Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers 9783666551222, 3811965316, 9783525551226

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Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers
 9783666551222, 3811965316, 9783525551226

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Hans-Martin Barth Der Teufel und Jesus Christas

HANS-MARTIN BARTH

Der Teufel und Jesus Christus in der Theologie Martin Luthers

V A N D E N H O E C K & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 19

Library of Congress Card Number 67 — 16309 Gedruckt mit Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1967. — Printed in Germany. — Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Druck: Hubert & Co., Göttingen 8617

MEINEN ELTERN

Vorwort Die Anregung zur Beschäftigung mit Luthers Teufelsglauben verdanke ich Herrn Kirdienrat Dekan i.R. Friedrich Graf — meinem „geistlidien Vater", wenn das nicht zu altmodisch klingt; idi möchte ihm an dieser Stelle meine tiefe Verehrung und Dankbarkeit ausdrüdien. Herr Professor D. "Wilhelm Maurer übernahm die Betreuung meiner Arbeit, so daß sie im Mai 1965 der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation vorgelegt werden konnte. Mit einer sehr behutsamen Hand hat er meine Überlegungen gelenkt, ohne mir eigene Wege zu verbieten, und idi meine, unter seiner Anleitung etwas davon gelernt zu haben, mit weldi einer Bescheidenheit ein Historiker hinter seinem Stoff zurückzutreten hat. Ich bin ihm großen Dank schuldig. Für Korrekturarbeiten danke ich meiner Braut, Fräulein cand. phil. et theol. Rosemarie Stammwitz, meinem Freund, Herrn Studienrat Gerhard Rückert, und vor allem Frau Schulrätin i. R. Irene Stahl, die mit einem riesigen Aufwand an Zeit und Krafl: das Lesen der Schlußkorrekturen besorgt hat. Nicht geringen Dank schulde ich auch der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mich nidit nur während der Promotionsjahre finanziell unterstützt, sondern mir audi, als dies notwendig wurde, ein zweimonatiges „Lese-Studium" in Lund ermöglicht hat. Für Druckkostenzuschüsse habe ich der Stiftung Volkswagenwerk sowie dem Landeskirchenrat der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern zu danken. Aus tedinischen Gründen mußten vor allem die Anmerkungen ganz gehörig gekürzt werden. Ich möchte es jedoch nidit versäumen, Herrn Verleger Ruprecht dafür zu danken, daß er meine Arbeit in die Reihe der FKDG aufgenommen hat. Für den, der die Dissertation im Originaltext einsehen möchte (Erlangen 1965, 549 S.), ist sie über die Universitätsbibliothek oder das Theologische Seminar der Universität Erlangen-Nürnberg erreichbar. Einige Fragen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr behandelt werden konnten, habe ich in einem Aufsatz „Zur inneren Entwicklung von Luthers Teufelsglauben" aufgegriffen; er wird in einer der nächsten Nummern von Kerygma und Dogma erscheinen. Cambridge, Massachusetts, im Dezember 1966

Hans-Martin Barth

Inhalt Vorwort

6

Einleitung

11

A) Die Rechtfertigung des diristologisdien Ansatzes

15

1. D i e Provokation des Teufels durch Jesus Christus .

. . .

18

2. Die Provokation des Teufels durch den Christen bzw. die Christenheit

21

3. D i e Reaktion des Teufels

30

B) D i e Durchführung des christologischen Ansatzes

35

I. Gott in Jesus Christus wider den Teufel

35

1. Jesu Leben wider den Teufel

37

a) Die Mensdiwerdung in ihrem Verhältnis zum Teufel . . . . (1) Der Teufel und der Mensdi werdende Gott (2) Der Teufel und die Menschwerdung Gottes

37 37 40

b) Der Kampf des Menschgewordenen mit dem Teufel . . . . (1) Jesu Weg zur Auferstehung: seine Wunder (2) Jesu Weg zum Kreuz

45 46 47

2. Jesu Sterben und Auferstehen wider den Teufel

50

a) Die Problematik der Versöhnungslehre Luthers (1) Die beiden Grundkonzeptionen ihrer Deutung (2) Der schwedische Ansatz (3) Die Beiträge der deutschen Lutherforschung

50 50 54 62

b) Luthers Passions- und Osterverkündigung (1) Die Versöhnungsdarstellung in Luthers Passionspredigt . . (2) Die Erlösungsdarstellung in Luthers Osterpredigt . . . .

67 67 74

IL Gott in seinem Wort wider den Teufel 1. Das Wort Gottes unter dem Angriff des Teufels a) Die Häresie als Prinzip der Kirchengeschichte (1) Die Vielfalt der Häresien . · . ' (2) Die Mannigfaltigkeit der Häresien (3) Die „duplex Ecclesia" (4) Rudimente der mittelalterlichen Ketzerpsychologie . . .

82 83 83 83 84 85 86

Inhalt b) Die beiden klassischen Erscheinungsweisen der Häresie . . . (1) Die römische Häresie der „glossa" (2) Die schwärmerische Häresie des „geystes" c) Motiv, Methode und Ziel der Häresie (1) Das Verhältnis von Häretiker und Teufel (2) Das Vorgehen des Teufels in der Häresie (3) Das Ziel des Teufels in der Häresie (4) Der Antidirist als Kulmination der Häresie

86 87 92 98 98 101 105 106

2. Das W o r t Gottes im Angriff auf den Teufel 112 a) Das Wort Gottes als Waffe in der Verteidigung gegen den durch Irrlehre angreifenden Teufel 113 (1) Die Ohnmacht des Teufels dem Wort Gottes gegenüber . . 113 (2) Der einzelne „Spruch" gegen den Teufel 113 (3) Die „doctrina" gegen den Teufel 114 (4) Die Sakramente gegen den Teufel 114 b) Das Wort Gottes als Waffe im Angriff auf den in der Häresie sich vert eidigenden Teufel 115 ( 1 ) Die Predigt gegen den Teufel 115 (2) Die theologische Klärung gegen den Teufel 116 c) Die Bloßlegung des Teufels in der Häresie durdi das Wort Gottes 116 (1) Die Entschleierung des Teufels . 116 (2) Der grobianische Stil der Polemik Luthers 118 (3) Die Toleranz bei Luther 119 d) Die Reformation als Wirkung des Wortes wider den Teufel . 121 I I I . G o t t in der A n f e d i t u n g wider den Teufel

123

1 . D i e Rolles des Teufels in der A n f e d i t u n g (1) Psychologische Kampfmethoden (2) Traditionelle Kampfziele des Teufels (3) Der Teufel als mendax und homicida a) Mendacium (1) Die Praesumptio (2) Die Desperatio b) Homicidium (1) Der „Wehr- und Sperrteufel" (2) Der Teufel als Gefährdung der physischen Existenz des Mensdien (3) Der Teufel als Zerstörer der Schöpfungsordnungen . . . c) Die Beziehung von mendacium und homicidium

124 124 126 128 129 130 136 144 144

2. D i e Unterlegenheit des Teufels in der Anfechtung . . . . a) Gott oder der Teufel als Urheber der Anfechtung? . . . . (1) Der Teufel im Auftrag Gottes (2) Der Teufel im Mißbraudi seines göttlichen Auftrags . . . (3) Gott und Teufel in der Anfechtung widereinander . . .

153 153 155 162 166

146 149 151

Inhalt

9

b) Das Ergebnis der Anfechtung (1) Die Uberwindung der Anfechtung durch den inneren Widerstand des Glaubenden (2) Die Beendigung der Anfechtung durch die äußere Führung Gottes C) Die Grenze des diristoiogisdben Ansatzes: der Deus absconditus ·

168 168 178

·

185

1. Das dreifadbe Verständnis des Deus absconditus bei Luther .

186

a) Der Deus absconditus in Christo

186

b) Der Deus absconditus in passionibus

187

c) Der Deus absconditus der Prädestination

187

2. Das Verhältnis von Teufel und Deus absconditus

. . . .

188

a)Der Fall (1) Der Engelsturz (2) Der Sündenfall des Menschen (3) Das Verhältnis des Deus absconditus zum Fall

188 189 190 194

b) Die Eigenständigkeit des Teufels (1) Die Zulassung Gottes (2) Die Wirksamkeit Gottes im Bösen (3) Gott als Urheber des Bösen

196 197 198 200

c) Die Ver-wechselbarkeit Gottes mit dem Teufel

201

3. Der Glaube an Jesus Christus als Vermögen, zwischen Gott und Teufel zu differenzieren a) Der Glaube als Erkenntnis Gottes und des Teufels b) Der Glaube als Erkenntnis der Übermacht Gottes

. . . .

203 203 206

Der theologische Ort des Teufels

208

Literaturnachweis

211

Register

220

Einleitung Wer Luther und den Teufel in einem Atemzug nennen hört, assoziiert wohl mehr oder weniger rasdi die berühmte Sadie mit dem Tintenfaß. Wenn es sich dabei audi deutlidi um eine relativ späte Legende handelt', so spridit sich doch in der Tatsadie, daß man überhaupt in jener Stube der Wartburg einen Tintenkledis entdeckte und entsprechend interpretierte, die Vorstellung aus, die man sich von Luthers Verhältnis zum Teufel gemacht hatte. Vielfach steht man dem Phänomen von Luthers „Teufelsglauben" ratlos gegenüber. Viele der Forsdier, die auf dieses Problem zu sprechen kommen, beeilen sich, mitzuteilen, daß man Luther an diesem Punkt eben als „Kind seiner Zeit" verstehen m ü s s e D e r „,literarische' und kunsthistorisch gefangene Teufel" sei schon im 15. Jahrhundert „sozusagen ausgebrochen" und zu einem „Generalangriff auf die Christenheit" gestartet®. Schließlidi habe auch die Renaissance den Teufel nidit verbannt Einige Psychologen suchen außerdem nach Gründen, warum gerade für Luther der Dämonenglaube nahegelegen haben müsse®. Daß der Teufel in Luthers Gedankenwelt „da" ist, läßt sich nidit bestreiten. Bei der Beurteilung dieses Phänomens aber gehen die Meinungen auseinander. Sollte es bei Luther hier überhaupt keine fortsdirittlidien Gesichtspunkte geben? G. Roskoff glaubt, an Luther und den späteren lutherischen Autoren über den Teufel beobachten zu können, daß trotz allem „die sinnliche Farbe seines persönlichen Daseins unter den protestantischen Händen schon zu verblassen b e g i n n t " D e r „rationalisierende Zug" scheint ihm in der Anschauungsweise Luthers und seiner Anhänger „unverkennbar" hervorzutreten^. / . v. Walter kritisiert zwar, daß Luther „vielerleiElemente des Volksaberglaubens aufgenommen" und sich „nicht bloß auf dem Boden der Bibel gehalten" habe. Auf der anderen Seite aber sieht er, daß „beim Vorbemerkung zur Zitationsweise: Eine eingeklammerte Ziffer hinter dem Namen eines Autors bezieht sich auf die im Literaturverzeidinis gebotene Numerierung seiner in dieser Arbeit herangezogenen Schriften. Die WA wird wie üblich zitiert; „ü" ist jedoch als „ue" und „v", wo es der Sinn erfordert, als „u" wiedergegeben. 1 Vgl. J. Köstlin (2) 440 sowie die dazugehörige Anm. 1. 2 Vgl. z. B. G. Roskoff Bd. 2, 365, 368; J. Köstlin (1) Bd. 2, 102; R. Seeberg (1) 212; Y. Alanen 48; G. Hillerdal 27, Anm. 32; R. Bring (3) 31 ff. » Fr. Gerke (2) 323. * Jh. V. Walter (1) 145. 8 E.H.Erikson 63f.; vgl. P.J.Reiter Bd. 1, 355ff., 362. « Bd. 2, 427. •> Bd. 2, 249.

12

Einleitung

Reformator gegenüber dieser ganzen Sphäre der zeitgenössisdien Anschauungen doch je und dann der nüchterne und gesunde Sinn zum Durchbruch kommt" In ähnlicher Weise warnt E. Seeberg vor einer einfachen Identifizierung des mittelalterlichen Teufelsglaubens mit dem Luthers'. Neuerdings weist K. G. Steck auf die „Übergangsposition" hin, die Luther einnehme: Neben „mythologisch-realistischen Aussagen" fänden sich „Ansätze, die auf deren Überwindung hinweisen" Die Frage, die aus dieser Sicht an Luthers Theologie als ganze zu stellen wäre, geht deswegen dahin, ob der Teufel aus ihr als ein unwichtiges, zeitbedingtes Füllsel gestrichen werden kann. Sollte das nicht möglich sein, so müßten ja auch in dieser Richtung etwa vorhandene „Ansätze" anders gewertet werden. Einen allen Rationalisierungsversuchen entgegengesetzten Weg sdilagen die psychologisierenden Interpreten ein". Der dänische Arzt P. J. Reiter erklärt, Luther projiziere „die psychopathologischen Prozesse seines Innern, deren Natur ihm unverständlich sein mußte, nach außen . . . " das gehe so weit, daß man „versucht ist, sich zu fragen, ob nicht der Teufel allmählich in seiner (seil. Luthers) Ideenwelt eine viel größere Rolle spielt als Gott und ob man nicht von einer wirklichen Dämonomanie sprechen muß" Luther b r a u c h t e nadi E. H. Erikson geradezu den Teufel, um sich an ihm abzureagieren; „was hätte er ohne den Teufel angefangen, ohne die Möglichkeit, die grotesken und peinlichen Widersprüdie seiner Lage dem personifizierten Bösen zuzuschreiben""? Dieser Argumentation gegenüber muß Luthers Theologie als ganze daraufhin untersucht werden, ob in ihr der Teufel wirklich nur lose eingefügt ist, so daß zu seiner Erklärung psychologische Konstruktionen möglich bleiben, oder ob Luthers Theologie selbst den Teufel in einem solchen Ausmaße fordert, daß sie sich erübrigen. Eine dritte Gruppe von Forschern respektiert die Präsenz des Teufels in Luthers Gedankenwelt als integrierenden Bestandteil seiner Theologie. Hier ist vor allem H. Obendiek zu nennen, der in seiner Monographie zu diesem Thema eine freilidb rein deskriptive Darstellung des Teufels bei Luther gegeben h a t " . Seiner Meinung nadi war „die Glaubenswelt und damit die Theologie Luthers in allen Einzelheiten von dem Schatten der Teufelsvorstellungen begleitet" Unklar bleibt bei ihm das Verhältnis zwischen dem „Schatten" und der solchermaßen „beschatteten" Theologie. Umgekehrt geht 8 (1) 146. β (2) 112; vgl. R. Seeberg (1) 212. 10 (1) 203. 11 Psychologisdie Gesiditspunkte zur Erklärung der intensiven Teufelserfahrung Luthers madien außer den Fadipsydioiogen geltend audi Jh. Gottsdiick (1) 69 und A. Kurz 44. 12 Bd. 2, 330. 18 Bd. 2, 421. 1« 257. 1» Der Teufel bei Martin Luther, Berlin 1931. le 235.

Einleitung

13

R. Bring vor: Für ihn ist Luthers Theologie das „organisierende Prinzip" auch seiner dämonologischen Vorstellungen Sind diese nun aber zu werten als etwas, womit Luthers Theologie notgedrungen fertigwerden muß, oder dodi als etwas, das seine Theologie wesentlich m i t k o n s t i t u i e r t B r i n g hat das Empfinden, dem mittelalterlichen Dämonenglauben gegenüber bei Luther eine „starke Konzentration" vor sich zu haben Worin aber besteht sie, und wodurch kommt sie zustande? Gibt es bei Luther darüber hinaus eine ganze „Teufelstheologie", wie P. J. Reiter behauptet^®? Die sich von hier aus einstellende Frage an Luthers Theologie als ganze sucht nach einer klaren Bestimmung des theologischen Ortes, den der Teufel bei Luther einnimmt. Der vorliegenden Arbeit geht es daher nicht darum, an weldien Punkten Luther dämonologische Vorstellungen aus der theologischen Tradition des Mittelalters oder aus dem damaligen Volksaberglauben übernommen haben könnte Sie interessiert sich auch nicht für irgendwelche Anekdötchen, aus denen hervorgeht, wie fortschrittlich oder wie rückständig Luther gewesen sein muß Sondern sie fragt danach, ob Luthers Theologie für den Teufel Raum hat, ob sie vielleicht sogar Raum für ihn fordert. Sie fragt mit einem Wort nach dem theologischen Ort des Teufels bei Luther. Sie behauptet, daß sich Luthers Teufelsvorstellung unmittelbar aus seinem Christusverständnis bzw. aus seinem Gottesbild ergibt und daß sie unbedingt damit zusammengesehen werden muß. " (3) 52 (übers.). 18 D a ß es sich bei Luthers Teufelsvorstellung tatsächlich „um ein konstitutives Element handelt", wird nach D . Löfgren offenbar, „wenn man die Aussichtslosigkeit des Versudis einsieht, Luthers Denken, wenigstens in D e servo arbitrio, ohne Rücksidit auf das antagonistisdie Motiv deuten zu wollen". 134. Vgl. H . R. Gerstenkorn 18 f . ίβ (3) 38 (übers.); vgl. 4 5 , 4 7 . Y Alanen 48 und R. Seeberg (1) 212. 20 Reiter sagt Luther nach, „daß er die Gestalt des Satan überall ins Universum und ins täglidie Leben hineinprojiziert und die Satansidee in einem paranoiden dualistischen Phantasma systematisiert, in einer vollständigen Teufelstheorie . . B d . 2, 430. 21 Vgl. dazu E. Klingner und B. Ohse, außerdem H . Appel, Fr. Gerke (1), (2), und H . A. Oberman s. v. „Devil". 22 Vgl. H . - M . Barth (3).

Α. Die Rechtfertigung des christologischen Ansatzes Madit man die Christologie zum Ansatzpunkt und zur Achse einer Untersuchung von Luthers Ansdiauungen über den Teufel, so bedarf dies einer Rechtfertigung. Daß die traditionelle Darstellung einer Theologie Luthers nicht mit der Christologie einsetzt, fällt dabei wenig ins Gewicht, weil die vorliegende Arbeit ja nicht gleichsam eine Theologie Luthers „mit umgekehrtem Vorzeidien" bieten will. Schwerer dagegen wiegt die Tatsache, daß der Teufel traditionellerweise seinen Platz nicht bei Christus bzw. im Gegenüber zu ihm hat. Er hat vielleicht überhaupt, aufs Ganze gesehen, keinen klaren, eindeutig zu bestimmenden Platz in der christlichen Theologie S auf keinen Fall aber primär den Platz im Raum einer Behandlung der Christusfrage. Er taucht an verschiedenen Stellen der Dogmatik auf, ohne einen festen theologischen Ort zu finden. Das scheint die Möglichkeit zu eröffnen, ihn bei der Darlegung der christlichen Wahrheit völlig aus dem Spiel zu lassen. Entsprechend hat R. Seeberg an einer schon von H. Obendiek kritisierten Stelle gemeint, daß Luther „die zentralen religiösen Vorgänge darzustellen vermag, ohne den Teufel auch nur zu erwähnen". Man könne „in den Predigten viele Seiten lesen, ohne dem Teufel zu begegnen" Dazu ist zu sagen, daß Seeberg die Zahl der Seiten in der Weimarana, auf denen der Teufel nicht vorkommt, überschätzt hat; aber hier gibt ja überhaupt das Ermessen einer Quantität wenig Aufsdiluß. Es ist wohl das Verdienst der leider nicht ins Deutsche übersetzten Arbeit von R. Bring über „Dualismen hos Luther"', den Teufel der Lutherforschung zum Bewußtsein gebracht und erstmalig als integrierenden Bestandteil der Theologie Luthers gewürdigt zu haben. Das schon zitierte, zwei Jahre später erschienene Buch H. Obendieks gibt trotz seiner Materialfülle leider keine eigentlich theologische Bewältigung des Pröblems Immerhin steht fest, daß der Teufel bei Luther „dazugehört', und die Frage ist nur die, „wohin" er gehört. Sollte Luther bei seinem Denken über den Teufel wirklich von seinem Christusglauben ausgehen, so ist vor der Untersuchung des Materials zu klären, was ihm diese Einordnung der Satanologie ermöglicht und was sie eventuell sogar fordern könnte. a) Wird diese besondere Stellung des Teufelsglaubens im System Luthers für ihn dadurch möglich, daß er eben kein „schulgerechter Systematiker" ® 1 R. Seeberg stellt fest, daß die mittelalterlidie Theologie „ja audi im System keinen festen Platz für den Teufel reserviert hatte". (1) 212. 2 (1) 212; H. Obendiek (3) 153. » Lund 1929.