Der Religionsunterricht einst, jetzt und künftig 9783111478333, 9783111111322

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Der Religionsunterricht einst, jetzt und künftig
 9783111478333, 9783111111322

Table of contents :
Inhalt
I. Einleitung
II. Der Religionsunterricht einst
III. Der Religionsunterricht jezt
IV. Die Entwicklung der Welt- und Lebensanschauung
V. Das Interesse von Familie, Gesellschaft und Staat am neuen Erziehungsideal
VI. Der staatliche interkonfessionelle Religionsunterricht
VII. Die ethische Forderung
VIII. Die Gestaltung des Religionsunterrichts der Zukunft
IX. Rulturkunde, Encwicklungsgedanke und staatsbürgerliche Erziehung
X. Einführung in die Lebenskunst
XI. Lehrplansorgen und Systematik

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Der

Religionsunterricht einst, jetzt und künftig. von

Dr. Rudolph penzig.

Berlin t9l6. Druck und Verlag von Georg Reimer.

Alle Rechte, besonders das der Über­ setzung in fremde Sprachen vorbehalten.

Inhalt. I. Kapitel: Einleitung..................................... ......... Der Religionsunterricht einst................... . II. „ Der Religionsunterricht jetzt..................... „ III. Die Entwicklung bet Welt- unb Lebens­ IV. " anschauung ................................................ Das Interesse von Familie, Gesellschaft unb V. " Staat am neuen Erziehungsibeal................. Der staatliche interkonfessionelle Religions­ VI. » unterricht ................................................ Die ethische Forberung............................... „ VII. Die Gestaltung bes Religionsunterrichts ber VIII. " Zukunft................................................ .. IX. Kulturkunbe, Entwicklungsgebanke unb staats­ » bürgerliche Erziehung......................... . X. Einführung in bie Lebenskunst................. „ XI. Lehrplansorgen unb Systematik................



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I. Einleitung. Einzig und allein vom Unterricht in oder über Re­ ligion soll hier die Rede sein, von seinem Ziel und seiner Wirkung, die natürlich von seiner Beschaffenheit abhängig ist,-nicht aber von Wert und Bedeutung der Religion. Wir nehmen in Anspruch, von ihr, als dem innerpersönlichsten Herzensverhältnis des Menschen zu den von ihm wahrge­ nommenen und vorgestellten idealen Mächten, mindestens ebenso hoch zu denken, wie jeder ernste Gegner unserer hier entwickelten pädagogischen Wünsche. Za, es wäre uns ein leichtes, nachzuweisen, daß eben wirtliche Liebe zur Religion und wahrhaftige Begeisterung für dieses edelste Erzeugnis menschlichen Geisteslebens uns auf den Plan ruft, wenn wir nicht einen Wettstreit auf diesem zartesten Gebiet persön­ lichsten Empfindens für geschmacklos hielten. Uber um so ernster verlangen wir, daß man sich nicht die sachliche Be­ kämpfung unseres Standpunktes allzu leicht mache mit Schlagwörtern, wie: „religionslose Schule" „gottlose Er­ ziehung",- „modernistische oder monistische Verbildung", die in Bausch und Bogen abzulehnen keine geistige An­ strengung erfordert, oder mit ähnlicher Verdächtigung unseres wollen?. Nicht laut und eindringlich genug kann es gesagt werden: Wir wollen das gleiche wie die Freunde des Alten und die Anhänger mäßiger Umbildung: nämlich penzig, Leligionsunterricht.

I

2 den Bau eines Erziehungstempels, der Lebenslust, hinnuelslicht und Herzenswärme in die Seelen der Jugerd (ein­ strömen läßt, so daß ihr Wille, begeistert von allem Gmten und Edlen, sich erhebe hoch über die bloße Berufsarbeit des Tages zu einem jenseitigen Ziele: der Verwirklichung des prophetisch geschauten Gottesreiches auf Erden. Wohl mögen die Baumeister dieses Tempel- Ver­ schiedener Meinung sein. Einige — es dürften nidji nnehr allzu viele sein — mögen glauben, eines Neubaues noh gränz entraten zu können, da der kirchliche Bau trotz seines Ehr­ würdigen Alters noch fest genug gegründet sei, un cauch kommende Jahrhunderte noch zu überdauern,- viele, ixe mit Ehrfurcht auf das Alte sehen, ohne doch blind zu sein gegen die Risse und Sprünge des Gemäuers, gegen die neuen An­ forderungen an Wohnlichkeit und Bequemlichkeit, verden ihre Pläne und Zeichnungen ausbreiten, um darzutun, daß man nur hier und da etwas veraltetes, Morsches vegzunehmen, dort neue Stützen und Untermauerungen zu schaffen brauche, um auch der neuen Jugend leidlichen Unterschlupf zu bieten. Andere mögen, mit schwerem herzen, aber in tatkräftiger Entschlossenheit bereit sein, einen ganzen Teil abzutragen und ein neues Gebilde auf dem alten Platz nach altem Grundriß entstehen zu lassen — bis zu den radikalen Zerstörern, die keinen Stein auf dem andern lassen wollen, aber wohlgemerkt, auch sie, nicht um nur abzureißen und auf der kahlen Stelle Gdland mit Disteln und Dornen zu schaffen, sondern um von Grund aus neu zu bauen. wäre der Bauherr oder Auftraggeber nun ein einziger mächtiger weltlicher oder geistlicher Zürst — dann dürfte dessen Wille und Plan oder der einer Partei zur Ausführung kommen. Nun aber ist der Bauherr das deutsche Volk, 68 Millionen Menschen, geschieden zunächst durch Landes­ grenzen in verschiedene Gebilde der Bundesstaaten mit

3 eigener Gesetzgebung aus dem Gebiete von Kirche und Schule, aber noch weit mehr zerklüftet durch den großen Ritz der Konfessionen, Parteiungen und Sekten. (Quer durch diese Schichten wiederum zieht sich der Sprung, der überall Kon­ servative und Orthodoxe mit allen ihren Schattierungen von den Liberalen und Toleranzfreunden trennt. Und trotz­ dem ist, wie zur Zeit der stärksten Zersplitterung und Zer­ klüftung Deutschlands die Sehnsucht nach dem einen Deutschen Reich nicht sterben wollte, so auch der Gedanke einer einheitlichen deutschen Schule und Er­ ziehung noch immer lebendig,' heute lebendiger als je! Freilich, nicht bei der preußischen, nicht bei vielen anderen Landesregierungen, die ja auch^in dem Rufe nach dem einen deutschen Vaterland Hochverrat witterten. Das preußische Kultusministerium setzte im Zähre 1906 die Konfessionalisierung der Schulen auf dem Wege des Schul­ unterhaltungsgesetzes durch und kapitulierte so vor dem reli­ giösen Partikularismus. Vas schlimme Beispiel fand Nach­ ahmung bis in die süddeutschen „liberalen" Staaten hinein. Und der römische Katholizismus, begleitet von der Sympa­ thie der protestantischen Orthodoxie, wäre wohl theoretisch für eine Einheit des ganzen deutschen Schulwesens, natürlich in seiner spezifisch christlichen Färbung,. wie er für die eine Herde unter einem Hirten ist, fand sich aber, der harten geschichtlichen Tatsache der Religionsspaltung gegenüber, mit der konfessionellen Absonderung seiner Jugend von dem ketzerischen Einfluß ab. Und ähnlich empfand man im protestantischen Lager, in allen geschlossenen Sonderge­ meinschaften, bei denen die Begeisterung für das Ideal in Fanatismus übergegangen war. Vas große Problem, dessen Lösung die Aufgabe gerade des deutschen Stammes zu sein scheint, nämlich die Ver­ einigung der äußersten Wertung der Einzelpersönlichkeit

in Gewissenssragen mit der gewaltigen Schätzung eiines Gemeinschaftswillens, ist hier in neuer Form witzerr oauferstanden. Einheit mit Freiheit so zu versöhnen Hartz die eine die andere nicht schädige, ist vom ersten Vekanitrwerden der germanischen Völker biss zum heutigen Tage hs; säete, trotz aller Fehlschlage unüberwindliche Streben der i'emtscchen Volksseele gewesen. In der vorkarolingischen Zeitherrrsjchte die Freiheit auf Kosten der Einheit,- im Mittelalte rwemigstens auf dem Gebiete der Kirche die Einheit, dieallle Ab­ weichungen als Ketzerei unterdrückte, während aulf po­ litischem Gebiet die wage zwischen Kaisermacht undFmrsüentrotz hin und her schwankte. Die Reformation schien diie köst­ liche Freiheit des Lhristenmenschen zu bringen, )hme die sonderkirchliche Einheit zu gefährden — ein Irrtum, den das 17. Jahrhundert berichtigte. Pietismus auf der -einen, Aufklärung auf der anderen Seite durchbrachen wieder die rechtgläubige Uniformität. Dem auf den Sturm urd Drang der genialen Persönlichkeit folgenden klassischen bunnamsmus zerging die Vaterlandsidee zu einem ideclogischen Kosmopolitismus. Als sie unter den Schlägen des Koirjen dem volksbewutztsein wieder eingehämmert Worten war, sorgte die Verblendung der Regierungen für die Erhaltung kleinstaatlicher Uneinigkeit, Knechtung des freien Wortes und Geistes und begünstigte so das Neuerstarken romantischer, politischer und religiöser Eigenbrödeleien. Der schöne Traum, im neuen Deutschen Reich die lang ersehnte Freiheit mit der Einheit im Bunde zu sehen, dauerte nur wenige Jahre, und es war die Freiheit, die die Kosten zu zahlen hatte, nicht ohne datz der Gedanke der Einheit dabei entsprechenden Schaden gelitten hätte. Gerade auf dem Gebiete der Schule ist dies, wie natür­ lich, am deutlichsten hervorgetreten, weder freiheitlich, noch einheitlich — das ist ihre Signatur! Je mehr Einheit,

5 desto weniger Freiheit, und umgekehrt. Gb es hier jemals eine Besserung geben wird? Die ungeheure Erfahrung des Weltkrieges hat uns nicht nur die echebende Sicherheit gegeben, daß im Falle der natio­ nalen Bedrohung noch ein gewaltiger Wille zur Einheit trotz aller konfessionellen und sozialen Zerrissenheit lebendig geblieben ist, sondern auch einen hoffentlich unüberwind­ lichen Dolkswillen geweckt, im kommenden Geschlecht diese Einheit auch durch das Schulwesen immer mehr zu fördern. Die Frage der „Einheitsschule" im schultechnischen Sinne berührt uns hier nicht, soweit sie sich nur die Beseitigung der Hemmungen für alle aufstrebenden Begabungen und die Milderung sozialer Standesvorurteile zum Ziele setzt. Aber es muß gesagt werden, daß sie nur möglich sein wird, wenn damit die Freiheit von konfessioneller Gebundenheit bei Eltern und Schülern, Lösung von der Bevormundung des Gesinnungsunterrichts seitens kirchlicher und staatlicher Behörden Hand in Hand geht. Solange nicht nur Rlassendünkel und Vesihstolz, sondern auch Bekehrungseifer, sektirerische Engherzigkeit und ängstliche Sorge um künftige „Gutgesinntheit" die Dolksjugend in besonderen Schul­ gattungen vor fremder Berührung zu hüten trachten, kann die schöne Idee, alle Rinder des Volkes auch nur während der ersten vier Schuljahre des Segens einheitlicher und gleich­ mäßiger Vorbildung teilhaftig werden zu lassen, nicht ver­ wirklicht werden. Die Befreiung der Schule von einem ihr wesensfremden und diesem jugendlichen HIter so wenig entsprechenden Religionsunterricht ist der erste Schritt zur Einheitsschule. vorläufig freilich muß jedenfalls mit der Tatsache eines in seinem Erziehungswillen gespaltenen Volkes gerechnet werden. Ausgeschlossen, daß die Mehrheit die Minderheit vergewaltige. Das ist der Punkt, wo der schwerfällige und

6 gutmütige Deutsche unerbittlich wird. Regierungen, Kon­ fessionen, Parteien bis zu den an Zahl geringen, an geistiger Bedeutung beachtenswerten Ireigeistern müssen den Ge­ danken aufgeben, ihr Schulideal restlos int ganzen verwirk­ lichen zu können, lvir sind auf den Weg gütlicher und billiget Einigung im einzelnen gewiesen: auf ein Kompromiß. Nicht von oben dekretiert, wie unter den wohlmeinenden preu­ ßischen Königen Kriedrich Wilhelm III. und IV. in der Simul­ tanschule, in der „Union" der lutherischen und reformierten Kirchen, sondern von unten herauf, durch die Einigung der Sachverständigen in allen Lagern auf ein^gütliches Neben­ einander, wenn schon kein Miteinander möglich ist. Gelänge es, auf dem heiklen Gebiete des Religions-Unterrichtes etwas Ähnliches zu erreichen, so wäre die Hauptschwierigkeit beseitigt. Venn hier, im Verhältnis von Kirche, Staat und Gesellschaft zur Schule, liegt der Knotenpunkt aller Ver­ wirrungen. Es gilt nur, den richtigen Kaden am richtigen Ende zu fassen — und das scheinbar hoffnungslose Gewirr löst sich verhältnismäßig glatt. Indem wir uns hier auf diesen einen Punkt beschränken (und als unumgängliche Voraussetzung jeder Verständigung die Anerkennung des guten willens auf beiden Seiten fordern), haben wir zu untersuchen, was der Religionsunter­ richt der Schule einst bezweckte, was seine heutigen Auf* gaben sind und in welcher weise diese Aufgaben künftig am besten gelöst werden können. Je weniger wir uns dabei von den in der Kampseshitze geprägten Schlagworten, wie „Zerstörung des Kinderglaubens", ,,