Die Zurechnungsproblematik als Effektivitätshindernis im Deutschen Umweltstrafrecht: Untersuchung im Hinblick auf das Rechtsgut der Umweltdelikte [1 ed.] 9783428544011, 9783428144013

Die Untersuchung befasst sich mit Effektivitätshindernissen des Umweltstrafrechtes. Nach einem Abriss über die Entstehun

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Die Zurechnungsproblematik als Effektivitätshindernis im Deutschen Umweltstrafrecht: Untersuchung im Hinblick auf das Rechtsgut der Umweltdelikte [1 ed.]
 9783428544011, 9783428144013

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Schriften zum Strafrecht Band 271

Die Zurechnungsproblematik als Effektivitätshindernis im Deutschen Umweltstrafrecht Untersuchung im Hinblick auf das Rechtsgut der Umweltdelikte

Von

Hanna Sammüller-Gradl

Duncker & Humblot · Berlin

HANNA SAMMÜLLER-GRADL

Die Zurechnungsproblematik als Effektivitätshindernis im Deutschen Umweltstrafrecht

Schriften zum Strafrecht Band 271

Die Zurechnungsproblematik als Effektivitätshindernis im Deutschen Umweltstrafrecht Untersuchung im Hinblick auf das Rechtsgut der Umweltdelikte

Von

Hanna Sammüller-Gradl

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14401-3 (Print) ISBN 978-3-428-54401-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84401-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Für Nik

Vorwort Die Effektivität des Umweltstrafrechtes ist eine Frage, die das Umweltstrafrecht seit seiner Schaffung begleitet. Obwohl die Notwendigkeit des Einsatzes rechtlicher Mittel zum Schutz der Umwelt generell unbestritten sein dürfte, stellt uns die Umsetzung eines solchen Schutzes oft vor erhebliche Probleme. Die Arbeit stellt sowohl die Probleme, welche das Umweltstrafrecht hinsichtlich der Anwendung in der Praxis aufwirft, als auch die am Umweltstrafrecht geäußerte dogmatische Kritik dar. Mit einem Fokus auf das besondere Rechtsgut des Umweltstrafrechtes wird die Zurechnung als eines der Effektivitätshindernisse untersucht. Im Rahmen eines Vergleiches mit dem volkswirtschaftlichen Begriff des Allgemeingutes findet diese Untersuchung einmal hinsichtlich der Eigenschaft des Rechtsgutes als durch die Masse genutztes als auch durch die Masse geschädigtes Rechtsgut statt. Diese Feststellungen enden in dem Vorschlag eines eigenen Lösungsweges. Der Stand der Arbeit ist August 2013. Großen Dank möchte ich an dieser Stelle der Heinrich-Böll-Stiftung aussprechen, die die Entstehung dieser Arbeit sowohl finanziell als auch durch beständige ideelle Unterstützung ermöglicht hat. Ein ganz besonderer Dank gilt auch meiner Doktormutter Frau Professor Petra Wittig, die mich nicht nur akademisch, sondern auch persönlich betreut hat und die Entwicklung dieser Arbeit mit viel Geduld und Verständnis begleitet hat. Ebenso möchte ich mich bei meiner besten Freundin Judith Greif bedanken, die mir bei vielen schwierigen Situationen während der Promotionszeit stets zur Seite stand und auch bei eigenen knappen Zeit- und Nervenressourcen immer für mich da war. Auch meiner großen Familie und besonders meinen Eltern Barbara Bube-Sammüller und Siegfried Sammüller möchte ich großen Dank aussprechen. Ohne deren jahrelange Bestärkung und Ermutigung hätte ich sicher nicht die Motivation gefunden, die die Erstellung dieser Arbeit vorausgesetzt hat. Dank ihrer in vieler Hinsicht geleisteten Unterstützung habe ich immer wieder von neuem die Kraft gefunden, die notwendigen Schritte auch tatsächlich zu gehen. Von ganzem Herzen bedanke ich mich bei meinem Mann Nikolaus Gradl und meiner Tochter Lilith. Auch wenn du, liebe Lilith, erst kurze Zeit nach Fertigstellung der Arbeit geboren bist, tragt ihr beide doch einen erheblichen Teil an dem Erfolg meiner Promotion. Ihr wart und seid immer meine Stütze. Vielen Dank. München, im August 2014

Hanna Sammüller-Gradl

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Relevanz der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 III. In der Arbeit verwendete Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Umweltschutz durch Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Zur aktuellen Situation des Umweltstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 a) Umweltrecht zunächst als verwaltungsrechtliche Sanktion . . . . . . . . . . . . 20 b) Das erste UKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 c) Das zweite UKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 d) Weitere Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 e) Der Prozess der Europäisierung des Umweltstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Konsequenzen aus der Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Dogmatische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 aa) Ausschließliche Strafbarkeit der natürlichen Person . . . . . . . . . . . . . . 28 bb) Wahrung der Vorgaben des Ultima-Ratio-Grundsatzes . . . . . . . . . . . . 30 b) Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Empirische Daten zur Entwicklung der Fallzahlen der Umweltdelikte . . . . . 36 a) Die Fallzahlen nach dem ersten UKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Die Fallzahlen nach dem zweiten UKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Aktuelle Fallzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 d) Das Dunkelfeld der Umweltkriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Die überdurchschnittlich hohe Dunkelziffer im Umweltstrafrecht . . . 45 bb) Die Gründe für die hohe Dunkelziffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 e) Zusammenfassung der Ergebnisse aus den empirischen Daten und abschließende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Das Rechtsgut der Umweltdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Ein Rechtsgut der Umweltdelikte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Das Rechtsgut der Umweltdelikte als Kollektivrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Die Kollektivrechtsgüter im System der Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Kritische Stimmen zur Konzeption des Kollektivrechtsgutes . . . . . . . . . . . 53 aa) Grundlegende Kritik am Kollektivrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

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Inhaltsverzeichnis bb) Kritik an der Ausgestaltung des kollektiven Rechtsgutes im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Das unterschiedliche Verständnis des Schutzzweckes der Umweltdelikte . . . 57 a) Das personale Rechtsgutsverständnis und das anthropozentrische Rechtsgut im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Die dualistische Lehre und das ökologische Rechtsgutsverständnis im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 c) Die vermittelnde Lehre im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 d) Unterscheidung der Rechtsgüter je nach Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 e) Verwaltungsrechtlicher Rechtsgutsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 f) Fazit zur Bestimmung des Rechtsgutes der Umweltdelikte . . . . . . . . . . . . 65 III. Prämisse Nr. 1: Legitimes Rechtsgut der Umweltdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 IV. Prämisse Nr. 2: Legitime Existenz des Umweltstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Keine Existenzberechtigung für rein symbolisches Strafrecht . . . . . . . . . . . . 69 2. Existenzberechtigung des Umweltstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 V. Zurechnung als Anknüpfungspunkt für die Ineffektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Definition der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Aspekte der Zurechnung im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Die Zurechnungsproblematik aufgrund von Unternehmensbeteiligung . . . 75 b) Zurechnungsproblematik unabhängig von der Unternehmensbeteiligung . 76 VI. These: Zusammenhang zwischen außerbetrieblicher Zurechnungsproblematik und dem Rechtsgut der Umweltdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Abhängigkeit der innerbetrieblichen von der außerbetrieblichen Zurechnung 77 2. Außerbetriebliche Zurechnungsprobleme unter Beachtung des speziellen Rechtsgutes der Umweltdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

C. Zurechnungsproblematik in Zusammenhang mit der Umwelt als öffentlichem Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Vergleich des Rechtsgutes Umwelt mit seiner Einordnung in der Volkswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Vergleich der Nutznießer im volkswirtschaftlichen bzw. der Schädiger im juristischen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Vergleich der Inhaber der Nutzungsmöglichkeiten im volkswirtschaftlichen bzw. der Geschädigten im juristischen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Zurechnungsproblematik aufgrund der Eigenschaft als kollektives Rechtsgut . . 85 1. Abstrakte Gefährdungsdelikte als Reaktion auf die Unschärfe des Rechtsgutes 86 a) Kurzer Einblick: Unschärfe und Einfluss auf den Erfolgseintritt . . . . . . . . 86 b) Kollektive Rechtsgüter und ihr Schutz über abstrakte Gefährdungsdelikte. 89 aa) Das abstrakte Gefährdungsdelikt als bevorzugter Deliktstyp zum Schutz kollektiver Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb) Ausgestaltung von Umweltdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Folge der Ausgestaltung als abstrakte Gefährdungsdelikte . . . . . . . . . . . . . 93

Inhaltsverzeichnis

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d) Die speziell im Umweltstrafrecht auftretenden potenziellen Gefährdungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Abstrakte Gefährdungsdelikte und Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Kontrollverlust gegenüber der Rechtsprechung bezüglich der Zurechnungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) „Abschleifen“ dogmatischer Differenzierungen der Zurechnung . . . . . . . . 97 c) Exkurs: Einflüsse auf die Zurechnung im Rahmen des Strafprozesses durch den Deal und das Kooperationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Zurechnung über den Risikogedanken des Umweltstrafrechts . . . . . . . . . . . . 101 4. Fazit zur Zurechnung beim Kollektivrechtsgut Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Zurechnungsproblematik aufgrund der Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Umwelt als „kollektiv geschädigtes Rechtsgut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Die rechtliche Bewertung des Aufeinandertreffens mehrerer Handlungen . . . 106 3. Der Begriff der Kumulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Kumulationseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Summationseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Synergetische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Auswirkungen der Kumulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Kumulative Schädigung als Problem im Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Nachweisschwierigkeiten beim Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . 111 bb) Lösung der Schwierigkeiten im Kausalitätsnachweis nach dem Ausschlussprinzip – die Lederspray-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . 112 cc) Aufweichung des Kausalitätsnachweises – die Holzschutzmittelentscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 dd) Kritik an dieser sog. generellen Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Materiell-rechtliche Auswirkungen des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Abweichen des Kausalverlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Problemeinordnung als Fall der objektiven Zurechnung oder des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (2) Sachverhalte im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (3) Rechtliche Folge der Existenz kumulativer Effekte . . . . . . . . . . . . 121 bb) Zurechnung des Einzelerfolges oder des Gesamterfolges? . . . . . . . . . 123 (1) Gesamterfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (a) Zurechnung des Gesamterfolges nach allgemeinem Verständnis der kumulativen Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (b) Zurechnung des Gesamterfolges durch ein weites Verständnis des tatbestandlichen Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Die Einzelerfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (a) Die Äquivalenztheorie als Argument für die Einzelerfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

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Inhaltsverzeichnis (b) Die Regelungen von Täterschaft und Teilnahme als Grund für die Zurechnung des Einzelerfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (c) Die qualitativen Strafbarkeitsgrenzen im Umweltstrafrecht als Argument für die Einzelerfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . 132 (aa) Die Minimaklauseln im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . 132 (bb) Die Minimaklauseln als Argument für die Zurechnung des Einzelerfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (d) Die Kausalitätslehre von Puppe als Argument für die Teilerfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (e) Der differenzierende Ansatz nach Saliger . . . . . . . . . . . . . . . . 136 IV. Fazit über die Gesamt- oder Einzelerfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Effektivität als Vorteil für die Gesamterfolgszurechnung? . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Die Ausnahmen als Schwachstelle der Gesamterfolgszurechnungslehre . . . . 140 3. Der Vergleich mit dem Wirtschaftsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 V. Ein umfassender Lösungsansatz: Der diskutierte Deliktstyp des Kumulationsdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Die unterschiedlichen Konstruktionen eines Kumulationsdelikts . . . . . . . . . . 144 2. Bewertung der Konstruktion des Kumulationsdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 VI. Zusammenfassung: Die Zurechnungsproblematik aufgrund des kumulativ geschädigten Rechtsgutes der Umweltdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

D. Ausblick: Möglichkeiten des Gesetzgebers zur Entschärfung der Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Lösung auf praktischer Ebene: Anzeigepflicht im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Problemstellung: Kein klares Opfer mangels eindeutiger Zuordnung zu einer Person oder einem Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Die Anzeigepflicht im Umweltstrafrecht als rein praktische Lösungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Fazit: Ein Problem der Ermittlungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Lösung auf Ebene des GVG: Spezielle Umweltkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Problemstellung: Erforderlichkeit von Spezialwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Lösung: Schaffung einer gerichtlichen Spezialzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 158 III. Eigener Lösungsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Integration des strafrechtlichen Umweltschutzes in einen anderen Abschnitt des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Einfügen des strafrechtlichen Umweltschutzes in den Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Vergleichbarkeit der Tatobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Vergleichbarkeit der Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Weitere bereits bestehende Parallelen: Die Naturdenkmäler in § 304 StGB 167

Inhaltsverzeichnis

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3. Verbesserung für das Umweltstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Allgemeine Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Übernahme eingeführter Lösungswege und gefestigter Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Gesteigerte Wertigkeit der Umwelt bei eigentumsähnlicher Zuweisung 170 cc) Festlegung des Rechtsgutsbegriffs auf eine anthropozentrische Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Spezieller Vorteil für die Problematik der Zurechnung – Festlegung auf die Einzelerfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Erster Schritt: Feste Erheblichkeitsschwellen als Argument für eine Einzelerfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Zweiter Schritt: Festlegung auf die Einzelerfolgszurechnung . . . . . . . 176 IV. Fazit über die vorgestellten neuen Lösungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 E. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Abkürzungsverzeichnis a. A. AbfRRL ABl. EU AbwAG a. E. AEUV a. F. AO AT AtG Aufl. BauGB BayObLG Bd. BGBl. I, II, III BGH BGHSt BImSchG BNatSchG Bsp. BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. ca. ChemG ders. d. h. Diss. DVBl. EGMR EG-VO EMRK EU EuGH EUV f. ff.

andere Ansicht Abfallrahmenrichtlinie Amtsblatt der Europäischen Union Abwasserabgabengesetz am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Abgabenordnung [?] Allgemeiner Teil Atomgesetz Auflage Baugesetzbuch Bayerisches Oberstes Landesgericht Band Bundesgesetzblatt Teil I, Teil II, Teil III Bundesgerichtshof Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Bundesimmissionsschutzgesetz Bundesnaturschutzgesetz Beispiel Besonderer Teil Drucksache des Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa Chemikaliengesetz derselbe das heißt Dissertation Deutsches Verwaltungsblatt (zitiert nach Jahr und Seite) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Menschenrechtskonvention Europäische Union Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union folgend fortfolgende

Abkürzungsverzeichnis Fischer Fn. FS GA gem. GewO GG ggf. GVG Habil.-Schr. h. M. Hrsg. IPCC i. S. d. ISO i. S. v. JuS JW JZ KJ KrimJ KritV LG lit. LK MDR MüKo m. w. N. NJW NK NStZ NuR NVwZ NVwZ-RR ÖJZ OLG OWiG PJZS PKS RGSt

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Thomas Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze. Kommentar (Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. Kommentar, 59. Aufl., C.H. Beck, München 2012) Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtsverfassungsgesetz Habilitations-Schrift herrschende Meinung Herausgeber Intergovernmental Panel on Climate Change im Sinne des/der International Organisation for Standardization im Sinne von Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kritische Justiz Kriminologisches Journal Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landgericht Buchstabe (lat. litera) Leipziger Kommentar (Rissing-van Saan, Ruth/Tiedemann, Klaus/Laufhütte, Heinrich Wilhelm von: Leipziger Kommentar, Band 1 und 11, 12. Aufl., 2007 bzw. 2008). Monatsschrift für Deutsches Recht Münchner Kommentar (Joecks, Wolfgang/Miebach, Klaus/Sander, Günther, Münchner Kommentar zum Strafgesetzbuch. Kommentar, Band 1 und 4, 2. Aufl., 2011, 2012) mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nomos Kommentar (Kindhäuser, Urs/Neumann, Ulfried/Paeffgen, Hans-Ullrich, Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch. Kommentar, Band 1 und 2, 3. Aufl., Baden-Baden 2010) Neue Zeitschrift für Strafrecht Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungsreport Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Polizeiliche Kriminalstatistik Entscheidungen des Reichsgerichtes in Strafsachen

12 RL Rn. Rspr. S. Sch/Sch SK sog. SSW StGB StPO StRÄndG StV SubvG TeilBd. u. a. UKG Vor. WHG WiKG wistra WiVerw z. B. ZfW ZRP ZStW ZUR

Abkürzungsverzeichnis Richtlinie Randnummer Rechtsprechung Seite/Satz Schönke/Schröder, StGB Kommentar (Schönke, Adolf/Schröder, Horst/ Lenckner, Theodor (Hrsg.)/Eser, Albin (Hrsg.)/Stree, Walter (Hrsg.): Kommentar zum Strafgesetzbuch, 28. Aufl., München 2010. Systematischer Kommentar zum StGB sogenannt Satzger/Schmitt/Widmair, StGB Kommentar (Satzger, Helmut/Schmitt, Bertram/Widmaier, Gunter, StGB-Kommentar, Köln 2009) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafrechtsänderungsgesetz Strafverteidiger Subventitionsgesetz Teilband unter anderem Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität Vorbemerkung Wasserhaushaltsgesetz Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Wirtschaft und Strafrecht Wirtschaft und Verwaltung, Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv zum Beispiel Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Umweltrecht

A. Einleitung I. Relevanz der Fragestellung Ausführungen über die Relevanz des Themas Umweltschutz an sich dürfen wohl als überflüssig bezeichnet werden: Die schweren Umweltkatastrophen der vergangenen Jahre, wie der Unfall auf der Ölplattform Deepwater Horizon und der Super-GAU im japanischen Fukushima, haben der Menschheit einmal mehr vor Augen geführt, wie abhängig sie von einer funktionierenden Umwelt ist und wie schnell diese an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stößt. Auch die Berichte des Internationalen Klimarates IPCC1 haben zu der inzwischen übergreifenden Einsicht beigetragen, dass der Schutz der Umwelt zu den elementarsten Aufgaben unserer Zeit zählt.2 Die Notwendigkeit, unsere natürlichen Ressourcen zu schützen, ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen.3 Interessant sind jedoch Ausführungen über die Relevanz der Fragestellung, wie im rechtlichen Bereich mit dem Thema Umweltschutz umzugehen ist. Denn der Schutz der Umwelt und dessen Durchsetzung sind mit Sicherheit ein Anliegen, das nicht nur Wirtschaft, Technik oder Politik betrifft. Es handelt sich aufgrund der Dimension der Herausforderung und deren Einfluss auf die Gesellschaft um eine Thematik, mit der sich die Rechtswissenschaft selbstverständlich auseinandersetzen muss. Doch bereits hier tauchen die ersten Fragen bezüglich eines juristischen Umweltschutzes auf: Hat die Thematik der Zerstörung von Umwelt bzw. deren Schutz vor menschlichen Eingriffen tatsächlich auf allen rechtlichen Ebenen ihren berechtigten Platz? Ist es sinnvoll, den Schutz der Umwelt sowohl im Zivil- als auch im Verwaltungs- und Strafrecht zu etablieren? Im Verhältnis von Bürgern untereinander werden auf einer zivilrechtlichen Ebene Umweltzerstörungen gegebenenfalls als Eigentumsverletzungen relevant und können zu Reparaturverpflichtungen und Schadenersatzzahlungen führen. Im subordinationsrechtlichen Bereich ist zu differenzieren: Jedenfalls hinsichtlich eines präventiven Vorgehens durch das Verwaltungsrecht hat der Umweltschutz seinen festen Platz gefunden und werden neue Erkenntnisse etwa im Baurecht, dem 1

Aktuell: Vierter Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen der Vereinten Nationen (engl.: IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change), 2007. 2 Vgl. Meinberg, in: Meinberg/Möhrenschlager/Link (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 1. 3 Vgl. Meinberg, in: Meinberg/Möhrenschlager/Link (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 1.

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A. Einleitung

Wasserrecht oder dem Immissionsschutzrecht auch in die Rechtsordnung eingebunden. Auch auf einer internationaleren, nämlich europarechtlichen Ebene wird der präventive Umweltschutz als wichtig erkannt und wird auch von legislativer und administrativer Seite glaubhaft versucht, negative Einflüsse auf die Umwelt zu minimieren. Anders verhält es sich im repressiven Bereich. So ist es nicht nur bereits umstritten, ob die Zerstörung von Umwelt mit Mitteln des Strafrechts geahndet werden kann, sondern weitergehend stellt sich die Frage, was denn das Umweltstrafrecht überhaupt schützen soll und nicht zuletzt, wie dieser Schutz denn umgesetzt wird. Die Etablierung eines ganzheitlich durchdachten, repressiven Vorgehens gegen Umweltzerstörung fällt offensichtlich schwer: Um Umweltschädigungen ahnden zu können, wurde zwar als Abschluss einer langen Rechtsentwicklung ein eigener Abschnitt im StGB geschaffen. Dieser scheint aber problematisch hinsichtlich der Anwendung auf die tatsächlichen Sachverhalte. Während also der präventive Umweltschutz sich stetig aktualisiert und – was gerade bei dieser Thematik von besonderer Relevanz ist – auch grenzüberschreitend angegangen wird, verharrt der repressive Umweltschutz in einer Art Schockstarre. Anstatt sich ebenso wie in den anderen Rechtsbereichen anhand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse an die Zeichen der Zeit anzupassen, hält der repressive Umweltschutz noch immer an Grundsatzfragen fest. Da aber ohne eine Klärung der elementaren Fragen des Umweltstrafrechts eine Weiterentwicklung undenkbar ist, müssen auch diese angegangen werden. Denn mag es auch noch so ärgerlich sein, dass der repressive Umweltschutz aufgrund von ungeklärten Grundsatzfragestellungen momentan aktuellen Entwicklungen hinterherhinkt – ohne deren Klärung kann eine Modernisierung nicht stattfinden. Diese Arbeit nimmt sich einer der Grundsatzfragen des repressiven Umweltschutzes an: Untersucht wird die Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht. Die Frage danach, wer sich genau wofür strafrechtlich zu verantworten hat, ist eine der Kernfragen der Umweltdelikte – allerdings ebenfalls eine, die noch nicht uneingeschränkt beantwortet ist. Um die Besonderheiten herauszustellen, die diese Fragestellung gerade für den Bereich des mit rechtlichen Mitteln durchgesetzten Umweltschutzes hat, werden die repressiv geschützten Rechtsgüter in den Fokus der Untersuchung gestellt.

II. Gang der Untersuchung Diese Arbeit hat zum Ziel, einen der grundsätzlichen Problemkreise des Umweltstrafrechts genauer zu identifizieren: Sie beschäftigt sich mit der speziellen Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht und untersucht dabei den Zusammenhang zwischen dem einzigartigen Rechtsgut der Umweltdelikte und den komplexen Fragen der Zurechnung.

II. Gang der Untersuchung

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Dazu wird im ersten Teil der Arbeit zunächst auf die momentane Situation des Umweltstrafrechts eingegangen (B.I.). Insbesondere werden die Entstehungsgeschichte (B.I.1.) und die sich aus dieser ergebenden Konsequenzen auf die heutige Form des Umweltstrafrechts (B.I.2.) untersucht sowie der Effektivitätsentwicklung anhand von empirischen Fallzahlen nachgegangen (B.I.3.). Im Anschluss daran werden zuerst isoliert voneinander das spezielle Rechtsgut der Umweltdelikte (B.II.) sowie die Zurechnungsproblematik als Ineffektivitätsfaktor vorgestellt (B.V). Diese Feststellungen münden in der Überlegung, dass die spezielle Rechtsgutskonzeption der Umweltdelikte Grund für die Zurechnungsproblematik ist (B.VI.). Im zweiten Teil der Arbeit (C.) wird anhand der unterschiedlichen Gesichtspunkte des Rechtsgutes deren jeweiliger Einfluss auf die Zurechnungsproblematik ausgeführt. Dazu dient ein Begriff aus der Volkswirtschaftslehre, der hilft, die beiden entscheidenden Aspekte herauszuarbeiten (C.I.). Denn das Rechtsgut der Umweltdelikte ist nicht nur ein – aus der Perspektive der Geschädigten – kollektives Rechtsgut (C.I.2.), sondern auch ein – aus der Perspektive der Schädiger – kollektiv geschädigtes Rechtsgut (C.I.1.). Es wird aufgezeigt und gegenübergestellt, welches die jeweiligen Konsequenzen dieser beiden Besonderheiten für die Zurechnungsproblematik sind. Der letzte und dritte Teil der Arbeit (D.) widmet sich in einem Ausblick den Lösungsvorschlägen auf unterschiedlichen Handlungsebenen, die zur Verbesserung der Situation des Umweltstrafrechts diskutiert werden (D.I., D.II.), woran sich ein eigener Lösungsvorschlag anschließt (D.III.). Dieser spricht sich weniger für eine Identifikation und Behebung der einzelnen Brennpunkte des Umweltstrafrechts als für einen Neustart in altbekanntem Gelände aus. In dieser Arbeit wird nicht vertieft auf den das Umweltstrafrecht prägenden Aspekt der Verwaltungsrechtsakzessorietät und dessen möglichen Einfluss auf die Zurechnungsproblematik eingegangen. Zwar sind gerade im Hinblick auf Effektivitätsgesichtspunkte Einflüsse nicht nur denkbar, sondern insbesondere was die Sonderdelikte im Umweltstrafrecht betrifft, auch viel diskutiert.4 Jedoch liegt der 4

Sonderdelikte sind Strafnormen, bei denen an einen bestimmten Täterkreis angeknüpft wird und der Täter folglich bestimmte Merkmale aufweisen muss (vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 35). Speziell im Umweltstrafrecht stellt dieses bestimmte Merkmal auf Regelungen des Verwaltungsrechts ab, also beispielsweise eine verwaltungsrechtliche Pflichtverletzung bei § 325 I StGB. Diese enge Verknüpfung zwischen Verwaltungsrecht und Umweltstrafrecht wird gerade bei der Frage nach der Zurechenbarkeit einer umweltstrafrechtlich relevanten Handlung auf eine Individualperson als Problem angesehen (vgl. Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 10). Der Grund liegt in der unterschiedlichen Behandlung von juristischen Personen im Verwaltungsrecht und im Strafrecht: Im Strafrecht gilt der zwar kritisierte (dazu später ausführlich unter B.I.2.a)aa)), aber vom Gesetzgeber immer wieder bekräftigte Grundsatz der Handlungs-, Straf- und Schuldunfähigkeit von Unternehmen, oder auch „societas delinquere non potest“. Dies ist der Fall, obwohl anerkannt ist, dass sie zivilrechtlich und verwaltungsrechtlich berechtigt und verpflichtet sein können (vgl. Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 11; Sack, Umweltschutzstrafrecht, Rn. 202). Diese Uneinheitlichkeit der Rechtsordnungen hat zur Folge, dass, wenn eine Strafnorm an die Verletzung einer

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A. Einleitung

Fokus der Arbeit auf dem Zusammenhang zwischen dem geschädigten Rechtsgut und der Zurechnung, nicht auf dem Einfluss von Täterqualifikationen auf die Zurechnung. Wenn Zurechnung als Zusammenhang zwischen Täterverhalten und Rechtsgutsschädigung zu sehen ist, nähert sich die Untersuchung der Zurechnungsproblematik also von der entgegengesetzten Seite. Ebenfalls nicht behandelt werden die europarechtlichen Regelungen zum Umweltrecht.5 Auch wenn der Einfluss des europäischen auf das nationale Umweltrecht und dabei speziell auf das Umweltstrafrecht gerade in den letzten Jahren immer größer wird, so hat er doch noch wenig an der speziellen Rechtsgutskonzeption im Umweltstrafrecht geändert. Zumindest bezüglich der Fragen nach dem Einfluss des Rechtsgutes auf die Zurechnung kann er daher außen vor bleiben. Allerdings wird der immer mehr an Bedeutung gewinnende europäische Aspekt im Rahmen der Entstehungsgeschichte (B.I.1.e)) sowie in einem Ausblick (unter A.) angesprochen. Obwohl viele Umweltdelikte aus Unternehmen heraus begangen werden, wird die sog. innerbetriebliche Zurechnungsproblematik, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie eine Straftat einer natürlichen Person innerhalb eines Unternehmens

verwaltungsrechtlichen Verpflichtung anknüpft, die Gefahr besteht, dass der handelnden natürlichen Person das sich aus der persönlichen Verpflichtung ergebende „besondere Merkmal“ fehlt. Folglich fällt sie nicht in den beschränkten Täterkreis der Vorschrift, weil unmittelbar eben nur das Unternehmen als Rechtspersönlichkeit verwaltungsrechtlich verpflichtet wurde (vgl. Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 11). Eine Übertragung der das Unternehmen treffenden verwaltungsrechtlichen Pflichten auf die natürliche Person kann zwar mit Hilfe der Akzessorietätsregelung des § 14 StGB erreicht werden, jedoch ist eine solche Übertragung an enge Voraussetzungen geknüpft. Die dort vorgesehene „Organ- und Vertreterhaftung“ lässt nämlich die Übertragung von besonderen persönlichen Merkmalen nur auf natürliche Personen mit einer verantwortungsvollen und entscheidungserheblichen (vgl. Lencker/Perron in Sch/Sch § 14 Rn. 35) Stellung innerhalb des Betriebes (gem. § 14 I StGB, sog. Organhaftung, also Übertragung auf den gesetzlichen Vertreter wie etwa den alleinigen Geschäftsführer bei der GmbH, gem. § 14 I Nr. 1 StGB, oder auch einen mehrköpfigen Vorstand bei der AG, § 14 I Nr. 2 StGB, siehe dazu auch: Lencker/Perron in: Sch/Sch, § 14 Rn. 26) bzw. ihres Aufgabenbereichs (gem. § 14 II StGB die sog. Vertreterhaftung, also die Übertragung auf den gewillkürten Vertreter) zu. Erfolgt die Delegation von Aufgaben aber auf eine betriebsangehörige Person, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so kann diese Person nach dem strengen Wortlaut des Gesetzes jedenfalls nicht i. S. d. Umweltstrafrechts belangt werden, da die Voraussetzung für die Übertragung der strafbarkeitsbegründenden Pflichten nicht vorliegen und somit die natürliche Person des Betriebsangehörigen auch nicht gegen diese Pflichten verstoßen konnte. Andererseits kann auch die Person, die nach § 14 StGB der Organ- oder Vertreterhaftung unterfällt, nicht bestraft werden, da diese keine tatbestandlich vorausgesetzte Handlung vorgenommen hat. Folglich könnten bei geschicktem Vorgehen die Angehörigen eines Unternehmens die Gesetzeslücken ausnützen und trotz faktischer Verwirklichung eines Straftatbestandes straffrei ausgehen (vgl. Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 12). Auch dieses Problem des Umweltstrafrechts ist u. a. in der von Schünemann beschriebenen Problematik des „Auseinanderfallens von Handlung und Entscheidung“ begründet, die für die Unternehmenskriminalität typisch ist (Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 4 f.). 5 Siehe hierzu weiterführend Heger, Europäisierung; Knaut, Europäisierung; Saliger, Umweltstrafrecht, S. 8 ff.; Meßerschmidt, Umweltrecht, S. 254 ff.

III. In der Arbeit verwendete Begriffe

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zugerechnet werden kann, nur kurz behandelt (B.V.2.), da sie keine allein umweltrechtstypische Zurechnungsproblematik darstellt.

III. In der Arbeit verwendete Begriffe Der Begriff „Zurechnungsproblematik“ im Titel ist als der (generelle) Zusammenhang zwischen Handlung und Rechtsgutsschädigung zu verstehen und somit als ein Überbegriff über die (spezielleren) Elemente der Kausalität und der objektiven Zurechnung. Im Rahmen der Zurechnungsproblematik des Umweltstrafrechts werden daher sowohl Aspekte der Kausalität als auch der objektiven Zurechnung betrachtet.6 Im Einzelnen wird jeweils spezifiziert, ob eine genauere Untersuchung der Kausalität oder der objektiven Zurechnung erfolgt. Der Schwerpunkt liegt auf Problemen im Rahmen der Kausalität.7 Kausalität ist dabei eine „notwendige, aber keine hinreichende Bedingung der Erfolgszurechnung“8, da ein strafrechtlich relevanter Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg nur dann bejaht werden soll, wenn die objektive Zurechnung hinzutritt, der „Täter also durch das Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im konkreten Erfolg verwirklicht“9. „Effektivitätshindernis“ ist im Folgenden als mangelhafte Wirksamkeit der umweltstrafrechtlichen Normen zu verstehen. Das Effektivitätshindernis soll also das Vollzugsdefizit beschreiben. Die Wirksamkeit betrifft dabei im Sinne Danneckers die Aufdeckung und Verfolgung von Verstößen, die sich an einer hohen Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und Aburteilung orientiert.10 Die außerhalb dieser Festlegung liegenden Ziele der Normerreichung11 im generalpräventiven Bereich12 spielen im Rahmen dieser Arbeit nur vereinzelt eine Rolle13, da eine Bewertung dieser generalpräventiven Wirkung nur schwer möglich ist. 6

Siehe zum Begriff der Zurechnung in dieser Arbeit noch ausführlich unter B.V.1. Auf Einzelheiten der Problematik dieser Kausalitätsdefinition im Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht siehe C.III.3. 8 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 37. 9 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 38. 10 Siehe Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch, Rn. 113. 11 Auch Dannecker führt aus, dass neben den zuvor benannten Kriterien einzelne Straftatbestände zusätzlich „eine generalpräventive Wirkung entfalten“, da teilweise schon die Strafandrohung bestimmten Verhaltens ihr primäres Ziel dadurch erreiche, dass das allgemeine Normenbewusstsein gestärkt werde und potenzielle Täter abgeschreckt würden; Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch, Rn. 113. 12 Dazu ausführlich Villmow in NK, Vor §§ 38 ff., Rn. 60 ff., der jedoch die Thematik der General- und auch der Spezialprävention anders als Dannecker unter dem Aspekt der „Effektivität der strafrechtlichen Sanktionen“ behandelt und nicht unter dem Aspekt der Effektivität. 13 Etwa als der Einfluss eines gesteigerten Umweltbewusstseins in der Bevölkerung bei B.I.3.c) oder als erhoffte Konsequenz der gesteigerten Wertigkeit der Umwelt in D.III.3.a)bb). 7

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A. Einleitung

In der Literatur wird häufig der Begriff „Effizienz“ verwendet, der (wohl) Synonym für den zuvor beschriebenen Aspekt der Wirksamkeit und des Vollzugsdefizits sein soll.14 Diese Verwendung des Begriffs „Effizienz“ wird im Folgenden abgelehnt, da im allgemeinen Sprachverständnis und angelehnt an die Definition der ISO-Norm 900015 allein der Begriff „Effektivität“ den „Effekt“, also die Wirksamkeit zur Erreichung des definierten Ziels, beschreibt. Das definierte Ziel ist im Strafrecht der Rechtsgüterschutz, hier also der Schutz des Rechtsgutes Umwelt. Effizienz hingegen bezeichnet ein ökonomisches Kriterium, um festzustellen, ob ein Ziel mit möglichst geringem Mittelaufwand erreicht wurde. Eine solche Überlegung soll hier nicht angestellt werden.

14 Siehe etwa Gänßler, Effektivität des Umweltstrafrechts, bei der dieser Begriff bereits im Titel auftaucht, ebenso Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59, „seiner wichtigsten Zielsetzung, nämlich der Steigerung der Effektivität der Umweltschutznormen“, Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 812, „Präventionseffektivität“. 15 International Organisation for Standardisation, „ISO 9000: 2005“, Nr. 3.2.14 f.

B. Umweltschutz durch Strafrecht Je mehr sich die Erkenntnisse und das Wissen über die Folgen der menschenbedingten Umweltzerstörung in den 70er und 80er Jahren im generellen Bewusstsein verankerte, desto offener wurde darüber diskutiert, dass es zu einer „schrittweisen Ablösung der primär verteilungs- und bewirtschaftungsorientierten Sichtweise zugunsten eines stärker ökologischen Verständnisses der natürlichen Ressourcen“1 kommen müsse, um keine dramatischeren Verschlechterungen in Kauf zu nehmen. Begleitet wurde dieser Prozess von einer wahren Inflation der Normsetzung.2 In diesem Zusammenhang wurde neben einer Vielzahl von verwaltungsrechtlichen Normen, die etliche Gesellschaftsbereiche betreffen, wie das Wasserhaushaltsgesetz (WHG), das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), das Abfallgesetz (AbfG) oder das Baugesetzbuch (BauGB), auch das Umweltstrafrecht geschaffen.

I. Zur aktuellen Situation des Umweltstrafrechts Eine passende Beschreibung des Umweltstrafrechts findet sich bei Saliger: „Das Umweltstrafrecht ist historisch ein relativ junger und systematisch ein in vielerlei Hinsicht besonderer Teil des Strafrechtes“3. Die Normen des Umweltstrafrechts zählen jedoch zu den umstrittensten in der gesamten Strafrechtsdogmatik. Untersuchungen zum Umweltstrafrecht gehen oft einher mit der Unterüberschrift: „Ätiologie einer Misere“4 oder „Plädoyer für den Rückzug aus dem Umweltstrafrecht“5. Eine sehr bedeutende Autorenschaft plädiert sogar dafür, das Strafrecht auf ein sog. Kernstrafrecht zu begrenzen und das Umweltstrafrecht davon auszunehmen.6 Dabei wird argumentiert, dass der Weg, den das Umweltstrafrecht insbesondere in dogmatischer Hinsicht einschlug, ein Irrweg sei.7 Auch in der juristischen Ausbildung kommen die Normen normalerweise nur rudimentär zur Sprache. Dies mag seinen Grund in den komplexen und oft noch immer unzureichend geklärten Problemkreisen des Umweltstrafrechts haben. Als spezifische Probleme des Umweltstrafrechts seien hier das Rechtsgut, die Verwal1 2 3 4 5 6 7

Meinberg, in: Meinberg/Möhrenschlager/Link (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 1. Vgl. Meinberg, in: Meinberg/Möhrenschlager/Link (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 1. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 1. Rotsch, in: wistra 1999, S. 321. Rotsch, Haftung. Siehe dazu etwa die Ausführungen von Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 122 ff. Vgl. Kuhlen, in: ZStW 105 (1993), S. 697.

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

tungsrechtsakzessorietät und die Ausgestaltung der Umweltstrafrechtsnormen als Gefährdungsdelikte genannt. Auch die Rechtsprechung des BGH hat nicht bzw. konnte nicht viel zur Klarheit der Umweltstrafrechtsnormen beitragen. Gerade in Umweltstrafsachen kommt es typischerweise schon generell zu wenigen Verfahren, sodass der BGH nur eine überschaubare Anzahl an Urteilen zu diesem Themenbereich vorzuweisen hat. Aufmerksamkeit seitens einer hohen gerichtlichen Instanz hat das Umweltstrafrecht in letzter Zeit in einem ganz anderen Rahmen erhalten: Deutschland wurde im Rahmen eines Umweltstrafrechtsverfahrens vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, da die überlange Verfahrensdauer die Rechte des Angeklagten aus der EMRK verletze.8 Diese Reaktionen aus Literatur, Lehre und Rechtsprechung zeichnen ein sehr ernüchterndes Bild der Lage des Umweltstrafrechts. Die Auslöser dieser Situation sollen nunmehr kurz beleuchtet werden. 1. Entstehungsgeschichte Um die Gründe für die vielen Kritikpunkte am momentanen Zustand des Umweltstrafrechts aufzuklären, ist ein Blick auf seine Entstehungsgeschichte unerlässlich. a) Umweltrecht zunächst als verwaltungsrechtliche Sanktion Die ersten Schritte zu einem rechtlichen Schutz der Umwelt fanden nicht auf dem Territorium des StGB statt. Aus diesem Grund ist schon vorweg die Frage aufzugreifen, wie und weshalb das Umweltrecht überhaupt noch seinen Weg in das StGB gefunden hat. Denn tatsächlich lassen sich einige Probleme bei der heutigen Umsetzung bereits daraus ableiten: Wie bereits festgestellt enthielt das StGB selbst in seiner ursprünglichen Fassung keine nennenswerten umweltschutzrechtlichen Bestimmungen. Lediglich in einem speziellen Polizeirecht fanden sich einzelne Normen, die als Vorläufer des deutschen Umweltstrafrechts bezeichnet werden können.9 Erst nach einer Reihe von Umweltskandalen um das Jahr 1970 griff der Gesetzgeber überhaupt auf repressive Mittel im Bereich des Umweltrechts zurück: So wurden verwaltungsrechtliche Umweltvorschriften mit Straf- und Bußgeldandrohungen versehen und als „Annex“10-Vorschriften bezeichnet. Beispielsweise wurden das Wasserhaushaltsgesetz und das Atomgesetz in besonderen Abschnitten mit dazugehörigen Strafbestimmungen ergänzt, die somit zu Nebenstrafrecht wurden.11

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Siehe dazu EGMR, NVwZ 2002, 1355. Vgl. Steindorf, in: LK, Vor § 324, Rn. 1. 10 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 3. 11 Vgl. Steindorf, in: LK, Vor § 324, Rn. 1.

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I. Zur aktuellen Situation des Umweltstrafrechts

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b) Das erste UKG Die erste Reform des Umweltstrafrechts, welche durch das am 1. Juli 1980 in Kraft getretene erste UKG12 initialisiert wurde, markiert ein entscheidendes Datum für die Kriminalisierung umweltschädigenden Verhaltens.13 Denn durch diese Gesetzesänderung wurden die wichtigsten einschlägigen Bestimmungen zusammengefasst und teilweise zusätzlich geändert oder erweitert. Sie bilden in den §§ 324 – 330d StGB den Abschnitt der „Straftaten gegen die Umwelt“ und sind dadurch Bestandteil des sog. Kernstrafrechts geworden. Zwar befinden sich auch jenseits dieses Abschnitts – innerhalb und außerhalb des StGB – noch weitere umweltspezifische Strafnormen. Diese sollen jedoch in der folgenden, sich auf den 29. Abschnitt des StGB konzentrierenden Untersuchung außer Betracht bleiben und werden auch in diesem kurzen historischen Abriss zurückgestellt. Bei diesem allerersten Reformprozess des Umweltstrafrechts, der letztendlich in nicht weniger als seiner tatsächlichen Implementierung im Strafrecht mündete, erscheint es besonders relevant festzuhalten, dass infolge der teilweisen Verlagerung in das Kernstrafrecht das Umweltrecht in einem ersten Schritt das Ordnungswidrigkeitenrecht verließ und seitdem von einem „Auseinanderfallen von Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht“14 die Rede ist. c) Das zweite UKG Der Gesetzgeber selbst hat nach eigener Einschätzung mit der Reform aus dem Jahre 199415 das „schärfste Umweltstrafrecht der Welt geschaffen“16. Mit der Verschärfung des Umweltstrafrechts sollte nach Einschätzung von Busch/Iburg suggeriert werden, dass das Strafrecht fortan „mit schneidigem Schwert gegen die Umweltkriminalität zu Felde ziehe “17 und sich damit als „taugliches Instrument des Umweltschutzes“18 eigne. Entgegen dieser Einschätzung hat die Realität mittlerweile bewiesen, dass „dieser schöne Schein trügt“19. Seit Ende 1986 liefen Vorbereitungen für die – in der Literatur viel diskutierte20 – zweite große Reform des Umweltstrafrechts in Gestalt des 1994 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität21 (zweites UKG22). Es 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Siehe dazu 18. StRÄndG, BGBl. I, 373. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 3. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 8. Siehe dazu 31. StRÄndG, BGBl. I, 1440 ff. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 10. Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59. Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59. Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59. So auch Geulen, in: ZRP 1988, S. 323; Sack, in: NJW 1980, S. 1424. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 9.

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

sollte vor allem zu einer „Harmonisierung der Tatbestände“23 führen. Darüber hinaus war es ein erklärtes Ziel, „die Voraussetzungen für eine wirksamere Bekämpfung umweltschädlicher und umweltgefährdender Handlungen mit Mitteln des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts“24 zu verbessern, also die zu diesem Zeitpunkt wohl schon als kritisch beurteilte Effektivität zu erhöhen. Zu diesem Zweck wurde in den strafrechtlichen Regelungsbereich der Schutz des Bodens eingeführt, der nunmehr in § 324 a StGB geregelt ist.25 Andere Normen wurden erweitert bzw. umgestaltet, wie etwa die Regelungen der §§ 325, 326 II, 328 III, 329 III und 330 a StGB.26 Teilweise wurde auch die Strafrahmengrenze nach oben gesetzt.27 Zu einer weitergehenden Reform, die zudem das Problem der Zurechnung einer Umweltstraftat zu bestimmten Personenkreisen zumindest ansatzweise zu lösen versucht, konnte sich der Gesetzgeber allerdings nicht durchringen: Ein ursprünglich vorgesehener Sondertatbestand für Amtsträger im Umweltbereich wurde im Rahmen des zweiten UKGs nicht umgesetzt.28 In den gleichen Zeitraum fällt auch die für den Bereich des Umweltrechts relevante Reformierung der §§ 30, 130 OWiG. § 30 OWiG ermöglicht die Verhängung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen, während § 130 OWiG die Aufsichtspflichtverletzung durch Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber regelt. Die Reform dieser beiden Normen sollte ein Problem lösen, welches nicht nur im Umweltstrafrecht auftritt, sondern viele Deliktstypen mit Unternehmensbeteiligung betrifft und so auch außerhalb des Umweltstrafrechts Zurechnungshindernisse schafft: Es handelt sich um das Problem der Zurechnung einer Rechtsgutschädigung, die aus einem Unternehmen heraus begangen wird. Systemnotwendig nur für den Teil der im Ordnungswidrigkeitenrecht geregelten – bezogen auf das Umweltstrafrecht verbleibenden – Normen wie etwa § 62 BImSchG, § 46 AtG, § 41 WHG oder § 15 AbwAG wurde im Rahmen der Gesetzesänderung der Kreis der Personen, die eine Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG auslösen können, erweitert. Geldbußen können seit dieser Änderung nach dem neu gefassten § 30 I OWiG auch in den Fällen verhängt werden, in denen eine Person „1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, 2. als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes, 3. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder 4. als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung“ gehandelt hat. 22 23 24 25 26 27 28

Siehe dazu 31. StRÄndG, BGBl. I, 1440 ff. Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 5. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 9. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 9. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 9. Vgl. Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 6. Vgl. Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 7a.

I. Zur aktuellen Situation des Umweltstrafrechts

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Bei § 130 OWiG wurden vor allem die „Voraussetzungen zur Herstellung einer Kausalbeziehung zwischen der innerhalb des Unternehmens jeweils vorgefallenen Aufsichtspflichtverletzung und der Zuwiderhandlung gelockert“29, indem in § 130 I S. 1 OWiG die Formulierung des Tatbestandes folgendermaßen erweitert wurde: Nunmehr werden Zuwiderhandlungen schon dann als Ordnungswidrigkeit geahndet, wenn sie durch „gehörige Aufsicht nicht nur hätten verhindert werden können“, sondern auch, wenn diese durch gehörige Aufsicht bereits „wesentlich erschwert worden wären“. Parallel zu Modifikationen im Umweltstrafrecht wurde mit dem 31. Strafrechtsänderungsgesetz zudem eine deutliche Erhöhung des Bußgeldrahmens für umweltrechtliche Ordnungswidrigkeiten vorgenommen.30 Zusammenfassend lässt sich mit den Worten von Kloepfer/Vierhaus feststellen, dass das zweite UKG das Ziel verfolgte, den „offen zu Tage getretenen Vollzugsdefiziten entgegenzuwirken sowie vermeintliche Lücken im strafrechtlichen Umweltschutz zu schließen“31. Insbesondere gegenüber Rechtsgutschäden, die aus Unternehmen heraus verursacht wurden, hatte der Gesetzgeber mit der Änderung des OWiG allgemein versucht, zumindest für den Bereich der im OWiG geregelten Delikte eine effektivere Vorgehensweise zu wählen. Dies hatte zwar selbstverständlich auch Einfluss auf das Umweltrecht, nicht jedoch auf das in dieser Untersuchung im Fokus stehende Umweltstrafrecht. Von anderer Seite und einen anderen Problemkreis der Zurechnung als den der Unternehmensbeteiligung betreffend wurde überlegt, das schon kurz nach Schaffung offensichtlich gewordene Vollzugsdefizit des Umweltstrafrechts selbst anzupacken. Denn wie bereits angeführt sah der Entwurf der Opposition die Einfügung eines speziellen Tatbestandes bezüglich der Strafbarkeit von Amtsträgern vor.32 Diese unterschiedlichen Lösungsansätze lassen eines bereits erahnen: Das Umweltstrafrecht litt schon kurz nach seiner Schaffung an einem offen zutage tretenden Mangel hinsichtlich der Effektivität. Die Zielrichtung der vorgebrachten Lösungsvorschläge zeigt darüber hinaus aber auch, dass gerade der Aspekt der Zurechnung generell bereits in einer sehr frühen Phase des Umweltstrafrechts als Problem wahrgenommen wurde. Nach Cramer/Heine bleibt kritisch zu beurteilen, dass zur Verbesserung der Bekämpfung von Kriminalität aus Organisationen allein das Ordnungswidrigkeitenrecht verschärft wurde33 und sich dabei keine Ideen zu einer parallel gelagerten Lösung im StGB finden ließen. Heruntergebrochen auf das in dieser Untersuchung zu betrachtende Umweltstrafrecht ist dieser Einschätzung unzweifelhaft zuzustim29

Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 6. Vgl. dazu weitergehend auch Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 338, mit Beispielen aus dem WHG, bei dem sich der Bußgeldrahmen teilweise verfünffacht hat. 31 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 9. 32 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 9; Ausschussbericht, BT-Drs. 12/7300, S. 21. 33 Vgl. Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 7 a. 30

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

men. Trotz der wohl vorliegenden Erkenntnis, dass die Zurechnung im Umweltrecht aus unterschiedlichsten Gründen als problematisch beurteilt wurde, blieben Zurechnungsregelungen im StGB von Reformen gänzlich verschont. d) Weitere Reformen Weitere Änderungen am Umweltstrafrecht sah das sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. 1. 199834 vor, welches jedoch nur unwesentliche Änderungen im Kernumweltstrafrecht brachte. Geändert wurden lediglich die Überschriften zu § 326 StGB sowie §§ 330 bis 330 b StGB.35 e) Der Prozess der Europäisierung des Umweltstrafrechts Der Prozess der Europäisierung des Umweltstrafrechts setzte bereits im Jahre 1998 ein, als der Europarat, der Rat der Europäischen Union, die EU-Kommission und das Europäische Parlament erstmals durch das jedoch im Weiteren nicht ratifizierte Übereinkommen Nr. 172 (European Treary Series) Engagement in dieser Richtung zeigten.36 Letztendlich gipfelten diese Bestrebungen in der Richtlinie 2008/ 99/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. 11. 200837 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt.38 Obwohl der Rahmenbeschluss 2003/80/JI des Rates, der bereits am 27. 1. 2003 gefasst worden war, letztendlich vom EuGH mit Urteil vom 13. 9. 200539 aufgehoben wurde, ist auch dieser gesamte Vorgang als einer der wichtigsten Pfeiler des europäischen Umweltrechtsschutzes zu bezeichnen40: Denn trotz der Nichtig-Erklärung des Rahmenbeschlusses des EuGH wegen Verstoßes gegen Art. 47 EUV wurde bei dieser Gelegenheit eine – wenn auch in der Literatur umstrittene – strafrechtliche Harmonisierungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft im Bereich des Umweltstrafrechts bejaht.41 Obwohl nämlich das Strafrecht aus dem Kompetenzkatalog der Gemeinschaft grundsätzlich ausgeschlossen sei, könne diese die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die „volle Wirksamkeit der zum Schutz der Umwelt erlassenen Rechtsnormen zu gewährleisten“42. Von dieser Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers ausgenommen ist

34 35 36 37 38 39 40 41 42

BGBl. I, 164; in Kraft getreten am 1. 4. 1998. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 5. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 8 f. Siehe dazu RL 2008/99/EG, Abl. EU 2008 L. 328, 28. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9. Siehe dazu EuGH, NVwZ 2005, 1289. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 8 f. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9.

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jedoch die Möglichkeit, auch Art und Maß der strafrechtlichen Sanktion festzusetzen, wie das anschließende Urteil des EuGH vom 23. 10. 200743 klarstellt.44 Dementsprechend lag der Fokus im Umweltstrafrecht bis zum 26. 10. 2010 auf der fristgerechten Umsetzung der Umweltstrafrechtsrichtlinie vom 19. 11. 2008.45 Mittlerweile ist auch die Frage der Kompetenz zum Erlass der Richtlinie gelöst, da inzwischen in Art. 83 II AEUV eine primärrechtliche Kompetenz zur Angleichung der strafrechtlichen Rechtsvorschriften besteht, während zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie noch auf eine Annexkompetenz zurückgegriffen wurde.46 Die Literatur geht ohnehin davon aus, dass die deutschen Regelungen den europäischen Vorgaben entsprechen.47 Inhaltlich führte das Inkrafttreten des 45. StrÄndG48 am 6. 12. 2011 zu leichten Modifikationen einzelner Paragraphen des Umweltstrafrechts und dabei ganz überwiegend zu Verschärfungen.49 Allerdings wurde auch eine Klarstellung bezüglich der nun europarechtlichen Dimension des Umweltstrafrechts eingeführt, wie etwa der neue § 330 d II StGB. Danach enthält das Umweltstrafrecht auch eine europäische Verwaltungsakzessorietät50, sodass nunmehr unzweifelhaft auch „schwere Verletzungen von gemeinschaftlichem Umweltrecht“51 mit Strafe bedroht sind. Bei einzelnen Tatbeständen wurden weitere tatbestandsverwirklichenden Handlungen hinzugefügt: So wurde § 326 I StGB um das „sammeln, befördern, handeln, makeln oder sonst-bewirtschaften“ erweitert, um nunmehr auch der Begriffsdefinition aus der europäischen Abfallrichtlinie52 zu entsprechen.53 Auch das Immissionsschutzstrafrecht wurde verschärft, indem der Ausnahmetatbestand aus § 325 V StGB nunmehr über § 325 VII StGB eingeschränkt wird und somit auch die Schadstofffreisetzung durch Verkehrsfahrzeuge unter den Straftatbestand nach § 325 II StGB fallen kann.54 Für einen noch weitergehenden Schutz des Umweltmediums Luft sorgt seit dem 45. StRÄndG außerdem der „Auffangtatbestand“ aus § 325 III StGB, der das Freisetzen von Schadstoffen entgegen verwaltungsrechtlicher Vorschriften unter Strafe stellt, wenn dies nicht schon durch § 325 II StGB erfasst ist.55 Außerdem wurde die „europäische Verwaltungsrechtsakzessorietät“ auch für das Immissionsschutzstrafrecht eingeführt, indem der § 327 II S. 2 StGB 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

Siehe dazu EuGH, NStZ 2008, 703. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9. Siehe dazu BT-Drs. 17/5391. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 9. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 57. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 57. Siehe dazu AbfRRL 2008/98/EG, ABl. EU 2008 L 312, 9 f. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 145 ff. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 197. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 198 f.

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geschaffen wurde, nach welchem auch das unerlaubte Betreiben einer gefährlichen Anlage in einem anderen Mitgliedsstaat der EU unter Strafe gestellt ist.56 Auch im Bereich des Gefahrstoffrechts sind als Konsequenz aus dem 45. StRÄndG Verweisungen geändert worden, sodass jetzt sowohl der Begriff „gefährliche Stoffe“ als auch der Begriff „Gemische“ an die Definitionen aus der EG-VO Nr. 1272/2008 angelehnt sind und nicht mehr auf die Begriffe aus dem ChemG.57 Auch das Naturschutzstrafrecht wurde durch Einführung des § 329 IV StGB erweitert, der die Lebensräume innerhalb der Natura-2000-Gebiete nunmehr speziell unter Schutz stellt.58 Zu beachten ist im Rahmen des Europäisierungsprozesses nach Lackner/Kühl noch der Aspekt der zu gewährleistenden europäischen Grundfreiheiten: Da Richtlinien nur Mindestvorschriften vorgeben und Art. 193 AEUVexplizit schärfere nationale Umweltvorschriften zulässt, kann der deutsche Gesetzgeber zwar an den teilweise schärferen Strafregelungen festhalten.59 Dies gilt allerdings nur so lange, wie dadurch die Grundfreiheiten des AEUV nicht beeinträchtigt werden.60 Ob überhaupt und in welchem Fall eine solche ungerechtfertigte Beschränkung angenommen werden kann, bleibt aber abzuwarten. Eine der spannendsten Fragen für die Zukunft des Umweltstrafrechts wird sein, inwieweit ein „supranationales EU-Kriminal-Strafrecht“61 „auf Grundlage der Kompetenznormen (…) geschaffen werden könnte“62. Denn aus dem oben Ausgeführten wird deutlich, dass die EU ein starkes Interesse an einer EU-weiten Vereinheitlichung des Schutzes der Umwelt hat. Dies ist verständlich, da ein weniger strenger umwelt- und umweltstrafrechtlicher Schutzrahmen als Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mitgliedsstaaten verwendet werden kann. Wie Satzger ausführt, „sehen die Gründungsverträge [im Unterschied zum GG] eben keine bereichsweise Zuständigkeitsabgrenzung vor, sondern das primäre Unionsrecht enthält entsprechend dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I 1, II 1 EUV) einzelne Handlungsermächtigungen zur Erreichung bestimmter Ziele, die durch den AEUV vorgegeben sind“63. Es ist also jeweils im Einzelfall eine Auslegungsfrage, „ob der Erlass supranationaler europäischer Straftatbestände zur Erreichung eines Ziels zulässig ist“64. Maßgeblich für diese Abwägung ist das Verständnis der jeweiligen Ermächtigungsnorm, das sonstige primäre Europarecht und auch die Be-

56 57 58 59 60 61 62 63 64

Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 213. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 228. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 233. Siehe Lackner/Kühl, StGB-Kommentar, Vor § 324, Rn. 16. Siehe Lackner/Kühl, StGB-Kommentar, Vor § 324, Rn. 16. Satzger, Strafrecht, S. 98. Satzger, Strafrecht, S. 98. Satzger, Strafrecht, S. 98. Satzger, Strafrecht, S. 98.

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sonderheiten des Strafrechts.65 Gerade bezüglich des letzteren Gesichtspunktes hat sich mit dem Vertrag von Lissabon die Einschätzung verändert: Während bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die herrschende Ansicht war66, dass diese Besonderheiten zu einer restriktiven Auslegung führen müssten67, „so dass strafrechtliche Sanktionsvorschriften im Ergebnis nicht auf die im AEUV vorhandenen Kompetenzvorschriften gestützt werden könnten“68, hat sich dies mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon grundsätzlich geändert. Grund dafür ist zum einen, dass der AEUV sich in seinen Artikeln 82 und 83 nunmehr explizit mit dem Strafrecht beschäftigt und außerdem die Inhalte der Säule der PJZS in dem supranationalen AEUV aufgegangen sind.69 Hinzu kommt, dass die Vorbehalte gegen strafrechtliche Regelungen in den Art. 33 und 325 AEUV entfallen sind.70 In der Folge führt dies nach Satzger dazu, dass grundsätzlich unmittelbar anwendbare Straftatbestände zur Betrugsbekämpfung insoweit erlassen werden könnten, als dass der Art. 325 V AEUV eine neue Regelung zur „Verhütung und Bekämpfung von Betrügereien gegen die finanziellen Interessen der Union“ enthält.71 Ein ähnliches Vorgehen wäre seiner Ansicht nach bezüglich des Schutzes des Zollwesens aufgrund des neu formulierten Art. 33 AEUV72 und wegen der Benutzung des Wortes „Bekämpfung“ in Art. 79 II lit. c und lit. d AEUV wohl auch bezüglich illegaler Einwanderung und Menschenhandel73 möglich. Allerdings muss trotz dieser bereichsweisen Kompetenzerweiterung bedacht werden, dass die Ausübung dieser Kompetenzen durch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität beschränkt ist.74 Relevant für das Umweltstrafrecht sind die aufgezeigten Änderungen bisher aber nicht, da eine primärrechtliche Kompetenzübertragung auf die EU im Bereich des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt jedenfalls noch nicht stattgefunden hat. 2. Konsequenzen aus der Entstehungsgeschichte Nach dem Aufzeigen der Entwicklung des Umweltstrafrechts sollen nun die Konsequenzen dargestellt werden, die dieser Wechsel vom Neben- in das Kernstrafrecht verursacht hat. 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Siehe Satzger, Strafrecht, S. 98. Zu den Argumenten diesbezüglich siehe weiterführend Satzger, Strafrecht, S. 99. Siehe Satzger, Strafrecht, S. 99. Satzger, Strafrecht, S. 99. Siehe weiterführend Satzger, Strafrecht, S. 100. Siehe weiterführend Satzger, Strafrecht, S. 100. Siehe Satzger, Strafrecht, S. 100, mit weiteren Ausführungen. Siehe Satzger, Strafrecht, S. 101, mit weiteren Ausführungen. Siehe Satzger, Strafrecht, S. 101, mit weiteren Ausführungen. Siehe Satzger, Strafrecht, S. 102.

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a) Dogmatische Konsequenzen Sicherlich sollte die im Rahmen des ersten UKG erfolgte Bündelung von Umweltdelikten im Strafrecht dazu beitragen, dass die Sensibilisierung der Gesellschaft für Umweltbelange sich auch in einem schärferen Gesetz repräsentiert sieht. Allerdings wurden durch diese Grundsatzentscheidung erhebliche juristische und praktische Schwierigkeiten geschaffen. aa) Ausschließliche Strafbarkeit der natürlichen Person Mit der „Verstrafrechtlichung“ der Umweltdelikte geht einher, dass mit Anwendung der strengeren Regeln aus dem StGB individuelle Personen als Täter identifiziert sowie der Deliktshergang eindeutig und nach den strengen Voraussetzungen des Strafprozesses nachgewiesen werden kann. Im Strafrecht gilt der Grundsatz der Handlungs-, Straf- und Schuldunfähigkeit von Unternehmen oder auch „societas delinquere non potest“75. Verantwortlich für die beschriebenen die Voraussetzungen einer rechtlichen Ahndung erschwerenden Umstände ist u. a. das das Strafrecht prägende Schuldprinzip. Das Schuldprinzip hat grundsätzlich zum Inhalt, dass nur schuldfähige Personen sich auch strafrechtlich zu verantworten haben. Es macht also gerade die individuelle Verantwortung zur Voraussetzung einer strafrechtlichen Verurteilung. Der Forderung nach einer speziellen strafrechtlichen Verbandshaftung hat der Gesetzgeber sowohl bei Schaffung des zweiten UKG 1994 als auch im Jahre 2000 im Rahmen einer durch das Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems eine Absage erteilt.76 Obwohl immer mehr kontinentaleuropäische Staaten dem Vorbild des angloamerikanischen Rechts folgen und Kriminalstrafen für Verbände eingeführt haben, scheint diese Option in Deutschland die Diskussionsphase nicht zu verlassen.77 Auch das Ordnungswidrigkeitenrecht beinhaltet das dem Schuldprinzip parallel laufende bzw. „entsprechende“78 Prinzip der Vorwerfbarkeit. Täter können demnach nach geltendem Recht jeweils stets nur natürliche Personen sein. Denn, so die Auffassung der ganz überwiegenden Meinung, im Gegensatz zur natürlichen Person fehle es der juristischen Person an Schuld- und somit Straffähigkeit.79 Zudem wird der juristischen Person die Handlungsfähigkeit aberkannt. Diese Einschätzung erklärt sich insbesondere dann, wenn man die strafrechtlich zu ahndende Handlung mit Roxin als „Persönlichkeitsäuße75

Siehe Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 99. Siehe dazu Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Abschlussbericht, S. 109 ff.; vgl. auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 99. 77 Vgl. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 99. 78 Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 1, Rn. 8. 79 Vgl. Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 25 ff., Rn. 119; Jescheck/Weigend, Lehrbuch Strafrecht AT, S. 225, 227 ff., m. w. N. 76

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rung“80 umschreibt. Nach dessen sog. personalem Handlungsbegriff ist Handlung zunächst einmal alles, „was sich einem Menschen als seelisch-geistiges Aktionszentrum zuordnen lässt“81. Der verwendete Begriff der Persönlichkeitsäußerung ist demnach auch das für die Abgrenzung von Handlung und Nichthandlung entscheidende Kriterium.82 Da Unternehmen eine psychisch-geistige Substanz fehle, können sie sich selbst nicht äußern – dies können nur menschliche „Organe“ mit Wirkung für sie übernehmen; es sind dann diese zu bestrafen und nicht die juristische Person.83 Während das Ordnungswidrigkeitenrecht in § 30 I OWiG vorsieht, dass eine Geldbuße auch gegenüber einer juristischen Person verhängt werden kann, ist das Verhängen einer eigentlichen Geldstrafe84 gegenüber einer juristischen Person im StGB nicht möglich.85 Dies ist deshalb problematisch, da „ein Bedürfnis besteht, der juristischen Person die Vorteile wieder wegzunehmen, die sie durch Straftaten ihrer Organe erlangt hat“86. Außerdem wird ein „strafweiser Zugriff auf das Vermögen der juristischen Person oft als wirkungsvoller angesehen als die Haftbarmachung ihrer Organe“87. Mangels der Möglichkeit einer Verbandsstrafe wird im deutschen Recht versucht, entstehende Lücken über § 30 OWiG zu schließen, der es „immerhin“88, aber eben dennoch nur als „Nebenfolge“89 von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zulässt, dass Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen verhängt werden.90 Eine wichtige Konsequenz aus der Überführung des Umweltschutzes in das Neben- und dann das Kernstrafrecht hat somit auch eines der relevantesten Probleme für die Effektivität des Umweltstrafrechts geschaffen: Gerade indem man auf die Möglichkeit einer Zurechnung zur juristischen Person selbst verzichtete, wurde ein weiterer Grund für das Vollzugsdefizit des Umweltstrafrechts erst geschaffen, wie etwa das im Rahmen von Zurechnung und Beweisbarkeit angesiedelte Problem der Undurchsichtigkeit innerbetrieblicher Vorgänge.91 So ist es auch wenig erstaunlich, dass in der Diskussion um die Einführung einer Verbandsstrafe das Wirtschafts-, aber eben gerade auch das Umweltstrafrecht als eines der modernen Phänomene benannt 80

Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 44. Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 44. 82 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 58. 83 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 59. 84 Sonderregelungen hiervon sieht lediglich der Verfall nach §§ 73 ff. StGB vor, der jedoch nur dasjenige betreffen kann, was unmittelbar aus einer rechtswidrigen Tat erlangt wird. 85 Siehe Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 99. 86 Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 60. 87 Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 60. 88 Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 60. 89 Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 60. 90 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 8, Rn. 60. 91 Vgl. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 337. 81

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wird, bei denen sich die Frage stellt, ob das „individualistische Verständnis des deutschen Strafrechts“92 überhaupt noch passt. Gerade die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ist es, die in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist. Während im Zivilrecht etwa durch die Instrumente der Beweislastumkehr oder der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung Unternehmen relativ unproblematisch zur Verantwortung gezogen werden können, um Wiedergutmachung zu leisten, muss im Strafrecht eine am verfassungsrechtlich verankerten93 Schuldprinzip orientierte Lösung gefunden werden.94 Ohne der späteren Untersuchung Erkenntnisse vorwegnehmen zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass der BGH dennoch Lösungsstrukturen entwickelt hat, die sich mit genau diesem nicht nur im Umweltstrafrecht auftretenden Problem auseinandersetzen. Obwohl diese Ansätze, die beispielsweise die Grundsätze zur objektiven Zurechnung, der Kausalität oder der Garantenpflicht betreffen und großteils im Rahmen von Fragen nach der Produktverantwortlichkeit von Unternehmen entwickelt wurden, nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich auf das Umweltstrafrecht übertragbar sind95, kann dabei jedenfalls nicht von einer gefestigten Dogmatik gesprochen werden.96 bb) Wahrung der Vorgaben des Ultima-Ratio-Grundsatzes Das Strafrecht ist das letzte unter allen in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen für Rechtsgüter, d. h., es darf nur dann eingesetzt werden, wenn andere Mittel der sozialen Problemlösung – wie die zivilrechtliche Klage, polizei- oder gewerberechtliche Anordnungen, nichtstrafrechtliche Sanktionen usw. – versagen.97 Es gilt deshalb die Strafe auch als „Ultima Ratio der Sozialpolitik“98, deren Aufgabe als sog. subsidiärer Rechtsgüterschutz definiert ist.99 Saliger sieht darin auch einen der Gründe für die begrenzte Funktionalität des Umweltstrafrechts, die sich gerade auf Basis des „prinzipiellen Vorrangs des öffentlichen Umweltrechts“100 bestimmen lasse. Als „grundsätzlich nachrangiges, subsidiäres Recht“101 habe das Umwelt-

92

Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 99. Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 194. 94 Vgl. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 337. 95 Vgl. dazu etwa Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 1996, BT-Drs. 13/4108; Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 28; Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 65; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 60 ff. 96 Vgl. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 337. 97 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 97. 98 Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 97. 99 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 97. 100 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 2. 101 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 2. 93

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strafrecht „vor allem ergänzende, flankierende und verstärkende Funktion“102 zum öffentlichen und privaten Umweltschutz. Auch daran dürfe seine Effektivität gemessen werden. Grundsätzlich beschränkt sich also das geltende Strafrecht auf die Bekämpfung schwerer Gesetzesverletzungen mit sozialschädlichen, d. h. überwiegend beträchtlichen Rechtsgutverletzungen103, die vom Gesetzgeber als strafwürdig beurteilt werden. Das Strafrecht setzt ein Unwerturteil über Tat und Täter voraus, das nicht etwa nur moralisch, sondern auch strafrechtlich konkretisiert und fundiert ist. Gerade das Strafrecht bringt einen besonderen sozialethischen Vorwurf zum Ausdruck, da es mit seinen schwerwiegenden Sanktionen als Ultima Ratio keinesfalls jedes unerwünschte Verhalten erfassen soll und kann, sondern nur eingreift, wenn dies zum Schutz wichtiger Interessen unumgänglich ist. Diesem Ultima-Ratio-Gedanken104 des Strafrechts kommt vor allem die Funktion zu, den Schutz „bloßer Ideologien“105, „Moralvorstellungen“106, „gesellschaftlicher Tabus“107 oder „nicht billigenswerter Partikularinteressen“108 aus dem Bereich des Strafrechts herauszunehmen.109 Dieses Subsidiaritätsprinzip lässt sich aus dem verfassungsrechtlich gesicherten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz110 ableiten: Wo dem Staat ein weniger belastendes Mittel für den Rechtsgüterschutz zur Verfügung steht, ist der Einsatz des Strafrechts nicht erforderlich.111 Damit geht auch die Frage einher, wann eine Handlung aus kriminalpolitischer Sicht als Straftat und wann sie als Ordnungswidrigkeit gewertet werden soll. Hierbei kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu.112 Im Bereich des Umweltrechts hat sich der Gesetzgeber nunmehr entschlossen, die Schädigung des Rechtsgutes „Umwelt“ mit dem Strafrecht als Ultima Ratio zu ahnden. Diese Entscheidung ist in der Literatur häufig nicht auf Gegenliebe gestoßen.113 Abgesehen davon, dass ein großer Teil der Literatur dem Umweltstrafrecht ein erhebliches Vollzugsdefizit und folglich eine reine Symbolhaftigkeit konstatiert114,

102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114

Saliger, Umweltstrafrecht, S. 2. Vgl. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, S. 326. Siehe dazu weiterführend Roxin, Strafrecht AT, § 2 Rn. 97. Kudlich, in: SSW, StGB Kommentar, Vor §§ 13 ff., Rn. 5. Kudlich, in: SSW, StGB Kommentar, Vor §§ 13 ff., Rn. 5. Kudlich, in: SSW, StGB Kommentar, Vor §§ 13 ff., Rn. 5. Kudlich, in: SSW, StGB Kommentar, Vor §§ 13 ff., Rn. 5. Vgl. Kudlich, in: SSW, StGB Kommentar, Vor §§ 13 ff., Rn. 5. Siehe dazu weiterführend Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 86. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 97. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 98. Siehe etwa Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 122 ff. Siehe dazu auch die Ausführungen bei Saliger, Umweltstrafrecht, S. 25.

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gibt es Autoren, die auch den Ultima-Ratio-Grundsatz des Strafrechts verletzt sehen.115 Schon um der Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes Rechnung zu tragen, soll der Gesetzgeber jedenfalls dort statt einer Straftat eine Ordnungswidrigkeit wählen, wo eine nicht-strafrechtliche Sanktion zur Sicherung des von ihm verfolgten Zwecks ausreicht.116 Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn durch das Delikt lediglich eine geringe Rechtsgüterbeeinträchtigung entsteht. Anderseits heißt das aber auch, dass ein Delikt nur dann seinen Weg ins StGB findet, wenn die daraus resultierende Rechtsgutverletzung als so gravierend angesehen wird, dass die Sanktionierung durch das OWiG nicht mehr ausreicht. Der Subsidiaritätsgedanke lässt dieser Zuordnung einen großen Spielraum. Zwar ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungsrechtlich bindend – praktisch ist aber eine Verfassungswidrigkeit so lange zu verneinen, wie der Gesetzgeber für geringere Verstöße entsprechend milde Strafen zur Verfügung stellt.117 Die dem Gesetzgeber zustehende Einschätzungsprärogative ist folglich ziemlich groß. Als nun beschlossen wurde, dass der Schutz der Umwelt nicht mehr nur mit Hilfe von Sanktionen aus dem OWiG durchgesetzt werden solle, kam damit die Motivation des Gesetzgebers zum Ausdruck, diesem Schutzzweck eine gewichtigere Rolle zukommen zu lassen. Auch wenn die Festlegung des Rechtsgutes im Umweltstrafrecht erhebliche Schwierigkeiten aufwirft, kann grundsätzlich festgestellt werden, dass es sich bei Rechtsgütern um die abstrakten Werte unserer Gesellschaft handelt, die wegen ihrer besonderen Bedeutung strafrechtlichen Schutz genießen.118 Die Geschichte des Umweltstrafrechts ist geprägt vom Willen des Gesetzgebers, die Umwelt auch als Rechtsgut immer besser und immer umfänglicher zu schützen. Der Grund dafür ist u. a. der permanente Wertewandel der Gesellschaft in Bezug auf Zielvorstellungen und Selbstverständnis.119 So hat der Erhalt der natürlichen Ressourcen inzwischen eine gesellschaftlich bedeutende Rolle eingenommen – ob dies nun Grund oder Folge der strengeren Ahndung durch den Gesetzgeber war, muss allerdings dahingestellt bleiben. Aus demselben Grund wurde der Verstoß gegen Umweltrechtsgüter aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht in das Strafrecht überführt. Mit dieser Entscheidung sollte seitens des Gesetzgebers klargestellt werden, dass mit einer Schädigung des Rechtsgutes „Umwelt“ im Gegensatz zur bloßen Begehung einer Ordnungswidrigkeit eine echte Straftat begangen wird, die aufgrund ihres wesentlich höheren sozial-ethischen Unwertgehalts eine kriminelle Handlung darstellt.

115 116 117 118 119

Siehe dazu auch die Ausführungen bei Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 2. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 99. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 102. Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 133. Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 133.

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Ein weiterer interessanter Aspekt zur Frage der Ultima Ratio im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts – zu welchem der Autor auch das Umweltstrafrecht zählt120 – findet sich bei Achenbach121: Wie die oben genannten Autoren benennt Achenbach den Grundgedanken, nach dem der „Strafsanktion eine besondere Schärfe zugeschrieben wird, die sie von allen anderen Maßnahmen charakteristisch abhebe“122. Hintergrund dieser besonderen Schärfe sei das „Stigma“123 sowie der „öffentlich gemachte Tadel, der den davon Betroffenen über das Bundeszentralregister zum ,Vorbestraften‘ “124 mache. Dennoch stellt Achenbach den Ultima-Ratio-Effekt der strafrechtlichen Maßnahme speziell für das Wirtschaftsstrafrecht in Frage: Schließlich seien andere rechtliche Maßnahmen aus dem Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts als mindestens ebenso „scharfe Waffen“125 zu qualifizieren. Achenbach nennt als Beispiele die „massive Beeinträchtigung der Existenzgrundlage durch die Untersagung der Gewerbeausübung“126, die „Abberufung als Geschäftsführer eines Kreditinstitutes“127 oder eben auch die „Stilllegung eines umweltschädigenden Betriebes“128. Diese Argumentation, die sich für eine kritische Hinterfragung des Ultima-Ratio-Begriffs gerade im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts ausspricht, erscheint durchaus nachvollziehbar. Dies könnte sie zu der Annahme führen, dass die oben beschriebenen Zweifel über die Einhaltung des UltimaRatio-Grundsatzes im Umweltstrafrecht als weniger gewichtig bzw. weniger relevant beurteilt werden, verliert doch nach der Argumentation Achenbachs der UltimaRatio-Grundsatz im Wirtschaftsstrafrecht ohnehin an „Sanktionsschärfe“129 im Sinne einer klaren Abgrenzbarkeit zu den Konsequenzen aus Maßnahmen anderer Rechtsgebiete. Allerdings würde dies einer vorschnellen Abwertung des UltimaRatio-Grundsatzes gleichkommen, da auch die Feststellungen Achenbachs dessen Notwendigkeit gar nicht in Frage stellen, sondern zu Recht lediglich die Beurteilung der Schärfe der Sanktion aus Sicht des Betroffenen hinterfragen.

120 Vgl. Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 808; eine andere Einordnung nimmt Wittig vor, die sich an einer pragmatischen Sichtweise orientiert, nach der sowohl „rechtsgutsorientierte Systematisierungsversuche“, die „strafprozessualen Regelungen des § 74 c GVG“ sowie die „Bedürfnisse der universitären Ausbildung“ dazu führen, dass das Umweltrecht zumindest eine „Spezialmaterie“ darstellt, die nicht mehr zu den Grundrissen des Wirtschaftsstrafrechts gezählt werden kann; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 99. 121 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 789. 122 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813. 123 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813. 124 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813. 125 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813. 126 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813. 127 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813. 128 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813. 129 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 813.

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b) Praktische Konsequenzen Die durch die Einbettung in das StGB verursachte Verschärfung der Sanktionen aufgrund der Umweltschädigung hat also eine Schattenseite: Während versucht wird, eine höhere Durchschlagskraft durch ein höheres Strafmaß zu erreichen, werden die Vorteile des OWiG über Bord geworfen. So können beispielsweise die Sanktionsmechanismen des OWiG, welche die Ahndung von Vergehen aus einem Unternehmen heraus betreffen, keine Anwendung mehr finden. Dies hat praktisch zur Folge, dass auch im Vollzug der Regelungen die Ermittlungsbehörden nicht mehr auf diese die Zurechnung erleichternden Vorschriften zurückgreifen können. Möglicherweise ist dies der Grund dafür, dass es letztendlich „Private, Landwirte und Angehörige kleiner und mittlerer Unternehmen“130 sind, die im Vergleich zu Angehörigen von großen Unternehmen bzw. der Industrie häufiger von Umweltstrafverfahren betroffen sind.131 Überdies hat der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen festgestellt, dass bei Letzteren die Verfahren von der Staatsanwaltschaft besonders häufig eingestellt werden.132 Einige Autoren nehmen diese Auswertungen zum Anlass, sämtliche Reformbemühungen zum Umweltstrafrecht bereits gänzlich in Frage zu stellen. Schließlich habe das Umweltstrafrecht in seiner jetzigen Form „in seiner wichtigsten Zielsetzung, nämlich der Steigerung der Effizienz133 der Umweltschutznormen, bislang versagt“134. Insbesondere das Ausbleiben der Sanktionierung von Umweltstraftaten, die aus Unternehmen heraus verursacht werden, wurde in den letzten Jahren vermehrt kritisiert135, denn schließlich sind es nicht selten genau diese aus Unternehmen heraus begangenen Schädigungen, die ganz erhebliche Ausmaße und Gefahrenpotenziale aufweisen.136 Krusche bezeichnet die Großindustrie in diesem Zusammenhang sogar als den „Umweltverschmutzer Nr. 1“137. Doch die Stimmen der Kritiker sind differenzierter, als es diese beiden herausgegriffenen Zitate vermuten lassen: Denn auch nach Ansicht der kritischen Stimmen kann nicht von einem Effektivitätsdefizit per se ausgegangen werden. Tatsächlich müsse dabei nach Tätergruppen unterschieden werden. So schließen sich Busch/ Iburg der Einschätzung an, dass es gerade die gravierenden Umweltschädigungen sind, „die in oder aus Industrieunternehmen oder Gewerbebetrieben begangen 130

Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2002, S. 18. Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2002, S. 18. 132 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2002, S. 19. 133 I.S.d. oben, unter A.II. festgelegten Definition müsste die von Busch/Iburg so bezeichnete „Effektivität“ vorliegend als „Effektivität“ verstanden werden. 134 Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59. 135 Siehe dazu Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 7. 136 Vgl. Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 5. 137 Krusche, in: ZRP 1985, S. 304. 131

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werden“138, aber „nur vergleichsweise selten verfolgt“139 werden. Und auch Kloepfer/Vierhaus formulieren ihre Kritik entsprechend, wonach „im Zentrum der Ermittlungen eher – vom ökologischen Standpunkt aus betrachtet – belanglose Vorgänge“140 stünden, „die sich im Wesentlichen im privaten und kleingewerblichen Alltagshandeln“ erschöpfen.141 So würden auch nach ihren Einschätzungen beispielsweise landwirtschaftliche Betriebe überdurchschnittlich oft in Ermittlungen verwickelt, während gegen Betriebe142 mit mehreren hundert Mitarbeitern unterdurchschnittlich oft ermittelt würde.143 Letztendlich führt dies zu dem fragwürdigen Ergebnis, dass der Delinquent mit niedrigerem Schädigungspotenzial gegenüber dem geschützten Rechtsgut wahrscheinlicher mit einer Verurteilung zu rechnen hat als derjenige, der das Rechtsgut nachhaltiger zu schädigen vermag. Anders formuliert steht die eigentliche Schutzfunktion des Umweltstrafrechts gerade im Widerspruch zu der aktuellen Situation, wonach das Umweltstrafrecht gerade in den Bereichen versagt, in denen die größten Schädigungspotenziale bestehen.144 Schon allein um das Vertrauen in die umweltpolitische Arbeit des Gesetzgebers wieder zu stärken, ist es von größter Wichtigkeit, die Durchschlagskraft des Umweltstrafrechts zu steigern. Wie das Auseinanderklaffen von Schädigungspotenzial und tatsächlicher Sanktionierung zeigt, darf sich der gesetzgeberisch angeordnete Umweltschutz nicht auf einer rein symbolischen Funktion ausruhen, indem er – wie ihm teilweise vorgeworfen wird – „staatliche Aktivität nur vortäusche“145 und dabei „von der kriminellen Tätigkeit der Täter und der Untätigkeit der mit dem Umweltschutz beauftragten Behörden ablenkt“146.

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Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59. Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59. 140 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 163. 141 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 163. 142 Im Folgenden sollen der Begriff des Betriebes und des Unternehmens gleichbehandelt werden. Für eine Unterscheidung der Begriffe besteht im Rahmen dieser strafrechtlichen Betrachtung kein Anlass. Ebenso: Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 7, Fn. 36. Für eine Unterscheidung siehe Fischer, § 14, Rn. 8 m. w. N.; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, S. 75, m. w. N. 143 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 163. 144 Vgl. Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 8. 145 Busch, Unternehmen und Umweltstrafrecht, S. 24. 146 Busch, Unternehmen und Umweltstrafrecht, S. 24. 139

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3. Empirische Daten zur Entwicklung der Fallzahlen der Umweltdelikte Im folgenden Kapitel soll mit Hilfe empirischer Zahlen ein genaues Bild der Fallzahlen und Fallkonstellationen gezeichnet werden, insbesondere mit Blick auf ihre Entwicklung nach den unterschiedlichen Reformschritten. Ein solches Kapitel ist notwendig, um bei der folgenden Untersuchung nicht im luftleeren Raum argumentieren zu müssen. Schließlich wird die tatsächliche Wirksamkeit des Umweltstrafrechts seit jeher bezweifelt und beschrieben, dass die Durchschlagskraft des Umweltstrafrechts hinter den Erwartungen zurückbleibe. So beschreibt etwa Heine147 die frustrierende Historie der Effektivität des Umweltstrafrechts: „Zunächst führte der strafrechtliche Schutz der Umwelt bis 1980 ein Schattendasein, bis schließlich die Einfügung verschiedener Umweltstraftatbestände in das StGB vollzogen wurde. Davon versprach man sich ,sensationelle Erfolge‘ mit einem glatten ,Start-Ziel-Sieg‘. Doch schon bald machte sich eine gewisse Unzufriedenheit über das neu geschaffene Kernstrafrecht breit“148. a) Die Fallzahlen nach dem ersten UKG Um die Fallzahlen in den Jahren kurz nach Schaffung der Umweltstrafrechts darstellen zu können, wurde in dieser Arbeit neben den Polizeilichen Kriminalstatistiken auf eine Veröffentlichung von Heine149 zurückgegriffen. Dieser überprüfte schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, ob „das Umweltstrafrecht seinen ambitionierten Erwartungen gewachsen sein konnte“150, da die „praktischen Erfahrungen und empirische Studien schon bald Skepsis aufkommen ließen“151. Die Statistiken belegen zunächst einen ungewöhnlich starken Anstieg auf der Eingangsebene der polizeilichen Registrierung. Die Zahl der erfassten Fälle bewegte sich auf der Grundlage des Nebenstrafrechts bis 1980 zwischen 2.500 und 5.000152 und stieg – als Anzahl der bekannt gewordenen Fälle153 – nach dem neuen Umweltstrafrecht, also dem ersten UKG aus dem Jahre 1980, Jahr für Jahr an: 1981 betrug die Zahl der bekannt gewordenen Fälle noch 5.866154, bis der Anstieg im Jahre 147

Heine, in: ZUR 1995, S. 63. Heine, in: ZUR 1995, S. 63. 149 Heine, in: ZUR 1995, S. 63. 150 Heine, in: ZUR 1995, S. 63. 151 Heine, in: ZUR 1995, S. 63. 152 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63. 153 Als bekannt gewordener Fall „gilt jede im Straftatenkatalog aufgeführte rechtswidrige Tat einschließlich der mit Strafe bedrohten Versuche, der eine polizeilich bearbeitete Anzeige zugrunde liegt“ (Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1981, S. 6). Eine identische Definition findet sich in den folgenden PKS. 154 Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1981, S. 146. 148

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1993 29.732 Fälle erreichte155. Dieser stabile Trend ist jedoch nach Ansicht Heines weniger einem tatsächlichen Anstieg krimineller Handlungen zuzuschreiben als vielmehr einem gewachsenen Stellenwert des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt, etwa durch breitere Tatbestände, erweiterte Kontrolldichte und organisatorische Aufwertung der Ermittlungsbehörde.156 Diese Zahlen klingen zunächst sehr vielversprechend. Auf den ersten Blick scheint es, als hätte mit der Einführung des Umweltstrafrechts der erhoffte Effekt eingesetzt. Allerdings muss bei der Frage nach der Effektivität von neu eingeführten Delikten ein zweiter Blick riskiert werden: Nicht außer Acht gelassen werden darf die Zahl der tatsächlich „aufgeklärten Fälle“157. Die Aufklärungsquote ist entgegen der Quote der erfassten Fälle seit Einführung des UKG kontinuierlich gesunken und hatte sich ab 1990 bei etwa 70 % eingependelt158,159. 155

Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1993, S. 27. Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63. 157 Als aufgeklärt gilt ein Fall, wenn „die rechtswidrige (Straf-)Tat, für die nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis ein mindestens namentlich bekannter oder auf frischer Tat ergriffener Tatverdächtiger festgestellt worden ist“ (Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1981, S. 6). Eine identische Definition findet sich in den folgenden Polizeilichen Kriminalstatistiken. 158 So betrug sie im Jahre 1990 etwa 72,5 % (Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1990, S. 184), im Jahre 1991 70,1 % (Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1991, S. 181) und 1992 67,7 % (Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1991, S. 200). 159 Einen weiteren, jedoch nicht ganz unkritisch zu beurteilenden Aspekt bringt Heine ein: Die Zahl der aufgeklärten Fälle alleine mag nach Heine noch nicht aufzeigen, wie es wirklich um die Effektivität des Umweltstrafrechts bestellt ist, denn auch diese Quote liegt – sogar weit – über dem Durchschnitt. Heine kommt dabei zu der Überzeugung, dass bei Fällen mit industriellem Hintergrund häufig pauschal die Firma als Verantwortliche geführt würde (vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63 ff., S. 64; ders./Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, S. 89). Diese Aussage ist jedoch zumindest in Frage zu stellen, da nach der Definition der Polizeilichen Kriminalstatistik ein Fall dann als aufgeklärt gilt, wenn es sich um eine „rechtswidrige (Straf-)Tat [handelt], für die nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis ein mindestens namentlich bekannter oder auf frischer Tat ergriffener Tatverdächtiger festgestellt worden ist“ (Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1981, S. 6. Eine identische Definition findet sich in den folgenden Polizeilichen Kriminalstatistiken). Leider kann auch der jeweilige Abgleich innerhalb der Zahlen über die „Geschlechts- und Altersstruktur der Tatverdächtigen“ (jeweils etwa zu finden in: Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1990, S. 185; PKS 1991, S. 182; PKS 1992, S. 202) und der absoluten Zahlen der aufgeklärten Fälle innerhalb der Polizeilichen Kriminalstatistiken keine Klarheit darüber bringen, ob tatsächlich auch die Benennung eines Unternehmens einen aufgeklärten Fall im Sinne der Kriminalstatistik darstellt: Da einem Unternehmen weder ein Geschlecht noch ein Alter zugewiesen werden kann, müssten die dort angegebenen Zahlen niedriger sein als die der aufgeklärten Fälle, da die Fälle, in denen lediglich Unternehmen als Tatverdächtige gezählt wurden, herausgerechnet würden. Allerdings werden bei der „Geschlechts- und Altersstruktur der Tatverdächtigen“ jeweils nur einige ausgewählte Umweltdelikte aufgeführt. Zudem wird, wenn einem Tatverdächtigen im Berichtszeitraum mehrere Fälle verschiedener Straftatenschlüssel zugeordnet werden, er „für jede Gruppe gesondert, für die entsprechende übergeordnete Straftatengruppe bzw. für die Gesamtzahl der Straftaten hingegen jeweils nur einmal registriert“ (Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1992, S. 8. Eine identische Definition findet sich in den folgenden Polizeilichen Kriminalstatistiken). Somit ist die Zahl der Tatverdächtigen im Rahmen der Aufstellung der „Geschlechts- und 156

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Zusätzlich lohnt sich ein Blick auf die tatsächlich abgeurteilten Fälle. Als abgeurteilt soll dabei nach Heine ein Fall dann gelten, wenn entweder ein Strafbefehl erlassen oder ein Strafverfahren durch Urteil bzw. Einstellungsbeschluss rechtskräftig abgeschlossen wurde.160 Es ist also für die folgende Überlegung unerheblich, ob die Diskrepanz zwischen bekannt gewordenen und – im Sinne dieser Definition – abgeurteilten Fällen sich schon darauf gründet, dass innerhalb der Polizeilichen Kriminalstatistik die Benennung eines Unternehmens als Tatverdächtiger zur Einstufung als „aufgeklärt“ ausreicht. Interessant ist vor allem das Auseinanderklaffen von bekannt gewordenen und letztlich abgeurteilten Fällen. Bei den abgeurteilten Fällen hat Heine seit 1981 einen leichten Anstieg der Zahlen bis zum Jahre 1989 festgestellt.161 Im Jahre 1981 lag dabei die Zahl der in diesem Sinne abgeurteilten Fälle noch bei etwa 2.500, bis zum Jahre 1989 hatte sie sich fast verdoppelt und lag knapp unter 5.000.162 Während aber in den Jahren direkt nach Einführung des Umweltschutzes durch das Strafrecht die Anzahl abgeurteilter Fälle nach einer anfänglichen Stagnation von 1984 bis 1989 kontinuierlich stieg, sank die Zahl nach der Spitze im Jahre 1989 wieder, sodass die Zahl der abgeurteilten Fälle im Jahre 1991 wieder etwa genauso hoch war wie im Jahre 1987.163 Noch interessanter erscheinen diese Zahlen im Vergleich mit den Zahlen der bekannt gewordenen Fälle. Gegenüber der Zahl der bekannt gewordenen Fälle, die bereits im Jahre 1984 bei 9.805 lag164 und bis 1991 auf 23.817 stieg165, erscheint die Zahl der tatsächlich abgeurteilten Fälle geradezu lächerlich gering: Nur etwa ein Zehntel aller erfassten

Altersstruktur der Tatverdächtigen“ sogar höher als die der aufgeklärten Fälle, da dort die Tatverdächtigen der ausgewählten Delikte addiert werden und ein Mehrfachtäter folglich auch mehrfach auftaucht. Dies schließt einen Abgleich mit den absoluten Zahlen aufgeklärter Fälle der gesamten Deliktsgruppe der Umweltdelikte aus, weil in den „aufgeklärten Fällen“ in den Polizeilichen Kriminalstatistiken die Mehrfachtäter nur einmal als Tatverdächtige aufgeführt werden. Also kann die Vermutung Heines, dass bei Fällen die Firma als Verantwortliche geführt wird (vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63 ff., S. 64; ders./Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, S. 89), auf diese Weise nicht erklärt werden. Ebenso wenig kann ein Vergleich mit dem Schweizer Recht (Heine hat sich 1994 in Bern habilitiert) eine diesbezügliche Erklärung liefern: Auch nach der Definition in der Schweizer Polizeilichen Kriminalstatistik gilt „eine Straftat (…) als aufgeklärt, wenn nach polizeilichem Ermessen zumindest eine Person als Urheber dieser Straftat identifiziert werden kann“ (Eidgenössisches Departement des Inneren/Bundesamt für Statistik (Hrsg.), PKS, 2012, S. 71). Zwar ist in der Schweiz gem. Art 100quater StGB die Strafbarkeit über die natürliche Person hinaus auf Unternehmen ausgeweitet worden, allerdings erst am 1. 10. 2003 und somit nach Erscheinen von Heines Publikationen. Die Darstellung Heines findet folglich keine Entsprechung in den Polizeilichen Kriminalstatistiken. 160 Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 161 Vgl. Heine in: ZUR 1995, S. 63, 64. 162 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 163 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 164 Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1984, S. 157. 165 Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 1991, S. 181.

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Fälle führen auch zu einer Aburteilung.166 Ein interessanter Aspekt ist folglich, wie viele Ermittlungen wegen Umweltverstößen tatsächlich auch mit einer förmlichen Strafe nach der Hauptverhandlung enden. Im Zeitraum unmittelbar nach der Schaffung des Umweltstrafrechts wuchs die Anzahl der Verurteilten von 959 im Jahre 1982 auf 2.474 im Jahre 1991.167 Dabei lag der Anteil der Freiheitsstrafen zu dieser Zeit bei rund 3 %, wobei nur in Ausnahmefällen sechs Monate überschritten wurden bzw. keine Strafaussetzung erfolgte. Die typische Strafe im Bereich der Umweltdelikte ist demnach die Geldstrafe, welche in ihrer Höhe derjenigen von Geldstrafen für leichte Eigentums- und Verkehrsdelinquenz entspricht.168 Heine stellt dazu fest, dass „die Schere zwischen dem Input polizeilicher Registrierung und dem Output gerichtlicher Entscheidungen“169 von Jahr zu Jahr größer wird. Auch auf die Frage, wem die Schere zwischen polizeilich registrierten Fällen und Verurteilungen letztendlich zugutekommt, scheint es bereits kurz nach der Neuschaffung des Umweltstrafrechts eine Antwort zu geben: Heine/Meinberg170 weisen in den 80er Jahren nach, dass die Profiteure dieser verhältnismäßig geringen Verurteiltenzahlen aus gewerblich-industriellen Täterkreisen stammen. Jedenfalls sei danach das Verurteilungsrisiko umso geringer, je stärker Risikopotenziale von Großunternehmen betroffen seien.171 Er geht sogar noch weiter und beschreibt die Situation des Umweltstrafrechts in den 80er Jahren so, dass die „Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft sich als Standarderledigung von Umweltstraftaten etabliert“172 habe. Ein förmliches Bestrafungsrisiko entfalle insbesondere bei Fällen mit industriellem Hintergrund.173 Weitergehend fasst er die Ergebnisse folgendermaßen zusammen: Reale Verurteilungsrisiken ergäben sich zumeist nur bei einfachen Sachverhaltsgestaltungen vor privatem oder eher kleingewerblichem Hintergrund. Konsequenterweise entsprächen die im Urteil verhängten niedrigen Geldstrafen dem Charakter der erfassten Fälle, bei denen Freiheitsstrafen praktisch keine Rolle spielen.174

166 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. Auch wenn Heine nicht angibt, ob Mehrfachtäter genauso wie bei den bekannt gewordenen Fällen der Polizeilichen Kriminalstatistiken nur einmal gezählt werden, ändert dies nichts an der generellen Feststellung, dass erheblich weniger Fälle „abgeurteilt“ als „bekannt“ werden. Im Gegenteil: Selbst wenn Mehrfachtäter in seiner Darstellung mehrfach gezählt würden, würde dies diese Erkenntnis ja noch verstärken. 167 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 168 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 169 Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 170 Heine/Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, S. 94 ff. 171 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 172 Heine, in: ZUR 1995, S. 65; ebenso: Meinberg, in: ZStW 100 (1988), S. 145 ff. 173 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 65. 174 Vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 65.

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Abschließend lässt sich mittels dieser Zahlen aus den Anfängen des Umweltstrafrechts feststellen, dass ein erster, oberflächlicher Blick auf die Zahl der aufgeklärten Fälle über die tatsächliche Effektivität des Umweltstrafrechts täuschen kann. Erst mit einem zweiten Blick auf die abgeurteilten Fälle wird klar, dass und wo das Umweltstrafrecht schon zum Zeitpunkt kurz nach seiner Einführung ein Effektivitätsproblem aufwies. Auch auf diese Kritik hin hat das Umweltstrafrecht nochmals einige Veränderungen mit dem zweiten UKG erfahren. Fraglich bleibt, ob diese die aufgezeigten Probleme lösen konnten. b) Die Fallzahlen nach dem zweiten UKG Mit dem zweiten UKG, welches durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StRG) vom 26. Januar 1998 zum 1. April 1998 in Kraft trat, wurde versucht, auf die Kritik an der Effektivität des Umweltstrafrechts nach dem ersten UKG zu reagieren. Die vorgelegten Fallzahlen sind teilweise der bereits zitierten Veröffentlichung von Heine175 und teilweise einer Auswertung des Umweltbundesamtes über die Fallzahlen des Umweltstrafrechts entnommen.176 Bei Betrachtung der Anzahl der bekannt gewordenen Fälle im Zeitraum der Jahre 1994 bis 2003177 fällt der Scheitelpunkt im Jahre 1998 auf: Während bis 1998 ein steiler Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen ist, nehmen die diese ab 1998 mindestens ebenso schnell wieder ab. Die zunächst festzustellende starke Steigerung der Fallzahlen ist auf den zweiten Blick wenig erstaunlich: Dieses Phänomen ist tatsächlich schon seit etwa 1981 bzw. in dieser starken Ausprägung seit 1983 augenscheinlich. Schon damals erhöhten sich die Fallzahlen fast jährlich.178 Dabei muss beachtet werden, dass jedenfalls auch die Wiedervereinigung 1990 zu einem starken Ansteigen der Fallzahlen beigetragen hat. Überraschend kommt dann die starke Veränderung seit dem Jahre 1998: Während vom Jahr 1997 auf das Jahr 1998 noch ein Anstieg von 39.864 bekannt gewordenen Fällen auf 41.381 verzeichnet wurde, kam es von 1998 auf 1999 zu einem drastischen Rückgang. 1999 wurden 4.718 Fälle weniger, d. h. nur noch 36.663, als bekannt in die Polizeiliche Kriminalstatistik eingetragen.179 Dies bedeutet eine Verminderung um über 11 %. Dieser Abwärtstrend setzt sich fort, sodass im Jahre 2000 nur noch 34.415 Fälle als „bekannt“ gemeldet werden, was einer weiteren Verminderung von 2.248 Fällen, also um ca. 6 %, entspricht. Diese Entwicklung lässt sich auch danach weiterverfolgen: 2001 waren es nur noch 30.950, im Jahre 2002 noch 26.626 Fälle, was einer Verminderung 175

Siehe dazu Heine, in: ZUR 1995, S. 63. Siehe dazu Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004. 177 Das 2. UKG wurde am 27. Juni 1994 verabschiedet (31. StrÄndG, BGBl. I 1994, S. 1440 ff.). 178 Eine Ausnahme ist das Jahr 1990; siehe dazu: Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 179 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 21. 176

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um weitere ca. 10 %180 (3.465 Fälle) bzw. ca. 13 % (4.324 Fälle) entspricht. Auch in den Jahren 2003 und 2004 wird dieser Trend nicht unterbrochen, sodass die Zahl der bekannt gewordenen Fälle zunächst auf 24.573 (ein Rückgang von ca. 8 %) und schließlich auf 21.409 Fälle (ca. 12 %) sinkt.181 Dies entspricht insgesamt einem Rückgang der als „bekannt“ registrierten Fälle seit 1998 bis zum Jahr 2004 um ca. 48 % – also fast einer Verminderung um die Hälfte. Die Verringerung der in diesem Sinne bekannten Fälle von Straftaten gegen die Umwelt lässt sich sechs Jahre in Folge konstatieren. Es ist unklar, auf welche Gründe dieser Rückgang im Einzelnen zurückzuführen ist. Einerseits könnte dies daran liegen, dass tatsächlich weniger Straftaten gegen die Umwelt begangen werden. Andererseits könnte der Rückgang damit zu erklären sein, dass die Bevölkerung weniger Delikte anzeigt, da möglicherweise das Interesse an der Umwelt und deren Schutz abnimmt. Letzterem widerspricht das Autorenduo Marty/Goertz182, indem es auf die Umfrage „Umweltbewusstsein in Deutschland“183 aus dem Jahre 2004 verweist, die das Umweltbundesamt alle zwei Jahre durchführen lässt. Diese zeige, dass Umweltschutz auch 2004 zu den Themen gehöre, die den Deutschen sehr stark am Herz liegen. Danach hielten 92 % der Deutschen Umweltschutz für wichtig. Der Zweite Periodische Sicherheitsbericht184 der Bundesregierung hält jedoch das verringerte Anzeigeverhalten für ausschlaggebend: Bei Umweltkriminalität handelt es sich typischerweise um sog. kontrollabhängige Delikte185, die selbst nicht sofort nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten, sondern deren Aufdeckung einer vorausgegangenen Kontrolle bedarf, in deren Rahmen die Veränderung der Umweltmedien dann festgestellt wird. Deshalb liege als Begründung für den Rückgang eher die Annahme nahe, dass die Veränderungen auf einer veränderten Anzeige- und folglich Kontrollintensität beruhten. Des Weiteren soll die Zahl der Verurteilungen betrachtet werden, die ebenfalls ein wichtiges Indiz für die Effektivität ist. Bei rückläufiger Aufklärungsrate ist die Anklagewahrscheinlichkeit in der Zeit nach der Reform des Umweltstrafrechts bis zum Jahre 2004 relativ konstant geblieben, die Verurteilungswahrscheinlichkeit ist sogar leicht gestiegen. Als Erklärung für diese Entwicklung kann die Zunahme des Anteils der unbefugten Abfallbeseitigung gem. § 326 StGB genannt werden, ein Delikt mit überdurchschnittlich hoher Verurteilungswahrscheinlichkeit.186 Betrachtet man jedes 180

Die Prozentangaben sind jeweils auf das vorangegangene Jahr bezogen. Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 21. 182 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, Vorwort. 183 Siehe dazu Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltpolitik, S. 14 ff. 184 Siehe dazu Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 264. 185 Siehe dazu weiterführend Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 156. 186 Vgl. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 273. 181

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Delikt aus dem Umweltstrafnormenkatalog für sich, zeigen sich unterschiedliche, teilweise sogar gegenläufige Entwicklungen: Die Verurteilungswahrscheinlichkeit – gemessen über die Relation von Tatverdächtigen zu Verurteilten – ist bei Gewässerverunreinigung gem. § 324 StGB und bei der Luftverunreinigung gem. § 325 StGB leicht rückläufig, bei der Abfallbeseitigung gem. § 326 StGB ist sie dagegen gestiegen.187 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten gegen die Umwelt seit Beginn ihrer statistischen Erfassung bis zu ihrem vorläufigen Höchststand 1998 zunächst deutlich gestiegen ist, dass aber seit 1999 absolute wie relative Zahlen stark zurückgehen. Wie im folgenden Kapitel188 näher ausgeführt wird, ist inzwischen das Niveau von Mitte der 1980er Jahre erreicht. Tatsächlich lässt sich anhand der Fallzahlen also keine Steigerung oder Verbesserung der bemängelten Effektivität des Umweltstrafrechts feststellen. Sowohl die Zahl der verhandelten als auch die Zahl der bekannt gewordenen Umweltdelikte sind rückläufig. Allerdings ist dieser Rückgang wohl nicht auf die materielle Änderung der Umweltstrafrechtsnormen durch das zweite UKG zurückzuführen. Schließlich hängt nach Angaben aus dem Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht des Bundesministeriums des Inneren und der Justiz die Zahl der polizeilich registrierten Fälle weitgehend vom Kontroll- und Anzeigeverhalten ab und nicht von materiell-rechtlichen Änderungen im Gesetzestext.189 Auch die Kritik bezüglich der Qualität der Umweltbeeinträchtigungen, denen seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft verstärkt nachgegangen wird, hat sich durch das zweite UKG nicht ausräumen lassen. Dem aktuellen Forschungsstand zufolge beruht die polizeilich registrierte Umweltkriminalität auf einer einseitigen Ausschöpfung des Dunkelfeldes in Richtung eher einfach gelagerter und bagatellhafter Fallgestaltungen.190 Bezüglich der verhängten Strafen lässt sich nach den durch das zweite UKG eingeführten Änderungen keine bemerkenswerte Verschärfung feststellen. Die geringe Anklagewahrscheinlichkeit findet ihre Fortsetzung in einem weiterhin relativ niedrigen Sanktionsniveau. Die verhängten Strafen bleiben im untersten Bereich des Strafrahmens.191 Das Bundesministerium des Inneren und der Justiz gibt zur Begründung für die niedrigen Strafrahmen die bereits erwähnten, großteils im Bagatellbereich liegenden ermittelten Fälle an. Diese Milde in der Strafzumessung wird überwiegend als Indiz dafür gewertet, dass die große Zahl der zur Verurteilung gelangenden Umweltver-

187 188 189 190 191

Vgl. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 273. Siehe B.I.3.c). Vgl. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 264. Vgl. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 264. Vgl. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 264.

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stöße nicht sehr schwerwiegend ist und sich die Täter durch Vorbelastung und Schuldgrad deutlich von Tätern der klassischen Kriminalität unterscheiden.192 c) Aktuelle Fallzahlen Um einen umfassenden Überblick über die Fallzahlen im Umweltstrafrecht und deren Veränderungen zu gewährleisten, soll zuletzt aufgezeigt werden, wie sich die aktuelle Situation darstellt. Die zum Zeitpunkt der Arbeit aktuellsten Zahlen entstammen der Polizeilichen Kriminalstatistik, welche im Jahre 2011 erschienen ist und sich auf das Jahr 2010 bezieht.193 Um diese Zahlen auch in einen vergleichbaren Kontext setzen zu können, sind zudem die Polizeilichen Kriminalstatistiken über die Jahre 2009 und 2008194 mitbetrachtet worden. Auch diese Zahl verdeutlicht, dass sich der Abwärtstrend bei den erfassten Fällen fortsetzt. So wurden im Jahre 2010 13.716 Straftaten gegen die Umwelt erfasst. Im Jahre 2009 wurden noch 14.474 und im Jahre 2008 14.999 erfasste Fälle verzeichnet. Damit ist auch von 2008 bis 2010 ein Rückgang um über 1.000 Fälle festzustellen. Die Aufklärungsquote lag nach der Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahre 2010 bei 59,8 %, in den Jahren zuvor bei 58,2 % (2009) und 57,9 % (2008) bzw. 58,4 % (2007). Insgesamt macht der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Abfällen (früher: umweltgefährdende Abfallbeseitigung) den höchsten Anteil unter den erfassten Straftaten gegen die Umwelt aus (2010: Fälle195), sogar noch vor den registrierten Gewässerverunreinigungen196 (2010: 8.620 Fälle ohne 326 II StGB, also in der Tathandlungsalternative des „Verbringens“197). Angesichts der Tatsache, dass die gefährliche Abfallbeseitigung bereits im Jahre 2004 den größten Anteil an den Umweltstraftaten ausmachte und zu diesem Zeitpunkt bereits einen großen Anstieg erfahren hatte198, hat somit in Bezug auf die Frage, welche Delikte als Umweltstraftaten besonders oft registriert werden können, keine nennenswerte Änderung stattgefunden. Diese Aufklärungsquote spiegelt in etwa die durchschnittliche Aufklärungsquote für alle insgesamt erfassten Straftaten wider, steigert sich aber von Jahr zu Jahr leicht: So liegt die Aufklärungsquote für das Jahr 2010 bei 59,8 %199, für das Jahr 2009 bei 58,2 %200, das Jahr 2008 bei 54,8 % und für das Jahr 2007 bei 55 %201. Verglichen mit 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201

Vgl. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 264. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008; Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2009. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 51. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 214. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 51. Vgl. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 273. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 51. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2009, S. 47. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 27.

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

den Aufklärungsquoten für andere, vergleichbare202 Straftaten ist dies kein schlechter Wert. So liegen beispielsweise die Aufklärungsquoten für Sachbeschädigung im Jahre 2010 bei 25,5 %203, 2009 bei 25 %204, 2008 bei 25,3 %205 und im Jahre 2007 bei 25,6 %206. Auch für den Diebstahl weist die Polizeiliche Kriminalstatistik ähnliche Quoten aus: Die Aufklärungsquote lag 2010 bei 30,0 %207, 2009 bei 30,1 %208, 2008 bei 29,8 %209 und 2007 bei 29,6 %210. Setzt man nun die absolut erfassten Fallzahlen des Umweltstrafrechts mit denen der vergleichbaren Delikte in Relation, wird sehr schnell klar, wie klein der Anteil der Umweltstraftaten an der Gesamtstatistik ist und welche geringe Bedeutung das Umweltstrafrecht daher in der Gesamtbetrachtung hat: Insgesamt wurden 2010 5.933.278 Straftaten erfasst (2009: 6.054.330; 2008: 6.114.128; 2007: 6.284.661)211. Von diesen erfassten Fällen waren 2.301.786 Diebstähle (2009: 2.344.646; 2008: 2.443.280; 2007: 2.561.691)212. Die Zahl der erfassten Sachbeschädigungen in diesem Zeitraum belief sich auf 700.801 (2009: 775.547; 2008: 799.179; 2007: 795.799).213 Zum direkten Vergleich seien noch einmal die absoluten Fallzahlen aus dem Umweltstrafrecht aus diesen Jahren erwähnt: Sie betrugen im Jahr 2010 lediglich 13.716 (2009: 14.474; 2008: 14.999; 2007: 16.528)214. Somit machen die absoluten Fallzahlen der Umweltdelikte jeweils nur etwa 0,2 % an der Gesamtkriminalstatistik aus – während insgesamt fast 40 % aller erfassten Straftaten Diebstähle sind. Die erfassten Fälle der Sachbeschädigung haben einen Anteil von etwa 13 % aller erfassten Straftaten. Dieser Vergleich zeigt, in welch geringem Ausmaß es gerade auch im Vergleich mit anderen Straftaten zu einer polizeilichen Erfassung der Umweltstraftaten kommt.

202

Die Vergleichbarkeit ist hier auf das Strafmaß bezogen. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 4. 204 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 4. 205 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 210. 206 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 173. 207 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 4. 208 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 4. 209 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 173. 210 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 173. 211 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 27; Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 4. 212 Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 174; Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 4. 213 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 210; Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 4. 214 Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 27; Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2010, S. 5. 203

I. Zur aktuellen Situation des Umweltstrafrechts

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d) Das Dunkelfeld der Umweltkriminalität Nachdem nunmehr die erfassten bzw. aufgeklärten Fälle aus den empirischen Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistiken untersucht wurden, um sich einen Überblick über die Effektivität des Umweltstrafrechts und deren Veränderung im Laufe der Jahre zu verschaffen, soll ergänzend der Blick auf die Fälle gerichtet werden, die gerade nicht in der Polizeilichen Kriminalstatistik auftauchen. aa) Die überdurchschnittlich hohe Dunkelziffer im Umweltstrafrecht Bei der Bewertung und Einschätzung der angegebenen Statistiken darf nicht vergessen werden, dass im Umweltstrafrecht wie in anderen Kriminalitätsfeldern von einer großen Zahl von Tatbestandsverwirklichungen ausgegangen werden muss, die entweder nicht bemerkt oder nicht zur Anzeige gebracht werden. Diese müssen als Fehlerquote innerhalb des Zahlenmaterials stets mitbedacht werden. Obwohl eine Dunkelziffer an nicht entdeckten bzw. nicht zur Anzeige gebrachten Tatbestandsverwirklichungen in allen Bereichen des Strafrechts denkbar ist, wird gerade diejenige des Umweltstrafrechts als besonders hoch eingeschätzt.215 Allgemein wird hinsichtlich der Umweltkriminalität von einem großen Dunkelfeld ausgegangen, über dessen Größe und Struktur jedoch empirisch gestützte Informationen fehlen.216 Im Rahmen der empirischen Untersuchungen von Hoch217 aus dem Jahre 1994 gaben 85,5 % der befragten Staatsanwälte an, das Dunkelfeld sei im Verhältnis zu den registrierten, zur Anzeige gebrachten Umweltdelikte bedeutend größer. Die gleiche Aussage trafen nach diesen Untersuchungen auch eine ähnlich hohe Zahl an Polizeikräften (79,1 %) und eine geringere Zahl von Mitarbeitern in Umweltbehörden (71 %). Für die Richtigkeit dieser Einschätzungen spricht, dass sich zwar einerseits eine relativ hohe Anzahl von Beschwerden bei den Ordnungsämtern feststellen lässt, welche sich auf den Immissionsbereich beziehen – andererseits aber Sachverhalte aus diesem Bereich nur in einem relativ geringen Maße in den Fokus einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung geraten.218 Neben diesen Zahlen spricht aber auch die Polizeiliche Kriminalstatistik von 2008 davon, dass die Zahl der registrierten Fälle nicht zuletzt vom Kontroll- und Anzeigeverhalten abhänge und von einem großen Dunkelfeld auszugehen sei.219 Auch die Literatur hat dieses Defizit bereits sehr früh erkannt. So beschreiben etwa Heine/Meinberg bereits im Jahre 1988, dass „die registrierte Umweltkriminalität die Gegebenheiten tatsächlichen Deliktsaufkommens kaum realistisch wiedergibt“220. Interessant ist dabei auch die weitergehende Ana-

215 216 217 218 219 220

Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 156. Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 264. Hoch, Rechtswirklichkeit, S. 197. Vgl. Hoch, Rechtswirklichkeit, S. 200. Vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 214. Heine/Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, S. 86.

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

lyse, dass dieses Dunkelfeld „nur einseitig ausgeschöpft“221 werde: Denn schon der hohe Anteil privater Verfahrensinitiierungen bei gleichzeitig restriktiver und selektiver Anzeigepraxis der Umweltbehörden zeige, dass insbesondere einfach gelagerte Fallgestaltungen zur Anzeige gebracht würden.222 Diese Schlussfolgerung ist durchaus verständlich und deckt sich auch mit der von anderen Teilen der Literatur angeführten Feststellung, dass im gewerblich-industriellen Bereich das Dunkelfeld wesentlich größer sei als im kleingewerblich/privaten Bereich.223 Diesbezüglich zeigt sich die aktuelle Literatur optimistischer: Saliger etwa führt als positives Gegenbeispiel eine Zusammenstellung aller Tatverdächtigen in Schleswig-Holstein an, nach der immerhin 35 % aller Verfahren Umweltverstöße im gewerblichen Bereich betrafen – und gerade nicht aus dem privaten Bereich.224 Allerdings erwähnt auch er den Vorwurf der hohen Dunkelziffer im Strafrecht – mit dem weiter greifenden Zusatz, dass die „bewusste Begrenzung der Funktionen des Umweltstrafrechts nicht aus den Augen verloren werden solle“225. bb) Die Gründe für die hohe Dunkelziffer Einer der Gründe für dieses Missverhältnis beim Anzeigeverhalten liegt mit Sicherheit in der Kollektivität des Rechtsgutes Umwelt.226 Gerade im Hinblick auf das Anzeigeverhalten von Privatpersonen ist festzustellen, dass nur wenig angezeigt wird, wenn ein konkreter, unmittelbar Geschädigter fehlt, es sich also um ein sog. opferloses Delikt227 handelt. Im Bereich des Umweltstrafrechts ist – wie auch in den anderen Bereichen des StGB, die ein Schutzgut der Allgemeinheit schützen, z. B. bei dem Rechtspflegedelikt des Vortäuschens einer Straftat nach § 145 d StGB – regelmäßig nicht eine einzelne, konkrete Person geschädigt, sondern die Allgemeinheit.228 Aufgrund der somit fehlenden Betroffenheit ist die Anzeigemotivation geringer als bei Delikten, bei denen konkrete Personen als geschädigt bezeichnet werden können.229 In Bezug auf einen Lösungsweg zur Steigerung des Anzeigeverhaltens von Privatpersonen kann an dieser Stelle230 nur gemutmaßt werden: Nach Marty/Goertz231 221

Heine/Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, S. 86. Siehe Heine/Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, S. 86. 223 Vgl. dazu Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 164 f. 224 Siehe Saliger, Umweltstrafrecht, S. 26. 225 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 26. 226 Die Kollektivität des Rechtsgutes Umwelt und deren Zusammenhang mit der Zurechnung wird vertieft unter C.II. behandelt. 227 Dazu noch ausführlich unter D.I.1. 228 Dazu noch ausführlicher in den Ausführungen über die Kollektivrechtsgüter, siehe B.II.2. 229 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 11. 230 Näher dazu unter D.I. 231 Siehe dazu Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 11. 222

I. Zur aktuellen Situation des Umweltstrafrechts

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könnte lediglich ein gesteigertes Umweltbewusstsein zu einer entsprechenden Steigerung des Anzeigeverhaltens durch Private beitragen. Dies deckt sich mit der Erkenntnis, dass parallel zu einem gestiegenen Umweltbewusstsein der Bevölkerung232 eine Veränderung im Anzeigeverhalten festgestellt werden konnte: In Hochs233 Untersuchung wurden Polizeibeamte und Staatsanwälte befragt, auf welchem Wege sie hauptsächlich von Umweltbeeinträchtigungen Kenntnis erlangen würden. Dabei gaben 73,9 % der befragten Staatsanwälte und 84 % der Polizeikräfte an, dass sie einen deutlichen Anstieg der Anzeigeaktivität bei Privatpersonen festgestellt hätten.234 Zum Großteil dürfte die hohe Dunkelziffer schlichtweg auf die schwierige Erkennbarkeit der Umweltdelikte zurückzuführen sein. Um ohne spezifische Messungen eine Umweltverschmutzung überhaupt bemerken zu können, muss sie zunächst äußerlich sichtbar sein, was bei einer Schädigung der Umweltmedien oft nicht der Fall ist. Diesen Hindernissen für das Anzeigeverhalten der Bürger kann kaum etwas entgegengesetzt werden. Schließlich erscheint weder die Schwierigkeit des unmittelbaren Erkennens der Umweltverschmutzung für den Einzelnen noch das Problem der Nicht-Kenntnisnahme mangels persönlicher, direkter Betroffenheit im Umweltstrafrecht durch politische oder juristische Maßnahmen lösbar. Möglicherweise könnte dieses Dilemma durch ein verstärktes Anzeigeverhalten seitens des geschulten Personals in den Umweltbehörden gelöst werden. Allerdings gaben nur 55,9 % aller Staatsanwälte einen Anstieg der Anzeigeerstattung bei den Umweltfachbehörden an, welcher schwerpunktmäßig bei Behörden der Städte und Landkreise zu verzeichnen sei.235 Gerade in ihrer Genehmigungs- und Kontrollfunktion stehen Verwaltungsbehörden häufig in Verbindung mit Emittenten. Aufgrund dessen gelangen diese Umweltbehörden in der Regel zuerst an strafrechtlich relevante Informationen mit Blick auf etwaige Umweltschädigungen. Hinsichtlich einer effizienten Durchsetzung des Umweltstrafrechts ist daher eine intensive Zusammenarbeit von (Umwelt-)Verwaltungsbehörden und Strafverfolgungsbehörden vonnöten. Gerade dies wird allerdings von vielen Seiten, auch gestützt auf empirische Untersuchungen, stark bezweifelt.236 Tatsächlich wird die große Zurückhaltung der Umweltbehörden in diesem Zusammenhang bemängelt.237 Dabei wird als Grund die relativ geringe verwaltungsbehördliche Mitteilungsfreudigkeit und die Nähe der Behörden zu den Betreibern angegeben.238 Die Verwaltungsbehörden sähen im Falle 232 Siehe dazu die Umfrage aus: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltpolitik, S. 14 ff. 233 Siehe Hoch, Rechtswirklichkeit, S. 207 ff. 234 Vgl. Hoch, Rechtswirklichkeit, S. 207 ff. 235 Vgl. Hoch, Rechtswirklichkeit, S. 207 ff. 236 Siehe dazu Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39; weitergehend unter D.I.2. 237 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 13. 238 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 13.

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

einer Anzeige das Prinzip der Kooperation und des Konsenses wegen einer möglichen Konfrontation gefährdet.239 Dies stehe der Bildung eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem vermeintlichen Emittenten und den Verwaltungsbehörden entgegen.240 Diese Argumentation deckt sich mit der Vorstellung, dass der Umweltschutz primär präventiv gelöst werden und das repressive Strafrecht dabei nur eine flankierende Rolle einnehmen solle.241 e) Zusammenfassung der Ergebnisse aus den empirischen Daten und abschließende Analyse Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die angesprochenen Befürchtungen bezüglich des Umweltstrafrechts tatsächlich eingetreten sind. Das Umweltstrafrecht spielt de facto keine große Rolle bei der Umsetzung eines verstärkten Umweltschutzes. Der zuvor beschworene große Erfolg, der mit dem „schärfsten Umweltstrafrecht der Welt“242 erreicht werden sollte, ist in dieser Form jedenfalls nicht eingetreten. Auch wenn tatsächlich die Wirkung des Umweltstrafrechts nicht alleine auf die Zahl seiner nach ihm abgeurteilten Fälle reduziert werden kann und seine Möglichkeiten, zum Umweltschutz beizutragen, realistischerweise als begrenzt bezeichnet werden müssen243, sind die Zahlen der erfassten Fälle aus dem Bereich des Umweltstrafrechts insbesondere im aktuellen Zeitraum als sehr niedrig zu beurteilen. Die Anzahl der als aufgeklärt geltenden Fälle ist entsprechend noch niedriger, auch wenn über alle Zeiträume hinweg grundsätzlich die Aufklärungsquote für Umweltdelikte als gut bewertet werden kann und sogar etwas höher liegt als die durchschnittlichen Aufklärungsquoten der Gesamtstatistiken. Diese Situation war jedoch nicht immer so. Bei Einführung des Umweltstrafrechts gab es bis zum Jahre 1998 einen starken Trend, der die (zwar relativ geringen) Fallzahlen stetig steigen ließ. Ab diesem Zeitpunkt kehrte sich diese Entwicklung aber um und die Anzahl der den Verfolgungsbehörden bekannten Fälle nimmt seither nahezu ebenso schnell wieder ab. Augenblicklich hat sich dieser Trend auf einer sehr geringen Fallzahl eingependelt, mit Tendenz zu weiterhin sinkenden Fallzahlen.244 Natürlich ist zu hinterfragen, ob die Effektivität von Straftatbeständen allein anhand von Fallzahlen ermittelt werden kann: Schließlich kann eine Deliktsgruppe auch dann als effektiv bezeichnet werden, wenn sie einen besonders hohen präventiven Effekt auslöst und aus diesem Grund wenige bzw. weniger entsprechende Straftaten verübt werden. Allerdings erscheint diese Annahme im Bereich des Umweltstraf239

Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 13. Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 14. 241 Siehe dazu weitergehend Bundesministerium des Inneren und für Justiz (Hrsg.), Sicherheitsbericht, S. 263. 242 Kinkel, in: ZRP 1991, S. 414. 243 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 18. 244 Siehe B.I.3.a); vgl. auch Bundeskriminalamt (Hrsg.), PKS 2008, S. 214. 240

II. Das Rechtsgut der Umweltdelikte

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rechts äußerst zweifelhaft. Schließlich war das Umweltstrafrecht erst seit kurzer Zeit überhaupt eingeführt worden245, als 1993 die Fallzahlen bereits wieder im Sinken begriffen waren246. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich die präventive Wirkung des neu eingeführten Umweltstrafrechts bereits nach so kurzer Zeit statistisch in einem solchen Ausmaß niederschlägt. Hinzu kommt, dass zu den als bekannt gemeldeten Fällen eine sehr hohe Anzahl an Fällen kommt, die nicht ermittelt werden. Das beschriebene sehr große Dunkelfeld im Umweltstrafrecht247 spricht auch dafür, dass das Umweltstrafrecht nicht effektiv bei Umweltverschmutzungen durchgreift. Auch die Diskrepanz von bekannt gewordenen bzw. als aufgeklärt geltenden Fällen248 und den tatsächlichen Aburteilungen unterstreicht die Einschätzung, dass das Umweltstrafrecht nicht als effektiv bezeichnet werden kann.

II. Das Rechtsgut der Umweltdelikte Im Folgenden soll das Rechtsgut der „Umweltdelikte“ betrachtet werden. Mit den Umweltdelikten sind die Straftatbestände des 29. Abschnitts des StGB gemeint, also nicht etwa solche des Nebenstrafrechts. Jegliche Untersuchung in Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht scheint unvollständig, wird nicht auf eine der größten Besonderheiten – oder, negativ gefasst, Schwierigkeiten – dieses Rechtsgebietes eingegangen: das hochumstrittene und viel diskutierte Rechtsgut249 der Umweltdelikte. Dabei umfasst eine reine Untersuchung des Rechtsgutes Umwelt noch nicht einmal die gesamten Schwierigkeiten mit dem Strafrecht, das etwas so Abstraktes wie die Umwelt schützen soll. Denn nicht nur das Rechtsgut der Umweltdelikte ist umstritten – auch schon der Begriff der Umwelt selbst bietet Anlass zu größeren Diskussionen.250 Während sich die Umwelt als in vielerlei Hinsicht komplexes und oft hinterfragtes Rechtsgut darstellt, sei im Folgenden der Aspekt der Kollektivität für die Betrachtung herausgegriffen.

245

Durch das 1. UKG im Jahre 1980. Siehe B.I.3.a); vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63. 247 Siehe B.I.3.d)bb); vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 156. 248 Siehe B.I.3.a); vgl. Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64. 249 Der Begriff des Rechtsgutes bezeichnet vorliegend nach Jeschek/Weigend, Lehrbuch des Strafrecht AT, S. 7 jene „Lebensgüter“, „die als positive Wertentscheidung des Strafrechtes für das menschliche Leben in der Gemeinschaft als unentbehrlich angesehen werden.“ Siehe auch näher zu dem Begriff der Rechtsgüter unter B.II.2.a). 250 Siehe dazu weiterführend Saliger, Umweltstrafrecht, S. 11, näher unter B.II.1. 246

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

1. Ein Rechtsgut der Umweltdelikte? Schon der Begriff von Umwelt ist – wie Saliger treffend ausführt – notorisch unbestimmt und entsprechend umstritten.251 Die Suche nach dem einen konkreten und anschaulichen Rechtsgut der Umweltdelikte, welches von sämtlichen Tatbeständen der §§ 324 ff. StGB einheitlich geschützt wird, fällt schwer, da – wie Wohlers es ausdrückt – „eine in sich konsistente Rechtsgutskonzeption nur bedingt zu erkennen ist“252. Geschütztes Rechtsgut ist der Abschnittsüberschrift zufolge lediglich die Umwelt253. Jedoch vertritt nicht nur Kloepfer254, sondern auch Schmitz255 die Ansicht, dass eine genauere Ermittlung des Rechtsgutes der §§ 324 ff. StGB zwingend geboten ist.256 Ebenso ist Fischer der Auffassung, dass jedenfalls ein „extensives Verständnis des Begriffs, als Gesamtheit physikalischer, biologischer, sozialer und kultureller Lebensbedingungen mangels hinreichender Bestimmtheit ausscheidet“257. Jeglicher Diskussion um das Rechtsgut der Umweltdelikte sei vorausgeschickt, dass es angesichts der unterschiedlichen Zielrichtungen der Tatbestände bereits umstritten ist, ob es überhaupt ein gemeinsames, in allen Tatbeständen auftauchendes Rechtsgut geben kann.258 So sind beispielsweise nach Schmitz259 teils die Beeinträchtigung bestimmter Umweltmedien, teils der Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften und teilweise sogar die körperliche Integrität des Menschen (bei § 330 a StGB) Zielpunkt der Strafnormen im 29. Abschnitt des StGB. Zuvor hatte schon Rengier260 Zweifel an der Möglichkeit geäußert, ein einheitliches Rechtsgut für die Delikte des Umweltstrafrechts zu bestimmen, und aus diesem Grund für eine differenzierte Rechtsgutsbestimmung plädiert. Auch Franzheim/Pohl261 schließen sich dieser Auffassung an und ordnen die einzelnen Tatbestände des Umweltstrafrechts unterschiedlichen Rechtsgütern und Schutzrichtungen zu. Kloepfer/Vierhaus lassen zwar Bedenken bei dem Versuch zu, ein einheitliches Rechtsgut zu finden, gelangen aber zu der Auffassung, dass es die Medien (Boden, Wasser, Luft), sonstige Erscheinungsformen (Fauna und Flora) und ausgewählte Umweltfaktoren (wie die Ruhe) sind, die durch das Umweltstrafrecht geschützt 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261

Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 11. Wohlers, Deliktstypen, S. 128. Vgl. Fischer, Vor § 324, Rn. 3. Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 11. Siehe Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 10. Vgl. Rengier, in: NJW 1990, S. 2506. Fischer, Vor § 324, Rn. 3. Vgl. Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 10. Siehe Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 10. Siehe Rengier, in: NJW 1990, S. 2506. Siehe Franzheim/Pfohl, Umweltstrafrecht, S. 4.

II. Das Rechtsgut der Umweltdelikte

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werden sollen.262 Auch nach Steindorf ist es auffällig, wie wenige Autoren bisher gewagt hätten, dem Begriff „Umwelt“ Konturen zu verleihen.263 Erwähnt werden in seiner Darstellung speziell für den Bereich des Strafrechts die Autoren Triffterer264 und Bottke265 sowie die Dissertation von Kareklas266. Danach seien unter „Umwelt“ im Sinne der §§ 324 ff. StGB die elementaren natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen zu verstehen.267 Nach Triffterer fallen darunter, ähnlich wie bei Kloepfer, die Umweltmedien sowie die Umweltfaktoren und das Ökosystem268, wobei insbesondere letztere Aufteilung nicht unumstritten ist.269 Saliger selbst plädiert ebenfalls für den sog. restriktiven Umweltbegriff, wonach „Umwelt allein die natürliche Umwelt des Menschen sei“270 – im Gegensatz zu einem extensiven Umweltbegriff oder auch dem Umweltbegriff mittlerer Weite, der noch wesentlich weitergehend die Aspekte der gesamten materiellen und immateriellen Umgebung des Menschen, eine umfassende Lebensqualität oder das Wirkungsgefüge zwischen Menschen, Mitmenschen und Umwelt miteinbezieht.271. Aus diesem Grund könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die von den §§ 324 ff. StGB geschützten Rechtsgüter direkt mit den „natürlichen Lebensgrundlagen“ im Sinne der Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG decken.272 Denn hier ist ein integrierter und medienübergreifender Umweltbegriff gemeint273, wohingegen im 29. Abschnitt gerade nicht die Umwelt in ihrer Gesamtheit geschützt werden soll, sondern in ihren unterschiedlichen Medien und Erscheinungsformen.274 Für unsere Untersuchung, die im Weiteren den Einfluss des Aspektes der Kollektivität auf die Zurechnung zum Thema hat, kann die Frage nach einem einheitlichen Rechtsgut dahingestellt bleiben. Es reicht aus, festzustellen, dass die Rechtsgüter im Umweltstrafrecht, auch wenn sie sich nicht alle auf eine bestimmte Schutzrichtung festlegen lassen,275 allesamt der Allgemeinheit und nicht einem In262

Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12. Vgl. Steindorf, in: LK, Vor § 324, Rn. 9 a. 264 Siehe Triffterer, in: ZStW 91 (1979), S. 309. 265 Siehe Bottke, in: JuS 1980, S. 539. 266 Siehe Kareklas, Lehre, S. 1 ff. und S. 96 ff. 267 Vgl. Steindorf, in: LK, Vor § 324, Rn. 9 b. 268 Triffterer, in: ZStW 91 (1979), S. 309. 269 Siehe etwa Steindorf, in: LK, Vor § 324, Rn. 9 b. 270 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 11. 271 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 11. 272 Vgl. Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff. Rn. 10; ders., Umweltstrafrecht, S. 11; Kloepfer/ Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12. 273 Vgl. Fischer, Vor § 324, Rn. 3. 274 Vgl. BT-Drs. 8/2382, S. 10 und 8/3633, S. 19; Saliger, Umweltstrafrecht, S. 11. 275 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12. 263

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

dividuum zugeordnet werden. Auch wenn die Festlegung auf einen Schutzzweck der Rechtsgüter der Umweltdelikte diskussionswürdig ist, eint die Tatbestände des Umweltstrafrechts der Aspekt der Kollektivität. Unabhängig von der Festlegung auf einen Schutzzweck, den das gesamte Umweltstrafrecht verfolgt, ist davon auszugehen, dass das gesamte Umweltstrafrecht Rechtsgüter der Allgemeinheit schützt.276 2. Das Rechtsgut der Umweltdelikte als Kollektivrechtsgut In einem ersten Schritt soll losgelöst von der speziellen Problematik im Umweltstrafrecht der Begriff und das Verständnis des Kollektivrechtsgutes vorgestellt werden, während anschließend auf die Kritik an dieser Konzeption eingegangen wird. a) Die Kollektivrechtsgüter im System der Rechtsgüter In seinen Ausführungen zum materiellen Verbrechensbegriff beschäftigt sich Roxin ausführlich mit den Grundlagen zum Rechtsgutsbegriff. So stellt er im Rahmen einer Ableitung des Rechtsgutsbegriffs aus den Aufgaben des Strafrechts die allgemeine Ansicht zur Aufgabe des Strafrechts vor, nach der das Strafrecht „seinen Bürgern ein freies und friedliches Zusammenleben unter Gewährleistung aller verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte zu sichern“277 hat. Aus dieser Feststellung folgert Roxin, dass Rechtsgüter alle Gegebenheiten oder Zwecksetzungen seien, die für die freie Entfaltung des Einzelnen, die Verwirklichung seiner Grundrechte und das Funktionieren eines auf dieser Zielvorstellung aufbauenden staatlichen Systems notwendig sind.278 Aus diesem durch die Aufklärung geprägten Verständnis des Rechtsgutes erklärt sich auch, dass neben den von Roxin als „elementar“ bezeichneten Tatbeständen wie Tötung und Körperverletzung, Diebstahl und Betrug in einer modernen Gesellschaft auch eine funktionierende Rechtspflege, eine intakte Währung oder die Erhebung von Steuern von existenzieller Wichtigkeit sind.279 Aus der Überlebensfähigkeit dieser modernen Gesellschaft erklärt es sich, dass neben die Individualrechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Eigentum und Vermögen auch Rechtsgüter der Allgemeinheit wie eben die Rechtspflege, die Währung oder das staatliche Besteuerungsrecht treten müssen, sodass – um bei Roxins Beispiel zu bleiben – gerichtliche Falschaussagen, Münzfälschungen und Steuerhinterziehung mit Recht unter Strafe stehen.280 Sehr intensiv hat sich auch Hohmann281,282 mit dem Rechtsgut der Umweltdelikte auseinandergesetzt. Ihm folgend283 soll zunächst der erste Unterschied zwischen den 276 277 278 279 280 281

Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 15. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 7. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 7. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 9. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 9. Siehe Hohmann, Rechtsgut.

II. Das Rechtsgut der Umweltdelikte

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Kollektiv- und den Individualrechtsgütern oder Universalrechtsgütern beschrieben werden. Die Rechtsgüter werden nach ihren jeweiligen Trägern und nach ihrer Dispositionsbefugnis in Rechtsgüter einer Person und Rechtsgüter „der Gesamtheit“ unterschieden.284 Grundsätzlich können Rechtsgüter nach den verschiedensten Kriterien unterteilt werden. In unserem Zusammenhang interessant ist jedoch die Unterscheidung nach den jeweiligen Trägern der Rechtsgüter.285 So gibt es Rechtsgüter, die dem Einzelnen zugerechnet werden können, wie beispielsweise „Leben, Eigentum, Gesundheit oder Freiheit“286. Diese Rechtsgüter werden aufgrund ihrer Zuordnung zu einem Individuum als Individualrechtsgüter bezeichnet. Im Gegensatz dazu existieren Rechtsgüter, die nicht einem Individuum, sondern der Gesamtheit zugeordnet sind. Diese werden als Kollektivrechtsgüter klassifiziert. Dafür nennt Winfried Hassemer etwa die Beispiele „Staatssicherheit, Rechtspflege, staatliche Wirtschaftsförderung, Sicherheit des Straßenverkehrs, Funktionstüchtigkeit der Datenverarbeitung“287 und Hohmann fügt dem den „Schutz der Staatsgeheimnisse, den äußeren Frieden, Echtheit des Geldes, Sicherheit des Straßenverkehrs oder das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der staatlichen Verwaltung“288 hinzu. In unserem Fall soll die Frage der Zurechnung im erweiterten Sinne die Frage eines Zusammenhangs zwischen einer Person und der Rechtsgutsverletzung289 sein. Doch zunächst muss dafür das kollektive Rechtsgut der Umweltdelikte bzw. gerade die Kollektivität des Rechtsgutes ausgeführt werden. b) Kritische Stimmen zur Konzeption des Kollektivrechtsgutes Das Konzept von Kollektivrechtsgütern ist in der Literatur nicht ohne Kritik geblieben. Dies gilt sowohl generell als auch für die Kollektivrechtsgüter im Umweltstrafrecht. aa) Grundlegende Kritik am Kollektivrechtsgut Unabhängig von der konkreten Situation im Umweltstrafrecht sind Kollektivrechtsgüter „Gegenstand einer noch unabgeschlossenen kritischen Diskussion“290. 282 Ein weiterer Autor, der sich sehr intensiv mit dem Rechtsgut der Umweltdelikte auseinandergesetzt hat, ist Hefendehl, in: Hefendehl, Rechtsgüter. Allerdings wird bezüglich seiner Darstellung auf die Kapitel C.III.1. und C.V.1. verwiesen, in denen diese ausführlich behandelt wird. 283 Siehe Hohmann, Rechtsgut, S. 58. 284 Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1 Rn. 127. 285 Vgl. Hohmann, Rechtsgut, S. 58. 286 Hohmann, Rechtsgut, S. 58. 287 Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1 Rn. 126. 288 Hohmann, Rechtsgut, S. 58. 289 Siehe B.V. 290 Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 10; a. A. Maurach/Zipf, Strafrecht AT, TeilBd. 1, § 19, Rn. 10, in dem nachzulesen ist, dass noch Binding der Ansicht war, dass Träger von Rechts-

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Kritik291 richtet sich vor allem gegen die Vagheit, mit der diese Rechtsgüter der Allgemeinheit konstruiert werden, um dadurch möglicherweise zu kaschieren, dass „die eigentlich zu schützenden Individualrechtsgüter nicht in strafwürdiger Weise beeinträchtigt werden“292. Diese Vorstellungen werden insbesondere mit den Ideen des Frankfurter Individualismus293 identifiziert. Nach einem seiner Hauptvertreter Hassemer handelt es sich um das Prinzip des „klassischen Strafrechts“, welches sich „nach dem Tod des Naturrechtes aus den Ideen der Aufklärung stützt und als Grundlage die Philosophie des Sozialvertrages nennt“294. Die Lehre fußt auf der Idee der rein individualistischen oder auch sog. personalen Rechtsgutslehre.295 Diese fordert u. a., das Strafrecht auf eine Art Kernstrafrecht296 zu reduzieren, bei dem als Rechtsgut grundsätzlich nur ein strafrechtlich schutzbedürftiges menschliches Interesse anzuerkennen sei.297 Grund für diese Reduzierung auf das rein am Menschen anknüpfende Rechtsgut sei die Überforderung und Ausuferung des Strafrechts.298 Schuld daran trage die im „modernen“299 Strafrecht übliche Schaffung neuer Straftatbestände zum Schutze von vage formulierten Universalrechtsgütern300, welche durch die Einsetzung von abstrakten Gefährdungsdelikten gekennzeichnet sei.301 Die von der Frankfurter Schule angeführte „Krise“ des Strafrechts sei klar an dem chronischen Vollzugsdefizit zu erkennen, und zudem suggeriere diese „moderne“ Art von Strafrecht fälschlicherweise, dass es sich beim Strafrecht inzwischen um ein „normales“ Instrument innenpolitischer Zukunftsbewältigung handle.302 Die Frankfurter Schule stellt somit als Gegenmodell zur aktuellen Strafrechtsentwick-

gütern überhaupt nur die Allgemeinheit sein könne. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass „selbst die Anhänger der Gemeinschaftsbezogenheit aller Güter zugeben mussten, dass es bestimmte Güter gibt, welche die Rechtsordnung der Disposition ihrer individuellen Träger überlässt“; ähnlich Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 126, die betonen, dass „es sich kaum bestreiten lasse“, dass sich „Rechtsgüter nach ihrem Träger und nach der Dispositionsbefugnis in Rechtsgüter einer Person und Rechtsgüter der Gesamtheit unterscheiden lassen“. 291 Siehe etwa Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 125. 292 Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 10. 293 Siehe dazu weiterführend die Auseinandersetzung von Schünemann, in: GA 1995, S. 203. 294 Hassemer, in: ZRP 1992, S. 378. 295 Siehe dazu etwa Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 142 ff. 296 Dieser Begriff ist zu unterscheiden von dem im StGB geregelten „Kernstrafrecht“ im Gegensatz zu außerhalb des StGB geregelten Strafrechts. 297 Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 144. 298 Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 146 f. 299 Bezeichnung von Hassemer selbst, Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 147. 300 Die Begriffe Universal- und Kollektivrechtsgüter werden in der Literatur synonym verwendet. 301 Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 147. 302 Vgl. Hassemer, in: ZRP 1992, S. 381.

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lung die Individualrechtsgüter in den Vordergrund.303 Umgekehrt bedeutet dies, dass die verbleibenden Universalrechtsgüter nur im vermittelten Interesse der davon betroffenen Individuen zu schützen sind.304 Straftatbestände, die den Schutz von Universalrechtsgütern bezwecken, müssen in dieser Logik auch aus diesem Blickwinkel des Individualschutzes heraus interpretiert und ausgelegt und damit im Endeffekt begrenzt werden.305 Zusammenfassend lässt sich die Kritik an der Konzeption von Kollektivrechtgütern mit der Angst vor einer „Entmaterialisierungstendenz“306 beschreiben, die insbesondere dem modernen Strafrecht und dessen als unscharf bezeichneten Rechtsgütern vorgehalten wird.307 Roxin plädiert dabei jedoch für eine differenzierte Kritik, die nicht den Rechtsgütern der Allgemeinheit die Existenzberechtigung abspricht, sondern sich explizit gegen ihren Missbrauch richtet.308 Trotz des wiederholt beschriebenen Risikos der unzulässigen Vorverlagerung der Strafbarkeit oder der Schaffung von sog. Scheinrechtsgütern309 ändert dies nach Roxin grundsätzlich nichts an der Legitimität von Allgemeinrechtsgütern. Er betont jedoch, dass es „Aufgabe der Auslegung des Besonderen Teils sei, solche Scheinrechtsgüter zu eliminieren“310. Zur Legitimität der Existenz von Kollektivrechtsgütern gehen Maurach/Zipf noch weiter, indem sie postulieren, dass die Existenz der Unterscheidung von Gütern des Einzelnen (auch: Individualrechtsgüter) und Gütern der Allgemeinheit heute un303

Siehe dazu weiterführend Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 144. Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 137 und 144. 305 Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 144 und 161 ff. 306 Krüger, Entmaterialisierungstendenz; auch Maurach/Zipf, Strafrecht AT, TeilBd. 1, § 19, Rn. 13. 307 Vgl. dazu etwa Krüger, Entmaterialisierungstendenz; auch Maurach/Zipf, Strafrecht AT, TeilBd. 1, § 19, Rn. 13. 308 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 10; mit Hilfe eines „systemkritischen“ Rechtsgutsbegriffs stellt er deshalb so bezeichnete „kriminalpolitische Postulate“ auf, welche dem Rechtsgutsbegriff neben der Aufgabe, Hilfsmittel bei der Auslegung der Tatbestände zu sein, die Bestimmung einräumen, „dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines Bestrafungsrechtes Grenzen“ (Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 10) zu setzen. Darunter finden sich Anforderungen an den Rechtsgutsbegriff wie die, dass die Einordnung eines Verhaltens als unmoralisch, unsittlich oder sonst verwerflich als Begründung einer Rechtsgutsverletzung nicht ausreicht (vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 17 ff.) oder auch der hier ebenfalls vertretene Ansatz, dass symbolische Strafrechtsnormen unzulässig sind, da diese keine konkrete Schutzwirkung entfalten, sondern überwiegend dem Veranschaulichen eines Bekenntnisses zu gewissen gesellschaftlichen, weltanschaulichen oder politischen Werten dienen (vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 37 ff.). Als Beispiel führt Roxin hierbei den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB an (vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 39 ff.). 309 Roxin benennt hierfür das im Betäubungsmittelstrafrecht angeführte Rechtsgut „Volksgesundheit“; siehe Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 10. 310 Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 10. 304

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umstritten sei.311 Allerdings sehen auch sie wie ein großer Teil der Literatur erhebliche Probleme sowohl im dogmatischen wie auch praktischen Umgang mit Kollektivrechtsgütern. Es bestehe sonst die Befürchtung, dass eine solche Verallgemeinerung zu einer vollkommenen Entleerung des Rechtsgutsbegriffs führe.312 Diese Vorsicht sei nach Ansicht Maurach/Zipfs bei der Verwendung von Kollektivrechtsgütern im strafrechtlichen System anscheinend notwendig, „wenn er seine Stellung als Grundlage der einzelnen Norm und damit als Fundament des einzelnen Straftatbestandes behaupten soll“313. Direkte Kritik an den Vorstellungen der Frankfurter Schule äußert Schünemann. Er greift deren Tendenzen zur Schaffung eines Kernstrafrechts, welches die durch das Strafrecht zu schützenden Rechtsgüter reduziert, scharf an.314 Er liest zwischen den Zeilen eine seiner Ansicht nach nicht zu billigende Wertehierarchie, in der etwa der Schutz der Umwelt weniger wert sei als der Schutz des Vermögens.315 Er erachtet es als „atavistisch“316, dass nach den Wertevorstellungen der Frankfurter Schule zwar eine „Zuordnung der Vermögensdelikte zum Kernbereich des Strafrechtes“317 möglich sei, der Bereich der Umweltdelikte hingegen in den Bereich der Ordnungswidrigkeiten abgeschoben werde.318 bb) Kritik an der Ausgestaltung des kollektiven Rechtsgutes im Umweltstrafrecht Führend unter den Kritikern dürfte wiederum Hassemer sein, der behauptet, dass das Umweltstrafrecht sogar einen kontraproduktiven Effekt habe: Nach ihm gebe „es gute Gründe anzunehmen, dass unser Umweltstrafrecht tendenziell sowohl dem Umweltschutz als auch dem Strafrecht auf Dauer eher schadet als nützt“319. Auch in Veröffentlichungen neueren Datums ist, wie bei Busch/Iburg, ebenfalls von einer „Krise des Umweltstrafrechtes“320 die Rede. Die gegenüber der Konzeption der Kollektivrechtsgüter generell vorgebrachte Kritik trifft direkt auf die Konzeption des Umweltstrafrechts zu, welches erst über Umwege in den 80er Jahren seinen Weg in das StGB gefunden hat und sich immer

311

Vgl. Maurach/Zipf, Strafrecht AT, TeilBd. 1, § 19, Rn. 10. Vgl. Maurach/Zipf, Strafrecht AT, TeilBd. 1, § 19, Rn. 12. 313 Maurach/Zipf, Strafrecht AT, TeilBd. 1, § 19, Rn. 12. 314 Siehe Schünemann, in: GA 1995, S. 201. 315 Vgl. Schünemann, in: GA 1995, S. 207. 316 Schünemann, in: GA 1995, S. 207. 317 Schünemann, in: GA 1995, S. 207. 318 Vgl. Schünemann, in: GA 1995, S. 207. 319 Allerdings noch zum alten Umweltstrafrecht: Hassemer/Meinberg, in: Neue Kriminalpolitik 1989, S. 46, 48. 320 Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 60. 312

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wieder die Frage stellen lassen muss, wo das von ihm geschützte Rechtsgut wirklich anfängt und wo es endet. So stellt Krüger in seiner Dissertationsschrift321 fest, dass Hassemers Aussage von der „Tendenz des Rechtsgutsbegriffs sich zu verflüssigen, zu vergeistigen, zu entmaterialisieren“322, die strafrechtliche Diskussion seit einiger Zeit verstärkt beschäftige.323 Auslöser dieser Debatte seien auch danach die neueren Bereiche des Strafrechts, d. h. Wirtschafts- und Umweltstrafrecht. Gerade Letzteres zeige sehr deutlich die kritisierte Entwicklung auf, indem nicht der Schutz menschlicher Interessen, sondern zunehmend der Schutz der Umwelt und der einzelnen Umweltmedien in den Vordergrund gerückt werde. Solche „modernen“ Rechtsgüter seien an die Stelle der „klassischen“ Individualrechtsgüter wie Vermögen oder Leib, Leben und Gesundheit getreten. Diese Rechtsgüter werden als „großflächig, wolkig, oder luftig“324 bezeichnet. Die Entwicklung selbst wird als „Inflation der Rechtsgüter“325 oder eben als „Entmaterialisierungstendenz beim Rechtsgutsbegriff“326 umschrieben. Auch Hassemer greift für seine Analysen bezüglich der kollektiven Rechtsgüter gerade das Umweltstrafrecht als Negativbeispiel heraus.327 Insbesondere das Umweltstrafrecht habe sich seiner Ansicht nach weit von der Vorstellung eines Kernstrafrechts entfernt. Die aus dieser Erkenntnis gezogenen Konsequenzen sind drastisch: So urteilt etwa Hohmann, dass das Strafrecht schon als Instrument gänzlich ungeeignet sei, die Umwelt zu schützen,328 und Hassemer fordert für eine Vielzahl der umweltstrafrechtlichen Tatbestände sogar, dass diese vom Strafrecht zurück ins Verwaltungsrecht überführt werden sollten.329 3. Das unterschiedliche Verständnis des Schutzzweckes der Umweltdelikte Ebenso wie eine Frage nach der Existenz eines vereinenden Rechtsgutes der Umweltdelikte gibt es auch eine Diskussion über den Grad der Schutzrichtung des Rechtsgutes. Diese gründet sich auf unterschiedliche Konzeptionen bzw. Begründungsmodelle für die Kollektivrechtsgüter des Umweltstrafrechts. Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich zwei gegensätzliche Vorstellungen über den Schutzzweck der Kollektivrechtsgüter und speziell der Rechtsgüter des Umweltstrafrechts heraus321 322 323 324 325 326 327 328 329

Siehe Krüger, Entmaterialisierungstendenz. Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 1. Vgl. Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 1. Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 1. Weigend, FS für Triffterer, 695, 711. Müssig, Schutz, S. 1. Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 133 ff. Vgl. Hohmann, Rechtsgut, S. 188 ff. Vgl. Hassemer, in: ZRP 1992, S. 383; ders., Produktverantwortung, S. 23 f.

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gebildet haben, welche im Weiteren in unterschiedlicher Radikalität zu den verschiedenen Rechtsgutsverständnissen führen. Die Diskussion um die Schutzrichtung von Kollektivrechtgütern und die spezielle Schutzrichtung der §§ 324 ff. StGB muss wohl als unübersichtlich bezeichnet werden – es lassen sich allein etwa fünf große Vorstellungen voneinander unterscheiden. Doch auch in sich sind diese uneinheitlich und unterscheiden sich teilweise in Begründung oder auch Konzeption. a) Das personale Rechtsgutsverständnis und das anthropozentrische Rechtsgut im Umweltstrafrecht Nach dieser von Hassemer330 entwickelten Idee ist die Schutzrichtung der Allgemeingüter letztendlich wieder auf den Schutz des Einzelnen bedacht. Nach der von Hassemer selbst als „monistisch-personalen Rechtsgutslehre“331 bezeichneten Ansicht wird der Staat in einem in der Tradition der Aufklärung stehenden, liberalen Verständnis und die Legitimität staatlichen Handelns von der Person her beurteilt.332 Für die Universalrechtsgüter bedeutet das, dass sie nur insoweit anerkannt sind, als sie vermittelt auch Interessen von Personen widerspiegeln. Das anerkannte Rechtsgut für die Umweltdelikte ist nach diesem Verständnis die Umwelt als Gesamtheit der menschlichen Lebensbedingungen und gerade nicht das reine Wasser oder die saubere Luft in deren Eigenwert.333 Demzufolge soll die Umweltbeschädigung auch nur als mittelbare Schädigung bei der Person strafbar sein.334 Die Vertreter dieser Ansicht argumentieren, dass die ökologischen Güter nicht allein um ihrer selbst willen, sondern als natürliche Lebensgrundlage des Menschen geschützt werden nur diese Beziehung somit den Hintergrund für den strafrechtlichen Schutz bietet.335 Nach der sog. Anthropozentrik bestehe also ein Endbezug der Umweltmedien auf den Menschen.336 Dies folge aus der Intention, die im StGBAlternativentwurf von 1971337 deutlich geworden sei, in dem die Umweltdelikte dem 330

Siehe dazu weiterführend Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 131 ff. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 132. 332 Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 133. 333 Vgl. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 136; m. w. N. 334 So der anthropozentrische Rechtsgutsbegriff, siehe dazu Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 7; Saliger, Umweltstrafrecht, S. 12 und S. 14, jedenfalls für §§ 330 a StGB, 325 a I; im Endeffekt ablehnend: Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 11 ff. 335 Vgl. Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 7, im Weiteren unter Rn. 8 jedoch differenzierend, dass dennoch „nicht allein die zum Überleben des Menschen unbedingt erforderlichen Umweltbedingungen geschützt wären“. 336 Vgl. Weber, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, S. 884. 337 Siehe Arzt (neben vielen anderen), Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzes. 331

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Titel „Personengefährdung“ zuordnet seien, was eine rein anthropozentrische Auffassung ausdrücken solle.338 Wenig verwunderlich ist deshalb auch, dass es insbesondere die Verfasser (u. a. Arzt und Baumann, neben vielen anderen) jenes Alternativentwurfes zum StGB sind, die die Ansicht vertreten, Schutzgut umweltstrafrechtlicher Normen seien allein „die klassischen Individualrechtsgüter des Menschen“339, also „Leben und Gesundheit“340. Ransiek341 schließt zur Begründung der Anthropozentrik von Teilen der Umweltdelikte auf die Umweltdelikte generell: „Das Interesse am Erhalt der einzelnen Umweltmedien und Umweltgüter ist danach auf den Menschen bezogen, was besonders deutlich bei den Tatbeständen ist, die wie §§ 325, 325 a, 330 a auf den Schutz der körperlichen Integrität des Menschen abstellen“342. Seiner Einschätzung nach sei es auch „nicht sinnvoll“343, dem noch „als alternative Schutzbestimmung den Schutz der Umwelt um ihrer selbst willen gegenüberzustellen“344, da es schließlich auch der Mensch selbst sei, der die Weite des Umweltschutzes definiere und schütze. Allein dadurch, dass es der Mensch sei, der die Umwelt schütze, mache dieser sich notwendig Umweltinteressen derart zu eigen, dass sie zu „eigenen, menschlichen Interessen würde“345. Im Laufe der Jahre wurde diese rein anthropozentrische Sichtweise allerdings kaum noch vertreten, bis Hohmann346 der von Hassemer entwickelten personalen Rechtsgutslehre auch im Umweltstrafrecht eine Renaissance zuteilwerden ließ.347 b) Die dualistische Lehre und das ökologische Rechtsgutsverständnis im Umweltstrafrecht Im Gegensatz zu der oben vorgestellten personalen Vorstellung vom lediglich vermittelten Schutz der Kollektivrechtsgüter geht die dualistische Auffassung ausdrücklich von einem Nebeneinander von Kollektiv- und Individualrechtsgütern aus. Die dualistische Lehre wird u. a. von Tiedemann vertreten, der explizit die Kollektivrechtsgüter als „überindividuelle Rechtsgüter“348 bezeichnet und ihnen einen 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348

Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14. Wohlers, Deliktstypen, S. 131. Wohlers, Deliktstypen, S. 131. Siehe Ransiek, in: NK, Vor § 324 Rn. 7 ff. Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 7. Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 7. Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 7. Siehe Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 7. Hohmann, Rechtsgut, S. 179 ff. Siehe Wohlers, Deliktstypen, S. 131. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 125.

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eigenständigen Platz neben den Individualrechtsgütern zuspricht. In der von Tiedemann für das Nebenstrafrecht entwickelten Anschauung beschreibt er den Schutz von Gesellschaftsinteressen zum Selbstzweck.349 Nach Tiedemann könnten auch überindividuelle Institutionen selbstständig und losgelöst von individuellen Interessen Rechtsgüterschutz für sich beanspruchen. Als weitere Vertreter dieser Ansicht gelten350 u. a. der Ethiker Jonas351 sowie die amerikanischen Rechtswissenschaftler Stone352 und Meyer-Abich353, die allesamt mit unterschiedlichen Begründungen versuchen, diese Auffassung über den nicht notwendigen Rückbezug auf den Menschen bei den kollektiven Rechtsgütern auch auf das Umweltstrafrecht zu übertragen. Hinzu zählt Hohmann354 die von den anderen Autoren abweichende Ansicht355 Bosselmanns356, nach der im Vordergrund der Anerkennung der Umwelt als eigenständiges Rechtssubjekt weniger eine philosophische oder ethische Begründung steht, sondern eine grundsätzliche Notwendigkeit, den Belangen der Natur insbesondere in Abwägungsfragen – zitiert wird speziell das Planungsrecht – eine stärkere Position zu verleihen. Aber auch einigen neueren Schriften geht ein als lediglich über den Menschen vermittelt verstandener Schutz der Umwelt nicht weit genug.357 In diesem Zusammenhang wird die dualistische Lehre, die in ihrer Übertragung auf das Umweltstrafrecht diese Umwelt als eigenständiges Rechtsgut schützt, als ökologisches Rechtsgutsverständnis bezeichnet.358 So beschreibt Wohlers die Übertragung der dualistischen Rechtsgutslehre auf den Bereich des Umweltstrafrechts folgendermaßen: Nach einer solchen ökologischen Sichtweise des Rechtsgutes der Umweltdelikte sind die „Umwelt und die ihr angehörenden Umweltgüter um ihrer selbst willen“359 geschützt. Es bestehe ein eigenständiger Schutz unabhängig davon, „ob ihr Schutz den Lebensbedingungen der Menschen dienlich ist oder nicht“360. 349

Vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 119. Siehe dazu Hohmann, Rechtsgut, S. 77 ff. (Jonas); S. 80 ff. (Stone), S. 85 ff. (MeyerAbich); Saliger, Umweltstrafrecht S. 14, Fn. 90. 351 Siehe Jonas, Das Prinzip Verantwortung. 352 Siehe Stone, Umwelt. 353 Siehe Meyer-Abich, Wege. 354 Siehe Hohmann, Rechtsgut, S. 88 ff. (Bosselmann) 355 Während Jonas, Stone und Meyer-Abich sowohl mit Begründungen aus unserer Rechtsordnung heraus als auch mit ethischen und philosophischen Gründen das Rechtsgut der Umwelt unabhängig von dessen Einfluss auf den Menschen betrachten, arbeitet Bosselmann (siehe Bosselmann, NuR 1987, S. 1) auf einer kriminologischen Ebene und betrachtet zudem die Umwelt nicht lediglich als eigenständiges Rechtsgut, sondern sogar als eigenständiges Rechtssubjekt. 356 Siehe Bosselmann, NuR 1987, S. 1. 357 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14. 358 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14 ff. 359 Wohlers, Deliktstypen, S. 131. 360 Wohlers, Deliktstypen, S. 131. 350

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Schünemann lässt sich mit seiner Auffassung nicht als Vertreter eines ökologischen oder einer anthropozentrischen Verständnisses einordnen. Allerdings wendet er sich explizit gegen ein Verständnis des Rechtsgutes, nach welchem lediglich der (momentan lebende) Mensch geschützt wird. Nach Schünemanns Ansatz sei dies „rückständig“361, da es seiner Ansicht nach von einem groben Missverständnis der ökologischen Güter zeuge, wenn sich das Blickfeld angesichts der stattfindenden Umweltkatastrophen nur auf „gerade lebende und direkt betroffene Menschen“362 verengen würde. Insbesondere kritisiert er dabei die Argumentation der Frankfurter Schule für ein Verständnis der Umweltrechtsgüter als reine Individualrechtsgüter.363 Schünemann selbst geht davon aus, dass es auf eine Unterscheidung zwischen anthropozentrischem und ökologischem Rechtsgut gar nicht ankomme, da sich der Schutz des Rechtsgutes auch „ohne weiteres aus den Interessen der jetzt und künftig lebenden Generationen“364 ableiten lasse, womit Elemente beide Ansichten abgedeckt sind.365 Saliger stellt fest, dass sich der rein ökologische Ansatz im Bereich der Ökologischen Ethik und der Rechtstheorie zwar etablieren konnte; in der Strafrechtswissenschaft hingegen seien „nur Anklänge“366 daran zu finden und ein reiner „Ökozentrismus“367 werde derzeit nicht vertreten.368 Auch er selbst lehnt diesen Ansatz mit der Begründung ab, dass beide Extrempositionen – sowohl der Anthropozentrismus als auch der Ökozentrismus – dem Umweltstrafrecht nicht gerecht würden,369 da etwa der Ökozentrismus die seiner Ansicht nach eindeutig anthropozentrischen Elemente wie die §§ 324 a Nr. 1, 325 a I und 330 a StGB nicht erklären könne.370 Außerdem argumentiert Saliger371, dass der Art. 20 a GG gegen einen rein ökologischen Ansatz spreche, da dieser sich explizit auf die natürlichen Lebensgrundlagen „auch in Verantwortung für die zukünftigen Generationen“372 beziehe. Diese Einschätzung Saligers verwundert auf den ersten Blick, da er ja mehrfach mit der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur klargestellt hat, dass sich der Begriff der Umwelt gerade nicht mit den natürlichen Lebensverhältnissen des

361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372

Schünemann, in: FS für Triffterer, S. 432, 452. Schünemann, in: FS für Triffterer, S. 432, 453. Siehe Schünemann, in: FS für Triffterer, S. 432, 453. Schünemann, in: FS für Triffterer, S. 432, 452. Schünemann, in: FS für Triffterer, S. 432, 452. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 14. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 14. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 14. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 14. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 14. Siehe Saliger, Umweltstrafrecht, S. 15. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 15.

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Art. 20 a GG decke.373 Nun für die Frage nach der Anthropozentrik wieder auf das Verständnis des Art. 20 a GG zurückzugreifen bedürfte zumindest einer näheren Erläuterung. Außerdem kann der Wortlaut des Art. 20 a GG durchaus so verstanden werden, dass das Wort „auch“ gerade bedeute, dass das Schutzgut nur neben den Eigenrechten der Tiere und Pflanzen auch deren Eigenschaft als Lebensgrundlage für den Menschen sei. Der Verweis auf das Verständnis im GG könnte sich somit als Zirkelschluss erweisen, denn gerade hier existieren die unterschiedlichen Ansichten von anthropozentrischer, ökologischer und vermittelnder Interpretation des Schutzzweckes.374 So ist zwar seiner Feststellung zuzustimmen, dass ein rein ökologischer Ansatz nicht bzw. nicht mehr vertreten wird375 – überzeugender erscheint jedoch die Argumentation von Kloepfer/Vierhaus, die auf Art. 1 I GG abstellen376 und somit zumindest nicht riskieren, sich selbst zu widersprechen. Mehr Erläuterung hätte hingegen die sehr generelle Aussage diesbezüglich gebraucht, dass „der sinnstiftende Bezugspunkt menschgemachter Rechtsordnungen letztendlich immer der Mensch“377 sein muss. Der Verweis auf die Strafbarkeit der Tierquälerei, der auch nur aufgrund „sittlicher Überzeugungen der Gesellschaft“378 bestehe, vermag die recht pauschale Aussage nicht vollends zu begründen. Denn die Überzeugungen einer Gesellschaft sind nicht gleichbedeutend mit einem Bezugspunkt zum Menschen. Zwar entstammen diese Überzeugungen den Menschen als Gesellschaft – ihr Inhalt hat aber nicht stets einen Bezugspunkt zum Menschen. Darauf kommt es bei der Frage nach einer möglichen Eigenständigkeit der Umwelt als Schutzgut jedoch an. Selbstverständlich bildet die von Menschen gemachte Rechtsordnung auch Überzeugungen der Gesellschaft ab. Diese kann wiederum sehr wohl zum Inhalt haben, dass Rechtsgüter auch ohne Rückbezug zum Menschen schützenswert erscheinen. c) Die vermittelnde Lehre im Umweltstrafrecht Zwischen diesen beiden Extrempositionen existiert noch eine dritte, vermittelnde Ansicht. Die Vertreter dieser Ansicht sehen speziell im Umweltstrafrecht Elemente 373 Vgl. Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 10; ders., Umweltstrafrecht, S. 11; Kloepfer/ Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12. 374 „Die Problematik der anthropozentrischen oder ökologischen Ausrichtung des Art. 20 a spielte in den Debatten der Gemeinsamen Verfassungskommission eine wichtige Rolle. Der diesbezügliche Streit wurde allerdings nicht förmlich entschieden“, Epiney, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG-Kommentar, Art. 20 a, Rn. 24; vgl. dazu auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 a, Rn. 29 f.; a. A. hingegen siehe Sannwald, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfau, GG-Kommentar, Art. 20 a, Rn. 16, der davon ausgeht, dass ein rein anthropozentrischer Bezug besteht. 375 Siehe Saliger, Umweltstrafrecht, S. 14, ausführlich in Fn. 90. 376 Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 13. 377 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 13. 378 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 13.

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beider Auffassungen nebeneinander. Diese wird als anthropo-ökologischer Ansatz bezeichnet.379 So teilt Schmitz die Auffassung, dass die §§ 324 ff. StGB zwar die Umwelt schützen, allerdings mit einer doppelten Einschränkung: Geschützt wird danach nicht die Umwelt in ihrer Gesamtheit, sondern hinsichtlich der einzelnen Umweltmedien Wasser, Boden, Luft sowie der Tier- und Pflanzenwelt.380 Diese sind jeweils nach der sog. ökologischen Rechtsgutbestimmung selbst als Schutzobjekte anerkannt.381 Auch Kloepfer kann der Ansicht zugerechnet werden, die jenen doppelten Rechtsgutsbezug vertritt. So hat seiner Auffassung nach der Reformgesetzgeber des Jahres 1980 klargestellt, „dass sich strafrechtlicher Umweltschutz nicht auf den Schutz des Menschen beschränken dürfe, sondern daneben ökologische Schutzgüter als eigenständige Rechtsgüter anerkannt werden müssen“382. Nach dieser Ansicht ist dies der Wille des Gesetzgebers, der sich in der Konzeption der §§ 324 ff. StGB niedergeschlagen hat. Schließlich seien durch die Schaffung des Abschnitts „Straftaten gegen die Umwelt“ neue ökologische Rechtsgüter anerkannt worden, wobei die individuelle Fassung der Tatbestände deren Bezug zum Menschen deutlich mache.383 d) Unterscheidung der Rechtsgüter je nach Delikt Einige Autoren sind dazu übergegangen, gar keine eindeutige Ansicht bezüglich der Frage nach einer Anthropozentrik des Rechtsgutes zu vertreten, sondern jeweils zwischen den einzelnen Delikten zu unterscheiden.384 Ein einheitliches Rechtsgut der Umweltdelikte wird dabei verneint. Danach zeichnet sich jedes einzelne Delikt durch eine andere, spezielle Schutzrichtung aus.385 Alternativ wird zwar generell der doppelte Rechtsgutsbezug angenommen, allerdings nach Delikten mit stärkerer überindividuell-ökologischer Ausrichtung und anderen Delikten mit mehr „individuell-anthropozentrischem Rechtsbezug“386 unterschieden. So sollen etwa die §§ 324, 329 III, 324 a I Nr. 2 und § 325 zu den primär ökologischen Delikten zählen und die §§ 325 a I, 330 a zu den primär387 anthropozentrischen Tatbeständen.388 379

Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14. Siehe Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 11. 381 Vgl. Weber, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, S. 884. 382 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14. 383 Siehe Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 135. 384 Siehe Franzheim/Pfohl, Umweltstrafrecht, S. 4; Alt, in: MüKo, Vor §§ 324, Rn. 16 f.; i. Erg. auch Saliger, vgl. etwa Saliger, Umweltstrafrecht, S. 19; ders., in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 11 ff. 385 Vgl. Franzheim/Pfohl, Umweltstrafrecht, S. 4. 386 Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 11. 387 Hier bezeichnet Saliger die Delikte genauer als „primär bzw. rein anthropozentrische Tatbestände“. Ob dies bedeutet, dass bei diesen Delikten doch kein doppelter Rechtsgutsbezug vorliegt, sondern ein rein anthropozentrischer oder zwar ein doppelter Rechtsgutsbezug, aber 380

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Tatbestände mit „echter“ doppelter Schutzrichtung im eigentlichen Sinne seien dann nur noch die §§ 326 I, 328 III oder 325 a II.389 e) Verwaltungsrechtlicher Rechtsgutsbegriff Wieder andere Autoren beharren auf einem verwaltungsrechtlich geprägten Rechtsgutsbegriff: Entsprechend der Herkunft des Umweltstrafrechts aus dem Verwaltungsrecht wird mit Verweis auf typische Formulierungen im Umweltstrafrecht wie „unbefugt“ (§§ 324, 326 StGB), „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ (§§ 324 a, 325, 325 a, 326 III, 328 III StGB) und „entgegen einem Verbot oder ohne eine erforderliche Genehmigung handelt“ (§§ 326 II, 327 I, 328 StGB) argumentiert, dass das Schutzgut des Umweltstrafrechts nicht nur die Umwelt als natürliche Lebensgrundlage des Menschen sei (anthropo-ökologischer Rechtsgutsbegriff), sondern diese zudem nur in ihrer Ausgestaltung durch das Verwaltungsrecht geschützt sei.390 Dieser sich methodisch von dem anthropozentrischen und dem ökologischen Rechtsgutsverständnis stark unterscheidende Ansatz wurde vornehmlich im Wasserrecht entwickelt.391 Er trägt der Geschichte des Umweltstrafrechts insofern Rechnung, als er – der Herkunft des Umweltstrafrechts entsprechend – die Umweltgüter als Verwaltungsrechtsgüter versteht.392 Danach könne die Umwelt „nur in dem Zustand geschützt werden, der von den zuständigen Verwaltungsbehörden als schutzwürdig und erstrebenswert festgelegt worden sei“393. Dem liegt die Idee zugrunde, dass es Aufgabe der Verwaltung sei, eine gerechte Verteilung der begrenzten Naturressourcen zu organisieren.394 Auch wenn dieser Ansicht zugutegehalten werden kann, dass sie versucht, neben der Verwaltungsakzessorietät eine weitere Verbindung zum Verwaltungsrecht395 herzustellen und so eine Parallelität zwischen Verwaltungs- und Strafvorschriften herzustellen, ist diese Auffassung hier abzulehnen. Letztendlich wird durch die weitere Verbindung nämlich ein Teufelskreis geschaffen: Zwar wird einerseits versucht, einen Rückbezug der Straf- auf die Verwaltungsvorschriften zu schaffen, dabei wird andererseits aber übersehen, dass ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften gerade nicht mit dem Strafrecht, sondern mit dem Ordnungswidrigkei-

mit größerem anthropozentrischem Element, bleibt etwas unklar, Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 11. 388 Vgl. Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff. Rn. 11. 389 Vgl. Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff. Rn. 11 m. w. N. 390 Vgl. Ransiek, in: NK, Vor § 324 ff., Rn. 12. 391 Siehe Saliger, Umweltstrafrecht, S. 15. 392 Siehe Saliger, Umweltstrafrecht, S. 15. 393 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 15. 394 Siehe Saliger, Umweltstrafrecht, S. 15. 395 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 15.

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tenrecht zu ahnden ist.396 Auch der Wille des Gesetzgebers, das Umweltstrafrecht gerade nicht mehr als Nebenstrafrecht, sondern als Kernstrafrecht zu organisieren, spricht gegen ein rein administratives Verständnis der Schutzfunktion des Umweltrechtsgutes.397 f) Fazit zur Bestimmung des Rechtsgutes der Umweltdelikte Kernpunkt dieser Arbeit ist zwar nicht die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rechtsgutsverständnissen, sondern der Einfluss des Rechtsgutes auf die Zurechnung. Dennoch kann die Frage danach, wie jenes Rechtsgut im Folgenden zu verstehen ist, nicht offenbleiben. Deshalb soll kurz eine Bewertung der vorgestellten Sichtweisen erfolgen: Letztendlich stellt die Ansicht der wohl herrschenden Meinung, die einen gemischten Rechtsgutsbezug vertritt, einen annehmbaren Kompromiss dar, allein bereits, da die beiden Extrempositionen nicht überzeugen. Der rein anthropozentrische Ansatz verkennt gerade, dass der 29. Abschnitt mit der Überschrift „Straftaten gegen die Umwelt“ überschrieben ist und der Alternativentwurf von 1971, der eine Unterordnung unter „Personengefährdung“ vorsah und teilweise zur Begründung angeführt ist398, eben so gerade nicht umgesetzt wurde. Auch die Nichtumsetzung ist eine Entscheidung des Gesetzgebers und ist als Ablehnung dieser Systematik zu interpretieren. Überdies bestehe die Gefahr, dass die Umweltstraftaten noch gänzlich überflüssig würden. Schließlich sind Interessen des Menschen an seiner Gesundheit bereits über die Körperverletzungsdelikte geschützt. Würde der Schutz der Umwelt nur als erweiterter Schutz der Gesundheit des Menschen verstanden, wäre tatsächlich die Frage zu stellen, welchen zusätzlichen Schutz die §§ 324 ff. noch gewährleisten. Die Existenzberechtigung der Umweltdelikte wäre zu Recht in Frage gestellt, wenn sie lediglich eine weitere Ausformung bzw. eine Vorverlagerung des Schutzes der körperlichen Integrität darstellen würden. Jedoch hat sich der Gesetzgeber positiv dafür entschieden, die Umweltdelikte in das Kernstrafrecht aufzunehmen, und hat diesen Schritt auch durch die aktuellen Reformen399 immer wieder neu bestätigt. Auch diese Entscheidung ist als Anerkennung eines eigenen Rechtsschutzes der Umwelt durch den Gesetzgeber zu interpretieren. Auch wenn die angeführten Argumente gegen einen ökozentristischen Ansatz des Rechtsgutsverständnisses nicht völlig überzeugen konnten400, spricht doch ein anderer, gewichtiger Faktor gegen diese Sichtweise. Wiederum kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber selbst mit den §§ 324 ff. StGB keine Eigen396 397 398 399 400

Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 16. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 16. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14. Siehe B.I.1.e). Siehe B.II.3.b).

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rechte der Umwelt schützen wollte: Wie sollte es sonst möglich sein, dass eine Behörde durch Ausstellen einer Genehmigung in Rechtsgüter eingreift, die nicht einmal zur Disposition des Menschen stehen? Das konsequente Weiterdenken des ökozentristischen Ansatzes würde ja dafür sprechen, dass die geschützten Rechtsgüter des Umweltstrafrechts selbstständige, eigene Rechte der Umwelt darstellen. Es würde sich schon die Frage stellen, ob ein Eingriff in diese Eigenrechte – auch im Wege einer verwaltungsrechtlich rechtmäßigen Genehmigung – überhaupt möglich ist.401 Die das Umweltstrafrecht prägende Verwaltungsakzessorietät wäre zu hinterfragen. Das war aber sicherlich nicht Ziel des Gesetzgebers, der das Umweltstrafrecht bewusst verwaltungsrechtsakzessorisch aufgebaut hat. Die Geschichte des Umweltstrafrechts hat die starken verwaltungsrechtsakzessorischen Bezüge gerade auch geprägt. Nun anzunehmen, dass die Umwelt über eigene, selbstständige Rechtspositionen verfügt, und damit die Abhängigkeit von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen in Frage zu stellen, widerspräche der gesamten Entwicklung des Umweltstrafrechts. Auch der Umstand, dass bei aktuellen Reformen die Verwaltungsrechtsakzessorietät an das Europarecht angepasst wurde, kommt einer neuen Entscheidung für die Verwaltungsrechtsakzessorietät gleich.402 Ebenso wie zuvor die gesetzgeberische Entscheidung für die Aufnahme der Umwelt in die durch das StGB zu schützenden Rechtsgüter gegen die anthropozentrische Auslegung gesprochen hat, spricht nunmehr die gesetzgeberische Entscheidung für die verwaltungsrechtsakzessorische Ausgestaltung der Umweltdelikte gegen die Annahme eines rein ökologischen Ansatzes.

401 Bezüglich der Einwilligung geht zwar Saliger (in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 13) mit der h. M. davon aus, dass je nach Delikt zu unterscheiden ist: So sei bei Delikten, die eine rein ökologische Ausrichtung aufweisen, und auch bei solchen mit einem doppelten Rechtsgutsbezug eine Einwilligung ausgeschlossen, während die Einwilligungsfähigkeit bei anthropozentrischen Delikten teilweise vorliegt (etwa bei § 330 a StGB) und teilweise umstritten ist wie bei § 325 a I StGB (vgl. Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 13). Doch kann in diesem Zusammenhang die Einwilligungsfähigkeit nicht mit der Dispositionsbefugnis gleichgesetzt werden oder zumindest nicht so gemeint sein: Denn Saliger selbst geht an anderer Stelle davon aus, dass etwa die Gewässerverunreinigung gem. § 324 StGB ein Rechtsgut mit ökologisch orientierter Ausrichtung ist (vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 161). Dennoch zeichnet sich § 324 StGB nach seinem Wortlaut („unbefugt“) ebenfalls durch Verwaltungsrechtsakzessorietät aus (vgl. Saliger, in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 19, wonach sich die Rechtfertigung u. a. aus einer besonderen Befugnis, wie etwa einer behördlichen Duldung, ergeben kann). Wenn also eine Einwilligungsfähigkeit für die Gewässerverunreinigung als Delikt mit ökologischer oder auch ökologischer Ausrichtung nicht bestehen soll, die Verwaltung aber durch eine Duldung eine Befugnis für die Verunreinigung von Gewässern erteilen kann, dann muss das Verständnis der Dispositionsbefugnis ein anderes sein als das der Einwilligungsfähigkeit. 402 Siehe B.I.1.e).

III. Prämisse Nr. 1: Legitimes Rechtsgut der Umweltdelikte

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III. Prämisse Nr. 1: Legitimes Rechtsgut der Umweltdelikte Das Umweltstrafrecht hat sich, wie oben ausgeführt, mit vielen Kritikpunkten und Schwachstellen auseinanderzusetzen. Einer der Hauptkritikpunkte ist grundsätzlicher Natur: Es wird in Frage gestellt, ob es sich bei dem Rechtsgut Umwelt überhaupt um ein legitimes Rechtsgut handelt. Schließlich lässt sich die Kritik, die dem Umweltstrafrecht in seiner jetzigen Form die Eignung zu einem echten Rechtsgüterschutz abspricht und es deshalb in dieser Form teilweise abschaffen will403, so verstehen, dass das Rechtsgut der Umweltdelikte grundsätzlich nicht als strafrechtlich schützenswertes Rechtsgut anzusehen ist. Diese Auffassung, die für die Rückbesinnung auf eine personale Rechtsgutslehre plädiert, die als Rechtsgut nur ein strafrechtlich schutzbedürftiges menschliches Interesse anerkennt, lehnt logischerweise einen strafrechtlichen Schutzauftrag gegenüber dem Rechtsgut Umwelt ab, soweit es unabhängig vom Menschen betrachtet wird.404 Auch das Umweltstrafrecht schützt – gerade als Gegenmodell zu den Individualrechtsgütern – nach dieser Ansicht lediglich ein vage formuliertes Universalrechtsgut, welches nicht den Kriterien eines strafrechtlich zu schützenden Rechtsgutes entspricht.405 Diesen Kritikern am Rechtsgut des Umweltstrafrechts muss insoweit zugestimmt werden, als es sicherlich immer noch erhebliche Unklarheiten bezüglich der Weite und der genauen Auslegung dieses Rechtsgutes gibt. Allerdings darf diese momentane Situation nicht zum Anlass genommen werden, das Rechtsgut der Umweltdelikte insgesamt in Frage zu stellen. Dieses bringt schon aufgrund seiner Neuartigkeit und der zumindest nicht eindeutigen Anthropozentrik eine neue Herausforderung für das Strafrecht mit sich. Allein die angesprochenen Schwierigkeiten dürfen nicht dazu führen, dem Rechtsgut an sich die Tauglichkeit abzusprechen, einen weitergehenden Umweltschutz zu gewährleisten. Anstatt „von vornherein“ angesichts der Hindernisse bei der praktischen Arbeit mit dem Rechtsgut der Umweltdelikte diese aus dem Strafrecht auszuklammern, ist es geradezu Aufgabe des Strafrechts, auch diese sich neu entwickelnden Werte zu schützen. Auch angesichts neuer Tendenzen in Gesellschaft und Technik darf sich das Strafrecht nicht ausschließlich auf altbekannte Kriterien und Erwartungen zurückziehen. In der Literatur besteht eine gewisse Skepsis, ob das Strafrecht überhaupt in der Lage ist, die Fragen eines wirksamen Umweltschutzes zu lösen. In der Tat wirft die Materie des Umweltstrafrechts Fragen auf, denen mit der herkömmlichen Dogmatik nur schwer beizukommen ist. Eine davon richtet sich bereits in einer Vorfrage an das Rechtsgutverständnis im Umweltstrafrecht.

403 404 405

Siehe Hassemer, in: ZRP 1992, S. 383; ders., Produktverantwortung, S. 23 f. Siehe Hassemer, in: ZRP 1992, S. 381. Vgl. Hassemer, in: ZRP 1992, S. 379.

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Dem gegenüber stehen Autoren wie Ronzani, der die Neuartigkeit des Rechtsgutes und die sich daraus ableitenden und zu lösenden Fragen voranstellt, wenn er die Ziele im Kernbereich des Strafrechts benennt.406 Strafrecht solle gerade nicht nur dem Schutz herkömmlicher Individualrechtsgüter wie Leben, Leib und Eigentum dienen, sondern auch der „natürlichen Umwelt als solche“407, was bedeutet, dass diese im Sinne des ökologischen Verständnisses auch als eigenständiges Rechtsgut zu schützen sei. Auch Saliger verteidigt die Position des Umweltstrafrechts mit dem Argument, dass es sich bei der Kritik – insbesondere derjenigen, die auf das Vollzugsdefizit abstelle – um Einzelmängel handle, die sich durchaus beheben oder abmildern lassen, und zudem bei aller Kritik nicht vergessen werden dürfe, dass die Funktion des Strafrechts von vornherein begrenzt sei.408 Es könne nie Erwartung an das Umweltstrafrecht gewesen sein, alle brisanten Fragen des Umweltschutzes zu lösen – es nun an dieser Hürde zu messen sei verfehlt.409 Starke Gegenstimme zu den Forderungen der Frankfurter Schule ist sicher auch Schünemann. Der Auffassung der Frankfurter Schule, dass die strafrechtlich schutzwürdigen Rechtsgüter im Bereich der Umwelt „von den aktuell betroffenen Individuen her funktionalisiert werden, so dass ein rechtswidriger Umweltverbrauch ohne konkrete negative Auswirkungen für die Bevölkerung des betroffenen Gebietes maximal eine Ordnungswidrigkeit begründen könne“410, erteilt er eine Absage und begründet jene damit, dass dieser Vorstellung ein Missverständnis zugrunde liege.411 Dieses führt er aus, indem er auf den Unterschied zwischen einer primären und sekundären Verteilungsgerechtigkeit hinweist: Während die Frankfurter Schule die Umwelt auf der Ebene der (lediglich) sekundären Verteilungsordnung einordne412 – also so, als wäre die Umwelt lediglich und ausschließlich der momentan lebenden Generation zugeordnet und von dieser nutzbar –, stelle die Frage nach einer erhaltenen Umwelt aufgrund ihrer Relevanz für die kommende Generation gerade eine primäre Frage der Verteilungsgerechtigkeit dar.413 Denn „während die erneuerbaren Ressourcen zur freien Verfügung der lebenden Generation stehen und in diesem Sinne als ihr Eigentum angesprochen werden können, ist die gerade lebende Generation bezüglich der erschöpfbaren Ressourcen zu deren Schonung für die künftige Generation verpflichtet und muss sich deshalb bei deren Nutzung auf einen verhältnismäßigen Anteil beschränken“414. Gerade aus dieser dem Umweltstrafrecht zugrunde liegenden Verteilungsgerechtigkeit folgert Schünemann zum einen, dass 406 407 408 409 410 411 412 413 414

Siehe Ronzani, Erfolg, S. 4. Siehe Ronzani, Erfolg, S. 4. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 25. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 25. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 26. Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 26. Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 26. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 26.

IV. Prämisse Nr. 2: Legitime Existenz des Umweltstrafrechts

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sehr wohl die ökologische Ressource selbst das geschützte Rechtsgut sei – da es keinen Schutz am Eigentum zukünftiger Generationen geben könne – und das zum anderen die momentan voranschreitende Zerstörung dieser Ressource auf „Mord und Raub an zukünftigen Generationen hinausläuft“415. Die Umwandlung dieses ökologischen Raubbaus in eine bloße Ordnungswidrigkeit stelle danach fast eine „moral insanity“416 dar. Diese Feststellung zugunsten eines Rechtsgutes „Umwelt“ hat nach Streinz jedoch auch klare Folgen: Ein wirksamer Umweltschutz kann auf den ergänzenden Einsatz des Strafrechts nicht verzichten, damit schwerwiegende Rechtsverstöße geahndet werden können.417 Somit stellt das Umweltstrafrecht zwar eine neue Herausforderung für die Strafrechtswissenschaft dar418 – allerdings ist eine Existenzberechtigung des Umweltstrafrechts nicht in Frage zu stellen. Selbstverständlich können diese verkürzten Ausführungen nicht die erheblichen, dogmatisch wie argumentativ nachvollziehbaren Bedenken gegenüber der Umwelt als legitimerweise im StGB geschütztes Rechtsgut ausräumen. Allerdings soll für die folgende Untersuchung die Prämisse gelten, das Rechtsgut der Umweltdelikte trotz der Kritikpunkte als legitimes Rechtsgut des StGB zu betrachten.

IV. Prämisse Nr. 2: Legitime Existenz des Umweltstrafrechts Nach der Prämisse, dass die Umwelt als legitimes Rechtsgut strafrechtlich zu schützen sei419, müsste es nun die Konsequenz sein, diesem legitimen Rechtsgut auch den gebührenden Schutz zu gewährleisten. Gerade die Effektivität des Instrumentes Umweltstrafrecht zum Schutz des Rechtsgutes Umwelt wird jedoch oft in Frage gestellt.420 Demnach käme dem Umweltstrafrecht bloß eine symbolische Bedeutung zu. 1. Keine Existenzberechtigung für rein symbolisches Strafrecht Während das sog. instrumentale Recht es sich als primäres Ziel setzt, Realität zu gestalten421, verfolgt symbolische Gesetzgebung dieses Ziel gerade nicht – es kommt ihr nicht darauf an, „tatsächliche Verhältnisse oder Verhalten zu beeinflussen“422, 415 416 417 418 419 420 421 422

Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. Siehe Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. I, S. 131. Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. I, S. 131. Siehe B.III. Siehe B.I.3. Vgl. Schmehl, in: ZRP 1991, S. 251. Schmehl, in: ZRP 1991, S. 251.

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bzw. sie will dies zumindest nicht auf direktem Wege.423 Unmittelbares Ziel dieser Art von Rechtssetzung ist somit nicht das Verändern der Realität, sie setzt vielmehr auf mittelbarem Wege erst bei den Wertvorstellungen des Menschen an. Durch das Einwirken und Verändern der Wertvorstellungen verändert sich das daran orientierte eigene Verhalten und das, an dem sich Menschen in ihrem sozialen Umfeld orientieren.424 Zwar können symbolische und instrumentale Gesetzgebung grundsätzlich nebeneinanderstehen. Wenn allerdings in einer solchen Ausgestaltung eine instrumentelle Funktion überhaupt nicht festzustellen ist bzw. die symbolische Funktionsweise überwiegt, wird der Normadressat „vom Gesetzgeber über die Problemlösungs- und Regelungspotenz des Rechts getäuscht und eine Effektivität nur vorgespielt“425. Kritisch ist dabei insbesondere der Umstand, dass bei symbolischer Gesetzgebung das „Recht als reines Mittel der Politik“426 missbraucht wird. Anstatt der Verwirklichung eines Regelungszweckes dient es einem reinen Postulationszweck. Mit Hilfe der Rechtsordnung wird suggeriert, dass aktuellen Krisen mit rechtlichen Mitteln entgegengewirkt werden kann. Dieses Vorgehen kann – wenn überhaupt – nur kurzfristige Effekte zeigen. Die langfristigen Schäden, die ein solches Vorgehen verursacht, können jedoch enorm sein: Unter dem Vorwand oder auch unter Zuhilfenahme der „Beruhigungspille“, dass sich der Gesetzgeber des Problems ja angenommen habe, kann die Suche nach wirklichen Problemlösungen gehemmt werden. Auch ist darüber hinaus eine Gefahr für die Normakzeptanz in der Bevölkerung befürchten. Die Akzeptanz des Rechts könnte generell darunter leiden, wenn dem Normadressaten bewusst wird, dass die ihm auferlegten, lediglich symbolischen Regelungen überhaupt keinen echten oder direkten Beitrag zur Eindämmung der Krise leisten. Hassemer führt als prominentester Kritiker aus, dass die Prävention, die im klassischen Strafrecht lediglich eine flankierende Funktion habe, u. a. beim Umweltstrafrecht zum „beherrschenden Strafparadigma“427 wurde.428 Folglich dürften sich der Gesetzgeber und auch die Rechtsprechung nicht mit einer rein symbolischen Wirkung des Strafrechts zufriedengeben. Da die Umwelt als legitimes Rechtsgut auch im Strafrecht geschützt werden muss429, müssen auch die Ansprüche an instrumentales Recht erfüllt sein, denn eine rein symbolische Wirkung 423 424 425 426 427 428 429

Vgl. Schmehl, in: ZRP 1991, S. 251. Vgl. Raiser, Recht, S. 249. Hassemer, in: ZRP 1992, S. 382. Gänßler, Effektivität des Umweltstrafrechts, S. 13. Hassemer, in: ZRP 1992, S. 380. Vgl. Hassemer, in: ZRP 1992, S. 380. Siehe B.IV.

IV. Prämisse Nr. 2: Legitime Existenz des Umweltstrafrechts

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reicht danach für den Geltungsanspruch einer Norm nicht aus. Das Strafrecht laufe Gefahr, trotz seiner Ultima-Ratio-Funktion zum „soft law, also zum bloßen Mittel gesellschaftlicher Steuerung“430 zu mutieren. Doch stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, wie mit rein symbolischem Recht zu verfahren ist. Kann und soll die tatsächliche Ineffektivität eines Rechtsgebietes dazu führen, dass es aus dem Kanon der im StGB geregelten Tatbestände gänzlich ausscheidet? Hassemer431 bejaht dies vor dem Hintergrund, dass das Umweltstrafrecht neben der seiner Ansicht nach rein pädagogischen Intention einem enormen Effektivitätsdefizit gegenüberstehe.432 Ohne im Rahmen dieser Arbeit vertieft auf die Frage eingehen zu können, wann eine juristische Norm über Effektivität verfügt, soll stellvertretend Raiser433 zitiert werden: Dieser geht losgelöst von juristischen Vorstellungen so vor, dass er für die Existenzberechtigung einer Norm danach fragt, ob sie über eine sog. Verhaltensgeltung verfügt, also ob sie „zum Bestimmungsgrund menschlichen Verhaltens geworden ist“434. Darüber hinaus besitzen Normen auch einen Geltungsanspruch, wenn sie über Sanktionsgeltung verfügen, also wenn sich zwar betroffene Adressaten nicht an die Ge- und Verbote halten, wohl aber an die Sanktionsinstanzen, indem sie den Normbrecher zum normgetreuen Verhalten zwingen oder sein abweichendes Verhalten bestrafen.435 Anders gewendet bedeutet das, dass eine Norm aus soziologischer Sicht dann nicht gilt, wenn sie weder befolgt noch der Normbruch geahndet wird.436 Angesichts der oben dargestellten, im Vergleich zu sonstigen Bereichen des Strafrechts sehr geringen Verurteilungs- bzw. Aburteilungswahrscheinlichkeit des Umweltstrafrechts erscheint die Kritik, die dem Umweltstrafrecht aufgrund seiner ausbleibenden Effektivität seine Existenzberechtigung im Strafrecht versagt, zumindest nachvollziehbar. 2. Existenzberechtigung des Umweltstrafrechts Ob auch das Umweltstrafrecht als rein symbolisches Strafrecht bezeichnet werden muss und ob ihm aus diesem Grund die Existenzberechtigung versagt werden sollte, wird unterschiedlich gesehen. Obwohl eine umfassende Auseinandersetzung mit den sich gegenüberstehenden Meinungen im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen kann, soll sich an die oben kurz zusammengefasste Argumentation gegen die Existenzberechtigung des Umweltstrafrechts eine kurze Ausführung anschließen: 430 431 432 433 434 435 436

Hassemer, in: ZRP 1992, S. 380. Siehe Hassemer, in: ZRP 1992, S. 380. Vgl. Hassemer, in: ZRP 1992, S. 380. Siehe Raiser, Recht, S. 243 ff. Raiser, Recht, S. 245. Vgl. Raiser, Recht, S. 245. Vgl. Raiser, Recht, S. 245.

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Auch ein allein den Zahlen nach ineffektives Umweltstrafrecht kann durchaus gewisse positive Wirkung entfalten. Würde das Umweltstrafrecht tatsächlich – wie von seinen Kritikern gefordert – abgeschafft, so würde nach Ansicht Schalls das „Kind mit dem Bade ausgeschüttet“437. Denn so würde suggeriert, dass das Umweltstrafrecht gänzlich wirkungslos sei, wobei gerade verkannt wird, dass trotz des zu beklagenden Vollzugsdefizits eine generalpräventive Wirkung besteht. Auch Saliger billigt dem Umweltstrafrecht eine „verstärkende, positiv generalpräventive Funktion“438 zu. Folgt man der Argumentation Schalls, hat der Gesetzgeber tatsächlich eines der angestrebten Ziele erreicht: Mit der Implementierung der Vorschriften der §§ 324 ff. in das StGB hat der Gesetzgeber einem in der Bevölkerung schon vorhandenen Bewusstsein der Verantwortung für die Umwelt Rechnung getragen, zugleich aber auch die Umweltsensibilisierung weiter vorangetrieben.439 So stellt auch Triffterer fest, dass der Gesetzgeber mit der Übernahme von Umweltstrafnormen in das StGB das Umweltbewusstsein der Bevölkerung stärken wollte.440 Zwar ist einerseits allgemein anerkannt, dass der Schaffung der §§ 324 ff. StGB zumindest auch ein Präventionsgedanke zugrunde lag, jedoch muss es möglich sein, mit dem Strafrecht im Umweltbereich einen Beitrag zur Normbefolgung zu leisten.441 Auch Achenbach442 äußert sich kritisch über die „Präventionseffizienz“443,444 und betont, dass es für deren Beurteilung keine wirklich validen Maßstäbe gibt. Außerdem offenbart er für die Frage nach der Effektivität, in seinen Ausführungen speziell die des Wirtschaftsstrafrechts, dass es sich dabei um ein „Scheinproblem“445 handle: Schließlich gehe es „in Wahrheit nicht darum, ob die ahndende Sanktion an die Stelle einer materiell-verwaltungsrechtlichen, zivilrechtlichen oder ähnlichen Regel treten soll, sondern zumeist darum, ob sie zu ihr hinzutritt“446. Achenbach formuliert somit die Frage nach Funktion und Ziel des Wirtschaftsstrafrechts genauer, ob nämlich die „zusätzliche Ahndung“447 durch die Mittel des Strafrechts „ein 437

Schall, in: wistra 1992, S. 1. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 3. 439 Vgl. Schall, in: wistra 1992, S. 1; Saliger, Umweltstrafrecht, S. 3. 440 Vgl. Triffterer, in: ZStW 91 (1979), S. 310. 441 Vgl. Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 5. 442 Siehe Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 812. 443 Im Sinne der oben unter A.II. festgelegten Definition müsste die von Achenbach so bezeichnete „Präventionseffizienz“ vorliegend als „Effektivität“ verstanden werden. 444 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 812. 445 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 812. 446 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 812. 447 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 808. 438

IV. Prämisse Nr. 2: Legitime Existenz des Umweltstrafrechts

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Plus an Präventionseffizienz448 mit sich bringt“449. Gerade oder sogar erst recht für das mitumfasste Umweltstrafrecht450 trifft diese Feststellung zu, da sich das Umweltstrafrecht ja aus der zunächst rein verwaltungsrechtlichen Ahndung von Verstößen gegen Verwaltungsnormen entwickelt hat und sich daher bis zu seiner heutigen Fassung durch eine große „Verwaltungsrechts- und auch Verwaltungsaktsakzessorietät“451 auszeichnet. Auch andere Autoren stellen die von Hassemer aufgestellte „Radikalforderung“ in Frage. So führt Gänßler452 in ihrer Betrachtung aus, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 324 ff. StGB in das Kernstrafrecht eben nicht nur eine negative Abschreckung potenzieller Täter erreichen, sondern auch zur „positiven Bewusstseinsbildung der Allgemeinheit“453 beitragen wollte. Primäres Ziel sei es gewesen, die generalpräventive Wirkung der Normen des Umweltschutzes zu stärken. Diese positiv generalpräventive Funktion des Umweltstrafrechts habe sich auch eingestellt.454 Schließlich sei die Umweltsensibilität der Bevölkerung in den letzten Jahren erheblich gestiegen, was u. a. der immer häufigere Boykott von Produkten und Unternehmen zeige, bei denen eine große Umweltbelastung von den Medien aufgedeckt worden sei.455 Trotz aller Kritikwürdigkeit des Umweltstrafrechts würde eine ersatzlose Streichung des Umweltstrafrechts dem Umweltschutz schaden, da dies, wie Gänßler sehr treffend formuliert, einem „kriminalpolitischen Offenbarungseid“456 gleichkäme. Auch wenn die Gegenargumente zu Hassemers Forderung nach einer Abschaffung des Umweltstrafrechts in seiner jetzigen Form hier nur verkürzt und überblicksartig präsentiert wurden, zeigt sich doch, dass auch mit guten Gründen für den Erhalt des Umweltstrafrechts im StGB plädiert werden kann. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Problematik würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grund wird auch in Bezug auf diesen existenziellen Problemkreis des Umweltstrafrechts für diese Arbeit so verfahren, dass trotz des Vollzugsdefizits von seiner Existenzberechtigung auszugehen ist. Dies soll im Folgenden die zweite Prämisse bei der Untersuchung sein.

448 Im Sinne der oben unter A.II. festgelegten Definition müsste die von Busch/Iburg so bezeichnete „Effizienz“ vorliegend als „Effektivität“ verstanden werden. 449 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 808. 450 Vgl. Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 808. 451 Achenbach, in: ZStW 119 (2007), S. 790. 452 Siehe Gänßler, Effektivität des Umweltstrafrechts, S. 27 ff. 453 Gänßler, Effektivität des Umweltstrafrechts, S. 27. 454 Siehe Gänßler, Effektivität des Umweltstrafrechts, S. 28. 455 Siehe Gänßler, Effektivität des Umweltstrafrechts, S. 28. 456 Gänßler, Effektivität des Umweltstrafrechts, S. 29.

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

V. Zurechnung als Anknüpfungspunkt für die Ineffektivität Die empirischen Daten belegen die von vielen kritischen Stimmen457 geäußerte Befürchtung, dass die Durchschlagskraft des Umweltstrafrechts weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Da jedoch – wie festgestellt wurde – das Umweltstrafrecht schon aus dogmatischen Gründen nicht einfach zum Symbolstrafrecht verkommen darf oder soll458, ist auch nach den Gründen für diese Fehlentwicklung zu fragen. Ebenso breit gefächert wie die Stimmen, die eine mangelnde Effektivität des Umweltstrafrechts beklagen, sind die Gründe des Problems. Häufig aufgeführt werden hierbei die Verwaltungsrechtsakzessorietät und die mangelnde Strafbarkeit von Amtsträgern oder von juristischen Personen generell. Tatsächlich mögen auch hierin gewichtige Gründe für die geringe Durchschlagskraft des Umweltstrafrechts liegen. Die folgende Untersuchung fokussiert jedoch einen anderen Aspekt und beschäftigt sich mit der Zurechnung als einer der Schwachstellen des Umweltstrafrechts. 1. Definition der Zurechnung Die Zurechnung setzt sich zusammen aus der Lehre über den Kausalzusammenhang und den übrigen Zurechnungsvoraussetzungen.459 Dabei beschäftigt sich der Kausalzusammenhang mit der Frage, ob das Handeln eines bestimmten Menschen die „Ursache“ für einen rechtlich relevanten Erfolg ist.460 Die „Zurechnung zum objektiven Tatbestand“ hat dann die Aufgabe, „die Umstände anzugeben, die aus einer Verursachung eine Tatbestandshandlung machen“461. Dieser generellen Einteilung folgt auch Saliger, indem er einerseits die Verursachung als die Feststellbarkeit des Kausalzusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg und andererseits die objektive Zurechnung des Erfolgs unterscheidet.462,463 457

Siehe dazu etwa Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 60; Hassemer, in: ZRP 1992, S. 378 ff.; Rotsch, in: wistra 1999, S. 321 ff. sowie B.II.2.b)bb). 458 Siehe B.IV.1. 459 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 2. 460 Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 4. 461 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 46. 462 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 105. 463 Diese Aufteilung wird in dieser Arbeit erst in einem zweiten Schritt relevant. Daher wird vorerst noch nicht zwischen den genannten Kategorien unterschieden, sondern zunächst noch der Begriff der Zurechnung als ein Überbegriff für den Zusammenhang von schädigender Handlung und geschädigtem Rechtsgut verstanden. Das bedeutet, dass die untersuchte Zurechnung nicht lediglich den Bereich der objektiven Zurechnung im Sinne des klassischen strafrechtlichen Verbrechensaufbaus betreffen soll, sondern in einer weitergehenden Betrachtung auch die Frage der Kausalität umfasst. Diese Unterscheidung ist sinnvoll, wird aber in dieser Arbeit erst in einem zweiten Schritt relevant. Deshalb wird vorerst noch nicht in den

V. Zurechnung als Anknüpfungspunkt für die Ineffektivität

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2. Aspekte der Zurechnung im Umweltstrafrecht Durch die Einbettung in das Strafrecht hat das Umweltstrafrecht neue Unsicherheiten im Bereich der Zurechnung geschaffen. Diese gliedern sich in mehrere Problemkreise: Da im Umweltstrafrecht typischerweise Unternehmen an den einzelnen Umweltschädigungen beteiligt sind, betrifft ein Zurechnungsaspekt die individuelle Zurechnung einer Umweltstraftat zu einer Einzelperson innerhalb eines arbeitsteilig organisierten Unternehmens. Es geht also um die Frage, welcher Einzelperson innerhalb eines Unternehmens, aus dem heraus die Umweltstraftat erfolgt ist, die Schädigung zugerechnet werden kann. Zudem betrifft sie die Problematik, die sich noch vor Herstellung eines Zusammenhangs zwischen einem Unternehmen und einer Umweltschädigung stellt: nämlich die für das Umweltstrafrecht typischen Sachverhalte, in denen mehrere Schädiger gemeinsam für den letztendlich eingetretenen Schaden verantwortlich sind. Auch aus diesem Nebeneinander vieler Schädiger entstehen Schwierigkeiten für die Beurteilung der Zurechenbarkeit. Da diese Problematik unabhängig bzw. noch außerhalb des Unternehmens eintritt, soll sie im Folgenden als außerbetriebliche (im Gegensatz zur oben dargestellten innerbetrieblichen) Zurechnungsproblematik bezeichnet werden. a) Die Zurechnungsproblematik aufgrund von Unternehmensbeteiligung Diese setzt bei der Frage an, wie und ob überhaupt die schädigende Handlung einer Einzelperson zugerechnet werden kann. Wie bereits dargestellt464, zeichnet sich das Strafrecht dadurch aus, dass es stets Individualpersonen für ihre Handlungen verantwortlich macht und gerade nicht ein der natürlichen Person vorgeschaltetes Konstrukt. Im konkreten Fall der Umweltdelikte spitzt sich diese Frage fast wie selbstverständlich auf die Straftaten zu, die aus arbeitsteilig organisierten Unternehmen heraus begangen werden. Grundsätzlich hat das Umweltstrafrecht dabei sehr viele Zurechnungsprobleme, die typisch für das Wirtschaftsstrafrecht sind. Dies ist wenig überraschend, da die größten Umweltschäden gerade durch Unternehmen verursacht werden.465 Abgesehen davon, dass einfachere, leichter erkennbare Delikte problemloser aufgeklärt werden können als die schwereren Taten mit komplizierter Tat- oder Täterstruktur, spielt bei diesem Defizit auch eine Rolle, dass das Strafrecht mit seinem Prinzip der Kategorien Saligers unterschieden, sondern zunächst noch der Begriff der Zurechnung als ein Überbegriff für den Zusammenhang von schädigender Handlung und geschädigtem Rechtsgut verstanden. 464 Siehe dazu B.I.2.a)aa) sowie Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64; ders./Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, S. 89. 465 Vgl. Krusche, in: ZRP 1985, S. 304: Industrie als „Umweltverschmutzer Nr. 1“.

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B. Umweltschutz durch Strafrecht

individuellen Schuldzuweisung466 in einem arbeitsteilig organisierten Betrieb an Grenzen stößt. Erschwert durch die Undurchsichtigkeit betriebsinterner Vorgänge ergeben sich für Außenstehende sowohl Beweis- als auch Zurechnungsprobleme im rechtlichen Bereich.467 Dieses Phänomen wurde von Schünemann als „organisierte Unverantwortlichkeit“468 bezeichnet. Der Begriff soll veranschaulichen, dass die Zuschreibung von Verantwortung bzw. der Nachweis eines Verschuldens durch bewusste Verschleierung oder Aufteilung der Verantwortung absichtlich verhindert oder erschwert wird.469 Die Entscheidungsmechanismen werden durch die Unternehmensorganisation planvoll so gestaltet, dass es für die Strafverfolgungsbehörden nahezu unmöglich wird, sich in dem komplizierten Geäst von Ausführung und Verantwortung zurechtzufinden. So kann die Verurteilungswahrscheinlichkeit minimiert werden. b) Zurechnungsproblematik unabhängig von der Unternehmensbeteiligung Jedoch darf an dieser Stelle die Zurechnungsproblematik des Umweltstrafrechts nicht verengt betrachtet werden, da dies die wahren Ausmaße des Problems verschleiern würde. Es ist im Umweltstrafrecht gerade nicht lediglich der innerbetriebliche Bereich der Zurechnung, der den Grund für das Vollzugsdefizit des Umweltstrafrechts darstellt. Tatsächlich ergeben sich exklusiv für das Umweltstrafrecht weiterreichende Zurechnungshindernisse, die nicht nur die Organisation innerhalb eines Unternehmens betreffen, sondern gerade auch außerhalb von ihm auftreten. Das Umweltstrafrecht offenbart hier die typischen Zurechnungsschwierigkeiten des Wirtschaftsstrafrechts470, genauer gesagt des Produktstrafrechts oder der Produktverantwortlichkeit471. Selbstverständlich ist diese Zuordnung auch für den Teil der innerbetrieblichen Zurechnungsproblematik korrekt. Dies darf aber keinesfalls zu der Annahme verleiten, die Zurechnungsschwierigkeiten des Umweltstrafrechts ließen sich durch die diesbezüglichen Mechanismen des Wirtschaftsstrafrechts gänzlich lösen. Diese bieten lediglich Lösungsmöglichkeiten für einen Teil der Zurechnungsschwierigkeiten, die im Umweltstrafrecht auftreten und bei denen aufgrund ihrer gleichen Begehungsstruktur auch die gleichen Lösungsmöglichkeiten wie im Wirtschaftsstrafrecht wirksam sind. Der Teil der Zurechnung, der die Frage der individuellen Verantwortung innerhalb eines Betriebes betrifft, bietet speziell für das Umweltstrafrecht keine besonderen Hindernisse. Eher das Gegenteil ist der Fall: Da das Umweltstrafrecht über eine große Anzahl von Ge466

Siehe dazu weiterführend Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 105. Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 165. 468 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 34, siehe dazu auch: Busch, Unternehmen und Umweltstrafrecht, S. 29; Gebhard, Unternehmensangehörige, S. 10; kritisch zu diesem Begriff: Alexander, Verantwortlichkeit, S. 3. 469 Vgl. Busch, Unternehmen und Umweltstrafrecht, S. 29. 470 Vgl. dazu: Saliger, Umweltstrafrecht, S. 4. 471 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 56; auch in der Schlussforderung S. 165. 467

VI. Außerbetriebliche Zurechnungsproblematik und Rechtsgut der Umweltdelikte

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fährdungsdelikten verfügt, könnte es in mancherlei Hinsicht sogar einfacher erscheinen, die innerbetriebliche Zurechnung strafrechtlich nachzuvollziehen.472 Schließlich wird durch die vorverlagerte Strafbarkeit der Gefährdungsdelikte eine größere Anzahl an möglichen Handlungen eingeschlossen, die die Gefährdungssituation letztlich herbeigeführt hat. Folglich ist die im Umweltstrafrecht auftretende und die Effektivität dieser Normen stark beeinflussende Problematik bei Fragen der Zurechnung nicht allein darauf zurückzuführen, dass es sich um Delikte handelt, die in großer Zahl aus Unternehmen heraus realisiert werden. Letztendlich lässt sich feststellen, dass das Wirtschaftsstrafrecht sich auf die Lösung der Zurechnungsschwierigkeiten konzentriert, die innerhalb des Unternehmens auftreten, aus dem die Straftat heraus begangen wurde. In diesem Bereich stellen sie auch Lösungsmöglichkeiten für Sachverhalte dar, wie sie aus dem Umweltstrafrecht bekannt sind. Allerdings kommen beim Umweltstrafrecht weitergehende, über die typisch wirtschaftsstrafrechtlichen Zurechnungsschwierigkeiten hinausgehende Hindernisse im Bereich der Zurechnung hinzu. Dies ist eine weitere Besonderheit des Umweltstrafrechts, sodass ein alleiniges Abstellen auf die Lösungswege im Wirtschaftsstrafrecht aufgrund der eigenständigen Besonderheiten des Umweltstrafrechts nicht weiterführen kann.

VI. These: Zusammenhang zwischen außerbetrieblicher Zurechnungsproblematik und dem Rechtsgut der Umweltdelikte Die Untersuchung der Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht soll sich im Folgenden auf die umwelttrafrechtstypischen Zurechnungshindernisse beschränken. Dazu werden zwei Thesen aufgestellt: zum einen die Abhängigkeit der innerbetrieblichen von der außerbetrieblichen Zurechnungsproblematik (1.) und zum anderen der Einfluss des speziellen Rechtsgutes auf die Zurechnung (2.). 1. Abhängigkeit der innerbetrieblichen von der außerbetrieblichen Zurechnung Es bleibt festzuhalten, dass sich die Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht, die aus der Begehung aus einem Unternehmen heraus folgt, nicht von ähnlichen Konstellationen aus dem Bereich der Unternehmenskriminalität473 unterscheidet. 472

Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102, Rn. 224. Der Begriff der Unternehmenskriminalität wird hier i. S. d. Darstellung bei Schünemann (in: Schünemann, Unternehmenskriminalität) verwendet als Kriminalität, die aus einem Unternehmen heraus begangen wird. Handelnde bei diesen Delikten sind die Mitarbeiter des Unternehmens, die dabei im Sinne des Unternehmens und für dieses tätig werden. 473

78

B. Umweltschutz durch Strafrecht

Sicherlich ist es angesichts der großen Effektivitätsproblematik im Bereich der Unternehmensdelinquenz eine legitime Forderung, weiterhin an Lösungsansätzen dafür zu arbeiten, das Problem der Nichtgreifbarkeit der juristischen Person im deutschen Recht zu bewältigen. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine Verbesserung der Zurechnungsproblematik auf dieser innerbetrieblichen Ebene bereits eine Verbesserung speziell für das Umweltstrafrecht zur Folge hätte. Bei der Suche nach den Problemen der Zurechnung im Umweltstrafrecht darf nicht vergessen werden, dass im Umweltstrafrecht neben der innerbetrieblichen Zurechnungsproblematik noch ein dem vorangestelltes „außerbetriebliches“ Zurechnungsproblem existiert.474 In den Fällen, in denen Unternehmen für eine Umweltschädigung verantwortlich sind, ist für eine strafrechtliche Verurteilung jedenfalls erst das Unternehmen auszumachen, aus dem heraus die Umweltverschmutzung begangen wurde, um danach innerhalb dieses Unternehmens ermitteln zu können, welche Einzelperson sich wie individuell strafbar gemacht hat. Erst wenn die Zurechnungshindernisse, die bei der Frage nach der Zurechnung zu einem Unternehmen auftauchen, gelöst sind, stellt sich überhaupt das aus der Unternehmenskriminalität475 wohlbekannte Problem, wie diese Rechtsgutsschädigung der verantwortlichen Einzelperson bzw. den verantwortlichen Einzelpersonen innerhalb des fraglichen Unternehmens zugerechnet werden kann. Wenn schon die Zurechnung zu dem Unternehmen scheitert, kann auch keine Zurechnung zu einer innerhalb dieses fraglichen Unternehmens beschäftigten Person erfolgen. Der eine Schritt der Zurechnung – derjenige der innerbetrieblichen Zurechnung zu einer Einzelperson – kann nicht ohne den anderen Schritt – den der außerbetrieblichen Zurechnung zu einem Unternehmen – stattfinden. Diese Arbeit geht von einer Abhängigkeit der innerbetrieblichen Zurechnungsproblematik von der außerbetrieblichen Zurechnungsproblematik aus: Nur wenn die außerbetriebliche Zurechnung geklärt ist, kann eine innerbetriebliche Zurechnung erfolgen. 474 Für diese These könnte auch die Darstellung Heines (Heine, in: ZUR 1995, S. 63, 64) sprechen. Auch er differenziert bei der Analyse der Fallzahlen nach aufgeklärten Fällen und den letztendlich tatsächlich abgeurteilten Fällen. Dabei meint er mit Ersterem die Fälle, bei denen zumindest feststeht, woher die Schädigung stammt – also bei Straftaten mit Unternehmensbeteiligung etwa auch, aus welchem Unternehmen die Umweltverschmutzung stammt. Abgeurteilt ist seiner Darstellung nach ein Fall dann, wenn eine individuelle Person verurteilt werden konnte (siehe auch B.I.3.a)). Diese Unterteilung kann auch als ein Hinweis auf eine Unterscheidung zwischen der außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Zurechnung verstanden werden. Denknotwendig ist in seiner Darstellung die Anzahl der abgeurteilten Fälle noch geringer als die – sowieso schon niedrige Anzahl – der als aufgeklärt geltenden Fälle. Zu den Fragestellungen, die seine Unterscheidung insbesondere bezüglich des Begriffs der aufgeklärten Fälle, wie sie die Polizeilichen Kriminalstatistiken definieren, aufwirft, siehe ebenfalls näher unter B.I.3.a). 475 Der Begriff „Unternehmenskriminalität“ wird hier i. S. d. Darstellung bei Schünemann (in: Schünemann, Unternehmenskriminalität) verwendet, also als Kriminalität, die aus einem Unternehmen heraus begangen wird. Handelnde bei diesen Delikten sind die Mitarbeiter des Unternehmens, die dabei im Sinne des Unternehmens und für dieses tätig werden, siehe bereits oben.

VI. Außerbetriebliche Zurechnungsproblematik und Rechtsgut der Umweltdelikte

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Aus diesen Überlegungen heraus ergibt sich für das Umweltstrafrecht eine ihm eigene Zurechnungsschwierigkeit: Hier ergibt sich zusätzlich zu der typisch wirtschaftsstrafrechtlichen Zurechnungsproblematik die Notwendigkeit, zunächst einmal eine bestimmte Rechtsgutsschädigung einem bestimmten Unternehmen „zuzurechnen“. Dieser Aspekt der außerbetrieblichen Zurechnung soll ein Thema der folgenden Betrachtung sein. 2. Außerbetriebliche Zurechnungsprobleme unter Beachtung des speziellen Rechtsgutes der Umweltdelikte Nach der Fokussierung auf den Teilbereich der Zurechnung, die speziell im Umweltstrafrecht auftritt, muss die Untersuchung nun der Frage nachgehen, warum sich speziell das Umweltstrafrecht durch diese außerbetriebliche Zurechnungsproblematik auszeichnet. Welche spezielle Eigenheit des Umweltstrafrechts führt dazu, dass in diesem Bereich des Strafrechts bereits der Teil der Zurechnung problematisch ist, der eine Verbindung zwischen geschädigtem Rechtsgut und schädigender Handlung herstellt? Eine der größten Besonderheiten des Umweltstrafrechts ist sein Rechtsgut. Wie oben476 dargestellt grenzt sich das Rechtsgut Umwelt in vielen Aspekten von typischen Rechtsgütern des Strafrechts ab. Insofern soll auch das Rechtsgut der Umweltdelikte der Anknüpfungspunkt für die weitere Untersuchung der außerbetrieblichen Zurechnungsproblematik sein. Tatsächlich stellt das geschützte Rechtsgut, die Umwelt, ein so vages, unklares und großflächiges477 Rechtsgut dar, dass die Vermutung naheliegt, dass es innerhalb der Frage nach dem Zusammenhang zwischen einer Handlung und einer Schädigung an der Umwelt das schwer greifbare Rechtsgut sein könnte, das dabei für Unsicherheiten sorgt. Die eben dargestellten Zurechnungsschwierigkeiten aus dem außerbetrieblichen Bereich sind nach dieser Vermutung auf die Eigenheiten des Rechtsgutes der Umweltdelikte zurückzuführen.

476 477

Siehe B.II. Vgl. Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 1.

C. Zurechnungsproblematik in Zusammenhang mit der Umwelt als öffentlichem Gut In Abgrenzung zur innerbetrieblichen Zurechnungsproblematik sind nunmehr die außerbetrieblichen Faktoren im Fokus der Untersuchung, die für die Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht verantwortlich sein könnten. In diesem Zusammenhang soll der Faktor des besonderen Rechtsgutes des Umweltstrafrechts betrachtet werden. Zu diesem Zweck müssen die Besonderheiten dieses Rechtsgutes noch klarer herausgestellt werden. Denn das Rechtsgut lediglich als zu „weit“ oder zu „vage“ darzustellen reicht bei der Frage danach, ob die Eigenheiten des Rechtsgutes sich auch auf die außerbetriebliche Zurechnung auswirken, nicht aus. Auch seine Eigenschaft als Kollektivrechtsgut1 beschreibt die Dimension des Rechtsgutes nicht abschließend. So geht Saliger zu Beginn seiner Ausführungen in einem Vergleich zum Wirtschaftsstrafrecht auf das spezielle Rechtsgut der Umweltdelikte und deren Einfluss auf die Täter-Opfer-Beziehung ein: Diese sei bei massenhafter Begehungsweise „ausgedünnt“ bzw. „entindividualisiert“, sodass „zum einen das Rechtsgut Umwelt ,opferlos‘ erscheint, und zum anderen bei schweren Umweltdelikten mit großen Schäden für Umwelt und Menschen eine anonyme Vielzahl von Opfern auftritt“2. Um diesen Aspekt weiter zu beleuchten, muss eine weitere Differenzierung in der Abgrenzung zum Großteil der im Strafrecht geschützten Rechtsgüter erfolgen.

I. Vergleich des Rechtsgutes Umwelt mit seiner Einordnung in der Volkswirtschaftslehre Um die augenscheinlichste Besonderheit des Rechtsgutes Umwelt im Gegensatz zu den meisten und insbesondere zu den „klassischen“ Rechtsgütern zu beschreiben, eignet sich ein Vergleich mit Begriffen aus der Volkswirtschaftslehre: Der dort verwendete Begriff bzw. die dort existierende Theorie der öffentlichen Güter3 wird uns im Folgenden behilflich sein, die weitergehende Besonderheit des Rechtsgutes der Umweltdelikte offenzulegen. Denn die Umwelt bzw. die Reinheit der Umwelt stellt ein typisches öffentliches Gut dar.4 Aus dieser Paralleleinordnung der Umwelt als öffentliches Gut in der Volkswirtschaftslehre einerseits und als Rechtsgut in 1

Siehe B.II. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 6. 3 Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 366. 4 Vgl. Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 24; Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 108. 2

I. Vergleich Rechtsgut Umwelt mit Einordnung in der Volkswirtschaftslehre

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strafrechtlicher Hinsicht andererseits lassen sich möglicherweise weitergehende Erkenntnisse über relevante Eigenschaften des Rechtsgutes Umwelt gewinnen. Die öffentlichen Güter, wie sie in der Makroökonomie auftauchen, bilden dort die wohl wichtigste Teilmenge der – nicht mit den juristischen Begrifflichkeiten bei den Kollektivrechtsgütern zu verwechselnden – Kollektivgüter.5 Der Überbegriff der Kollektivgüter lässt sich dabei vom Individualgut6 oder privaten Gut7 abgrenzen bzw. stellt sein genaues Gegenstück dar: Während das Individualgut nur von einer Person genutzt und aufgebraucht werden kann, kann ein gemeinschaftliches oder eben Kollektivgut von einer Vielzahl von Menschen gleichzeitig genutzt werden.8 Das öffentliche Gut als Teilmenge der Kollektivgüter zeichnet sich neben den für Kollektivgüter typischen Eigenschaften durch zusätzliche Merkmale aus9 und wird in der Volkswirtschaftslehre durch zwei Aspekte definiert: Zum einen besteht im Gegensatz zum Individualgut keine sog. „Rivalität im Konsum“10 und zum anderen existiert bei öffentlichen Gütern kein „Ausschlussprinzip“11. 1. Vergleich der Nutznießer im volkswirtschaftlichen bzw. der Schädiger im juristischen Sinn Zunächst soll dazu das Kriterium betrachtet werden, welches die Nutzer des öffentlichen Gutes einerseits und die Schädiger des Rechtsgutes der Umwelt andererseits bezeichnet: Das Kriterium der Nicht-Rivalität im Konsum bezeichnet den Umstand, dass der Konsum nicht auf einen bestimmten Konsumenten begrenzt ist und somit niemand um den Konsum rivalisiert bzw. rivalisieren muss.12 Der Nutzen des Gutes ist damit „externalisiert“13 – er kommt anderen Individuen ebenfalls zugute, „ohne dass dadurch der Nutzen eines anderen beeinträchtigt wird“14. Im Gegensatz dazu besteht bei privaten Gütern eine Rivalität im Konsum, da der Konsum und im Folgenden auch der Nutzen eines Gutes auf einen bestimmten Konsumenten begrenzt ist.15 5

Vgl. Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 108. Vgl. Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 108. 7 Vgl. Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. 8 Vgl. Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 105. 9 Vgl. Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 108. 10 Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 105: Die Nutzung durch eine Vielzahl von Menschen ist möglich, „ohne das der Genuss des Einen den Genuss des Anderen verhindert oder auch nur beeinträchtigt“. 11 Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. 12 Vgl. Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. 13 Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. 14 Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. 15 Vgl. Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. 6

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Olson sieht die „Unteilbarkeit“ des Gutes als eine der möglichen Voraussetzungen für das öffentliche Gut16, wobei vorausgeschickt werden soll, dass er für jedes ökologische System „Unteilbarkeit“ annimmt.17 Ein öffentliches Gut ist dabei eines, „von dem niemand ausgeschlossen werden kann“18 und bei dem es nicht möglich ist, „den Konsum auf bestimmte Güter zu verteilen bzw. zu beschränken“19. Diese volkswirtschaftlichen Überlegungen zur Eigenschaft des öffentlichen Gutes der Umwelt sollen im Folgenden auf das Rechtsgut der Umwelt übertragen werden: Das Charakteristikum der Nicht-Rivalität der öffentlichen Güter im volkswirtschaftlichen Verständnis lässt sich inhaltlich durchaus auf das juristische Verständnis von Rechtsgütern übertragen. Wird das volkswirtschaftliche „Gut“, welches sich durch den Konsum definiert, ersetzt durch das strafrechtliche „Rechtsgut“, ergibt sich für das Kriterium der NichtRivalität Folgendes: Das Rechtsgut wird und kann zur gleichen Zeit von verschiedenen Individuen geschädigt werden. Es besteht also parallel zur kollektiven Nutzung des öffentlichen Gutes im volkswirtschaftlichen Sinn eine kollektive Schädigung. Diese Vielzahl von Schädigern kann bzw. soll in der weiteren Betrachtung im strafrechtlichen Verständnis als kumulative Schädigung übersetzt bzw. verstanden werden. Schließlich ist es Folge der Mehrheit der Schädiger, dass es zu einer kumulierten Schädigung am Rechtsgut kommt. Die Zurechnungsproblematik hinsichtlich dieses Aspektes des Rechtsgutes der Umweltdelikte wird in Kapitel III. untersucht. 2. Vergleich der Inhaber der Nutzungsmöglichkeiten im volkswirtschaftlichen bzw. der Geschädigten im juristischen Sinn Im volkswirtschaftlichen Sinne wird bei der Zuordnung von Gütern zu einem Individuum oder zur Öffentlichkeit mit dem sog. Ausschlussprinzip gearbeitet. Private Güter sind dem Ausschlussprinzip unterworfen, für das öffentliche Gut besteht kein Ausschlussprinzip. Ein Ausschluss anderer von Nutzungen ist also gerade nicht möglich.20 Um das Ausschlussprinzip der privaten Güter gewährleisten zu können, bestehen an ihnen Eigentumsrechte – der Austausch der privaten Güter und ihrer ausschließlichen Nutzungen geschieht demzufolge durch Übertragung von Eigentumsrechten21, was aber bedeutet, dass „Konsumenten ohne Zahlungsbereitschaft für ein Gut automatisch vom Konsum ausgeschlossen werden“22. 16 17 18 19 20 21 22

Siehe Olson, Ökonomie, S. 251. Siehe Olson, Ökonomie, S. 251. Olson, Ökonomie, S. 249. Olson, Ökonomie, S. 249. Vgl. Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 108. Vgl. Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388.

I. Vergleich Rechtsgut Umwelt mit Einordnung in der Volkswirtschaftslehre

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Bei öffentlichen Gütern besteht diese ausschließliche Zuordnungsmöglichkeit über die Eigentumsrechte nicht bzw. wird ein Austausch der Nutzungsmöglichkeiten nicht durch eine Übertragung von Eigentumspositionen vorgenommen: Schließlich können Konsumenten – etwa auch ohne tatsächlich geleistete Zahlungen – nicht vom Konsum ausgeschlossen werden.23 Der Ausschluss Einzelner ist nicht möglich, da „Eigentumsrechte nicht – oder nur mit sehr hohen Kosten – ermittelt werden können“24. Dem Kriterium der Nicht-Ausschließbarkeit Einzelner von Nutzungen des öffentlichen Gutes liegt also die Eigenschaft der öffentlichen Güter zugrunde, dass sie keiner Person durch Eigentumsrechte ausschließlich zugeordnet werden können. Die Nutzungsmöglichkeit besteht uneingeschränkt für die Allgemeinheit und es ist einem Eigentumsinhaber nicht möglich, andere von der Nutzung des öffentlichen Gutes auszuschließen. Olsen beschreibt diesen Umstand, indem er feststellt, dass zwar nicht „alle ökologischen Probleme globaler Natur sind“, aber „normalerweise doch ganze Regionen oder Landschaften“25 betreffen. Olson geht im Weiteren von einer (unteilbaren) Einheit von Geschädigten aus. Bei Umweltverschmutzungen betreffe diese „für gewöhnlich das Gesamtgebiet einer Wasser- oder Luftscheide, das zumindest die Größe einer Weltstadt hat“26, und „bei weltweiten Problemen wie der Zerstörung der Ozonschicht oder dem Treibhauseffekt gibt es in jedem Beobachtungszeitraum überhaupt nur eine Einheit zu beobachten“27. In beiden Fällen ist also Geschädigter nicht etwa eine Einzelperson, sondern eine „Einheit“ von vielen Personen – sei es nun eine Gruppe von mehreren Millionen Menschen im ersten Fall oder die gesamte Menschheit im zweiten Fall. Olsen stellt einen Zusammenhang zwischen dieser Feststellung und der Problematik, einzelne Personen als Schädiger auszumachen, her. Wiederum wird an den zuvor besprochenen Zusammenhang zwischen der Vielzahl der Nutznießer im volkswirtschaftlichen Sinne und der Vielzahl der Schädiger im juristischen Sinne angeknüpft.28 Denn im Weiteren erklärt sich Olsen so auch die Schwierigkeit, „Einzelpersonen oder Unternehmen im Gesamtgebiet einer Wasser- oder Luftscheide erhebliche Lasten aufzuerlegen“29, um gerade nicht die „Lebensfähigkeit eines ganzen Ökosystems zu beeinflussen“30. Auffällig ist hier, dass auch Olsen von der Parallelität von 23 24 25 26 27 28 29 30

Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 388. Olson, Ökonomie, S. 252. Olson, Ökonomie, S. 252. Olson, Ökonomie, S. 252. Siehe C.I.1. Olson, Ökonomie, S. 252. Olson, Ökonomie, S. 252.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Schädigern und Nutznießern ausgeht. Denn seine Aussage muss so verstanden werden, dass eine Vielzahl von Menschen die Umwelt in Anspruch nimmt, es aber schwierig erscheint, einzelne Personen oder Unternehmen herauszugreifen und für die Schädigung an der Umwelt zur Verantwortung zu ziehen. Daran zeigt sich, dass auch er von einem Gleichlauf von „massenhafter Nutzung“ und „Schädigung durch die Massen“ ausgeht. Dies lässt sich auf die juristische Ebene übersetzen, indem von „kollektiver Nutzung“ und der „Schädigung durch das Kollektiv“ ausgegangen wird. Die Umwelt bzw. in einem abstrakteren Verständnis die unbelastete Umwelt als typisches öffentliches Gut im volkswirtschaftlichen Sinne31 zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, dass gerade nicht Konsumenten – etwa über Eigentumsrechte – von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden können. Auch dieser Aspekt der „Nicht-Ausschließbarkeit anderer von der Nutzung“, der eine Folge der unzureichenden Zuweisung von Eigentumsrechten am öffentlichen Gut ist, soll im Folgenden auf das Rechtsgut der Umweltdelikte übertragen werden. Zurückübersetzt in die juristische Terminologie ließe sich diese Eigenschaft unter Zuhilfenahme der hinter dem Prinzip der Ausschließbarkeit stehenden Beurteilung der Umwelt als „kollektives Rechtsgut“ beschreiben. Denn auch der Charakter der Umwelt als kollektives Rechtsgut trägt dem Umstand Rechnung, dass sie keiner Einzelperson zugeordnet wird, die im volkswirtschaftlichen Sinne einerseits andere von der Nutzung ausschließen kann und andererseits im strafrechtlichen Sinne als Geschädigter aus einer Verletzung des Rechtsgutes hervorgeht. Die Unmöglichkeit der Definition von Eigentumsrechten bzw. die Zuordnung von ausschließlichen Nutzungsmöglichkeiten und die damit einhergehende Nichtanwendung des volkswirtschaftlichen Ausschlussprinzips soll als Anknüpfungspunkt für eine parallele Wertung im strafrechtlichen Bereich dienen, sodass sich Folgendes ergibt: Das Rechtsgut der Umweltdelikte ist ein Rechtsgut, welches nicht einer bestimmten Einzelperson zuzuordnen ist, die dann bei einer Beeinträchtigung des Rechtsgutes als geschädigt zu betrachten ist. Zugeordnet wird das Rechtsgut der Allgemeinheit, welche auch im volkswirtschaftlichen Sinne als Nutznießerin des Rechtsguts fungiert. Geschädigt ist folglich bei einer Verletzung dieses Rechtsgutes die Allgemeinheit, da sie nun gegebenenfalls nicht mehr im volkswirtschaftlichen Sinne den gleichen Nutzen wie zuvor aus dem Rechtsgut ziehen kann. Die Identität der Gemeinschaft, die im volkswirtschaftlichen Sinne Nutzungen aus dem öffentlichen Gut der Umwelt zieht und die geschädigt wird, wenn dieses Rechtsgut verletzt wird, rechtfertigt die Parallelwertung des Kriteriums der Nicht-Ausschließbarkeit und der Eigenschaft als Kollektivrechtsgut im strafrechtlichen Sinne. Bei der folgenden Untersuchung der Zurechnungsproblematik im Zusammenhang mit dem Rechtsgut der Umweltdelikte soll der Aspekt des Kollektivs als Geschädigtem im Kapitel II. beleuchtet werden. 31 Siehe dazu weiterführend etwa Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, S. 24; Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 108.

II. Eigenschaft als kollektives Rechtsgut

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II. Zurechnungsproblematik aufgrund der Eigenschaft als kollektives Rechtsgut Nicht nur innerhalb der dogmatischen Diskussion um die befürchtete Ausdehnung des Rechtsgutsbegriffs spielt die Eigenschaft der Umwelt als Kollektivrechtsgut32 eine entscheidende Rolle. Auch für die praktische Arbeit ist die Tatsache, dass Träger des Rechtsgutes die Allgemeinheit ist, von Bedeutung. Hohmann stellt bereits eingangs in seiner Untersuchung fest, dass es sich bei dieser Unterscheidung „nicht bloß um eine belanglose akademische Streitfrage handle“33, der in der praktischen Umsetzung keine Konsequenzen zugesprochen würden.34 Während Hohmann dabei jedoch an die Frage denkt, ob eine Person und wenn ja, welche in eine Verletzung des Kollektivrechtsgutes rechtswirksam einwilligen kann35, wer befugt ist, sich gegen den Angriff auf ein (sein) Rechtsgut zu verteidigen, oder wer prozessrechtlich als Verletzter zu bezeichnen ist36, soll im Folgenden der Frage auf den Grund gegangen werden, ob und inwiefern die Kollektivität des Rechtsgutes auch einen Einfluss auf die Zurechnung im Bereich des Umweltstrafrechts hat. Es gilt zu klären, ob möglicherweise ein Grund für die Zurechnungsschwierigkeiten im Umweltstrafrecht die Tatsache ist, dass der Rechtsgutsträger des Rechtsgutes Umwelt das Kollektiv ist, bzw. wieder rückübertragen auf die volkswirtschaftliche Sichtweise dem öffentlichen Gut Umwelt eine „unzureichende Zuweisung von Eigentumsrechten“37 anhaftet.

32

Siehe dazu B.II.2.b)bb). Hohmann, Rechtsgut, S. 58. 34 Vgl. Hohmann, Rechtsgut, S. 58. 35 Exkurs: Diese Problematik stellt sich auch für den Aspekt der Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht: Durch das im Umweltstrafrecht Anwendung findende Tatbestandsmerkmal der unbefugten Rechtsgutsschädigung ist es im Falle der Umweltschädigung als befugter Rechtsgutsschädigung letztendlich die Verwaltung, die durch Genehmigung bzw. Erlaubnis in die Verletzung eines Rechtsgutes einwilligt. Schließlich bleibt auch trotz Bewilligung durch die Verwaltung und somit Ausschluss der Strafbarkeit eine Umweltschädigung bestehen. Schlussendlich stellt sich jedoch die Frage, ob es überhaupt möglich sein kann, dass die Verwaltung in die Verletzung eines Kollektivrechtsguts einwilligt, was letztlich dazu führt, dass die Umweltschädigung den Tatbestand nicht erfüllt und somit eine Strafbarkeit verhindert. Siehe dazu etwa Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 126. 36 Vgl. Hohmann, Rechtsgut, S. 58. 37 Siehe C. 33

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

1. Abstrakte Gefährdungsdelikte als Reaktion auf die Unschärfe des Rechtsgutes Ein Aspekt der kollektiven Rechtsgüter, der möglicherweise einen Einfluss auf die Zurechnung hat, ist ihre oft kritisierte Unschärfe.38 Bereits viel zitiert ist die Befürchtung innerhalb der Literatur, dass sich das Rechtsgut Umwelt durch eine nicht ausreichende Präzisierung auszeichne, die eine „Verflüssigung“39 oder „Vergeistigung“40 des Rechtsgutsbegriffs zur Folge haben könne. Auch die Ausführungen über die Entmaterialisierungstendenzen bei den überindividuellen Rechtsgütern greifen diese Eigenschaft der kollektiven Delikte und teilweise auch speziell der Umweltdelikte auf.41 Ohne jeden Zweifel muss das Rechtsgut der Umweltdelikte als äußerst schwer greifbar bezeichnet werden. Allein die Diskussionen über das Rechtsgut der Umweltdelikte sind Beleg für die großen Zweifel darüber, was genau das Rechtsgut umfasst und was nicht. Hohmann stellt bezüglich der von ihm als „Vagheit“42 bezeichneten Unschärfe der in Frage stehenden Rechtsgüter fest, dass „keine eindeutige Strafbarkeitsgrenze bei der Auslegung gewährleistet“43 sei, „wodurch in den Grenzbereichen, je nachdem welche Vorstellungen von dem, was Umwelt bedeutet, zu Grunde liegen, ein anderes Ergebnis zu Tage tritt“44. a) Kurzer Einblick: Unschärfe und Einfluss auf den Erfolgseintritt Zu prüfen bleibt, ob diese Schwierigkeiten bzw. Unsicherheiten bei der Begrenzung des Rechtsgutes auch für die Zurechnungsproblematik verantwortlich sind oder zumindest dazu beitragen. Zu diesem Zweck sei ein Einblick in die Problematik des Zusammenhangs zwischen Kollektivrechtsgut und Erfolgseintritt gewährt. Zwar ist der Erfolgseintritt und die mit ihm zusammenhängende Problematik im Umweltstrafrecht explizit nicht Thema dieser Arbeit – allerdings ist er notwendiger Teil einer umfassenden Überlegung zum Bereich der Zurechnungsproblematik: Denn wenn die Zurechnung, wie oben dargestellt, in diesem Rahmen den Zusammenhang zwischen einer Rechtsgutsverletzung und einer Handlung bezeichnet45 (welche dann wiederum auf eine bestimmte Person zurückzuführen ist46), könnte die 38

Siehe B.II.2.b)bb) und Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 1. Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 122. 40 Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 122. 41 Vgl. Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 1 ff. und S. 41 ff. 42 Hohmann, Rechtsgut, S. 192. 43 Hohmann, Rechtsgut, S. 192. 44 Hohmann, Rechtsgut, S. 192. 45 Nach der hier zugrunde gelegten Betrachtung der außerbetrieblichen Zurechnung. 46 Was in dieser Betrachtung die innerbetriebliche Zurechnungsproblematik abbilden würde. 39

II. Eigenschaft als kollektives Rechtsgut

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Unschärfe des Rechtsgutes sich auch auf den Zusammenhang zwischen dessen Verletzung und der dafür verantwortlichen Handlung auswirken. Jedenfalls könnten möglicherweise Schwierigkeiten, die sich schon im Bereich der Erfolgsverwirklichung stellen, auf die Zurechnung durchschlagen. Alternativ lassen sich zumindest eventuell gewisse Parallelen bei den Problemkreisen beider Ansatzpunkte feststellen. Zu Beginn der Überlegungen zum Erfolgseinritt beim Kollektivrechtsgut Umwelt sei folgende These aufgestellt: Die Schädigung stellt hier keinen fest umschlossenen, zeitlich wie örtlich beschränkten Zustand dar, sondern entpuppt sich stattdessen als „systemspezifische Veränderung“47. Um diese Überlegungen weiterzuführen, hat Ronzani48 ein eigenes Modell entwickelt: Die Schutzgesichtspunkte und Schutzobjekte des Umweltrechts sind danach im Gegensatz zu herkömmlichen Rechtsgütern nicht „einheitliche, in ihren Grenzen und ihren Sollbestimmungen typenfest fixierte“49 Schutzgüter, sondern „diffus gestreute, uneinheitliche Gutspotenziale, die weitgehend nur systemspezifisch beschrieben“50 werden könnten. Parallel dazu könne auch deren Schädigung nur eine „diffus gestreute, systemspezifische Veränderung punktuell erfassbarer Strukturen oder Funktionen“51 sein. Ronzani52 beschreibt diesen bei den Umweltrechtsgütern auftretenden Umstand mit einem Modell, das ursprünglich für physikalische Zusammenhänge entwickelt wurde, dem sog. „stress and strain“-Modell. Nach Ronzani eignet sich genau dieses System aufgrund der notwendigen Nähe von naturwissenschaftlichen Bedingungen und Zusammenhängen zu strafbaren Umweltbelastungen sehr gut zur Veranschaulichung der strafrechtlichen Problematik.53 Nach diesem Modell wird die Wirkung von Belastungen (stress) als Dehnung oder Veränderung (strain) des Systems beschrieben.54 Als Schädigung diagnostizierbar sind jedoch erst solche Veränderungen der Umweltschutzgüter, denen eine massive Dehnung vorausgeht. Ob und wann eine derartige Dehnung in eine Schädigung umschlägt, die strafrechtlich relevant ist, orientiert sich an einer normativen Definition, die nur bedingt geeignet ist, einen derart schleichenden Prozess der Dehnung adäquat abzubilden. Dieses Modell zeigt trotz oder vielleicht sogar wegen seiner augenscheinlichen Komplexität in anschaulicher Weise, welches Problem sich aus der schweren Festschreibung des Rechtsgutes ergibt. Schon die Festlegung, ab welchem Punkt das Rechtsgut als geschädigt betrachtet wird, gerät bei einem derart

47 48 49 50 51 52 53 54

Ronzani, Erfolg, S. 43. Vgl. Ronzani, Erfolg. Ronzani, Erfolg, S. 43. Ronzani, Erfolg, S. 43. Ronzani, Erfolg, S. 43. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 44 f. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 44 f. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 44.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

unbestimmten Rechtsgut zu einer von vielen Faktoren abhängigen, ausschließlich mit vertieften Kenntnissen der Naturwissenschaften nachvollziehbaren Abwägung. Auch Hohmann55 erkennt und benennt dieses Problemfeld, stellt jedoch zudem eine Verbindung zu den unterschiedlichen Verständnissen von Kollektivrechtsgütern und deren Rückbezug zum Menschen her. Ein möglicher Lösungsansatz für das oben beschriebene Problem könnte zwar das in den §§ 324 ff. StGB häufig verwendete Tatbestandsmerkmal der „nachteiligen Veränderung“56 sein. Bei der folgenden Betrachtung dieses Tatbestandsmerkmals öffnet sich jedoch alsbald ein weiterer Problemkreis: Das grundsätzliche Problem, welches das Kriterium der „Nachteiligkeit“ der verursachten Veränderung aufweist, liegt darin begründet, dass es sich am Status quo eines geschützten Umweltgutes orientiert. Das Umweltstrafrecht im Allgemeinen kann stets lediglich den realen IstZustand der Umwelt schützen57 und gerade nicht einen fiktiven Optimalzustand.58 Oft ist jedoch gerade jener schon in erheblichem Maße vorbelastet. Exemplarisch für die in den Umweltstraftatbeständen umschriebenen Tathandlungen, die eine „nachteilige Veränderung“ voraussetzen, soll in der folgenden Betrachtung der § 324 StGB stehen, da sich im Rahmen der Gewässerverunreinigung besonders anschaulich darstellen lässt, welche Besonderheiten dieses Tatbestandselement birgt. Nach der ganz überwiegenden sog. „ökologischen Betrachtungsweise“59 ist eine Veränderung dann nachteilig, wenn die chemische oder physikalische Ist-Beschaffenheit des konkreten Gewässers vom Naturzustand überhaupt oder bei schon vorbelasteten Gewässern noch weiter entfernt wird.60,61 Dieses Verständnis hat zur 55 Siehe dazu Hohmann, Rechtsgut, S. 192; nach Hohmann ist es „Folge dieser Vagheit des Rechtsgutes Umwelt bzw. der damit verbundenen Vorstellungen von den einzelnen Umweltmedien, dass keine eindeutige Strafbarkeitsgrenze bei der Auslegung gewährleistet ist, wodurch in den Grenzbereichen, je nachdem, welche Vorstellungen von dem, was Umwelt bedeutet, zu Grunde liegen ein anderes Ergebnis zu Tage tritt.“ 56 Etwa in § 324 I Alt. 2 StGB (Gewässerverunreinigung), § 324 a I Alt. 2 StGB (Bodenverunreinigung), § 325 IV Nr. 2 StGB (Luftverunreinigung), § 326 IV Nr. 4 b StGB (unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen). 57 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 1. 58 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 1, wonach dies gerade Aufgabe des Umweltverwaltungsrechts ist. 59 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 19; ders., in: SSW, Vor §§ 324 ff., Rn. 11 ff. 60 Speziell für die Gewässerverunreinigung sei noch die sog. wasserwirtschaftliche Betrachtungsweise erwähnt, die von einer nachteiligen Veränderung spricht, wenn der von den Wasserbehörden festgelegte Bewirtschaftungsgrad des Gewässers oder Gewässerabschnitts überschritten oder irgendwelche Nutzungsmöglichkeiten des Gewässers beeinträchtigt werden, vgl. dazu Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 621 m. w. N. Da aber die strukturellen Unterschiede der beiden Auffassungen, soweit sie für die objektive Zurechnung von Bedeutung werden könnten, gering sind (vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 621), wird die Auffassung nicht weiter ausgeführt. 61 Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 621.

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Folge, dass selbst für den Fall, dass beispielsweise ein Täter durch seine Einleitung in ein vorbelastetes Gewässer dessen pH-Wert verändert, dadurch erst die „Veränderung“ im Sinne des § 324 StGB feststeht, noch nicht aber dessen „Nachteiligkeit“. Dies kann erst geschehen, wenn die Richtung der Veränderung bewertet wurde, da es ja auch denkbar ist, dass eine vom Täter bewirkte Anhebung des pH-Wertes diesen in Richtung des natürlichen Wertes zurückführt. Dies entspräche dann sogar einer „vorteilhaften“ Veränderung. Nach der ökologischen Betrachtungsweise, die von einem „Naturzustand“ ausgeht, ist es daher unerlässlich, eine „Soll-Grenze“ zu bestimmen. Dies führt im Einzelfall jedoch zu erheblichen Problemen, da die Gewässer sich in der Regel nicht mehr im Naturzustand befinden und es allein deshalb schon schwerfällt, die Naturgrenzen überhaupt zu ermitteln.62 Erschwerend kommt nach Samson hinzu, dass auch der Naturzustand selbst gewissen Schwankungen unterworfen ist. Somit kann die Formulierung einer „nachteiligen Veränderung“ als Tatbestandsmerkmal zwar als Versuch gewertet werden, auf die Widrigkeiten, die die Unschärfe des Kollektivrechtsgutes Umwelt mit sich bringt, zu reagieren. Eine vollumfänglich befriedigende Lösung liefert sie allerdings nicht. Im Anschluss an diesen kurzen Einblick in die Hintergründe der den Eigenheiten des Rechtsgutes Umwelt geschuldeten Schwierigkeiten stellt sich die berechtigte Frage, wie uns diese Feststellungen für die Suche nach den Problemen der Zurechnung weiterhelfen. Dies soll sich im Folgenden mittels einer weiteren Hilfskonstruktion klären, auf die der Gesetzgeber zur Lösung von Problemen des Erfolgseintritts bei Kollektivrechtsgütern zurückgegriffen hat: des Deliktstyps des Gefährdungsdelikts. b) Kollektive Rechtsgüter und ihr Schutz über abstrakte Gefährdungsdelikte Die oben dargestellten Unsicherheiten über den Erfolgseintritt spielen zwar, wie zu Beginn63 klargestellt, grundsätzlich keine unmittelbare Rolle für die Untersuchung der Zurechnung. Auffallend oft wird bei Kollektivrechtsgütern aber auf den Deliktstyp des Gefährdungsdelikts, insbesondere in der Form des abstrakten Gefährdungsdelikts64, zurückgegriffen, um der Problematik des Erfolgseintritts bei derart „diffusen und uneinheitlichen Schutzobjekte[n]“65 zuvorzukommen. Der Gesetzgeber hat zur Entschärfung von Problemen beim Kausalitätsnachweis das Umweltstrafrecht mit zahlreichen abstrakten Gefährdungsdelikten ausgestaltet66, dadurch allerdings möglicherweise erst andere Zurechnungsprobleme geschaffen. 62 63 64 65 66

Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 623. Siehe C.II.1.a). Hassemer, Produktverantwortung, 1996, S. 11. Ronzani, Erfolg, S. 72. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Dieser Versuch des Gesetzgebers, den Widrigkeiten der „vage und großflächig formulierten“67 Kollektivrechtsgüter, die als abstrakte Gefährdungsdelikte geschützt sind, zu begegnen, wie in den folgenden Abschnitten aa) und bb) dargestellt, beinhaltet jedoch weitreichende und umstrittene Konsequenzen für die Frage der Zurechnung, wie das daran anschließende Kapitel c) veranschaulicht. aa) Das abstrakte Gefährdungsdelikt als bevorzugter Deliktstyp zum Schutz kollektiver Rechtsgüter Oftmals wird ein Zusammenhang zwischen den im neueren Strafrecht vermehrt verwendeten kollektiven oder als entmaterialisiert bezeichneten Rechtsgütern und der Ausgestaltung der zu ihrem Schutz geschaffenen Delikte als Gefährdungsdelikte hergestellt.68 Ein Teil der Literatur meint darin einen gewissen Trend erkennen zu können, der letztendlich zu einer „Abkehr von einem auf den Schutz von Rechtsgütern beschränkten Strafrecht hin zu einem Risikostrafrecht69 führt. Danach ist nicht mehr lediglich der Umgang mit bekannten Gefahren unter Strafe zu stellen, sondern bereits der Umgang mit unkalkulierbaren Großrisiken, deren Folgen vom Menschen kaum mehr erfasst werden können.70 Hohmann71 sieht einen Trend moderner Kriminalpolitik, welcher sich gerade durch „großflächig formulierte Universalrechtsgüter“72 äußere, und die abstrakten Gefährdungsdelikte stellten „das dem Wesen überindividueller Rechtsgüter entsprechende Mittel des Gesetzgebers dar“73. Auch Anastasopoulou konstatiert, dass „die Konzipierung abstrakter Gefährdungstatbestände häufig gerade als die Konsequenz des Entstehens neuer hochkomplexer und für schutzwürdig gehaltener überindividueller Rechtsgüter angesehen“74 werde. Es sei also sogar so, dass erst die Einführung des neuen Typus von Rechtsgütern dazu geführt habe, dass speziell das abstrakte Gefährdungsdelikt einen solch festen Stand innerhalb des Strafrechtssystems erhalten konnte: „Die Schaffung überindividueller Rechtsgüter beseitige die Scheu des Gesetzgebers vor dem in Rede stehenden Deliktstyp“75.

67 68 69 70 71 72 73 74 75

Hassemer, Produktverantwortung, 1996, S. 11. Vgl. dazu: Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 57 f.; Wohlers, Deliktstypen, S. 309 ff. Hohmann, Rechtsgut, S. 192. Vgl. Hohmann, Rechtsgut, S. 192. Siehe Hohmann, Rechtsgut, S. 192. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 143. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 143. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 143. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 143; Hassemer, Produktverantwortung, S. 11.

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bb) Ausgestaltung von Umweltdelikten Die oben benannten Schwierigkeiten der außerbetrieblichen Zurechnung im Umweltstrafrecht bestehen grundsätzlich bei allen Umweltdelikten, da sich diese allesamt durch dasselbe, schwer zu fassende Rechtsgut auszeichnen. Wohl auch deshalb wurde bei der Implementierung der Umweltdelikte in das Strafrecht – wie oben dargestellt76 – auf den bei den Kollektivrechtsgütern oftmals verwendeten Deliktstypus des Gefährdungsdelikts und insbesondere auch des abstrakten Gefährdungsdelikts zurückgegriffen. Der Gesetzgeber hatte nach anhaltender Kritik insbesondere am zweiten UKG das Ziel, die Effektivität des Umweltstrafrechts zu erhöhen77, und entschloss sich, sich dieser Probleme anzunehmen, indem er u. a. verstärkt auf Gefährdungsdelikte zurückgriff. Dies hat zur Folge, dass bei den Umweltstraftaten, die als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet sind, die Beziehung zwischen Handlung und Rechtsgut stark gelockert78 und folglich auch die Nachweisbarkeit der Kausalität vereinfacht ist.79 Der Gesetzgeber hat sich jedoch bei den Normen des Umweltstrafrechts nicht ausschließlich auf diese eine Deliktsausgestaltung der abstrakten Gefährdungsdelikte festgelegt, sondern entsprechend den unterschiedlichen Risiken, die durch den Umgang mit gefährlichen Stoffen, Gütern und Anlagen entstehen, eine Differenzierung vorgenommen:80 Zunächst enthält das Umweltstrafrecht „klassische Verletzungsdelikte“, die dadurch charakterisiert sind, dass eine messbare Beeinträchtigung des Handlungsobjekts eintreten muss. Hierzu gehört § 324 StGB81, der die nachteilige Veränderung eines Gewässers und damit einen Verletzungserfolg voraussetzt.82 Weitere Erfolgsdelikte aus dem Umweltstrafrecht sind die §§ 324 a I Nr. 283 sowie 329 III84 und die Erfolgsqualifikationen des § 330 II Nr. 285 und des § 330 a II 76

Siehe C.II.1.b)aa). Siehe B.I.1.c). 78 Vgl. Kuhlen, Umweltstrafrecht, S. 711 f. 79 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102. 80 Die Zuordnung der einzelnen Tatbestände zu den Deliktsgruppen ist in der Literatur teilweise umstritten, siehe dazu etwa Heine, in: Sch/Sch, der bei § 324, Rn. 1 angibt, dass die Vorschrift zwar überwiegend als Erfolgsdelikt eingestuft wird, eine a. A. – vertreten etwa von Ransiek, in: NK, Vor § 324, Rn. 8 – aber wegen der „Trivialisierung des Erfolgs zur Deutung als potentielles Gefährdungsdelikt kommt“ oder bei § 325 Rn. 1 zwar von einem potenziellen Gefährdungsdelikt ausgeht, jedoch wiederum die Gegenmeinung aufführt, nach der ein „konkret gefährlicher Zustand“ verlangt sei; siehe dazu auch Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102. Die folgende Einordnung stützt sich aufgrund der mit dem 45. StrÄndG (dazu näher unter B.I.1.e)) vorgenommenen Änderungen auf die aktuellste Differenzierung, nämlich die Saligers in Saliger, Umweltstrafrecht. 81 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 160. 82 Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 136. 83 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 176. 77

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

StGB86. Ebenfalls zu den Erfolgsdelikten zählen, nach heute überwiegender Ansicht87, die konkreten Gefährdungsdelikte, welche sich im Umweltstrafrecht in den §§ 330 a I StGB88 und 325 a II89 sowie den neu gefassten 328 III Nr. 1 und Nr. 290 und der Qualifikation aus § 330 II Nr. 1 StGB91 finden. Als Erfolg wird dabei die durch die Handlung bewirkte, im Einzelfall festzustellende konkrete Gefahr für das Rechtsgut angesehen.92 Als abstrakte Gefährdungsdelikte sind die §§ 32693, 327 I und II94 sowie der neu geschaffene 327 II 1 Nr. 195, außerdem die §§ 328 I Nr. 1, II Nr. 1, 2, 496 und 329 I und II97 StGB ausgestaltet. Unter die besondere Fallgruppe der Eignungsdelikte98 fallen die §§ 324 a I Nr. 199, 325 I100, 325 II101, 325 III102, 325 a I103, 326 I Nr. 4104, 327 II S. 2105, 328 I Nr. 2106 StGB.

84 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 234, allerdings sehr str., dazu auch ders., Umweltstrafrecht, S. 236. 85 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 237, § 330 I und III StGB ist hingegen eine Strafzumessungsregel mit Regelbeispielen. 86 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 247. 87 Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 136. 88 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 247. 89 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 204. 90 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 227. 91 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 237, § 330 I und III StGB ist hingegen eine Strafzumessungsregel mit Regelbeispielen. 92 Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 136. 93 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 125, mit Ausnahme von § 326 I Nr. 4 StGB, der ein Eignungsdelikt darstellt. 94 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 219. 95 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 209. 96 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 222, wobei der 328 II StGB von ihm als „sehr heterogen“ bezeichnet wird, ders., Umweltstrafrecht, S. 223. 97 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 214. 98 Siehe C.II.1.d). 99 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 176. 100 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 189. 101 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 185. 102 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 199. 103 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 201. 104 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 125. Im Übrigen stellt der § 326 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar, siehe dazu auch die direkt vorhergehenden Ausführungen. 105 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 212. 106 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 222 f.

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c) Folge der Ausgestaltung als abstrakte Gefährdungsdelikte Ein konkreter Verletzungs- oder Gefährdungserfolg ist bei den abstrakten Gefährdungsdelikten nicht erforderlich. Bei diesem Deliktstypus entfällt der Verletzungsnachweis am Rechtsgut, da das Gesetz in diesen Fällen nur die Bedingungen einer generellen Gefährlichkeit beschreibt, ohne die Gefährdung eines bestimmten Objekts im Einzelfall vorauszusetzen.107 Obwohl diese Deliktsgruppe von der Literatur teilweise scharf kritisiert wird108, enthält gerade das Umweltstrafrecht eine Vielzahl abstrakter Gefährdungsdelikte109. Die Kritik drückt die Befürchtung aus, dass die Strafbarkeit in dogmatisch unhaltbarer Weise extrem weit vorverlagert werde, indem zu geringe Anforderungen an den Eintritt der Gefährdung gestellt würden.110 Es bestehe die Gefahr einer „Überkriminalisierung“111. Die oben beschriebene112 Lehre der Frankfurter Schule kritisiert neben einer Abkehr von dem von ihnen so bezeichneten Kernstrafrecht in Bezug auf die vermehrte Einführung von Kollektivrechtsgütern gerade auch die Einführung und Ausweitung von Gefährdungsdelikten. Diese würden die Strafbarkeit unbestimmt weit vorverlagern und das Strafrecht so zu einem Instrument machen, welches seinem eigenen repressiven Charakter widerspreche.113 Dieser Kritik wird entgegengehalten, dass bestimmte Verhaltensweisen als solche wegen ihrer Sozialschädlichkeit bzw. der generellen Gefährlichkeit unter Strafe gestellt werden müssten114 und es somit prinzipiell das Recht des Gesetzgebers sei, dem sorglosen Umgang mit Umweltgütern auch aus Gründen der Generalprävention mit strafrechtlichen Mitteln entgegenzutreten.115 An dieser Stelle kann den Kritikern der abstrakten Gefährdungsdelikte, die ein klassisches liberal-rechtsstaatliches Bild des Strafrechts verteidigen, das Beispiel der Straßenverkehrsdelikte entgegengehalten werden: Dort hat der Gesetzgeber mit dem § 316 StGB ebenfalls ein abstraktes Gefährdungsdelikt neben dem konkreten Gefährdungsdelikt des § 315 c I Nr. 1 a StGB geschaffen, und bezüglich dieser Norm haben empirische Untersuchungen eine generalpräventive Wirkung nachweisen können.116

107

Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 136. Siehe dazu etwa Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 136; Frehsee, StV 1996, 222 ff.; Hassemer, in: ZRP 1992, S. 378. 109 Wie beispielsweise in §§ 326, 327, 328 I und II und §§ 329 I und II StGB, siehe dazu auch C.II.1.b)bb). 110 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 16. 111 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 16. 112 Siehe B.I.2.a)bb) und B.II.2.b)aa), B.II.2.b)bb). 113 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 16. 114 Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 136. 115 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 16. 116 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 16. 108

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d) Die speziell im Umweltstrafrecht auftretenden potenziellen Gefährdungsdelikte Im Umweltrecht lässt sich daneben noch ein weiterer Deliktstypus finden: das sog. potenzielle Gefährdungsdelikt117 oder auch abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikt118. Dieses unterscheidet sich von den bisherigen Deliktstypen durch eine Verletzungs-Gefährdungs-Kombination, die sich als Mischung aus Elementen des abstrakten und des konkreten Gefährdungsdelikts darstellt. Weitere Beispiele außerhalb des Umweltstrafrechts wären etwa die §§ 186 und 311 StGB119 sowie die §§ 130 und 166 StGB120. Kriterium dieser Deliktsart ist, dass gewisse im Gesetz nicht näher bezeichnete Gefährdungsmerkmale gegeben sein müssen, die generell geeignet sind, den Eintritt der jeweiligen Rechtsgutsschädigung herbeizuführen.121 Im Rahmen des zweiten UKG verfestigte sich die Tendenz des Gesetzgebers, Strafnormen zu schaffen, die Elemente aus Erfolgs- und abstrakten Gefährdungsdelikten aufweisen. So steht beispielsweise § 325 I StGB stellvertretend für eine Reihe von Normen aus dem Strafrecht, die von der Literatur diesem neuen Deliktstyp zugeordnet werden: Einerseits verlangt § 325 I StGB die Verursachung von Veränderungen der Luft, also einen Erfolg, andererseits müssen diese Veränderungen geeignet sein, die Gesundheit eines anderen bzw. Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen.122 Dieselbe Verquickung von Verletzung und abstrakter Gefährdung findet sich auch in der ersten Alternative des Bodenverunreinigungstatbestandes, § 324 a I Nr. 1 StGB, der die Verunreinigung des Schutzgutes „Boden“ und die Eignung zur Schädigung bestimmter anderer Rechtsgüter voraussetzt.123 Nach Ansicht von Kloepfer/Vierhaus zählen diese potenziellen oder auch abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte ebenfalls zu den abstrakten Gefährdungsdelikten. Schließlich knüpften sie ebenso wie die „normalen“ abstrakten Gefährdungsdelikte als Vorstufe der konkreten Gefährdungsdelikte an die generelle Gefährlichkeit einer Handlung für bestimmte Rechtsgüter an.124 117 Siehe dazu Fischer, § 325, Rn. 1; Steindorf, in: LK, § 325, Rn. 1, a. A. Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 18, der von „Eignungsdelikten“ ausgeht und annimmt, dass diese einen naturwissenschaftlichen Erfahrungssatz voraussetzen, nach dem die inkriminierte Handlung oder genannte Umstände zu einer Rechtsgutsverletzung führen. 118 Siehe so etwa BT-Drs. 8/3633, S. 27; Steindorf, in: LK, § 325, Rn. 1. 119 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 162. Die Eignungsmerkmale selbst müssen dabei durch richterliche Auslegung bestimmt werden; ders., Strafrecht AT, § 11, Rn. 162. 120 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 163. 121 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 162. 122 Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 137. 123 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 18. 124 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 16.

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Mit dem Argument, dass ein konkreter Gefahrerfolg nicht eintreten müsse, ist auch Roxin der Ansicht, dass es sich zumindest bei den §§ 186, 311 um abstrakte Gefährdungsdelikte handelt.125 Diese Ansicht ist jedoch umstritten, was wiederum zeigt, dass die Tatbestände unter einer großen Unbestimmtheit leiden.126 Lediglich als „Spielart der abstrakten Gefährdungsdelikte“127 wird das potenzielle Gefährdungsdelikt beispielsweise von Cramer/Heine bezeichnet, während Steindorf zwar eine Nähe zum abstrakten Gefährdungsdelikt sieht, es jedoch nicht mit einem reinen abstrakten Gefährdungsdelikt gleichsetzen will.128 Roxin sieht zwar die §§ 186, 311 StGB als abstrakte Gefährdungsdelikte (s. o.), die §§ 130, 166 StGB hingegen nicht. Denn obwohl diese ebenfalls den Begriff „Eignung“ verwenden, setzen diese im Gegensatz zu den §§ 186, 311 StGB eine tatsächliche Gefährdung „des öffentlichen Friedens“ als Rechtsgutsverletzung voraus und seien deshalb als konkrete Gefährdungsdelikte zu verstehen.129 Fest steht jedenfalls, dass es sich nicht um konkrete Gefährdungsdelikte handelt, weshalb die genaue dogmatische Einordnung hier nicht abschließend geklärt werden muss. Denn für die praktischen Auswirkungen ist allenfalls relevant, dass auch bei diesem Deliktstypus keine konkrete Rechtsgutsgefährdung oder Verletzung nachgewiesen werden muss. Lediglich eine Geeignetheit zur Schädigung eines der genannten Schutzgüter ist nachzuweisen, wobei auf einen naturgesetzlich abgesicherten Erfahrungsschatz zurückgegriffen werden kann, um zu bestimmen, ob nun das Verhalten oder der Zustand die Schädigung befürchten lassen.130 2. Abstrakte Gefährdungsdelikte und Zurechnung Insbesondere Hassemer hat in seinen Veröffentlichungen, die sich kritisch mit dem von ihm so benannten „modernen Strafrecht“ befassen131, immer wieder auf die unglückliche Vebindung zwischen modernem Strafrecht, vagen Universalrechtsgütern und Gefährdungsdelikten hingewiesen.132 Nach seiner Beurteilung sei unschwer zu erkennen, weshalb der Gesetzgeber abstrakte Gefährdungsdelikte als Deliktsform im Bereich des modernen Strafrechts wählt: Diese Methode erleichtere die Anwendung des Strafrechts ungemein, „indem sie die Voraussetzungen der Strafbarkeit radikal“133 reduziere. Schließlich werde bei der Ausformulierung als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht nur auf den Nachweis des Schadens verzichtet,

125 126 127 128 129 130 131 132 133

Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 162. Vgl. Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 18. Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 9. Siehe Steindorf, in: LK, § 311, Rn. 11. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 163. Vgl. Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 9; Steindorf, in: LK, § 311, Rn. 11. Siehe beispielsweise in Hassemer, Produktverantwortung, S. 1 ff. Siehe Hassemer, Produktverantwortung, S. 9 ff. Hassemer, Produktverantwortung, S. 11.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

sondern – so Hassemer weitergehend – auch auf den Nachweis der Kausalität.134 Es bleibe nach Hassemer folglich allein beim Nachweis einer inkriminierenden Handlung. Dies bringt wiederum aus Sicht des Gesetzgebers den Vorteil mit sich, dass der Richter noch nicht einmal die konkrete Gefährlichkeit einer Handlung beurteilen müsse – was dessen Aufgabe außerordentlich erleichtert. Die allein bestehende grundsätzliche Gefährlichkeit der Handlung sei nach Hassemer das einzige „Motiv des Gesetzgebers bei der Kriminalisierung dieser Handlung gewesen“135, unabhängig von einer drohenden Rechtsgutsverletzung im Einzelfall. Dies bedeutet aber, dass die Voraussetzung einer überhaupt bestehenden, individuellen bzw. konkreten Gefährlichkeit der Handlung im jeweiligen Einzelfall zu diesem Zweck geopfert wurde. a) Kontrollverlust gegenüber der Rechtsprechung bezüglich der Zurechnungskriterien Mit der oben beschriebenen136 Reduzierung der Bestrafungsvoraussetzungen vermindert sich die Vorgabe des Strafgesetzgebers, wie der Richter bei der Auslegung der jeweiligen Tatbestände vorzugehen habe.137 Diese von dem Wunsch der erleichterten Bestrafung getriebene Reduktion führt dazu, dass der Richter im Rahmen abstrakter Gefährdungsdelikte mit der Interpretation des Sachverhaltes und der Subsumtion allein gelassen wird. Denn anstatt konkrete Voraussetzungen zu benennen, die eingetreten sein müssen, um eine Strafbarkeit zu bejahen, stellt der Gesetzgeber bei den abstrakten Gefährdungsdelikten auf eine generelle Gefährlichkeit ab. Letztere überlässt dem Rechtsanwender jedoch wesentlich mehr Interpretationsspielraum, da das Vorliegen der allgemeinen Gefährlichkeit bejaht werden kann, ohne dass dies im konkreten Einzelfall an einem Anhaltspunkt des jeweils abzuurteilenden Sachverhaltes festgemacht werden müsste. Die abstrakte Gefährlichkeit muss eben keine Entsprechung im nachgewiesenen Sachverhalt haben, um bejaht werden zu können – sie muss ja nur allgemein und damit gerade unabhängig von diesem bejaht werden. Letztlich geht das Abstrahieren von einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen hin zu einer allgemeinen Gefährlichkeit mit dem Verlust eines ausdifferenzierten Systems von Tatbestandsmerkmalen einher, sodass dem Strafrichter Informationen über die ratio legis des Tatbestandes abhandenkommen.138 Nach Hassemer hat diese Situation einerseits zur Folge, dass es zu einer „Aufweichung der gesetzlich bestimmten Auslegungsvorgaben gegenüber der Rechtsprechung kommt“139. Zum anderen führt diese Reduzierung der Bestrafungsvoraussetzungen auf Seiten der Verdächtigen zu 134 135 136 137 138 139

Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 11. Hassemer, Produktverantwortung, S. 12. Siehe dazu auch Hassemer, Produktverantwortung, S. 11. Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 12. Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 12. Hassemer, Produktverantwortung, S. 12.

II. Eigenschaft als kollektives Rechtsgut

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einer Reduktion der Verteidigungsmöglichkeiten, da Bestrafungsvoraussetzungen auch immer als Einschränkungen der Strafbarkeit gesehen werden müssen.140 Wenn dies mit dem bereits genannten Rückzug des Gesetzgebers aus der Formulierung klarer und eindeutiger Tatbestandsmerkmale einhergeht, wird gleichzeitig der Entscheidungsspielraum des Richters erweitert, die Nachprüfbarkeit seiner Entscheidung anhand dogmatischer Kriterien allerdings verringert.141 Die Zurechnungskriterien, wie sie aus der rechtsstaatlichen Tradition bekannt sind, riskieren durch den wachsenden Einfluss des Richters und die sich verringernden Kontrollmöglichkeiten somit für den Bereich der Gefährdungsdelikte aufgeweicht zu werden. b) „Abschleifen“ dogmatischer Differenzierungen der Zurechnung Als Konsequenz des oben beschriebenen Umstandes ist nach Hassemer zudem zu befürchten, dass sich „dogmatische Differenzierungen abschleifen, welche die objektive und subjektive Zurechnung in feinen Abstufungen“142 ermöglichen sollte – bei gleichzeitigem Verlust von „klaren und kontrollierbaren Kriterien“143. Insbesondere das Umweltstrafrecht zeige, dass die traditionellen Zurechnungsvoraussetzungen des Strafrechts bei dem Versuch der Schaffung einer effizienteren Kriminalpolitik mehr und mehr als hinderlich empfunden werden.144 Diese Folge der immer weitergehenden Forderungen nach einem effizienteren Einsatz strafrechtlicher Mittel bezeichnet Hassemer sehr passend als eine „Vergröberung individueller Zurechnungsvoraussetzungen“145. Dieser unsensible Umgang mit den über Jahrzehnte gewachsenen feinen Abstufungen und Ausdifferenzierungen im Rahmen der Zurechnung lasse befürchten, dass es zu einem gänzlichen „Verlust der traditionellen Zurechnungsvoraussetzungen komme, den das Strafrecht kaum ohne Schaden überstehen könne“146. Ebenfalls in Gefahr sieht Hassemer aufgrund dieser Tendenzen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 II GG, § 1 StGB. Modernes Strafrecht sei bewusst auf eine flexible und flächendeckende Kriminalisierung ausgerichtet, was sich auch an der Beschreibung als „zu wechselnden Problemlagen hin offenes Recht“147 klar erkennen lasse. Dem sollte das Bestimmtheitsgebot aber grundsätzlich entgegenstehen bzw. derartige Tendenzen der Unschärfe von Erkennbarkeit von strafrechtlichem Handeln gezielt einschränken. Schließlich soll es für den Einzelnen noch erkennbar bleiben, ob er mit einer Handlung den Boden der Gesetzmäßigkeit verlässt oder nicht – denn 140 141 142 143 144 145 146 147

Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 12. Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 12. Hassemer, Produktverantwortung, S. 15. Hassemer, Produktverantwortung, S. 15. Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 15. Hassemer, Produktverantwortung, S. 15. Hassemer, Produktverantwortung, S. 16. Hassemer, Produktverantwortung, S. 16.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

nur dann ist die verfassungsrechtliche Vorgabe erfüllt, dass die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschrieben sind, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, sein Verhalten auf die Rechtslage einzurichten.148 Ein Eingriff in diese Kernelemente des Bestimmtheitsgebotes gehe zu Lasten der Gesamtsystematik des Strafrechts, welche sich neben den Fragen über die Verwirklichung einer Rechtsgutsschädigung eben auch mit der Zurechnung einer solchen beschäftige. Hassemer sieht das Bestimmtheitsgebot jedoch durch die Verwendung von „vagen und großflächigen Begriffen ausgehebelt“149. Nun ist zwar speziell für die Gewässerverunreinigung inzwischen unstrittig, dass der Tatbestand dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt.150 Doch auch Lackner/Kühl fügen diesbezüglich kritisch an, dass der Gesetzgeber sich offensichtlich selbst nicht in der Lage sah, eine konkrete Definition für die „nachteilige Veränderung“ zu schaffen, und deshalb diese Entscheidung einfach den Gerichten überlassen hat.151 Hassemers Kritik geht noch weiter: Denn er gibt an, dass der Verwendung solcher Rechtsbegriffe „das Bestimmtheitsgebot zwar grundsätzlich entgegenstehe“152, sie jedoch bewusst im Gegensatz zu unbestimmten Rechtsbegriffen eingesetzt würden, um so das Bestimmtheitsgebot auszuhebeln.153 Er äußert also die Vermutung, dass der Gesetzgeber bewusst auf großflächige Begriffe zurückgreife, statt alternativ unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Diese Vermutung ist wohl vor dem Hintergrund zu sehen, dass unbestimmte Rechtsbegriffe in langer und altbewährter Tradition durch die Rechtsprechung im Laufe ihres Bestehens eine feststehende Konkretisierung erfahren und in ihrer Anwendung wiederum durch die Rechtsprechung – auch diejenige des BVerfG – überprüfbar wären. Diese Möglichkeit besteht bei großflächigen und vagen Rechtsbegriffen zumindest nicht in diesem Maße, da diese zunächst nicht als auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe erkennbar sind.154 c) Exkurs: Einflüsse auf die Zurechnung im Rahmen des Strafprozesses durch den Deal und das Kooperationsprinzip Für die immer weitergehende Vereinfachung und sogar Umgehung strafrechtlicher Grundprinzipien im modernen Strafrecht sieht Hassemer zudem Anzeichen im Strafprozessrecht: Aus der Überlegung heraus, dass materielles Strafrecht und Strafverfahrensrecht funktional zusammenhängen und aufeinander verweisen, kann auch die immer weiter um sich greifende Institutionalisierung des „Deals im 148 149 150 151 152 153 154

BVerfG in ständiger Rspr., vgl. etwa BVerfGE 14, 174, 245; 87, 224; 105, 135, 153. Hassemer, Produktverantwortung, S. 16. Siehe Lackner/Kühl, StGB-Kommentar, Vor § 324, Rn. 6. Siehe Lackner/Kühl, StGB-Kommentar, Vor § 324, Rn. 6. Hassemer, Produktverantwortung, S. 16. Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 16. Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 16.

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Strafrecht“ gem. § 257 c StPO155 als eine – um Hassemers Begriff wieder aufzugreifen – „Vergröberung von Zurechnungsstrukturen“156 verstanden werden. Nun kann aufgrund des langjährigen Ausbleibens einer Dokumentation über solche Deals im Strafprozess keine verlässliche Aussage darüber getroffen werden, ob es speziell im Umweltstrafrecht zu einer hohen Anzahl an Deals kommt oder nicht. Diese Beobachtung bezüglich des Umgangs mit modernem Strafrecht im Strafprozess deckt sich jedoch in Teilen mit dem im Umweltstrafrecht immer wieder angeführten sog. Kooperationsprinzip, welches insbesondere zwischen Unternehmern – in diesem Fall als potenzielle Schädiger – und Ermittlungsbehörden gelten solle.157 Danach sei die Verwaltung gerade angewiesen auf Informationen seitens der „typischen“ Umweltverschmutzer wie der Unternehmen, weshalb gerade eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen“158 auch seitens der Ermittlungsbehörden zu fördern sei. Natürlich spielt das Kooperationsprinzip auf einer anderen Ebene als der Deal im Strafrecht eine Rolle: Während durch das Kooperationsprinzip generell eine möglichst für beide Seiten akzeptable Handhabung des Umweltrechts gesucht wird, wird beim Deal eine Art Kompromiss bezüglich der strafrechtlichen Handhabung einer konkreten Handlung gesucht. Dennoch gibt es Parallelen zwischen beiden Vorgehensweisen: Sie sind dem eigentlichen Verständnis des Strafrechts fremd, bei dem der Staat als Bewahrer und Schützer der Rechtsordnung auftritt und klare Regelungen und Konsequenzen für Verstöße gegen diese aufstellt. Im Fall des Deals und im Sinne des Kooperationsprinzips tritt der Staat plötzlich nicht mehr als neutrale, übergeordnete Instanz auf, sondern als Verhandlungspartner, der gegenüber einzelnen Beteiligten das Ausmaß seines Einschreitens variiert oder sich sogar als reine Option vorbehält. Der Staat gibt einen Teil seiner Autorität und seiner Verantwortung ab, indem er nicht nur bewusst, sondern sogar systematisch Rechtsgutsschädigungen in Kauf nimmt, die – je nach Aushandlung – nicht oder nur erheblich geringer als gesetzlich vorgesehen bestraft werden. Das Prinzip der Amtsermittlung im Strafprozess wird sowohl beim Deal als auch beim Kooperationsprinzip zumindest teilweise ausgehebelt. Die Justiz und die Ermittlungsbehörden ziehen sich aus der Pflicht zur Suche nach dem tatsächlichen Geschehensablauf zurück und nehmen so in beiden Fällen auch bezüglich der Zurechnung in Kauf, dass eine genaue Ermittlung und folglich juristische Bewertung jener tatsächlichen Zurechnungszusammenhänge ausbleibt. Das Kräfteverhältnis 155 Diese Vorschrift wurde erst 2009 durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. 7. 2009, BGBl. I S. 2353, eingefügt. Zur kritischen verfassungsrechtlichen Beurteilung dieser Vorschrift siehe BVerfGE vom 19. März 2013, NJW 2013, 1058. Das BVerfG hält die Verständigung im Strafverfahren nach dieser Vorschrift zwar grundsätzlich für verfassungsrechtlich zulässig, sieht aber in der Praxis erhebliche Vollzugsdefizite. 156 Hassemer, Produktverantwortung, S. 18. 157 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. 158 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

und die Machtstrukturen zwischen Staat und Schädiger verschieben sich in beiden Fällen zu Gunsten der Schädiger. Die aufgestellten Regelungen, die der Gesetzgeber für das Verhältnis von Schädiger und Ermittlungsbehörden vorgesehen hat, bleiben außen vor. Darunter fallen auch die Regelungen bezüglich der Zurechnung. Jenes ausgeklügelte System aus objektiver Zurechnung und Kausalität samt ihrer facettenreichen Unterteilungen in kumulative, alternative und überholende Kausalität sowie die aus der Handlungsunfähigkeit der juristischen Person entstammende Unterteilung in außerbetriebliche und innerbetriebliche Zurechnung bleiben bei diesem aushandlungsbasierten Vorgehen der Strafbehörden gänzlich außen vor. Die strengen, feinmaschigen Regelungen der Zurechnungen gelangen erst gar nicht zur Anwendung. Sie werden – um in Hassemers Ausdrucksweise zu bleiben – „umgangen“. Ob dieses anscheinend systematische Umgehen bewährter Zurechnungskriterien nun eine Ursache oder eine Folge der Zurechnungsproblematik ist, muss insoweit unbeantwortet bleiben, als eine Entweder-oder-Antwort nicht möglich ist. So kann einerseits das Vorgehen der Straf- und Strafermittlungsbehörden in Abweichung von den gesetzlichen Prinzipien damit begründet oder auch gerechtfertigt werden, dass gerade die Anforderungen des modernen Strafrechts die traditionellen Vorstellungen sprengen. So sei die Umgehung u. a. von den althergebrachten Zurechnungskriterien nach Hassemer kein Zufall, sondern Folge des Umstandes, dass „die Gebiete, auf denen das moderne Strafrecht Anforderungen stellt (…) mit den traditionellen Prinzipien des Strafverfahrens nicht befriedigt werden können“159. Andererseits können sich Zurechnungsprinzipien aber auch nicht weiterentwickeln und dem modernen Strafrecht und seinen Anforderungen annähern, wenn schon der Versuch ausbleibt, mit bekannten Zurechnungskriterien Zurechnungsprobleme des modernen Strafrechts zu lösen. Ronzani spricht in diesem Zusammenhang von dem Ausbleiben einer sog. „Schädigungserfahrung“160, mit deren Hilfe an das traditionelle Prinzip aus zurechenbarer Verletzung oder Schädigung zumindest angeknüpft werden könnte. Möglicherweise würden sich über die praktische Anwendung anhand von Einzelentscheidungen auch mit Hilfe der Rechtsprechung praktikable oder zumindest nachvollziehbare Zurechnungskriterien ergeben, mit denen sich auch in den Fällen des modernen Strafrechts und konkret im Umweltstrafrecht Zurechnungsfragen lösen lassen würden. Wird jedoch auch in der Rechtspraxis mehrheitlich mit Deals gearbeitet, besteht eine wesentlich geringere Chance, „Schädigungserfahrung“ über die tatsächlichen und typischen Geschehensabläufe von umweltstrafrechtlichen Sachverhalten zu sammeln.

159 160

Hassemer, Produktverantwortung, S. 18. Ronzani, Erfolg, S. 72.

II. Eigenschaft als kollektives Rechtsgut

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3. Zurechnung über den Risikogedanken des Umweltstrafrechts Während Hassemer sich in seinen Betrachtungen über die Zurechnung auf den Aspekt der abstrakten Gefährdungsdelikte konzentriert, betrachtet Ronzani die Zurechnung in der noch spezielleren Problematik des „Umweltstrafrechts als Kind des Risikodenkens im Strafrecht“161. Ebenfalls ausgehend von der oben ausgeführten Überlegung162 über die Schwierigkeit beim Nachweis des Erfolgseintritts bei einer für Kollektivrechtgüter typischen, vagen Rechtsgutbeschreibung stellt Ronzani fest, dass die „Beeinträchtigungen von Umwelt ein Problem gestreuter, systemspezifischer Belastungsprozesse darstellen“163. Abweichend von den herkömmlichen Leitbildern von Rechtsgutsverletzungen ist hier in aller Regel nicht von individuellen Entscheidungen und Handlungen auszugehen, die die Beeinträchtigungen an der Umwelt im Sinne von Verletzungs- oder Schädigungsvorgängen verursachen.164 Weitergehend stellt er fest, dass dabei erschwerend das Fehlen von Schädigungserfahrung hinzutrete, um zumindest an das Prinzip einer zurechenbaren Verletzung oder Schädigung anknüpfen zu können.165 Um diesem Problem gerecht zu werden, könne aber auf Kategorien zurückgegriffen werden, die bezogen auf das handelnde Individuum ebenfalls eine weniger konkretisierte Schädigungserfahrung voraussetzen.166 Prominentes Beispiel dafür ist etwa die Darstellung diesbezüglich von Roxin. Diese stellt eine Zurechenbarkeit auch dann her, wenn ein rechtmäßiges Alternativverhalten wahrscheinlich dazu geführt hätte, dass keine Rechtsgutsverletzung eingetreten wäre.167 Das Kriterium für die Zurechnung ist demnach immer die Überschreitung des erlaubten Risikos. Gut veranschaulichen lässt sich ihre Funktionsweise im Zusammenspiel mit der Fallvariante, bei der ein rechtmäßiges Alternativverhalten mit Sicherheit zu demselben Erfolg geführt hätte und bei dem die Zurechnung ausgeschlossen ist:168 Zwar hat sich in beiden Fällen ein Risiko verwirklicht, das in der Handlung des Täters angelegt war. Doch während im einen Fall der Gesetzgeber das Risiko explizit noch als sozial adäquat angesehen und somit „erlaubt“ hat, hat der Täter mit seinem Handeln im anderen Fall jedenfalls die Risikogrenze überschritten, die der Gesetzgeber noch als sozial adäquat vorgesehen hat.169

161 162 163 164 165 166 167 168 169

Ronzani, Erfolg, S. 72. Siehe C.II.1.a). Ronzani, Erfolg, S. 72. Ronzani, Erfolg, S. 72. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 72. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 72. Siehe Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 88. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 74 und 88. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 88.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Wie am Beispiel der Risikoerhöhungslehre veranschaulicht, stellt das Risikodenken eine „Ausweichkategorie“ im Bereich des kausalen Verletzungsdenkens im Strafrecht dar.170 Hintergrund dieses von den traditionellen Vorstellungen von Verletzung und Zurechnung abweichenden Konzepts ist dabei u. a., dass strafrechtliche Haftung nicht mehr am konkreten Verletzungserfolg ausgerichtet, sondern an Bedrohungsszenarien festgemacht wird.171 Die strafrechtliche Zurechnung eines Erfolges nach diesem Gedanken der Risikoerhöhung wird dabei davon abhängig gemacht, ob der Täter diejenige Gefahr, die dann in den Erfolg umgeschlagen ist, gesteigert oder pflichtwidrig nicht vermindert hat.172 Doch auch die Zuhilfenahme dieser vordergründig ideal passenden Vorstellung von Erfolgsverwirklichung und Zurechnung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der typisch unklare Charakter des Rechtsgutes Umwelt173 auch dieses Konzept des Risikogedankens beeinflusst, und zwar über die Definition und Konkretisierung jenes entscheidenden haftungsbegründenden Risikos.174 Wie Ronzani treffend feststellt, entspricht die „Streuung der Schutzgesichtspunkte und Schädigungs- oder Belastungsprozesse“175 eben konsequenterweise auch „einer Streuung von Risiken unterschiedlicher Schädigungs- oder Belastungsrelevanz“176. Das heißt, dass sich das bereits erörterte Problem der Beschreibung des Rechtsgutes Umwelt sowohl in der Beschreibung der Verletzung dieses Rechtsgutes als auch in der Beschreibung einer entsprechenden Gefährdung fortsetzt. Das identifizierte Problem lässt sich also auch unter dem Aspekt des Risikogedankens nicht beseitigen – es verschiebt sich lediglich. Problematisch ist daher bei diesen Überlegungen zum Risikogedanken im Umweltstrafrecht wiederum die mangelnde Kenntnis über den Schadensverlauf, in diesem Fall entsprechend der Schädigungswahrscheinlichkeit. Es müsste „ein Minimum an Schädigungserfahrung“177, also an „Kenntnis über den Prozess der mutmaßlichen Rechtsgutsbeeinträchtigung“178 zur Verfügung stehen, um mit dem Risikogedanken sinnvollerweise im Umweltstrafrecht arbeiten zu können.

4. Fazit zur Zurechnung beim Kollektivrechtsgut Umwelt Das Kollektivrechtsgut Umwelt zeichnet sich – wie viele der ihm verwandten Rechtsgüter – durch ein erhebliches Maß an Unbestimmtheit aus. Dies ist zunächst Auslöser für erhebliche Probleme im Bereich der Erfolgsverwirklichung. Diese 170 171 172 173 174 175 176 177 178

Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 72. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 72. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 72, m. w. N. Siehe weiterführend Ronzani, Erfolg, S. 81. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 81. Ronzani, Erfolg, S. 81. Ronzani, Erfolg, S. 81. Ronzani, Erfolg, S. 81. Ronzani, Erfolg, S. 81.

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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Konsequenz ergibt sich auf den ersten Blick, denn eine Unschärfe in der Rechtsgutbeschreibung führt notwendigerweise auch zu einer Unschärfe bei der Frage, wann dieses Rechtsgut verletzt ist.179 Die Erfolgsverwirklichung ist allerdings nicht der Kernpunkt, an dem sich die Untersuchung in dieser Arbeit orientiert, sondern eben die Zurechnung. Sowohl Hassemer als auch Ronzani haben aufgezeigt, dass sich die Unschärfe für Fragen der Erfolgsverwirklichung nicht auf diese Ebene beschränken lässt, sondern weiter auf die Ebene der Zurechnung ausstrahlt. Das einmal identifizierte Problem der Unschärfe, welche sich aus dem Charakter des Rechtsgutes Umwelt als kollektives Rechtsgut ergibt, setzt sich fort in der Erfolgsverwirklichung, der Zurechnung und auch bei der Definition eines haftungsbegründenden Risikos. Der Versuch, mit Hilfe aufgeweichter Tatbestands- und Zurechnungsvoraussetzungen das Problem der Unbestimmtheit einzufangen, führt zwar dazu, dass die Strafbarkeit fast beliebig weit vor eine Rechtsgutsverletzung verlagert werden kann und dadurch auch die Zurechnungsproblematik zumindest entschärft wird.180 Allerdings bleibt festzuhalten, dass auch auf diesem Wege – bei dem das Wissen über einen Zurechnungszusammenhang durch die Wahrscheinlichkeit eines solchen ersetzt wird – Unsicherheiten bleiben. Denn auch in diesem Falle muss wiederum auf den mangelnden Erkenntnisschatz verwiesen werden. Und der Hinweis auf das Kollidieren mit traditionellen Rechtsstaatsprinzipien erübrigt sich nahezu angesichts der lauten und unüberhörbaren Kritik.

III. Zurechnungsproblematik aufgrund der Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut Das Rechtsgut der Umweltdelikte weist neben dem im vorigen Kapitel beschriebenen Aspekt der Kollektivität noch einen weiteren, diesem wie gespiegelt gegenüberstehenden Gesichtspunkt auf. Denn neben dem Faktum, dass es sich bei der Umwelt um ein Rechtsgut handelt, bei dem sich eine Verletzung negativ auf die Allgemeinheit (das Kollektiv) auswirkt, wird das Rechtsgut der Umweltdelikte auch von genau jener Allgemeinheit selbstverständlich genutzt und dabei gefährdet oder sogar verletzt. Beim Umweltstrafrecht existiert eine gewisse Deckungsgleichheit zwischen Geschädigtem und Schädigern. Wie bereits ausgeführt181 deckt sich diese Eigenschaft des Rechtsgutes Umwelt mit der volkswirtschaftlichen Sichtweise der Umwelt als sog. öffentliches Gut. Die dort so bezeichnete „Nicht-Rivalität“ bezeichnet genau den Aspekt der Umwelt, nach welchem zur gleichen Zeit mehrere Individuen die Umwelt als öffentliches Gut

179 180 181

Siehe dazu auch Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 87. Siehe C.I.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

konsumieren oder eben – juristisch ausgedrückt – die Umwelt als Rechtsgut schädigen.182 1. Umwelt als „kollektiv geschädigtes Rechtsgut“ Die für diesen Teil der Arbeit aufgestellte These lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das der Allgemeinheit zugutekommende geschützte Rechtsgut wird von eben jener Allgemeinheit auch selbstverständlich als Ressource genutzt – und dabei geschädigt. Auch Schünemann stellt bezüglich der Umweltdelikte fest, dass „der Verbrauch einer natürlichen Ressource ferner nicht nur durch die bisher im Zentrum des Umweltstrafrechts stehende Verschmutzung, sondern ebenso sehr durch den schlichten Verbrauch erfolgt“183. Dieser Ausgangsgedanke wird von weiteren Überlegungen in der Literatur gestützt. Ein ähnlicher Ansatz zum Verständnis der Besonderheiten des Umweltrechtsgutes findet sich bei Hefendehl. Dieser bezeichnet die Rechtsgüter im Umweltstrafrecht als „aufzehrbares gesellschaftliches Kontingent“184. Einerseits bringt er dadurch zum Ausdruck, dass es sich bei den Umweltrechtsgütern um beschränkte Rechtsgüter handelt, welche nicht beliebig reproduzierbar sind.185 Jedoch existieren auch Gegenargumente, die diese Aussage und somit die von Hefendehl identifizierte Sonderstellung des Rechtsgutes Umwelt unter den Kollektivrechtsgütern in Frage stellen: Denn genau genommen verfügt auch die Umwelt und insbesondere die über das Umweltstrafrecht geschützten Umweltmedien wie Luft, Boden und Gewässer über Selbstheilungsfunktionen, also Möglichkeiten, eine Verschmutzung wieder zu bereinigen oder zu neutralisieren. Dies kann durchaus im Widerspruch zu Hefendehls Beschreibung als eine Möglichkeit der „Reproduktion“ verstanden werden. Hefendehls von Schünemann übernommene Beschreibung hingegen, die die Umweltrechtsgüter als Rechtsgüter charakterisiert, bei denen ein „Mehr an Nutzung eine Behinderung weiterer Nutzer, zumindest aber künftiger Generationen“186 darstellt, erscheint dabei trennschärfer und nähert sich auch eher dem Aspekt der „Nutzung der Umwelt als Ressource an“, auch wenn er in einem generationenübergreifenden Kontext die „Nicht-Rivalität“ – wie sie in der volkswirtschaftlichen Einordnung als öffentliches Gut auftaucht187 – in Frage stellt. Diese Betrachtung greift ebenfalls den Gedanken auf, dass die Umwelt gleichzeitig geschütztes Rechtsgut und Ressource ist. Denn diesem Ressourcengedanken 182 Siehe C.I.2., sowie Neubäumer/Hewel/Lenk (Hrsg.) Volkswirtschaftslehre, S. 24; Arnold/Geier, Volkswirtschaftslehre, S. 108. 183 Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 16 ff. und S. 27. 184 Hefendehl, Rechtsgüter, S. 132 f. und S. 382. 185 Hefendehl, Rechtsgüter, S. 132. 186 Schünemann, in: GA 1995, S. 206 f. 187 Siehe C.I.2.

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Allgemeinheit heute, wie auch in künftigen Generationen, auf die Rechtsgüter der Umwelt, aber auch auf deren Nutzung und somit Beeinträchtigung angewiesen ist. Die Allgemeinheit – im Übrigen nicht ausschließlich der Mensch – nutzt die geschützten Rechtsgüter der Umweltdelikte und gefährdet sie auf diese Weise auch. Insoweit muss das Rechtsgut der Umweltdelikte über den Aspekt des kollektiven Rechtsgutes hinaus auch als kollektiv genutztes Rechtsgut verstanden werden. Es ist also im Unterschied zu anderen Kollektivrechtsgütern nicht eine Einzelperson, die das Rechtsgut durch eine konkrete Handlung gefährdet, sondern es handelt sich schon aufgrund der nahezu unbegrenzten Weite der Umweltdelikte stets um eine unbestimmte Anzahl an Personen, die das Rechtsgut zeitgleich gefährden bzw. verletzen. Von diesen tragen selbstverständlich einige sehr viel mehr und andere sehr viel weniger dazu bei, dass die letztendliche Verletzung bzw. Gefährdung eintritt. Während auf der Seite der Geschädigten das Rechtsgut Umwelt als kollektives Rechtsgut also nicht einer Einzelperson zugeordnet werden kann, sondern stattdessen gerade als Rechtsgut der Allgemeinheit zu bezeichnen ist, trifft diese Feststellung – sozusagen gespiegelt – auch auf die Schädiger zu. Denn auch dort lässt sich bezüglich einer Schädigung des Rechtsgutes Umwelt nicht davon ausgehen, dass eine Einzelperson für den letztendlich eingetretenen Schaden verantwortlich ist. Tatsächlich schädigt stets eine Vielzahl von Einzelpersonen das Rechtsgut188, deren schädigende Handlungen sich kumuliert im Schaden am Rechtsgut niederschlagen. Um dieser Parallelität oder Spiegelung Ausdruck zu verleihen, ließe sich bei großzügiger Sichtweise auch von einer kollektiven Schädigung sprechen, da es in einem weiten Verständnis von Schädigung die Allgemeinheit ist, die als Schädiger der Umwelt auftritt. Diese Ausdrucksweise lässt sich jedoch nur rechtfertigen, wenn auch jeder noch so minimale Beitrag jedes Einzelnen als Beitrag zur letztendlichen Schädigung gewertet wird. Denn nur dann kann davon die Rede sein, dass tatsächlich das Kollektiv der Einzelpersonen mit ihren Einzelhandlungen als (dann: Gesamt-) Schädiger auftritt. In Anbetracht der Tatsache, dass Umweltstrafrecht jedoch explizit Minimalbeiträge aus der Strafbarkeit ausschließen will189, sei im Folgenden exakter von einer kumulativen Schädigung die Rede. Diese Formulierung trägt besser dem Umstand Rechnung, dass es für das Rechtsgut Umwelt geradezu typisch ist, dass die letztendliche Schädigung nicht auf eine einzelne Handlung, sondern auf eine Vielzahl von Einzelhandlungen zurückzuführen ist. Im Folgenden wird nun auf die Probleme bei der Zurechnung eingegangen, die daraus resultieren, dass das Rechtsgut der Umweltdelikte typischerweise von mehreren schädigenden Handlungen zeitgleich betroffen ist. Wie Saliger korrekt feststellt, ist dieser Aspekt zwar durch die Ausgestaltung vieler Delikte als abstrakte 188 189

Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102. Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c)(aa).

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Gefährdungsdelikte entschärft.190 Zumindest sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass „der Verzicht auf den oft schwierigen Nachweis einer konkreten Gefahr oder Schädigung auch eine sachgerechte Lösung des Problems der kumulativen Umweltbelastung ermöglicht“191. Allerdings stellen sich Zurechnungsprobleme, die durch die Vielzahl an Schädigern hervorgerufen werden, jedenfalls noch bei den Verletzungs- und den konkreten Gefährdungsdelikten (§§ 324, 325a II, 328 III, 330 a StGB). Darüber hinaus kommen Kausalitätsprobleme auch bei Eignungsdelikten in Betracht.192 2. Die rechtliche Bewertung des Aufeinandertreffens mehrerer Handlungen Im Folgenden soll also die Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht unter dem Aspekt der Verletzung des Rechtsgutes durch mehrere, zeitgleich erfolgende Handlungen betrachtet werden. Die Schädigung der Umwelt beruht regelmäßig auf einer Vielzahl von Einzelhandlungen. In einer juristischen Betrachtungsweise hat dies die Konsequenz, dass zur gleichen Zeit unterschiedliche Kausalverläufe initiiert werden und dadurch sog. „Kumulations-, Summations- und synergetische Effekte erzeugen“193. Da es im Allgemeinen Teil des StGB keine speziellen Zurechnungsregelungen für das Umweltstrafrecht gibt und dort auch keine Regelungen über die Kumulationsproblematik zu finden sind, müssen die auftretenden Kausalitätsprobleme mit den allgemeinen Grundsätzen gelöst werden.194 Dies bedeutet jedoch, mit allgemeinen Grundsätzen eine Lösung für eine komplexe Situation zu finden, bei der mehrere Einzelpersonen durch unterschiedlichste Handlungen Kausalverläufe auslösen, welche dann „in der konkreten Ausprägung des Umweltmediums in schwer durchschaubarer Weise aufeinander treffen und sich dadurch gegenseitig verstärken oder hemmen“195. Wie bereits ausgeführt, wird in Literatur und Praxis196 oft über die fehlende Effektivität des Umweltstrafrechts geklagt. Sicherlich ist die fehlende bzw. nur schwer konstruierbare Möglichkeit der strafrechtlichen Erfassung jener sich akkumulierenden Effekte197 ein Teil des Problems. Dieser Aspekt der Zurechnungsproblematik 190

Siehe Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102. 192 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 102. 193 Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 143. 194 Speziell zu dem Tatbestand der Gewässerverunreinigung i. S. d. § 324 StGB vgl. Michalke, Umweltstrafsachen, S. 17. 195 Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 618. 196 Siehe dazu etwa: Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 6; Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 6 ff.; Otto, in: Jura 1991, S. 308, 309. 197 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 43, m. w. N.; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 80, im Endeffekt aber ablehnend. 191

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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wird noch verschärft, wenn die letztendlich relevanten Rechtsgutsschädigungen durch an sich straflose Einzelhandlungen verursacht werden. Dies ist nicht nur Grund für Beweisschwierigkeiten198, welche im Folgenden unter 4.a) dargestellt werden, es ergeben sich vielmehr aus dieser Besonderheit der Umweltdelikte auch besondere materiell-rechtliche Probleme bei der Anwendung der herkömmlichen Zurechnungslehren199, welche in Kapitel 4.b) erläutert sind. Zunächst soll jedoch unter 3. der Begriff der Kumulation vorgestellt werden. 3. Der Begriff der Kumulation Bei der Kombinationswirkung in Form der sog. Kumulationseffekte besteht schon bezüglich der Begriffsbestimmungen Uneinheitlichkeit in der Literatur. Da eine allgemein anerkannte Struktur nicht auszumachen ist, sollen im Folgenden in Anlehnung an die sehr ausführliche Darstellung bei Daxenberger200 die dort verwendeten Definitionen aufgegriffen werden. Sie scheinen der Situation des speziellen Rechtsgutes am besten Rechnung zu tragen, da sie an die Begriffsverwendung in der Ökotoxologie anknüpfen.201 Dies ist sachgerecht, da eine Schädigung am Ökosystem auch im juristischen Verständnis mehr als längerfristiger Prozess denn als punktuelle Beeinträchtigung verstanden werden muss. a) Kumulationseffekte Noch vor einer inhaltlichen Annäherung sei vorausgeschickt, dass der gerade im Zusammenhang mit der Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht sehr häufig fallende Begriff202 des Kumulationseffektes in der strafrechtlichen Literatur uneinheitlich gebraucht wird.203 Dabei bestehen insbesondere bei der Differenzierung zwischen den Begriffen des Summations- und des Kumulationseffektes unterschiedliche Auffassungen: Von einem Teil der Literatur204 wird der Begriff des Kumulationseffektes lediglich als ein Oberbegriff für all jene Effekte verwendet, die sich prinzipiell aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren ergeben. Bei dieser

198

Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 618. Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 618. 200 Siehe dazu Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 17 ff. 201 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 18. 202 Siehe dazu etwa Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 143; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 80 f., zum Tatbestand der Gewässerverunreinigung; Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 620 ff. 203 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 17. 204 Siehe etwa Saliger, Umweltstrafrecht, S. 109; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 148 und S. 80, wobei auf S. 80 f. dann durchgehend von „Summations- und Kumulationseffekten“ die Rede ist. 199

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Verwendung wird somit noch keine konkrete Aussage über die spezifische Art und Weise des Zusammenwirkens getroffen.205 Daxenberger hingegen verwendet den Begriff auch spezieller, um eine Addition mehrerer zeitlich aufeinander folgender Handlungen zu beschreiben206, wobei dies in einer weiter differenzierenden Betrachtung teilweise als die Handlungen eines einzelnen Täters, teilweise als Handlung mehrerer Täter verstanden wird.207 Eine mögliche Hilfestellung kann ein Verweis auf die Rechtsprechung liefern: Danach sind dann mehrere Handlungen als kumulativ kausal zu bezeichnen, wenn „die Handlungen unabhängig voneinander vorgenommen werden und den Erfolg erst durch ihr Zusammentreffen herbeiführen“208. Die Rechtsprechung geht also grundsätzlich nur von mehreren unabhängigen Handlungen aus, wobei es irrelevant ist, ob diese von einer oder mehreren Personen vorgenommen werden. Um bei der anschließenden Betrachtung mit einem einheitlichen Begriff arbeiten zu können, wird folgendermaßen unterschieden: Entsprechend dem Beispiel Daxenbergers209 wird wegen der Nähe des Umweltstrafrechts zur Ökotoxologie in Anlehnung an dieses Fachgebiet der Begriff „Kumulation“ zunächst noch unspezifiziert als Oberbegriff verwendet. Davon ausgehend wird erst in einem weiteren Schritt danach differenziert, in welcher speziellen Art und Weise die umweltbeeinträchtigenden Faktoren zusammenwirken. Der Begriff beschränkt sich somit zunächst darauf, dass er „von einem generellen Zusammenwirken von Immissionen in einem Belastungsgebiet ausgeht“210. Erst die Begriffe des Summations- und des synergetischen Effektes bezeichnen demgegenüber bestimmte Arten des Zusammenwirkens.211 b) Summationseffekte Unter einem Summationseffekt sind entsprechend der von Daxenberger vorgenommenen Unterscheidung Effekte zu verstehen, die „aufgrund mehrerer Schadstoffeinträge in einem Umweltmedium entstehen und in ihrer Wirkung der Summe der Einzelbelastungen entsprechen“212. Die Art der Einleitung in das Umweltmedium kann dabei gleichzeitig oder sukzessiv erfolgen. Doch die Einleitungen sind dabei von gleicher oder zumindest ähnlicher Beschaffenheit.

205

Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 45. Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 17. 207 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 17, m. w. N. 208 BGHSt 37, 131; siehe weiterführend Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13 ff., Rn. 83, m. w. N. 209 Siehe Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 17 ff.; ebenso Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 23. 210 Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 18. 211 Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 45. 212 Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 24. 206

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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Ein anderer Fall von Summation liegt dann vor, wenn verschiedene Einzelbelastungen mit gleicher Wirkung zusammentreffen. Im Unterschied zu dem ersten beschriebenen Fall besteht hierbei das Problem nicht allein in der mengenmäßigen Summation der Schadstoffe. Bei diesen additiven Effekten liegt der Schwerpunkt auf dem Zusammentreffen der Wirkungen, die die Schadstoffe jeweils auslösen. Relevant für die juristische Behandlung und dabei für die Frage der Zurechnung ist hierbei die Tatsache, dass in beiden Alternativen jede Einzelbelastung für sich gesehen in aller Regel nicht oder nur in geringem Maße kausal für eine Verletzung des Rechtsgutes ist. Diese besondere Situation wird begleitet von dem Umstand, dass sich bei den additiven Effekten schon die Diagnose der Schädigungsrelevanz der einzelnen Belastungsbeiträge und in einem weiteren Schritt deren Zuordnung zu einem individuellen Fehlverhalten als äußerst problematisch erweist.213 Wie bereits beschrieben handelt es sich oftmals eben nicht rein um ein Mengenproblem der eingeleiteten Stoffe, sondern um ein Zusammentreffen ihrer Wirkungen. Diese komplexen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, in denen zusätzlich noch äußere Faktoren wie das Wetter oder das Klima eine Rolle spielen, führen in der juristischen Beurteilung teilweise dazu, dass sich auch ein Fall der sog. alternativen Kausalität nicht per se annehmen lässt. Denn ein Fall der alternativen Kausalität läge nach der sog. „Eliminierungsformel“214 genau dann vor, wenn von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber gerade nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass deren Erfolg entfiele, jede für den Erfolg ursächlich wäre.215 Bei den Summationseffekten ist schon im Sinne dieser Definition nicht klar, ob die Handlungen alternativ oder nur durch das kumulative Zusammenwirken zu der konkreten Rechtsgutschädigung geführt haben – oder ob zudem noch ein äußerer Faktor hinzukommen musste, um die konkrete Rechtsgutschädigung zu bewirken. Schließlich kommt es gerade auf das in diesem spezifischen Fall so erfolgte Zusammenwirken der unterschiedlichen Beiträge an, welches für die konkret eingetretene Schädigung am Rechtsgut verantwortlich ist und die Rechtsgutsverletzung begründet. c) Synergetische Effekte Auch wenn die Summationseffekte sich bereits durch einen hohen Grad an Komplexität auszeichnen, ergeben sich noch wesentlich vielschichtigere Wirkungsstrukturen im Zusammenhang mit sog. synergetischen Effekten. Wiederum der Definition von Ronzani folgend liegen solche vor, wenn „als Resultat des Zusammentreffens von zwei oder mehreren verschiedenen Faktoren neue, häufig unerwartete Effekte auftreten oder die Wirkung einzelner Belastungen unverhältnismäßige Verstärkung erfährt“216. Die nicht nur juristisch äußerst schwer zu fassende 213 214 215 216

Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 47. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 26 m. w. N. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 26. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 47.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Eigenheit des synergetischen Effektes liegt darin, dass der Anstieg der Schädigungswirkung demnach nicht linear verläuft, sondern gerade überproportionale Ausmaße annimmt, die letztendlich zu gänzlich neuartigen Wirkungen führen.217 Entscheidend ist es dabei, festzuhalten, dass die Gesamtwirkung größer ist als die Summe der Einzelbelastungen.218 Wie auch bei den additiven Effekten219 führt das dazu, dass aufgrund des nahezu unüberblickbaren Zusammenwirkens von Einzelwirkung, Ursachenketten und Wirkungskreisläufen die Resultate kaum noch auf individuelle Verhaltensweisen zurückzuführen sind. 4. Auswirkungen der Kumulation Dieses unvorhergesehene und ungeplante Aufeinandertreffen der verschiedenen Handlungen hat unterschiedlichste Konsequenzen: einerseits aus rein naturwissenschaftlicher Sicht – dies soll jedoch Aufgabe der Ökotoxologen bleiben. Andererseits sind diese Kombinationswirkungen auch von erheblicher Relevanz im juristischen Bereich. Dabei zeigen sich die Folgen sowohl im Bereich des Strafprozesses a) als auch insbesondere im materiellen Recht b). a) Kumulative Schädigung als Problem im Verfahrensrecht Ein Problem der Kumulationseffekte sind die Beweisanforderungen: Zu Beginn der Untersuchung dieser Schwierigkeiten sei noch einmal festgehalten, dass dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zufolge für eine strafrechtliche Verantwortungszuschreibung im Strafprozess ein eindeutiger Kausalitätsnachweis zwischen Handlung und Erfolg verlangt wird.220 Angesichts der oben dargestellten, schon naturwissenschaftlich kaum zu durchdringenden Kumulationswirkungen bereitet dieser eindeutige Kausalitätsnachweis gerade im Umweltstrafrecht erhebliche Schwierigkeiten. Den naturwissenschaftlich-technisch komplexen Sachverhalten, für welche die Kumulations- bzw. Summations- und synergetischen Effekte verantwortlich sind, stehen oft „technisch schlecht ausgestattete Polizeibeamte und Staatsanwälte gegenüber“221. Die Feststellung einzelner Verursachungsbeiträge, beispielsweise bei der Gewässerverschmutzung, wird außerdem durch Ungenauigkeiten von Mess- und Analyseverfahren erschwert.222 Doch neben diesen Aspekten, die bereits die Erfassung der jeweiligen Schädigung bzw. der Schädigungszusammensetzung im

217

Vgl. Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 25. Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 47. 219 Siehe C.III.3.b). 220 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 43. 221 Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 143; vgl. auch Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 618. 222 Vgl. Lotz, in: Meinberg/Möhrenschlager/Link (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 228 ff. 218

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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Einzelnen erschweren, bestehen auch in der daran anschließenden juristischen Bewertung Schwierigkeiten im Strafverfahren. aa) Nachweisschwierigkeiten beim Kausalzusammenhang Aus den oben beschriebenen unterschiedlichen Kumulationseffekten ergeben sich für das Strafrecht bzw. genauer das Strafverfahren Beweisprobleme. Dies betrifft insbesondere die genaue Differenzierung der einzelnen kausalen Tatbeiträge, wie sie im Umweltrecht klassischerweise oft auftreten. Bei Gewässer- und Luftverunreinigungen gilt es als geradezu typisch, dass Immissionen, die zu einer Schädigung führen, aus mehreren Quellen stammen.223 224 Auch wenn zumindest nach Kloepfer die rechtliche Behandlung der kumulativen Kausalität durch die Rechtsprechung unzweifelhaft beantwortet ist und auch keine größeren Probleme mehr aufwirft, so verweist er doch auf die faktischen Nachweisprobleme, die etwa im Hinblick auf den jeweiligen Verursachungsanteil entstehen.225 Exemplarisch wird eine Entscheidung des LG Bad Kreuznach226 angeführt, in der bereits der hinreichende Tatverdacht gem. § 203 StPO wegen der Annahme abgelehnt wurde, dass auch im Hauptverfahren nicht abschließend geklärt werden könne, ob nicht ein anderer Betrieb227 allein für die letztendlich eingetretene Schädigung verantwortlich sei. Diese Entscheidung und insbesondere ihre Begründung stehen stellvertretend für die missliche Situation, die eintritt, wenn die relative Unsicherheit naturwissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeiten auf die hohen Beweisanforderungen in der strafrechtlichen Praxis trifft. Letztendlich ist den Gerichten bei der Beurteilung von durch Kumulationseffekte ausgelösten Straftatbeständen nur ein Mittel an die Hand gegeben: Sie sind auf naturwissenschaftliche Gutachten angewiesen. Doch oftmals sind auch Gutachten nicht in der Lage, den für eine Verurteilung erforderlichen Kausalitätsnachweis mit der für ein rechtsstaatliches Verfahren notwendigen Beweissicherheit zu erbringen.228 Die Rechtsprechung hat deshalb in der Praxis immer wieder nach neuen Lösungen für dieses Dilemma gesucht, um gleichzeitig eine Möglichkeit zur Steigerung der Effektivität der Tatbestände zu schaffen. 223

Vgl. Bloy, in: JuS 1997, S. 581. Siehe C.III.3. 225 Vgl. zum Tatbestand der Gewässerverunreinigung Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 80 ff. 226 Siehe LG Bad Kreuznach, NVwZ-RR 1993, 403. 227 Wenn hier von der „Strafbarkeit eines Unternehmens“ oder eines – hier in Anlehnung an Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 31, mit dem Unternehmen gleichgesetzten – „Betriebes“ die Rede ist, erfolgt dies aus rein sprachlichen Gründen und meint die Gruppe der Unternehmensangehörigen, da Unternehmen, wie ausführlich dargestellt, keine strafrechtlichen Handlungen vornehmen, sondern nur die dort beschäftigten natürlichen Personen. Dazu näher oben B.I.2.a)aa). 228 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 44. 224

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

In diesem Zusammenhang ist die Feststellung in einem Urteil des BGH229 zur Gewässerverunreinigung zu erwähnen, nach dem auch komplexe Sachverhalte nicht dazu führen dürften, dass „die Gerichte von einer ins Einzelne gehenden Würdigung der Umstände unter Einbeziehung von geeigneten Erfahrungswerten absehen“230 dürften. In dem zitierten Urteil231 hatte der BGH ein freisprechendes Urteil mit genau der bereits zitierten Begründung, die auch das LG Bad Kreuznach angewandt hatte232, aufgehoben, wonach die Feststellung einer Gewässerverunreinigung als unmöglich bezeichnet wurde, da die chemische Zusammensetzung und die jeweils eingeleitete Menge des verschmutzenden Stoffes nicht ermittelt werden konnte. Intensiver – und man möchte sagen: lösungsorientierter – hat sich der BGH mit den Beweisanforderungen im Rahmen der Kausalität in zwei äußerst bekannten Entscheidungen beschäftigt, welche zwar nicht im Umweltstrafrecht zu verorten sind, jedoch in dem gerade in dieser Thematik durchaus vergleichbaren Produktstrafrecht. Da gewisse Parallelen zwischen der Zurechnungsschwierigkeit im Umweltstrafrecht und den entschiedenen Sachverhalten zu finden sind, seien diese hier kurz vorgestellt. bb) Lösung der Schwierigkeiten im Kausalitätsnachweis nach dem Ausschlussprinzip – die Lederspray-Entscheidung des BGH Zumindest einen Lösungsversuch oder Lösungsansatz zur juristischen Handhabung komplexer Kausalitätszusammenhänge stellte der BGH in seinem viel zitierten Lederspray-Fall233 dar. Neben Ausführungen über die Kriterien der Täterschaft und der Garantenhaftung behandelt die Entscheidung auch Fragen der Kausalität und der Zurechenbarkeit. Ähnlich wie in den vorgestellten Fällen des Umweltstrafrechts ließ sich hier der Kausalitätsnachweis für eine Rechtsgutsschädigung – in diesem Fall eine eingetretene Körperverletzung – nach Benutzung eines Ledersprays nicht eindeutig erbringen. Die Substanzkombination, von welcher die Rechtsprechung annahm, dass sie für die Gefährlichkeit der Gesundheitsbeeinträchtigung verantwortlich sei, ließ sich aus toxikologisch-naturwissenschaftlicher Sicht nicht exakt identifizieren. Als Revisionsinstanz nahm der BGH jedoch an, dass es für die Feststellung der Schadensursächlichkeit irrelevant sei, dass bis zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung nicht geklärt werden konnte, welche Substanzen oder welche Substanzkombinationen genau verantwortlich dafür waren, dass „das Produkt seine spezifische Eignung zur Verursachung gesundheitlicher Schäden“234 erhielt. Der 229

Siehe BGH NVwZ 1991, 231; ZfW 1991, 231; NuR 1991, 498. BGH NVwZ 1991, 231; ZfW 1991, 231; NuR 1991, 498. 231 Siehe BGH NVwZ 1991, 231; ZfW 1991, 231; NuR 1991, 498. 232 Siehe LG Bad Kreuznach, NVwZ-RR 1993, 403. 233 Siehe BGHSt 37, 106; NJW 1990, 2560; NStZ 1990, 587; JR 1992, 30; JZ 1992, 257, wistra 1990, 342. 234 BGHSt 37, 106; NJW 1990, 2560; NStZ 1990, 587; JR 1992, 30; JZ 1992, 257, wistra 1990, 342. 230

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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BGH stimmte der Vorinstanz in der Schlussfolgerung zu, nach der die Schadensursächlichkeit sich allein aus signifikanten Übereinstimmungen der einzelnen Krankheits- bzw. Heilungsverläufe der Opfer und den Resultaten aus Tierversuchen mit dem entsprechenden Lederspray ableiten ließ. Diese Art der Überzeugungsbildung ist nach Ansicht des BGH rechtmäßig, da es für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs genügen müsse, dass „alle anderen in Betracht kommenden Schadensursachen aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung ausgeschlossen werden können“235. Die Lösung des BGH sieht also vor, dass ein Kausalitätsnachweis nach dem Ausschlussprinzip möglich sein soll. Wenn es im Laufe des Verfahrens nicht möglich ist, den eingetretenen Schaden vernünftigerweise durch andere Kausalzusammenhänge zu erklären, so gilt der angenommene Ursachenzusammenhang als nachgewiesen. Inwieweit dies noch mit dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu vereinbaren ist, bleibt jedoch weitgehend offen.236 cc) Aufweichung des Kausalitätsnachweises – die Holzschutzmittelentscheidung des BGH Der oft in einem Atemzug mit dem Lederspray-Fall genannte Holzschutzmittelprozess des BGH237 befasst sich ebenfalls mit Problemen des Kausalzusammenhangs. In dieser Entscheidung „lockerte der BGH die Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis der Kausalität zugunsten eines Ausschlussverfahrens noch weiter“238. Im vorliegenden Fall waren zwei Geschäftsführer eines führenden Holzschutzmittelherstellers wegen fahrlässiger Körperverletzung und Freisetzung von Giften vom LG Frankfurt239 verurteilt worden. Ausgelöst wurde der Prozess, da sich mehrere Opfer über gesundheitliche Beeinträchtigungen beklagt hatten, nachdem sie das Holzschutzmittel – wie auf der Verpackung des Herstellers angegeben – in Innenräumen verwendet hatten. Obwohl – wie auch beim Lederspray-Fall240 – ein naturwissenschaftlich-toxikologischer Nachweis nicht erbracht werden konnte, wurde der Kausalzusammenhang letztendlich bejaht. Überraschend ist diese von der Rechtsprechung gebilligte Ungenauigkeit – gerade auch gegenüber dem „in dubio pro reo“-Grundsatz – außerdem, weil die Symptome der Opfer relativ unterschiedlich waren. Letztlich bedeutet die Entscheidung nichts anderes, als dass ein vereinfachter Beweisweg für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs akzeptiert 235 BGHSt 37, 106; NJW 1990, 2560; NStZ 1990, 587; JR 1992, 30; JZ 1992, 257, wistra 1990, 342. 236 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 106 f. 237 Siehe BGHSt 41, 206; NJW 1995, 2930; NStZ 1995, 590; JA 1996, 189; JZ 1996, 342. 238 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 40. 239 Siehe LG Frankfurt, in: ZUR 1994, S. 33 f. 240 Siehe BGHSt 37, 106; NJW 1990, 2560; NStZ 1990, 587; JR 1992, 30; JZ 1992, 257, wistra 1990, 342.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

wurde, der sich nicht auf die toxikologischen Beurteilungen der Fachwissenschaft stützte, sondern lediglich auf Einschätzung des Vorsitzenden Richters unter Berücksichtigung der konkreten medizinischen Diagnose. Der BGH lässt es mithin genügen, dass jedenfalls eine „Mitursächlichkeit des Produktes für die eingetretenen Gesundheitsschäden zweifelsfrei festgestellt“241 wurde. In einer abstrakten Betrachtungsweise bedeutet das, dass der BGH für den Nachweis der Kausalität darauf verzichtet, dass „entweder die schädliche Wirkungsweise nachgewiesen wird“242 oder zumindest „alle weiteren noch möglichen Ursachen ausgeschlossen werden“243, wie er es noch bei der Lederspray-Entscheidung gefordert hatte.244 Diese von der Ausgangsinstanz akzeptierte vereinfachte Nachweisbarkeit wurde ebenfalls vom BGH in dieser Form gestützt. dd) Kritik an dieser sog. generellen Kausalität Diese beiden vorgestellten Wege des BGH, welche eingeschlagen wurden, um die Beweisschwierigkeiten für komplexe Kausalitätsprobleme zu lösen, sind in der Literatur – wenig überraschend – äußerst umstritten.245 Hauptsächlich wurde beanstandet, dass es auch in solch komplexen Fallsituationen eine sog. generelle Kausalität im Strafrecht nicht geben dürfe: Auch in Fällen wie den vorliegenden, in denen es keine exakten Aussagen, Erfahrungen und Nachweise über den typischen Geschehensablauf gibt, lässt sich der geforderte Nachweis des Ursachenzusammenhangs nicht einfach auf eine lediglich vom Gericht so angenommene Kausalität stützen.246 Denn letztendlich leitet sich diese aus nichts anderem als ungesicherten Erkenntnissen her.247 Diese Tendenz der Rechtsprechung, bei schwieriger oder gar unmöglicher Feststellung des naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhangs den Kausalitätsnachweis auf dem Wege der freien Beweiswürdigung durch eine letztlich rein subjektive Überzeugung oder Einschätzung des Richters zu ersetzen, führe nach Daxenberger in weiten Bereichen zu einer Aushebelung des Grundsatzes „in dubio pro reo“248. Dieser Einschätzung schließen sich sogar die Vertreter an, die noch in jenen Fällen die freie Beweiswürdigung bezüglich der Zurechnung im Prozess für akzeptabel erachten, in denen „nur“ Meinungsverschiedenheiten über die Kausalität bestehen.249 241 242 243 244 245 246 247 248 249

Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 41. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 41. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 41. Siehe C.III.4.a)bb) sowie Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 40 f. Siehe dazu Saliger, Umweltstrafrecht, S. 106 f.; Kuhlen, in: NStZ 1990, S. 566. Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 45. Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 45. Siehe Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 45. Maiwald, Kausalität, S. 108 f.; Kleine-Cosack, Kausalitätsprobleme, S. 39 f.

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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Bei echten Zweifeln am Kausalitätsverlauf jedoch – so Maiwald – sei wegen des „in dubio pro reo“-Grundsatzes die für den Beschuldigten günstigste Hypothese zugrunde zu legen.250 Eine weitere Überlegung, die die Lösungen der Rechtsprechung in Frage stellen könnte, ist der von Heine beschriebene Umstand, dass der von der Rechtsprechung mit diesen Urteilen eingeschlagene Weg faktisch sogar auf eine Beweislastumkehr hinausläuft.251 Nach Daxenberger mag eine solche zwar im Zivilrecht noch diskutabel sein – im Strafrecht mit seinem repressiven Charakter ist sie jedoch als vollkommen inakzeptabel zu verwerfen.252 Selbstverständlich ist der Hintergrund der von der Rechtsprechung vorgelegten, vereinfachten Nachweisbarkeit nachzuvollziehen. Schließlich scheitern viele Prozesse im Umweltstrafrecht ebenso wie im Produktstrafrecht an den Kumulationseffekten und den von ihnen ausgelösten komplexen Ursachenzusammenhängen, welche die Zurückverfolgung des eingetretenen Erfolges zum Täter erheblich erschweren. Jedoch ist es äußerst fragwürdig, wenn hier der Zweck die Mittel heiligen soll. Daxenberger teilt die Einschätzung, dass dieses Motiv nicht dazu führen dürfe, dass auch bei durch Kumulationseffekten ausgelösten Schädigungen auf den konkreten Nachweis eines naturwissenschaftlichen Zusammenhangs zwischen Emission und Erfolgseintritt253 verzichtet werde. b) Materiell-rechtliche Auswirkungen des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren Nachdem nunmehr Auswirkungen der Kumulation von Schädigungshandlungen (und Schädigungswirkungen) im Bereich der Verfahrensrechte benannt wurden, richtet sich der Fokus im Folgenden auf die Auswirkung jener Kumulationseffekte auf das materielle Recht. aa) Abweichen des Kausalverlaufs Die Abgrenzung zwischen den im Rahmen des Abweichens des Kausalverlaufs diskutierten Konstellationen des Irrtums über den Kausalverlauf und des atypischen Kausalverlaufs wird von einigen Autoren schon nicht mehr klar vorgenommen254 bzw. nur noch unter dem gemeinsamen Punkt „Abweichen des Kausalverlaufs“ 250

Siehe Maiwald, Kausalität, S. 108 f. Vgl. Heine, JZ 1995, 651 f. 252 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 46. 253 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 46. 254 Siehe etwa Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 127; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 54; anders hingegen Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 75 und 97, die anscheinend sowohl den „atypischen Kausalverlauf“ als auch einen „Irrtum über den Kausalverlauf“ prüfen. 251

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

behandelt. Letztendlich geht es in beiden Fällen um die Lösung der gleichen Problemstellung – der Unterschied liegt in der Einordnung und der Terminologie. Auslöser dieses Aspektes der Zurechnungsproblematik ist immer, dass sich im Umweltstrafrecht das Schädigungsszenario aufgrund komplexer Kumulationszusammenhänge oft so darstellt, dass einzelne, individuelle Handlungen oder Entscheidungen nur unter Berücksichtigung eines „äußerst diffusen, vom Individuum meist nicht beeinflussbaren und somit auch kaum durchschaubaren, systemspezifischen Kontextes als tatsächliche Schädigungshandlungen definiert werden können“255. Während dieser Umstand teilweise bereits auf Ebene der objektiven Zurechnung gelöst wird256, behandelt ein anderer Teil das Problem im Rahmen des subjektiven Tatbestandes – wieder andere halten beides für möglich257. (1) Problemeinordnung als Fall der objektiven Zurechnung oder des Vorsatzes Nach der zunehmend vorherrschenden Auffassung betrifft diese Frage überwiegend ein Problem der objektiven Zurechenbarkeit258 – allerdings wird auch eine Einordnung in den Bereich des Vorsatzes nach der bisherigen Ansicht noch vertreten.259 Der dogmatische Ansatz der ersten Sichtweise ist, dass mit der Entwicklung der Lehre von der objektiven Zurechenbarkeit in diesen Fallgruppen eines Abweichens vom vorgestellten Kausalverlauf der Vorsatz schon kaum mehr eine Rolle spielt: Denn wenn eine Kausalabweichung dazu führt, dass der Erfolg dem Verursacher objektiv nicht als sein Werk zugerechnet werden kann, stellt sich die Frage nach dem Vorsatz schon nicht mehr.260 Erst wenn die objektive Zurechnung zu bejahen sei, hänge die subjektive Zurechnung davon ab, ob das Tatgeschehen dem Plan des Täters entspreche.261 Dies sei jedoch nur in den seltensten Fällen noch denkbar, etwa wenn 255

Ronzani, Erfolg, S. 48. Siehe etwa Roxin, Strafrecht AT, § 12 Rn. 151 ff. 257 Siehe etwa Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 75 und 97. 258 Siehe Roxin, Strafrecht AT, § 12 Rn. 151 ff.; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 54; Gropp, Strafrecht AT, S. 471; Kühl, Strafrecht AT, S. 366; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 115; Schröder, in: LK, § 16, Rn. 17; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 97, der in Fällen des atypischen Kausalverlaufs die objektive Zurechnung verneint, den Irrtum über den Kausalverlauf jedoch weiterhin im subjektiven Tatbestand über § 16 I StGB löst. 259 Siehe Krey, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 143, nach dem der Vorsatz entfällt, sich allerdings für das Kriterium der Vorhersehbarkeit an den normativen Kriterien der objektiven Zurechenbarkeit orientiert; ebenso: Kaufmann, in: FS für Jescheck, 1985, S. 260 ff. Die Rechtsprechung prüft diese Fälle ebenfalls im subjektiven Tatbestand im Rahmen der subjektiven Zurechnung, wendet dort aber die Maßstäbe der Adäquanzbeurteilung, also Kriterien der objektiven Zurechenbarkeit, an, BGHSt 23, 133, 135. 260 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 12, Rn. 152. 261 Vgl. Gropp, Strafrecht AT, S. 153. 256

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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die objektive Zurechnung zwar bejaht werde, obwohl das tatsächliche Geschehen erheblich von dem abweiche, was sich der Täter vorgestellt habe. Kühl262 erscheint es eher zweifelhaft, dass der Vorsatz wegen eines Irrtums über den Kausalverlauf ausgeschlossen werden kann, wenn die objektive Zurechnung beispielsweise wegen Beherrschbarkeit des Geschehensablaufs oder der Realisierung der vom Täter geschaffenen Gefahr bejaht worden ist. Man denke nur an Fallgestaltungen, in denen der Täter effektiv nicht mit Verlaufsabweichungen gerechnet hatte, diese aber objektiv voraussehbar waren.263 Stratenwerth/Kuhlen modifizieren zur Veranschaulichung dieser Fallgestaltung das bekannte Schulbeispiel des Brückenwurfes264 so, dass das vom Täter ins Wasser gestoßene Opfer, welches nach dem Willen des Täters ertrinken soll, des Schwimmens kundig ist, aber dann durch den Aufprall auf das Brückenfundament getötet wird.265 Die Vertreter einer Behandlung des Problems im Rahmen der objektiven Zurechenbarkeit führen teilweise zur Stützung ihrer Ansicht an, dass es nicht nur auf die Adäquanz des Geschehensablaufs ankommen dürfe, um die Vorhersehbarkeit eines Kausalverlaufs zu beurteilen, sondern auf bestimmte normative Kriterien. Diese würden richtigerweise in der objektiven Zurechenbarkeit verortet.266 Auch die Ausführungen von Wessels/Beulke sprechen für267 eine Problemeinordnung im Rahmen der objektiven Zurechenbarkeit. Danach könnte die Komplexität bei den Ursache-Wirkungs-Beziehungen speziell als Fall eines sog. atypischen Kausalverlaufs behandelt werden. Denn dieser liege grundsätzlich immer dann vor, wenn der „eingetretene Erfolg völlig außerhalb dessen liegt, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung noch in Rechnung zu stellen ist“268. Wessels/Beulke arbeiten bei dieser Beurteilung mit normativen Erwägungen auf Grundlage eines Wahrscheinlichkeitsvergleichs, um zu entscheiden, ob sich im konkreten Erfolg die vom Täter gesetzte Bedingung realisiert hat. Folge dieser Undurchsichtigkeit der Schadensverläufe wäre nach der Pro262

Siehe Kühl, Strafrecht AT, S. 367. Vgl. Kühl, Strafrecht AT, S. 367; weitergehend: Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 54 a, nach denen sich die Frage von der Vorsatzzurechenbarkeit trotz Zugrundelegung der Lehre von der objektiven Zurechnung dann stellt, wenn ein Zielobjekt an einer anderen Stelle oder in anderer Form als gewollt beeinträchtigt wird. 264 Siehe Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 75. 265 Vgl. Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 116. 266 Vgl. Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 116. 267 Zumindest auch, denn anscheinend hält Wessels/Beulke ein Nebeneinander der Einordnung des Problems sowohl auf Ebene der Zurechnung als auch im Rahmen des subjektiven Tatbestandes für möglich, vgl. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 75 und 97; a. A. dazu Roxin, Strafrecht AT, § 12 Rn. 152, der davon ausgeht, dass bei Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit für eine Behandlung auf Ebene des subjektiven Tatbestandes schon kein Bedarf mehr sei. 268 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 75. 263

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

blemdiskussion von Wessels/Beulke, dass bereits die objektive Zurechenbarkeit – und zwar mangels Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs – entfällt. Der von Gropp so bezeichnete „altmodischere Ansatz“269 der subjektiven Zurechnung in Form des Irrtums wird auch heute noch von der Rechtsprechung vertreten. Kernidee der Lehre des Irrtums über den Kausalverlauf ist es, dass der Vorsatz aufgrund des Abweichens vom vorgestellten zum tatsächlichen Kausalverlauf wegen eines Irrtums entfällt – denn schließlich verlangt es die Definition des Tatbestandsvorsatzes, dass auch der Kausalverlauf in seinen wesentlichen Umrissen umfasst sein muss.270 Dazu ist eine nicht unwesentliche Abweichung des wirklichen vom vorgestellten Tatverlauf erforderlich.271 Letztendlich läuft dies darauf hinaus, dass auch bei diesem altmodischeren Ansatz ähnliche Kriterien wie bei der objektiven Zurechnung geprüft werden, allerdings im Rahmen des vorgestellten Ablaufs des Tatplans.272 Tatsächlich sind an diese Fallgruppe sehr hohe Anforderungen zu stellen. Eine Abweichung des Kausalverlaufs ist nach gefestigter Rechtsprechung273 und ganz überwiegender Ansicht in der Literatur274 bedeutungslos, wenn sie sich noch innerhalb der Grenzen des nach der allgemeinen Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat zulässt.275 Es stellt sich bei einem Verneinen der objektiven Zurechenbarkeit jedoch das Problem, dass konsequenterweise auch eine Fahrlässigkeitstat mangels objektiver Zurechenbarkeit bzw. Pflichtwidrigkeitszusammenhangs ausscheiden muss.276 Aufgrund dieser Zuordnungsschwierigkeiten, die mit guten Gründen auch für eine Auswirkung erst im subjektiven Tatbestand sprechen, soll im Rahmen dieser Arbeit nur überblicksartig auf das von einer abschließenden Klärung noch weit entfernte Problem des Irrtums über den Kausalverlauf eingegangen werden. Dies ist auch mit der verschwindend geringen praktischen Bedeutung zu begründen, die sich

269

Gropp, Strafrecht AT, S. 471. Vgl. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 96; a. A. Schröder, in: LK, § 16, Rn. 29. 271 Vgl. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 96. 272 Vgl. BGHSt 14, 193, 194; ebenso: Krey, Strafrecht AT, S. 144. 273 Siehe dazu BGHSt 7, S. 325; 14, S. 193; 23, S. 133. 274 Siehe dazu Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 96; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 55; kritisch bezüglich des nach seiner Ansicht „inhaltsleeren“ Erfordernisses der „rechtlich-sittlichen“ Gleichwertigkeit von wirklichem und vorgestelltem Kausalverlauf: Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 116. 275 Vgl. BGHSt 23, S. 135; 38, S. 34; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 55; m. w. N. 276 Vgl. Puppe, in: NK, § 16, Rn. 96; anders hingegen Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/ Sch, § 15, Rn. 55, die dann mit Verweis auf BGH NJW 56, 1448 entgegen Rn. 54 a doch wieder den Vorsatz entfallen lassen. 270

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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aus der Strenge der Kriterien277 ergibt, nach denen eher ausnahmsweise ein solcher Irrtum über den Kausalverlauf angenommen werden kann. (2) Sachverhalte im Umweltstrafrecht Die komplexen Wirkungsweisen von mehreren aufeinandertreffenden schädigenden Handlungen im Umweltstrafrecht bieten viel Anlass für Erwägungen der Zurechnung und insbesondere der oben aufgeführten Fallvarianten des Abweichens vom Kausalverlauf, die entweder auf Ebene des Vorsatzes oder bereits der Zurechnung behandelt werden. Liegt nun ein Fall vor, in dem der Schädiger aufgrund der im Anschluss an seine Handlung auftretenden komplexen Zusammenhänge die späteren Konsequenzen nicht überblickt, könnte dies nach Ansicht der Rechtsprechung zu einem Ausschluss des Vorsatzes über § 16 I StGB führen bzw. nach Ansicht der herrschenden Literatur daraus sogar bereits ein Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit resultieren.278 Liegt im Bereich des Umweltstrafrechts einer der beschriebenen Fälle von Kumulation vor, ist es durchaus denkbar, dass das naturwissenschaftliche Zusammenwirken auf den Gesamterfolg hin in Anbetracht der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mehr als erwartbar oder vorhersehbar bezeichnet werden kann. Diese Argumentation erschließt sich noch besser mit einem Blick auf einen der Schulbuchfälle279, der sich auf die Kumulationssituation im Umweltstrafrecht übertragen lässt. Danach verabreichen A und B dem C unabhängig voneinander eine allein nicht tödlich wirkende Giftdosis, wobei nur die Gesamtdosis zur Todesherbeiführung geeignet ist. Zwar ist die Kausalität nach der „conditio sine qua non“-Formel auch im Falle der kumulativen Kausalität zu bejahen.280 Jedoch stellt das Eingreifen des B bei der Beurteilung der Strafbarkeit des A – und umgekehrt – ebenfalls einen derart ungewöhnlichen Zustand dar, dass anzunehmen ist, dass niemand mit diesem Verhalten rechnen konnte. In diesen Fällen realisiert sich nicht die Gefahr, die der Täter geschaffen hat, sondern anderweitig begründete Risiken. Der Erfolg ist hier eher ein Werk des Zufalls als ein Werk des Täters. Dieses anschauliche Szenario lässt sich durchaus auf einen Sachverhalt mit kumulativen Effekten im Umweltstrafrecht übertragen: Dabei seien A und B zwei unabhängig voneinander agierende Schädiger, zum Beispiel zwei Unternehmen281, 277 278 279

S. 75. 280

Vgl. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 96. Zur Diskussion über die Einordnung siehe C.III.4.b)aa)(1). Siehe hier einen Fall zum atypischen Kausalverlauf nach Wessels/Beulke, Strafrecht AT,

Vgl. Gropp, Strafrecht AT, S. 142. Wenn im Folgenden von der „Handlung eines Unternehmens“ oder der „Zurechenbarkeit eines Verhaltens zu einem Unternehmen“ die Rede ist, erfolgt dies aus rein sprachlichen Gründen und meint die Gruppe der Unternehmensangehörigen, da Unternehmen wie ausführlich dargestellt keine strafrechtlichen Handlungen vornehmen, sondern nur die dort be281

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

die beide in geringer Menge Abwässer in ein Gewässer einleiten. Erst durch die Kumulation, erfolge sie nun summativ oder synergetisch, tritt jedoch eine als nachteilig zu bezeichnende Veränderung des Gewässers ein, die den Tatbestand der § 324 StGB erfüllt. Auch hier ist die Kausalität im Sinne der sog. kumulativen Kausalität zu bejahen: Kumulative Kausalität liegt gerade dann vor, wenn eine Mitursächlichkeit besteht, also ein Umstand vorliegt, der nur im Zusammenwirken mit anderen Umständen den Erfolg auslöst.282 In diesen Fällen ist die Kausalität unproblematisch zu bejahen, da eine monokausale Verursachung generell und in jedem Sachverhalt isoliert betrachtet undenkbar ist. Walter hält sie sogar für den „Grundfall von Kausalität“283. Auch hier wäre es ohne den jeweiligen Beitrag des anderen Unternehmens nicht zu dem eingetretenen Erfolg gekommen. Doch aufgrund der nur noch losen Verknüpfung der atypischen Folge mit dem Grundgeschehen stellt sich diese nicht als strafbares Unrecht, sondern als Unglücksfall dar. Je nachdem, welcher Ansicht zu folgen ist, kann dies zu einem Ausschluss des subjektiven Tatbestandes oder der objektiven Zurechnung führen. Mit den Kriterien der herrschenden Meinung kann jedenfalls festgehalten werden, dass auch im vorliegenden Fall nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden kann, dass das Verhalten jeweils eines Unternehmens für sich genommen dazu geführt hat, dass sich durch genau diesen einen Beitrag die „Gefahr des Eintritts des konkreten Erfolges in rechtlich messbarer Weise erhöht“284 hat. Schließlich wurde aus beiden Unternehmen heraus unabhängig gehandelt und ob die hinzukommende Handlung des jeweils anderen Unternehmens als „wahrscheinlich“ in diesem Sinne gewertet werden muss, bleibt fraglich. Denn an konkreten Wahrscheinlichkeitsvergleichen oder Erfahrungswerten mangelt es, wie bereits dargestellt285, im Umweltstrafrecht nur allzu oft. Die Rechtsprechung, die das Problem im Rahmen des Vorsatzes – allerdings letztendlich mit zumindest ähnlichen Kriterien – löst, müsste sich die Frage stellen, ob die Abweichung des eingetretenen vom vorgestellten Kausalverlauf eine „wesentliche“ Abweichung darstellt. Es ist für diese Fallgruppe demnach erforderlich, dass durch die vorsätzliche Umweltverschmutzungshandlung eine vollkommen unvorhersehbare Folge eintritt – etwa im Sinne einer unbekannten chemischen Reaktion mit einer beispielsweise sogar gänzlich betriebsfremden Substanz. Vor allem bei den im Umweltstrafrecht auftretenden synergetischen286 Effekten erscheint dies denkbar.

schäftigten natürlichen Personen. Dazu näher oben unter B.I.2.a)aa), sowie auch Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 31. 282 Vgl. Walter, in: LK, Vor § 13, Rn. 75. 283 Walter, in: LK, Vor § 13, Rn. 75. 284 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 75. 285 Siehe C.II.3. und Ronzani, Erfolg, S. 72. 286 Siehe C.III.3.c).

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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(3) Rechtliche Folge der Existenz kumulativer Effekte Die kumulativen Effekte, die regelmäßig im Umweltstrafrecht auftauchen, können also bereits dazu beitragen, dass die objektive Zurechnung, bzw. der subjektive Tatbestand, einer Rechtsgutsschädigung zu dem Handelnden ausscheidet – obwohl sein Verhalten als kausal für den entstandenen Erfolg anzusehen ist. Bestand zwar kein Vorsatz bzw. keine objektive Zurechenbarkeit bezüglich der eingetretenen Rechtsgutsverletzung, aber Vorsatz bezüglich einer anderen Rechtsgutsverletzung, kommt nach beiden Ansichten bezüglich des ursprünglichen Tatplans287 jedenfalls noch eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Täter dachte, eine gefährliche Luftverunreinigung nach § 325 I StGB zu verwirklichen, der emittierte Giftstoff aber aufgrund eines kumulativen Zusammenwirkens mit anderen Stoffen seine Dichte oder seinen Aggregatszustand verändert und eine Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB verwirklicht. Oder aber der Täter will eine Bodenverunreinigung nach § 324 a StGB verwirklichen, durch bereits im Boden befindliche Stoffe spalten sich die Giftstoffe auf, reagieren nunmehr mit dem durchsickernden Regenwasser und verwirklichen tatsächlich eine Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB in Form der Grundwasserverunreinigung.288 Letztendlich dürften diese Fälle für das Umweltstrafrecht von geringer praktischer Relevanz sein, da für eine solche Konstellation zwei hohe Hürden genommen werden müssen. Die schließlich verwirklichte Umweltstraftat muss durch so komplexe Zusammenhänge entstanden sein, dass eine Unvorhersehbarkeit die Zurechnung – bzw. ein Irrtum über den Kausalverlauf den Vorsatz – ausschließt. Die Anforderungen, die Rechtsprechung und Lehre an ein solches Abweichen stellen, sind jedoch sehr hoch.289 Dabei wird darauf abgestellt, ob sich lediglich ein zufälliges Begleitrisiko verwirklicht290, welches dann die Annahme einer relevanten Abweichung rechtfertigt. So wurde beispielsweise eine Abweichung dann verneint, wenn der Täter das Opfer mit Schlägen durch einen Besenstiel hatte töten wollen, dieses aber an einer auf die Verletzungen zurückzuführenden Infektion starb.291 Ebenso, wenn das Opfer die Körperverletzung nicht aufgrund der ihm zugedachten Schläge, sondern in Form von Magenbeschwerden aufgrund extremer Angst erleidet.292 Eine Abweichung und somit die Verwirklichung eines Begleitrisikos wurde bejaht, wenn dem Drogenkurier noch vor Überschreitung der Grenze Haschisch gestohlen und

287 Vgl. Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 55; Jescheck/Weigend, Lehrbuch Strafrecht AT, S. 312. 288 Nach § 330 d I Nr. 1 StGB umfasst der Gewässerbegriff auch das Grundwasser; vgl. auch Saliger, Umweltstrafrecht, S. 163. 289 Siehe C.III.4.b)aa)(1). 290 Siehe Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 55. 291 BGH NStZ 2001, 29. 292 BGH MDR/D 1975, 22.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

dann von dem Dieb über die Grenze geschafft wurde.293 Auch wenn es schwierig ist, in der Rechtsprechung eine klare Linie zu erkennen, wird aus diesen Beispielen zumindest deutlich, dass die Verwirklichung eines Begleitrisikos nur in seltenen Einzelfällen vom BGH bejaht wird. Etwa dann, wenn ein neuer Kausalverlauf durch eine neue Handlung in Gang gesetzt wurde und der ursprüngliche Kausalverlauf abbricht. Gegen die Annahme einer Verwirklichung eines rein zufälligen Begleitrisikos in den Fällen der kumulativen Schädigung im Umweltstrafrecht spricht aber schon, dass sich jedenfalls nicht ein reines Begleitrisiko verwirklicht, sondern eines, das im Zusammenspiel mit dem der Handlung innewohnenden Ursprungsrisiko entsteht. Es kommt also nicht zu einem gänzlich anderen Risiko, welches sich verwirklicht, sondern eher zu einer Verstärkung des ursprünglichen Risikos. Weiterhin müsste die ursprünglich geplante Tatbestandsverwirklichung nicht eingetreten sein. Auch in den oben beschriebenen Beispielsfällen erscheint es aber eher wahrscheinlich, dass dann beide Delikte verwirklicht sind – sowohl das ursprünglich geplante als auch dasjenige, das sich durch das Zusammenspiel mit anderen Faktoren realisiert. Realitätsnäher und deshalb auch praktisch relevanter dürfte der Fall sein, dass kein Vorsatz bezüglich einer anderen, letztendlich nicht eingetretenen Rechtsgutsschädigung bestand und eine Bestrafung aufgrund der tatsächlich verwirklichten Rechtsgutsschädigung an der mangelnden Zurechenbarkeit bzw. am mangelnden Vorsatz scheitert. Dann kommt eine fahrlässige Begehungsweise in Betracht: Nach der älteren Ansicht, nach welcher der Irrtum über den Kausalverlauf den Vorsatz nach § 16 I StGB entfallen lässt294, wäre es grundsätzlich möglich, die tatsächlich verwirklichte Tat noch als Fahrlässigkeitstat zu sanktionieren. Bei der moderneren Ansicht, der die Rechtsprechung wie dargestellt295 nicht folgt, da diese die Rechtsfigur der objektiven Zurechnung bereits ablehnt und nach welcher bei Abweichen vom Kausalverlauf die objektive Zurechenbarkeit entfällt296, scheint diese weitergehende Überlegung jedoch überflüssig: Wenn bereits im Rahmen des 293

BGHSt 38, 32; andererseits sei nach Cramer/Sternberg-Lieben in: Sch/Sch, § 15, Rn. 55, die Abweichung auch dann zu verneinen, wenn ein in den Kausalverlauf eingreifender Dritter den Tod früher als vom Ersttäter erwartet herbeiführt. Fraglich sei allerdings, ob in einem Fall des selbstständigen Dazwischentretens eines Dritten nicht doch ein Abweichen vom Kausalverlauf bejaht werden müsse. 294 Siehe C.III.4.b)aa)(1), Krey, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 143; Kaufmann, in: FS für Jescheck, 1985, S. 260 ff. 295 Siehe C.III.4.b)aa)(1) beschrieben als „altmodischerer Ansatz“ nach Gropp, Strafrecht AT, S. 471, sowie BGHSt 14, 193, 194; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 96; Krey, Strafrecht AT, S. 144. 296 Siehe C.III.4.b)aa)(1); Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 54; Gropp, Strafrecht AT, S. 471; Kühl, Strafrecht AT, S. 366; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 115; Schröder, in: LK, § 16, Rn. 17; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 97; Jescheck/Weigend, Lehrbuch Strafrecht AT, S. 312.

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Vorsatzdelikts die objektive Zurechenbarkeit verneint worden ist, erscheint es sachwidrig, bei einem Fahrlässigkeitsdelikt die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit im Rahmen einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung zu prüfen.297 Dieser Aspekt könnte demnach als zusätzlicher Vorteil der Auffassung der Rechtsprechung gewertet werden, bei der nicht bereits die objektive Zurechenbarkeit entfällt, sondern erst der Vorsatz.298 Denn wenn bei der Prüfung des Vorsatzdelikts die objektive Zurechenbarkeit bejaht wird, der Vorsatz aber aufgrund eines Irrtums über den Kausalverlauf verneint, spricht grundsätzlich nichts gegen die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung des tatsächlich eingetretenen Erfolges. Es erweist sich auch als sachgerecht: Denn dann kann im Rahmen einer Fahrlässigkeitsprüfung der Informationsstand des Schädigers in die strafrechtliche Beurteilung miteinbezogen werden. Diese Option erscheint gerade bei den Umweltdelikten, die in einem erheblichen Maße aus Unternehmen heraus begangen werden, sachgerechter. So können bei Begehung der Straftat aus einem Unternehmen heraus auch Informationsfluss und Informationsstand innerhalb des Unternehmens bei der strafrechtlichen Beurteilung eine Rolle spielen. In den häufigen Fällen der Verwirklichung der Umweltschädigung durch ein Unternehmen kann so bei Prüfung der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des tatsächlich eingetretenen Erfolges berücksichtigt werden, inwieweit jedenfalls vorsatzlose299 Informationsmissstände oder Mängel im Informationsfluss jenes Unternehmens dafür verantwortlich sind, dass es zu der konkreten Rechtsgutsverletzung kommen konnte. Gerade im Umweltstrafrecht, bei dem der betriebsinterne Wissensstand über mögliche ökologische Auswirkungen einer betrieblichen Handlung von großem Einfluss auf die Schädigung des Rechtsguts Umwelt ist, kann es nur wünschenswert sein, dass der Informationsstand der Betriebsangehörigen eine gewisse Rolle für die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit spielt. bb) Zurechnung des Einzelerfolges oder des Gesamterfolges? Dieses Kapitel befasst sich mit einer der meistdiskutierten Fragestellungen im Bereich der Zurechnung von Schäden am Rechtsgut, die dadurch entstehen, dass mehrere Schädiger gleichzeitig diesen in seiner konkreten Form herbeigeführt haben. Sofern die Schädiger nämlich nicht im formaljuristischen Wortsinn als „Beteiligte einer Tat“, sondern als Einzelne handeln, stellt sich bei allen Kumulationseffekten300 die Frage, ob jedem Einzelnen der Gesamterfolg der Umweltver-

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So aber bei Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 15, Rn. 55, m. w. N.; ablehnend: vgl. Puppe, in: NK, § 16, Rn. 96. 298 Siehe C.III.4.b)aa)(1), BGHSt 23, 133, 135. 299 Zu vorsätzlichen Wissenslücken vgl. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 34, dort als „organisierte Unverantwortlichkeit“ bezeichnet. 300 Zur Begriffsbestimmung: siehe C.III.3.

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schmutzung, also jeweils die kumulierten Einzelbeiträge, oder nur sein individueller – möglicherweise minimaler – Beitrag anzulasten ist.301 Die Beantwortung dieser Frage ist von großer juristischer wie auch praktischer Wichtigkeit. Schließlich kann es durchaus sein, dass es beispielsweise darum geht, ob eine Person nun strafrechtlich belangt wird oder ob sie wegen der geringen Qualität ihrer eigenen Handlung noch unter die Grenze der Strafbarkeit fällt.302 Andererseits wäre es denkbar, dass es zu einer strafrechtlich relevanten Rechtsgutsschädigung durch das Zusammenwirken mehrerer Handlungen kommt, diese jedoch teilweise durch verwaltungsrechtlich genehmigungskonforme und somit legale Einleitungen verursacht wurde.303 Auch für die Frage, ob ein besonders schwerer Fall der Umweltverschmutzung gem. § 330 I StGB vorliegt, ist es unerlässlich, abzuklären, ob nun der Gesamterfolg oder der jeweilige Einzelerfolg ausschlaggebend für die Beurteilung des Ausmaßes der Schädigung sein soll. Außerdem hat diese Frage auch Auswirkungen auf die Ermittlungsbehörden: Denn auf Seiten der Staatsanwaltschaft ist entweder der genaue einzelne Tatbeitrag des Unternehmens zu ermitteln304 oder lediglich die Tatsache, ob überhaupt ein Beitrag zum Gesamterfolg geleistet wurde. Auch für diese faktischen Nachweisprobleme305 spielt die Frage nach der Zurechnung des Gesamt- oder des Einzelerfolges also eine Rolle, die auch in nicht zu unterschätzendem Ausmaß Einfluss auf die oft in Frage gestellte306 Effektivität des Umweltstrafrechts hat, insbesondere wenn die Umweltbeeinträchtigung im Bereich der schweren Umweltbelastungen durch Unternehmen liegt.307 Die Frage danach, ob einem Einzeltäter, dessen Handlung im Verlauf kumulativ mit weiteren Handlungen zusammentrifft und dadurch zu einem Gesamterfolg verstärkt wird, nun lediglich die von ihm getätigte, isoliert betrachtete Handlung oder der tatsächlich eingetretene (Gesamt-)Erfolg zugerechnet werden soll, ist höchst umstritten.308 Während ein Teil der Literatur davon ausgeht, dass bei Kumulationseffekten schon aufgrund der allgemeinen Zurechnungslehren keine Schwierigkeiten bestünden, jedem Einzelverursacher den Gesamterfolg zuzurechnen, hält es 301

Vgl. Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 26. Im Umweltstrafrecht kann eine an sich strafbare Handlung wegen ihres geringen Einflusses auf das Rechtsgut schon aus dem Tatbestand der Norm ausscheiden. Näher zu den Minimagrenzen siehe C.III.4.b)bb)(2)(c)(aa). 303 Vgl. Cramer/Heine, in: Sch/Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 6; Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 6 ff. 304 Möglicherweise auch, ob durch diesen Tatbeitrag überhaupt die sog. Minimagrenze überschritten ist. Näher zu den in den sog. Minimaklauseln geregelten Minimagrenzen in C.III.4.b)bb)(2)(c)(aa). 305 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 81. 306 Siehe C.IV.1. 307 Siehe B.I.3.e), vgl. auch Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 83; Cramer/Heine, in: Sch/ Sch, Vor §§ 324 ff., Rn. 6; Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 6 ff. 308 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 55. 302

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ein anderer Teil der Literatur für begründbar, nur eine Teilerfolgszurechnung vorzunehmen. (1) Gesamterfolgszurechnung Ein Teil der Literatur will jedem Schädiger den Gesamterfolg zurechnen und begründet dies hauptsächlich mit einer strikten Anwendung der Kausalitätsregeln.309 Jedoch ist auch dabei eine genauere Betrachtung der Lösungsansätze geboten: Denn einige, die im Rahmen der Kausalität noch die Verantwortlichkeit für den Gesamterfolg bejahen, stimmen mit unterschiedlichen Begründungen anschließend einer Einschränkung der Zurechnung des Gesamterfolges zu (a), während andere Lösungsansätze über den Tatbestand agieren und solche Einschränkungen nicht zulassen (b). (a) Zurechnung des Gesamterfolges nach allgemeinem Verständnis der kumulativen Kausalität Eine in der Literatur vertretene Ansicht wendet zur Beantwortung der Frage die sog. Äquivalenztheorie an. Die Äquivalenztheorie selbst hat zum Inhalt, dass „als Ursache jede Bedingung eines Erfolges anzusehen sei, die nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele“310. Danach hat jeder Einzelne den Gesamterfolg durch seinen – wenn auch geringen – Tatbeitrag mitverursacht, sodass der Erfolg ihm auch voll zugerechnet werden müsse.311 Dies sei nur die Konsequenz aus der strafrechtsdogmatischen Lehre, dass „von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, jede erfolgsursächlich ist“312. Dabei spräche auch nichts dagegen, einfach auf die bisherigen allgemein gültigen Begründungen zurückzugreifen: Denn „die Problematik der Zusammenrechnung von Einzelakten zu einer Straftat sei weder neu noch auf das Umweltstrafrecht beschränkt“313. Zur Unterstützung dieser These kann dabei bereits der Beitrag von Schröder herangezogen werden, der sich in einem anderen Zusammenhang mit der Addition mehrerer Handlungen unterschiedlicher Akteure bei einer Straftat befasst.314 Schröder begründet die Zurechnung des Gesamterfolges damit, dass jeder Täter, der einen Deliktserfolg herbeiführe, dabei der Mitwirkung einer großen Zahl von seinem Verhalten unabhängiger Faktoren bedürfe. Daraus zieht Schröder die Schlussfolgerung, dass es in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen dürfe, ob es sich bei diesen Faktoren um Naturereignisse oder um das deliktische Verhalten anderer 309 310 311 312 313 314

Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 55. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 6; als Ursache gilt also jede „conditio sine qua non“. Vgl. Bloy, in: JuS 1997, S. 582; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 81. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 58. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 68. Vgl. Schröder, in: JZ 1972, S. 651.

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Menschen handle. Auch Schröder verweist jedoch in diesem Zusammenhang auf die mögliche Figur der Abweichung des Kausalverlaufs, die Zufälle außerhalb des menschlichen Einflussbereichs315, aber auch deliktisches Verhalten anderer, sowohl für Gefährdungsdelikte als auch Erfolgsdelikte, ausschließen soll. Aufgrund dieser Feststellung erscheint es nach einem zweiten Blick auf seine Argumentation fraglich, ob Schröders Ausführungen uneingeschränkt für die Zurechnung des Gesamterfolges sprechen. Tatsächlich stützt sein Vergleich von der Abhängigkeit tatbestandlicher Erfolge von naturwissenschaftlichen und menschlichen Faktoren lediglich die Annahme eines Bestehens kumulativer Kausalität und nicht die weitergehende Frage, ob auch der Gesamterfolg zugerechnet werden kann. Als weiterer Vertreter der Zurechnung des Gesamterfolges kann Möhrenschlager316 genannt werden. Seiner Ansicht nach ist an der Kausalität jedenfalls dann nicht zu zweifeln, wenn der konkrete Erfolg ohne den – noch so geringen – Beitrag anders ausgesehen hätte. Dies gelte gerade dann, wenn dieser tatsächlich nur minimal ist. Zudem sei die strafrechtliche Verantwortlichkeit davon abhängig, ob der Täter wisse oder fahrlässig nicht wisse, dass sein Beitrag durch Zusammenwirkung zu einer strafrechtlich relevanten Verunreinigung führe. Auch dieser Einwand könnte auf der gleichen Annahme beruhen wie die vorhin erwähnte Einschränkung der Gesamterfolgszurechnung von Schröder: einem Irrtum über den Kausalverlauf. Wenn Schröder davon spricht, dass der Täter über Wissen darüber verfügen muss, dass andere Betriebe ebenfalls Verschmutzungen durchführen und diese kumulativ zusammenwirken können, bedeutet das im Umkehrschluss, dass bei Nichtwissen über die Handlungen Dritter bzw. deren Konsequenzen die Zurechnung auszuschließen ist. Wer nicht wusste und auch nicht wissen konnte, dass es zu Kombinationswirkungen kommt, der soll jedenfalls nicht für den Gesamterfolg strafrechtlich verantwortlich zu machen sein. Die dogmatische Einordnung als vorsatzausschließender Irrtum oder als die objektive Zurechnung ausschließende Handlung eines Dritten bleibt bei Möhrenschlager jedoch offen. Weiterhin will Möhrenschlager zur Klärung der strafrechtlichen Verantwortung für den Gesamterfolg danach fragen, ob eine Risikosteigerung317 vorliegt. Letztendlich ergreift also auch Möhrenschlager die Gelegenheit, Ausnahmen von der Gesamterfolgszurechnung zuzulassen. Diese Ausnahmen werden dadurch erweitert, dass seiner Ansicht nach weitergehende Einschränkungen bei der Zurechnung aus sozialadäquatem Verhalten geboten sein können.318 Noch weiter unterwandert wird die Möglichkeit der Gesamterfolgszurechnung – und somit die oben gemachte Feststellung, dass auch minimale Beiträge als Beitrag zum Gesamterfolg gewertet werden sollen –, durch eine weitere Einschränkung 315 316 317 318

Siehe C.III.4.b)bb)(1). Siehe Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 47. Vgl. Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 63. Vgl. Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 63.

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Möhrenschlagers. Bei Handlungen, welche die Belastungssituation eines Umweltmediums nur unerheblich steigern, will er nämlich lediglich den unmittelbar verursachten Teilerfolg anrechnen, sofern es nicht vorhersehbar war, dass Dritte ebenfalls das Medium belasten würden.319 Auf vergleichbare Weise geht auch Wegscheider320 vor, der – zwar zum österreichischen Recht – ebenfalls eine Kausalität für den Gesamterfolg bejaht, allerdings dann ähnliche Einschränkungen für das Bejahen einer objektiven Zurechenbarkeit des kausal auf den Tatbeitrag zurückzuführenden Gesamterfolges vornimmt. Auch er stellt auf das Kriterium der Sozialadäquanz und auf die „rechtliche Missbilligung“ des einzelnen Beitrags zum Gesamterfolg ab.321 Wegschneider argumentiert vom Ergebnis her, wenn er schreibt, dass ein „geringer Beitrag nur geringe Folgen“322 haben solle. In den Fällen, in denen der Teilbetrag also „so gering“323 sei, dass eine Sozialadäquanz noch und eine rechtliche Missbilligung gerade noch nicht bestehe, solle nur eine Verurteilung wegen dieses Teilbetrags möglich sein, „auch wenn die Schädigung durch die Kumulation mit Handlungen Dritter ein erhebliches Ausmaß annehme“324. Offen bleibt wiederum, wann genau ein Beitrag noch sozialadäquat ist325 und warum – wenn denn Sozialadäquanz vorliegt – überhaupt eine strafrechtliche Verurteilung, wenn auch nur für den Teilbetrag, vorgenommen wird. Ebenso verhält es sich mit dem Kriterium der rechtlichen Missbilligung: Denn wenn ein Verhalten rechtlich nicht missbilligt wird, dann ist es gar nicht strafrechtlich zu ahnden – auch nicht als Teilbetrag. In allen übrigen Fällen, also insbesondere bei einer weitergehenden, erheblicheren Belastung, nehmen diese Autoren allesamt eine Verantwortlichkeit für den Gesamterfolg an. Zwar wird in diesen Fällen eine Erfüllung der Grundtatbestände des Umweltstrafrechts regelmäßig anzunehmen sein, egal ob von einer Verantwortlichkeit für den Einzelerfolg oder einer Verantwortlichkeit für den Gesamterfolg ausgegangen wird. Aber auch dann spielt die Frage nach der Zurechnung des Gesamterfolges oder des Teilerfolges noch eine Rolle: beispielsweise für die Frage nach dem Eintritt einer Schädigung, welche die Anforderungen eines besonders schweren Falles nach § 330 I StGB erfüllt. (b) Zurechnung des Gesamterfolges durch ein weites Verständnis des tatbestandlichen Erfolges Ein anderer Ansatz gelangt nicht mit einer Betrachtung der Zurechnungskriterien, sondern mit einer Auslegung der Tatbestände zur Zurechnung des Gesamterfolges. 319 320 321 322 323 324 325

Vgl. Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 64. Siehe Wegscheider, in: ÖJZ 1983, S. 90. Vgl. Wegscheider, in: ÖJZ 1983, S. 90. Wegscheider, in: ÖJZ 1983, S. 90, 91. Wegscheider, in: ÖJZ 1983, S. 90, 91. Wegscheider, in: ÖJZ 1983, S. 90, 91. Dazu mehr unter C.IV.2.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Zur Unterstützung der Argumentation für eine Zurechnung des Gesamterfolges wird der Tatbestand der Umweltdelikte teilweise sehr extensiv ausgelegt: So wird exemplarisch angeführt, dass sowohl nach der Begründung des ersten UKG326 als auch einer Rechtsprechung zu § 324 StGB327 unzweifelhaft davon auszugehen sei, dass es beispielsweise für eine Strafbarkeit nach § 324 StGB ausreiche, wenn das Täterverhalten nur schon deshalb eine Gewässerverunreinigung bewirke, weil auch andere dem Gewässer Stoffe zuführen. Nur so sei nach Ansicht von Kloepfer/Vierhaus auch der Schutz bereits verschmutzter Gewässer zu erklären.328 Allerdings argumentiert die entgegenstehende Ansicht, dass die Gesetzesmaterialien eher für das Gegenteil sprächen bzw. dafür, dass Kumulationseffekte bei der Beratung überhaupt keine Rolle gespielt hätten.329 Nach der Darstellung Daxenbergers sei zum Beispiel die zitierte Stelle der BT-Drs. 8/3282, S. 14, die einen Leitsatz des OLG Stuttgart330 aufgreift, nämlich in einem anderen Kontext getätigt worden und solle lediglich verdeutlichen, dass auch bereits verschmutzte Gewässer Tatobjekt des § 324 StGB sein können.331 Dies erscheint insoweit zweifelhaft, als die Entscheidung des OLG Stuttgart zwar tatsächlich darauf beruht, dass eine Gewässerverunreinigung bereits dann vorliegt, wenn „der eingeleitete Schadstoff nach Art und Umfang geeignet ist materielle Nachteile hervorzurufen“332 und es daher genüge, dass „bereits verunreinigtes Wasser weiter verunreinigt wird“. Allerdings setzt das Gericht in seiner Argumentation gerade voraus, dass es zur Erfüllung des Tatbestandes unerheblich sei, wenn „die potentiell schädigende Wirkung der eingeleiteten Stoffe erst im Zusammenspiel mit anderen Ursachen entsteht“333. Das OLG Stuttgart setzt also richtigerweise für die Feststellung, dass auch ein bereits geschädigtes Gewässer weiterhin geschützt ist334, den Umstand voraus, dass es gerade unerheblich ist, wenn die Einleitung erst im Zusammenspiel mit anderen Ursachen ihre schädliche Wirkung entfaltet. Insoweit mag zwar Daxenbergers Aussage335 richtig sein, dass die Aussage in einem anderen Kontext getätigt worden sei – denn es ging darum, dass auch ein bereits verschmutztes Gewässer Tatobjekt der Gewässerverunreini326

Siehe BT-Drs. 8/3282, S. 14. Siehe OLG Stuttgart, NJW 1977, 1406, allerdings noch zum § 38 I Nr. 1 WHG a.F. 328 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 81; kritisch dazu allerdings: Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 623. 329 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 75, als kritische Reaktion auf die Argumentation von Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 61; Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 26. 330 Siehe OLG Stuttgart, NJW 1977, 1406. 331 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 75. 332 OLG Stuttgart, NJW 1977, 1406, 1407. 333 OLG Stuttgart, NJW 1977, 1406, 1407. 334 Allgemeine Ansicht, stellvertretend: vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 1; schon die Formulierung des Taterfolges als „nachteilige Veränderung“ lässt danach einen anderen Schluss kaum zu. 335 Siehe Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 75. 327

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gung sein kann. Allerdings ist es dafür nach den Ausführungen des OLG Stuttgart gerade untrennbare Voraussetzung, dass eine Gewässerverunreinigung auch dann verwirklicht ist, wenn der Schädigungseffekt erst in Kumulation mit anderen Stoffen eintritt. Wenn also die Feststellung, dass auch ein verschmutztes Gewässer noch nachteilig verändert werden kann, nur die Folge davon ist, dass der Taterfolg dann der Gesamterfolg ist, stellt sich die Frage, ob dies in einem anderen Kontext ebenso gilt.336 Schließlich stehen danach beide Aussagen immer als Bedingung in einem Kontext miteinander. Auch Kloepfer/Vierhaus geben zu bedenken, dass eine solche Vorgehensweise sich an die Risikoerhöhungslehre337 annähert338 : insbesondere, wenn der BGH339 feststellt, dass im Fall einer Gewässerverunreinigung der tatbestandliche Erfolg auch dann eingetreten sei, wenn „jedenfalls“ die Nachteile und Gefahren im Sinne des § 324 StGB „vergrößert worden seien“340. Daxenberger folgt dieser Kritik und wendet ein, dass eine derartige weitreichende Erfolgsdefinition in Wahrheit auf das Tatbestandsmerkmal der „nachteiligen Veränderung“ verzichtet.341 Gerade im Hinblick auf die Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts erscheint es demnach äußerst fraglich, ob die Umweltstraftatbestände, die teilweise aufgrund ihrer Ausgestaltung als Gefährdungsdelikte ohnehin als zu weit formuliert kritisiert werden342, somit auch noch eine ungeschriebene Ausweitung erfahren sollten. (2) Die Einzelerfolgszurechnung Eine immer stärker werdende Ansicht verneint die oben dargestellte Sichtweise, dass entweder aufgrund der allgemeinen Kausalitätsregeln343 oder der Regierungsbegründung zu § 324 StGB344 bzw. der Rechtsprechung345 eine Zurechnung des Gesamterfolges bei kumulativen Effekten erfolgen müsse. Insbesondere Samson346 und Daxenberger347 bezweifeln, dass es dogmatisch vertretbar sei, jedem Einzelschädiger den durch kumulatives Zusammenwirken entstandenen Gesamterfolg 336

Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 75. Siehe zur Risikoerhöhungslehre C.II.3. und Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 74 und 88. 338 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 81. 339 Siehe BGH, DVBl. 1987, 393. 340 Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 136. 341 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 56. 342 Siehe bereits oben unter C.II.1.b)bb); sowie Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum Umweltrecht, Bd. 1, S. 136, m. w. N.; Hassemer, in: ZRP 1992, S. 378; ders./ Neumann, in: NK, Vor § 1 Rn. 122 ff. 343 Siehe C.III.4.b)bb)(1)(a); Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 81; Steindorf, in: LK, § 324, Rn. 31. 344 Siehe C.III.4.b)bb)(1)(b); BT-Drs. 8/3282, S. 14. 345 Siehe dazu OLG Stuttgart, NJW 1977, 1406, allerdings noch zum § 38 I Nr. 1 WHG a.F. 346 Siehe etwa Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 622 ff. 347 Siehe Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 73 ff., S. 87 f. und S. 136 ff. 337

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anzurechnen. Gegen die Verantwortlichkeit für den Gesamterfolg wenden sie die sog. Einzelerfolgszurechnung348 ein, nach der jedem Schädiger nur der jeweils individuelle, von ihm tatsächlich veranlasste Erfolg zuzurechnen sei. Aus Sicht der Schädiger wäre dies zu begrüßen, da sowohl der faktische Nachweis erschwert würde, als auch seltener von einer Verwirklichung „besonders schwerer Fälle“ i. S. v. § 330 StGB der Umweltverschmutzung auszugehen wäre.349 (a) Die Äquivalenztheorie als Argument für die Einzelerfolgszurechnung Wie oben dargestellt350, zieht die Gesamterfolgszurechnungslehre die kumulative Kausalität zur Stützung ihrer These heran. Bereits an diesem Punkt werden diese Überlegungen von der Einzelerfolgszurechnungslehre in Frage gestellt. So sieht Samson entgegen den strengen Anwendern der Äquivalenztheorie schon die Kausalität für die Anrechnung eines Gesamterfolges nicht gegeben.351 Er führt anhand eines Beispiels aus, dass, wenn ein Unternehmen den nachteiligen Gewässerzustand von 0,1 vorfindet und diesen weiter auf 0,3 verschlechtert, ihm die Gesamtabweichung des Soll-Zustandes von 0,3 schon deshalb nicht zugerechnet werden könne, da er die Basisabweichung vom Sollwert in Höhe von 0,1 nicht im Sinne der Kausalität „verursacht“ habe.352 Dies bedarf nach Ansicht Samsons auch keiner weiteren Begründung, da sich diese Folgerung ohne Weiteres sowohl aus der (naiv verstandenen) „conditio sine qua non“-Formel als auch aus der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung ergibt.353 Denn Letztere beurteilt das Vorliegen der Kausalität danach, „ob sich an eine Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen“354. Sie stellt somit jedenfalls für Fälle der zweifelhaften Kausalität darauf ab, dass exakte naturwissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen.355 Wo ein solcher objektiver naturwissenschaftlicher Zusammenhang fehlt, dürfe er nicht im Wege der freien Beweiswürdigung durch eine subjektive Vermutung ersetzt werden.356 Letzteres könnte jedoch nach Samsons Argumentation357 für die komplexen Fälle der Kumulation angenommen werden, bei denen der Gesamterfolg als Taterfolg 348 Die Bezeichnung hierfür ist in der Literatur unterschiedlich: Teilweise werden die individuellen Erfolge als Einzelerfolge, teilweise als Teilerfolge bezeichnet. Die Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet. 349 Siehe C.III.4.b)bb) a. E.; vgl. auch Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 81. 350 Siehe C.III.4.b)bb)(1)(a). 351 Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 628. 352 Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 628. 353 Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 628. 354 Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 15, m. w. N. 355 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 15. 356 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11, Rn. 16. 357 Siehe Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 628.

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gewertet werde, anstatt jeden Einzelbeitrag und dessen jeweiligen Einfluss auf seinen Kausalzusammenhang zur Rechtsgutsschädigung zu überprüfen. (b) Die Regelungen von Täterschaft und Teilnahme als Grund für die Zurechnung des Einzelerfolges In eine vergleichbare Richtung wie Bloy358, ein Kritiker der Abhängigkeit der Strafbarkeit von dem Verhalten selbstständiger Dritter, weist das Argument, welches die Gesamterfolgszurechnung als nicht mit den Kriterien der (Mit-)Täterschaft vereinbar sieht. Danach liegen in den problematischen Fällen mehrere Handlungsbedingungen359 unterschiedlicher Schädiger vor, die unabhängig voneinander gemeinsam den tatbestandlichen Erfolg verwirklichen. Dies soll bedeuten, dass mehr als eine Handlungsbedingung letztlich den strafrechtlich relevanten Erfolg herbeiführt.360 Rechnet man nach oben dargestellter Ansicht jedem Unternehmen den Gesamterfolg unter Heranziehen der „conditio sine qua non“-Formel zu361, entspricht dies der Annahme einer gleichrangigen Mitverantwortlichkeit für den Erfolg. Danach ließe sich das täterschaftliche Handlungsunrecht des § 324 f. StGB auf das Setzen einer von mehreren notwendigen, aber nicht hinreichenden Handlungsbedingungen reduzieren.362 Somit knüpft Daxenberger363, ähnlich wie Bloy364, an seine Kritik der Abhängigkeit der Gesamterfolgszurechnung von den Handlungen Dritter an: Danach ist die Gesamterfolgszurechnung nicht mit den Vorgaben der Täterschaft nach § 25 II StGB vereinbar. Nach diesen Grundsätzen soll prinzipiell jeder nur für die von ihm selbst verursachten Folgen verantwortlich sein. Lediglich wenn besondere Umstände vorliegen, die eine gemeinsame Verantwortlichkeit zulassen, sollen auch dritte, eigenverantwortliche Handlungen einen Einfluss auf die strafrechtliche Beurteilung haben. Konkret bedeutet dies eine unmittelbare wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge, die dann zum Ergebnis hätte, jeden Einzeltäter für den Gesamterfolg strafrechtlich haftbar zu machen. Solche Umstände lägen jedoch jedenfalls erst dann vor, wenn der Ersthandelnde schon bei der Vornahme zumindest Kenntnis von der Zweithandlung habe.365 Lägen diese besonderen Umstände nicht vor und werde dennoch eine Zurechnung des Gesamterfolges angenommen, widerspreche das den allgemein anerkannten Voraussetzungen der Täterschaft.366 358

Siehe Bloy, in: JuS 1997, S. 583 ff. Gemeint ist eine Handlungsbedingung im Gegensatz zu einer nicht menschlich gesteuerten Naturbedingung; vgl. Bloy, in: JuS 1997, S. 583. 360 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 87. 361 Siehe C.III.4.b)bb)(1)(a). 362 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 87. 363 Siehe Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 88 f. 364 Siehe Bloy, in: JuS 1997, S. 583 ff. 365 Vgl. Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 633. 366 Vgl. Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 87 ff. 359

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

(c) Die qualitativen Strafbarkeitsgrenzen im Umweltstrafrecht als Argument für die Einzelerfolgszurechnung Weiterhin führt Samson367 die gesetzlich festgeschriebenen sog. Minimagrenzen als Indiz dafür an, dass eine pauschale Gesamtzurechnung nicht erfolgen könne. Schließlich wären diese strafbegrenzenden Regelungen wenig sinnvoll, wenn stets der Gesamterfolg zugerechnet würde. Um näher auf dieses Argument eingehen zu können, sollen im Folgenden diese die Strafbarkeit einschränkenden Instrumente kurz vorgestellt werden ((a)), um danach ihren Einfluss auf die Argumentation für eine Einzelerfolgszurechnung darzustellen ((b)). (aa) Die Minimaklauseln im Umweltstrafrecht Die Minimaklauseln sind typisch für das Umweltstrafrecht, dem häufig vorgeworfen wird, es führe – insbesondere im Bagatellbereich, also z. B. bei einer Begehung durch Privatpersonen oder Landwirte368 – zu einer Überkriminalisierung.369 Folglich stellen die Minimaklauseln ein Instrument bzw. den Versuch von Seiten des Gesetzgebers dar, dieser Kritik entgegenzuwirken. Der Gesetzgeber sah vor allem im Umweltstrafrecht die Notwendigkeit, Bagatellunrecht aus dem Anwendungsbereich des Strafrechts auszunehmen.370 Zu diesem Zweck wurden Strafbarkeitsbegrenzungen geschaffen, um einer zu weiten Ausuferung des Strafrechts entgegenzutreten. Dies soll dabei durch verschiedene Eingrenzungen des Anwendungsbereichs der einzelnen Tatbestände erreicht werden. Eine ausdrückliche Minimaklausel, teilweise auch als Bagatellklausel371 oder Ungefährlichkeitsklausel372 bezeichnet, findet sich in § 326 V StGB. Danach ist eine umweltgefährdende Abfallbeseitigung nicht strafbar, wenn schädliche Einwirkungen auf die Umwelt wegen der geringen Menge der Abfälle offensichtlich ausgeschlossen sind.373 So sollen beispielsweise Hausabfälle und -abwässer von der Strafbarkeit nach § 326 StGB regelmäßig ausgenommen sein.374 Auch wenn diese spezielle Ausnahmeregelung nicht auf andere Fälle abstrakter Gefährlichkeit entsprechend anwendbar ist375, handelt es sich doch um eine Ausprägung des generell im 367

Siehe Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 630 ff. Vgl. Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59 f. 369 Vgl. Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 59 f. 370 Vgl. BT-Drs. 8/3633, S. 29; Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 174. 371 Siehe BT-Drs. 8/3633, S. 30. 372 Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 122. 373 Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum Umweltrecht, Bd. 1, S. 174. 374 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 122. 375 Vgl. Steindorf, in: LK, § 326, Rn. 149. 368

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Strafrecht geltenden Ultima-Ratio-Prinzips.376 Zudem sollen die Regelungen des Strafprozessrechts (§ 153 StPO), sowie weitere auf das Umweltstrafrecht zugeschnittene, eingrenzende Merkmale dazu beitragen, dass Bagatellunrecht aus der Strafbarkeit ausscheidet. Hier sei u. a. der § 324 StGB erwähnt, bei dem zu diesem Zweck das Merkmal der „nachteiligen Eigenschaftsveränderung“ so ausgelegt wird, dass minimale Beeinträchtigungen hiervon nicht erfasst sind.377 Auch die §§ 324 a378, 325 II StGB379 begrenzen die Strafbarkeit, und zwar durch die Formulierung einer „nachteiligen Veränderung in besonderem Umfang“. Weiterhin wird in den Vorschriften der §§ 311 III Nr. 2, 325 II, 328 III StGB eine „grobe Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ verlangt. Jedenfalls für die ausdrückliche Regelung des § 326 VI StGB kommt es für die Beurteilung allein auf die Tat und ihre Strafbarkeit und nicht auf den Täter an, womit klargestellt werden soll, dass die Voraussetzungen des Absatzes von der Vorstellung des Täters unabhängig sind.380 Daraus schließt ein Teil der Literatur, dass es sich um einen sachlichen, objektiv wirkenden Strafausschließungsgrund handelt, der als Gegenstück zu einer objektiven Strafbarkeitsbedingung aufzufassen ist.381 Ein anderer Teil der Literatur sieht in den Minimaklauseln hingegen eine Strafbefreiung eigener Art, also eine sog. „Straffreierklärung sui generis“382. Für die folgende Betrachtung kommt es auf eine Streitentscheidung nicht an, wobei die erstgenannte Darstellung, welche die Minimaklausel als Gegenstück zur objektiven Strafbarkeitsbedingung sieht, dogmatisch einheitlicher, da systematisch mit anderen Tatbeständen des Strafrechts vergleichbar und vereinbar, erscheint. Relevant bei Vorstellung der Minimaklauseln ist es zudem, festzustellen, dass die Regelung des § 326 V StGB nicht sinngemäß für weitere Tatbestände des Umweltrechts herangezogen werden darf383 – wozu allerdings auch kein Anlass besteht. Wie oben für die strafbegrenzenden Merkmale der anderen Umweltstrafrechtstatbestände aufgezeigt384, werden dort die Bagatellfälle dadurch aus einer Strafbarkeit

376

Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 122. BGH NVwZ 1991, 231; ZfW 1991, 231; NuR 1991, 498. 378 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 179; dort als „Erheblichkeitsschwelle“ bezeichnet. 379 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 190: „Damit soll die Vorschrift auf erhebliche Veränderungen eingeschränkt werden“. 380 Steindorf, in: LK, § 326, Rn. 144. 381 Steindorf, in: LK, § 326, Rn. 144., insbesondere Fn. 537 f. m. w. N. 382 So Steindorf, in: LK, § 326, Rn. 144, wonach diese Einordnung allein deshalb gerechtfertigt sei, da es sich jedenfalls weder um eine objektive Strafbarkeitsbedingung noch um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund handeln soll. 383 Vgl. Steindorf, in: LK, § 324, Rn. 37. 384 Siehe oben die Ausführungen in diesem Kapitel zu den §§ 324, 324 a, 325 II, 311 III Nr. 2, 325 II, 328 III StGB. 377

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

herausgenommen, dass einzelne objektive oder subjektive Tatbestandsvoraussetzungen eng ausgelegt werden.385 Eine Vorstellung der Minimaklauseln im Umweltstrafrecht bliebe unvollständig, wenn nicht auch die teilweise erhebliche Kritik daran zur Sprache käme. So werden den Minimaklauseln Bedenken entgegengebracht, die sich auf die Bestimmtheit und die Vorhersehbarkeit der Strafandrohung beziehen. Es wird sogar vertreten, dass wegen des unklaren Bewertungsmaßstabes schon die Verfassungsmäßigkeit von Normen anzuzweifeln sei, die derartige Unerheblichkeitsgrenzen enthalten.386 Während einerseits Einigkeit in der Literatur und beim Gesetzgeber darüber herrscht, dass es schon aufgrund des Ultima-Ratio-Prinzips im Strafrecht notwendig ist, Bagatellfälle aus der Strafbarkeit auszuklammern, ist die Umsetzung dieses Ziels mit Hilfe der Minimaklauseln umstritten. Denn das StGB ist neben dem Ultima-RatioPrinzip auch von dem Bestimmtheitsgebot387 geprägt, nach dem jedermann gemäß Art. 103 II GG voraussehen können soll, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.388 Diese verfassungsrechtliche Anforderung an das Strafrecht kann in nachvollziehbarer Weise angezweifelt werden, wenn es aufgrund der Minimaklauseln unklar ist, ob ein bestimmtes Verhalten bereits die für den Tatbestand erforderliche Grenze überschreitet oder nicht. Schließlich sind die Minimaklauseln allesamt so unkonkret formuliert, dass genaue Grenzwerte, die der Orientierung des Einzelnen dienen könnten, auch von der Rechtsprechung bisher nicht festgesetzt werden konnten. (bb) Die Minimaklauseln als Argument für die Zurechnung des Einzelerfolges Die Minimaklauseln werden auch als Argument für eine Einzelerfolgszurechnung angeführt: Denn so wird eine weitere Begründung für die Zurechnung der jeweiligen Einzelerfolge in der Formulierung der Umweltstrafrechtstatbestände selbst gesehen. Schließlich sei beispielsweise nach dem Wortlaut einiger Umweltstrafrechtsnormen389 eine qualitativ nachteilige Änderung des gegebenen Zustandes verboten, was – wie oben gezeigt390 – auch bedeutet, dass geringe Verschmutzungen unter der Bagatellgrenze schon tatbestandlich nicht erfasst sind. Es käme nach dieser Ansicht einer Überschreitung der Wortlautgrenze der Verbotsnorm gleich, wenn einem Schädiger die Herbeiführung eines Endzustandes durch eine an sich nicht tatbe385

Bsp: „nachteilige Veränderung“ in § 324 StGB; „in bedeutendem Umfang“ in § 324 a I Nr. 2 a StGB; „nicht unerheblich“ in § 329 III StGB; „grobe“ Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten in den §§ 311 III Nr. 2, 325 II, 328 III StGB; „Leichtfertigkeit“ in § 330 a IV StGB, welches eine subjektive Tatbestandsvoraussetzung einschränkt, vgl. dazu auch Kloepfer/ Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 169. 386 Vgl. Ronzani, Erfolg, S. 62. 387 Vgl. Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, Art. 103, Rn. 7. 388 Vgl. u. a.: BVerfGE 25, 269; 41, 314. 389 Beispielsweise: § 324 I StGB; siehe C.III.4.b)(2)bb)(c)(aa). 390 Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c)(aa).

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standsmäßige, da unter der Minimagrenze liegende Handlung zugerechnet würde.391 Genau dies wäre aber regelmäßig bei Anwendung der Gesamterfolgszurechnung der Fall: dann nämlich, wenn der zugerechnete Gesamterfolg aufgrund der Kumulation mit anderen Emissionen die Minimagrenze übersteigt, obwohl der Einzelerfolg diese Grenze noch nicht überschritten hat. Bloy392 führt die Argumentation noch weiter aus und bezieht die verfassungsrechtlich geschützte Handlungsfreiheit in die Diskussion mit ein: Seiner Ansicht nach würde die Zurechnung des Gesamterfolges dazu führen, dass der Ersthandelnde, dessen Handlung noch unterhalb der Minimagrenze liegt, allein deshalb in seiner Handlungsfreiheit beschränkt wird, da seine Handlung in Kombination mit anderen zur Überschreitung der Grenze führt. Dies führe dazu, dass die erste, selbst nicht tatbestandsmäßige Handlung deshalb verboten würde, weil andere auch handeln werden.393 (d) Die Kausalitätslehre von Puppe als Argument für die Teilerfolgszurechnung Einen etwas aus der Reihe fallenden Vorschlag für die Problematik der Gesamtoder Einzelerfolgszurechnung bringt Puppe mit einer Lösung über den Erfolgsbegriff: Sie löst die Probleme, die im Rahmen der Kausalität bei Anwendung der „conditio sine qua non“-Formel auftreten, nicht bei der Zurechnung, sondern bei der Erfolgsdefinition.394 Nach Puppe hängt die Lösung der Fragestellung an der Formulierung des „konkreten Erfolges“ bzw. des „Erfolges in seiner konkreten Gestalt“. Nach dieser Ansicht lässt sich der Erfolg besser definieren, indem geprüft wird, ob ein Teil des quantifizierbaren Erfolges ohne das Verhalten des Täters kausal zu erklären ist. Sei dies der Fall, so dürfe er dem Täter nicht zugerechnet werden.395 Somit wäre es gar nicht nötig, im Rahmen der Zurechenbarkeit die Kausalität zu korrigieren396 – wie dies von den Vertretern der Gesamterfolgszurechnung beispielsweise über die Sozialadäquanz397 vorgenommen wird. Diese Lösung erscheint auf den ersten Blick insbesondere im Umweltstrafrecht als begrüßenswert, da es wegen des unscharfen Rechtsgutsbegriffs ohnehin schwierig ist, abzugrenzen, welches Verhalten noch sozialadäquat ist und welches nicht.398 Unabhängig von einer näheren Untersuchung dieses Lösungsvorschlags – der letztendlich darauf abzielt, aus der Zurechnungsproblematik eine Problematik der Erfolgsverwirklichung zu machen – lässt sich in dem hier aufgeworfenen Zu391

Vgl. Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 27. Siehe Bloy, in: JuS 1997, S. 583 ff. 393 Vgl. Bloy, in: JuS 1997, S. 583 ff. 394 Vgl. Puppe, Strafrecht AT, S. 35. 395 Vgl. Puppe, Strafrecht AT, S. 34. 396 Vgl. Puppe, Strafrecht AT, S. 33. 397 Siehe C.III.4.b)bb)(1)(a); vgl. dazu auch Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 64; Wegscheider, in: ÖJZ 1983, S. 90. 398 Siehe C.IV.2. 392

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

sammenhang Puppes Idee, jedenfalls vom Ergebnis her betrachtet, in die die Einzelerfolgslehre unterstützenden Ansichten einreihen. (e) Der differenzierende Ansatz nach Saliger Auch Saliger kann als Vertreter der Teilerfolgszurechnung bezeichnet werden. Zumindest macht er deutlich, dass er die pauschale Gesamterfolgszurechnung ablehnt und einen differenzierenden Ansatz wünscht.399 Dabei stützt er sich u. a. auf die Thesen von Bloy400 und Samson401. Er skizziert zu diesem Zweck ein Missbrauchsszenario, bei dem die normative Dimension deutlich wird402: Danach stellt sich die Frage, ob eine für sich betrachtet erlaubte Handlung dadurch zu einer verbotenen wird, dass andere Personen „den durch die Ersthandlung bewirkten (noch) rechtmäßigen Zustand zur Herbeiführung verbotener Erfolge missbrauchen“403. Zur Beantwortung sei zwischen sukzessivem Zusammenwirken einerseits und gleichzeitigem Zusammenwirken andererseits zu differenzieren.404 Bei der sukzessiven Begehungsweise lehnt auch Saliger bezüglich des Ersthandelnden die Gesamtzurechnung schon aus dem Prinzip der Eigenverantwortung405 heraus ab.406 Saliger verweist dabei auf die Lehre der „fremden Verantwortungsbereiche“407. Diese nach Roxin „dogmatisch noch nicht hinreichend ausgearbeitete“408 Lehre wurde nach dessen Ausführungen für Fälle entwickelt, in denen bestimmte „Berufsträger im Rahmen ihrer Kompetenz für die Beseitigung und Überwachung von Gefahrquellen in eigener Weise zuständig sind, dass Außenstehende ihnen nicht hineinzureden haben“409. Danach wird auf den Schutzzweck der Norm abgestellt: Dieser solle auch solche Erfolge nicht mehr erfassen, deren Verhinderung in den Verantwortungsbereich anderer fällt.410 Lencker/Eisele sehen diese Lehre von den Verantwortungsbereichen als vom Verantwortungsprinzip abgeleitet.411 Danach ist das Verantwortungsprinzip eine 399

Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. Siehe Bloy, in: JuS 1997, S. 577 ff. 401 Siehe Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 613. 402 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. 403 Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. 404 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113; Bloy, in: JuS 1997, S. 583 ff.; Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 631 ff. 405 Bei Roxin und Lencker/Eisele hingegen „Verantwortungsprinzip“ und daraus die „Lehre von den Verantwortungsbereichen“; Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 137 ff.; Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 100 und 102. 406 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. 407 Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 138. 408 Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 137. 409 Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 138. 410 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 137. 411 Vgl. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 100. 400

III. Umwelt als kumulativ geschädigtes Rechtsgut

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Möglichkeit der Konkretisierung von „Inhalt und Reichweite der Gefährdungsverbote“412. Für sie ist jedoch innerhalb der Lehre der Verantwortungsbereiche weiter zu differenzieren: einmal in den Fall der „mittelbaren Risikoschaffung“413, in der der Erstverursacher nur eine Bedingung für den Erfolgseintritt setzt, der sich erst durch Hinzutreten des Zweitverursachers verwirklicht,414 andererseits in den Fall der „unmittelbaren Risikoschaffung“415, bei der bereits die Handlung des Erstverursachers eine unmittelbare Gefahr für das Rechtsgut darstellt.416 Diese Unterscheidung führt dazu, dass im Fall der mittelbaren Risikoschaffung der nur mittelbar eingetretene Erfolg gerade aufgrund des Verantwortungsprinzips nicht zugerechnet werden könne. Das Verantwortungsprinzip definieren Lencker/Eisele im Anschluss daran in vergleichbarer Weise wie Roxin als das Prinzip, nach dem „jeder sein Verhalten grundsätzlich nur darauf einzurichten hat, dass er selbst Rechtsgüter nicht gefährdet, nicht aber – weil dies nämlich in deren Zuständigkeit fällt – auch darauf, dass andere dies nicht tun“417. Auch bei der unmittelbaren Risikoschaffung sei eine Zurechnung des Gesamterfolges für den Ersthandelnden schon aus den allgemeinen Zulässigkeitsregeln jedenfalls dann zu verneinen, wenn in dem „letztendlich eingetretenen Erfolg nicht das verbotene, mit der pflichtwidrigen Handlung des Erstverursachers geschaffene Risiko, sondern eine neue, erst durch einen Dritten selbst begründete Gefahr“418 verwirklicht worden sei. Zudem argumentiert er [wer? Evtl.: Saliger] mit dem Prioritätsgrundsatz und damit, dass der Ersthandelnde für das Rechtsgut noch keine verbotene Gefahr geschaffen habe.419 Es könne nicht verlangt werden, dass dieser sein Verhalten an dem möglichen Verhalten Zweithandelnder messen lassen müsse. Soweit müsse auch ein gewisser Vertrauensschutz im Strafrecht Anwendung finden.420 Der Zweithandelnde hingegen müsse sich den Gesamterfolg zurechnen lassen, wenn er mit seinem Beitrag „bereits die Erheblichkeitsschwelle überschritten“421 habe. Der Unterschied in der Beurteilung rechtfertigt sich dadurch, dass der zweite Beitrag „an die bereits vom Ergebnis der Ersthandlung mitbestimmte äußere Realität anknüpft“422. Folglich kann der Zweithandelnde nicht wie der Ersthandelnde für sich geltend machen, dass „sein

412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422

Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 100. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 101. Vgl. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 101. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 102. Vgl. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 102. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 102. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 102. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

eigenes Handeln ohne das Handeln des anderen tatbestandslos wäre“423. Dies wird noch gestützt durch die allgemein anerkannte und parallel zu wertende Tatbestandstauglichkeit bereits verschmutzter Gewässer.424 Dasselbe wie für den Zweithandelnden gelte bei gleichzeitigem Zusammenwirken mehrerer.425 Die Gesamterfolgszurechnung sei auch hier damit zu rechtfertigen, dass jede einzelne Handlung an den realen Zustand des Tatobjekts anknüpfe. Diese sei bestimmt durch die aktuellen Auswirkungen der Handlungen des jeweils anderen, was nicht einfach ignoriert werden dürfe.426 Die Differenzierung Saligers zeichnet sich durch die Einzelanalyse der unterschiedlichen Sachverhalte und die anschauliche Problemdarstellung aus. Etwas unklar bleibt die Begründung, wenn er auf das „Eigenverantwortlichkeitsprinzip“ verweist. Dieses Prinzip hat keine eindeutige Ausprägung427 und folglich sind die daraus gezogenen Konsequenzen bei Roxin und Lencker/Eisele – auf die Saliger selbst verweist428 – unterschiedlich. Während Roxin das Prinzip auf Fälle anwendet, bei denen eine Person handelt, die eine Gefahrenüberwachungs- und Gefahrenbeseitigungskompetenz hat429 (etwa ein Feuerwehrmann, ein Polizist oder ein Soldat430), machen Lencker/Eisele zwar allgemeinere Ausführungen zur Anwendbarkeit, unterscheiden aber in den Konsequenzen für die Zurechnung die Sachverhalte noch weiter in mittelbare und unmittelbare Risikoschaffung und bei Letzterer danach, ob sich die Ausgangsgefahr verwirklicht hat oder nicht.431 Keine Aussage wird darüber getroffen, ob der Zweithandelnde sich Fehler des Ersthandelnden zurechnen lassen muss bzw. unter welchen Voraussetzungen dies geschieht. Lencker/Eisele halten das Verantwortungsprinzip also wohl nur dann für einschlägig, wenn die Zurechnung zum Ersthandelnden beurteilt wird. Für die Fragestellungen im Umweltstrafrecht wirft aber gerade auch die Frage der Zurechenbarkeit des Gesamterfolges zum Zweithandelnden Fragen auf. Da das von Saliger so benannte „Eigenverantwortungsprinzip“432,433 zu so unterschiedlichen Behandlungen des Problems führt bzw. auf so unterschiedliche Sachverhalte angewandt wird, kann es

423

Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. 425 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. 426 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. 427 Bezüglich der aus dem Prinzip der abgeleiteten Lehre der Verantwortlichkeitsbereiche ähnlich auch Roxin, nachdem diese „dogmatisch noch nicht hinreichend ausgearbeitet“ sei; Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 138. 428 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113, Fn. 88. 429 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 138. 430 Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 138. 431 Vgl. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13, Rn. 101 f. 432 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 113. 433 Vgl. Lencker/Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13 Rn. 101. 424

IV. Fazit über die Gesamt- oder Einzelerfolgszurechnung

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nur schwer als eindeutiges Argument gegen eine Gesamtzurechnung im Umweltstrafrecht angeführt werden. Allerdings bleibt in der Darstellung die Frage offen, inwieweit die Ersthandlung des Zweithandelnden bzw. die parallel erfolgende Handlung subjektiv erfasst sein muss. Wie bei den beschriebenen Ansichten zur Gesamtzurechnung ausgeführt, liegt genau darin ein weiteres Problem.

IV. Fazit über die Gesamt- oder Einzelerfolgszurechnung Beide Ansichten tragen den Makel, dass sie schon in sich nicht homogen sind, sondern teilweise selbst zu unterschiedlichen Wertungen führen. Deshalb können auch jeweils nur ihre sie einenden Grundtendenzen bewertet und hinterfragt werden. Gleichzeitig handelt es sich bei der Grundentscheidung – Teil- oder Gesamtzurechnung – um eines der markantesten, wenn nicht sogar das zentrale Problem der Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht überhaupt, welches deshalb im Rahmen der Untersuchung nicht ohne eigene Einschätzung bleiben soll. 1. Effektivität als Vorteil für die Gesamterfolgszurechnung? Eine an den Bedürfnissen der Praxis orientierte Argumentation, die darauf abstellt, dass die Gesamterfolgszurechnung die Verfolgung von Umweltdelikten erleichtert, kann keinen Platz neben den dogmatischen Vorbehalten haben, die gegen die Gesamterfolgszurechnung angeführt werden. Zwar mag es an sich richtig sein, dass der Wunsch der Rechtspraxis nach einer größeren Effektivität des Umweltstrafrechts gegen eine Einzelerfolgszurechnung sprechen könnte. Von Seiten der Justiz her ist es im Zweifel wesentlich einfacher, den Eintritt eines Gesamterfolges434 und die irgendwie geartete Mitwirkung eines Schädigers, beispielsweise eines Unternehmens, nachzuweisen. Bei der Einzelerfolgszurechnung müssen die Ermittlungsbehörden zusätzlich nachweisen, welchen Einzelerfolg das Unternehmen herbeigeführt hat. Wie bereits erörtert, wirft genau dies aber erhebliche Schwierigkeiten auf.435 Dabei ist auch anerkannt, dass gerade im Strafverfahren und nicht im materiellen Recht436 die Hauptprobleme speziell für die oft bemängelte Ineffektivität des Umweltstrafrechts liegen. Somit könnte der aus Sicht der Ermittlungsbehörden einfachere Weg dazu führen, die viel beschworene „Krise des Umweltstrafrechtes“437 ein Stück weit zu entschärfen. Dem entspricht die 434

Vgl. so auch: Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 81. Siehe C.III.4.a). 436 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 170. 437 Busch/Iburg, Umweltstrafrecht, S. 60; siehe dazu auch Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 15 und unter B.I.3. 435

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Argumentation Hilgendorfs438, der ebenfalls diesen Grund zur Unterstützung der Gesamterfolgszurechnung anführt: Schließlich seien eben nicht „alle abstufbaren Erfolge exakt in Einheiten zählbar und messbar“439. Allerdings trifft hier jedenfalls und ohne dass noch weitere Zweifel bleiben, das Argument Puppes440, welches sich aus praktischen Erwägungen heraus genau gegen jene Gesamterfolgszurechnung richtet: Schließlich werde auch in Fällen von Vermögens- und Körperschäden der Gesamterfolg nicht nur deshalb zugerechnet, weil die genauen Einzelbeiträge, die zu dem quantifizierbaren Erfolg führen, nicht exakt messbar sind. Weiterhin kann argumentiert werden, dass es bei Sachverhalten, bei denen eine Aufschlüsselung der exakten Tatbeiträge nicht möglich ist, immer noch besser ist, sich mit nicht exakten Annahmen zu behelfen, anstatt einfach jedem den ganzen Erfolg zuzurechnen.441 Insoweit bleibt festzustellen, dass sicherlich die Gesamterfolgszurechnung in einer an den Bedürfnissen der Praxis orientierten Hinsicht zu einer erheblichen Vereinfachung der Schwierigkeiten im Bereich der Zurechnung führen würde, die durch die kumulative Schädigung des Rechtsgutes auftreten. Dies ist allerdings in dogmatischer Hinsicht ohne Relevanz. 2. Die Ausnahmen als Schwachstelle der Gesamterfolgszurechnungslehre Es wurde bereits ausgeführt442, dass auch die Meinungen, die einen Gesamterfolg annehmen und dies auf die stringente Anwendung der „conditio sine qua non“ zurückführen, noch unterschiedliche Ausnahmen443 zulassen, bei denen doch nicht der Gesamterfolg zugerechnet werden soll, so beispielsweise, wenn die Belastung des Umweltmediums sozialadäquat ist444 oder es zu einer unvorhersehbar weitläufigen Kumulation kommt.445 Dies erweckt den Eindruck, dass es offensichtlich selbst in dieser Gruppe das Bedürfnis gibt, die Zurechnung des Gesamterfolges auf bestimmte Sachverhalte zu begrenzen. Zudem sind einige der formulierten Einschränkungen für die objektive Zurechenbarkeit des Gesamterfolges so weitgehend, dass sie das Regel-AusnahmeVerhältnis eigentlich umkehren. So scheint es eher die Ausnahme, dass der Gesamterfolg zugerechnet wird. Zu erwähnen wäre hier beispielsweise die Einschränkung Wegscheiders, der mit den unscharfen Kriterien des „sozialadäquaten 438

Vgl. Hilgendorf, GA 1995, 528. Hilgendorf, GA 1995, 515, 528. 440 Siehe Puppe, Strafrecht AT, S. 34. 441 Vgl. Puppe, Strafrecht AT, S. 34. 442 Siehe C.III.4.b)bb)(1). 443 Beispielsweise Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis über das Handeln Dritter, die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr oder Risikosteigerung; siehe C.III.4.b)bb)(1)(a). 444 Vgl. Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 63. 445 Vgl. Wegscheider, in: ÖJZ 1984, S. 91. 439

IV. Fazit über die Gesamt- oder Einzelerfolgszurechnung

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Verhaltens“446 und dem „rechtlich nicht zu missbilligenden Verhalten“447 arbeitet, um eine Zurechnung des Gesamterfolges auszuschließen. Diese von ihm verwendeten Begriffe finden sich zwar oft in den Darstellungen der Begrenzung der objektiven Zurechenbarkeit448, doch erscheinen sie im Umweltstrafrecht ungleich schwieriger einzugrenzen: Schließlich ist nicht, wie bei einem Vermögens- oder Körperverletzungsdelikt, eine konkrete Einzelperson betroffen, sondern eben das weithin als vage und unscharf zu erkennende449 Rechtsgut Umwelt. Die Unschärfe, durch die sich das Rechtsgut Umwelt allenthalben auszeichnet, und seine zusätzliche Eigenschaft als Kollektivrechtsgut tragen zu den Schwierigkeiten in der Beurteilung der sozialen Adäquanz bei. Das Kriterium der sozialen Adäquanz beruht zudem auf Erfahrungswerten, welche – wie bereits von Ronzani in anderem Zusammenhang ausgeführt450 – im Umweltstrafrecht häufig fehlen. Es ist letztlich die Ungenauigkeit, die schon aus Gründen der Rechtssicherheit diese Auffassung kaum handhabbar macht. Der Grund für die Unschärfe, mit der die Vertreter der Gesamterfolgszurechnung die Ausnahmekriterien formulieren, liegt wiederum in der Unschärfe des Rechtsgutes. Und wiederum ließe sich die Behauptung aufstellen, dass sich ein Kreis zu dem unklaren, vagen und auch umstrittenen Rechtsgutsbegriff schließt. In der Literatur finden sich mindestens zwei nahezu gegensätzliche Auffassungen über den eigentlichen Schutzzweck des Rechtsgutes, was wiederum dafür spricht, dass sich das Rechtsgut aus gänzlich unterschiedlichen Verständnissen heraus interpretieren lässt.451 Wenn also das Kriterium für eine Zurechnung des Gesamterfolges sein soll, dass durch die Handlung „kein rechtlich zu beanstandendes Risiko“ geschaffen worden sei, so stellt sich speziell im Umweltrecht die Frage, für was oder wen dieses Risiko bestehen muss. Folgt man den Auffassungen Möhrenschlagers452 und Wegscheiders453, hängt die strafrechtliche Verantwortung für den Gesamterfolg davon ab, welchem Rechtsgutsbegriff man für das Umweltstrafrecht folgt. Nach einem puristischen ökologischen Ansatz454, der das ideelle Gut Umwelt ausschließlich um seiner selbst willen schützen will, müsste eine Risikoerhöhung für das Rechtsgut Umwelt an sich wohl in einem wesentlich größeren Teil der Fälle zu 446

Wegscheider, in: ÖJZ 1984, S. 90. Wegscheider, in: ÖJZ 1984, S. 90. 448 Vgl. beispielsweise: Joecks, Studienkommentar StGB, Vor § 13, S. 23, wo diese Fälle als „erlaubtes Risiko“ von der objektiven Zurechenbarkeit ausgeklammert werden; ebenso: Wessels/Beulke, Strafrecht AT, S. 67, dort ebenfalls als „erlaubtes Risiko“ bezeichnet. 449 Siehe B.II. 450 Siehe C.II.3. 451 Siehe B.II.2.; vgl. dazu auch: Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12 ff., m. w. N. 452 Siehe Möhrenschlager, in: WiVerw 1984, S. 47; näher dazu unter C.III.4.b)bb)(1)(a). 453 Siehe Wegscheider, in: ÖJZ 1983, S. 90; näher dazu unter C.III.4.b)bb)(1)(a). 454 Siehe dazu etwa Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 119; Hohmann, GA 1992, 76; ders., Rechtsgut, S. 77 ff.; dazu auch näher unter B.II.3.a). 447

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

bejahen sein. Damit würde konsequenterweise die Zahl der Fälle, bei denen eine Zurechnung des Gesamterfolges angenommen wird, steigen. Denn ein Risiko für eine Schädigung des Rechtsgutes der Umwelt an sich ist wesentlich leichter zu bejahen als eine mittelbare Schädigung des Menschen, den die rein anthropozentrische Ansicht455 als Schutzgut der Umweltrechtsnormen sieht. Die Schädigung eines Umweltmediums wie Luft, Boden oder Wasser tritt bereits bei einer geringeren Verschmutzung ein als eine dadurch herbeigeführte mittelbare Schädigung des menschlichen Organismus. Doch auch bei Anwendung des inzwischen vorherrschenden anthropo-ökologischen456 Ansatzes, der beide Extremansichten zu verknüpfen versucht, fällt es schwer, einen genauen Punkt festzulegen, an dem ein Risiko für das nunmehr doppelte Rechtsgut besteht. Es scheint sogar noch schwieriger, mit diesem „zweiköpfigen“ Rechtsgutsbegriff konkret zu arbeiten, da sich die Frage, wo bei der Risikoerhöhung anzuknüpfen ist, durch den in beide Richtungen tendierenden Rechtsgutsbegriff eher noch weniger beantworten lässt. Eine solche Unklarheit ist sowohl den Verfolgungsbehörden als auch den Schädigern eigentlich nicht zumutbar: Denn selbstverständlich kann es für den Schädiger erhebliche Folgen haben, ob ihm lediglich der Teil- oder der Gesamterfolg zugerechnet wird, u. a. bei der Frage, ob bei Geringfügigkeit des Taterfolges nach dem Opportunitätsprinzip der StPO das Verfahren eingestellt werden kann oder ob aufgrund der besonderen Schwere der Schädigung sogar ein „besonders schwerer Fall“ nach § 330 StGB angenommen werden muss. Diese Unsicherheit darüber, ob ein Verhalten nun strafrechtlich relevant ist oder nicht, ist sogar verfassungsrechtlich untersagt. Entsprechend dem Bestimmtheitsgebot457, nachdem jedermann gemäß Art. 103 II GG voraussehen können soll, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist458, könnte es fraglich sein, ob die vorgestellten Ansichten, die sich gezwungen sehen, solch unklare Ausnahmen vom Grundsatz der Gesamtzurechnung zu formulieren, wegen ihrer Unklarheit überhaupt in dieser Weise verfassungskonform sind. Aufgrund der erheblichen Unsicherheiten, die die Gesamterfolgszurechnung wegen ihrer Ausnahmetatbestände mit sich bringt, ist diese Ansicht eher abzulehnen. 3. Der Vergleich mit dem Wirtschaftsstrafrecht Insbesondere im Strafrecht darf die erhoffte Effektivität eines Lösungsweges nicht dazu führen, dogmatische Bedenken wegzuwischen. Dogmatisch ist der Ge455

Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12. Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14; die nach Ansicht Kloepfer/Vierhaus irrtümliche Bezeichnung vom ökologisch-anthropozentrischen Rechtsgutsbegriff verwenden hingegen Rengier, in: NJW 1990, S. 2506, sowie Steindorf, in: LK, Vor §§ 324 ff., Rn. 8. 457 Siehe dazu näher Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, Art. 103, Rn. 7. 458 Vgl. dazu u. a. BVerfGE 25, 269; 41, 314. 456

IV. Fazit über die Gesamt- oder Einzelerfolgszurechnung

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samterfolgszurechnung vorzuwerfen, dass sie, wie von Daxenberger dargestellt, gegen die Grundstrukturen von Täterschaft und Teilnahme verstößt.459 Um zu verhindern, dass Tatbeiträge mehrerer Unternehmen auch außerhalb der dafür verfestigten Kriterien gegenseitig angerechnet werden, kann einer Gesamterfolgszurechnung nicht zugestimmt werden. Es würde den Rahmen des das Strafrecht beherrschenden Bildes des individuell verantwortlichen Täters sprengen, wenn täterfremde Handlungen ohne gemeinsamen Tatentschluss angerechnet würden. Schon aus diesem Grund muss eine Zurechnung des Gesamterfolges unterbleiben und folglich auf die Einzelerfolgszurechnung zurückgegriffen werden. Letztendlich könnte jedoch der Vergleich mit dem Wirtschaftsstrafrecht460 zu einer Zurechnung der jeweiligen Einzelerfolge führen: Wie Puppe461 andeutet, gilt auch für Vermögensdelikte, dass – falls es sich dabei um quantifizierbare Erfolge handelt – der Teilbeitrag, den der Einzeltäter zum Gesamterfolg beigesteuert hat462, nicht zu einem Gesamterfolg zusammengefasst werden kann. Als Beispiel für diese These könnten die beiden Regelbeispiele der Annahme eines besonders schweren Falles im § 263 III Nr. 2 und Nr. 3 StGB angeführt werden. Zwar handelt es sich dabei seit Einführung durch das 6. StrRG lediglich um Strafzumessungsregeln, jedoch ist weitgehend anerkannt463, dass ihnen im Ergebnis eine Tatbestandsfunktion zukommt, auf die – wie auf die Tatbestände des Umweltstrafrechts464 – die Zurechnungslehren des Allgemeinen Teils anwendbar sind.465 Dies würde zumindest für den Bereich der Zurechnung den Vergleich zwischen der Erfüllung von Tatbeständen des Umweltstrafrechts und den der Regelbeispiele des § 263 III Nr. 2 und Nr. 3 StGB rechtfertigen. Jedenfalls bietet sich ein Vergleich zwischen den Voraussetzungen der Erfüllung der Regelbeispiele aus § 263 III Nr. 2 und Nr. 3 StGB und der Erfüllung der Regelbeispiele aus § 330 I S. 2 Nr. 1-4 StGB an, welche u. a. die besonders schweren Fälle des Umweltstrafrechts beschreiben. Verwirklichen nun zwei Täter unabhängig voneinander einen Betrugstatbestand gegenüber derselben Person und schädigen dadurch dieselbe Vermögensmasse kumulativ derart, dass das Regelbeispiel des § 263 III S. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 StGB eintritt, wird dennoch nach den allgemeinen Regeln der Täterschaft jeder Täter nach dem Grundtatbestand des § 263 I StGB bestraft. Es erfolgt keine Zusammenrech459 Siehe C.III.4.b)bb)(2)(b); vgl. dazu auch Bloy, in: JuS 1997, S. 583; Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 87 ff. 460 Zur Einordnung des Betruges nach § 263 StGB zum Wirtschaftsstrafrecht vgl. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 127, sowie Tiedemann, in: LK, Vor § 263, Rn. 5. 461 Vgl. Puppe, Strafrecht AT, S. 34. 462 Vgl. Puppe, Strafrecht AT, S. 34. 463 Siehe etwa Hefendehl, in: MüKo, § 263, Rn. 764; festhaltend an der Funktion als Indiz für die Typisierung des Tatbildes, aber doch auf die Tatbestandsähnlichkeit verweisend: Tiedemann, in: LK, § 263, Rn. 294. 464 Vgl. Busch, Unternehmen und Umweltstrafrecht, S. 29. 465 Vgl. Hefendehl, in: MüKo, § 263, Rn. 764, m. w. N.

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C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

nung der Handlungen auf den einen Gesamterfolg, der dem besonders schweren Fall entspräche. Schließlich bestand auch kein gemeinsamer Tatplan, der auf dem Wege der Mittäterschaft dazu führen würde, dass die verschiedenen Tatbeiträge wechselseitig angerechnet würden.466 Übertragen auf das Umweltstrafrecht bedeutet dies, dass jedem Schädiger oder jedem Unternehmen, welches Emissionen in ein Umweltmedium einleitet, jeweils nur der tatsächlich von ihm durch diese konkrete Handlung verursachte Einzelerfolg zugerechnet werden kann, nicht aber der Gesamterfolg, der entsteht, wenn mehrere Unternehmen unabhängig Emissionen in dieses Medium einleiten und durch Kumulationseffekte aus diesen Einzelerfolgen ein Gesamterfolg entsteht. Somit würde ein systematischer Vergleich mit dem sonstigen Strafrecht dazu führen, dass auch im Umweltstrafrecht lediglich die Einzelerfolge zuzurechnen sind. Die alleinige Tatsache, dass solche Gesamterfolge aufgrund von Kumulationswirkungen im Umweltstrafrecht häufiger auftreten als im restlichen StGB, kann nicht ein Abweichen von der sonstigen Handhabung im StGB rechtfertigen.

V. Ein umfassender Lösungsansatz: Der diskutierte Deliktstyp des Kumulationsdelikts In der Diskussion um die Zurechnungsproblematik, die durch kumulatives Zusammenwirken entsteht, wäre jedwede Betrachtung unvollständig, wenn sie sich nicht mit einem sehr modernen, neuen Lösungsweg auseinandersetzen würde: dem neuen Verständnis des sog. Kumulationsdelikts. 1. Die unterschiedlichen Konstruktionen eines Kumulationsdelikts Nicht ausschließlich, aber insbesondere für die Schwierigkeiten bei der Zurechnung im Umweltstrafrecht467 wurde von einigen Vertretern der Literatur die Idee des sog. Kumulationsdelikts auf den Tisch gebracht. Wie im vorherigen Kapitel468 dargestellt, stellen sich im Umweltstrafrecht für die Frage der Zurechnung nicht nur 466 Die Strafbarkeit für den durch mehrere Unternehmen unabhängig herbeigeführten Gesamterfolg bei einem Fall des § 330 I Nr. 1 – 4 StGB kann gegebenenfalls auch mangels Vorsatz entfallen, da auch Regelbeispiele trotz ihrer eigentlichen Wirkung als reine Strafzumessungsregelungen nach allgemeiner Auffassung auf der subjektiven Tatbestandsseite Vorsatz voraussetzen. Dies folgt aus ihrer Nähe zu den Qualifikationsmerkmalen. So stellvertretend für viele Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT, Bd. 2, S. 94. Dennoch kann es auch im Bereich des besonders schweren Falles der Umweltverschmutzung von praktischer Bedeutung sein, wenn die Zurechnung des Gesamterfolges bereits im objektiven Tatbestand ausgeschlossen wird. Denn dies hat zur Folge, dass auch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit mangels objektiver Zurechnung, jedenfalls für den Gesamterfolg, nicht mehr in Frage kommt. 467 Siehe Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 152. 468 Siehe C.III.

V. Lösungsansatz: Der diskutierte Deliktstyp des Kumulationsdelikts

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Probleme, die auf die Besonderheit des kollektiven Rechtsguts zurückzuführen sind469, sondern insbesondere auch solche, die mit dem Rechtsgut der Umweltdelikte als kollektiv genutztes Rechtsgut zusammenhängen. Diese sich aus der kollektiven, „ressourcenhaften“ Nutzung ergebenden Schwierigkeiten für die Zurechnung lassen sich mit der Feststellung zusammenfassen, dass im Umweltstrafrecht keine „linearen monotypischen Kausalzusammenhänge“470 bestehen, sondern dass eine Schädigung der Umweltmedien stets durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Schädigungsbeiträgen erfolgt. Anastasopoulou drückt es mit Verweis auf Ronzani folgendermaßen aus: Die Schutzobjekte sind inhaltlich, wertmäßig und in ihrer Verletzungsanfälligkeit nicht so definiert, dass ihre Beeinträchtigungen sich als „vertyptes Leitbild individueller Fehlleistungen von Einzelpersonen“ darstellen. Mit der u. a. von Kuhlen471, aber auch in unterschiedlichen Ausgestaltungen und Darstellungen von Loos472, Hefendehl473 und Wohlers474 vertretenen Idee des Kumulationsdelikts soll dieses Problem der Erfassung von Teilbeiträgen, die letztendlich eine Gesamtschädigung herbeiführen, gelöst werden. Das Kumulationsdelikt wurde insbesondere entwickelt an der Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB und soll – exemplarisch auch an diesem Tatbestand erläutert – dazu führen, dass ein an sich noch unwesentlicher Beitrag zu einer Gewässerverunreinigung schon deshalb strafbar sein soll, weil sonst weitere Personen ohne die Präventivwirkung der Strafe ähnliche Handlungen vornehmen könnten, was dann in der Gesamtheit zu einem erheblichen Umweltschaden führt.475 Dieser Gedanke ist auch auf andere Kollektivrechtsgüter übertragbar, wie etwa auf die Geldfälschungs- und Aussagedelikte. So gefährdet auch ein gefälschter Geldschein noch nicht die Währung und eine Falschaussage hat noch keinen direkten negativen Einfluss auf die Rechtspflege an sich.476 Das Kumulationsdelikt soll diejenigen Probleme lösen, die der Kumulationseffekt im Strafrecht aufwirft: die Anhäufung mehrerer Belastungsfaktoren, bei denen eine exakte Aussage über die spezielle Art und Weise der Belastung nicht getroffen werden kann.477 Wie bei Darstellung des Problems bereits festgestellt, ist die Verquickung von Kumulation, Summation und Synergieeffekten478 dogmatisch noch weit von einer Klärung entfernt.479 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478 479

Siehe C.II. Ronzani, Erfolg, S. 43. Siehe Kuhlen, in: ZStW 105 (1993), S. 716 ff. Siehe Loos, in: FS für Welzel, 1974, S. 891. Siehe Hefendehl, Rechtsgüter, S. 151. Siehe Wohlers, Deliktstypen, S. 309. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 80. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 81. Vgl. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 156. Siehe C.III.3. sowie weiterführend Daxenberger, Kumulationseffekte, S. 18 ff. Vgl. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 158.

146

C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

Die Idee des Kumulationsdelikts versucht nunmehr, dieser Problematik auf einem ganz anderen Wege Herr zu werden. Tatsächlich nimmt sie Abschied von dem Versuch, ein großes Gesamtrisiko auf einzelne Handlungen zurückzuführen, die in Wirklichkeit lediglich „unspektakuläre Einzelbeiträge zur Schaffung dieses Risikos leisten“480. Nach Bloys481 Vorstellung soll nunmehr insbesondere mit Blick auf die großen Probleme, die sich im Endeffekt aus den kleinen Beiträgen vieler ergeben, dem Einzelnen über den Weg des Kumulationsdelikts auf dogmatisch unstrittige Weise ein an sich unspektakulärer Einzelerfolg zugerechnet werden. Diese Auffassung entspricht vom Endergebnis her in etwa der Ansicht, die auch bei Kumulationseffekten zu einer Einzelerfolgszurechnung kommt. Offen bleibt jedoch, wie sich das Bestehen der Minimaklauseln bei einem Großteil der Umweltdelikte auf dieses Kumulationsdelikt auswirkt oder ob jene Minimaklauseln im Zusammenhang mit dem Kumulationsdelikt noch Sinn ergeben. Kuhlen konkretisiert seine Vorstellung eines Kumulationsdelikts noch weiter und plädiert speziell im Rahmen des § 324 StGB dafür, dass auch „für sich genommen ungefährliche Einzelhandlungen“482 erfasst werden könnten, weil „ohne ein sanktionsbewehrtes Verbot derartiger Handlungen damit zu rechnen wäre, dass sie in großer Zahl vorgenommen würden und dann eine Störung geschützter Gewässerfunktionen zur Folge hätten“483. Allerdings plädiert Kuhlen im Weiteren dafür, die Gewässerverschmutzung ebenfalls als „Eignungsdelikt“ zu formulieren, indem in den Tatbestand eine „Eignung zur Gewässerverschmutzung“ aufgenommen wird.484 Als Beispiel schlägt er in Anlehnung an Frisch485 vor, den Tatbestand insoweit zu ergänzen, dass die Tathandlung geeignet sein muss, „die Gesundheit eines Tieres, Pflanzen oder anderer Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen“486. Diese Idee vertrat bereits vor Kuhlen Loos, der an dieser Stelle von „Massengefährdungsdelikten“ und nicht von Kumulationsdelikten sprach.487 Loos hatte sich der Konzeption des Massengefährdungsdelikts im Rahmen seiner differenzierten Einteilung der abstrakten Gefährdungsdelikte angenähert, welche er anhand der Möglichkeit der Rechtsgutsschädigung durch eine Einzelhandlung oder nur über summierte Einzelhandlungen vornimmt.488 Die Delikte, bei denen nur bei einer Summierung von Gefährdungshandlungen eine Verletzung herbeizuführen ist, sind nach dieser Logik als Kumulationsdelikte oder eben als Massengefährdungsdelikte zu bezeichnen. 480 481 482 483 484 485 486 487 488

Kuhlen, in: ZStW 105 (1993), S. 719. Siehe Bloy, in: JuS 1997, S. 583. Siehe Kuhlen, in: ZStW 105 (1993), S. 716 ff. Kuhlen, in: ZStW 105 (1993), S. 716. Vgl. Kuhlen, in: ZStW 105 (1993), S. 717. Siehe Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 142. Kuhlen, in: ZStW 105 (1993), S. 717 f. Loos, in: FS für Welzel, 1974, S. 891. Vgl. Loos, in: FS für Welzel, 1974, S. 891, 891 f.

V. Lösungsansatz: Der diskutierte Deliktstyp des Kumulationsdelikts

147

Nach Hefendehl stellen sich kollektive Rechtsgüter zumindest in Teilen als sog. „Netzwerkgüter“489 dar, die entweder Teilnahme einer bestimmten Mindestzahl von Gemeinschaftsverstößen voraussetzen oder bei denen eine Beeinträchtigung nur möglich ist, wenn es zu massenhaften Verstößen kommt. Gleichzeitig kritisiert er, wie der Schutz dieser Rechtsgüter ausgestaltet ist: Gerade der Deliktstyp des abstrakten Gefährdungsdelikts sei inzwischen ein Sammelbecken für alles, was sich nicht als Verletzungs- oder konkretes Gefährdungsdelikt darstellen lasse.490 Im Gegenzug plädiert er dafür, den geschlossenen Katalog der Deliktstypen zu öffnen oder zumindest weiter auszudifferenzieren. Bezogen auf die von ihm untersuchten kollektiven Rechtsgüter sei schon keine einheitliche Struktur erkennbar, woraus er schließt, dass es nicht nur eine Deliktsstruktur – also das abstrakte Gefährdungsdelikt – geben könne, welche zum Schutz aller kollektiven Rechtsgüter geeignet sei.491 Im Gegenzug plädiert er für sog. Vertrauensdelikte492, die das Vertrauen der Bevölkerung als Grundlage für die Strafbarkeit von kollektiven Rechtsgütern heranziehen. In Ausnahmefällen könne das sogar zur Einführung von Verhaltensdelikten führen.493 Auch Wohlers hält die bisherige Kategorisierung einzelner Tatbestände in Verletzungs- sowie konkrete und abstrakte Gefährdungsdelikte für zu undifferenziert und entwickelt eine eigene Systematisierung von Deliktstypen.494 Ebenso wie in der Darstellung bei Hefendehl sieht er die Masse der abstrakten Gefährdungsdelikte nicht als einheitlich, sondern als „amorph“ und „heterogen“495. Um dieser Kritik Rechnung zu tragen, kategorisiert Wohlers die einzelnen Tatbestände neu und ordnet sie verschiedenen Risikopotenzialen zu. Danach können drei Kategorien unterschieden werden: die konkreten Gefährdungsdelikte, die Vorbereitungsdelikte und eben die Kumulationsdelikte.496 Die Einordnung orientiert sich an der Fragestellung, ob das soziale Interesse an einem Rechtsgut geschützt ist oder dessen körperliche Integrität. Für die Umweltdelikte stelle sich die Situation ähnlich dar wie für die Drogendelikte: Soweit das geschützte Interesse in der Gewährleistung der körperlichen Integrität einzelner Individuen (bei den Drogendelikten) oder einzelner Umweltmedien (bei den Umweltdelikten) bestehe, seien diese Straftatbestände als konkrete Gefährdungsdelikte im Sinne der Wohlers’schen Einordnung. Stellen sich die geschützten Rechtsgüter hingegen als kollektive Interessen an der Erhaltung – beispielsweise eines funktionierenden Ökosystems – dar, handele es sich um Kumulationsdelikte.497 Letztendlich zielt Wohlers jedoch darauf ab, sich bei der Suche 489

Hefendehl, Rechtsgüter, S. 27. Vgl. Hefendehl, Rechtsgüter, S. 168 ff. 491 Vgl. Hefendehl, Rechtsgüter, S. 147 ff. 492 Vgl. Hefendehl, Rechtsgüter, S. 124 ff. und S. 255 ff., beispielsweise also das Vertrauen in die Sicherheit des Geldes bei den Geldfälschungsdelikten. 493 Vgl. Hefendehl, Rechtsgüter, S. 53 f., beispielsweise für den Tierschutz. 494 Vgl. Wohlers, Deliktstypen, S. 309 ff. 495 Wohlers, Deliktstypen, S. 306. 496 Vgl. Wohlers, Deliktstypen, S. 309 ff. 497 Vgl. Wohlers, Deliktstypen, S. 310. 490

148

C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

nach einer Legitimation für Kumulationsdelikte von dem seiner Ansicht nach in seiner Leistungsfähigkeit maßlos überschätzten Rechtsgutsbegriff zu entfernen.498 Ob Schünemann in die Reihe der Vertreter gestellt werden kann, die sich für die Konzeption eines Kumulationsdelikts aussprechen, ist fraglich: Er versucht die Problematik der Kumulativeffekte über die Einführung eines „anfassbaren Zwischenrechtsgutes“499 zu lösen, welches auch dann schon als geschädigt bezeichnet werden kann, wenn das „Endrechtsgut“500 noch nicht einmal einer Gefährdung ausgesetzt ist. Die Einführung des Zwischenrechtsgutes soll dem von Schünemann als „Pleonasmus“501 bezeichneten Umstand Abhilfe schaffen, dass sowohl Gefährdung als auch Verletzung eines sinnlich nicht wahrnehmbaren Rechtsgutes keinen Sinn ergäben. Schließlich könne die Einzelhandlung speziell im Rechtsgebiet des Umweltstrafrechts weder das von Schünemann so bezeichnete „kollektive Gebilde“502 – also Rechtsgüter, bei denen sinnliche Verletzungen nicht wahrnehmbar sind, da sie sich aus „kollektiven Bewusstseinszuständen, Verständigungshorizonten oder Interaktionsvoraussetzungen“503 zusammensetzen – noch den Kausalverlauf beeinflussen. Anastasopoulou sieht darin bei Schünemann die Abkehr von der Vorstellung, dass eine reale Rechtsgutbeeinträchtigung bei Tatbeständen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter durch eine Einzelhandlung überhaupt möglich sei.504 Insoweit liege auch eine Annäherung an die Konzeption eines Kumulationsdelikts vor, da Schünemann als einzige Auswirkung der Einzelhandlung lediglich die durch die Tathandlung manifestierte „Ablehnung der vom Kollektivrechtsgut ausgehenden Verhaltensanforderungen“505 sehe. Die Beeinträchtigung des Rechtsgutes – zumindest in Bezug auf das „Endrechtsgut“ – vollziehe sich hingegen nur auf der symbolischen Ebene. Unabhängig davon, ob Schünemann nunmehr eine gewisse Parallele zu den Vorstellungen der Vertreter eines Kumulationsdelikts nachgesagt werden kann, lässt sich festhalten, dass er einen möglichen neuen Deliktstyp zur Überwindung der scheinbar unlösbaren oder zumindest nur unbefriedigend lösbaren Problematik der Kumulationseffekte zur Debatte stellt. Auch er hält in diesem Bereich eine Lösung über die etablierte Deliktsstrukturtrias nicht für möglich. Aus diesen Vorstellungen lässt sich herausfiltern, dass zwar grundsätzlich für jede einzelne Tathandlung ein Bezug zwischen dieser und dem geschützten Rechtsgut erforderlich ist. Dieser kann jedoch nach den Vertretern des Kumulationsdelikts für 498 499 500 501 502 503 504 505

Vgl. Wohlers, in: GA 2002, S. 19. Siehe Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 25. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 25. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 25. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 25. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 25. Vgl. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 165. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 165.

V. Lösungsansatz: Der diskutierte Deliktstyp des Kumulationsdelikts

149

überindividuelle Tatbestände sinnvollerweise nicht aufrechterhalten werden.506 Konsequenz sei, dass bei den relevanten Strafnormen auch eine Nebentäterschaft oder die von einer tatsächlichen Bedrohung entfernte Vorbereitungsstufe zu pönalisieren sei.507 2. Bewertung der Konstruktion des Kumulationsdelikts Der Vorstoß des Kumulationsdelikts wird zwar u. a. von Saliger lobend als „originell“508 und „analytisch bestechend“509 bezeichnet. Allerdings sieht auch er bei dieser Konstruktion Probleme in normativer Hinsicht: Dabei hält er die Minimaklauseln für den größten Schwachpunkt der dogmatischen Konstruktion. Nachdem bei Kuhlens Vorschlag die Erfolgsbestimmung und auch die Minimagrenze davon abhängen, ob die ökologische Funktion des Schutzgutes beeinträchtigt ist, würde dies „die Minima-Grenzen weitgehend aushebeln“510 und somit die sowieso schon bestehende Diskussion um eine Überkriminalisierung im Umweltstrafrecht weiter verschärfen.511 Letztendlich erscheint die Diskussion um das Kumulationsdelikt noch weit davon entfernt, zu einer strukturellen Veränderung des Umgangs mit Kollektivrechtsgütern im Strafrecht zu führen. Es kann nicht die Rede davon sein, dass sich in weiten Teilen der Literatur das Kumulationsdelikt, an sich und unabhängig von der dogmatischen Herleitung und Einordnung, als anerkannter Deliktstypus etablieren könnte. So kritisiert beispielsweise Roxin die mit dem Kumulationsdelikt einhergehende Strafbarkeitsbegründung als „nicht zu billigen“512, da sie letztlich auf eine Verhaltensstrafbarkeit hinauslaufe. Zudem mangele es an Bestimmtheit, ab wann die für eine Rechtsgutsschädigung ausreichende Anzahl an Kumulationsbeiträgen zu erwarten sei. Auch Saliger sieht hier einen Widerstreit zum Schuldprinzip, da letztendlich das Kumulationsdelikt darauf hinauslaufe, dass „die Einzelhandlung nur noch der Anlass, nicht aber mehr der Grund der strafrechtlichen Zurechnung sei“513. Höchst problematisch erscheint auch, dass die bei den abstrakten Gefährdungsdelikten und insbesondere bei den Umweltdelikten wiederholt kritisierte Vorverlagerung der Strafbarkeit durch das Kumulationsdelikt zeitlich noch ausgeweitet wird. Der Zusammenhang zwischen Handlung und Rechtsgutsschädigung ist nicht mehr nur, wie bei den abstrakten Gefährdungsdelikten, stark gelockert, sondern gänzlich aufgelöst. Roxin bezeichnet diese Situation zu Recht als eine Form des Verhal506 507 508 509 510 511 512 513

Vgl. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 163. Vgl. Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 163. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 112. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 112. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 112. Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 112. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 82. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 112. Rn. 245.

150

C. Zurechnungsproblematik mit der Umwelt als öffentlichem Gut

tensstrafrechts.514 Es ist auch nicht zu erwarten, dass dieser lediglich für die Kollektivrechtsgüter bzw. Teile der Kollektivrechtsgüter vorgeschlagene Lösungsweg gänzlich ohne Einfluss auf das sonstige Strafrecht bleibt. Zumindest lässt es sich nach Roxins Ansicht schwer begründen, dass etwa für die Umweltdelikte, die Aussagedelikte und die Drogendelikte eine Bestrafung ex iniuria tertii – der Einzelne wird nicht aufgrund der Rechtsgutsverletzung, sondern aufgrund seines Verhaltens bestraft515 – eingeführt wird, welche für den Rest des Strafrechts für unanwendbar erklärt wird. Es wird abzuwarten sein, wie sich die Idee des Kumulationsdelikts fortentwickelt. Allerdings bleibt es fraglich, ob die Begründungen tatsächlich geeignet sind, die Probleme zu lösen, die sich bei der Zurechnung von Delikten mit Kollektivrechtsgütern ergeben. Speziell für das Umweltstrafrecht mit seiner Besonderheit der zu der Kollektivität des Rechtsgutes hinzutretenden kollektiven Nutzung erscheint die Idee im ersten Moment zwar sinnvoll, allerdings wird sich noch herausstellen müssen, ob diese „Insellösung“ des Kumulationsdelikts für Delikte, bei denen die aufgezeigten Probleme mit Kumulationseffekten bei der Zurechnung auftreten, jemals dogmatisch einwandfrei in das System des Strafrechts eingefügt werden kann.

VI. Zusammenfassung: Die Zurechnungsproblematik aufgrund des kumulativ geschädigten Rechtsgutes der Umweltdelikte Das Umweltstrafrecht löst insbesondere wegen seiner Einschätzungsschwierigkeiten immer wieder große Unsicherheit auf beiden Seiten des Rechtsgutes aus: einerseits auf Seiten der Schädiger, für die es nicht vorhersehbar ist, ob und in welchem Grad sie für ihr Verhalten strafrechtlich belangt werden können, andererseits auf Seiten der Ermittlungsbehörden, die nicht wissen, wen sie für welchen Erfolg zur Verantwortung ziehen sollen. Ein Teil dieser Unvorhersehbarkeit rührt daher, dass es sich bei den durch das Umweltstrafrecht geschützten Medien um sehr schwer abgrenzbare und weitläufige handelt. Der Boden, das Wasser und die Luft als Umweltmedien und vom Rechtsgut Umwelt umfasste Materien sind Elemente von immenser Ausdehnung, die von einem ganzen Kollektiv an Schädigern genutzt und gleichzeitig belastet werden. Es ist somit natürlich, dass Emissionen, mit denen unterschiedliche Schädiger diese Rechtsgüter belasten, in großem Maße aufeinandertreffen und sich gegenseitig beeinflussen. Typischerweise handelt es sich folglich bei den Tatbeständen, die diese Medien schützen sollen, überdurchschnittlich oft um verschiedene Tathandlungen von ebenfalls verschiedenen Tätern. 514 515

Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 82. Vgl. Roxin, Strafrecht AT, § 2, Rn. 82.

VI. Zusammenfassung

151

Dies bedeutet für die Ermittlungsbehörden, dass sie in diesen Fällen der Kumulation auf außerordentliche Probleme bei der Zurückverfolgung des Erfolges zu einer konkreten Ursache stoßen. Diese Schwierigkeiten führen gleichzeitig zu noch größeren Unwägbarkeiten innerhalb des Prozesses, bei welchen dem Täter nach den strengen Grundsätzen des Strafprozessrechts konkret nachgewiesen werden muss, dass und in welchem Maße er für den eingetretenen Erfolg verantwortlich ist. Die von der Rechtsprechung angebotenen Vereinfachungen im Rahmen der Beweiswürdigung können nicht allumfassend überzeugen, da sie mit dem Grundsatz „in dubio pro reo“ kaum mehr zu vereinbaren sind. Somit müsste weiterhin zum Schutze des Angeklagten und auch der Rechtsordnung darauf bestanden werden, dass Kausalzusammenhänge z. B. mit Hilfe von naturwissenschaftlichen Gutachten einwandfrei nachgewiesen werden. Ganz abgesehen von den Nachweisschwierigkeiten bei der Rückverfolgung derartiger Vorgänge wirft die Kumulation verschiedener Handlungen auch materiellrechtliche Fragen auf. Dies betrifft schon die Vorstellung des Täters von den Konsequenzen seiner Handlungen, welche sich so weit von dem tatsächlichen Geschehnisablauf entfernen kann, dass von einem Irrtum über den Kausalverlauf bzw. einem atypischen Kausalverlauf ausgegangen werden muss. Zudem stellt sich die noch relevantere Frage, ob ein einzelner Schädiger sich nun als Mitverursacher für den Gesamterfolg verantworten muss oder ob der Gesamterfolg derart „auseinanderdividiert“ wird, dass er sich nur für den eigenen, möglicherweise marginalen Anteil daran verantworten muss. Obwohl die strenge Anwendung der „conditio sine qua non“-Formel wohl dazu führt, dass schließlich jeder Schädiger den Gesamterfolg mitverursacht hat, muss das dogmatisch korrekte Ergebnis sein, dass er sich nur für den tatsächlich durch sein Unternehmen – unter Heranziehung des jeweiligen Einzelhandelns – verursachten Teilerfolg zu verantworten hat. Dies kann entweder im Wege einer abweichenden Auslegung der „conditio sine qua non“-Formel516 oder aber über eine präzisere Definition des Erfolges517 geschehen. Jedenfalls ist es dogmatisch nicht begründbar, die strafrechtliche Verantwortung von den Handlungen anderer, autonom agierender Schädiger abhängig zu machen. Dies würde die allgemein anerkannten Voraussetzungen einer unmittelbaren gegenseitigen Zurechnung von Tatbeiträgen auf dem Wege der Mittäterschaft an sich in Frage stellen bzw. ausblenden. Zudem spricht ein systematischer Vergleich mit anderen Tatbeständen des StGB – wie etwa dem Vermögensdelikt des Betruges – für eine Zurechnung der Einzelerfolge. Der von Teilen der Literatur diskutierte Überlegungsansatz nimmt sich der Problematik im Ganzen an und versucht, statt vieler Einzeldiskussionsfelder die Problematik ganzheitlich zu lösen. Dies ist durchaus zu begrüßen, lässt sich allerdings nur schwer in die Gesamtsystematik des StGB integrieren. 516 517

Wie etwa bei Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 628. Wie etwa bei Puppe, Strafrecht AT, S. 33.

D. Ausblick: Möglichkeiten des Gesetzgebers zur Entschärfung der Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht Im letzten Kapitel soll ein kurzer Überblick über bisher noch nicht angesprochene Lösungswege gegeben werden, die teilweise bereits in der Literatur diskutiert oder in der Praxis angewendet werden (I. und II.). Darüber hinaus wird ein neuer, eigener Lösungsweg vorgeschlagen (III.).

I. Lösung auf praktischer Ebene: Anzeigepflicht im Strafrecht Auch wenn dies sicherlich keine Lösung auf dogmatischer Ebene darstellt, soll im Folgenden kurz auf einen praktischen Vorstoß eingegangen werden, der möglicherweise einige Probleme in der Praxis der Zurechnung beseitigen könnte: Nach diesem wird teilweise die Einführung einer Anzeigepflicht im Strafrecht gefordert. 1. Problemstellung: Kein klares Opfer mangels eindeutiger Zuordnung zu einer Person oder einem Personenkreis Schon Hassemer formuliert bei seiner Kritik am modernen Strafrecht, dass „die Deliktsbeschreibung (…) sich auf opferverdünnte oder gar opferlose Inkriminierung richte“1. Dies führe dazu, dass langfristig „Sichtbarkeit und Fühlbarkeit“ des Unrechts abnehmen, da in anderen Worten ein Schaden nicht mehr verlangt werde.2 Auch Saliger stellt fest, dass das Umweltstrafrecht eine besondere Täter-OpferBeziehung aufweist: Wie das Wirtschaftsstrafrecht erscheint das Umweltstrafrecht oft „opferlos“3. Ein verwandter Aspekt, der sicherlich mehrheitlich in der Praxis Probleme aufwirft, ist die Tatsache, dass sich bei der Verletzung eines Kollektivrechtsgutes kein eindeutiges Opfer herauskristallisiert. Es ist aufgrund der Allgemeinheit des Rechtsgutes im Sinne einer Überindividualität keine feste Person oder auch Personengruppe auszumachen, die als geschädigt bezeichnet werden kann. Doch welchen Einfluss hat diese Feststellung auf die Frage der Zurechnung? 1 2 3

Hassemer, Produktverantwortung, S. 12. Vgl. Hassemer, Produktverantwortung, S. 12. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 6.

I. Lösung auf praktischer Ebene: Anzeigepflicht im Strafrecht

153

Beim Schutz des Kollektivrechtsgutes Umwelt wird es bereits aus kriminologischen Gründen erschwert, einen Zurechnungszusammenhang zwischen schädigender Handlung und Rechtsgutsschädigung herzustellen, wie im Folgenden gezeigt wird. Aufgrund der Kollektivität des Umweltrechtsgutes ist die Allgemeinheit die Geschädigte.4 Dadurch lässt sich kein klares Opfer definieren. Aus kriminologischer Sicht ist es ein erheblicher Nachteil, dass es keine geschädigte Person gibt, die einerseits auf die Schädigung aufmerksam macht und andererseits bei der Rekonstruktion des Tathergangs und beim Nachvollziehen eines Zurechnungszusammenhangs wichtige Informationen liefern kann. Unter diesem praxisrelevanten Aspekt betrachtet, hat auch die fehlende Opferpersönlichkeit bei kollektiven Rechtsgütern einen Einfluss darauf, dass es bei der Verwirklichung von Umwelttatbeständen schwer ist, den strafrechtlich verantwortlich Handelnden auszumachen. Da sich bei dieser Überlegung, die bei der fehlenden direkten Schädigung einer Einzelperson ansetzt, die Frage aufdrängt, ob das unterschiedliche Verständnis des kollektiven Rechtsgutes der Umweltdelikte als anthropozentrisches Rechtsgut5 einerseits oder als ökologisches Rechtsgut6 andererseits etwas an dieser Einschätzung ändert, werden im Folgenden beide Anschauungen daraufhin untersucht. Anders als bei klassischen Täter-Opfer-Konstellationen hat bei opferlosen Delikten das geschädigte Rechtsgut Umwelt selbst keine Möglichkeit, sich – bildlich gesprochen – direkt an eine Ermittlungsbehörde zu wenden, um auf den Schädigungsprozess aufmerksam zu machen. Dies stellt sich bei einer an ihrem Körper, ihrer Ehre, ihrem Vermögen oder in ihrem Eigentum geschützten Einzelperson anders dar.7 Das Rechtsgut Umwelt ist darauf angewiesen, dass außenstehende Personen das Rechtsgut überprüfen und Gefährdungen bzw. Schädigungen zur Anzeige zu bringen.8,9 4 Natürlich kann eine Einzelperson im weiteren Verlauf der Umweltschädigung durch etwa belastetes Wasser oder verpestete Luft an der Gesundheit geschädigt werden. Dies erfüllt dann die Tatbestandsvoraussetzung der (ggf. gefährlichen) Körperverletzung nach §§ 223, 224 I Nr. 1 StGB bzw. der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB. Die Körperverletzungsdelikte schützen wiederum Individualrechtsgüter. Insofern kann die Schädigung der Allgemeinheit durch Schädigung des Kollektivrechtsgutes Umwelt im weiteren Verlauf in eine Schädigung des Individualrechtsgutes der (individuellen) Gesundheit münden. 5 Siehe B.II.3.a). 6 Siehe B.II.3.b). 7 So auch Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltdelikte 2004, S. 11: „Aus diesem Grund ist die Anzeigemotivation aufgrund der fehlenden persönlichen Betroffenheit geringer als im sonstigen Strafrecht, bei dem eine konkrete Personen als geschädigt bezeichnet werden kann“. 8 Die Umweltdelikte werden aus diesem Grund auch als „Kontrolldelikte“ bezeichnet, vgl. dazu näher Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 156 und (mit Definition) unter B.I.1.c). 9 Siehe dazu bereits die Ausführungen zur Opferlosigkeit des Delikts in B.I.3.d)bb) sowie die ausführliche Darstellung in D.I.1. Anders als bei den klassischen Delikten des StGB wie den Vermögensdelikten oder den Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit existiert im Umweltstrafrecht zumindest nicht unmittelbar eine Person, deren Rechtsgüter verletzt sind, die schon aus eigenem Interesse auf das Delikt aufmerksam macht. So existiert jedenfalls bei Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit eine tatsächlich verletzte Person, welche die

154

D. Ausblick

Auch ein anthropozentrisches Verständnis10 ändert nichts an diesem Missstand, da dieser sich allein auf das Verständnis als Kollektivrechtsgut zurückführen lässt. Die beschriebenen Schwierigkeiten sind allesamt kriminologischer Natur, ob es nun darum geht, die Verletzung des Rechtsgutes festzustellen oder bei der Aufklärung des Falles und der Rekonstruktion der Handlung und der handelnden Person, die zur Schädigung geführt haben, zu helfen. Denn auch wenn man mit der personalen Lehre annimmt, dass die Verletzung eines Umweltrechtsgutes als mittelbare Verletzung des Menschen zu verstehen sei, ändert sich nichts an den oben beschriebenen tatsächlichen Gegebenheiten. Obwohl es nach dieser Auffassung letztendlich der Mensch ist, der durch die Umweltdelikte mittelbar geschützt ist, nimmt er doch bei der Verletzung keine „unmittelbare Opferrolle“ in dem Sinne ein, dass er von den Auswirkungen der Rechtsgutsverletzung direkt betroffen ist. Der Mensch ist erst mittelbar von der Rechtsgutsschädigung betroffen, etwa durch die verloren gegangene Nutzungsmöglichkeit von verunreinigtem Grundwasser oder Gesundheitsbelastungen durch kontaminierte Böden. Schließlich ist der Mensch als Einzelperson – auch wenn er es ist, der nach dieser Auffassung mittelbar geschützt wird – gerade nicht unmittelbar geschädigt. Geschädigt ist danach – und das auch nur mittelbar – das Kollektiv. Dies erschwert in kriminologischer Hinsicht bereits die Feststellung einer Schädigung am Rechtsgut und somit in einem weiteren Schritt auch die Herstellung eines kausalen und objektiv zurechenbaren Zusammenhangs zwischen einer schädigenden Handlung und der eingetretenen Schädigung. 2. Die Anzeigepflicht im Umweltstrafrecht als rein praktische Lösungsmöglichkeit Der Umstand, dass beim Schaden an einem Kollektivrechtsgut keine Person existiert, die als „Opfer“ bezeichnet werden kann und in dieser Funktion auch Hilfestellungen bei der Zurechnung liefern könnte, stellt also eine der praktischen Herausforderungen bei der Zurechnung von Umweltstraftaten dar. Zu überlegen ist deshalb, ob eine behördliche Anzeigepflicht diesen Umstand kompensieren könnte. So sind beispielsweise Kloepfer/Vierhaus der Ansicht, dass aufgrund der im Umweltstrafrecht bestehenden starken Akzessorietät zum Verwaltungsrecht „notwenStraftat bei den Ermittlungsbehörden anzeigen kann. Auch bei Eigentums- oder Vermögensdelikten ist das letztendlich geschädigte Opfer eine natürliche oder juristische Person, deren Eigentum oder Vermögen verletzt worden ist. In diesen Fällen existiert ebenfalls ein Opfer im klassischen Sinne, welches im Zweifelsfall ein unmittelbares, eigenes Interesse an der Aufklärung der Tat hat und zudem zur Aufklärung beitragen kann. Bei der Schädigung des Rechtsgutes Umwelt kann lediglich mittelbar eine Person betroffen sein, und das auch nur unter gewissen Umständen. Primär ist im Umweltstrafrecht das Rechtsgut Umwelt geschädigt – ein „Opfer“, das weder selbst die Ermittlungsbehörden auf ein Delikt aufmerksam machen noch zu seiner Aufklärung beitragen kann. Dies können erst die in einem weiteren Schritt, beispielsweise an ihrer körperlichen Unversehrtheit durch Kontakt oder Konsum eines bestimmten Umweltmediums verletzten Personen. 10 Siehe B.II.3.a).

I. Lösung auf praktischer Ebene: Anzeigepflicht im Strafrecht

155

dige Informationen über Verstöße gegen das Umweltverwaltungsrecht nur über eine wirksame administrative Umweltüberwachung zu erhalten sind“11. Diese Abhängigkeit von Informationen aus dem Verwaltungsrecht, welche nicht von einem geschädigten Opfer geliefert werden können, erklärt nach Ansicht von Kloepfer/Vierhaus die Diskussion über den Lösungsansatz, ein „zwingendes Anzeigeermessen für Verwaltungsbehörden“12 einzuführen. Dieses soll beinhalten, dass das „Ermessen der Verwaltung im Interesse einer effektiveren Strafverfolgung eingeschränkt werden soll“13, was schon deshalb notwendig sei, weil es keine allgemeine Anzeigepflicht für Amtsträger für Umweltstraftaten gebe, selbst wenn diese Kenntnis von davon erhalten.14 Das Instrument der behördlichen Anzeigepflicht ist dem Gesetzgeber auch nicht fremd, wie Kloepfer/Vierhaus in Beispielen aus dem Subventionsrecht (§ 6 SubvG), dem Steuerrecht (§ 116 AO), dem Gewerberecht (§ 139 b VII GewO) und dem Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 41 OWiG) aufzeigen.15 Auch im Umweltstrafrecht sind Anzeigepflichten auf Landesebene bereits eingeführt – so hat beispielsweise das Saarland mittels Ministerialerlass alle Tatbestände aus dem Abschnitt der Umweltstraftaten unter Anzeigepflicht gestellt.16 Doch sind diese Anzeigepflichten gerade im verwaltungsrechtlichen Schrifttum erheblich in die Kritik geraten. Insbesondere sehen nach Kloepfer/Vierhaus einige Autoren das sog. Kooperationsprinzip im Umweltverwaltungsrecht gefährdet.17 Danach sei die Verwaltung gerade angewiesen auf Informationen seitens der „typischen“ Umweltverschmutzer wie eben der Unternehmen. Der Vorstoß einer Anzeigepflicht könne also nach hinten losgehen, wenn Unternehmen aus Angst vor einer bestehenden Anzeigepflicht der Behörden keine ausreichenden Informationen mehr liefern.18 Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen könne so nicht entstehen.19 Dieser Einschätzung widersprechen Kloepfer/Vierhaus jedoch im Weiteren entschieden, da es das Legalitätsprinzip der Strafverfolgung gefährde, wenn das Kooperationsprinzip im Umweltverwaltungsrecht auf diesem Wege zum „Kollaborationsprinzip“20 zwischen Verwaltung und Unternehmen mutiere und die bereits bestehende „Begünstigung von Großunternehmen gegenüber kleinen und mittelständischen Betrieben“21 sich zu einer regelrechten „Verfilzung zwischen Auf11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39 m. w. N. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39.

156

D. Ausblick

sichtsbehörden und Privatindustrie“22 ausweiten könnte. Aus diesen Gründen sei eine Anzeigepflicht als „Versuch eines Beitrages zur Demokratisierung des Verbrechensbegriffs nachdrücklich zu begrüßen“23. Die Auffassung von Kloepfer/Vierhaus ist unter dem Aspekt der neutralen und möglichst effektiven Aufsichtsfunktion von Behörden zwar richtig – allerdings kann die Anzeigepflicht wohl nur einen kleinen Beitrag zur Lösung der Zurechnungsschwierigkeiten im Umweltstrafrecht liefern. Denn letztendlich sind es nicht die massiven Umweltverschmutzungen, die bisher mangels Anzeigepflicht trotz Kenntnis der Verwaltung strafrechtlich unbearbeitet bleiben. Es ist hingegen anzunehmen, dass folgenschwere ebenso wie wiederholte Umweltschädigungen gänzlich ohne Kenntnis der Verwaltung vorgenommen werden. Auch eine Anzeigepflicht der Verwaltung kann das Problem, dass bei Umweltdelikten eine besondere Schwierigkeit besteht, die strafrechtlich dafür verantwortliche Person zur Rechenschaft zu ziehen, also nicht lösen. 3. Fazit: Ein Problem der Ermittlungspraxis Mit Blick auf die oben dargestellte24 und im Umweltstrafrecht immer wieder auftauchende Diskussion über das Verständnis des Rechtsgutes als ein anthropozentrisches kann festgestellt werden, dass dieser Aspekt für die Zurechnung jedenfalls aus dem Blickwinkel der Opferidentifikation keine Auswirkungen hat. Wird das Umweltstrafrecht in der dualistischen Sichtweise von Individual- und Kollektivrechtsgütern25 betrachtet, so ist davon auszugehen, dass die Umwelt als ein eigenständiges Rechtsgut ohne Rückbezug auf ihre Funktion für den Menschen geschützt wird.26 Wird das Rechtsgut Umwelt in der Tradition der personalen Rechtsgutslehre27 als schützenswert betrachtet, also insoweit und da es sich durch einen Rückbezug auf den Menschen auszeichnet, ist der mittelbar Geschädigte bei einer Verletzung von Umweltrechtsgütern zwar der Mensch. Allerdings wäre geschädigt wiederum nur das „menschliche“ Kollektiv. Selbstverständlich hat dieses Fehlen einer eindeutigen Opferperson einen Einfluss auf die Zurechnung – jedoch nur vermittelt über die entstehenden Schwie22

Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 39. 24 Siehe B.II.3. 25 Vertreten beispielsweise von Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 119; Jonas, Das Prinzip Verantwortung; Stone, Umwelt; Meyer-Abich, Wege; weitergehend vorgestellt in Hohmann, Rechtsgut, S. 77 ff. (Jonas); S. 80 ff. (Stone); S. 85 ff. (Meyer-Abich); ausführlich dazu auch unter B.II.3.b). 26 Bei einem Schaden am selbstständigen Rechtsgut Umwelt wäre somit die Umwelt selbst und nicht mittelbar der Mensch geschädigt, also erst recht keine bestimmte Person oder Personengruppe. 27 Vertreten beispielsweise von Hassemer, u. a. in Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 131 ff. 23

II. Lösung auf Ebene des GVG: Spezielle Umweltkammern

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rigkeiten, die sich beim Nachvollziehen der Rechtsgutsverletzung stellen. Die daraus resultierenden Probleme bewegen sich auf einer anderen Ebene: Es sind die Strafverfolgungsbehörden, die mit diesem Fehlen und dem Mangel an Informationsmöglichkeiten zu kämpfen haben.

II. Lösung auf Ebene des GVG: Spezielle Umweltkammern Ein weiterer Ansatz, der die Aufklärungsmöglichkeiten von Zurechnungszusammenhängen erhöhen könnte, betrifft die Organisation der Gerichte. In Anlehnung an das Vorgehen im Wirtschaftsstrafrecht könnte sich hier zumindest die Beurteilung der teilweise komplexen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, wie sie im Umweltstrafrecht typischerweise bei den Kumulationseffekten auftreten28, durch bessere Vorbildung und Erfahrung der aburteilenden Richter erleichtern. 1. Problemstellung: Erforderlichkeit von Spezialwissen Wie bereits unter C.III.1. ausgeführt, stehen den komplexen umweltrechtlichen Sachverhalten oft Polizeibeamte und Staatsanwälte gegenüber, die weder über die Technik noch das nötige Know-how verfügen, um adäquate Aufklärungsarbeit zu leisten.29 Die Feststellung einzelner Verursachungsbeiträge, beispielsweise bei der Gewässerverschmutzung, wird außerdem durch Ungenauigkeiten von Mess- und Analyseverfahren erschwert.30 Im Rahmen dieser Beweisschwierigkeiten bei den Ermittlungen müssen auch verfahrensrechtliche Probleme erwähnt werden. Naturgemäß beeinflussen die oben genannten Beweisschwierigkeiten den Gang des Strafverfahrens. Allerdings lässt das Gerichtsverfassungsgesetz in seiner momentanen Fassung es nicht zu, dass spezialisierte Umweltstrafkammern gebildet werden, sodass die Zuständigkeit für Umweltstrafsachen weiterhin bei den allgemeinen Gerichten liegt. Eine Spezialisierung ist deshalb nur über die Geschäftsverteilung innerhalb des Gerichtes möglich. Ähnlich verhält es sich bei der Staatsanwaltschaft, jedoch mit dem Unterschied, dass teilweise bereits Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet wurden.31 Wegen der komplexen Sachverhalte ist jedoch eine vertiefte Fachkenntnis, beispielsweise in der speziellen Schadensbildbeurteilung bei Umweltmedien oder der Aufschlüsselung innerbetrieblicher Abläufe, erforderlich. Aus diesem Grund ist es in einem Großteil der Umweltverfahren unerlässlich, Sachverständigengutachten einzuholen, welche häufig eine überlange Verfahrensdauer verursachen. In beson28

Siehe dazu C.III. Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 143; Samson, in: ZStW 99 (1987), S. 618. 30 Vgl. Lotz, in: Meinberg/Möhrenschlager/Link (Hrsg.), Umweltstrafrecht, S. 228 ff. 31 Vgl. Dannecker/Streinz, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch Umweltrecht, Bd. 1, S. 143. 29

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D. Ausblick

deren Fällen kann diese Verzögerung wiederum eine Strafmilderung zur Folge haben bzw. in Extremfällen sogar zu einem Verfahrenshindernis führen.32 Zu dieser Problematik gesellen sich Beweisprobleme in der genauen Differenzierung von mehreren, kausalen Tatbeiträgen, wie sie im Umweltrecht klassischerweise oft auftreten. Bei Gewässer- und Luftverunreinigungen gilt es als geradezu typisch, dass die Immissionen, die zu einer Schädigung führen, von mehreren Verursachern eingeleitet wurden.33 Auch wenn zumindest nach Kloepfer/Vierhaus entgegen der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung die rechtliche Behandlung der kumulativen Kausalität34 durch die Rechtsprechung beantwortet ist, so verweisen auch sie auf die faktischen Nachweisprobleme, die etwa im Hinblick auf den jeweiligen Verursachungsanteil entstehen.35 2. Lösung: Schaffung einer gerichtlichen Spezialzuständigkeit Eine mögliche Konsequenz wäre, die Gerichtsordnung derart anzupassen, dass spezielle Kammern sich mit dem Umweltstrafrecht beschäftigen. Diese könnten unter Umständen auch mit naturwissenschaftlichen Experten als Beisitzern besetzt sein. Auf diese Weise könnten sich die Richter auf die komplexen ökologisch-naturwissenschaftlichen Zusammenhänge spezialisieren und so das Wissen, das von Fall zu Fall neu entsteht, bündeln. Denn durch die momentane Verteilung der Umweltstrafrechtsfälle läuft das angesammelte Wissen immer wieder Gefahr, verloren zu gehen. Eine ähnliche Entwicklung hat auch im Wirtschaftsstrafrecht stattgefunden: Dieses wird nunmehr gemäß § 74c GVG in speziellen Wirtschaftsstrafkammern abgeurteilt. Auch diese besonderen, spezialisierten Kammern wurden wie alle Spezialkammern aus der Idee heraus geschaffen, dass zur exakten Beurteilung einer bestimmten Art von Delikten ein gewisser Grundstock an Fachwissen vorhanden sein muss, ohne den das Delikt in seiner Komplexität nicht erfasst werden kann. Auch wenn es aufgrund der – im Gegensatz zum Wirtschaftsstrafrecht – relativ geringen Anzahl an Prozessen im Bereich der Umweltdelikte unrealistisch erscheint, dass bei einer Vielzahl von Landgerichten eine eigene Umweltstrafkammer gebildet werden kann, so wäre es doch denkbar, zumindest Umweltstraftaten aus dem Unternehmensbereich in den Zuständigkeitskatalog der Wirtschaftsstrafkammern aufzunehmen. Auf diese Weise könnte sogar noch Wissen aus dem Wirtschaftsstrafrecht, 32

Vgl. BGHSt 32, 345, 350 f. Verstoß gegen das höchstrichterliche Beschleunigungsverbot des Art. 6 I S. 1 EMRK. 33 Siehe C.III.3.; Bloy, in: JuS 1997, S. 581. 34 Kumulative Kausalität liegt vor, wenn eine sog. Mitursächlichkeit für die Erfolgsverwirklichung besteht, also ein Umstand, der nur im Zusammenwirken mit anderen Umständen den Erfolg auslöst, siehe dazu auch Walter, in: LK, Vor § 13, Rn. 75; C.III.4.b)aa)(2) und C.III.4.b)bb)(2)(a). 35 Zum Tatbestand der Gewässerverunreinigung vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 80 ff.

III. Eigener Lösungsweg

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insbesondere aus dem Bereich der innerbetrieblichen Zurechnung36, auf das Umweltstrafrecht übertragen werden.

III. Eigener Lösungsweg Die bereits dargestellte Idee des Kumulationsdelikts37 als ebenfalls recht weitgehender Vorschlag stellt auf den ersten Blick sicherlich einen ernsthaften Lösungsversuch für die Problematik der kollektiven Schädigung eines Allgemeinrechtsgutes dar. Aber aufgrund der genannten Kritik und auch des Problems der sich immer weiter nach vorne verlagernden Strafbarkeit einzelner Handlungen wird dieser sehr umfassende Vorschlag noch viele Hürden nehmen und Kritiker überzeugen müssen. Kritisch erscheint auch, dass das Konzept des Kumulationsdelikts auf eine Art Insellösung hinausläuft, die sich zwar Problemen annimmt, die bei einigen Kollektivrechtsgütern38 auftauchen, sich aber nicht ohne größere Anstrengungen in das Gesamtkonzept der Deliktstypen integrieren lässt. Insbesondere die Vorverlagerung der Strafbarkeit dürfte gerade die Stimmen der Frankfurter Schule nicht beruhigen können, die – wie bereits zu Beginn der Arbeit dargestellt39 – schon an dem Umweltstrafrecht in seiner jetzigen Form erhebliche dogmatische Fehler bemängeln. Dabei halten sie u. a. die abstrakten Gefährdungsdelikte gerade wegen der von ihnen provozierten Vorverlagerung der Strafbarkeit für eine ungeeignete Deliktsform.40 Dieser Kritikpunkt besteht, wie dargestellt41, umso mehr beim Kumulationsdelikt, bei dem Handlung und Rechtsgutsverletzung noch wesentlich stärker entkoppelt sind. Obwohl das Kumulationsdelikt sicher auch in Zukunft viele Fragen aufwirft und deshalb – zumindest nach dem jetzigen Stand der Diskussion – kaum als der eine, letztendliche Lösungsweg für die Problematik der „kollektiven Rechtsgutsschädigung kollektiver Rechtsgüter“ bezeichnet werden kann, ist doch ein Aspekt dieser Diskussion bemerkenswert: Es wird auf einen Deliktstypus zurückgegriffen, der sich nicht im bisherigen Kanon der Deliktstypen wiederfindet. Auch wenn die einzelnen Zuordnungskriterien bei den Autoren teilweise stark differieren, brechen sie doch allesamt mit dem bisherigen System. Diese Erkenntnis könnte folgendermaßen formuliert werden: Mit den bisherigen Prinzipien des Strafgesetzes ist des hoch36 Gemeint ist damit die Zurechnung zu einem Betriebsangehörigen; also zu der Individualperson, die innerhalb des Unternehmens, aus welchem der Tatbestand heraus verwirklicht worden ist, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist. Zur Unterscheidung der innerbetrieblichen im Gegensatz zur außerbetrieblichen Zurechnung siehe B.V.2. 37 Siehe C.V. 38 Neben den Umweltdelikten auch bei Geldfälschungs- und Aussagedelikten; siehe dazu auch Roxin, Strafrecht AT, § 2 Rn. 81. 39 Siehe B.II.2.b). 40 Siehe B.II.2.b). 41 Siehe C.V.2. a. E.

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D. Ausblick

problematischen Bereichs der kumulativen Schädigung bestimmter Rechtsgüter42 nicht Herr zu werden. Würde nun diese hier etwas provokant formulierte These allein auf das Umweltstrafrecht übertragen, bliebe festzustellen, dass der Schutz des Rechtsgutes Umwelt aufgrund dessen Besonderheit als nicht nur kollektives, sondern auch kollektiv geschädigtes und folglich notwendig kumulativ geschädigtes Rechtsgut nicht gelingen kann. Dass das Rechtsgut Umwelt aber ein legitimes Rechtsgut ist, welches folglich auch einen effektiven Schutz durch das Strafrecht beanspruchen darf, wurde bereits im ersten Kapitel als Prämisse festgestellt.43 Aus diesen Überlegungen erscheint es an dieser Stelle legitim, eine gänzlich neue Idee zur Realisierung eines effektiven Schutzes des Rechtsgutes Umwelt zu entwickeln. Gerade im Rahmen eines abschließenden Ausblickes der Arbeit darf ein solcher Weg abseits der bisher untersuchten Pfade gewagt bzw. zumindest ausgesprochen werden. Nach den Betrachtungen und Überlegungen der vorgehenden Kapitel ist klar geworden, dass das Zurechnungsproblem des Umweltstrafrechts, zumindest jenes als „umweltstrafrechtstypisch“ bezeichnetes außerbetriebliches Zurechnungsproblem44, in der Kumulation verschiedener Tatbeiträge liegt, welche erst als Kollektiv das Rechtsgut Umwelt tatsächlich schädigen. Soll diese Suche nun dazu führen, die Zurechnungsproblematik im Umweltstrafrecht abzumildern, bestünde eine Chance darin, diesen Kumulationsaspekt aus der strafrechtlichen Überlegung auszuklammern. Wie dieser weitgehende Schritt vollzogen werden könnte und insbesondere mit welcher Begründung der Kumulationsaspekt bei der Schädigung des Rechtsgutes Umwelt außen vor gelassen werden kann, soll im Folgenden erläutert werden. 1. Integration des strafrechtlichen Umweltschutzes in einen anderen Abschnitt des StGB Eine sehr weitgehende Überlegung bestünde in der kompletten Verschiebung der Umweltdelikte innerhalb des Strafrechtskataloges. Eine Möglichkeit wäre, den eigenen Abschnitt der „Straftaten gegen die Umwelt“ aufzuheben und den strafrechtlichen Schutz der Umwelt in einen anderen Abschnitt zu integrieren. Zum einen wäre so zumindest vordergründig der mit dem Umweltstrafrecht oft verbundene „Sonderstatus“ entschärft, der ihm wegen seiner Entstehungsge42 Beispielsweise Umwelt-, Geldfälschungs- und Aussagedelikte; siehe dazu etwa Roxin, Strafrecht AT, § 2 Rn. 81. 43 Siehe B.III. 44 Siehe B.V.2.b).

III. Eigener Lösungsweg

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schichte45 anhängt. Doch es können noch weitere Gründe für eine Verschiebung der Umweltdelikte angeführt werden, die über die zunächst rein systematisch bessere Eingliederung in das Strafrecht hinausgehen. Mit der Integration in einen bereits dogmatisch umfänglich bearbeiteten Abschnitt ließe sich ein Großteil der für diesen Abschnitt entwickelten Lösungsstrategien auch auf den Schutz der Umwelt übertragen. Eine eigene, hier die umweltstrafrechtliche Auseinandersetzung könnte bei einer durchdachten Eingliederung möglicherweise wegfallen oder sich zumindest an eine bereits geführte Diskussion und einen bestehenden Lösungsweg anlehnen. Das Rad müsste also nicht neu erfunden werden. Hinzu käme, dass der bereits angesprochene Sonderstatus des Abschnitts der Umweltstraftaten, der unter kritischen Vorzeichen dem Umweltstrafrecht auch oft einen Status als „Fremdkörper“ innerhalb des Strafrechtssystems verleiht, wegfiele. Es sei an dieser Stelle zur Verdeutlichung jenes Sonderstatus daran erinnert, dass das Umweltstrafrecht, wie im ersten Kapitel46 beschrieben, direkt aus dem Verwaltungsrecht hervorgegangen ist. Daraus erklären sich größtenteils auch die Unterschiede in Sprache und Deliktsaufbau sowie die starke Verwaltungsakzessorietät, die das Umweltstrafrecht von der Mehrheit der Strafrechtsnormen abhebt. Möglicherweise ließe sich mit Integrationsbemühungen des Umweltschutzes in einen Abschnitt des „klassischen“ Strafrechts die Kritik verringern, welche dem Umweltstrafrecht als Teil des sog. modernen Strafrechts47 entgegenschlägt. Doch können weder Vorteile noch Umsetzbarkeit einer solchen Verschiebung abschließend erläutert werden, ohne den Abschnitt zu nennen, in den sich der Schutz der Umwelt eingliedern lassen könnte. Weiterhin sei zu dieser Überlegung unterstützend angemerkt, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt angedacht war, dem Umweltstrafrecht nicht, wie nunmehr erfolgt, einen eigenen Abschnitt zu widmen, sondern es in einen anderen Abschnitt zu integrieren: Der Alternativentwurf zum Strafgesetzbuch von 1971 hatte damals die Vorschriften zum Schutz der Umwelt noch als Unterfall der Körperverletzungsdelikte in das StGB einfügen wollen.48

45 46 47 48

Siehe B.I.1. Siehe B.I.1.a). Siehe B.II.2.b)aa). Vgl. Franzheim/Pfohl, Umweltstrafrecht, S. 4.

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D. Ausblick

2. Einfügen des strafrechtlichen Umweltschutzes in den Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte Der eben benannte Alternativentwurf49 konnte sich nicht durchsetzen mit seiner Idee, die Delikte zum Schutz der Umwelt bei den Körperverletzungsdelikten zu integrieren. Eine solche Zuordnung würde eventuell auch mit dem heutigen Verständnis von Umwelt und Umweltschutz, bei der zumindest neben ihrer Funktion für den Menschen auch der Eigenwert der Umwelt als schützenswert eingeordnet wird, nicht oder nicht mehr zusammen passen. Eine solche Verschiebung bzw. Integration in den Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte gem. den §§ 303-305 a StGB wäre hingegen denkbar. a) Vergleichbarkeit der Tatobjekte Selbstverständlich wirkt dies auf den ersten Blick gewagt – schließlich erscheint es nicht zwingend notwendig, die über § 324 ff. StGB geschützten Umweltmedien in den Katalog der Strafbarkeiten aufzunehmen, die vordergründig dem Schutz fremder „Sachen“ dienen. Doch bei einem zweiten Blick erschließt sich die Logik, die diesem Vorschlag zugrunde liegt: Generell kann eine von Schünemann geäußerte Idee als Grundlage dieser Überlegung dienen.50 Dieser erkennt zum einen den Verbrauch der Ressource Umwelt als einen wichtigen Bestandteil des Umweltstrafrechts an.51 Da die Ressource Umwelt jedoch auch künftigen Generationen zur Verfügung stehen muss (oder eher: soll), stellt bezüglich der Verteilungsgerechtigkeit unter den Generationen das Umweltstrafrecht Vermögensstrafrecht im weitesten Sinne dar.52 An diese Feststellung anschließend führt Schünemann aus, dass deshalb die Umwelt als ökologische Ressource selbst schützenswertes Rechtsgut sein könne, „weil es im rechtstechnischen Sinn noch kein Eigentum künftiger Generationen geben kann“53. Nun geht zwar (auch im Folgenden) diese Arbeit von einem doppelten Rechtsgutsbezug aus, der sowohl die Umwelt an sich als auch die Umwelt in ihrer Funktion für den Menschen schützt. Doch widerspricht dies nicht direkt den Ausführungen Schünemanns, der die Umwelt als solche schützen will, und zwar als Ressource für die künftige Generation. Die kommenden Generationen bilden also auch bei ihm einen Rückbezug auf den Menschen ab, der nur deshalb nicht eigenständig bestehen kann, da es ein Eigentum künftiger Generationen nicht geben kann.

49 Siehe den Alternativentwurf zum Strafgesetzbuch BT, Straftaten gegen die Person, §§ 151 ff. 50 Diese Überlegung ist auch bereits näher ausgeführt unter B.III. 51 Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. 52 Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. 53 Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27.

III. Eigener Lösungsweg

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Zwei Aspekte dieser Überlegung sollen im Folgenden auch Grundlage oder Argument für den hier vorgeschlagenen Lösungsweg sein: Zum einen soll den Umweltdelikten ein Menschenbezug zukommen – jedoch nicht lediglich bezüglich der aktuell lebenden Generation, sondern bezüglich kommender Generationen. Zum anderen sieht auch Schünemann die Umwelt als Delikt, das grundsätzlich den Vermögensdelikten zuzuordnen sei54, obwohl es aus „rechtstechnischen Gründen noch kein Eigentum künftiger Generationen geben kann“55. Aus diesem letzten Zitat lässt sich schließen, dass Schünemann – aufgrund der Eigenschaft der Umwelt als „erschöpfbare Ressource“56 – davon ausgeht, dass die Umwelt Eigentum sein kann oder zumindest eigentumsähnlich verstanden werden kann. Er stellt ja lediglich fest, dass Umwelt aus rechtstechnischen Gründen noch nicht Eigentum künftiger Generationen sein kann. Diese Aspekte lassen sich also auch für eine argumentative Unterstützung des hier vorgeschlagenen Lösungsweges heranziehen. Zudem hat sich das Recht der Sachbeschädigung bereits einmal und eventuell so schnell wie kein weiteres Delikt an gesellschaftliche Neuerungen angepasst, gerade auch in Bezug auf das geschützte Tatobjekt. Der Schutz vor Datenveränderung gem. § 303 a StGB schützt ebenfalls im Rahmen der „Sach“beschädigungsdelikte Tatobjekte, die nicht auf den ersten Blick als „Sachen“ bezeichnet werden können, da sie keine körperlichen Gegenstände57 darstellen. Das Tatobjekt aus § 303 a StGB in seiner konkreten Definition sind die nicht unmittelbar wahrnehmbaren Daten, legal definiert im § 202 a II StGB.58 Danach sind Daten geschützt, die elektronisch, magnetisch oder sonst gerade nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden. Allein aus dieser Definition wird unzweifelhaft klar, dass sich im Punkt der Körperlichkeit die Tatobjekte innerhalb desselben Abschnitts der Sachbeschädigung erheblich unterscheiden. Schließlich definiert die Sache das Tatobjekt des § 303 StGB eigentlich notwendigerweise als körperlich. Insoweit scheint zumindest schon bei der Einführung dieses Delikts durch das 2. WiKG59 zum 1. 8. 198660 die Auffassung bestanden zu haben, dass sich der Abschnitt der Sachbeschädigung grundsätzlich eignet, auch Tatobjekte zu schützen, welche sich nicht als eigentliche „Sachen“ qualifizieren lassen. Es ist zu überlegen, ob diese Erweiterung im Bereich der im Rahmen des Abschnitts über Sachbeschädigungen geschützten Tatobjekte, wie der § 303 a StGB sie vorgenommen hat, auch dafür sprechen könnte, die Tatobjekte des Umweltstrafrechts in diesen Abschnitt mit zu integrieren.

54 55 56 57 58 59 60

Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. Vgl. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. Vgl. Weiler, in: NK, § 303 a, Rn. 1. Vgl. Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303 a, Rn. 8. Die Vorschrift wurde eingeführt durch Art. 1 Nr. 17, 2. WiKG vom 15. 5. 1986. Vgl. Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303 a, Rn. 7.

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D. Ausblick

Die Tatobjekte des Umweltstrafrechts dürfen dabei nicht mit dem geschützten Rechtsgut verwechselt werden. Während das Rechtsgut, wie in den vorherigen Kapiteln ausführlich dargestellt61, noch immer äußerst umstritten ist62, lassen sich die für das Umweltstrafrecht relevanten Tatobjekte auf die Umweltmedien beschränken, welche sich als die Schutzgüter „Gewässer“63,64, „Luft“65,66 und „Boden“67,68 zusammenfassen lassen.69 Zumindest teilweise sind diese über die §§ 324 ff. StGB geschützten Umweltmedien als körperlich zu betrachten, wie der momentan über § 324 a StGB explizit mitgeschützte Boden oder das über § 324 StGB geschützte Gewässer. Nicht körperliches, aber dennoch über die §§ 324 ff StGB geschütztes Umweltmedium ist hingegen die Luft, die momentan über § 325 StGB geschützt wird. Zumindest hier müssten die Überlegungen, die zur Aufnahme des Schutzes von Daten in die §§ 303 ff. StGB geführt haben, jedoch grundsätzlich übertragbar sein. So dürfte die Voraussetzung der Körperlichkeit der Tatobjekte im Abschnitt der Sachbeschädigung kein Gegenargument darstellen. b) Vergleichbarkeit der Rechtsgüter Weitere Bedenken bestehen naturgemäß bei den stark differierenden Rechtsgütern, die bei einer Nebeneinanderstellung von klassischen Sachbeschädigungsdelikten und Umweltdelikten auftauchen. Hier stechen die stark divergierenden Konzeptionen sofort ins Auge: § 303 StGB selbst schützt das Eigentum an Sachen sowie die daraus abgeleiteten Nutzungsrechte70, die §§ 324 ff. StGB den äußerst vagen Begriff der Umwelt. Während also das Rechtsgut der Sachbeschädigung klar einer bestimmten Person, nämlich dem Eigentümer, zugeordnet werden kann, ist dies bei der Umwelt als kollektivem Rechtsgut nicht der Fall. Schon darin unterscheiden sich beide Delikte erheblich. Als ein weiterer sich an diese Feststellung anschließender oder scheinbar daraus ergebender Unterschied könnte die Anthropozentrik angesehen werden, welche das Eigentum als Rechtsgut der Sachbeschädigung kennzeichnet. Dieses das Rechtsgut 61

Siehe B.II.3. Siehe als einer von vielen: Schmitz, in: MüKo, Vor §§ 324 ff., Rn. 11. 63 Vgl. Alt, in: MüKo, § 324, Rn. 11 ff. bzw. § 329, Rn. 2. 64 Konkret in § 324 StGB, aber auch § 329 StGB. 65 Vgl. Alt, in: MüKo, § 324, Rn. 43 bzw. § 329, Rn. 2. 66 Konkret in § 325 StGB, aber auch § 329 StGB. 67 Vgl. Alt, in: MüKo, § 324 a, Rn. 10 bzw. § 329, Rn. 2. 68 Konkret in § 324 a StGB, aber auch § 329 StGB. 69 Zwar umfasst § 329 StGB neben den Schutzgütern Gewässer, Boden und Luft auch Tiere und Pflanzen (vgl. Alt, in: MüKo, § 329, Rn. 2), allerdings entsprechend dem Normzweck lediglich dann, wenn sie sich in einem Gebiet befinden, welches verwaltungsrechtlich geschützt wird. Teilweise werden Tiere und Pflanzen neben den Umweltmedien Gewässer, Boden und Luft auch als Umweltgüter bezeichnet, vgl. etwa Ransiek, in: NK, Vor § 324 ff., Rn. 7. 70 Vgl. Zaczyk, in: NK, § 303, Rn. 1. 62

III. Eigener Lösungsweg

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der Sachbeschädigung unzweifelhaft auszeichnende Merkmal wird zumindest von den Vertretern der ökologischen71 Rechtsgutskonzeption in Bezug auf das Rechtsgut des Umweltstrafrechts explizit verneint. Hinzu kommen Auffassungen, die das Rechtsgut der Umweltdelikte als verwaltungsrechtlich geprägt ansehen oder ein umfassendes Rechtsgut der Umweltdelikte grundsätzlich verneinen.72 Doch diese Diskrepanz in der Struktur der Rechtsgüter der Sachbeschädigung einerseits und der Umweltdelikte andererseits reicht nicht aus, um eine Einordnung der Umweltdelikte in den gesamten Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte grundsätzlich auszuschließen. Denn, wie aus der Formulierung und auch der vorangegangenen Darstellung73 hervorgeht, geht die Lehre überwiegend, von vielen Autoren auch als h. M. zitiert74, davon aus, dass auch die Umweltdelikte anthropozentrisch75 ausgestaltet sind oder zumindest neben einem ökologischen auch einen anthropozentrischen Aspekt76 beinhalten. Die Auffassungen darüber, was das Rechtsgut der Umweltdelikte ist, gehen also noch immer weit auseinander. Erschwerend kommt hinzu, dass sich nicht nur zwei unterschiedliche Ansichten gegenüberstehen, sondern – je nach Zählweise – vier bis fünf. Ein Großteil der Literatur geht bereits von einem Rechtsgut mit Doppelbezug aus.77 Für die vorliegende Überlegung, bei der es um die Frage einer Annäherung von Umwelt- und Sachbeschädigungsdelikten geht, kommt es nun entscheidend darauf an, ob möglicherweise innerhalb des Abschnitts über die Sachbeschädigung in Bezug auf das Rechtsgut mit den Umweltdelikten vergleichbare Strukturen existieren. Wie schon beim Tatobjekt könnte auf ein weiteres Delikt aus dem Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte verwiesen werden, bei welchem sich das Rechtsgut ebenfalls in einigen Punkten von dem des § 303 StGB unterscheidet. Der § 304 StGB, der die gemeingefährliche Sachbeschädigung beschreibt, zeichnet sich durch ein Rechtsgut aus, welches den ideellen Wert von Sachen mit Allgemeinbedeutung schützt.78 Das Rechtsgut des § 304 StGB greift jedenfalls nicht das Kriterium des Eigentums auf, da das Merkmal als „fremde“ Sache für den Tatbestand nicht erforderlich ist.79 Vergleichbar mit der Situation bei den Rechtsgütern der Umweltdelikte ist gerade nicht das einer Person zugeordnete Eigentumsinteresse geschützt,

71

Siehe B.II.3.b). Siehe B.II.3.d) und B.II.3.e). 73 Siehe B.II.3.; so auch Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12. 74 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 13; Ransiek, in: NK, Vor §§ 324 ff., Rn. 7; Steindorf, in: LK, Vor § 324, Rn. 12. 75 Sog. rein anthropozentrische Auffassung, siehe B.II.3.a), vertreten etwa von Ransiek, in: NK, Vor § 324 Rn. 7 ff.; Hassemer/Neumann, in: NK, Vor § 1, Rn. 136. 76 Sog. doppelter Rechtsguts- oder anthropo-ökologischer Ansatz, siehe B.II.3.c) vertreten etwa von Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12. 77 B.II.3.f). 78 Vgl. Zaczyk, in: NK, § 304, Rn. 1. 79 Vgl. Wolff, in: LK, § 304, Rn. 1; Zaczyk, in: NK, § 304, Rn. 1. 72

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D. Ausblick

sondern das „Gemeininteresse an der allgemeinen Nutzung“80 bestimmter Sachen. Somit wird bezüglich des Rechtsgutes ebenfalls keine eindeutige Zuweisung an eine Einzelperson vorgenommen. Anders gesagt schützt der § 304 StGB Kollektivrechtsgüter, ebenso wie bei den Rechtsgütern des Umweltschutzes. Schließlich kommt es für die Strafbarkeit nach § 304 StGB entscheidend darauf an, dass ein Angriff auf die „überindividuelle allgemeine Bedeutung“81 der Sache erfolgt. Dies sind Formulierungen, die sich unverkennbar mit den Beschreibungen kollektiver Rechtsgüter decken.82 Der zweite Aspekt, der angeführt wurde, um die Gegensätze der Rechtsgutskonzeptionen zwischen § 303 StGB und den Umweltdelikten zu verdeutlichen, ist die Anthropozentrik. Ob der § 304 StGB sich durch ein anthropozentrisches Rechtsgut auszeichnet, erschließt sich nicht sofort: Schließlich zählt § 304 StGB mehrere recht unterschiedliche Angriffsobjekte auf. Jedoch erscheint bei allen von § 304 StGB umfassten Gegenständen trotz ihrer Allgemeinbedeutung und des öffentlichen Interesses an ihrem Bestehen83 nicht der jeweilige Erhalt „um ihrer selbst willen“ geschützt, sondern aufgrund bzw. gerade wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit.84 Den Angriffsobjekten muss die Allgemeinbedeutung explizit durch menschliche Entscheidung verliehen worden sein, entweder durch „öffentlichrechtlich verstandene Widmung oder durch betätigten Allgemeinwillen“85. Dieser Verweis auf die öffentlich-rechtliche Widmung kann als systematisches Argument für eine Anthropozentrik gewertet werden, da eine Widmung im öffentlichen Recht, beispielsweise im Kommunalrecht, eine Einrichtung gerade zum „externen Gebrauch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt“86. Im Rückschluss könnte das bedeuten, dass die durch die Widmung erfolgte Herausstellung der Gemeinnützigkeit strafrechtlichen Schutz auch im Rahmen des § 304 StGB genießt. Nach diesen Ausführungen muss eine Anthropozentrik der in § 304 StGB geschützten Rechtsgüter bejaht werden. Fraglich bleibt, ob das Rechtsgut der Umweltdelikte aufgrund der Parallelität der Rechtsgutsausrichtung deswegen in den Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte konzeptuell hineinpasst oder nicht. Ein Argument für die Integration der Umweltdelikte in den Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte ist, dass immerhin ein erheblicher Teil der Literatur die Ansicht teilt, auch bei der Umwelt handle es sich um ein zumindest anthropo-ökologisches Rechtsgut.87 Dies erfolgt angesichts der Historie88 und der von der Frankfurter Schule 80 81 82 83 84 85 86 87 88

Wolff, in: LK, § 304, Rn. 1; Zaczyk, in: NK, § 304, Rn. 1. Zaczyk, in: NK, § 304, Rn. 1. Siehe B.II.2. Vgl. Weiler, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 304, Rn. 1. Vgl. Weiler, in: Dölling/Duttge/Rössner, § 304, Rn. 1. Zaczyk, in: NK, § 304, Rn. 3. Widtmann/Glasser/Graser, in: Bayerische Gemeindeordnung, Art. 21, Rn. 4. Siehe B.II.3.b) und B.II.3.c). Siehe dazu B.I.1.; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 12.

III. Eigener Lösungsweg

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geäußerten Kritik89 mit durchaus guten Gründen. Letztendlich würde eine Einordnung der Umweltdelikte im Katalog des Abschnitts über Sachbeschädigungsdelikte eine weitere Stärkung der Argumentation für den doppelten Rechtsgutsbezug bedeuten, da zusätzlich das systematische Argument der Platzierung innerhalb eines Abschnitts mit ausschließlich anthropozentrisch ausgerichteten Delikten bestünde. Jedoch würde dies angesichts der validen Argumente der Befürworter eines anthropo-ökologischen Rechtsgutsbegriffs nicht zu einer systemwidrigen Situation führen, welche unzweifelhaft gegen eine Verschiebung in den Sachbeschädigungsabschnitt spräche. Somit taugt auch das Merkmal der Anthropozentrik, welches die Delikte im Abschnitt der Sachbeschädigung auszeichnet, nicht dazu, eine Aufnahme der Umweltdelikte in selbigen Abschnitt grundsätzlich abzulehnen. c) Weitere bereits bestehende Parallelen: Die Naturdenkmäler in § 304 StGB Bisher wurden allgemein die Parallelen zwischen den Delikten des Sachbeschädigungsabschnitts und den Umweltdelikten dargestellt, die für eine Rechtfertigung der Verschiebung und Eingliederung der Umweltdelikte in diesen Abschnitt sprechen. Neben der festgestellten Vergleichbarkeit in den Bereichen der Tatobjekte und der Rechtsgüter lassen sich weitere Parallelen zwischen den Umweltdelikten und dem Abschnitt über Sachbeschädigungen ziehen: So ist eines der explizit aufgezählten Angriffsobjekte des § 304 StGB das Naturdenkmal. Allein durch die Aufführung dieses Begriffs und des dahinterstehenden Schutzes von bestimmten „Einzelschöpfungen der Natur“90 lässt sich erahnen, dass die Überlegungen, die einerseits zur derartig erfolgten Ausformulierung des § 304 StGB und andererseits zur Einführung der §§ 324 ff. StGB führten, zumindest in dieselbe Richtung gingen. Denn in beiden Fällen wurde der Wert von gewissen Bestandteilen unserer Umwelt als eines strafrechtlichen Schutzes für würdig erachtet. Es liegen jeweils die Intention sowohl des Rechtsgutschutzes als auch in Bezug auf das Tatobjekte relativ nah beieinander. Auch die vorgenommene Zuordnung in der wissenschaftlichen Literatur lässt eine Verwandtschaftsbeziehung erkennen. So ist der § 304 StGB mit dem Angriffsobjekt der Naturdenkmäler – und zwar ausschließlich mit diesem Tatobjekt – in den für den Bereich des Umweltstrafrechts lange Zeit maßgebenden Kommentar zum „Umweltschutz-Strafrecht“ von Sack mitaufgenommen.91 Selbstverständlich bleibt zu beachten, dass sich die Tatobjekte der §§ 324 ff. StGB und des § 304 StGB in der Tatvariante der Zerstörung von Naturdenkmälern 89 90 91

Siehe B.II.2.b). Zaczyk, in: NK, § 304, Rn. 8. Siehe Sack, Umweltschutz-Strafrecht, A 1.2.

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D. Ausblick

insoweit unterscheiden, als § 304 StGB die Begriffsbestimmung aus § 28 BNatSchG übernimmt. Danach gelten nur Einzelschöpfungen der Natur als Naturdenkmal, welche aus „wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit“ besonderen Schutz genießen und welche explizit im Wege einer „rechtsverbindlichen Festsetzung durch die Verwaltungsbehörden“ als solche charakterisiert wurden. Trotz der im Umweltstrafrecht in weiten Teilen bestehenden Verwaltungsakzessorietät92 besteht keine derart weitgehende Abhängigkeit von Verwaltungsvorschriften. Dennoch werden in beiden Fällen mit oder ohne verwaltungsrechtliche Festlegung Objekte unter strafrechtlichen Schutz gestellt, welche ohne menschliches Zutun von der Natur selbst erschaffen wurden. Weder wurden sie primär zum Nutzen des Menschen geschaffen, noch kann während ihres Bestehens davon ausgegangen werden, dass sie ausschließlich dem Menschen zur Verfügung stehen. Weiterhin eint diese Tatvariante des § 304 StGB mit den Umweltdelikten der §§ 324 ff. StGB, dass sie nicht durch Menschen erschaffene Objekte vor dem qualitativ oder quantitativ zu starken Zugriff des Menschen schützt. Diese Gemeinsamkeiten der Deliktsgruppe der Umweltdelikte und des strafrechtlichen Schutzes der Naturdenkmäler in § 304 StGB sprechen dafür, dass es nicht vollkommen inhaltsfremd wäre, die Umweltdelikte in den Abschnitt der Sachbeschädigung nach §§ 303 ff. StGB aufzunehmen. 3. Verbesserung für das Umweltstrafrecht In Anbetracht der im vorherigen Kapitel aufgeführten Gemeinsamkeiten, nach denen bereits gewisse Parallelen zwischen Delikten aus dem Sachbeschädigungsabschnitt und den Umweltdelikten in Bezug auf Tat- bzw. Angriffsobjekte und das Rechtsgut bestehen, soll für die folgende Überlegung davon ausgegangen werden, dass eine grundsätzliche Eingliederung des strafrechtlichen Umweltschutzes in den Abschnitt über Sachbeschädigungen möglich ist. Es bleibt jedoch die Frage bestehen, weshalb es überhaupt sinnvoll sein könnte, den bisher eigenständig bestehenden Abschnitt der Umweltdelikte auszulösen und in den Abschnitt der Sachbeschädigungen zu integrieren. a) Allgemeine Vorteile Zunächst sollen Vorteile angesprochen werden, die eine solche Verschiebung, grundsätzlich und allgemein betrachtet, haben könnte. Im Weiteren wird darauf eingegangen, ob dies auch einen Einfluss auf die in dieser Arbeit behandelte Zurechnungsproblematik haben könnte.

92 Siehe dazu u. a. Ransiek, in: NK, Vor §§ 324 ff., Rn. 17 ff.; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 24; Franzheim/Pfohl, Umweltstrafrecht, S. 6.

III. Eigener Lösungsweg

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aa) Übernahme eingeführter Lösungswege und gefestigter Rechtsprechung Eines der Hauptprobleme des Umweltstrafrechts benennt Seong-Eun: Danach scheint es „unentbehrlich, ein ökologisches Schutzkonzept mit mehr Einheitlichkeit und Rechtsklarheit zu schaffen“93. Er stellt in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer Harmonisierung des Umweltschutzes auf.94 Nur so könnten die mit der Unklarheit verbundenen Probleme bewältigt werden, die sich seiner Ansicht nach bereits sowohl in einer Orientierungs- und Verhaltensunsicherheit beim Bürger als auch in der Gefahr atypischer und willkürlicher Rechtsanwendung niederschlagen.95 Das Bedürfnis nach einer größeren Klarheit führt er noch abstrakter aus, indem er aufzeigt, dass das Strafrecht auch dann die „Aufgabe der Formalisierung sozialer Kontrolle erfüllen“96 müsse, wenn es komplexe gesellschaftliche Bedrohungsphänomene regle. Dieser Wunsch nach einer größeren Klarheit, sowohl beim Rechtsanwender als auch beim Bürger, ist verständlich und eine Lösung dieses Problems wünschenswert. Teilweise liegt der Grund für die Unklarheit jedenfalls darin, dass das Umweltstrafrecht nicht aus einem Guss mit dem sonstigen Strafrecht erlassen wurde: So lässt sich ein Teil der Kritik, die diesbezüglich am Umweltstrafrecht geäußert wird, darauf zurückführen, dass es sich zum einen um einen relativ neu eingeführten Abschnitt und zum anderen um einen bisher in der Rechtsprechung wenig gefestigten Deliktstypus handelt. Möglicherweise besteht die Chance, einige inzwischen gefestigte Grundsätze aus der Rechtsprechung zu übertragen und so auch der Praxis mehr Rechtssicherheit im Umgang mit Delikten zum Schutz der Umwelt zu bieten. Selbstverständlich müssten aufgrund der teilweise bei den Einzeldelikten unterschiedlichen Rechtsgüter (z. B. dem Eigentum in § 303 StGB) oder der Tatobjekte (z. B. der Sache in § 303 StGB) Anpassungen und Übertragungen vorgenommen werden. Zumindest wären aber Anlehnungsmöglichkeiten vorhanden, auf die im Rahmen einer systematischen Argumentation verwiesen werden kann. Beispiele dafür liefern u. a. die inzwischen gefestigte Ansicht zur möglichen Zusammensetzung des Tatobjekts, also die Frage, ob bzw. inwiefern es ausschlaggebend es ist, dass es sich bei den Tatobjekten nicht um „natürliche Einheiten“, sondern eine Verbindung aus mehreren „Sachen“, also eine „Sacheinheit“ handelt.97 Natürlich ist das Tatobjekt der „Sache“ für die Beschreibung einer Schädigung an einem Umweltmedium (Boden, Luft, Gewässer98) gänzlich ungeeignet. Allerdings lässt sich die Überlegung, dass aus einzelnen Tatobjekten zusammengesetzte Tatobjekteinheiten 93

Seong-Eun, Tatbestandstypen, S. 202. Siehe Seong-Eun, Tatbestandstypen, S. 202. 95 Siehe Seong-Eun, Tatbestandstypen, S. 202. 96 Seong-Eun, Tatbestandstypen, S. 202. 97 Vgl. Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303, Rn. 11; Wolff, in: LK, § 303, Rn. 7; Zaczyk, in: NK, § 303, Rn. 3. 98 Siehe D.III.2.a); Alt, in: MüKo, § 324 a, Rn. 10 f. und Rn. 43. 94

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D. Ausblick

„ebenfalls taugliches Tatobjekt“99 sein können, sehr wohl auf die Umweltdelikte übertragen. Dies könnte eine Rolle bei der Schädigung von Umweltbereichen spielen, die mehrere Umweltgüter vereinen, wie beispielsweise ein Moor oder bestimmte Uferlandschaften. Einen besonders wichtigen und erheblichen Vorteil würde des Weiteren eine Übernahme der Überlegungen zu den sog. „unerheblichen Einwirkungen“100 darstellen, wie er sich explizit im Tatbestand des § 303 II StGB findet, aber auch in der Definition der Beschädigung im Rahmen des § 303 I StGB.101 Denn gerade im Bereich der „minimalen Beeinträchtigungen“102 und der Möglichkeit eines Ausschlusses reiner Bagatellhandlungen steht das Umweltstrafrecht bisher vor großen Problemen und bietet nur unbefriedigende oder zumindest stark umstrittene Lösungen.103 Da jedoch die Problematik der Bagatellhaftigkeit von bestimmten Einzelhandlungen im Umweltstrafrecht in dieser Arbeit bereits in einem Kapitel über die Zurechnung104 aufgegriffen wurde, wird die vereinfachte Möglichkeit an dieser Stelle lediglich angedeutet und tiefer gehend erst im folgenden Kapitel über die speziellen Vorteile für die Problematik der Zurechnung im Umweltstrafrecht105 behandelt. Schließlich spielt dieser Punkt, wie aus dem vorherigen Kapitel bekannt, eine entscheidende Rolle bei der Frage der Gesamt- oder der Einzelzurechnung. bb) Gesteigerte Wertigkeit der Umwelt bei eigentumsähnlicher Zuweisung Ein weiterer Vorteil bestünde auf einer außerhalb der eigentlichen Strafrechtsordnung liegenden Ebene, welche dennoch geeignet ist, das Rechtsgut zu schützen. So bestünde bei Einbettung des Umweltschutzes in den Abschnitt der Sachbeschädigungsdelikte, welcher einen klassischen Aspekt des Eigentumsschutzes wiedergibt, die Möglichkeit zu einem gesteigerten Wertigkeitsempfinden gegenüber dem Rechtsgut. Möglicherweise würden Bürger ein Rechtsgut mehr achten und schützen, wenn es zumindest in die Nähe einer Eigentumsverletzung gerückt wird. Durch eine – wenn auch nur suggerierte – Zuordnung zu einer Person könnte es möglich sein, den Wert eines Rechtsgutes und seines Schutzes zu steigern. Selbstverständlich wäre das Rechtsgut der Umweltdelikte weiterhin ein kollektives. Allerdings könnte die Einordnung zwischen Delikte, welche großteils den Schutz von Eigentum bezwecken, dazu führen, dass die Umwelt in diesem Kontext als „Eigentum der Allgemeinheit“ begriffen wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die 99

Zaczyk, in: NK, § 303, Rn. 3. Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303, Rn. 56 ff.; Zaczyk, in: NK, § 303, Rn. 7. 101 Vgl. Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303, Rn. 23. 102 Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303, Rn. 11. 103 Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c). 104 Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c). 105 Siehe D.III.3.b).

100

III. Eigener Lösungsweg

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Bereitschaft, ein Rechtsgut zu schädigen, welches als „Eigentum der Allgemeinheit“ gesehen und verstanden wird, geringer ist als die Bereitschaft, ein Rechtsgut zu schädigen, welches niemandem speziell zugeordnet werden kann. Zur Unterstreichung dieser Annahme kann wiederum auf volkswirtschaftliche Mechanismen zurückgegriffen werden: Sobald die Nutzung eines Gutes nicht beschränkt wird, kann sich auch kein Markt und kein Preis dafür entwickeln. Ohne in dieser Arbeit vertieft auf das Problem des Umgangs mit der Ressource Umwelt in diesem Sinne eingehen zu können, sei diesbezüglich insbesondere auf die Beiträge von Haas/Schlesinger106, Helfrich107 und Hentrich108 verwiesen. Letzterer stellt bezüglich des eben angesprochenen Aspektes einleitend fest, dass es gerade an einer „klaren Zuordnung von Eigentumsrechten an den betreffenden Naturressourcen“109 fehlt. Indem die Umweltdelikte in Vorschriften über den Schutz des Eigentums eingebettet würden, könnte der Vorstellung entsprochen werden, dass es sich bei der Umwelt sozusagen – wenn auch rechtstechnisch so selbstverständlich unvertretbar – um „Eigentum des Kollektivs“ oder „Eigentum der zukünftigen Generation“110 handelt. Zwar kann auch darüber nicht erzwungen werden, dass sich die gesellschaftlichen Vorstellungen über die Wertigkeit des Rechtsgutes Umwelt unmittelbar verändern, aber es würde doch dem Umstand Ausdruck verliehen, dass letztendlich Geschädigte das Kollektiv bzw. die kommende Generation ist.111 Der „Umzug“ würde klarmachen, dass die Motivation für den strafrechtlichen Schutz der Umwelt nicht eine rein altruistische ist, sondern dass Schäden an der Umwelt letztendlich Schäden an einer Ressource sind, von der der Mensch abhängig ist. Dieses Bewusstmachen darüber, dass ein Verhalten, das die Umwelt schädigt, gleichzeitig ein Verhalten ist, das den Menschen schädigt, könnte zumindest ein erster Schritt zu einer gesteigerten Wahrnehmung der Wertigkeit des Rechtsgutes Umwelt sein. cc) Festlegung des Rechtsgutsbegriffs auf eine anthropozentrische Sichtweise Ein weiterer Vorteil wurde ebenfalls dargelegt, allerdings nicht explizit als solcher bezeichnet. Wie aufgezeigt112, würde eine Implementierung der Umweltstraftaten in den Abschnitt der Sachbeschädigung dazu führen, dass die Auffassung zugunsten eines anthropo-ökologischen113 Rechtsgutsverständnisses um das systematische 106 107

103 ff. 108 109 110 111 112 113

Siehe Haas/Schlesinger, Umweltökonomie, S. 16 ff. und 76 ff. Siehe Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.), Wem gehört die Welt?, S. 96 ff. und Siehe Hentrich (Hrsg.), Eigentum, S. 7 ff. Hentrich (Hrsg.), Eigentum, S. 21. Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Strafrechtsstrukturen, S. 27. Siehe dazu die Ausführungen unter C.I.2. Siehe D.III.2.b). Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 14, Rn. 17.

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D. Ausblick

Argument bereichert würde. Schließlich sind im Abschnitt der Sachbeschädigung sämtliche Delikte anthropozentrisch ausgestaltet. Selbst § 304 StGB ist, obwohl er ähnlich dem Kollektivrechtsgut der Umweltdelikte die „Nutzungsinteressen der Allgemeinheit“114 schützt, anthropozentrisch zu verstehen.115 Sogar dieses Delikt, welches ein Rechtsgut schützt, das zumindest im Gegensatz zu den restlichen Delikten des Abschnitts über die Sachbeschädigung nicht einer Einzelperson bzw. einer festen Gruppe von Einzelpersonen zugeordnet wird, hat einen Rückbezug auf den Menschen. Somit sind sämtliche im Abschnitt der Sachbeschädigung geschützten Rechtsgüter anthropozentrisch ausgestaltet – auch dasjenige, welches, genau wie das Umweltstrafrecht, ein Allgemeinrechtsgut schützt und welches mit seinem Schutzobjekt der Naturdenkmäler dem Umweltschutzstrafrecht bereits nahesteht.116 Die Ansicht, dass die Umweltschutzdelikte mit rein ökologischem Rechtsgutsbezug lediglich die Umwelt um ihrer selbst willen schützen, ließe sich aus systematischen Gründen nur schwer aufrechterhalten. Im Einklang mit den sonstigen Delikten des Abschnitts wäre es hingegen ein schlagkräftiges Argument, zumindest neben der ökologischen Ausrichtung des Rechtsgutes auch eine anthropozentrische im Sinne des anthropo-ökologischen Rechtsgutsverständnisses anzunehmen. Die so erfolgte systematische Einordnung als weiteres Argument für den doppelten Rechtsgutsbezug könnte endlich zu einer einheitlichen Linie in der Interpretation des Rechtsgutes der Umweltdelikte führen. Die unklare Ausgestaltung des Rechtsguts der Umweltdelikte ist für viele der Missstände des Umweltstrafrechts verantwortlich – sei es aufgrund seiner Kollektivität, seiner Weite oder seiner Unschärfe. Mitverantwortlich für die Unschärfe ist aber auch die noch immer bestehende Unsicherheit über seine Auslegung. Mit einer weiteren Stärkung dieser ohnehin weit verbreiteten117 Ansicht könnte diese Unsicherheit möglicherweise aus dem Weg geschafft werden und sich eine einheitliche Ansicht durchsetzen. b) Spezieller Vorteil für die Problematik der Zurechnung – Festlegung auf die Einzelerfolgszurechnung Nachdem nunmehr allgemeine Vorteile einer derartigen Umstrukturierung des Umweltstrafrechts aufgezeigt wurden, soll im Folgenden darauf eingegangen werden, welche Vorteile sich daraus speziell für die Problematik der Zurechnung ergeben könnten. Dabei soll ein Punkt beleuchtet werden, der im Rahmen dieser Arbeit und insbesondere im vorhergehenden Abschnitt C.III. als wichtiger Aspekt dieser Problematik vorgestellt wurde. Um den Gedanken dazu ausführen zu können, wird in einem ersten Schritt aa) zunächst die Grundlage für die Schlussfolgerung bb) gelegt. 114

Wieck-Noodt, in: MüKo, § 304, Rn. 1. Siehe D.III.2.c) a. E. 116 Siehe D.III.2.c). 117 Siehe B.II.3.f) sowie Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 13; Ransiek, in: NK, Vor §§ 324 ff., Rn. 7; Steindorf, in: LK, Vor § 324, Rn. 12. 115

III. Eigener Lösungsweg

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aa) Erster Schritt: Feste Erheblichkeitsschwellen als Argument für eine Einzelerfolgszurechnung Grundsätzlich ist die Frage, wann eine Erheblichkeitsschwelle überschritten ist, noch keine Frage der Zurechnung. Allerdings ist die Möglichkeit der besseren Konkretisierung von Erheblichkeitsschwellen ein erster Schritt, um im Weiteren als ein Argument für die Einzelerfolgszurechnung fungieren zu können. Dieser zweite Schritt wird im folgenden Kapitel bb) erläutert. Wie bereits im Kapitel a)aa) kurz angesprochen, besteht für die Sachbeschädigungsdelikte eine gefestigte Ansicht und Rechtsprechung zur Erheblichkeitsschwelle der Verletzung der Tatobjekte. Konkret besteht diese bei § 303 StGB – einerseits bereits als Festschreibung im Tatbestand bei § 303 II StGB und andererseits im Rahmen der Definition der „Beschädigung“ als Tathandlung in § 303 I StGB. Der § 303 II StGB spricht dabei explizit schon im Gesetzestext davon, dass die Veränderung des Erscheinungsbildes einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend sein dürfe, um den Tatbestand zu erfüllen. Der § 303 I StGB stellt u. a. das Beschädigen einer fremden Sache unter Strafe, wobei „Beschädigen“ nach der von Wieck-Noodt so bezeichneten, nunmehr modifizierten Definition der Rechtsprechung „jede nicht ganz unerhebliche körperliche Einwirkung auf die Sache“118 darstellt, durch „die ihre stoffliche Zusammensetzung verändert oder ihre Unversehrtheit derart aufgehoben wird, dass die Brauchbarkeit für ihre Zwecke gemindert ist“119. Wolff hingegen definiert die Beschädigung im Rahmen des § 303 I StGB anders und schließt auch die „Unerheblichkeit der körperlichen Einwirkung“120 aus der Definition selbst aus.121 Danach läge eine Beschädigung einer Sache vor, „wenn ihre Brauchbarkeit derart vermindert worden ist, dass sie im Verhältnis zu ihrer bisherigen Beschaffenheit mangelhaft wird“122. Allerdings stellt auch Wolff im Weiteren klar, dass es „bei allen Formen der Beschädigung (…) auf eine gewisse Erheblichkeit der Beeinträchtigung“123 ankommt. Dies geschieht mit Verweis auf die Herleitung des Reichsgerichtshofes124, der schon „aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs ,Beschädigung‘ abgeleitet hat“125, dass es sich um eine „nicht ganz unerhebliche körperliche Einwirkung“ handeln müsse.

118 119 120 121 122 123 124 125

BGH NJW 80, 603. BGH NJW 59, 1547; Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303, Rn. 23, m. w. N. Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303, Rn. 23. Wieck-Noodt, in: MüKo, § 303, Rn. 23. Wolff, in: LK, § 303, Rn. 9. Wolff, in: LK, § 303, Rn. 17. Siehe RGSt 43, 204, 205. Wolff, in: LK, § 303, Rn. 17.

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D. Ausblick

Im Gegensatz zu den umstrittenen Minimaklauseln126 im Umweltstrafrecht, wie sie richterrechtlich127 für § 324 StGB geschaffen wurden und wie sie im Tatbestand des § 326 VI StGB normiert sind128, sind die Erheblichkeitsschranken im Abschnitt der Sachbeschädigung grundsätzlich unstrittig. Lediglich einzelne Sachverhaltsbeurteilungen durch die Rechtsprechung129 werden unter Umständen hinterfragt.130 Nur teilweise wird von einer „normativen Einschränkung“ unter dem „Gesichtspunkt der Sozialadäquanz“131ausgegangen. Auch wird dabei nicht auf das unsichere Kriterium des Sprachgebrauches132 zurückgegriffen, wenn nach der Begründung für den „Ausschluss minimaler Beeinträchtigungen“133 gesucht wird. Im Umweltstrafrecht hingegen gelten die dort etablierten Erheblichkeitsschwellen teilweise sogar als „verunglückt“134. Sack bezeichnet die Minimaklausel denn auch als „eine sehr unglückliche Regelung“135, die bereits im Gesetzgebungsverfahren und auch im Novellierungsverfahren außerordentlich umstritten war.136 Die Begründung für die in weiten Teilen der Literatur erfolgte Ablehnung ist, dass die Beweisschwierigkeit, welche speziell beim § 326 StGB durch die „Umgestaltung eines konkreten in ein abstraktes Gefährdungsdelikt“137 gelöst wurde, durch diese Minimaklausel wiederum Einzug erhält, da dadurch wieder „auf den Eintritt einer konkreten Gefahr für die geschützten Rechtsgüter abgestellt wird“138. Diese Kritik gilt zwar nach Ansicht von Kloepfer/Vierhaus139 nicht für die durch die Rechtsprechung140 in § 324 StGB „postulierte Erheblichkeitsschwelle“141, da es sich bei § 324 StGB um ein Erfolgsdelikt handelt und folglich in jedem Fall ein Erfolg im Sinne einer Verunreinigung oder nachteiligen Veränderung des Gewässers nachgewiesen werden muss. Allerdings bestehen auch bei dieser aus der Rechtsprechung

126

Näher dazu siehe C.III.4.b)bb)(2)(c). Siehe BGH NVwZ 1991, 231; ZfW 1991, 231; NuR 1991, S. 498. 128 Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 78. 129 BayObLG NJW 1987, 3271, 3272, zur Beurteilung des Ablassens von Luft aus einem Fahrradreifen als Sachbeschädigung, wobei das betroffene Fahrrad mit einer Fahrradpumpe ausgestattet war. 130 Vgl. Wolff, in: LK, § 303, Rn. 17 zu BayObLG NJW 1987, 3271, 3272. 131 Fischer, § 303, Rn. 13. 132 Vgl. Wolff mit Verweis auf RGSt 43, 204, 205, in: LK, § 303, Rn. 17. 133 Wolff mit Verweis auf RGSt 43, 204, 205, in: LK, § 303, Rn. 17. 134 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 85. 135 Sack, Umweltschutz-Strafrecht, A 1.18, Rn. 334. 136 Vgl. Sack, Umweltschutz-Strafrecht, A 1.18, Rn. 334. 137 Sack, Umweltschutz-Strafrecht, A 1.18, Rn. 334. 138 Sack, Umweltschutz-Strafrecht, A 1.18, Rn. 334. 139 Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 78. 140 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 78; BGH DVBl. 1987, 363; BGH NVwZ 1991, 231; ZfW 1991, 231; NuR 1991, 498 (unter Berufung auf BT-Drs. 8/3282, S. 14). 141 Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 78. 127

III. Eigener Lösungsweg

175

stammenden und in unterschiedlichen Formulierungen142 bestehenden Erheblichkeitsgrenze bedeutende Unsicherheiten. Schließlich stellt Alt treffend fest, dass es zur Beurteilung an Rechtsprechung fehle, „in denen dies zum Tragen kam“143 und die somit als Anhaltspunkt dienen könnte, da „entsprechende Verfahren i. d. R. nach §§ 153, 153 a StPO eingestellt werden“144. Die von Alt angeführte Definition, nach der es sich dabei um eine „geringfügige und belanglose Verschmutzung handeln“ solle, „die nicht geeignet ist, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen“145, muss deshalb für die praktische Anwendbarkeit als unbrauchbar zurückgewiesen werden. Neben diesen teilweise unglücklichen und teilweise recht inhaltsleeren Minimaklauseln bestehen für den Rest des Umweltstrafrechts keine Erheblichkeitsschwellen. Grundsätzlich besteht aber Einigkeit darüber, dass es gerade im Umweltstrafrecht wünschenswert wäre, auf ein „Ausscheiden von Bagatellunrecht“146 aus dem StGB hinzuwirken, die schon aus Gründen des Ultima-Ratio-Prinzips und der Gefahr der Überkriminalisierung147 geboten sei. Würden statt der jetzigen Regelung die vorgestellten Regelungen aus der Sachbeschädigung Einzug erhalten, könnte dem Problem der unerwünschten Bagatellstrafbarkeiten im Umweltbereich mit Verweis auf die Definitionen und die Rechtsprechung zu § 303 I und II StGB ein Stück weit abgeholfen werden. Die einzelnen Vorstellungen und Kriterien der in der Sachbeschädigung etablierten Regelung zum Ausschluss rein bagatellhafter Schädigungen der Tatobjekte sind zwar nicht direkt auf die Schädigung der Umweltmedien übertragbar; allerdings stellen sie eine klare Verweismöglichkeit und Orientierung dar, die dann über eine systematische Übertragung als Hilfestellung für den Umgang mit vernachlässigbaren Verschmutzungen der Umwelt dienen können. Es wäre jedenfalls möglich, den Umgang mit häufig vorkommenden Bagatellverstößen zu erleichtern, die wohl momentan für die hohe Zahl der staatsanwaltlichen Einstellungen148 verantwortlich sind und so über den strafprozessualen Weg eine „faktische Dekriminalisierung eines ganzen Deliktsbereiches“149 befürchten lassen. Auch wenn dieser Weg selbstverständlich keine Steigerung der Zahl der Verurteilungen erwarten lässt, so bestünde doch eine größere Rechtssicherheit sowohl für den Bürger als auch für die Rechtsprechung, die das Feld nicht gänzlich der Staatsanwaltschaft und deren Einschätzung überlassen müsste.

142 143 144 145 146 147 148 149

Beispiele dazu: vgl. Alt, in: MüKo, § 324, Rn. 34. Alt, in: MüKo, § 324, Rn. 34. Alt, in: MüKo, § 324, Rn. 34. Alt, in: MüKo, § 324, Rn. 34. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 169. Vgl. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 169. Siehe Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 158. Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 168.

176

D. Ausblick

bb) Zweiter Schritt: Festlegung auf die Einzelerfolgszurechnung Nun weist der Aspekt der möglichen Übertragung von Kriterien des Ausschlusses unerheblicher Schädigungen aus dem Bereich der Sachbeschädigung auf die Umweltschädigungen noch keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Zurechnungsproblematik auf. Jedoch erschließt sich dies bei einem Blick auf das vorhergehende Kapitel150, welches sich mit der kollektiven Schädigung der Umwelt beschäftigt und dabei konkret auf die Fragestellung der Einzel- oder Gesamterfolgszurechnung eingeht. Dort wurde in der Argumentation für eine Gesamterfolgszurechnung eingebracht, dass es offensichtlicher Wille des Gesetzgebers war, keine Gesamterfolgszurechnung vorzunehmen, da die Einführung der Minimaklauseln sonst sinnlos gewesen wäre.151 Dem wurde wiederum entgegengesetzt, dass die Minimaklauseln selbst aufgrund der von der Literatur vorgebrachten, berechtigten Kritik152 und insbesondere aufgrund ihrer Unbestimmbarkeit sowohl auf Seiten der Schädiger als auch auf Seiten der Strafverfolgung kein geeignetes Argument darstellen. Dies gilt insbesondere, da sogar ihre Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt wird.153 Würde der unzweifelhaft erwünschte Ausschluss von Bagatellstrafbarkeiten im Umweltstrafrecht jedoch nicht mehr über die unbestimmten, kritisierten Minimaklauseln erfolgen, sondern mit Hilfe der systematischen Übertragung von Erheblichkeitskriterien der Sachbeschädigung wesentlich an Kontur und Bestimmtheit gewinnen, könnte der Ausschluss von minimalen Schädigungen sehr wohl zur Schlussfolgerung führen, dass eine Einzelerfolgszurechnung nicht nur möglicherweise durch den Gesetzgeber erwünscht ist, sondern auch sinnvoll erscheint. Werden lediglich minimale Schädigungen am Rechtsgut vorgenommen, so wird deren Strafbarkeit nach bekannten Kriterien beurteilt, die bereits für die Sachbeschädigung entwickelt wurden. Die den bisherigen Minimaklauseln des Umweltstrafrechts anhaftende Unbestimmtheit bestünde zumindest nicht mehr in demselben Ausmaß wie zuvor. Somit kann ein weiteres valides Argument für die Einzelerfolgszurechnung angeführt werden.

IV. Fazit über die vorgestellten neuen Lösungswege Das Umweltstrafrecht in seiner jetzigen Form muss als äußerst unbefriedigend bezeichnet werden. Es ist weder besonders effektiv noch dogmatisch akzeptabel in das StGB eingebunden. Problemfelder gibt es viele – von denen in dieser Arbeit nur eines beleuchtet werden konnte. Doch alleine die Zurechnungsschwierigkeit ruft 150

Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c). Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c)(bb); vgl. zudem Schall, in: NJW 1990, S. 1263, 1264; dazu kritisch: Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 170. 152 Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c)(aa); Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, S. 85; Sack, Umweltschutz-Strafrecht, A 1.18, Rn. 334. 153 Siehe C.III.4.b)bb)(2)(c)(aa); vgl. Ronzani, Erfolg, S. 62. 151

IV. Fazit über die vorgestellten neuen Lösungswege

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Lösungen auf den Plan, die so drastisch erscheinen, dass das Umweltstrafrecht in seiner jetzigen Form kaum wiederzuerkennen wäre. Sei es, dass es als neuer Deliktstyp eingeführt werden solle, sei es, dass es nicht mehr als eigener Abschnitt im StGB fortbestehen solle. Letztendlich ist zu überlegen, ob das Umweltstrafrecht nicht – losgelöst von der Einzelbetrachtung seiner Zurechnungsproblematik – gänzlich reformiert werden müsste. Die beiden aufgezeigten Lösungswege sind sehr weitreichend – doch auch mit ihrer Hilfe könnte nur ein kleiner Teilbereich der Probleme im Umweltstrafrecht gelöst werden. Und auch diese Lösung wäre bei realistischer Betrachtung aller Kritikpunkte lange nicht abschließend. Letztendlich ist für die umweltrechtstypische Zurechnungsproblematik größtenteils auch das unbestimmte und umstrittene Rechtsgut verantwortlich. Es stellt sich also die Frage, ob und wenn ja, wie das Rechtsgut klarer präzisiert werden kann – aber auch, ob das Rechtsgut in dieser Form noch aktuell ist und tatsächlich alle nach heutigem Stand der Wissenschaft bekannten Umweltrisiken umfasst.

E. Schlussbetrachtung Die in dieser Arbeit erfolgte Untersuchung bezog sich nur auf einen Problemkreis des Umweltstrafrechts: die Zurechnung. Und selbst dabei behandelte sie nur einen Teilaspekt: die Zurechnungsproblematik, wie sie auf das besondere Rechtsgut der Umweltdelikte zurückzuführen ist. Obwohl diese Arbeit von einem Anspruch auf die vollständige Erschöpfung selbst dieser (Teil-)Thematik weit entfernt ist, wird doch eines klar: Wenn selbst dieses eine Teilproblem eines der Problemkreise des Umweltstrafrechts so viele Unsicherheiten aufwirft, ist zu hinterfragen, ob das Umweltstrafrecht in seiner jetzigen Form tatsächlich handhabbar ist bzw. angesichts der erschreckend geringen abgehandelten Fallzahlen in Zukunft noch handhabbar sein wird. Die Tendenz zeigt eher hin zu einer weiteren Ausblendung der umweltstrafrechtlichen Normen aus dem angewandten Deliktskatalog. Dies erscheint zwar wünschenswert, wenn es zu einer stetigen Verminderung der umweltgefährdenden Handlungen käme. Doch auch wenn sich beim Umgang mit der Umwelt in den letzten Jahrzehnten gesellschaftlich viel bewegt hat, ist wohl der Wunsch der Vater des Gedankens, dass die geringen Fallzahlen tatsächlich eine ebenso geringe Anzahl an schädigenden Handlungen gegenüber der Umwelt repräsentieren. Deutlich kristallisiert sich hingegen heraus, dass das Umweltstrafrecht über eine derart große Anzahl schwerwiegender Probleme verfügt, dass an eine Verfestigung der Anwendungsbeispiele nicht gedacht werden kann. Während in dieser Arbeit nur ein Teilproblem unter einem Teilaspekt betrachtet wurde, leidet das Umweltstrafrecht noch an einer Vielzahl von anderen Unwägbarkeiten für eine praxistaugliche Umsetzung, die eine klare Sicht auf die Umsetzung seiner Normen vernebeln. Dafür seien exemplarisch die hier ausgeblendete Verwaltungsakzessorietät, die Unternehmensbeteiligung an der Verwirklichung der Delikte und die Amtsträgerhaftung aufgeführt. Für die Frage, ob sich diese Situation des Umweltstrafrechts bei weiterer Anwendung ändern wird, muss eine negative Prognose ausgesprochen werden. Zu wenige praktische Fälle laufen überhaupt bei der Rechtsprechung auf, als dass diese einen roten Faden in der ein oder anderen Frage erarbeiten könnte. Hinzu kommt, dass – obwohl es sich beim Umweltstrafrecht um ein relativ neu eingeführtes Rechtsgebiet handelt – die Frage aufgeworfen werden muss, ob das heutige Umweltstrafrecht überhaupt noch inhaltlich die größten Umweltprobleme abdeckt. Das Umweltstrafrecht ist von seinem Verständnis und seinem eigentlichen Schutzzweck her im klassischen Naturschutz beheimatet. Dies zeigt sich an den von ihm geschützten Tatobjekten wie Gewässer, Boden und Luft. Obwohl diese eine tragende Rolle im Rahmen des Umweltschutzes spielen, wird Umweltschutz doch inzwischen wesentlich weiter verstanden. Der Klimaschutz beispielsweise taucht im Umweltstrafrecht nicht auf, obwohl er eine der größten umweltpolitischen Her-

E. Schlussbetrachtung

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ausforderungen unserer Zeit darstellt. Die spontane Reaktion auf diese Feststellung mag der Einwurf sein, dass der Klimaschutz eben eine so globale Thematik darstellt, dass diese ohnehin auf nationaler Ebene nicht gelöst werden kann. Dies mag schon richtig sein. Doch stellt sich dann die Anschlussfrage, ob überhaupt eine Umweltbeschädigung an nationalen Grenzen Halt macht und nicht jede Umweltschädigung ein internationales Problem darstellt, welches nach einer internationalen Regelung verlangt. Im Regelungsbereich der EU ist ein solcher Schritt für das Umweltrecht bereits getan worden. Möglicherweise stellt die sehr weitgehende Umweltpolitik der EU tatsächlich eine Alternative zu der momentan geltenden nationalen Umweltrechtsgesetzgebung dar. Zwar werden der EU nur sehr zögerlich überhaupt repressive Kompetenzen zugesprochen, doch es war gerade der Bereich des Umweltstrafrechts, bei dem der Damm einen ersten Riss bekommen hat, wie die Diskussion um die Einführung der Richtlinie 2008/99/EG gezeigt hat. Der Bereich des Umweltschutzes, auch des repressiven, hat sich in letzter Zeit nunmehr einen immer festeren Stand im Kompetenzkatalog der EU erarbeitet. Es bleibt äußerst spannend, wie sich diese Kompetenzverteilung zwischen Nationalstaat und EU insbesondere im Bereich des Umweltstrafrechts weiterentwickelt.

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Personenregister Achenbach 33, 72 Alt 175 Anastasopoulou 90, 145, 148 Arzt 59 Baumann 59 Beulke 117 Binding 53 Bloy 131, 135 f., 146 Bosselmann 60 Bottke 51 Busch 21, 34, 56, 73 Cramer

23, 95, 122

Dannecker 17 Daxenberger 107 f., 114 f., 128 f., 131, 143 Eisele

136, 138

Fischer 50 Franzheim 50 Frisch 146 Gänßler 73 Goertz 41, 46 Gropp 118 Haas 171 Hassemer 53 f., 56 – 59, 70 f., 73, 95 – 98, 100 f., 103, 152 Hefendehl 53, 104, 145, 147 Heine 23, 36 – 40, 45, 78, 95, 115 Helfrich 171 Hentrich 171 Hilgendorf 140 Hoch 45, 47 Hohmann 52 f., 60, 85 f., 88, 90 Iburg

21, 34, 56, 73

Jonas

60

Kareklas 51 Kloepfer 23, 35, 50 f., 62 f., 94, 111, 128 f., 154 – 156, 158, 174 Krüger 57 Krusche 34 Kühl 26, 98, 117 Kuhlen 117, 145 f., 149 Lackner 26, 98 Lencker 136, 138 Loos 145 f. Maiwald 115 Marty 41, 46 Maurach 55 Meinberg 39, 45 Meyer-Abich 60 Möhrenschlager 126 f., 141 Olsen Olson

83 82

Pohl 50 Puppe 135 f., 140, 143 Raiser 71 Ransiek 59 Rengier 50 Ronzani 68, 87, 101 – 103, 109, 141, 145 Roxin 28, 52, 55, 95, 101, 136 – 138, 149 f. Sack 167, 174 Saliger 19, 30, 46, 50 f., 61, 63, 66, 68, 72, 74 f., 80, 91, 105, 136, 138, 149, 152 Samson 89, 129 f., 132, 136 Satzger 26 f. Schall 72 Schlesinger 171 Schmitz 50, 63

188

Personenregister

Schröder 125 f. Schünemann 16, 56, 61, 68, 76, 78, 104, 148, 162 f. Seong-Eun 169 Steindorf 51, 95 Sternberg-Lieben 122 Stone 60 Stratenwerth 117 Streinz 69 Tiedemann 59 Triffterer 51, 72

Vierhaus 23, 35, 50, 62, 94, 128 f., 154 – 156, 158, 174 Walter 120 Wegscheider 127, 140 f. Wessels 117 Wieck-Noodt 173 Wittig 33 Wohlers 50, 60, 145, 147 Wolff 173 Zipf

55

Sachregister Abfallbeseitigung 41, 43, 132 Abfälle 43, 88, 132 Abfallgesetz (AbfG) 19 Abfallrichtlinie 25 Abwasserabgabengesetz (AbwAG) 22 Additive Effekte 109 f. AG 16 Anthropo-ökologischer Ansatz 142 Anthropozentrik 58 f., 62 f., 67, 164, 166 f. Anthropozentrischer Ansatz 65 f., 142, 154 Anthropozentrisches Rechtsgut 61, 153, 156, 166, 172 Anthropozentrismus 61 Anzeigepflicht 152, 154 – 156 Äquivalenztheorie 125, 130 Atomgesetz (AtG) 20, 22 Aufklärungsquote 37, 43 f., 48 Aufsichtsfunktion 156 Aufsichtspflichtverletzung 22 f. Ausschlussprinzip 81 f., 84, 113 Bagatellbereich 42, 132 Bagatellfälle 133 f. Bagatellgrenze 134 Bagatellhandlungen 170 Bagatellklausel 132 Bagatellstrafbarkeiten 175 f. Bagatellunrecht 132 f., 175 Bagatellverstöße 175 Baugesetzbuch (BauGB) 19 Baurecht 13 Begleitrisiko 121 f. Bestimmtheitsgebot 97 f., 134, 142 Betrug 52, 143, 151 – Bekämpfung 27 Beweislastumkehr 30, 115 BGH 20, 30, 112 – 114, 122, 129 – Rechtsprechung 20 – Urteile 112 f. Boden 50, 63, 94, 104, 121, 142, 150, 164, 169, 178

– Schutz 22 – Verunreinigung 88, 94, 121 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) 19, 22 Bußgeldandrohung 20 Chemikaliengesetz (ChemG)

26

Diebstahl 44, 52 Dispositionsbefugnis 53 f. Drogen 121, 147, 150 Dunkelfeld 42, 45 f., 49 Dunkelziffer 45 – 47 Effektivität 18, 22 f., 31, 37, 41 f., 48, 70 – 72, 77, 111, 142 – Defizit 34, 71 – Entwicklung 15 – Gesichtspunkte 15 – Hindernis 17 – Problematik 78 – Umweltstrafrecht siehe Umweltstrafrecht, Effektivität Effizienz 18, 34, 73 Eigentum 52 f., 68 f., 153, 162 – 165, 169 – 171 Eigentumsrechte 82 – 85, 171 Eigentumsverletzung 13, 170 Eignungsdelikte 92, 94, 106, 146 Einwilligung 66 Einzelerfolg 124, 127, 135, 139, 143 f., 146 – Lehre 136 – Zurechnung 130, 132, 134 f., 139, 143, 146, 151, 173, 176 Eliminierungsformel 109 Entmaterialisierungstendenz 55, 57, 86 Entscheidung – des OLG Stuttgart 128 – Holzschutzmittel 113 – Lederspray 112 – 114 EU-Kommission 24

190

Sachregister

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 20 Europäische Union (EU) 26 f., 179 Europäischer Gerichtshof (EuGH) 24 Europäisierung 24, 26 Frankfurter Individualismus 54 Frankfurter Schule 54, 56, 61, 68, 93, 159, 166 Freiheit 53 Freiheitsstrafe 39 Garantenhaftung 112 Garantenpflicht 30 Gefährdungsdelikte 20, 77, 89 – 91, 93, 97, 126, 129 – abstrakte 54, 89 – 96, 101, 106, 146 f., 149, 159, 174 – konkrete 92 – 95, 106, 147 – potenzielle 94 – Verletzungs- 106, 147 Gefährdungshaftung 30 Gefahrstoffe 26 Geldbuße 22, 29 Geldfälschung 145, 147, 159 Geldstrafe 29, 39 Gemeinnützigkeit 166 Generalprävention 17, 93 Generalpräventive Wirkung 17, 72 f., 93 Generalpräventiver Bereich 17 Generation – jetzige 61, 68, 163 – zukünftige 61, 68, 104, 162 f., 171 Generationen – zukünftige 163 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) 157 Gesamterfolg 119, 123 – 127, 129 – 132, 137, 139 – 144, 151 – Zurechnung 126 – 131, 135 – 144, 176 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) 22 f., 32, 34 Gesetzgeber 20 – 23, 26, 28, 31 f., 35, 63, 65 f., 70, 72 f., 89 – 91, 93 – 98, 100 f., 106, 132, 134, 155, 176 Gesundheit 52 f., 57, 59, 65, 94, 146, 153 Gesundheitsbelastungen 154 Gesundheitsschäden 114

Gewässer 88 f., 91, 104, 120 f., 128 f., 138, 164, 169, 174, 178 – Verschmutzung 110, 146, 157 – Verunreinigung 42 f., 66, 88, 98, 106 f., 111 f., 121, 128 f., 145, 158 – Zustand 130 Gewerberecht 155 GmbH 16 Grundfreiheiten 26 Handlungsunfähigkeit

15, 28, 100

Immissionen 45, 108, 111, 158 Immissionsschutzrecht 14 Immissionsschutzstrafrecht 25 In dubio pro reo 110, 113 – 115, 151 Individualgut 81 Individualrechtsgüter 52 – 55, 57, 59, 61, 67 f. Individualschutz 55 Instrumentales Recht 69 f. ISO-Norm 9000 18 Kausalität 17, 30, 74, 91, 100, 112 – 114, 119 f., 126 f., 130, 135 – alternative 100, 109 – Definition 17 – generelle 114 – Grundfall 120 – kumulative 100, 111, 119 f., 126, 130, 158 – Nachweis 89, 96, 110 – 114 – Probleme 106, 114 – Regeln 125, 129 – überholende 100 – Verlauf 115 Kausalverlauf 117 f., 120, 122, 148 – Abweichen des 115 f., 118 f., 122, 126 – atypischer 115, 117, 151 – Irrtum über 117 f., 121 – 123, 126, 151 – Vorhersehbarkeit 118 Kausalzusammenhang 74, 113, 131, 145, 151 Kernstrafrecht 19, 21, 27, 29, 54, 56 f., 65, 73, 93 Kernumweltstrafrecht 24 Klima 109 Klimaschutz 178 f.

Sachregister Kollektivgüter 81 Kollektivität 46, 49, 51, 53, 85, 150, 153, 172 Kollektivrechtsgut 154, 172 – Umwelt 102, 141, 153 Kollektivrechtsgüter 52 f., 55 – 57, 59, 80 f., 84 – 86, 88 – 91, 93, 104 f., 145, 149 f., 152, 156, 159, 166 Kommunalrecht 166 Kontrollabhängige Delikte 41 Kooperationsprinzip 99, 155 Körperliche Integrität 50, 59, 65, 147 Körperverletzung 52, 65, 112 f., 121, 141, 153, 161 f. Kriminalität 23, 43 Kriminalitätsfelder 45 Kumulation 119 f., 127, 129 f., 135, 140, 145, 151, 160 – Auswirkungen 115 – Begriff 107 f. – Delikt 144 – 150, 159 – Effekt 106 f., 110, 111, 115, 123 f., 128, 144 – 146, 148, 150, 157 – Problematik 106 – Zusammenhänge 116 Kumulationsauswirkungen 144 Landwirtschaftliche Betriebe 35 Leben 52 f., 57, 59, 68 Lebensbedingungen 50, 58, 60 Lebenserfahrung 117 – 119 Lebensgrundlage 51, 58, 61 f., 64 Lebensqualität 51 Luft 25, 50, 58, 63, 94, 104, 142, 150, 164, 169, 178 – Verunreinigung 42, 111, 121, 158 Massengefährdungsdelikte 146 Meyer-Abich 60 Minimagrenze 132, 135, 149 Minimaklauseln 132 – 134, 146, 149, 174 – 176 Naturdenkmal 167 f., 172 Naturrecht 54 Naturschutz 178 Naturschutzstrafrecht 26

191

Netzwerkgüter 147 Normerreichung 17 Öffentliche Güter 80 – 85, 103, 104 Ökologische Betrachtungsweise 89 Ökologische Ethik 61 Ökologische Güter 58 Ökologische Rechtsgutbestimmung 63 Ökologischer Ansatz 141 Ökologischer Raubbau 69 Ökologisches Rechtsgut 61, 153 Ökologisches Rechtsgutsverständnis 60, 64 Ökologisches System 82 Ökosystem 51, 83, 107, 147 Ökotoxologie 107 f., 110 Ökozentrismus 61 Opferloses Delikt 46, 153 Opferlosigkeit 80, 152 f. Ordnungswidrigkeit 23, 29, 31 f., 56, 68 f. Ordnungswidrigkeitenrecht 21 – 23, 28 f., 32, 65, 155 Organhaftung 16 Personaler Handlungsbegriff 29 Persönlichkeitsäußerung 29 Pflanzen 62 f., 94, 146, 164 Pflichtverletzung 15 Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 36, 38, 40, 43 – 45 Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) 27 Polizeirecht 20 Privatpersonen 46 f., 132 Produktstrafrecht 76, 112, 115 Rechtsgüterschutz 18, 30 – 32, 60, 67 Rechtsgutsbegriff 52, 56 f., 64, 85 f., 135, 141 f., 148 – anthropo-ökologischer 64, 166 f., 171 f. – ökologischer 165 Rechtsgutschädigung 22, 109 Rechtsgutslehre – dualistische 60 – personale 54, 59, 67, 156 Rechtsgutsverletzung 53, 55, 86, 94 – 96, 101, 103, 109, 121, 123, 150, 154, 157, 159 Reformen 24, 65 f. Reparaturverpflichtung 13

192 Restriktiver Umweltbegriff Rivalität im Konsum 81 Ronzani 100

Sachregister 51

Sachbeschädigung 44, 162 – 168, 170 – 176 Sanktion 25, 30 – 34, 71 f. Sanktionierung 32, 34 f. Schadenersatzzahlungen 13 Schädigungserfahrung 100 – 102 Schadstoffe 25, 108 f., 128 Scheinrechtsgüter 55 Schuldprinzip 28, 30, 149 Schuldunfähigkeit 15, 28 Schutzzweck 32, 52, 57, 62, 136, 141, 178 Sonderdelikte 15 Sozialadäquanz 101, 126 f., 135, 140, 174 Spezialisierung 157 f. Spezialkammern 158 Spezialprävention 17 Spezialwissen 157 Steuern 52 Steuerrecht 155 StGB-Alternativentwurf von 1971 58, 65, 161 f. Strafgesetzbuch (StGB) 14, 20 f., 23, 28 f., 32, 34, 36, 46, 56, 66, 69, 71 – 73, 106, 134, 144, 151, 161, 175 f. Strafprozessordnung (StPO) 99, 111, 133, 142, 175 Strafprozessrecht 98, 133, 151 Strafrecht 13 – 15, 18 f., 21, 24, 27 f., 30 – 32, 45 f., 48 f., 51 f., 54, 56, 64, 67 – 71, 75, 79 f., 90 f., 93 – 95, 97, 99, 101 f., 114 f., 129, 132 – 134, 137, 142, 144 f., 149 f., 152, 160 f., 169 – modernes 95, 97 f., 100, 161 Strafrechtsänderungsgesetz 23 Strafrechtsdogmatik 19 Strafrechtswissenschaft 61 Straftat 16, 21, 29, 31 f., 41 – 44, 46, 75, 77, 123 Straftatbestände 25, 27, 48 f., 54 – 56, 111, 147 Straftaten – gegen die Umwelt 63, 65, 160 Strafunfähigkeit 15, 28 Straßenverkehr 53, 93 „stress and strain“-Modell 87

Subsidiarität 27, 31 f. Subventionsrecht 155 Summationseffekte 106, 108 – 110 Symbolisch – Bedeutung 69 – Ebene 148 – Funktion 35 – Gesetzgebung 69 – Recht 55, 71, 74 – Regelung 70 – Wirkung 70 Synergetische Effekte 106, 108 – 110, 120 Tier 62 f., 94, 146, 164 Tierquälerei 62 Tierschutz 147 Tierversuche 113 Tötung 52 Treibhauseffekt 83 Überkriminalisierung 93, 132, 149, 175 UKG – erstes 21, 28, 36, 40, 128 – zweites 21 – 23, 28, 40, 42, 91, 94 Ultima Ratio 30 f., 33 – Begriff 33 – Effekt 33 – Funktion 71, 129 – Grundsatz 32 f. – Prinzip 133 f., 175 Umwelt 13 f., 41, 51, 60, 62 – 66, 68 f., 72, 79 f., 82, 84 – 86, 101, 103 – 105, 141, 153, 162 f., 166 f., 170, 172, 175, 178 – Begriff 49 – 51, 61, 164 – Rechtsgut 18, 32, 46, 49, 58, 69 f., 79 – 82, 85 – 87, 89, 102 – 105, 123, 141, 150, 156, 160, 164, 171 – Schädigung 106, 132, 171, 176 – Schutz 13, 20, 24, 26 f., 32, 37, 41, 49, 56 f., 59 f., 63, 65, 88, 156, 161 f., 169, 171 – Straftaten 42 f. – Zerstörung 13 f. Umweltbehörde 45 – 47 Umweltbewusstsein 41, 47, 72 Umweltkatastrophen 13, 61 Umweltrecht 16, 20 – 24, 31, 87, 94, 99, 111, 133, 141, 158, 179 – Güter 32, 61, 65, 87, 104, 153 f., 156

Sachregister Umweltschutz 13, 29, 31, 35, 41, 48, 56, 59, 67 – 69, 73, 161 f., 168 – 170, 178 f. – Delikte 172 – Einführung 38 – Güter 87 – Normen 34, 73 – präventiver 14 – Rechtsgüter 166 – Relevanz 13 – repressiver 14 Umweltskandale 20 Umweltstrafrecht 14 – 17, 19 – 24, 27, 30 – 33, 36, 39, 45 – 53, 57, 60 – 62, 65 – 71, 73 – 80, 85 f., 88 f., 91 – 94, 99 f., 103 – 108, 110, 112, 115 f., 119 – 123, 125, 127, 132 – 135, 138 f., 141, 144, 148, 150, 152, 154 – 162, 164, 168 – 170, 172, 174 – 177 – Anfänge 40 – Delikte 50 – Dunkelfeld 49 – Effektivität 29, 36, 40, 42, 45, 69, 74, 91, 106, 124, 139 – Einführung 48 – Entwicklung 66 – Europäisierung 24 f. – Fallzahlen 43 f. – Geschichte 32, 64 – Herkunft 64 – kontraproduktiv 56 – Krise 139 – Kritik 67, 73 – Materie 67 – Modifikationen 23 – neues 36 – Neuschaffung 39 – Probleme 169 – Rechtsgüter 57, 66 – Reformen 21, 24, 34, 41 – Risikogedanke 102 – Schutzfunktion 35 – Tatbestände 52, 143 – Vorläufer 20 – Wirksamkeit 36 – Zukunft 26 Umweltstrafrechtsrichtlinie 25 Umweltverschmutzer 75, 99, 155 Umweltverschmutzung 47, 49, 78, 83, 120, 124, 130, 144, 156

193

Umweltverwaltungsrecht 88, 155 Umweltzerstörung 13 f., 19 Ungefährlichkeitsklausel 132 Unionsrecht 26 Universalrechtsgut 67 Universalrechtsgüter 53 – 55, 58, 90, 95 Unschärfe 86 f., 89, 97, 103, 141, 172 Unternehmensdelinquenz 78 Unternehmenskriminalität 16, 77 f. Unvorhersehbarkeit 121, 150 Verbandshaftung 28 Verbandsstrafe 29 Verbrechensbegriff 52, 156 Verein 22 Verhaltensgeltung 71 Verhältnismäßigkeit 27, 31 f. Verkehrsdelinquenz 39 Vermögen 29, 52, 56 f., 153 Vermögensdelikte 56, 141, 143, 151, 153, 163 Vermögensstrafrecht 162 Verteilungsgerechtigkeit 68, 162 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) 26 Vertrag von Lissabon 27 Vertreterhaftung 16 Verwaltungsaktakzessorietät 73 Verwaltungsakzessorietät 25, 64, 66, 161, 168, 178 Verwaltungsrecht 13, 15, 57, 64, 154, 161 Verwaltungsrechtsakzessorietät 15, 20, 66, 74 Volkswirtschaftslehre 15, 80 f. Vollzugsdefizit 17 f., 23, 29, 31, 54, 68, 72 f., 76 Vorhersehbarkeit 117 f., 123, 134 Vorsatz 116 – 123, 144 Vorverlagerung 55, 65, 149, 159 Vorwerfbarkeit 28 Währung 52, 145 Wasser 50, 58, 63, 128, 142, 150, 153, 175 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) 19 f., 22 f. Wasserrecht 14, 64 Wirksamkeit 17 f., 24 Wirtschaftsstrafkammer 158

194 Wirtschaftsstrafrecht 143, 152, 157 f.

Sachregister 33, 72, 75 – 77, 80,

Zivilrecht 13, 30, 115 Zurechenbarkeit 15, 75, 101, 112, 116 – 119, 121 – 123, 127, 135, 138, 140 f. Zurechnung 16, 22 f., 29, 34, 51, 53, 65, 74 – 79, 85 – 87, 89, 97 – 103, 105, 109, 114, 119, 121, 123 – 126, 129, 131, 135, 138, 140, 143 f., 149 – 152, 154, 156, 173, 178 – außerbetriebliche 78, 80, 91 – des Einzelerfolges 124, 130, 132, 134 f., 139, 143, 146, 151, 173, 176 – des Gesamterfolges 126 f., 131, 135, 137, 140 – 143 – des Teilerfolges siehe Zurechnung, des Einzelerfolges

– – – – – – – – – – – – – –

Fragen 100 Hindernisse 22, 76, 78 innerbetriebliche 78, 80, 159 Kriterien 97, 100, 127 Lehre 107, 124, 143 objektive 17, 30, 74, 116, 118, 120 – 122, 126 Prinzipien 100 Problematik 14 – 17, 75 – 80, 86, 100, 103, 106 f., 116, 135, 139, 144, 160, 168, 176 f. Probleme 75, 89, 100, 106 Regelungen 24, 106 Schwierigkeiten 76 f., 79, 85, 112, 156, 176 Strukturen 99 subjektive 116, 118 Voraussetzungen 74, 97, 103