S. 26 ff. Daß die absolute Trennung zwischen Staat und Gesellschaft im 20. Jahrhundert und insbesondere in seiner zweiten Hälfte nicht mehr gilt und entsprechend dieser Situation die moderne Rechtsordnung und Grundrechtsdogmatik ausgestaltet ist, wurde bereits dargelegt (vgl. oben sub Β VI 2 a cc). Das bedeutet aber keinesfalls, daß die gegenteilige Situation einer Identifizierung zwischen Staat und Gesellschaft gilt. Das war und ist immer noch der Fall bei totalitären Regimes, nicht aber bei den modernen freiheitlichen Demokratien vgl. ebenso die Kritik Erichsens, in: Jura 1996, S. 529 f , an die Schwabeschen Lehre. 2850 Vgl. oben sub Β I 3. 2846

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

517

Abwehrrecht auch auf Unterlassungen des Staates aus, so daß man einen Eingriff durch Unterlassen des Staates in das Abwehrrecht akzeptieren sollte 2851 . Das ist aber auch für die moderne Grundrechtsdogmatik im Prinzip inakzeptabel. Darüber hinaus kann nicht behauptet werden, daß der Gesetzgeber nicht tätig geworden sei. Selbst wenn er keine speziellen Vorschriften erlassen hat, die den "Störer" hindern könnten, in das Grundrecht des "Opfers" einzugreifen, hat er die Generalklauseln erlassen, aufgrund derer der "Störer" gehindert oder bestraft werden kann. Es kann hier widerlegt werden, daß auch die Generalklauseln etc. als gesetzliche Normen ebenso wie der aufgrund von ihnen erlassene Rechtsakt (Gerichtsurteil, einstweilige Verfügung usw.) am Maßstab der Grundrechte nach Art. 1 I I I GG gemessen werden sollen, so daß sie auch als Eingriff in das durch den Rechtsakt betroffene Grundrecht betrachtet werden sollen. § 823 I BGB, aufgrund dessen A wegen einer Meinungsäußerung oder Presseveröffentlichung per Gerichtsurteil auf Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Β oder des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs des C - beide Rechtsgüter werden als "sonstiges Recht" im Sinne dieser Vorschrift betrachtet - verurteilt wird, enthält eine geschriebene (sekundäre) Norm, die eine Sanktion auferlegt (Schadensersatzverpflichtung), wenn die ungeschriebene (primäre) Norm - es darf nicht das Persönlichkeitsrecht oder der Gewerbebetrieb eines anderen verletzt werden - verletzt wird. Diese Normen würden genauso wie der Staatsakt (Gerichtsurteil), aufgrund dessen sanktioniert wird, einen Grundrechtseingriff auferlegen. Nach dieser Konzeption handelt es sich über die Grundrechtsbindung des Richters hinaus um die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2852. Diese Konzeption ist zwar zunächst richtig, soweit sie in

2851

Man darf diese Konzeption nicht mit der Schutzpflichtproblematik verwechseln, nach der der Staat tätig werden muß, um das Grundrecht zu schützen, da er sonst seine objektiv-rechtliche Schutzpflicht verletzen würde, wodurch das subjektiv öffentliche Recht auf Schutz ausgelöst würde - s. dazu analytisch oben sub Β VI c bb. Dort geht es um die objektiv-rechtliche Schutzpflicht und das subjektive Recht auf Schutz. Hier geht es um das negative Abwehrrecht. Man darf beide Konstellationen nicht verwechseln vgl. dazu auch Alexy, Theorie, S. 417; zustimmend Stern, Staatsrecht III/l, S. 1552. Wie bereits gezeigt wurde, lehnt Schwabe auch eine grundrechtliche Schutzpflicht des Staates ab, gerade weil er in jedem Unterlassen des Staates, einen privaten Eingriff zu verhindern, einen staatlichen Eingriff in das betroffene (Abwehr-)Grundrecht des "Opfers" sieht. 2852 Vgl. zu dieser Position Schwabe, in: AÖR 1975, S. 443 f.; ders, in: DVB1. 1990, S. 477 ff.; Grabitz, in: ZHR 1985, S. 276 f.; Pietzcker, in: FS Dürig, S.351, 353 f., Hager, in: JZ 1994, S. 376 ff. - vgl. auch zur Einschätzung dieser Position Oeter, in: AÖR 1994, S. 531; dieser Position scheint sich auch Canaris , in: AcP 1984, S. 212 f , 245, anzunähern, obwohl aus einer anderen Perspektive. Die Ausführung von Canaris - vgl. auch a. a. O , S. 222 - erweckt den Eindruck, daß er die Lehre der sog. mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte mit der unmittelbaren Bindung des (Privatrechts-)Gesetzgebers verwechselt oder zumindest meint, daß die Vertreter der "mittelbaren Drittwirkung" sie mit der Grundrechtsbindung des (Privatrechts-)Gesetzgebers ver-

518

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

diesen Normen einen Grundrechtseingriff erblickt 2853 , verkennt aber die Rolle der Grundrechte für die Auslegung und Anwendung dieser Normen. Gerade weil § 823 I BGB eine Generalklausel bzw. auslegungsbedürftige Rechtsnorm ist, kommt man zu dem Schluß, daß A schadensersatzverpflichtet ist oder auch nicht, nachdem die Ausstrahlungswirkung der betroffenen Grundrechte - Meinungsfreiheit für den "Störer", Persönlichkeitsrecht bzw. eigentumsmäßiger Gewerbebetrieb für die "Opfer" - in ihrem Umfang und ihrer Tragweite sowie in ihrer Wechselwirkung berücksichtigt wurden 2854 . Noch unklarer wird die Situation nach der Auslegung der sog. Gute-Sitten-Generalklauseln, die noch unbestimmter und einer grundrechtskonformen Auslegung noch mehr ausgesetzt sind. Die "Tür", durch die die Grundrechte in das Privatrecht "einbrechen", öffnet sich durch diese Klauseln 2855 . In der Tat geht es eher um eine verfassungskonforme Auslegung der privatrechtlichen Gesetze als um die Kontrolle ihrer Verfassungsmäßigkeit 2856. Infolgedessen ist diese Rechtsauffassung mangelhaft, obwohl zum Teil zutreffend. Was die Terminologie anbelangt, muß man konsequent sein - deswegen muß die "Drittwirkungsterminologie" abgelehnt werden 2857 . Die "Drittwirkung" der Grundrechte setzt voraus, daß es sich um eine Staat-Bürger-Relation handelt, in der die anderen Bürger "Dritte" gegenüber dem Grundrechtsverpflichteten (Staat) und dem Grundrechtsberechtigten (Bürger) sind. Das ist aber nicht der Fall, denn es geht um eine Bürger-Bürger-Relation, in der alle beteiligten Bürger Grundrechtsträger sind. Dies sind die Subjekte des Rechtsstreits, der einzige "Dritte" ist die öffentliche Gewalt, sei es als Gesetzgebung im Sinne der im zivilrechtlichen Fall auszulegenden und anzuwendenden Generalklauseln etc.,

wechseln. Daß das nicht der Fall ist, ist bereits bei der Darstellung dieser Lehre erklärt worden. Das zeigt noch einen Grund auf, den Begriff "Drittwirkung" bzw. "mittelbare Drittwirkung" als irreführend zu vermeiden. 2853 So behandelt diese Normen auch die Rechtsprechung des BVerfG, wie es sich weiter zeigen wird (s. unten sub II 2). 2854 ygj a u c j 1 u n t e n z u m Verhältnis zwischen Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und Grundrechtskollisionen sub 4 a. 2855 Vgl. dazu Mayer-Maly, in: AcP 1994, S. 138 f. 2856 Ygj a u c h Gärtner, in: BB 1970, S. 1363; Rüfner, in: GS Martens, S. 219; ders., in: HdDStR, V, §117, Rd. 59; Stern, Staatsrecht III/l, S. 924, 1556 f.; ders., in: HdDStR, V, §109, Rd. 58; Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 173; Eschenbach/Niebaum, in: N V w Z 1994, S. 1080; Singer, in: JZ 1995, S. 1136; Pieroth/Schlink,

Grundrechte, Rd. 90, 193; das verkennt aber Pietzcker, in: FS Dürig, S. 351; vgl. auch Grabitz, in: ZHR 1985, S. 279, Manssen, Staatsrecht I, Rd. 103, und Dreier, in: ders,

Grundgesetz, Vorb, Rd. 57, die den Begriff "verfassungsorientierte Auslegung" statt "verfassungskonforme Auslegung" für diesen Fall bevorzugen. 2857 Auf diesem Begriff insistieren immer noch u. a. Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 938 ff.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 20; v.Münch, in: vM/K, Vorb. 1-19, Rd. 28 ff.; vgl. zur ganzen Begriffsauseinandersetzung Diederichsen, in: AcP 1998, S. 199 f , Fn. 116 (dort).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

519

sei es vor allem als Rechtsprechung, die diese Normen im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden hat 2858 . Abzulehnen sind die Begriffe über die "absolute Geltung" oder "Wirkung" der Grundrechte im Privatrecht, denn sie beziehen sich auf die Theorie der sog. unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, die, wie ausführlich gezeigt wurde, abgelehnt werden muß. Das gleiche gilt für den Begriff "Horizontalwirkung". Nach der bereits dargelegten Analyse erscheint der Begriff "Einwirkung der Grundrechte auf das einfache Recht" zutreffender und zu ihren rechtlichen Ergebnissen passender und deswegen konsequenter, denn er legt die "Ausstrahlungswirkungstheorie" des BVerfG zugrunde und kann auch mit dem Begriff "Einfluß der Grundrechte" gleichgesetzt werden. Für die vorliegende Untersuchung ist nicht die Einwirkung der Grundrechte auf das ganze einfache Recht 2859 , sondern nur auf die privatrechtlichen Beziehungen (Bürger-Bürger-Relation) interessant. Deswegen wird im weiteren oft von der "Einwirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen" gesprochen. Die Untersuchung wird genauso wie in den anderen grundrechtsdogmatischen Fragen, die bereits bearbeitet wurden, auf die Wettbewerbsfreiheit bezogen werden, auf der der Schwerpunkt der Arbeit liegt. Es ist unvermeidbar, daß gelegentlich der Begriff "Drittwirkung" benutzt wird. Das wird rein konventionell geschehen, da dieser Terminus mittlerweile teilweise ebenfalls konventionell - vorwiegend im Schrifttum benutzt wird und nicht weil er hier für richtig gehalten würde.

4. Überprüfung einer eventuellen Anwendung von Sonderproblemen der allgemeinen Grundrechtslehre in bezug auf die privatrechtlichen Beziehungen Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und... a) ... Grundrechtskollisionen Es wurde bereits dargelegt, daß die sog. Drittwirkungsproblematik mehr oder weniger mit fast allen Aspekten der allgemeinen Grundrechtslehre zusammenhängt. Ihr Zusammenhang mit dem Grundrechtseingriff wurde bereits kurz dargestellt 2860 . Nunmehr wird ihr Verhältnis mit der Problematik der Grundrechtskollisionen untersucht. Der Ausgangspunkt, daß die Theorie der Einwirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen die Grundrechtskollisionenproblematik zugrundelegt, ist durchaus vorstellbar. Das Verhältnis der Grundrechtssubjekte untereinander, das vom Privatrecht geregelt

2858

Vgl. ebenso Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 59, der den Begriff "Drittwirkung" als irreführend ablehnt. 2859 ygj dazu ausführlich Stern, Staatsrecht III/l, S. 923 ff. (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). 2860 s. oben sub 3 e.

520

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

wird, bedeutet verfassungsrechtlich nichts anderes als die Ausübung ihrer Freiheits», aber auch ihrer Gleichheitsrechte. Diese Rechte werden in der Bundesrepublik durch den Grundrechtskatalog des GG garantiert. Die Geltung oder Wirkung dieser Grundrechte auf die Bürger-Bürger-Relation bekommt praktische Relevanz, wenn die Ausübung der Freiheit des einen Grundrechtsträgers von der Ausübung der Freiheit des anderen beeinträchtigt wird 2 8 6 1 ; m. a. W. setzt die Einwirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen eine Grundrechtskollision voraus 2862 , selbst wenn die Handlung des einen Grundrechtssubjekts nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt und nicht prima facie garantiert wird, weil sie das Grundrecht des anderen verletzt (Scheinkollisionen). In diesem Fall ist die Lösung der Kollision durch die Einwirkung des objektiv-rechtlichen Gehalts des beeinträchtigten Grundrechts auf die anzuwendende privatrechtliche Vorschrift problemlos. Sofern die Generalklauseln etc. der Schlüssel für die Lösung einer Grundrechtskollision und parallel die "Einbruchstellen" für den "Zugang" der Grundrechte in das Privatrecht darstellen, kann man bildlich die Situation so beschreiben, daß die privatrechtlichen Generalklauseln der Ort der Rechtsordnung sind, an den die Grundrechte ihre Kollision transportieren, damit die Rechtsordnung durch ihre grundrechtskonforme Auslegung und Anwendung seitens des Zivilrichters die Kollision löst 2863 . Grundrechtskonforme Auslegung und Anwendung bedeutet hier auch grundrechtskonforme Güterabwägung 2864.

b)... Vertragsfreiheit Auch aus der Ausübung der Vertragsfreiheit kann sich ein Grundrechtskollisionsproblem ergeben 2865 . Vertragsfreiheit als Ausfluß der Privatautonomie bedeutet auch Freiheit für die Parteien, den Inhalt des Vertrages zu gestalten wie

2861

So auch Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 66; weiterhin Stern, Staatsrecht, III/l, S. 1553 f.; Oldiges, in: FS Friauf, S. 289. 2862 Vgl. auch Schnapp, in: JuS 1978, S. 733. 2863 Vgl. dazu Sachs, in: JuS 1995, S. 988; vgl. auch Rüfner, in: FG BVerfG, S. 455; Schnapp, in: JuS 1978, S. 733.

2864 ygj z u dem Verhältnis zwischen Grundrechtskollisionen und der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte BGH AfP 1994, S. 139; Böckenförde, in: Der Staat 1990, S. 9; Bergemann, in: DVB1. 1996, S. 1035; vgl. auch die Judikatur des BVerfG dazu oben sub 3 c bb. Das verkennt aber Singer, in: JZ 1995, S. 1135 f., der die Güterabwägung bei Grundrechtskollisionen zu Unrecht mit der sog. unmittelbaren Drittwirkung verbindet; kritisch zu einer solchen Funktion der Grundrechte durch ihre Wertordnung Oldiges, in: FS Friauf, S. 290, der von einer "Hypertrophie der Grundrechte" spricht. 2865 Vgl. BGH NJW 1991, S. 699; BAG AP §611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185; Rüfner, in: GS Martens, S. 221 ff.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

521

sie wollen 2 8 6 6 , selbst wenn sie die Pflicht übernehmen, sich selbst in ihrer Freiheit zu beschränken 2867 oder ein erhebliches persönliches Risiko einzugehen 2868 . Ohne solche Selbstbeschränkungen, die mit der Leistung und Gegenleistung aus einer Vereinbarung verbunden sind, kann eine Vertragsfreiheit nicht funktionieren 2869 . Die grenzenlose Berufung auf ein Grundrecht im Falle seiner vereinbarten Beschränkung als Grund der Nichtigkeit des Geschäftes würde die Vertragsfreiheit und damit auch die Privatautonomie lähmen 2870 . Außerdem können die Grundrechte gegenüber Privaten nicht in einer gleichen Art wie gegenüber dem Staat geltend gemacht werden, nicht nur weil die Privaten nach Art. 1 I I I GG nicht grundrechtsgebunden, sondern vielmehr weil sie grundrechtsberechtigt sind 2 8 7 1 und letzten Endes ihre aus Art. 2 I GG resultierende Vertragsfreiheit geltend machen 2872 , wenn kein anderes spezifisches Grundrecht in Betracht gezogen werden soll 2 8 7 3 . Man kann trotzdem die Einwirkung der Grundrechte bzw. ihrer objektiv-rechtlichen Wertordnung nach der privat-

2866

Vgl. statt aller Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 61. So auch BVerfGE 81, 242, 253 f. (Handelsvertreter); BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 , Achterberg, in: JZ 1975, S. 717; Rüfner, in: GS Martens, S. 222 f.; ders, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 64, 68; Ramm, in: JZ 1988, S. 489 f.; Hillgruber, in: AcP 1991, S. 73; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 143; Hesse, Grundzüge, Rd. 356; Oldiges, in: FS Friauf, S. 291; vgl. ferner BGH NJW 1991, S. 699; BGH NJW 1995, S. 2351. 2868 So BGHZ 125, 206; LG Berlin NJW - RR 1996, S. 1140. 2869 Vgl. BVerfGE 81, 242, 254 (Handelsvertreter); Medicus, in: AcP 1992, S. 43 f.; Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 68; Oldiges, in: FS Friauf, S. 291. 2870 Vgl. auch BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; weiterhin Oeter, in: AÖR 1994, S. 542 f. 2871 So E. Klein, in: NJW 1989, S. 1639 f. 2872 So BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 , Leisner, SB-Großhandel, S. 100; Rüfner, in: GS Martens, S. 223; ders., in: HdDStR, V, § 117, Rd. 68; Isensee, ebenda, § 111, Rd. 135; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 24; Ramm, in: JZ 1988, S. 489; Schlechtriem, in: 40 Jahre Grundgesetz, S. 51; Medicus, in: AcP 1992, S. 61; Oldiges, in: FS Friauf, S. 291; zurückhaltend zur Annahme dieses Arguments Achterberg, in: JZ 1975, S. 717. 2873 Zu dieser Problematik vgl. ausfuhrlich oben Β II 2 f, V 1 b aa α. Nach diesen Ergebnissen kommt für die Vertragsfreiheit eigentlich häufiger ein spezielles Grundrecht (ζ. B. Art. 6 I, 9 I, III, 121, 1411 GG) als die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG in Betracht - vgl. dazu Leisner, SB-Großhandel, S. 100; Schlechtriem, in: 40 Jahre Grundgesetz, S. 40; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 17; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 132; Papier, in: HdVerfR, § 18, Rd. 14; Tettinger, in: Sachs, GG-K, Art. 12, Rd. 162; BVerfGE 81, 242, 254 (Handelsvertreter), das für die auf die Berufsfreiheit bezogene Vertragsfreiheit Art. 12 I GG herangezogen hat; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsgehilfe Nr. 18 , AG Rendsburg NJW 1996, S. 1005; vgl. aber anders BVerfGE 86, 122, 130 (Schülerzeitung). 2867

522

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

rechtlichen Kontrolle der Verträge aufgrund der Generalklauseln etc. 2 8 7 4 des Privatrechts nicht ausschließen. Das BVerfG hat vor kurzem, wie bereits gezeigt wurde, diese Einwirkung auch auf die richterliche Kontrolle der vertraglichen bzw. geschäftlichen Beziehungen ausgedehnt, soweit sie nicht unter Umständen von Selbst-, sondern Fremdbestimmung gestaltet werden 2875 . Das Gericht hat in seinem Handelsvertreter-Urteil 2876 aufgezeigt, was es unter Fremdbestimmung versteht. Das ist ζ. B. der Fall, wenn einer der Vertragsteile eine so starke Übermacht habe, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig festsetzen könne. Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehle, sei mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Das Gericht bestätigt später in seinem sog. Bürgschaft-Urteil 2877 diese Darlegung und bemerkt: "Da alle Beteiligten des Zivilrechtsverkehrs den Schutz des Art. 2 I GG genießen und sich gleichermaßen auf die Gewährleistung ihrer Privatautonomie berufen können (seil.: Erkenntnis eines Kollisionsfalles), darf nicht nur das Recht des Stärkeren gelten" 2878 . "Allerdings kann die Rechtsordnung nicht für alle Situationen Vorsorge treffen, in denen das Verhandlungsgleichgewicht mehr oder weniger beeinträchtigt ist. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Vertrag nicht 2874

Es muß hier nochmals darauf hingewiesen werden, daß, soweit der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit bzw. Privatautonomie mit bestimmten Regelungen gestaltet, welche Gebote oder Verbote für die Vertragsparteien vorsehen, es sich nicht mehr um die Einwirkung der Grundrechte auf das einfache Recht nach der "Ausstrahlungswirkungstheorie" handelt, sondern um seine Bindung an die Grundrechte nach Art. 1 III GG. 2875 BVerfGE 89, 214 232 ff. (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. auch aus einer anderen Perspektive BVerfGE 81, 242, 255 f. (Handelsvertreter); 85, 191, 213 (Nachtbackverbot für Frauen); zustimmend zu einer solchen Einwirkung der Grundrechte auf die geschäftlichen Beziehungen über die bürgerrechtlichen Generalklauseln: Canaris , in: AcP 1984, S. 228, 232 ff.; E. Klein, in: NJW 1989, S. 1640; Graf von Westphalen, in: MDR

1994, S. 7 f.; Wiedemann , in: AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 1 2 ; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98; LG Berlin NJW - RR 1996, S. 1140; Hager, in: JZ 1994, S. 379, befürwortet sogar eine unmittelbare Geltung der Grundrechte in den vertraglichen Beziehungen der Privaten; dagegen überhaupt zu der Frage der Wirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen geschäftlichen Beziehungen ablehnend Adomeit, in: NJW 1994, S. 2467 ff.; Eschenbach/Niebaum, in: NVwZ 1994, S. 1080, die auf S. 1081 in dieser Haltung des BVerfG sogar eine "unmittelbare Drittwirkung" sehen; kritisch auch Medicus, in: AcP 1992, S. 62; Isensee, in: JZ 1996, S. 1090; Zöllner, in: AcP 1996,

S. 13 f , 25 ff.; Oldiges, in: FS Friauf, S. 291 ff, 298 f.; zurückhaltend Rittner, in: NJW 1994, S. 3331; im allgemeinen zurückhaltend zeigt sich auch Oeter, in: AÖR 1994, S. 542 ff. 2876 BVerfGE 81, 242, 255. 2877 BVerfGE 89,214, 232. 2878 Genauso BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18*; kritisch dazu Medicus, in: AcP 1992, S. 62; Zöllner, in: AcP 1996, S. 13 f , 25 ff.; Isensee, in: JZ

1996, S. 1090.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

523

bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden. Handelt es sich um eine typisierbare Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen läßt, und sind die Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend, so muß die Zivilrechtsordnung darauf reagieren und Korrekturen ermöglichen" 2879 . "Heute besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs taugt und daß der Ausgleich gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts gehört" 2880 . Das BVerfG hat die rechtlichen Positionen des schwächeren Teils aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 I GG) hervorgehoben und, wie gezeigt 2881 , daraus wie auch aus dem Sozialstaatsprinzip eine Schutzpflicht der öffentlichen Gewalt abgeleitet. Diese Pflicht zu erfüllen sei in erster Linie Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, dem die Verfassung einen weiten Spielraum lasse 2882 . "In diesem Zusammenhang haben die Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs zentrale Bedeutung" (vgl. §§ 138 I, II, 242 BGB) 2 8 8 3 . "Für die Zivilgerichte folgt daraus die Pflicht, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, daß Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen. Haben die Vertragspartner eine an sich zulässige Regelung vereinbart, so wird sich regelmäßig eine weitgehende Inhaltskontrolle erübrigen. Ist aber der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen", so müßten die Gerichte klären, "ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen" 2884 . "Ein

2879

BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; vgl. auch LG Berlin NJW - RR 1996, S. 1140. 2880 BVerfGE 89, 214, 233 (Bürgschaft). 2881

s. oben sub B VI2aaa. BVerfGE 89, 214, 234 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 , vgl. auch Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 64. 2883 BVerfGE 89, 214, 233 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185; zustimmend Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98; vgl. aber zu weit Wiedemann , in: JZ 1990, S. 696, der die vorhandenen Generalklauseln des BGB für nicht ausreichend hält und für die Einführung einer Generalklausel im Sinne der "ordre constitutionel" in das BGB plädiert, um eine inhaltliche Überprüfung jedes Vertrags am Maßstab der Grundrechte vornehmen zu können. 2884 BVerfGE 89, 214, 234 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021; zustimmend BAG AP §611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18*; LG Berlin NJW - RR 1996, S. 1140; kritisch Oldiges, in: FS Friauf, S. 298. 2882

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Verstoß gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie kommt aber dann in Betracht, wenn das Problem gestörter Vertragsparität gar nicht gesehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht wird" 2 8 8 5 . Aus der Darstellung dieser Rechtsprechung wird klar, daß eine gestörte Vertragsparität vorhanden ist und demzufolge Fremdbestimmung bei den geschäftlichen Verhältnissen herrscht, wenn kumulativ erstens "der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen" ist und zweitens "die vereinbarte Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist". Erst dann dürfen die Gerichte nach der Theorie der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte (Art. 2 I GG usw.) durch eine inhaltliche Vertragskontrolle über die §§ 138, 242 BGB eingreifen 2886 . Es ist eindeutig, daß das BVerfG in seiner Bürgschafts-Rechtsprechung im Vergleich zu seinem Handelsvertreter-Urteil einen oder sogar mehrere Schritte weiter gegangen ist 2 8 8 7 . Es liegt auf der Hand, daß diese Darlegungen der bundesverfassungsrechtlichen Bürgschafts-Rechtsprechung über das zivilrechtliche Bürgschaftsrecht hinausgehen2888. Solche Fälle "gestörter Vertragsparität" können oft in den arbeits-, aber auch in den wettbewerbsrechtlichen Beziehungen und im allgemeinen, wo ein Gewaltverhältnis 2889 herrscht 2890 , auftreten; aber nicht nur dort: Fallkonstellationen, die aus einer tatsächlichen (wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen, intellektuellen) Abhängigkeit der einen Partei von der anderen geprägt werden, können auch als Fälle "gestörter Vertragsparität" bezeichnet werden 2891 . Der BGH hatte bereits vorher solche Eingriffe in die Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien zugelassen, wenn durch den Vertrag eine der Parteien über-

2885

BVerfGE 89, 214, 234 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021. 2886 Vgl. zu dieser Einschätzung BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185; Honseil, in: NJW 1994, S. 566; Rittner, in: NJW 1994, S. 3330; Graf von Westphalen, in: MDR 1994, S. 5; Singer, in: JZ 1995, S. 1137 (m. w. N.); Frank, in: JuS 1996,

S. 390; Classen , in: AÖR 1997, S. 77; vgl. auch unter einem kritischen Gesichtspunkt Oldiges, in: FS Friauf, S. 298. 2887 So Eschenbach/Niebaum, in: NVwZ 1994, S. 1080. 2888 So auch Honseil, in: NJW 1994, S. 566; Graf von Westphalen, in: MDR 1994, S.5. 2889 D a r u n t e r versteht man auch eine Konstellation, in der der eine Teil eine Monopoi- oder Oligopolstellung innehat - vgl. dazu LG Berlin NJW - RR 1996, S. 1140 oder knappe Güter wie Wohnungen verteilt oder das Rechtsverhältnis durch einen Kontrahierungszwang ausgestaltet wird. 2890 Vgl. auch BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185> 6 ; Achterberg, in: JZ 1975, S. 717; Preis/Stoffels, 2891

in: ZHR 1996, S. 451.

Vgl. oben sub Β VI 3 d bb β und unten sub II 1 a.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

525

mäßig begrenzt werden solle 2892 . Diese Formulierung verweist auf die Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte nach Art. 19 I I GG oder das Verhältnismäßigkeitsgebot i. e. S., die auch einen Bezugspunkt und Maßstab für die Einwirkung der Grundrechte auf die Gestaltung und privatrechtliche Kontrolle der vertraglichen Beziehungen darstellen 2893 . Unterdessen kann die Antastung des Wesensgehaltes als Verletzung des Grundrechts der anderen Vertragspartei und dementsprechend die Wesensgehaltsgarantie als Grenze der Privatautonomie betrachtet werden. Die Menschenwürde sowie der Menschenwürdekern, der in einigen Grundrechten enthalten ist, setzen der Vertragsfreiheit auch Grenzen. In anderen Fällen ist wieder eine Güterabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Privatautonomie der richtige Lösungsweg.

c)... Verhältnismäßigkeitsprinzip Die Frage nach der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der Einwirkung der Grundrechte auf die Bürger-Bürger-Relation stellt sich als sehr umstritten dar. Argumente, die aus der Ablehnung einer absoluten Wirkung der Grundrechte auf die Verhältnisse unter den einzelnen sowie auch aus der Privatautonomie abgeleitet werden, sprechen dagegen2894. In der Tat stellt das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Schranke der Befugnis der öffentlichen Gewalt dar, die Grundrechte einzuschränken. Nach dieser Konzeption ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genauso staatsgerichtet wie die Grundrechte. Auch seine rechtsstaatliche Herleitung und Begründung würden dafür sprechen. Trotzdem kann er bei der Einwirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen nicht außer acht gelassen werden. Gerade das Argument seiner Rechtsstaatlichkeit und Staatsgerichtetheit stellt den Auslöser für seine Annahme statt seiner Negation dar. Sofern die grundrechtskollidierenden Positionen zivilrechtlich aufgrund der Generalklauseln etc. gelöst werden sollen und diese Aufgabe dem Zivilrichter, d. h. einem Organ der grundrechtsgebundenen öffentlichen Gewalt, obliegt, ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip ein taugliches Instrument in den Händen des Richters, die Kollision zu lösen 2895 . 2892 So BGHZ 68, 1, 5; 74, 293, 298; 83, 313, 318; BGH NJW 1979, S. 865; vgl. weiter BGH NJW 1995, S. 2351; OLG Koblenz NJW - RR 1993, S. 611 f.; vgl. auch Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 64. 2893 So auch Achterberg, in: JZ 1975, S.718; vgl. auch BVerfGE 81, 242, 256 (Handelsvertreter); 89, 214, 232, 234 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021, ohne aber auf Art. 19 II GG zu rekurrieren. In den letzteren Urteilen spricht das Gericht von einer "ungewöhnlichen Belastung" des einen Vertragsteils. 2894 So Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 944; zurückhaltend auch Singer, in: JZ 1995, S. 1136. 2895 s. auch oben sub Β V 2 a cc; vgl. auch BGH AfP 1994, S. 139; Leisner, SB-

Großhandel, S. 96; Medicus, in: AcP 1992, S. 59 f.; Classen, in: AÖR 1997, S. 82; vgl.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Die Einwirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf die privatrechtlichen Beziehungen erschöpft sich jedoch nicht darin. Wenn die einzelnen vertraglich Selbst-Grundrechtseinschränkungen vereinbaren 2896 oder außergeschäftlich in die Grundrechtssphäre anderer Grundrechtsträger eingreifen 2897 , darf das den Verhältnismäßigkeitsgedanken nicht außer acht lassen. Das wirkt über das Zivilrecht wiederum auf die privatrechtlichen Beziehungen (ζ. B. Generalklauseln usw.) ein 2 8 9 8 , so daß von einer unmittelbaren Bindung der Privaten an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine Rede mehr sein kann 2899 . Hier muß man aber Vorsicht walten lassen. Da gerade die Privatautonomie eine Rolle spielt, sollte die Handhabung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht so weit gehen, daß die Privatautonomie eingedämmt wird 2 9 0 0 . Das ist besonders wichtig, wenn die Gleichheitsrechte auf das Privatrecht einwirken sollen. Eine strenge Handhabung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der Einwirkung insbesondere des allgemeinen Gleichheitssatzes auf die privatrechtlichen Verhältnisse über die Willkürkontrolle hinaus könnte die Privatautonomie zerstören 2901. Deswegen sollte der Richter den privatrechtlichen Subjekten, die parallel auch Grundrechtssubjekte sind, einen größeren Spielraum 2902 als dem Staat bei der Bestimmung des "legitimen" Zwecks (sachlichen Grundes) der Grundrechtseinschränkung bzw. Ungleichbehandlung sowie der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Mittels für die Erreichung dieses Zwecks lassen und nur die Kontrolle des Willkürverbots und der Verhältnismäßigkeit i. e. S. strenger anwenden 2903 . Im Falle eines Gewaltverhältnisses oder der gestörten Ver-

aber anders Ossenbühl, in: DVB1. 1995, S. 907, der allerdings für eine begrenzte Verhältnismäßigkeit in der Bürger-Bürger-Relation plädiert, die als Abwägungsgebot und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i. e. S.) verstanden wird; wie Ossenbühl Rüfner, in: GS Martens, S. 221; ders., in: HdStR, V, § 117, Rd. 66 f , 70, der statt der Verhältnismäßigkeitskontrolle eine einfache praktische Konkordanz "ohne genaue Maßstäbe" bevorzugt. 2896 ygj u n t e n d a s Beispiel des vertraglichen Wettbewerbsverbots sub II 1 a. 2897 Yg] u n t e n das Beispiel des Boykottaufrufs sub II 2 b. 2898 Vgl. dazu BVerfGE 81, 242, 256 (Handelsvertreter); BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 , Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S. 298 ff. 2899 Singer, in: JZ 1995, S. 1136, bezieht die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in der Bürger-Bürger-Relation auf die sog. unmittelbare Drittwirkung. 2900 Ygj a u c h s o Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 25. 2901 Vgl. ebenso Rüfner, in: HdDStR, V, § 117, Rd. 69. 2902 Vgl. dazu BVerfGE 81, 242, 254 (Handelsvertreter): "Sie (seil.: die Vertragspartner) bestimmen selbst, wie ihre gegenläufigen Interessen angemessen auszugleichen sind, und verfügen damit zugleich über ihre grundrechtlich geschützten Positionen ohne staatlichen Zwang. Der Staat hat die im Rahmen der Privatautonomie getroffenen Regelungen grundsätzlich zu respektieren"; vgl. auch BVerfGE 89, 214, 231 (Bürgschaft); BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185; Medicus, in: AcP 1992, S. 59 f. 2903 Yg] a u c h BVerfGE 81, 242, 256 (Handelsvertreter), das die zivilrechtlichen Generalklauseln im Fall der richterlichen Überprüfung des vertraglichen Inhalts als

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

527

tragsparität soll das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Maßstab der Zulässigkeit der vereinbarten (Selbst-)Beschränkungen oder bei Vertragsabschlüssen bzw. -aufhebungen eine größere Rolle spielen 2904 . Auch Art. 19 I I GG kommt in Betracht 2905 . Zum anderen aber werden die privatrechtlichen Beziehungen nicht nur im geschäftlichen, sondern auch im außergeschäftlichen Bereich gestaltet, wo die Privatautonomie nur den einen Teil betrifft und ihre Ausübung durch ihn die Beeinträchtigung grundrechtlicher Güter des anderen oder anderer Teile zur Folge hat (ζ. B. im Deliktsrecht). Auch in diesem Bereich bekommt das Verhältnismäßigkeitsprinzip eine größere Bedeutung für den Richter, der nach der Theorie der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte das umstrittene Verhalten des Privaten anderen Privaten gegenüber im Lichte der Grundrechte beurteilen muß 2 9 0 6 .

d)... Wechselwirkungslehre Wie bereits dargelegt wurde 2907 , hat das BVerfG in seinem berühmten LüthUrteil 2 9 0 8 die sog. Wechselwirkungslehre für die Einschränkbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 I GG konzipiert und seitdem in ständiger Rechtsprechung weiterentwickelt. Es wurde ebenfalls ausgeführt 2909, daß jedenfalls die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend (Art. 5 I I Var. b GG) und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 I I Var. c GG) grundrechtliche Güter zu schützen haben. Das ist auch bei den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 II Var. a GG) häufig der Fall. Daraus ergibt sich eine Bürger-Bürger-Relation auf Grundrechtsebene, die zu einer Grundrechtskollision führen kann. Soweit die gesetzlichen Vorschriften, aufgrund derer die Grundrechte aus Art. 5 I GG eingeschränkt werden dürfen, die Form einer Generalklausel etc. haben, kann die Wechselwirkungslehre nichts anderes als eine Ausstrahlungswirkung sein. Die

Übermaßverbote bezeichnet; vgl. weiter BVerfGE 89, 214, 234 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021, wo das Gericht die richterliche Inhaltskontrolle eines Vertrags auf die Angemessenheitskontrolle bezieht; BAG AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185; in diese Richtung auch Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 944. 2904 ygj dazu Schlechtriem, in: 40 Jahre Grundgesetz, S. 44. 2905 So auch Bleckmann, in: DVB1. 1988, S. 944.; vgl. auch die Rechtsprechung des BGH oben sub b. 2906 Vgl. dazu BVerfGE 35, 202, 225 f , 232 (Lebach); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 2670; Canaris , in: JuS 1989, S. 167 ff. (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). 2907 s. oben subBIV2dbb γ. 2908 BVerfGE 7, 198 ff. 2909 s. oben sub Β IV 2 d bb β.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

gesetzliche Regelung stellt zwar einen Grundrechtseingriff dar, sie muß aber im Lichte der Bedeutung nicht nur der Grundrechte des Art. 5 I GG, sondern auch der mit ihnen kollidierenden Grundrechte interpretiert werden 2910 . Die kollidierenden Grundrechte wirken auf die die Grundrechte des Art. 5 I GG einschränkenden Gesetze ein und stellen ihr Gegengewicht bei der Güterabwägung dar 2 9 1 1 .

e)... Schutzpflicht des Staates Aus den gerade dargelegten Ausführungen in Verbindung mit den Ausführungen, die an der Stelle der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates gemacht wurden, ergibt sich eine unmittelbare Beziehung zwischen der Lehre der "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte und der Schutzpflichtlehre 2912 . Denn die Schutzpflichtlehre hat zunächst Eingriffe usw. von Privaten gegen Private zum Gegenstand. Man darf nicht so weit gehen, daß man die Frage der Wirkung der Grundrechte auf die Bürger-Bürger-Relation nur auf die Schutzpflichtlehre reduziert oder als einen Unterteil betrachtet 2913 . Daß die öffentliche Gewalt verpflichtet ist, die Grundrechte vor Übergriffen und Bedrohungen seitens Dritter zu schützen, ist bereits ausführlich gezeigt worden. In erster Linie kommt als Schutzverpflichteter der Gesetzgeber in Betracht. Wenn er aber nicht durch eine bestimmte Regelung tätig geworden ist und der Schutz im Rahmen des Privatrechts ausreicht, ohne daß eine strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Regelung notwendig ist, dann wird der Zivilrichter von der Rechtsordnung als der nächste Grundrechtsverpflichtete angerufen, um das bedrohte Grundrecht durch die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Generalklauseln, die in diesem Fall als schutzpflichtkonforme Auslegung gilt, zu schützen 2914 . Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte hat aber der Schutzpflicht gegenüber eigenständige Bedeutung 2915 : Sie stellt nicht nur ein Werkzeug für den Richter dar, um seine Schutzpflicht auszuüben, vielmehr

2910 Genauso BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya); 35, 202, 225 (Lebach); BGH NJW 1985, S. 1618 (Nacktfotos); vgl. auch ähnlich Sachs, in: JuS 1995, S. 988. 2911 Vgl. BGH NJW 1985, S. 1618 (Nacktfotos); vgl. auch BVerfGE 34, 269, 282 (Soraya); 35, 202, 221, 225 (Lebach); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1997, S. 2670; BGH NJW 1994, S. 125 (Greenpeace). 2912 Vgl. die Nachweise oben sub Β VI 2 b aa γ. 2913 Dazu neigen aber Hermes, in: NJW 1990, S. 1768; Oeter, in: AÖR 1994, S. 536 f.; Oldiges, in: FS Friauf, S. 301 f. Diesen falschen Weg vermeidet mit Vorsicht C. D. Classen (Anm.), S. 73 ff.; vgl. wie hier Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 134;

v. Münch, in: JuS 1997, S. 249. 2914

Vgl. ebenso Canaris , in: AcP 1984, S. 228, 232 ff.; ders, in: JuS 1989, S. 163; Sevecke, in: AfP 1994, S. 198; Braczyk, Rechtsgrund, S. 77. 2915 So zutreffend v. Münch, in: JuS 1997, S. 249.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

529

setzt die Schutzpflichtlehre die Anwendung der Ausstrahlungswirkung voraus. Wie K. Doehring angemerkt hat: Das Gericht habe Grundrechte zu beachten, "soweit sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet"2916. Die Schutzpflicht und demgemäß die Erfüllung der richterlichen Schutzpflicht wird an die Einwirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Beziehungen nach der Ausstrahlungswirkungstheorie angepaßt und nicht umgekehrt. Es ist hier darauf hinzuweisen, daß das Verhältnis zwischen der Ausstrahlungswirkungsdoktrin und der Schutzpflichtlehre nach der Bürgschafts-Rechtsprechung des BVerfG eine neue und große Dimension bzg. der vertraglichen Beziehungen bekommen hat 2 9 1 7 . Das soll aber im folgenden Kapitel ausführlicher untersucht werden.

I I . Die Einwirkung des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit auf die wettbewerbsrechtlichen Beziehungen zwischen Privaten 1. Die Einwirkung

der Wettbewerbsfreiheit auf die rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Privaten

a) Besondere Berücksichtigung des Problems des Wettbewerbsverbots Ausführlich wurde bereits die Frage nach dem Verhältnis des Wettbewerbsverbots zu der Schutzpflichtlehre untersucht 2918 . Der Schwerpunkt dieser Untersuchung lag in den Darlegungen des Handelsvertreter-Urteils 2919 des BVerfG. Dort wurde insbesondere die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des das Wettbewerbsverbot der Handelsvertreter regelnden § 90 a I I 2 HGB sowie die ganze Funktion des § 90 a HGB für die Schutzpflichtlehre überprüft. Vergleichbare Inhalte haben die §§60 (gesetzliches Wettbewerbsverbot für Handlungsgehilfen), 74 ff. (Ausgestaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für Handlungsgehilfen) 2920 , und 112 f. (gesetzliches Wettbewerbsverbot für OHG-Gesellschafter) HGB. Aus der vorliegenden Untersuchung werden jedoch die gesetzlichen Wettbewerbsverbote ausgenommen, da diese die Frage konkret regeln und deswe2916

Doehring, Staatsrecht, S. 209. a u ç h bereits früher F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 522; vgl. hier die Darlegung E. Kleins , in: NJW 1989, S. 1639 f.; weiter Wiedemann , in: AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 18^; kritisch dazu Isensee, in: JZ 1996, S. 1090. 2917 y g j

2918

s. oben sub Β VI 3 d bb. BVerfGE 81, 242 ff. 2920 Es ist anerkannt, daß das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB sowie die Vorschriften der §§74 ff. HGB nicht nur für die kaufmännischen Handelsgehilfen, sondern für jeden Arbeitnehmer, ob Arbeiter oder ob sog. gewerbliche Angestellte, gel2919

ten - so Winterstein, 34 Tsiliotis

in: NJW 1989, S. 1463 (m. w. N.).

530

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

gen die Theorie der sog. Ausstrahlungswirkung der Grundrechte nicht angewendet werden kann 2 9 2 1 . Infolgedessen werden geschäftliche Wettbewerbsverbote untersucht, die nicht Gegenstand spezieller gesetzlicher Bestimmungen, sondern der Generalklauseln des Zivilrechts (vgl. § 138 BGB), unbestimmter Rechtsbegriffe oder anderer auslegungsbedürftiger Vorschriften (vgl. § 1 GWB) sein können. Aber selbst die Vorschriften, die gesetzliche Wettbewerbsverbote anordnen, können Lücken lassen, die mit Hilfe der Generalklauseln gefüllt werden sollen, auf die ihrerseits die Grundrechte einwirken. Aus alledem ergibt sich, daß man bei der nun folgenden Untersuchung nicht vergessen sollte, was bereits zur Funktion der Theorie der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und ihrem Verhältnis zu anderen Fragen der allgemeinen Grundrechtslehre dargelegt wurde.

aa) Das Wettbewerbsverbot von Gesellschaften

der Gesellschafter

bzw. Organmitglieder

α) Allgemeine Problematik Es ist zunächst zwischen dem Wettbewerbsverbot während des Gesellschaftsverhältnisses und dem nach der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses (nachvertragliches Wettbewerbsverbot) zu differenzieren. Wettbewerbsverbote der ersten Kategorie regelt das HGB in den §§ 112 f. In § 112 I HGB wird bestimmt, daß ein OHG-Gesellschafter ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter weder in dem Handelszweige der Gesellschaft Geschäfte machen noch an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter teilnehmen darf. § 113 HGB regelt die Sanktionen einer Verletzung der nach § 112 HGB obliegenden Verpflichtung. Die Begründung einer solchen Bestimmung ist offenbar: Die Treuepflicht der Gesellschafter 2922 . Danach besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, den Vertragspartner vor illoyaler Verwertung des Erfolges seiner Arbeit zu schützen 2923 . Es ist aber darauf hinzuweisen, daß § 112 I HGB zwar ein Wettbewerbsverbot auferlegt, von dem nach der Einwilligung der anderen Gesellschafter abgewichen werden kann. In der Tat enthält diese Vorschrift dispositives Recht und ordnet kein absolutes gesetzliches Wettbewerbsverbot an. Das bedeutet, daß das "Ob" und "Wie" des Wettbewerbsverbotes letzten Endes dem Willen der betroffenen Parteien anheim gegeben ist.

2921

So auch zutreffend Achterberg, in: JZ 1975, S. 713 ff. Vgl. BGHZ 89, 162, 165, für die OHG-Gesellschafter und die KGKomplementäre; Kanzleiter, in: DNotZ 1989, S. 195; Mayer, in: NJW 1991, S. 23. 2923 BGH NJW 1991, S. 699. 2922

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

531

§ 161 I I HGB verweist fur die K G analog auf die Vorschriften über die OHG, soweit nicht in dem die K G betreffenden Abschnitt des HGB etwas anderes geregelt wird. § 165 HGB bestimmt jedoch, daß die §§ 112 f. HGB auf die Kommanditisten keine Anwendung finden. Das bedeutet, daß die §§ 112 f. HGB nur für die Komplementäre einer K G gelten 2924 . In bestimmten Fallkonstellationen, insbesondere dann, wenn ein maßgeblicher Einfluß auf die Geschäftsführung besteht, können die §§ 112 f. HGB aber auch auf den Kommanditisten, den atypischen stillen Gesellschafter, den Gesellschafter einer GmbH und den BGB-Gesellschafter angewendet werden 2925 . Die §§ 112 f. HGB gelten für Wettbewerbsverbote während des Gesellschaftsverhältnisses 2926 und finden keine Anwendung für nachvertragliche Wettbewerbsverbote 2927 , die hier mehr von Bedeutung sind. Es ist nicht selten der Fall, daß in Handelsgesellschaften zwischen Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und Organmitgliedern (ζ. B. Geschäftsführern) 2928 vereinbart wird, daß sie nach dem Ausstieg aus der Gesellschaft keine berufliche Tätigkeit ausüben dürfen, die in irgendeiner Art zu den Tätigkeiten der Gesellschaft konkurrieren könnte. Auch hier sind die Gründe einfach nachvollziehbar: Die Gesellschafter oder die Organmitglieder der Gesellschaften haben wegen ihrer Stellung und Funktion im Unternehmen Kenntnis von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen desselben (Klientel, Know-how, Unternehmensstrategie etc.), die sie später, wenn sie aus der Gesellschaft aussteigen und in eine andere konkurrierende Gesellschaft einsteigen, entsprechend auswerten könnten, um die Wettbewerbsfähigkeit ihres neuen Unternehmens zuungunsten des alten zu stärken. Es erscheint deswegen für die alte Gesellschaft und die übernommenen Gesellschafter legitim, ihren Gesellschaftern bzw. Organmitgliedern solche

2924

2925

Mayer, in: NJW 1991, S. 23.

So BGHZ 89, 162, 166; Mayer, in: NJW 1991, S. 23; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW - RR 1994, S. 36, für den einfachen Gesellschafter einer GmbH. 2926 ygi m e h r z u diesen Wettbewerbsverboten und der Rechtmäßigkeit ihrer Vereinbarung bei Kanzleiter, in: DNotZ 1989, S. 195 f , mit weiteren Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung in Fn. 14 (dort). 2927 So BGH NJW 1968, S. 1717 f. (Wirtschaftsprüfer); BGH NJW 1991, S. 700. 2928 Die Frage ist eigentlich umstritten - vgl. zur Gleichsetzung der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern einer GmbH BGHZ 91, 1, 3 f , 6 (GmbH-Geschäftsführer), wonach der Geschäftsführer nicht Handlungsgehilfe, sondern Organmitglied sei. Deswegen würden die von einer GmbH mit ihren Geschäftsführern vereinbarten Wettbewerbsklauseln i. S. d. § 74 I HGB nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen der §§ 74 ff. HGB unterliegen; bestätigt durch BGH NJW 1992, S. 1892; weiterhin OLG Düsseldorf BB 1996, S. 2378 f. (m. w. N. bzgl. Rechtsprechung und Literatur diesen Meinungsstreit betreffend); C. Münch, in: NJW 1993, S. 225 f.; vgl. aber anders Hirte, in: ZHR 1990, S. 452 ff, der eine analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB befürwortet; vgl. dazu auch die Stellungnahme von Mayer-Maly, in: MünchKomm, Bd. 1, § 138, Rd. 72.

532

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Wettbewerbsverbote aufzuerlegen 2929 . Dagegen besteht nach der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses für den ausgeschiedenen Gesellschafter grundsätzlich keine Treuepflicht, nach der er gem. § 242 BGB zu einem Wettbewerbsverbot verpflichtet wäre 2 9 3 0 .

ß) Die Rechtsprechung des BGH und der unteren Zivilgerichte Daraus ergibt sich, daß die Privatautonomie der betreffenden Teile einer Handelsgesellschaft sehr weit erscheint. Man könnte behaupten, daß aufgrund dieser Privatautonomie, die grundrechtlich garantiert ist, die vertragliche Vereinbarung von Wettbewerbsverboten - von den gesetzlichen Bestimmungen abgesehen - uneingeschränkt geregelt werden dürfte. Der BGH hat in seiner frühen Rechtsprechung unbefristete oder langjährige Wettbewerbsverbote regelmäßig als mit § 138 I BGB vereinbar angesehen2931. Der BGH konnte diese Position aber selbst nicht halten. Seine Rechtsprechung hat inzwischen zu Recht die vertragliche Vereinbarung von solchen Wettbewerbsverboten strengeren Schranken i. S. d. Gute-Sitten-Generalklausel des § 138 BGB und demgemäß einer strengeren richterlichen Inhaltskontrolle untergeordnet 2932 . I m Rahmen dieser Kontrolle hat der BGH dargelegt, daß "ein Konkurrenzverbot den Verpflichteten in der Berufsausübung nicht übermäßig beschränken und damit nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgehen" darf 2 9 3 3 . "Der danach vorzunehmende Interessenausgleich erfordert eine umfassende Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch die Berücksichtigung des Zwecks, der mit der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots verfolgt wird. Das gilt sowohl für den Gegenstand des Wettbewerbsverbots als vor allem auch für die zeitliche Dauer und den örtlichen Bereich" 2 9 3 4 . Aus diesen Schlüssen 2935 wird folgendes klar: Die Zivilgerichte dürfen die Rechtmäßigkeit vertraglich vereinbarter Wettbewerbsklauseln am Maßstab des

2929

So auch BGHZ 91, 1, 4 (GmbH-Geschäftsführer); BGH NJW 1991, S. 700; OLG Düsseldorf NJW - RR 1994, S. 36. 2930 So BGH DB 1990, S. 623 (Repetitor). 2931 Vgl. die einschlägige Rechtsprechung bei Ulmer, in: NJW 1979, S. 1586, Fn. 15, 16 (dort). 2932 BGH NJW 1968, S. 1717 f. (Wirtschaftsprüfer); BGH WM 1974, S. 75 f. 2933 BGH WM 1974, S. 76. 2934 BGH WM 1974, S. 76. 2935 Es ist hier daraufhinzuweisen, daß diese Schlüsse mutatis mutandis auch für die Konkurrenzverbote im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses, natürlich unter besonderer Berücksichtigung des § 112 HGB, gelten - vgl. dazu Kanzleiter, in: DNotZ 1989, S. 195 ff, mit weiteren Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung in Fn. 14 (dort).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

533

§138 BGB überprüfen. Die Überprüfung betrifft den mit der Vereinbarung verfolgten Zweck der Gesellschaft und der übernommenen Pflichten (u. a. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor ihrer zukünftigen Auswertung durch den ausgestiegenen Gesellschafter) sowie seinen Gegenstand, die zeitliche Dauer und den örtlichen Bereich. Das Wettbewerbsverbot muß nach einem verhältnismäßigen Interessenausgleich mit den kollidierenden Interessen beider Parteien vereinbart werden 2936 . Äußerste Grenzen dieses Interessenausgleichs sind das Übermaßverbot für die Berufsausübung des verpflichteten Gesellschafters und die Befriedigung der schützensweiten Interessen der Begünstigten (Untermaßverbot). Man befindet sich bei einem klassischen Fall der Anwendung der Ausstrahlungswirkungstheorie der Grundrechte auf das Zivilrecht. Der BGH hat zwar ursprünglich nicht auf diese ausdrücklich rekurriert, er hat aber ihre Maßstäbe in vollem Umfang angewendet: Einwirkung der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit (Art. 121 GG) des verpflichteten Gesellschafters über die Generalklausel des § 138 BGB auf die privatrechtlichen Beziehungen, Anerkennung der schützenswerten kollidierenden (grundrechtlichen) Positionen, verhältnismäßiger Interessenausgleich der beiden Parteien durch das Übermaßverbot für die Wettbewerbsfreiheit des Verpflichteten und das Untermaßverbot für die Wettbewerbsfreiheit des Begünstigten - der Gerichtshof deutet die Erforderlichkeit und die Angemessenheit der Regelung an. In der Tat funktioniert im vorliegenden Fall das Untermaßverbot (Schutzpflicht) für den Richter in beide Richtungen, die grundrechtlich schützenswert sind 2937 . Der BGH hat unbewußt über zwanzig Jahre zuvor die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und ihre Beziehung zu allen möglichen Aspekten der Grundrechtslehre (Grundrechtskollisionen, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Schutzpflichtlehre) bei der inhaltlichen Überprüfung umstrittener Wettbewerbsklauseln sinnentsprechend angewendet2938. Diese Rechtsprechung wurde vom BGH und mittlerweile von den unteren Zivilgerichten bestätigt 2939 und fortentwickelt. Allmählich greift der Gerichtshof ausdrücklich auf die Wertordnung des GG bzw. Art. 121 GG (und Art. 2 I GG) als Auslegungsmaßstab des § 138 BGB und demgemäß der Sittenmäßig-

2936

So auch Spoer/Brinker/Diller, in: NJW 1997, S. 3058. Vgl. dazu oben sub V 2 b cc ß. 2938 Andererseits läßt sich jedoch sagen, daß die Wende in seiner Rechtsprechung bezüglich der strengeren Überprüfung solcher Wettbewerbsverbote anhand des § 138 I BGB ein klares Zeichen des Einflusses der Ausstrahlungswirkungslehre auf diese ist. 2939 Vgl. auch BGHZ 91, 1, 5 (GmbH-Geschäftsführer); BGH NJW - RR 1990, S. 227; BGH NJW 1991, S. 699; BGH NJW 1994, S. 386; BGH NJW 1997, S. 3089 f. (Tierarztpraxis); OLG Karlsruhe WM 1986, S. 1475; OLG Hamm NJW - RR 1993, S. 1314 (nicht rechtskräftig); OLG Düsseldorf NJW - RR 1994, S. 36; OLG Düsseldorf BB 1996, S. 2378; vgl. auch BGH WRP 1996, S. 1151 f. (Laborärzte) bezüglich eines standesrechtlichen Wettbewerbsverbots. 2937

534

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

keitsprüfung einer umstrittenen Konkurrenzklausel zurück 2940 . Er akzeptiert damit grundrechtsdogmatisch völlig die Lehre der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Zivilrecht und zeigt sich in absoluter Harmonie mit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, indem er auf diese (das LüthUrteil als Leitentscheidung) ausdrücklich verweist 2941 . Der BGH zeigt weiterhin auf, wie er die verhältnismäßige, zeitliche, örtliche und gegenständliche Einschränkung des Konkurrenzverbots versteht: "Bei der Beurteilung der zeitlichen Dauer des Wettbewerbsverbots ist das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Fernhaltung des Verpflichteten i m allgemeinen nur für einen Zeitraum anzuerkennen, in dem die während der Vertragszeit geschaffenen geschäftlichen Beziehungen noch fortwirken. Die Erfahrung zeigt, daß diese Beziehungen sich nach einer gewissen Zeit so verflüchtigen, daß das geschützte Unternehmen durch die Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens des Verpflichteten keine wesentliche Einbuße mehr erfahren kann. Hier muß dann auch die Ausschaltung des Verpflichteten aus dem Tätigkeitsbereich des begünstigten Unternehmens grundsätzlich ihre zeitliche Grenze finden" 2 9 4 2 . Die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Verpflichteten sei für die Festlegung dieser Grenze nicht notwendig 2943 . Eine Dauer von zwei Jahren wird als angemessen betrachtet 2944 . Dagegen sei eine zeitlich unbegrenzte Verpflichtung für einen ausgeschiedenen Gesellschafter oder Geschäftsführer, Einflußnahmen auf Kunden der Gesellschaft zu unterlassen 2945 oder ein 5jähriges Wettbewerbsverbot 2946 bzw. ein Wettbewerbsverbot, das sich ohne zeitliche Begrenzung in die Vergangenheit auf alle Personen bezieht, die zu irgendeinem Zeitpunkt in der 20jährigen Berufstätigkeit der Gesellschaft in einem Mandatsverhältnis zu dieser standen, als unverhältnismäßig zu betrachten 2947 .

2940 BGHZ 91, 1, 5 (GmbH-Geschäftsführer); BGH NJW 1991, S. 699; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW - RR 1994, S. 36; OLG Düsseldorf BB 1996, S. 2378; BGH NJW 1997, S. 3089 (Tierarztpraxis); vgl. zustimmend zu einem solchen Vorgehen Achterberg, in: JZ 1975, S. 718; Kanzleiter, in: DNotZ 1989, S. 195 f.; Mayer, in: NJW 1991, S. 24; C. Münch, in: NJW 1993, S. 228; zu einer "mittelbaren Drittwirkung" des Art. 12 I GG durch die Generalklauseln des bürgerlichen Rechts vgl. Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 73. 2941 BGH NJW 1986, S. 2944. 2942 BGH WM 1974, S. 76; BGH NJW - RR 1990, S. 227; BGH NJW 1991, S. 700; OLG Hamm NJW - RR 1993, S. 1314 (nicht rechtskräftig). 2943 BGH NJW 1991, S. 699. 2944 BGH WM 1974, S. 76; BGHZ 91, 1, 6 f. (GmbH-Geschäftsführer); BGH NJW RR 1990, S. 227; OLG Hamm NJW - RR 1993, S. 1314 (nicht rechtskräftig). 2945 BGHZ 91, 1,9 (GmbH-Geschäftsführer); vgl. auch BGH NJW 1991, S. 700; BGH NJW 1997, S. 3089 (Tierarztpraxis). 2946 OLG Karlsruhe WM 1986, S. 1475. 2947 BGH NJW 1991, S. 700; BGH NJW 1997, S. 3089 (Tierarztpraxis).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

535

In bezug auf die Zulässigkeit der gegenständlichen Wettbewerbseinschränkung bejaht der BGH diese, wenn der gegenständliche Bereich des Wettbewerbsverbots insoweit eng auf solche Auftraggeber begrenzt ist, die während der letzten drei Jahre zum Kundenkreis der Klägerin gehörten 2948 . Voraussetzung ist allerdings, daß das Konkurrenzverbot nur für diejenigen Mandanten gilt, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters Mandanten der Gesellschaft sind, und damit die berufliche Betätigungsfreiheit des Ausscheidenden sachlich und örtlich nicht über das Maß hinaus beschränkt, das unter den gegebenen Umständen zur Vermeidung einer Existenzgefährdung der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter erforderlich sei (Erforderlichkeits- und Angemessenheitsprüfung) 2949. Dagegen soll eine Wettbewerbsklausel nichtig sein, die den ausgeschiedenen Geschäftsführer verpflichtet, für die Dauer des Wettbewerbsverbots an einem bestimmten Ort "weder selbständig noch unselbständig noch beratend, auch nicht gelegentlich oder mittelbar, auf Gebieten tätig zu werden, die zum Aufgabenbereich der Gesellschaft gehörten". Denn ein solches absolutes Wettbewerbsverbot gehe über das berechtigte Interesse der Gesellschaft hinaus und sei auch mit dem öffentlichen Interesse an der Freiheit der Berufsausübung im Berufsstand, dem der ausgeschiedene Geschäftsführer gehört, unvereinbar 2950 . Das Bemerkenswerte an diesem Ausspruch des BGH ist allerdings, daß er bei dem verhältnismäßigen Interessenausgleich (Güterabwägung) beider Parteien nicht nur die individuelle Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit, sondern auch das öffentliche Interesse auf der Seite des Verpflichteten heranzieht 2951 2 9 5 2 . Genauso unangemessen und dementsprechend nach § 138 BGB sittenwidrig sei die Ausdehnung eines Konkurrenzverbots "auf solche Auftraggeber, die keine Mandanten des ausgeschiedenen Gesellschafters waren, aber auf Empfehlung oder Vermittlung von dessen Mandanten zu der Gesellschaft kommen" 2953 , oder auf Mandanten, die der Verpflichtete und die Gesellschaft schon vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft verloren haben, "weil insoweit von einer illoyalen Verwertung des Erfolgs der in-

2948

S. 2378. 2949

BGHZ 91, 1, 7 (GmbH-Geschäftsführer); vgl. auch OLG Düsseldorf BB 1996,

BGH NJW - RR 1990, S. 227. BGHZ 91, 1, 7 (GmbH-Geschäftsführer); OLG Düsseldorf NJW - RR 1994, S. 36; ähnlich BGH NJW 1997, S. 3089 (Tierarztpraxis); vgl. auch Mayer-Maly, in: MünchKomm, Bd. 1, § 138, Rd. 72 (m. w. N.). 2951 Vgl. auch BGHZ 91,1,9 (GmbH-Geschäftsführer). 2952 Dieser Ausspruch war in der einschlägigen Rechtsprechung des BGH nicht ganz neu - er hatte ihn bereits in BGH NJW 1968, S. 1717 f. (Wirtschaftsprüfer), zum ersten Mal verwendet, aber auf ihn nur als einzigen Grund der nach § 138 BGB Sittenwidrigkeit einer Wettbewerbsklausel zurückgegriffen, ohne auf die Berufsfreiheit des Verpflichteten zu rekurrieren. 2953 BGH NJW 1991, S. 700. 2950

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

nerhalb der Praxis des übernommenen Gesellschafters und der Gesellschaft geleisteten Arbeit keine Rede sein kann" 2 9 5 4 . Diese Maßstäbe hat der BGH unlängst bezüglich eines aufgrund einer standesrechtlichen Regelung angeordneten Wettbewerbsverbots angewendet 2955 . Er hat darüber hinaus auf die Gemeinwohlinteressen einer solchen Regelung zurückgegriffen und sie bei einer Verhältnismäßigkeitsüberprüfung hervorgehoben. Setzt man dieses Urteil mit der sonstigen Rechtsprechung des BGH über die Frage der Rechtmäßigkeit vertraglich vereinbarter Wettbewerbsklauseln in Verbindung, so kann man feststellen, daß nur dieser Aspekt der Gemeinwohlinteressen den Unterschied zwischen der Kontrolle eines Konkurrenzverbots anhand der standesrechtlichen Regelung und der Rechtmäßigkeitsüberprüfung eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots am Maßstab der §§ 138 I, 242 BGB unter der Einwirkung der Grundrechte (Art. 12 I GG) auf diese darstellt 2 9 5 6 .

bb) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Übernahme eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Praxis Nicht selten treten solche Konstellationen auch bei der Übernahme eines Unternehmens, Gewerbes oder einer freiberuflichen Praxis auf, bei der Wettbewerbsverbote verschiedener Art zwischen dem Unternehmer, der das Unternehmen aufgibt, und seinem Nachfolger vereinbart werden 2957 . Diese Wettbewerbsverbote betreffen freilich den Veräußerer 2958 . Der Hintergrund für die Vereinbarung solcher Wettbewerbsklauseln ist ähnlich wie bei den nachvertraglichen Konkurrenzverboten zwischen Gesellschaftern 2959 . Was hier besonders i m Hintergrund steht, ist das Interesse des Erwerbers, die Klientel seines Vorgängers zu gewinnen 2960 . Die von dem Veräußerer des Unternehmens übernommenen Verpflichtungen sind ebenso mit solchen vergleichbar, die Gesellschafter bzw. Organmitglieder von Gesellschaften nach der Beendigung ihres Gesellschaftsverhältnisses übernehmen. Es wird damit klar, daß dieselben Maßstäbe für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Klausel wie bei den Gesellschaften und vor allem auch die Ausstrahlungswirkung der Berufs- bzw.

2954

BGH NJW 1991, S. 700. BGH WRP 1996, S. 1149 ff. (Laborärzte). 2956 Vgl. näher dazu Spoer/Brinker/Diller, in: NJW 1997, S. 3056 ff. 2957 Mehr dazu bei Spoer/Brinker/Diller, in: NJW 1997, S. 3056. 2958 Vertragsgestaltungen, in denen der Erwerber des Unternehmens sich vertraglich verpflichtet, dem Veräußerer keine Konkurrenz zu machen, indem der erstere Geschäfte mit den Kunden des letzteren nicht abschließt, sind bisher nicht bekannt geworden. 2959 s. oben sub aa α. 2955

2960

Hirte, in: ZHR 1990, S. 444 f., 451.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

537

Wettbewerbsfreiheit der Vertragspartner und insbesondere des Veräußerers nach Art. 12 I GG gelten 2961 . Solche Fälle haben auch die zivilgerichtliche Judikatur beschäftigt. Der BGH hat in einem diese Frage betreffenden Grundsatz-Urteil seine Rechtsprechung über die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote von Gesellschaftern bestätigt und für ein im Rahmen eines Unternehmensverkaufs auferlegtes Wettbewerbsverbot dargelegt, daß es "nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der wirtschaftltichen Bewegungsfreiheit des Verpflichteten führen" dürfe 2 9 6 2 . Die Schutzwürdigkeit des Nachfolgers müsse "somit enden, sobald die übernommenen Unternehmen und die Marktposition in ihrer Hand so weit konsolidiert sein würden, daß der Wiedereintritt ..." der ausgestiegenen Gesellschafter "... in den Wettbewerbsprozeß keine wesentlich größere Gefahr darstellte als die Konkurrenz eines neu auf den Markt kommenden Unternehmens" 2 9 6 3 . Ein dem ausgeschiedenen Gesellschafter für einen Zeitraum von zehn Jahren auferlegtes Wettbewerbsverbot müsse sonach unter dem Gesichtspunkt des § 138 I BGB als übermäßig und demgemäß als nichtig angesehen werden 2964 . "Die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände sind darin zu sehen, daß ..." der Unternehmensveräußerer "... in einer mit den gesunden Auffassungen nicht mehr zu vereinbarenden Weise in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und Berufsausübung eingeschränkt ist" 2 9 6 5 . Einige Jahre später ging er in einem anderen Fall bezüglich eines Kanzleiverkaufs noch weiter und hat sich zum einen der "Ausstrahlungswirkungs"Rechtsprechung des BVerfG und zum anderen seiner eigenen über die gerichtliche Sittenmäßigkeitsüberprüfung nachvertraglicher Wettbewerbsklauseln für Gesellschafter u.a. angeschlossen und diese zutreffenderweise miteinander verbunden 2966 . Er hat in diesem Urteil die Bedeutung der Wertentscheidung des Art. 121 GG bzw. der grundgesetzlichen Grundentscheidung für die Freiheit des Berufs bei der Auslegung des § 138 BGB hervorgehoben. Er hat eine Grundrechtskollision zwischen der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit gem. Art. 121 GG des Veräußerers und der Vertragsfreiheit als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit seines Nachfolgers aus Art. 2 I GG ausdrücklich anerkannt 2967 . Nach der hier vertretenen Position handelt es sich dabei zwar um eine Grundrechtskollision, in der die Wettbewerbsfreiheit des Veräußerers nach

2961

s. auch Hirte y in: ZHR 1990, S. 445. BGH NJW 1979, S. 1606 (Frischbeton). 2963 BGH NJW 1979, S. 1606 (Frischbeton); vgl. auch bereits früher OLG Hamm GRUR 1973, S. 423; zustimmend Hirte, in: ZHR 1990, S. 451. 2964 BGH NJW 1979, S. 1606 (Frischbeton). 2965 BGH NJW 1979, S. 1606 (Frischbeton). 2966 BGH NJW 1986, S. 2944. 2967 Vgl. auch BAGE 13, 168, 176 f. 2962

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Art. 12 I GG auch mit der Vertragsfreiheit seines Nachfolgers, aber als Teil seiner Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 I und 14 11 GG, kollidiert. Eine Verhältnismäßigkeitskontrolle ist unter Berücksichtigung der kollidierenden Grundrechtspositionen und ihrer Schutzwürdigkeit (Schutzpflichtlehre) sowie ihres Wesensgehalts (vgl. Art. 19 I I GG) 2 9 6 8 auch hier geboten 2969 2 9 7 0 . Da die umstrittene Wettbewerbsklausel am Maßstab des § 138 BGB überprüft werden muß und die Grundrechte, insbesondere Art. 12 I GG, auf ihn einwirken, ist demzufolge zu ähnlichen Ergebnissen über die Rechtmäßigkeit solcher Klauseln wie bei den Gesellschaften zu kommen, wie es auch auch dem B G H 2 9 7 1 2 9 7 2 gelungen ist 2 9 7 3 2 9 7 4 .

2968 Q e r Wesensgehalt kann durch eine solche Vereinbarung angetastet werden, wenn im Veräußerungsvertrag vereinbart wird, daß der Veräußerer nicht mehr oder fur einen extrem langen Zeitraum (ζ. B. 10 oder 15 Jahre) den Beruf nicht ausüben darf. Eine solche Klausel wird mit einem Berufsverbot gleichgesetzt - so auch Mayer, in: NJW 1991, S. 24 - und ist nach § 138 I BGB nichtig. § 138 I BGB wird im Lichte des Art. 12 I GG i. V. m. Art. 19 II GG interpretiert - vgl. Achterberg,, in: JZ 1975, S. 718. 2969 Vgl. auch Hirte, in: ZHR 1990, S. 446. 2970 Hier ist noch ein Aspekt der Frage nach der Rechtmäßigkeit solcher Wettbewerbsverbote zu erwähnen: Relevant für ihre Überprüfung unter dem Gesichtspunkt des § 138 I BGB und unter der Einwirkung der aus Art. 12 I GG resultierenden Wettbewerbsfreiheit auf ihn ist auch die Frage, ob die Kundschaft des Veräußerers und alten Anbieters bei seinem Nachfolger geblieben ist und sich bei ihm konsolidiert hat oder ob sie trotz des Wettbewerbsverbots und der dadurch veranlaßten Nichtteilnahme des Verkäufers am Wettbewerbsmarkt vom Käufer des Unternehmens und neuen Anbieter weggelaufen ist. Im zweiten Fall ist offensichtlich, daß selbst ein nicht übermäßiges Wettbewerbsverbot, ζ. B. für zwei Jahre, unverhältnismäßig und deshalb sittenwidrig i. S. d. § 138 I BGB ist. Denn es scheitert nicht an der Erforderlichkeit oder Angemessenheit, sondern an der Geeignetheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsüberprüfung, sofern es nicht geeignet ist, seinen Zweck zu erreichen, d. h. die Konsolidierung der Kundschaft des alten Anbieters bei dem neuen - vgl. dazu Hirte, in: ZHR 1990, S. 452. 2971

s. ausführlich oben sub aa ß. So BGH NJW 1979, S. 1606 (Frischbeton); BGH NJW 1986, S. 2945; vgl. auch BGH NJW 1982, S. 2000 f. (Holzpaneele); OLG Stuttgart NJW 1978, S. 2340 - Leitsatz; OLG München NJW - RR 1995, S. 1191 ff.; vgl. zur weiteren Rechtsprechung bei Hirte, in: ZHR 1990, S. 447 ff.; zur historischen Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Lammely in: AcP 1989, S. 244 ff., insbesondere die S. 256 ff. Auf S. 264 führt Lammel aus, daß sich für das Problem der Wettbewerbsabreden unter dem Gesichtspunkt des § 138 I BGB nur der Schluß ziehen lasse, daß diese Norm auf solche Abreden nicht anwendbar sein könne. Denn sie stütze sich auf ein individualistisches Verhalten. Diese Position bedeutet offenkundig nichts anderes als ein totales Verkennen der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Interpretation dieser Norm. Das bedeutet aber darüber hinaus, was bereits oben betont wurde (s. oben sub I 3 e), daß die Interpretation der privatrechtlichen Generalklauseln u. a. im Lichte der Grundrechte ein aliud im Vergleich zu ihrer Interpretation ohne die grundrechtliche Einwirkung auf sie ist. 2973 Es ist hier hervorzuheben, daß der BGH in seinem Urteil BGH NJW 1986, S. 2944 f., bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Wettbewerbsverbots für den Veräußerer auf die "Dreistufentheorie" des BVerfG als strikte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für Eingriffe in die Berufsfreiheit (vgl. dazu oben sub 2972

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

539

Bemerkenswert ist die Apostrophierung des BGH in seinem FrischbetonUrteil, daß vereinbarte Wettbewerbsverbote der oben dargestellten Art ohne weiteres und abgesehen von den bereits ausgeführten Gründen sittenwidrig seien, wenn der Verpflichtete sich beim Abschluß des Vertrages in einer finanziellen Notlage befindet 2975 . Unter finanzieller Notlage versteht der BGH diejenige Situation, in der der Verpflichtete aus finanziellen Gründen keine andere Wahl hat als die Wettbewerbsklausel anzunehmen, weil ihm ζ. B. sonst ein Konkurs o. ä. droht. Der Gerichtshof hat festgestellt, daß die Käufer des Unternehmens als die wirtschaftlich Stärkeren die wirtschaftliche Notlage ihres Vertragspartners ausgenutzt hatten; deswegen hat er in das Vertragsverhältnis aufgrund des § 138 I BGB eingegriffen und die umstrittene Konkurrenzklausel für nichtig erklärt. Diese Bedingung hat er nicht wieder in einem anderen Urteil gesetzt, möglicherweise deshalb, weil es sich aus dem Sachverhalt nicht ergab. Es ist aber eine Voraussetzung, die an die "Fremdbestimmung" oder die "gestörte Vertragsparität" der Handelsvertreter- und Bürgschaft-Rechtsprechung des BVerfG erinnert. Darauf wird später 2976 bei dem Vergleich der Rechtsprechung der beiden Karlsruher Bundesgerichte eingegangen.

cc) Sonstige vertragliche

Wettbewerbseinschränkungen

Gewerbetreibender

Vertragliche Wettbewerbseinschränkungen können auch auf eine Weise vereinbart werden, die nicht in den Anwendungsbereich des GWB fällt, so daß dessen Vorschriften nicht als spezifische Normen zugreifen können. Häufig treten solche Wettbewerbseinschränkungen ζ. B. in Bierlieferungsverträgen auf. Aufgrund solcher Verträge wird vereinbart, daß die Gastwirte sich für eine lange Zeit verpflichten, Bier von einem bestimmten Lieferanten zu beziehen. Der BGH hat dazu Stellung genommen und ausgeführt, "daß eine 20jährige Bindung grundsätzlich bis an die äußerste Grenze des in einem Ausnahmefall noch zulässigen geht und in dem dort zur Entscheidung stehenden Fall nur mit

Β 2 a ee β ßß ααα) zurückgegriffen hat; zustimmend zu einer solchen Position Achterberg, in: JZ 1975, S. 718, 720, der aber zum Fehlschluß kommt, daß das (allgemeine) nach vertragliche Wettbewerbsverbot deswegen verfassungswidrig sei, weil es nicht die Anforderungen der "Dreistufentheorie" erfülle. 2974 Darüber hinaus wird noch eine andere Frage aufgeworfen und zwar, ob die zwischen dem Verkäufer und dem Käufer getroffene Vereinbarung solcher Wettbewerbsverbote auch anhand des § 1 GWB zu überprüfen ist. Die Frage kann hier dahingestellt bleiben - vgl. dazu BGH NJW 1979, S. 1605 f. (Frischbeton); BGH NJW 1982, S. 2000 f. (Holzpaneele); BGH NJW 1994, S. 384 ff.; OLG Hamm GRUR 1973, S. 423 (Textilspitzen); OLG Hamburg WRP 1987, S. 259 f.; Ulmer, in: NJW 1979, S. 1585 f.; Lammel, in: AcP 1989, S. 266; Hirte, in: ZHR 1990, S. 461 ff., jeweils mit weiteren Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung. 2975 So BGH NJW 1979, S. 1606. 2976 s. unten sub dd.

540

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Rücksicht auf die besonderen Umstände als gerade noch hinnehmbar anzusehen ..." sei 2977 "und zwar insbesondere dann ..., wenn der Bindung des Gastwirts eine angemessene Gegenleistung der Brauerei gegenübersteht" 2978. "Eine Sittenwidrigkeit liegt vielmehr erst dann vor, wenn durch die Ausschließlichkeitsbindung und ihre Ausgestaltung im Einzelfall die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit des Gastwirts in unvertretbarer Weise eingeengt werden und er dadurch in eine mit den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei gerät" 2979 . Infolgedessen sei "... eine zeitlich unbegrenzte Bindung bei Bierlieferungsverträgen nicht mehr mit den guten Sitten vereinbar" 2980 . Diese Grundsätze "tragen insbesondere dem Umstand Rechnung, daß erfahrungsgemäß ein Gastwirt nicht in der Lage ist, über einen derart ohnehin sehr langen Zeitraum hinaus das Risiko der von ihm eingegangenen Bindung hinreichend zu erkennen und abzuschätzen"2981. Eine "... auf mehr als 20 Jahre abgeschlossene Verpflichtung, den gesamten Bierbedarf ausschließlich bei derselben Brauerei zu decken, verstößt daher gegen die guten Sitten (§ 138 I BGB)" 2 9 8 2 und sei damit gemäß dieser Vorschrift nichtig 2983 . "Gegenstand des Unwerturteils nach §§ 138, 242 BGB kann nur ein nach Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mehr hinnehmbares Übermaß sein" 2984 . Aufgrund derselben Maßstäbe wurde auch die Rechtmäßigkeit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit des Inhalts überprüft, daß auf dem belasteten Gaststättengrundstück kein Bier hergestellt, gelagert, verkauft oder sonstwie vertrieben werden darf 2985 , oder die Wirksamkeit der Klausel eines Tankstellen-Stationvertrages, durch die sich eine Mineralölgesellschaft das unwiderrufliche Recht vorbehält, nach Ablauf der Vertragszeit (hier mehr als 25 Jahre) die Vertragsbeziehungen mit dem Tankstelleninhaber zu den Bedingungen des Angebots eines Dritten fortzusetzen 2986.

2977 BGH WM 1970, S. 1402; bestätigt in BGH WM 1972, S. 1225; BGH WM 1974, S. 1043; BGH NJW 1979, S. 865. 2978 BGH WM 1974, S. 1043. 2979 BGH WM 1973, S. 1360; bestätigt in BGH WM 1974, S. 1043; WM 1975, S. 850; vgl. auch BGHZ 19, 12, 18; 44, 158, 162; BGH WM 1972, S. 1225; BGH NJW 1995, S. 2351. 2980 BGH WM 1970, S. 99; bestätigt in BGH WM 1972, S. 1225. 2981 BGH WM 1972, S. 1225. 2982 BGH WM 1972, S. 1225; BGH WM 1974, S. 1043. 2983 BGH WM 1972, S. 1226. 2984 BGH NJW 1995, S. 2351. 2985 BGHZ 74, 293, 296 ff. 2986 BGHZ 83, 313, 316 ff.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

541

Nach Würdigung dieser Rechtsprechung 2987 kann man feststellen, daß der BGH auch in diesen Fällen die gerichtliche Inhaltskontrolle von Verträgen der o. g. Art nach § 138 I BGB zuläßt und ggf. das gerichtliche Eingreifen in die freie vertragliche Ausgestaltung erlaubt. Voraussetzungen sind die unverhältnismäßige Bindung des verpflichteten Gastwirtes gegenüber der Gegenleistung des Vertragspartners (ζ. B. Brauerei) und/oder seine übermäßig lange Bindung, die über 20 Jahre hinausgeht und in unvertretbarer Weise seine wirtschaftliche Freiheit einschränkt. Eine Verhältnismäßigkeitsüberprüfung nach einer Interessenabwägung ist erforderlich. Obwohl er in den dargestellten Urteilen nicht ausdrücklich auf ein Grundrecht zurückgegriffen hat, ist diese Rechtsprechung mit seiner Rechtsprechung über die Überprüfbarkeit der Wettbewerbsverbote zu vereinbaren, so daß man zu dem Schluß kommen kann, daß die gerichtliche Inhaltskontrolle dieser Verträge gem. § 138 I BGB im Lichte der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG stattfinden muß (Ausstrahlungswirkungslehre) 2988 . Daß durch die Vereinbarung solcher Ausschließlichkeitsbindungen die Wettbewerbsfreiheit der verpflichteten Gastwirte eingeschränkt wird, liegt auf der Hand: Dieser ist für eine lange Zeit gebunden, Bier nur von einer bestimmten Brauerei zu beziehen, so daß er demgemäß verpflichtet ist, seinen Kunden nur dieses bestimmte Bier anzubieten. Er muß damit in Kauf nehmen, daß sich potentielle Kunden, die eine andere Biermarke bevorzugen, an seine Konkurrenten wenden. Der Eingriff in seine Wettbewerbsfreiheit ist um so größer, wenn sein Lokal kein Restaurant, sondern ein reines Bierlokal ist, das seinen Kunden hauptsächlich Bier anbietet 2989 .

dd) Die Rechtsprechung des Β VerfG und des BGH im Vergleich Aus der Darstellung der Handelsvertreter- und Bürgschaft-Rechtsprechung sowie der Judikatur des BGH über das hier diskutierte Thema ergeben sich für die Untersuchung der einschlägigen Problematik nützliche Schlüsse, die zu einem Vergleich zwischen beiden zwingen. Bevor man sie aber vergleicht, sollte zunächst klargestellt werden, daß sich die neuere bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung nicht unmittelbar auf die BGH-Rechtsprechung bezieht. Die sog. Bürgschaft-Urteile 2990 hatten zwar die sog. Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die geschäftlichen privatrechtlichen Beziehungen zum Gegen2987

Zur weiteren Rechtsprechung und ihrer Einschätzung vgl. Lammel, in: AcP 1989, S. 257 ff. 2988 Es ist bemerkenswert, daß der BGH mittlerweile in vergleichbaren Fällen (Internats· und Direktunterrichtsverträge) auf den Art. 12 I GG zurückgreift, um diese Verträge am Maßstab des § 138 BGB zu überprüfen - s. BGHZ 120, 108, 120 f. 2989 So auch BGH WM 1974, S. 1043; BGH NJW 1979, S. 866. 2990 BVerfGE 89, 214 ff.; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2749 ff.; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

stand, sie betrafen aber Bürgschafts- und nicht Gesellschafts- oder Veräußerungsgeschäfte, aufgrund derer Wettbewerbsverbote vereinbart wurden. Zum anderen hat sich das sog. Handelsvertreter-Urteil 2991 ebenfalls mit einem solchen Vertrag befaßt, seine hauptsächliche Aufgabe war aber die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 90 a I I 2 HGB und nicht die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die Generalklauseln (vgl. §§ 138, 242 BGB) des BGB. Trotz alledem ist ein Vergleich der Rechtsprechungen der beiden Bundesgerichte ergiebig, um die Frage der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die vertraglichen Beziehungen Privater am Beispiel des (nach)vertraglichen Konkurrenzverbots am besten herauszuarbeiten. Die bereits dargestellten Urteile aus der BGH-Judikatur und die sich ihr anschließende Judikatur der unteren Zivilgerichte befassen sich ausschließlich mit dieser Frage. Sie folgen den Ergebnissen des Lüth-Urteils 2992 sowie der Ausstrahlungswirkungstheorie des BVerfG und ermitteln, inwiefern Art. 12 I GG und die daraus resultierende Wettbewerbsfreiheit auf die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB einwirkt, anhand derer die Wirksamkeit solcher Wettbewerbsklauseln überprüft wird. In diesem Sinne scheint die zivilgerichtliche Rechtsprechung absolut im Einklang mit der Lüth-Rechtsprechung des BVerfG zu stehen. Das BVerfG hat aber mit der Handelsvertreter- und vor allem später mit der Bürgschafts-Rechtsprechung neue Elemente in die "Drittwirkungsdiskussion" eingebracht. Das Verfassungsgericht hält das korrigierende richterliche Eingreifen in die vertragliche Privatautonomie aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Interpretation der BGB-Generalklauseln für zulässig und sogar für geboten - als die Realisierung der staatlichen Schutzpflicht. Das ist aber nicht ohne weiteres der Fall: Es wird vorausgesetzt, daß bei der Ausgestaltung der geschäftlichen Beziehungen Fremdbestimmung herrscht, die in einem starken Übergewicht des einen Vertragsteils liegt. Das Verfassungsgericht spricht zwar nicht von "Gewaltverhältnis", wenn es das gesetzgeberische oder richterliche Eingreifen in die Vertragsverhältnisse für erforderlich hält, sondern von einer "strukturellen Störung der Vertragsparität" 2993 bzw. von einer"strukturellen Unterlegenheit" des einen Vertragsteils 2994 oder von "strukturell ungleicher Verhandlungsstärke" der Vertragsparteien 2995. Die Schlüsselrolle, was das Gericht damit meint, spielt das Wort "strukturell": Es ist nicht ausreichend, wenn die Vertragsparität gestört ist oder die eine Vertragspartei gegenüber ihrem Vertragspartner unterlegen ist oder die Vertragsparteien ungleich stark sind - es muß alles vielmehr "strukturell" sein. Dieser Begriff

2991 2992 2993 2994 2995

BVerfGE 81, 242 ff. BVerfGE 7, 198 ff. So BVerfGE 89, 214, 234 (Bürgschaft). So BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft). So BVerfGE 89, 214, 234 (Bürgschaft).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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bedarf weiterer Verdeutlichung. Wenn man von seinem Wortsinn ausgeht, bedeutet "strukturell", "daß etwas von seinem Bau her so ist, daß "etwas" in seinem inneren Gefüge angelegt ist, das sich in typischer Eigenschaft im Außenkreis widerspiegelt" 2996 . Aus dieser Definition ergibt sich ein Zusammenhang mit Fallkonstellationen, in denen ein Gewaltverhältnis herrscht. Das Arbeitsverhältnis (Arbeitnehmer-Arbeitgeber) ζ. B. bedeutet eine "strukturelle Unterlegenheit" des Arbeitnehmers und eine "strukturelle Verhandlungsstärke" des Arbeitgebers 2997 . Nicht aber das Gesellschaftsverhältnis oder das Verkaufsverhältnis zwischen zwei selbständigen Unternehmern bzw. Freiberuflern. Die Übertragung dieser Schlüsse der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur auf die nachvertraglichen Wettbewerbsverbote hätte zur Konsequenz, daß solche Konkurrenzverbote regelmäßig als sittengemäß behandelt werden sollten, soweit die eine Voraussetzung, die "strukturell ungleiche Verhandlungsstärke" der Vertragsparteien und die entsprechende "strukturelle Unterlegenheit" des einen Vertragsteils, wie sie eben definiert wurden, nicht vorliegt. Denn es ist eine solche "strukturelle" Unterlegenheit unter Gesellschaftern oder Freiberuflern nicht notwendigerweise gegeben. Diesem Weg folgt zu Recht nicht der BGH und verlangt nicht das kumulative Vorhandensein der beiden o. g. Bedingungen, die das BVerfG setzt. Es reicht dem BGH, daß ein Konkurrenzverbot den Verpflichteten in der Berufsausübung übermäßig beschränkt und damit über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgeht 2998 oder daß es zu einer unangemessenen Beschränkung der wirtschaftltichen Bewegungsfreiheit des Verpflichteten führt 2999 . Wie er die Angemessenheit der Wettbewerbsbeschränkung versteht, wurde bereits aufgezeigt 3000 . Man schließt daraus, daß nicht nur in einem Gewaltverhältnis, wo der eine Teil, der Verhandlungsstärkere, die Geschäftsbedingungen einseitig bestimmt, sondern auch in anderen Konstellationen, in denen kein solches Verhältnis vorliegt, die Vertragsparteien des grundrechtlichen Schutzes des Staates bedürfen. Denn andere Gründe können sie in eine tatsächliche (finanzielle o. ä.) Lage bringen, in der sie übermäßige Selbsteinschränkungen hinnehmen müssen, oder sie können in einer bestimmten Zeit (ζ. B. zu Anfang des Gesellschaftsverhält2996

So Frank, in: JuS 1996, S. 391. Vgl. dazu auch BAG AP §611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 185> 6 ; Preis/Stoffels, in: ZHR 1996, S.451; andeutend auch BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). 2998 BGH WM 1974, S. 76, für Gesellschaften; vgl. auch BGH NJW 1979, S. 865, für Bierlieferungsverträge; BGH NJW 1979, S. 1606, für Frischbeton und BGH NJW 1986, S. 2945, für Praxisübernahmen; vgl. auch in diese Richtung Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 169, unter dem Gesichtspunkt der Auslegung der Bierlieferungsverträge am Maßstab des § 1 UWG und der Einwirkung der Grundrechte (Wettbewerbsfreiheit) auf ihn. 2999 BGH NJW 1979, S. 1606 (Frischbeton). 3000 s. oben sub aa, bb, cc. 2997

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

nisses, Abschluß des Unternehmensverkaufs- oder des Bierlieferungsvertrags etc.) "weder die Entwicklung der vertraglichen Zusammenarbeit noch ihre künftigen beruflichen Chancen abschätzen und deshalb auch nicht wissen, wie sich die Konkurrenzklausel auswirken wird" 3 0 0 1 . Die grundrechtliche Privatautonomie sollte nicht so weit gehen, daß sie ihnen erlaubt, sich selbst zu ruinieren 3 0 0 2 oder unzumutbar einschränken zu lassen, nur weil ihr Vertragspartner ihre Lage ausnutzen wollte und konnte. Das trifft besonders dann zu, wenn es besondere Umstände gibt, die nicht ermöglichen, das zu erkennen. Die Rechtsordnung muß auf Überforderungen schützend reagieren 3003. Die Zivilrechtsordnung müßte unter dem Einfluß und der Einwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht korrigierend eingreifen. Das erscheint im Hinblick auf die Wesensgehaltsgarantie (Art. 19 I I GG) oder die Menschenwürde (Art. 11 GG) sogar geboten. Anlaß für Skepsis schafft allerdings der Ausspruch des BGH im Frischbeton-Urteil 3004 über die Nichtigkeit eines auferlegten Wettbewerbsverbots unter dem Gesichtspunkt des § 138 I BGB, bei dessen Abschluß der eine Vertragsteil, der Unternehmensveräußerer, sich in einer finanziellen Notlage befand. Diesen Leitsatz kann man mit dem entsprechenden Leitsatz der BürgschaftRechtsprechung in Verbindung bringen und vergleichen. Der BGH spricht zwar nicht von "Fremdbestimmung" oder "gestörter Vertragsparität", aber es ist klar, daß er von derselben Konzeption wie das BVerfG ausgeht. Er greift nicht ausdrücklich auf die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte zurück, und es ist nicht eindeutig, daß er bei Ausnutzung der finanziellen Notlage des Veräußerers eine grundrechtliche Position i. S. d. Art. 121 oder 2 I GG sieht. Es mag sein, daß er ein solches Konzept nicht im Sinn hatte, in der Praxis aber ist er zu demselben Schluß wie das BVerfG gekommen. Aus dem ganzen Zusammenhang des Urteils, seiner früheren, aber viel mehr noch seiner späteren Rechtsprechung, ergibt sich nicht, daß der BGH diese Voraussetzung kumulativ zusammen mit der anderen Bedingung, der übermäßigen Einschränkung der beruflichen bzw. wettbewerblichen Bewegungsfreiheit, verlangt, um die Sittenwidrigkeit des Vertrags festzustellen, wie es das BVerfG in seiner BürgschaftRechtsprechung tut. In Anbetracht seiner Formulierung ist dagegen fraglich, ob der BGH davon ausgeht, daß es für die Nichtigkeit des Vertrags ausreichend

3001

BVerfGE 81, 242, 257 (Handelsvertreter). So Wiedemann , in: JZ 1990, S. 697; ders., in: JZ 1994, S. 412. 3003 Vgl. dazu Singer, in: JZ 1995, S. 1139 f.; vgl. auch BVerfGE 89, 214, 232 (Bürgschaft); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1994, S. 2750; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1996, S. 2021, aber nur unter den bereits dargelegten Bedingungen; vgl. ferner Wiedemann , in: JZ 1990, S. 696 f.; ders., in: JZ 1994, S.412; a. A. Isensee, in: HdDStR, V, § 111, Rd. 131; ders., in: JZ 1996, S. 1089 f.; Zöllner, in: AcP 1996, S. 13 ff, 25 ff.; differenzierend Frank, in: JuS 1996, S. 391. 3004 BGH NJW 1979, S. 1605 f. 3002

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sei, wenn dieser das Ergebnis einer Ausnutzung oder Fremdbestimmung ist, ohne daß es erforderlich sei, daß das vereinbarte Wettbewerbsverbot unangemessen und übermäßig die Wettbewerbsfreiheit des Verpflichteten einschränkt. Die Annahme einer solchen Position hätte zu bedeuten, daß jedes Geschäft, das unter Umständen der Fremdbestimmung oder Ausnutzung der finanziellen Lage des einen Vertragsteils abgeschlossen wurde, sittenwidrig und demgemäß nichtig sein müßte, selbst wenn der Stärkere nur geringen Nutzen aus der Lage seines Vertragspartners gezogen hätte. Diese Position kann nicht angenommen werden, und es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Grundrechte solche Schutzwirkungen entfalten, die sogar über §§ 138 I oder 242 BGB auf die geschäftlichen Beziehungen einwirken. Das würde die Grundrechte überstrapazieren. Demgemäß erscheint es sinnvoll, in einer solchen Konstellation die Sittenwidrigkeit des Vertrages zu bejahen, wenn darüber hinaus die vertragliche Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit unverhältnismäßig ist. Ein anderer Punkt, der einen Vergleichsgegenstand darstellen kann, ist die Karenzentschädigung. Der BGH und die unteren Zivilgerichte haben in ihrer oben dargestellten Rechtsprechung die Frage nicht tiefgreifend behandelt. Das BVerfG hat in seinem Handelsvertreter-Urteil die Karenzentschädigung als erforderliche Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes erachtet. Es hat sogar den § 90 a I I 2 HGB, der von der Karenzentschädigung für Handelsvertreter abgesehen hatte, als einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Handelsvertreters gem. Art. 12 I GG behandelt und demzufolge für verfassungswidrig erklärt. Man kann dementsprechend behaupten, daß mutatis mutandis unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung des Art. 12 I GG auf den § 138 I BGB ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung für den Verpflichteten als sittenwidrig und demgemäß nichtig behandelt würde, wenn ein Gerichtsurteil, aufgrund dessen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung nicht als sittenwidrig i. S. d. § 138 I BGB behandelt wurde, mit der Rüge angefochten würde, daß es die Ausstrahlungswirkung des Art. 12 I GG bei der Interpretation des § 138 BGB verkannt hätte 3005 . Zum anderen ist einzuräumen, daß das BVerfG nicht zu einem solchen Schluß kommen könnte, wenn es an seiner Rechtsprechung festhalten will, daß nur in Fällen einer "strukturellen" Störung der Vertragsparität oder einer "strukturellen Unterlegenheit" des Verpflichteten das richterliche Eingreifen aufgrund der Ausstrahlungswirkungstheorie erforderlich sei. Denn die Konstellationen der Gesellschaftsverhältnisse, der Praxisübernahme oder der Bierlieferungsverträge

3005 £)je Karenzentschädigung als Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des Wettbewerbsverbots betrachtet unter dem Gesichtspunkt der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB Hirte, in: ZHR 1990, S. 454. 35 Tsiliotis

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

fallen nicht darunter. Man muß allerdings sowohl die Reaktion der zivilgerichtlichen Judikatur 3006 als auch die Haltung des BVerfG abwarten 3007 .

b) Wettbewerbsfreiheit und Arbeitsverhältnis aa) Allgemeines Eine besondere Kategorie der vertraglichen Verhältnisse bildet das Arbeitsverhältnis, das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer gebildet wird. Es wird besonders durch die Ausübung "sozialer Gewalt" des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer gekennzeichnet, so daß man oft von einem "Gewaltverhältnis" spricht. Es ist zwar klar, daß diese "soziale Gewalt" seitens der Arbeitgeber nicht dieselbe Funktion oder Wirkung hat wie im letzten oder in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts 3008. Das ändert aber nichts an der Situation, daß trotz der wesentlichen Verbesserung der Stellung der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis diese sich immer noch in einer schwächeren Vertragsposition als die Arbeitgeber befinden. Diese schwächere Vertragsposition kann man als "strukturelle Unterlegenheit" des Arbeitnehmers und das Arbeitsverhältnis als "potentiell strukturelle Störung der Vertragsparität" bezeichnen. Gerade wegen dieses Gewaltverhältnisses sind das Arbeitsrecht und die arbeitsrechtlichen Verhältnisse das Feld, in dem die "Drittwirkungstheorie" konzipiert und entwickelt wurde. Obwohl Arbeitsrechtler und das BAG ursprünglich für die sog. unmittelbare Drittwirkung plädiert haben, ist diese Theorie - inzwischen auch in der bundesarbeitsrechtlichen Rechtsprechung - hinter der Dürig'schen und bundesverfassungsgerichtlichen Ausstrahlungswirkungslehre oder "mittelbaren

3006 Es ist allerdings hier zu erwähnen, daß die zivilgerichtliche Rechtsprechung nach dem Handelsvertreter-Urteil des BVerfG bei der Überprüfung von Wettbewerbsabreden unter dem Gesichtspunkt des § 138 I BGB regelmäßig Bezug auf das Urteil und den Art. 12 I GG nimmt - vgl. BGH NJW 1991, S. 699; OLG Koblenz NJW - RR 1992, S. 611; OLG Düsseldorf NJW - RR 1994, S. 36; OLG München NJW - RR 1995, S. 1191 f.; vgl. auch BGHZ 120, 108, 120 f. In dieser Rechtsprechung ist aber nicht die Frage einer Wettbewerbsabrede ohne Karenzentschädigung behandelt worden. Das aber war in OLG Düsseldorf BB 1996, S. 2379, der Fall, in dem das Gericht, nachdem es ausdrücklich auf die bisherige zivilgerichtliche Rechtsprechung hingewiesen hatte, eine Karenzentschädigung eines GmbH-Geschäftsführers nach Vertragsbeendigung weder nach analoger Anwendung der §§ 75 a, 90 a HGB noch offenbar unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung des Art. 12 I GG, auf die es Bezug genommen hatte, als geboten erachtete. 3007 Vgl. hier Mayer-Maly, in: MünchKomm, Bd. 1, § 138, Rd. 72, der unter Bezugnahme auf die ältere zivilgerichtliche Judikatur darlegt, daß relativ kurzfristige Beschränkungen bei Machtmißbrauch oder Vorenthaltung jedweder sittenwidrig sein könnten, relativ lange dagegen durch angemessene Entschädigung und schutzwürdige Interessen der Gegenseite erträglich würden. 3008 V g l R a m n l i i n . j z 1991, S. 2.

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Drittwirkung" zurückgetreten 3009. Hier wie auch sonst wird von der Theorie der Einwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht bzw. der Ausstrahlungswirkungslehre ausgegangen. Daß die Ausübung "sozialer Gewalt" des Arbeitgebers manchmal mit der der öffentlichen Gewalt zu vergleichen ist, bedeutet nicht, daß das einfache Arbeitsrecht vom Verfassungsrecht verdrängt werden soll, und ändert nichts an der Tatsache, daß auch im Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber Grundrechtsträger seiner eigenen Grundrechte bleibt, so daß eine Grundrechtskollision besteht 3010 . Diese Grundrechtskollision hat in erster Linie der Gesetzgeber zu lösen 3011 ; tut er dies nicht durch spezielle Gesetze, die die grundrechtlichen Positionen abgrenzen und verdeutlichen sollen, greift der Richter über die Auslegung der Generalklauseln etc. des einfachen Arbeitsrechts darauf zu 3 0 1 2 . Bei dieser Auslegung sind natürlich wie sonst auch die Grundrechte, aber gleichermaßen das "Gewaltverhältnis" zwischen den Vertragsparteien zu berücksichtigen. Einen wichtigen Maßstab diesbezüglich stellt das Sozialstaatsgebot aus Art. 20 I, 28 I GG dar 3013 . Diese Einwirkung der Grundrechte auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen betrifft alle Phasen des Arbeitsverhältnisses, d.h. den Abschluß (Einstellung), den Inhalt des Vertrages, die Vertragserfüllung sowie dessen Beendigung (Kündigung). Anders aber als bei den (nach)vertraglichen Wettbewerbsverboten handelt es sich hier hauptsächlich nicht um den Schutz der Wettbewerbsfreiheit, sondern auch um den Schutz anderer Grundrechte der Arbeitnehmer - gerade vor der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber. Da aber die Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber (Art. 121, 1411 GG) nach wie vor von diesen geltend gemacht werden kann 3014 , ist sie auch bei der richterlichen Grundrechtskollisionslösung mitzuberücksichtigen 3015. Aspekte der allgemeinen Grundrechtslehre, die bei dieser Aufgabe relevant sind (Schutzpflichtlehre, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Güterund Interessenabwägung, Übermaß- bzw. Untermaßverbot usw.), werden auch

3009 Vgl. BAG NJW 1986, S. 86 (Druckarbeiter); BAG NJW 1990, S. 204 f.; weiterhin zum Schrifttum Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 74; Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 194 f. 3010 ygj z u dieser zutreffenden Begründung auch Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 195; weiterhin BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). 3011 BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). 3012 Genauso BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). 3013 Vgl. auch BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel); Scholz, in: MD, Art. 12, Rd. 75; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 534; Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 20, 71; Neumann, in: DVB1. 1997, S. 98. 3014 Vgl. BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). Das verkennt aber Ramm, in: JZ 1991, S. 12, der zum Schluß kommt, daß es keinen Beruf Arbeitgeber i. S. d. Art. 12 I GG gebe. Damit verkennt Ramm den "Berufs"begriff im Sinne dieser Vorschrift und den Schutzbereich der Berufsfreiheit (s. dazu oben sub Β II 2 a aa, cc α) - ebenso wie hier Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 83, Fn. 291 (dort). 3015 Vgl. auch BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

hier in Betracht gezogen 3016 . Wie im allgemeinen ist ebenso im Arbeitsrecht eine "Ranghierarchie" unter den Grundrechten unakzeptabel. Deswegen sind Kollisionsregeln unter dem Motto "die Rechte der Arbeitnehmer gehen den Rechten der Arbeitgeber vor" bzw. umgekehrt oder "Gewissen geht vor Profit" nach der allgemeinen Grundrechtslehre nicht hinzunehmen 3017 .

bb) Die Einwirkung der Grundrechte bei dem Abschluß des Arbeitsvertrags (Einstellung) Die Vertragsfreiheit enthält auch die Freiheit, den Vertragspartner auszusuchen und mit ihm einen Vertrag abzuschließen3018. Das betrifft gleichermaßen den Arbeitsvertrag. Das Recht des Arbeitgebers, seine Arbeitnehmer auszusuchen und auszuwählen und mit ihnen Arbeitsverträge abzuschließen, steht außer Frage (Art. 12 I GG) 3 0 1 9 . Dieses Recht steht indes unter einem Schrankenvorbehalt, wobei die Schranken insbesondere durch die Vorschriften des Arbeitsrechts gesetzt werden. Soweit sie dem Arbeitgeber nicht spezifische Verbote oder Gebote auferlegen und von seinem Verhalten die Grundrechte arbeitsuchender Arbeitnehmer berührt werden, wirken die Grundrechte der Arbeitnehmer als objektive Wertordnung über die Generalklauseln des Arbeitsrechts auf das Arbeitsverhältnis bezüglich der Einstellung des Arbeitnehmers ein. Daß noch kein Vertrag abgeschlossen wurde, spielt für die Einwirkung der Grundrechte keine Rolle. Das hat das BVerfG in zwei neueren Urteilen ausdrücklich anerkannt. Im ersten Fall handelte es sich um die Weigerung des Arbeitgebers, einen in seinem Betrieb auszubildenden Lehrling wegen seiner vorherigen Äußerung in einer Schülerzeitung über seine Eindrücke von einer Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf in ein ordentliches Arbeitsverhältnis zu übernehmen und ihn in seinem Betrieb als regulären Arbeitnehmer (Betriebsschlosser) einzustellen 3020 . Das BVerfG hat die Rechtmäßigkeit der Nichteinsteilung unter dem Gesichspunkt des § 75 I BetrVG im Lichte der grundrechtlich kollidierenden Positionen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers überprüft 3021 . Das Verfassungsgericht hat dargelegt, daß es nicht zu beanstanden sei, in der Bereitschaft eines Auszubildenden, betriebliche Konflikte mit

3016

Zutreffend BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). So auch Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 20. 3018 BVerfGE 86, 122, 130 (Schülerzeitung); vgl. statt aller Stober, Grundrechtsschutz, S. 35 (m. w. N.); Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 61 - vgl. weiterhin oben sub Β II 2 a cc α. 3019 BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). 3020 Vgl. zum Sachverhalt BVerfGE 86, 122, 123 f. (Schülerzeitung). 3021 BVerfGE 86, 122, 128 ff. (Schülerzeitung); kritisch dazu Oldiges, in: FS Friauf, S. 294. 3017

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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Gewalt zu lösen, einen sachlichen Grund dafür zu sehen, ihn nach Abschluß seiner Ausbildung nicht zu übernehmen 3022 . Da durch die Nichteinstellung des Auszubildenden wegen seiner früheren Meinungsäußerung sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung berührt wird, bedarf seine Einschränkung eines allgemeinen Gesetzes nach Art. 5 I I Var. a GG. Dieses Gesetz ist das BetrVG, das dem Arbeitgeber das Betriebsleitungsrecht gewährt zu entscheiden, wann und wen er einstellen soll. Dieses Gesetz schränkt durch seinen § 75 I BetrVG - wie gesagt - auch dieses Recht ein. Nach der Wechselwirkungslehre des BVerfG sollen die "allgemeinen Gesetze" im Lichte der Bedeutung der Meinungsfreiheit, aber auch nach einer Güterabwägung der von ihnen zu schützenden Interessen ausgelegt werden. Diese Rolle spielt das Willkürverbot des § 75 I BetrVG, welches das "Feld" der Grundrechtskollisionen darstellt und in diesem Sinne als unbestimmter Rechtsbegriff zu interpretieren ist 3 0 2 3 . Nach dem BVerfG ist es i m Prinzip nicht von Verfassungs wegen zu beanstanden, der Wettbewerbsfreiheit des Unternehmers/Arbeitgebers den Vorrang vor der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers zu geben, wenn die Äußerungen eines Auszubildenden darauf schließen lassen, daß er unter bestimmten Umständen Gewaltanwendung auch im Betrieb rechtfertigt 3024 . Danach sollte die Nichteinsteilung des Auszubildenden nicht "willkürlich" i. S. d. § 75 I BetrVG sein. Da das Gericht aber aus dem Sachverhalt des betreffenden Urteils etwas derartiges bezüglich der Äußerung des Auszubildenden nicht festgestellt hat, ist es zum gegenteiligen Schluß gekommen 3025 . Es liegt auf der Hand, daß diese Maßstäbe auch für die Einwirkung anderer Grundrechte wie der Religions- und Gewissensfreiheit nach Art. 4 I GG, der Ehefreiheit nach Art. 6 I GG oder dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 I I I GG auf den § 75 I BetrVG gelten 3026 . Was die Einwirkung des Gleichberechtigungsgebots des Art. 3 I I GG auf das einfache Recht bezüglich der Einstellung eines Arbeitnehmers anbelangt, wurde in einem anderen, späteren Urteil überprüft. In diesem Fall ging es nicht nur um die Nichteinstellung einer Maschinenschlosserin in einen Betrieb, sondern auch um ihre Nichteinladung in ein Vorstellungsgespräch, weil die angebotene Tätigkeit für eine Frau angeblich nicht geeignet gewesen sei. Der von der Firma erklärte Grund war, daß diese Arbeit eine Frau physisch überfordere 3027 . Der betreffende Sachverhalt fällt in den Anwendungsbereich des § 611 a BGB, 3022

BVerfGE 86, 122, 129 (Schülerzeitung). 3023 ygj z u m Yerhältnis der Wechselwirkungslehre und der Grundrechtskollisionen mit der Theorie der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte oben sub 14 a, d. 3024 BVerfGE 86, 122, 130 (Schülerzeitung). 3025 So BVerfGE 86, 122, 130 ff. (Schülerzeitung); vgl. aber zu diesem Schluß die kritische Meinung von Oldiges, in: FS Friauf, S. 293 ff. 3026 Vgl. dazu Hess, in: H/S/G, Kommentar zum BetrVG, § 75, Rd. 4 ff. (mit weiteren Hinweisen auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung). 3027 Vgl. zum Sachverhalt BVerfGE 89, 276, 279 (§ 611 a BGB).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

der als die gesetzliche Konkretisierung des Gleichberechtigungsgebots des Art. 3 I I GG und damit als die Erfüllung der aus dieser Vorschrift abgeleiteten grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers gilt 3 0 2 8 . Das BVerfG hat überprüft, ob diese Regelung von den Fachgerichten im Lichte des Schutzzwecks des Art. 3 I I GG ausgelegt und angewendet worden war oder ob die Ausstrahlung dieses Schutzzwecks von den Fachgerichten verkannt wurde (verfassungsbzw. schutzpflichtkonforme Auslegung). Es ist zum Ergebnis gelangt, daß eine Auslegung, nach der die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch nicht gegen § 611 a I BGB verstoße, mit Art. 3 I I GG unvereinbar sei 3029 . Die gegenteilige Auslegung, die von einem Verstoß ausgeht, sei nicht bloß verfassungskonform, sondern gewährleiste vielmehr einen wirkungsvollen Schutz vor Diskriminierungen wie ihn Art. 3 I I GG erreichen will 3 0 3 0 . Darüber hinaus sei auch die Benachteiligungsvermutung des § 611 a I 3 BGB im Lichte des Schutzzwecks des Art. 3 I I GG auszulegen3031. Diese Ausführungen stellen am besten dar, wie das BVerfG die richterliche Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht durch die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und die verfassungskonforme Auslegung des einfachen Rechts nachvollzieht 3032 . Sie stellt aber auch ein gutes Beispiel für die Verbindung der Ausstrahlungswirkungstheorie mit der verfassungskonformen oder -orientierten Auslegung dar.

cc) Die Einwirkung der Grundrechte bei der Bestimmung des Vertragsinhalts, der Vertragserfüllung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Die Bestimmung des Arbeitsvertragsinhalts und die Arbeitsvertragserfüllung sind die wichtigsten Phasen des Arbeitsverhältnisses. Deshalb wird der Einwirkung der Grundrechte auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen in diesen Phasen besondere Relevanz und Interesse zuteil. Die Einwirkung der Grundrechte auf die Bestimmung des Arbeitsvertragsinhalts bedeutet, daß der Inhalt des Arbeitsvertrages nach einer Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers (Wettbewerbsfreiheit) nicht gegen die Wertordnung der Grundrechte des Arbeitnehmers verstoßen darf. Zum anderen bedeutet die Einwirkung der Grundrechte auf die Erfüllung des Arbeitsvertrags, daß der Arbeitsvertrag in einer solchen Art und Weise von dem Arbeitgeber erfüllt werden soll, daß diese nach 3028 Vgl. so BVerfGE 89, 276, 286 (§611 a BGB); Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 128, sowie oben sub Β VI 2 d aa; vgl. weiter zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 3 I, II GG die §§ 61 lb, 612 III BGB und Aussem, S. 104 f , 204 f. 3029 BVerfGE 89, 276, 287 (§ 611 a BGB). 3030 BVerfGE 89, 276, 288 (§ 611 a BGB). 3031 BVerfGE 89, 276, 289 ff. (§ 611 a BGB); vgl. weiter zur Einwirkung des objektiven Gehalts der Grundrechte auf das arbeitsrechtliche Verfahrensrecht jüngst BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). 3032 y g i ausfuhrlich oben sub Β VI 2 b aa γ.

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einer Abwägung mit seinen Interessen (Wettbewerbsfreiheit) nicht die Wertordnung der Grundrechte der Arbeitnehmer verletzen darf. Genauso verhält es sich bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Kündigung des Arbeitsvertrags. Einbruchsteilen der Grundrechte auf das einfache Arbeitsrecht sind in allen Fällen die unbestimmten Rechtsbegriffe des Arbeitsrechts. Eine Konstellation bezüglich der Bestimmung des Vertragsinhalts, in der sogar die Wettbewerbsfreiheit des Arbeitnehmers in Betracht kommt, stellen die Wettbewerbsabreden dar. Diese Konstellationen werden ausführlich im HGB, sei es für Handlungsgehilfen und Lehrlinge (§§ 74 ff. HGB), sei es für Handelsvertreter (§ 90 a HGB) 3 0 3 3 geregelt, so daß es scheint, daß sich eine Einwirkung der Grundrechte auf diese erübrigen würde. Trotzdem kann man nicht ausschließen, daß diese Regelungen, insbesondere die §§74 ff. HGB, Auslegungslücken enthalten und auslegungsbedürftig sind. Diese Lücken können die Grundrechte, insbesondere gemäß Art. 121 GG die Wettbewerbsfreiheit, füllen. Genauer gesagt bestimmt § 74 a I 1 HGB, daß das Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich ist, als es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Diese Vorschrift wurde vor kurzem vom BAG dahingehend interpretiert, daß sie mehr als ein Willkürverbot enthalte und das nachvertragliche Wettbewerbsverbot deshalb nur dann verbindlich sei, wenn ein höherrangiges Interesse des Arbeitgebers bestehe3034. Dieser Leitsatz führt zu einer Güter- und Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers (Wettbewerbsfreiheit als Schutz von Betriebsgeheimnissen, Schutz vor dem Einbruch in den Kunden- und Lieferantenkreis durch den Arbeitnehmer) 3035 und des Arbeitnehmers (Wettbewerbsfreiheit als freie Berufswahl und Einstieg in den Wettbewerb), um festzustellen, wann ein "berechtigtes geschäftliches" (höherrangiges) Interesse des Arbeitgebers besteht. Diese Interessenabwägung ist verfassungskonform nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgebots durchzuführen. Was die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Arbeitsvertrags seitens des Arbeitgebers 3036 angeht, ist zu betonen, daß sie oft mit der Erfüllung des Arbeitsvertrags verbunden ist. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber den Vertrag kündigt, weil der Arbeitnehmer ihn nach Auffassung des Arbeitgebers nicht ordentlich erfüllt hat, oder wenn die von dem Arbeitgeber verlangte Erfüllung des Arbeitsvertrags für den Arbeitnehmer unzumutbar geworden ist. In einem solchen Zusammenhang werden diese beiden Phasen des 3033

Zum (verfassungswidrigen) Grundrechtseingriffscharakter des § 90 a II 2 HGB vgl. BVerfGE 81, 242, 259 ff. (Handelsvertreter). 3034 BAG BB 1996, S. 379 f. 3035 BAG BB 1996, S. 379. 3036 Vgl. näher zum Kündigungsrecht des Arbeitgebers BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Arbeitsverhältnisses hier untersucht. Soweit solche arbeitsrechtlichen Konflikte anhand der Generalklauseln und der unbestimmten Rechtsbegriffe des Arbeitsrechts zu lösen sind, wirken die Grundrechte auf sie ein 3 0 3 7 . Treffend ist diesbezüglich das Beispiel eines Druckarbeiters, der bei einer Druckerei arbeitet, aber parallel Mitglied einer Antikriegsvereinigung ist. Dieser erhielt den Auftrag von seinem Arbeitgeber, Bücher mit kriegs- und nazifreundlichem Inhalt zu drucken. Er hat es aus Gewissensgründen verweigert und ist infolgedessen entlassen worden 3038 . Das BAG hat dargelegt, "daß aufgrund der mittelbaren Wirkung des Grundrechts der Gewissensfreiheit (Art. 4 I GG) über §3151 BGB der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen darf, die den Arbeitnehmer in einen solchen Gewissenskonflikt versetzt, der unter Abwägung der beiderseitigen Interessen 3039 vermeidbar gewesen wäre" 3040 . Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, das Ausfluß seiner aus Art. 12 I, 14 11 GG resultierenden Wettbewerbs- bzw. Unternehmensfreiheit ist, wird von §3151 BGB eingeschränkt, der regelt, daß die Leistung (hier des Arbeitnehmers) nach billigem Ermessen (hier des Arbeitgebers) bestimmt wird. Was "billiges Ermessen" im konkreten Fall ist, wird nach der zutreffenden Ausführung des BAG durch eine Abwägung des Direktionsrechts des Arbeitgebers einerseits und der Gewissensfreiheit des Arbeitnehmers andererseits bestimmt. Auch §3151 BGB wird damit zu einem Feld, auf dem die ausstrahlungswirkenden Grundrechte beider Parteien kollidieren; die Kollisionslösung muß der Richter unter dem Gesichtspunkt des § 315 I BGB nach einer Berücksichtigung ihres Schutzbereichs, insbesondere des Schutzsbereichs der Gewissensfreiheit gem. Art. 4 I GG und nach einer Güter- und Interessenabwägung nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes finden 3041. Der Konflikt kann entsprechend dem Sachverhalt durch verschiedene Lösungen bewältigt werden: Der Arbeitgeber kann seinem Arbeitnehmer eine andere Arbeit und die von ihm verweigerte einem anderen Arbeitnehmer zuweisen. Er kann auch einen anderen Arbeitnehmer für diese Arbeit einstellen. Nur wenn beides unmöglich ist und die Stillegung der betreffenden Arbeit die Betriebs- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigen würde, sollte die Gewissenfreiheit vor der Wettbewerbsfreiheit zurücktreten und die Zuweisung der Arbeit trotz seiner Gewissensnöte oder seine Entlassung gerechtfertigt sein. Das BAG hat zu Recht in diesem Fall der Gewissensfreiheit den Vorrang gegeben3042. Infolgedessen war dem Druckarbeiter gegenüber die Zuweisung der umstrittenen 3037

Genauso BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). Vgl. zum Sachverhalt BAG NJW 1986, S. 85 (Druckarbeiter). 3039 Zu den grundrechtskollidierenden Positionen beider Parteien vgl. oben sub Β V 2 b cc β. 3040 BAG NJW 1986, S. 86 (Druckarbeiter). 3041 BAG NJW 1986, S. 86 (Druckarbeiter). 3042 BAG NJW 1986, S. 86 f. (Druckarbeiter). 3038

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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Arbeit nicht "billig" i. S. d. § 315 I BGB und seine Kündigung "sozial ungerechtfertigt" i. S. d. § 1 KSchG 3043 . "Sozial ungerechtfertigt" sind im Sinne dieser Vorschrift auch Kündigungen, die die Wertordnung anderer Grundrechte der Arbeitnehmer verkennen. Dafür kommen die Art. 11 GG (Kündigung wegen Nicht-Duldung einer sexuellen Belästigung), 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG (Kündigung wegen Nicht-Duldung der Verletzung der Privatsphäre), 2 I I 1 GG (Kündigung wegen Nicht-Duldung einer medizinischen Untersuchung), 3 I I GG (Kündigung wegen Geschlechtsdiskriminierung), I I I (Kündigung wegen Religions- oder Rassendiskriminierung) 3044, 5 I GG (Kündigung wegen Meinungsäußerung), 6 I GG (Kündigung wegen Zölibatbruchs oder wegen Scheidung), I V (Kündigung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft), 8 I GG (Kündigung wegen Teilnahme an einer Demonstration), 9 I GG (Kündigung wegen Beitritts einer Vereinigung), I I I (Kündigung wegen Beitritts einer Gewerkschaftskoalition oder wegen Teilnahme am Arbeitskampf), 101 GG (Kündigung wegen Nicht-Duldung der Verletzung des Brief- und Postgeheimnisses), 111 GG (Kündigung wegen Wohnungsortswechsels), 121 GG (Kündigung wegen Nicht-Annahme einer ungeeigneten Arbeit bzw. einer Arbeit ohne Gegenstand oder willkürliche Kündigung ohne hinreichenden Grund) 3045 in Betracht 3046 . Es liegt auf der Hand, daß die grundrechtlich geschützten Interessen des Arbeitgebers aus Art. 121, 14 I 1 GG bei einer verhältnismäßigen Abwägung mitberücksichtigt werden 3047 . Ein Beispiel, in dem die Wettbewerbsfreiheit des Arbeitgebers und ihr Ausfluß, sein Direktionsrecht, eine wichtigere Rolle bei der Einwirkung der Grundrechte auf das Arbeitsrecht spielen, bildet die bereits dargestellte Fallkonstellation des moslemischen Arbeitnehmers, der am viertägigen Kurban-BeyramFest, "dem größten religiösen Fest des Islam" aus religiösen Gründen nicht arbeiten oder sogar nach Mekka fahren will 3 0 4 8 . Das geltende Recht enthält keine Vorschrift über die Feiertage nicht-christlicher Religionen bzw. nichtkatholischer und -evangelischer christlicher Konfessionen. Kann das Problem durch die Generalklauseln des bürgerlichen bzw. des Arbeitsrechts bewältigt werden? Die Frage ist positiv zu beantworten. Einen ersten Ansatzpunkt bietet § 616 BGB, nach dem der zur Dienstleistung Verpflichtete (hier der Arbeitnehmer) den Anspruch auf die Vergütung nicht dadurch verliert, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden 3043

Zu einem vergleichbaren Fall s. BAG NJW 1990, S. 203 ff. BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel) - m. w. N. 3045 Ebenso BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). 3046 ygj dazu ausfuhrlich Aussem, Ausstrahlungswirkung, S. 198 ff.; vgl. auch Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht 1989, S. 18, 38 f., 46 ff.; Thees, Persönlichkeitsrecht, S. 195. 3044

3047

So zutreffend jüngst BVerfG NJW 1998, S. 1476 (Kleinbetriebsklausel). grundrechtskollidierenden Positionen oben sub Β V 2 b cc β.

3048 Y g ] z u

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Man kann die Begriffe "ohne sein Verschulden" und "verhindert" im Lichte des Art. 4 I, I I GG dahingehend auslegen, daß die Religionsausübung nach Art. 4 I I GG kein "Verschulden" i. S. d. § 616 BGB darstellt und die Teilnahme am KurbanBeyram-Fest ihn im Sinne dieser Vorschrift "hindert", seine Dienste leisten zu erfüllen. § 616 BGB bestimmt aber, daß die Zeit der Verhinderung "verhältnismäßig" und "unerheblich" sein soll. Bei dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung kommen ohne weiteres die (grundrechtlichen) Interessen des Arbeitgebers in Betracht. Die Nichterfüllung der Dienstleistung an einem Tag kann verhältnismäßig sein, nicht aber für einen vier- oder sogar mehrtägigen Zeitraum - wenn der Betreffende nach Mekka reisen muß -, was für die Wettbewerbsfreiheit des Arbeitgebers unzumutbar und unverhältnismäßig i. e. S. erscheint. Man kann aber die Frage mit dem § 242 BGB i. V. m. der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht bewältigen und im Rahmen dieser Vorschrift einen Anspruch auf Gewährung von - ggf. unbezahltem - Urlaub zubilligen. Diese Lösung erscheint verfassungskonformer. Trotzdem kann sich auch diese unverhältnismäßig für die Wettbewerbsfreiheit des Arbeitnehmers erweisen, wenn mehrere moslemische Arbeitnehmer des Betriebs einen solchen Anspruch geltend machen oder wenn die Leistung der Dienste durch den Arbeitnehmer dringend ist und seine Anwesenheit im Betrieb deswegen notwendig ist. In diesem Sinne ist die Weigerung des Arbeitgebers, den Anspruch des Arbeitnehmers zu befriedigen weder willkürlich oder unverhältnismäßig noch der Fürsorgepflicht im Rahmen des § 242 BGB widersprechend 3049.

c) Die Einwirkung der Grundrechte auf die wettbewerbsrechtlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des GWB aa) Allgemeines Eine besonders wichtige Rolle für die Ausgestaltung der wettbewerbsrechtlichen Verhältnisse unter Privaten spielt das Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). A n anderen Stellen wurde bereits über seinen Schutzzweck 3050 und seine Beziehung mit dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit und den diesbezüglichen Grundrechtseingriffen 3051 und seinen Schutzpflichtcharakter 3052 berichtet. Alle drei Aspekte der Grundrechtsdogmatik wurden im Zusammenhang mit dem "Rechts-Dreieck" Privater - Privater - Staat unter-

3049 yg]

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ganzen Problematik und zu den entsprechenden Ergebnissen Cana-

ris , in: AcP 1984, S. 237 ff. 3050 3051 3052

s. oben sub A II 1 baa γ. s. oben sub Β IV 2 a cc β. s. oben sub B VI 3 c aa.

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sucht, wobei unter "Staat" der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung verstanden wurde. Hier wird in bezug auf die Ausstrahlungswirkungstheorie des BVerfG immer noch im Zusammenhang mit diesem trigonalen Rechtsverhältnis geprüft, diesmal kommt aber die Rolle des "Staates" dem Richter zu. Wegen seines spezifischen und ggf. ausführlichen Charakters erscheint eine Einwirkung der Grund-rechte über unbestimmten Rechtsbegriffe schwierig. Der Gesetzgeber hat, wie bereits gezeigt, die grundrechtskollidierenden Positionen erkannt und die Grundrechtskollisionen durch die Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflicht selbst gelöst 3053 . Wo er das nicht unmittelbar getan hat, hat er die Verwaltung (BKartA) ermächtigt und beauftragt. Trotzdem werden bei ihm unbestimmte oder auslegungs- und lückenfüllungsbedürftige Begriffe nicht vermischt. Das ist ohne weiteres bei § 26 I I GWB der Fall, der ein Diskriminierungsverbot verankert. § 26 I I 1 GWB enthält ein weites Diskriminierungsverbot (i. w. S.) 3054 . Er verbietet marktbeherrschenden Unternehmen (vgl. dazu § 22 I, II, I I I GWB) 3 0 5 5 , befreiten Kartellen nach §§ 2 ff. GWB und Preisbindern nach §§16 GWB, ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern (Behinderungsverbot) 3056 oder gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich zu behandeln (Diskriminierungsverbot i. e. S.). Normadressaten des § 26 I I 1 GWB sind nicht sämtliche Unternehmen, sondern nur "marktbeherrschende" Unternehmen, Kartelle und Preisbinder, d.h. Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen, die nicht nur eine starke, sondern vielmehr eine beherrschende Macht auf dem Markt haben. Mit der 2. GWB-Novelle im Jahr 1973 wurde durch S. 2 des § 26 I I der Adressatenkreis des Diskriminierungsverbots auch auf alle anderen Unternehmen ausgedehnt. Voraussetzung für diese Ausdehnung ist aber, daß kleine und mittlere Anbieter oder Nachfrager von diesen Unternehmen abhängig sind 3057 . Die Gründe des Behinderungs- und Ungleichbehandlungsverbots sind ersichtlich: Wenn die marktbeherrschenden bzw. -starken Unternehmen ihre wirtschaftliche Macht mißbräuchlich benutzen, können sie der Wettbewerbsfreiheit anderer Marktsubjekte (Konkurrenten, Abnehmer und Lieferanten) und dem Institut des freien Wettbewerbs schaden. Gerade diese Rechtsgü-

3053 3054

s. ausführlich oben sub Β V 2 b bb. So Emmerich, Kartellrecht, S. 304. So BGHZ 36, 91, 100 (Gummistrümpfe); weiterhin Emmerich,

3055 Kartellrecht, S. 289 f. 3056 ygj z u m Behinderungs- als Diskriminierungsverbot OLG Stuttgart NJW - RR 1997, S. 1542. 3057 Dazu mehr bei Emmerich, Kartellrecht, S. 291.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ter hat die Vorschrift zu schützen - daraus ergibt sich ihr Schutzzweck 3058 . Damit erfüllt der Gesetzgeber seine Schutzpflicht. Schaden kann jedoch dadurch eintreten, wenn laut Gesetz die von dem Verhalten der Normadressaten betroffenen Unternehmen unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich behandelt werden. Was von dem Gesetz damit gemeint ist, ist zu ermitteln und zu interpretieren. Soweit es sich um grundrechtlich gesicherte Positionen und Interessen handelt, können die Grundrechte nach der Ausstrahlungswirkungslehre des BVerfG in erster Linie auf die Interpretation dieser Rechtsbegriffe einwirken. Zentrale Stellung im Anwendungsbereich des § 26 I I 1 GWB hat das Diskriminierungsverbot (i. e. S.). Es garantiert über die Wettbewerbsfreiheit hinaus die Wettbewerbsgleichheit der geschützten Unternehmen in ihrem Geschäftsverkehr mit Konkurrenten, Lieferanten oder Abnehmern. Da der Zusammenhang des Diskriminierungsverbots i. S. d. § 26 I I 1 GWB mit den Grundrechten, insbesondere dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG und dem Diskriminierungsverbot nach Art. 3 I I I GG, bisher nur im Rahmen der Problematik der öffentlichen wirtschaftlichen Betätigung erörtert wurde, wird dieser Zusammenhang auch hier in diesem Rahmen zuerst untersucht.

bb) Die öffentliche wirtschaftliche Tätigkeit, das Diskriminierungsverbot i. S. d. § 26 II GWB und die Grundrechte: Ausstrahlungswirkung oder Grundrechtskonkretisierung? Es wurde bereits an entsprechender Stelle ausgeführt 3059, daß die öffentliche Hand und die öffentlichen Unternehmen unabhängig davon grundrechtsgebunden gemäß Art. 1 I I I GG sind, welcher Mittel sie sich bedienen, in welcher Organisationsform sie auftreten und welche Aufgaben sie wirtschaftlich erfüllen. Während diese Position für die Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (im sog. Verwaltungsprivatrecht) unumstritten ist, ist sie dagegen für die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand bei dem Abschluß von Bedarfsdeckungs(hilfs)geschäften und bezüglich ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung strittig. Besonders umstritten ist diese Auffassung in der Rechtsprechung 3060. Diese Frage geht auch die hier erörterte Fra3058

So Emmerich, Kartellrecht, S. 288, der darüber hinaus darlegt, daß primäres Ziel der Vorschrift die allseitige Öffnung der Märkte sei; vgl. weiterhin BGHZ 81, 322, 331; BGH WuW/BGH, S. 2683, 2686 (Zuckerrübenbauer); OLG Düsseldorf DÖV 1981, S. 538; OLG Frankfurt WuW/OLG, S. 4354, 4356 f.; OLG Celle WuW/OLG, S. 4130, 4132; OLG Schleswig NJW - RR 1997, S. 1540; OLG Stuttgart NJW - RR 1997, S. 1542. 3059 s. oben sub Β III 3 b. 3060 V g | ablehnend BGHZ 36, 91, 94 ff. (Gummistrümpfe), aber andererseits bejahend BGH NJW 1977, S. 629 f. (Abschleppunternehmen); OLG Frankfurt WuW/OLG,

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ge der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit insofern etwas an, daß man je nachdem, welche Theorie angewendet werden soll, die Frage beantworten kann, ob man eine Grundrechtsbindung der Verwaltung auch in diesen Formen wirtschaftlicher Tätigkeit bejaht oder nicht. Bejaht man die Grundrechtsbindung der Verwaltung, erübrigt sich die "Drittwirkungsdiskussion", denn die Grundrechte wirken nicht mittelbar über die Generalklauseln des einfachen Rechts ein, sondern binden unmittelbar die Verwaltung als "vollziehende Gewalt" nach Art. 1 I I I GG. Verneint man dagegen die Grundrechtsbindung der Verwaltung nach dieser Vorschrift, dann muß man auch annehmen, daß die Verwaltung wie (oder als?) ein Privater gegenüber Privaten tätig wird, so daß der Streit mit den anderen Privaten einer rein privatrechtlichen Natur sein soll und die Grundrechte sich in diesem Rechtsstreit nur über die Einbruchsstellen des Privatrechts entfalten könnten. Der BGH hat in einem seiner älteren Fälle 3061 nicht nur die Grundrechtsbindung der Verwaltung in ihrer "fiskalischen" Betätigung bzw. bei dem Abschluß von Bedarfsdeckungsgeschäften 3062, sondern auch die Einwirkung der Grundrechte über die privatrechtlichen Vorschriften der §§ 823 I, 826 BGB sowie der §§ 22 I, 26 I I GWB i. V. m. § 35 GWB 3 0 6 3 abgelehnt. Er hat die Frage der "mittelbaren" Wirkung der Grundrechte auf das Privatrecht in dem betreffenden Rechtsstreit als überflüssig offengelassen 3064 und sich bei der Interpretation der o. g. Vorschriften des BGB und des GWB ausdrücklich geweigert, sie im Sinne der Grundrechte bzw. des Art. 121 und 3 I GG auszulegen3065. In einem anderen Fall aber hat der BGH eine unmittelbare Bindung der Polizeibehörde an das Willkürverbot des Art. 3 I GG angenommen, um weiter prüfen zu können, ob eine willkürliche Benachteiligung eines Abschleppunternehmens im Wettbewerb einen rechtswidrigen und deswegen ersatzbedürftigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i. S. d. § 823 I BGB darstelle. Denn durch das Abschleppen bewegungsunfähiger oder zeitweise unbemannter Fahrzeuge werde eine öffentliche Aufgabe erfüllt. Gerade im letzten Argument liegt die Begründung dieser unterschiedlichen Behandlung, so daß man nicht aus diesem Urteil zum Ergebnis gelangen kann, daß der BGH prin-

S. 4354, 4355; OLG Celle WuW/OLG, S. 4130, 4132; unklar OLG Düsseldorf DÖV 1981, S. 538 f. 3061 BGHZ 36, 91 ff. (Gummistrümpfe). 3062 BGHZ 36, 91, 94 ff. (Gummistrümpfe). 3063 BGHZ 36, 91, 99 ff. (Gummistrümpfe). 3064 BGHZ 36, 91, 95 (Gummistrümpfe). 3065 BGHZ 36, 91, 99 ff. (Gummistrümpfe); vgl. weiterhin aus der neueren Rechtsprechung BGHZ 101, 72, 78 ff. (Krankentransporte); BGH WuW/BGH, S. 2683, 2685 ff. (Zuckerrübenbauer).

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

zipiell die Grundrechtsbindung der Verwaltung in diesem wirtschaftlichen Bereich bejaht 3066 . Das OLG Düsseldorf ist zu einem anderen, sogar gegenteiligen Ergebnis gelangt. Es hat zwar die Grundrechtsbindung der Verwaltung - im betreffenden Fall der Deutschen Bundespost - bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bejaht 3 0 6 7 , es hat aber die Wirkung des allgemeinen Gleichheitsgebots des Art. 3 I GG, an das die Deutsche Post gebunden sein soll, über das Medium des § 26 I I GWB angenommen 3068 . Beide Ergebnisse sind grundrechtsdogmatisch abzulehnen. Warum dem Ergebnis des B G H bezüglich der Grundrechtsbindung der Verwaltung nicht zuzustimmen ist, wurde bereits aufgezeigt 3069 . Diese Position löst noch mehr Verwunderung aus, wenn der BGH über die Grundrechtsbindung hinaus auch die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte (sog. mittelbare Drittwirkung) nicht annimmt. Das weist auf eine offensichtliche Verkennung dieser Theorie hin, wenn sie sogar vom Gerichtshof als überflüssig zur Lösung der umstrittenen Frage betrachtet wird. Unkonsequent aus anderen Gründen ist auch der Schluß des OLG Düsseldorf. Das Gericht nimmt zwar die Grundrechtsbindung der Verwaltung nach Art. 1 I I I GG an, wendet aber parallel die Ausstrahlungswirkungstheorie an. Das ist jedoch, wie bereits dargelegt, widersprüchlich 3070 . Die Unterscheidung zwischen einer "unmittelbaren" nach Art. 1 I I I GG und einer "mittelbaren" Grundrechtsbindung über die Einbruchstellen des Privatrechts, wie gelegentlich i m Schrifttum vorgeschlagen wird 3 0 7 1 , leidet nicht nur an ähnlichen Problemen wie die entsprechende Unterscheidung zwischen "unmittelbarer" und "mittelbarer" Grundrechtsdrittwirkung 3072 , sondern auch an einem anderen: Der Verfälschung der Bindungswirkung des Anwendungsbereichs des Art. 1 I I I GG. Es ist auch hier nochmals zu betonen, daß es sich um keine "unmittelbare" oder "mittelbare" Grundrechtsbindung handelt, sondern um die 3066 J 9 f (Abschleppunternehmen). Es ist allerdings bemerkenswert, daß der BGH nicht Art. 26 II GWB i. V. m. § 35 GWB in Betracht gezogen hat. Dies ist aber eine einfachrechtliche Frage und mag hier dahingestellt bleiben. 3067 OLG Düsseldorf DÖV 1981, S. 538. 3068 OLG Düsseldorf DÖV 1981, S. 539; vgl. zu dieser Einschätzung Pietzcker, in: DÖV 1981, S. 539. 3069 s. oben sub III 3 b bb. 3070 ygj a u c h ähnlich die Kritik Pietzckers, in seiner Anmerkung in DÖV 1981, S. 539, der zusätzlich anmerkt, daß das allgemeine Gleichheitsgebot des Art. 3 I GG über den Anwendungsbereich des § 26 II GWB hinaus, d. h , selbst wenn die öffentliche Hand oder das öffentliche Unternehmen nicht "marktbeherrschend" im Sinne dieser Vorschrift sind, bei öffentlichen Auftragsvergaben als Ausfluß der Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 III GG angewendet werden soll; vgl. ders, in: AÖR 1982, S. 77. 3071 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rd. 49; ähnlich Rittner, Öffentliches Auftragswesen, Rd. 68. 3072 Ygj ausführlich oben sub I 3 e. B

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Wirkungsart der Grundrechte. Bejaht man die Grundrechtsbindung, dann bleibt man bei der Staat-Bürger-Relation 3073 . Lehnt man die Grundrechtsbindung ab, dann geht es um eine Relation unter Privaten. Der Staat wird auch hier erst nach der richterlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts im Lichte der Grundrechte eingeschaltet. Da die Verwaltung sich selbst in ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nicht als Privater verhalten kann und demzufolge ein aliud zu den Privaten ist, muß man die Grundrechtsbindung annehmen und die Ausstrahlungswirkungstheorie i m betroffenen Fall ablehnen 3074 . Daraus ergibt sich aber die Frage: Wenn die Verwaltung grundrechtsgebunden ist, wieso sollte in einem Rechtsstreit mit einem einzelnen das Privatrecht und die Zivilgerichtsbarkeit angewendet werden? Man kann einfach antworten, daß die Grundrechtsbindung als solche nicht die Anwendung des Privatrechts ausschließen kann 3 0 7 5 , insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich die Anwendung des Zivilrechts angeordnet hat (vgl. § 98 I GWB) 3 0 7 6 . Das gilt aber auch dann, wenn die öffentliche Hand nicht als Privatperson im Rechtsverkehr auftritt und der privatrechtliche Charakter des Rechtsstreits nicht gesetzlich abgesprochen ist. In diesem Fall ist auch der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen (vgl. § 13 GVG) 3 0 7 7 . Was das GWB und das Diskriminierungsverbot des § 26 I I GWB anbelangt, so stellt dies kein Problem dar, weil es die spezifische Regelung des § 98 I GWB gibt. In diesem Fall aber wird der § 26 I I GWB, eventuell in Verbindung mit anderen GWB-Vorschriften (z. B. §§ 22, 35

3073 yg] auçh j m Ergebnis Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 66. 3074

Ebenso Pietzcker, in: DÖV 1981, S. 540. 3075 Yg] stern, Staatsrecht III/l, S. 1414 f., der jedoch von einem "Anwendungsvorrang" des Privatrechts spricht, welcher aber nicht die Grundrechtsgeltung verdränge; vgl. ferner BGHZ 82, 375, 390, 397 (Brillen-Selbstabgabestellen); Scholz, in: ZHR 1969, S. 107 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S.316; Brohm, in: NJW 1994, S. 285; Pietzcker, in: DÖV 1981, S. 540, spricht von einer parallelen Anwendung der Grundrechte und den privat- oder wirtschaftsrechtlichen Gesetzen; ders., in: AÖR 1982, S. 77. 3076 So auch Brohm, in: NJW 1994, S. 286. 3077 Die Frage nach dem Rechtsweg (ordentliche oder Verwaltungsgerichte) ist allerdings unklar und sehr umstritten, mag aber hier dahinstehen. Man kann hier jedoch darlegen, daß der BGH nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung, der auch der GmSOGB folgt - vgl. BGHZ 66, 229, 237 (Studentenversicherung); 67, 81, 90 (AutoAnalyser); 82, 375, 383 f. (Brillen-Selbstabgabestellen); 101, 72, 75 (Krankentransporte); 121, 126, 130 (Vermessungsingenieur); 123, 157, 160 f. (AbrechnungsSoftware für Zahnärzte); GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313 (orthopädische Hilfsmittel); 102, 280, 283 f. (Rollstühle); 108, 284, 286 (öffentlich-rechtliche Krankenkassen) -, die Zuständigkeit der Zivilgerichte bezüglich der Fragen der Rechtsmäßigkeit der Teilnahme der öffentlichen Hand am wirtschaftlichen Wettbewerb bejaht, selbst wenn diese hoheitlich tätig wird - vgl. zustimmend Ulmer, in: ZHR 1982, S. 479 f.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 533 f.; dagegen kritisch bezüglich einer derartigen Erstreckung der Zivilgerichtsbarkeit auf solche Fragen Kopp, in: GewArch 1988, S. 355 ff.; Brohm, in: NJW 1994, S. 287 f.; weiterhin VGH Mannheim GewArch 1994, S. 465.

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GWB), nicht schlechthin i m Lichte der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit interpretiert und angewendet, sondern vielmehr als ihre gesetzliche Konkretisierung oder Ausprägung 3078 . Die einfachrechtlichen Vorschriften sind nicht mehr die Medien oder die Einbruchstellen für die Einwirkung der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit auf das einfache Recht, sie sind die Verkörperung der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit i m einfachen Recht. Es handelt sich nicht mehr um eine in erster Linie zivilrechtliche Rechtsstreitigkeit, die unter Einwirkung der Grundrechte auf das einfache Recht gelöst wird, es geht zuerst um eine öffentlich-rechtliche 3079 Streitigkeit, die ex lege privatrechtlich und zivilgerichtlich gelöst werden soll. Das ist die erste grundrechtsdogmatisch betrachtet, qualitative Diskrepanz zwischen der hier vertretenen Position und der Auffassung, die für die "mittelbare" Einwirkung der Grundrechte bei dieser Art von wirtschaftlicher Betätigung der Verwaltung -

3078 y g j ebenso Ehlers, Verwaltung, S. 217 f.; Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 259; Faber, in: DÖV 1995, S. 406, 411; Hösch, in: GewArch 1996, S. 404 ff, spricht sogar von einer "einfachrechtlichen Wiederholung" oder einem "speziellen Ausdruck" der Art. 3 I, III, 12 I GG i. V. m. Art. 1 III GG; vgl. auch Emmerich, in: I/M, § 98, Rd. 90, der bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand dem Diskriminierungsverbot des § 26 II GWB i. V. m. § 98 I GWB dieselbe Bedeutung wie dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG beimißt, sogar unabhängig von der Organisationsform, a. a. Ο , Rd. 96; dagegen spricht ders., Kartellrecht, S. 321, von der "Ausstrahlungswirkung" des Art. 3 I GG auf den § 26 II GWB bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand. Man muß hier einräumen, daß der BGH in seiner bereits dargelegten Rechtsprechung den Eindruck erweckt, daß er § 26 II GWB auf eine solche Art wie die hier vertretene Meinung handhabt, obwohl er ausdrücklich nicht auf die Grundrechte und ihre Einwirkung auf § 26 II GWB Bezug nimmt. 3079

Ebenso umstritten ist die Frage nach der öffentlich- oder privatrechtlichen Natur des Rechtsstreits in solchen Konstellationen, so daß man zu Recht behaupten kann, daß Uneinigkeit herrscht. Die oben dargestellte Rechtsprechung und die ihr zustimmende Literatur gehen von einer privatrechtlichen Natur der Teilnahme der öffentlichen Hand und ihrer Eigenunternehmen am wirtschaftlichen Wettbewerb in all ihren Organisationsformen aus, selbst wenn sie hoheitlich tätig werden. Diese Auffassung ist inzwischen in einem Teil des Schrifttums - vgl. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 89 ff, 102 ff.; Kopp, in: GewArch 1988, S. 355 ff.; Ehlers, in: JZ 1990, S. 1098 f.; Brohm, in: NJW 1994, S. 287 f.; Röhl, in: VerwArch 1995, S. 571; Gaa, in: WRP 1997, S. 837 ff. - zu Recht kritisiert worden, soweit es sich um die hoheitliche oder schlicht-hoheitliche Tätigkeit und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben handelt. Was die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit angeht, so herrscht Einigkeit, daß sie privatrechtlicher Natur sei. Man könnte dieser Position zustimmen, soweit man wie ein Teil des Schrifttums annehmen würde, daß die öffentliche Hand bei ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nicht grundrechtsgebunden sei. Wie hier indes mehrmals gezeigt wurde, ist diese Meinung unvertretbar. Deswegen sollte man den ursprünglichen, öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Betätigung und der Rechtsverhältnisse, die sich daraus ergeben, nicht absprechen. Daß im Ergebnis das Privatrecht angewendet wird, von der konkreten gesetzlichen Regelung (§ 98 I GWB) abgesehen, hat mehr mit der Funktion der wirtschaftlichen Betätigung im wirtschaftlichen Wettbewerb und nicht (ausschließlich) mit ihrer Rechtsnatur zu tun vgl. Grupp, in: ZHR 1976, S. 392; Röhl, a. a. O. S. 572; vgl. auch die Kritik Brohms, a. a. O , und Gaas, a. a. O.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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oder unzutreffend gesagt für eine "mittelbare Grundrechtsbindung" der Verwaltung - plädiert. Soweit es sich nur um diese Unterscheidung handelt, muß man einräumen, daß das praktische Ergebnis der gerichtlichen Lösung gleich ist 3 0 8 0 . Das ist aber nicht der Fall bei der zweiten Unterscheidung, die gerade darin liegt, daß im Fall der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Auslegung der Generalklauseln die grundrechtskollidierenden Positionen beider Parteien nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz (Güter-und Interessenabwägung) mitberücksichtigt werden. Wenn im Fall der öffentlichen wirtschaftlichen Betätigung die eine Partei die öffentliche Hand oder ein privatrechtlich organisiertes öffentliches Unternehmen ist, kann sie sich nicht auf solche grundrechtlichen Positionen berufen, denn diese können prinzipiell nicht Grundrechtsträger sein 3081 . Man kann natürlich bei einer solchen Grundrechtskollision nicht ausschließen, daß über die privaten Interessen hinaus auch öffentliche Interessen in Betracht gezogen werden können. Der Schutzzweck des § 26 I I G W B 3 0 8 2 und im allgemeinen des GWB, aber auch des UWG zeigt das in einer beispielhaften Art und Weise. Hier ist das aber nicht der Fall, weil nur öffentliche mit privaten (grundrechtlich geschützten) Interessen kollidieren können. Diese Konstellation liegt fernab von dem Sinn der Theorie der Ausstrahlungswirkung als Einwirkung der Grundrechte auf das Rechtsverhältnis unter Privaten.

cc) Die Einwirkung der Grundrechte auf das Diskriminierungsverbot des §26 II GWB Fälle, mit denen sich die Rechtsprechung bisher befaßt hat und die die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf den § 26 I I GWB zum Gegenstand haben, von den vorher dargelegten Fällen des öffentlichen Auftragswesens abgesehen, wurden bisher vermischt 3083 . Die Rechtsprechung wendet den § 26 I I GWB an, ohne auf die Grundrechte zurückzugreifen. Die Maßstäbe aber, die sie benutzt, weichen praktisch nicht von einer Einwirkung grundrechtlicher Positionen auf den Tatbestand dieser Vorschrift ab. Das Diskriminierungsverbot i. S. d. § 26 I I GWB gilt, soweit gleichartige Unternehmen "unbillig" behindert bzw. "ungleich" behandelt werden. Die Unternehmer müssen nicht nur auf demselben Markt tätig werden, sie müssen vielmehr dieselbe wirtschaftliche Funktion erfüllen und dieselbe unternehmerische Tätigkeit ausüben3084. Diese 3080 3081

Vgl. auch OLG Düsseldorf DÖV 1981, S. 539. Vgl. oben subBII3ccc, dd.

3082 y g j

3083

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s. nur BGH MDR 1971, S. 199 f. 3084 Emmerich, Kartellrecht, S. 303 (mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). 36 Tsiliotis

562

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Interpretation erinnert an das (lockere) Willkürverbot des allgemeinen Gleichheitssatzes, wie es die bundesverfassungsgerichtliche Judikatur in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Konstellationen anwendet 3085 . Es ist allerdings zu erwähnen, daß es sich um ein Tatbestandsmerkmal handelt, das nur eine erste, verhältnismäßig grobe Sichtung der relevanten Fälle bezweckt, während die nähere Differenzierung erst bei der Prüfung erfolgt, ob die Behinderung unbillig oder die unterschiedliche Behandlung grundlos ist 3 0 8 6 . Was das Behinderungsverbot angeht, ist festzustellen, daß für seine Interpretation die Wettbewerbsfreiheit der anderen Marktsubjekte sowohl als Freiheit im Wettbewerb als auch als Freiheit zum Wettbewerb in Betracht kommt. Sein Schutzzweck ist bereits dargelegt worden 3087 . Als "Behinderung" im Sinne dieser Vorschrift gilt jede Maßnahme eines Unternehmers, die die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit eines anderen (dritten) Unternehmens im Wettbewerb oder den Zugang zu einem Wettbewerbsmarkt behindert oder beeinträchtigt 3088 . Eine Interessenabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist erforderlich 3089 . Bezüglich der Interessenabwägung ist hier zu erwähnen, was bereits an anderer Stelle dargelegt wurde 3090 , nämlich daß die Position eines marktbeherrschenden Unternehmens (Monopol, Oligopol etc.), das seine Marktherrschaft gegen andere Marktsubjekte mißbraucht, aus dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit herausfällt 3091 . Das hat in der betreffenden Problematik praktisch zu bedeuten, daß solche Maßnahmen, wie ζ. B. Ausschließlichkeitsbindungen, Treuerabatte usw., die die neuen Konkurrenten daran hindern, auf den Markt einzusteigen, oder vorhandene Konkurrenten zwingen, aus dem Markt auszusteigen, nicht in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen und nicht als entgegenstehende Interessen gegenüber den Interessen der behinderten Unternehmen betrachtet werden können. Demnach fallen sie in das Diskriminierungsverbot des § 26 I I 1 GWB 3 0 9 2 . Bedeutsamer für die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf den § 26 I I 1 GWB ist aber das Ungleichbehandlungsverbot oder Diskriminie3085

Vgl. oben sub Β II 2 e cc. So ausdrücklich BGHZ 81, 322, 330. 3087 s. oben sub aa. 3088 Vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 307. 3089 Emmerich, Kartellrecht, S. 305 ff.; vgl. auch BGHZ 128, 17, 35 ff.; ferner OLG Schleswig NJW - RR 1997, S. 1540. 3090 s. oben sub Β IV 2 cc β αα. 3091 Vgl. aber BGHZ 128, 17, 35, wo der BGH dazu tendiert, die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und den Eigentumsschutz nach Art. 14 GG auch solchen Unternehmen zuzusprechen; vgl. außerdem die Position von OLG Schleswig NJW - RR 1997, S. 1540. 3092 Emmerich, Kartellrecht, S. 307 f , der auch davon ausgeht, daß bei der Beurteilung, ob solche Maßnahmen unter das Behinderungsverbot des § 26 II 1 GWB fallen, vorrangige Wertungen des EGV sowie des GG mitberücksichtigt werden sollen. 3086

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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rungsverbot i. e. S. Hier können auch andere Grundrechte über die Wettbewerbsfreiheit der Marktbeteiligten hinaus in Betracht gezogen werden. Spezifischer Schutzzweck dieses Verbots ist die Sicherung der gleichen Marktchancen (Wettbewerbs- bzw. Chancengleichheit) von Abnehmern und Lieferanten marktbeherrschender Unternehmen gegen eine Beeinträchtigung durch diskriminierende Praktiken der Marktgegenseite 3093. Erster Maßstab zur Beurteilung der "Ungleichbehandlung" in diesem Sinne ist die "Gleichartigkeit" der betroffenen Unternehmen auf demselben Markt und ihre abweichende Behandlung seitens der Adressaten des Diskriminierungsverbots. Von dem Diskriminierungsverbot kann man nicht nur durch eine Benachteiligung, sondern auch durch eine Begünstigung abweichen 3094 . Es reicht nicht irgendeine unterschiedliche Behandlung aus, sie muß vielmehr "ohne sachlich gerechtfertigten Grund" erfolgen. Eine entsprechende Interessenabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - wie bei der Beurteilung der Wettbewerbsbehinderung - sind auch hier die Kriterien der Überprüfung der Ungleichbehandlung, wobei der Schutz der Freiheit des Wettbewerbs eine große Rolle spielt 3095 . Es gilt analog auch hier, was bei dem Behinderungsverbot dargelegt wurde. Diese Auslegung befindet sich nicht nur in Harmonie mit dem Willkürverbot des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG, im Lichte dessen § 26 I I 1 GWB zu interpretieren ist, sondern immerhin auch mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ungleichbehandlung im Rahmen dieses Gebots 3096 . Als der schwerstwiegende, überhaupt denkbare Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit der Marktteilnehmer gilt die Liefersperre bzw. -Verweigerung 3097 . Über den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz hinaus bekommen auch andere Gleich- und Freiheitsrechte praktische Relevanz für die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf den § 26 I I 1 GWB. Das betrifft nicht nur die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 121 GG und eventuell Art. 1411 GG, die sich ohnehin in einer Idealkonkurrenz mit Art. 3 I GG befinden, wenn die gleichmäßige Wettbewerbsfreiheit berührt wird 3 0 9 8 , sondern auch die Pressefreiheit, wenn ζ. B. ein Monopolgrossist die Zeitungen eines Presseorgans nicht an Zeitungskioske ausliefert, weil er mit der politischen Linie des Presseorgans nicht einverstanden ist oder sie für unbedeutsam hält 3 0 9 9 ; auch die Rundfunkfreiheit

3093 3094

3095

S. 309 f. 3096 3097 3098 3099

Emmerich, Kartellrecht, S. 308 f. Emmerich, ebenda, S. 309.

Müller-Graff,

Deutscher Bericht, in: FIDE (Hg.) 1984, S. 4; Emmerich, a. a. Ο.,

Vgl. ausführlich oben sub Β IV 2 e cc. Emmerich, Kartellrecht, S. 310, mit weiteren Beispielen auf den S. 310 ff. s. oben sub Β V 1 b bb. Vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 318.

564

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

kann betroffen sein, wenn ζ. B. ein Rundfunksender von einem Nachfragemonopol willkürlich ihren Konkurrenten gegenüber benachteiligt oder begünstigt wird, ebenso die Kunst- und die Forschungsfreiheit (Art. 5 I I I 1 GG), wenn das gleiche bei einem Theater 3100 bzw. einem Forscher der Fall ist. Man kann freilich das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 I I GG und das Diskriminierungsverbot des Art. 3 I I I GG nicht außer acht lassen, wenn solche Ungleichbehandlungen von marktbeherrschenden Unternehmen auf das Geschlecht, die Herkunft, die Rasse, die Religion oder die Konfession ihrer Marktpartner zurückgehen. Ob nun die Grundrechte bei der Interpretation des § 26 I I GWB auf die Beziehungen der Unternehmen über den Anwendungsbereich dieser Vorschrift hinaus, d. h. nicht nur wenn der eine Marktpartner ein marktbeherrschendes bzw. marktstarkes Unternehmen ist, einwirken können, ist strittig. Eine Auslegung, die diese Frage bejahen würde, wäre riskant. Es ist allerdings wahr, daß die Grundrechte auch bei lückenfüllungsbedürftigen Gesetzen, insbesondere bei der sog. schöpferischen Rechtsfindung, einwirken 3101 . Das hätte aber im vorliegenden Fall zu bedeuten, daß eine solche Auslegung im Lichte der Grundrechte über den Anwendungsbereich der Vorschrift hinausgehen und nicht nur entgegen dem Wortlaut, sondern auch entgegen dem Willen des Gesetzgebers erfolgen würde, der das Diskriminierungsverbot nur für marktbeherrschende bzw. marktstarke Unternehmen einführen wollte (vgl. auch die 2. GWB-Novelle). Eine contra legem - Auslegung ist zwar umstritten 3102 , sie kann jedoch ausnahmsweise zugelassen werden, wenn die Norm nur so verfassungsbzw. grundrechtskonform ausgelegt werden kann, wobei die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei dieser Auslegung die zentrale Rolle spielt 3103 . Hier geht es aber auch um die Privatautonomie, bei der unter Umständen der Selbstbestimmung eine erheblich größere Rolle zufällt. Warum sollte die Einwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 I GG auf die Interpretation des § 26 I I GWB in einer contra legem Auslegung einem Unternehmer behilflich sein, der ohne sachlich gerechtfertigten Grund von seinem Marktpartner (Lieferanten oder Abnehmer) benachteiligt wird, wenn ihm auf demselben

3100

BGH MDR 1971, S. 199 f. Vgl. oben sub I 2 ebb β die sog. Soraya-Rechtsprechung des BVerfG und die ihr angeschlossene Caroline-von-Monaco-Rechtsprechung des BGH. 3102 Vgl. einerseits bejahend BVerfGE 34, 269, 286 ff. (Soraya), und andererseits ablehnend Krey, in: JZ 1978, S. 465 ff. (m. w. N.); Diederichsen, in: AcP 1998, S. 195 ff.; skeptisch auch Starck, in: vM/K/S, Art. 2 Abs. 1, Rd. 115, der in solchen Fällen die Gesetzeskonkretisierung befürwortet; vgl. auch jüngst die Bedenken von 3101

Gounalakis, in: AfP 1998, S. 18. 3103 Vgl. in diese Richtung auch BVerfGE 49, 304, 319 ff. (Haftung der Sachverständigen).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

565

Markt mehrere Möglichkeiten und Alternativen zustehen? Die Antwort sollte im Hinblick auf die Privatautonomie grundsätzlich negativer Natur sein. Trotzdem kann man in extremen Fällen eine solche Einwirkung der Grundrechte nicht ausschließen, wenn Grundrechte als Gleich- oder Freiheitsrechte, die in einem Zusammenhang mit der Menschenwürde nach Art. 1 I GG stehen, in Betracht gezogen werden. Das ist der Fall, wenn ein Unternehmer von seinem Marktpartner benachteiligt wird, weil er Farbiger, Jude oder Ausländer ist. Solche Diskriminierungen kann die Rechtsordnung ohnehin nicht hinnehmen, und die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte trägt dazu bei. Wenn man diese Einwirkung nun nicht auf den § 26 I I GWB anstrebt, weil er "speziell" und "eindeutig" sein soll, so kann man sich auf andere Generalklauseln des Zivilrechts wie die §§ 242, 823 I, 826, 1004 BGB oder § 1 UWG berufen, auf die die Grundrechte bzw. die Wettbewerbsfreiheit "flexibler" einwirken können.

2. Die Einwirkung der Wettbewerbsfreiheit auf die außergeschäftlichen Beziehungen zwischen Privaten Bisher wurde die Einwirkung des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit auf die geschäftlichen Rechtsverhältnisse unter den privaten Rechtssubjekten bzw. ihre Einschränkung durch die Einwirkung anderer Grundrechte auf diese Verhältnisse zuungunsten der Wettbewerbsfreiheit über die Generalklauseln des Privatrechts behandelt. Im folgenden wird die Einwirkung der Wettbewerbsfreiheit und ihre Einschränkung bezüglich der außergeschäftlichen Rechtsverhältnisse untersucht. Es ist hier zu unterstreichen, daß die bereits dargelegten Schlüsse über die Beziehung der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte mit anderen Aspekten der allgemeinen Grundrechtslehre entsprechend auch hier gelten.

a) Die Einwirkung der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit auf den § 1 UWG aa) Allgemeines Die Gute-Sitten-Generalklausel des § 1 UWG gilt als die "große" Generalklausel des UWG. Verfassungsrechtlich wurde sie bisher als Eingriff in grundrechtliche Positionen dargestellt, sei es in die aus Art. 121 GG, sei es in die aus Art. 5 I 1 GG Wettbewerbsfreiheit. Nun wird ermittelt, inwiefern sie als "Einbruchstelle" für die Einwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht gelten und wie sie dadurch die Ausgestaltung der wettbewerbsrechtlichen Verhältnisse Privater beeinflussen kann 3104 . Gerade ihre doppelte Funktion als Grundrechtseingriff einerseits und als "Einbruchsteile" der Grundrechte auf das Privatrecht

566

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

andererseits bringt das Verhältnis der sog. mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte mit dem Grundrechtseingriff erneut in die Diskussion, insbesondere mit der sog. Wechselwirkungslehre des BVerfG, wenn die Grundrechte des Art. 5 I GG und die Schrankenklausel des Art. 5 I I GG in Betracht kommen. Dieses Verhältnis wird sich am besten in der folgenden Untersuchung am Beispiel des § 1 UWG darstellen lassen. Wichtige Merkmale seines Tatbestands verkörpern die Begriffe "Handlungen im geschäftlichen Verkehre", "zu Zwecken des Wettbewerbs", "Verstoß gegen die guten Sitten". Die Auseinandersetzung über diese tatbestandlichen Probleme bleibt in der vorhandenen Untersuchung dahingestellt. Hier interessiert, wie bisher im allgemeinen bei der Darstellung dieser Frage nur die Einwirkung der Grundrechte - insbesondere der Wettbewerbsfreiheit - auf den § 1 UWG.

bb) Wettbewerbs-

als Werbefreiheit

und Privatsphäre

Als besonderer Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt die Privat· bzw. Intim- oder Geheimsphäre 3105 des einzelnen. Deswegen wird ihre Einwirkung als Schranke der Wettbewerbsfreiheit auf den § 1 UWG hier besonders eingehend untersucht 3106 . Die Frage des Verhältnisses der Wettbewerbs» als Werbefreiheit zur Privatsphäre der Verbraucher oder Dritter wurde bisher im Rahmen der Erörterung der Grundrechtskollisionenfrage 3107 und der Schutzpflichtlehre 3108 aufgezeigt. Die Grundrechtspositionen beider Parteien sowie die Ableitung einer objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates für die Privatsphäre, die als das "angegriffene Opfer" dieser Konstellation gilt, wurden bereits dargestellt. Wie die Lösungen dieser Grundrechtskollisionen unter Be-

3104 Vgl. dazu BVerfGE 32, 311, 317 f. (Grabsteinwerbung); BGHZ 130, 5, 8 (Busengrapscher/Schlüpferstürmer); BGH NJW 1995, S. 2493 (Benettonwerbung III-HIVPositive); vgl. auch BGHZ 130, 197, 202 ff. (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente); 130, 205, 218 ff. (Feuer, Eis & Dynamit I); BGH GRUR 1994, S. 381 f. (Lexikothek); BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); Sack, in: WRP 1974, S. 250 f.; Leisner, SB-Großhandel, S. 93; v. Gamm, WbR, 18. Kapitel, Rd. 18 ff.; Hen-

ning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 537; Reichold, in: WRP 1994, S. 223; v. Gierke, in: FS Piper, S. 248, 252 f.; Hoffmann-Riem, in: Z U M 1996, S. 6; Henssler, in: JZ 1997,

S. 1012; Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 138 ff.; Kort, in: WRP 1997, S. 527; Fezer, in: JZ 1998, S. 269. 3105

Vgl. dazu Ehlers, in: WRP 1983, S. 188, der das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach der "Dreisphärentheorie" des BVerfG in drei Schutzkreise teilt; zustimmend Ricker, Unternehmensschutz, S. 36 ff. 3106 Vgl. dazu letztens v. Gierke, in: FS Piper, S. 244 f. 3107 s. oben sub Β V 2 b cc α. 3108 s. oben sub Β VI 3 e dd.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

567

rücksichtigung der Schutzpflichtproblematik gegeben werden sollen, zeigt nach der Ausstrahlungswirkungstheorie das einfache Recht. Wenn der Tatbestand des § 1 U W G greift, dann ist die Lösung im Rahmen dieser Vorschrift unter der Einwirkung der Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit der Gewerbetreibenden zum einen und der Privatsphäre als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Konsumenten oder Dritter zum anderen zu sehen. Einen häufigen Fall, dessen Rechtmäßigkeit nach § 1 U W G unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte überprüft wird, stellen die Vertreterbesuche im häuslichen Bereich der (potentiellen) Kunden dar, damit für bestimmte Produkte oder Leistungen, ζ. B. Versicherungsdienstleistungen, geworben werden kann. Die Frage hat die Rechtsprechung des BGH früh beschäftigt, der dargelegt hat, daß Vertreterbesuche, bei denen Verbraucher ohne vorherige Kontaktaufnahme i m häuslichen Bereich angesprochen werden, nicht zulässig seien, wenn aufgrund besonderer Umstände die Gefahr einer untragbaren oder sonst wettbewerbswidrigen Belästigung und Beunruhigung des privaten Lebensbereichs gegeben wäre 3 1 0 9 . In diese Problematik hat sich auch das BVerfG eingeschaltet, das eine solche Belästigung und Beunruhigung unter dem Gesichtspunkt der Einwirkung der Grundrechte auf § 1 U W G überprüft hat. Das BVerfG hat i m Grunde und i m Ergebnis die Rechtsprechung des BGH bestätigt. Das Recht eines Steinmetz- und Bildhauermeisters, der Grabsteine herstellte und vertrieb, "außerhalb einer Karenzzeit von vier Wochen nach dem Todesfall selbst oder durch Dritte unaufgeforderte Hausbesuche bei Hinterbliebenen eines Todesfalles zum Zwecke der Anwerbung von Geschäftsaufträgen zu machen oder machen zu lassen", mußte zu Recht nach einer verhältnismäßigen Prüfung der kollidierenden Interessen im Rahmen des § 1 U W G hinter das Recht der Hinterbliebenen, ihre Intimsphäre 3110 vor aufgeforderten Besuchen, besonders in einer so kritischen Zeit, zu bewahren, zurücktreten 3111 . Da durch ein solches Verbot aufgrund des § 1 U W G die freie Betätigung des betreffenden Gewerbetreibenden i m Wettbewerb als Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 I GG getroffen wurde 3 1 1 2 , wurde zu Recht § 1 UWG als ein Eingriff in seine grundrechtliche Stellung behandelt und am Maßstab der sog. Drei-

3109 BGHZ 56, 18, 20 (Grabsteinaufträge II); BGH GRUR 1955, S. 541 (Bestattungswerbung); BGH GRUR 1994, S. 819 (Schriftliche Voranmeldung); weiterhin Vogt, in: NJW 1997, S. 2566. 3110 In dieser Konstellation geht die Intimsphäre als Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der die innere Gefühlswelt der Betroffenen umfaßt, eigentlich weiter über die Privatsphäre hinaus, die nur den häuslichen Frieden beinhaltet - so Ehlers, in: WRP 1983, S. 188, 193; Ricker, Unternehmensschutz, S. 38; vgl. zu einer Ausdehnung der schutzbedürftigen Privatsphäre BGHZ 131, 332, 337 ff. (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos). 3111 Vgl. dazu Ehlers, in: WRP 1983, S. 193. 3112 BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung).

568

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Stufentheorie gemessen 3113 . Diese grundrechtskonforme oder -orientierte Auslegung ist auch mit dem Schutzzweck des UWG, der u. a. auch die Verbraucher und die Allgemeinheit zum Gegenstand oder - genauer gesagt - als Schutzsubjekte hat, vereinbar. Trotz alldem sind Vertreterbesuche nicht immer verboten 3114 . Insbesondere dann sind Vertreterbesuche wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie schriftlich vorangemeldet sind und der Angeschriebene mittels einer der Besuchsanmeldung beigefügten frankierten Rückantwort den Besuch des Vertreters ohne weiteres und ohne jede ins Gewicht fallende Mühewaltung ablehnen kann 3 1 1 5 . Die Einwirkung der aus Art. 121 GG resultierenden Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber der Vertreter auf den § 1 UWG, die durch diese häuslichen Besuche ihrer Vertreter einen Vorsprung im Wettbewerb bezwekken, sowie die Berufsfreiheit der Vertreter selbst, führen zu diesem Ergebnis 3 1 1 6 . Das Grundrecht auf Privatsphäre der Angeschriebenen wird unter diesen Umständen nicht durch den Vertreterbesuch beeinträchtigt oder gefährdet, so daß es für den Richter nicht nötig ist, dieses Grundrecht durch eine "schutzpflichtkonforme" Interpretation zu schützen 3117 . M i t anderen Worten bedarf das Grundrecht in einer solchen Konstellation keines Schutzes, so daß die Wettbewerbsfreiheit des werbenden Unternehmens und die Berufsfreiheit des Vertreters vorzugehen haben. Prinzipiell unzulässig ist nach ständiger Rechtsprechung des B G H 3 1 1 8 unter diesem Gesichtspunkt die Telefonwerbung. Denn der werbende Anrufer dringt

3113

BVerfGE 32, 311, 318 (Grabsteinwerbung). Vgl. Ehlers, in: WRP 1983, S. 193; Timm, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hg.): Recht der Persönlichkeit, S. 366 f. 3115 BGH GRUR 1994, S. 818 (Schriftliche Voranmeldung); weiterhin Timm, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hg.): Recht der Persönlichkeit, S. 366; Ulrich, in: FS Vieregge, S. 912, deutet die Position an, daß nur in diesem Fall die Werbung durch Vertreterbesuche nicht beanstandet werden soll. 3116 BGH GRUR 1994, S. 819 (schriftliche Voranmeldung); vgl. auch bereits früher 3114

Ehlers, in: WRP 1983, S. 193. 3117

Nach Ehlers, in: WRP 1983, S. 193, ist eine solche Interpretation geboten, wenn durch die Vertreterbesuche die Intimsphäre tangiert wird, während in Fällen, in denen nur die Individualsphäre (vgl. zu dieser Aufteilung, a. a. O., S. 188) berührt wird, die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 I GG der werbenden Unternehmer und die Berufsfreiheit der Vertreter grundsätzlich vorgehen soll. Zurückhaltend zeigt sich Ehlers auch bzgl. der Konstellationen, in denen die Vertreterbesuche in die Privatsphäre eingreifen. 3118 BGHZ 54, 188, 190 f. (TelefonWerbung I); BGH JZ 1989, S. 858 (Telefonwerbung II); BGH GRUR 1990, S. 281 (Telefonwerbung III); BGHZ 113, 282, 283 ff. = GRUR 1991, S. 764 ff. (Telefonwerbung IV) mit kritischer Anmerkung Klawitter; BGH GRUR 1995, S. 220 (Telefonwerbung V); OLG Hamburg NJW-RR 1992, S. 1132; OLG München AfP 1997, S. 480 f.; OLG Stuttgart BB 1997, S.2181 f.; LG Frankfurt/Oder NJW - RR 1997, S. 1333 f.; vgl. auch BGH GRUR 1989, S. 754; BGH GRUR 1994, S. 381 f. (Lexikothek), in dem der BGH ausdrücklich zwischen den Grundrechten

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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damit zu geschäftlichen Zwecken unangemessen in den privaten Bereich des Angerufenen ein. Besonders unzumutbar für den Angerufenen kann diese Werbemethode dann werden, wenn sie zu einer Nachahmung durch die Mitbewerber führt, die alle diese Methode benutzen möchten, um nicht im wirtschaftlichen Wettbewerb ihren Konkurrenten gegenüber benachteiligt zu werden. Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre der Angerufenen geht in diesem Fall dem wirtschaftlichen Gewinnstreben im Wettbewerb der werbenden Unternehmer grundsätzlich vor 3 1 1 9 . Ungeachtet dessen ist ein Eindringen in den privaten Bereich des Endverbrauchers durch telefonische Anrufe zu Werbezwecken grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat. Diese Grundsätze gelten auch bei Anrufen, die bezwecken, einen häuslichen Vertreterbesuch anzubahnen 3120 . Was die Telefon- oder die Btx-, Telex- bzw. Telefaxwerbung bei Geschäften anbelangt, hat der BGH dargelegt, daß bei solchen Konstellationen die Privatbzw. Intimsphäre der umworbenen Unternehmer keine große Rolle spiele, sie scheide sogar bei der Interpretation des § 1 U W G oder anderen zivilrechtlichen Vorschriften aus 3121 . Ihre betrieblichen Interessen (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als "sonstiges Recht" i. S. d. § 823 I BGB bzw. Art. 14 I 1 GG) können aber i m Hinblick auf die Nachahmungsgefahr in Betracht gezogen werden, so daß er auch diese Methoden von Werbung beanstandet hat 3 1 2 2 . Für die Briefwerbung kann sich der Angeschriebene auf sein Persönlichkeitsrecht (§ 823 I BGB, Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) berufen 3123 .

des Umworbenen (Art. 2 GG - Schutz der Privatsphäre) und den Grundrechten des Werbenden (Art. 12, 14 GG) abgewogen hat; so auch Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 160 f , der ganz zutreffend die Einwirkung der grundrechtlichen Positionen aller beteiligten Personen auf die verfassungsorientierte Auslegung des § 1 UWG berücksichtigt - weiterhin Krüger-Nieland, in: GRUR 1974, S. 562 f.; Ehlers, in: WRP 1983, S. 190 (m. w.N.); v. Gamm, WbR, 18. Kapitel, Rd. 20; Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 535; Raeschke-Kessler/Schroeder, in: FS Piper, S. 401 ff, insbesondere die S. 406 ff.; Reichelsdorfer, in: GRUR 1997, S. 193; Vogt, in: NJW 1997, S. 2566; zweifelnd Ulrich, in: FS Vieregge, S. 912 f. 3119 Vgl. auch zur Beanstandung der Kommerzialisierung der Privatsphäre BGH GRUR 1981, S. 656 (Laienwerbung für Makleraufträge). 3120 BGH GRUR 1994, S. 381 (Lexikothek); OLG München AfP 1997, S. 480 f.; OLG Stuttgart BB 1997, S. 2181; LG Frankfurt/Oder NJW - RR 1997, S. 1333; kritisch dazu Ulrich, in: FS Vieregge, S. 918. 3121 So BGHZ 113, 282, 284 (Telefonwerbung IV); vgl. auch Ehlers, in: WRP 1983, S. 190; Ulrich, in: FS Vieregge, S. 918 f.; a. A. Krüger-Nieland, in: GRUR 1974, S. 562.

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

cc) Neue Aspekte in der Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf den § 1 UWG - die neue Rechtsprechung des BGH Eine große Diskussion im Schrifttum hat die neue Rechtsprechung des BGH bezüglich der Frage der i. S. d. § 1 UWG sittenwidrigen Werbung bzw. wettbewerblichen Betätigung ausgelöst. Diese Rechtsprechung, die insgesamt aus sechs Urteilen besteht, kann in drei Teile unterteilt werden: In den sog. Busengrapscher/Schlüpferstürmer-Fall, in die drei Fälle der Benetton-Rechtsprechung 3124 und die beiden Feuer, Eis & Dynamit-Urteile. Die in diesen Urteilen aufgeworfenen Fragen sind zahlreich, von denen einige mit grundrechtlicher bzw. grundrechtsdogmatischer Relevanz bereits dargelegt worden sind. Hier interessieren nur diejenigen Fragen, die sich auf die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf § 1 UWG beziehen. Die bereits ausgeführten grundrechtsdogmatischen Fragen werden bei der vorliegenden Untersuchung mitberücksichtigt.

α) Das sog. Busengrapscher/Schlüpferstürmer-Urteil Im sog. Busengrapscher/Schlüpferstürmer-Urteil des BGH 3 1 2 5 handelte es sich um den Vertrieb von Likörflaschen mit Etikettierungen, auf denen die Bezeichnungen "Busengrapscher" bzw. "Schlüpferstürmer" mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen verbunden waren. Der BGH hat den Vertrieb dieser Art als gegen § 1 UWG verstoßend behandelt, weil dadurch der diskriminierende und die Menschenwürde verletzende - Eindruck der sexuellen Verfügbarkeit der Frau als mögliche Folge des Genusses des angepriesenen alkoholischen Getränks vermittelt wurde. Der BGH hat nicht die Meinungsfreiheit aus Art. 5 11 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen, weil es dieser Etikettierung an dem Element der Meinungsaussage, der Stellungnahme, des Da-

3122 Vgl. BGHZ 59, 317, 319 ff. (Telexwerbung); BGHZ 103, 203, 207 ff. (BtxWerbung); 113, 282, 283 ff. (Telefonwerbung IV); BGH NJW 1996, S. 660 f. (Telefaxwerbung); vgl. auch Krüger-Nieland, in: GRUR 1974, S. 562; Ehlers, in: WRP 1983, S. 191. 3123 Vgl. BGH GRUR 1973, S. 552 ff. (Briefwerbung). 3124 Zu einem Zusammenhang zwischen der Busengrapscher/Schlüpferstürmer- und Benetton-Rechtsprechung vgl. Henning-Bodewig, in: GRUR 1997, S. 180 ff. 3125 BGHZ 130, 5 ff.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

571

fürhaltens, des Meinens im Rahmen der geistigen Auseinandersetzung fehle 3126 , er hat unter Umständen - fraglich ist, welche diese Umstände sein können - die Kunstfreiheit (Art. 5 I I I GG) in Betracht gezogen, er hat aber die wirtschaftlichen Grundrechte (Art. 12 I, 14 I 1 GG) außer acht gelassen. Nach der hier vertretenen Meinung kommen auch (oder vielmehr) diese Grundrechte in Betracht. Kann man um die "Kunstqualität" dieser Etikettierung als solcher streiten, so ist das bei der Tatsache, daß der Hersteller und Vertreiber dieses Likörs diese umstrittene Art ausgesucht hatte, um Vorteile im Wettbewerb zu erlangen, nicht der Fall. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Sachverhalt, aber auch aus der Darlegung des BGH, daß der Vertrieb des Likörs mit dieser provokativen Etikettierung "allein der Förderung des Absatzes seiner Waren dienen soll" und ausschließlich kommerzielles Interesse habe 3127 . Aber sollen diese wirtschaftlichen Interessen im Wettbewerb grundrechtlich schutzlos bleiben? Das ist zu verneinen. Denn der Vertrieb des Likörs stellte für den Spirituosenhersteller die Ausübung seiner Wettbewerbsfreiheit nach Art. 121 GG als Vertriebsfreiheit im Rahmen der freien Berufsausübung 3128 und nach Art. 1411 GG als Gebrauch, Nutzung und Verfügungsbefugnis für bestehende Produkte des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs 3129 dar. Der BGH hat diese Interessen bei seiner Beurteilung, ob der Vertrieb gegen § 1 UWG verstoße, mitberücksichtigt. Aber auch hinsichtlich der Nicht-Heranziehung der Meinungsfreiheit ist die Position des BGH fehl am Platz. Der BGH schränkt mit seiner Position den Schutzbereich der Werbefreiheit als Meinungsäußerungsfreiheit i. S. d. Art. 5 11 GG dahingehend ein, daß er einer Werbeausage den Meinungsäußerungscharakter nur im Rahmen der geistigen Auseinandersetzung zuspricht. Diese Maßgabe, die der BGH auch in seiner sog. BenettonRechtsprechung wiederholt 3130 , entspricht nicht absolut den Kriterien, die das BVerfG in seiner Rechtsprechung gesetzt hat, um eine Werbung als Meinungsäußerung i. S. d. Art. 5 1 1 GG anzuerkennen 3131, und deswegen sollte sie als zu eng nicht angenommen werden. Infolgedessen kann man davon ausgehen, daß die umstrittene Ettiketierung auf der Likörflasche, die die sexuelle Verfügbarkeit der Frau als mögliche Folge des Genusses des angepriesenen alkoholischen Getränks andeutet, als eine werbende Meinungsaussage mit sogar informativem Charakter betrachtet werden kann, die in den potentiellen oder prima facie Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt. Ob sie als obzön und deswegen wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG zu behandeln ist, ist eine Frage der Schranken 3126

BGHZ

130,

Gaedertz/Steinbeck, 3127 3128 3129 3130 3131

5,

11

(Busengrapscher/Schlüpferstürmer);

in: WRP 1996, S. 980 f.

BGHZ 130, 5, 11 (Busengrapscher/Schlüpferstürmer). s. oben sub Β II 2 a cc α. s. oben sub Β II 2 b bb. s. direkt folgend sub β. s. oben sub Β II 2 d bb.

zustimmend

572

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

des Art. 5 I I GG (§ 1 U W G als "allgemeines" Gesetz), der Einwirkung des objektiven Gehalts der Menschenwürde der Frauen nach Art. 11 GG auf die Interpretation dieser Schranke (Ausstrahlungswirkungslehre) und des durch diese Schranke gefilterten definitiven Schutzes der Meinungsfreiheit nach einer Güter· und Interessenabwägung (Wechselwirkungslehre). Die Frage, die sich nun ergibt, lautet, warum diese Art von Vertrieb als Wettbewerbs- bzw. sittenwidrig i. S. d. § 1 U W G behandelt werden soll. Es wurde bereits mehrmals dargelegt, daß der Schutzzweck des U W G u.a. auch die "Allgemeinheit" mitenthält und zu dieser "Allgemeinheit" über die Verbraucher hinaus auch die Interessen der an einem Wettbewerbsverhältnis unbeteiligten Dritten gehören. Eine verfassungsorientierte Auslegung dieses Schutzzwecks liegt vor, wenn anerkannt wird, daß verfassungsrechtliche Bewertungen solcher Interessen eine Rolle spielen können und demzufolge der Verbraucher- und Drittschutz auch als der grundrechtliche Schutz der Verbraucher und Dritten zu verstehen ist, wenn ihre grundrechtlichen Positionen i m Spiel sind 3 1 3 2 . Der B G H hat das i m vorliegenden Urteil ausdrücklich unterstrichen 3 1 33 . Diese Maßstäbe liegen im betroffenen Fall vor. Der Wettbewerbsfreiheit als Vertriebsfreiheit des Likörherstellers wird die Menschenwürde der Frauen (Art. 1 I GG) gegenübergestellt: Die Menschenwürde eines sehr großen Teils der Bevölkerung, nämlich der Frauen, wird dadurch angetastet, daß diese Werbeaussage eine Herabsetzung und Diskriminierung der Frau bedeutet (obszöne Werbung), wenn sie öffentlich zur Förderung des eigenen Warenabsatzes erfolgt 3 1 3 4 . Bei einer Güter- und Interessenabwägung i m Rahmen des § 1 U W G geht zweifelsohne die Menschenwürde vor 3 1 3 5 , deren Schutz ein Pflichtgegenstand für die öffentliche Gewalt und natürlich auch für den Richter darstellt

3132

So BGHZ 54, 188, 190 f. (Telefonwerbung I); vgl. auch BVerfGE 24, 236, 244 ff. (Werbung von der Kanzel); Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 537; dies., in: GRUR 1993, S. 952. Die Möglichkeit, daß grundrechtliche Positionen Dritter in den Begriff "Allgemeinheit" miteinbezogen werden, läßt Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 164 f., unberücksichtigt und plädiert deswegen für den Abschied von diesem Begriff, obwohl er in seiner Untersuchung von der zutreffenden und auch hier vertretenen Position ausgeht, daß § 1 UWG grundrechtsorientiert bzw. am Maßstab der Einwirkung der Grundrechte auf ihn zu interpretieren ist. 3133 BGHZ 130, 5, 8 (Busengrapscher/Schlüpferstürmer) - m. w. N; vgl. auch BGH NJW 1996, S. 2491 (Benettonwerbung II - Kinderarbeit). 3134 Vgl. ausführlich die Argumentation im BGHZ 130, 5, 9 f. (Busengrapscher/ Schlüpferstürmer); zustimmend Gaedertz/Steinbeck, in: WRP 1996, S. 981 f.; HenningBodewig, in: GRUR 1997, S. 190; Vogt, in: NJW 1997, S. 2565; Fezer, in: JZ 1998, S. 265 ff., insbesondere S. 274. 3135 ygj z u e j n e r solchen Abwägung BGHZ 130, 5, 11 f. (Busengrapscher/ Schlüpferstürmer); vgl. ferner allgemein zu einer Abwägungsunfähigkeit der Menschenwürde BVerfGE 93, 266, 293 (Soldaten sind Mörder II).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

573

(vgl. Art. 1 I 2 GG) 3 1 3 6 . Das betrifft nicht nur die unter Gesetzesvorbehalt garantierten Grundrechte der Art. 12 I, 1411, 5 1 GG, sondern auch die vorbehaltlos geschützte Kunstfreiheit, deren verfassungsrechtliche Garantie unter dem Vorbehalt der sog. immanenten Grundrechtsschranken steht. Eine solche immanente Grundrechtsschranke stellt die Menschenwürde dar 3 1 3 7 .

ß) Die sog. Benetton-Rechtsprechung Eine große Reaktion in der juristischen, aber auch der wirtschaftlichen Fachwelt und nicht nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hat die sog. Benetton-Rechtsprechung des BGH mit ihren drei Urteilen verursacht. Ein kurzer Sachverhalt mit dem Ergebnis dieser Urteile wurde bereits dargestellt 3138 . Das Problem liegt nun darin, ob der BGH in seinen drei umstrittenen Urteilen, die einer großen Diskussion gefolgt sind 3 1 3 9 , aber auch eine heftige Auseinandersetzung ausgelöst haben 3140 , die Bedeutung der betroffenen grundrechtlichen Positionen richtig erkannt, den Umfang ihres Schutzbereichs richtig festgelegt und ihre Einschränkung unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. der Güter- und Interessenabwägung im Rahmen der Wechselwirkungslehre verfassungskonform vollzogen hat.

αα) Die Benettonwerbung im Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit als Meinungsäußerungsfreiheit i. S. d. Art. 5 I 1 GG? Die erste Frage, die sich aus dieser Problematik ergibt, ist, ob die umstrittenen Werbemaßnahmen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 1 1 GG fallen. Der BGH nimmt Stellung dazu: "Die Meinungsäußerung 3136

Vgl. auch Rädler, in: DÖV 1997, S. 115, in bezug auf die fehlende Abwägungsmöglichkeit der Menschenwürde unter dem Gesichtspunkt der diesbezüglichen staatlichen Schutzpflicht. 3137 Vgl. dazu BVerfGE 30, 173, 193 (Mephisto); 75, 369, 380; OLG Karlsruhe NJW 1994, S. 1964 (Steffi Graf); vgl. auch BVerfGE 93, 266, 293 (Soldaten sind Mörder II). 3138 s. oben sub Β IV 2 d aa. 3139 ygj bereits vor der Verkündung der BGH-Benettonwerbung-Urteile HenningBodewig, in: WRP 1992, S. 533 f f ; dies, in: GRUR 1993, S. 950 ff.; Löffler, in: AfP 1993, S. 536 f f ; Sosnitza, in: GRUR 1993, S. 540 ff.; Reichold, in: WRP 1994, S. 219 ff.; Sevecke, in: AfP 1994, S. 196 ff. 3140

Vgl. dazu Ahrens, in: JZ 1995, S. 1096 ff.; Bamberger, in: FS Piper, S. 41 ff.;

v.Gierke, ebenda, S. 243 f f ; Gaedertz/Steinbeck, in: WRP 1996, S. 978 ff.; Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 596 ff.; Hoffmann-Riem, in: ZUM 1996, S. 1 f f ; Kas-

sebohm, Grenzen schockierender Werbung, S. 48 ff.; Kort, in: WRP 1997, S. 526 ff.; Hartwig, in: WRP 1997, S. 825 ff.; Henning-Bodewig, in: GRUR 1997, S. 180; Fezer,

in: JZ 1998, S. 265 ff.

574

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

eines Gewerbetreibenden ist deshalb nicht von vornherein außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie Wettbewerbszwecken im Sinne des § 1 UWG dient... Auch bei Meinungsäußerungen, welche neben anderen Motiven in Wettbewerbsabsicht erfolgen, können im Einzelfall wesentliche Belange der Allgemeinheit berührt werden. Haben sie wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Probleme zum Gegenstand, denen innerhalb der öffentlichen Auseinandersetzung ein nicht unerheblicher Stellenwert zugemessen wird, so ist in eine Abwägung der wechselseitigen Rechtsgüter - Lauterkeit des Wettbewerbs einerseits, Meinungsäußerungsfreiheit andererseits - einzutreten, um beurteilen zu können, ob das Verbot aus § 1 UWG herzuleiten ist" 3 1 4 1 . Der BGH spricht in dieser Passage allgemein von Meinungsäußerungen, die Wettbewerbszwecken dienen oder neben anderen Motiven in Wettbewerbsabsicht erfolgen, es wird aber auch aus seiner folgenden Darstellung klar, daß er die wirtschaftliche Werbung unter den bereits genannten Bedingungen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einordnet. An der Stelle der Darstellung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit im Rahmen des Art. 5 1 1 GG 3 1 4 2 wurde ausgeführt, daß die Werbefreiheit nach der hier vertretenen Position auch unter anderen, nicht so strengen Voraussetzungen als Meinungsäußerungsfreiheit i. S. d. Art. 5 1 1 GG betrachtet werden kann 3143 . Selbst wenn man der (strengeren) These des BGH folgen will, ist es nicht schwierig anzunehmen, daß die drei umstrittenen Werbemaßnahmen der Firma Benetton "ölverschmutzte Ente", "Kinderarbeit", "HIV-Positive" gesellschaftspolitische Themen mit eindeutigen sozialen Belangen zum Gegenstand hatten - Umweltverschmutzung, Kinderelend bzw. wirtschaftlicher Kindermißbrauch, gesellschaftliche Isolierung bzw. Stigmatisierung der AIDS-Kranken - die durch Werbung, u. a. in Illustrierten, in der Öffentlichkeit dargestellt wurden. Demgemäß ist es verfassungsrechtlich vollkommen korrekt, Art. 5 I 1 GG in Betracht zu ziehen 3144 . Daß die Benettonwerbungen durch Bilder dargestellt wurden, spielt keine Rolle. Auch Bilder können Meinungsäußerungen enthalten 3145 .

3141

BGHZ 130, 197, 203 f. (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente). s. oben sub Β II 2 d bb ß. 3143 s. oben sub Β II 2 d bb ß; vgl. auch Ahrens, in: JZ 1995, S. 1101, der zutreffend darlegt, daß die Benettonwerbungen auch Tatsachenbehauptungen enthielten, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. 3142

3144 Vgl. ebenso Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 538; Löffler, in: AfP 1993, S. 537; Reichold, in: WRP 1994, S. 224; Sevecke, in: AfP 1994, S. 200; Ahrens, in: JZ 1995, S. 1100; Bamberger, in: FS Piper, S. 57; Gaedertz/Steinbeck, in: WRP 1996,

S. 980; Kassebohm, Grenzen schockierender Werbung, S. 108 ff.; Kort, in: WRP 1997, S. 527; Fezer, in: JZ 1998, S. 269, vgl. außerdem Hoffmann-Riem,

in: Z U M 1996, S. 2,

der, während er die zurückhaltende Meinung des BGH bezüglich der Einordnung der kommerziellen Werbung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit auf S. 3 zu teilen scheint, die Benetton-Rechtsprechung des BGH in dieser Frage fehleinschätzt. 3145 So zutreffend Ahrens, in; JZ 1995, S. 1101.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

575

Soweit diese Werbemaßnahmen durch die Presse dargestellt wurden, kann auch das Presseorgan bzw. -unternehmen die Pressefreiheit aus Art. 5 1 2 GG geltend machen 3146 .

ßß) Die Benettonwerbung, der § 1 UWG und die Wechselwirkungslehre Diese Ausführungen sagen aber bezüglich der Zulässigkeit der Benettonwerbung i. S. d. § 1 UWG nicht alles. Die Meinungs- bzw. Pressefreiheit gelten nicht uneingeschränkt, sondern unter den Schranken des Art. 5 I I GG, unter anderem der "allgemeinen Gesetze" 3147 . Als "allgemeines Gesetz" in diesem Sinne gilt unumstritten der § 1 UWG 3 1 4 8 . Das erkennt der BGH auch in seiner vorliegenden Rechtsprechung 3149. Das bedeutet, daß die Einschränkbarkeit der Werbefreiheit als Meinungsäußerungsfreiheit im Rahmen dieser Generalklausel des Privatrechts 3150 im Hinblick auf die Wechselwirkungslehre zu ermitteln ist 3 1 5 1 . Der BGH hat richtigerweise auf den § 1 UWG als allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 I I GG zurückgegriffen und konsequenterweise die Wechselwirkungslehre des BVerfG angewendet. Er hat zutreffend ausgeführt, daß unter dem Einfluß der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit auch die Auslegung der Normen des Privatrechts erfolge, "bezogen auf die rechtliche Beurteilung der Image-Werbung im Rahmen des § 1 UWG, daß aus wettbewerbsrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht beanstandet werden kann, wenn ein Gewerbetreibender öffentlich zu die Gesellschaft berührenden Ereignissen Stellung nimmt, und zwar unabhängig davon, ob er sich hierzu zu Wahrung seiner eigenen geschäftlichen Interessen aufgerufen sieht. Die Tatsache, daß ein Gewerbetreibender in Wettbewerb zu anderen steht, nimmt ihm nicht das 3146

Vgl. BGH NJW 1995, S. 2492 (Benettonwerbung II - Kinderarbeit) mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH; zustimmend Lößler, in: AfP 1993, S. 537; Sevecke, in: AfP 1994, S. 201 f.; Hoffmann-Riem,

S. 1.

in: Z U M 1996,

3147

Vgl. ausführlich oben sub Β IV 2 d bb α. Ebenda. 3149 BGHZ 130, 197, 203 f. (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente); BGH NJW 1995, S. 2492 (Benettonwerbung II - Kinderarbeit); vgl. auch BGH NJW 1995, S. 2493 (Benettonwerbung III - HIV-Positive); weiterhin Lößler, in: AfP 1993, S. 537; 3148

Reichold, in: WRP 1994, S. 223 f.; Savecke, in: AfP 1994, S. 202 f.; Ahrens, in: JZ 1995, S. 1100; Bamberger, in: FS Piper, S. 57; Gaedertz/Steinbeck, in: WRP 1996,

S. 980; Grigoleit/Kersten,

in: DVB1. 1996, S. 598, 602; skeptisch dagegen Henning-

Bodewig, in: WRP 1992, S. 538. 3150 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des § 1 UWG BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung); 94, 372, 390 (Werbeverbote für Apotheker); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski); BVerfG (Dreierkammer) GRUR 1993, S. 751 (Großmarkt-Werbung I). 3151 So zutreffend Lößler, in: AfP 1993, S. 537; Henning-Bodewig, in: GRUR 1997, S. 190.

576

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Recht, zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen, die auch außerhalb seines geschäftlichen Bereichs liegen können, öffentlich Stellung zu nehmen. Auch soweit solche Äußerungen in der Öffentlichkeit zur Steigerung der Bekanntheit des Unternehmens und seines Ansehens bei den Verbrauchern beitragen, läßt sich grundsätzlich nicht von einer gesetzeswidrigen Image-Werbung sprechen" 3152 . Diese Darlegungen benutzt der BGH bei der verfassungskonformen Auslegung des § 1 UWG als Schranke der Meinungsäußerungsfreiheit; es wäre aber zutreffender, sie bei der Schutzbereichsfestlegung darzulegen 3153.

γγ) Benettonwerbung und "Drittwirkung" der Grundrechte? Die vorhandene Untersuchung betrifft die Frage, ob bei der Güterabwägung bei den mit der Meinungsfreiheit kollidierenden Rechtsgütern 3154 Grundrechte anderer vorliegen, die auf die Interpretation und Anwendung des § 1 UWG einwirken können. Nur dann bekommt diese Auseinandersetzung Relevanz für die Theorie der sog. mittelbaren Drittwirkung oder anders gesagt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Privatrecht. Der BGH hat als ein solches Rechtsgut nur die aus dem Schutzzweck des UWG gezogene Lauterkeit des Wettbewerbs angesehen. Die Rechtsprechung des BGH, aber auch des BVerfG behandeln dieses Rechtsgut als ein solches des einfachen Rechts, soweit die Lauterkeit des Wettbewerbs als solche keinen Verfassungsrang besitzt 3155 . Das hat aber nicht zu bedeuten, daß die Lauterkeit des Wettbewerbs aus dem Schutzzweck des UWG grundrechtliche Positionen auszu-

3152

BGHZ 130, 197, 204 (BenettonWerbung I - Ölverschmutzte Ente). Vgl. auch die Kritik, die Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 598, üben. 3154 Der BGH spricht zwar von "wechselseitigen Rechtsgütern" - BGHZ 130, 197, 204 (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente), es ist aber klar, daß er "kollidierende Rechtsgüter" meint - so auch Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 598, Fn. 23 (dort). Seine Terminologie ist von der "Wechselwirkungslehre" des BVerfG beeinflußt, die aber auch zu einer Abwägung kollidierender Rechtsgüter führt. 3155 So BVerfGE 62, 230, 245 (Denkzettel-Aktion); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski); BGHZ 130, 196, 204 (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente); OLG Hamburg NJW 1996, S. 1003 (Schmuddelsender); OLG München NJW - RR 1996, S. 1325 (Rosinenklauben); ferner bezüglich der Einschränkbarkeit der Berufsfreiheit BVerfGE 46, 246, 257, 259; 53, 135, 145 (Kakaoverordnung I); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 37 (Kakaoverordnung II); BVerfG EuGRZ 1996, S. 432 (Werbeverbote für Apotheker); vgl. auch Sevecke, in: AfP 1994, S. 203; Bamberger, in: FS Piper, S. 57; Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 602; vgl. aber im Fall Jacubowski EGMR NJW 1995, S. 858 (Jacubowski/Deutschland), wonach der Straßburger Gerichtshof der Meinungsfreiheit den von § 1 UWG geschützten Ruf und die Rechte anderer gegenübergestellt hat. Diese Rechte können auch Grundrechte (von Mitbewerbern, Verbrauchern oder Dritten) sein; weiterhin EGMR-Urteil vom 20.11.1989, abgedruckt in EuGRZ 1996, S. 302 ff. (markt intern Verlag GmbH/Deutschland). 3153

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

577

schließen hat. Wie bei der Darstellung des Schutzzwecks des UWG ausgeführt wurde 3156 , stellt die Lauterkeit des Wettbewerbs das Schutzobjekt des UWG dar. Über das Schutzobjekt hinaus hat das UWG auch ein Schutzsubjekt, das aus den Mitbewerbern, Konsumenten und der Allgemeinheit besteht. Darunter fallen ebenso Individualinteressen, die parallel auch grundrechtlich garantiert sein können 3157 . Man gelangt somit zu dem Schluß, daß der "lautere Wettbewerb" grundrechtlich gesichert ist, soweit er sich auf die Grundrechte der Mitbewerber, der Verbraucher oder der Dritten bezieht 3158 . Hier könnten die Umworbenen in Betracht kommen. Es wurde bisher mehrmals gezeigt, daß sich aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG die Konsumfreiheit oder aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG der Verbraucherschutz ableiten läßt 3159 . Die Behauptung aber, daß die Grundrechte der Verbraucher bzw. ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht von der Benettonwerbung bzw. ihrer Abbildung in einem Magazin beeinträchtigt würden, würde den Schutzbereich dieses Grundrechts übermäßig ausdehnen bzw. verwässern 3160 . Infolgedessen scheitert die Anwendung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als ein mit der Meinungsäußerungsfreiheit kollidierendes Schutzgut und damit die "Drittwirkungsproblematik" im Hinblick auf die Grundrechte der Verbraucher.

δδ) Sitten- bzw. Wettbewerbswidrigkeit der Benettonwerbung? Trotzdem sollten die umstrittenen Werbungen beanstandet werden. Die Wechselwirkungslehre als Prüfungsmethode der Verfassungsmäßigkeit der Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 5 I GG, wenn diese in Betracht gezogen werden, bezieht sich zwar auf die sog. mittelbare Drittwirkung, sie ist aber mit ihr nicht identisch 3161 . Denn, wie der BGH auch in den vorhandenen Fällen richtig erkennt, die Grundrechte des Art. 5 I GG können auch mit Gütern des

3156

s. oben A l l 1 abb. Vgl. BGHZ 54, 188, 190 f. (Telefonwerbung I). 3158 ygj eindeutiger bezüglich des grundrechtlichen Schutzes der Verbraucher im Rahmen des § 1 UWG BGHZ 130, 205, 219 (Feuer, Eis & Dynamit I). 3159 Vgl. insbesondere Ehlers, in: WRP 1983, S. 188; v. Gierke, in: FS Piper, S. 253; weiterhin die Nachweise oben sub Β V 2 b cc α. 3157

3160

Vgl. ebenso Lößler, in: AfP 1993, S. 538; Sevecke, in: AfP 1994, S. 203; Gri-

goleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 602 ff.; tendenziell auch Hartwig, in: WRP 1997, S. 836. Das räumt auch Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 537 ein, sie geht aber trotzdem davon aus, daß in den Fällen der Benettonwerbung die Intimsphäre der Verbraucher, welche unter dem Schutz von Art. 1 I GG steht, verletzt worden sei, denn die Benettonwerbungen seien grob und schockierend; vgl. auch dies., in: GRUR 1993, S. 952. 3161 Das scheint aber Sevecke, in: AfP 1994, S. 199, zu verkennen. 37 Tsiliotis

578

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

einfachen Rechts kollidieren. Der BGH fuhrt zu diesem Punkt aus 3162 : "Wer im geschäftlichen Verkehr Gefühle des Mitleids oder der Solidarität mit sozialem Engagement ohne sachliche Veranlassung zu Wettbewerbszwecken ausnutzt, setzt sich dem Vorwurf sittenwidrigen Handelns im Wettbewerb aus (§ 1 UWG). Eine solcherart gefühlsbetonte Werbung ist nicht nur dann wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn sie unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit dem Waren- oder Dienstleistungsgebot des werbenden Unternehmens steht 3163 , sondern auch dann, wenn sie im wesentlichen nur zur Ansehenssteigerung des Unternehmens bei den Verbrauchern eingesetzt wird" 3 1 6 4 . Nachdem der BGH den Schutzbereich der Meinungsfreiheit festgelegt und § 1 UWG am Maßstab des Art. 5 11 GG, nach Art. 5 I I GG und der Wechselwirkungslehre überprüft hat 3 1 6 5 , fährt er fort: Die Beurteilung nach § 1 UWG falle anders aus, "wenn die öffentliche Äußerung zur Auseinandersetzung über das aufgezeigte Elend nichts wesentliches beiträgt, vielmehr darauf abzielt, beim Verbraucher eine mit dem werbenden Unternehmen solidarisierende Gefühlslage zu schaffen, die der Steigerung des Ansehens des solchermaßen werbenden Unternehmens dient und damit letztlich zu kommerziellen Zwecken eingesetzt wird. So verhält es sich im Streitfall, in welchem die Anzeigen· und Plakataktion ... mit dem ölverschmutzten Vogel sich in einem Anprangern von Elend der Welt erschöpft und dazu eingesetzt wird, beim Verbraucher über dessen Gefühle des Mitleids und der Ohnmacht eine Solidarisierung mit dem Namen des Unternehmens zu bewirken, welches dieses Elend aufspürt" 3166 . Was hier zu unterstreichen ist, ist folgendes: Der BGH behandelt die umstrittenen Werbungen als sittenwidrig i. S. d. § 1 UWG, weil sie (kumulativ) a) in einem unsachlichen Bezug zu dem Produkt stehen, für das geworben werden soll, b) weil sie als Meinungsäußerung über das aufgezeigte Elend keinen wesentlichen Beitrag darstellen 3167 und c) weil sie die solidarisierenden Gefühle der Kunden dazu ausnutzen, das Ansehen der werbenden Firma zu steigern und ihr wettbewerbliche Gewinne zu bringen (gefühlsbetonte Wer-

3162

BGHZ 130, 196, 201 (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente). So auch BGH GRUR 1976, S. 309 (UNICEF-Grußkarten); BGH GRUR 1987, S. 536 (McHappy-Tag); BGH NJW 1995, S. 1964 (Arbeitsplätze bei UNS); vgl. auch 3163

zum Sachlichkeitsgebot Baumbach/Hefermehl,

§ 1 UWG, Rd. 185; Reichold, in: WRP

1994, S. 221 \ Bamberger, in: FS Piper, S. 44, 50; v. Gierke, ebenda, S. 249 (m. w. N.). 3164 So auch BGHZ 112, 311, 315 (Biowerbung mit Fahrpreiserstattung). 3165 BGHZ 130, 196, 203 f. (Benettonwerung I - Ölverschmutzte Ente). 3166 BGHZ 130, 197, 205 (Benettonwerbung I - Ölverschmutzte Ente); vgl. auch BGH NJW 1996, S. 2491 (Benettonwerbung II - Kinderarbeit); BGH NJW 1995, S. 2493 (Benettonwerbung III - HIV-Positive); BGH NJW 1997, S. 3308 (Benettonwerbung IV). 3167 Kritisch dazu Löffler, in: AfP 1993, S. 538; Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 598, 602; Hoffmann-Riem,

in: Z U M 1996, S. 4; Fezer, in: JZ 1998, S. 270.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

579

bung) 3168 . Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Umworbenen aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 11 GG zieht er nicht in Betracht. Obwohl diese Urteile auf eine teilweise unglaubliche Kritik im Schrifttum gestoßen sind, ist ihnen im Ergebnis zuzustimmen. In dieser Konstellation ist die Lauterkeit des Wettbewerbs als Schutzzweck des UWG bzw. des § 1 UWG bloß ein einfachrechtliches Schutzgut, das aber nach der richtigen Anwendung der Wechselwirkungslehre und des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Einschränkung der Meinungsäußerungs- bzw. Pressefreiheit rechtfertigen kann 3169 . Ihr Einschränkungseffekt kann seinerseits von der Bedeutung der Meinungsfreiheit beschränkt werden 3170 . Demzufolge ist mit dem BGH davon auszugehen, daß diese Art von Werbung nichts wesentliches zu der Meinungsauseinandersetzung über die betroffenen Themen beiträgt. Hauptziel der Werbungsveröffentlichung sind die Steigerung des Ansehens der Firma Benetton (sog. Imagewerbung) und demgemäß die kommerziellen Gewinne. Infolgedessen setzt sich solche Art Werbung dem Vorwurf sittenwidrigen Handelns zum Zweck des Wettbewerbs einfacher aus, wenn ansonsten der Tatbestand des § 1 UWG erfüllt wird. Die Darstellungsart (gefühlsbetont, schockierend) der Themen, die von der Firma für das Erreichen ihrer Ziele ausgesucht wurde, trägt eigentlich vielmehr zu der Verbreitung eines anderen soziowirtschaftlichen Phänomens bei, nämlich der Kommerzialisierung des Elends und des Schmerzes aus Eigeninteresse und nicht zugunsten der Interessen der Leidenden (Umwelt, Tiere, Kinder). Das kann nicht von der Lauterkeit des Wettbewerbs als Schutzzweck des § 1 UWG ertragen werden, und deswegen sind diese Werbemaßnahmen in diesem Sinne zu beanstanden3171. Diese Beanstandung richtet sich nicht gegen die Verbreitung der Meinungsäußerung der Firma Benetton über die umstritte-

3168

Vgl. ebenso Bamberger, in: FS Piper, S. 47, 56 ff. Eine Sitten- bzw. Wettbewerbswidrigkeit sehen auch Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 538; dies., in: GRUR 1993, S. 952, und v. Gierke, in: FS Piper, S. 249 f., in einem solchen Fall unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Sachbezogenheit an; a. A. Sosnitza, in: GRUR 1993, S. 541 ff.; Reichold, in: WRP 1994, S. 222; Grigoleit/Kersten,

in: DVB1. 1996, S. 605;

Kort, in: WRP 1997, S. 528; Fezer, in: JZ 1998, S. 271, der gerade wiederum nur im Fall einer Sachbezogenheit des Inhalts der Werbung (ζ. B. ölverschmutzte Ente) mit dem umworbenen Produkt die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung bejahen würde. 3169 y g] grundlegend oben sub Β IV d bb γ. 3170 So richtig auch Henning-Bodewig, in: GRUR 1997, S. 190; vgl. auch zur Wechselwirkung zwischen Meinungsfreiheit und § 1 UWG letztens BGHZ 136, 111, 122 (Kaffeebohne). 3171 Vgl. auch Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 538; Kassebohm, Grenzen schockierender Werbung, S. 113 f.; Bamberger, in: FS Piper, S. 56, auch unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde des Verbrauchers; nach Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 597, soll das Hauptargument des BGH die kommerzielle Instrumentalisierung von Leid sein, das die Sittenwidrigkeit begründet; dagegen Löffler, in: AfP 1993,

S. 538 f.; Sosnitza, in: GRUR 1993, S. 541 ff.; Hoffmann-Riem,

in: Z U M 1996, S. 12,

der die Argumentation des BGH in diesem Punkt als unzureichend betrachtet.

580

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

nen Themen, sondern gegen die Art, in der sie dargestellt werden 3172 . Eine Art, die - wie gesagt - zu der beanstandeten Kommerzialisierung führt. Bezüglich der fehlenden Sachbezogenheit der Werbung zum umworbenen Produkt ist die Aussage des BGH dahingehend zu verstehen, daß nicht jede sachfremde Werbung unlauter i. S. d. § 1 UWG und deswegen wettbewerbsbzw. rechtswidrig ist. Das soll jedoch dann der Fall sein, wenn die Sachfremdheit mit Gefühlserregung oder -betonung verbunden ist, d.h., wenn die Werbung suggeriert, daß durch den Kauf von Produkten beispielsweise der Firma Benetton die Umweltverschmutzung oder das Kinderelend bekämpft würden, was aber offenbar nicht der Fall ist 3 1 7 3 .

εε) Benettonwerbung und Menschenwürde Komplizierter erscheint der dritte Benettonwerbungs-Fall mit der Abbildung eines menschlichen Körperteils mit dem Stempelaufdruck "HIV-Positiv" 3174 . Der BGH hat im HIV-Positiv-Urteil seine Darlegungen in den beiden anderen Benettonwerbung-Urteilen über die gefühlsbetonte Art dieser Werbemaßnahmen und ihrer Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG wiederholt. Er betont sie sogar, indem er folgendes ausführt: "Wer so wirbt, nutzt Gefühlsregungen des Mitleids und des Schreckens dazu, den Namen oder die Kennzeichen seines Unternehmens, die im wesentlichen dessen Werbewert darstellen, bekanntzumachen. Der Verbraucher widmet nämlich den Angeboten eines Unternehmens, dessen Namen er kennt, von vornherein eine erhöhte Aufmerksamkeit. Wegen dieser Werbewirkung stehen sonach auch Maßnahmen, die der Pflege des Namens eines Unternehmens dienen, unter dem Vorbehalt des Verbots sittenwidrigen Verhaltens gem. § 1 UWG" 3 1 7 5 . Seine Argumentation beschränkt sich jedoch nicht darauf, sondern er ist weitergegangen und hat ausdrücklich die Menschenwürde des HIV-Infizierten als die mit der Meinungsäußerungsfreiheit der Firma bzw. der Pressefreiheit des Presseorgans, dessen Magazin die Werbung veröffentlicht hatte, kollidierendes Rechtsgut herangezogen 3176. Nun kann man sich die Frage stellen, ob die Menschenwürde der AIDSKranken dadurch eigentlich angetastet worden ist. Ist das der Fall, dann ist von einem "Drittwirkungsfall" zu sprechen, in dem die Wettbewerbsfreiheit als

3172

So auch Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 538. Vgl. auch BGHZ 112, 311, 315 (Biowerbung mit Fahrpreiserstattung); BGH NJW 1995, S. 1964 (Arbeitsplätze bei UNS) - m. w. N.; ähnlich Henning-Bodewig, in: GRUR 1997, S. 188; vgl. aber anders Fezer, in: JZ 1998, S. 271. 3174 Vgl. ebenso Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 597. 3175 BGH NJW 1995, S. 2493 (Benettonwerbung III - HIV-Positive). 3176 BGH NJW 1995, S. 2493 (Benettonwerbung III - HIV-Positive). 3173

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

581

Meinungsfreiheit der werbenden Textilfirma und die Pressefreiheit des die Werbung abbildenden Presseorgans mit der Menschenwürde kollidieren und die Kollisionslösung im Rahmen des § 1 UWG durchgeführt werden soll. Der BGH legt zu der umstrittenen Frage dar, daß "die betreffende Werbemaßnahme in grober Weise gegen die Grundsätze der Wahrung der Menschenwürde verstößt, indem sie den AIDS-Kranken als "abgestempelt" und damit als aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt darstellt. Eine solche Werbung läßt sich nicht mehr als eine nur geschmacklose Werbung klassifizieren, die als solche keiner "Zensur" durch die Wettbewerbsgerichte unterliegt. Sie hat den Bereich bloß schlechten Geschmacks weit überschritten. Diese Werbung muß zumindest von Personen, die selbst HIV-Positiv sind, als grob anstößig und ihre Menschenwürde verletzend angesehen werden, eine Wirkung, der sich auch ein Betrachter, der nicht selbst oder durch persönliche Beziehungen zu AIDS-Kranken unmittelbar mit dem lebensbedrohenden AIDSVirus konfrontiert worden ist, nicht entziehen kann" 3177 . Diese Ausführung bedeutet, daß der BGH ohnehin unter dem Gesichtspunkt der Gefühlsbetonung und der Emotionsregung die HIV-Positiv-Werbung ebenso wie die zwei anderen Benettonwerbungen für sitten- bzw. wettbewerbswidrig nach § 1 UWG hält 3 1 7 8 . Ihre Sittenwidrigkeit werde dadurch verstärkt, daß sie darüber hinaus gegen die Menschenwürde der HIV-Infizierten verstoße, die auf die Auslegung und Anwendung des § 1 UWG "ausstrahlt". Es liegt auf der Hand, daß der BGH auch in diesem Fall den § 1 UWG als "allgemeines Gesetz" i. S. d. Art. 5 I I GG behandelt, das einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 5 1 1 GG als Meinungsfreiheit der Textilfirma und die aus Art. 5 12 GG geschützte Pressefreiheit des Presseorgans darstellt. Die Wechselwirkungslehre findet hier ebenfalls Anwendung 3179 . Die Kompliziertheit der Frage ergibt sich aus der Einschaltung der Menschenwürde der AIDS-Infizierten bzw. -Kranken. Man muß wohl einräumen, daß die Darstellung desselben Bildes in einer für sie zynischen, ironischen, erniedrigenden oder diskriminierenden Art offensichtlich ihre Menschenwürde verletzen würde, was aber in dem betroffenen Fall entgegen der Darlegung des BGH nicht so ist. Man kann zwar der Firma Benetton und dem HerausgeberVerlag des Magazins "Stern", das die Werbung dargestellt hat, nicht zustimmen, wenn diese behaupten, daß die beanstandete Werbung in allegorischer Form auf die Situation der AIDS-Kranken hinweise 3180 oder, daß sie u. U. zur 3177

BGH NJW 1995, S. 2493 (Benettonwerbung III - HIV-Positive). Erstaunlich ist, daß der BGH nicht das Argument der fehlenden Sachbezogenheit der HIV-Positiven-Werbung in bezug auf ihre Sittenwidrigkeit wiederholt. 3179 Vgl. auch Grigoleit/Kersten, in: DVB1. 1996, S. 598. 3180 Vgl. zu diesen Behauptungen BGH NJW 1995, S. 2492 (Benettonwerbung III HIV-Positive). 3178

582

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

öffentlichen Meinungsauseinandersetzung über ihre soziale Situation beitragen würde. Das bedeutet aber andererseits nicht, daß sie sich über die HIVPositiven lustig machen oder sie in einer zynischen und menschenverachtenden Art behandeln wollten 3181 . Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte: Die Firma Benetton wollte damit, wie der BGH übrigens nicht nur in dem erkennenden Urteil, sondern auch in den beiden anderen Benettonwerbung-Urteilen erkennt, ihren Bekanntheitsgrad steigern und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zum Zwecke wirtschaftlicher Gewinne erregen 3182. Der Presseverlag hat mit der Bilddarstellung in seinem Magazin dazu beigetragen, um Gewinne am Wettbewerbsmarkt der Illustrierten zu erlangen. Ihre Ziele waren zwar nicht zynisch oder menschenverachtend, sie waren aber auch nicht altruistisch und humanitär. Daraus muß nicht zwingend eine Verletzung der Menschenwürde folgen, das Vorgehen von Benetton und dem Springer-Verlag bei dieser Werbung war allerdings ebenso wie in den anderen Benettonwerbemaßnahmen eine eindeutige Kommerzialisierung des Elends und des menschlichen Schmerzes, das, wie bereits dargelegt wurde 3183 , sitten- bzw. wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG ist. Wenn sogar bestimmte Gruppen oder einzelne von einer solchen Kommerzialisierung getroffen werden, können diese auch in ihrer Menschenwürde nach Art. 1 I GG angetastet werden 3184 3 1 8 5 . Entgegen möglicher Vorwürfe hat die Menschenwürde nichts mit Tabus oder deren Aufrechterhaltung zu tun. Man 3181

So aber BGH NJW 1995, S. 2493 (BenettonWerbung III - HIV-Positive). ygj z u e j n e r a n d e r n Deutung dieser Werbung Fezer, in: JZ 1998, S. 274, der verfassungs- und wettbewerbsrechtlich für die Zulässigkeit einer solchen Werbung plädiert. 3182

3183

s. oben sub δδ. So auch die plausible Argumentation von Henning-Bodewig, in: GRUR 1997, S. 190; vgl. ferner Hoffmann-Riem, in: ZUM 1996, S. 11 ff, der zwar einräumt, daß die Menschenwürde in die Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsbegriffs nach § 1 UWG einzubeziehen ist, er erachtet aber in dem betreffenden Fall die Menschenwürde nicht als verletzt; vgl. ähnlich Fezer, in: JZ 1998, S. 274 f , der zu einer Güter- und Interessenabwägung neigt; skeptisch zu einer Heranziehung der Menschenwürde überhaupt Hartwig, in: WRP 1997, S. 836; anders wiederum Kort, in: WRP 1997, S. 531, der über die Menschenwürde der AIDS-Kranken und HIV-Positiven hinaus auch die Menschenwürde ihrer Angehörigen und Freunde sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter (Verbraucher als Adressaten der Werbung) als betroffen sieht; vgl. auch zur Menschenwürde nach Art. 1 I GG als Interpretationsmaßstab der Gute-Sitten-Generalklausel des § 33 a II Nr. 1 GewO BVerwGE 64, 274, 277 ff. (Peep-Show I). 3185 Es wäre nicht unzutreffend davon auszugehen, daß auch die Menschenwürde der elenden und auf dem Benetton-Foto abgebildeten Kinder angetastet ist. In einem solchen Fall würde es sich um einen "Drittwirkungsfall" handeln. Vergleichbar ist die Rechtslage mit anderen Benettonwerbungen ähnlichen Inhalts, die die BGHRechtsprechung jedoch nicht beschäftigt haben wie das Foto mit dem blutigen Hemd eines toten Soldaten des Jugoslawien-Krieges - zur Einwirkung der Menschenwürde auf die Sittenwidrigkeit einer solchen Werbung vgl. Kort, in: WRP 1997, S. 531 - oder das Foto eines überfüllten Flüchtlingsschiffs, von dem verzweifelte Menschen ins Meer springen. 3184

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

583

kann, oder besser gesagt: man sollte das Thema Stigmatisierung der AIDSKranken oder überhaupt der HIV-Positiven an die Öffentlichkeit bringen und seine vielfältigen Aspekte ohne Vorurteile oder "Tabus" offen diskutieren. Man kann auch wirtschaftliche Gewinne erstreben, wenn sie einen Zusammenhang oder zumindest einen Bezug zu dem Thema haben (Sachlichkeitsprinzip) 3186 . Man darf aber ein so brisantes Thema nicht für seine eigenen wirtschaftlichen Interessen ausnutzen3187. Über die Lauterkeit des Wettbewerbs als Schutzzweck des § 1 UWG hinaus wird auch die Menschenwürde des Art. 1 I GG in Betracht gezogen 3188 , deren Ausstrahlungswirkung auf den § 1 UWG zu einer Sitten- bzw. Wettbewerbswidrigkeit der Werbung bzw. ihrer Presseveröffentlichung zwingt, die unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 I I GG und der Wechselwirkungslehre als besondere Form des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Einschränkung der Wettbewerbs- als Meinungsfreiheit aus Art. 5 1 1 GG und Pressefreiheit aus Art. 5 1 2 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist 3 1 8 9 .

ζζ) Benettonwerbung und Art. 12 I, 14 11 GG Über die Meinungs- bzw. Pressefreiheit gemäß Art. 5 1 1 , 2 GG hinaus kommen auch andere Grundrechte in Betracht, die teilweise sogar auf die Wettbewerbsfreiheit bezogen sind. Das ist bei den Art. 12 I und 14 I 1 GG der Fall, die in der Rechtsprechung des BGH, aber zum Teil auch im Schrifttum ignoriert bzw. vernachlässigt wurden 3190 . Die Einschlägigkeit dieser Grund-

3186

Vgl. dazu den Fall UNICEF-Grußkarten BGH GRUR 1976, S. 308 f. in: FS Piper, S. 51, 56, der ausführt, daß die Zielsetzung a u c h Bamberger, der Werbung (eigennützig-selbstlos/gemeinnützig) den Vorwurf der Sittenwidrigkeit einer an Gefühle wie Mitleid usw. appellierenden Werbung entscheidend mitbegründe vgl. auch BGH GRUR 1976, S. 309 (UNICEF-Grußkarten). 3187 y g j

3188

Nicht vernachlässigt werden sollte noch ein Aspekt, der die Menschenwürde tangiert: Die Darstellung eines Körperteils auf dem umstrittenen Bild, das zur Intimsphäre der Person gehört. 3189

Vgl. Bamberger, in: FS Piper, S. 56 ff.; a. A. Grigoleit/Kersten, S. 602 ff.; Hoffmann-Riem, in: Z U M 1996, S. 12 f.

in: DVB1. 1996,

3190 Selbst wenn im Schrifttum über die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 I GG hinaus die wirtschaftlichen Grundrechte als Prüfungsmaßstab unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf § 1 UWG herangezogen werden, herrscht über die Frage keine Einigkeit, welche wirtschaftlichen Grundrechte in Betracht kommen sollen. Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 537, und Reichold, in: WRP 1994, S. 224, sehen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) in Betracht gezogen; Ahrens, in: JZ 1995, S. 1100 f., Hoff mann-Riem, in: ZUM 1996, S. 4, und Kort, in: WRP 1997, S. 527, ziehen nur die letztere in Betracht; Bamberger, in: FS Piper, S. 52, Fn. 56 (dort), sieht zwar die Wettbewerbsfreiheit als betroffen an, er ordnet sie aber gemäß der alten Position (vgl. oben Β12 b) in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 21 GG ein; unklar Grigo-

leit/Kersten,

in: DVB1. 1996, S. 601.

584

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

rechte für die wirtschaftliche Werbung wurde bereits an mehreren Stellen dargelegt. Daß der BGH und, sich ihm anschließend, das Schrifttum sie nicht in Betracht ziehen, hat offenbar mit der Grundrechtskonkurrenztheorie des sog. "starken" Grundrechts zu tun 3 1 9 1 , das in dem vorliegenden Fall die Meinungsbzw. Pressefreiheit mit dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 5 I I GG ist. Trotzdem löst die Tatsache, daß der BGH diese Grundrechte noch nicht einmal erwähnt, als ob sie für den Fall überhaupt nicht relevant wären, Verwunderung aus - die hier vertretene Position geht nicht davon aus 3192 . Hingegen sollte man den Grundrechtseingriff der Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG auch anhand des Art. 1212 GG und der sog. Dreistufentheorie 3193 sowie des Art. 14 I 2, I I GG als Schrankenbestimmung des sozialbezogenen Eigentums rechtfertigen. Diese verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist unter dem Gesichtspunkt, nachdem bereits alles den Art. 5 I I GG Betreffende dargelegt wurde, ohne besonderen Aufwand darzustellen 3194. Der § 1 UWG stellt einen Eingriff in die wirtschaftliche Betätigung im Wettbewerb als freie Berufsausübung der Firma Benetton, aber auch des Presseverlags 3195 dar. Die Lauterkeit des Wettbewerbs bzw. die Menschenwürde einer bestimmten Kategorie von erkrankten Mitbürgern stellen zweifelsohne Rechtsgüter des Gemeinwohls dar, die in der betreffenden Konstellation der Berufsausübung vorgehen können. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs läßt sich nicht in Frage stellen. Genauso verhält es sich mit den eigentumsrechtlichen Positionen i. S. d. Art. 14 I 1 GG. § 1 UWG gilt als eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 I 2 GG des nach Art. 14 I I GG sozialbezogenen Eigentums, das die Benettonwerbungen darstellen. Ob darüber hinaus auch die Kunstfreiheit nach Art. 5 I I I 1 GG in Betracht gezogen werden kann, ob das Urteil des BGH nach § 1 UWG einen Eingriff in

3191

Vgl. dazu ausführlich oben sub Β V 1 a. Aus der Bearbeitung der Benetton-Rechtsprechung des BGH sowie der Reaktion im Schrifttum kann man folgendes Paradoxon feststellen: Während am Anfang der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Frage der grundrechtlichen Garantie der kommerziellen Werbung problemlos anerkannt wurde, daß diese von den Art. 12 I und 1411 GG geschützt wird, aber ihre Garantie im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG in Frage gestellt bzw. nicht berücksichtigt wurde, muß man nun feststellen, daß ihre Garantie als Meinungsfreiheit betont und als Berufsfreiheit und Eigentum vernachlässigt wird. Hier wird weder die eine noch die andere Position vertreten, wie allerdings bei der Darstellung des sachlichen Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit und der Behandlung der Grundrechtskonkurrenzfrage ausführlich gezeigt wurde. 3193 Ahrens, in: JZ 1995, S. 1100, parallelisiert die Schranken der Art. 5 I 1 und 12 I GG. 3194 Vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski), wonach sich aus Art. 12 I GG kein weitergehender Schutz als aus Art. 5 I 1 GG ergebe. 3195 ygj z u e j n e r solchen Grundrechtskonkurrenz oben sub Β V 1 b aa ε. 3192

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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die Kunstfreiheit darstellt und schließlich ob dieser Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, kann hier offen bleiben.

γ) Die "Feuer, Eis & Dynamit'-Rechtsprechung Eine ähnliche Problematik, jedoch ohne die Reaktion, die die BenettonRechtsprechung ausgelöst hat, hat die sog. Feuer, Eis & DynamitRechtsprechung des BGH zum Thema. Es handelt sich hier um einen Spielfilm, der zu einem großen Teil sog. getarnte Werbung zeigt. Die Produktionskosten dieses Films wurden zumindest in Höhe eines Fünftels durch die im Film auftretenden Unternehmen bezahlt 3196 . Daraus ergibt sich die Frage, ob das Angebot dieses Films wettbewerbswidrig nach § 1 UWG war und ob die Grundrechte die Interpretation dieser Norm beeinflussen können. Der BGH hat auf seine frühere Rechtsprechung Bezug genommen, daß Werbemaßnahmen, die sich nicht als solche, sondern als Maßnahmen scheinbar anderer, objektiver Art darstellen, wettbewerbsrechtlich zu beanstanden seien 3197 . Er gelangte aber zum Schluß, daß der Film ein Kunstwerk i. S. d. Art. 5 I I I 1 GG sei 3198 und sich auf die Kunstfreiheit dieser Vorschrift nicht nur der Prozudent, sondern auch der Vertriebsunternehmer berufen könnte 3199 . Die Kunstfreiheit gilt aber vorbehaltlos, und die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ihrer Einschränkung aufgrund des § 1 UWG kann nur im Rahmen der sog. Immanenzlehre ermittelt werden, d. h. nur Grundrechte anderer oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter können verfassungsrechtlich ihre Einschränkung rechtfertigen. Ein solches Grundrecht hat der BGH im Verbraucherschutz als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG entdeckt und daraus ein Recht des einzelnen auf freie, d. h. auch von Manipulationen unbeeinflußte, Entfaltung der eigenen Persönlichkeit abgeleitet 3200 . Richtiger wäre es gewesen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG in Betracht zu ziehen 3201 , das Ergebnis aber bleibt das gleiche. Der BGH hat diesem Recht den Vorrang vor der Kunstfrei3196

Vgl. zum Sachverhalt BGHZ 130, 205, 206 f. (Feuer, Eis & Dynamit I). BGHZ 130, 205, 214 (Feuer, Eis & Dynamit I) - m. w. N; vgl. auch Scheuch, in: FS Piper, S. 445 f. m. w. N. in der Fn. 31 (dort). 3198 BGHZ 130, 205, 214 (Feuer, Eis & Dynamit I) - mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG; BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); zustimmend Scheuch, in: FS Piper, S. 441 f. 3199 BGHZ 130, 205, 214 (Feuer, Eis & Dynamit I) - mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG; BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); zustimmend Scheuch, in: FS Piper, S. 444 f. 3200 BGHZ 130, 205, 219 (Feuer, Eis & Dynamit I); vgl. auch BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); zustimmend Scheuch, in: FS Piper, S. 456. 3201 So aber richtig LG München NJW - RR 1997, S. 1545. 3197

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Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

heit anerkannt 3202 . Demzufolge hat er das Inverkehrbringen dieses Films als getarnte Werbemaßnahme, soweit es ohne Aufklärung über diesen Umstand stattgefunden hat, aufgrund dieser verfassungskonformen Auslegung des § 1 UWG und unter Berücksichtigung der Einwirkung der grundrechtskollidierenden Positionen auf ihn behandelt 3203 . Die Beanstandung der Vorführung nur unter diesem Umstand statt ζ. B. eines absoluten Verkehrsverbots bedeutet nichts anderes als die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips 3204. Dazu kann man hier folgendes anmerken: Der Auffassung des BGH, daß in diesem Fall nur die Kunstfreiheit nach Art. 5 I I I 1 GG einschlägig sei, ist nicht zu folgen. Die Betrachtung des umstrittenen Films als "Kunstwerk" i. S. d. Art. 5 I I I 1 GG steht hier nicht in Frage. Der BGH, der auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen hat, um seine Position zu begründen, hat nicht darauf Rücksicht genommen, daß es in dieser Konstellation eigentlich mehr um die wirtschaftliche Verwertung dieses Kunstwerks ging. Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung dargelegt, daß die kommerzielle Verwertung eines Kunstwerks, das ansonsten in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fällt, von den Art. 12 I und 14 I 1 GG und nicht von Art. 5 I I I 1 GG geschützt ist 3 2 0 5 . Das bedeutet, daß zwei Dinge passieren können: Entweder wird die Position des BVerfG für richtig gehalten, die eigentlich von einer Schutzbereichsabgrenzung ausgeht, wonach für die kommerzielle Verwertung eines Kunstwerks Art. 12 I, 14 I 1 GG (Wettbewerbsfreiheit) und nicht Art. 5 I I I 1 GG anwendbar sind, weil sie nicht in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fällt, oder es wird davon ausgegangen, daß es sich um eine Grundrechtskumulation oder -Überschneidung handelt, so daß alle drei Grundrechte anwendbar sind und ein Eingriff anhand der Schranken aller drei Grundrechte zu messen ist. Eins kann man nicht mit Überzeugungskraft vertreten: Daß für die kommerzielle Verwertung eines Kunstwerks nur die Kunstfreiheit einschlägig ist. Dies 3202 BGHZ 130, 205, 219 (Feuer, Eis & Dynamit I). Um zu diesem Ergebnis nach der entsprechenden Güter- und Interessenabwägung zu kommen, hat er noch einen anderen Aspekt mitberücksichtigt, nämlich daß der Eingriff, den das Gebot der Hinzufugung eines aufklärenden Hinweises auferlegt, nicht den Kernbereich des künstlerischen Gestaltungsrechts, sondern den äußersten Rand des sog. Wirkbereichs des Kunstwerks berühre. 3203 BGHZ 130, 205, 213, 219 f. (Feuer, Eis & Dynamit I); vgl. auch BGH NJW 1995, S. 3182 (Feuer, Eis & Dynamit II); zustimmend Scheuch, in: FS Piper, S. 457 f. 3204 Das wird im zweiten Feuer, Eis & Dynamit-Urteil - BGH NJW 1995, S. 3182 f. (Feuer, Eis & Dynamit II) - noch deutlicher, indem der BGH u. a. ausführt: " Dieses Grundrecht (seil.: die Kunstfreiheit) steht nicht unter einem Gesetzesvorbehalt. Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, ob die notwendige kommunikative Vermittlung des Kunstwerks durch den hier angegriffenen Vertrieb die (einfachen) Gesetzesvorschriften der §§ 1, 3 UWG oder der §§ 823 ff. BGB verletzt; denn eine solche Verletzung könnte jedenfalls nicht das hier verlangte Verbot der Vorführung rechtfertigen". 3205 So BVerfGE 31, 227, 239; 49, 382, 392.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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ist jedoch die Position des BGH 3 2 0 6 . Demzufolge ist davon auszugehen, daß die wettbewerbsrechtliche Beanstandung des strittigen Films aufgrund des § 1 UWG auch in die Wettbewerbsfreiheit des Produzenten aus Art. 121, 14 I GG sowie des Vertriebsunternehmers, aber auch der Unternehmen 3207 , fur die im Film geworben wird, eingegriffen hat, deren Einwirkung auf die Interpretation dieser einfachrechtlichen Vorschrift vom BGH hätte mitberücksichtigt werden müssen. Was den Verbraucherschutz und seine grundrechtliche Garantie angeht, kann einiges angemerkt werden: Der BGH nimmt an, daß grundrechtliche Positionen der Verbraucher auf die Interpretation des § 1 UWG einwirken können. Damit kann man behaupten, daß dieser Schluß eine mittelbare Anerkennung ist, daß der § 1 UWG nicht nur einfachrechtliche Rechtsgüter zu schützen hat. Das ist in der Tat zu begrüßen. Man kann in diesem Rahmen auch ein Recht für den einzelnen auf freie, auch von Manipulation unbeeinflußte Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ableiten, wie es der BGH getan hat. Man kann noch weiter gehen und aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt dieses Grundrechts sogar eine staatliche Schutzpflicht ableiten 3208 . Ob das aber für den betreffenden Fall anwendbar ist, erscheint hier sehr fraglich. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht geht anderen Grundrechten häufig vor. In diesem Fall besteht auch die Schutzpflicht des Richters, im Rahmen der Auslegung des § 1 UWG dieses Verfassungsgut zu schützen. Die Schutzpflicht aber besteht nur dann, wenn der Betroffene sich selbst nicht schützen kann. Im sog. Feuer, Eis & Dynamit-Fall ist das jedoch nicht so. Der (potentielle) Kunde und Filmzuschauer hat zahlreiche Möglichkeiten, sich in allen Massenmedien von Kinokritikern über den Gegenstand, die Art und die Qualität des Filmes und natürlich darüber, daß er eine Art getarnter Werbung ist, zu informieren. Das bedeutet, daß er die Möglichkeit hat, diese getarnte Werbung frühzeitig zu erkennen und die Irreführung zu vermeiden. Heutzutage ist die Anzahl der Kinozuschauer, die ins Kino gehen, ohne sich vorher über den Film informiert zu haben, verschwindend gering 3209 . Infolgedessen ist in diesem Fall die Ausdehnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für den Filmverbraucher nicht zulässig und entspricht eigentlich der Bemühung des BGH, "immanente Grundrechtsschranken" zu entdecken bzw. zu erfinden, um die Grundrechtseingriffe in vorbehaltlos geschützte Grundrechte wie dem der Kunstfreiheit

3206 Diese Position scheint auch Scheuch, in: FS Piper, S. 456, mit dem Argument des "stärkeren" Grundrechts zu teilen, daß Art. 12 I und 14 I GG keinen weitreichenden Schutz als Art. 5 III GG gewährten. 3207 Diese können sich auch auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG) berufen, wenn ihre Werbungen Meinungsaussagen oder Tatsachenbehauptungen enthalten, die zu einer Meinungsbildung beitragen könnten. 3208 Vgl. auch oben sub Β VI 3 e bb. 3209 Vgl. aber anders Scheuch, in: FS Piper, S. 447 ff.

588

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Demgemäß sollte die Wettbewerbsfreiheit und die Kunstfreiheit dem Verbraucherschutz vorgehen 3210 . Wenn man dagegen die getarnte Werbung als der Lauterkeit des Wettbewerbs nach § 1 UWG widersprechend behandeln will, wie es der BGH in ständiger Rechtsprechung 3211 tut, ist dies eine Frage des einfachen Wettbewerbsrechts. Eine solche Auslegung könnte man i. S. d. § 1 UWG nicht beanstanden. Problematisch wäre aber die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer solchen Auslegung unter dem Gesichtspunkt der vorbehaltlos geschützten Kunstfreiheit, in die das Verbot bzw. Kennzeichnungsgebot nach § 1 UWG sowieso eingreift. Der Rückgriff auf den Verbraucherschutz als grundrechtliche Position i. S. d. Art. 2 I GG und demgemäß die Ausdehnung des Schutzbereichs dieses Grundrechts, um den Eingriff verfassungsrechtlich zu retten, kann nicht hingenommen werden.

b) Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung der Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und der Wettbewerbsfreiheit andererseits auf die Generalklauseln des Privatrechts aa) Allgemeines Das Kampfmittel des Boykotts kann sich besonders stark auf die wettbewerblichen Verhältnisse auswirken und u. U. einen erheblichen Eingriff in ein Wettbewerbsverhältnis zuungunsten bestimmter Wettbewerber und zugunsten ihrer Konkurrenten darstellen. Es richtet sich auf die organisierte Absperrung eines bestimmten Gegners vom üblichen Geschäftsverkehr (Absatz, Material, Kredit usw.), sei es, daß keine geschäftlichen oder andersgearteten Beziehungen mit ihm angebahnt werden sollen, sei es, daß schon bestehende Beziehungen abgebrochen werden sollen 3212 . Der Boykott kann entweder von einer Personenmehrheit oder auch von einer Einzelperson ausgehen. Es liegt auf der Hand, daß, je mehr Personen an einer solchen Aktion teilnehmen, der mit dem Boykott anvisierte Unternehmer um so mehr getroffen wird oder werden kann. Es kann Zwecken des Wettbewerbs, aber auch außerwettbewerblichen Zwekken politischer, religiöser, weltanschaulicher, gesellschaftlicher oder kultureller Natur dienen 3213 . Der Boykottaufruf setzt die Beteiligung von mindestens drei Personen an dieser Aktion voraus: a) Der Verrufer oder Boykottierer, der einen anderen zur Sperre auffordert, b) der Adressat des Boykotts, der die Sperre aus3210

Anderer Ansicht Scheuch, in: FS Piper, S. 454 f. Vgl. seine Hinweise in BGHZ 131, 205, 214 (Feuer, Eis & Dynamit I). 3212 Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rd. 276; vgl. auch Emmerich, Wettbewerb, S. 93. 3211

3213

Baumbach/Hefermehl,

§ 1 UWG, Rd. 276.

Unlauterer

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

589

führt oder auszuführen hat und c) der Boykottierte oder Gesperrte oder Verrufene, gegen den sich der Boykott richtet 3214 . Verrufer können Konkurrenten des Boykottierten, aber auch wie es häufig der Fall ist, Dritte sein, die nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zum Boykottierten stehen. Es ist nicht nötig, daß der Adressat selbst die Sperre verhängt. Es reicht, daß er dazu aufgefordert wird, auf die Sperre eines Wettbewerbers durch dessen Lieferanten oder Kunden hinzuwirken 3215 . Eine ausdrückliche Aufforderung zum Boykott ist nicht erforderlich 3216 . Damit der Tatbestand des Boykottaufrufs erfüllt wird, muß die Aufforderung zum Boykott geeignet sein, den freien Willen des Adressaten zu beeinflussen 3217 und der Adressat eine funktionell selbständige Stellung im Wettbewerb einnehmen, kraft derer er Entscheidungsfreiheit besitzt 3218 . Bloße Werturteile oder reine Tatsachenmitteilungen werden nicht als Boykottaufruf, sondern als eine schlichte Meinungsäußerung bewertet 3219 .

bb) Die grundrechtliche

Stellung der Adressaten eines Boykottaufrufs

Die Boykottaktion der Adressaten eines Boykottaufrufs (Kunden, Lieferanten oder Abnehmer) als solche ist grundrechtlich garantiert und grundsätzlich rechtmäßig. In bezug auf die Kunden ergibt sich ihr grundrechtlicher Schutz jedenfalls aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG als allgemeine Wirtschafts- bzw. Konsumfreiheit 3220 . Eine Regelung, aufgrund derer in das Verbraucherverhalten der Kunden in der Form eines Boykottverbots oder -gebots eingegriffen würde, erscheint kaum vollziehbar, nicht zuletzt deswegen, weil es aus praktischen Gründen unmöglich ist, durch die Anordnung einer solchen Regelung das Konsumverhalten der Verbraucher zu manipulieren. Selbst wenn ein Boykottaufruf für rechtswidrig erklärt oder aus anderen Gründen unterlassen wird, kann der Verbraucher aus eigener Initiative und Verantwortung die Produkte oder die Leistungen eines Wettbewerbers boykottieren. Was die Unternehmer als Lieferanten oder Abnehmer anbelangt, so kommt zuerst ihre Berufsfreiheit nach Art. 121 GG in Betracht. Die Boykottaktion der Unternehmer steht aber unter den Schranken des § 26 I I GWB, wenn sie eine 3214

S. 93.

3215

S. 93 f.

3216 3217

Baumbach/Hefermehl,

§ 1 UWG, Rd. 277; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb,

Baumbach/Hefermehl,

§ 1 UWG, Rd. 277; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb,

So OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 52 (Pelzbranchenboykott). Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rd. 278; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb,

S. 94; Möllers, in: NJW 1996, S. 1375. 3218

S. 94.

Baumbach/Hefermehl,

§ 1 UWG, Rd. 279; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb,

3219

Möllers, in: NJW 1996, S. 1375.

3220

Vgl. oben sub A I 3, Β I 2 c, II 2 f.

590

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

marktbeherrschende oder marktstarke Position auf dem Markt besitzen, des § 1 UWG oder sekundär der §§ 823 I, 826 BGB. Ob darüber hinaus andere Grundrechte wie die Religions- oder die Meinungsfreiheit jeweils nach Art. 4 I und 5 11 GG in Betracht gezogen werden können, ist fraglich. Die Frage bekommt praktische Relevanz, wenn der Boykott aus geistigen (politischen, religiösen usw.) Gründen ausgeführt wird und die Adressaten des Boykotts aus einer solchen Überzeugung an dem Boykott teilnehmen wollen. Es erscheint hier verfassungsrechtlich vernünftig, die grundrechtliche Qualität aus diesen Grundrechten den Adressaten und Ausführenden des Boykotts zuzusprechen, so daß, wenn die Rechtmäßigkeit ihrer Aktion nach Maßgaben der o. g. Vorschriften in Frage gestellt wird, diese Grundrechte bei ihrer Interpretation und Anwendung einwirken können. Was aber besonders problematisch und im Hinblick auf die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die wettbewerbsrechtlichen Verhältnisse umstritten ist, ist die Frage der Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs in bezug auf das Verhalten der Verrufer in dem bereits dargelegten Dreiecksverhältnis.

cc) Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs Es wurde bereits an anderer Stelle 3221 die Rechtsqualität eines Boykottaufrufs seitens der öffentlichen Gewalt - meistens der Exekutive (Regierung und Verwaltung) in ihrer schlicht-hoheitlichen Tätigkeit - als ein ggf. mittelbarer, faktischer, nicht imperativer Grundrechtseingriff dargestellt. Sein Eingriffscharakter liegt gerade in der Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit, im vorliegenden Fall der Wettbewerbsfreiheit des vom Boykottaufruf betroffenen Unternehmers. Es liegt auf der Hand, daß ein Boykottaufruf seitens Privater erhebliche Beeinträchtigungen verursachen kann, u. U. genauso erhebliche wie ein Boykottaufruf seitens der Verwaltung in die Freiheitsrechte bzw. die Wettbewerbsfreiheit von Wettbewerbern,. Deswegen steht die Rechtsordnung einem Boykottaufruf als eine Aktion, die den lauteren als Leistungswettbewerb verfälschen kann, zunächst ablehnend gegenüber. Trotzdem kann man den Boykott bzw. den Boykottaufruf seitens Privater nicht vollkommen mit dem aus der Verwaltung ergehenden Boykott gleichsetzen; nicht zuletzt deshalb, weil die Privaten, die Grundrechtsträger sind, nicht mit der öffentlichen Gewalt, die nur grundrechtsgebunden, aber grundsätzlich nicht grundrechtsfähig ist, gleichgesetzt werden können. Es werden hier alle grundrechtlichen Positionen, die die Verrufer und Adressaten, aber auch die Boykottierten angehen, ausführlich untersucht. § 1 UWG, § 26 I GWB, §§ 823 I, 826, 1004 BGB stellen die ein-

3221

s. oben sub Β IV 2 add δ.

C Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

591

fachrechtlichen Grundlagen einer solchen Untersuchung dar 3222 . Die Rechtsprechung des BVerfG, aber auch des BGH geben dazu nützliche Hinweise.

α) Die einfachrechtlichen Grundlagen als Einbruchstellen der Grundrechte in das einfache Recht bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs Die grundrechtlichen Positionen der betroffenen Parteien eines Boykottaufrufs wurden bereits dargestellt 3223 . Seine Rechtmäßigkeit wird unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte überprüft, soweit der Einfluß der in Betracht gezogenen Grundrechte auf die Interpretation der GuteSitten-Generalklauseln des § 1 UWG und § 826 BGB, der unbestimmten Gesetzesbegriffe "widerrechtlich" i. S. d. § 823 1 BGB und "unbillig" i. S. d. § 26 I GWB von Bedeutung ist 3 2 2 4 . Welche Rechtsgrundlage anzuwenden ist, hängt von dem Einzelfall ab und ist eine Sache des einfachen Rechts und des Fachrichters, so daß dies der verfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist 3 2 2 5 . Wird der umstrittene Boykottaufruf zum Zwecke des Wettbewerbs ausgeführt, dann kommt § 1 UWG in Betracht 3226 . Wenn er einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, dann wird seine Rechtmäßigkeit im Rahmen des § 823 I BGB überprüft 3227 . Wird behauptet, daß dieser Eingriff vorsätzlich und sittenwidrig sei, greift § 826 BGB ein 3 2 2 8 . Wenn man bei den beiden letzten Grundlagen darüber hinaus auf Unterlassung in Anspruch genommen wird, dann werden sie in Verbindung mit § 1004 BGB

3222

S. 255.

Vgl. Baumbach/Hefermehl,

§ 1 UWG, Rd. 280 f.; Friauf/Höfling,

in: AfP 1985,

3223

s. oben sub Β V 2 b cc γ ßß und hier gerade oben sub bb. BVerfGE 62, 230, 243 (Denkzettel-Aktion). 3225 Vgl. BVerfGE 62, 230, 242 f. (Denkzettel-Aktion). 3226 BVerfGE 62, 230, 243 (Denkzettel-Aktion); BGH GRUR 1980, S. 243; BGH NJW 1985, S. 61 f. (Kundenboykott); BGH NJW 1985, S. 63 (Copy-Charge); OLG Hamburg WuW/OLG, S. 2077 (Kaffeekrieg II); LG Köln GRUR 1994, S. 741 f. (Rechtsradikale Musikgruppe). 3227 BVerfGE 25, 256, 263 (Blinkfüer); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott); BGHZ 24, 200, 204 ff. (Spätheimkehrer); BGH GRUR 1965, S. 441 ff. (Milchboykott); BGH NJW 1985, S. 1620 (Mietboykott); OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 (Seehundfelle); OLG Düsseldorf AfP 1985, S. 214; OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 52 (Pelzbranchenboykott); LG München NJW - RR 1988, S. 54; weiterhin 3224

Mertens, in: MünchKomm, § 823, Rd. 508 (m. w. N.); Baumbach/Hefermehl,

UWG

§ 1, Rd. 293 ff.; vgl. aber kritisch zum Zurückgreifen auf § 823 I BGB Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 81 III 3. 3228 Vgl. BVerfGE 7, 198, 214 f. (Lüth).

592

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

in Betracht gezogen 3229 . Sind schließlich alle Parteien des Boykottaufrufs Unternehmer, dann ist § 26 I GWB anwendbar 3230 .

ß) Die Rechtsprechung des BVerfG αα) Darstellung Da alle Betroffenen sich auf Grundrechte berufen und diese Grundrechte kollidieren, werden die o. g. privatrechtlichen Vorschriften das "Feld", in dem diese Grundrechtskollisionen richterlich gelöst werden sollen. Für die Lösung dieser Kollisionen und demzufolge der Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs müssen einige Maßstäbe gelten, damit festgestellt werden kann, ob er "sittenwidrig","widerrechtlich" oder "unbillig" ist. Das BVerfG hat bisher viermal dazu Stellung genommen und einige bemerkenswerte Entwicklungslinien festgelegt, die zum einen zu einer Wandlung der Rechtsprechung des BGH und der unteren Zivilgerichte geführt hat, zum anderen aber Gegenstand einer Auseinandersetzung im Schrifttum war. Auch hier stellt das LüthUrteil 3 2 3 1 die Leitentscheidung dar. Da aber die Frage der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung der Schlüsse der zwei früheren Lüth- und Blinkfüer-Urteile 3232 im sog. Denkzettel-AktionUrteil 3 2 3 3 neue Entwicklungslinien erlangt hat, wird hier verstärkt darauf zurückgegriffen. Zuerst "sind die Motive und, damit zusammenhängend, das Ziel und der Zweck der Aufforderung" zu ermitteln 3234 . "Findet diese ihren Grund nicht in eigenen Interessen wirtschaftlicher Art, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit, dient sie der Einwirkung auf die öffentliche Meinung, dann spricht dies dafür, daß die Aufforderung durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist 3 2 3 5 , selbst wenn dadurch private

3229 OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 52 (Pelzbranchenboykott); LG München NJW-RR 1988, S. 54. 3230 Vgl. letztens BGH NJW 1996, S. 3212 ff. (Fremdleasingboykott II). 3231 BVerfGE 7, 198 ff. 3232 BVerfGE 25, 256 ff. 3233 BVerfGE 62, 230 ff. 3234 BVerfGE 62, 230, 244 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski). 3235 BVerfGE 62, 230, 244 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 7, 198, 212, 215, 219 (Lüth); 25, 256, 264 (Blinkfüer); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

593

und namentlich wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt werden" 3236 . "(Diese) Interessen sind darum nicht schutzlos ... Wer sich durch die öffentliche Äußerung eines anderen verletzt fühlt, kann ebenfalls vor der Öffentlichkeit erwidern. Erst im Widerstreit der in gleicher Freiheit vorgetragenen Auffassungen kommt die öffentliche Meinung zustande, bilden sich die einzelnen angesprochenen Mitglieder der Gesellschaft ihre persönliche Ansicht". Es soll zulässig sein, aus ernsthaften Motiven in der Öffentlichkeit den Absatz bestimmter Waren oder bestimmte Organisationsformen des Verkaufs zu bekämpfen, auch wenn bei Erfolg solcher Meinungsäußerungen wirtschaftliche Unternehmen zum Erliegen kämen, Arbeitsplätze verlorengingen usw. 3237 . Die Einwirkung auf die öffentliche Meinung soll einer die Allgemeinheit wesentlich berührenden Frage dienen 3238 . "Die Aufforderung zu einem Boykott kann selbst dann im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG liegen, wenn der Verrufer zu dem Boykottierten in einem beruflichen, gewerblichen oder sonstigen geschäftlichen Konkurrenzverhältnis steht, weil diese Situation eine geistige Auseinandersetzung an sich noch nicht ausschließt" 3239 . "Besitzt der Verrufer eine gewisse wirtschaftliche Machtstellung, so kann seiner Meinungsäußerung und dem ihr dienenden Boykottaufruf schon aus diesem Grunde zwar ein bedeutendes Gewicht zukommen. Diese wirtschaftliche Ungleichheit der Positionen allein macht aber die Aufforderung zum Boykott noch nicht unzulässig, weil es nach der Verfassung auch dem wirtschaftlich Stärkeren nicht verwehrt ist, einen geistigen Meinungskampf zu führen" 3240 . "Die Verfolgung der Ziele des Verrufers darf ferner das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung des Angegriffenen oder des Betroffenen nicht überschreiten" 3241. Eine Güter- und Interessenabwägung im Rahmen der Wechselwirkungslehre, wenn die Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 I GG in Betracht kommen, soll erforderlich sein 3242 . Bei dieser Güterabwägung komme der Meinungs- und Pressefreiheit grundsätzlich ein Vorrang von durch allgemeine Gesetze geschützten Rechtsgütern zu, soweit eine Äußerung Bestandteil der ständigen geistigen Auseinandersetzung, des Kampfes der Meinungen um Angelegenheiten von öffentlicher Bedeutung sei, der für eine freiheitliche demokratische Ordnung

3236

BVerfGE 62, 230, 244 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 7, 198, 219 (Lüth); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski). 3237 BVerfGE 7, 198, 219 (Lüth). 3238 BVerfGE 62, 230, 246 (Denkzettel-Aktion). 3239 BVerfGE 25, 256, 264 (Blinkfüer); 62, 230, 244 (Denkzettel-Aktion). 3240 BVerfGE 25, 256, 264 (Blinkfüer). 3241 BVerfGE 62, 230, 244, 247 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 7, 198, 215 (Lüth); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski). 3242 BVerfGE 7, 198, 210, 219 (Lüth); 62, 230, 247 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott). 38 Tsiliotis

594

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

schlechthin konstituierend sei 3243 . "An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn es um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen gegen andere wirtschaftliche Interessen im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbs geht. Daß das eine Interesse mit Mitteln durchgesetzt werden soll, die grundsätzlich durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sind, kann daher nicht die Zurücksetzung des anderen Interesses rechtfertigen, das seinerseits unter dem Schutz eines die Meinungsund Pressefreiheit beschränkenden Gesetzes ..." wie des § 1 UWG stehe 3244 . "Schließlich müssen die Mittel der Durchsetzung des Boykottaufrufs verfassungsrechtlich zu billigen sein. Das ist der Fall, wenn der Verrufer sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch geistiger Einflußnahme und Überzeugung, also auf Mittel beschränkt, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten" 3245 . "Dagegen ist die Ausübung wirtschaftlichen Drucks, der für die Adressaten eines Boykottaufrufs schwere Nachteile bewirkt und ihnen demgemäß die Möglichkeit nimmt, ihre Entscheidung in voller innerer Freiheit zu treffen, nicht durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt" 3246 . "Dazu gehören insbesondere Androhung oder Ankündigung schwerer Nachteile und Ausnutzung sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit, wenn dies dem Boykottaufruf besonderen Nachdruck verleihen soll" 3 2 4 7 . Als eine solche Ausnutzung wirtschaftlicher Abhängigkeit wird vom Verfassungsgericht der Boykottaufruf eines marktbeherrschenden Unternehmers, gerichtet auf seine Abnehmer, betrachtet 3248 . Dagegen falle die Aufforderung gegenüber den Adressaten des Boykottaufrufs, bestehende Verträge mit dem Boykottierten abzubrechen, noch in den Schutzbereich des Art. 5 11 GG 3 2 4 9 . Für die Rechtfertigung eines Boykottaufrufs spiele keine Rolle, "ob der Verrufer selbst seine Boykottaufforderung mit wirtschaftlichem Druck durchsetzen will, oder ob er Dritte - insoweit mit dem Mittel freier Überzeugung - dazu zu veranlassen sucht, solchen Druck auszuüben, um die eigentlichen Adressaten des Aufrufs zu bewegen, die angestrebten Boykottmaßnahmen durchzuführen" 3 2 5 0 . Ebenso irrelevant sei, daß der Verrufer in keinem Konkurrenzverhältnis zu dem Boykottierten steht. "Ein solcher Umstand kann zwar darauf hin3243

BVerfGE 62, 230, 247 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 7, 198, 215 (Lüth); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott). 3244 BVerfGE 62, 230, 247 f. (Denkzettel-Aktion). 3245 BVerfGE 62, 230, 243 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 7, 198, 221 (Lüth); 25, 256, 266 (Blinkfüer); BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott). 3246 BVerfGE 62, 230, 245 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 25, 256, 264 f , 266 f.; BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott). 3247 BVerfGE 25, 256, 265 (Blinkfüer). 3248 BVerfGE 25, 256, 266 (Blinkfüer). 3249 BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott). 3250 BVerfGE 62, 230, 246 (Denkzettel-Aktion).

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

595

deuten, daß der Verrufer nicht im eigenen Interesse gehandelt hat; er vermag jedoch für sich allein nicht einen Boykottaufruf zur Förderung fremden Wettbewerbs zu rechtfertigen" 3251 . Das BVerfG hat den Aufruf des damaligen Senatsdirektors der Freien Hansestadt Hamburg, Herrn Lüth, zum Boykott des nach dem Drehbuch und unter der Regie des Filmregisseurs Veit Harlan hergestellten Filmes "Unsterbliche Geliebte" als eine von dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 1 1 GG geschützte und unter dem Gesichtspunkt des § 826 BGB sittenund demgemäß rechtmäßige Aktion behandelt 3252 . Dagegen hat es eine zwar auf politischen Motiven beruhende Aufforderung von Verlagshäusern zum Boykott - der vornehmlich mit wirtschaftlichen Machtmitteln (Liefersperre) durchgesetzt werden sollte - eines Presseunternehmens, dessen Rundfunkzeitschrift das Programm des "mitteldeutschen Rundfunks" (damals DDR-Rundfunk) beinhaltete, als nicht durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung geschützt sowie als gegen das Grundrecht der Pressefreiheit des boykottierten Presseunternehmens verstoßend und dementsprechend als einen "widerrechtlichen" Eingriff in das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB behandelt 3253 . Genauso hat das Verfassungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 1 1 , 2 GG die Sitten- bzw. Wettbewerbswidrigkeit nach § 1 UWG des Boykottaufrufs eines Presseorgans nicht beanstandet, der Zwekken des wirtschaftlichen Wettbewerbs diente, nachdem mit Mitteln Nachdruck verschafft werden sollte, die über eine freie geistige Überzeugung hinausgingen (Denkzettel-Aktion) 3254 . Schließlich hat ein Vorprüfungsausschuß des 1. Senats einen Aufruf in einer Tageszeitung zu organisiertem rechtswidrigen, auch vertragswidrigem Verhalten gegenüber einem bestimmten Unternehmen (Mietboykott) als einen Eingriff in den rechtlich geschützten Gewerbebetrieb (Mietwohnungsunternehmen) nach § 823 1 BGB angesehen, der geeignet war, schwerwiegende Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs zu bewirken. Er hat

3251

(Lüth).

BVerfGE 62, 230, 247 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 7, 198, 215

3252 BVerfGE 7, 198 ff.; zustimmend u.a. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 81 III 3; Friauf/Höfling, in: AfP 1985, S. 254; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 52; vgl. aber die Hinweise auf die kritischen Stimmen im Schrifttum Friauf/Höfling, a. a. O., Fn. 34 (dort). 3253 BVerfGE 25, 256 ff.; vgl. hier die Position Oeters, in: AÖR 1994, S. 536, der den Grundrechtsverstoß hier unter dem Gesichtspunkt der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates (hier des Zivilrichters) und nicht des (Abwehr-)Grundrechtseingriffs behandelt; vgl. ebenfalls in diese Richtung Oldiges, in: FS Friauf, S. 287. 3254 BVerfGE 62, 230 ff.

596

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

ihn nur unter besonderen Umständen (Güterabwägung) von Art. 5 I GG als gerechtfertigt betrachtet 3255 .

ßß) Einschätzung Mit der gerade dargelegten Rechtsprechung sowie der Darstellung der (kollidierenden) grundrechtlichen Positionen der Boykottparteien gelangt man zu nützlichen grundrechtsdogmatischen Schlüssen. Wenn man aus diesen Schlüssen der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur Maßstäbe für die Behandlung der Frage nach der Rechtmäßigkeitsüberprüfung des Boykottaufrufs hinsichtlich der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Privatrecht und demzufolge auf die wettbewerbsrechtlichen Rechtsverhältnisse unter Privaten ableiten will, sollte man zuvor auf folgendes hinweisen: Die erste Aufgabe ist die Erkenntnis und die genaue Festlegung des Schutzbereichs der in Betracht kommenden Grundrechte. Der Aufruf zu einem Boykott fällt in den Lebensbereich der Meinungs- und, wenn er durch die Presse ausgeführt wird, der Pressefreiheit nach Art. 5 1 1 , 2 GG. Es ist allerdings umstritten, ob Boykottaktionen, die einem eher wirtschaftlichen als geistigen (politischen usw.) Zweck dienen, indem sie rein wirtschaftliche Interessen begünstigen oder wie ein einseitiger Eingriff in die Wettbewerbslage eines Marktes zugunsten bestimmter Wettbewerber oder Branchen einwirken, in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen 3256 . Darüber hinaus darf die Boykottmaß3255 3256

BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 381 f. Vgl. bejahend Friauf/Höfling, in: AfP 1985, S. 252, Fn. 48 (dort), S. 253 f.; De-

genhart, in: FS Lukes, S. 297; Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 14; ablehnend Baumbach/Hefermehl, UWG §1, Rd. 284; offengelassen von Möllers, in: NJW 1996,

S. 1376. Die Formulierung der BVerfGE 62, 230, 245 ff. (Denkzettel-Aktion) ist leider nicht besonders eindeutig. Es ist allerdings hier mit Friauf/Höfling, in: AfP 1985, S. 252, Fn. 48 (dort), daran zu denken, daß die ("offene") Formulierung des DenkzettelAktion-Urteils des BVerfG Zweifel daran erweckt, ob es diese Boykottmaßnahmen tatsächlich im Schutzbereich der Meinungsfreiheit sieht und ihr Verbot von einem "allgemeinen Gesetz" (§ 1 UWG) nach Art. 5 II GG als verfassungsrechtlich gerechtfertigt betrachtet oder diese Maßnahmen per se aus diesem Schutzbereich ausklammert. Aufgrund seiner Stellungnahme jedoch, daß die Interessen des Boykottaufrufers mit Mitteln durchgesetzt werden sollen, "die grundsätzlich durch Art. 5 I GG geschützt sind", deren Verhältnismäßigkeit das Gericht nach der Wechselwirkungslehre überprüft hat, muß man der ersten Meinung zustimmen - vgl. auch BVerfG (Dreierkammer) NJW 1992, S. 1154 (Jacubowski). Selbst wenn man einigen von diesen Aktionen den Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG absprechen will, weil sie primär oder ausschließlich wirtschaftlichen Interessen dienen oder nicht auf die öffentliche Meinung einwirken, bleiben sie grundrechtlich nicht schutzlos, soweit sie natürlich nicht gegen Grundrechte anderer verstoßen. Sie können unter diesen Umständen unter dem Schutzmantel der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG oder seltener, wenn sie einem Vereinigungszweck dienen, der Vereinigungsfreiheit des Art. 9 I GG Grundrechtsschutz finden. In solchen Fallkonstellationen sind diese grundrechtlichen Positionen bei der

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

597

nähme auch nicht mit der Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf den Adressaten des Boykotts oder mit dem Aufruf zur Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf den endgültigen Adressaten des Boykotts verbunden sein 3257 . Das BVerfG stellt sich nicht dem Besitz und der Benutzung, sondern dem Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht ablehnend gegenüber 3258. Aus diesem Grund fällt eine solche Aktion auch aus dem Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 121 GG 3 2 5 9 sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG heraus (vgl. die Schranke der "Rechte anderer"). Diese Kriterien bestimmen in erster Linie die Legitimierung des Boykotts als Mittel für die Verfolgung eines Zwecks 3260 . Aber auch der Zweck, der mit dem Boykottaufruf erreicht werden soll, soll legitim sein. Legitim bedeutet, daß er rechtmäßig sein soll und keinesfalls Grundrechte anderer verletzen darf. Der zu verfolgende Zweck des Verrufers und die Beeinträchtigung der grundrechtlichen Positionen (Wettbewerbsfreiheit als Berufsfreiheit und Eigentum, allgemeines Persönlichkeitsrecht u. a.) und anderer Interessen des verrufenen Unternehmers durch den Boykottaufruf müssen in einem solchen Verhältnis stehen, daß die Beeinträchtigung notwendig und angemessen für das Erreichen des legitimen Zwecks sein soll. Damit akzeptiert das Gericht das Verhältnismäßigkeitsprinzip i. w. S. - das Geeignetheitsprinzip ist als selbstverständlich zu verstehen - und die Güter- und Interessenabwägung 3261 . Es gibt aber konkretere Maßstäbe für die Verhältnismäßigkeitsprüfung: Je mehr wirtschaftlichen Interessen der Boykott dient, desto mehr sollen die Interessen des Verrufenen diesen wirtschaftlichen Interessen des Verrufers oder Dritten, wie ζ. B. Konkurrenten des Verrufenen, vorgehen. Je mehr dagegen der Boykott zur geistigen Auseinandersetzung und zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt, desto mehr sollen die Interessen des Boykottierten hinter der Meinungsfreiheit zurücktreten. Wirtschaftliche Interessen können auch u. U. (Verhältnismäßigkeit und Vorrang bei der Interessenabwägung) zur Legitimierung des Boykottaufrufs beitragen, sie müssen aber einen Bezug zum öffentliAuslegung und Anwendung der Generalklauseln des Privatrechts mit der Wettbewerbsfreiheit der Boykottierten abzuwägen. 3257 Vgl. die zustimmende Argumentation von Lohr, in: WRP 1975, S. 583, und Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 53. 3258 y g ] a u c h Bethge j n : Sachs, GG-K, Art. 5, Rd. 37; vgl. ferner Jungk, Ausübung wirtschaftlicher Macht, S. 174. 3259

Vgl. auch oben Β IV 2 a cc β αα. Vgl. auch Baumbach/Hefermehl, UWG § 1, Rd. 283; Möllers, in: NJW 1996, S. 1376, der zu Recht darlegt, daß sich die Zulässigkeit des Mittels in diesem Hinblick auf den Adressaten bezieht; dagegen geht Lohr, in: WRP 1975, S. 583, von einer Verhältnismäßigkeitsüberprüfung aus; diese Meinung scheint auch Bethge, in: Sachs, GGK, Art. 5, Rd. 38, zu teilen. 3260

3261

S. 1153.

Vgl. auch Friauf/Höfling,

in: AfP 1985, S. 255 f.; Abeltshauser, in: WRP 1997,

598

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

chen oder allgemeinen Interesse haben und der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dienen 3262 , wie ζ. B. die Verdrängung des Einzelhandels durch Supermärkte und Warenhäuser 3263, der Niedergang der Preise und die Bekämpfung der Inflation durch den Boykott extrem teurer Produkte. Fraglich ist, ob der Abbau der lokalen oder regionalen Arbeitslosigkeit durch die Begünstigung einheimischer und dem entsprechenden Boykott fremder Produkte diese Boykottaktion legitimieren kann 3264 . Zusätzlich kommen auch andere, sogar grundrechtlich geschützte Interessen in Betracht wie der Verbraucherschutz und die Volksgesundheit als das Recht der Verbraucher auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 I I 1 GG, ζ. B. durch den Boykott von Weinen 3265 , Arzneimitteln, Zigaretten 3266 oder anderen Produkten, die gesundheitsgefährdend oder sogar -schädlich sind, ferner der Umweltschutz durch den Boykott umweltbelastender bzw. -schädigender Produkte oder sogar Firmen 3267 , oder der Tierschutz durch den Boykott von Tierprodukten wie Fellen oder Mänteln

γ) Die Rechtsprechung des BGH und der unteren Zivilgerichte in einem Vergleich zu derjenigen des BVerfG Der BGH hat zu Beginn seiner Rechtsprechung die Frage der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs ohne besondere Rücksichtnahme auf die grundrechtlichen Positionen der Beteiligten behandelt. Insbesondere hat er die Frage, ob der Boykott eine Ausübung der Meinungs- bzw. Pressefreiheit darstellt, außer acht gelassen. Deswegen hat er ausgeführt, daß jeder Geschäftsboykott nicht nur die freie Entfaltung der gewerblichen Tätigkeit beeinträchtige, sondern auch die in dem Geschäftsunternehmen verkörperten Werte gefährde. Eine Boykottaufforderung greife deshalb unmittelbar in die Interessen des Geschäftsinhabers ein, die unter dem Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stehen. Dieser Eingriff sei auch rechtswidrig, soweit er zur Existenzvernichtung oder sonst zu wirtschaftlich schwersten Folgen 3262

S. 1375. 3263

BVerfGE 62, 230, 246 (Denkzettel-Aktion); vgl. ebenso Möllers, in: NJW 1996,

So BVerfGE 62, 230, 246 (Denkzettel-Aktion). Ablehnend Baumbach/Hefermehl, UWG § 1, Rd. 287. 3265 Vgl. den Diethylenglykol-Fall BVerwGE 87, 37 ff, und oben sub Β IV 2 a dd δ γγ. 3266 Vgl. OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 (Seehundfelle); vgl. auch BGHZ 91, 117, 121 f. (Anti-Werbung). 3267 Vgl. den Brent-Spar-/Shell-Fall - mehr dazu bei Möllers, in: NJW 1996, S. 1374 ff. 3268 Vgl. OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 (Seehundfelle); OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 52 f. (Pelzbranchenboykott); LG München NJW - RR 1988, S. 55 f. 3264

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

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fuhren könne 3269 , und könne daher eine zum Schadensersatz verpflichtende, unerlaubte Handlung i. S. d. § 823 I BGB sein 3270 . Der BGH hat zwar mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die kollidierenden Interessen der Verrufer abgewogen, er hat aber nicht auf die Meinungsfreiheit zurückgegriffen 3271 . Unter dem eindeutigen Einfluß der Lüth-Rechtsprechung des BVerfG hat der BGH seine Rechtsprechung geändert und den Anforderungen der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur (Ausstrahlungswirkung der Grundrechte) angepaßt3272. In einem Fall, in dem es zwar nicht um die Rechtmäßigkeit eines Boykotts, sondern eines gewerbeschädigenden Werturteils i. S. d. § 823 I BGB ginge, hat der BGH in völliger Harmonie mit dem Lüth-Urteil des BVerfG bei dieser Untersuchung die Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit bei einer verhältnismäßigen Güterabwägung mit den Interessen des von der kritisierenden Meinungsäußerung betroffenen Presseorgans berücksichtigt, um zu überprüfen, ob diese Äußerung widerrechtlich in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des von der Äußerung getroffenen Presseorgans als "sonstiges Recht" i. S. d. § 823 I BGB eingegriffen hatte 3273 . In dem sog. Denkzettel-Aktion-Fall 3274 ist er im Grunde zu den bereits dargelegten Schlüssen gekommen, die das BVerfG in seinem gleichnamigen Urteil bestätigt hat 3 2 7 5 . Was in dieser Rechtsprechung hervorzuheben ist und besonders die Ausstrahlungswirkungstheorie in bezug auf die fachgerichtliche Zuständigkeit betrifft, ist die Darlegung des BGH, daß eine rechtswidrige Boykottmaßnahme, die dazu dient, die eigene oder fremde Geschäftstätigkeit auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit des Boykottierten zu fördern, eine Wettbewerbshandlung sei, die den Tatbestand wettbewerbswidrigen Verhaltens nach § 1 UWG erfülle 3276 . Für die Behandlung dieser Maßnahme als "wettbewerbswidrig" im Sinne dieser Generalklausel kommen natürlich in erster Linie die Grundrechte und ihre Ausstrahlungswirkung nach den vom BVerfG festgelegten Maßstäben - Legitimierung des Boykottmittels unter dem Gesichtspunkt des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit und seiner Verhältnismäßigkeit, Gü3269 BGHZ 24, 200, 206 (Spätheimkehrer), unter Bezugnahme auf BGHZ 3, 270, 281 (Constanze I); BGH GRUR 1965, S. 442 (Milchboykott). 3270 BGH GRUR 1965, S. 442 (Milchboykott). 3271 BGHZ 24, 200, 207 ff. (Spätheimkehrer); BGH GRUR 1965, S. 443 (Milchboykott). 3272 Vgl. zu dieser Deutung Möllers, in: NJW 1996, S. 1375. 3273 BGHZ 45, 296, 302, 307 ff. (Höllenfeuer). 3274 BGH GRUR 1980, S. 242 ff., mit zustimmender Anmerkung Wild, a.a.O., S. 245 f. 3275 BVerfGE 62, 230 ff. 3276 BGH GRUR 1980, S. 244 (Denkzettel-Aktion); BGH NJW 1985, S. 63 (CopyCharge); OLG Hamburg WuW/OLG, S. 2077, 2079 (Kaffeekrieg II).

600

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

terabwägung im Hinblick auf den Charakter des zu schützenden Zweckes - in Betracht 3277 . Besonders zu beanstanden sei ein Boykott, der in die Wettbewerbslage zugunsten eines Konkurrenten eingreift 3278 . Der BGH wird anläßlich der Interpretation und Anwendung des § 1 UWG im Lichte der Grundrechte präziser als das BVerfG bezüglich der schützenswerten Wettbewerbsfreiheit des von der Boykottmaßnahme betroffenen Konkurrenten. Er unterscheidet sich aber wesentlich von dem Verfassungsgericht in einem kritischen Punkt, der den Umfang des Schutzbereichs der Meinungs- und Pressefreiheit angeht. Während das BVerfG dazu tendiert, Boykottaufrufe, die überwiegend wirtschaftlichen Interessen dienen und in ein Wettbewerbsverhältnis einseitig zugunsten des einen Konkurrenten eingreifen, vom Schutzbereich der Meinungsund Pressefreiheit prinzipiell als gedeckt zu behandeln, aber ihre Sitten- und demgemäß ihre Rechtswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG als "allgemeines Gesetz" i. S. d. Art. 5 I I GG nicht auszuschließen3279, geht der BGH hingegen davon aus, daß sie nicht von Art. 5 I GG gedeckt sind 3280 . Der Grund dieses Fehlschlusses ist, daß der BGH die "allgemeinen Gesetze" i. S. d. Art. 5 I I GG und damit den § 1 UWG als "immanente Schranken" der Grundrechte des Art. 5 I GG betrachtet 3281 . Daß dies nicht der Fall sein kann, wurde 3277 BGH GRUR 1980, S. 244 (Denkzettel-Aktion); BGH NJW 1985, S. 63 (CopyCharge); vgl. auch OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 (Seehundfelle), zu § 823 I BGB, das weder der Meinungsäußerungsfreiheit des Boykottierers noch den wirtschaftlichen Interessen des Boykottierten einen a priori Vorrang beimißt; weiterhin OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 52 f. (Pelzbranchenboykott). 3278 BGH GRUR 1980, S. 244 (Denkzettel-Aktion); BGH NJW 1985, S. 62 (Kundenboykott); BGH NJW 1985, S. 63 f. (Copy-Charge). 3279 So BVerfGE 62, 230, 245 ff, insbesondere auf S. 248 (Denkzettel-Aktion) vgl. zur einschlägigen Auseinandersetzung oben sub β. 3280 So BGH NJW 1985, S. 62 (Kundenboykott); BGH NJW 1985, S. 63 (CopyCharge); OLG Hamburg WuW/OLG, S. 2080 (Kaffeekrieg II); vgl. auch zum § 823 I BGB BGH NJW 1985, S. 1621 (Mietboykott); unklar noch BGH GRUR 1980, S. 244 (Denkzettel-Aktion); weiterhin zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit unter diesem Gesichtspunkt BGH GRUR 1986, S. 813 (Gastrokritiker); BGH GRUR 1992, S. 708 (Erdgassteuer); kritisch zu dieser Position Degenhart, in: FS Lukes, S. 298; vgl. aber die verschiedene Einschätzung der Rechtsprechung des BGH von Wendt, in: vM/K, Art. 5, Rd. 14; dagegen wie hier Degenhart, in: FS Lukes, S. 297; vgl. aber die neuere Formulierung des BGH in BGHZ 136, 111, 121 f. (Kaffeebohne), "daß die Meinungsäußerung eines Gewerbetreibenden nicht deshalb von vornherein außerhalb des Schutzbereichs der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) steht, weil sie (auch) Wettbewerbszwecken dient". A contrario kann man zum Schluß gelangen, daß eine Meinungsäußerung eines Gewerbetreibenden, die nur Wettbewerbszwecken dient, aus dem Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG herausfallen soll. 3281 So BGH NJW 1985, S. 62 (Kundenboykott); BGH NJW 1985, S. 63 (CopyCharge); vgl. auch BGH NJW 1985, S. 1621 (Mietboykott), für den § 823 I BGB; ausdrücklich anders in demselben Fall BVerfG (Dreierkammer) NJW 1989, S. 382 (Mietboykott), das den § 823 I BGB als externe Schranke der Pressefreiheit behandelt hat; vgl. auch die neuere korrigierte Formulierung des BGH in BGHZ 136, 111, 121 f. (Kaffeebohne). Der Unterschied ist eher grundrechtsdogmatisch. Daß er für den betroffenen

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

601

bereits dargelegt 3282 . Ansonsten hat er besonders hervorgehoben, daß der Adressat eines Boykottaufrufs nicht mit demjenigen identisch zu sein brauche, der die Liefer- bzw. Bezugssperre verhängen solle, sondern daß es genüge, wenn der Adressat veranlaßt wird, seinerseits mit ihm zu Gebote stehenden Mitteln auf einen Boykott des Wettbewerbers durch dessen Lieferanten oder Kunden hinzuwirken 3 2 8 3 . Ein letzter Punkt, mit dem sich die Rechtsprechung der unteren Zivilgerichte befaßt hat, ist der auf falschen Tatsachenbehauptungen basierende Boykottaufruf. Kann ein Boykottaufruf, der solche Tatsachenbehauptungen zugrundelegt, zulässig sein, selbst wenn er einen rein geistigen Charakter hat, der zur Meinungsauseinandersetzung beiträgt? I m Hinblick auf den Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit ist die Frage zu verneinen. Denn diese Grundrechte schützen nicht objektiv erwiesen falsche Tatsachenbehauptungen3284. Demnach kann eine solche Äußerung nicht als zur Meinungsauseinandersetzung beitragend behandelt werden, und der Boykottierer, der sie seiner Boykottaktion zugrundelegt, kann sich nicht auf Art. 5 I GG berufen. Infolgedessen gehen in einer solchen Konstellation die wirtschaftlichen Interessen des Verrufenen bzw. seine Wettbewerbsfreiheit ohne weiteres vor, und der Boykottaufruf ist als rechtswidrig i. S. d. § 823 I BGB, § 1 U W G etc. zu behandeln 3285 . Vergleichbar ist die Rechtslage mit einer Boykottmaßnahme, die eine Schmähkritik ausübt 3286 .

dd) Neue Aspekte bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte

unter

α) Problemstellung Aufgrund der ausführlichen Darstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der beiden Karlsruher Bundesgerichte, aber auch der unteren Zivilge-

Fall kaum praktisches Interesse hatte, zeigt die Situation, daß das BVerfG trotz dieser grundrechtsdogmatischen Differenzierung im Prinzip und im Ergebnis das BGHMietboykott-Urteil bestätigt hat. 3282 s. oben sub Β IV 2 d bb α. 3283 BGH NJW 1985, S. 61 (Kundenboykott); vgl. auch BGH GRUR 1980, S. 243 (Denkzettel-Aktion); zustimmend Wild, in: GRUR 1980, S. 246. 3284 Vgl. auch oben sub Β II 2 d bb β. 3285 Vgl. dazu OLG Frankfurt DB 1969, S. 698 (Seehundfelle); OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 53 (Pelzbranchenboykott). Das OLG Frankfurt hat zwar im zweiten Urteil angenommen, daß eine solche Äußerung nicht in den Schutzbereich des Art. 5 I GG fällt, es hat aber die Rechtswidrigkeit des Boykottaufrufs i. S. d. § 823 I BGB eher aus anderen (und nicht so zutreffenden) Gründen festgestellt. 3286 Vgl. LG München NJW - RR 1988, S. 54.

602

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

richte über das hier erörterte Thema, ist man, wie gezeigt, zu interessanten Schlüssen gelangt, zum anderen aber sind noch einige Fragen offen geblieben. Darüber hinaus sind andere Fragen unter neuen Aspekten, die die moderne Entwicklung in allen Bereichen geschaffen hat, zu betrachten. Es wird hier versucht, diese Fragen darzustellen und unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, festgelegten Maßstäbe, aber auch der neuen Aspekte zu beantworten. Es wird ebenfalls versucht, diese Fragen mit Blick auf die jüngsten Boykottsbeispiele der Jahre 1995 und 1996 (Brent Spar, Mururoa, "Mission impossible"), die sich jeweils gegen die Umweltpolitik des Shell-Konzerns, die Atompolitik des französischen Staatspräsidenten und die Sekte Scientology Church gerichtet haben 3287 , zu untersuchen. Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist, wie bereits dargelegt wurde, daß auch die Interessen des Verrufenen unter dem Gesichtspunkt seiner Wettbewerbsfreiheit grundrechtlich geschützt sind, ein Punkt, den die Rechtsprechung, wie gezeigt, bisher oftmals ignoriert bzw. vernachlässigt hat.

ß) Dialogpflicht und Einflußgleichheit zwischen den Streitparteien als Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs? Der erste offene Streitpunkt, den die Rechtsprechung darstellt, ist die offensichtliche Bevorzugung der Meinungsfreiheit, wenn der Boykottaufruf der öffentlichen Meinungsbildung dient. Das BVerfG geht von einer freien öffentlichen Meinungsauseinandersetzung oder einem Dialog aus, in der der Boykottierte die Möglichkeit hätte, die Position der Boykottierer zu widerlegen und die Adressaten des Boykotts bezüglich der "Richtigkeit" ihre Position zu überzeugen 3288 . Das ist zunächst zu begrüßen. Das setzt aber zweierlei voraus: a. daß der Dialog zuerst vor dem Aufruf des Boykotts stattfinden soll, so daß, wenn zu dem Boykott aufgerufen wird, die Adressaten einen gesamten Überblick über die umstrittenen Positionen haben und ausreichend von beiden Seiten informiert entscheiden können, und b. daß Boykottierte und Boykottierer dieselben Möglichkeiten haben, sich an die Adressaten zu richten 3289 . Man kann der ersten Voraussetzung dadurch widersprechen, daß eine Widerlegung des Boykotts erst nach seinem Aufruf genauso effektiv sein könne. Das ist aber sehr fraglich. Denn ein Boykottaufrufj ohne daß vorher ein beiderseitiger Dialog stattgefunden hat, kann solche Eindrücke von dem Boykottierten vermit-

3287

Zu den ersten beiden Beispielen vgl. ausführlich Möllers, in: NJW 1996, S. 1374 ff. 3288 BVerfGE 7, 198, 219 (Lüth); vgl. auch BVerfGE 25, 256, 264 (Blinkfüer); 62, 230, 244 (Denkzettel-Aktion); weiterhin OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 f. (Seehundfelle). 3289 Das deutet auch das Lüth-Urteil, a. a. O, S. 219, an.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

603

teln, daß diese manchmal selbst dann nicht aufgehoben werden können, wenn die Position des Verrufers argumentativ widerlegt wurde 3290 . Außerdem sollte man auch nicht die zweite Voraussetzung vernachlässigen, denn heutzutage gibt es, wie bereits ausfuhrlich aufgezeigt wurde, Verbände von solcher kollektiver Macht (Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Massenmedienorgane, Lobby-Organisationen usw.), die ggf. wegen ihrer politischen, sozialen oder ökonomischen Macht einen so großen Einfluß auf die Gesellschaft oder Teile der Gesellschaft eines Landes haben können 3291 , der nicht immer von der wirtschaftlichen Macht des Boykottierten kompensiert werden kann. In einem Fall, in dem der Verrufene ein großer Konzern und der Verrufer eine Umweltorganisation ist, kann man von einer solchen Meinungsauseinandersetzung in der Öffentlichkeit unter gleichen Kräften sprechen (vgl. den Fall Brent Spar). Wenn aber der Boykottierer die regierende Partei eines Landes oder ihre JugendUnion und der Boykottierte schlicht eine Film-Hersteller-Firma ist, sind zur Einsicht, daß der Einfluß der Partei oder der Jugendorganisation auf die Gesellschaft größer als der der Firma ist (vgl. den Fall "Mission impossible"), nur wenige Überlegungen nötig. Man darf natürlich nicht verallgemeinern und pauschalisieren; jeder Fall hat seine Eigenarten und ist in concreto zu überprüfen. Man kann Konstellationen nicht ausschließen, in denen die Durchführung eines vorherigen öffentlichen Dialogs faktisch unmöglich ist. Es erscheint hier aber bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung 3292 des Boykottaufrufs, insbesondere seiner Erforderlichkeitskomponente und der Güterabwägung zwischen Meinungs- bzw. Pressefreiheit einerseits und Wettbewerbsfreiheit andererseits, verfassungsrechtlich vernünftig, je nach den Umständen diese Voraussetzungen als Aspekte der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die privatrechtlichen Vorschriften, aufgrund derer die Rechtmäßigkeit eines Boykottaufrufs überprüft wird, mitzuberücksichti-

γ) Verhältnismäßigkeitsprüfung der Boykottmaßnahme unter neuen Aspekten? Bei der Zulässigkeitsprüfung der Boykottmaßnahme hat sich die Rechtsprechung bisher auf die Fragen konzentriert, ob ein Boykottaufruf gegenüber dem Adressaten mit wirtschaftlichen Machtmitteln oder durch Ausnutzung sozialer 3290

Vgl. ebenso Lohr, in: WRP 1975, S. 582. Dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 81 III 3. 3292 yg] u n ten sub γ. 3291

3293 Zur Dialogpflicht auch Möllers, in: NJW 1996, S. 1377 f.; dagegen ist eine Pflicht für den Verrufer, vor dem Boykottaufruf zu versuchen, die Abstellung der angeblichen Mißstände über Parlament und Regierung zu erreichen, ohnehin zu verneinen - so zutreffend OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 (Seehundfelle).

604

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

oder wirtschaftlicher Abhängigkeit durchzusetzen versucht wurde, oder ob bei einem Boykottaufruf geistige oder wirtschaftliche Interessen überwogen haben. Wie bereits ausgeführt wurde 3294 , stellt die Verhältnismäßigkeit des ausgesuchten Mittels (Boykottaufruf) eine Voraussetzung seiner Rechtmäßigkeit dar. Das hat das BVerfG ausdrücklich betont, hat aber wie auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung diese Frage zugunsten der o. g. Fragen vernachlässigt. Nach der hier vertretenen Position sollte man die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf weitere Aspekte ausdehnen. Was die Dialogpflicht als Verhältnismäßigkeitsvoraussetzung angeht, ist sie bereits dargelegt worden. Hier werden die Aspekte der Verhältnismäßigkeit bezüglich des verfolgten Ziels, der Wahl des richtigen Gegners und des existenzvernichtenden Boykotts untersucht. Hinsichtlich der ersten Frage gilt, was für die Verfolgung eines jeden Zwecks durch die Anordnung einer Maßnahme mit nachteiligen Wirkungen gilt: Der Zweck muß "legitim" sein. Abgesehen von den o. g. Fragen der Legitimierungsüberprüfung des Zwecks einer Boykottmaßnahme in bezug auf den Schutzbereich der Meinungs- bzw. Pressefreiheit und seinen "ideellen" Charakter kann der Zweck eines Boykottaufrufs "legitim" sein, der sonst mit den Gesetzen und dem GG bzw. seiner Wertordnung zu vereinbaren ist. Eindeutig ideellen Charakter hat ein Boykottaufruf gegen jüdische oder moslemische Lokale und Geschäfte als Teil der religiösen Auseinandersetzung des Christentums mit anderen Religionen, sein Zweck widerspricht aber offensichtlich der Religions- und Glaubensfreiheit (Art. 4 I GG) sowie dem Diskriminierungsverbot (Art. 3 I I I GG) als grundgesetzlich anerkannten Werten, die aus der Menschenwürde (Art. 1 I GG) abgeleitet werden. Ein solcher Boykott, obwohl er prima facie einen ideellen Charakter hat, würde der geistigen Auseinandersetzung zwischen den Religionen wenig dienen. Wenngleich er nicht mit wirtschaftlichem Druck durchgesetzt wird, könnte als wirtschaftlicher Druck auf jüdische bzw. moslemische Geschäftsleute der Druck betrachtet werden, ihren Glauben zu wechseln oder wirtschaftlich/wettbewerblich und gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu werden. Dagegen dient der geistigen Auseinandersetzung der Boykottaufruf gegen einen Film, der die göttliche Natur von Jesus Christus im Sinne der großen christlichen Konfessionen in Frage stellt (vgl. den Film "The last Temptation", der auf dem gleichnamigen Buch des griechischen Schriftstellers Nikos Kazantzakis basiert) 3295 , oder ein Buch, dessen Inhalt für den Islam nach der Auffassung moslemischer Geistlicher als Blasphemie anzusehen ist (vgl. den Fall des Buches "Satanische Verse" des iranischen Schriftstellers Salman Rushdie) 3296 . Als zunächst "legitim" soll ein Boykottaufruf ge3294 y g j

0

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3295 Y g j a u c j 1 dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 81 III 3, mit einem anderen vergleichbaren Beispiel. 3296 Es liegt natürlich auf der Hand, daß eine solche Aktion nicht bis zur Morddrohung gegenüber dem betroffenen Schriftsteller gehen darf.

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

605

gen eine Sekte bzw. einen Film betrachtet werden, dessen Produzent ein Mitglied dieser Sekte ist, die sich objektiv erwiesen krimineller Methoden bedient und ihrerseits gegen grundgesetzliche Werte wie die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das Recht körperlicher Unversehrtheit kämpft - vgl. den Fall Scientology Church/"Mission impossible" -, wenn natürlich diese Sekte als eine solche behandelt werden soll. Dasselbe gilt für den Boykottaufruf gegen eine rechtsradikale Musikgruppe 3297 . Ohne weiteres "legitim" sind Zwecke, die den Umwelt-, Menschenrechts- oder Tierschutz zum Gegenstand haben, die nicht nur nicht verfassungs- bzw. gesetzeswidrig sind, sondern sich vielmehr auf Verfassungs- bzw. Gesetzesgüter beziehen. Was die Wahl des Gegners, gegen den sich der Boykottaufruf richten soll, als Erforderlichkeitsparameter des Verhältnismäßigkeitsprinzips anbelangt, ist zu differenzieren. Denn es gibt oftmals Personen, die nicht in einem unmittelbaren Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen oder sogar gar nichts damit zu tun haben, aber trotzdem von einer Boykottaktion getroffen werden. Im Fall eines von einem Tierschutzverein organisierten Boykotts gegen den Pelzhandel sind nicht nur die Jäger oder die Firmen, die Pelze verarbeiten, sondern auch die Pelzverkäufer betroffen. Ein Boykottaufruf, der sich gegen den Pelzhandel solcher Geschäfte richtet, ist unter diesem Gesichtspunkt legitim 3298 . Ein Boykottaufruf, der sich gegen die Umweltpolitik eines großen Ölkonzerns richtet, trifft auch die Pächter der Tankstellen des Konzerns, die nicht diese Politik verfolgen und eine Änderung dieser Politik nicht beeinflussen können. Sie arbeiten aber unmittelbar mit dieser Firma zusammen, und erst durch den Boykott ihrer Geschäfte kann der verfolgte Zweck, die Verhinderung der Versenkung einer Plattform und damit der Umweltschutz in der Nordsee, erreicht werden, so daß auch sie als der "richtige" Gegner der Boykottaktion betrachtet werden können 3299 . Dagegen kann in diesem Hinblick ein Boykottaufruf gegen sämtliche Produkte eines Landes, dessen Staatspräsident oder Regierung eine von den Boykottierern nicht angenommene Atompolitik treibt, nicht als legitim bezeichnet werden 3300 . Denn die Produzenten oder Händler dieser Produkte haben mit der Ausübung einer solchen Politik überhaupt nichts zu tun, selbst wenn sie in einer repräsentativen Demokratie wie sämtliche westliche Demokratien ihre Regierung bzw. ihren Staatspräsidenten wählen bzw. abwählen können. Ihre

3297

So zutreffend LG Köln GRUR 1994, S. 741 f. (rechtsradikale Musikgruppe), das richtigerweise die Rechtmäßigkeit eines solchen Boykottaufrufs i. S. d. § 1 UWG u. a. unter dem Gesichtspunkt der Legitimierung des zu erreichenden Zwecks (Schutz der Jugend vor dem Einfluß rechtsradikaler und rassistischer Parolen) überprüft hat. 3298 Vgl. OLG Frankfurt DB 1969, S. 698 (Seehundfelle); LG München NJW - RR 1988, S. 55; vgl. aber anders OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 53 (Pelzbranchenboykott). 3299 Vgl. auch Möllers, in: NJW 1996, S. 1377. 3300 Vgl. auch Möllers, in: NJW 1996, S. 1377.

606

Erster Teil: Die Rechtslage in Deutschland

Entscheidung ist Ausfluß mehrerer Faktoren oder eines Faktors, der aber mit der umstrittenen Frage nichts zu tun haben kann. Das ist legitim und zu respektieren. Die Frage der Existenzvernichtung oder -erdrosselung eines Unternehmens als Folge eines Boykotts wurde bisher nicht weiter bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung diskutiert. Das BVerfG hat zwar im Lüth-Urteil vor etwa 40 Jahren diese Frage beantwortet, indem es bei einer Güter- und Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der freien öffentlichen Meinungsauseinandersetzung die Meinungsfreiheit bevorzugt hat, selbst wenn der Betrieb des verrufenen Unternehmers zum Erliegen käme - mit allen denkbaren Konsequenzen (Verlust von Arbeitsplätzen usw.) 3301 . Seitdem haben weder das Verfassungsgericht noch der BGH dazu Stellung genommen 3302 . Diese Aussage wurde zwar in der Rechtsprechung nicht in Frage gestellt, es erscheint aber hier fragwürdig, ob man ohne weiteres an ihr festhalten sollte. Die Frage ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung i. e. S. zu beantworten. "Die Verfolgung der Ziele des Verrufers darf ferner das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung des Angegriffenen oder des Betroffenen nicht überschreiten", hat das BVerfG ausdrücklich dargelegt 3303 . Dasselbe muß auch für das zur Verfügung stehende Mittel, nämlich den Boykott, gelten. Ein Boykott, der zur Existenzvernichtung eines Gewerbebetriebs führt, stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit und das Eigentum seines Gewerbetreibenden dar. Selbst wenn er ansonsten rechtsmäßig ist, sollte er von der Rechtsordnung unter dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Privatrecht (vgl. § 823 I BGB, § 1 UWG u. a.), insbesondere der Wettbewerbsfreiheit, die gegenüber anderen Grundrechten abgewogen werden muß, nicht hingenommen werden. Es ist klar, daß der Zweck eines Boykottaufrufs erst dann erreicht werden kann, wenn der Verrufene Einbußen erleidet 3304 oder diese zu erwarten hat. Der Preis, den er bezahlen muß, darf aber nicht übermäßig hoch sein. Die Existenzvernichtung bzw. -gefährdung, wenn sie höchstwahrscheinlich ist, stellt die Grenzen dar, die bei einer Verhältnismäßigkeits- bzw. Zumutbarkeitsprüfung von den Boykottaufrufern nicht überschritten werden dürfen 3305 .

3301

BVerfGE 7, 198,219. Vgl. aber OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 f. (Seehundfelle). 3303 BVerfGE 62, 230, 244, 247 (Denkzettel-Aktion); vgl. auch BVerfGE 7, 198, 215 (Lüth); OLG Frankfurt NJW - RR 1988, S. 52 f. (Pelzbranchenboykott). 3304 Vgl. auch Möllers, in: NJW 1996, S. 1376. 3305 ygj u n t e r d i e s e m Aspekt die Darlegungen des OLG Frankfurt DB 1969, S. 697 f. (Seehundfelle); eine Verhältnismäßigkeitsprüfung des Boykottaufrufs i. e. S. bejaht im allgemeinen Möllers, in: NJW 1996, S. 1377, ohne auf den Topos der Existenzvernichtung zu rekurrieren. 3302

C. Die Wettbewerbsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen

607

Die gerichtliche Zulassung eines Boykottaufrufs entgegen diesen Darlegungen hätte eine Verletzung der Wettbewerbsfreiheit der verrufenen Unternehmer zur Folge, wie sie aus den Art. 12 I und 14 11 GG resultiert 3306 . Infolgedessen spielt sie bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Boykottaktion im Sinne ihrer Verhältnismäßigkeit und der Güterabwägung auch unter Berücksichtigung der neuen Aspekte eine nicht geringe Rolle 3307 .

3306 £ u r Einschlägigkeit der Art. 121, 141 GG in der betroffenen Konstellation vgl. auch Oldiges, in: FS Friauf, S. 287. Hier muß man bezüglich der grundrechtlichen Positionen der ausländischen Produzenten und Händler Vorsicht walten lassen. Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, können sich Ausländer nicht auf Art. 12 I GG berufen. Sie können aber die allgemeine Handlungsfreiheit geltend machen. Wenn sie juristische Personen des Privatrechts sind, dürfen sie das jedoch auch nicht, da sie nach Art. 19 III GG aus dem Grundrechtsschutz ausgeschlossen sind. Sie können aber ihre Rechte aus dem einfachen Recht oder dem Völkerrecht (vgl. Art. 25, 59 II GG) bzw. EU-Recht geltend machen. Sie dürfen aber keine Verfassungsbeschwerde erheben. Das wäre nur bei einer Importfirma mit Sitz in Deutschland möglich, die als "inländische juristische Person" i. S. d. Art. 19 III GG betrachtet werden kann. 3307 ygj hier Oeter, in: AÖR 1994, S. 536, und seinen Argumentationstopos unter dem Gesichtspunkt der grundrechtlichen Schutzpflicht des Zivilrichters; zustimmend Oldiges, in: FS Friauf, S. 287.

Zweiter Teil

Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassungsordnung Bisher wurde der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit auf der Ebene des deutschen Verfassungsrechts untersucht. Nunmehr soll überprüft werden, ob und inwiefern ein entsprechender Grundrechtsschutz für die Wettbewerbsfreiheit auch auf europäischer Ebene in Betracht kommen kann. Um diese Fragestellung untersuchen zu können, muß sich jedoch zuerst zeigen, daß die Rechtsordnung der EG bzw. EU auch aus einer verfassungsrechtlichen Ordnung besteht, die ihr "Verfassungsrecht" darstellen könnte. Dann soll untersucht werden, ob dieses Verfassungsrecht auch eine Wirtschaftsverfassung enthält und ob im Rahmen dieser Wirtschaftsverfassung die Wettbewerbsfreiheit als subjektives Grundrecht garantiert wird. Der sog. Maastrichter Vertrag - Vertrag über die Gründung der Europäischen Union (EUV) v. 07. 02. 1992 (BGBl. II, 1253) - hat mit der Gründung der Europäischen Union (EU) eine andere, neue Dimension in die Diskussion über die Rechtsqualität als supranationale1 oder zwischenstaatliche Organisation eingebracht: die Staatenunion bzw. den Staatenverbund2. Parallel wurde auch mit der Änderung der drei Verträge eine neue Diskussion über das europäische Verfassungsrecht und seine Beziehung zu den bisherigen europäischen Gemeinschaften und nun zur EU entfacht. Deswegen erscheint es sinnvoll, nach einer Problemdarstellung des europäischen Verfassungsrechts die Fragen zu klären, die die Rechtsqualität der EU und ihr Verhältnis zu den europäischen Gemeinschaften, insbesondere zur EG und ihrem Verfassungsrecht, betreffen 3.

1 Zum Begriff der Supranationalität vgl. Breitenmoser, in: ZaöRV 1995, S. 972 ff, und insbesondere in bezug auf die Europäischen Gemeinschaften Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 224 f. 2 Vgl. ausführlich dazu Oppermann, in: Hommelhoff/Kirchhof (Hg.): Der Staatenverbund, S. 87 ff., sowie die übrigen Beiträge in Hommelhoff/Kirchhof (Hg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union; vgl. auch BVerfGE 89, 155, 183 f. (Maastricht). 3 Mittlerweile ist im Oktober 1997 der Vertrag von Amsterdam nach dem Beschluß des Europäischen Rates im Juni desselben Jahres in der gleichnamigen niederländischen Stadt von den 15 EU-Staaten unterschrieben worden. Der Vertrag, der sowohl den EUals auch den EG-Vertrag sowie die Numerierung in beiden Verträgen verändert hat, ist Anfang 1999 in Kraft getreten. Aus technischen Gründen kann die neue Numerierung des EU- und EG-Vertrages nicht berücksichtigt werden. Vereinzelt werden aber einige

Α. Das europäische Verfassungsrecht

609

Α. Das europäische Verfassungsrecht I . Konzeption Weder die EU und noch weniger die Europäischen Gemeinschaften können als "Staaten", auch nicht als "Bundesstaaten", im traditionellen Sinne betrachtet werden 4. Es fehlen ihnen zunächst einmal Souveränität im völkerrechtlichen Sinne5 sowie auch alle drei grundsätzlichen Elemente (Staatsgebiet, Staatsgewalt, Staatsvolk), die einen "Staat" kennzeichnen6. Außerdem rührt ihre Legitimation aus den Mitgliedsländern, bei denen nach wie vor die verfassungsgebende Gewalt (Kompetenz-Kompetenz) liegt 7 . Von einer Staatlichkeit kann deswegen keine Rede sein. Gilt dies genauso für das Verfassungsrecht der Gemeinschaften? Die gerade erwähnten Begründungen sowie die Argumente, daß die Verträge als völkerrechtliche Verträge geschlossen wurden 8 und "nur eine thematisch begrenzte (nämlich final auf Errichtung und Funktionieren des Gemeinsamen bzw. Binnenmarktes), wenngleich sachlich weitreichende Hoheitsgewalt konstituiert ha-

Bestimmungen dieser Verträge, die für die vorhandene Untersuchung in der Version des Amsterdamer Vertrages von Interesse sind, sowie neue, mit diesem Vertrag eingefügte Bestimmungen dargestellt. 4 So zu den EG BVerfGE 75, 223, 242; Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 70 f.; Zuleeg, in: Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 75; Kutscher, Grundrechtsschutz, S. 36; Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 20; Schwarze, in: ders. (Hg.): Eine Verfassung für Europa, S. 24; Steinberger, in: VVdDStRL, 1991, S. 16; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 47 ff.; Oppermann, in: Hommelhoff/Kirchof (Hg.), Der Staatenverbund, S. 92; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 44 f.; ders., in: JA 1994, S. 600; Grimm, in: JZ 1995, S. 585; zur Nicht-Staatlichkeit der EU vgl. Seidel, in: EuR 1992, S. 130; Oppermann,

in: Hrbek (Hg.): Der Vertrag von Maastricht in der wissenschaftlichen Kontroverse, S. 109; ders., in: Hommelhoff/Kirchof (Hg.), Der Staatenverbund, S. 90, 94; Tomuschat, in: EuGRZ 1993, S.491 f.; ders., in: DVB1. 1996, S. 1075; Müller-Graff,

in:

Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 5, 52; Commichau, in: JA 1994, S. 601; Grimm, in: JZ 1995, S. 584; Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 20 f.; Steinberger, in: FS Bernhard, S. 1321 f.; Giegerich, in: JuS 1997, S. 39. 5 So BVerfGE 75, 223, 242; Steinberger, in: VVdDStRL, 1991, S. 17. 6 So Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 49 f.; Oppermann, in: Hommelhoff/Kirchof (Hg·), Der Staatenverbund, S. 91; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 111; Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 20 f.; Wechsler, Verfassungswerdung, S. 75 f. 7 So BVerfGE 75, 223, 242; 89, 255, 184, 195 ff. (Maastricht); Steinberger, in: VVdDStRL, 1991, S. 22; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 53; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 44; ders., in: JA 1994, S. 600; Herdegen, in: FS

Everling, S. 450; Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 21; vgl. auch Grimm, in: JZ 1995, S. 586. 8 Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 54 (m. w. N). 39 Tsiliotis

610

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

ben" 9 , sprechen dagegen10. Trotzdem wird zu Recht anerkannt, daß nicht nur die Verträge als geschriebenes Recht, sondern auch andere Rechtsgrundsätze und -quellen als ungeschriebenes Recht das Verfassungsrecht der Gemeinschaften darstellen 11. Die Staatsnähe der EG 12 , der eigenständige Charakter des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem innerstaatlichen Staatsrecht der Mitgliedsländer einerseits und dem Völkerrecht andererseits 13, die Funktion der europäischen Verträge in der europäischen Integration, in denen Gegenstände geregelt werden, die in den nationalen Rechtsordnungen Gegenstand einer Verfassungsregelung sind 14 , ihr Inhalt, nach dem Kompetenzen, Rechte und Pfliçhten begründet 15 sowie grundsätzliche Wertfragen geregelt worden sind 16 , 9

So Steinberger, in: VVdDStRL, 1991, S. 19. Vgl. dazu die Argumentation Bleckmanns, Europarecht, Rd. 243 ff; vgl. zu den Grenzen der Gemeinschaftsverfassung Rodrigues Iglesias, in: EuGRZ 1996, S. 129 f. 11 Vgl. dazu Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 74 f.; Zuleeg, Wirtschaftsund gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 75 (m. w. N.); Pescatore, in: FS Kutscher, S. 323 ff.; Grabitz, in: GS Sasse, S. 108 ff.; Stadler, Berufsfreiheit, S. 369; Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 19 (m. w. N.); Schwarze, in: ders. (Hg.): Der Europäische Gerichtshof, S. 15; ders., Verfassungsentwicklung, S. 23 ff.; Müller-Graff, in: FS Karstens, S. 210; ders., Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 67 ff.; ders., in: MüllerGraff/Riedel, Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 56 ff; Frowein, in: FS Maihofer, S. 150 ff.; ders., in: EuR - Beiheft 1 - 1992, S. 65; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 44; 10

Pernice, in: NJW 1990, S. 2410; H.-P. Ipsen, in: FS Dürig, S. 172; Häberle, in: EuGRZ

1991, S. 263, der den Begriff "gemeineuropäisches Verfassungsrecht" benutzt; Steinberger, in: VVdDStRL, 1991, S. 18 ff.; Bieber, in: Wildermann (Hg.): Staatswerdung Europas?, S. 394 ff.; ders., in: DVB1. 1996, S. 1337; Oppermann, Europarecht, Rd. 394 ff.; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 40 ff., der an anderer Stelle, S. 126 f., von der "Gemeinschaftsverfassung als Verfassung sui generis" spricht; Wechsler, Verfassungswerdung, S. 79 ff.; Rodrigues Iglesias, in: EuGRZ 1996, S. 125, 131; Giegerich, in: JuS 1997, S. 39; zu eng Matthies, in: GS Sasse, S. 115 ff.; Grimm,

in: JZ 1995, S. 586, spricht von "Verfassung nicht im Vollsinn des Begriffes"; dagegen stellt Koenig, in: DÖV 1998, S. 268 ff., die ganze Verfassungsdiskussion in der EG/EU insgesamt in Frage. 12

So Bieber/Schwarze,

Verfassungsentwicklung, S. 22; Oppermann, Europarecht,

Rd. 394; Grimm, in: JZ 1995, S. 585; Giegerich, in: JuS 1997, S. 39; vgl. auch Scherer,

Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 71 (m. w. N.). 13 Eigenständigkeit, die der EuGH ständig hervorgehoben hat - so 1962, S. 97, 110 (Kledingverkoopbedrijf de Geus); 1963, S. 5, 24 f. (van Gend & Loos); 1964, S. 1251, 1269 (Costa/ENEL); 1987, S. 2345, 2359, Rd. 14 (Albako); vgl. auch BVerfGE 22, 293, 296; 31, 145, 174; 37, 271, 277 f. (Solange I); vgl. im Schrifttum statt aller Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 19 f., 22; Schwarze, in: FS Carstens, S. 262; Breitenmoser, in: ZaöRV 1995, S. 977 (m. w. N.). 14 So Pescatore, in: FS Kutscher, S. 326 ff; Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 20; Steinberger, in: VVdDStRL, 1991, S. 19; Bieber, in: Wildermann (Hg.): Staatswerdung Europas, S. 396; Grimm, in: JZ 1995, S. 585 f. (m. w. N. in der Fn. 24 dort); Giegerich, in: JuS 1997, S. 39. 15 Vgl. zu diesem Argument Pescatore, in: FS Kutscher, S. 323 ff.; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 41. 16 So Pescatore, in: FS Kutscher, S. 330 f.

Α. Das europäische Verfassungsrecht

611

ihr Rangverhältnis mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht, die dem entsprechenden Rangverhältnis Verfassungsrecht - einfaches Recht ähnelt 17 , sowie die Ableitung verfassungsrechtlicher Grundsätze und grundrechtlicher Freiheiten aus der Rechtsprechung des EuGH sprechen zweifelsohne für die Anerkennung einer "Verfassung" und eines Verfassungsrechts der Europäischen Gemeinschaften 18, das sich in einer ständigen Entwicklungsphase befindet 19 .

I I . Quellen und Inhalt 7. Geschriebenes Verfassungsrecht Das Verfassungsrecht der Gemeinschaften wird in zwei Kategorien eingeteilt: in das geschriebene und in das ungeschriebene Verfassungsrecht. Wichtigster Bestandteil des geschriebenen Verfassungsrechts sind die Verträge der Gemeinschaften 20 - der Vertrag über die Gründung der EGKS v. 18. 04. 1951 (EGKSV - BGBl. 1952 II, 447), der Vertrag zur Gründung der EWG v. 25. 03. 1957 (EWGV - BGBl. II, 766) und der Vertrag zur Gründung der EAG v. 25. 03. 1957 (EAGV - BGBl. II, 1014), die inzwischen jeweils mit einer Reihe von Änderungen und Ergänzungen versehen sind 21 . Es muß hier jedoch betont werden, daß von den drei Verträgen zu Recht dem EWGV eine besondere Rolle als die "Verfassung der Gemeinschaft" beigemessen wird 2 2 . Darüber hinaus kommt eine große Zahl weiterer völkervertraglicher, ratifizierter Rechtsakte hinzu: Dies sind zum einen die verschiedenen Annexe zu den Verträgen

17

So auch Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 74; Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 20; Oppermann, Europarecht, Rd. 395; Müller-Graff in: Müller-Graff/Riedel (Hg.): Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 57. 18 Vgl. ausführlich zur Diskussion und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Verfassung und das Verfassungsrecht der Gemeinschaften bei Müller-Graff in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 60 ff. 19 Vgl. dazu Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 31 ff; H.-P. Ipsen, in: Schwarze (Hg.), Der Europäische Gerichtshof, S. 32; Schwarze, in: ders. (Hg.): Eine Verfassung für Europa, S. 35 ff.; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 45 f.; Wechsler, Verfassungswerdung, S. 82 f. 20 Vgl. dazu Pescatore, in: FS Kutscher, S. 323 ff.; Pernice , in: NJW 1990, S. 2410; Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 50 f.; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 40 f., 43; Giegerich, in: JuS 1997, S. 39. 21 Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 20. 22 Vgl. dazu EuGHE 1991 I, S. 6079, 6102, Rd. 21 (Gutachten zum Europäischen Wirtschaftsraum); vgl. weiterhin Steinberger, in: VVdDStRL, 1991, S. 18 (m. w. N.); Mestmäcker, Die Wirtschaftsverfassung, S. 8; Oppermann, in: Hommelhoff/Kirchof (Hg.), Der Staatenverbund, S. 94 f.; Seidel, in: FS Everling, Band II, S. 1394; Bieber, in: DVB1. 1996, S. 1337 f.; Rodriguez Iglesias, in: EuGRZ 1996, S. 125, der den "fundamentalen Charakter" des EGV nach dem Inkrafttreten des EUV 1993 für das Verfassungsrecht der Gemeinschaft hervorhebt.

612

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

(Protokolle, Abkommen, Übereinkommen und dergleichen), wie ζ. B. das Abkommen über die gemeinsamen Organe der Gemeinschaften von 1957, der Fusionsvertrag von 1965, der Direktwahlbeschluß von 1976 und die Einheitliche Europäische Akte von 1986, zum anderen auch die Beitrittsverträge von 1972 (UK, Dänemark, Irland), 1979 (Griechenland), 1985 (Portugal, Spanien) und 1994 (Finnland, Österreich, Schweden)23.

2. Ungeschriebenes Verfassungsrecht Genauso wichtig wie das geschriebene ist auch das ungeschriebene Verfassungsrecht 24 der Gemeinschaften. Es besteht aus dem Gemeinschaftsgewohnheitsrecht, den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den Grund- und Menschenrechten im Gemeinschaftsrecht. Das Gemeinschaftsgewohnheitsrecht wird durch ständige Übung in Rechtsüberzeugung der Gemeinschaftsorgane gekennzeichnet. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze werden aus den gemeinsamen Rechtsgrundsätzen der Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten gebildet 25 . Es wird anerkannt, daß die Erwähnung dieser Rechtsquelle in Art. 215 I I EGV und Art. 188 I I EAGV für die außervertragliche Haftung nur beispielhaften Charakter hat 26 . Die Rechtsprechung des EuGH hat eine Vielzahl solcher Rechtsgrundsätze herausgearbeitet, die sich von den Strukturprinzipien der Gemeinschaften wie Demokratie, Rechts-27 und Sozialstaatlichkeit, Gewaltenteilung, bundesstaatsähnlichen Strukturen usw. ableiten lassen28. "Einfallstore" für diese Rechtsquelle stellen die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten29 sowie die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (vgl. auch

23

Zu diesen Quellen des primären Gemeinschaftsrechts vgl. Pernice , in: NJW 1990, S. 2410; Oppermann, Europarecht, Rd. 396 ff.; Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 50 f. 24 Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 51, bezeichnet es als die "Realverfassung" der Gemeinschaft. 25 So Oppermann, Europarecht, Rd. 404; vgl. auch Hartley, The Foundations, S. 131. 26 So Oppermann, Europarecht, Rd. 404. 27 Zuleeg, in: FS Carstens, S. 299, vermeidet den Begriff "Rechtsstaatsprinzip" oder "Prinzip der Rechtsstaatlichkeit" für das Europäische Gemeinschaftsrecht, soweit die Gemeinschaft kein "Staat" ist, und bevorzugt stattdessen den Begriff "Rechtsprinzip"; in diese Richtung auch Müller-Graß,\ in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 145. 28 De Witte, in: Legal Issues of European Integration 1991, S. 7 ff; Oppermann, Europarecht, Rd. 406; Häberle, in: EuGRZ 1991, S. 263 ff.; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 145; Wechsler, Verfassungswerdung, S. 76 f. 29 Oppermann, Europarecht, Rd. 406; sich ihm anschließend Häberle, in: EuGRZ 1991, S. 264; vgl. auch Frowein, in: FS Maihofer, S. 150 ff, unter dem Aspekt der europäischen Homogenität; zu diesem Aspekt vgl. weiterhin H.-P. Ipsen, in: FS Dürig, S. 173 ff.

Α. Das europäische Verfassungsrecht

613

Art. 25 GG) 3 0 dar. Unter letzteren versteht man das Völkergewohnheitsrecht i. S. d. Art. 381 lit. b IGH-Statut und die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze i. S. d. Art. 38 I lit. c IGH-Statut 31 , die aber nicht mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts verwechselt werden dürfen 32 , denn letztere gehören zu dem Völkergewohnheitsrecht i. S. d. lit. b dieser Vorschrift. Auch Art. 164 EGV wird als Grundlage des EGV für die Ableitung rechtsstaatlicher Grundsätze herangezogen 33. Unterdessen gelten folgende Prinzipien als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts: wichtige rechtsstaatliche Prinzipien wie das Verhältnisund Gesetzmäßigkeitsprinzip 34, die Rechtsklarheit und -Sicherheit, das Vertrauensschutzprinzip und der Begründungszwang bei Rechtsakten, Prinzipien sozialstaatlichen Charakters wie das Solidaritätsprinzip, bundesstaatliche oder bundesstaatsähnliche Bindungen wie der Grundsatz der Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten und ihre Mitwirkungspflichten im Verhältnis zur Gemeinschaft 3 5 3 6 . Den wichtigsten Teil des ungeschriebenen Verfassungsrechts der Gemeinschaften stellen jedoch die Grund- und Menschenrechte dar 37 . Sie ergeben sich als allgemeine Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten - als solche wurden sie von der Rechtsprechung des EuGH konzipiert - und sind einer der

30

Oppermann, Europarecht, Rd. 406, 408. Vgl. dazu statt aller Steinberger, in: HdDStR, VII, § 173, Rd. 8; zu einer Rechtsvergleichung über die allgemeinen Regeln des Völkerrechts oder Regeln des allgemeinen Völkerrechts in verschiedenen Ländern der EU vgl. Wildhaber/Breitenmoser, in: ZaöRV 1988, S. 163 ff. 32 So aber unzutreffend Oppermann, a. a. O., Rd. 406; dagegen wie hier Steinberger, in: HdDStR, a. a. O., Rd. 18 (m. w. N.). 31

33

So Hartley, The Foundations, S. 130; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 42; vgl.

weiterhin die Nachweise unten sub 3 a. 34 Zur Verhältnismäßigkeit als Verfassungsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht vgl. inzwischen Art. 3 b III EGV und statt aller Pollak, Verhältnismäßigkeitsprinzip und Grundrechtsschutz, S. 39 ff.; Rodrigues Iglesias, in: EuGRZ 1996, S. 129. 35 Vgl. dazu Oppermann, Europarecht, 407; vgl. auch Zuleeg, in: EuR 1982, S. 21 ff.; Frowein, in: FS Maihofer, S. 151; Scholz, in: FS Steindorff, S. 1414 ff.; De Witte, in: Legal Issues of European Integration 1991, S. 13 ff.; Häberle, in: EuGRZ 1991, S. 263 ff.; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 24 ff.; Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 51; Schwarze, in: ders. (Hg.): Vom Binnenmarkt, S. 13 ff.; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 36 f.; Rodrigues Iglesias, in: EuGRZ 1996, S. 128 f. 36 Vgl. inzischen den neuen Art. 6 I EU-Vertrag/Amsterdam. 37 Zu den Grundrechten als Quelle des ungeschriebenen primären Gemeinschaftsrechts vgl. Oppermann, Europarecht, Rd. 411 ff; Badura, Der Bundesstaat Deutschland, S. 25; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 38 ff.; Rodrigues Iglesias, in: EuGRZ 1996, S. 129.

614

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

wichtigsten Faktoren der richterrechtlichen Rechtsfortbildung im Verfassungsrecht der Gemeinschaften. Zu diesen gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten erfolgen später nähere Ausführungen 38. Zuletzt soll hier hervorgehoben werden, daß das ungeschriebene primäre Gemeinschaftsrecht oder Verfassungsrecht der Gemeinschaften den gleichen Rang wie das geschriebene primäre Gemeinschaftsrecht bzw. Verfassungsrecht besitzt 39 . Überträgt man die verfassungsrechtliche Terminologie der jeweiligen Mitgliedsländer mutatis mutandis auf das Gemeinschaftsrecht 40, so kann man sagen, daß die Verträge, insbesondere der EWG-Vertrag (inzwischen EGVertrag), die formelle "Verfassung" 41 oder "Verfassung" i. e. S. und die gesamten Quellen des primären Gemeinschaftsrechts die materielle "Verfassung" oder "Verfassung" i. w. S. oder das Verfassungsrecht der Gemeinschaften darstellen42.

3. Entwicklung des europäischen Verfassungsrechts

nach dem EU-Vertrag

Es wurde bereits dargelegt, daß die EU, welche mit dem EUV gegründet wurde, immer noch keine Staatsqualität hat - nicht ungerechtfertigt wurde sie als Staatenverbund qualifiziert 43 . Im Gegensatz zu den Europäischen Gemeinschaften ist umstritten, ob die EU eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt 44 . In-

38

s. unten sub C I. Oppermann, Europarecht, Rd. 401, 410, 418; vgl. auch bezüglich des Ranges der Gemeinschaftsgrundrechte in der Rechtsordnung der EG und ihr Verhältnis mit dem geschriebenen primären Gemeinschaftsrecht die Nachweise unten sub C II 5 b bb. 40 Vgl. dazu Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 13 ff. (mit weiteren Hinweisen nicht nur auf die deutsche, sondern auch auf die Literatur anderer europäischer Länder). 41 So Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 50 f. 42 Vgl. auch Bieber/Schwarze, Verfassungsentwicklung, S. 20; Schwarze, in: ders. (Hg.): Eine Verfassung für Europa, S. 17 ff., 24 f.; Bieber, in: DVB1. 1996, S. 1338, der aber aus der materiellen "Verfassung" der EG/EU die Vorschriften mit "technischem" Inhalt der Verträge herausnimmt. 43 So BVerfGE 89, 155, 183, 185 (Maastricht). Der Begriff geht auf P. Kirchhof zurück - vgl. P. Kirchhof, in: HdDStR, VII, § 183, Rd. 50 ff.; vgl. auch Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 27; Oppermann, in: Hommelhoff/Kirchof (Hg.), Der Staatenverbund, S. 87 ff.; Steinberger, in: FS Bernhardt, S. 1321 ff; skeptisch Isensee, in: FS Everling, Band I, S. 582 f.; a. A. Dörr, in: EuR 1995, S. 335 ff.; vgl. auch den Begriff "Verbund demokratischer Staaten", der in BVerfGE, a. a. O., S. 184, benutzt wird. 44 Gegen eine eigene Rechtspersönlichkeit: Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 74; Oppermann, in: Hommelhoff/Kirchof (Hg.), Der Staatenverbund, S. 90; Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 21 ff.; Everling, in: FS Mestmäcker, S. 365, Fn. 2 (dort); für eine eigene Rechtspersönlichkeit: Ress, in: JuS 1992, S. 986; Bleckmann, in: NVwZ 1993, S. 824; Dörr, in: EuR 1995, S. 343; weitere Literaturnachweise zu einer Pro- und Contra-Diskussion bei Beyer, in: Der Staat 1996, S. 193, 39

Α. Das europäische Verfassungsrecht

615

folgedessen kann man nicht von dem EUV als der "Verfassung" der EU sprechen45. Trotzdem hat das Inkrafttreten des EUV das europäische Verfassungsrecht nicht unberührt gelassen, es hat sogar zu seiner Fortentwicklung geführt 46. Die EU ist bildlich als das Dach dargestellt worden, welches sich auf drei bzw. fünf Säulen stützt 47 . Die drei bisherigen Europäischen Gemeinschaften, wobei die EWG vom EUV zur EG umbenannt wurde, die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik (vgl. Art. J EUV) und die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (vgl. Art. Κ EUV) bilden den gesamten Unterbau der EU. Die drei Gemeinschaften haben aber dadurch weder ihre Rechtspersönlichkeit noch ihre Eigenständigkeit verloren (vgl. Art. 211 EGV, Art. 185 EAGV, Art. 6 I I I EGKSV) 48 . Demzufolge hat auch das Verfassungsrecht der Gemeinschaften seine Eigenständigkeit gegenüber der EU und dem EUV beibehalten49, selbst wenn es durch ihn verändert wurde. In diesem Sinne knüpft der EUV an das bestehende Verfassungsrecht der Gemeinschaften an 50 und gilt teilweise als eine der verschiedenen Quellen des (geschriebenen) Verfassungsrechts der Gemeinschaften - genauso wie die EEA, die ebenfalls die Verträge verändert hat 51 . Richtiger ist es, immer noch von dem Verfassungsrecht oder der "Verfassung" der Gemeinschaften zu sprechen. Dieses Verfassungsrecht stellt den GeFn. 22 (dort), und eine ausführliche Auseinandersetzung über die Frage bei v. Bogdany/Nettesheim,

in: EuR 1996, S. 3 ff.

45

Badura, Der Bundesstaat Deutschland, S. 24 f.; Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 74; Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 20; Koenig, in: NVwZ 1996, S. 552, der statt dessen den Begriff "Grundstatut der Europäischen Union vorschlägt"; differenzierend Oppermann, in: Hrbek (Hg.): Der Vertrag von Maastricht in der wissenschaftlichen Kontroverse, S. 108. 46 So Seidel, in: EuR 1992, S. 125 ff.; Oppermann, in: Hrbek (Hg.): Der Vertrag von Maastricht in der wissenschaftlichen Kontroverse, S. 110 ff. 47

Baetge, in: BayVBl. 1992, S. 711; Ress, in: JuS 1992, S. 986; Beutler, in:

B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 73; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 5, 42 f.; Oppermann, in: Hommelhoff/Kirchof (Hg.), Der Staatenverbund, S. 90; Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 32; Streinz, Europarecht, Rd. 69 f.; Giegerich, in: JuS 1997, S. 39; vgl. auch Weber, in: Hrbek (Hg.): Der Vertrag von Maastricht in der wissenschaftlichen Kontroverse, S. 126; Breitenmoser, in: ZaöRV 1995, S. 972; kritisch dagegen zu diesen Begriffen v. Bogdany/Nettesheim, in: EuR 1996, S. 7 f.; vgl. ferner zum Verhältnis der Europäischen Gemeinschaften mit der EU und ihren beiden anderen Säulen BVerfGE 89, 155, 175 ff. (Maastricht). 48 So Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 3; Dörr, in: EuR 1995, S. 344; Streinz, Europarecht, Rd. 121 b. 49 So zutreffend Badura, Der Bundesstaat Deutschland, S. 24. 50 Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 74. 51 So auch Seidel, in: EuR 1992, S. 126; Beutler, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 51; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 4; Mestmäcker, in: FG Willgerodt, S. 265; zu einer Entwicklung der Verfassungsdiskussion in der EU nach dem EUV vgl. Läufer, in: GS Grabitz, S. 355 ff.; Bieber, in: DVB1. 1996, S. 1337 ff.

616

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

genstand der vorhandenen Untersuchung sowohl im Bereich der Wirtschaftsverfassung, als auch im Bereich des Grundrechtsschutzes und der Einordnung der Wettbewerbsfreiheit in beide Bereiche dar, wobei der Schwerpunkt der Untersuchung auf dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) - ehemals EWGV, bevor er nach Art. G des EUV umbenannt wurde - liegt.

B. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft I. Allgemeines Die Diskussion über die Wirtschaftsverfassung oder das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft folgt unvermeidbar der Diskussion über ihre Verfassung oder über das Verfassungsrecht. Eine Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft war aus mehreren Gründen in Frage gestellt worden 52 , aber was über die Begründung eines Gemeinschaftsverfassungsrechts dargelegt wurde, gilt analog ebenso für die Begründung eines Wirtschaftsverfassungsrechts der EG, insbesondere angesichts des starken wirtschaftlichen Charakters des EGV. Selbst wenn man eine "Verfassung" der EG ablehnt, kann man dies nicht bezüglich einer Wirtschaftsverfassung des EGV tun 53 : Der EGV ist überwiegend eine Wirtschaftsverfassung 54. Genauso wie bei der Wirtschaftsverfassung in der deutschen Rechtsordnung, interessiert auch bei der Rechtsordnung der EG die Wirtschaftsverfassung i. e. S. 55 wie sie bereits oben 56 definiert wurde 57 . Sie bezieht sich auf das primäre Gemeinschaftsrecht und kann als die verfassungsbzw. vertragsrechtliche Ordnung des Wirtschaftslebens der EG bezeichnet werden 58. Ihre Quellen werden entsprechend in zwei Teile geteilt: in den Teil

52

Vgl. auch die Bemerkung Oppermanns, Europarecht, Rd. 805, daß es sich um eine "unvollständige Verfassung" handele. 53 Selbst Bleckmann, ein Gegner der Ansicht, daß die Gemeinschaft eine "Verfassung" bzw. "Verfassungsrecht" habe, spricht in GS Sasse II, S. 678 f., von der "Wirtschaftsverfassung der EG". 54 Vgl. Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 82 ff. 55 So auch Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 55; Petersmann, in: EuZW 1993, S. 593, Fn. 4 (dort). 56 s. oben sub erster Teil A l l . 57 Vgl. zu Gemeinsamkeiten der deutschen und der europäischen Auseinandersetzung über die Wirtschaftsverfassung Zuleeg, Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 73 f. 58 Vgl. dazu Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 81.

Β. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

617

des geschriebenen und den des ungeschriebenen bzw. in den des formellen und des materiellen Wirtschaftsverfassungsrechts 59.

I I . Inhalt 1. Das geschriebene Wirtschaftsverfassungsrecht

der EG

Man wird sich hier auf die Wirtschaftsverfassung der EG konzentrieren, wie sie sich aus dem EGV ergibt. Die wichtigste, wenn nicht die einzige Quelle der geschriebenen Wirtschaftsverfassung der EG ist der EGV, besonders nach der Veränderung durch die EEA und den EUV, also in seiner heutigen Geltung. Es ist hier darauf hinzuweisen, daß diese Vertrags- bzw. Verfassungsänderungen auch, oder genauer gesagt, vor allem erhebliche wirtschaftsverfassungsrechtliche Änderungen mit sich gebracht haben. Gerade deswegen sollte man die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft systematisch nicht nur in ihrer zeitlichen 60 , sondern vielmehr auch in ihrer inhaltlichen Entwicklung beschreiben und darstellen.

a) Die Wirtschaftsverfassung des ursprünglichen EWGV Der ursprüngliche EWGV enthielt elementare Prinzipien, auf denen die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft basierte und die die Wirtschaftsordnung der EWG gestalteten61. Die wichtigsten dieser wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsätze waren die Errichtung des Gemeinsamen Marktes, die Marktgleichheit und das Wettbewerbsprinzip. Im Mittelpunkt bzw. an der Spitze der Wirtschaftsverfassung der EWG stand der Grundsatz der Errichtung des Gemeinsamen Marktes, der nach Art. 2 EWGV als die erste und wichtigste Aufgabe der EWG charakterisiert wurde 62 . Art. 2 EWGV enthielt darüber hin59

Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 84 ff.; Oppermann, in: MüllerGraff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 55; Petersmann, in: EuZW 1993, S. 593, Fn. 4 (dort). 60 Vgl. dazu Vollmer, in: DB 1993, S. 25, der die Entwicklung der Wirtschaftsverfassung der EG in drei Phasen unterteilt: Die erste umfaßt die Zeit von der Gründung der EWG (1957) bis zum Inkrafttreten der EEA (1986), die zweite die Entwicklung von 1986 bis zum Inkrafttreten des EUV (1993) und die dritte die inzwischen vergangene Zeit. Dieser Unterteilung wird auch hier gefolgt. 61 So Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 87 ff. 62 So Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 87 ff., 103 f.; Zuleeg, in: Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 76; Matthies in: GS Sasse, S.122; Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 57 f.; ders., Europarecht, Rd. 807; Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594; zum Begriff "Gemeinsamer Markt" im Sinne des EWGV vgl. mehr bei Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 89 ff.; Bleckmann, in: MDR 1986, S. 5 ff.

618

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

aus noch andere Aufgaben der Gemeinschaft, die nicht den grundsätzlichen Charakter der Errichtung des Gemeinsamen Marktes hatten. Die Wichtigkeit dieses Prinzips lag in seinem Zusammenhang mit einer Vielzahl von Vorschriften des EWGV, die dieser Errichtung dienten. Art. 3 lit. a und c (Gemeinsamer Markt als Ziel der Gemeinschaft), 5 (Aufgaben der Mitgliedsstaaten), 8 (Übergangszeit für die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes), 9 ff. und 12 ff. (Verwirklichung der Zollunion), 30 ff. (freier Warenverkehr), 48 ff. (Freizügigkeit der Arbeitnehmer), 52 ff. (Niederlassungsfreiheit), 59 (Dienstleistungsfreiheit), 67 ff. (freier Kapitalverkehr), 85 ff. (Wettbewerbsregeln), 91 (Dumpingverbot), 92 ff. (Beihilfenverbot), 95 ff. (steuerliche Vorschriften), 100 (Angleichung der Rechtsvorschriften), 106 ff. (Zahlungsverkehrsfreiheit) EWGV konkretisierten den Art. 2 EWGV und stellen den Inhalt des Grundsatzes für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes dar 63 . Fundament des zweitwichtigsten Grundsatzes, der Marktgleichheit, ist das Diskriminierungsverbot nach Art. 7 I EWGV. Diese Vorschrift i. V. m. Art. 3 lit. c und f, 5 EWGV, die Vorschriften über die fünf Grundfreiheiten (als Diskriminierungsverbote) und die Wettbewerbsregeln bestimmten das Marktgleichheitsprinzip 64 . Das Wettbewerbsprinzip stellte den dritten Eckpfeiler der Wirtschaftsverfassung des EWGV dar 65 . Es bestand aus dem freien (und unverfälschten) 66 Wettbewerb als objektiv-rechtlichem Rechtsgrundsatz oder -institut 67 und der Wettbewerbsfreiheit als subjektivem Grundrecht 68 . Es war zum einen Ausfluß der zwei anderen Eckpfeiler der Gemeinschaftswirtschaftsverfassung, zum anderen ihr Bestandteil. Denn der Gemeinsame Markt und die Marktgleichheit können ohne Wettbewerbsfreiheit und freien Wettbewerb nicht funktionieren. Art. 2, 3

63 So auch Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 92 ff.; Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 58; Behrens, in: EuR 1992, S. 145; Müller-Graff in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 103 ff.; Langer, Grundlagen, S. 102; vgl. auch zur Verbindung der Art. 2, 3 und 30 ff. EGV für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes 1991 I, S. 1223, 1269, Rd. 41 (Frankreich/Kommission). 64 So Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 93, 104 f., 119 f. 65 Vgl. dazu Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 98, 134 ff.; Zuleeg, in: EuR 1982, S. 27 f.; Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 61; ders., Europarecht, Rd. 809; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 105; vgl. auch Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594; Vollmer, in: DB 1993, S. 25; Wechsler, Verfassungswerdung, S. 94 f. 66 Vgl. dazu 1994 I, S. 4973, 5060, Rd. 58 ff. (Deutschland/Rat) - Bananen; Bleck-

mann, in: FS Lukes, S. 271 f f ; Bernisch, in: EuR 1994, S. 464. 67 Vgl. so Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 151, der von der "institutionellen Garantie des Wettbewerbs" spricht; vgl. ferner Verloren van Themaat, in: FS von der Groeben, S. 436. 68 Ebenso Müller-Graff in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 105; mehr dazu unten sub C II.

Β. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

619

lit. c und f, die fünf Grundfreiheiten (diesmal eher als Beschränkungsverbote) 69 und die Vorschriften über die Wettbewerbsregeln (Art. 85 ff., 90 f., 92 ff., 95 ff., 225 EWGV) bestimmten dieses Prinzip 70 . Vorschriften über die Landwirtschaft (Art. 38 ff. EWGV), den Verkehr (Art. 74 ff. EWGV), die Wirtschaftspolitik (Art. 104, 105 EWGV), die Außenhandelspolitik (Art. 110 ff. EWGV), die Sozialpolitik (Art. 117 ff. EWGV) und die Errichtung der Europäischen Investitionsbank (Art. 129 f. EWGV) sowie die Eigentumsklausel des Art. 222 EWGV ergänzten die Wirtschaftsverfassung des EWGV in ihrer ursprünglichen Form 71 .

b) Die Wirtschaftsverfassung des EWGV nach dem Inkrafttreten der EEA 1986 ist die EEA in Kraft getreten, womit das Verfassungs- und infolgedessen auch das Wirtschaftsverfassungrecht der Gemeinschaft verändert wurde. Die vorher dargestellten Prinzipien der Wirtschaftsverfassung der EWG sind unberührt geblieben 72 , aber durch neue Elemente bereichert worden. Der mittlerweile errichtete Gemeinsame Markt wurde durch den Binnenmarkt ergänzt (Art. 8 a I EWGV) 7 3 , der einen Raum ohne Binnengrenzen umfaßt, wo der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet werden soll (Art. 8 a I I EWGV). Art. 8 b EWGV hat das Verfahren der Verwirklichung des Binnenmarktes und Art. 8 c EWGV die Ausnahmen bestimmt. Art. 100 a EWGV regelt das Beschlußverfahren für die Angleichung der Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten und die Verwirklichung des Binnenmarktes. Art. 102 a EWGV hat die Zusammenarbeit der Mitgliedsländer in der Wirtschafts- und Währungspolitik institutionalisiert. Art. 118 a 7 4 und b EWGV haben Verbesserungen in der Arbeitsumwelt eingefügt. Darüber hinaus haben 69 Zu den Grundfreiheiten als dem Kern des europäischen Wirtschaftsverfassungsrechts vgl. v. Wilmowsky, in: JZ 1996, S. 590. 70 Vgl. EuGHE 1979, S.461 (Hoffmann-La Roche); 1983, S.3461, 3503, Rd. 29 (Michelin); 1991 I, S. 107, 123, Rd. 10 (Alsthom Atiantique); 1991 I, S. 1223, 1269, Rd. 41 (Frankreich/Kommission); Oppermann, in: Müller Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 57 ff.; Feger, Die Grundrechte, S. 176; Müller-Graff in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 105; vgl. auch ders., in: FS Carstens, S. 218 ff., der daraus darüber hinaus eine wettbewerbliche Lauterkeit als Verfassungselement der Europäischen Gemeinschaft ableitet; in diese Richtung auch Bernisch, in: EuR 1994, S. 464; vgl. ferner

Verloren 71

van Themaat, in: FS von der Groeben, S. 436; Langer, Grundlagen, S. 100 f.

Vgl. dazu Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 107. 72 So auch Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 69. 73 Zum Verhältnis des Binnenmarktes zum Gemeinsamen Markt vgl. ausführlich Müller-Graff Binnenmarktziel und Rechtsordnung, S. 1 ff.; Dauses, in: EuZW 1990, S. 9 ff.; zur Bedeutung des Grundsatzes der Errichtung des Binnenmarktes für die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft vgl. Grabitz, in: FS Steindorff, S. 1229 ff., 1233 ff. 74 Zu Art. 118 a EGV vgl. letztens EuGH EuZW 1996, S. 751 ff.

620

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

die Art. 130 a ff. EWGV neue Politiken der Gemeinschaft in der Wirtschaftsverfassung eingerichtet: Art. 130 a ff. EWGV betreffend die Regionalpolitik, Art. 130 f ff. EWGV betreffend die Forschungs- und Technologiepolitik, Art. 130 r ff. EWGV betreffend die Umweltpolitik 75 .

c) Die Wirtschaftsverfassung des EGV nach dem EUV Während die Wirtschaftsverfassung des ursprünglichen EWGV von der Errichtung des Gemeinsamen Marktes, die des EWGV nach der EEA von der Verwirklichung des Binnenmarktes charakterisiert wurde, wird nun der EGV nach dem EUV von der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) charakterisiert und geprägt 76. Die W W U war immer die Vision der Europäischen Integration (vgl. auch Art. 102 a EWGV) und wurde als der erforderliche Schritt für die Vertiefung der Europäischen Integration nach der Vollendung des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes betrachtet. Der Europäische Binnenmarkt ist mittlerweile ein offener und auf dem Wettbewerbsprinzip beruhender Markt ohne Binnenhemmnisse und -grenzen (vgl. auch Art. 2, 3 lit. c EGV). Jetzt muß er sich auch im internationalen Wettbewerb stark zeigen. Das Wettbewerbsprinzip und die Marktgleichheit im bereits definierten und dargestellten Sinne sind erforderliche Voraussetzungen, sie reichen aber allein nicht aus. Die Welt hat sich insbesondere nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, nach der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion und dem Ende des kalten Krieges dramatisch verändert. Die Märkte und der Wettbewerb auf diesen haben einen universalen Charakter bekommen. Die Verstärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der EG-Wirtschaft im Weltwettbewerb vor allem gegenüber den USA und Japan, aber auch gegenüber ihren wirtschaftlichen Verbündeten (NAFTA, APEC, ASEAN), kann nur durch die Verwirklichung der W W U erreicht werden. Nach Art. Β I EUV stellt die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion eines der Ziele der Union dar. Das ist auch nach Art. 2 EGV eine der Gemeinschaftsaufgaben. Nach Art. 3 1 EGV wird die Gemeinschaft tätig, um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft zu erreichen (vgl. auch Art. 130 EGV). Art. 3 a EGV regelt die Tätigkeit der Gemeinschaft in der WWU. Laut Art. 3 b I EGV wird das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im Vertrag positiviert, und nach Art. 3 b I I EGV wird das viel diskutierte und umstrittene

75

Mehr zu diesen Politiken: Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 57, 62 ff.; Basedow, S. 28 ff.; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEGWirR, Rd. 108 f. 76 Zur Bedeutung der WWU für die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft: Seidel, in: FS Börner, S. 417 ff.; Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 118 ff.; Mestmäcker, in: FG Willgerodt, S. 264; Langer, Grundlagen, S. 102.

Β. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

621

Subsidiaritätsprinzip ein Rechtsprinzip und dadurch positives Gemeinschaftsrecht 77 . Gemäß Art. 4 a EGV wird die Europäische Zentralbank (EZB) und nach Art. 4 b EGV die Europäische Investitionsbank (vgl. Art. 129 f. EWGV) errichtet. Das Diskriminierungsverbot wird in Art. 6 EGV umgestellt. Die Art. 73 a ff. EGV enthalten Bestimmungen zur 2. Stufe der WWU. Die Art. 102 a ff. regeln die Wirtschafts- und die Art. 105 ff. EGV die Währungspolitik der Gemeinschaft. In den Art. 109 e ff. EGV sind die Übergangsbestimmungen für die Errichtung der W W U enthalten, darunter auch die viel diskutierten Konvergenzkriterien. Die Art. 126 f. EGV regeln die allgemeine und berufliche Bildung der Jugend, die Art. 129 EGV die Politik der Gemeinschaft im Gesundheitswesen, und in Art. 129 a EGV wird der Verbraucherschutz verankert. Die transeuropäischen Netze sind Gegenstand der Art. 129 b ff. EGV und die Entwicklungszusammenarbeit der Art. 130 u ff. EGV 7 8 . Der EGV hat zweifelsohne die wichtigsten Prinzipien des ursprünglichen EWGV beibehalten. Es ist aber insbesondere das Wettbewerbsprinzip durch die Errichtung der W W U und durch die Wettbewerbsfähigkeitsförderung der Industrie der Gemeinschaft verstärkt worden. Eine Würdigung der Wirtschaftsverfassung des EGV wird später vorgenommen 79 .

2. Das ungeschriebene Wirtschaftsverfassungsrecht

der Gemeinschaft

I m Mittelpunkt des ungeschriebenen Wirtschaftsverfassungsrechts der Gemeinschaft stehen die wirtschaftlichen Grundrechte des Gemeinschaftsverfassungsrechts. Wie in den innerstaatlichen Verfassungsrechtsordnungen der Mitgliedsstaaten schützen diese Grundrechte überwiegend die freie wirtschaftlichunternehmerische Betätigung im Wettbewerb wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (einschließlich der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit) und als ihren Ausfluß die Berufs-, Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit, die wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit, das Privateigentum und den Gleichheitssatz im wirtschaftlichen Verkehr 80 .

77

Zur Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips für die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft nach dem EUV vgl. Mestmäcker, Die Wirtschaftsverfassung, S. 25 f. 78 Vgl. weiter zu den neuen Elementen in der Wirtschaftsverfassung des EGV nach dem EUV Beyer, Der Staat 1996, S. 195 ff., und zu der Einfügung der neuen Politiken in den EGV durch den EUV Hobe, in: JA 1993, S. 223 ff.; Mestmäcker, in: Hommelhoff/Kirchhof (Hg.): Der Staatenverbund, S. 128 ff.; ders., in: FG Willgerodt, S. 283 f. 79 s. unten sub III. 80 Vgl. dazu Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 163 ff.; Zuleeg, in: EuR 1982, S. 27; ders., Die Wirtschaftsverfassung, S. 80 f., und Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594, betrachten diese Freiheiten als Voraussetzungen für die Ausübung der Grundfreiheiten des Vertrages; vgl. ausführlich dazu unten sub C II 3 a.

622

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Diese Grundrechte werden nicht uneingeschränkt garantiert. Sie können von der öffentlichen Gewalt bzw. der der Gemeinschaft eingeschränkt werden. Für diese Gewalt gelten die rechtsstaatlichen Schranken-Schranken wie insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das Vertrauensschutzprinzip und die Wesensgehaltsgarantie 81.

I I I . Der Charakter der Wirtschaftsverfassung der E G Wie bei der Diskussion über die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung 82 wurden auch hier verschiedene Meinungen über den Charakter der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft vertreten. Die Ansichten, die diese Wirtschaftsverfassung als marktwirtschaftlich, gemischt, wirtschaftspolitisch neutral und offen bezeichnen, sind als die wichtigsten zu bezeichnen. U m den Charakter der Wirtschaftsverfassung der EG zu würdigen, muß man bezüglich der Eigenart der Gemeinschaft, ihrer "Verfassung" und demgemäß ihrer Wirtschaftsverfassung unterscheiden. Die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft enthält Normen, von denen sich die einen an die Gemeinschaftsgewalt, andere an die Gewalt der Mitgliedsstaaten und wieder andere an beide Gewalten richten 83 .

1. Wirtschaftsverfassung

der Gemeinschaft im Verhältnis zur Gemeinschaft

Die Vorschriften des EGV bezüglich der Aufgaben und Tätigkeiten der Gemeinschaft (vgl. Art. 2, 3, 3 a, 5 EGV), die die Grundsätze des Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes, der offenen Markwirtschaft mit freiem (und unverfälschtem) Wettbewerb und der W W U einführen, zeigen die marktwirtschaftlichen Strukturen der Gemeinschaft, die durch Vorschriften über die Zollunion, die fünf Grundfreiheiten, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und die Wettbewerbsregeln verstärkt werden 84 . Der Präambel

81

Vgl. Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 163 ff.; Zuleeg, in: EuR 1982,

S. 27; Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594; vgl. zu den besonderen Aspekten des Rechtsstaatsprinzips im Gemeinschaftsrecht auch oben sub A II 2 und zu den sog. Schranken-Schranken der Grundrechte unten sub C II 4 a bb. 82 s. dazu oben sub erster Teil A I 2 b. 83 Oppermann, Europarecht, Rd. 809, legt zutreffend dar: "Die Wirtschaftsverfassung der EG bleibt dualistisch in dem Sinne, daß neben den echt vergemeinschafteten Bereichen ("Gemeinsamer Markt") vor allem in der allgemeinen Wirtschaftspolitik lediglich eine Kooperation der MS stattfindet"; vgl. ders., in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 70. 84 So auch van der Esch, in: WuW 1988, S. 565 f.; Oppermann, in: MüllerGraff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 58; ders., Europarecht, Rd. 807; Müller-

Β. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

62

des EWGV, dem Art. 1101 EWGV und dem dort niedergelegten Bekenntnis zum offenen Binnenmarkt in der Außenhandelspolitik der Gemeinschaft entspricht das Ziel einer prinzipiell nichtprotektionistischen, den freien Welthandel fördernden Aktion der EG 8 5 . Wenn man darüber hinaus die wirtschaftlichen Grundrechte miteinbezieht 86 , hat man ein vollkommeneres Bild über den Charakter der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft 87 8 8 . Daraus ergibt sich in der Tat der freiheitlich-marktwirtschaftliche Charakter der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft, der insbesondere nach dem EUV offensichtlicher geworden ist (vgl. die ausdrückliche Verankerung des Grundsatzes der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb durch den EUV in Art. 3 a I EGV) 8 9 . Weder die fünf Grundfreiheiten noch die wirtschaftlichen Grundrechte werden vorbehaltlos gewährleistet. Für die Grundfreiheiten gelten die Ausnahmen aus Art. 36, 48 III, 561, 66 i. V. m. 561, 73, 73 c ff. EGV. Dasselbe gilt für die Wettbewerbsregeln (vgl. Art. 85 III, 92 II, III, 98 EGV). Für die Einschränkungen der wirtschaftlichen Grundrechte gelten zwar die rechtsstaatlichen Garantien, den zuständigen Organen der Gemeinschaft wird aber bei der Anordnung dieser Einschränkungen ein weiter Ermessensspielraum zuerkannt 90. Das bedeutet, daß der marktwirtschaftliche Charakter der Gemeinschaftswirtschaftsverfassung dadurch relativiert werden kann 91 . Außerdem werden bestimmte Sektoren der Wirtschaft wie die Agrar- und Verkehrswirtschaft von diesen Regeln ausgenommen. Das liberalistische "laisser faire, laisser passer"-Modell oder das Wirtschaftssystem der reinen Marktwirtschaft entsprechen nicht dieser Wirtschaftsverfassung 92.

Graff

in: Müller-Graff/Riedel, Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 59 ff; vgl. auch Zu-

leeg, in: FS Carstens, S. 299; ders., in: BB 1994, S. 586. 85

So Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 58; ders., Europarecht, Rd. 807. 86 Vgl. zur wirtschaftsverfassungsrechtlichen Bedeutung der wirtschaftlichen Grundrechte der EU/EG Müller-Graff in: Müller-Graff/Riedel, Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 63. 87 Vgl. dazu Seidel, in: FS Everling, Band II, S. 1405. 88 Hier kann man jedoch einwenden, daß die Vorschriften bezüglich der Grundfreiheiten und der Wettbewerbsregeln sich in erster Linie gegen die Mitgliedsländer bzw. deren Private richten - wie aber später aufgezeigt wird, wird die Gemeinschaft ebenfalls betroffen. 89 So auch Müller-Graff, in: Dauses (Hg.): HdEG-WirR, Rd. 101 f.; ders., in: Müller-Graff/Riedel (Hg.), Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 59 ff.; Langer, Grundlagen, S. 102; Dickersbach, in: NVwZ 1996, S. 962; vgl. auch Seidel, in: FS Everling, Band II, S. 1394, 1405. 90 Zuleeg, in: EuR 1982, S. 28 f. (vgl. auch ausführlich unten sub C II 4). 91 Oppermann, Europarecht, Rd. 808, bezeichnet den Liberalismus der EGWirtschaftsverfassung als "gemäßigten"; vgl. auch Zuleeg, in: BB 1994, S. 587. 92 So Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 179; vgl. auch Zuleeg, in: BB 1994, S. 587.

62

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung 2. Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten ... a)... allgemein

Die größten Relativierungen und Abweichungen bzw. Ermächtigungen zu Abweichungen von dem marktwirtschaftlichen System ergeben sich aber aus Vorschriften, die sich entweder ausschließlich oder gemeinsam mit der Gemeinschaft an die Mitgliedstaaten richten. Man darf nicht verkennen, daß die Gemeinschaft nach dem Prinzip der Einzelermächtigung 93, das nach dem EUV in Art. 3 b I EGV verankert wurde, innerhalb der Grenzen der ihr in dem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele sowie in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nach dem Subsidiaritätsprinzip tätig werden darf (Art. 3 b I I EGV). Unterdessen kann die Einmischung der Mitgliedstaaten in Angelegenheiten, die auch die Gemeinschaftspolitik und -wirtschaftsverfassung betreffen, gegebenfalls sehr groß sein. Die Vorschriften über die fünf Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln wurden bereits genannt. Letztere richten sich zuerst an Private 94 , sie betreffen aber in Verbindung mit Art. 5 EGV auch die Mitgliedsländer, indem sie das von diesen Regeln abweichende Handeln und Verhalten der einzelnen verbieten und sanktionieren müssen95. Was aber die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik der Mitgliedstaaten angeht, muß man zwischen der Phase vor und nach dem EUV unterscheiden. *

b)... vor dem EUV Bis zum Inkrafttreten des EUV war die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik trotz der Regelungen des EWGV, die eine staatliche Globalsteuerung (das sog. magische Viereck) des Wirtschaftsgeschehens institutionalisiert hatten (vgl. Art. 102 äff. EWGV) 9 6 , eher Sache der Mitgliedstaaten (vgl. Art. 104, 105 I EWGV) 9 7 . Der Rahmen, in dem die Mitgliedsländer sich wirtschaftspolitisch 93

Vgl. mehr dazu bei Oppermann, Europarecht, Rd. 432 ff. (statt aller). EuGHE 1974, S. 51, 62, Rd. 15/17 (BRT); 1991 I, S. 107, 123, Rd. 11 (Alsthom Atiantique); 1991 I, S. 1027, 1042, Rd. 22 (Marchandise u. a.); 1994 I, S. 2199, 2234, Rd. 16 (Tankstation Τ Heuske und Boermans); Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 139; Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 58; Schröter, in: G/T/E, Vorb. zu den Art. 85 bis 89, Rd. 10; Bieber, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 349. 95 Vgl. auch EuGHE 1991 I, S. 107, 123, Rd. 11 (Alsthom Atiantique); 1991 I, S. 1027, 1042, Rd. 22 (Marchandise u. a.); 1994 I, S. 2199, 2234, Rd. 16 (Tankstation Τ Heuske und Boermans); Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 142 ff.; Mestmäkker, in: FG Willgerodt, S. 277. 96 So Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 62; ders., Europarecht, Rd. 808; Pipkorn, in: B/B/P/S, Europäische Union, S. 421. 97 Streinz, Europarecht, Rd. 843. 94

Β. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

62

bewegen konnten, war besonders groß und offen für eine eher liberale (vgl. ζ. B. die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland) oder interventionistische Politik (vgl. ζ. B. die Planifikation französischer Prägung) 98. Darüber hinaus haben die Sozialvorschriften der Art. 117 ff., 123 ff. EWGV eine Sozialpolitik vorgesehen, die an die Mitgliedstaaten adressiert war und sie daran hinderte, eine liberalistische Marktwirtschaft einzurichten 99. Nach Art. 222 EWGV blieb die Eigentumsordnung ausschließlich Mitgliedsländerhoheit, so daß Sozialisierungen oder Verstaatlichungen in den EG-Staaten im Prinzip erlaubt waren. Zum anderen aber waren die EG-Länder wegen der Grundfreiheiten, der Wettbewerbsregeln, des Diskriminierungsverbots i. V. m. Art. 5 EWGV in ihrer Wirtschafts- und Eigentumspolitik gemeinschaftsrechtlich eingeschränkt und abgesehen von ihrer verfassungsrechtlichen Ordnung verpflichtet, ein System der zentralen Planwirtschaft, wie es in der ehemaligen Sowjetunion und in anderen kommunistischen Staaten realisiert wurde, nicht einzurichten 100 . Diese Argumentation hat über verfassungspolitische Gründe 101 98 Vgl. mehr dazu bei Jarass, in: AÖR 1981, S. 403 ff.; Oppermann, Europarecht, Rd. 815 ff. 99 Man kann hier aus diesen Vorschriften eine Art Sozialprinzip der EGWirtschaftsverfassung ableiten - vgl. dazu Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 170 ff. 100 Vgl. Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 133, 155; vgl. auch Zuleeg, Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 76, 94 f., der ein solches Postulat allein aus dem Grundsatz des Gemeinsamen Marktes ableitet. 101 Solche Gründe betreffen die im Prinzip richtige Meinung, es sei verfassungspolitisch nicht sinnvoll, daß die Verfassung eine bestimmte Wirtschaftsverfassung in dem Sinne niederlegt, daß sie ein bestimmtes Wirtschaftssystem oder eine -doktrin aufnimmt und institutionalisiert (vgl. dazu oben erster Teil A I 2 b aa). Diese Aussage trifft im Fall der Gemeinschaft jedoch vielmehr zu - vgl. dazu insbesondere die Argumentation von Dagtoglou, Diskussionsbeitrag in Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 102 -, denn sie besteht aus den Rechts- und Wirtschaftsordnungen von anfänglich 6 und später allmählich 9, 10, 12 und jetzt 15 Ländern, so daß es schwierig erscheint, einen Konsens über die Errichtung eines einheitlichen Wirtschaftssystems zu finden. Wenn man die Geschichte der EG und ihrer Mitgliedstaaten betrachtet, kann man folgendes feststellen: Deutschland und die Beneluxländer waren an einer (sozialen) Marktwirtschaft orientiert; Großbritannien bevorzugte bis zu den 70er Jahren die Politik des starken öffentlichen Wirtschaftssektors, um in den 80er Jahren unter den konservativen Regierungen von Margaret Thatcher das Modell des Neoliberalismus angelsächsischer Prägung, das in Großbritannien "Thatcherismus" und in den USA "Reaganomics" genannt wurde, durchzusetzen. Frankreich und Italien sind traditionell dem interventionistischen Modell der Planifikation gefolgt - vgl. dazu Oppermann, Europarecht, Rd. 308 -, das in den 80er Jahren besonders wegen der sozialistischen Reformen in Frankreich zu einer starken interventionistischen Politik des öffentlichen Sektors geführt hat - vgl. zu einer allgemeinen Betrachtung der wirtschaftspolitischen Entwicklung in den ursprünglichen Gründungsmitgliedern der Gemeinschaften Hochbaum, in: G/T/E, Art. 222, Rd. 1. Das betrifft mutatis mutandis auch die drei später beigetretenen südeuropäischen EG-Mitglieder (Griechenland, Portugal, Spanien), die sich in den 80er Jahren unter sozialistischen Regierungen befunden haben, die den bis dahin ohnehin starken öffentlichen Sektor erweitert haben. Dänemark wurde dagegen und wird immer 40 Tsiliotis

62

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

hinaus einige Stimmen motiviert, von einer wirtschaftspolitisch "neutralen" 102 bzw. in äußersten Grenzen "offenen" 103 oder "gemischten" 104 Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft zu sprechen. Diese Meinungen sind entweder unzutreffend oder unvollständig. Die "gemischte" Wirtschaftsverfassung verweist auf das gemischte Wirtschaftssystem, wo liberale und interventionistische Elemente in einer gewissen Weise in gleichem Maß oder Gewicht vorliegen. Daß dies vom Gemeinschaftsrecht für die Wirtschaftsordnung eines Mitgliedstaates erlaubt war (ζ. B. Frankreich in den ersten Jahren der sozialistischen Regierungen), bedeutet nicht, daß die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft ein solches Wirtschaftsystem aufgenommen oder zum Vorbild gehabt hat. Selbst wenn die Mitgliedstaaten darin frei sind, ein interventionistisches Modell auszusuchen, so muß dies nicht "gemischt" sein. Es kann eher liberal oder eher wirtschaftslenkend sein. Genauso verhält es sich mit der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft. Daß in ihr liberale, soziale und interventionistische Elemente existieren, hat keinesfalls den Sinn, daß die Gemeinschaft einer "gemischten" Wirtschaftspolitik folgen soll 1 0 5 . Die Ansicht über die "Neutralität" oder "Offenheit" der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft ist zwar nicht ganz unzutreffend, aber sehr relativ 106 . Nicht nur die Tatsache, daß die Wirtschaftsverfassung selbst die äußersten Grenzen dieser "Offenheit" setzt, sondern auch der gesamte Eindruck, den die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft im Interpreten des Gemeinschaftsrechts erweckt, sprechen für eine Ergänzung dieser Auffassung. Wie bereits

noch von ihrer weiten Sozial- und Umweltpolitik skandinavischer Prägung gekennzeichnet, die einen höheren Standard als der Durchschnitt der Gemeinschaft enthält; ebenso verhält es sich in den anderen beigetretenen skandinavischen Ländern Schweden und Finnland. Man muß wohl zugeben, daß dieses "Euro-Babylon" der verschiedenen Wirtschaftsordnungen zu einem Kompromiß über die EWG-Wirtschaftsverfassung geführt hat - vgl. auch Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 57. 102 ygj fazu Nicolaysen, Diskussionsbeitrag in Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 101, der eigentlich den Begriff "Wirtschaftsverfassung" für den EWGV ablehnt und von einem "Rahmenwerk" spricht; Dagtoglou, ebenda, S. 102; Verloren van Themaat, in: FS von der Groeben, S. 428 f. 103 Vgl. dazu Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 II 3, der auch für die Gemeinschaft von einer "relativ offenen" Wirtschaftsverfassung ausgeht. 104 Vgl. dazu Albrecht, in: EurArch 1965, S. 663 ff. 105 Vgl. auch die zutreffende Darlegung Oppermanns, Europarecht, Rd. 806, daß entscheidend für das "Profil" der EG-Wirtschaftsverfassung somit nicht die Tatsache der "Mischung" als solche sei, sondern ihre Ausgestaltung im Näheren; vgl. auch ders., in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und Wirtschaft, S. 57; vgl. weiterhin die Kritik an der Theorie der "gemischten Wirtschaftsverfassung" der Gemeinschaft von Basedow, S. 27 f. 106 ygj e b e n s o Oppermann, Europarecht, Rd. 809.

Β. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

62

ausführlich gezeigt wurde, enthielt die Wirtschaftsverfassung des EWGV wichtige Prinzipien, die marktwirtschaftlich geprägt waren. In der Tat konnte ein Mitgliedsstaat eine interventionistisch-dirigistische Politik treiben (System der gelenkten Wirtschaft) 107 . Das war besonders in Großbritannien in den 70er und in den südeuropäischen Ländern in den 80er Jahren der Fall. Sie durften aber nicht die Grundsätze des Gemeinsamen bzw. Binnenmarktes, der Marktgleichheit und des freien Wettbewerbs brechen 108. Sie durften verstaatlichen, aber nicht durch die Verstaatlichung den Gemeinsamen Markt und den freien Wettbewerb auf intereuropäischer Ebene außer Kraft setzen109. Diese Bindungen hatten sie nicht nur als einzelne Mitgliedstaaten, sondern auch als Mitglieder des Gemeinschaftsorgans Rat, der von dem Vertrag beauftragt war, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Gemeinsamen bzw. Binnenmarkt zu verwirklichen (vgl. auch Art. 145 EWGV). In diesem Sinne war die relativ offene Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft von marktwirtschaftlichen Prinzipien geprägt und deswegen marktwirtschaftlich orientiert 110 . Das hatte aber keinesfalls zu bedeuten, daß die Wirtschaftsverfassung des EWGV ein bestimmtes Wirtschaftssystem vorschrieb 111 .

c)... nach dem EUV Nach dem EUV muß man die Diskussion auf eine andere Basis lenken. Die Eigentumsordnung bleibt nach wie vor Sache der Mitgliedsländer (Art. 222 EGV) 1 1 2 , aber dort endet die Möglichkeit der Länder, von den Prinzipien der Marktwirtschaft abzuweichen. Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse (Art. 103 EGV). Nach Art. 102 a EGV richten die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik so aus,

107

Vgl. dazu Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 179 f. Vgl. auch Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen, S. 267. 109 Vgl. so Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 179; Zuleeg, Wirtschaftsund gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 89 ff.; Müller-Graff in: FS Carstens, S. 223 f.; ders., in: Müller-Graff/Riedel (Hg.): Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 61. 110 Vgl. auch Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 104, 153; Zuleeg, Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 97; ders., in: BB 1994, S. 586; Müller-Armack, Diskussionsbeitrag in Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme, S. 103 f.; Oppermann, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hg.): Staat und 108

Wirtschaft, S. 58, 61, 69; ders., Europarecht, Rd. 809; Basedow, S. 28; Petersmann, in

EuZW 1993, S. 594; H. Schneider, in NJ 1996, S. 515; Müller-Graff, in: MüllerGraff/Riedel, Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 60 ff.; vgl auch EuGHE 1970, S. 1125 ff., 1135 ff. Rd. 3 ff. (Internationale Handelsgesellschaft); zu weit Behrens, in: Brüggemeier (Hg.), Verfassungen für ein ziviles Europa, S. 80. 111 So zutreffend Zuleeg, in: EuR 1982, S. 28. 112 Vgl. zur ohnehin relativen Bedeutung dieser Vorschrift Müller-Graff, in: MüllerGraff/Riedel, Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 61.

62

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

daß sie im Rahmen der in Art. 103 I I EGV genannten Grundzüge zu der Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft im Sinne des Art. 2 EGV beitragen. Der Verweis auf diese EGV-Vorschriften bedeutet zweierlei: Erstens bestimmt die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft nach Art. 103 I I EGV der Rat mit qualifizierter Mehrheit aufgrund eines Entwurfs der Empfehlung der Kommission. Demgemäß erlangt die Gemeinschaft durch ihre zuständigen Organe ein größeres Gewicht bei der Bestimmung der Wirtschaftspolitik als die Mitgliedstaaten bisher 113 . Zweitens wird die Bestimmung der Grundzüge dieser Politik nach Art. 103 I I EGV i. V. m. Art. 102 a EGV im Sinne der Ziele des Art. 2 EGV, d.h. vor allem des Gemeinsamen Marktes und der WWU, durchgeführt 114. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb handeln und sich an die in Art. 3 a EGV 1 1 5 genannten Grundsätze halten. Die "Globalsteuerung des Wirtschaftsgeschehens", die der EWGV vorgesehen hatte, wird von dem Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ersetzt. Diese Aussagen, das Ziel der Einführung der WWU, das in mehreren EGV-Vorschriften herrscht (vgl. Art. 2, 3 a, 103 IV, 109 e ff. EGV), sowie das Gebot, nicht nur für die Gemeinschaft, sondern genauso für die Mitgliedstaaten, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft zu fordern (vgl. Art. 130 EGV) 1 1 6 , in Verbindung mit Art. 5 EGV, der den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der vertragsmäßigen Verpflichtungen darunter nicht mehr nur die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes, sondern vielmehr der W W U 1 1 7 und der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wett-

113

Vgl. dazu Hommelhoff, in: ders./Kirchhof (Hg.): Der Staatenverbund, S. 132, der aber darauf hinweist, daß trotz dieser Regelungen der Vertrag von Maastricht im Bereich der Wirtschaft noch keine Wirtschaftsunion forme; vgl. auch Vollmer, in: DB 1993, S. 26; Seidel, in: FS Everling, Band II, S. 1394 f.; Beyer, in: Der Staat 1996, S. 196. 114 So auch Streinz, Europarecht, Rd. 845. 115 Zur Mitgliedstaatenrichtung des Art. 3 a EGV vgl. auch Hommelhoff, in: ders./Kirchhof (Hg.): Der Staatenverbund, S. 138; Langer, Grundlagen, S. 102. 116 Vgl. mehr dazu Mestmäcker, in: Hommelhoff/Kirchhof (Hg.): Der Staatenverbund, S. 129 f.; Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594; seine Furcht, daß der Wettbewerb durch Art. 130 EGV eher verfälscht statt gefördert werde, äußert Hommelhoff, in: ders./Kirchhof (Hg.): Der Staaten verbünd, S. 135 f., und sieht dadurch eine Verschlechterung der wettbewerbsorientierten Wirtschaftsverfassung; vgl. auch Basedow, S. 31; Behrens, in: Brüggemeier (Hg.), Verfassungen für ein ziviles Europa, S. 87 f.; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 II 2, der die Industriepolitik der Gemeinschaft als Element "lenkungsrechtlicher Marktordnungen" bezeichnet. 117 Vgl. Seidel, in: FS Börner, S. 424, der den Wandel nicht nur der Wirtschaftsverfassung, sondern auch der Verfassungsstruktur der Gemeinschaft aufgrund ihrer Umwandlung in eine Währungsunion zeigt.

Β. Das Wirtschaftsverfassungsrecht der Gemeinschaft

62

bewerb - vorzunehmen 118 , lassen keine Zweifel mehr daran, daß die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft nach dem EGV die wichtigsten Grundsätze der Marktwirtschaft aufgenommen 119, verstärkt und ihren Mitgliedstaaten 120 auferlegt hat. Wenn die Diskussion über die "Offenheit" oder "Neutralität" der Gemeinschaftswirtschaftsverfassung vor dem Inkrafttreten des EUV einen Sinn hatte und die Vertreter dieser Position zu respektierende Argumente hatten, bleibt ihnen nun kein ernstzunehmendes Argument mehr, diese Meinung noch zu vertreten. Ungeachtet dieses martkwirtschaftlichen Charakters der Wirtschaftsverfassung des EGV kann man keinesfalls behaupten, daß sie die reine oder neobzw. ordoliberale Marktwirtschaft aufgenommen habe. Abgesehen von dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, die von "offener" Marktwirtschaft sprechen, sprechen die Vorschriften über den sozialen Schutz als Aufgabe der Gemeinschaft (Art. 2 EGV), die Sozialpolitik (Art. 117 ff. EGV) 1 2 1 , die Eigentumsklausel des Art. 222 EGV, die Sonderbereiche der Agrarwirtschaft und des Verkehrs, die Ausnahmen von dem Beihilfenverbot (vgl. Art. 92 II, I I I EGV), die neuen Politiken der Gemeinschaft in der beruflichen Bildung (vgl. Art. 127 EGV) und im Gesundheitswesen (vgl. Art. 129 EGV) 1 2 2 nach wie vor gegen die Errichtung eines solchen Systems, sowohl in der Gemeinschaft als auch in den Mitgliedstaaten 123 . Wenn man die Formel in bezug auf den Charakter der grundgesetzlichen oder der Wirtschaftsverfassung des EWGV umkehren will, kann man davon ausgehen, daß die Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft

118

Vgl. dazu Streinz, Europarecht, Rd. 845; Seidel, in: FS Everling, Band II, S. 1404. 119 Vgl. dazu Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594; weiterhin Basedow, S. 28, 32; Behrens, in: Brüggemeier (Hg.), Verfassungen für ein ziviles Europa, S. 87; Seidel, in: FS Everling, Band II, S. 1405; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 5 II 2; Everling, in: FS Mestmäcker, S. 365; Streinz, Europarecht, Rd. 787. Mestmäcker, in: FG Willgerodt, S. 270, bezeichnet die Wirtschaftsverfassung der EG nach dem EUV als "marktwirtschaftliche Verfassung", während Müller-Graff in: Müller-Graff/Riedel, Gemeinsames Verfassungsrecht, S. 58 ff., von der "wettbewerbsverfaßten Marktwirtschaft" als Verfassungsprinzip der Europäischen Union spricht; skeptisch dagegen immer noch Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 167. 120 Unter diesen Umständen und unter dem Gesichtspunkt des Art. 23 I GG n. F. bekommt die Diskussion bzw. der "Streit" über die Wirtschaftsverfassung des GG (vgl. dazu ausführlich oben erster Teil A I 2 b bb, c) eine neue Dimension - vgl. dazu Di Fabio, in: JZ 1997, S. 973. Sie kann aber hier dahingestellt bleiben - vgl. bereits früher unter dem Gesichtspunkt des Art. 24 I GG - vor der Änderung des Art. 23 GG - i. V. m. dem Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen, S. 266. 121 Vgl. den neuen Art. 136 EGV/Amsterdam (ex-Artikel 117 EGV). 122 Vgl. dazu Häberle, in: EuGRZ 1992, S. 434. 123 Vgl. Everling, in: FS Mestmäcker, S. 376 f.

6

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

nach dem EUV relativ markt- bzw. wettbewerbswirtschaftlich ist 124 . Will man noch weiter gehen, so kann man behaupten, daß sie das System der relativierten oder offenen Wettbewerbswirtschaft bestimmt.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht I. Der Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht 1. Allgemein Nach einer Darstellung des Verfassungs- und Wirtschaftsverfassungsrechts der Gemeinschaft kommt man nun zu der Frage, ob die Wettbewerbsfreiheit grundrechtlich im Rahmen dieses Verfassungs- und Wirtschaftsverfassungsrechts geschützt wird. Die Frage wird nach einer Darstellung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht beantwortet. Die drei Verträge enthalten keinen Grundrechtskatalog im Sinne der Grundrechtskataloge, die in den Verfassungen vieler Mitgliedstaaten enthalten sind (vgl. Art. 1-19 GG). Die wichtigsten Vertrags- bzw. Verfassungsänderungen in der Geschichte der Gemeinschaft, die EEA und der EUV, haben keinen Grundrechtskatalog in die Verträge eingefügt. Ein eigenständiger Grundrechtskatalog als Bestandteil des Gemeinschafts(verfassungs)rechts, wie es bisher vorgeschlagen wurde 125 , besteht (noch) nicht. Vorschläge, daß die EG der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beitreten solle 126 , konnten bisher aus verschiedenen Gründen nicht realisiert werden. Der EWGV bzw. EGV enthält zwar grundrechtsähnliche Bestimmungen (vgl. die Vorschriften über die Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot aus Art. 7 EWGV bzw. Art. 6 EGV und seinen besonderen Aspekt aus Art. 40 I I I 2 EGV oder das Gebot des

124

Vgl. ähnlich Vollmer, in: DB 1993, S. 27. Vgl. zu dieser Problematik aus der älteren Literatur Kutscher, Grundrechtsschutz, S. 50 ff.; Rengeling/Jakobs, in: DVB1. 1984, S. 773 ff.; aus der neueren Literatur Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 68; Langguth, in: EuZW 1991, S. 394; Hilf, in: Weidenfeld (Hg.): Der Schutz der Grundrechte, S. 56 ff; ders., in: Iliopoulos-Strangas (Hg.): Grundrechtsschutz im europäischen Raum, S. 320 ff; ders., in: FS Bernhardt, S. 1207 f. 126 Vgl. auch aus der älteren Literatur Kutscher, Grundrechtsschutz, S. 50 ff.; Ehlermann/Noel, in: GS Sasse, II, S. 685 ff; aus der neueren Literatur Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 69; Langguth, in: EuZW 1991, S. 393 f.; Jacqué, in: IliopoulosStrangas (Hg.): Grundrechtsschutz im europäischen Raum, S. 302 ff.; IliopoulosStrangas, ebenda, S. 343; Bernhardt, in: FS Everling, Band I, S. 103 ff.; Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1209 f.; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 327 ff.; Kühling, in: EuGRZ 1997, S. 297 f.; vgl. mittlerweile das ablehnende Gutachten des Gerichtshofs im EuGHE 1996 I, S. 1759, 1783 ff., Rd. 1 ff. (Gutachten nach Art. 228 EG-Vertrag), und die Anmerkung von Ruffert, in: JZ 1996, S. 624 ff. 125

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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gleichen Entgelts für Männer und Frauen nach Art. 119 I 1 2 7 EWGV bzw. E G V 1 2 8 , ihr Anwendungsbereich ist aber so begrenzt, daß sie allein einen ausreichenden Grundrechtsschutz i m Gemeinschaftsrecht nicht darstellen können 129 . Kann man behaupten, daß in der Gemeinschaft ein Grundrechtsschutzdefizit existiert? Die Frage ist zu verneinen. Zur Ableitung eines hinreichenden Grundrechtsschutzes hat bisher der EuGH mit seiner richterrechtlichen Rechtsgewinnung 130 bzw. -fortbildung 131 einiges beigetragen.

2. Konzeption und Grundlagen a) Konzeption des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes durch das Richterrecht der EuGH-Rechtsprechung Die Frage nach dem Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht ist nicht neu 132 . A m Anfang des Bestehens der Gemeinschaften - ursprünglich nur der EGKS, später aller drei Gemeinschaften - hat der EuGH die Grundrechtsfrage

127 Vgl. den neu formulierten Art. 141 EGV/Amsterdam (ex-Artikel 119 EGV); vgl. auch Art. 3 II EGV/Amsterdam. 128 Zum grundrechtlichen Charakter dieser Vorschrift vgl. EuGHE 1978, S. 1365, 1379, Rd. 26/29 (Defrenne III). 129 Vgl. zu dieser Problematik Streinz, Grundrechtsschutz, S. 43 f.; Weber, in: JZ 1989, S. 968 f.; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 1 ff. , 10; Chwolik-

Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 41 f.; Notthoff,

in: RIW 1995, S. 541; Storr, in: Der

Staat 1997, S. 554 ff. 130 Die Ableitung des Grundrechtsschutzes durch den EuGH als richterrechtliche Rechtsgewinnung hebt Zuleeg, in: DÖV 1992, S. 940; ders., in: Iliopoulos-Strangas (Hg.): Grundrechtsschutz im Europäischen Raum, S. 238, hervor; vgl. auch Schwarze, in: NJ 1994, S. 53 (mit weiteren Hinweisen auf Fn. 11 dort). Everling, in: Schwarze (Hg.): Der Europäische Gerichtshof, S. 155, bezeichnet dieses Verfahren als "Ergebnis eines geistigen Schöpfungsprozesses", und Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 24, lobt diese richterrechtliche Rechtsgewinnung, indem er sie als "die bislang eindrucksvollste Leistung des Gerichtshofs ..." charakterisiert; vgl. weiter in diese Richtung Weiler, in: Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of Protection, S. 613; Herdegen, in: FS Everling, Band I, S. 448. 131

So BVerfGE 75, 224, 243; Zuleeg, in: NJW 1994, S. 546; Baumgartner, in: ZfV

1996, S. 323; vgl. auch Lenz, in: EuGRZ 1993, S. 586, der von "Rechtsfindung" spricht. 132 Vgl. den Beitrag zur Annäherung des Problems in der Frühphase der Gemeinschaften von von der Groeben, in: FS Hallstein, S. 226 ff.; zu der historischen Entwicklung der grundrechtlichen Rechtsprechung des EuGH vgl. ausführlich statt aller Hartley, The Foundations, S. 132 ff.; Kapteyn/Verloren

van Themaat, Introduction,

S. 165 ff.; Dallen, in: CMLRev 1990, S. 767 ff.; Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 167 ff; Henckaerts, in: International Journal of Legal Information 1994, S. 228 ff.; Schermers, Protection of Human Rights, S. 2 ff.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

ignoriert 133 oder unterschätzt 134 . Dazu haben auch die Kläger der Verfahren dadurch beigetragen, daß sie diese Frage am Maßstab der Verfassungen der Mitgliedstaaten stellten 135 . Der Gerichtshof hat die Frage des Grundrechtsschutzes i m Gemeinschaftsrecht mit der Begründung abgelehnt, daß er für die Auslegung nationaler Grundrechte, auf die sich die Kläger beriefen, nicht zuständig sei 136 . Gleichwohl hat sich die Rechtsprechung des EuGH in ihrer Frühphase auf die Autonomie und Eigenständigkeit der Rechtsordnung der Gemeinschaft gegenüber dem Völkerrecht zum einen und dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten sowie auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber letzterem konzentriert 137 . Eine Wende der Luxemburger Judikatur zeichnete sich 1969 im sog. Stauder-Fall ab. Anläßlich einer Vorlage des V G Stuttgart sowie im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EWGV hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die "streitige Vorschrift nichts enthält, was die in den allgemeinen Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat, enthaltenen Grundrechte der Person in Frage stellen könnte" 138 . Er hat damit 133

Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 49. Streinz, Grundrechtsschutz, S. 48; vgl. auch Schermers, Protection of Human Rights, S. 26. 135 Vgl. dazu EuGHE 1958/59, S. 43, 59 f. (Stork); 1960, S. 885 ff. (Ruhrkohlenverkaufsgesellschaft). In beiden Fällen handelte es sich um deutsche Unternehmen, die geltend gemacht haben, daß die Gemeinschaft bzw. die Hohe Behörde ihre Grundrechte aus Art. 2, 12 GG im ersten Fall, aus Art. 14 GG im zweiten verletzt habe. 136 EuGHE 1958/59, S. 43, 64 (Stork); 1960, S. 885, 920 f. (Ruhrkohlenverkaufsgesellschaft) - seitdem st. Rechtsprechung. Es ist hier hervorzuheben, daß der Gerichtshof im letzteren Urteil die "Tür" zur Bejahung eines Gemeinschaftsgrundrechtsschutzes offen gelassen hat - vgl. ebenso Streinz, Grundrechtsschutz, S. 49; vgl. weiter zu dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Bundesrepublik Deutschland in derselben Zeit Stern, Staatsrecht III/l, S. 293. 137 Vgl. EuGHE 1963, S. 1, 24 f. (van Gend & Loos); 1964, S. 1251, 1269 (Costa/ENEL); 1987, S. 2345, 2359, Rd. 14 (Albako); vgl. auch BVerfGE 75, 223, 244; 85, 191, 204 (Nachtbackverbot für Frauen); weiterhin Dallen, in: CMLRev 1990, S. 763 ff.; 134

letztens Gersdorf,

in: DVB1. 1994, S. 677 ff.; Pernice , in: EuR 1996, S. 31 f.; Giege-

rich,, in: JuS 1997, S. 39. Die Frage nach dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts hat die Diskussion über den Grundrechtsschutz in den Gemeinschaften verschärft, indem sie die weitere Frage provoziert hat, ob dieser Vorrang auch in den Fällen gilt, in denen durch einen Akt der Gemeinschaft Grundrechte berührt werden, die in den nationalen Rechtsordnungen verfassungsrechtlich geschützt werden - vgl. dazu Dallen, a. a. O., S. 764 f.; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 6; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 49 f. 138 EuGHE 1969, S.419, 425 (Stauder); vgl. auch EuGHE 1970, S. 1161, 1176, Rd. 22 (Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide). Man muß hier darauf hinweisen, daß sich der Keim dieser Rechtsprechung in den früheren Schlußanträgen der Generalanwälte Roemer und Lagrange befindet - vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Roemer, in: EuGHE 1958/59, S. 89/119 ff., 162 f. (Nold/Hohe Behörde); Schlußanträge des Generalanwalts Lagrange, in: EuGHE 1960, S. 885/933 ff., 940 f. (Ruhrkohlenverkaufsgesellschaft) - vgl auch zu dieser Einschätzung Streinz, Grundrechtsschutz, S. 48 f.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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die erste Rechtsgrundlage oder genauer gesagt Erkenntnisquelle 139 für die Grundrechte in der Gemeinschaftsrechtsordnung abgeleitet, nämlich die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Der EuGH hat diese Rechtsprechung im Laufe der Zeit wiederholt 140 , indem er auf das Stauder-Urteil und seine oben zitierte Ausführung zurückgegriffen und diese sogar vertieft hat: Der Gerichtshof legt dar, daß die Gewährleistung dieser Rechte (seil, der Grundrechte) von den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein müsse141. Mit der Verweisung auf die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten nimmt der EuGH zu den Rechtsfindungsquellen für die Ermittlung der allgemeinen Rechtsgrundsätze Stellung und präzisiert damit die dogmatische Fundierung des Grundrechtsschutzes 142. Seitdem hat der Gerichtshof eine Reihe von Grundrechten im klassischen Sinne der Abwehrrechte (status negativus) 143 als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, die den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, abgeleitet. Diese sind nicht nur wirtschaftliche Grundrechte, sondern auch Grundrechte, die "nicht-wirtschaftlichen" Charakter haben 144 . Kurz nach dem Beitritt Frankreichs als letztem der damaligen Mitgliedstaaten zur EMRK erweiterte der EuGH den Kreis der Rechtsermittlungsquellen um eine weitere. Dies hat er genauer dargelegt, nachdem er seine bisherige Rechtsprechung wiederholt hatte: "Auch die internationalen Verträge über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind, können Hinweise (seil, für den Grundrechtsschutz) geben, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichti-

139

Streinz, Grundrechtsschutz, S. 55; Pernice , in: NJW 1990, S. 2413, spricht von "Quelle". 140 Vgl. jüngst EuGHE 1996 I, S. 1759, 1789, Rd. 33 (Gutachten über den Beitritt der EG zur EMRK); EuGH EuGRZ 1997, S. 250, Rd. 14 (Kremzow). 141 Vgl. EuGHE 1970, S. 1125, 1135 ff., Rd. 3 ff. (Internationale Handelsgesellschaft). 142 So Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 51; vgl. auch Ress/Ukrow, in: EuZW 1990, S. 500. Hier muß jedoch hervorgehoben werden, daß der Verweis auf die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedsländer bzw. ihre gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen keinesfalls eine Bindung des Gemeinschaftsrechts an diese bedeutet - so Schwarze, in: FS Carstens, S. 261; Feger, Die Grundrechte, S. 97 f.; vgl. auch Nicolaysen, in: GS Sasse, S. 654 f. 143 So auch Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 203; Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 402; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 62e; Storr, in: Der Staat 1997, S. 558; vgl. auch BVerfGE 75, 224, 244. 144 Vgl. einen Überblick bei Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 22; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 16 ff.; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 65 ff.; Schwarze, in: NJ 1994, S. 53 ff.; Storr, in: Der Staat 1997, S. 557; weitere Hinweise auf die deutsche Literatur über den gemeinschaftlichen Grundrechtsschutz bei Ronellenfitsch, in: JÖR 1996, S. 193, Fn. 167 (dort).

6

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

gen sind" 145 . Nicht viel später hat er ausdrücklich auf die EMRK und ihre Zusatzprotokolle 146, die Europäische Sozialcharta vom 18. November 1961 sowie die Konvention Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf 147 als Rechtsermittlungsquellen zurückgegriffen. In neuerer Zeit hat er auf den Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte der Vereinten Nationen vom 19. 12. 1966 (UN Treaty Series, Bd. 999, S. 171) zurückgegriffen 148. Nach der Gemeinsamen Erklärung der Versammlung, des Rates und der Kommission vom 5. April 1977 (AB1EG 1977 Nr. C. 103, S. 1) bezieht sich der Gerichtshof in seiner grundrechtlichen Rechtsprechung auf diese, soweit es sich um die Begründung der Einschlägigkeit der EMRK für den Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht handelt 149 . Diese Erklärung zusammen mit der Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten, die das Europäische Parlament am 12. 04. 1989 verabschiedet hat 150 , gelten als das "Soft Law" des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht 151.

b) Die Regelungen des EGV Bisher wurden die Rechtsermittlungsquellen des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes aufgrund des Richterrechts der Luxemburger Rechtsprechung dargestellt. Nun wird ermittelt, ob und inwieweit die Verträge bzw. der EGV grundrechtliche oder grundrechtsähnliche Bestimmungen beinhalten, die den richterrechtlichen Grundrechtsschutz ergänzen könnten. Es wurde bereits dargelegt 152, daß der EGV in Fragen des Grundrechtsschutzes sehr spärlich ausgestattet ist. Die bereits erwähnten Vorschriften verankern in erster Linie objektiv-rechtliche Grundsätze des Gemeinsamen Marktes (ζ. B.

145 EuGHE 1974, S. 491, 507 (Nold/Kommission); vgl. weiter zu dieser Formel EuGHE 1980, S. 1975, 1996, Rd. 18 (Testa); 1989, S. 2237, 2268, Rd. 14 (Schräder); 1989, S. 2609, 2639, Rd. 17 (Wachauf). 146 EuGHE 1975, S. 1219, 1232, Rd. 32 (Rutiii); vgl. weiter EuGHE 1979, S. 3727, 3745, Rd. 15 (Hauer); 1984, S. 2689, 2718, Rd. 22 (Regina); 1986, S. 1663, 1682, Rd. 18 (Johnston); 1989, S. 2859, 2923, Rd. 13 (Hoechst). 147 EuGHE 1978, S. 1365, 1379, Rd. 26 ff. (Defrenne III). 148 EuGHE 1989, S. 3283, 3351, Rd. 31 (Orkem); 1989, S. 3355 (Solvay); 1990 I, S. 3763, 3800, Rd. 68 (Dzodzi). 149 Vgl. EuGHE 1979, S. 3727, 3745 (Hauer); 1986, S. 1663, 1682, Rd. 18 (Johnston). 150 Abgedruckt in EuGRZ 1989, S. 204 ff. 151 So Pernice , in: NJW 1990, S. 2414 f.; vgl. auch Chwolik-Lanf ermann, Grundrechtsschutz, S. 65. 152 s. oben sub I.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Grundsatz des Diskriminierungsverbots 153 , Grundsatz des freien Warenverkehrs 154 , der Freizügigkeit der Arbeitnehmer 155 , der Niederlassungsfreiheit usw.), die zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes (vgl. Art. 2, 3 lit. a, c, 3 a I, 7 a I I 1 5 6 EGV), der W W U (vgl. Art. 2, 3 a I I EGV) und eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt (vgl. Art. 3 lit. g, 85 ff., 90 f., 92 ff. EGV), beitragen 157 . Aus diesen Teilgrundsätzen ergeben sich die Grundsätze des Gemeinsamen bzw. des Binnenmarktes, der W W U und der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (vgl. Art. 3a I, II, 102 a EGV), die die Kernpunkte der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft darstellen 158 . Der EuGH selbst ist sehr zurückhaltend bei der Verwendung des Begriffes "Grundrechte" für die Grundfreiheiten 159 und bevorzugt auch für die Grundfreiheiten eher den Begriff "Grundsatz", wie ζ. B. die "Grundsätze der Handelsfreiheit, des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs" 160 . Es wird trotzdem zu Recht anerkannt, daß die Vorschriften über die fünf Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot 153

Vgl. dazu EuGHE 1987, S. 4097, 4115, Rd. 9 (Unectef). Vgl. dazu EuGHE 1969, S. 211, 222 (Social Fonds Diamantarbeiders); 1974, S. 129, 138; EuGH EuGRZ 1997, S. 622, Rd. 24 (Kommission/Frankreich) - Plünderungen durch französische Bauern. 155 Vgl. dazu EuGHE 1987, S. 4097, 4115, Rd. 8 (Unectef). 156 Vgl. zur Bedeutung des Art. 7 a II EGV, EuGH EuGRZ 1997, S. 622, Rd. 26 (Kommission/Frankreich) - Plünderungen durch französische Bauern. 157 Vgl. dazu van der Esch, in: WuW 1988, S. 565; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 43; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 181; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 24; Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 404 f.; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 168; Jarass, in: EuR 1995, S. 204; vgl. auch bereits früher Hilf, Der Gerichtshof, S. 27; Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 65 ff.; Bleckmann, in: GS Sasse, S. 666. 158 s. dazu ausführlich oben sub Β II. 159 Vgl. nur EuGHE 1987, S. 4097, 4117, Rd. 14 (Unectef); 1995 I, S. 4921, 5076, Rd. 129 (Bosman), wonach der freie Zugang zur Beschäftigung, den er bereits aus Art. 48 EWGV abgeleitet hat, ein Grundrecht sei; genauso die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz im Bosman-Fall, a. a. O., S. 5007 f., Nr. 203; zu diesem Urteil merkt Schroeder, in: JZ 1996, S. 255, an, daß sich in dieser Formel Parallelen zur Grundrechts] udikatur des Gerichtshofes zeigen würden; vgl. ferner EuGHE 1985, S. 531, 548, Rd. 9 (Procureur de la République), wo der Gerichtshof von "der grundrechtlichen Handelsfreiheit" spricht. 160 So EuGHE 1985, S. 531, 548 f., Rd. 9 und 14 f. (Procureur de la République); vgl. auch EuGHE 1961, S. 117, 162 (SNUPAT); vgl. weitere Beispiele aus der Rechtsprechung des EuGH über diese Grundsätze bei Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 28 ff. Man muß hier darauf hinweisen, daß damit die Gefahr existiert, daß die Begriffe "allgemeine Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung" mit den Grundsätzen aus den Grundfreiheiten und anderen Vorschriften des EWGV/EGV verwechselt werden so auch Streinz, Grundrechtsschutz, S. 43; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 180. Man sollte aber betonen, daß es um verschiedene Rechtsgrundlagen geht - so auch Pernice , in: NJW 1990, S. 2413; vgl. aber EuGHE, a. a. O., S. 549, Rd. 9. Dort wird ein anderer Eindruck erweckt. 154

6

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

aus Art. 6 EGV, sein besonderer Aspekt aus Art. 40 I I I 2 EGV, die Wettbewerbsregeln nach Art. 85 ff. EGV und das Gleichberechtigungsgebot fur Männer und Frauen nach Art. 119 E G V 1 6 1 dem einzelnen subjektiv-rechtlichen Schutz gegenüber den Mitgliedstaaten wie auch gegenüber der Gemeinschaft gewähren 162 . Sie werden als grundrechtsähnliche Freiheiten anerkannt 163 , die sogar subjektive öffentliche Rechte des einzelnen erzeugen können 164 . Ob sie darüber hinaus grundrechtsdogmatisch als echte Grundrechte des EGV bezeichnet werden sollen, kann hier dahingestellt bleiben 165 . Man mag aber an dieser Stelle darauf hinweisen, daß die Tatsache, daß sie in erster Linie als objektiv-rechtliche Grundsätze der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft gelten, eher gegen ihre Qualität als Grundrechte i m klassischen Sinne spricht 166 , 161 Zum grundrechtlichen Charakter der drei letzteren Vorschriften vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 175 182; Lenz, in: EuGRZ 1993, S. 585; vgl. auch zum Art. 119 EGV Mancini/di Bucci , in: Iliopoulos-Strangas (Hg.): Grundrechtsschutz im Europäischen Raum, S. 211. 162 Es ist hier daraufhinzuweisen, daß der EuGH diese in erster Linie auf die Wirtschaft bezogenen Grundfreiheiten auch für nicht-wirtschaftliche Lebensbereiche fruchtbar gemacht hat - EuGHE 1984, S. 377 ff. (Luisi und Carbone); 1985, S. 593 f f (Gravier). 163 So ausdrücklich Schwarze, in: FS Maihofer, S. 539; ders., in: FS Deringer, S. 161, Fn. 3 (dort); Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 181; Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 298, Fn. 172 (dort); Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 168; H. Schneider, in: NJ 1996, S. 512; vgl. auch Jarass, in: EuR 1995, S. 204. 164 So ausdrücklich EuGHE 1974, S. 1337, 1347 (van Duyn); 1976, S. 1333, 1341, Rd. 20 (Dona); 1987, S. 4097, 4117, Rd. 14 (Unectef); 1991 I, S. 5889, 5930, Rd. 23 (Merci Convenzionali Porto di Genova); 1995 I, S. 4921, 5076, Rd. 129 (Bosman), wonach das Grundrecht des freien Zugangs zur Beschäftigung jedem Arbeitnehmer der Gemeinschaft individuell vom Vertrag zu verleihen sei; vgl. auch EuGHE 1963, S. 1,15 (Van Gend en Loos); 1991 I, S. 6079, 6102 (Gutachten über den EWR); vgl. aus dem Schrifttum T. Stein, Diskussionsbeitrag in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 83; Hilf, Der Gerichtshof, S. 26 f.; Bleckmann, in: EuGRZ 1981,

S. 258; ders., in: GS Sasse, S. 666, 675; Schwarze, in: EuGRZ 1986, S. 296 f.; ders., in:

FS Maihofer, S. 540; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 43; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 181; Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 171; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 24; Zuleeg, in: DÖV 1992, S. 942; ders., in: Iliopoulos-

Strangas (Hg.): Grundrechtsschutz im Europäischen Raum, S. 243; ders., in: BB 1994, S. 582 f.; ders., in: FS Everling, Band II, S. 1719; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 181; Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 41; Mestmäcker, in: FG Willgerodt, S. 275; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 168; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht in: Schmidt-Aßmann (Hg.): Besonderes Verwaltungsrecht, Rd. 25; Jürgensen/Schlünder,

in: AÖR 1996, S. 209; Grämlich, in: DÖV 1996, S. 805; Ho-

be/Tietje, in: JuS 1996, S. 488; vgl. auch zur Grundlegung einer Theorie der subjektivöffentlichen Gemeinschaftsrechte v. Danwitz, in: DÖV 1996, S. 481 ff. 165 Vgl. dazu die Nachweise bei Stern, Staatsrecht III/l, S. 295 f.; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 27, Fn. 54 (dort). 166 Vgl. auch zu einer Unterscheidung zwischen Grundrechten und Grundfreiheiten Streinz, Grundrechtsschutz, S. 43; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 13, Jarass, in: EuR

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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obwohl im Ergebnis die Subjektivierung ihres objektiv-rechtlichen Gehalts ihnen einen Abwehrcharakter verleiht 167 . Bemerkenswert ist die Einfügung der politischen Grundrechte der Art. 8 ff. EGV durch den EUV in den EGV. Der Besitz der Unionsbürgerschaft (Art. 8 EGV), die Freizügigkeit der Unionsbürger innerhalb der EU-Länder, abgesehen von beruflichen Gründen (Art. 8 a EGV), das aktive und passive Wahlrecht der Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, bei Kommunalwahlen (Art. 8 b EGV), das Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz (Art. 8 c EGV) und das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament (Art. 8 d EGV) stellen diese politischen Grundrechte dar.

3. Umfang und Tragweite der Rechtserkenntnisquellen des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes a) Begriff und Inhalt der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts Es wurde bereits dargestellt, wie der EuGH die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung als richterrechtliche Grundrechte konzipiert und erkannt hat 168 . Man muß sich hier mit der Frage der Konkretisierung des Inhalts und der Tragweite dieser Grundrechte auseinandersetzen, nachdem der Begriff "allgemeine Rechtsgrundsätze" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH definiert worden ist.

1995, S. 204; Langer, Grundlagen, S. 98; Ronellenfitsch, in: JÖR 1996, S. 193 f.; Triantafyllou, Gesetzesvorbehalt, S. 156 f. Im Ergebnis plädiert auch ChwolikLanfermann, Grundrechtsschutz, S. 75 f., gegen die Gleichsetzung der Grundfreiheiten mit den klassischen Grundrechten. Grund dafür sei aber ihr enger Anwendungsbereich, der sich hauptsächlich auf wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht; dagegen gilt als großer Verfechter der grundrechtlichen Qualität der Grundfreiheiten des EGV Bleckmann, in: GS Sasse, S. 665 ff; ders., in: EuGRZ 1981, S. 257 ff.; ders., Europarecht, S. 195 ff.; vgl. letztens auch Netthoff, in: RIW 1995, S. 544 f.; Wechsler, Verfassungswerdung, S. 95; Nettesheim, in: NVwZ 1996, S. 342 ff.; vgl. auch zur Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 48 ff. EGV die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in: EuGHE 1995 I, S. 4921, 5007, Nr. 203 (Bosman), wonach sie mit einemMGrundrecht" gleichgesetzt wird. 167 Vgl. Hobe/Tietje, in: JuS 1996, S. 488, die die Grundfreiheiten als Abwehrrechte bezeichnen; weiterhin H. Schneider, in: NJ 1996, S. 512. 168 Man mag hier daraufhinweisen, daß Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 13, hervorhebt, daß die Grundrechte in der Gemeinschaft abgesehen davon gelten würden, ob der Gerichtshof sie anerkannt bzw. konkretisiert habe. Die Gemeinschaftsorgane seien an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden, selbst wenn ein entsprechender Richterspruch des EuGH noch nicht vorliege; vgl. auch ähnlich Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 29.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Dieser Begriff wird oft im Völkerrecht verwendet (vgl. Art. 38 I lit. c IGHStatut). Es muß hier aber hervorgehoben werden, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, wie der EuGH sie in seiner Rechtsprechung konzipiert und definiert hat, keinesfalls mit den allgemein von den Kulturvölkern anerkannten Grundsätzen des Rechts i. S. d. Art. 38 I lit. c IGHStatut 169 verwechselt werden dürfen. Ihre einzige Gemeinsamkeit liegt darin, daß sie auf die innerstaatliche Ordnung der Mitglieder der Völker- bzw. der Europäischen Gemeinschaft verweisen 170 , ohne daß dies zu bedeuten hat, daß sie sich mit ihnen normativ identifizieren. Genauso wie das Völkerrecht und die allgemeinen Grundsätze des Rechts, hat sich das Gemeinschaftsrecht die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung autonom zu eigen gemacht 171 . Dies ist allerdings ein Ausfluß der Autonomie und Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung gegenüber den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen 172. Der Begriff wird einerseits auf den Begriff "allgemeine Rechtsgrundsätze" i. S. d. Art. 215 I I EGV und andererseits auf den vergleichbaren, durch die Rechtsprechung des französichen Conseil d'Etat geprägten Begriff "principes généraux du droit" zurückgeführt und stellte in der ursprünglichen Rechtsprechung des EuGH die legitimierende Basis für die Ableitung zahlreicher rechtsstaatlicher Prinzipien dar 173 1 7 4 . Die Verweisung auf

169

Vgl. mehr zu dieser Quelle des Völkerrechts bei Favre, Les principes généraux, S. 366 ff.; Verdross, Die Quellen des Völkerrechts, S. 120 ff.; weitere Literatur bei Steinberger, in: HdDStR, VII, § 173, Rd. 18, Fn. 60 (dort). 170 Vgl. ebenso Rodriguez Iglesias , in: FS Bernhardt, S. 1272, der zusätzlich davon ausgeht, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung sich nicht nur aus den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, sondern auch aus der internationalen Rechtsordnung ableiten lassen würden; vgl. auch Feger, Die Grundrechte, S. 96; Wechsler, Verfassungswerdung, S. 79. 171 So für die allgemein anerkannten Grundsätze des Rechts i. S. d. Art. 38 I lit. c IGH-Statut Steinberger, in: HdDStR, a. a. O., Rd. 19, und für die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung bzw. die Grundrechte der Gemeinschaft Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 27, 32. 172 Vgl. dazu Pernice , in: NJW 1990, S. 2411; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 27; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 179, 223. 173 So Kutscher, Grundrechtsschutz, S. 40; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 47 f.; Bleckmann, Europarecht, Rd. 288; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 53 f.; Schwarze, in: EuGRZ 1986, S. 295; ders., in: FS Deringer, S. 162; ders., in: NJ 1994, S. 53. Man sollte nicht verkennen, daß das französische Verwaltungsrecht nicht so sehr am Verfassungsrecht orientiert ist wie das deutsche Verwaltungsrecht an dem GG (vgl. Art. 1 III, 20 III GG) - so Streinz, Grundrechtsschutz, S. 48, Fn. 78 (dort); vgl. auch Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 171. 174 Obwohl ihre Grundlage dieselbe ist - die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts - und beide zum ungeschriebenen Verfassungsrecht der Gemeinschaft gehören (vgl. dazu oben), darf man nicht die rechtsstaatlichen Garantien mit den Grundrechten des Gemeinschaftsrechts identifizieren, nicht zuletzt weil die letzteren subjektive öffentliche Rechte begründen, während die ersteren nur objektives Recht darstellen können - vgl. dazu Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 13, 172. Dieses Ergebnis deutet

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Art. 215 I I EGV erklärt, daß der EuGH die Ableitung der Rechtsgrundsätze auf dem Weg der Rechtsvergleichung ermittelt 175 , und die Verweisung auf den vom Conseil d'Etat verwendeten Begriff, daß der Gerichtshof diesen Begriff ursprünglich für die Ableitung der rechtsstaatlichen Rechtsgrundsätze verwendet hat. Die Synthese dieser zwei Rechtsbegriffe hat mit Hilfe des Art. 164 EWGV/EGV, durch den der Gerichtshof die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags sichert 176 , zur Ableitung der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte als "allgemeine Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung, die in den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind", geführt 177 1 7 8 . Auslegungsprobleme bezüglich des Inhalts und des Umfangs des Grundrechtsschutzes bzw. der Höhe des Grundrechtsstandards ergeben sich gerade aus der Eigenschaft der allgemeinen Rechtsgrundsätze als "gemeinsam" in den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Es wurden mehrere Meinungen über die Höhe des Standards der Grundrechte der Gemeinschaft vertreten 179 , der EuGH schwankt in seiner Rechtsprechung. Einerseits betont er, daß er keine Maßnahmen als rechtens anerkennen könne, "die unvereinbar sind mit den von den Verfassungen dieser Staaten (seil, der Mitgliedstaaten) anerkannten und geschützten Grundrechte" 180 , eine Feststellung, die zum sog. Maximalstandard tendiert 181 , andererseits aber ist er an, daß auch die Begriffe "allgemeine Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung" und "Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung" nicht identisch sind - vgl. dazu Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 321; vgl. auch Bleckmann, Europarecht, Rd. 303 ff. 175 Vgl. ähnlich Zuleeg, in: DÖV 1992, S. 940; ders., in: Iliopoulos-Strangas (Hg.): Grundrechtsschutz im Europäischen Raum, S. 238; Mancini/di Bucci , in: IliopoulosStrangas (Hg.): Grundrechtsschutz im Europäischen Raum, S. 212. 176 Art. 164 wurde nicht nur als die materiellrechtliche Verankerung der Rechtsstaatlichkeit und des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht, sondern auch als Geltungsgrund des letzteren betrachtet - so Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 42, 48; vgl. auch Hartley, The Foundations, S. 130; Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 42; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 169; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 321; Grämlich, in: DÖV 1996, S. 805; Triantafyllou, 177

Gesetzesvorbehalt, S. 157.

Vgl. dazu die Ausführung Stadlers, S. 133 ff.; vgl. auch Bleckmann, Europarecht, Rd. 288 ff. 178 Der französische Einfluß ist auch hier eindeutig; man darf nicht vergessen, daß in der französischen Rechtsordnung viele Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze ("principes généraux du droit") gelten - vgl. so Heinz, in: DÖV 1987, S. 853; Bleckmann, Europarecht, Rd. 288; Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 171; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 53 f. 179 Vgl. einen Überblick bei Stadler, Berufsfreiheit, S. 168 ff.; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 399 ff.; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 54 ff.; Nonhoff in: RIW 1995, S. 542. 180 EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 13 (Nold); 1979, S. 3727, 3745, Rd. 15 (Hauer). 181 Zu dieser Einschätzung Pescatore, in: EuGRZ 1978, S. 445; Kutscher, Grundrechtsschutz, S. 45 f.; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 50, 402 f., der sogar für diese Er-

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

im sog. Hoechst-Urteil 182 dem Maximalstandard nicht gefolgt, indem er die grundrechtlich garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung nicht auf Geschäftsräume erstreckt hat 1 8 3 . Die Ausklammerung der Geschäftsräume aus dem Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung zeigt, daß die Tragweite seines Schutzbereichs hinter der Tragweite der Garantie des Art. 13 I GG zurückbleiben soll, so daß davon auszugehen ist, daß der Gerichtshof den Maximalstandard für dieses Grundrecht ablehnt.

b) Die Bedeutung der EMRK für die Bestimmung des Grundrechtsschutzes i m Gemeinschaftsrecht und ihre Beziehung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts Ähnliche Probleme ergeben sich bezüglich der Anwendung der E M R K als Rechtsermittlungsquelle der Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung und ihrer Beziehung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Auch hier wurden mehrere Auffassungen vertreten 184 . In bezug auf die Bindung der EG an die E M R K ist zu bemerken, daß sich nach der Rechtsprechung des EuGH eine unmittelbare Bindung nicht ergibt 185 . Die EG stellt eine eigenständige Rechtsordnung dar 1 8 6 und ist der EMRK noch nicht beigetreten;

kenntnismethode in der Form der sog. negativen Kontrollfunktion plädiert; ders. Europarecht, Rd. 362; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 30; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 210; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 56 (m. w. N.); Storr, in: Der Staat 1997, S. 559. 182 EuGHE 1989, S. 2859 ff. 183 Zu diesem Ergebnis De Witte, in: Legal Issues of European Integration 1991, S. 11; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25 f., Fn. 51 (dort); Chwolik-Lanf ermann, Grundrechtsschutz, S. 56 f. 184 Vgl. einen Überblick bei Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 61 ff. 185 Vgl. zu dieser Einschätzung der Rechtsprechung des EuGH Generalanwalt Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685, 4722, Nr. 30 (Grogan); T. Stein, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 151; Lenz, in: EuGRZ 1993, S. 587; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 62; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 171 f. (m. w. N.); Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1200; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 61; vgl. auch Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25, Fn. 50 (dort), mit der zutreffenden Bemerkung, daß eine gegen einen Akt der Gemeinschaftsgewalt gerichtete Konventionsbeschwerde unzulässig sei; genauso bereits früher Fr owein, in: GS Sasse, S. 731 f. Diese Bemerkung entspricht allerdings der Rechtsprechung der Europäischen Kommission für Menschenrechte - vgl. dazu Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 306 f.; Schermers, Protection of Human Rights S. 14; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 61, jeweils mit diesbezüglichen Nachweisen; dagegen spricht Pescatore, in: Bernhardt/Mosler/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 71, von einer Bindung des EuGH an die materiellen Bestimmungen der EMRK. 186 Dieses Argument benutzen Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 184 f., und Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 62, um eine unmittelbare Bindung der EG an die

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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ein eventueller zukünftiger Beitritt würde auf viele rechtliche und politische Hindernisse stoßen 187 . Damit ist aber die zu untersuchende Frage noch nicht beantwortet. Es muß geklärt werden, welche Bedeutung der EuGH der EMRK bei der Ableitung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes beimißt 188 . Die Rechtsprechung des EuGH schwankt auch in diesem Punkt und ist nicht eindeutig 189 . Während der Gerichtshof in seiner ursprünglichen Rechtsprechung nur "Hinweise" von der E M R K bekam 190 , um daraus den Grundrechtsschutz der Gemeinschaft abzuleiten, zeigt sich in seiner späteren Judikatur, daß er unmittelbar auf die jeweiligen Vorschriften der E M R K zurückgreift, um das Handeln der Gemeinschaftsorgane an dem Grundrechtsschutz des Gemeinschaftsrechts zu messen 191 , was aber keinesfalls die Bedeutung einer unmittelbaren oder mittelbaren Bindung der Gemeinschaft an die E M R K hat 1 9 2 - genauso wenig wie eine Bin-

EMRK abzulehnen; vgl. auch T. Stein, in: Mosler/Berhhardt/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 149. 187 Vgl. dazu die Nachweise oben sub 1. 188 Dieses Problem hat neulich die Rechtsprechung des österreichischen OGH beschäftigt, der gemäß Art. 177 EGV dem EuGH die Frage vorgelegt hat, ob die Grundrechte der EMRK einen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts bilden - ÖOGH EuGRZ 1995, S. 570; vgl. mittlerweile EuGH EuGRZ 1997, S. 250 f., Rd. 13 ff. (Kremzow), wo die Frage zur Sache wegen fehlender Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht hat beantwortet werden können. 189 Vgl. so Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1194; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 319. 190 EuGHE 1974, S. 491, 507 (Nold); vgl. auch EuGHE 1980, S. 1979, 1997 (Testa); 1989, S. 2237, 2268 (Schräder); 1989, S. 2609, 2639, Rd. 17 (Wachauf), wonach die internationalen Verträge über den Grundrechtsschutz bzw. die EMRK "zu berücksichtigen sind". 191 EuGHE 1980, S. 2033, 2057, Rd. 18 f. (National Panasonic); 1984, S. 2689, 2718 (Regina); 1986, S. 1651, 1682, Rd. 18 (Johnston); 1989, S. 2859, 2923, Rd. 13 (Hoechst); 1991 I, S. 2925, 2963, Rd. 44 (ERT); 1991 I, S. 4007, 4043, Rd. 23 (Gouda); 1991 I, S. 4069, 4097, Rd. 30 (Kommission/Niederlande); 1992 I, S. 5485, 5513 f., Rd. 35 ff. (Ter Voort); 1994 I, S. 4737, 4789, Rd. 17 (AIDS-Test); 1995 I, S.4921, 5065, Rd. 79 (Bosman); EuGH EuZW 1997, S. 472, Rd. 18 (Familiapress); vgl. auch bereits früher EuGHE 1975, S. 1219, 1232 (Rutiii); 1976, S. 1589 (Prais); vgl. zu dieser Deutung Streinz, Grundrechtsschutz, S. 400 f.; Pernice , in: NJW 1990, S. 2414; Ress/Ukrow, in: EuZW 1990, S. 501; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 173 f.; Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1199, der sogar darlegt, daß man dieser Rechtsprechung entnehmen könne, daß die EMRK, auf gleicher Stufe mit den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten stehend, rechtliche Beachtung beanspruchen könne; Rodrigues Iglesias, ebenda, S. 1279 f.; vgl. aber EuGHE 1992 I, S. 2575, 2609, Rd. 23 (Kommission/Deutschland), in dem der Gerichtshof nicht auf Art. 8 EMRK zurückgegriffen hat, um die Ableitung des Rechts auf Achtung des Privatlebens als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung zu begründen. Das hat er aber später in dem AIDSTest-Urteil, a. a. O., getan. 192 Vgl. so zu dieser Deutung Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 32; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 61; vgl. auch ähnlich Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 178; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 182; Kischel, in: EuGRZ 1997, 41 Tsiliotis

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

dung der Gemeinschaft an die betreffende nationale grundrechtliche Norm angenommen wird 1 9 3 . Nach der jüngsten Formel des Gerichtshofes kommt der EMRK zur Ableitung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht eine "besondere Bedeutung" zu 1 9 4 . Aus dem gesamten Komplex dieser Rechtsprechung des EuGH ist schwierig zu erkennen, wie dieser sich die Beziehung der EMRK zu den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten für die Ableitung der Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts vorstellt. Ob nun die EMRK, der mittlerweile alle EU-Mitgliedstaaten beigetreten sind, als Teil der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung betrachtet werden und den Maßstab zur Bestimmung ihres Umfangs, zumindest bezüglich derjenigen Grundrechte, die die EMRK bilden, darstellen kann 195 , kann nicht ohne weiteres gesagt werden. Es wurde allerdings vertreten, daß die EMRK wegen ihrer Akzeptanz von allen Mitgliedstaaten einen Mindeststandard für den Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene darstellen könne 196 .

S. 9; a. A. Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1200, der in der neueren Rechtsprechung des EuGH eindeutig eine Tendenz in die Richtung einer Bindung der EG an die EMRK sieht. Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 326, geht von einer mittelbaren Bindung nur an die Konventionsgrundrechte aus, während Kühling, in: EuGRZ 1997, S. 297, von einer "faktischen" Bindung spricht. 193 Vgl. dazu Schwarze, in: FS Carstens, S. 261; Feger, Die Grundrechte, S. 97 f.; vgl. auch Nicolaysen, in: GS Sasse, S. 654 f.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 182. 194 So EuGHE 1986, S. 1651, 1682, Rd. 18 (Johnston); 1987, S. 3137, 3156, Rd. 24 (Dow Benelux); 1987, S. 3165, 3184, Rd. 10 (Dow Chemical Iberica); 1989, S. 2859, 2923, Rd. 13 (Hoechst); 1991 I, S. 2925, 2963, Rd. 41 (ERT); 1992 I, S. 5485, 5512, Rd. 34 (Ter Voort); 1996 I, S. 1759, 1789, Rd. 33 (Gutachten über den Beitritt der EG zur EMRK); EuGH EuGRZ 1997, S. 250, Rd. 14 (Kremzow); vgl. auch EuGHE 1996 I, S. 161, 176, Rd. 20 (Perfili), wonach die Gemeinschaftsgrundrechte "sich insbesondere aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben"; vgl. dazu Mancini/di Bucci , in: Iliopoulos-Strangas (Hg.): Grundrechtsschutz im Europäischen Raum, S. 212. 195 Einen solchen Schluß läßt sich nach Ress/Ukrow, in: EuZW 1990, S. 501, aus dem sog. Hoechst-Urteil, aber auch aus einem Teil der älteren Rechtsprechung des EuGH entnehmen; vgl. auch inzwischen EuGHE 1994 I, S. 4737, 4789, Rd. 17 (AIDSTest), wonach "das in Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens, das sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten herleitet", ein von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschütztes Grundrecht darstellt; gleiche Formulierung in bezug auf die Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK EuGHE 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 79 (Bosman), und EuGH EuZW 1997, S. 472, Rd. 18, 25 (Familiapress), für die Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK; vgl. ferner EuGHE 1996 I, S. 161, 176, Rd. 20 (Perfili); Bleckmann, in: NVwZ 1993, S. 826; Rodriguez Iglesias , in: FS

Bernhardt, S. 1280. 196 So Streinz, Grundrechtsschutz, S. 401, der aber diesen Schluß aus den "Anzeichen" der Luxemburger Rechtsprechung ableitet; ders., Europarecht, Rd. 361; T. Stein, in: GS Grabitz, S. 789; Rodriguez Iglesias , in: FS Bernhardt, S. 1280; Hilf, in: G/H,

Art. F EUV, Rd. 32; Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 221; diese Auffassung scheinen auch Mancini/di Bucci, in: Iliopoulos-Strangas (Hg.)· Grundrechtsschutz im Europäischen Raum, S. 212, anzunehmen; dagegen legt Schwarze, in: FS Maihofer,

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Die Mitgliedstaaten haben durch ihren Beitritt zur EMRK die Konvention als Maßstab des Grundrechtsschutzes in ihren Rechtsordnungen anerkannt. Das bedeutet aber nicht, daß sie unbedingt als Bestandteil der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gilt 1 9 7 - solange sie in den innerstaatlichen Ordnungen regelmäßig keinen Verfassungsrang besitzt und die jeweiligen Grundrechte der nationalen Verfassungen von dem Schutzstandard der EMRK entweder nach oben oder nach unten abweichen können 198 . Darüber hinaus gilt die EMRK für einige der Vertragsstaaten, die der dualistischen Theorie folgen, nicht als Bestandteil ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung 199. Deshalb sollte man also besser von einem mittleren Standard (Durchschnitt) des Grundrechtsschutzes durch die EMRK für die Vertragsstaaten, die zugleich EU-Mitglieder sind, sprechen.

c) Die Rechtserkenntnismethode bezüglich der Gemeinschaftsrechtsgrundrechte unter besonderer Berücksichtigung der sog. wertenden Rechtsvergleichung Hier erscheint folgendes richtig: Soweit der Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht immer noch aufgrund der richterrechtlichen Rechtsfortbildung der Luxemburger Rechtsprechung gilt, muß man die zwei wichtigsten seiner Erkenntnisquellen, die gemeinsamen Verfassungstraditionen und die EMRK, zunächst trennen (vgl. auch den Wortlaut des Art. F I I EGV) 2 0 0 . Es muß darauf hingewiesen werden, daß diese verschiedene Erkenntnisquellen darstellen 201.

S. 543, dar, daß die Regeln der EMRK nicht in jedem Fall als zwingende Minimalstandards für das Gemeinschaftsrecht zu begreifen seien. 197 So aber Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 60; Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1198. Diesen Eindruck erweckt irreführend auch die Formulierung der EuGHE 1994 I, S. 4737, 4789, Rd. 17 (AIDS-Test); 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 79 (Bosman); EuGH EuZW 1997, S. 472, Rd. 18, 25 (Familiapress), zumindest für den Art. 8 bzw. 11 und 10 EMRK - zu dieser Deutung vgl. auch Kokott, in: AÖR 1996, S. 603, zum AIDSTest-Urteil. Daß man aber nicht zu diesem Schluß kommen soll, zeigt sich unten sub c. 198

So auch Weber, in: JZ 1989, S. 971; Langenfeld/Zimmer

mann, in: ZaöRV 1992,

S. 307 f. 199 Vgl. statt aller Schwarze, in: EuGRZ 1986, S. 297; Weber, in: JZ 1989, S. 971; Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 304 (m. w. N.). 200 So im Ergebnis Streinz, Grundrechtsschutz, S. 401 f.; Giegerich, in: ZaöRV 1990, S. 856 f.; vgl. auch aktuell BVerfGE 94, 49, 88 f. (Neues Asylrecht I - Sichere Drittstaaten). 201 In diese Richtung auch Storr, in: Der Staat 1997, S. 555 f. Das bedeutet aber nicht, daß sie sich miteinander in einem Rang Verhältnis befinden. Deswegen unzutreffend Triantafyllou, Gesetzesvorbehalt, S. 157, der die EMRK als "zweitrangige Inspirationsquelle" im Vergleich zu den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen, die anscheinend die "erstrangige Quelle" darstellen, bezeichnet.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Für die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, die in den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, muß die sog. wertende Rechtsvergleichung gelten 202 . Danach muß nicht nur ermittelt werden, ob sie gemeinsam in den nationalen Rechtsordnungen gelten, sondern auch, ob sie in einem gemeinsamen Umfang und Inhalt gewährleistet werden 203 . Ist letzteres nicht der Fall - was nach einer Rechtsvergleichung fünfzehn verschiedener Rechtsordnungen zu erwarten ist 2 0 4 2 0 5 -, muß der allgemeine Rechtsgrundsatz und aufgrund dessen das entsprechende Grundrecht mit dem Umfang und dem Inhalt festgelegt werden, der sich am besten der Struktur und den Zielen (vgl. Art. 2, 3 EGV) 2 0 6 des Gemeinschaftsrechts anpaßt und entspricht 207. Sie müssen nicht dem Maximalstandard, sie dürfen aber auch nicht dem Minimalstandard 208 entsprechen 209. Das Gemeinschaftsinteresse muß freilich mitbe-

202 Dafür plädieren Hilf, Der Gerichtshof, S. 32; Schwarze, in: FS Carstens, S. 261; Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 226 f.; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 190 f.; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25 f., Fn. 52 (dort); Pernice, in:

NJW 1990, S. 2414; ders., in: G/H, Art. 164, Rd. 58; Häberle, in: EuGRZ 1991, S. 265; Bleckmann, in: N V w Z 1993, S. 826; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 224 f.; Chwolik-

Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 58; Rujfert, in: EuGRZ 1995, S. 524; kritisch zum Begriff Sasse, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 57, der parallel auf die Schwierigkeiten einer solchen Rechtsgewinnungsmethode hinweist. 203 Vgl. dazu Streinz, Grundrechtsschutz, S. 399; Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 524; aus der Judikatur des Gerichtshofes vgl. EuGHE 1979, S. 3727, 3746, Rd. 20 (Hauer). 204 Vgl. ähnlich Zuleeg, in: DÖV 1992, S. 941; Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 524. 205 Hier ist daraufhinzuweisen, daß das fragliche Grundrecht nicht in allen Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich garantiert werden muß. Der EuGH zögert nicht, ein Grundrecht als allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung anzuerkennen, das nicht als Grundrecht in den verfassungsrechtlichen Ordnungen einiger Mitgliedstaaten anerkannt wird - vgl. Pernice, in: G/H, Art. 164, Rd. 60, mit Hinweisen bezüglich der entsprechenden Rechtsprechung des Gerichtshofs; vgl. hier auch unten die Beispiele der Garantie der Berufsfreiheit sub II 3 a aa und der Werbefreiheit im Rahmen der freien Meinungsäußerung sub II 3 a dd. 206

Netthoff,

in: RIW 1995, S. 542.

207

Vgl. so die Schlußanträge des Generalanwalts Lagrange im EuGHE 1962, S. 570 f. (Niederlandsche Hoogovens); vgl. auch EuGHE 1970, S. 1125, 1135, Rd. 4 (Internationale Handelsgesellschaft); Kutscher, in: ders./Rogge/Matscher, Der Grundrechtsschutz, S. 46; Nicolaysen, in: GS Sasse, S. 655; Schwarze, in: FS Carstens, S. 261; Feger, Die Grundrechte, S. 98; Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 226; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 180 f.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 228 (vgl. auch die Nachweise in Fn. 39 dort); Hilf, in: G/H, Art. F EUV, Rd. 37; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 58; Netthof, in: RIW 1995, S. 542; Ruffert,

in: EuGRZ 1995, S. 524;

dazu neigt auch Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25 f., Fn. 52 f. (dort); vgl. auch die ausführliche Darstellung dieser Methode bei Stadler, S. 196 ff.; dagegen verbindet Bleckmann, in: NVwZ 1993, S. 826, unzutreffend die "wertende Rechtsvergleichung" mit dem Maximalstandard des Grundrechtsschutzes. 208 Zur Begründung der Ausscheidung des Minimalstandards vgl. Feger, Die Grundrechte, S. 99 f.; P. Kirchhof in: EuR Beiheft 1/1991, S. 47; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 55; Netthoff in: RIW 1995, S. 542.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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rücksichtigt werden 210 . Die EMRK kann zweifelsohne "Hinweise", "maßgebliche Orientierungspunkte" oder sogar "Anknüpfungspunkte" geben, kann aber nicht einen unmittelbar rechtsbindenden Prüfungsmaßstab darstellen 211 . Der unmittelbare Rückgriff auf die konkrete EMRK-Norm hat den Sinn, daß sie die gemeinsamen nationalen Verfassungstraditionen widerspiegelt 212 bzw. am besten der wertenden Rechtsvergleichung entspricht 213 . In dieser Hinsicht verschränken sich gemeinsame Verfassungstraditionen und E M R K 2 1 4 , die als ursprünglich verschiedene Erkenntnisquellen von unterschiedlichen Ausgangspunkten beginnen und dann die Gemeinschaftsgrundrechte als allgemeine

209

Vgl. im Ergebnis Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25 f.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 224; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 58; Hilf, in: G/H, Art. F EUV, Rd. 37; Netthoff in: RIW 1995, S. 542 f.; Storr, in: Der Staat 1997, S. 559. 210 ygj Werfer^ j n : Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of Protection, S. 588; Netthoff in: RIW 1995, S. 544. 211 Vgl. ebenso Generalanwalt Van Gerven y in: EuGHE 1991 I, S. 4685, 4722, Nr. 30 (Grogan); Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 183; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25, Fn. 50 (dort); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 184 f.; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 172; Kokott, in: AÖR 1996, S. 602; ähnlich Giegerich, in: ZaöRV 1990, S. 856 f.; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 49; Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 408, der von "mittelbarem Prüfungsmaßstab" spricht; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 9; in diese Richtung auch Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 326; Storr, in: Der Staat 1997, S. 555 f.; vgl. auch bereits früher T. Stein, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 151; Hilf, Der Gerichtshof, S. 33; a. A. und zu weit Rodrigues Iglesias , in: FS Bernhardt, S. 1279 f. 212 So die Formulierung des Gerichtshofes im EuGHE 1979, S. 3727, 3745, Rd. 17 (Hauer): "Das Eigentumsrecht wird in der Gemeinschaftsrechtsordnung gemäß den gemeinsamen Verfassungskonzeptionen der Mitgliedstaaten gewährleistet, die sich auch im Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention widerspiegeln"; vgl. zu dieser Einschätzung auch Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 322; Grämlich, in: DÖV 1996, S. 807. 213 So sollte man auch die Formulierung der EuGHE 1994 I, S. 4737, 4789, Rd. 17 (AIDS-Test); 1995 I, S.4921, 5065, Rd. 79 (Bosman); EuGHE 1996 I, S. 161, 176, Rd. 20 (Perfili), interpretieren sowie die neue Formel des Gerichtshofes über die "besondere Bedeutung" der EMRK für die Ableitung der Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung (vgl. dazu die Nachweise bezüglich der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH oben sub b); vgl. auch aus dem Schrifttum Pernice , in: NJW 1990, S. 2414, der in diesem Sinne die EMRK als wichtigen Maßstab der wertenden Rechtsvergleichung betrachtet, und mit ähnlicher Argumentation auch Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25 f.; T. Stein, in: GS Grabitz, S. 789 f.; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 322; vgl. in diesem Punkt, obwohl aus einer anderen Perspektive, Weiler, in: FS Pescatore, S. 822, der darlegt: "It is part of the established acquis that the Convention is a primary source on which the Court will rely in culling its own standards of protection of human rights. It may well go beyond the Convention, but the ECHR is a usual starting point" (vgl. spezifisch zum Art. 10 EMRK unten sub 3 a dd). 214 Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 308 ff.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung bilden 215 . Aber selbst in diesem Fall handelt es sich auch nicht um eine materielle Bindung an die EMRK bzw. die jeweilige EMRK-Norm 2 1 6 2 1 7 : Die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen verlieren nicht ihre eigenständige Bedeutung für die Rechtsgewinnung der Grundrechte des Gemeinschaftsrechts 218, und die entsprechende EMRK-Norm wird als Widerspiegelung der gemeinsamen mitgliedstaatlichen Verfassungsüberlieferungen in der Gemeinschaftsrechtsordnung durch die wertende Rechtsvergleichung und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wenn auch modifiziert, bloß rezipiert 219 . Möchte man einen Begriff aus den Naturwissenschaften benutzen, um die Ableitung und Konkretisierung der Gemeinschaftsgrundrechte bildlich darzustellen, könnte man sie als die Resultante der Grundrechte, die in den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten enthalten sind, und diese Grundrechte als die Koordinaten der Resultante beschreiben 220 . Da jedoch die Rechtswissenschaft keine Naturwissenschaft ist, wird man annehmen müssen, daß diese Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung als "Resultante" der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten nicht immer das absolute Ergebnis der "Koordinaten" bzw. ihr Durchschnitt oder "gemeinsamer 215

So auch Storr, in: Der Staat 1997, S. 556; vgl. auch die Schlußanträge des Generalanwalts Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685, 4722, Nr. 30 (Grogan), wonach der Gerichtshof die internationalen Verträge bzw. die EMRK und die Verfassungsüberlieferungen, die in den Mitgliedstaaten gemeinsam sind, für mitentscheidend für den Inhalt der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts hält; vgl. auch aber aus einer anderen Perspektive Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 323, 326. 216 So aber für die konkreten grundrechtlichen Normen der EMRK Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 326. 217 Daß die Gemeinschaft nicht formell an die EMRK gebunden sein kann, wurde bereits gezeigt (s. oben sub b); vgl. auch die Nachweise unten sub d auf die Schriftsteller, die eine materielle Bindung der Gemeinschaft an die EMRK über Art. F II EUV annehmen, und diejenigen, die eben das ablehnen. 218 So T. Stein, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 151; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 185; vgl. auch Generalanwalt Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685, 4722, Nr. 30 (Grogan); Generalanwalt Gulmann, in: EuGHE 1994 I, S. 955, 971, Nr. 30 (Bostock); a. A. aber Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 220 f. Hier weisen Bleckmann, Europarecht, Rd. 282 ff., Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rn. 24 und Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 53, darauf hin, daß die eigentliche dogmatische Grundlage der ungeschriebenen Grundrechte des Gemeinschaftsrechts die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts seien. 219 So Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 304 ff., sowie Fn. 202 (dort); dies., in: EuGRZ 1992, S. 338; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 175; vgl. ähnlich die Schlußanträge des Generalanwalts Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685, 4722, Nr. 30 (Grogan). Generalanwalt Lenz, in: EuGHE 1991 I, S. 2925, 2948, Nr. 49 (ERT), und Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 326, betrachten die Grundrechte der EMRK als (mittelbaren) Bestandteil des Gemeinschaftsrechts; noch weiter Krogsgaard, in: Legal Issues of European Integration 1993, S. 108; Vedder, in: EuR 1996, S. 317. 220 Sinngemäß ebenso Triantafyllou, Gesetzesvorbehalt, S. 157.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Nenner" sein können 221 . Denn die Form der "Resultante" bzw. der Umfang und der Inhalt des Schutzbereichs der Grundrechte der Gemeinschaft werden danach bestimmt, wie sie am besten der Struktur und den Zielen der Gemeinschaft entsprechen. Wenn der Richter nach dieser Untersuchung und unter Berücksichtigung der EMRK zu dem Ergebnis kommt, daß dazu nicht der Durchschnitt am besten paßt, sondern die Verfassungsregelung eines Mitgliedstaates 222 oder einer Gruppe von Mitgliedstaaten mit gemeinsamer Rechtstradition 223 oder die entsprechende Regelung der EMRK, kann er von dem Durchschnitt der Verfassungstraditionen abweichen und diejenige Regelung als Maßstab für die Ableitung eines Grundrechts der Gemeinschaftsordnung anwenden, die am besten dazu paßt 224 .

d) Die Bedeutung des sog. Soft Law der Gemeinschaft, der Präambel der EEA und des Art. F I I EUV für den Grundrechtsschutz der Gemeinschaft Die Bedeutung der beiden bereits genannten Quellen 225 und jeder Quelle, die eventuell das sog. Soft Law 2 2 6 der Gemeinschaft darstellen kann 227 , darf nicht 221

Vgl. ebenso Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 226; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 25 f.; Hilf, in: G/H, Art. F EUV, Rd. 37; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 58; Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 524; a. A. Triantafyllou, Gesetzesvorbehalt, S. 157, der ohne weiteres die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts als die "Synthese der Rechtsüberzeugungen der Mitgliedstaaten" charakterisiert. 222 Vgl. auch Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 60. Dazu spielt in der Praxis eine große Rolle, wie wichtig dieser Staat bzw. seine Rechtsordnung für die Entwicklung der europäischen Integration und die Ausgestaltung der europäischen Rechtsordnung ist. Deutschland, Frankreich und Großbritannien zählen zu den Staaten mit verhältnismäßig größerem "Gewicht" als die anderen. 223 Zum Beispiel Länder mit romanischer, germanischer oder angelsächsischer oder mit kontinentaler und angelsächsischer Rechtstradition - vgl. dazu Bleckmann, Europarecht, Rd. 283. 224 Vgl. dazu auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 226; Bleckmann, in: FS Börner, S. 30; vgl. auch ders., Europarecht, Rd. 284, am Beispiel der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts; Hilf in: G/H, Art. F EUV, Rd. 37; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 58; Netthoff in: RIW 1995, S. 542 f.; vgl. ähnlich Nicolaysen, in: GS Sasse, S. 655; Rujfert, in: EuGRZ 1995, S. 524. 225 s. oben sub 2 a. 226 Den Begriff benutzen Pernice , in: NJW 1990, S. 2414, Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 183, und Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 401. 227 Vgl. insbesondere die von elf Mitgliedstaaten (sämtliche damalige Mitgliedstaaten ohne Großbritannien) angenommene "Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer" vom 8./9. Dezember 1989 (vgl. mittlerweile Art. 136 EGV/Amsterdam) und zu einem Überblick der verschiedenen Dokumente der Gemeinschaftsorgane mit grundrechtlichem Interesse: Scholz, in: FS Steindorff, S. 1418 ff.; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 50 ff.; Krogsgaard, in: Legal Issues of European Integration 1993, S. 103 ff; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 225 f.; ChwolikLanfermann, Grundrechtsschutz, S. 86 ff.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

unterschätzt, aber auch nicht überschätzt werden. Inhaltlich gesehen stellt die Gemeinsame Erklärung eine Bestätigung der Rechtsprechung des EuGH dar. Sie darf als ein Text verstanden werden, in dem die drei wichtigsten Organe der Gemeinschaft ihre Konzeption über den Rechtsstaat und den Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht niedergelegt haben 228 und die grundrechtliche Rechtsprechung des EuGH bestätigen wollten. Daß der EuGH 229 , aber auch das BVerfG 230 darauf zurückgegriffen haben, zeigt, daß sie nicht ohne Bedeutung geblieben ist. Die Erklärung des Parlaments geht noch weiter, denn sie enthält einen Grundrechtskatalog mit "klassischen" Grundrechten, aber auch mit sog. sozialen Grundrechten und objektiv-rechtlichen Staatszielbestimmungen. Diese Texte entfalten keine unmittelbar bindende Wirkung 231 . Ihre rechtliche Wirkung ist deklaratorisch, ohne eine Außenwirkung für den einzelnen zu erzeugen 232 . Insbesondere bei der vom Parlament im Jahre 1989 verabschiedeten Erklärung über Grundrechte und Grundfreiheiten muß die schwache Stellung des Europa-Parlaments im Verfassungsgefüge der Gemeinschaft mitberücksichtigt werden 233 . Das Parlament übt weder die gesetz- noch die verfassungsgebende Gewalt in der EG aus, obwohl seine Stellung nach der EEA und dem EUV verstärkt wurde. Trotzdem kann die Meinung vertreten werden, daß diese Erklärung, soweit sie Grundrechte und -freiheiten enthält, die den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten entsprechen, als eine Erkenntnisquelle für die Rechtsgewinnung des gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes durch den EuGH genutzt werden kann 234 . Was die Erwähnung bezüglich des Grundrechtsschutzes in der Präambel der EEA und in Art. F I I EUV anbelangt, wird davon ausgegangen, daß sie eine Bestätigung und Übernahme sowie parallel eine Art Kodifizierung oder geschriebene Positivierung der Rechtsprechung des EuGH in geschriebenen

228 So Kutscher, Grundrechtsschutz, S. 43; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 85; zur Bedeutungserheblichkeit der Gemeinsamen Erklärung vgl. auch Per-

nice, in: NJW 1990, S. 2415. 229

Vgl. oben sub 2 a. BVerfGE 73, 339, 383 f. (Solange II). 231 So Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 51, 55; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 86. 232 Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 51. 233 Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 55; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 183. 234 So Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 183; vgl. auch Pernice , in: NJW 1990, S. 2415; vgl. auch die Schlußanträge des Generalanwalts Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685/4703, 4721 f., Nr. 30 (Grogan). 230

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Texten darstellen 235 und als solche als Rechtsquellen des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes bewertet werden können. Vergleichsweise wichtiger ist der Art. F I I EUV 2 3 6 , da er im Text des Vertrages und nicht in der in bezug auf ihre Bindung umstrittenen Präambel niedergelegt ist 237 . Er betrifft nicht nur die drei Gemeinschaften, sondern auch die beiden anderen Säulen der EU 2 3 8 . Seltsamerweise wurde der Art. F I I EUV der Zuständigkeit des Gerichtshofes den EUV betreffend entzogen239. Keinesfalls darf dies so verstanden werden, daß der EUV den EuGH der Zuständigkeit über die Rechtsfindung und -fortbildung des Grundrechtsschutzes berauben wollte 240 . Es ist nur ein Hinweis darauf, daß dem Art. F I I EUV keine weitere rechtliche Bedeutung als der Rechtsprechung des EuGH beigemessen werden darf und daß der Gerichtshof bezüglich der Bindung der EU-Organe an die Grundrechte im Bereich der zwei anderen Säulen (GASP sowie Justiz und Inneres) nicht für die Überprüfung zuständig ist, ob die Grundrechte in diesen Bereichen beachtet werden 241 2 4 2 . Umstritten ist, ob durch Art. F I I EGV eine

235

Vgl. so Bleckmann, in: DVB1. 1992, S. 336; Langenfeld/Zimmer

mann, in:

ZaöRV 1992, S. 308; Ress, in: JuS 1992, S. 990; Krogsgaard, in: Legal Issues of European Integration 1993, S. 106 f.; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 281, die den Art. F II EGV als eine Grundrechts-Generalklausel bezeichnet; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 171 f.; Koenig/Pechtstein, Die Europäische Union, S. 40; Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 42; Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 519; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 324 ff.; Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 204; Kokott, in: AÖR 1996, S. 602; Rodriguez Iglesias , in: EuGRZ 1996, S. 129; Schulze-Fielitz, in: Dreier,

Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 9; vgl. auch zur Bedeutung der Präambel der EEA EuGHE 1989, S. 1263, 1290, Rd. 10 (Kommission/Deutschland), und zur Bedeutung des Art. F II EUV EuGHE 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 79 (Bosman); 1996 I, S. 1759, 1787, Rd. 32 (Gutachten über den Beitritt der EG zur EMRK). 236 Vgl. inzwischen Art. 6 II EUV/Amsterdam. 237 Vgl. so Krogsgaard, in: Legal Issues of European Integration 1993, S. 105; Schermers, Protection of Human Rights S. 24 f. 238 So Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1206; ders., in: G/H, Art. F EUV, Rd. 40; Pernice, in: G/H, Art. 164, Rd. 40; Rodriguez Iglesias, in: FS Bernhardt, S. 1281; Kischel, in:

EuGRZ 1997, S. 10. 239 Vgl. kritisch dazu Rodriguez Iglesias, in: FS Bernhard, S. 1281; ders., in: EuGRZ 1996, S. 129. 240 So auch BVerfGE 89, 155, 174 ff. (Maastricht); Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1206; ders., in: G/H, Art. F EUV, Rd. 42; Rodriguez Iglesias, in: FS Bernhardt, S. 1281;

Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 324; vgl. auch EuGHE 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 79 (Bosman), wo der Gerichtshof ausdrücklich auf den Art. F II EUV zurückgreift. 241 Genauso Mestmäcker, in: FG Willgerodt, S. 276; Hilf, in: FS Bernhardt, S. 1204; ders., in: G/H, Art. F EUV, Rd. 42; Rodriguez Iglesias, in: FS Bernhardt, S. 1281;

Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 324; Kischel, in: EuGRZ 1997, S. 10; vgl. auch BVerfGE 89, 155, 175 ff. (Maastricht). 242 Vgl. auch inzwischen den neuen Art. 46 EUV/Amsterdam (ex-Artikel L EUV).

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

unmittelbare 243 oder mittelbare 244 Bindung der EU an die EMRK geschaffen wurde. Diese Frage muß man wohl verneinen und mit der h. M . 2 4 5 davon ausgehen, daß der Art. F I I EGV nichts Neues eingebracht, sondern lediglich die bisherige Rechtsprechung des EuGH bestätigt hat 246 . Seine Bedeutung ist eher deklaratorisch 247.

I I . Die Wettbewerbsfreiheit im Grundrechtssystem der Gemeinschaftsordnung 1. Das Grundrecht Wettbewerbsfreiheit im Sinne des europäischen Gemeinschaftsrechts Bevor man untersucht, ob und wie die Wettbewerbsfreiheit grundrechtlich im Rahmen der Gemeinschaftsrechtsordnung garantiert wird, ist zu klären, was man unter Wettbewerbsfreiheit im Sinne des Gemeinschaftsrechts versteht. Hier muß man auf den verfassungsrechtlichen Begriff der Wettbewerbsfreiheit zurückgreifen, wie er nach der Darstellung der deutschen Rechtsordnung definiert wurde. Die Wettbewerbsfreiheit besteht im gemeinschaftsrechtlichen wie auch im deutschen Sinne aus der Freiheit zum Wettbewerb und der Freiheit im Wettbewerb 248 . Der für das deutsche Verfassungsrecht dargestellte Inhalt dieser Freiheit 249 gilt mutatis mutandis auch für das Gemeinschaftsrecht.

243 Vgl. so Bleckmann, in: DVB1. 1992, S. 336; Krogsgaard, in: Legal Issues of European Integration 1993, S. 108, 110; E. Stein, Staatsrecht, § 25 IV 3. 244 Vgl. so Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 325, der von "indirekter Bindungswirkung" der EMRK in der Gemeinschaftsrechtsordnung spricht; Streinz, Europarecht, Rd. 358, spricht von einer "einseitigen (d. h. ohneförmlichen Beitritt) Bindung der EU an den materiellen Mindeststandard der EMRK", und Hilf in: FS Bernhardt, S. 1206, geht von einer materiellen Bindung der EU an die EMRK aus, "die mit den gleichzeitig zu beachtenden gemeinsamen Verfassungstraditionen nicht in Widerspruch stehen dürfte"; vgl. ders., in: G/H, Art. F EUV, Rd. 32. 245 ygj F n 235. Hier ist daraufhinzuweisen, daß Bleckmann, der schon immer ein Verfechter der Ansicht war, daß die Gemeinschaft an die EMRK gebunden sei, in DVB1. 1992, S. 336, den Art. F II EUV sowohl als Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH als auch als Verankerung der Bindung der Gemeinschaft an die EMRK betrachtet; ähnlich wie Bleckmann auch Krogsgaard, in: Legal Issues of European Integration 1993, S. 106 ff.; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 325. 246 So ausdrücklich EuGHE 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 79 (Bosman). 247 Vgl. auch Pache, in: G/H, Art. L EUV, Rd. 30. 248 Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 134. 249 Vgl. oben sub erster Teil B I 1.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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2. Die Rechtsprechung des EuGH Der Gerichtshof benutzt keine einheitliche Terminologie bezüglich des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit. Zunächst sollte man festhalten, daß der EuGH den Begriff "Wettbewerbsfreiheit" als subjektives Grundrecht - wie bereits im Teil über die deutsche Rechtsordnung dargestellt in seiner bisherigen Judikatur nie benutzt hat. Bereits in der Frühphase seiner Rechtsprechung hat er von dem "Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit", der sogar "für alle Wirtschaftsstufen und für alle Erscheinungsformen des Wettbewerbs" gelten solle 250 , gesprochen. Sucht man aber den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit in der Rechtsprechung des Gerichtshofes, so kann man ihn an einer anderen Stelle finden: Der Gerichtshof spricht in verschiedenen Phasen seiner Judikatur von dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit 251 , dem Grundrecht auf wirtschaftliche Betätigung 252 , der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit 253, dem freien Handel 254 , der Freiheit der Arbeit, des Handels und anderer Berufstätigkeiten 255, den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, des freien Wettbewerbs 256 und der grundrechtlichen Handelsfreiheit 257, den Grundsätzen der freien Berufsausübung, der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit 258. Parallel erkennt er das Recht auf freie Berufswahl 259 und -ausübung 260 als allgemeine Rechtsgrundsätze an. Letzteres hat er sogar in seiner jüngeren Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Eigentumsrecht 261 als Prüfungsmaßstab für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftshandlungen, die einen Eingriff in die wirtschaftlichwettbewerbliche Tätigkeit der einzelnen darstellen, herangezogen 262 und das 250

EuGHE 1966, S. 321, 370 (Consten u. Grundig). EuGHE 1970, S. 1161, 1176, Rd. 21 f. (Einfuhr- und Vorratstelle Getreide). 252 EuGHE 1985, S. 2857, 2882, Rd. 23 (Finsider). 253 EuGHE 1991 I, S. 415, 553, Rd. 72, 76 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest). Der Gerichtshof benutzt hier als Alternativbegriff auch die "Unternehmerfreiheit". 254 EuGHE 1970, S. 1125, 1135 ff, Rd. 3 ff. (Internationale Handelsgesellschaft). 255 EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 14 (Nold). 256 ygj z u d i e s e m Begriff auch die Schlußanträge des Generalanwalts Trabucchi, in: EuGHE 1974, S. 515 (Nold), sowie bezüglich des EGKS EuGHE 1961, S. 162 (SNUPAT). 257 EuGHE 1985, S. 531, 548 f., Rd. 9 ff. (Procureur de la République). 258 EuGHE 1987, S. 2289, 2338 f. (Rau). 259 EuGHE 1986, S.2519, 2749, Rd. 20 f. (Kommission/Deutschland) - Qualitätswein b. a. 260 EuGHE 1979, S. 3727, 3750, Rd. 31 (Hauer); 1986, S.2519, 2545, Rd. 27 (Kommission/Deutschland) - Qualitätswein b. a; 1986, S. 2897, 2912, Rd. 8 (Keller). 261 Zu diesem Zusammenhang vgl. Kokott, in: AÖR 1996, S. 606. 251

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

zuerst genannte Recht auch aus Art. 48 EWGV i. V. m. Art. 3 lit. c EWGV als fundamentalen Grundsatz des Vertrages abgeleitet263. Darüber hinaus äußert sich der Gerichtshof zur Wettbewerbsfreiheit auch im Rahmen der Wettbewerbsregeln aus Art. 85 ff. EWGV/EGV 2 6 4 . Wenn man bei der vorhandenen Untersuchung zu brauchbaren Schlüssen kommen will, befindet man sich vor der schwierigen Aufgabe der "Entzifferung" der Luxemburger Rechtsprechung: Wie bereits erwähnt, greift der Gerichtshof auf verschiedene Erkenntnisquellen und Rechtsgrundlagen zurück, wobei er keine einheitliche Terminologie benutzt. Das ist ein brillanter Beweis für die Schwierigkeiten, die die Nicht-Kodifizierung der Grundrechte des Gemeinschaftsrechts in einer geschriebenen Rechtsquelle bzw. in einem Grundrechtskatalog und ihre Ableitung durch die richterrechtliche Rechtsgewinnung und -fortbildung des EuGH verursacht. In Ermangelung eines solchen Katalogs muß ermittelt werden, ob der EuGH ein Grundrecht "Wettbewerbsfreiheit" zuläßt und wie er sich ein solches vorstellt. Zuerst muß klargestellt werden, daß die nicht einheitliche Position des EuGH zweifelsohne auf die verschiedenen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten zurückgeht 265 . Das Zurückgreifen auf die (allgemeine) Wirtschaftsfreiheit bzw. das Grundrecht auf die freie wirtschaftliche Betätigung bis Mitte der 80er Jahre kann auf die damals (noch) herrschende Meinung in der Bundesrepublik Deutschland zurückgeführt werden, daß die freie wirtschaftliche Betätigung, und damit auch die Wettbewerbsfreiheit, im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG geschützt werde 266 . Zum anderen mag die häufige

262 EuGHE 1992 I, S. 55, 63 f., Rd. 16 (Kühn); 1994 I, S. 955, 984, Rd. 19 (Bostock); 1994 I, S. 4973, 5065 f., Rd. 77 ff. (Deutschland/Rat) - Bananen; 1994 I, S. 5555, 5580 f , Rd. 20 (SMW Winzersekt); 1995 I, S. 3115, 3152., Rd. 55 (Fishermen's Organisations u. a.); 1995 I, S. 3875, 3904, Rd. 14 (Country Landowners Association); 1996 I, S. 569, 610, Rd. 28 (Duff u. a.); vgl. auch bereits früher EuGHE 1979, S. 3727, 3750, Rd. 31 (Hauer); 1989 2237, 2267, 2269, Rd. 18 (Schräder); vgl. ferner EuGHE 1991 I, S. 415, 552 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest), in der der Gerichtshof von "Eigentum und wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit" bzw. "Unternehmerfreiheit" (Rd. 72) und andererseits von "Eigentum und der freien Berufsausübung" spricht. Das ist noch ein Zeichen der Uneinheitlichkeit seiner Rechtsprechung, zumindest in bezug auf die Terminologie. 263 EuGHE 1987, S. 4097, 4115, Rd. 8 (Unectef); vgl. auch EuGHE 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 129 (Bosman). 264 Vgl. EuGHE 1974, S. 51, 62, Rd. 15/17 (BRT); 1987, S. 405, 455 f. (Verband der Sachversicherer); 1991 I, S. 107, 123, Rd. 11 (Alsthom Atiantique); 1991 I, S. 1027, 1042, Rd. 22 (Marchandise u. a.). 265 Nach Fuß, Grundrechtsschutz, S. 82 ff., geht diese Haltung des EuGH auf französische "Rechtsmentalität" zurück, wonach objektive Rechtsprinzipien als Instrumente des Individualrechtsschutzes eingesetzt worden seien. Diesbezüglich ist Fuß zuzustimmen (vgl. auch hier oben sub 2 a). 266 Vgl. dazu oben sub erster Teil Β I 2 b.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Erwähnung der Freiheit des Handels und ihre Verbindung mit der Freiheit des Wettbewerbs 267 mit dem Einfluß französischer Rechtstradition (liberté du commerce et de l'industrie) 268 zu tun haben. Erkennbar ist auch der Einfluß der neuen Entwicklungslinien in der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur 269 auf die neue Entwicklungslinie des EuGH, wonach die freie wirtschaftliche Betätigung, und damit auch die Wettbewerbsfreiheit, grundsätzlich von Art. 121 GG (Berufsfreiheit) und 14 I GG (Eigentum) garantiert wird. Aus einer Einschätzung der gesamten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich eine Anerkennung des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit als allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung (wie der Begriff bereits definiert wurde) über die Grundfreiheiten hinaus insbesondere der Warenverkehrs- und Niederlassungsfreiheit, des Diskriminierungsverbots (Art. 7 EWGV bzw. 6 EGV), der Wettbewerbsregeln (Art. 85 ff., 92 ff. EWGV/EGV) in Verbindung mit anderen allgemeinen Vorschriften wie Art. 3 lit. c und g EGV, der Präambel des EWGV usw. 270 . Wegen des unterschiedlichen Anwendungsbereichs der gerade genannten Rechtsgrundlagen erscheint es hier sinnvoll, sie getrennt zu untersuchen.

3. Die Rechtsgrundlagen für die Ableitung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts "Wettbewerbsfreiheit" Nun wird untersucht und gezeigt, daß die Wettbewerbsfreiheit ein Grundrecht des Gemeinschaftsrechts darstellt. Die Rechtsgrundlagen dieses Grundrechts betreffen sowohl das geschriebene als auch das ungeschriebene Verfassungsrecht der Gemeinschaft. Die bereits dargelegte Untersuchung 271 über die Ableitung und die Bestimmung des Umfangs des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht wird für die Untersuchung über die Ableitung und die Festlegung des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit zugrundegelegt. Abgrenzungs- und Konkurrenzprobleme zwischen dem geschriebenen und ungeschriebenen gemeinschaftsverfassungsrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit werden berücksichtigt.

267

blique). 268

So ausdrücklich in EuGHE 1985, S. 531, 548 f., Rd. 9 ff. (Procureur de la Répu-

Vgl. mehr dazu Manitakis, La liberté du commerce, S. 23 ff. Vgl. oben sub erster Teil Β I 2 c. 270 Zu einem gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht Wettbewerbsfreiheit, das sich aus diesen Rechtsgrundlagen ableiten läßt, bekennt sich auch Verloren van Themaat, in: FS von der Groeben, S. 435; vgl. im Ergebnis gleich, Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 78, er betont aber den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit durch den EWGV/EGV und vernachlässigt ihren grundrechtlichen Schutz im Rahmen des ungschriebenen Verfassungsrechts der Gemeinschaft. 271 Vgl. oben sub I. 269

6

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung a) Die Wettbewerbsfreiheit als allgemeiner Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung

Für die Ableitung des Grundrechts Wettbewerbsfreiheit in der Gemeinschaftsrechtsordnung als allgemeiner Rechtsgrundsatz wird die bereits dargelegte Erkenntnismethode angewendet, d. h. es werden zuerst die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten nach der Methode der "wertenden Rechtsvergleichung" untersucht, dann wird ermittelt, ob darüber hinaus die EMRK Hinweise oder dergleichen gibt. Hauptgrundrecht für die Ableitung des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht ist wie im deutschen Verfassungsrecht die Berufs- bzw. Gewerbefreiheit. Nicht bedeutungslos sind auch das Eigentum, der allgemeine Gleichheitssatz und u. U. die Meinungsfreiheit.

aa) Die Berufs-, Gewerbe- und Handelsfreiheit als Fundamente der Wettbewerbsfreiheit Nach einer Rechtsvergleichung der verfassungsrechtlichen Ordnungen der meisten Mitgliedstaaten ergibt sich, daß die Wettbewerbsfreiheit in keiner dieser Ordnungen als Grundrecht expressis verbis garantiert wird. Keine verfassungsrechtliche Ordnung garantiert ausgesprochen ein Grundrecht der Berufsfreiheit wie das deutsche Verfassungsrecht es kennt (freie Berufswahl und -ausübung)272 . Alle Verfassungen jedoch, mit der Ausnahme Belgiens und Dänemarks, sehen Vorschriften oder Prinzipien vor, aufgrund derer die freie wirtschaftliche Betätigung, die Handels- und Gewerbefreiheit und damit auch die Berufsfreiheit als freie Berufswahl und -ausübung, geschützt werden 273 . Daraus kann sich die Frage ergeben, weshalb man unbedingt den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit aus der Berufsfreiheit ableiten sollte. Warum sollte die Ableitung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts als allgemeiner Rechtsgrundsatz nach der Erkenntnis- oder Rechtsgewinnungsmethode der wertenden Rechtsvergleichung auf der deutschen Verfassungsordnung basieren 274? Gibt vielleicht die EMRK einen Hinweis auf ein solches Ergebnis? Die EMRK kann leider keine nützlichen Hinweise oder Ori-

272

Zu weit dagegen Netthoff in: RIW 1995, S. 543. Vgl. dazu ausführlich Stadler, Berufsfreiheit, S. 213 ff.; vgl. auch Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 16 f.; Netthoff in: RIW 1995, S. 543 f.; Skouris, in: EuZW 1995, S. 440 f.; vgl. auch die rechtsvergleichende Arbeit in: ders. (Hg.), Advertising, a. a. Ο. 274 Das tut Netthoff in: RIW 1995, S. 543, 545, bezüglich des Grundrechts "Berufsfreiheit" mit der Begründung, daß in keinem anderen Mitgliedstaat der EG gerade das Grundrecht der Berufsfreiheit eine so weitgehende Durchdringung erfahren habe wie in der Bundesrepublik. 273

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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entierungspunkte bei der Untersuchung geben, ob und wie die Wettbewerbsfreiheit in den verschiedenen Mitgliedstaaten garantiert wird, da sie nicht die freie wirtschaftliche Betätigung und im allgemeinen keine wirtschaftlichen Grundrechte enthält. Aus Art. 4 I I EMRK (Verbot der Zwangsarbeit) kann man keine Garantie der Berufs- und Gewerbefreiheit ableiten 275 (vgl. aber Art. 12 Ziff. 1 der Erklärung des Europäischen Parlaments über die Grundrechte und -freiheiten, der die Berufsausübungsfreiheit verankert, aber keine bindende Wirkung hat). Die Antwort zu den eben gestellten Fragen gibt die Rechtsgewinnungsmethode der "wertenden Rechtsvergleichung": Die Ableitung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts soll nach einer Untersuchung der Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten am besten der Struktur und den Zielen der Gemeinschaft entsprechen und dienen. Wie bereits ausgeführt wurde, stehen drei Lösungsmodelle zur Verfügung: Die allgemeine Wirtschaftsfreiheit 276, die Berufsfreiheit 277 und die Gewerbe- und Handelsfreiheit 278. Im Rahmen derer muß der grundrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht ermittelt werden: Die allgemeine Wirtschaftsfreiheit, auf die der EuGH früher zurückgegriffen hatte, hat einen generellen Charakter. Sie umfaßt eine große Zahl von wirtschaftlichen Handlungen und kann auch Tätigkeiten einschließen, die nichts mit der Wettbewerbsfreiheit zu tun haben. Deswegen erscheint es sinnvoll, dieses Grundrecht zu konkretisieren und in mehreren Teilgrundrechten zu analysieren 279, ζ. B. der Vertrags-, Berufs-, Gewerbe- 280, Wer-

275

276

So Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 16; Netthoff,

in: RIW 1995, S. 544.

Vgl. Art. 5 I der griechischen Verfassung von 1975; vgl. auch Art. 40 III 1 der irischen Verfassung von 1937; weiterhin das allgemeine Prinzip der Freiheit in Großbritannien, aufgrund dessen die economic liberty (Wirtschaftsfreiheit) und die freedom of contract and economic activity (Vertrags- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit) garantiert werden und mangels einer geschriebenen Verfassung als common law in Großbritannien gelten. Diese Regelungen bzw. Prinzipien vernachlässigt Netthoff, in: RIW 1995, S. 543, Fn. 26 (dort). 277 Vgl. Art. 12 I GG; vgl. auch Art. 19 III der niederländischen Verfassung bezüglich der freien Wahl der Arbeit und § 74 der dänischen Verfassung von 1953 bezüglich der freien und gleichen Berufsausübung. 278 Vgl. die liberté du commerce et de l'industrie (Handels- und Gewerbefreiheit), die von der h. M. im französischen Recht als allgemeiner Rechtsgrundsatz und Grundfreiheit mit Verfassungsrang anerkannt wird, und den Art. 11 VI der luxemburgischen Verfassung von 1868, Art. 38 der spanischen Verfassung von 1978; vgl. auch Art. 41 I der italienischen Verfassung von 1948 und Art. 61 I der portugiesischen Verfassung von 1976, die die Gewerbefreiheit im Rahmen der privaten Wirtschaftsinitiative gewährleisten - vgl. dazu auch Stadler, S. 293, 335; Skouris, in: ders. (Ed.): Advertising, S. 25 ff.; ders., in: EuZW 1995, S. 441. 279 Vgl. zum Grundrecht "Wirtschaftsfreiheit" im deutschen Verfassungsrecht und im Gemeinschaftsrecht Nicolaysen, in: GS Sasse, S. 651 ; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 404, die aber die älteren Positionen in beiden Rechtsordnungen darstellen.

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

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be-, Verbraucher- und Wettbewerbsfreiheit 281, der wirtschaftlichen Vereinigungsfreiheit und dem Eigentum - das naturwissenschaftliche Beispiel der Resultante und ihrer Koordinaten 282 kann auch hier angewendet werden 283 . Von den beiden weiteren Lösungsansätzen, die Wettbewerbsfreiheit hauptsächlich als Berufs- oder als Gewerbe- und Handelsfreiheit zu betrachten, erscheint eine Kombination der beiden am besten. Die Berufsfreiheit, wie sie im deutschen Verfassungsrecht bereits definiert und bestimmt wurde, ist ein allgemeiner verfassungsrechtlicher Begriff. Sie enthält die Gewerbe-, Unternehmens- und Handelsfreiheit und aufgrund dessen die selbständigen Berufe (Gewerbe, Unternehmen, freie Berufe); sie beinhaltet aber auch die unselbständigen Berufe, die des privaten Sektors, die Berufe der öffentlichen Hand sowie die sog. staatlich gebundenen Berufe, welche für die Wettbewerbsfreiheit in dem hier gemeinten Sinne nicht von Interesse sind. Es ist zwar richtig, daß die Wettbewerbsfreiheit unmittelbar mit dem Berufsbegriff und demgemäß hauptsächlich mit der Berufsfreiheit verbunden ist, aber nur insoweit man nicht auf eine spezifischere Freiheit zurückgreifen kann. Die Gewerbe- und Handelsfreheit greifen als speziellere Freiheiten ein, entsprechen dem Mittelstandard des grundrechtlichen Schutzes der wirtschaftlich-wettbewerblichen Betätigung in den Mitgliedstaaten und passen darüber hinaus am besten zur Struktur der Gemeinschaft, die sich im Prinzip auf den freien Handel und den freien Verkehr von Personen, Waren, Kapital, Leistungen und Zahlungen stützt. Diese Freiheiten, von der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl. Art. 48 EGV) abgesehen, werden im Wettbewerb von selbständigen Unternehmern, Gewerbetreibenden und Freiberuflern ausgeübt. Deswegen scheint es, daß die Rechtsgewinnungsmethode der wertenden Rechtsvergleichung am besten entspricht, wenn die Freiheit im Wettbewerb als Teil der Gewerbe- und Handelsfreiheit betrachtet wird 2 8 4 . Das ist aber nicht alles: Wettbewerbsfreiheit bedeutet nicht nur Freiheit im, sondern auch Freiheit zum Wettbewerb, und es ist bereits dargelegt worden, daß diese Freiheit unmittelbar mit der Berufswahlfreiheit verbunden ist. Die Grundrechtsqualität dieser Freiheit ist im Gemeinschaftsrecht unbestritten 285 . Da die Gewerbe- und Handelsfreiheit eher auf die wirtschaftliche Betäti-

280

Zu diesem Ergebnis für die Gewerbefreiheit kommt auch Skouris, in: ders. (Ed.): Advertising, S. 29 f.; ders., in: EuZW 1995, S. 441, der davon ausgeht, daß die Gewerbefreiheit im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit auch in den Verfassungen geschützt wird, die nicht expressis verbis ein solches Grundrecht vorsehen wie die griechische und irische Verfassung. 281 So auch Nicolaysen, in: GS Sasse, S. 657 für die Wettbewerbsfreiheit. 282 Vgl. dazu oben sub I 3 c. 283 Vgl. dazu auch Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594. 284 Vgl. außerdem zum Komplementärverhältnis der Wettbewerbs- mit der Gewerbebzw. Unternehmensfreiheit oben sub erster Teil Β II 2 a cc α. 285 Vgl. oben sub 2.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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gung im Wettbewerb bezogen ist, kann man die Freiheit zum Wettbewerb als Teil der Berufswahlfreiheit betrachten. Der Gerichtshof hat anscheinend unter dem Einfluß der neuen Entwicklungslinien in der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung und inzwischen der h. M. im Schrifttum wirtschaftlich-wettbewerbliche Tätigkeiten in den Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts der freien Berufsausübung als allgemeinen Rechtsgrundsatz einbezogen286, er spricht nicht mehr von Wirtschafts- oder Handelsfreiheit. Diese Lösung wurde von ihm bevorzugt, da er davon ausgeht, daß sie der wertenden Rechtsvergleichung am besten entspricht. Der Vorteil dieser Lösung ist, daß man auf ein (einheitliches) Grundrecht zurückgreifen kann, wenn man Eingriffe in die wettbewerbliche Betätigung am Maßstab der Grundrechte messen will. Diese Lösung wird mittlerweile in Deutschland angewendet. Bezüglich der Frage, ob sie am besten zu den Zielen und der Struktur der Gemeinschaft paßt, wurden bereits Zweifel und Bedenken geäußert. Man muß gestehen, daß das praktische Ergebnis im Grunde das gleiche ist. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit, entweder als Teil der Gewerbe- und Handelsfreiheit oder der Berufsausübungsfreiheit, dürfte sich nicht unterscheiden 287. Der Unterschied liegt nur in der rechtsdogmatischen Begründung der Ableitung des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit als allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung im Sinne der wertenden Rechtsvergleichung. Was den sachlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit als Gewerbebzw. Berufsfreiheit im Sinne des Gemeinschaftsrechts anbelangt, kann man mutatis mutandis auf den Schutzbereich des grundgesetzlichen Grundrechts Wettbewerbsfreiheit in bezug auf den Art. 12 I GG zurückgreifen 288. Er beinhaltet jede unternehmerische Tätigkeit im Wettbewerb, die dazu beiträgt, dem betroffenen Mitbewerber gegenüber seinen Konkurrenten Gewinne zu gewähren. Die Teilfreiheiten, die den Schutzbereich der grundgesetzlichen Wettbewerbsfreiheit in bezug auf die Berufsfreiheit bestimmen, gelten auch hier als

286 Obschon der Gerichtshof in seiner einschlägigen Judikatur nicht ausdrücklich darauf zurückgreift, erscheint es möglich, daß er für die Ableitung des Grundrechts der Berufsfreiheit die Berufsausübungsfreiheit mitberücksichtigt hat, wie sie in Art. 12 Ziff. 1 der Erklärung des Europäischen Parlaments über die Grundrechte und -freiheiten von 1989, die als Soft Law der Gemeinschaft gilt, gewährleistet wird. 287 Vgl. auch die Bemerkung Pernices, in: G/H, Art. 164, Rd. 70, daß es eher unwahrscheinlich sei, daß aus der Handelsfreiheit oder der wirtschafltichen Betätigungsfreiheit gegenüber der Berufsfreiheit weitergehende Schutzrechte folgen. Es ist Pernice zuzustimmen, soweit man die Handelsfreiheit und die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit als Gewerbefreiheit versteht. 288 s. oben sub erster Teil Β II 2 a. 42 Tsiliotis

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Eckpfeiler des Schutzbereichs der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsfreiheit 289 .

bb) Die Wettbewerbsfreiheit

als Eigentumsfreiheit

Was den grundrechtlichen Schutz des Eigentums im Gemeinschaftsrecht angeht, muß man zuerst die Eigentumsgarantie im gesamten Komplex des Gemeinschaftsrechts, den EGV eingeschlossen, prüfen. Denn es wurde die Meinung vertreten, daß Art. 222 EWGV/EGV, der die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt läßt, die Garantie der innerstaatlichen Eigentumsrechte und demzufolge eine Bindung der Gemeinschaft an diese sichere. Das hätte zur Konsequenz, daß das innerstaatliche Eigentum durch Art. 222 EGV vor Eingriffen der Gemeinschaft geschützt würde, so daß die Gemeinschaftsorgane an die nationalen Eigentumsrechte gebunden wären. Eine gesonderte Diskussion über den grundrechtlichen Schutz des Eigentums im Rahmen des Gemeinschaftsrechts als sein allgemeiner Grundsatz, wie es bereits ausgeführt wurde, wäre überflüssig 290 . Diese Meinung wird zu Recht abgelehnt, denn der Zweck des Art. 222 EGV ist nicht der, das Eigentum vor Eingriffen der Gemeinschaftsorgane zu schützen, sondern die Ausgestaltung und die Verfügung des Eigentums hinsichtlich Privatisierungen bzw. Reprivatisierungen und Sozialisierungen bzw. Verstaatlichungen in der Hand der Mitgliedstaaten zu lassen291. Art. 36 EGV sollte der Ableitung eines gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgrundrechts auch nicht im Wege stehen292. Infolgedessen hat die Rechtsprechung des EuGH nach der Rechtsgewinnungsmethode der "wertenden" Rechtsvergleichung ein solches Grundrecht aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten 293 und dem Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze 289

Vgl. EuGHE 1983, S. 1955, 1969, Rd. 17 (Kommission/Italien) - Tabakwarenmonopol bezüglich der Produktionsfreiheit als Teil der Wettbewerbsfreiheit; weiterhin Kokott, in: AÖR 1996, S. 607. 290

(dort). 291

Vgl. zu dieser Ansicht die Nachweise bei Thiel, in: JuS 1991, S. 274, Fn. 7 So Pernice,

Grundrechtsgehalte, S. 185; Frowein,

in: FS Kutscher, S. 189;

Streinz, Grundrechtsschutz, S. 405; Thiel, in: JuS 1991, S. 274 f f , 280 f.; Low, Der

Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 128; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 42; v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 30; Turiaux, Zugangsrechte, S. 68; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 14, Rd. 18. 292 ygj per ni ce> Grundrechtsgehalte, S. 185; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 44 f. 293 Das Eigentum schützende Vorschriften enthalten alle Verfassungen der Mitgliedstaaten: vgl. Art. 11, 12 der belgischen Verfassung, §73 der dänischen Verfasssung, Art. 14, 15 GG, Art. 2, 17 der Erklärung über die Menschenrechte der französischen Revolution von 1789, die die Präambel der französischen Verfassung von 1946 bestätigt und ergänzt hat, und auf die die Präambel der geltenden Verfassung von 1958 verweist,

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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der Menschenrechte und Grundfreiheiten abgeleitet294 (vgl. auch Art. 9 der Erklärung des Europaparlaments von 1989). Dieses Grundrecht gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung 295. Seine Bedeutung für das Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit ist ebenso groß wie in der deutschen Rechtsordnung 296. Denn die "effektive Ausübbarkeit der beschriebenen Marktfreiheiten und damit das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes ist ohne die durch Eigentum oder eigentumsgleiche Sicherung vermittelte materielle Basis nicht denkbar" 297 . "Wo Wettbewerb gewünscht wird, kann auf Eigentum als Korrelat der Freiheit nicht verzichtet werden" 298 . Der EuGH war bei der Ableitung eines gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsrechts - wie bei allen Grundrechten - zurückhaltend. Das Eigentum als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung wurde das erste Mal 1974 im sog. Nold-Urteil anerkannt 299. Der EuGH hat sich aber darüber hinaus umfangreich mit der Frage befaßt, ob das Prinzip des Vertrauensschutzes 300 sich auf eigenArt. 7 III 1, 17, 18 und 106 der griechischen Verfassung, Art. 43 der irischen Verfassung, Art. 42-44 der italienischen Verfassung, Art. 16,17 der luxemburgischen Verfassung, Art. 14 der niederländischen Verfassung, Art. 62 der portugiesischen Verfassung, Art. 33 der spanischen Verfassung - vgl. weiter Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 30 ff. 294 Vgl. EuGHE 1979, S. 3727, 3745 ff, Rd. 18 ff. (Hauer), in dem der Gerichtshof dargestellt hat, wie er die Rechtsgewinnungsmethode der "wertenden" Rechtsvergleichung unter Berücksichtigung des ersten Zusatzprotokolls der EMRK handhabt; einen Rückgriff auf die neuere Rechtsprechung des Straßburger EGMR bezüglich des Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls, um den Inhalt des Eigentums als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung näher zu bestimmen, befürwortet v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 64; zum Schutz des Eigentums im Rahmen der EMRK vgl. letztens v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 114 ff; Frowein, in: FS Rowedder, S. 49 ff.; Fiedler, in: EuGRZ 1996, S. 354 ff, jeweils mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung der Straßburger Konventionsorgane. 295 EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 14 (Nold); 1979, S. 3727, 3745, Rd. 17 (Hauer); 1980, S. 1975, 1996 f , Rd. 18 (Testa); 1989, S. 2237, 2268, Rd. 15 (Schräder); 1991 I, S. 5119, 5156, Rd. 26 (von Deetzen); 1992 I, S. 63 f , Rd. 16 (Kühn); 1994 I, S. 955, 983 f , Rd. 18 f. (Bostock); 1994 I, S. 4973, 5065 f, Rd. 77 ff. (Deutschland/Rat) - Bananen; 1994 I, S. 5555, 5580 f , Rd. 20 (SMW Winzersekt); 1995 I, S. 3115, 3152, Rd. 55 (Fishermen's Organisations u. a.); 1995 I, S. 3875, 3904, Rd. 14 (Country Landowners Association); 1996 I, S. 569, 610, Rd. 28 (Duff u. a.); EuGH EuZW 1997, S. 695, Rd. 27 (The Irisch Farmer Association u. a.); nicht genannt, aber aus dem Zusammenhang der Argumentation des Gerichtshofs gemeint, ist das Eigentumsrecht in EuGHE 1989, S. 2609, 2639 f , Rd. 19, 22 f. (Wachauf) - so auch Schilling, in: EuZW 1991, S. 311; weiterhin zu einer ausführlichen Darstellung der Rechtsprechung des EuGH zum Eigentumsrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 53. 296 Vgl. die Schlußanträge des General an waits Trabucchi, in: EuGHE 1974, S. 491, 515 (Nold). 297 Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 177. 298 Ebenda, S. 178. 299 EuGHE 1974, S. 491, 507 f , Rd. 14. 300 Vgl. neulich zu diesem Prinzip statt aller Kokott, in: AÖR 1996, S. 626 f.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

tumsmäßige Positionen erstrecken kann 301 . Das berechtigte Vertrauen der betroffenen Unternehmer hat der Gerichtshof als schützenswert im Rahmen des Grundsatzes der Rechtssicherheit anerkannt 302 und es weiter spezifiziert, indem er die "erworbenen" 303 bzw. "wohlerworbenen" 304 Rechte 305 namentlich genannt hat 306 . Die Ausdehnung der Eigentumsgarantie auf den Vertrauensschutz macht die rechtliche Position der Konkurrenten im Wettbewerb sicherer, indem sie bezüglich von Investitionen usw. vor der Beeinträchtigung sich ändernder politischer bzw. wirtschaftlicher Marktverhältnisse geschützt werden 307 . Der eigentumsmäßige Vertrauensschutz erstreckt sich aber nicht so weit, daß er auch das Recht zur kommerziellen Verwertung eines Vorteils (ζ. B. Referenzmengen), der im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation zugeteilt wurde, umfaßt 308 oder die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Gemeinschaftsbeihilfen verbietet 309 . Was die Bestimmung des Schutzbereichs der eigentumsmäßigen Wettbewerbsfreiheit anbelangt, kann man sagen, daß er der Konkretisierung bedarf. Seine Herausarbeitung und Ausgestaltung durch den EuGH hat bisher wenig dazu beigetragen 310. A n erster Stelle kommt, wie im deutschen Recht, die Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs 311. Der Ge301

So betrachtet die Situation auch Bernisch, in: EuR 1994, S. 464, anläßlich EuGHE 1994 I, S. 4973, 5065 f., Rd. 77 ff. (Deutschland/Rat) - Bananen. 302 EuGHE 1973, S. 723, 740 f , Rd. 5 (Westzucker). 303 EuGHE 1975, S. 1615, 1636, Rd. 10 (Coopératives Agricoles de Céréales); 1977, S. 829, 842, Rd. 12 (Jansen). 304 EuGHE 1976, S. 1097, 1109, Rd. 18-20 (Elz); vgl. auch die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in: EuGHE 1984, S. 3900, 3910 f. (Agricola Commerciale Olio). 305 Vgl. auch Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 188; Frowein, in: FS Kutscher, S. 198; Streinz, Grundrechtsschutz, S. 407; Thiel, in: JuS 1991, S. 279, der diese Rechte als "Bestandteil der europäischen Eigentumsgarantie" bezeichnet; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 46 f.; a. A. Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 198, die den Schutz der "wohlerworbenen Rechte" nicht in den Eigentumsschutz einordnen, sondern als rechtsstaatliches Prinzip betrachten. 306 Vgl. weiter EuGHE 1988, S. 2321, 2351 ff., Rd. 21 ff. (Mulder); 1988, S. 2355, 2372 f., Rd. 10 ff. (von Deetzen); 1992 I, S. 35, 62 ff., Rd. 12 ff. (Kühn). 307 Thiel, in: JuS 1991, S. 279; vgl. auch Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 186; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 51; Bernisch, in: EuR 1994, S. 464; v. Milczewski,

Grund-

rechtlicher Schutz, S. 104 ff. 308 EuGHE 1984, S. 4057, 4080, Rd. 23 (Biovilac); 1991 I, S. 5119, 5156, Rd. 27 (von Deetzen); 1994 I, S. 955, 984, Rd. 19 (Bostock). 309 EuGHE 1990 I, S. 3437, 3456, Rd. 13 (Kommission/Deutschland); kritisch dazu Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 56 f. 310 Vgl. auch zu dieser Einschätzung Thiel, in: JuS 1991, S. 279; Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 128; zur näheren Konkretisierung des gemeinschaftlichen Eigentumsgrundrechts und ausführlichen Festlegung seines Schutzbereichs vgl. monographisch v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 242 ff., 250 ff. 311 Vgl. oben sub erster Teil Β II 2 b aa, bb.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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richtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht ausdrücklich darauf zurückgegriffen. Daraufhat sich erstmals die Klägerin im Ausgangsverfahren des Falles Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft u. a. vor den deutschen Gerichten berufen 312 , und der EuGH hat in seinem ersten Urteil, in dem er mit der Frage des Schutzes des Eigentums im Gemeinschaftsrecht konfrontiert wurde, diese Argumentation mit der Begründung abgelehnt, daß der Gerichtshof nicht befugt sei, für die Bedeutung innerstaatlicher Vorschriften Sorge zu tragen 313 . In einem anderen Fall hat die Klägerin geltend gemacht, die betreffende Regelung stelle eine Verletzung ihres Eigentumsrechts und ihres Rechts am eingerichteten Gewerbebetrieb dar; daraus folgend gehöre das in der deutschen Rechtsordnung anerkannte Grundrecht auf Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs wie das Recht auf Schutz des Eigentums, dessen Ergänzung es darstelle, zu den von der Gemeinschaftsrechtsordnung garantierten Grundrechten 314. Der Gerichtshof hat aber dazu nicht Stellung genommen. Trotzdem gibt es Stimmen in der deutschen Literatur, die den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Schutzgut im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts Eigentum betrachten 315. Wenn man ihnen zustimmen will, muß man annehmen, daß darunter nicht nur der Bestand, sondern auch mit ihm verbundene Vermögensrechte, wie ζ. B. im Betrieb vorgenommene Investitionen 316 , fallen 317 . Vom gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht Eigentum werden kaufmännische Interessen 318 sowie Chancen und Erwerbsmöglichkeiten nicht geschützt. Diese gehören zu dem unternehmerischen Risiko und entbehren deswegen des eigentumsmäßigen Schutzes319.

cc) Die Wettbewerbsgleichheit

und der allgemeine Gleichheitssatz

Bevor die Ableitung und die Geltung eines allgemeinen Gleichheitssatzes bzw. -gebots im Gemeinschaftsrecht untersucht werden, muß zuerst klargestellt werden, was man unter der Gleichheit in der Gemeinschaftsrechtsordnung versteht.

312

EuGHE 1959/1960, S. 885, 918 (Ruhrkohlenverkaufsgesellschaft). EuGHE, ebenda, S. 920 f. Man darf hier nicht vergessen, daß der Gerichtshof in dieser Phase immer noch die Geltung gemeinschaftsrechtlicher Grundrechte nicht anerkannt hatte. 314 EuGHE 1984, S. 4057, 4079, Rd. 21 (Biovilac). 313

315

Rengeling, Umweltvorsorge, S. 64 f.; ders., Grundrechtsschutz, S. 46; Thiel, in:

JuS 1991, S. 279; Storr, in: Der Staat 1997, S. 552 f. 316 EuGHE 1989, S. 2609, 2639, Rd. 19 (Wachhauf). 317

Thiel, in: JuS 1991, S. 279.

318

EuGHE 1974, S. 471, 507 (Nold); 1980, S. 907, 1010, Rd. 88 f. (Valsabbia). So auch Thiel, in: JuS 1991, S. 279; Nettesheim, in: EuZW 1995, S. 108.

319

62

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Wie im deutschen Recht und mehr oder weniger in den Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten gilt die Gleichheit auch im Gemeinschaftsrecht als Rechtsgleichheit, d.h. Gleichheit vor dem Gesetz und Chancengleichheit, und nicht als materielle faktische Gleichheit 320 . Genauso ist es mit dem Verhältnis zwischen der Wettbewerbsfreiheit und der Gleichheit. Das Gemeinschaftsrecht sichert den Marktteilnehmern rechtliche Gleichheit, damit diese ihre Wettbewerbsfreiheit gleichmäßig ausüben können 321 . Die Kompensation faktischer Ungleichheiten ist eine Frage, die eher das Sozialprinzip anbelangt und viel weniger das Diskriminierungsverbot und den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Entwicklung der Europäischen Integration hat bisher gezeigt, daß die Sozialpolitik und der Gedanke der Sozialstaatlichkeit hauptsächlich im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten als in dem der Gemeinschaft verblieben sind. Das betrifft ebenso die Realisierung der materiellen Wettbewerbsgleichheit, soweit sie denn realisiert werden kann. Das ist auch diesbezüglich das Konzept des EuGH. Hinsichtlich des Gleichheitsgebots kann darauf hingewiesen werden, daß der Gerichtshof im Gegensatz zu anderen Grundrechten des Gemeinschaftsrechts auf rechtliche Stützpunkte im EWGV zurückgreifen konnte, um die rechtliche Gleichheit zu sichern. Der allgemeine Grundsatz des Diskriminierungsverbotes aus Art. 7 EWGV, inzwischen Art. 6 EGV, und seine spezifischen Formen (vgl. ζ. B. Art. 40 I I I 2, 48 ff., 52 ff., 59 ff. EWGV/EGV) 3 2 2 sowie das Gleichberechtigungsgebot zwischen Männern und Frauen nach Art. 119 EWGV/EGV werden als solche punktuelle Stützpunkte für die Ableitung der rechtlichen Gleichheit im Vertrag betrachtet. Man darf nicht verkennen, daß die Grundfreiheiten selbst sowie die Wettbewerbsregeln insbesondere nach Art. 85 f , 92 ff. und 95 ff. EWGV/EGV unter anderem bezwecken, rechtliche Diskriminierungen zu verbieten und zu beseitigen und die rechtliche Gleichheit im Wettbewerb durchzusetzen 323. Der begrenzte Anwendungsbereich der EWGV-Vorschriften 324 reichte dem EuGH jedoch nicht aus, weshalb er, nachdem die Generalanwälte nützliche

320

So v. Milczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 109. Vgl. auch Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, I, S. 620; Langer, Grundlagen^. 119. 322 Vgl. ausführlich zu den spezifischen Formen des Diskriminierungsverbots Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 6 ff.; Kischel, in: EuGRZ 1997, S. 1 ff.; vgl. auch EuGHE 1974, S. 1405, 1418 f., Rd. 4/10 (Walrave); 1976, S. 1333, 1339, Rd. 6/7 (Dona). 323 ygj Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 197, Fn. 742 (dort); Oppermann, Europarecht, Rd. 412; vgl. auch die Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti, in: EuGHE 1977, S. 1753, 1773/1777, 1783 (Ruckdeschel), insbesondere seine Hinweise auf das amerikanische Recht; zu den spezifischen Diskriminierungsverboten aus den Grundfreiheiten und den Wettbewerbsregeln vgl. ausführlich Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 8 ff. 324 Vgl. dazu Kischel, in: EuGRZ 1997, S. 1 ff. 321

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Hinweise in diese Richtung gegeben hatten 325 , weiter gegangen ist und einen allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im Sinne des Gebots der Gleichheit vor dem Gesetz als allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung abgeleitet hat 326 . Besonders große Bedeutung hat der Gerichtshof der Auslegung des Art. 40 I I I 2 EWGV und dem in dieser Vorschrift ausgesprochenen Diskriminierungsverbot beigemessen, das "jedoch nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört", sein soll 327 . Ob dieses Grundprinzip sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten wie andere Grundrechte und Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung ableiten läßt, wird aus der Rechtsprechung des EuGH nicht deutlich. Aus der Terminologie und der Handhabung dieses Prinzips durch den Gerichtshof läßt sich entnehmen, daß er den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus derselben Erkenntnisquelle wie die anderen gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten ableitet 328 3 2 9 . Er hat ihm sogar einen weiteren Inhalt verliehen, der über den des Diskriminierungsverbots und

325 Vgl. die Schlußanträge des Generalanwalts Lagrange, in: EuGHE 1963, S. 259, 389/394 (Italien/Kommission) sowie des Generalanwalts Capotorti, in: EuGHE 1977, S. 1753, 1773/1777 (Ruckdeschel). 326 EuGHE 1979, S. 1185, 1209, Rd. 21 (NTN Toyo Company); vgl. auch die Schlußanträge des Generalanwalts Trabucchi, in: EuGHE 1974, S. 1217, 1232/1240 (Roquette); näher Kischel, in: EuGRZ 1997, S. 3 f. 327 EuGHE 1977, S. 1753, 1770, Rd. 7 (Ruckdeschel); 1977, S. 1795, 1812, Rd. 14/17 (Moulins Pont-à-Mousson); 1982, S. 2745, 2754, Rd. 11 (Edeka); 1986, S. 3477, 3507, Rd. 9 (Klensch); 1987, S. 2755, 2790, Rd. 11 (Frico); 1988, S. 2647, 2674, Rd. 29 (Erpelding); 1990 I, S. 435, 480, Rd. 13 (Wuidart u. a.); 1995 I, S. 3115, 3149 f., Rd. 44 ff. (Fishermen's Organisations u. a.); 1996 I, S. 569, 609, Rd. 26 (Duff u. a.); EuGH EuZW 1997, S. 696, Rd. 34 (The Irisch Farmer Association u. a.); vgl. auch bereits früher mit ähnlicher Formulierung EuGHE 1974, S. 877, 886, Rd. 22/23 (Minotiers de la champagne); vgl. auch EuGHE 1980, S. 3005, 3019, Rd. 7 (Hochstrass), wonach der allgemeine Rechtsgrundsatz zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts zählt, ohne aber einen Zusammenhang mit dem Art. 40 III 2 EWGV zu haben. 328 So Zuleeg, in: FS Börner, S. 476; vgl. auch Pernice, Grundrechtsgehalte,

S. 196 f., insbesondere S. 200; Nicolaysen, in: EuR 1978, S. 50; Bleckmann, in: GS

Sasse, S. 675; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, I, S. 610; ders., in: FS Maihofer, S. 544; Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 30 ff.; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 69, 76; a. A. Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 120; vgl. auch Bleckmann, Europarecht, Rd. 1256, der zwar für die Ableitung des allgemeinen Gleichheitssatzes die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen als Erkenntnisquelle heranzieht, aber zu dem Schluß kommt, daß der Gerichtshof ihn dagegen aus den konkreten Gleichheitssätzen des Gemeinschaftsrechts ableitet; vgl. auch ders., in: FS Lukes, S. 273; zu einem ähnlichen Schluß kommt Commichau, Nationales Verfassungsrecht, S. 38. 329 Zu einer rechtsvergleichenden Ausführung vgl. Skouris, in: ders. (Ed.): Advertising, S. 36 f.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

seinen speziellen Formen im EWGV/EGV hinausgeht330. Danach dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre 331 . "Der genannte Grundsatz verlangt offensichtlich, daß ... in gleichen Situationen auch gleiche Vorschriften angewandt werden, untersagt es dem Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch nicht, objektiv unterschiedliche Bedingungen oder Gegebenheiten ... zu berücksichtigen" 332 . Dieser Inhalt entspricht zweifelsohne dem allgemeinen Gleichheitsgebot in den Verfassungstraditionen aller Mitgliedstaaten 333 . Art. 14 EMRK kann keine geeignete Grundlage für die Ableitung eines solchen Grundrechts sein, weil sein Anwendungsbereich nicht dem des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, sondern dem des Diskriminierungsverbots gleichsteht334. Für die Wettbewerbsfreiheit als Wettbewerbsgleichheit im Sinne der Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung ist die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes wichtig 335 . Das betrifft ebenso das Diskriminierungsverbot und seine speziellen Formen aus den vorher genannten EWGV/EGVVorschriften 336 . Wegen ihrer Geltung aber - in diesem Fall als lex specialis wird die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitsgebots im Verhältnis zu ihnen praktisch geringer. A u f jeden Fall kann außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Regel auf es zurückgriffen werden, um die Wettbewerbsgleichheit zu sichern 337 . Die erforderliche Voraussetzung dafür ist, daß man erkennt, ob zwi-

330 Vgl. insbesondere EuGHE 1976, S. 1589, 1599, Rd. 19 (Prais); EuGHE 1979, S. 1 185, 1209, Rd. 21 (NTN Toyo Company); weiterhin EuGHE 1981, S. 127, 138 Rd. 10 (Vutera); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, I, S. 617 f.; Oppermann, Europarecht, Rd. 414; Langer, Grundlagen, S. 119. 331 So EuGHE 1977, S. 1753, 1770, Rd. 7 (Ruckdeschel); 1977, S. 1795, 1812, Rd. 14/17 (Moulins Pont-à-Mousson); 1982, S. 2745, 2754, Rd. 11 (Edeka); 1986, S. 3477, 3507, Rd. 9 (Klensch); 1988, S. 2647, 2674, Rd. 29 (Erpelding); 1990 I, S. 435, 480, Rd. 13 (Wuidart u. a.); 1994 I, S. 5555, 5583 f , Rd. 30 (SMW Winzersekt); 1995 I, S. 3115, 3149 f , Rd. 46 (Fishermen's Organisations u. a.); 1996 I, S. 569, 609, Rd. 26 (Duff u. a.); vgl. auch bereits früher EuGHE 1974, S. 877, 886, Rd. 22/23 (Minotiers de la champagne); vgl. auch EuGHE 1987, S. 2755, 2790, Rd. 11 (Frico), wonach statt dem Begriff "objektiv" der Begriff "sachlich" benutzt wird. 332 EuGHE 1980, S. 3005, 3019, Rd. 7 (Hochstrass). 333 Zu einer Rechtsvergleichung vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 137 f.; vgl. auch Skouris, in: ders. (Ed.): Advertising, S. 36 f. 334 Zuleeg, in: FS Börner, S. 476. 335 So Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 120, unter Hinweis auf die Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti im Fall Ruckdeschel - EuGHE 1981, S. 127 ff. 336 Vgl. EuGHE 1974, S. 1405, 1419, 1421, Rd. 16/19, 31/33 (Walrave); 1995 I, S. 3115, 3149 f , Rd. 44 ff. (Fishermen's Organisations u. a.). 337 Vgl. Zuleeg, in: FS Börner, S. 475. Das zeigt das Beispiel des speziellen Diskriminierungsverbots aus Art. 40 III 2 EWGV/EGV. Der EuGH benutzt den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im Zusammenhang mit dieser Vorschrift, um zu zeigen, daß es im Gemeinschaftsrecht einen solchen Grundsatz mit weiterem Inhalt gibt - wie bereits aus-

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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sehen zwei oder mehreren Personen, Personengruppen, Produkten oder Waren ein Wettbewerbsverhältnis besteht, und daß man dieses Wettbewerbsverhältnis bestimmt. Der EuGH untersucht, ob ζ. B. für verschiedene Produkte vergleichbare Sachverhalte bestehen, insbesondere, wenn das eine Produkt in seiner herkömmlichen spezifischen Verwendung durch das andere ersetzt werden kann. Ist das der Fall, besteht ein Wettbewerbsverhältnis. Behandelt ein Gemeinschaftsorgan das eine Produkt differenzierend, dann greift es in die Wettbewerbsgleichheit ein. Kann diese Differenzierung objektiv gerechtfertigt werden, dann ist dieser Eingriff zulässig 338 . Hinsichtlich der Überprüfung, ob die Differenzierung "objektiv" gerechtfertigt ist, muß man annehmen, daß der Gesetzgeber der Gemeinschaft über einen weiten Ermessensspielraum verfügt 339 . Darüber hinaus wird auch der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung von dem Gerichtshof als Gleichheitsgebot betrachtet 340 .

dd) Die Wettbewerbs-

bzw. Werbefreiheit

als Meinungsfreiheit

Eckpfeiler der Freiheit i m modernen wirtschaftlichen Wettbewerb ist zweifelsohne die Werbefreiheit. Das betrifft mittlerweile auch den zwischenstaatlichen Wettbewerb und vor allem den europäischen Binnenmarkt. "Kommerzielle Werbung soll die Absatzmöglichkeiten von Erzeugnissen im Rahmen des freien Warenverkehrs fordern. Die Werbefreiheit ist damit eine wesentliche Gewährleistung i m Binnenmarkt" 341 . Die Ausübung der wirtschaftlichen Werbefreiheit stellt ohne weiteres eine Ausübung der Wettbewerbsfreiheit dar, und die Ausübung der letzteren setzt häufig die Ausübung der Werbefreheit voraus. Auch i m Gemeinschaftsrecht wird die Werbefreiheit hauptsächlich von der Begeführt wurde - und nicht, um die Anwendung des Art. 40 III 2 EWGV/EGV zugunsten des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes zu verdrängen. Art. 40 III 2 sowie jede spezielle Norm des allgemeinen Gleichheitssatzes und Diskriminierungsverbotes verdrängen in einem Konkurrenzverhältnis den allgemeinen Gleichheitssatz, der nur subsidiär gilt, und nicht umgekehrt - so auch Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 46. 338 Vgl. zu dieser Konstruktion EuGHE 1977, S. 1753, 1769 f., Rd. 7 ff; (Ruckdeschel); 1977, S. 1795, 1812, Rd. 14/17 ff. (Moulins Pont-à-Mousson); vgl. auch die Schlußanträge des Genraianwalts Capotorti, in: EuGHE 1977, S. 1753, 1773/1778 (Ruckdeschel), und die Einschätzung Schwarzes, Europäisches Verwaltungsrecht, I, S. 615; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 141, vergleicht die Struktur des Gleichheitssatzes mit dem Willkürverbot im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 I GG; vgl. weiter zur Struktur des Gleichheitssatzes im Gemeinschaftsrecht Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 47 ff.; Zuleeg, in: FS Börner, S. 477 ff.; Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 121 ff.; Kischel, in: EuGRZ 1997, S. 3 ff. 339 EuGHE 1990 I, S. 435,481, Rd. 14 (Wuidart u. a.). 340 Vgl. zu dieser Einschätzung Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 199 (m. w. N.); vgl. auch Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 140, der sich fragt, ob man diesen Grundsatz mit dem Grundsatz der "Systemgerechtigkeit" des deutschen Rechts vergleichen kann. 341 T. Stein, in: EuZW 1995, S. 435.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

rufs- bzw. Gewerbefreiheit und dem Eigentum (umstritten) geschützt 342 . Hier soll ermittelt werden, ob darüber hinaus das gemeinschaftliche Grundrecht der Meinungsfreiheit für den Adressaten der Werbung in Betracht gezogen werden kann. Der EuGH hat i m Rahmen seiner grundrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, daß die Freiheit der Rede 343 oder die Meinungsfreiheit 344 oder das Recht auf freie Meinungsäußerung 345 ein Grundrecht des Gemeinschaftsrechts darstellt. Es läßt sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und dem Art. 10 der EMRK ableiten 346 (vgl. auch Art. 5 der Erklärung zu Grundrechten und Grundfreiheiten des EP von 1989) 347 . Art. 10 EMRK spielt für diese Rechtsgewinnung insbesondere in der jüngeren Rechtsprechung des Luxemburger Gerichtshofs eine beachtliche Rolle. Wenn man diese Rechtsprechung betrachtet, kann man ohne weiteres feststellen, daß der Gerichtshof unmittelbar auf diese Konventionsvorschrift zurückgreift, um die Handlungen der Gemeinschaftsorgane am Maßstab der Gemeinschaftsgrundrechte zu messen 348 . Die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten werden überhaupt nicht erwähnt 349 . Daß dieses nicht als eine (formelle oder materielle) Bindung der Gemeinschaft an die EMRK interpretiert werden darf, wurde bereits ausführlich gezeigt 350 . Es darf aber auch nicht als eine Vernachlässigung oder Degradierung der nationalen Verfassungstraditionen zugunsten der EMRK verstanden werden. Der EuGH hält Art. 10 EMRK anscheinend für das Ergebnis der "wertenden" Rechtsvergleichung oder den Mittelstandard des grundrechtlichen Schutzes der Meinungsfreiheit in den Mitgliedstaaten, das am besten zu "der Struktur und den Zielen der Gemeinschaft" paßt 351 . In diesem 342

Vgl. dazu die rechtsvergleichende Analyse von Skouris, in: ders. (Ed.): Advertising, S. 25 ff, 31 ff.; ders, in: EuZW 1995, S. 442 f. 343 So die Schlußanträge des Generalanwalts Slynn, in: EuGHE 1985, S. 2605, 2615 f. (Cinéthèque). 344 EuGHE 1985, S. 2605, 2627, Rd. 25 (Cinéthèque). 345 EuGHE 1984, S. 19, 62, Rd. 33 f. (VBVB und VBBB). 346 So die Schlußanträge des Generalanwalts Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685/4703, 47225, Nr. 34 (Grogan). 347 Darauf nimmt auch Generalanwalt Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685/4703, 4722, Nr. 30 (Grogan) Bezug. 348 EuGHE 1991 I, S. 2925, 2963, Rd. 44 (ERT); 1991 I, S. 4007, 4043, Rd. 23 (Gouda); 1991 I, S. 4069, 4097, Rd. 30 (Kommission/Niederlande); 1992 I, S. 5485, 5513, Rd. 36 (Ter Voort); EuGH EuZW 1997, S. 472, Rd. 18, 25 (Familiapress); vgl. auch EuGHE 1994 I, S. 4795, 4833, Rd. 23 f. (TV 10). 349 Anders dagegen bei den Schlußanträgen des Generalanwalts Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685/4703, 4722, Nr. 30 (Grogan); vgl. zu dieser Deutung der Rechtsprechung des EuGH wie hier Kühling, in: EuGRZ 1997, S. 297. 350 s. oben sub I 3 b, c, d. 351 Vgl. dazu EuGHE 1991 I, S. 4007, 4043, Rd. 23 (Gouda); 1991 I, S. 4069, 4097, Rd. 30 (Kommission/Niederlande); 1992 I, S. 5485, 5513, Rd. 36 (Ter Voort); EuGH

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Sinne kann er als Ausdruck oder Widerspiegelung der nationalen gemeinsamen Verfassungstraditionen betrachtet werden 352 . Die Frage, die die vorliegende Untersuchung am meisten betrifft, ist diejenige, ob auch die Werbung, insbesondere die kommerzielle Werbung, in den Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts der Meinungsfreiheit fällt. Werbung ist Verbreitung von Informationen und Meinungen 353 . Infolgedessen ist unbestritten, daß sie einen Bestandteil der freien Meinungsäußerung darstellt. Das gilt ebenso für die kommerzielle Werbung. Das ergibt sich aus einer Rechtsvergleichung der nationalen verfassungsrechtlichen Ordnungen, die aufzeigt, daß es in sämtlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, von der niederländischen abgesehen, die Tendenz gibt, die wirtschaftliche Werbung in den Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit einzuordnen 354 3 5 5 . Aber auch Art. 10 E M R K garantiert diese Art von Werbung. Der E G M R 3 5 6 und die Europäische Menschenrechtskommission 357 in Straßburg haben das in ihrer Rechtsprechung anerkannt 358 . Der Luxemburger EuGH hat bisher keinen Anlaß

EuZW 1997, S. 472, Rd. 18 (Familiapress), wonach die in Artikel 10 der EMRK verbürgte Meinungsfreiheit zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehöre, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern habe. Wenn man immer noch nicht in Frage stellt, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze sich aus den nationalen Verfassungstraditionen ableiten lassen - und es gibt keinen Grund, diese Rechtsauffassung aufzugeben -, dann sollte man diese Formulierung des Gerichtshofes wie hier einschätzen. 352 Die Abwesenheit der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten aus der Rechtsprechung des EuGH bezüglich der Ableitung des Grundrechts der Meinungsfreiheit kann dadurch erklärt werden, daß der Inhalt des Gemeinschaftsgrundrechts Meinungsfreiheit nach einer Rechtsvergleichung der Verfassungsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten schwierig feststellbar ist, der Rückgriff auf den Art. 10 EMRK dagegen eine einfache Lösung sein kann - vgl. dazu Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 322. Wegen der eigenständigen Bedeutung der gemeinsamen Verfassungskonzeptionen der Mitgliedstaaten für die Ableitung des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung muß der Gerichtshof nach einer rechtsvergleichenden Analyse beweisen, daß die jeweilige EMRK-Norm sich aus den nationalen gemeinsamen Verfassungstraditionen ergibt und diese widerspiegelt - vgl. zu dieser Rechtsprechung die Nachweise oben sub I 3 c, insbesondere Weiler, in: FS Pescatore, S. 822. 353 T. Stein, in: EuZW 1995, S. 435. 354 Vgl. dazu ausführlich Skouris, in: ders. (Ed.): Advertising, S. 14 ff.; ders., in: EuZW 1995, S. 442; vgl. auch Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 78. 355 Das Beispiel der niederländischen Ausnahme beweist, daß die EMRK nicht dem Mindeststandard der nationalen verfassungsrechtlichen Konzeptionen entspricht. Denn Art. 10 EMRK geht weiter über den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, wie er in der niederländischen Verfassung garantiert wird, hinaus. 356 Vgl. EGMR GRUR Int. 1985, S. 468 (Barthold) - Ls. 1 (nicht klar); vgl. auch EGMR NJW 1995, S. 858 (Jacubowski). 357 Vgl. EMRKommission AfP 1988, S. 231 ff. (markt intern).; EMRKommission EuGRZ 1991, S. 524 ff. (Hempfing). 358 Yg] w e j t e r a u s dem Schrifttum Frowein, in: AfP 1985, S. 198 f.; ders., in: Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, Art. 10, Rd. 9 (mit weiteren Hinweisen auf die

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

zur Klärung gehabt, ob die kommerzielle Werbung auch vom gemeinschaftlichen Grundrecht der Meinungsfreiheit, wie es sich insbesondere aus dem Art. 10 E M R K ergibt, geschützt wird. Nur in einem Fall hat er dargelegt, daß "bestimmte wirtschaftliche Regelungen die Meinungsfreiheit beeinflussen" könnten 359 . Er ist natürlich nicht an die Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofes gebunden, selbst wenn es sich um die Auslegung und Anwendung der E M R K und ihrer Zusatzprotokolle handelt 360 . Falls aber diese Rechtsprechung dem Ergebnis der Rechtsgewinnungsmethode der "wertenden" Rechtsvergleichung entspricht, dürfte er sie nicht außer acht lassen, sollte er diese Frage beantworten müssen 361 . Er sollte sich vielmehr dieser Rechtsprechung hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts anschließen, denn diese Lösung dient am besten der Struktur und den Zielen des Binnenmarkts bzw. der Gemeinschaft 362 , und der Informationscharakter, den die Werbung als Gewährleistung des Binnenmarktes hat, ergänzt die Verwirklichung dieses Binnenmarktes sowie des freien und unverfälschten Wettbewerbs 363 . Folglich stellt Werbefreiheit i m Grundrechtsschutzsystem der Gemeinschaft auch Meinungsfreiheit dar. Rechtsprechung der Konventionsorgane); Henning-Bodewig, in: WRP 1992, S. 538; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 77; T. Stein, in: GS Grabitz, S. 791 ff; ders, in: EuZW 1995, S. 437 f.; Ioannou, in: Skouris (Ed.): Advertising, S. 350 ff.; Skouris, in: EuZW 1995, S. 442; Callies, in: EuGRZ 1996, S. 297; Ulmann, in: GRUR 1996, S. 948,951. 359 EuGHE 1984, S. 19, 62, Rd. 33 f. (VBVB und VBBB). 360 T. Stein, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hg.): Grundrechtsschutz in Europa, S. 148, 151; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 63; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 327. 361 Vgl. allgemein zur Bedeutung der Rechtsprechung des Straßburger EGMR für die Grundrechtsrechtsprechung des Luxemburger EuGH Rodriguez Iglesias , in: FS Bernhardt, 1276 f.; Hilf in: G/H, Art. F EUV, Rd. 32, der im Einzelfall von einer Betrachtung der Spruchpraxis der EMRK-Organe vom Luxemburger Gerichtshof ausgeht; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 327; vgl. dazu aus der Rechtsprechung des Luxemburger Gerichtshofs EuGHE 1989, S. 2859, 2924, Rd. 18 (Hoechst); 1989, S. 3283, 3350, Rd. 30 (Orkem); EuGH EuZW 1997, S. 472, Rd. 26 (Familiapress). Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 298, verstehen das Hoechst-Urteil als eine Andeutung des Luxemburger EuGH, daß er die Rechtsprechung des Straßburger EGMR bezüglich der Auslegung der EMRK berücksichtigen werde; in diese Richtung auch Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 170; zu weit dagegen Krogsgaard, in: Legal Issues of European Integration 1993, S. 109; vgl. weiter zu einer ausdrücklichen Berücksichtigung der Rechtsprechung der beiden EMRK-Organe hinsichtlich der Auslegung der Art. 10 und 14 EMRK die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in: EuGHE 1991 I, S. 2925, 2949, Nr. 51 (ERT); 1994 I, S. 4795, 4820 ff, Nr. 84 ff. (TV 10); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 I, II, Rd. 10 f. 362 So allgemein Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 327, der sehr zutreffend darlegt, daß die Rechtsprechung des EGMR bezüglich eines Grundrechts nur dann von dem EuGH angenommen werden soll, wenn sie der Rechtsgewinnungsmethode der wertenden Rechtsvergleichung und der Struktur und Zielen der Gemeinschaft entspricht. 363 Vgl. auch Callies, in: EuGRZ 1996, S. 297.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

6

b) Der grundrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Rahmen des EGV aa)Die Wettbewerbsfreiheit

in den Grundfreiheiten

des EGV

α) Allgemeines Über den grundrechtlichen oder grundrechtsähnlichen Charakter der Grundfreiheiten des EGV wurden bereits Ausführungen gemacht364. Es bereitet keinen großen Aufwand, die Beziehung dieser Grundfreiheiten zu der Wettbewerbsfreiheit zu beweisen. Denn die Stellung, die Funktion und die Ausübung der Grundfreiheiten sind unmittelbar mit der Errichtung des Gemeinsamen bzw. Binnenmarktes verbunden (vgl. Art. 2 EGV) 3 6 5 . Das kann nur verwirklicht werden, wenn die Grundfreiheiten sich in einem System entfalten und ausgeübt werden, das die rechtlichen oder faktischen Hemmnisse für den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen, Kapital und Zahlungen beseitigt - dem System des freien Wettbewerbs. M. a. W. stellt das System des freien Wettbewerbs die Voraussetzung für die Realisierung der Grundfreiheiten dar, und die Realisierung der Grundfreiheiten führt zwingend zur Ausübung der Wettbewerbsfreiheit der Personen als Individualrecht. Es entspräche völlig der Realität, würde man sagen, daß die Grundfreiheiten des EGV in erster Linie Wettbewerbsfreiheiten seien 366 . Die Grundfreiheiten des EGV sind eng mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV bzw. Art. 6 EGV verbunden. Sie stellen selbst spezifische Aspekte des Diskriminierungsverbots dar 367 . Sie gehen aber noch weiter als Behinderungs- oder Beschränkungsverbote darüber hinaus 368 . Ihr Schutzbereich spiegelt größtenteils den Schutzbereich der Berufs-

364

s. oben sub I 2 b. Vgl. Oppermann, Europarecht, Rd. 807, der in dem Zusammenhang der Vorschriften über die Grundfreiheiten die "europäische Marktfreiheit" ansieht. 366 Vgl. auch Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 180. 367 Vgl. Bleckmann, in: GS Sasse, S. 674; Jarass, in: FS Everling, Band I, S. 593 ff. 368 Vgl. die Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs, in: EuGHE 1993, S. 1191, 1212 f., Nr. 48 f. (Konstantinidis), mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH, und des Generalanwalts Lenz, der sich Jacobs, a. a. 0., anschließt, in: EuGHE 1995 I, S. 4921, 5008, Nr. 203 (Bosman); Behrens, in: EuR 1992, S. 148 ff.; Langetifeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 301, Fn. 183 (dort); Jarass, in: FS Everling, Band I, S. 597 ff.; Zuleeg, in: FS Everling, Band II, S. 1720 ff.; Nettesheim, in: NVwZ 1996, S. 342 ff.; H. Schneider, in: NJ 1996, S. 512. Diese Position macht neuerdings auch der Gerichtshof im Fall Bosman anläßlich des Freizügigkeitsrechts und der Niederlassungsfreiheit aus Art. 48, 52 EGV klar - EuGHE, a. a. O., Rd. 96 f.; vgl. auch zu dieser Deutung die Anmerkung Schröders zu diesem Urteil in: JZ 1996, S. 254; ebenso 365

Hilf/Pache,

in: NJW 1996, S. 1172 (m. w. N.); Hobe/Tietje,

in: JuS 1996, S. 489

(m. w. N.); Kluth, in: AÖR 1997, S. 562 ff.; ferner zur Dienstleistungsfreiheit EuGHE 1995 I, S. 1141, 1176, Rd. 30 (Alpine Investments); a. Α. dagegen zur Niederlassungsfreiheit Troberg, in: G/T/E, Art. 52, Rd. 38.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

freiheit wieder, wie er i m deutschen nationalen Verfassungsrecht im Rahmen des Art. 12 I G G 3 6 9 und i m Gemeinschaftsrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung bestimmt wird 3 7 0 . In ihren Anwendungsbereich fallen nur zwischengemeinschaftliche Fälle. Fälle, die ausschließlich innerstaatlichen Charakter haben, werden aus diesem Anwendungsbereich ausgeklammert.

ß) Die Warenverkehrsfreiheit Eine grundsätzliche Stellung i m europäischen Binnenmarkt besitzt die Warenverkehrsfreiheit. Nicht zu Unrecht wurde die Freiheit des Warenverkehrs als "Grundlage" oder "grundlegendes Prinzip" des Gemeinsamen Marktes und damit der Wettbewerbsfreiheit bezeichnet 371 . Sie läßt sich in die Zollunion (Art. 9 f f , 12 ff. EGV), das Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 30 ff. EGV) sowie das Verbot diskriminierender innerstaatlicher Abgaben (Art. 95 ff. EGV) unterteilen. Die Zollunion ist die Grundlage der Gemeinschaft. Sie besteht aus dem Verbot der Ein- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten und dem Gebot eines gemeinsamen Zolltarifs gegenüber Drittländern (Art. 9 I EGV). Nach Art. 30, 34 EGV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bestehende Handelshemmnisse (mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen) abzubauen und keine neuen einzuführen. Mengenmäßige Beschränkungen sind "sämtliche Maßnahmen, die sich als gänzliche oder teilweise Untersagung der Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr darstellen" 372 . Bezüglich der Maßnahmen gleicher Wirkung hat der EuGH dargelegt, daß "jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme mit 369 Vgl. Pernice , Grundrechtsgehalte, S. 174 f.; Bleckmann, in: EuGRZ 1981, S. 258 f , der aber auf S. 265 darüber hinaus das Eigentum und andere klassische Grundrechte erwähnt; ders, in: GS Sasse, Band II, S. 675; Feger, Die Grundrechte, S. 159; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 43; Jarass, in: FS Lerche, S. 445; H. Schneider, in: NJ 1996, S. 515; Schroeder, in: JZ 1996, S. 255, 256, Fn. 28 (dort); vgl. auch EuGHE 1993 I, S. 1191, 1219, Rd. 17 (Konstantinidis), das die nach Art. 52 EGV Niederlassungsfreiheit unmittelbar mit der Berufsausübung verbindet. 370 Das ist zweifelsohne noch ein Argument, das für ihren grundrechtsähnlichen Charakter spricht; zum Abgrenzungsproblem vgl. unten sub 6. 371 EuGHE 1976, S. 129, 138, Rn. 8/9 (Bresciani); 1976, S. 431, 442, Rd. 5 (Kaufhof) - st. Rechtsprechung; zu einer Ableitung der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht aus Art. 30 EGV vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 180. 372 EuGHE 1973, S. 865, 879 (Geddo).

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen" sei 373 . Art. 95 ff. EGV ergänzen die Art. 9 ff. EGV, indem sie jede protektionistische oder diskriminierende Manipulation der an den Grenzübertritt von Waren geknüpften, dem Ausgleich für die Besteuerung inländischer Produkte dienende Abgaben untersagen 374. Sie verankern den Grundsatz der Abgabengleichheit 375, stellen damit die steuerliche Gleichbehandlung auf dem Gebiet der inländischen Abgaben sicher 376 und beseitigen die versteckten Beschränkungen des freien Warenverkehrs, "die sich aus abgabenrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaates ergeben können" 377 . Demzufolge wird der Wettbewerbsgleichheit im europäischen Binnenmarkt gedient 378 . Die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit sind nach dem Ablauf der Übergangszeit in den nationalen Rechtsordnungen unmittelbar anwendbar und begründen subjektive Rechte für die einzelnen, die sie vor den nationalen Gerichten geltend machen können 379 .

γ) Die Niederlassungsfreiheit Bezüglich der Freiheit des Personenverkehrs interessiert die Wettbewerbsfreiheit in dem hier gemeinten Sinne nur im Rahmen der Niederlassungsfreiheit (Art. 52 ff. EGV), da sie sich auf die Selbständigen (Unternehmer, Gewerbetreibende, Freiberufler) bezieht. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 48 ff. EGV) stellt zwar einen Eckpfeiler des Binnenmarktes dar, sie betrifft aber nicht die vorhandene Untersuchung. Die Niederlassungsfreiheit stellt vielleicht die wichtigste Säule der Grundfreiheiten dar, auf die sich die Wettbewerbsfreiheit des EGV stützt. Sie betrifft sowohl die Freiheit im Wettbewerb (Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit) 3 8 0 als auch die Freiheit zum Wettbewerb (freie Standortwahl innerhalb der EG/EU) 381 . Die Niederlassungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt bedeutet, daß jede natürliche oder juristische Person eines Mitgliedstaates das Recht hat, 373 EuGHE 1974, S. 837, 852, Rd. 5 (Dassonville); EuGH EuZW 1997, S.471, Rd. 7 (Vereinigte Zeitungsverlags und -Vertriebs GmbH) - st. Rechtsprechung. 374 Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 73. 375 EuGHE 1976, S. 181, 190, Rd. 14 (REWE). 376 EuGHE 1973, S. 193, 203, Rd. 5 (FOR). 377 EuGHE 1977, S. 247, 260, Rd. 21 (Schötle). 378 So auch Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 73. 379 Vgl. zu Art. 12 EWGV EuGHE 1963, S. 24 ff. (Van Gend & Loos); zu den Art. 9 und 16 EWGV EuGHE 1971, S. 811, 816, Rd. 9/11 (Eunomia,) und zu den Art. 30 und 34 EWGV EuGHE 1969, S. 679 - st. Rechtsprechung; vgl. auch Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 176; Oppermann, Europarecht, Rd. 1157; vgl. zur unmittelbaren Geltung des Art. 95 EGV Streinz, Europarecht, Rd. 663 a. 380 Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 160; Oppermann, Europarecht, Rd. 1495. 381 Oppermann, Europarecht, Rd. 1487.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

in einem anderen, seiner Wahl entsprechenden Mitgliedstaat eine dauernde, selbständige Tätigkeit auszuüben382 und am Wettbewerb zu den gleichen Bedingungen wie Inländer teilzunehmen. Sie enthält auch die sog. sekundäre Niederlassungsfreiheit, nämlich die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften (Art. 52 12 EGV) 3 8 3 . Auch Art. 52 EGV ist nach dem Ablauf der Übergangszeit in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen unmittelbar anwendbar, so daß die Privaten sich unmittelbar darauf berufen können 384 .

δ) Die Dienstleistungsfreiheit Die Dienstleistungsfreiheit gilt nach Art. 59 EGV als eigenständige Grundfreiheit des Binnenmarkts, nach Art. 601 EGV jedoch als Auffangfreiheit 385 . Ihr Schutzbereich erstreckt sich auf gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und berufliche Tätigkeiten, d. h. auf fast jede eigenständige erwerbswirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb, aber nur soweit nicht die Vorschriften über den freien Waren-, Kapital- und Personenverkehr anwendbar sind. Ihr Schutzbereich wird von dem der Niederlassungsfreiheit dadurch abgegrenzt, daß er vorübergehende Tätigkeiten erfaßt, während in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit nur dauerhafte Betätigungen fallen 386 . Die Dienstleistungsfreiheit enthält nicht nur die "positive" Freiheit, d.h. die Freiheit des Leistenden, sondern auch die "negative" oder "passive" Freiheit, die Freiheit des Empfängers der Leistung 387 . Auch Art. 59 ff. EGV entfalten nach der Übergangszeit unmittelbare Wirkung für die einzelnen 388 .

ε) Die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit Diese Freiheiten werden in Art. 73 b EGV garantiert und sind die beiden Teile des freien Geldverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten, die die anderen

382

Streinz, Europarecht, Rd. 718. Oppermann, Europarecht, Rd. 1495. 384 EuGHE 1974, S.631, 649 ff., Rd. 3 ff. (Reyners); 1974, S. 1299, 1310 ff., Rd. 18 ff. (Van Bisbergen); Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 158 ff; Oppermann, Europarecht, Rd. 1495; Steindorff, in: FS Nirk, S. 991. 385 So Oppermann, Europarecht, Rd. 1496; Steindorff, in: FS Nirk, S. 992. 386 Oppermann, Europarecht, Rd. 1498. 387 Oppermann, Europarecht, Rd. 1499. 388 EuGHE 1974, S.631, 649 ff., Rd. 3 ff. (Reyners); 1974, S. 1299, 1310 ff., Rd. 18 ff. (Van Bisbergen); Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 158 ff.; Oppermann, Europarecht, Rd. 1507; Steindorff in: FS Nirk, S. 991. 383

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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drei Grundfreiheiten ergänzen 389. Ohne den freien Geldverkehr würden die Waren·, Personen- und Dienstleistungsfreiheit wirkungslos bleiben 390 oder zumindest nicht ihre volle Wirkung entfalten 391 . Demgemäß ist ihre Bedeutung für die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit entsprechend groß 392 . Sie sind unmittelbar anwendbar und begründen Rechte und Pflichten für die Privaten in den Mitgliedstaaten393.

bb) Die Wettbewerbsfreiheit

und die Wettbewerbsregeln

der Art. 85 ff. EGV

α) Das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen Die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt, ist, wie bereits dargelegt wurde, eines der Hauptziele der Tätigkeit der EG (Art. 3 g EGV). Das Recht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen der Art. 85 ff. EGV stellt das Instrumentarium für die Verwirklichung dieses Zieles dar 394 , es ist auf einem strengen Verbotsprinzip aufgebaut (Art. 85 I EGV). Diesem Verbot unterliegen alle horizontal und vertikal vereinbarten Maßnahmen 395 , die nach dem zweiten Absatz des Art. 85 EGV sogar nichtig sind. Nach Art. 85 I I I EGV dürfen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen durch Einzel- oder Gruppenfreistellung vom Kartellverbot ausgenommen werden. Die Freistellung wird aufgrund der vom Rat erlassenen VO geregelt (Art. 87 I, I I b EGV). Art. 86 EGV enthält das Mißbrauchsverbot marktbeherrschender Stellungen, davon sind Monopole oder Oligopole betroffen. Art. 85, 86 EGV finden unter zwei Voraussetzungen Anwendung: Die von ihnen verbotenen Wettbewerbsbeschränkungen müssen geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen ("Zwischenstaatsklausel") und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu bezwecken oder bloß zu bewirken ("Wirkungsklausel") 396 . Diese sog. "Zwischenstaatsklausel" wird weit ausgelegt und enthält auch Maßnahmen, die zwischen Unternehmen in einem Mitgliedstaat oder Unternehmen eines Mitgliedsstaates und einem dritten Staat

389 390 391 392 393 394 395 396

Vgl. Bleckmann, in: GS Sasse, S. 671. Streinz, Europarecht, Rd. 739. Oppermann, Europarecht, Rd. 1364. Vgl. dazu Feger, Die Grundrechte, S. 177 f. Streinz, Europarecht, Rd. 740. So Bieber, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 345. Bechtold, GWB, Einf. Rd. 31. Oppermann, Europarecht, Rd. 899.

43 Tsiliotis

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

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getroffen werden, soweit sie unmittelbar oder mittelbar negative Konsequenzen auf den innergemeinschaftlichen Handel haben können 397 . Zu den Wettbewerbsregeln rechnet man auch Art. 90 EGV, der den Zweck hat, unverfälschten Wettbewerb sowie die Wettbewerbsgleichheit zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen bzw. Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte von den Mitgliedstaaten gewährt worden sind, zu bewahren. Das Verbot des Art. 901 EGV kann als Ausfluß des Art. 222 EGV 3 9 8 , der die Ausgestaltung der Eigentumsordnung den Mitgliedstaaten überläßt, betrachtet werden. Wegen dieser Klausel können die Mitgliedstaaten den öffentlichen Sektor in ihrer Rechtsordnung quantitativ und qualitativ unterschiedlich ausgestalten. Durch diese Vorschrift kann der unverfälschte Wettbewerb und die Wettbewerbsgleichheit bewahrt werden, womit auch der Wettbewerbsfreiheit gedient wird 3 9 9 . Nach Art. 90 I I EGV kann von der Regel des Art. 90 I EGV und unter den dort bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. Diese Vorschrift kann auch die Errichtung und die Beibehaltung eines öffentlichen Monopols, das den Wettbewerb ausgeschaltet hat, rechtfertigen 400. Aus der systematischen Stellung der Art. 85 ff. EGV und ihrer Verbindung mit Art. 3 g EGV ergibt sich der Schutz des freien und unverfälschten Wettbewerbs als objektiver Grundsatz 401 oder Institution 402 oder - richtiger gesagt - als Institut. Es wurde bereits ausfuhrlich die Stellung der Art. 85 ff. EGV in der Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft dargelegt 403. Ihre Bedeutung für die Wettbewerbsfreiheit als "Grundrecht" oder grundrechtsähnliche Freiheit des EGV ist ebenso wichtig. Es wird anerkannt, daß die Art. 85 ff. EGV i. V. m. Art. 3 g EGV/3 f EWGV über das Institut des freien Wettbewerbs hinaus die Wettbewerbsfreiheit als Individualfreiheit schützen404 4 0 5 . Die institutionelle und die individuelle Seite des freien Wettbewerbs sind nichts anderes als die

397 398 399 400 401

S. 73 f. 402

Bechtold, GWB, Einf. Rd. 36. Vgl. Streinz, Europarecht, Rd. 825. Vgl. Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 118. EuGHE 1991 I, S. 2925, 2961 f., Rd. 27 ff. (ERT). EuGHE 1961, S. 117, 162 (SNUPAT); Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten,

Scherer, Wirtschaftsverfassung der EWG, S. 151; Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 97, 99; Schröter, in: G/T/E, Art. 85 Einführung, Rd. 15. 403 s. oben sub Β II 1. 404 So Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 99 ff., 108 f. (m. w. N.); Schröter, in: G/T/E, Art. 85 Einführung, Rd. 14, 18; Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 75 ff.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 180. 405 Zur Bedeutung des Art. 3 f. EWGV - inzwischen 3 g EGV - für die Ableitung der Wettbewerbsfreiheit aus den Wettbewerbsregeln vgl. Schröter, in: G/T/E, Art. 85 Einführung, Rd. 17 (m. w. N.); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 180.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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beiden Seiten derselben Medaille 4 0 6 . Zusätzlich ist dadurch die Wettbewerbsgleichheit der Wettbewerber gegenüber Kartellen und marktbeherrschenden Unternehmen zu schützen 407 . Sofern der EGV als der wichtigste Teil der geschriebenen Verfassung der EG gilt 4 0 8 und die Art. 85 ff. EGV individuelle Rechte begründen, gelten diese Rechte als "Grundrechte" oder grundrechtsähnliche Rechte 409 . Diese Vorschriften richten sich in erster Linie an andere Private (Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen) 410 . Sie richten sich aber auch gegen die Mitgliedstaaten 411 . Die i m deutschen Recht verbreitete Diskussion über die Drittwirkung der Grundrechte kann auch hier mutatis mutandis Anwendung finden 412 .

ß) Das Beihilfeverbot Als Fremdkörper in einem Wettbewerbssystem werden oft Subventionen und andere Beihilfemaßnahmen bezeichnet. M i t den Subventionen können bestimmte Marktteilnehmer gegenüber ihren Konkurrenten begünstigt werden. Dadurch wird in den freien und unverzerrten Wettbewerb, aber auch in die Wettbewerbsfreiheit bzw. -gleichheit der Konkurrenten als Individualrechte der begünstigten Unternehmer eingegriffen 413 . Deshalb erscheint es in einem Rechtssystem, das diese Rechtsgüter schützen will, sinnvoll und sogar zweckmäßig, daß Maßnahmen vorgesehen werden, die sich gegen solcherart Beihilfen richten 414 . Demgemäß stellt Art. 92 I EGV die Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen fest, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den zwischengemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen. Art. 92 I

406 So auch Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 123 ff.; vgl. auch Bleckmann/Pieper, Lenz (Hg.) Wettbewerbsrecht, S. 584, die in den Wettbewerbsregeln der Art. 85 ff. E(W)GV als Schutzgut den Wettbewerb als Verhaltensprozeß der Marktteilnehmer sehen, der aus der Summe ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten besteht. 407

Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 51.

408 ygj dazu ausführlich oben sub A I, II 1. 409

Vgl. dazu Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 81 f. Vgl. die Nachweise oben sub Β III 2 a. 411 Ebenda. 412 s. auch unten sub 7 a aa. 413 Vgl. Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 97; ders, in: G/H, Art. 164, Rd. 51; Low, Der Rechtsschutz des Konkurrenten, S. 80 ff.; Haverkate, Subventionsrecht, in: R. Schmidt (Hg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rd. 70, der Art. 92 EGV für die Rechtsgrundlage der Wettbewerbsfreiheit als Konkretisierung des europäischen Grundrechts Wettbewerbsfreiheit hält. 414 Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 115; Oppermann, Europarecht, Rd. 973. 410

in:

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

EGV stellt die Regel dar, Art. 92 II, I I I EGV sehen die Ausnahmen zu dieser Regel vor.

4. Die Einschränkbarkeit

der Wettbewerbsfreiheit

Die Wettbewerbsfreiheit gilt zwar als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung, ihr Schutz gilt jedoch nicht uneingeschränkt 415. In ihre Ausübung können die Gemeinschaftsorgane bzw. die Mitgliedstaaten eingreifen und diese beschränken. Eine detaillierte Darstellung der Grundrechtseingriffe in die Wettbewerbsfreiheit sowie die terminologische Auseinandersetzung erübrigen sich hier. Es wird nur untersucht, unter welchen Umständen und für welche Zwecke die Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt werden kann (SchrankenSchranken-Problematik). Die Untersuchung wird in zwei Teile geteilt, je nach den entsprechenden Rechtsgrundlagen der Wettbewerbsfreiheit.

a) Die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung aa) Die Schranken Was bezüglich der Ableitung des grundrechtlichen Schutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung dargelegt wurde, gilt analog auch für ihre Einschränkbarkeit. Die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und die EMRK bzw. ihr Erstes Zusatzprotokoll stellen die geeigneten Erkenntnismittel dazu dar 416 . Die Probleme, die die Erkenntnis der Rechtsgewinnungsquellen für die Ableitung des jeweiligen Grundrechts sowie die Festlegung seines Schutzbereichs betreffen, gelten auch für die Erkenntnis seiner Einschränkbarkeit 417. Das hat zu bedeuten, daß im Falle einer Maßnahme, die ein Grundrecht tangiert, nicht nur der Umfang seines Schutzbereichs zu erkennen ist, sondern auch, ob und unter welchen Umständen dieses Grundrecht eingeschränkt werden kann. Dann ist zu erkennen, ob diese Maßnahme in den grundrechtlichen Schutzbereich eingreift 418 .

415 EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 14 (Nold); 1979, S. 3727, 3750, Rd. 32 (Hauer); 1985, S. 531, 549, Rd. 12 (Procureur de la République); 1986, S. 2897, 2912, Rd. 8 (Keller); 1991 I, S. 5119, 5157, Rd. 28 (von Deetzen); 1994 I, S. 4973, 5065, Rd. 78 (Deutschland/Rat) - Bananen; 1994 I, S. 5555, 5581, Rd. 22 (SMW Winzersekt); 1996 I, S. 3953, 3985 f., Rd. 21 (Bosporus); vgl. auch Bernisch, in: EuR 1994, S. 464. 416 Vgl. Streinz, Grundrechtsschutz, S. 412; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 181; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 35; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 213; Netthoff in: RIW 1995, S. 543. 417

Vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 210 f.; Netthoff

418

Vgl. die grundrechtsdogmatische Analyse Pernices, in: G/H, Art. 164, Rd. 62.

in: RIW 1995, S. 543.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Aus einer Rechtsvergleichung der nationalen verfassungsrechtlichen Ordnungen ergibt sich, daß die Grundrechte, aus denen der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht besteht, nämlich die Gewerbe-, Handels- und Berufswahlfreiheit, das Eigentum und die Meinungsfreiheit als Werbefreiheit, unter Schranken garantiert werden. Das hat auch der EuGH anerkannt. Die Gewerbe- und Berufsfreiheit können aus Gründen des allgemeinen Wohls oder des öffentlichen bzw. Allgemeininteresses 419 beschränkt werden, das Eigentum steht unter einem Sozial- und Allgemeinwohlvorbehalt 420 (vgl. auch Art. 1 I 2, I I des 1. Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1952) 421 , aufgrund dessen Eingriffe in eigentumsmäßige Rechtspositionen zulässig sind. Ferner ist dementsprechend, soweit man wie der EuGH einen unmittelbaren Rückgriff auf Art. 10 EMRK annimmt, um den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit als gemeinschaftsrechtliches Grundrecht abzuleiten422, davon auszugehen, daß auch die Schrankenklausel des Art. 10 I I EMRK für die Einschränkbarkeit dieses Grundrechts entsprechend gilt. Insbesondere bezüglich der wirtschaftlichen Grundrechte, von denen sich der grundrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit ableiten läßt, hat der EuGH dargelegt, daß sie im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation und aus strukturpolitischen Gründen und der Beachtung der im folgenden darzulegenden Eingriffsvoraussetzungen einschränkbar sind 423 . Unverkennbar ist die Formel des EuGH, daß sich sowohl der Umfang und der Inhalt des Schutzbereichs eines gemeinschaftlichen Grundrechts als auch ihre Einschränkungen in die Struktur und Ziele der Gemeinschaft einfügen müssen424.

419 EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 14 (Nold); 1979, S. 3727, 3747, 3750, Rd. 23, 32 (Hauer); 1985, S. 531, 549, Rd. 12 (Procureur de la République); 1986, S. 2897, 2912, Rd. 8 (Keller); 1989, S. 2237, 2269, Rd. 18 (Schräder); 1991 I, S.415, 552, Rd. 73 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest); 1994 I, S. 4973, 5065, Rd. 78 (Deutschland/Rat) - Bananen; 1994 I, S. 5555, 5581, Rd. 22 (SMW Winzersekt); 1995 I, S. 3115, 3152, Rd. 55 (Fishermen's Organisations u. a.); 1996 I, S. 569, 611, Rd. 30 (Duff u. a.). 420 Vgl. EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 14 (Nold). Der Gerichtshof spricht in diesem Urteil von der sozialen Funktion des Eigentums und der Freiheit der Arbeit, des Handels und anderer Berufstätigkeiten; vgl. auch EuGHE 1979, S. 3727, 3746, Rd. 20 (Hauer); 1991 I, S. 5119, 5157, Rd. 28 (von Deetzen). 421 Mehr dazu bei Frowein, in: FS Rowedder, S. 49 ff.; Fiedler, in: EuGRZ 1996, S. 355 ff. 422 Vgl. ausführlich oben sub 3 a dd. 423 EuGHE 1979, S. 3727, 3747, Rd. 23 (Hauer); 1991 I, S. 415, 552, Rd. 73 (Zukkerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest); 1994 I, S. 4973 5065, Rd. 78 (Deutschland/Rat) - Bananen; 1994 I, S. 5555, 5581, Rd. 20 (SMW Winzersekt); 1995 I, S. 3115, 3152, Rd. 55 (Fishermen's Organisations u. a.). 424 EuGHE 1970, S. 1125, 1135, Rd. 4 (Internationale Handelsgesellschaft); vgl. auch Streinz, Grundrechtsschutz, S. 410 f.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 212; Lenz,

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

bb) Die Schranken-Schranken Besondere praktische Relevanz für die Einschränkbarkeit der Gemeinschaftsgrundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit erlangt die Problematik der sog. Schranken-Schranken, d. h. derjenigen rechtstaatlichen Garantien, die die Möglichkeit der öffentlichen Gewalt der Gemeinschaft beschränken, in die Grundrechte einzugreifen. Hier werden der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Wesensgehaltsgarantie untersucht. Der EuGH hat bereits seit dem Anfang seiner Rechtsprechung rechtsstaatliche Garantien, die den nationalen Verfassungstraditionen gemeinsam sind, als allgemeine Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannt 425. Darunter fällt auch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der sich in zwei Teilgrundsätzen analysieren läßt, nämlich dem Vorrang des Gesetzes und dem Vorbehalt des Gesetzes. Praktisch hat das im Gemeinschaftsrecht zu bedeuten, daß das vom Gesetzgeber der Gemeinschaft (Rat oder Kommission) erlassene Gesetz (Verordnung, Richtlinie) dem Akt der Exekutive (Kommission) vorgeht (Vorrang des Gesetzes) und die Gemeinschaftsexekutive nur aufgrund einer von der Gemeinschaftslegislative erlassenen Rechtsvorschrift tätig werden darf (Vorbehalt des Gesetzes)426. Den Vorbehalt des Gesetzes hat der EuGH auf die Grundrechte ausgedehnt und dargelegt, daß Eingriffe der öffentlichen Gewalt einer Rechtsgrundlage bedürften und aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen gerechtfertigt sein müßten 427 . Daraus ergibt sich die Ableitung eines grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts 428 und spezifische Form des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes oder Vorbehaltes des Gesetzes (vgl. auch Art. 26 der EP-Erklärung über die Grundrechte und -freiheiten) 429 . Vergleichbar ist die Situation mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Gerichtshof hat ihn als allgemeinen Rechtsgrundsatz von Anfang seiner Rechtsprechung an angewendet, um Akte der Gemeinschaftsgewalt zu überprü-

in: EuGRZ 1993, S. 588; Hilf in: FS Bernhardt, S. 1200; Netthoff in: RIW 1995, S. 543 f. 425 s. auch oben sub A II 2. 426 Vgl. dazu ausführlich Triantafyllou, Gesetzesvorbehalt, S. 152 ff; außerdem Kluth, in: AÖR 1997, S. 579 f. 427

EuGHE 1989, S. 2859, 2924, Rd. 19 (Hoechst); 1989, S. 1991 I, S. 3165, S. 3186, Rd. 16 (Dow Chemical Ibèrica). 428 So ausdrücklich EuGHE 1989, S. 2859, 2924, Rd. 19 (Hoechst); 1989, S. 1991 I, S. 3165, S. 3186, Rd. 16 (Dow Chemeical Ibèrica); vgl. auch Grämlich, in: DÖV 1996, S. 805. 429 Vgl. weiter bei Triantafyllou, Gesetzesvorbehalt, S. 164 ff., insbesondere S. 167 ff.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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fen 430 . Im sog. Stauder-Urteil 431 , in dem er zum ersten Mal den Grundrechtsschutz in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannt hat, liegt der Keim für die Ableitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Maßstab für die Überprüfung der Eingriffszulässigkeit in die Grundrechte. Seit dem sog. Internationalen Handelsgesellschafts-Urteil 432 wendet der Gerichtshof dieses Prinzip als Schranken-Schranke der Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht nur für Akte der Exekutive 433 , sondern vielmehr auch für jene der Legislative 434 an - vgl. den mittlerweile neuen Art. 3 b I I I EGV, der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit expressis verbis im Vertrag für jede Maßnahme der EU/EG verankert. Die Anwendung betrifft den vollen Umfang des Verhältnismäßigkeitsprinzips in allen drei Komponenten oder Teilgeboten. Das bedeutet, daß ein Grundrechtseingriff nur dann zulässig oder gemeinschaftsverfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, wenn er einem legitimen Zweck dient und das Mittel, das zu dem Erreichen dieses Zwecks eingesetzt wird, geeignet435, erforderlich 436 und verhältnismäßig i. e. S. bzw. angemessen437 ist. Diese legitimen Zwecke 430 EuGHE 1955/56, S. 297, 311 (Fédération Charbonnière de Belgique); 1962, S. 653, 686 (Klöckner und Hoesch); 1973, S. 1091, 1110 ff, Rd. 19 ff. (Balkan-ImportExport); vgl. dazu ausführlich die Monographie von Pollak, Verhältnismäßigkeitsprinzip und Grundrechtsschutz, S. 34 ff.; zu einer rechtsvergleichenden Untersuchung der Verhältnismäßigkeit als Verfassungsgrundsatz vgl. Skouris, in: ders. (Ed.): Advertising, S. 37 ff. 431 EuGHE 1969, S.419, 425. 432 EuGHE 1970, S. 1125, 1137, Rd. 12 (Internationale Handelsgesellschaft). 433 So EuGHE 1989, S. 2859, 2928, Rd. 26 (Hoechst); EuGH EuZW 1997, S. 732, Rd. 29 ff. (Affish). 434 EuGHE 1970, S. 1125, 1137, Rd. 8 ff. (Internationale Handelsgesellschaft); 1970, S. 1161, 1177, Rd. 25 ff. (Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide); 1977, S. 861, 872, Rd. 9 (Beste Boter und Hoche); 1979, S. 677, 684 f , Rd. 16/18 (Buitoni); 1979, S. 3727, 3747, Rd. 23 (Hauer); 1980, S. 1975, 1997, Rd. 21 (Testa); 1987, S. 49, 94, Rd. 36 (Zuckerfabrik Bedburg); 1989, S. 2609, 2639, Rd. 18 (Wachhauf). 435 EuGHE 1970, S. 1125, 1137, Rd. 8 ff. (Internationale Handelsgesellschaft); 1970, S. 1161, 1177, Rd. 25 ff. (Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide); 1986, S.2519, 2544, Rd. 21 f. (Kommission/Deutschland) - Qualitätswein b; 1987, S. 49, 94, Rd. 36 (Zuckerfabrik Bedburg); 1989, S. 2237, 2269, Rd. 20 (Schräder); 1994 I, S. 5555, 5581, Rd. 21 (SMW Winzersekt); EuGH EuZW 1997, S. 732, Rd. 29 ff. (Affish). 436 EuGHE 1970, S. 1125, 1137, Rd. 12 (Internationale Handelsgesellschaft); 1970, S. 1161, 1177, Rd. 28 (Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide); 1977, S. 861, 873, Rd. 11 (Beste Boter und Hoche); 1977, S. 1211, 1220 f, Rd. 7 (Bela-Mühle); 1979, S. 677, 684 f , Rd. 16/18 (Buitoni); 1982, S. 2745, 2757, Rd. 24 (Edeka); 1986, S. 2519, 2544, Rd. 21 (Kommission/Deutschland) - Qualitätswein b; 1987, S. 49, 94, Rd. 36 (Zuckerfabrik Bedburg); 1989, S. 2237, 2269, Rd. 20 (Schräder). Zum Erforderlichkeitsgebot für die Überprüfung der Eingriffe in das Eigentum vgl. auch Art. 1 II des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK. 437 Vgl. EuGHE 1970, S. 1125, 1137, Rd. 12 (Internationale Handelsgesellschaft); 1970, S. 1161, 1177, Rd. 28 (Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide); 1977, S. 861, 873, Rd. 11 (Beste Boter und Hoche); 1977, S. 1211, 1220 f , Rd. 5 f. (Bela-Mühle); 1979, S. 677, 684 f , Rd. 16/18 (Buitoni); 1989, S. 2237, 2269, Rd. 20 (Schräder); 1994 I,

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

können dem allgemeinen Wohl bzw. dem öffentlichen Interesse 438 (ζ. B. Volksgesundheit) 439 , grundrechtlichen Positionen anderer (Grundrechtskollisionsproblematik) oder Zielen, die sich unmittelbar aus den Verträgen ergeben 440, wie ζ. B. den Grundfreiheiten 441, der Umwelt (vgl. Art. 130 r EGV) 4 4 2 oder dem Gemeinsamen Markt 4 4 3 , dienen 444 . Diese Rechtsgüter stehen mit dem einzuschränkenden Grundrecht in Kollision, und das zuständige Gemeinschaftsorgan muß nach einer (in concreto) Güter- und Interessenabwägung die Lösung finden 445 . Die Prinzipien des schonendsten Ausgleichs und der Herstellung der praktischen Konkordanz, aufgrund derer die Güterkollisionen in der deutschen Rechtsordnung gelöst werden sollen 446 , können auch entsprechend in der Rechtsordnung der Gemeinschaft angewendet werden 447 . Nach Erfüllung der Abwägungsaufgabe ist der Gemeinschaftsgewalt ein weiter Beurteilungs- bzw. Ermessenspielraum 448 zuerkannt, besonders wenn sie komplexe wirtschaftliche Sachverhalte wie Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit regelt. "Bei der Kontrolle über die Rechtmäßigkeit der Ausübung einer solchen Freiheit dürfen die Gerichte nicht die Beurteilungen, zu denen die zuständige Behörde gelangt S. 5555, 5581 f , Rd. 22, 24 (SMW Winzersekt); EuGH EuZW 1997, S. 732 f , Rd. 29 ff, 42 (Affish). 438 So EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 14 (Nold); 1979, S. 3727, 3747, Rd. 23 (Hauer); 1985, S. 531, 549, Rd. 13 (Procureur de la République); 1986, S. 2897, 2912, Rd. 8 (Keller); 1989, S. 2609, 2639, Rd. 18 (Wachhauf); 1992 I, S. 35, 63 f., Rd. 16 (Kühn); 1994 I, S. 4737, 4790. Rd. 18 (AIDS-Test); vgl. auch Streinz, Grundrechtsschutz, S. 413 f. 439 So EuGH EuZW 1997, S. 733, Rd. 43, 57 (Affish). 440 Vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 216; zu eng aber Streinz, Grundrechtsschutz, S. 413 f. 441 Vgl. ausführlich unten sub 6 b. 442 EuGHE 1985, S. 531, 549, Rd. 13 (Procureur de la République); 1992 I, S. 4431, 4479, Rd. 32, 34 (Kommission/Belgien); vgl. auch Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 186, Fn. 160 (dort); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 218 f. 443 EuGHE 1994 I, S. 4973 5065, Rd. 80 ff. (Deutschland/Rat) - Bananen; vgl. auch VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 187. 444 Vgl. weitere Beispiele bei Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 62 c. 445 Vgl. so die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in: EuGHE 1984, S. 3900, 3910 (Agricola Commerciale Olio); vgl. auch Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 34; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 218; Schwarze, in: NJ 1994, S. 57; Kluth, in:

AÖR 1997, S. 580. 446 s. dazu oben sub erster Teil V 2 a cc. 447 Vgl. so Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 57; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 34, 36; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 217; Nettesheim, in: EuZW 1995, S. 106 ff. 448 EuGHE 1980, S. 1975, 1997, Rd. 21 (Testa); 1989, S. 2609, 2640, Rd. 22 (Wachhauf); 1991 I, S. 415, 552, Rd. 73 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest); 1994 I, S. 4973, 5065, Rd. 80 (Deutschland/Rat) - Bananen; 1994 I, S. 5555, 5581 ff, Rd. 22 ff. (SMW Winzersekt); vgl. auch Pernice , in: NJW 1990, S. 2415; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 219.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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ist, durch ihre eigenen ersetzen. Sie müssen sich auf die Prüfung beschränken, ob jene Beurteilungen offensichtlich irrig oder mit einem Ermessensmißbrauch behaftet sind" 449 . Der Eingriff darf jedoch nicht den Wesensgehalt der Grundrechte berühren bzw. verletzen 450 (vgl. auch Art. 26 der Erklärung des EP zu den Grundrechten und -freiheiten). Was unter "Wesensgehalt" der Grundrechte zu verstehen ist, führt der Gerichtshof nicht aus 451 . Fraglich 452 ist, ob damit ein harter Kern jedes einzelnen Grundrechts gemeint ist oder ob der Wesensgehalt in enger Verbindung mit dem Angemessenheitsgebot des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes steht 453 .

b) Die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln Auch die Wettbewerbsfreiheit, wie sie sich aus den Grundfreiheiten und den Wettbewerbsregeln des EGV ableiten läßt, kann eingeschränkt werden. Der Vertrag selbst sieht Schranken vor. Die Schranken der Art. 36, 56, 66 i. V. m. Art. 56, 73 c ff. EGV sowie die Ausnahmen der Art. 85 III, 90 II, 92 II, I I I EGV gelten auch für die Wettbewerbsfreiheit, soweit sie in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften fällt 454 . Darüber hinaus hat der EuGH für die Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 ff. EGV) die Erfordernisse einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit 449

EuGHE 1995 I, S. 3115, 3152 f., Rd. 57 - m. w. N. - (Fishermen's Organisations u. a.); vgl. auch EuGHE 1994 I, S. 4973, 5068, Rd. 94 f. (Deutschland/Rat)-Bananen; 1994 I, S. 5555, 5583, Rd. 27; kritisch zu dieser Formulierung anläßlich der BananenRechtsprechung des EuGH Bernisch, in: EuR 1994, S. 467, der davon ausgeht, daß der EuGH damit (faktisch) auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung verzichte; weiterhin zu dieser Kritik VG Frankfurt/a. M. EuZW 1997, S. 190; Kokott, in: AÖR 1996, S. 608 f.; Storr, in: Der Staat 1997, S. 552, 565 ff. 450 EuGHE 1974, S. 491, 507, Rd. 14 (Nold); 1979, S. 3727, 3747, 3749, Rd. 23, 30 (Hauer); 1985, S. 531, 549, Rd. 12 (Procureur de la République); 1986, S. 2897, 2912, Rd. 8 (Keller); 1989, S. 2237, 2269, Rd. 18 (Schräder); 1989, S. 2609, 2639, Rd. 18 (Wachhauf); 1991 I, S. 5119, 5157, Rd. 28 (Von Deetzen); 1992 I, S. 35, 64, Rd. 17; 1994 I, S. 4737, 4790. Rd. 18 (AIDS-Test); 1994 I, S. 4973, 5065, Rd. 78 (Deutschland/Rat) - Bananen; 1994 I, S. 5555, 5582, Rd. 24 (SMW Winzersekt); 1995 I, S. 3115, 3152, Rd. 56 (Fishermen's Organisations u. a.); 1996 I, S. 569, 611, Rd. 30 (Duff); EuGH EuZW 1997, S. 733, Rd. 42 (Affish). 451 Kritisch dazu Storr, in: Der Staat 1997, S. 562 ff. 452 ygj z u Auseinandersetzung Streinz, Grundrechtsschutz, S. 420 ff.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 214. 453 Dazu tendiert das EuGHE 1979, S. 3727, 3747, Rd. 23 (Hauer); vgl. auch zu dieser Einschätzung Pernice , in: NJW 1990, S. 2416; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 214 f.; Bernisch, in: EuR 1994, S. 465, bezüglich des EuGHE 1994 I, S. 4973, 5065 f , Rd. 77 ff. (Deutschland/Rat) - Bananen. 454 Vgl. statt aller Jarass, in: EuR 1995, S. 209 ff, 220 ff.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes als "immanente Schranken" anerkannt 455. Es wird allgemein bestätigt, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch für das Erreichen der in diesen Regelungen niedergelegten Ziele gilt 4 5 6 .

5. Die Grundrechtsbindung

an die Wettbewerbsfreiheit

a) Allgemeines An das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit sind alle Gemeinschaftsorgane (Rat, Kommission, Europäisches Parlament, EuGH und Rechnungshof) gebunden, auf jeden Fall wenn sie hoheitlich tätig werden 457 . Das bedeutet, daß die Gültigkeit aller Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane, die die Wettbewerbsfreiheit berühren, an dieser als Grundrecht der Gemeinschaft zu messen sind 458 . Zum anderen sind die Mitgliedstaaten bzw. ihre Staatsorgane an sie gebunden, was die Wettbewerbsfreiheit als grundrechtsähnliche Freiheit des EGV anbelangt459. Diese Feststellungen liegen auf der Hand, man braucht deshalb nicht weiter darauf einzugehen. Was aber noch unklar und deswegen heftig umstritten und viel diskutiert ist, ist die Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte und umgekehrt der Gemeinschaftsorgane an die EGV-Vorschriften und die aus diesen Rechtsgrundlagen abgeleitete Wettbewerbsfreiheit. Diese Fragen sollen ausführlicher untersucht werden. A u f eine Untersuchung der Bindung Privater

455

EuGHE 1979, S. 649, 662, Rd. 8 (Cassis de Dijon). Matthies, in: GS Sasse, Bd. I, S. 129; Bleckmann, ebenda, Bd. II, S. 681; Moench, in: NJW 1982, S. 2692; Pollak, Verhältnismäßigkeitsprinzip und Grundrechtsschutz, S. 51 ff; Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 301, Fn. 184 (dort); 456

Steindorff in: FS Nirk, S. 994 f f ; Streinz, Europarecht, Rd. 686, 730 (m. w. N.); Jarass, in: EuR 1995, S. 223, 225; Schroeder, in: JZ 1996, S. 255 f.; H. Schneider, in: NJ 1996,

S. 515; vgl. zuletzt aus der Rechtsprechung EuGHE 1995 I, S. 4921, 5071, Rd. 104 (Bosman). 457

Stadler, Berufsfreiheit, S. 372 f.; Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 41; Rengeling,

Grundrechtsschutz, S. 198; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 80; Mestmäkker, in: FG Willgerodt, S. 276. Eine Grundrechtsbindung an die Wettbewerbsfreiheit der Gemeinschaftsorgane in ihrer schlicht-hoheitlichen oder privatrechtlichen Betätigung kann hier offen bleiben. 458 Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 172; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 199; Mestmäcker, in: FG Willgerodt, S. 276; vgl. auch Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 519; Weiler/Lockhart, in: CMLRev 1995, S. 61. 459 Schwarze, in: FS Maihofer, S. 539; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 187 (m. w. N.); Jarass, in: EuR 1995, S. 209 f.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht oder einer Geltung der Grundrechte in den privatrechtlichen Beziehungen wird hier noch nicht eingegangen460.

b) Bindung der Mitgliedstaaten an die Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung? aa) Die Rechtsprechung des EuGH Die Frage nach der Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte wurde Mitte der 70er Jahre gestellt, nachdem der EuGH gezeigt hatte, daß er sich für bestimmte Grundrechte, wie ζ. B. der Meinungsfreiheit, bei ihrer Ableitung als Gemeinschaftsgrundrechte an der EMRK orientiert hat. Bereits 1975 hat der Gerichtshof im Fall Rutiii den Rechtfertigungsgrund der "öffentlichen Ordnung" i. S. d. Art. 48 I I I EWGV im Lichte der Art. 8, 9, 10 und 11 EMRK ausgelegt461. Daraus konnte man jedoch nicht schließen, daß die Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden sein sollen 462 . Ein Jahr später legte der Generalanwalt Trabucchi zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Watson, nachdem er sich auf das Rutili-Urteil berufen hatte, folgendes dar: "Der Schutz der Menschenrechte ist also gemeinschaftsrechtlich auch im Verhältnis zu den Staaten von Bedeutung, soweit das geltend gemachte Grundrecht mit einem Rechtsverhältnis oder einer Rechtslage verknüpft ist, deren Regelung den spezifischen Gegenstand des Vertrages ausmacht" 463 . Der Gerichtshof ist in diesem Urteil dem Ansatz Trabucchis indes nicht gefolgt. Ungefähr ein Jahrzehnt später trat erneut die Frage nach der Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte auf. Der Gerichtshof wurde im Fall Cinéthèque angerufen, die Vereinbarkeit eines französischen Gesetzes zum Vertrieb von Videokassetten u.a mit Art. 30 EWGV (Warenverkehrsfreiheit) und Art. 10 EMRK (Meinungsfreiheit) zu überprüfen. Nachdem er seine Sorge um die Einhaltung der Grundrechte auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts wiederholt hatte, führte er aus: Er "kann jedoch nicht prüfen, ob ein nationales Gesetz, das wie im vorliegenden Fall zu einem Be-

460

Vgl. aber unten sub 7. EuGHE 1975, S. 1219, 1232, Rd. 32 (Rutiii). 462 Vgl. zu dieser Einschätzung Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 520; vgl. auch Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 182f, der allerdings dem Rutili-Urteil kritisch gegenübersteht. 463 Vgl. die Schlußanträge des Generalanwalts Trabucchi, in: EuGHE 1976, S. 1185 (Watson). 461

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung reich gehört, der in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers fällt, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist" 464 . Diese Rechtsprechung hat der EuGH im Fall Demirel im Grunde bestätigt und die Hinzuziehung der Gemeinschaftsgrundrechte mit dem Argument abgelehnt, daß das vorliegende Gesetz außerhalb des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts stehe und nicht zur Durchführung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift erlassen worden sei 465 . Im Fall Wachauf scheint der Gerichtshof eine Bindung der Mitgliedstaaten an das Gemeinschaftsgrundrecht des Eigentums u. U. zu bejahen. Er nimmt auf seine ältere und inzwischen ständige Grundrechtsrechtsprechung Bezug und wiederholt, unter welchen Erfordernissen ein Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist. "Da auch die Mitgliedstaaten diese Erfordernisse bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu beachten haben, müssen sie diese, soweit irgend möglich, in Übereinstimmung mit diesen Erfordernissen anwenden"466. Diese Formel ist im Grunde eine Verdeutlichung 467 der Klensch- und Demirel-Urteile und wird später im Bostock-Urteil wiederholt 468 . Eine große Entwicklung, wenn nicht sogar eine Wende, wird in der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtssache ERT sichtbar, in der er die Vereinbarkeit des griechischen (inzwischen aufgehobenen) Rundfunkmonopols u. a. mit Gemeinschaftsgrundrechten geprüft hat 469 . Der Gerichtshof nimmt auch in diesem Urteil zuerst auf seine ältere Grundrechtsrechtsprechung Bezug und hebt insbesondere einerseits die Cinéthèque- und Demirel-Urteile und andererseits das Johnston-Urteil hervor 470 . Diese drei Urteile dienen der Verdeutlichung der Aussage des EuGH im ERT-Urteil und sind deshalb im Zusammenhang zu untersuchen 471.

464 EuGHE 1985, S. 2605, 2627, Rd. 26 (Cinéthèque); vgl. zustimmend Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 173; Generalanwalt Lenz, in: EuGHE 1991 I, S. 2925, 2948, Nr. 50 (ERT). 465 EuGHE 1987, S. 3719, 3754, Rd. 28 (Demirel); vgl. auch bezüglich der zweiten Voraussetzung bereits früher EuGHE 1986, S. 3477, 3507, Rd. 8 (Klensch), zum allgemeinen Gleichheitssatz und konkreter die Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs, in: dieser Rechtssache, ebenda, S. 2629. 466 EuGHE 1989, S. 2609, 2639 f , Rd. 19 (Wachauf); überdies 1996 I, S. 569, 610, Rd. 29 (Duffu. a.). 467 Henckaerts, in: International Journal of Legal Information 1994, S. 237, spricht von Bestätigung. 468 EuGHE 1994 I, S. 955, 983, Rd. 16 (Bostock). 469 Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 181, sieht in diesem Urteil eine endgültige Wende der Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Frage nach der Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung. 470 EuGHE 1991 I, S. 2925, 2963 f , Rd. 41 f. (ERT). 471 Vgl. ebenso Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 215.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

685

In den Cinéthèque- und Demirel-Urteilen hat der Gerichshof, wie bereits dargestellt, auf die Überpüfungszuständigkeit, ob eine nationale Maßnahme mit der E M R K vereinbar ist, ausdrücklich verzichtet. I m Johnston-Urteil 472 hat er unmittelbar auf die E M R K zurückgegriffen, um ein Gemeinschaftsgrundrecht abzuleiten. In Anknüpfung an das Johnston-Urteil, ohne aber ausdrücklich darauf zurückzugreifen, legt der EuGH i m Demirel-Urteil dar, daß er nicht prüfen könne, ob eine nationale Regelung, die nicht i m Rahmen des Gemeinschaftsrechts liegt, mit der E M R K vereinbar sei 473 . Daraus läßt sich folgendes schließen: Soweit die E M R K eine Erkenntnisquelle von großer Bedeutung für die Ableitung des Grundrechtsschutzes der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, kann sie ggf. einen mittelbaren Prüfungsmaßstab für die Handlung der Gemeinschaftsorgane darstellen 474 ; die nationalen Maßnahmen dürfen aber nicht am Maßstab der E M R K gemessen werden, wenn sie nicht im Rahmen des Gemeinschaftsrechts liegen. Daraus ergibt sich e contrario, daß dies möglich ist, wenn die nationalen Maßnahmen i m Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts liegen 475 . Zu genau diesem Ergebnis ist der Gerichtshof - diesmal ausdrücklich - i m ERT-Urteil gekommen 476 . Der EuGH ist aber in diesem Urteil noch weitergegangen und hat folgendes ausgeführt: "Insbesondere, wenn ein Mitgliedstaat sich auf Artikel 66 in Verbindung mit Artikel 56 (seil. EWGV) beruft, um eine Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, ist diese im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Rechtfertigung im Lichte der allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere der Grundrechte auszulegen. Die in Artikel 66 in Verbindung mit Artikel 56 vorgesehenen Ausnahmen können daher für die betreffende nationale Regelung nur dann gelten, wenn sie im Einklang mit den Grundrechten steht, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. In einem solchen Fall hat folglich das vorlegende Gericht und gegebenenfalls der Gerichtshof die Anwendung dieser Vorschriften unter Berücksichti-

472

EuGHE 1986, S. 1651, Rd. 18. EuGHE 1987, S. 3719, 3754, Rd. 28 (Demirel). 474 Vgl. ausführlich oben sub C I 2 b, c. 475 So inzwischen eindeutiger EuGHE 1996 I, S. 161, 176, Rd. 20 (Perfili); vgl. auch zu dieser Einschätzung Rodriguez Iglesias, in: FS Bernhardt, S. 1278; weiterhin Weiler, in: FS Pescatore, S. 824; ders, in: Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of Protection, S. 600, der davon ausgeht, daß der Gerichtshof schon im Cinéthèque-Urteil, die, wie gezeigt, mit dem Demirel-Urteil bestätigt wurde, die "Tür" für die Annahme einer Bindung nationaler Maßnahmen an die Gemeinschaftsgrundrechte und die Evolution dieser Rechtsprechung offen gelassen habe; vgl. ebenso Weiler/Lockhart, in: CMLRev 1995, S. 63, Fn. 27 (dort). 476 EuGHE 1991 I, S. 2951, 2964, Rd. 42; bestätigt in EuGHE 1994 I, S. 955, 983, Rd. 16 (Bostock); EuGH EuGRZ 1997, S. 250, Rd. 15 (Kremzow); vgl. auch EuGHE 1991 I, S. 4685, 4741 (Grogan); vgl. zu dieser Entwicklung der Rechtsprechung Weiler/Lockhart, in: CMLRev 1995, S. 71. 473

686

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

gung aller Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen, einschließlich der in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Meinungsfreiheit als eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dessen Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat" 4 7 7 . Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof erneut wiederholt 478 . Hinsichtlich der Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht, wie es bereits definiert und abgeleitet wurde, soll das heißen, daß die Rechtfertigungsgründe der Einschränkungen der Grundfreiheiten, wie sie sich aus Art. 36, 48 III, 55 und 66 i. V. m. Art. 55 EGV ergeben, im Lichte der Wettbewerbsfreiheit bzw. der Grundrechte, die ihren Schutzbereich bestimmen, interpretiert werden sollen. So soll ζ. B. für die Auslegung des Art. 48 I I I EGV, der die Rechtfertigungsgründe für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vorsieht, die Wettbewerbsfreiheit, die auch die Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer beinhaltet, berücksichtigt werden.

bb) Kritik

- Erläuterung

Diese Rechtsprechung enthält zweifellos wichtige Entwicklungslinien bezüglich der Grundrechtsbindung und des Verhältnisses der Gemeinschaftsgrundrechte zu den Grundfreiheiten des EGV und trägt wesentlich zu der richterrechtlichen Rechtsfortbildung der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht bei 4 7 9 . Der Gerichtshof setzt in seiner bisherigen Judikatur (alternativ) zwei Bedingungen, um eine Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte zu bejahen: Die Mitgliedstaaten müssen im Rahmen des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts oder zur Durchführung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift tätig werden 480 .

477 EuGHE 1991 I, S. 2925, 2964, Rd. 43 f. (ERT); zustimmend Hersdorf, in: AÖR 1994, S. 409; Trautwein, in: ZUM 1995, S. 326; vgl. auch bereits früher Bleckmann, in: GS Sasse, S. 683; EG-Kommission, Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen", S. 127. 478 Vgl. EuGHE 1991 I, S. 4685, 4741 (Grogan); 1992 I, S. 2575, 2609, Rd. 23 (Kommission/Deutschland); vgl. auch mit ähnlicher Formulierung, aber mit gleichem Ergebnis EuGHE 1991 I, S. 4007, 4043, Rd. 23 (Gouda); 1991 I, S. 4069, 4097, Rd. 30 f. (Kommission/Niederlande); 1994 I, S. 4795, 4833 f , Rd. 24 ff. (TV 10); 1996 I, S. 161, 176, Rd. 20 (Perfili); EuGH EuZW 1997, S. 472, Rd. 24 (Familiapress), sowie die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in der Rechtssache-TV 10, a.a.O., S. 4816 ff, Nr. 69 ff, insbesondere S. 4822, Nr. 89. 479 Vgl. auch Weiler, in: Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of Protection, S. 613; kritisch dagegen Coppel/O'Neal, in: CMLRev 1992, S. 669, die darlegen, daß der Gerichtshof mit dieser Rechtsprechung seine Gerichtsbarkeit auf Bereiche ausgedehnt habe, die vorher den Mitgliedsstaten vorbehalten waren. 480 Vgl. dazu auch Weiler, in: FS Pescatore, S. 821 ff.; ders, in: Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

687

Daraus ergeben sich einige offene Fragen: So ist ζ. B. nicht ganz klar, was der EuGH mit dem Ausdruck "Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts" meint 4 8 1 . Jedenfalls gehört zu diesem Bereich nicht, was in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers fällt 4 8 2 . Diese Formel sollte indes weiter konkretisiert werden, denn der Gebrauch des Ermessens des nationalen Gesetzgebers schließt keinesfalls aus, daß seine Regelung eine auf das Gemeinschaftsrecht bezogene Auswirkung haben kann. Deswegen kann eine nationale Regelung nur dann in das absolute Ermessen des nationalen Gesetzgebers bzw. der nationalen öffentlichen Gewalt im allgemeinen fallen, wenn sie keine direkte oder indirekte Auswirkung auf den sachlichen, persönlichen und räumlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts hat 4 8 3 . Zum Beispiel liegt die Enteignung des Hofs eines Gewerbetreibenden, den er in der Sommerzeit als Biergarten benutzt, aufgrund der §§ 85 ff. BauGB nach Art. 222 EGV absolut im Ermessen des nationalen Gesetzgebers bzw. der Verwaltung, die auf dessen Ermächtigung hin tätig wird - das Gemeinschaftsrecht wird prinzipiell außer Betracht gelassen. Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit des Gewerbetreibenden gegenüber seinen Konkurrenten, die ihre

Protection, S. 601 f.; Temple Lang, in: Legal Issues of European Integration 1991/2, S. 23 ff, 30 ff, der zusätzlich noch einen Fall erwähnt, welcher aber bisher noch nicht den Gerichtshof beschäftigt hat. Temple Lang führt genauer gesagt aus: "In some circumstances Member States, even where they no longer have any powers of their own, may take (and indeed may be legally obliged to take) measures on behalf of the Community, either because they have been authorised to do so or as "trustees" for the Community"; vgl. weiter die Schlußanträge der Generalanwälte Jacobs, in: EuGHE 1993 I, S. 1191, 1211, Nr. 44 (Konstantinidis) und Gulmann, in: EuGHE 1994 I, S. 955, 971, Nr. 31 (Bostock). 481 Vgl. zu dieser Deutung Weiler, in: FS Pescatore, S. 826; ders, in: Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of Protection, S. 602; Weiler/Lockhart, in: CMLRev 1995, S. 63 ff, die diese Formulierung als "truly open-textured" bezeichnen. 482 So EuGHE 1985, S. 2605, 2627, Rd. 26 (Cinéthèque); zustimmend Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 172; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 187; Henckaerts, in: International Journal of Legal Information 1994, S. 237. 483 Vgl. auch Weiler, in: FS Pescatore, S. 826 f.; Weiler/Lockhart, in: CMLRev 1995, S. 64; Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 222, wonach ein Grundrechtsschutz nicht in Betracht kommt, wenn die nationale Maßnahme keinen gemeinschaftsrechtlichen Bezug aufweist; ähnlich Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 300; Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 184 f.; Weiler, in: Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of Protection, S. 602 f , und Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 525 f , sprechen hier von Kompetenzen, nach denen zu beurteilen sei, ob eine mitgliedstaatliche Maßnahme in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt oder nicht; vgl. auch die jüngste Entscheidung des EuGH in EuGH EuGRZ 1997, S. 250 f , Rd. 17 f. (Kremzow), wonach sich ableiten läßt, daß innerstaatliche Rechtsvorschriften, die nicht dazu bestimmt sind, die Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Normen sicherzustellen, nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen.

688

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Biergärten nach wie vor benutzen dürfen, kann nur am Maßstab des nationalen Verfassungs- und Verwaltungsrechts ggf. auch am Maßstab der EMRK und ihres 1. Zusatzprotokolls (vgl. Art. 1) überprüft werden 484 . Ein nationales Gesetz aber, das die Verstaatlichung der bisherigen Fernsehunternehmen vorsähe oder das staatliche Monopol in diesem Bereich anordnete, würde in den Anwendungsbereich der Art. 59 ff. EGV fallen und hätte zweifelsohne gemeinschaftsrechtliche Relevanz. Dadurch würde nicht nur die Wettbewerbsfreiheit als Ausfluß der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 ff. EGV) und infolgedessen als grundrechtsähnliche Freiheit, sondern auch die Rundfunkfreiheit im Sinne eines gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts berührt 485 . Fraglich ist dagegen, ob im Beispiel des Gewerbetreibenden die Gemeinschaftsgrundrechte bzw. das Eigentum und eventuell die Gewerbefreiheit gegenüber dem betroffenen Mitgliedstaat, ζ. B. der Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht werden könnten, wenn der betroffene Gewerbetreibende nicht Deutscher, sondern ζ. B. Franzose oder Spanier, jedenfalls EU-Angehöriger, wäre. Der Generalanwalt Jacob hat in seinen Schlußanträgen im Fall Konstantinidis dargelegt, daß ein Gemeinschaftsangehöriger, der sich als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß den Art. 52 oder 59 EGV in einen anderen Mitgliedstaat begibt, davon ausgehen dürfe, "daß er, wohin er sich in der Europäischen Gemeinschaft zu Erwerbszwecken auch begibt, stets im Einklang mit einer gemeinsamen Ordnung von Grundwerten behandelt wird, insbesondere denen, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt sind. Mit anderen Worten, er ist berechtigt zu sagen "civis europeus sum" und sich auf diesen Status zu berufen, um sich jeder Verletzung seiner Grundrechte zu widersetzen"486. Diese Ausführung ist tatsächlich fortschrittlich - fraglich ist, ob sie auch durchzusetzen ist. Ein Argument für die Durchsetzung dieser Darlegung könnte der neue Art. 8 EGV sein, der die neue Institution der Unionsbürgerschaft einfügt. Die Annahme dieses Arguments geht jedoch über den Anwen-

484 Vgl. dazu die Schlußanträge des Generalanwalts Gulmann, in: EuGHE 1994 I, S. 955, 972, Nr. 33 (Bostock); ferner Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 77 f. 485 Vgl. zum gemeinschaftsgrundrechtlichen Charakter der Rundfunkfreiheit ausführlich Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 174 ff.; vgl. auch aus der Luxemburger Rechtsprechung EuGHE 1991 I, S. 2925, 2963 f, Rd. 41 ff. (ERT); 1991 I, S. 4007, 4043, Rd. 23 (Gouda); 1991 I, S. 4069, 4097, Rd. 30 (Kommission/Niederlande); 1994 I, S. 4795, 4833, Rd. 24 (TV 10); EuGH ZUM 1996, S. 876; dieser Rechtsprechung zustimmend Trautwein, in: ZUM 1995, S. 326. 486 EuGHE 1993 I, S. 1191, 1211 f , Nr. 46 (Konstantinidis); vgl. ebenfalls in diese Richtung Weiler, in: FS Pescatore, S. 839 ff.; Weiler/Lockhart, in: CMLRev 1995, S. 66 ff. Der Gerichtshof hat zu dieser Ansicht keine Stellung genommen.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

689

dungsbereich des Art. 8 EGV hinaus 487 . Hingegen ist mit dem Generalanwalt Gulmann im Fall Bostock davon auszugehen, daß die Ansicht Jacobs zu weit geht 488 . Das bedeutet aber nicht, daß die Grundrechtsbindungsfrage in dem oben angeführten Beispiel der französischen oder spanischen Gastwirte in Deutschland geklärt wurde: Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit eines EUAngehörigen in einem fremden Mitgliedstaat eröffnet den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts bzw. der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 52 EGV. Die Enteignung der Gastwirtschaft ist zwar eine Maßnahme, die prinzipiell gem. Art. 222 EGV in das absolute Ermessen der Mitgliedsländer fällt - soweit sie aber gegen einen EU-Angehörigen angeordnet wird, hat sie Auswirkungen auf das Gemeinschaftsrecht, sofern der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit dadurch berührt wird. Wenn durch diese Maßnahme über die Grundfreiheiten hinaus der Schutzbereich eines Gemeinschaftsgrundrechts, ζ. B. des Eigentum oder der Gewerbefreiheit, tangiert wird, dann ist die öffentliche Gewalt des betroffenen Mitgliedslandes, in dem oben genannten Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, an dieses Grundrecht gebunden489. Vergleichbar ist die Konstellation im Fall Konstantinidis 490 . Die Aufnahme der Bürgernamen in die Personenstandbücher liegt absolut im Ermessen der Mitgliedstaaten. Soweit es aber um einen Gastwirt geht, der aus einem anderen EU-Staat kommt - hier aus Griechenland - dessen Name in den Personenstandbücher des Mitgliedstaates, in dem er sich niedergelassen hat - hier in der Bundesrepublik Deutschland - in lateinische Schriftzeichen umzuschreiben ist und er dadurch in eine rechtliche oder tatsächliche Situation kommen könnte, die gegenüber der Situation, die unter den gleichen Umständen für einen Angehörigen dieses Mitgliedstaats bestehen würde, nachteilig wäre, dann würde diese Maßnahme in den Schutzbereich der gem. Art. 52 EGV bestehenden Niederlassungsfreiheit eingreifen und damit in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen. Werden darüber hinaus Gemeinschaftsgrundrechte in Betracht gezogen, wie ζ. B. im vorliegenden Fall das Recht auf Namen als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dann sind auch die Mitgliedstaaten an sie gebunden491.

487

So Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 524 f., der im allgemeinen der Darlegung Jacobs kritisch gegenübersteht. 488 EuGHE 1994 I, S. 955, 971, Fn. 12 (dort). 489 Vgl. zu diesem Schluß hinsichtlich der Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts am Beispiel des allgemeinen Gleichheitssatzes Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 42. 490 EuGHE 1993 I, S. 1191, 1218 ff, Rd. 13 ff. 491 So im Ergebnis die Schlußanträge des Generalanwalts Jacob, in: EuGHE 1993 I, S. 1191, 1208 (Nr. 37 ff.), 1213 (Nr. 52). Wie bereits dargelegt wurde, hat der Gerichts44 Tsiliotis

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Verdeutlichung bedarf auch die Formel "Durchführung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift" 4 9 2 . Denkbar ist, daß das Vollzugs- und Anwendungsverfahren des sekundären Gemeinschaftsrechts in der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten damit gemeint ist 4 9 3 . Sollte dies der Fall sein, so kann die Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten ohne weiteres bejaht werden. Denn diese läßt sich aus dem Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts 494 und dem Art. 5 EGV ableiten 495 .

hof zu diesen Darlegungen des Generalanwalts Jacob nicht nur in bezug auf die Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten, sondern auch hinsichtlich der Ableitung eines Grundrechts auf Namen, keine Stellung genommen. Generalanwalt Jacob hat an der vorher zitierten Stelle nach der Rechtsgewinnungsmethode der "wertenden" Rechtsvergleichung und unter besonderer Berücksichtigung der EMRK ein solches Grundrecht aus der Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als gemeinsame Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten abgeleitet - in der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung entspricht dieses Grundrecht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG. Daß der Gerichtshof im betreffenden Fall keine Stellung genommen hat, bedeutet nicht, daß er diese Ausführungen - oder zumindest ihre Ergebnisse - abgelehnt hat. Der Grund soll sein, daß er bereits eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit durch die umstrittene Maßnahme festgestellt hatte und aus prozeßökonomisehen Gründen nicht auf die Untersuchung einer Ableitung und einer eventuellen Verletzung des Gemeinschaftsgrundrechts auf Namen eingegangen ist. 492 Zu diesem Ergebnis vgl. auch Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 208, die diese Formel als "zu weit gefaßt" bezeichnen. 493 Vgl. dazu Generalanwalt Van Gerven, in: EuGHE 1991 I, S. 4685/4703, 4723, Nr. 31 (Grogan); Generalanwalt Gulmann, in: EuGHE 1994 I, S. 955, 970, Nr. 29 (Bostock); Stadler, Berufsfreiheit, S. 375 ff.; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 28, Fn. 56 (dort); Temple Lang, in: Legal Issues of European Integration 1991/2, S. 30; Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 299 ff.; Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 189 ff; Henckaerts, in: International Journal of Legal Information 1994, S. 237, Fn. 51 (dort); Petersen, Rundfunkfreiheit und EGVertrag, S. 176 f.; Schermers, Protection of Human Rights S. 18 ff.; Ruffert, in: EuGRZ 1995, 527 ff.; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 322, Fn. 37 (dort); Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 207 ff.; Kokott, in: AÖR 1996, S. 605; vgl. auch Weiler, in: FS Pescatore, S. 828 ff.; ders., in: Cassese/Clapham/ders. (eds.): Human Rights and the European Community: Methods of Protection, S. 601. 494 Daß dieser Vorrang von dem EuGH nach ständiger Rechtsprechung angenommen und angewendet wird, liegt auf der Hand. Was aber den Grundrechtsbereich anbelangt, ist dieser Vorrang in Deutschland vom BVerfG in seiner "Solange I"Rechtsprechung und neulich jedoch auf eine andere Art in seiner "Maastricht"Rechtsprechnung in Frage gestellt worden - vgl. dazu BVerfGE 37, 271 ff. (Solange I); 89, 255, 175 ff. (Maastricht); vgl. in dieser Richtung exakter BVerfG (Dreierkammer) JZ 1995, S. 352 f , und Rupp, in seiner Anmerkung in: JZ 1995, S. 354, wo er diesen Beschluß wie der Verfasser einschätzt; dazwischen BVerfGE 73, 339, 387 (Solange II); 75, 223, 240 ff. Die Problematik kann Gegenstand einer getrennten und sogar ausführlichen Untersuchung werden, die Literatur dazu ist sehr umfangreich - vgl. statt aller die Habilitationsschrift von Streinz, Grundrechtsschutz, a. a. O , und aus dem neuesten Schrifttum Gersdorf, in: DVB1. 1994, S. 679 ff.; H-J Cremer, in: Der Staat 1995, S. 268 ff.; Horn, in: DVB1. 1995, S. 89 ff.; Nettesheim, in: NJW 1995 2083 ff.; Kokott, in: EPL 1996, S. 237 f f , 413 ff.; dies, in: AÖR 1996, S. 599 ff.; Giegerich, in: JuS

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

691

1997, S. 40 ff.; Pfrang, Das Verhältnis; vgl. auch VG Frankfurt/a.M. EuZW 1997, S. 182 ff, und die Anmerkung Webers, a. a. O , S. 165 ff. Aus dieser Problematik ergeben sich zahlreiche Teilfragen. Geht das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts ζ. B. so weit, daß es die Mitgliedstaaten verpflichtet, grundrechtswidriges (im Sinne der Gemeinschaftsgrundrechte) sekundäres Gemeinschaftsrecht in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung umzusetzen, oder verpflichtet die mitgliedstaatliche Grundrechtsbindung gerade als Ausfluß des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedstaaten, das grundrechtswidrige sekundäre Gemeinschaftsrecht zu ignorieren? Vgl. zu dieser Frage Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 28, Fn. 56 (dort), der ohne Zweifel für den zweiten Weg plädiert und sogar im Falle eines Gerichtsverfahrens eine Vorlage im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV für erforderlich hält, damit der EuGH diese Frage klärt. Welche Konsequenzen hätte eine materielle Nicht-Übereinstimmung zwischen gemeinschaftlichen und deutschen Grundrechten, wenn die letzteren mehr Schutz gewährten als die ersteren? Vgl. zu einem Versuch, diese Fragen zu beantworten, Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 528; Giegerich, a.a.O., S. 40 ff. Wie wäre die Rechtslage, wenn dagegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte mehr Schutz garantieren würden als die entsprechenden Grundrechte des GG? Man sollte in einem solchen Fall den Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne weiteres bejahen - vgl. das Beispiel des deutschen Arbeitsvermittlungsmonopols, das nach deutschem Verfassungsrecht (Art. 12 I GG) vom BVerfG als verfassungsmäßig (vgl. ausfuhrlich oben sub erster Teil Β IV 2 a cc γ), aber nach Gemeinschaftsrecht vom EuGH - EuGHE 1991 I, S. 1979, 2019, Rd. 34 (Höfner) - als mit Art. 86 EGV unvereinbar erklärt wurde - zur Problematik vgl. De Witte, in: Legal Issues of European Integration 1991, S. 12, Fn. 51 (dort); außerdem jüngst EuGH EuZW 1998, S. 275, Rd. 17 ff. (JCC). Welche rechtliche, aber auch politische Folgen hätte letztlich eine Konstellation, in der eine Maßnahme von den Gemeinschaftsgrundrechten verboten, aber von den deutschen Grundrechten geboten wäre? Eine solche Konstellation könnte das aktuelle Beispiel der sog. Quotenregelungen als "umgekehrte Diskriminierung" zwischen Männern und Frauen in der Arbeitswelt bilden. Nach der neuesten Rechtsprechung des Gerichtshofs - EuGHE 1995 I, S. 3051, 3077 ff, Rd. 16 ff. (Kaianke), mit zustimmender Anmerkung von Loritz, in: JZ 1995, S. 763 ff. - widerspricht eine solche nationale Regelung dem Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen (vgl. Art. 2 IV der Rieht, des Rates 76/207/EWG v. 09.02. 1976, ABl. L 39, S. 40); vgl. aber mittlerweile EuGH NJW 1997, S. 3429 f. (Marschall) und Art. 3 II EGV/Amsterdam sowie den neu formulierten Art. 141 EGV/Amsterdam (ex-Artikel 119 EGV). Es wäre tatsächlich sensationell, wenn das BVerfG bezüglich derselben Frage darlegen würde, daß die Quotenregelungen nach dem deutschen Verfassungsrecht als die Verwirklichung der aus Art. 3 II 2 GG n. F. resultierenden grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates in bezug auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und die Beseitigung vorhandener Nachteile behandelt werden sollen - zur entsprechenden Schutzpflichtrechtsprechung des BVerfG, insbesondere über die einschlägige Frage, vgl. oben sub erster Teil Β VI 2 a aa, d aa. Eine solche Interpretation des Art. 3 II 2 n. F. GG in Verbindung mit dem Kalanke-Urteil des EuGH würde bedeuten, daß das Gemeinschaftsrecht mehr rechtliche, Art. 3 II 2 n. F. GG dagegen mehr faktische Gleichheit gewähren würde - vgl. neulich zu dieser Problematik Kokott, in: NJW 1995, S. 1049 ff, 1051, Fn. 32 (dort); dies, in: AÖR 1996, S. 631 ff.; Classen, in: JZ 1996, S. 921 ff.; Giegerich, a. a. O, S. 40 ff. Eine Annäherung an diese Frage versucht auch Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 176 f , der aber weder Art. 3 II 2 n. F. GG noch das Urteil des EuGH berücksichtigen konnte. Die bereits dargelegten Fragen haben die viel diskutierte und umstrittene Frage des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts in der deutschen innerstaatlichen Rechtsordnung in bezug auf den Grundrechtsschutz zum Gegenstand. Sie betreffen freilich teilweise die Frage der Grundrechtsbindung der Mit-

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

In bezug auf die Auslegung der im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe für die Einschränkungen der Grundfreiheiten gibt es große Auslegungsprobleme. Die Formulierung des Gerichtshofes erinnert an die sog. Ausstrahlungswirkungstheorie des BVerfG hinsichtlich der Einwirkung der Grundrechte auf das einfache Recht 496 . Danach enthalten die Grundrechte nicht nur subjektive Rechte des einzelnen gegenüber der öffentlichen Gewalt (vgl. Art. 1 I I I GG), sondern auch einen objektiv-rechtlichen Gehalt oder ein Wertsystem, das Richtlinien und Impulse für Legislative, Exekutive und Judikative entfaltet, aufgrund derer das einfache Recht, insbesondere seine Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe und sonstige auslegungsbedürftige Vorschriften im Lichte der Grundrechte bzw. dieses Wertsystems oder dieser Wertordnung interpretiert werden sollen 497 . Diese Theorie setzt indes die Höherrangigkeit der Verfassung gegenüber dieser Vorschriften voraus. I m Gemeinschaftsrecht hingegen wurde bisher noch nie von einer Höherrangigkeit der Gemeinschaftsgrundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht (Verträge, Protokolle, Beitrittsakte usw.) gesprochen 498. Nach herrschender Meinung, die hier für richtig gehalten wird, sind die Gemeinschaftsgrundrechte gleichrangig mit dem primären Gemeinschaftsrecht 499. In diesem

gliedstaaten bei dem Vollzug und der Anwendung des Gemeinschaftsrechts in der nationalen Rechtsordnung, sie gehen aber weiter darüber hinaus. Sie können im Rahmen dieser Untersuchung nicht beantwortet werden und sollen hier deswegen als Hinweis auf eine weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung dahingestellt und offen bleiben. 495 Vgl. ebenso Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 42; Temple Lang, in: Legal Issues of European Integration 1991/2, S. 31 f., der diese Position dadurch begründet: "The Community is entitled to assume that freedoms regulated by Community law will not be restricted by national measures contrary to fundamental rights"; in diese Richtung auch Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 299 f , während Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 523 meint, daß die rechtspolitische Überzeugungskraft dieser Argumentation nicht geleugnet werden könne. Er kommt aber auf S. 528 zu dem Schluß, daß die Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte bei dem innerstaatlichen Vollzugs- und Anwendungsverfahren nichts anderes als die grundrechtskonforme Auslegung des sekundären Gemeinschaftsrechts bei diesem Verfahren sei; vgl. auch bereits früher Stadler, Berufsfreiheit, S. 378. Eine Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten, namentlich der Bundesrepublik Deutschland, an die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte während dieses Verfahrens deutet auch das BVerfG (Dreierkammer) JZ 1995, S. 353 an, wo es sich um den Grundrechtsschutz im einstweiligen Verfahren bei Klage auf Zuteilung zusätzlicher Importlizenzen für Bananen handelte. 496

Vgl. ebenso Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 409. Vgl. ausführlich oben sub erster Teil C I 3 c bb, e. 498 Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 36, lehnt eine Höherrangigkeit der Gemeinschaftsgrundrechte ausdrücklich ab. Er begründet seine Meinung unter Berücksichtigung von Zielen und Struktur der Gemeinschaft bei ihrer Auslegung, aber auch der Funktion der Grundrechte. 499 So BVerfGE 73, 339, 384 (Solange II); Pernice, in: EuR 1979, S. 415; Stadler, Berufsfreiheit, S. 369 f.; Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 232; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 185, 197 f , der vielmehr auf das Prinzip der Einheit der 497

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Sinne erscheint es diffizil, die Ausstrahlungswirkungstheorie des BVerfG und der herrschenden Lehre in Deutschland auf die Gemeinschaftsrechtsordnung hinsichtlich der Auslegung der Rechtfertigungsgründe der Eingriffe in die Grundfreiheiten im Lichte der Gemeinschaftsgrundrechte zu übertragen 500 - es sei denn, daß man von einer Höherrangigkeit der Grundrechte gegenüber den Grundfreiheiten ausgehen w i l l 5 0 1 . Das wird hier allerdings für problematisch gehalten, und es erscheint außerdem fragwürdig, ob dies ein Ziel und die Ratio der dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist 502 . W i l l man dieser Ausführung mit dem Argument widersprechen, daß die Grundrechte nicht auf die Art. 36, 48 III, 56 EGV sowie Art. 66 EGV i. V. m. Art. 56 EGV, die mit den Grundrechten gleichrangig sind, sondern auf die diese Freiheiten einschränkenden (gesetzlichen) Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die von niedrigerem Rang sind, einwirken sollen 503 , kann man auch dieses Argument mühelos zurückweisen: Nach der allgemeinen Grundrechtslehre sollen die Grundrechtseingriffe unmittelbar am Maßstab der Grundrechte gemessen und nicht lediglich in ihrem Lichte interpretiert werden 504 . Die Ausstrahlungswirkungstheorie wird bei Generalklauseln oder unbestimmten Rechtsbegriffen hauptsächlich in der Bürger-Bürger-Relation angewendet und nicht bei spezifischen grundrechtseingreifenden Normen in der Staat-Bürger-Relation 505. Dieselben Einwände gelten, wenn man von einer grundrechtskonformen Auslegung der Rechtferti-

(Gemeinschafts-)Verfassung rekurriert; ders., in: JZ 1996, S. 256; Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 45 f.; Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 36; Dreier, in: ders, Grundgesetz, Vorb, Rd. 23; Grämlich, in: DÖV 1996, S. 808; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 27, der sogar die Grundrechtsverbürgungen als Bestandteil des primären Rechts der EG betrachtet; nach Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 197, und Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 77, stehen die Gemeinschaftsgrundrechte jedenfalls oberhalb des Sekundärrechts. 500 Die Annahme einer solchen Theorie seitens des Gerichtshofs sieht Pernice , in: G/H, Art. 164, Rd. 62 e, in dieser Rechtsprechung und spricht von einer objektiven Wertordnung, die die Gemeinschaftsgrundrechte wie die Grundrechte des GG entfalten sollen; dazu neigt eindeutig auch Kühling,, in: EuGRZ 1997, S. 298; ähnlich Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 303, 309; vgl. auch Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 217 f , Fn. 83 (dort), die davon ausgehen, daß sich die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte zwanglos direkt aus dem EG-Recht, namentlich aus der Höherrangigkeit der Grundrechte (seil, gegenüber wem?) ableiten lasse. 501 So auch Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 529; vgl. ebenso Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 65, der in einem solchen Fall auf die vermittelnde Rolle des sekundären Gemeinschaftsrechts verweist. 502 Kritisch dazu auch Ruffert, in: EuGRZ 1995, S. 528 f , der einer Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten in diesem Fall ohnehin kritisch gegenübersteht. 503 So Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 42; Baumgartner, in: ZfV 1996, S. 322, Fn. 37 (dort); Jürgensen/Schlünder, in: AÖR 1996, S. 217 f. Diese Position entspricht eher der Haltung des Gerichtshofes dieser Frage gegenüber. 504 Vgl. ausführlich oben sub erster Teil Β III, IV 1 a. 505 s. oben sub erster Teil C I 3 e.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

gungsgriinde als Variation der verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts sprechen will. Denn die Lehre der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte stellt eine Form der verfassungskonformen oder -orientierten Auslegung dar, die ihrerseits ebenso voraussetzt, daß die Norm, die konform mit einer anderen sein soll, einen niedrigeren Rang als diese hat 506 . Aber selbst im Fall der die Grundfreiheiten einschränkenden nationalen Gesetze verlangt die verfassungskonforme Auslegung, daß es zwei oder mehrere Auslegungen einer einfachrechtlichen Norm gibt, aus denen nur diejenige(n) ausgewählt werden darf (dürfen), die mit der Verfassung konform ist (sind). Das bedeutet für den vorliegenden Fall der Gemeinschaftsgrundrechte, daß ein nationales Gesetz, das in eine Grundfreiheit eingreift, grundrechtskonform interpretiert werden muß, wenn andere nicht verfassungskonforme Auslegungsmöglichkeiten vorliegen. Das trifft jedoch nicht den Kern der Problematik der mitgliedstaatlichen Grundrechtsbindung.

cc) Eigene Position Man muß sich der hier dargestellten Problematik unter einer anderen Fragestellung nähern: Die Vorschriften der Art. 36, 48 III, 56 EGV enthalten Gründe, die einen Eingriff oder eine Einschränkung der jeweiligen Freiheit rechtfertigen können. Sie enthalten m. a. W , wenn man einen Begriff der deutschen Grundrechtslehre benutzen will, qualifizierte (Gesetzes-)Vorbehalte 507. Diese Rechtfertigungsgründe beziehen sich auf Rechtsgüter, die dem allgemeinen Wohl oder dem öffentlichen Interesse dienen sollen und deswegen als "legitime Zwecke" für die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Eingriffs gelten. Beruft sich ein Mitgliedstaat, um einen Eingriff anzuordnen, auf einen solchen "legitimen Zweck", der in den Schrankenklauseln der vorher genannten Vorschriften enthalten ist, muß er die Rechtmäßigkeit des Eingriffs rechtfertigen. Das bedeutet, daß der Eingriff verhältnismäßig sein muß und den Wesensgehalt der betroffe-

506 Das scheint im EuGHE 1989, S. 1263, 1289 ff, Rd. 8, 10 ff. (Kommission/Deutschland) der Fall zu sein, in dem der Gerichtshof die EWG-Verordnung 1612/68 im Lichte der Art. 48, 49 EWGV einerseits und des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts auf Familie und Privatleben andererseits, wie es sich im Art. 8 EMRK widerspiegelt, ausgelegt hat. Sowohl die EWG-Vorschriften über die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer als auch das betroffene Grundrecht besitzen Verfassungsrang im Gemeinschaftsrecht, dagegen stellt die EWG-Verordnung sekundäres, d.h. normhierarchisch niedrigeres, Recht dar. Eine (gemeinschafts) verfassungs- bzw. grundrechtskonforme Auslegung des niedrigeren Rechts erscheint möglich bzw. geboten vgl. auch EuGHE 1989, S. 2859, 2923, Rd. 12 (Hoechst); Pernice , in: NJW 1990, S. 2416; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 197; Schermers, Protection of Human Rights S. 12 f.; Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz, S. 77. 507 Vgl. auch Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 180.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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nen Grundfreiheit nicht berühren darf 508 . Weiterhin darf er auch nicht die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte des Betroffenen verletzen, wenn sie den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts tangieren und über die Grundfreiheiten hinaus in Betracht gezogen werden können 509 . Es handelt sich m. a. W. um eine Frage der Konkurrenz zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten, die ihrerseits mit den aus den Schrankenklauseln abgeleiteten Rechtsgütern des allgemeinen Wohls kollidieren. Nimmt man den ERT-Fall, der das frühere griechische Rundfunk- und Fernsehmonopol zum Gegenstand hatte, als Beispiel, so kann man feststellen, daß dieses nicht nur in die Dienstleistungsfreiheit des Art. 59 EGV, sondern auch in die Rundfunkfreiheit als gemeinschaftsrechtliches Grundrecht 510, wie es sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsländer ergibt, die sich wiederum in Art. 10 EMRK widerspiegeln 511, eingegriffen hat. Der Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ist, wie bereits gezeigt, eröffnet worden 512 . Diese Maßnahme ist nicht nur anhand des Art. 66 i. V. m. Art. 56 EGV, sondern auch im Sinne des Art. 10 I I EMRK zu rechtfertigen, da die Mitgliedstaaten in diesem Fall sowohl an die Dienstleistungsfreiheit als auch an die Rundfunkfreiheit gebunden sind. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und ein Verbot, den Wesensgehalt zu tangieren, müssen in beiden Fällen - Grundfreiheit und Grundrecht - in Betracht gezogen werden 513 .

508

Vgl. ausführlich oben sub 4 a bb. So auch Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 184. 510 Vgl. EuGHE 1991 I, S. 2925, 2963 f , Rd. 41 ff. (ERT). Daneben bekommt auch die Wettbewerbsfreiheit als Gewerbe- und Berufswahlfreiheit Relevanz. Ein Konkurrenzfall zwischen Dienstleistungsfreiheit als grundrechtsähnliche Freiheit zum einen und Gewerbe- und Berufswahlfreiheit als Grundrecht des Gemeinschaftsrechts zum anderen liegt vor. Zur Lösung dieser Konkurrenzfrage s. unten sub 6 a. 511 So auch Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 309, für das irische Verbot der Informationsverbreitung von Abtreibungsmitteln. 512 Vgl. auch Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 185, der sehr zutreffend davon ausgeht, daß die Mitgliedstaaten bei Maßnahmen, die in eine Grundfreiheit eingreifen, auch an die Gemeinschaftsgrundrechte, wenn sie in Betracht gezogen werden, gebunden sind, da die Maßnahmen "im Rahmen des Gemeinschaftsrechts liegen" unter Hinweis auf EuGHE 1987, S. 3719, 3745, Rd. 28 (Demirel); s. auch oben sub aa, bb. 513 So auch Petersen, Rundfunkfreiheit und EG-Vertrag, S. 184; vgl. auch Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 409, 411, der zwar zum einen die Auslösung des Abwehrgrundrechts annimmt, zum anderen aber im Ergebnis von einer Auslegung des Art. 66 EGV i. V. m. Art. 55 EGV unter Berücksichtigung des Art. 10 EMRK und zwar als maßgeblichen Abwägungsaspekt im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ausgeht; vgl. auch EuGHE 1992, S. 2575, 2609, Rd. 23 (Kommission/Deutschland); a. Α. Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 309, die nur von einer Interpretation der Rechtfertigungsgründe aus Art. 66 EGV i. V. m. Art. 55 EGV im Lichte des Art. 10 II EMRK ausgehen; vgl. ebenso Generalanwalt Lenz, in: EuGHE 1994 I, S. 4795, 4822, Nr. 89 (TV 10). 509

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Vergleichbar - aber nicht gleich - ist der Fall, das bereits erwähnte Beispiel der Freizügigkeitseinschränkung der Arbeitnehmer gem. Art. 48 I I I EGV betreffend. Erlegt ein Mitgliedstaat den Arbeitnehmern eines anderen Mitgliedstaates ein Einreiseverbot auf, weil in diesem Staat eine Cholera- oder Pestepidemie aufgetreten ist oder deren Auftreten zumindest vermutet wird, dann wird dadurch nicht nur die Freizügigkeit der Arbeitnehmer des Landes, dessen Arbeitnehmer Adressaten des Verbots sind, sondern auch die Wettbewerbsfreiheit derjenigen Unternehmer des das Verbot anordnenden Landes, die ausschließlich oder hauptsächlich Arbeitnehmer aus dem anderen Land beschäftigen, berührt. Müssen die betroffenen Unternehmer wegen des Verbots Gewinneinbußen in Kauf nehmen, dann wird dadurch in ihre Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht eingegriffen. Ist der Eingriff unverhältnismäßig, weil statt des absoluten Einreiseverbotes ein Verbot nach einer strengen Gesundheitskontrolle der in dieses Land Einreisenden genauso effektiv sein könnte, dann stellt der Grundrechtseingriff eine Grundrechtsverletzung dar. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten mit der Lehre der sog. mittelbaren oder nicht finalen Grundrechtseingriffe verbunden ist 514 . Andererseits liegt hier keine Konkurrenz zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten vor, weil die umstrittene Maßnahme in die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 48 EGV und in das Gemeinschaftsrecht der Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber, also unterschiedlicher Personen, eingegriffen hat 515 . Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme muß aber sowohl anhand des Art. 48 EGV als auch anhand des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit überprüft werden. Anhand der bereits dargelegten Beispiele wird somit klar, daß es sich bei der Frage der Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundrechte des Gemeinschaftsrechts, falls durch ihre Handlung eine Grundfreiheit in Betracht kommt, nicht um die (objektiv-rechtliche) Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die Rechtfertigungsgründe der vorher genannten Schrankenklauseln der Grundfreiheiten und, wenn überhaupt, nur wenig um ihre grundrechtskonforme Auslegung handelt; es handelt sich vielmehr um die unmittelbare Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten, falls sie sich auf die Rechtfertigungsgründe berufen, um die Einschränkung einer Grundfreiheit zu rechtfertigen, und darüber hinaus in die subjektiven Gemeinschaftsgrundrechte eingreifen. Denn Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechte stehen (subjektiv-rechtlich) in einer echten Idealkonkurrenz zueinander 516.

514 515 516

Vgl. dazu Bleckmann, in: GS Sasse, S. 671 f. Vgl. zur Dogmatik der Grundrechtskonkurrenzlehre oben sub erster Teil Β V 1 a. Vgl. zu diesem Begriff ausführlich oben sub V 1 a.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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c) Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Wettbewerbsfreiheit als grundrechtsähnliche Freiheit? Es wurde bereits dargelegt, daß die Grundfreiheiten sich in erster Linie an die Mitgliedstaaten richten. Dasselbe gilt für die Wettbewerbsregeln der Art. 85 ff. EGV 5 1 7 und das Beihilfeverbot der Art. 92 ff EGV. Ob darüber hinaus auch die Gemeinschaftsorgane daran gebunden sind, ist nicht klar. Es wird jedoch anerkannt und auch hier vertreten, daß diese Regelungen ebenfalls an die Gemeinschaftsorgane adressiert sind 518 . Das erscheint logisch, wenn man darauf Rücksicht nimmt, daß diese Vorschriften, aus denen sich die Wettbewerbsfreiheit als grundrechtsähnliche Freiheit ableiten läßt, in erster Linie objektive und institutionelle Prinzipien zum Zweck der Errichtung des Gemeinsamen bzw. Binnenmarktes enthalten519. Es würde dem Sinn, Zweck und der ganzen Philosophie des Vertrages widersprechen, würde man annehmen, daß die Mitgliedstaaten, aber nicht die Gemeinschaft daran gebunden sind. Art. 2 und 3 EGV, die die Aufgaben und die Tätigkeit der Gemeinschaft beschreiben, stellen überzeugende Argumente für eine Bindung der Gemeinschaft an die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln und dementsprechend an die daraus resultierende Wettbewerbsfreiheit 520.

6. Abgrenzung der Rechtsgrundlagen der Wettbewerbsfreiheit a) Konkurrenzen zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten Die Ableitung des grundrechtlichen bzw. grundrechtsähnlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit von verschiedenen Rechtsgrundlagen schafft automatisch das Problem ihrer gegenseitigen Konkurrenz. Das Problem wird brisanter,

517

Es ist hier daraufhinzuweisen, daß die Art. 85 f. EGV sich zuerst an die Privaten (Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen) richten. Es wird aber nicht in Frage gestellt, daß auch die Mitgliedstaaten Adressaten dieser Regelungen sind - vgl. die Nachweise oben sub Β III 2 a. 518 So Stadler, Berufsfreiheit, S. 62 f.; Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 44 ff.; Schwarze, in: FS Maihofer, S. 539; Pernice , in: NJW 1990, S. 2413; Beutler, in: G/T/E,

Grundrechtsschutz, Rd. 42, 65; Petersmann, in: EuZW 1993, S. 594, Fn. 7 (dort); Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 181; Behrens, in: Brüggemeier (Hg.), Verfassungen für ein ziviles Europa, S. 86; Mestmäcker, in: FG Willgerodt, S. 270; Jarass, in: EuR 1995, S. 211; Ruffert,

in: EuGRZ

1995, S. 524; Grämlich,

in: DÖV

1996, S. 805;

v. Wilmowsky, in: JZ 1996, S. 590; vgl. auch Matthies, in: GS Sasse, S. 126 ff, bezüglich des Grundsatzes des freien Warenverkehrs. 519 Vgl. Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 45; Müller-Graff in: G/T/E, Art. 30, Rd. 124, zu dem Grundsatz des freien Warenverkehrs. 520 Vgl. Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 45; Müller-Graff in: G/T/E, Art. 30, Rd. 124.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

wenn man berücksichtigt, daß die Grundfreiheiten, aber auch die Wettbewerbsregeln und das Beihilfenverbot, Tätigkeiten schützen, die größtenteils in die Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmer als Grundrechtsträger des Gemeinschaftsgrundrechts Wettbewerbsfreiheit fallen, das wiederum als Fundament des Gemeinschaftsgrundrechts Wettbewerbsfreiheit gilt 5 2 1 . Daß die Wettbewerbsfreiheit sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen ableiten läßt, kann nicht per se einen Konkurrenzfall ausschließen. Ein solcher Ausschluß wäre möglich, wenn man annehmen würde, daß der Adressatenkreis der verschiedenen Rechtsgrundlagen der Wettbewerbsfreiheit a priori unterschiedlich ist. Es wurde aber gezeigt, daß er ggf. gleich sein kann. Andererseits darf man nicht die unterschiedliche Funktion der Grundrechte und der Grundfreiheiten des Gemeinsamen Marktes verkennen 522. Infolgedessen sind die Regeln zu untersuchen, aufgrund derer die potentiellen Konkurrenzfälle zu lösen sind. Solche Konkurrenzfälle können auftreten, wenn die Tätigkeit eines Grundrechtsträgers in den Schutzbereich beider Rechtsgrundlagen fällt und ebenso eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich beider Rechtsgrundlagen liegt. Es ist darauf hinzuweisen, daß von der Gleichrangigkeit beider Rechtsgrundlagen ausgegangen wird. Da die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die die Gemeinschaftsgrundrechte bilden, eine ungeschriebene Rechtsquelle, die Verträge bzw. der EGV hingegen eine geschriebene darstellen, ist von ihrer subsidiären Geltung auszugehen, d. h. sie gelten, soweit keine andere (gleichrangige) geschriebene Quelle angewendet werden kann 523 . Es besteht m. a. W. in einem solchen Fall eine unechte Konkurrenz 524 . Das ist bei der Wettbewerbsfreiheit der Fall: Man kann auf die Wettbewerbsfreiheit als allgemeinen Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung zurückgreifen, soweit der EGV nicht anwendbar ist oder der Schutz, den er gewährt, hinter dem Gemeinschaftsgrundrecht zurückbleibt 525 - denn der Schutzbereich des Gemeinschaftsgrundrechts ist weiter 526 . Ein Musterbeispiel an Konkurrenz zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten bietet die Fallkonstellation des Einfuhrverbots in einen

521

Vgl. oben sub 3 a aa. Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 65; vgl. auch Scholz, in: FS Steindorff, S. 1425. 523 Stadler, Berufsfreiheit, S. 371 f.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 180 f. 524 Vgl. dazu oben sub erster Teil Β V I 1 a. 525 So auch Stadler, Berufsfreiheit, S. 371 f , in bezug auf die Berufsfreiheit; vgl. ähnlich Everling, in: Stern (Hg.): 40 Jahre Grundgesetz, S. 171; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 180; undeutlich dagegen die Abgrenzung im EuGHE 1985, S. 531, 548 f , Rd. 9, 12 (Procureur de la République). 526 So auch Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 43. 522

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Mitgliedstaat für Presseerzeugnisse, die Tabakwerbungen enthalten 527 . Durch ein solches Verbot ist zunächst die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Presseunternehmer als Ausfluß der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 30 EGV, aber auch ihre Pressefreiheit (vgl. Art. 10 EMRK) und die aus der Gewerbefreiheit resultierende Wettbewerbsfreiheit als Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung getroffen. Darüber hinaus kommen die grundrechtsähnliche Wettbewerbsfreiheit als Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 30 EGV sowie die Meinungsfreiheit (vgl. Art. 10 EMRK) und die Wettbewerbsfreiheit als Gewerbefreiheit i m Sinne der Gemeinschaftsgrundrechte für diejenigen Unternehmer in Betracht, deren Produkte zwar in diesem Mitgliedstaat verkauft, für die aber nicht geworben werden darf 528 . Was die wirtschaftlich-unternehmerische Betätigung und die Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb angeht, ist davon auszugehen, daß die Art. 30 ff. EGV die Anwendung der Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht des Gemeinschaftsrechts verdrängen. Die Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht kann keine Lücke der Warenverkehrsfreiheit füllen und wird deswegen gemäß der Subsidiaritätsregel verdrängt. Das ist jedoch bei der Presse· bzw. Meinungsfreiheit nicht der Fall. Art. 30 ff. EGV schützen nur die wirtschaftliche, nicht aber die geistig-ideelle Betätigung, die die Gemeinschaftsgrundrechte der Presse- bzw. Meinungsfreiheit gewährleisten. Demzufolge werden auch sie als Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit einer solchen Maßnahme (Werbeverbot) mit dem Gemeinschaftsrecht herangezogen. Andere Beispiele bietet die neuere Rechtsprechung des EuGH. U m einen derartigen Konkurrenzfall ging es auch im Fall des griechischen Rundfunkund Fernsehmonopols. Die Anwendbarkeit der Wettbewerbsfreiheit als Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 ff. EGV hat den Rückgriff auf die Wettbewerbsfreiheit als Gewerbe- bzw. Berufsfreiheit überflüssig gemacht. Denn beide Schutzbereiche decken sich, und die Art. 59 ff. EGV verdrängen als geschriebene Rechtsquelle die Anwendung des Gemeinschaftsgrundrechts (Subsidiaritätsregel). Es kommt aber nicht nur die Gewerbe- bzw. Berufsfreiheit, sondern auch die Rundfunkfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht i. S. d. Art. 101 E M R K in diesem Fall in Betracht 529 . Selbst falls man davon ausgehen

527 Ebenso ist die Fallkonstellation bei einem Ausfuhrverbot aus einem Mitgliedstaat in das EU-Ausland. 528 Vgl. z. B. T. Stein, in: GS Grabitz, S. 779 ff.; ders, in: EuZW 1995, S. 435 ff. Daß Art. 30 EGV auch die Werbefreiheit mitenthält, vgl. EuGHE 1991 I, S. 4151, 4183, Rd. 10 (Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivia). 529 Es ist hier darauf hinzuweisen, daß, soweit zwei oder mehrere gemeinschaftsrechtliche Grundrechte in Betracht gezogen werden, ohne daß eines davon von einer vertraglichen Vorschrift verdrängt wird, es sich um eine Grundrechtskonkurrenz im bereits oben dargelegten Sinne (s. oben sub erster Teil Β V 1 a) handelt. Der EuGH hat bisher keine Grundrechtskonkurrenzlehre entwickelt. Die hier an anderer Stelle ausgeführten Regeln einer Grundrechtskonkurrenz können mutatis mutandis auch hier An-

700

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

sollte, daß sich der Schutzbereich des Art. 59 EGV und der des Art. 101 EMRK decken 530 , werden sie unter verschiedenen Schranken garantiert. In dieser Hinsicht war die parallele Hinzuziehung der Art. 59 ff. EGV und des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts der Rundfunkfreiheit i. S. d. Art. 101 EMRK als Prüfungsmaßstäbe für die Gemeinschaftsrechtmäßigkeit des griechischen Rundfunk- und Fernsehmonopols völlig in Ordnung. Der Eingriff in die Grundfreiheit aus Art. 59 EGV und das Gemeinschaftsgrundrecht sollte, wie gezeigt, sowohl nach Art. 66 EGV i. V. m. Art. 56 EGV als auch nach Art. 10 I I EMRK gerechtfertigt werden. Dasselbe gilt für die Rechtssache Konstantinidis: Die Umschreibung des griechischen Namens des Gastwirtes Χρήστος Κωνσταντινιδης in lateinische Schriftzeichen auf Hrestos Konstantinides statt Christos Konstantinidis, wie es der griechischen Aussprache des Namens am besten entsprochen hätte, hat nicht nur die Wettbewerbsfreiheit des Betroffenen als Niederlassungsfreiheit 531, sondern auch die Gemeinschaftsgrundrechte der Wettbewerbsfreiheit als Berufs- bzw. Gewerbefreiheit sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berührt. Die Gewerbefreiheit wird durch die Niederlassungsfreiheit des EGV gedeckt und deswegen im Einzelfall von ihr verdrängt. Das ist bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht indes nicht der Fall, welches nicht vom EGV, aber als allgemeiner Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt wird 5 3 2 .

b) Kollisionen zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten Es wurde bereits dargelegt, daß die Grundfreiheiten aus Gründen, die dem Schutz bestimmter Rechtsgüter des Allgemeinwohls dienen, eingeschränkt werden können. Wenn diese Rechtsgüter der Ausübung der Grundfreiheiten im Weg stehen, dann kommt es zu einer Kollision, die vom Gemeinschaftsgesetzgeber durch eine Güter- und Interessenabwägung, nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der praktischen Konkordanz gelöst werden muß 533 . Eine solche Kollision ist auch zwischen Grundfreiheiten und den

wendung finden - vgl. zur Konkurrenz zwischen Berufsfreiheit und Eigentum Schröder, Elektrizitätsbinnenmarkt, S. 44; v. Müczewski, Grundrechtlicher Schutz, S. 104. 530 Das scheinen Langenfeld/Zimmermann, in: ZaöRV 1992, S. 309, bezüglich des Rechts auf Weitergabe und Empfang von Informationen, betreffend jene Dienstleistungen, anzunehmen. 531 Vgl. EuGHE 1993 I, S. 1191, 1219, Rd. 16 f. (Konstantinidis). Der Gerichtshof hat an dieser Stelle ausdrücklich den Eingriff in die aus Art. 52 EGV resultierende Wettbewerbsfreiheit als Niederlassungsfreiheit des betroffenen Gastwirtes anerkannt. 532 Vgl. dazu oben sub 5 b bb. 533 Vgl. oben sub 4 a bb.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

701

Grundrechten der Gemeinschaftsrechtsordnung möglich 5 3 4 . In diesem Sinne funktionieren die Grundrechte als immanente Schranken der Grundfreiheiten 5 3 5 , um nochmals auf die deutsche Grundrechtslehre zurückzugreifen. Da beide Rechtsquellen gleichrangig sind, kann die eine Rechtsquelle nicht ohne weiteres zugunsten der anderen zurücktreten 536 . Eine Kollisionslösung nach denselben Maßstäben (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz usw.) ist auch hier geboten 537 . Ein aktuelles Beispiel dazu ist das Bosman-Urteil: Der Freizügigkeit des betroffenen Fußballspielers gemäß Art. 48 I EGV stand die Ausübung der Vereinigungsfreiheit des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung, wie es sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ergibt und sich i m Art. 11 EMRK widerspiegelt 538 , entgegen 539 . I m Rahmen ihrer grundrechtlich geschützten Verbandsautonomie hat die UEFA Regeln angeordnet und ihren Mitgliedern, den nationalen Fußballverbänden, auferlegt, aufgrund derer die Freizügigkeit der Profifußballspieler innerhalb des europäischen und demgemäß des EU-Raums eingeschränkt wurde. Die Kollision war offensichtlich 540 5 4 1 .

534 So EuGHE 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 79 (Bosman); Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 185 ff.; ders., in: JZ 1996, S. 256; Grämlich, in: DÖV 1996, S. 808; im Ergebnis ebenso Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 232 f , der aber zu dem grundrechtsdogmatischen Fehlschluß kommt, daß die Grundfreiheiten vor dem Hintergrund der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte auszulegen seien; vgl. ansonsten EuGH EuZW 1997, S. 472, Rd. 24 ff, und die Anmerkung Kühlings, in: EuGRZ 1997, S. 302. 535 Vgl. Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 233, der den Begriff "immanente Grenzen" bevorzugt; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 185; Grämlich, in: DÖV 1996, S. 805. 536 So zutreffend Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 185 ff, der auf das Prinzip der Einheit der (Gemeinschafts-)Verfassung zurückgreift; ders, in: JZ 1996, S. 256. 537 Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 36, hatte bereits eine "Abstimmung zwischen primärem Gemeinschaftsrecht und Grundrechten" diagnostiziert, daß sie auf dem Wege "praktischer Konkordanz" zu erfolgen habe; in diese Richtung auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 233; Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 197 ff.; Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 27; Müller-Graff in: G/T/E, Art. 30, Rd. 128. 538 Zur Ableitung der Vereinigungsfreiheit als gemeinschaftsrechtliches Grundrecht vgl. Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 191 f.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 58 ff. 539 Nach Grämlich, in: DÖV 1996, S. 806, kommt über die Vereinigungsfreiheit der UEFA hinaus die Unternehmens- und Vertragsfreiheit der Fußballvereine in Betracht. 540

So auch Grämlich, in: DÖV 1996, S. 806; Schroeder,

in: JZ 1996, S. 256; vgl.

auch ders., Sport und Europäische Integration, S. 186 f , 191 ff. 541 Man muß hier Vorsicht walten lassen und darf den Bosman- nicht mit den ERTund Grogan-Fällen verwechseln. Hier wie dort handelt es sich zwar um das Verhältnis zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten, dieses Verhältnis basiert aber jeweils auf unterschiedlicher Basis. Die Unterschiede sind offenbar: In den ERT- und Grogan-

702

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Solche Kollisionen können auch in anderen Konstellationen auftreten, die bisher die Praxis des EuGH noch nicht beschäftigt haben. Ein solches Beispiel, das die Wettbewerbsfreiheit als Ausfluß der Grundfreiheiten betrifft und aus verschiedenen Gründen in mehreren Ländern - besonders in der letzten Zeit in Deutschland - auftrat, ist die Frage des Produkte betreffenden Boykottaufrufs durch organisierte Verbände wie Massenmedien, Parteien, Gewerkschaften, Berufsverbände, Kirchen, Verbrauchervereine usw. und sein Verhältnis zu den Grundfreiheiten des EGV, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit der Art. 30, 34 EGV. Hier handelt es sich je nachdem offenbar um eine Kollision zwischen der Presse-, Rundfunk- oder Meinungsfreiheit der betroffenen Boykottaufrufer als Gemeinschaftsgrundrecht einerseits und der Warenverkehrsfreiheit derjenigen Unternehmen, gegen die sich der Boykottaufruf richtet 542 , andererseits 543. Eine andere derartige Fallkonstellation stellt das Beispiel eines Streiks dar, der den Import inländischer Produkte in das EG-Ausland oder den Export EGausländischer Produkte in das Inland zu verhindern versucht. In diesem Fall kollidiert die Warenverkehrsfreiheit mit dem Streikrecht als besonderer Ausprägung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts der Koalitionsfreiheit 544 . Schließlich geht es um einen Kollisionsfall zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, wenn zwei private Parteien durch vertragliche Regelung von einer Grundfreiheit abweichen wollen. Ihrer Vertragsfreiheit als Ausfluß der Privatautonomie stehen nicht nur die Grundfreiheiten, sondern

Fällen handelte sich um eine nationalstaatliche Maßnahme, die parallel in den Schutzbereich einer Grundfreiheit und eines Grundrechts eingegriffen hat. Es wurde die Gemeinschaftsrechtsmäßigkeit der nationalen Maßnahme am Maßstab verschiedener Rechtsgrundlagen des Gemeinschaftsrechts überprüft, und als Ausfluß dieser Überprüfung wurde die Frage der Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte aufgeworfen. Im Bosman-Fall ging es nicht um eine staatliche Maßnahme, sondern um die Maßnahme eines Fußballverbandes, d. h. einer juristischen Person des Privatrechts. Die Frage der Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten mußte deswegen außer acht bleiben. Diese Maßnahme aber hat in die Freizügigkeit der Fußballspieler, wie sie in Art. 48 EGV garantiert wird, eingegriffen, eine parallele Hinzuziehung ihrer Berufsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht mußte aus den bereites erwähnten Gründen scheitern. Ein Gemeinschaftsgrundrecht (Vereinigungsfreiheit) wurde von der UEFA, die die Freizügigkeit einschränkende Maßnahme erlassen hatte, als mit der Freizügigkeit kollidierendes Rechtsgut geltend gemacht. Es ging also nicht um die Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, auch nicht um die Konkurrenz zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten, sondern um ihre Kollision, deren Lösung über den Anwendungsbereich des Art. 48 III EGV hinausging - vgl. ebenso Grämlich, in: DÖV 1996, S. 806. Es ging, kurz gesagt, um eine Entscheidung anderer Qualität - ein Vergleich mit den vorher erwähnten Urteilen des EuGH kann nur irreführen. 542 So auch Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 195. 543 Vgl. ausführlicher unten sub 7 b bb α ßß. 544 Vgl. ausführlicher unten sub 7 b bb α γγ.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

703

auch die Wettbewerbsregeln der Art. 85 f. EGV entgegen. Darauf wird später im Abschnitt über die "Drittwirkung" näher eingegangen545.

7. "Drittwirkung"

der Wettbewerbsfreiheit

im Gemeinschaftsrecht?

a) Allgemeine Problematik aa) "Drittwirkung"

der Grundfreiheiten

und anderen EGV-Vorschriften

Hier soll ausführlich ermittelt werden, ob die Wettbewerbsfreiheit, sei es als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung, sei es als grundrechtsähnliche Grundfreiheit des EGV, neben der öffentlichen Gewalt, d. h. den Organen der Gemeinschaft/EU und der Mitgliedstaaten, auch die Privaten bindet bzw. ob sie bezüglich der privatrechtlichen Beziehungen überhaupt eine Wirkung entfalten kann. Ebenso wie in der deutschen Rechtsordnung 546 existieren auch in der Gemeinschaftsrechtsordnung ähnliche Probleme bezüglich der Terminologie und der Art der Grundrechtswirkung auf die Bürger-Bürger-Relation. Die Auseinandersetzung über die richtige Terminologie kann hier dahingestellt bleiben 547 . Aus konventionellen Gründen - wie auch bei der Darstellung der betreffenden Problematik im deutschen Recht - wird hier dem Begriff "Drittwirkung" gefolgt, obwohl er grundrechtsdogmatisch nicht überzeugend erscheint 548. Als Alternativlösung und aus Gründen der terminologischen Konsequenz wird auch der Begriff "Wirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen" benutzt. Was die Art und Weise sowie das Ergebnis der Wirkung der Grundrechte und Grundfreiheiten auf die Bürger-Bürger-Relation anbelangt, ist von dem Untersuchungsergebnis der deutschen Grundrechtslehre mindestens zum Teil abzuweichen. Im Gegensatz zum deutschen GG wird im EGV an keiner Stelle ausdrücklich die Frage nach der Bindung der EG-Vorschriften erwähnt. Eine Ausklammerung der Privaten aus dem Adressatenkreis bestimmter Regelungsnormen des Vertrages durch grammatikalische oder historische Auslegung des EGV erscheint unmöglich. Wie bereits ausgeführt wurde, enthält der EGV keinen Grundrechtskatalog und nach h. M. auch keine Grundrechte im klassischen Sinne, sondern Grundsätze, die in erster Linie zur Verwirklichung des Hauptprinzips des EGV dienen, der Errichtung des Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes. Doch die Vorschriften über die Wettbewerbsregeln (Art. 85 I,

545 ygj g e r a c j e unten sub 7. 546 s. oben sub erster Teil C I 1, 3 e. 547 Mehr dazu bei Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 4 ff. 548 Vgl. dazu eingehend oben sub erster Teil C I 1, 3 e.

704

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

86 EGV) entfalten nach ihrem Wortlaut sogar eine unmittelbare "Drittwirkung" 5 4 9 , da sie sich in erster Linie an die einzelnen und dann erst an die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft richten. Will man darüber hinaus von einer "Drittwirkung" der EGV-Vorschriften sprechen, muß man zuerst zwei Voraussetzungen bejahen: Die betroffenen Vorschriften müssen subjektive (Abwehr-)Rechte begründen, und diese Rechte müssen geeignet sein, eine Wirkung irgendeiner Art zwischen Privaten zu entfalten 550. Bezüglich der ersten Voraussetzung ist das ohne weiteres bei den Grundfreiheiten des EGV, dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV sowie dem Gleichberechtigungsgebot des Art. 1191 EGV der Fall 551 . Was die zweite Voraussetzung anbelangt, ist zu differenzieren: Eine "Drittwirkung" dieser Regelungen kann - von den Vorschriften gegen die Wettbewerbsbeschränkungen abgesehen - nicht ohne weiteres und in jedem Fall bejaht werden 552 . Man darf sie aber auch nicht ablehnen. Der EuGH hat eine "Drittwirkung" bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer am Beispiel der Profisportler 553 , bei der Niederlassungsfreiheit 554, der Dienstleistungsfreiheit 555, dem Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV (ehemals Art. 7 EWGV) 5 5 6 und dem

549

EuGHE 1974, S. 51, 62, Rd. 15/17 (BRT); 1991 I, S. 107, 123, Rd. 11 (Alsthom Atiantique); 1991 I, S. 1027, 1042, Rd. 22 (Marchandise u. a.); 1994 I, S. 2199, 2234, Rd. 16 (Tankstation Τ Heuske und Boermans); vgl. auch Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 87; Matthies, in: GS Sasse, Band I, S. 124, 126; Bleckmann, ebenda, Band II, S. 676; Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 30, 33; Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 43; Pipkorn, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 211; Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 421; Langer, Grundlagen, S. 121. 550 So auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 32 f , 189; vgl. auch EuGHE 1976, S. 455, 474 (Defrenne II). 551 Vgl. aber die nicht überzeugende Position von Kluth, in: AÖR 1997, S. 574 f. 552 Vgl. zu einer Darstellung der Argumente, die prima facie gegen eine "Drittwirkung" der Grundfreiheiten sprechen, Müller-Graff in: G/T/E, Art. 30, Rd. 128. 553 EuGHE 1974, S. 1405, 1418, Rd. 16/19 (Walrave); bestätigt durch EuGHE 1976, S. 1333, 1340 ff. (Dona); 1995 I, S.4921, 5065 ff, Rd. 82 ff. (Bosman), mit zustimmender Anmerkung Schroeder, in: JZ 1996, S. 254 ff.; vgl. auch ders., Sport und Europäische Integration, insbesondere S. 185 ff.; vgl. weiter zu einer "Drittwirkung" der Freizügigkeit der Arbeitnehmer Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 144 f.; Bleckmann, in: GS Sasse, Band II, S. 676; Stadler, Berufsfreiheit, S. 61; Oppermann, Europarecht, Rd. 1417; Wölker, 554

in: G/T/E, Art. 48, Rd. 16; Hohe/Tietje,

in: JuS 1996, S. 488 f.

EuGHE 1977, S. 1091, 1128, Rd. 28 (Van Ameyde). 555 EuGHE 1974, S. 1405, 1418, Rd. 16/19 (Walrave); 1976, S. 1333, 1340 ff. (Dona); 1977, S. 1091, 1128, Rd. 28 (Van Ameyde). 556 EuGHE 1974, S. 1405, 1418, Rd. 16/19 (Walrave); 1976, S. 1333, 1340 ff. (Dona); Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 70 ff; Oppermann, Europarecht, Rd. 1430; Zuleeg, in: G/T/E, Art. 7, Rd. 19; Pipkorn, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S.211 f.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

705

Gleichberechtigungsgebot des Art. 1191 EGV 5 5 7 angenommen558. Eine "Drittwirkung" kann auch für die Warenverkehrsfreiheit der Art. 30, 34 EGV bejaht werden 559 . Die Argumentation des Gerichtshofs, daß "die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr - eines der in Artikel 3 Buchstabe c des Vertrages aufgeführten wesentlichen Ziele der Gemeinschaft - gefährdet" wäre, "wenn die Beseitigung der staatlichen Schranken dadurch in ihren Wirkungen wieder aufgehoben würde, daß privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen (seil, oder u. U. auch natürliche Personen) kraft ihrer rechtlichen Autonomie derartige Hindernisse aufrichteten" 560, ist überzeugend 561 . Denn die Vorschriften über die Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV und das Gleichberechtigungsgebot des Art. 119 I EGV haben fundamentalen Charakter 562 für die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes und stehen jeder Maßnahme, die diese Verwirklichung behindern könnte, im Weg. Wie bereits dargelegt wurde, kann die Freiheit nicht nur die öffentliche Gewalt, sondern auch die von Privaten ausgeübte Macht beeinträchtigen und beschränken 563. Genauso verhält es sich im Bereich des Gemeinschaftsrechts, was vom EuGH auch erkannt wird 5 6 4 . Wird eine solche "Drittwirkung" angenommen, dann sollte man sich in erster Linie an der sog. unmittelbaren Drittwirkung orientieren. Der einzige Grund ist, daß diese Normen eine unmittelbare Anwendung, Geltung oder Wirkung in den innerstaatlichen Rechtsordnungen finden. Das kann bezüglich des

557 EuGHE 1976, S. 455, 474 (Defrenne II); Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 202 ff; Bleckmann, in: GS Sasse, Band II, S. 676; Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 421. 558 Dieser Rechtsprechung im allgemeinen zustimmend: Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 189 ff; Dallen, in: CMLRev 1990, S. 779 f.; Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 43 ff. 559 s. unten sub b bb. 560 So EuGHE 1974, S. 1405, 1419 f , Rd. 16/19 (Walrave); vgl. auch EuGHE 1982, S. 1095, 1111, Rd. 14 (Nordsee); EuGHE 1995 I, S. 4921, 5066, Rd. 83 (Bosman). 561 Zustimmend auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 149 ff.; Pipkorn, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 211; Gersdorf in: AÖR 1994, S. 422; vgl. ebenfalls zu Art. 30 EGV Müller-Graff, in: G/T/E, Art. 30, Rd. 128, der allerdings eine "Drittwirkung" auf "handelsbehinderndes Kollektivverhalten Privater" einzuschränken scheint; in diese Richtung auch grundlegend W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1239, 1246 f.; kritisch dagegen überhaupt zu einer "Drittwirkung" der Grundfreihei-

ten Jarass, in: EuR 1995, S. 210 U'Kluth, in: AÖR 1997, S. 566 ff. 562 Nach Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 148 f , der auf die Walrave- und Dettene Ii-Rechtsprechung des EuGH rekuriert, spielt der "fundamentale" Charakter einer E(W)GV-Norm eine wesentliche Rolle für die Frage, ob sie sich bei den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten entfalten kann. 563 s. oben sub erster Teil Β VI 2 a cc, C I 1, 3 e. 564 So auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 149 f.; Müller-Graff in: G/T/E, Art. 30, Rd. 128. 45 Tsiliotis

706

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Verhältnisses zwischen Privaten nicht anders sein 565 . Die Auslegungsprobleme, die die deutsche Rechtsordnung mit der Annahme einer solchen unmittelbaren Wirkung schafft, bestehen wie gesagt in der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht. Demgemäß bedarf es nicht der vermittelnden Rolle des sekundären oder des innerstaatlichen Rechts, damit die Rechte aus den o. g. Vorschriften in der Bürger-Bürger-Relation geltend gemacht werden können, ebenso wenig in der Gemeinschaft- bzw. Mitgliedstaat-Bürger-Relation 566 . Ist dagegen der Gemeinschaftsgesetzgeber tätig geworden und hat diese Rechte durch sekundäres Recht spezifiziert, muß man sich auf das sekundäre Recht berufen, das auf jeden Fall im Lichte der EGV-Vorschriften zu interpretieren ist (gemeinschaftskonforme Auslegung) 567 .

565 Vgl. zu einer Verbindung der unmittelbaren Anwendung oder Wirkung des Gemeinschaftsrechts auf die nationalen Rechtsordnungen mit seiner unmittelbaren Wirkung auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 11 ff.; Dallen, in: CMLRev 1990, S. 779 f.; zu einer "unmittelbaren Drittwirkung" vgl. weiter EuGHE 1974, S. 1405, 1418, Rd. 16/19 (Walrave); 1976, S. 455, 474 (Defrenne II); 1976, S. 1333, 1340 ff. (Dona); 1977, S. 1091, 1128, Rd. 28 (Van Ameyde); 1982, S. 1095, 1111, Rd. 14 (Nordsee); 1995 I, S.4921, 5066, Rd. 83 f. (Bosman); Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 44; Steindorff in: FS Lerche, S. 378, 384; dagegen für eine "mittelbare Drittwirkung" der Grundfreiheiten Matthies, in: GS Sasse, S. 123, 125 f.; Jarass, in: FS Lerche, S. 457, am Beispiel der Niederlassungsfreiheit; Langer, Grundlagen, S. 119 ff.; dazu neigen auch Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 421, sowie die Schlußanträge des Generalanwalts Gulmann, in: EuGHE 1992 I, S. 3669, 3702, Nr. 40 (Delhaize), der anläßlich des Anwendungsbereichs des Art. 34 EGV darlegt, daß zwar Privatunternehmen nicht zu den unmittelbaren Adressaten dieser Vorschrift gehören, aber in Nr. 42 folgendes ausführt: "Art. 34 ist unmittelbar anwendbar und begründet Rechte der einzelnen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben. Dies hat zur Folge, daß sich einzelne auch in Rechtsstreitigkeiten mit anderen Privatpersonen auf Art. 34 berufen können, um die Zulässigkeit derjenigen Maßnahmen staatlicher Behörden prüfen zu lassen, die für die Entscheidung des fraglichen Rechtsstreits zwischen den Privatpersonen von Bedeutung sind". Dasselbe soll auch für Art. 30 EGV gelten. Wenn Generalanwalt Gulmann damit über die Warenverkehrsfreiheit der Art. 30, 34 EGV hinaus alle Grundfreiheiten meint, dann gerät seine Position in Widerspruch zu der vorher dargelegten Rechtsprechung des EuGH. Wenn er dagegen nur die Freiheit aus Art. 30, 34 EGV meint, ist kein Grund erkennbar, daß für die Warenverkehrsfreiheit nur eine "mittelbare Drittwirkung", für die anderen aber eine "unmittelbare" in Betracht kommen soll; eine "Drittwirkung" der Grundfreiheiten überhaupt und eine Verbindung der unmittelbaren Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den innerstaatlichen Rechtsordnungen mit der "unmittelbaren Drittwirkung" der Grundfreiheiten lehnt Kluth, in: AÖR 1997, S. 568 ff, ab.

566 ygj a u c h pälle unten sub b bb ß, in denen eine "mittelbare Drittwirkung" als "Ausstrahlungswirkung" der Warenverkehrsfreiheit auf das innerstaatliche Zivilrecht geboten ist; vgl. weiterhin in der Fn. 565 die Schlußanträge des Generalanwalts Gulmann, in: EuGHE 1992 I, S. 3669, 3702, Nr. 40 (Delhaize). 567 Vgl. auch Jarass, in: EuR 1995, S. 211, der von einer "grundfreiheitskonformen Auslegung" spricht.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht bb) "Drittwirkung"

707

der Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung?

Schwieriger und komplizierter ist die Frage einer eventuellen "Drittwirkung" der Gemeinschaftsgrundrechte. Argumente, die deren ungeschriebenen Charakter, ihre prinzipielle Gemeinschaftsgerichtetheit und ihre Ableitung aus den verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen benennen, könnten dagegen sprechen. Gelten diese Grundrechte hauptsächlich in der Relation zwischen der Gemeinschaft und dem Privaten A, so erscheint es schwierig, sich ζ. B. den Fall vorzustellen, in dem der Private Β sich in dieses Verhältnis einschalten kann, indem er die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte gegen den Privaten A geltend macht oder der Private A sich auf seine Grundrechte aus der Gemeinschaftsrechtsordnung gegen den Privaten Β beruft. Darüber hinaus wird die sog. Drittwirkungslehre nicht in allen Rechtsordnungen und, wenn überhaupt, teilweise nur sehr zurückhaltend angenommen568. Trotzdem ist eine "Grundrechtsdrittwirkung" auch in diesem Bereich nachvollziehbar. Selbst wenn diese Grundrechtstheorie nicht in allen Rechtsordnungen anerkannt wird und in einigen sogar dagegen argumentiert wird, muß nach der Rechtsgewinnungsmethode der "wertenden" Rechtsvergleichung ermittelt werden, ob diese Theorie zur Struktur und den Zielen der Gemeinschaft passen kann und - bejahendenfalls - wie sie angewendet werden kann 569 . Es wurde bereits ausgeführt 570, daß sich die Gemeinschaftsgrundrechte zwar in erster Linie an die Gemeinschaftsorgane richten, sich ggf. aber auch an die Mitgliedstaaten adressieren. Bedingung ist, daß die Grundrechte gegenüber den Mitgliedstaaten im Vollzugs- oder Anwendungsverfahren des sekundären Gemeinschaftsrechts in der innerstaatlichen Rechtsordnung oder in einem Fall, in dem eine nationale Maßnahme in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, geltend gemacht werden. In solchen Bereichen sollte eine eventuelle Geltung der sog. Drittwirkungslehre untersucht werden. Im ersten Fall betreffen die Grundrechtsfragen, die sich daraus ergeben können, hauptsächlich die (Mitglied)Staat-Bürger-Relation. Eine Drittwirkungskonstellation scheint nur im Rahmen der "Drittwirkung" des sekundären Rechts möglich - diese Frage soll hier jedoch ausgeklammert werden 571 . Anders ist aber die Lage in der zweiten Frage: Ein Geltendmachen der Gemeinschaftsgrundrechte gegenüber Privaten ist möglich, wenn die jeweilige Fallkonstella-

568 ygj z u e j n e r rechtsvergleichenden Ausführung Grabitz (Hg.), Grundrechte in Europa und USA. 569 Nach Gersdorf in: AÖR 1994, S. 420, soll die "Drittwirkung" der Gemeinschaftsgrundrechte gerade deswegen angenommen werden, weil sie aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten abgeleitet werde. 570 s. oben sub 5 a, b. 571 Vgl. dazu statt aller Pipkorn, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 212.

708

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

tion in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt. Wegen des in erster Linie privatrechtlichen Charakters des Falles wird freilich nicht das Vorhandensein einer staatlichen Maßnahme wie bei der Frage nach der Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten vonnöten sein 572 . Der gemeinsame Punkt der Drittwirkungs- und der Grundrechtsbindungsproblematik kann indes woanders gefunden werden. Nach der entsprechenden Untersuchung der Grundrechtsbindungsfrage in diesem Bereich sind Fallkonstellationen dargelegt worden, die mit dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten oder der Wettbewerbsregeln der Art. 85 f. EGV zusammenhingen. In diesem Anwendungsbereich kann man sich auf eine Grundfreiheit oder die Wettbewerbsregeln gegen einen anderen Privaten berufen. Wie aber bereits ausgeführt wurde, kann die Grundfreiheit des einen Privaten mit den Interessen des anderen Privaten kollidieren. Soweit eine Grundfreiheit oder die Wettbewerbsregeln in Betracht gezogen werden, wird der Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts eröffnet. Sofern die mit der Grundfreiheit des ersten Privaten kollidierenden Interessen des zweiten in den Schutzbereich eines Grundrechts der Gemeinschaftsrechtsordnung fallen, handelt es sich um eine Kollision zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten 573. In diesem Fall findet die "Drittwirkungsproblematik" ihre Anwendung in beiden Bereichen 574. In bezug nun auf die Frage, ob diese "Drittwirkung" der Gemeinschaftsgrundrechte unmittelbar oder mittelbar sein soll, gilt analog, was bereits über die "Drittwirkung" der Grundfreiheiten und den anderen EGV-Vorschriften dargelegt wurde, weil die "Drittwirkung" der Gemeinschaftsgrundrechte mit der "Drittwirkung" der Grundfreiheiten verbunden ist 575 .

572 Vgl. aber die Schlußanträge des Generalanwalts Gulmann, in: EuGHE 1992 I, S. 3669, 3702, Nr. 40 (Delhaize) für die Warenverkehrsfreiheit. 573 s. oben sub 6 b. 574 Genauso Gersdorf, in: AÖR 1994, S. 421 ff, der sehr zutreffend eine "Drittwirkung" der Gemeinschaftsgrundrechte nur im Rahmen des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts sieht; vgl. auch das Beispiel des Falles Bosman in EuGHE 1995 I, S. 4921, 5065, Rd. 79; vgl. weiter Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 186, 193; Mohn, Der Gleichheitssatz, S. 45; Müller-Graff in: G/T/E, Art. 30, Rd. 130; a. A. Stadler, Berufsfreiheit, S. 387 f.; skeptisch Beutler, in: G/T/E, Grundrechtsschutz, Rd. 39. 575 Zur "mittelbaren Drittwirkung" der Gemeinschaftsgrundrechte tendiert Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 193 f , soweit diese über das Privatrecht modifiziert und ausgelegt werden können.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

709

b) Die "Drittwirkung" der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht aa) "Drittwirkung"

der Wettbewerbsfreiheit

als Ausfluß der Grundfreiheiten

α) Allgemeines Hier soll ermittelt werden, ob und inwiefern die grundrechtsähnliche Wettbewerbsfreiheit als Ausfluß gewisser Grundfreiheiten eine Wirkung auf das Verhältnis zwischen Privaten haben kann. In Betracht kommen diejenigen Grundfreiheiten, die die Wettbewerbsfreiheit als Freiheit im und zum Wettbewerb zwischen eigenständigen Wirtschaftssubjekten betreffen. Dies sind in erster Linie die Niederlassungs- (Art. 52 ff. EGV), die Dienstleistungs(Art. 59 ff. EGV) sowie die Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 ff. EGV). Die "Drittwirkung" der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 48 ff. EGV) ist hier nicht von Interesse, obwohl sie bisher bedenkenlos vom EuGH bejaht wurde, da sie unselbständige Arbeitnehmer im Europäischen Binnenmarkt betrifft. Ihre dogmatische Grundlage und Begründung gilt aber entsprechend auch für die anderen Grundfreiheiten, soweit sie natürlich eine Wirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen entfalten können. Ihre "Drittwirkung" bezieht sich freilich auf das Diskriminierungsverbot, welches sie als spezielle Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots nach Art. 6 EGV enthält, sie betrifft aber auch ihr Beschränkungsverbot als Verbot jedes Hindernisses, das ihre Ausübung im Wettbewerb des Europäischen Binnenmarktes behindern könnte 576 .

ß) "Drittwirkung" der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Denkbar scheint eine "Drittwirkung" der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gegenüber privaten Verbänden und Berufsorganisationen 577. Regelungen, die EU-Ausländer aus der freien Niederlassung oder dem Dienstleistungsverkehr im Inland ausschließen, sind anhand der Art. 52 f f , 59 ff. EGV zu beleuchten. A m Maßstab der Art. 59 ff. EGV sind auch Bestimmungen zu überprüfen, die die Dienstleistung davon abhängig machen, ob das Dienstleistungsunternehmen Mitglied eines Dachverbandes ist 578 . Diese Regelungen gelten als Einschränkungen der Freiheit im und zum Wettbewerb im Europäischen Binnenmarkt und können genauso effektiv wie staatliche Regelungen 576

Vgl. auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 71. Zur "Drittwirkung" der Dienstleistungsfreiheit gegenüber solchen Verbänden und Organisationen vgl. Hailbronner/Nachbaur, in: EuZW 1992, S. 112; vgl. auch allgemein zu einer "Drittwirkung" der Niederlassungsfreiheit Stadler, Berufsfreiheit, S. 62; Steindorff in: FS Lerche, S. 581; dagegen eher ablehnend Troberg, in: G/T/E, Art. 59, Rd. 32. 578 EuGHE 1977, S. 1091, 1128, Rd. 28 (Van Ameyde). 577

710

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

sein 579 . Sie können trotzdem nicht genauso behandelt werden, weil sie als Ausfluß der Verbandsautonomie betrachtet werden können, die im Gemeinschaftsrecht als Teil des Gemeinschaftsgrundrechts der Vereinigungsfreiheit geschützt wird. Es besteht m. a. W. eine Kollision im oben dargestellten Sinne. Die Lösung wird nicht im Rahmen und am Maßstab der Art. 56 bzw. 66 EGV i. V. m. Art. 56 EGV, sondern im Rahmen der Lehre der Gemeinschaftsgrundrechte als "immanente Schranken" der Grundfreiheiten (Kollisionen zwischen Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechte) und nach Maßgaben des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. der praktischen Konkordanz gefunden. Trotz ihrer dogmatischen Bedeutung erscheint eine "Drittwirkung" der Niederlassungsfreiheit in der Praxis selten in Betracht zu kommen. Denn die Berufsverbände und die Standesorganisationen, denen gegenüber die Niederlassungsfreiheit geltend gemacht werden kann, sind in den meisten Mitgliedstaaten juristische Personen des öffentlichen Rechts mit hoheitlichen oder hoheitsähnlichen Befugnissen, so daß es zu keiner Bürger-Bürger-Relation kommen kann 580 .

bb) Die "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit als besondere "Drittwirkungsfrage" Viel diskutiert wurde bisher über die Frage nach einer "Drittwirkung" oder "horizontalen unmittelbaren Wirkung" 581 der Warenverkehrsfreiheit 582. Die "Drittwirkungsfrage" nach dieser Grundfreiheit erlangt meines Erachtens das größte Interesse im Vergleich zu den anderen Grundfreiheiten. Die Problematik kann in zwei Teile untergliedert werden: Zum einen in die Wirkung der Warenverkehrsfreiheit gegenüber außergeschäftlichen Tätigkeiten von Privaten, die die Warenverkehrsfreiheit beeinträchtigen, aber parallel als die Ausübung grundrechtlicher Positionen nach dem Gemeinschaftsrecht betrachtet werden können, und zum anderen in das Verhältnis der Warenverkehrsfreiheit zu dem Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums nach Art. 36 EGV. Es sollte mit der ersten Frage begonnen werden, die vergleichsweise weniger problematisch erscheint.

579

So EuGHE 1977, S. 1091, 1128, Rd. 28 (Van Ameyde). Müller-Graff in: G/T/E, Art. 30, Rd. 127, hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit. 581 So Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 25 f. 582 Vgl. zur Auseinandersetzung darüber Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 48 ff. (m. w. N.). 580

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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α) Warenverkehrsfreiheit contra Gemeinschaftsgrundrechte Bisher hat sich die Judikatur des EuGH mit der Frage nach einer "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit bewußt nicht befaßt 583 . Das bedeutet aber keinesfalls, daß sie abgelehnt oder nicht irgendwann diskutiert werden soll 5 8 4 . Die rechtsdogmatische Basis einer "Drittwirkung" der Grundfreiheiten im Gemeinschaftsrecht, die die Walrave- und Bosman-Rechtsprechung 585 bestimmt hat, kann mutatis mutandis auch für die Warenverkehrsfreiheit gefunden werden 586 . Charakteristische Beispiele einer "Drittwirkung" dieser Grundfreiheit stellen die "Buy national"-Kampagne und der Boykottaufruf organisierter Verbände (Massenkommunikationsmedien, Parteien, Gewerkschaften, Berufsverbände, Kirchen, Verbrauchervereine etc.) bezüglich des Kaufs nationaler Produkte bzw. bezüglich der Ein- oder Ausfuhr von Produkten von oder in das EUAusland dar. Bevor aber eine "Drittwirkung" in diesem Fall bejaht wird, muß zuerst die "buy national"-Kampagne und der Boykottaufruf in den Tatbestand

583 Vgl. zu einer anderen Deutung W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1232. Einen "Drittwirkungsfair zur Frage der Warenverkehrsfreiheit stellt der vom EuGH entschiedene Fall Kommission/Frankreich (Coordination rurale) dar - EuGH EuGRZ 1997, S. 620 ff. Der EuGH hat schwerwiegende Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit (Plünderungen ausländischer Lastwagen mit Obst und Gemüse, Drohungen gegen Groß- und Einzelhändler) durch französische Bauern festgestellt - sie werden in den Schlußanträgen des Generalanwalts Lenz, in: EuGRZ 1997, S. 385 ff, detalliert geschildert. Aufgrund der Natur des Verfahrens (Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 169 EGV) mußte nicht die EG-rechtliche Verantwortung der Privaten bezüglich der Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit überprüft werden. Der Gerichtshof hat sich jedoch den Schlußanträgen des General an waits Lenz - s. dazu a. a. O , S. 387 ff. - im Grunde genommen angeschlossen und eine Verantwortung des beklagten Staates (Frankreich) für diese von Privaten herkommenden Übergriffe wegen Unterlassung einer aus Art. 30 EGV i. V. m. Art. 5 EGV hergeleiteten Schutzpflicht bejaht - EuGH, a. a. O , S. 622, Rd. 24 ff. Dazu, daß es sich um eine mitgliedstaatliche Schutzpflicht handelt, Szczekalla, in: DVB1. 1998, S. 220; Schwarze, in: EuR 1998, S. 54, spricht von "Handlungspflicht". Diese mitgliedstaatliche Verantwortung kann aber nach der hier vertretenen Position nicht die EG-rechtliche Verantwortung der privaten Täter ausschließen, falls sie vor einem nationalen Gericht nach dem nationalen materiellen und Prozeßrecht und vor dem EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 EGV überprüft werden sollte. Da es sich aber in diesem Fall nicht um solche Verfahren handelte, soll die Frage hier nicht näher erörtert werden. 584

Vgl. dazu die Schlußanträge des Generalanwalts Gulmann, in: EuGHE 1992 I, S. 3669, 3702, Nr. 40 (Delhaize). 585 y g ] 586

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Vgl. in diese Richtung EuGHE 1971, S. 487, 500, Rd. 12 (Deutsche Grammophon), wonach dieses Ziel (seil, der Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt) nicht zu erreichen wäre, wenn Privatpersonen aufgrund der verschiedenen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten die Möglichkeit hätten, den Markt aufzuteilen und willkürliche Diskriminierungen oder verschleierte Beschränkungen im Handel zwischen den Mitgliedstaaten herbeizuführen - vgl. zu dieser Deutung W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1233.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 30, 34 EGV eingeordnet werden. Nach diesen Vorschriften ist jede mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkung sowie Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Die Frage ist nun, ob die vorher beschriebenen Maßnahmen als "Maßnahmen gleicher Wirkung" im Sinne der oben genannten Vorschriften angesehen werden können.

αα) "Buy national"-Werbekampagnen und "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit Unter "Buy national"-Werbekampagnen werden solche Aktionen verstanden, in denen die Verbraucher eines Landes aufgerufen werden, die Produkte ihres eigenen Landes zu bevorzugen. Damit werden aber in dem betroffenen Fall des Gemeinschaftsrechts die Adressaten dieser Kampagne mittelbar aufgefordert, die Produkte sämtlicher anderer EU-Länder zu boykottieren; m. a. W. stellen solche Werbekampagnen einen mittelbaren Boykottaufruf dar 587 und werden hier deswegen getrennt untersucht. Mit der Frage der "buy national"Kampagne 588 als staatlich unterstützte Maßnahme hat sich der EuGH bisher zweimal befaßt. Im ersten Fall ging es um die Unterstützung der irischen Regierung einer "buy irish"-Werbekampagne, die sogar mit der Einführung des Etiketts "guaranteed irish" für irische Produkte verbunden war. Nachdem der Gerichtshof diese Maßnahmen der irischen Regierung zugerechnet hatte 589 , ging er davon aus, daß diese beiden Aktivitäten auf die Begründung einer von der irischen Regierung eingeführten und mit ihrer Unterstützung betriebenen nationalen Praxis hinauslaufen würden, deren mögliche Wirkung auf die Einfuhr von Waren aus anderen Mitgliedstaaten mit der Wirkung vergleichbar sei, die Regierungsakte mit zwingendem Charakter hätten 590 . "Eine solche Praxis kann nicht dem Verbot nach Artikel 30 des Vertrages entgehen, nur weil sie sich nicht auf Entscheidungen gründet, die für Unternehmen verbindlich sind. Selbst Regierungsakte eines Mitgliedstaats ohne zwingenden Charakter können das Verhalten der Händler und der Verbraucher in diesem Staat beeinflussen und somit die Erreichung der in Artikel 2 des Vertrages genannten und in Artikel 3 näher ausgeführten Ziele der Gemeinschaft vereiteln" 591 .

587

Zum Tatbestand des Boykottaufrufs vgl. oben sub erster Teil C II 2 b aa. Vgl. zu verschiedenen Sachverhalten über Kampagnen dieser Art bei Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 170. 589 EuGHE 1982, S. 4005, 4022, Rd. 25 f. (Kommission/Irland) - Buy irish. 590 EuGHE 1982, S. 4005, 4023, Rd. 27 (Kommission/Irland) - Buy irish. 591 EuGHE 1982, S. 4005, 4023, Rd. 28 (Kommission/Irland) - Buy irish. 588

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Wann das der Fall ist, legt der Gerichtshof im folgenden dar: "Dies ist der Fall, wenn eine solche restriktive Praxis wie hier in der Durchführung eines von der Regierung festgelegten Programms besteht, das die nationale Wirtschaft insgesamt betrifft und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten einschränken soll, indem mit Hilfe einer Werbekampagne im nationalen Rahmen und mit der Einführung besonderer, nur für inländische Waren geltender Verfahren zum Kauf von inländischen Erzeugnissen angespornt wird, und wenn diese Aktivitäten insgesamt der Regierung zuzurechnen sind und in einer organisierten Form im ganzen Inland vorgenommen werden" 592 . Aus dieser Rechtsprechung wird zweierlei klar: Erstens braucht eine Maßnahme nicht unmittelbar, zwingend und imperativ zu sein, um das Verbot des Art. 30 EGV zu verletzen - sog. mittelbarer, faktischer und nicht imperativer Eingriff 593 -, und zweitens, nachdem ihr eingreifender Charakter bejaht wurde, behandelt der Gerichtshof unter drei ausdrücklich erwähnten Voraussetzungen solche Aktivitäten als "Maßnahmen gleicher Wirkung" i. S. d. Art. 30 EGV. Diese Voraussetzungen sind die folgenden: a) Sie sollen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten einschränken, b) sie sollen der Regierung zuzurechnen sein und c) sie sollen in einer organisierten Form im ganzen Inland vorgenommen werden 594 . Diese Rechtsprechung befindet sich in absoluter Harmonie mit der Dassonville-Formel 595 des Gerichtshofes, nämlich daß "jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen" sei 596 , so daß diese Art von Werbekampagne als "Maßnahme gleicher Wirkung" i. S. d. Art. 30 EGV betrachtet werden kann 597 .

592

EuGHE 1982, S. 4005, 4023, Rd. 29 (Kommission/Irland) - Buy irish. Vgl. oben sub erster Teil Β IV 1 c. 594 Vgl. dazu auch die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in: EuGRZ 1997, S. 388 f. (Kommission/Frankreich). 595 EuGHE 1974, S. 837, 852. 596 Vgl. zu einer glücklichen Verbindung der Dassonville-Formel des EuGH mit der "Drittwirkungsfrage" der Warenverkehrsfreiheit Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 169 f. 597 So Oliver, in: CMLRev 1982, S. 218, Fn. 8 (dort); Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 61 (m. w. N.); vgl. jedoch die davon abweichende Lösung des EuGH in EuGH EuGRZ 1997, S. 622, Rd. 28 ff. (Kommission/Frankreich) - Coordination rurale. Nicht zu verkennen ist, daß der EuGH im Verfahren des Art. 169 EGV nicht die EGRechtmäßigkeit des Verhaltens der Privaten überprüft, sondern sich auf die Frage der 593

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Ein vergleichbares Beispiel stellt der "Apple and Pear Development Council"-Fall dar 598 : Ein von der britischen Regierung errichteter und finanzierter Council veranstaltete eine Werbekampagne für Äpfel und Birnen aus England und Wales. Nachdem der Gerichtshof seine frühere Rechtsprechung i m "Buy irish"-Urteil bestätigt hatte, ist er hier i m Ergebnis zu den gleichen Schlüssen wie in jenem Urteil gekommen 599 . Seine Argumentation überzeugt: "Eine solche Körperschaft (seil.: wie der Council) ist insbesondere verpflichtet, sich jeder Werbung zu enthalten, die vom Kauf von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten abhalten und die solche Erzeugnisse in den Augen der Verbraucher herabsetzen soll. Sie darf auch nicht den Verbrauchern zum Kauf einheimischer Produkte ausschließlich aufgrund ihres inländischen Ursprungs raten" 600 . Aus der oben dargestellten Judikatur ergibt sich nicht ohne weiteres die Annahme einer "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit. Dagegen hebt der Gerichtshof in beiden Urteilen hervor, daß die umstrittenen Aktivitäten der Regierung jedenfalls der öffentlichen Gewalt eines Mitgliedstaates zuzurechnen seien. Das bedeutet aber auch nicht, daß deswegen eine "Drittwirkung" auszuschließen ist. Wie gesagt: Die dogmatische Grundlage einer "Drittwirkung" der Grundfreiheiten, die u. a. von der Walrave-Rechtsprechung festgelegt wurde, nämlich daß auch Private die Grundfreiheiten und damit die Errichtung des Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes gefährden können, findet i m Fall der Warenverkehrsfreiheit absolute Anwendung. Wenn man darüber hinaus auf die Dassonville-Rechtsprechung des EuGH über den Begriff der "Maßnahmen gleicher Wirkung" rekurriert und sie mit der Walrave-Rechtsprechung in Verbindung setzt, kommt man zum Ergebnis, daß die "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit für solche privaten Maßnahmen bestätigt werden kann. Wenn "Buy national"-Werbekampagnen von privater Seite (Presseorgane usw.) die beiden anderen Voraussetzungen des "buy irish"-Urteils erfüllen, d. h. daß sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten einschränken und daß sie in einer organisierten Form i m ganzen Inland vorgenommen werden sollen, so darf man das Hinzuziehen des Verbots des Art. 30 EGV nicht nur deswegen verneinen, daß die dritte Voraussetzung, d. h. die Zurechnung zu einer mitgliedstaatlichen Regierung, nicht erfüllt werde, weil die Aktivität einen privaten Ursprung hat 6 0 1 .

Rechtmäßigkeit des Verhaltens des beklagten Staates bzw. seiner Unterlassung, die Warenverkehrsfreiheit durch positive Maßnahmen zu schützen, konzentriert hat. 598 EuGHE 1983, S. 4083 ff. 599 EuGHE 1983, S. 4083, 4119, Rd. 17 ff. (Apple and Pear Development Council). 600 EuGHE 1983, S. 4083, 4119, Rd. 18 (Apple and Pear Development Council). 601 Vgl. im Ergebnis gleich Oliver, in: CMLRev 1982, S. 218, Fn. 8 (dort); Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 61 f , 171, 173 f.; vgl. auch Oppermann, Europarecht, Rd. 1160; anders aber W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1237, Fn. 47 (dort), und die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in: EuGRZ 1997, S. 388, in der Sache

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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ßß) Boykottaufruf-Kampagne und "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit Noch brisanter wird die Situation mit einer (unmittelbaren) BoykottaufrufKampagne. Hier handelt es sich nicht um eine positive Werbekampagne für Produkte eines Mitgliedstaates, die inländischen Produkte, sondern um die negative Kampagne gegen die Produkte eines bestimmten oder bestimmter oder sämtlicher Mitgliedstaaten. Obwohl ein solcher Fall bisher nicht seinen Weg zum EuGH genommen hat, kann man zweifelsohne aus der "Buy irish"Rechtsprechung des Gerichtshofes schließen, daß eine solche Kampagne unter den in jenem Urteil bestimmten Voraussetzungen als "Maßnahme gleicher Wirkung" i. S. d. Art. 30 EGV zu behandeln ist. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs am Maßstab des deutschen (Verfassungs-)Rechts wurde bereits ausführlich erörtert 602. Die dort dargestellten Beispiele der letzten Jahre in Deutschland sind oder könnten auch für das Gemeinschaftsrecht relevant sein: Im Fall des Boykottaufrufs gegen die Ölfirma Shell kann dessen Erfolg die Ölimporte dieser Firma aus Großbritannien, einem anderen Mitgliedstaat, beeinträchtigen. Noch heftiger in den Auswirkungen war der Fall des Boykottaufrufs gegen sämtliche französische Produkte wegen der Mururoa-Atomtests. Selbst das Beispiel des amerikanischen Films "Mission impossible", dessen Produzent und Protagonist Anhänger der Scientology Kirche ist, kann Relevanz für das Gemeinschaftsrecht erlangen, wenn in diesem Fall der Film statt in den USA in einem anderen Mitgliedstaat, ζ. B. in Frankreich oder Italien, produziert worden wäre. Hier gilt entsprechend, was für die "Buy national"-Werbekampagne ausgeführt wurde. Die Warenverkehrsfreiheit und das Verbot des Art. 30 EGV wirken auch gegen diese privaten Aktionen.

γγ) Sonstige Fälle einer "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit Um einen Boykott oder eine boykottähnliche Aktion handelt es sich im Fall der Streiks im Import- bzw. Exportgewerbe. Ein solches Beispiel bildet der Fall, daß eine Gewerkschaft beim Warentransport die Überschreitung der nationalen Grenzen, ζ. B. durch Streikposten am Kai, verhindert, weil sie Importe oder Exporte aus bzw. in bestimmte oder sämtliche Mitgliedstaaten aus gewis-

Kommission/Frankreich, der, um Verstöße gegen die Warenverkehrsfreiheit seitens Privater in den Anwendungsbereich des Art. 30 EGV einzuordnen, verlangt, daß das Handeln Privater dem betroffenen Mitgliedstaat zuzurechnen ist; überdies EuGH EuGRZ 1997, S. 622, Rd. 28 ff. (Kommission/Frankreich) - Coordination rurale. 602 s. oben sub erster Teil C II 2 b.

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

sen Gründen boykottieren will 6 0 3 . Vergleichbar ist der Fall einer Sitz- und Lastkraftwagenblockade durch Landwirte an den französisch-belgischen Grenzen im Jahre 1983, mit der bezweckt wurde, den Import von belgischen und niederländischen Produkten nach Frankreich zu behindern 604 . Eine ähnliche Fallkonstellation stellte der Streik der Fernfahrer an der deutsch-französischen Grenze im November 1996 dar, der für mehrere Tage die Fahrt von LKWs über die Europabrücke Kehl-Straßburg verhindert hat 605 , sowie die Straßensperren der ebenfalls französischen Fernfahrer 1997, die den Güterkraftverkehr u.a. an den Grenzübergängen nach Großbritannien und Belgien blockierten 606 . Als die aggressivste Aktion jedoch gilt die "coordination rurale" der französischen Bauern. Sie bestand aus Plünderungen ausländischer Lastwagen mit Produkten aus anderen Mitgliedstaaten und der Bedrohung von Groß- und Mittelhändlern, um diese zu zwingen, französische Produkte zu bevorzugen 607. A l l diese Maßnahmearten können den zwischenstaatlichen Warenverkehr beeinträchtigen und fallen unter das Verbot des Art. 30 EGV 6 0 8 .

δδ) Die Frage nach der Rechtfertigung der privaten Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit Die Feststellung, daß die oben dargestellten Beispiele unter das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot des Art. 30 EGV fallen und als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne dieser Vorschrift gelten können, bedeutet nicht, daß sie ohnehin gemeinschaftsrechtswidrig sind. Wie bei den staatlichen Maßnahmen muß zuerst ihre gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung überprüft werden, damit sie als rechtmäßig oder -widrig behandelt werden können. Wie bei den

603

Vgl. zum Sachverhalt Matthies, in: GS Sasse, S. 124; Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 175. 604 Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 179; vgl. zu weiteren Beispielen zu Blockadeaktionen in Großbritannien, die den Warenverkehr innerhalb der EU beeinträchtigten, Szczekalla, in: DVB1. 1998, S. 219, Fn. 2 (dort). 605 Vgl. dazu FAZ v. 21. 11. 1996, S. 8undFAZ v. 23. 11. 1996, S. 8. 606 FAZ v. 5. 11. 1997, S. 1, 2. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, daß aufgrund dieser Konstellation die Kommission erwogen hat, erneut im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 169 EGV vor dem_EuGH gegen Frankreich vorzugehen vgl. FAZ, a. a. O. Laut Presseinformationen soll die Kommission anläßlich des EuGHUrteils und aufgrund der erneuten Zwischenfälle mit französischen Fernfahrern auf einen Vorschlag des italienischen Kommissars Monti hin den Erlaß einer Richtlinie vorgeschlagen haben, die sofortige Sanktionen gegen die versäumigen Mitgliedstaaten vorsehen sollte - FAZ v. 7. 11. 1997, S. 2. 607 Vgl. zum Fall EuGH EuGRZ 1997, S. 620 ff. (Kommission/Frankreich) - Coordination rurale; weitere Beispiele zu Plünderungsaktionen in Frankreich und Großbritannien bei Szczekalla, in: DVB1. 1998, S. 219, Fn. 2 (dort). 608 So Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 176 ff, 179 ff.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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anderen Freiheiten wird genauso bei der Warenverkehrsfreiheit die Rechtfertigung der privaten Beeinträchtigungsmaßnahmen nicht am Maßstab der Rechtfertigungsgründe der Art. 36 EGV, sondern am Maßstab der "immanenten Schranken" der Grundfreiheiten bzw. der Warenverkehrsfreiheit gemessen. Daß der Gerichtshof nach seiner "Cassis de Dijon"-Rechtsprechung anerkannt hat, daß die Warenverkehrsfreiheit über die Schranken des Art. 36 EGV hinaus immanente Schranken besitzt, ist bereits dargelegt worden 609 . Es wurde ebenfalls bereits ausgeführt, daß jede Grundfreiheit immanente Schranken hat, die durch die Gemeinschaftsgrundrechte dargestellt werden, falls sie mit jenen kollidieren 610 . Um solche Kollisionen handelt es sich bei den schon vorgestellten Beispielen. In den "Buy national"- und den Boykottaufruf-Kampagnen kollidiert die Warenverkehrsfreiheit mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung, soweit solche Kampagnen zu dem geistigen Meinungskampf beitragen 611 6 1 2 , selbst wenn dadurch auch wirtschaftlichen Interessen gedient wird die geistig-ideelle Auseinandersetzung muß jedoch im Vordergrund stehen613. Während das bei den Boykottaufrufen relativ unproblematisch der Fall ist, da sich die Aufrufer dadurch gegen eine politische (ζ. B. gegen den Vollzug der Todesstrafe im boykottierten Land) oder religiöse (gegen die Methoden einer gewissen Sekte - der "Scientology Church"-Fall) Haltung oder die Außen-, Atom- (der Fall Frankreich/Mururoa) oder Umweltpolitik eines Landes oder eines multinationalen Konzerns (der Fall Shell) richten, erscheint das im Fall der "buy-national"-Kampagne umstritten zu sein. Denn dadurch wird der Abbau der einheimischen Arbeitslosigkeit und demgemäß die Stärkung der nationalen Wirtschaft bezweckt, Ziele, die einen starken volkswirtschaftlichen Charakter haben. Trotzdem kann ein ideell-patriotischer Sinn in einer solchen Kampagne nicht ausgeschlossen werden, soweit der Boykott-Aufrufer nicht auf eigene wirtschaftliche Interessen, sondern auf die Interessen seines Heimatlan-

609

s. oben sub 4 b Vgl. oben sub 6 b. 611 So Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 238. 612 Eine solche Konstellation erkennt mittelbar auch der Gerichtshof in EuGHE 1983, S. 4083, 4119, Rd. 17 (Apple and Pear Development Council) an, indem er darlegt, daß eine Körperschaft wie der Council, die von der Regierung eines Mitgliedstaates errichtet worden ist und von einer bei den Erzeugern erhobenen Abgabe finanziert wird, von Gemeinschaftsrechts wegen hinsichtlich der verwendeten Werbemethoden nicht dieselbe Freiheit genießen könne wie die Erzeuger selbst oder wie freiwillige Erzeugergemeinschaften. Das darf nicht dahingehend verstanden werden, daß der Gerichtshof damit die Wirkung der Warenverkehrsfreiheit in den privatrechtlichen Beziehungen ausschließt, sondern daß er damit den Freiheitsstatus der Privaten anerkennt, der gegenüber der Warenverkehrsfreiheit als grundrechtlich kollidierende Position geltend gemacht werden kann, den aber die staatlichen Körperschaften nicht genießen können. 613 Vgl. auch, aber zu weit, Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 195, der das Geltendmachen der Gemeinschaftsgrundrechte gegenüber den Grundfreiheiten ausschließt, wenn sie zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübt werden. 610

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

des, die die Öffentlichkeit betreffen, achtet. Letzten Endes kann man sich auf die Privatautonomie 614 und die allgemeine Handlungsfreiheit 615 als Auffanggrundrecht des Gemeinschaftsrechts berufen, um seine grundrechtlichen Positionen im Gemeinschaftsrecht geltend zu machen. Über die Meinungsfreiheit und die Privatautonomie hinaus können die Pressefreiheit, falls der BoykottAufrufer oder der Veranstalter der Kampagne ein Presseorgan ist, die Rundfunkfreiheit, falls er ein Rundfunk- oder Fernsehsender ist, die Religions- und Kultusfreiheit, falls sich die Kirchen oder andere Religionsvereine besonders im Rahmen ihres Kultus für den Boykott eines Filmes mit einem ihrer Meinung nach antichristlichen oder im allgemeinen antireligiösen Inhalt einsetzen 616 , oder die Gewerkschafts- bzw. Koalitionsfreiheit 617 , falls der Boykottaufruf oder die "buy national"-Werbekampagne ihren gewerkschaftlichen Zielen dient, ζ. B. dem Abbau der Arbeitslosigkeit. In den Fällen der Streiks oder der Sitzund Lastkraftwagenblockaden kollidiert i m ersten Fall das Streikrecht als besondere Ausprägung der Gewerkschafts- bzw. Koalitionsfreiheit 618 mit der Warenverkehrsfreiheit und i m zweiten die Versammlungsfreiheit 619 , beide als Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung 620.

614 Zur Privatautonomie im Gemeinschaftsrecht vgl. W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1231 f.; vgl. auch unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit Canaris, in: FS Lerche, S. 889 ff. Es muß betont werden, daß Boykottaufrufe, die mit einer Bedrohung verbunden sind, wie derjenige in einem Brief der "coordination rurale" an die Leiter der französischen Supermärkte - vgl. dazu die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz, in: EuGRZ 1997, S. 386, in der Sache Kommission/Frankreich -, unter keinen Umständen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen oder letzten Endes in die Privatautonomie eingreifen können. Diese Boykottaufrufe dienen keinesfalls dem geistigen Meinungskampf und deuten die Ausübung psychologischer oder sogar körperlicher Gewalt an. Insoweit können sie nicht mit der Warenverkehrsfreiheit abgewogen werden und sind nicht zu rechtfertigen. 615 Zur Ableitung der allgemeinen Handlungsfreiheit als Grundrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung vgl. EuGHE 1987, S. 2289, 2338, Rd. 15 (Rau); Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 237 f.; Oppermann, Europarecht, Rd.414; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 135 f.; vgl. auch Steinberger, in: VVdDStRL 1991, S. 26, der davon ausgeht, daß sich im Hoechst-Urteil des EuGH - E 1989, S. 2859 ff. - selbst die Verbürgung einer allgemeinen Handlungsfreiheit anzubahnen scheine. 616 Das war 1988 in Griechenland der Fall, als griechisch-orthodoxe Kreise das griechische Publikum zu einem Boykott gegen den auf dem Buch des griechischen Schriftstellers Nikos Kazantzakis basierenden Film "The last temptation" aufriefen, weil ihrer Meinung nach der Film einen eindeutig antichristlichen Inhalt gehabt habe. 617 Zur Ableitung der Gewerkschaftsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht vgl. Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 240 f.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 58 ff.;

Szczekalla, in: DVB1. 1998, S. 224. 618

So auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 240 f. Es versteht sich im Hinblick auf die Darlegung an anderer Stelle - vgl. Fn. 614 -, daß Blockaden oder sonstige Aktionen, die mit gewalttätigen und vermögensvernichtenden Aktionen, wie Plünderung von LKWs mit ausländischen Produkten, verbunden 619

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

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Wie bereits mehrmals ausgeführt wurde, ist im Falle dieser Kollisionen die Lösung nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. der praktischen Konkordanz (Abwägungsgebot) zu suchen. Bei der Verhältnismäßigkeits- und Abwägungsprüfung spielt zweifelsohne das legitime Ziel der Verwirklichung und Errichtung des Binnenmarktes eine enorme Rolle. Soweit die Grundfreiheiten bzw. die Warenverkehrsfreiheit wesentlich dazu beitragen, sollte ihre Ausübung möglichst unbeeinträchtigt bleiben und sollten im Gegenteil Eingriffe und Beeinträchtigungen jeglicher Art beseitigt werden, selbst wenn sie die Ausübung von Gemeinschaftsgrundrechten darstellen 621 . Das bedeutet, daß der Boykottaufruf oft als dem Verbot des Art. 30 EGV widersprechend behandelt werden soll, wenn er den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Boykottaufruf sämtliche Produkte eines Mitgliedstaates betrifft - ζ. B. die französischen Produkte wegen der Mururoa-Atomtests der französischen Regierung . Die Unverhältnismäßigkeit des Boykottaufrufs zeigt sich eindeutig an diesem Beispiel, denn er trifft nicht nur den eigentlichen Zweck, nämlich die Atompolitik der betreffenden Regierung, sondern vielmehr jede französische Wirtschaft und letzten Endes die französische Bevölkerung, die möglicherweise überwiegend auch gegen diese Politik ist. Durch diesen Boykottaufruf hätte der grenzübergreifende Warenverkehr zwischen Deutschland und Frankreich, den beiden sog. Motoren der Gemeinschaft, in den Ruin getrieben werden können. In einem solchen Fall wie in jedem vergleichbaren Fall - hätte man sich von dem Europäischen Binnenmarkt verabschieden können. In dem Fall des Boykottaufrufes gegen einen Film, dessen Protagonist und Produzent Mitglied einer mutmaßlich kriminellen Sekte ist, kann man nicht so kategorisch sein. Durch diesen Boykottaufruf wird nicht die Wirtschaft eines ganzen Landes getroffen, sondern nur die an dem Entstehen des Films Beteiligten. Andererseits kommt dem ideellen Meinungskampf in einem solchen Fall eine besondere Bedeutung zu, wenn der Boykottaufruf der Bekämpfung organisierter krimineller Methoden dient, die elementare Prinzipien unserer Gesellschaft und unserer Rechtskultur verletzen. Wenn aber der umstrittene Film keinerlei Indizien in diese Richtung aufweist und überhaupt nicht, auch nicht mittelbar, zur Verbreitung solcher Methoden beiträgt, erscheint es unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. der Güterabwägung fraglich, ob diese Boykottaktion i. S. d. Art. 30 EGV gerechtfertigt ist.

sind, nicht in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht fallen können. 620 Vgl. dazu auch Szczekalla, in: DVB1. 1998, S. 224. 621 Vgl. ebenso Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 238 f.; vgl. auch allgemein zur Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der "Drittwirkung" der Grundfreiheiten Schroeder, Sport und Europäische Integration, S. 198 f.; ders, in: JZ 1996, S. 256; Steindorff in: FS Lerche, S. 586.

720

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Im Fall Shell geht es zwar um eine heftige Einschränkung des zwischenstaatlichen Warenverkehrs, wenn der Boykottaufruf sich gegen einen Ölkonzern richtet. Die Meinungsfreiheit usw., deren Ausübung dem geistigen Meinungskampf dient, soll aber in diesem Beispiel vorgehen. Das Kampfmittel des Boykottaufrufes scheint hier verhältnismäßig zu sein. Denn dieser richtet sich gegen einen Konzern, dem selbst und nicht bloß führenden Funktionären oder einzelnen Mitarbeitern vorgeworfen wird, daß er die Umwelt verschmutze und die Bevölkerung oder Teile der Bevölkerung eines Landes ausbeute. Dagegen sind die "Buy national"-Werbekampagnen regelmäßig gemeinschaftsrechtswidrig i. S. d. Art. 30 EGV, da sie auf das Gegenteil der Verwirklichung des Binnenmarktes, nämlich den Protektionismus der nationalen Volkswirtschaften, abzielen. Dementsprechend fehlt überhaupt das "legitime" Ziel für die Rechtfertigung einer solchen Aktivität. Die Meinungsfreiheit, wenn diese überhaupt zu bejahen ist, hat hinter der Warenverkehrsfreiheit zurückzutreten. Was die Beispiele der Streiks sowie der Sitz- und LKW-Blockaden anbelangt, ist zu differenzieren. Ein Streik, der sich gezielt gegen den Import von Waren aus dem Ausland richtet, widerspricht sogar auf eine heftigere Art als die "Buy national" Kampagnen (unmittelbar) den Aufgaben und Zielen der Gemeinschaft (vgl. Art. 2 EGV) und muß als solche gemeinschaftsrechtlich abgelehnt werden 622 . Dagegen soll ein Streik, der die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zum Ziel, aber mittelbar und ungezielt die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der Gemeinschaft zur Folge hat, zuallererst als gemeinschaftsrechtmäßig behandelt werden. In einer solchen Konstellation hat die Gewerkschaftsfreiheit vorzugehen 623. Dauert aber dieser Streik zu lange an und ist die davon verursachte Einschränkung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs unverhältnismäßig (i. e. S.) groß bzw. unzumutbar, dann sollte er hinter die Warenverkehrsfreiheit zurücktreten. Wenn die umstrittene Blokkadeaktion als Ausübung der Versammlungsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht die Grenzübergänge blockiert, verstößt sie wegen ihres unverhältnismäßigen Charakters offenbar gegen das Verbot des Art. 30 EGV. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit durch diese Aktion ist unverhältnismäßig groß, weil sie auf eine andere, für die Warenverkehrsfreiheit weniger belastende Art, ausgeübt werden kann. Die protestierenden Landwirte hätten sich zwar an den Grenzen versammeln und gegen den Import der ausländischen Produkte demonstrieren können, jedoch ohne die Grenzübergänge zu blockieren.

622 So auch Matthies, in: GS Sasse, S. 124; Schaefer, S. 242 f. 623 Vgl. ebenso Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 243.

Unmittelbare Wirkung,

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

721

Abschließend kann zusammengefaßt werden, daß die Absage an den freien Warenverkehr - als objektiv-rechtlichen Grundsatz, aber auch als subjektivrechtliche Freiheit - als wichtiges Element des freien Wettbewerbs und der Wettbewerbsfreiheit durch diese Methoden, selbst wenn sie in den Schutzbereich gemeinschaftsrechtlicher Grundrechte fallen, keine Rechtfertigung im Rahmen des Europäischen Binnenmarkts finden kann. Die Lehre der "Drittwirkung" der Grundfreiheiten in Verbindung mit den Kollisions- und Konkordanzlehren trägt dazu wesentlich bei.

ß) "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit und Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums nach Art. 36 EGV: Ausstrahlungswirkung der Warenverkehrsfreiheit auf das innerstaatliche Privatrecht? Die Frage der Wirkung der Warenverkehrsfreiheit auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten in bezug auf den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ist heftig diskutiert worden. Anlaß und Gegenstand der Diskussion sind in erster Linie Absprachen und Vereinbarungen zwischen einzelnen über die Ausübung der gewerblichen und kommerziellen Rechte des geistigen Eigentums nach dem jeweiligen nationalen Urheber-, Patent- und Wettbewerbsrecht in den Mitgliedstaaten. Diese Vereinbarungen sind als Einschränkungen des zwischenstaatlichen Warenverkehrs zu verstehen und, sofern sie von Privaten abgeschlossen werden, ist zu fragen, ob es sich damit um eine Frage der "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit handelt. U m Mißverständnisse zu vermeiden, ist von Anfang an klar zu machen, daß, soweit spezifische nationale Gesetze diese Rechte und die Vereinbarungen über ihre Ausübung zu schützen haben, sie am Maßstab der Art. 30, 36 EGV zu messen sind. Es geht um Gesetze, die im Sinne dieser Vorschriften gemeinschaftsrechtmäßig sind, wenn sie den Rechtfertigungsgrund des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums (Art. 36 S. 1 EGV) sowie die Voraussetzungen des Art. 36 S. 2 EGV und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfüllen. Infolgedessen erübrigt sich die Diskussion über die "Drittwirkungsfrage" 624 .

624

So Müller-Graff, in: G/T/E, Art. 30, Rd. 127; vgl. auch EuGHE 1992 I, S. 3669, 3709, Rd. 15 f. (Delhaize); 1994 I, S. 2789, 2848, Rd. 36 (IHT Internationale Heiztechnik und Danziger); Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 94 ff, in bezug auf die Einschätzung der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH; a. A. Matthies, in: GS Sasse, S. 122; Pipkorn, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 211; Sireil, ebenda, S. 298; Steindorff in: FS Lerche, S. 578 f , 584 f.; W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1233. Die Frage ist allerdings umstritten - vgl. dazu die Auseinandersetzung im Schrifttum bei Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 76, Fn. 1 (dort). 46 Tsiliotis

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Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Das ist aber nicht genau der Fall, wenn sich die Parteien auf private Vereinbarungen berufen und das vertragswidrige Verhalten der anderen Partei mit den Generalklauseln des innerstaatlichen Urheber-, Patent- und Wettbewerbsrechts begründen. Da diese Generalklauseln nicht ausdrücklich und in concreto vorsehen können, ob die vereinbarte Regelung über den Schutz der gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechte und dementsprechend die Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit zu verbieten ist, können sie nicht, wie die anderen nationalen Vorschriften, die einen spezifischeren Charakter haben, direkt als Schranken des Art. 36 EGV behandelt werden. Sie bedürfen vielmehr der Auslegung durch den nationalen Richter, dem in erster Linie der Sachverhalt nach dem innerstaatlichen Recht vorgelegt wird. Wenn die Konstellation den zwischenstaatlichen Handel in der Gemeinschaft/EU betrifft, ergibt sich automatisch die Frage des Verhältnisses von nationalem Recht (der Generalklausel) zu Gemeinschaftsrecht (Art. 30, 36 EGV). Hier gilt wie immer das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts. Es handelt sich aber nicht um einen typischen Kollisionsfall, so daß das Gemeinschaftsrecht das nationale Recht brechen und verdrängen sollte - die betroffene Generalklausel kann nach wie vor in Geltung bleiben. Es handelt sich um die Auslegung des nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts 625. In diese Richtung bewegt sich unbewußt auch der EuGH, indem er zwischen Bestand der gewerblichen Eigentumsrechte, die vom Vertrag (Art. 222 EGV) unberührt bleiben, und ihrer Ausübung, die in das Verbot des Art. 30 EGV fällt, unterscheidet und weiter darlegt, daß dieses Ziel (seil, der Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt) nicht zu erreichen wäre, "wenn Privatpersonen aufgrund der verschiedenen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten die Möglichkeit hätten, den Markt aufzuteilen und willkürliche Diskriminierungen oder verschleierte Beschränkungen im Handel zwischen den Mitgliedstaaten herbeizuführen" 626. Das bedeutet, daß die nationalen Gesetzgebungen über die Ausschließlichkeitsrechte des gewerblichen und kommerziellen Eigentums nicht so interpretiert werden dürfen, daß ihre Ausübung von den Rechtsinhabern gegen das Verbot des Art. 30 EGV verstoßen würde 627 . Hier kann mutatis mutandis in vollem Umfang die Ausstrahlungswirkungstheorie des BVerfG in dem Sinne ange-

625 Vgl. zu einer zutreffenden Verbindung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts mit der "Drittwirkungsproblematik" in diesen Konstellationen Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 9 f.; dagegen sieht Steindorff in: FS Lerche, S. 578, in diesem Fall eine "unmittelbare Drittwirkung". 626 EuGHE 1971, S. 487, 499 f , Rd. 11 f. (Deutsches Grammophon); 1981, S. 181, 193, 195 Rd. 11, 17 (Dansk Supermarked); vgl. auch EuGHE 1982, S. 1095, 1111, Rd. 14 (Nordsee). 627 Vgl. ebenfalls zu dieser Einschätzung Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 84 f.; vgl. ähnlich Streil, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 298; Langer, Grundlagen, S. 120 f, der in diesem Fall eine "mittelbare Drittwirkung" der Grundfreiheiten über das nationale Recht bejaht.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

723

wendet wenden, daß für die Auslegung der Generalklausel bezüglich der Frage, ob in ihrem Sinne das gegen die Vereinbarung verstoßende Verhalten der einen Partei, ein kommerzielles und gewerbliches Eigentumsrecht in den Verkehr zu bringen, rechtswidrig und demnach zu verbieten ist, oder ob es rechtmäßig ist, weil die Vereinbarung gegen das Verbot des Art. 30 EGV verstößt, das Verbot des Art. 30 EGV also in erster Linie zu berücksichtigen ist 628 . Diese Konstruktion stellt eine Konstellation der "mittelbaren Drittwirkung" der Grundfreiheiten dar. Das folgende Beispiel zeigt dies deutlich: Es besteht eine Absprache zwischen dem Unternehmen A, einer dänischen Firma, und dem Unternehmen B, aufgrund derer die Firma A die Firma Β beauftragt, eine Ware in einem anderen Mitgliedstaat unter der Bedingung herzustellen, daß die Ware nicht in "die skandinavischen Länder" (darunter auch Dänemark) ausgeführt werden dürfte. Diese Bedingung bezweckte, daß diese Ware nicht mit einer ausschließlich von der dänischen Firma vertriebenen Ware im Wettbewerb steht. Die Partei Β hält diese Vereinbarung nicht ein und beruft sich auf dieWarenverkehrsfreiheit mit der Behauptung, daß die Abmachung gegen diese verstoße. Die Partei A versucht, die Partei Β zur Einhaltung der Absprache zu zwingen, indem sie sich auf die innerstaatliche Generalklausel des dänischen Gesetzes Nr. 297 vom 14. 6. 1974 beruft, nach dem Unternehmen nicht in einer Weise tätig werden dürfen, die gegen die guten Handelssitten verstößt - nach Meinung der Partei A zwingt diese Generalklausel die Partei Β zur Einhaltung der getroffenen Vereinbarung 629 . Die Frage ist jedoch, ob der Absatz der betroffenen Ware in Dänemark als unzulässige Handelspraxis im Sinne dieser Generalklausel anzusehen ist. Die Generalklausel muß interpretiert werden - in erster Linie kommt als Auslegungsmaßstab die Warenverkehrsfreiheit des Art. 30 EGV in Betracht. Der Gerichtshof hat ausgeführt, daß Vereinbarungen zwischen Privaten in keinem Fall von den zwingenden Bestimmungen des Vertrages über den freien Warenverkehr abweichen dürften. "Daraus folgt, daß eine Vereinbarung, mit der die Einfuhr einer Ware in einen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden ist, nicht geltend gemacht werden kann, um den Absatz dieser Ware als eine unzulässige oder unlautere Handelspraxis zu qualifizieren" 630 . Falls die Generalklausel vom EuGH nach einer Vorlage gemäß Art. 177 EGV eventuell gemeinschaftsrechtskonform in dem Sinne interpretiert werden sollte, daß die betroffene Vereinbarung nicht das Verbot des Art. 30 EGV verletzen

628

Vgl. so auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 30; Langer, Grundlagen, S. 120 f. 629 Vgl. zum Sachverhalt EuGHE 1981, S. 181 (Dansk Supermarked). 630 So EuGHE 1981, S. 181, 195, Rd. 17 (Dansk Supermarked); vgl. auch ähnlich EuGHE 1994 I, S. 2789, 2855, Rd. 39, 60 (IHT Internationale Heiztechnik und Danziger).

724

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

und das nationale Gericht demgemäß den Absatz der Ware in Dänemark durch die Partei Β oder durch eine dritte Partei ftir rechtswidrig i m Sinne der innerstaatlichen Generalklausel erklären sollte, dann stellen die Generalklausel und das Gerichtsurteil einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit der Partei Β dar 631 , der aber gemeinschaftsrechtlich nach Art. 36 EGV oder den "immanenten Schranken" der Warenverkehrsfreiheit sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu rechtfertigen ist. Die Parallele zur Ausstrahlungswirkungstheorie und der sog. mittelbaren Drittwirkung ist eindeutig 632 .

cc) Die Abgrenzung der Grundfreiheiten von den Wettbewerbsregeln der Art. 85 f. EGV bei der "Drittwirkungsfrage" Bei der Problemdarstellung bezüglich der Wirkung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften, insbesondere der Grundfreiheiten, auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten bleibt noch die Auslegungsfrage im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen den Grundfreiheiten und den Wettbewerbsregeln der Art. 85 f. EGV zu klären, die sich, wie gesagt, in erster Linie an Private richten und eine "unmittelbare Drittwirkung" darstellen. Das Problem wird in der Warenverkehrsfreiheit, die am häufigsten durch Vereinbarungen zwischen Privaten eingeschränkt werden kann, noch brisanter. Eine parallele Geltung der Grundfreiheiten und der Wettbewerbsregeln als Überschneidung oder Kumulation ihrer Anwendungsbereiche (echte Idealkonkurrenz) ist abzulehnen, denn dann wäre die Ausnahmeregelung des Art. 85 I I I EGV über die Freistellung von Kartellen unter den dort dargestellten Umständen wirkungslos 633 . Das wäre jedoch der Fall, wenn eine Absprache zwischen Privaten, die zwar in den Anwendungsbereich des Art. 85 I EGV fällt, aber nach Art. 85 I I I EGV freigestellt werden kann, anhand der Grundfreiheiten nur nach den allgemeineren und weniger sicheren Maßstäben der praktischen Konkordanz gerechtfertigt werden sollte. Andererseits würde eine Anwendungsbereichsabgrenzung der Art, daß für die Maßnahmen der Mitgliedstaaten die Grundfreiheiten, für Vereinbarungen zwischen Privaten indes die Art. 85 ff. EGV anwendbar sein sollen, die 631 Vgl. die Ausführung Schaefers, S. 91 ff, der in dem Gerichtsurteil eine Maßnahme gleicher Wirkung i. S. d. Art. 30 EGV sieht. 632 s. oben sub erster Teil C I 3 e; vgl. hier Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 103, der darlegt, daß der Gerichtshof mit dem Dansk Supermarked-Urteil die Verpflichtung Privater durch Art. 30 EGV, jedenfalls für den Bereich des privaten Geschäftsverkehrs, anerkannt habe; unter dem Gesichtspunkt der "mittelbaren Drittwirkung" behandelt die vorliegende Konstellation auch W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1234 ff, er bevorzugt aber die Anwendnung der Wettbewerbsregeln nach Art. 85 f. EGV (vgl. gerade unten sub cc). 633 So Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 200 f.; Kluth, in: AÖR 1997, S. 573; a. A. Steindorff in: FS Lerche, S. 587 f , der für ein Nebeneinander von Wettbewerbsregeln und Grundfreiheiten argumentiert.

C. Die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht

725

ganze "Drittwirkungsproblematik" im Gemeinschaftsrecht in Frage stellen, ja sogar sinnlos machen. Der EuGH hat sich zwar anläßlich der Warenverkehrsfreiheit dahingehend geäußert 634, es erscheint aber sehr fragwürdig, ob damit diese Abgrenzung gemeint war. Ein solches Ergebnis sollte die Revidierung seiner ganzen "Drittwirkungs"-Rechtsprechnung sowie die Gegenstandslosigkeit der ganzen "Drittwirkungsdiskussion", zumindest was die Warenverkehrsfreiheit anbelangt, bedeuten635. Deswegen sollte diese Rechtsprechnung anders verstanden werden. Im Grunde genommen ist zwar von einem Spezialitätsverhältnis zwischen Wettbewerbsregeln und Grundfreiheiten in dem Sinne auszugehen, daß die Art. 85 ff. EGV prinzipiell das Verhalten zwischen Privaten im Wettbewerb regeln - und als solche sollten sie in erster Linie in Betracht gezogen werden, selbst wenn dieses Verhalten sonst in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallen würde 636 . Der Anwendungsbereich dieser Normen ist jedoch enger als derjenige der Grundfreiheiten, denn diese setzen folgendes voraus: a) Es soll eine Vereinbarung geben. b) Die Vereinbarung sollen Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen abgeschlossen haben. c) Die Wettbewerbsbeschränkung, die die Vereinbarung verursacht hat oder verursachen kann, soll spürbar für den zwischenstaatlichen Wettbewerb sein 637 . Diese Voraussetzungen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten. Deshalb sind sie anwendbar, nur wenn das Verhalten eines Privaten, welches eine Grundfreiheit einschränkt, nicht am Maßstab der Art. 85 ff. EGV gemessen werden kann 638 .

634 So aber EuGHE 1988, 5249, 5285, Rd. 11 (Bayer); vgl. auch bereits früher EuGHE 1984, S. 1797, 1812, Rd. 11 f. (van de Haar); 1987, S. 3801, 3830, Rd. 30 (VVR); zustimmend W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1236 f , 1243; kritisch zu einer solchen Rechtsposition Steindorff, in: FS Lerche, S. 587 f.; bereits früher Matthies, in: GS Sasse, S. 126; vgl. weiter aus dem Schrifttum die Nachweise bei Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 55, Fn. 2 (dort). 635 Vgl. dazu Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 54 ff. 636 So auch Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 201 ff.; Müller-Graff, in: G/T/E, Art. 30, Rd. 130; vgl. auch zum Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 30 ff EGV einerseits und Art. 86 EGV andererseits im Ergebnis wie hier EuG Erster Instanz E 1991 II, S. 485, 518 ff, Rd. 67 ff. (RTE); 1991 II, S. 535, 562 ff, Rd. 54 ff. (BBC); 1991 II, S. 575, 600, Rd. 52 ff. (ITP). 637 Bleckmann/Pieper, in: Lenz (Hg.), EG-Handbuch, S. 582 ff.; Oppermann, Europarecht, Rd. 899 ff.; Bieber, in: B/B/P/S, Die Europäische Union, S. 347 f.; W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1242 f. 638 Vgl. ebenso Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 60 ff, 201 ff.; dazu neigt auch W.-H. Roth, in: FS Everling, Band II, S. 1232; zu weit Kluth, in: AÖR 1997, S. 573; zurückhaltender Müller-Graff, in: G/T/E, Art. 30, Rd. 128.

726

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

Wenn beispielsweise in den Fällen der "Buy national"-Werbekampagne und des Boykotts statt einer bloßen Werbekampagne bzw. eines Boykottaufrufs eine Vereinbarung zwischen den Supermarkt-Ketten eines Mitgliedstaates in der Hinsicht getroffen worden wäre, daß diese nur einheimische Produkte verkaufen bzw. die Produkte eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten nicht verkaufen dürfen, dann werden die Wettbewerbsregeln der Art. 85 ff. EGV angewendet, vorausgesetzt natürlich, daß auch die sonstigen Tatbestandsmerkmale in diesem Sachverhalt vorliegen 639 . Genauso verhält es sich in der Konstellation, daß die Vereinbarung der betroffenen Supermarkt-Ketten vorsieht, in den Supermärkten dieser Ketten bloß Schilder mit den Hinweisen "kauft einheimische Produkte" bzw. "kauft nicht französische Produkte" usw. aufzuhängen. Die Art. 85 ff. EGV kommen zwar in Betracht, es muß aber erwiesen werden, daß die Wettbewerbsbeeinträchtigung spürbar war; das bedeutet, die Verbraucher müssen entsprechend positiv auf diese Hinweise reagiert haben. Ist dies nicht der Fall, so kommt Art. 30 EGV in Betracht. Dagegen ist eine Anwendung der Wettbewerbsregeln bei Streikmaßnahmen im Exportgewerbe oder bei Blockaden der Grenzübergänge von vornherein auszuschließen, weil sowohl bei Gewerkschaften als auch bei Arbeitnehmern und Demonstranten die "Unternehmens"- bzw. "Unternehmensvereinigungsqualität" i. S. d. Art. 85 f. EGV fehlt 640 . Die Wettbewerbsregeln der Art. 85 ff. EGV können nicht über den Umweg der Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht vermieden werden. Das bedeutet, daß der Unternehmer A aus Deutschland und der Unternehmer Β aus Frankreich, die abgesprochen haben, daß A ausländische Waren nur aus Frankreich und Β nur aus Deutschland importieren soll, sich nicht auf ihre Wettbewerbsfreiheit als Ausfluß ihrer Privatautonomie oder Gewerbefreiheit berufen können, um eine solche Vereinbarung zu rechtfertigen, wenn ihr Verhalten von den Art. 85 ff. verboten ist. Denn diese Vorschriften als spezifische und geschriebene Normen, die in erster Linie das Verhalten Privater im Wettbewerb regeln sollen, stellen die immanenten Grenzen der Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht dar und begrenzen entsprechend auch ihren Schutzbereich 641 .

639

Vgl. zur Anwendung des Art. 85 EGV bei der Rechtmäßigkeitsüberprüfung einer Boykottaktion zwischen Unternehmern EuGH GRUR Int. 1996, S. 147; vgl. auch BGH NJW 1996, S. 3212 ff. (Fremdleasingboykott II). 640 Vgl. Schaefer, Unmittelbare Wirkung, S. 62. 641 Vgl. auch Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 105.

D. Schlußergebnis dd) "Drittwirkung"

der Wettbewerbsfreiheit

727 als Gemeinschaftsgrundrecht?

Eine "Drittwirkung" der Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht erscheint schwierig nachvollziehbar, denn sie setzt voraus, daß das Grundrecht im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts geltend gemacht wird. Das kann im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten und der Wettbewerbsregeln der Fall sein: Diese Vorschriften schützen jedoch die Wettbewerbsfreiheit als grundrechtsähnliche Freiheit und verdrängen diese nach der oben dargelegten Konkurrenzregel als Gemeinschaftsgrundrecht, weil sie im Gegensatz zu dem Gemeinschaftsgrundrecht der Wettbewerbsfreiheit, das als ungeschriebene Rechtsquelle gilt, geschriebene Normen darstellen. Demgemäß soll ein Geltendmachen der Wettbewerbsfreiheit gegenüber Privaten die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln zugrunde legen. Einen solchen "Drittwirkungsfall" kann man sich trotzdem in einer Kollision zwischen Grundrechten der Gemeinschaftsrechtsordnung bzw. der Wettbewerbsfreiheit und den Grundfreiheiten vorstellen, wenn im o. g. Beispiel der beiden Unternehmer die Vereinbarung dahingehend lautete, daß nur Arbeitnehmer aus Deutschland bzw. Frankreich beschäftigt werden sollten. Der Vertragsabschluß fällt in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Unternehmer als Ausfluß ihrer Vertragsfreiheit im Wettbewerb. Man könnte sich auf die Wettbewerbsregeln der Art. 85 f. EGV berufen, um die Gemeinschafts Widrigkeit dieses Abschlusses geltend zu machen, es geht jedoch nicht um die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob dadurch der Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes beeinträchtigt, verhindert oder verfälscht wird. Man kann aber auf Art. 48 I I EGV und die dort gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer zurückgreifen, um sie mit der Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer abzuwägen - hier kann die Wettbewerbsfreiheit in der BürgerBürger-Relation Anwendung finden. Ist das Ergebnis dieser Güter- und Interessenabwägung die Bevorzugung der Grundfreiheit der Arbeitnehmer und nicht das Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer, so spricht dies trotzdem nicht gegen die Anwendung der "Drittwirkung" der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht.

D. Schlußergebnis Der grundrechtliche Schutz der wirtschaftlichen und wettbewerblichen Betätigung muß in einer Rechtsgemeinschaft, die zum einen die Errichtung eines Gemeinsamen bzw. Binnenmarktes und mittlerweile auch der WWU zur Hauptaufgabe hat und sich zum anderen zu den Grund- und Menschenrechten bekennt, von zentraler Bedeutung sein. Die EG, inzwischen EU, ist nicht bloß

728

Zweiter Teil: Die Wettbewerbsfreiheit in der EU-Verfassung

eine supranationale Organisation, deren Ziele sich in einer Zollunion oder einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Rahmen des Binnenmarktes erschöpfen, wie einige Stimmen oder politische Kräfte - die "Euroskeptiker" - in verschiedenen EU-Ländern anstreben. Sie ist vielmehr eine Staaten-Union, deren Grundsätze weiter darüber hinausgehen. Die richterrechtliche Ableitung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, sei es als rechtsstaatliche Grundsätze, sei es als Grundrechte, zeigt das deutlich. Aber der Grundrechtsschutz i m Gemeinschaftsrecht verbleibt auch nach dem EUV vorwiegend im Rahmen der richterrechtlichen Rechtsfortbildung des EuGH, die so viel zu der Entwicklung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht beigetragen hat und die der EUV in Art. F I I aufgenommen hat - sie bleibt aber unvollständig 6 4 2 . Die Weiterentwicklung der Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Wirtschafts- und Währungsunion und hoffentlich später zu einer politischen Union zeigt, daß die Zeit für die Entwicklung des Grundrechtsschutzes, insbesondere des Grundrechtsschutzes der wirtschaftlichen Tätigkeit, auf einer anderen Ebene reif geworden ist. Der Grundrechtsschutz aufgrund der richterrechtlichen Rechtsgewinnung muß von dem Grundrechtsschutz aufgrund eines eigenständigen Grundrechtskatalogs der Gemeinschaft bzw. der EU abgesetzt werden 643 . Dieser Grundrechtskatalog muß Bestandteil des (geschriebenen) Verfassungsrechts der EU sein. Alles hängt von dem politischen Willen ab, daß sich die EU von ihrer vorhandenen Form zu einer politischen Union, wie die Gründer der Gemeinschaften sie konzipiert und als Vision gehabt haben, weiterentwickelt. Die "Sirenen" der sog. Euroskeptiker machen klar, was sie erreichen wollen es wurde ausführlich dargelegt. Die Frage ist, was die Ziele der Befürworter der Europäischen Integration sind. Der europäische Binnenmarkt ist trotz aller Probleme seit Ol. Ol. 1993 Realität. Die EU ist nach dem Vertrag von Maastricht trotz der noch größeren Probleme ebenso Realität. Kann die politische Union Realität werden? Dabei kommt es auf einige Faktoren an. Einer davon ist die Anerkennung des Grundrechtsschutzes aufgrund eines Grundrechtskatalogs. Das Europäische Parlament hat mit seiner Erklärung von 1989 den ersten Schritt in diese Richtung getan. M i t dem Abschluß des_Amsterdamer Vertrags, der teilweise die Institutionen der EG/EU ändert, hatten die Mitgliedstaaten eine große Chance, zu zeigen, daß sie sich noch als Herren der Verträge und des EUV in diese Richtung bewegen wollten. Sie haben diese Chance leider versäumt. Ihre Zurückhaltung bezüglich der Reformierung der EU-

642 643

So auch Storr, in: Der Staat 1997, S. 571 f. Vgl. zustimmend statt aller Storr, Der Staat 1997, S. 571 f.

D. Schlußergebnis

729

Institutionen zeigt sich eindeutig an ihrer Zögerung, den Grundrechtsschutz in der EU erheblich zu erweitern. Man muß demnach weiter abwarten 644.

644

Vgl. zur Problematik der Einführung eines Grundrechtskatalogs in der EG/EU statt aller Lenz, in: NJW 1997, S. 3289 f.

Dritter Teil

Deutsche Grundrechtslehre und Gemeinschaftsrechtsordnung Nach der ausführlichen Darstellung des grundrechtlichen Schutzes der Wettbewerbsfreiheit in der deutschen und in der Gemeinschaftsrechtsordnung kann man zu interessanten Resultaten gelangen, die die allgemeine Grundrechtslehre, aber auch den besonderen Schutz der Wettbewerbsfreiheit betreffen. Diese Ergebnisse werden aus der Perspektive des Einflusses der deutschen Grundrechtslehre auf die Grundrechtslehre des Gemeinschaftsrechts untersucht. Der Entwicklungsprozeß des Grundrechtsschutzes und der Grundrechtslehre im Gemeinschaftsrecht kann als Ausfluß der großen Entwicklung der Grundrechtslehre in der deutschen Rechtstheorie und -praxis nach dem zweiten Weltkrieg betrachtet werden. Beobachtet man die Entwicklung der Grundrechtsdiskussion im Gemeinschaftsrecht, so kann man feststellen, daß die Frage des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht in der deutschen Rechtswissenschaft von Anfang an gestellt wurde. Während der EuGH diese Frage zu Beginn seiner Rechtsprechung vernachlässigt hat, haben deutsche Streitparteien bei Rechtsstreitigkeiten vor dem EuGH (Stork, Ruhrkaufgesellschaft) diese Frage auf eine etwas ungeschickte Weise zur Diskussion gestellt. Nach der Vorlage eines deutschen Gerichts, des Verwaltungsgerichts Stuttgart, hat sich der Gerichtshof im Fall Stauder zum ersten Mal positiv bezüglich der Geltung der Gemeinschaftsgrundrechte geäußert. Daß der Grundrechtsschutz nur in der Form allgemeiner Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung konzipiert wurde, hat zum anderen, wie gezeigt wurde, zweifelsohne mit der französischen Rechtstradition zu tun. Darüber hinaus ist es nicht übertrieben zu behaupten, daß das sog. Solange I-Urteil des BVerfG trotz aller Kritik und abgesehen von der Frage, ob man es für richtig oder nicht hält, den EuGH motiviert hat, in den 70er und 80er Jahren einen ungeschriebenen Grundrechtskatalog mit zahlreichen Grundrechten abzuleiten, der in Ermangelung eines geschriebenen, positivierten Grundrechtskatalogs immerhin für neue Grundrechte offen bleibt. Auch bezüglich der wirtschaftlichen Betätigung im Wettbewerb hat der EuGH ein solches Grundrecht anläßlich eines Rechtsstreits mit deutscher Beteiligung (Internationale Handelsgesellschaft) abgeleitet. Dabei handelt es sich um das einheitliche Grundrecht der "Berufsfreiheit", das die freie Berufswahl

Dritter Teil: Deutsche Grundrechtslehre und Gemeinschaftsrechtsordnung

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und -ausübung enthält, also ungeachtet des starken französischen Einflusses nach deutschem Beispiel herausgearbeitet und entwickelt wurde. Ergänzt man dazu noch den grundrechtlichen Schutz des Eigentums, so kann man zu einem Großteil den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht wiederfinden, wie er im deutschen Verfassungsrecht gestaltet ist, da dieser hauptsächlich auf den beiden angesprochenen Grundrechten beruht. Die Entwicklung der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung und der h. L. in Deutschland hat nach Auffassung des Verfassers zum Erreichen eines solchen Ergebnisses beigetragen. Diese Tendenzen sind in der neuesten Rechtsprechung des EuGH seit Anfang der 90er Jahre erkennbar. Der Gerichtshof greift in mittlerweile ständiger Rechtsprechung auf beide Grundrechte zusammen zurück, um den grundrechtlichen Schutz der wirtschaftlich-unternehmerischen Betätigung im Wettbewerb zu begründen. Während der EuGH sich am deutschen Grundrecht der Berufsfreiheit i S. d. Art. 121 GG orientiert, um den grundrechtlichen Schutz des Gemeinschaftsgrundrechts "Berufsfreiheit" als allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung abzuleiten, hat er das Gemeinschaftsgrundrecht "Eigentum" eher aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK abgeleitet, der die gemeinsamen Verfassungstraditionen sämtlicher Mitgliedstaaten widerspiegelt. Den Inhalt dieses Grundrechts hat der EuGH bisher jedoch nicht in dem Maße herausgearbeitet, wie es in der deutschen Rechtsordnung beim Grundrecht auf Eigentum i. S. d. Art. 14 GG der Fall ist. Insbesondere wird in der europäischen Rechtswissenschaft der Rückgriff auf die Rechtsfigur des eingerichteteten und ausgeübten Gewerbebetriebs vermißt - die Übernahme dieser Rechtsfigur in die Gemeinschaftsrechtsordnung zur Bestimmung des Schutzbereichs des Eigentums und der Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrechte wäre überaus wünschenswert. Dazu tendieren vereinzelte Stimmen in der deutschen Lehre, der EuGH hat aber bisher dazu keine Stellung genommen. Der Einfluß der deutschen Grundrechtslehre auf den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit als Werbefreiheit und Wettbewerbsgleichheit ist nicht besonders groß, auf keinen Fall jedoch größer als der Einfluß anderer Rechtsordnungen. Eine außerordentliche Bedeutung hat sie indes für die sog. Drittwirkungsproblematik, die sogar in der Rechtswissenschaft anderer Mitgliedstaaten als "deutsche Schöpfung" bezeichnet wird. Eine "unmittelbare Drittwirkung" der Grundfreiheiten wird vom EuGH und der herrschenden Lehre angenommen. Entsprechend soll auch die Wirkung der ungeschriebenen Gemeinschaftsgrundrechte auf die Beziehungen unter Privaten sein, insbesondere bei Kollisionen mit den Grundfreiheiten anderer Grundrechtssubjekte. Das Beispiel des Boykottaufrufs, in dem die Wettbewerbsfreiheit der Boykottierten im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit als grundrechtsähnliche Grundfreiheit einerseits und die Meinungs-, Presse-, Rundfunk-, Religions- oder Vereinigungsfreiheit der Boykottierer (je nach ihrer Funktion) kollidieren, ist sehr charakteristisch. In Deutschland wird seit dem klassischen Lüth-Urteil des BVerfG

Dritter Teil: Deutsche Grundrechtslehre und Gemeinschaftsrechtsordnung ständig angenommen, daß der Boykottaufruf u. U. eine Grundrechtsausübung darstellt. Der Unterschied zur h. M. in Deutschland ist, daß in Deutschland nur eine "mittelbare Drittwirkung" der Grundrechte als "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte auf die Generalklausel des Privatrechts anerkannt ist. Eine "mittelbare Drittwirkung" im Sinne dieser Theorie ist im Falle von Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit aufgrund von Generalklauseln des innerstaatlichen Rechts möglich, indem diese wiederum im Lichte der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 30 EGV interpretiert werden müssen. Dagegen ist eine Übertragung der Ausstrahlungswirkungstheorie des BVerfG auf die Problematik der Grundrechtsbindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, wie bereits ausführlich gezeigt wurde, schlecht möglich. Was die sog. Schranken-Schranken (Gesetzesvorbehalt, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Wesensgehaltsgarantie) betrifft, so gilt in den Rechtsordnungen sämtlicher Mitgliedstaaten mehr oder weniger ähnliches. Besonders interessant ist die Handhabung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch den EuGH im Vergleich zum BVerfG bei Eingriffen in die im Rahmen der Berufsfreiheit und des Eigentums geschützte Wettbewerbsfreiheit. Aus einem Vergleich der Praxis beider Gerichte ergibt sich eine strengere Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgebots durch das BVerfG als durch den EuGH, so daß man anläßlich des Streits bezüglich der sog. Bananenverordnung von einem milderen Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht als im deutschen Verfassungsrecht sprechen kann. Demgemäß wird davon ausgegangen, daß der Gemeinschaftsgrundrechtsschutz, der im Hinblick auf die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hinter dem deutschen zurückbleibt, nicht der generellen Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards entspricht, so daß das Eingreifen des BVerfG nach den Bedingungen, die es in dem Solange II- und dem Maastricht-Urteil gesetzt hat, erforderlich sei^. Abschließend kann festgehalten werden, daß der Einfluß der deutschen Grundrechtslehre auf die Konzeption, die Ableitung und die Entwicklung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht bzw. des Grundrechtsschutzes der Wettbewerbsfreiheit zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und unter besonderer Berücksichtigung der EMRK ergibt, außergewöhnlich groß ist. Andererseits wäre es nicht nur unrealistisch, sondern vielmehr kurzsichtig, zu verlangen, daß der Standard der Gemeinschaftsgrundrechte fast zu 100 % dem deutschen Grundrechtsstandard entsprechen sollte. Aus Gründen, die nicht nur mit dem ungeschriebenen Charakter dieser Grundrechte, sondern vielmehr auch mit der Eigenart ihrer Ableitung aus den Verfassungsüberlieferungen von fünfzehn verschiedenen Rechtsord-

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So VG Frankfurt/a. M. EuZW 1997, S. 182 ff.

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nungen zu tun haben, muß ein solches Ansinnen ausgeschlossen werden. Die Rechtsfigur des unmittelbaren Rückgriffs auf einzelne Grundrechtsnormen der EMRK als Widerspiegelung der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten mindert natürlich diese Probleme, kann sie aber nicht völlig lösen. Der Grundrechtsschutz bzw. der Grundrechtsschutz der Wettbewerbsfreiheit wird jedoch in der Gemeinschaftsrechtsordnung trotz dieser Probleme hinreichend gewährleistet. In diesem Rahmen verlangt die Gemeinschaftsrechtsordnung nicht nur die Anwendung und den Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Gemeinschaftsorgane, sondern auch durch die Organe aller drei Staatsgewalten der Mitgliedstaaten. In einer Rechtsgemeinschaft, die sich allmählich zu einer Union entwickelt und auf dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts beruht, ist die gleichmäßige Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Rechtsordnungen sämtlicher Mitgliedstaaten ohne ein Wenn und Aber, das sich aus ihren verschiedenen Verfassungsordnungen ergeben könnte, ein Bestandteil ihrer Integration. Das betrifft ebenso die deutsche Rechtsordnung und ihre Organe, selbst wenn sie Organe der rechtsprechenden Gewalt, einschließlich des BVerfG, sind. Weicht die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat durch ihr BVerfG von diesen Maßstäben ab und betrachtet den hinreichenden Gemeinschaftsgrundrechtsschutz am Maßstab der deutschen Grundrechte als unzureichend, dann geht sie einen Schritt in der Entwicklung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht, zu der sie wesentliches beigetragen hat und die nichts anderes als Entwicklung der Europäischen Integration bedeutet, zurück.

Thesen Erster Teil A 1. Die Wirtschaftsverfassung (i. e. S.) oder Wirtschaftsverfassung des GG ist zwar im Prinzip relativ offen. Sie garantiert aber einen harten Kern der Marktwirtschaft als objektiv-rechtliche Institutsgarantie, die aus den Wertentscheidungen der Grundrechte sowie der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 I I GG abgeleitet werden kann. 2. Elementare Gesetze für die deutsche Wirtschaftsverfassung i. w. S. sind das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). 3. Ganz überwiegender Auffassung nach schützt das UWG objektiv die Lauterkeit wie auch die Freiheit des Wettbewerbs (Schutzobjekt) und subjektiv nicht nur die Konkurrenten, sondern auch die anderen Marktteilnehmer (Abnehmer, Lieferanten und insbesondere die Verbraucher) sowie die Allgemeinheit (Schutzsubjekte). Das GWB garantiert die Freiheit des Wettbewerbs als objektiv-rechtliches Institut und gleichermaßen auch als subjektives Recht.

Β 4. Die Wettbewerbsfreiheit wird auch von der Verfassung garantiert und zwar als subjektives Abwehrgrundrecht. Ihr grundrechtlicher Schutz läßt sich aus den besonderen Grundrechten ableiten, die ihren Schutzbereich bestimmen. Sie beinhaltet nicht nur die Freiheit im Wettbewerb (Wettbewerbsfreiheit i. e. S.), sondern auch die Freiheit zum Wettbewerb. Die Summe der beiden Freiheiten stellt die Wettbewerbsfreiheit i. w. S. dar. 5. Fundament für den grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit ist die Berufsfreiheit des Art. 121 GG. Sie garantiert die freie unternehmerische Betätigung im Wettbewerb als freie Berufsausübung und den Zugang zum Wettbewerb als freie Berufswahl. Von erheblicher Relevanz ist auch die Eigentumsgarantie und zwar die Rechtsfigur des "Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb", das nicht nur als "sonstiges Recht" i. S. d. § 823 I BGB, sondern auch als eigentumsrechtliche Rechtsposition i. S. d Art. 1411

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GG gilt. Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb sichert die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit auf einem Markt. Nach dem Abgrenzungskriterium des BVerfG schützt Art. 12 I GG den Erwerb, Art. 141 GG dagegen das Erworbene selbst. 6. In die Begriffe "Vereine" und "Gesellschaften" i. S. d. Art. 9 I GG fallen nach richtiger Auffassung und entgegen der Zweifel des BVerfG im Mitbestimmungs-Urteil nicht nur wirtschaftliche Vereine und Personengesellschaften, sondern auch die Kapitalgesellschaften unabhängig von ihrer Größe. Die Gründung, der Ein-, Bei- und Austritt sowie die Existenz dieser Gesellschaften und ihr Zusammenschluß mit anderen stellen Ausübungsmodalitäten der Wettbewerbsfreiheit dar und werden von Art. 9 I GG geschützt. 7. So wie der Wettbewerb die Werbung umfaßt, beinhaltet die Wettbewerbsfreiheit die Werbefreiheit. Das gilt umso mehr im Hinblick auf ihre wichtige Bedeutung für die wirtschaftliche Kommunikation. Nach mittlerweile herrschender und richtiger Meinung garantiert Art. 5 1 1 GG auch Werbeaussagen als "freie Meinungsäußerung", soweit sie geeignet sind, zur Bildung einer Meinung beizutragen. Das ist der Fall, wenn eine Werbung dazu beiträgt, daß der Kunde sich eine Meinung über die Eigenschaften (Preis, Qualität, Service etc) eines Produkts oder einer Leistung bildet. Das gilt sogar abgesehen davon, ob die Werbung nur Tatsachenmitteilungen oder darüber hinaus auch Werturteile beinhaltet. 8. Die Wettbewerbsfreiheit wird grundrechtlich auch als Wettbewerbsgleichheit geschützt. Stützpunkt einer solchen Garantie stellt der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG und seine spezifischen Ausprägungen in Art. 3 II, I I I GG dar. Der Gleichheitssatz garantiert die rechtliche Gleichheit sowie i. V. m. dem Sozialstaatsgrundsatz Chancengleichheit im Wettbewerb. 9. Art. 2 I GG, der die allgemeine Wirtschaftsfreiheit im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit mitenthält, gilt seit dem sog. Elfes-Urteil des BVerfG als "Auffanggrundrecht", so auch für die Wettbewerbsfreiheit. Obwohl die allgemeine Wirtschaftsfreiheit wegen der weiten Schutzbereiche der Art. 121 und 14 I GG kaum zur Anwendung kommt, hat sie für den Grundrechtsschutz von Ausländern Bedeutung. Da diese sich persönlich nicht auf die Grundrechte der Art. 12 I, 9 1 GG berufen können, sind sie auch von deren sachlichen Schutzbereich ausgeschlossen. 10. In den persönlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen. Es ist anerkannt, daß inländische juristische Personen des Privatrechts nach Art. 19 I I I GG sämtliche Grundrechte, die den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit bilden, geltend machen können, wenn die Schutzwirkung der Wettbewerbsfreiheit "wesensmäßig" auf die Tätigkeit einer juristischen Person in concreto erstreckt werden kann und umgekehrt, wenn diese Tätigkeit "ihrem Wesen und ihrer Art nach"

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in concreto in den sachlichen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit fallen kann. 11. Das ist aber nicht der Fall bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie denjenigen privatrechtlichen juristischen Personen, deren Anteil zu 100 % der öffentlichen Hand gehört, die grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des Art. 19 I I I GG ausgeklammert sind. Betroffen sind davon die sog. öffentlichen und gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen. Die öffentlichen Unternehmen können unabhängig von ihrer Organisations- oder Handlungsform prinzipiell nicht Träger der Wettbewerbsfreiheit sein, denn es stehen hinter ihnen nicht Private und sie können sich daher nicht in der gleichen "Gefährdungslage" im Wettbewerb wie Private befinden. Für die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen sollte man je nach dem tatsächlichen Einfluß der öffentlichen Hand auf sie differenzieren. 12. An die Wettbewerbsfreiheit sind nach Art. 1 I I I GG alle drei Staatsgewalten gebunden. Heftig diskutiert ist die Frage nach der Grundrechtsbindung der "vollziehenden Gewalt". Unter diesem Begriff fällt nicht nur das hoheitliche und schlicht-hoheitliche Handeln der Exekutive, sondern auch die Erfüllung öffentlicher Aufgaben (unumstritten) sowie nach herrschender Meinung im Schrifttum, der zuzustimmen ist, nicht jedoch der zivilgerichtlichen Rechtsprechung, der Abschluß von Bedarfsdeckungs(hilfs)geschäften und die erwerbswirtschaftliche Betätigung. Das betrifft nicht nur juristische Personen des öffentlichen Rechts, sondern auch die öffentlichen Unternehmen, die privatrechtlich organisiert sind. 13. Insbesondere für die letzteren, die häufig im Wettbewerb mit privaten Unternehmen sozial- und erwerbswirtschaftlich auftreten, gilt die Grundrechtsbindung nicht nur gegenüber der Marktgegenseite, sondern auch gegenüber privaten Konkurrenten, so daß die öffentliche Konkurrenz ggf. einen Grundrechtseingriff nach Art. 1 I I I GG i. V. m. Art. 12 I, 14 I GG (Wettbewerbsfreiheit) darstellt, der verfassungsrechtlicher Rechtfertigung bedürftig ist. 14. Die Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Wettbewerbsfreiheit können alle Grundrechte treffen. Die öffentliche Gewalt kann nicht nur Grundrechtseingriffe in der sog. klassischen Form (unmittelbar, imperativ, rechtlich, final) anordnen, sondern auch nach dem sog. modernen Grundrechtseingriffsverständnis, d. h , wenn bei ihrer Maßnahme eins oder mehrere dieser Merkmale fehlen. 15. Für die Eingriffe in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit gilt die sog. Dreistufentheorie, die das BVerfG in seinem Apotheken-Urteil entwickelt hat. Diese Eingriffe können die Freiheit im Wettbewerb als freie Berufsausübung und die Freiheit zum Wettbewerb als subjektive und objektive Berufszulassungsbeschränkungen treffen. 16. Besonderes grundrechtsdogmatisches aber auch mittlerweile praktisches Interesse erlangt die Problematik der Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit nach

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dem "modernen" Grundrechtsverständnis. Anläßlich der Eingriffe in die Berufsfreiheit durch steuerrechtliche Normen hat das BVerfG seit langem dazu Stellung genommen und dargelegt, daß der Schutz des Einzelnen vor Beschränkungen seiner Berufsfreiheit nur unvollkommen gewährleistet wäre, wollte man nur solche Vorschriften am Maßstab des Art. 12 I GG verfassungsrechtlich messen, die die berufliche Betätigung unmittelbar zum Gegenstand hätten. Das ist nach Auffassung des BVerfG auch im Hinblick auf die steuerrechtlichen Normen der Fall. Sie seien an Art. 121 GG zu messen, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes stehen und - objektiv - eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen. 17. Unlängst hat das BVerfG in zwei seiner Urteile - Krankenhausplan- und Sachverständigen-Entscheidung - diese Rechtsprechung auf andere Maßnahmen erweitert, die die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 121 GG betreffen. Es genüge für die Annahme eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit, daß sie aufgrund der staatlichen Maßnahme nicht mehr auf die gewünschte Weise ausgeübt werden könne und der Wettbewerb sowie die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im Wettbewerb dadurch behindert werden könnten. Dem ist zuzustimmen. 18. Dieser Rechtsprechung hat sich das BVerwG am Anfang zögernd, später vollkommen, aber überaschenderweise nicht einheitlich angeschlossen. Es folgte dabei dem "modernen" Grundrechtseingriffsverständnis, die Handhabung des Finalitätskriteriums war jedoch nicht konsequent. Um den Verzicht auf das ,, Finalitäts"merkmal anzunehmen, verlangt es, daß die staatliche Maßnahme statt dessen oder darüber hinaus schwerwiegend, von der öffentlichen Gewalt voraussehbar und in Kauf genommen worden sowie ihr zurechenbar sein muß. Dem ist nicht zu folgen, denn das "Finalitäts"kriterium kann genauso wenig wie jedes formelle Eingriffskriterium definitiv den Tatbestand eines Grundrechtseingriffs bestimmen. 19. Demgemäß wurden von der Judikatur beider Bundesgerichte neue Eingriffstypen angenommen wie der Eingriff durch Ausnahmebefreiung von einer Berufseinschränkung, der Eingriff durch Nicht-Anerkennung einer beruflichen Qualifikation, der Eingriff durch Nicht-Aufnahme in eine berufliche Liste, der Eingriff durch eine Subventionsrichtlinie und der Eingriff durch Information und Warnung. 20. Dementsprechend geht auch die hier vertretene Position davon aus, daß die öffentliche Gewalt nach dem "modernen" Eingriffsverständnis durch Subventionsgewährung oder durch öffentlichen Wettbewerb in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Konkurrenten eingreifen kann. Die Haltung der Rechtsprechung ist in beiden Fragen eher negativ. Das BVerwG und ihm folgend die unteren Verwaltungsgerichte nehmen einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit erst und nur dann an, wenn die Subventionsgewährung bzw. die 47 Tsiliotis

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öffentliche Konkurrenz erdrosselnde Wirkung für die privaten Wettbewerbsteilnehmer haben. Die eingreifende Wirkung kann aber auch dann bejaht werden, wenn die Wirkung dieser staatlichen Maßnahmen die Merkmale hat, die die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung in den Krankenhausplanund Sachverständigen-Urteilen beschrieben hat, um einen (mittelbaren und nicht finalen) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit zu bejahen. 21. Die Eingriffe in die aus Art. 12 I GG resultierende Wettbewerbsfreiheit müssen auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Sonst gelten sie als Grundrechtsverletzungen. Als erste Voraussetzung gilt der Gesetzesvorbehalt nach Art. 1212 GG. Für die "wesentlichen" Fragen der Wettbewerbsfreiheit gilt auch der Parlamentsvorbehalt oder die "Wesentlichkeitstheorie" des BVerfG. Das bedeutet praktisch für die Wettbewerbsfreiheit, daß "wesentlich" i. S. dieser Doktrin diejenigen Fragen sind, die sich eher auf die Berufszulassung bzw. den Zugang zum Wettbewerb beziehen. Diese Fragen hat der Gesetzgeber selbst zu regeln oder die Verwaltung nach einer konkreten und detaillierten gesetzlichen Ermächtigung. 22. Besonderes Interesse erweckt die Frage der Geltung des Gesetzes Vorbehalts bei den sog. nicht klassischen Grundrechtseingriffen. Die hier vertretene Auffassung geht davon aus, daß der Gesetzesvorbehalt auch für diese Grundrechtseingriffe gilt. Uneinheitlich und verwirrend hat das BVerwG diese Problematik bei der Behandlung der Frage des Eingriffs durch Information und Warnung bewältigt. Die Auffassung, daß Art. 65 GG für die Tätigkeit der Bundesregierung als Organ der Staatsleitung den Gesetzesvorbehalt verdränge, insbesondere dann, wenn die Bundesregierung damit eine grundrechtliche Schutzpflicht erfüllt, ist abzulehnen. Nicht zufällig ist sie auf die (teilweise scharfe) Kritik des Schrifttums gestoßen. 23. Die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, die durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes auferlegt werden, müssen darüber hinaus verhältnismäßig sein. Das betrifft Grundrechtseingrffe nach dem "klassischen" genauso wie nach dem "modernen" Eingriffsverständnis. Als strikte bzw. intensive oder konkretisierte Form des Verhältnismäßigkeitsprinzips gilt die "Dreistufentheorie" des BVerfG. 24. Eingriffe können auch in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und demzufolge in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit als Rechtsposition i. S. d. Art. 1411 GG erfolgen. Diese werden in drei Kategorien unterteilt: Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 1412 GG, Enteignungen nach Art. 14 I I I GG und die Haftungsinstitute des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs. 25. Als Eingriffe gelten Maßnahmen, die nicht nur die Substanz (Gesamtorganismus), sondern auch die Erscheinungsformen (ζ. B. Produkte, erworbene Kundschaft) treffen. Solche Maßnahmen können u. U. die Auferlegung von

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Geldleistungsverpflichtungen, der öffentliche Wettbewerb, Subventionierungen und die Aufklärungstätigkeit der Exekutive sein. 26. Die Eingriffe in die eigentumsmäßige Wettbewerbsfreiheit müssen nach den Maßgaben des Art. 1412, II, I I I GG und des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerechtfertigt werden. Bemerkenswert ist, daß eine unzulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung, die die Grenzen des Art. 1412 und I I GG überschreitet, keine Enteigung i. S. d. Art. 14 I I I GG ist. Sie kann aber ggf. als enteignungsgleicher Eingriff einen Entschädigungsanspruch auslösen. 27. Die wichtigsten Eingriffe in die nach Art. 9 I GG geschützte Wettbewerbsfreiheit sind das Kartellverbot (vgl. § 1 GWB), soweit ein Kartell "Verein" oder "Gesellschaft i. S. dieser Vorschrift ist, und die Konzentrationskontrolle (vgl. §§22 ff. GWB). Ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung kann nicht auf Art. 9 I I GG gestützt werden. Trotzdem können diese Maßnahmen durch "immanente Grundrechtsschranken", d. h. die Grundrechte anderer bzw. die Wettbewerbsfreiheit (Art. 121, 14 11 GG) der Konkurrenten, gerechtfertigt sein. 28. Die Eingriffe in die nach Art. 5 I 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit betreffen die Werbefreiheit als einen Teilaspekt. Sie können nur nach Art. 5 I I GG bzw. infolge "immanenter Grundrechtsschranken bzw. -grenzen" verfassungsrechtlich zugelassen werden, wobei die sog. Wechselwirkungslehre des BVerfG eine besondere Rolle spielt. 29. Für die Eingriffe in die nach Art. 3 I GG geschützte Wettbewerbsgleichheit, die Ungleich- aber auch Gleichbehandlungen betreffen kann, gilt zunächst die Willkürkontrolle. Nach der sog. neuen Formel des 1. Senats des BVerfG kann die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes darüber hinaus gehen und sich in eine Verhältnismäßigkeitskontrolle ausdehnen. Solche Eingriffe können Geldleistungsverptlichtungen, Subventionsvergaben, Vergaben von öffentlichen Aufträgen etc. darstellen. 30. Da die Wettbewerbsfreiheit aus mehreren Grundrechten besteht, trägt sie die Grundrechtskonkurrenzen in sich. Konkurrenzen zwischen Art. 121 und 14 I GG sowie dieser Grundrechte mit Art. 9 I, 511, 5 I I I 1, 4 1 GG treten mehr oder weniger häufig auf. Häufig sind auch die Konkurrenzen zwischen den Freiheitsrechten der Art. 121, 14 I GG zum einen und den Gleichheitsrechten aus Art. 3 GG zum anderen. 31. Die Wettbewerbsfreiheit kann mit anderen Grundrechten nicht nur konkurrieren, sondern auch kollidieren. In einer solchen Kollison kommen die Grundrechte der Konkurrenten (Art. 121, 14 I GG), Verbraucher (Art. 2 I, 2 I I 1 GG, Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 GG), Arbeitnehmer (Art. 12 I, 2 II 1 GG, Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 GG) und Dritter (Art. 5 I, 4 I, I I GG) sowie andere Verfassungsgüter (ζ. B. die Umwelt nach Art. 20 a GG) in Betracht. Die verfassungsrechtlich gebotene Lösung dieser Grundrechtskollisionen ist eine Güter· und Interessenabwägung nach den Prinzipien der Einheit der Verfassung,

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der praktischen Konkordanz nach einem schonenden und angemessenen Ausgleich und das Verhältnismäßigkeitsprinzip. 32. Die Wettbewerbsfreiheit kann auch in die Lehre der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates eingeordnet werden. Verfassungsrechtliche Grundlagen einer solchen Schutzpflicht sind nicht nur Art. 1 I 2 GG i. V. m. Art. 2 I I 1 GG oder andere Grundrechte, denen der Menschenwürdekern innewohnt, sondern nach den sog. Handelsvertreter- und Bürgschaftsurteilen des BVerfG u. U. auch das Sozialstaatsprinzip und nach seinem sog. Zweitregister-Urteil der objektiv-rechtliche Gehalt sämtlicher Grundrechte. Diese Rechtsprechung ist zu begrüßen. 33. Träger dieser Schutzpflicht sind die Grundrechtsträger, ihre Adressaten die öffentliche Gewalt nach Art. 1 I I I GG insbesondere der Gesetzgeber. Die grundrechtliche Schutzpflicht lebt auf, wenn das Grundrecht durch Übergriffe Dritter gefährdet, bedroht oder sogar beeinträchtigt wird. 34. Die Schutzpflicht hat konzeptionell einen objektiv-rechtlichen Charakter, sie kann aber in ein subjektives Recht auf Schutz erweitert werden. Dieses Recht kann mit Abwehrrechten anderer kollidieren. In einem solchen Kollisionsfall gilt für die öffentliche Gewalt das Übermaßverbot für das Abwehrrecht und das Untermaßverbot für das Schutzrecht. 35. Eine Schutzpflicht besteht unter den vorher genannten Voraussetzungen auch für die Wettbewerbsfreiheit. Das sog. Zweitregister-Urteil hat zwei Fragen, die die Wettbewerbsfreiheit angehen, ausgelöst und zwar, ob die Schutzpflicht auch vor Wettbewerbsbeeinträchtigungen vom Ausland her gilt und ob sie in bestimmten Fällen durch materielle Leistung erfüllt werden kann. In beiden Fragen hat das Gericht, obwohl nicht einheitlich, die "Tür" für die Annahme einer solchen Schutzpflicht nicht geschlossen, es war aber sehr zurückhaltend. A u f jeden Fall kann eine solche Schutzpflicht nur im Rahmen des tatsächlich (finanziell) und (völker)rechtlich Möglichen erfüllt werden. 36. UWG und GWB gelten als die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht, soweit die Wettbewerbsfreiheit, durch unlautere Wettbewerbsmethoden und künstliche Wettbewerbsbeschränkungen gefährdet und beeinträchtigt wird. 37. Eine Schutzpflicht entsteht auch im Hinblick auf die geschäftlichen Verhältnisse, sofern diese nicht selbst-, sondern fremdbestimmt ausgestaltet werden. Als eine Verletzung dieser Schutzpflicht zugunsten Wettbewerbsfreiheit kann § 90 a I I 2 HGB betrachtet werden.

C 38. Besondere Bedeutung wird in der vorliegenden Untersuchung der sog. Drittwirkungsproblematik bzw. der Wirkung der Grundrechte auf die Beziehung zwischen Privaten beigemessen. Sie folgt dabei der Theorie der Aus-

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Strahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht oder der sog. mittelbaren Drittwirkung, als deren geistiger Urheber G. Dürig gilt und die vom BVerfG übernommen wurde und sich weiterentwickelt hat. Nach dieser Theorie wirken die Grundrechte auf die privatrechtlichen Verhältnisse über die Generalklauseln, unbestimmten Rechtsbegriffe und anderen auslegungsbedürftigen Normen des einfachen bzw. Privatrechts ein. 39. Die Wettbewerbsfreiheit kann sowohl auf die geschäftlichen als auch auf die außergeschäftlichen Beziehungen einwirken. Auf die geschäftlichen Rechtsverhältnisse kann sie bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit vertraglicher Wettbewerbsverbote am Maßstab der zivilrechtlichen Generalklauseln (vgl. §§ 1381, 242 BGB) einwirken. Diese Wettbewerbsverbote können Gesellschafter bzw. Organmitglieder von Gesellschaften, sie können aber auch Gewerbetreibende oder Freiberufler betreffen. 40. Die Wettbewerbsfreiheit der Arbeitgeber kann auch auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen im Falle der Kollision mit den Grundrechten der Arbeitnehmer einwirken. Diese kollidierenden Grundrechtspositionen können beim Abschluß des Arbeitsvertrags (Einstellung), bei der Bestimmung des Vertragsinhalts, bei der Vertragserfüllung und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einwirken. 41. Besonders interessant ist die Einwirkung der Wettbewerbsfreiheit auf die außergeschäftlichen Rechtsverhältnisse. Das betrifft grundrechtskollidierende Konstellationen, in denen die Wettbewerbsfreiheit andere Grundrechte "stört", aber auch Konstellationen, in denen sie das "Opfer" der Ausübung anderer Grundrechte ist. § 1 UWG spielt eine große Rolle für die Einwirkung dieser grundrechtlichen Positionen auf die wettbewerbsrechtlichen Verhältnisse. 42. Eine neue, große Dimension der Frage nach der Einwirkung der Grundrechte auf § 1 UWG eröffnet die neuere Rechtsprechung des BGH. Im sog. Busengrapscher/Schlüpferstürmer-Urteil ging es um die Einschränkung der Vertriebsfreiheit wegen Verletzung der Menschenwürde. In der sog. BenettonRechtsprechung mit ihren drei Urteilen handelte es sich um die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit als Werbefreiheit durch § 1 UWG. Entgegen der Position des BGH kommen über die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG hinaus die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG und der Eigentumsschutz nach Art. 14 I GG in Betracht. Bezüglich der "Drittwirkungs"problematik ist davon auszugehen, daß nur im dritten Benetton-Fall (HIV-Positive) der Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Firma entgegenstehende Grundrechtspositionen (Menschenwürde nach Art. 1 I GG) erkennbar sind. 43. In der Konstellation des Boykottaufrufs tritt die Wettbewerbsfreiheit als "Opfer" einer Grundrechtskollision auf. Sie wird durch die Ausübung der Meinungs· bzw. Presse- und Rundfunkfreiheit beeinträchtigt, wobei auch andere Grundrechte wie die des Art. 4 I, I I GG in Betracht gezogen werden können. Mögliche Einbruchsstellen des Privatrechts, auf die die o. g. kollidierenden

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Grundrechtspositionen einwirken können, sind § 1 UWG, §§ 823 I, 826, 1004 BGB, § 26 I GWB. 44. Die Rechtmäßigkeit des Boykottaufrufs, die grundsätzlich als Ausübung der Meinungsfreiheit behandelt und demgemäß bejaht wird, soll unter neuen Aspekten überprüft werden, die besonders seine Verhältnismäßigkeit anbelangen. Das betrifft die strengere Verhältnimäßigkeitsüberprüfung eines Boykottsaufrufs unter den Aspekten des vorherigen Dialogs, der Waffengleichheit der Streitparteien, des verfolgten Ziels, der Wahl des richtigen Gegners und des existenzvernichtenden Boykotts.

Zweiter Teil A 1. Der verfassungs- bzw. grundrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit im EG/EU-Recht wird im Rahmen eines Gemeinschaftsverfassungsrechts und -Wirtschaftsverfassungsrechts untersucht. Nach herrschender und richtiger Meinung hat die Gemeinschaft ein Verfassungsrecht, das geschrieben und ungeschrieben ist. Das geschriebene Verfassungsrecht besteht hauptsächlich aus den drei Verträgen und ihren Änderungen, wobei dem EGV ein Verfassungscharakter bzw. einer Verfassungsfunktion anerkannt wird. Das ungeschriebene Verfassungsrecht der Gemeinschaft stellen hauptsächlich die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung, sei es als rechtsstaatliche Grundsätze objektiven Rechts, sei es als Grundrechte, die subjektive (Abwehr-)Rechte begründen, dar.

Β 2. Die Wirtschaftsverfassung des Gemeinschaftsrechts beruht nach dem EUV auf dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb. Eckpfeiler dieser Wirtschaftsverfassung sind der Grundsatz der Errichtung des Gemeinsamen bzw. Binnenmarkts, das Marktgleichheits- und das Wettbewerbsprinzip. Diese Prinzipien bestehen ihrerseits aus den Grundfreiheiten, dem Diskriminierungsverbot, den Wettbewerbsregeln, dem Beihilfeverbot und den wirtschaftlichen Grundrechten.

C 3. Die Wettbewerbsfreiheit wird sowohl als ungeschriebenes als auch als geschriebenes Grundrecht garantiert. Ungeschrieben ist ihre Garantie als Grundrecht des Gemeinschaftsrechts. Geschrieben wird sie als grundrechtsähnliche Grundfreiheit im Rahmen der Grundfreiheiten (Warenverkehrs-, Niederlassungs·, Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit), der Wettbe-

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werbsregeln nach Art. 85 f. EGV, des Beihilfeverbots nach Art. 92 EGV und des Diskriminierungsverbots des Art. 6 EGV garantiert. 4. Die Grundrechte des Gemeinschaftsrechts sind Folge einer Rechtsfindung oder -fortbildung des EuGH mangels eines geschriebenen Grundrechtskatalogs. Erkenntnisquellen dieser Grundrechte sind die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen sämtlicher Mitgliedstaaten sowie internationale Grundrechtsverträge, denen sämtliche EU-Mitgliedstaaten beigetreten sind, wobei die EMRK eine hervorragende Rolle spielt. 5. Für die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung, die sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ergeben, gilt die sog. wertende Rechtsvergleichung. Danach muß der allgemeine Rechtsgrundsatz und aufgrund dessen das entsprechende Grundrecht mit dem Umfang und dem Inhalt festgelegt werden, der sich am besten der Struktur und den Zielen (vgl. Art. 2, 3 EGV) des Gemeinschaftsrechts anpaßt und ihnen entspricht. 6. Während der EuGH ursprünglich nur "Hinweise" aus der EMRK entnahm, hat er in den letzten Jahren ihre Bedeutung für die Ableitung des Grundrechtsschutzes aufgewertet, indem er unmittelbar auf bestimmte Grundrechtsnormen der EMRK (z. B. Art. 8 oder 10) zurückgreift. Das bedeutet aber nicht, daß die EG an die EMRK bzw. ihre spezifischen Grundrechtsnormen unmittelbar oder mittelbar gebunden ist. Der EuGH behandelt sie bloß als die Widerspiegelung der gemeinsamen Verfassungstraditionen. 7. Art. F I I EUV hat nichts an der bisherigen Grundrechtslage verändert. Er hat bloß deklaratorischen Charakter und gilt als die Kodifizierung der Grundrechtsrechtsprechung des EuGH. 8. Die Grundrechte, die den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit im Gemeinschaftsrecht darstellen, sind die Berufs- bzw. Gewerbefreiheit, das Eigentum, die Meinungsfreiheit als Werbefreiheit und der allgemeine Gleichheitssatz. 9. Der Schutz dieser Grundrechte bzw. der Wettbewerbsfreiheit gilt im Gemeinschaftsrecht nicht uneingeschränkt. Einschränkungen dürfen aber nur unter Bewahrung der sog. Schranken-Schranken auferlegt werden. Die wichtigsten sind der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Wesensgehaltsgarantie. 10. Ein sehr umstrittener und in den letzten Jahren heftig diskutierter Aspekt des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht ist der der Grundrechtsbindung bzw. der Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte. Es ist inzwischen in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, daß die Mitgliedstaaten an diese Grundrechte gebunden sind, wenn eine ihrer Maßnahmen in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt oder wenn sie eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift durchsetzen.

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Thesen

11. Die Rechtsgrundlagen der Wettbewerbsfreiheit, d.h. Gemeinschaftsgrundrechte und Grundfreiheiten, können miteinander konkurrieren. In einem solchen Fall, wenn sich die Schutzbereiche beider Rechtsgrundlagen decken und an dieselben Adressaten richten, sollten die Grundfreiheiten angewendet werden, weil sie auf einer geschriebenen Rechtsgrundlage beruhen. In einer solchen Konstellation gilt der Schutz der ungeschriebenen Grundrechte nur subsidiär. 12. Grundrechte und Grundfreiheiten können aber auch miteinander kollidieren. Das betrifft auch die Wettbewerbsfreiheit. Da beide Rechtsgrundlagen gleichrangig sind, ist die Kollision gemäß den Prinzipien der Einheit der (Gemeinschafts-)Verfassung, der praktischen Konkordanz und der Verhältnismäßigkeit nach einer Güter- und Interessenabwägung zu lösen. 13. Auch im Gemeinschaftsrecht wird der "Drittwirkungs"problematik besondere Bedeutung beigemessen. Von großer praktischer Relevanz ist die "Drittwirkung" der Grundfreiheiten. Nach h. M. wird eine "unmittelbare Drittwirkung" der Grundfreiheiten als Ausfluß der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Recht angenommen. Dasselbe gilt entsprechend für die Wettbewerbsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht. 14. Eine "Drittwirkung" der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, die die Wettbewerbsfreiheit in dem hier gemeinten Sinne anbelangen, ist denkbar. Die praktische Relevanz der "Drittwirkung" dieser Grundrechte ist aber nicht groß. 15. Dagegen hat eine "Drittwirkung" der Warenverkehrsfreiheit insbesondere in den außergeschäftlichen Beziehungen praktisches Interesse. Der Wettbewerbsfreiheit als Warenverkehrsfreiheit kann die Ausübung von Gemeinschaftsgrundrechten (ζ. B. Meinungs-, Presse- oder Religionsfreiheit) entgegentreten, die als "immanente Schranken" der Warenverkehrsfreiheit gelten. Das ist der Fall in den Konstellationen der "Buy national"-Werbekampagnen und des Boykottaufrufs. Diese Maßnahmen können als "Maßnahmen gleicher Wirkung" i. S. d. Art. 30 EGV betrachtet werden. Ob sie auch als rechtswidrig behandelt werden sollen, kann nach einer Güter- und Interessenabwägung beantwortet werden. 16. Die Warenverkehrsfreiheit kann aber eine "mittelbare Drittwirkung" entfalten, wenn die Rechtmäßigkeit einer Vereinbarung zum Schutz des kommerziellen Eigentums am Maßstab innerstaatlicher Generalklauseln überprüft wird. Auf diese Klauseln kann die Warenverkehrsfreiheit mittelbar einwirken. Das war im sog. Dansk Supermarked-Urteil des EuGH der Fall. 17. Der EuGH ist dieser Linie allerdings nicht treu geblieben und hat ein Abgrenzungskriterium festgelegt, nach dem für die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Privaten Art. 30, 36 EGV, für das Rechtsverhältnis zwischen Privaten aber die Wettbewerbsregeln der Art. 85 f. EGV maßgeblich sind. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Es ist aber zu ergänzen, daß, soweit

Thesen zum

iten Teil

745

eine Vereinbarung zwischen Privaten nicht in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln fällt, Art. 30, 36 EGV anzuwenden sind. 18. Trotz der hervorragenden Rolle des EuGH bei der richterrechtlichen Ableitung eines Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung bleibt dieser mangels eines geschriebenen Grundrechtskatalogs unvollständig. Die Verabschiedung und Einführung eines Grundrechtskatalogs mit Verfassungsrang würde nicht nur zur weiteren Verbesserung des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaft, sondern auch zur Entwicklung der EU zu einer politischen Union beitragen.

Dritter Teil Mit der Darstellung der deutschen und der EG-Verfassungsrechtsordnung kann man den Einfluß der deutschen auf die europarechtliche Grundrechtslehre, besonders bei der Ableitung, der Begründung und der Inhaltsbestimmung der Grundrechte der Gemeinschaftsrechtsordnung, erkennen. Besonders eindeutig ist dies beim Grundrechtsschutz der Wettbewerbsfreiheit sowie der Geltung oder Wirkung der Grundrechte und Grundfreiheiten auf die Rechtsverhältnisse unter Privaten der Fall.

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Wichtige Urteile

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792

Wichtige Urteile

BVerfGE 62, 230 ff. (Denkzettel-Aktion) BVerfGE 66, 39 ff. (NATO-Nachrüstung) BVerfGE 68, 193 ff. BVerfGE 71, 162 ff. BVerfGE 73, 261 ff. (Sozialplan) BVerfGE 75, 192 ff. (Sparkassen) BVerfGE 77, 170 ff. (C-Waffen) BVerfGE 78, 179 ff. BVerfGE 80, 124 ff. (Pressesubventionierung) BVerfGE 81, 242 ff. (Handelsvertreter) BVerfGE 82, 209 ff. (Krankenhausplan) BVerfGE 85, 191 ff. (Nachtbackverbot für Frauen) BVerfGE 86, 28 ff. (Sachverständige) BVerfGE 86, 122 ff. (Schülerzeitung) BVerfGE 87, 153 ff. (Grundfreibetrag) BVerfGE 87, 363 ff. (Nachtbackverbot III) BVerfGE 88, 203 ff. (Abtreibung II) BVerfGE 89, 155 ff. (Maastricht) BVerfGE 89, 214 ff. (Bürgschaft) BVerfGE 89, 276 ff. (§ 611 a BGB) BVerfGE 92, 26 ff. (Zweitregister) BVerfGE 93, 122 ff. (Vermögenssteuer) BVerfGE 93, 266 ff. (Soldaten sind Mörder II) BVerfGE 94, 372 ff. (Werbeverbote für Apotheker) BVerG (3. Kammer des Ersten Senats) NJW 1989, S. 381 f. (Mietboykott) BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats) NJW 1989, S. 3269 ff. (Jugendsekte)

B. Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 6, 282 ff. BVerwGE 17, 306 ff. (Mobiliarfeuerversicherung) BVerwGE 22, 286 ff. (Astrologen)

C. Bundesgerichtshof BVerwGE 30, 191 ff. (Winzergenossenschaftensubventionierung) BVerwGE 39, 329 ff (kommunales Bestattungsunternehmen) BVerwGE 60,154 ff. (Krankenhauspflegesätze) BVerwGE 62, 224 ff. (Abfallbeseitigungsmonopol) BVerwGE 64, 274 ff. (Peep-Show I) BVerwGE 64, 280 ff. (Sex auf der Bühne) BVerwGE 65, 167 ff. BVerwGE 66, 307 ff. (Dünnsäure) BVerwGE 71, 183 ff. (Transparenzlisten) BVerwGE 75, 109 ff. (Subventionsrichtlinien) BVerwGE 82, 76 ff. (Jugendsekte) BVerwGE 84, 314 ff. (Peep-Show II) BVerwGE 87, 37 ff. (Diethylenglykolweine) BVerwGE 89, 281 ff. (Unternehmensberater) BVerwGE 90, 112 ff. (Osho) BVerwGE 96, 293 ff. (Sportwettunternehmen) BVerwGE 96, 302 ff. (Spielbanken) BVerwG NJW 1978, S. 1539 f. (kommunale Wohnungsvermittlung) BVerwG NVwZ 1994, S. 162 ff. BVerwG NJW 1995, S. 2938 ff. (kommunaler Immobilienmakler) BVerwG DVB1. 1996, S. 807 f. (Warentests)

C. Bundesgerichtshof BGHZ 6, 270 ff. BGHZ 23, 157 ff. BGHZ 36, 91 ff. (Gummistrümpfe) BGHZ 40, 355 ff. BGHZ 51, 1 ff. (Pelzversand) BGHZ 54, 188 ff. (Telefonwerbung I) BGHZ 76, 387 ff. (Fluglotsenstreik) BGHZ 77, 179 ff.

794

Wichtige Urteile

BGHZ 78, 41 ff. (Werbefahrten) BGHZ 82, 375 ff. (Brillen-Selbstabgabestellen) BGHZ 91, 1 ff. (GmbH-Geschäftsführer) BGHZ 111, 349 ff. (Kakaoverordnung) BGHZ 113, 282 ff. (Telefonwerbung IV) BGHZ 121, 328 ff. BGHZ 128, 1 ff. (Caroline von Monaco I - erfundenes Interview) BGHZ 130, 5 ff (Busengrapscher/Schlüpferstürmer) BGHZ 130, 196 ff. (Benetton-Werbung I - ölverschmutzte Ente) BGHZ 130, 205 ff. (Feuer, Eis & Dynamit I) BGHZ 131, 332 ff. (Caroline von Monaco IV - Paparazzi-Fotos) BGH NJW 1979, S. 1605 f. (Frischbeton) BGH GRUR 1980, S. 242 ff. (Denkzettel-Aktion) BGH NJW 1985, S. 60 ff. (Kundenboykott) BGH NJW 1985, S. 62 ff. (Copy-Charge) BGH NJW 1985, S. 1620 f. (Mietboykott) BGH NJW 1986, S. 2944 f. BGH NJW 1995, S. 2490 ff. (Benetton-Werbung II - Kinderarbeit) BGH NJW 1995, S. 2492 f. (Benetton-Werbung III - HIV-Positive) BGH NJW 1995, S. 3182 f. (Feuer, Eis & Dynamit II)

D. Europäischer Gerichtshof EuGHE 1963, S. 5 ff. (van Gend & Loos) EuGHE 1964, S. 1251 ff. (Costa/ENEL) EuGHE 1969, S. 419 (Stauder) EuGHE 1970, S. 1125 ff. (Internationale Handelsgesellschaft) EuGHE 1971, S. 487 ff. (Deutsches Grammophon) EuGHE 1974, S. 837 ff. (Dassonville) EuGHE 1974, S. 1405 ff. (Walrave) EuGHE 1975, S. 1219 ff. (Rutiii) EuGHE 1976, S. 1333 ff. (Dona)

D. Europäischer Gerichtshof EuGHE 1978, S. 1365 ff. (Defrenne III) EuGHE 1979, S. 649 ff. (Cassis de Dijon) EuGHE 1979, S. 3727 ff. (Hauer) EuGHE 1981, S. 181 ff. (Dansk Supermarked) EuGHE 1982, S. 4005 ff. (Kommission/Irland) - Buy irish EuGHE 1983, S. 4083 ff. (Apple and Pear Development Council) EuGHE 1985, S. 531 ff. (Procureur de la République) EuGHE 1985, S. 2605 ff. (Cinéthèque) EuGHE 1986, S. 1339 ff. (Les Verts/Parlament) EuGHE 1986, S. 1663 ff. (Johnston) EuGHE 1986, S. 2519 ff. (Kommission/Deutschland.)-Qualitätsweine b. a EuGHE 1986, S. 2897 ff. (Keller) EuGHE 1987, S. 3719 ff. (Demirel) EuGHE 1987, S. 4097 ff. (Unectef) EuGHE 1989, S. 2237 ff. (Schräder) EuGHE 1989, S. 2609 ff. (Wachauf) EuGHE 1989, S. 2859 ff. (Hoechst) EuGHE 1991 I, S. 2925 ff. (ERT) EuGHE 1991 I, S. 4685 ff. (Grogan) EuGHE 1991 I, S. 6079 ff. (Gutachten zum Europäischen Wirtschaftsraum) EuGHE 1992 I, S. 3669 ff. (Delhaize) EuGHE 1993, S. 1191 ff. (Konstantinidis) EuGHE 1994 I, S. 955 ff. (Bostock) EuGHE 1994 I, S. 4737 ff. (AIDS-Test) EuGHE 1994 I, S. 4973 ff. (Deutschland/Rat) - Bananen EuGHE 1995 I, S. 4921 ff. (Bosman) EuGHE 1996 I, S. 1759 ff. (Gutachten nach Art. 228 EG-Vertrag) EuGH EuGRZ 1998, S. 247 ff. (Kommission/Frankreich) - Coordination rurale

arverzeichnis

Berufsfreiheit — Wirtschaftsverfassung 34 — Wettbewerbsfreiheit 72 — einheitliches Grundrecht 79 f. — Eigentum 101 f. — Gemeinschaftsrecht 654 ff, 677 — klassische Eingriffe 175 ff. — Dreistufentheorie 171 f. — Berufsausübung 79 ff, 171 f , 175

— Berufsbegriff - Apotheker-Urteil (E 7, 377 ff.) 72 f. — Öffentlich-wirtschaftliche Tätigkeit 136 ff. — modernes Eingriffsverständnis 206 f. — Besteuerung und Eigentum Grundfreibetrag (E 87, 153 ff.) und Vermögensteuer (E 93, 121 ff.) 308 ff.

— Berufswahl 79 ff, 171, 175, 177

— Wechselwirkungslehre - Lüth (E 7, 198 ff.) 346 ff.

BGH

— Immanenzlehre 404 ff.

— Ausschluß- und Benutzungszwang 311

— Schutzpflichtlehre 436 ff.

— enteignungsgleicher Eingriff Fluglotsenstreik (Z 76, 387 ff.), Kakaoverordnung (Z 111, 349 ff.) 299 ff. — Wettbewerbsverbot 532 ff, 541 ff. — Werbefreiheit-Benetton-Werbung I (Z 130, 196 ff.), Benetton-Werbung III (NJW 1995, 2492 f.) 573 ff. — Boykottaufrufe 598 ff. BVerfG — Wirtschaftsverfassung - Investition shilfe-Urteil (E 4, 7 ff.) 37 f.

— Schutzpflicht gegenüber auswärtigen Staaten 473 f. — Wettbewerbsverbot - Handelsvertreter (E 81, 242 ff.) 481 ff, 542 ff. — materielle Leistung - Zweitregister (E 92, 26 ff.) 491 ff. — Konzeption der Ausstrahlungswirkungstheorie - Lüth (E 7, 198 ff.) 503 ff. — Entwicklung der Ausstrahlungswirkungstheorie 506 ff. — Boykottaufrufe - Lüth (E 7, 198 ff.), Blinkfüer (E 25, 256 ff.) und Denkzettelaktion (E 62, 230 ff.) S. 592 ff.

Sachwortverzeichnis

797

BVerwG

Eigentum

— modernes Eingriffsverständnis - Transparenzlisten (E 71, 183 ff), Subventionsrichtlinien (E 75, 109 ff), Diethylenglykolweine ( 87, 37 ff), Unternehmensberater (E 89, 281 ff.) 208 ff, 221, 223 ff.

— Wirtschaftsfreiheit 91 ff.

— Ausschluß- und Benutzungszwang 311 f.

— enteignungsgleicher und enteignender Eingriff 299 ff, 326

— eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb 92 ff. — Inhalts- und Schrankenbestimmung 295 ff. — Enteignung 297 ff, 324 f.

— nicht-klassische Eingriffe 308, 310 Dienstleistungsfreiheit — Wirtschaftsverfassung 618, 672 — Grundrechtskonkurrenz 699 — "Drittwirkung" 704, 709 f. Diskrimierungsverbot — Wirtschaftsverfassung 618, 625, 630 — Grundrechtsschutz 635 — Wettbewerbsfreiheit 653, 669 — Gleichheitssatz 663 „Drittwirkung" — Konzeption 496 f. — „unmittelbare" 500 ff. — „mittelbare" 502 ff. — Grundrechtslehre 519 ff. — Gemeinschaftsrecht 703 ff.

E AG 611 EEA 615, 619, 630, 647 EGKS 611,631 EGMR 667

— Sozialmodell 321 — Gemeinschaftsrecht 619,625, 658 ff, 677 Eingriff — terminus technicus 162 — klassischer 166 -nicht-klassischer 168 ff, 196 ff, 312 ff. — Berufsfreiheit 174 ff. — Eigentum 326 ff. — Vereinigungsfreiheit 332 ff. — Meinungsfreiheit 335 ff. — Gleichheitssatz 350 ff. EMRK 630, 633, 640 ff, 650, 654 f , 666 ff, 676 f , 683, 685, 688, 695 f , 699 ff. EUV 608, 614 ff, 620, 623 ff, 627 ff. Freizügigkeit — Wirtschaftsverfassung 618 — Grundrechtsschutz 635 — Grundrechtskollisionen 696, 701 f. — „Drittwirkung" 704

798

Sachwortverzeichnis

Gesetzesvorbehalt

Grundrechtsträger

— klassische Eingriffe 248

— natürliche Personen 120 ff.

— modernes Eingriffsverständnis 258 ff.

—juristische Personen 127 ff.

— Sozialmodell 321 ff. — Gemeinschaftsrecht 678 Gleichheitssatz — Wirtschaftsverfassung 34 — Wettbewerbsfreiheit 114 ff. — Wettbewerb 116 ff. — Eingriff 351 ff. — verfassungsrechtliche Rechtfertigung 359 ff.

— öffentliche Unternehmen 136 ff, 141 ff. — gemischtwirtschaftliche Unternehmen 140 ff, 145 ff. GWB — Entstehungsgeschichte 54 — Inhalt und Systematik 55 — Schutzzweck 55 f. — UWG 57 — Eingriff 185 ff.

— Gemeinschaftsrecht 661 ff.

— Grundrechtskollisionen 414,417

Grundrechtsbindung

— Schutzpflicht 478 f.

— Gesetzgebung 149 f.

— „Drittwirkung" 555 ff.

— vollziehende Gewalt 150 ff. — Gemeinschaftsrecht 683

Meinungsfreiheit

Grundrechtskollisionen:

— Werbefreiheit 108 , 335 ff, 339

— Begriff 402 ff.

— Gemeinschaftsrecht 668 ff.

— Lösungen 407 ff.

Monopole

— Konkurrenten 414 ff.

— Eingriff 189

— Grundrechte anderer 418 ff.

— Anschluß- und Benutzungszwang 311

— andere Verfassungsgüter 433 ff. — „Drittwirkung" 519 ff — Gemeinschaftsrecht 703 ff. Grundrechtskonkurrenzen — Freiheitsrechte 381 ff. — Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte 398 ff. — Gemeinschaftsrecht 697 ff.

Niederlassungsfreiheit — Wirtschaftsverfassung 617 — Grundrechtsschutz 635 — Wettbewerbsfreiheit 653, 671 f. — Grundrechtskonkurrenzen 700 — „Drittwirkung" 704, 709 f.

ichnis

799

Schutzpflicht

— Begründung und Inhalt 277 ff.

— Konzeption 437 ff.

— Dreistufentheorie 279 f.

— Adressaten 444 ff.

— eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb 328 ff.

— Berechtigte 450 f. — Grundrecht auf Schutz 450 f. — Tatbestand 454 ff. — Grundrechtskollisionen 460 ff. — Wettbewerbsfreiheit 466 ff. — „Drittwirkung" 528 f. Subventionen

— Wechselwirkungslehre 346 ff. — Gleichheitssatz 360 ff. — Grundrechtskollisionen 409 — „Drittwirkung" 525 ff. — Boykottmaßnahmen 603 ff. — Gemeinschaftsrecht 679 ff.

— Berufslenkungsmittel 197 ff. — Eingriff 200 ff. — Gesetzesvorbehalt 259 ff. — eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb 314 f.

Warenverkehrsfreiheit — Wirtschaftsverfassung 618 — Grundrechtsschutz 635 f. — Wettbewerbsfreiheit 653, 670

— Wettbewerbsgleichheit 353 f , 369 ff.

— Grundrechtskonkurrenzen 699 f.

— Beihilfeverbot 675

— „Drittwirkung" 705, 709 ff.

— Grundrechtskollisionen 702 f , 711 ff.

Wettbewerb UWG

— soziologischer Begriff 29 f.

— Inhalt 50

— wirtschaftlicher Begriff 30 f.

— Schutzzweck 51 f.

— freier 43 f , 46 f , 52

— Wettbewerbsverhältnis 53

— unlauterer 49

— Eingriff 182 ff, 337 ff.

— lauterer 52, 57

— staatliche Schutzpflicht 476 ff.

— vollkommener 54, 57

— „Drittwirkung" 565 ff.

— funktionsfähiger 55

Vereinigungsfreiheit

— Institut 56 f.

— Wirtschaftliche 34, 102 ff.

— Freiheit im 46 f , 172,

— Wettbewerbsfreiheit 105 ff.

— Freiheit zum 47, 171, 175

— Eingriff 332 ff.

Wettbewerbsfreiheit

Verhältnismäßigkeitsprinzip

— Wirtschaftsverfassung 32

800

Sac

— Prinzip 47 — Wirtschaftsfreiheit 47 ff. — Wettbewerbsrecht 49, 56 — Grundrecht 59 — Definition 60 ff. — im engeren Sinne 60, 172 — im weiteren Sinne 60 — unbenanntes Grundrecht 65 ff. — Abwehrgrundrecht 68 ff. — negative 87 — Schutzbereich positiv 80 ff. — Schutzbereich negativ 88 ff. — Eigentum 91 ff. — Gemeinschaftsrecht 650 ff. Wettbewerbsregeln — Wirtschaftsverfassung 618, 623

— Wettbewerbsfreiheit 652 f , 673 ff, 681 — Diskrimierungsverbot 662 — Grundrechtsbindung 697 — „Drittwirkung" 703, 724 ff. Wirtschaftsfreiheit — allgemeine 34, 64 ff. — Grundrecht 47 f , 60 — Gemeinschaftsrecht 651 Wirtschaftsverfassung — Begriff 32 f. — im engeren Sinne 33 — im weiteren Sinne 33 — Inhalt 33 — Grundgesetz 35 ff. — Gemeinschaftsrecht 616 ff. WWU 620, 622, 628, 635