Der Schutz der Familie bei Insolvenz 9783814558905

Die Verfasserin geht der Frage nach, inwieweit die Eröffnung des Verfahrens die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Fami

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Der Schutz der Familie bei Insolvenz
 9783814558905

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Schmidt Der Schutz der Familie bei Insolvenz

Der Schutz der Familie bei Insolvenz

von Lena-Marie Schmidt

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG · Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2022 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der juristischen Fakultät der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel im Sommer 2021 als Dissertation angenommen. Die mündliche Promotionsprüfung fand am 17. Februar 2022 statt. Rechtsprechung und Literatur konnten bis März 2022 berücksichtigt werden. Herzlichster Dank gebührt zuvorderst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jan Roth, der dieses Dissertationsvorhaben ermöglicht und hervorragend betreut hat. Die gewährte Freiheit bei der Themenwahl, die stete Unterstützung und die gewinnbringenden Denkanstöße haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Herrn Prof. Dr. Stefan Smid danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die Möglichkeit zur Teilnahme an seinem insolvenzrechtlichen Seminar im Wintersemester 2019/2020, das sehr spannend und lehrreich war und mir große Freude bereitet hat. Den Herausgebern dieser Schriftenreihe, Herrn Prof. Dr. Moritz Brinkmann, LL.M. (McGill), Herrn Dr. Bruno M. Kübler, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hanns Prütting und Herrn Prof. Dr. Christoph Thole, danke ich für die freundliche Aufnahme in diese Schriftenreihe. Bei dem Verlagsleiter des RWS Verlags, Herrn Markus J. Sauerwald, möchte ich mich zudem für die tatkräftige Unterstützung im Rahmen des Veröffentlichungsprozesses bedanken. Der größte Dank aber gebührt meiner Familie, allen voran meinen lieben Eltern, die mir in allen Lebenslagen Mut machen und mich bedingungslos unterstützen, und ohne deren Rückhalt dieses Vorhaben nicht denkbar und ich ganz bestimmt nicht fertig geworden wäre. Euch ist diese Arbeit gewidmet.

Hamburg, im Frühjahr 2022

Lena-Marie Schmidt

VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

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Vorwort ............................................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. XIX Einleitung und Problemaufriss .............................................................. 1 ........ 1 Erster Teil: Gesetzgebungsgeschichte ................................................. 11 ........ 5 A. Die Ausgangssituation bei Einführung der Insolvenzordnung ......... I. Der Schutz der Familie als Verfahrensziel ................................. II. Erweiterte Wirkung der Restschuldbefreiung für den Familienverbund ....................................................................................... III. Schlechtere Befriedigungschancen für Unterhaltsgläubiger durch Insolvenzbeschlag des Neuerwerbs .................................. IV. Fazit ............................................................................................ B. Berücksichtigung der Familie in den InsO-Reformen ...................... I. Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze ....................................................................................... II. Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens ................... III. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte ........................................ IV. Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz ........... V. Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens ................................................................................... VI. Fazit ............................................................................................

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie ...................................................... 33 ...... 13 A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags ..................................................................... I. Arbeitseinkommen ..................................................................... 1. Insolvenzbeschlag des Arbeitseinkommens ......................... 2. Erwerbsobliegenheit des Schuldners .................................... 3. Exkurs: Erwerbsobliegenheit und Kinderbetreuung ............ a) Anwendbarkeit der zu § 1570 BGB entwickelten Grundsätze? ...................................................................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

b) Eheliche Beistandspflichten im Rahmen der Erwerbsobliegenheit? .................................................................. II. Einkünfte bei Selbstständigen .................................................... III. Sozialleistungen .......................................................................... IV. Unterhaltsansprüche des Schuldners .......................................... V. Bankguthaben ............................................................................. VI. Hausrat ....................................................................................... VII. Wohnraum ................................................................................. VIII. Grundstücke und Wohnungseigentum ..................................... IX. Versicherungsansprüche ............................................................. 1. Krankenversicherungsleistungen ......................................... 2. Altersversorgung .................................................................. 3. Ansprüche aus Personenversicherungen .............................. X. Erbe, Vermächtnis und Pflichtteilsanspruch ............................... XI. Fazit ............................................................................................

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B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners ...... 73 I. Mithaftung des Ehegatten im Allgemeinen ................................ 74 1. Übernahme der Verfahrenskosten durch den Ehegatten ...... 74 a) Kostenvorschuss im Insolvenzverfahren ........................ 76 b) Vorschusspflichtige Personen ........................................ 77 c) Voraussetzungen ............................................................ 81 aa) Die Durchführung des Insolvenzverfahrens als „persönliche Angelegenheit“ .............................. 82 bb) Bedürftigkeit des Schuldners ................................... 85 cc) Leistungsfähigkeit des Ehegatten ............................ 87 2. Haftungserweiterung bei Ehegattenbürgschaft ..................... 88 3. Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB .............................. 91 a) Regelungsgehalt ............................................................. 91 b) Verfassungsrechtliche Bewertung .................................. 94 II. Auswirkungen auf den Güterstand ............................................. 97 1. Grundsätze der ehelichen Vertragsfreiheit ........................... 98 2. Zugewinngemeinschaft ...................................................... 101 a) Grundsatz der Gütertrennung ....................................... 101 b) Behandlung des schuldnerischen Zugewinnausgleichsanspruchs ..................................................................... 102 aa) Insolvenz des Zugewinnausgleichsgläubigers ....... 103 bb) Insolvenz des Zugewinnausgleichsschuldners ....... 104 3. Gütertrennung .................................................................... 105 4. Gütergemeinschaft ............................................................. 106 a) Gesamtgutsverwaltung durch einen Ehegatten ............ 108 aa) Insolvenz des allein verwaltenden Ehegatten ........ 108 bb) Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten ......... 109

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b) Gemeinsame Gesamtgutsverwaltung ........................... c) Fortgesetzte Gütergemeinschaft ................................... d) Nach Beendigung der Gütergemeinschaft ................... III. Fazit ..........................................................................................

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection ........................................................................................ 115 ...... 42 I. Der Schutz der Familie durch Asset Protection ........................ 116 ...... 42 II. Einschränkung dieses Schutzes durch die Insolvenzanfechtung ................................................................................ 118 ...... 43 1. Allgemeine Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO ............. 120 ...... 44 a) Anfechtungsberechtigung ............................................ 120 ...... 44 b) Vornahme einer Rechtshandlung ................................. 121 ...... 44 c) (Kausale) objektive Gläubigerbenachteiligung ............ 123 ...... 45 d) Rechtsfolge .................................................................. 126 ...... 46 2. Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ................ 127 ...... 46 a) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ............................... 128 ...... 47 b) Positive Kenntnis des Anfechtungsgegners ................. 130 ...... 47 c) Beweislast .................................................................... 131 ...... 48 3. Anfechtung ggü. nahestehenden Personen nach §§ 133 Abs. 4, 138 InsO ................................................................ 133 ...... 49 a) Voraussetzungen .......................................................... 134 ...... 49 aa) Entgeltliche Verträge ............................................. 134 ...... 49 bb) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ................ 136 ...... 49 cc) Nahestehende Personen i. S. d. § 138 Abs. 1 InsO .... 137 ....... 50 (1) Ehegatten und Lebenspartner .......................... 137 ...... 50 (2) Verwandte ....................................................... 139 ...... 50 (3) Personen in häuslicher Gemeinschaft oder dienstvertraglicher Beziehung ......................... 141 ...... 51 (4) Gesellschaftsrechtliche Nähebeziehung .......... 143 ...... 52 b) Beweislast .................................................................... 144 ...... 52 c) Verfassungsrechtliche Bewertung ................................ 145 ...... 52 4. Unentgeltlichkeitsanfechtung nach § 134 InsO .................. 149 ...... 55 a) Unentgeltliche Leistung ............................................... 151 ...... 56 b) Beweislast .................................................................... 156 ...... 58 5. Sonstige Anfechtungstatbestände ....................................... 159 ...... 59 III. Innerfamiliäre Maßnahmen der Asset Protection und ihre Anfechtbarkeit ................................................................... 160 ...... 59 1. Vermögensübertragungen im innerfamiliären Bereich ...... 160 ...... 59 a) Freiwillige Vermögenszuwendungen ........................... 161 ...... 60 aa) Unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten ...... 165 ...... 60

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

bb) Mitarbeit im ehelichen Betrieb .............................. cc) Familienheim ......................................................... (1) Übernahme eines auf der Immobilie lastenden Grundpfandrechts ............................................ (2) Einräumung eines dinglichen Wohnrechts ...... dd) Vermögenszuwendungen im Wege vorweggenommener Erbfolge ........................................... b) Vermögenszuwendungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung ............................................................... c) Verzicht des Schuldners auf familienspezifische gesetzliche Ansprüche ................................................. aa) Ausschlagung einer Erbschaft und Erbverzicht ..... bb) Verzicht auf die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs ............................................... 2. Güterrechtliche Maßnahmen .............................................. a) Anfechtbarkeit des Ehevertrags ................................... b) Ausgewählte anfechtungsrelevante Maßnahmen in Bezug auf den Güterstand ........................................ aa) Ausgleich des Zugewinns bei bestehender Ehe („fliegender Zugewinnausgleich“) ......................... bb) Güterstandsschaukel .............................................. (1) Anfechtbarkeit des Änderungsvertrags ........... (a) Generell ..................................................... (aa) Systematische Überlegungen ........... (bb) Teleologische Überlegungen ............. (cc) Weitere Überlegungen ..................... (b) Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 4 InsO? .. (2) Anfechtbarkeit des Vollzugsgeschäfts ............. cc) Zwischenergebnis .................................................. 3. Einräumung von Bezugsrechten an einer Lebensversicherung ....................................................................... a) Rechtliche Einordnung des Lebensversicherungsvertrags ........................................................................ b) Anfechtungsrechtliche Beurteilung .............................. aa) Widerrufliches Bezugsrecht ................................... bb) Unwiderrufliches Bezugsrecht ............................... cc) Abtretung der Versicherungsansprüche ................. IV. Fazit ..........................................................................................

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts ......... 215 ...... 79 A. Gesetzlicher Unterhalt zur Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums ..................................................... 216 ...... 79 B. Allgemeiner Teil ............................................................................. I. Unterhaltsarten ......................................................................... II. Einordnung der Unterhaltsarten in die Systematik der Insolvenzordnung ............................................................... 1. Gesetzliche Unterhaltsansprüche ....................................... 2. Übergegangene Ansprüche ................................................ a) Übergang des Anspruchs auf einen anderen familienrechtlichen Unterhaltsschuldner ..................... b) Übergang des Anspruchs auf den Bürgen .................... c) Übergang des Anspruchs auf einen öffentlichrechtlichen Träger ........................................................ 3. Sonstige Unterhaltsansprüche ............................................ a) Schuldrechtliche Unterhaltsvereinbarungen und Kapitalabfindungen ...................................................... b) Deliktische Ansprüche ................................................. c) Annex: Anwendbarkeit auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich? ................................................ 4. Zusammenfassung .............................................................. C. Rückständiger Unterhalt ................................................................. I. Unterhaltsansprüche als ausgenommene Forderungen i. S. d. § 302 InsO ................................................................................ 1. Allgemeine Wirkungen des § 302 InsO ............................. 2. Gesetzeshistorie ................................................................. 3. § 302 InsO a. F.: Unterhaltsforderungen als deliktische Forderungen ....................................................................... a) Exkurs: Verfassungsrechtliche Bewertung des § 170 StGB ............................................................ b) Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB .......................................... aa) Gesetzliche Unterhaltspflicht ................................. bb) Leistungsfähigkeit ................................................. cc) Tathandlung: Sich Entziehen ................................. dd) Taterfolg: Gefährdung des Lebensbedarfs ............. ee) Weitere Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, insbesondere: Vorsatz ...... c) Anmeldung zur Tabelle ................................................ aa) Hintergrund zu § 174 Abs. 2 InsO .........................

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bb) Regelungsgehalt ..................................................... 277 .... 100 cc) Wirkung der Attributsanmeldung .......................... 283 .... 103 d) Widerspruch ................................................................. 284 .... 103 aa) Widerspruch des Insolvenzverwalters ................... 286 .... 104 bb) Widerspruch des Schuldners .................................. 289 .... 104 (1) Gegen die Forderung als Ganzes ..................... 289 .... 104 (2) Gegen das Forderungsattribut .......................... 290 .... 105 cc) Beweislast im Feststellungsprozess ....................... 295 .... 106 4. § 302 InsO n. F.: Vorsätzlich, pflichtwidrig nicht gewährter Unterhalt ............................................................................ 302 .... 109 a) Sinn und Zweck der Neuregelung ................................ 302 .... 109 b) Bedenken in der Literatur ............................................ 304 .... 109 aa) Fehlende Systemkonformität und Entwertung der Restschuldbefreiung ........................................ 305 .... 110 bb) Gefährdung des laufenden Unterhalts .................... 307 .... 111 cc) Fiskusprivileg ........................................................ 309 .... 111 c) Regelungsgehalt und die wesentlichen Neuerungen .... 310 .... 112 aa) Verzicht auf die Prüfung des gefährdeten Lebensbedarfs ................................................................... 311 .... 112 bb) Vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährter Unterhaltsanspruch ................................................ 312 .... 112 (1) Pflichtwidrigkeit .............................................. 313 .... 113 (2) Vorsatz ............................................................ 314 .... 113 cc) Erweiterung des § 174 Abs. 2 InsO ....................... 317 .... 114 dd) Anforderungen an den Widerspruch ...................... 320 .... 115 d) Bewertung der Neuregelung ........................................ 321 .... 115 aa) Die Erweiterung des § 302 InsO im Allgemeinen ..... 322 ..... 115 (1) Systemkonformität .......................................... 322 .... 115 (2) Gleichwertigkeit von rückständigem und laufendem Unterhalt ........................................ 326 .... 117 (3) Sozialhilferechtliches Benachteiligungsverbot .................................................................... 328 ..... 117 (4) Abwägung der widerstreitenden Interessen ..... 331 .... 118 (a) Schutzbedürftigkeit von Unterhaltsberechtigten ............................................... 332 .... 119 (b) Dagegen: Schutzbedürftigkeit des Schuldners? ......................................... 336 .... 120 (c) Missbrauchspotential ................................. 338 .... 121 (d) Zusammenfassung ..................................... 339 .... 121 bb) Bedeutung der Regelung in der Praxis .................. 340 .... 121 cc) Hauptanwendungsprobleme .................................. 345 .... 124 (1) Hürden bei der Anmeldung ............................. 345 .... 124

XIV

Inhaltsverzeichnis Rn.

(2) Anforderungen an die Pflichtwidrigkeit und Beweislast im Feststellungsprozess ................. (a) Modell 1: Fortgeltung der zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO ergangenen Rechtsprechung ......................................... (b) Modell 2: Gleichsetzung mit dem Deliktsrecht ................................. (c) Modell 3: Entsprechende Geltung der unterhaltsrechtlichen Regelungen ....... (d) Modell 4: Orientierung an den zu § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO entwickelten Grundsätzen ......................................................... (e) Stellungnahme ........................................... (aa) Leitlinien .......................................... (bb) Bewertung ......................................... (cc) Zusammenfassung ............................ (3) Reichweite des Vorsatzerfordernisses? ........... dd) Zusammenfassung ................................................. e) Reichweite der Ausnahme von der Restschuldbefreiung ...................................................................... 5. Annex: Reichweite der Möglichkeit einer Forderungsanmeldung nach § 302 InsO ............................................... a) Titulierung des § 302 InsO-Vermerks bei fehlendem Restschuldbefreiungsantrag? ....................................... b) Reichweite der Titulierung in einem Zweitverfahren ...... II. Obliegenheit zur Antragstellung bei Unterhaltsrückständen? ...... 1. Keine Insolvenzantragspflicht bei natürlichen Personen .... 2. Antragsobliegenheit bei Unterhaltsrückständen gegenüber minderjährigen Kindern ..................................................... 3. Antragsobliegenheit bei Trennungsunterhalt ..................... 4. Bewertung .......................................................................... D. Laufender Unterhalt ........................................................................ I. Allgemeine Neugläubigerproblematik ..................................... II. Unterhaltsneugläubiger als Massegläubiger ............................. 1. Unterhaltsgewährung durch die Gläubigerversammlung (Abs. 1) .............................................................................. 2. Vorläufige Unterhaltsgewährung durch den Insolvenzverwalter (Abs. 2) ............................................................... 3. Anspruch aus § 100 InsO bei Gefährdung des Existenzminimums? .........................................................................

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III. Schutz der Neugläubiger durch entsprechende Geltung der Pfändungsvorschriften gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO ............ 417 1. Erhöhung der Pfändungsfreibeträge nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO ........................................... 420 a) Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs ........ 424 aa) Grundsätze im Einzelzwangsvollstreckungsrecht ..... 424 bb) Übertragbarkeit in das Insolvenzrecht ................... 426 b) Tatsächliches Leisten ................................................... 427 aa) Grundsätze im Einzelzwangsvollstreckungsrecht ..... 427 bb) Erforderliche Modifikation im Insolvenzrecht ...... 430 cc) Zwischenergebnis .................................................. 434 c) Berücksichtigung eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten .................................................................. 435 aa) Einkunftsarten ........................................................ 437 bb) Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts des Unterhaltsberechtigten ..................................... 443 d) Zusammenfassung ....................................................... 445 2. Änderungen des unpfändbaren Betrags nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850f Abs. 1 ZPO ................................. 448 a) Antragsberechtigung .................................................... 449 b) Abwägung durch das Insolvenzgericht ........................ 450 c) Mehrbedarf ................................................................... 451 d) Mehrbedarf bei faktischen Unterhaltspflichten in sozialrechtlicher Bedarfsgemeinschaft? ................... 453 aa) Der Begriff der sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft .......................................................... 454 bb) Rechtslage vor Erlass des PKoFoG ....................... 456 (1) Meinungsstreit ................................................. 457 (2) Die Entscheidung des BGH vom 19. Oktober 2017 ..................................... 459 cc) Rechtslage nach Erlass des PKoFoG ..................... 462 (1) Neuregelung .................................................... 462 (2) Kritik ............................................................... 463 (a) Gebot der Einheit der Rechtsordnung ....... 464 (b) Verfassungsrechtliche Bedenken .............. 466 (c) Keine anderweitigen Schutzmechanismen ............................................. 468 dd) Erforderliche Modifikation im Insolvenzrecht ...... 470 e) Zusammenfassung ....................................................... 475 3. Vollstreckungsprivileg für Unterhaltsgläubiger nach § 89 Abs. 2 S. 2 InsO i. V. m. § 850d ZPO ........................ 478 a) Grundsatz des Vollstreckungsverbots .......................... 479 b) Sonderregelungen für Unterhaltsgläubiger .................. 481 XVI

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c) Vollstreckung in den Pfändungskorridor ..................... 484 .... 180 aa) Privilegierter Anspruch .......................................... 484 .... 180 bb) Notwendiger Selbstbehalt des Schuldners ............. 487 .... 182 (1) Grundsätze im Einzelzwangsvollstreckungsrecht ................................................................. 487 .... 182 (2) Erforderliche Modifikation im Insolvenzrecht .... 489 ..... 183 cc) Verfahren ............................................................... 490 .... 183 dd) Vollstreckungsrechtliche Besonderheiten in der Wohlverhaltensphase ................................... 492 .... 184 d) Zusammenfassung ....................................................... 494 .... 185 4. Besonderheiten in der Regelinsolvenz ............................... 497 .... 185 a) Bei Fortführung der Tätigkeit für die Masse ................ 499 .... 186 aa) Antrag des Schuldners nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i Abs. 1 ZPO .................................... 499 .... 186 (1) Antragsberechtigung ....................................... 501 .... 187 (2) Berechnungsmethoden .................................... 503 .... 187 (3) Abwägung durch das Insolvenzgericht? .......... 505 .... 188 bb) Vollstreckungsmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten ........................................................... 507 .... 189 b) Nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter .............. 508 .... 189 c) Vollstreckungsrechtliche Besonderheiten in der Wohlverhaltensphase ................................................... 512 .... 191 aa) Abführungsobliegenheit nach § 295a Abs. 2 InsO .. 512 .... 191 bb) Vollstreckung ......................................................... 513 .... 191 d) Zusammenfassung ....................................................... 514 .... 192 IV. In Conclusio: Notwendigkeit eines Anspruchs aus § 100 InsO für unterhaltsrechtliche Neugläubiger bei Gefährdung des Existenzminimums? ........................................................... 515 .... 192 1. Regelungsdefizite ............................................................... 516 .... 192 a) Missbrauchspotential durch Auszahlung zu Händen des (unredlichen) Schuldners ....................................... 516 .... 192 b) Diskriminierung von Patchwork-Familien ................... 519 .... 193 c) Ungleichbehandlung der Einkommensarten ................ 521 .... 194 2. Notwendigkeit der Ermessensreduzierung auf Null? ......... 527 .... 197 3. Folgeproblem: Durchsetzbarkeit ........................................ 532 .... 199 a) Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung nach § 78 InsO? ........................................................... 533 .... 199 b) Vorzugswürdig: Aufsicht des Insolvenzgerichts nach § 58 InsO ...................................................................... 534 .... 199 V. Fazit .......................................................................................... 537 .... 200 E. Anfechtungsfestigkeit des Unterhalts? ........................................... 538 .... 201 I. Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO ................................... 541 .... 201 XVII

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II. Anforderungen an den Nachweis eines Benachteiligungsvorsatzes ................................................................................... 542 .... 202 III. Bewertung ................................................................................ 545 .... 203 F. Annex: Die Berücksichtigung von Unterhaltsgläubigern in den anderweitigen in der Insolvenzordnung vorgesehenen Möglichkeiten zur Entschuldung ................................................................. I. Schuldenbereinigungsplan ........................................................ 1. Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan .................. 2. Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan ........................... 3. Insolvenzplanverfahren ...................................................... II. Eigenverwaltung .......................................................................

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Vierter Teil: Ergebnis ......................................................................... 560 .... 209 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 219 Materialienverzeichnis .................................................................................... 243 Stichwortverzeichnis ........................................................................................ 245

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Abkürzungsverzeichnis a. A Abs. a. F. AG ALG II AnfG AO Art. Aufl.

andere Ansicht Absatz alte Fassung Amtsgericht Arbeitslosengeld II Anfechtungsgesetz Abgabenordnung Artikel Auflage

BAföG BAG BayObLG BayObLGSt

Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Betriebs-Berater Band Bearbeiter/in beck-online.Rechtsprechung Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit Begründer/in Beilage Beschlussempfehlung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz Bundesrat Drucksachen des Deutschen Bundesrates Bundesregierung Bundessozialhilfegesetz Drucksachen des Deutschen Bundestages Buchstabe

BB Bd. Bearb. BeckRS BEEG Begr. Beil. Beschlussempf. BetrAVG BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BMFSFJ BMJV BR BR-Drs. BReg BSHG BT-Drs. Buchst.

XIX

Abkürzungsverzeichnis

BVerfG BVerfGE bzw.

Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise

Dass. Ders. Dies. diff. DNotI-Report DZWIR

Dasselbe Derselbe Dieselbe/n differenzierend Deutsches Notarinstitut Report Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

EGBGB EGInsO EGMR EL EMRK EU e. V. EWiR

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Ergänzungslieferung Europäische Menschenrechtskonvention Europäische Union eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f./ff. FamFG FamFR FamR FamRZ FD-InsR FF FPR FS FuR

folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht und Familienverfahrensrecht Familienrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachdienst Insolvenzrecht Forum Familienrecht Familie Partnerschaft Recht Festschrift Familie und Recht

gem. GesO GG ggf. GmbH GS

gemäß Gesamtvollstreckungsordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gedächtnisschrift

HaftPflG h.M. Hrsg.

Haftpflichtgesetz herrschende Meinung Herausgeber/in

XX

Abkürzungsverzeichnis

Insbüro InsO InsOÄndG InsVV i. R. d. i. S. d. i. S. e. i. S. v. i. V. m.

Zeitschrift für die Insolvenzpraxis Insolvenzordnung Insolvenzänderungsgesetz Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung im Rahmen der/s im Sinne der/s im Sinne einer/s im Sinne von in Verbindung mit

JurBüro

Das Juristische Büro

KfZ KG KJHG KO KTS

Kraftfahrzeug Kammergericht Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts Konkursordnung KTS-Zeitschrift für Insolvenzrecht

LG lit. LPartG

Landgericht litera Lebenspartnerschaftsgesetz

MittBayNot MDR m. w. N.

Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen

n. F. NJW NJW-RR NJW-Spezial Nr. NStZ NWB-EV NZFam NZI NZM

neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Neue Juristische Wochenschrift Spezial Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NWB Erben und Vermögen Neue Zeitschrift für Familienrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PKoFoG

Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz

RefE RegE

Referentenentwurf Regierungsentwurf XXI

Abkürzungsverzeichnis

RG RGZ RL Rpfleger Rn. RNotZ Rspr.

Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie Der Deutsche Rechtspfleger Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Rechtsprechung

S. S. SGB SPD SRB StGB st. Rspr. StVG

Satz Siehe Sozialgesetzbuch Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sozialrechtsberatung Strafgesetzbuch ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz

UnterhaltsR u. U. UVG

Unterhaltsrecht unter Umständen Unterhaltsvorschussgesetz

v. Var. VersAusglG vgl. VglO VIA Vol. vs. VuR

vom/von Variante Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche Vergleichsordnung Verbraucherinsolvenz aktuell Volume versus Verbraucher und Recht

WEG WM

Wohnungseigentumsgesetz Wertpapier Mitteilungen

z. B. ZEV ZInsO

zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Verbraucher und Privat-Insolvenzrecht

ZIP zit. ZPO ZRP ZVI XXII

Einleitung und Problemaufriss Jeder zehnte Erwachsene in Deutschland kann seine Rechnungen nicht mehr dauer- 1 haft bezahlen und ist in diesem Sinne überschuldet.1) Zum Stichtag am 1. Oktober 2021 wurde für Deutschland eine Überschuldungsquote von 8,86 % gemessen: 6,16 Millionen Bürger über 18 Jahre sind demnach überschuldet und weisen nachhaltige Zahlungsstörungen auf.2) Die vorherrschende Corona-Pandemie wird diese Zahlen aller Wahrscheinlichkeit nach erhöhen.3) Kommt es in Folge der Überschuldungssituation zur Insolvenz, gilt im Rahmen der 2 Insolvenzordnung: „Eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz.“4) Damit gemeint ist, dass sich der Insolvenzbeschlag aus einem rechtlichen Blickwinkel auf das Vermögen der insolventen Person beschränkt und nur diese Person den Regeln des Insolvenzverfahrens unterliegt. Faktisch gehen die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens jedoch weit darüber hinaus. Die wirtschaftlichen Folgen eines Verfahrens tangieren regelmäßig nicht nur den Schuldner selbst, sondern in einem ebenso großen Ausmaß auch seine von ihm finanziell abhängige Familie. Die Insolvenz des Schuldners hat erhebliche Auswirkungen auf sein laufendes Einkommen, führt zum Insolvenzbeschlag diverser Vermögenswerte des Familienverbunds und hat die Restschuldbefreiung zur Konsequenz, die ggf. auch sämtliche aufgelaufene Unterhaltsverpflichtungen umfasst. Kurzum: Das Insolvenzverfahren stellt eine harte Belastungsprobe für die gesamte schuldnerische Familie dar.5) Die Negativfolgen treffen dann ganz besonders auch die Kinder des Schuldners.6) Armut beeinträchtigt nicht nur die Erziehungsfähigkeit der Eltern. Sie gefährdet auch die Chancen von Kindern bei der Ausbildung ihrer Fähigkeiten sowie das Niveau ihrer Schulbildung und ihres beruflichen Aufstiegs.7) Von den Bestimmungen des Familienrechts abgesehen, gibt es daher kaum einen 3 Regelungsbereich, der so tiefgreifende Auswirkungen auf die persönlichen Beziehungen des Schuldners zu seiner Familie hat wie das Insolvenzrecht.8) Innerhalb des Insolvenzverfahrens prallen familiäre und soziale Interessen auf in- 4 solvenzrechtliche Regelungen, die vordergründig dem Masse- bzw. Gläubigerschutz ___________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)

Creditreform, Anzahl der überschuldeten Privatpersonen in Deutschland von 2004 bis 2021. Creditreform, Anzahl der überschuldeten Privatpersonen in Deutschland von 2004 bis 2021. CRIF Bürgel GmbH, Pressemitteilung v. 1.10.2020. So auch: Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 37 Rn. 1; Thiele/Salmen, ZInsO 2014, 2259. G. Pape, InsBüro 2009, 162, 163; A. Schmidt, Privatinsolvenz, Rn. 3. A. Schmidt, Privatinsolvenz, Rn. 3. RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 11; Ahrens, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 76 Rn. 3; A. Schmidt, Privatinsolvenz, Rn. 3. So auch: G. Pape, Insbüro 2009, 162; vgl. dazu auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 4 ff.

1

Einleitung und Problemaufriss

dienen.9) Die Sonderregelungen für die Insolvenzsituation dürfen vor diesem Hintergrund nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen als Bestandteil des Zivilund Zivilverfahrensrechts angesehen und mit den dortigen Wertungen in Einklang gebracht werden.10) Da in der Theorie weder dem einen noch dem anderen Schutzzweck Vorrang zukommt, sind Konflikte insoweit vorprogrammiert.11)

5 Die Insolvenzgläubiger verfolgen das Interesse einer bestmöglichen Befriedigung, das nicht nur als Ziel des Insolvenzverfahrens der Insolvenzordnung vorangestellt ist (vgl. § 1 S. 1 InsO), sondern gleichsam verfassungsrechtlich abgesichert wird. Forderungen sind als vermögenswerte, privatnützige Rechtspositionen grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst.12) Im Übrigen ist im Rahmen des Insolvenzverfahrens auch der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten (vgl. § 1 S. 1 InsO, „gemeinschaftlich“).13) Die Insolvenzgläubiger haben ein verfassungsrechtlich geschütztes Interesse daran, dass die unzureichende Haftungsmasse des Schuldners gleichmäßig verteilt wird und nicht etwa einzelne Gläubigergruppierungen, ohne sachlichen Grund, privilegiert werden.14) Geht es dabei um die Frage, ob bestimmte Forderungsarten gänzlich von der Restschuldbefreiung auszunehmen sind, tangiert dies zusätzlich das mit dem Insolvenzverfahren verfolgte Ziel der Restschuldbefreiung (vgl. § 1 S. 2 InsO).15) Von dieser ausgenommen sind nur solche Forderungen i. S. d. § 302 InsO, die entsprechend zur Tabelle angemeldet wurden und denen der Schuldner nicht widersprochen hat. Der Insolvenzordnung ist der Schutz all dieser Interessen immanent. An ihnen ist, wie sich nicht zuletzt aus dem in § 1 InsO vorangestellten Programmsatz ergibt, ihre gesamte Regelungssystematik ausgerichtet.16)

6 Demgegenüber steht das Interesse an einem bestmöglichen Schutz der schuldnerischen Familie, das nicht nur wegen Art. 6 Abs. 1 GG Bedeutung erlangt, sondern auch über das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum abgesichert wird. Der Schwerpunkt der nachfolgenden Untersuchung soll zwar nicht auf einer verfassungsrechtlichen Untersuchung der Normen der Insolvenzordnung liegen. Gleichwohl sind die verfassungsrechtlichen Wertungen insoweit zu berücksichtigen, dass die einzelnen Grundrechte als Wertentscheidungen über ihren unmittelbaren Regelungsgehalt hinaus auf die gesamte Rechtsordnung, und damit auch auf die Insolvenz___________ Zu dem Spannungsverhältnis auch schon: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 6. Vgl. dazu: Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzeröffnungsverfahren, 34. So auch schon: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 6. Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzeröffnungsverfahren, 89 f. Vgl. A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 33. Zu dem Anliegen, eine höhere Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen: G. Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1 Rn. 12. 15) Zu dieser: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 42 ff. 16) Dazu etwa: Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 7; G. Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1 Rn. 5. 9) 10) 11) 12) 13) 14)

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Einleitung und Problemaufriss

ordnung ausstrahlen.17) Die sich daraus ergebenden Folgewirkungen für das Insolvenzverfahren sollen mit der vorliegenden Arbeit aufgezeigt werden. Der Familienbegriff des Art. 6 GG erfasst unterschiedliche Formen der Lebens-, 7 Erziehungs-, Haus- oder Wirtschaftsgemeinschaft, wie etwa die aus einer Ehe hervorgegangene Kleinfamilie18) aus verheirateten Eltern mit ihren minderjährigen Kindern,19) unverheiratete Eltern mit ihren Kindern, Patchwork-Familien oder Alleinerziehende mit Kind.20) Als Vorstufe zur Familie erfasst Art. 6 GG zudem die Ehe.21) Darunter ist – nach dem klassischen Begriffsverständnis – die rechtlich geordnete Form einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft von Mann und Frau zu verstehen, deren Eingehung auf der Willensübereinstimmung der Ehegatten beruht und eines Ordnungselements der staatlichen Mitwirkung durch den Standesbeamten bedarf (§§ 1310˺ff. BGB).22) Über das klassische Begriffsverständnis hinaus ist das Recht auf Eheschließung mittlerweile auch für Personen gleichen Geschlechts anerkannt (vgl. § 1353 Abs. 1 BGB).23) Die in Art.˺6 Abs. 1 GG enthaltene Verpflichtung zum besonderen Schutz von 8 Familie und Ehe durch die staatliche Ordnung umfasst positiv die Aufgabe, diese vor Beeinträchtigungen zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern, sowie negativ das Verbot, sie zu schädigen oder sie sonst zu beeinträchtigen.24) Dies gilt auch für den materiell-wirtschaftlichen Bereich, wobei jedoch die grundsätzliche Förderpflicht nicht als so weitgehend verstanden werden darf, dass der Staat verpflichtet wäre, jegliche finanzielle Belastung der Familie zu verhindern.25) In untrennbarem Zusammenhang dazu steht die verfassungsrechtlich verankerte Garantie zur Sicherung des Existenzminimums, die sich aus Art. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot nach Art. 20 Abs. 1 GG ergibt.26) Nach dieser ist der Gesetzgeber ___________ 17) BVerfG 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198, 205; vgl. auch: Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 57; Antoni, in: Hörnig/Wolff, GG, Vorbemerkungen, Rn. 4. 18) Von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 15. 19) BVerfG 29.7.1959 – 1 BvR 205/58, 1 BvR 332/58, 1 BvR 333/58, 1 BvR 367/58, 1 BvL 27/58, 1 BvL 100/58 – BVerfGE 10, 59, 66. 20) Von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 15; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 60 ff. 21) So: von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 18. 22) Etwa: BVerfG 29.7.1959 – 1 BvR 205/58, 1 BvR 332/58, 1 BvR 333/58, 1 BvR 367/58, 1 BvL 27/58, 1 BvL 100/58 – BVerfGE 10, 59, 66; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 42 ff. 23) Siehe dazu den Gesetzesentwurf des BR v. 11.11.2015, BT-Drs 18/6665, 7 ff.; zur Vereinbarkeit dessen mit Art. 6 Abs. 1 GG: C. Schmidt, NJW 2017, 2225, 2226 ff. 24) BVerfG 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240, 252; 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01 – BVerfGE 105, 313, 346; 17.1.1957 – 1 BvL 4/54 – BVerfGE 6, 55, 76, 126 f.; Antoni, in: Hörnig/Wolff, GG, Art. 6 Rn. 7. 25) BVerfGE 7.5.1968 – 1 BvR 133/67 – BVerfGE 23, 258, 264; Antoni, in: Hörnig/Wolff, GG, Art. 6 Rn. 12. 26) Vgl. insoweit: BVerfG 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 – NJW 2010, 505, 507.

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Einleitung und Problemaufriss

dazu verpflichtet, jedem Einzelnen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu garantieren.27) Fehlen einem Menschen die dazu notwendigen Mittel, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus seinem eigenen Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter, also z. B. durch Unterhaltsbezug, erhalten kann, muss der Staat mithin im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags dafür Sorge tragen, dass dem Hilfebedürftigen diese Mittel zur Verfügung stehen.28)

9 Entgegen der ihr insoweit von Verfassungs wegen eingeräumten Bedeutung, spielt die Familie in den Normen der Insolvenzordnung nur andeutungsweise eine Rolle, namentlich in den §§ 40, 100 und 278 InsO. Eine umfassende Regelungssystematik existiert nicht.

10 Die vorstehende Arbeit will vor diesem Hintergrund den Schutz der Familie bei Insolvenz umfassend untersuchen und dabei dem Spannungsverhältnis zwischen den in den Vorschriften der Insolvenzordnung zum Ausdruck kommenden Zielen des Verfahrens einerseits, und der Notwendigkeit des Schutzes der Familie andererseits begegnen. Zu diesem Zweck soll in einem ersten Teil die Gesetzgebungsgeschichte dargelegt und überprüft werden, ob und wenn ja, inwieweit der Gesetzgeber sich dieser Thematik im Rahmen der Einführung der Insolvenzordnung und in den späteren Gesetzesreformen schon angenommen hat. In einem zweiten Teil soll sodann aufgezeigt werden, in welchem Ausmaß die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie sowie die Ehe des Schuldners tangiert und inwieweit im Vorfeld der Insolvenz Möglichkeiten für den Schuldner bestehen, seine Angehörigen im Wege der Asset Protection abzusichern. Im dritten Teil soll darauf aufbauend schwerpunktmäßig der Frage nachgegangen werden, ob es im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren eines ausgeprägteren Schutzes der Familie des Schuldners durch Absicherung des Unterhalts bedarf. Insoweit soll umfassend untersucht werden, welche Auswirkungen das Insolvenzverfahren auf bereits befriedigte, rückständige und laufende Unterhaltsansprüche hat und ob der dahingehend vorhandene Schutz der Bedeutung des Unterhaltsanspruchs gerecht wird. Die Arbeit schließt im vierten Teil mit der thesenartigen Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse sowie Überlegungen de lege ferenda zur Verbesserung des Schutzes der Familie bei Insolvenz.

___________ 27) BVerfG 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 – NJW 2010, 505, 507. 28) BVerfG 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 – NJW 2010, 505, 507.

4

Erster Teil: Gesetzgebungsgeschichte Zunächst gilt es zu untersuchen, inwieweit sich der Gesetzgeber dieser Thematik im 11 Rahmen der Einführung der Insolvenzordnung bzw. in den einschlägigen Gesetzesreformen angenommen hat und welchen Rang er den familiären Interessen dabei eingeräumt hat.

A. Die Ausgangssituation bei Einführung der Insolvenzordnung I.

Der Schutz der Familie als Verfahrensziel

Der Regierungsentwurf für eine Insolvenzordnung vom 15. April 199229) statuierte 12 in § 1 Abs. 2 RegE, dass die Interessen des Schuldners und seiner Familie während des Verfahrens besonders zu berücksichtigen seien.30) Der unmissverständliche Wortlaut und die Einordnung als Verfahrensziel i. S. d. § 1 InsO verdeutlichen, wie wichtig es dem Gesetzgeber offensichtlich zunächst erschien, ein entsprechendes Schutzniveau für die Familie des Schuldners in der Insolvenz zu schaffen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde diese Zielsetzung dann allerdings er- 13 satzlos gestrichen. Stattdessen entschied sich der Gesetzgeber dafür, die Ziele der Insolvenzordnung auf die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger und die Restschuldbefreiung zu beschränken. Begründet wurde dieses Vorgehen damit, dass die Insolvenzordnung „redaktionell gestrafft“ und § 1 InsO auf seine „wesentlichen Elemente“ gekürzt werden sollte.31) Obgleich die Vorschrift keine unmittelbare Rechtswirkung hat, ist ihr Stellenwert 14 groß. Den in § 1 InsO normierten Zielen des Insolvenzverfahrens kommt eine richtungsweisende Bedeutung zu: Sie sind der Insolvenzordnung als eine Art Programmsatz vorangestellt, an dem die am Insolvenzverfahren Beteiligten ihr Verhalten auszurichten haben. Außerdem sind sie heranzuziehen, wenn offene Fragen im Wege einer teleologischen Auslegung beantwortet werden müssen.32) Der Nichtumsetzung des § 1 Abs. 2 RegE kommt daher eine nicht zu unterschätzende Symbolik zu. Den Schutz der Familie sah der Gesetzgeber offensichtlich nicht als „wesentlich“ an.

II. Erweiterte Wirkung der Restschuldbefreiung für den Familienverbund Ähnlich ging der Gesetzgeber in Sachen Wirkung der Restschuldbefreiung vor. 15 Der Bundesrat war im Gesetzgebungsprozess zunächst der Auffassung, dass die Wirkung der Restschuldbefreiung im Falle der Insolvenz eines Verbrauchers um___________ 29) 30) 31) 32)

RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443. RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 9 f., 108. Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 5, 155. G. Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1 Rn. 5; Ludwig, in: Braun, InsO, § 1 Rn. 1.

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Erster Teil: Gesetzgebungsgeschichte

fassend dem gesamten Familien- und Haushaltsverbund, in dem der Schuldner lebt, zugute kommen müsse und sich nicht nur auf die Person des Schuldners beschränken dürfe.33) Das Recht der Insolvenzgläubiger gegen mithaftende Bürgen und Gesamtschuldner vorzugehen, sollte vor diesem Hintergrund insofern eingeschränkt werden, dass die Inanspruchnahme bürgender oder mithaftender Ehegatten, Kinder und Eltern des Schuldners ausgeschlossen sein sollte, sofern diese von dem Schuldner wirtschaftlich abhängig waren (vgl. § 250 Abs. 2 RegE).34) Dies begründete der Bundesrat damit, dass das Ziel des Restschuldbefreiungsverfahrens, die Verbindlichkeiten des Schuldners umfassend zu bereinigen, verfehlt werden würde, wenn sich die Wirkung der Restschuldbefreiung nicht auf die mithaftende Ehefrau oder die mithaftenden Kinder erstrecke.35) Ein wirtschaftlicher Neubeginn sei nach Auffassung des Bundesrates dann nicht möglich.36) Im Übrigen hielt er eine baldige, möglichst uneingeschränkte Wiederaufnahme der gesamten Schuldnerfamilie in das Wirtschaftsleben letztlich auch für dem Gläubigerinteresse dienend.37)

16 Im weiteren Gesetzgebungsverfahren konnte sich diese Sichtweise schlussendlich nicht durchsetzen.38) Die Bundesregierung widersprach der in § 250 Abs. 2 RegE vorgeschlagenen Regelung und begründete dies vor allem damit, dass die Bürgen und Mitschuldner im Rahmen eines eigenständigen Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erlangen könnten und insoweit ausreichend geschützt seien.39) Die Bundesregierung verwies auch darauf, dass eine entsprechende Regelung zur Folge gehabt hätte, dass die Privilegierung der Restschuldbefreiung solchen Bürgen und Mitschuldnern zugute käme, die eine Restschuldbefreiung aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse nicht benötigten oder wegen ihres Verhaltens nicht verdienten.40) Auch die vom Bundesrat daraufhin vorgeschlagene Begrenzung auf solche Verwandte, die in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu dem Schuldner stehen, hielt die Bundesregierung nicht für sinnvoll und sah darin eine unnötige Komplikation des Verfahrensablaufs, die die Gerichte zusätzlich belasten würde.41)

___________ 33) 34) 35) 36) 37) 38)

RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 258. RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 258. RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 258. RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 258. RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 258. Dazu: Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 301 Rn. 1; Pehl, in: Braun, InsO, § 301 Rn. 7; Wittig, WM 1998, 209, 219. 39) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 267. 40) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 267. 41) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 267 f.

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A. Die Ausgangssituation bei Einführung der Insolvenzordnung

III. Schlechtere Befriedigungschancen für Unterhaltsgläubiger durch Insolvenzbeschlag des Neuerwerbs Die Rechtsstellung der Unterhaltsneugläubiger hat sich mit Einführung der Insol- 17 venzordnung sodann sogar verschlechtert.42) Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Neuerwerb des Schuldners seit Einführung der Insolvenzordnung Teil des Insolvenzbeschlags ist und somit direkt zur Masse gezogen wird (vgl. § 35 Abs. 1 InsO).43) Im Grundsatz erkannte der Gesetzgeber dies auch an, als er im Regierungsentwurf 18 vom 15. April 199244) zu § 47 RegE (heute wohl § 40 InsO) feststellte, dass die bisherige Möglichkeit für nicht am Verfahren beteiligte Unterhaltsgläubiger, uneingeschränkt auf den Neuerwerb des Schuldners zuzugreifen, in Zukunft nicht mehr bestehe.45) Zur Kompensation dieses Nachteils verwies er die Unterhaltsgläubiger sodann aber auf die Möglichkeit der Pfändung in den erweitert pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens nach § 850d ZPO sowie den Anspruch auf Unterhalt aus der Insolvenzmasse nach § 114 RegE.46) Der Regierungsentwurf sah in § 114 Abs. 1 S. 1 RegE zunächst einen Anspruch des 19 Schuldners auf Gewährung von notwendigem Unterhalt gegen die Insolvenzmasse vor.47) Er erkannte dabei an, dass die Regelung des Absatzes 1 im Ergebnis einen Teil der Insolvenzmasse dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzog. Er zog diese Lösung jedoch zunächst, gerade auch als Kompensation für die fehlende Zugriffsmöglichkeit auf den Neuerwerb, der Inanspruchnahme von Sozialhilfe durch den Schuldner und seine Familie vor.48) Satz 2 erstreckte diesen Anspruch auf die minderjährigen unverheirateten Kinder des Schuldners, seinen Ehegatten, seinen früheren Ehegatten und die Mutter seines nichtehelichen Kindes. Nur die Bewilligung von solchem Unterhalt, der der Höhe nach über das notwendige Maß hinaus ging, sollte nach Satz 3 im Ermessen der Gläubigerversammlung stehen (vgl. § 114 Abs. 1 RegE). Dem insoweit angedachten Kompensationsmechanismus wurde im weiteren Verlauf 20 dann allerdings gänzlich die Wirkung genommen. In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wurde der sich aus der Norm ergebende Anspruch des Schuldners gestrichen.49) Übrig blieb unter derselben Nummerierung lediglich eine Regelung, die die Gewährung von Unterhalt aus der Insolvenzmasse an den Schuldner in das ___________ 42) So: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 791, 797; Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473; ders., FamRZ 1993, 1026, 1028; wohl auch: Schumann, in: MüKo-InsO, 40 Rn. 1; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 1; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 226 f. 43) Kritisch: Keller, NZI 2001, 449, 455. 44) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443. 45) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 124. 46) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 124. 47) Dazu: Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 100 Rn. 1. 48) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 143. 49) Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167.

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Erster Teil: Gesetzgebungsgeschichte

Ermessen der Gläubigerversammlung stellt und die Regelung damit dem System der vormaligen Konkursordnung anpasste (§§ 129 Abs. 1, 132 Abs. 1 KO, heute in § 100 InsO).50) Ihre praktische Relevanz ist gering. Obgleich der Gesetzgeber also zunächst durchaus erkannt hatte, dass die Einführung der Insolvenzordnung zu einer Schlechterstellung der Unterhaltsgläubiger führen würde, blieb er in Sachen Kompensation untätig.

IV. Fazit 21 Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass der Gesetzgeber sich im Rahmen der Einführung der Insolvenzordnung intensiv mit dem Schutz der Familie bei Insolvenz auseinandergesetzt hat. So wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht nur vorgeschlagen, diesen Schutz der Insolvenzordnung als Zielsetzung voranzustellen. Auch die erweiterte Wirkung der Restschuldbefreiung für den familiären Haftungsverbund sowie die Absicherung des Unterhaltsanspruchs durch Qualifizierung zur Masseverbindlichkeit wurden diskutiert. Im Ergebnis konnte sich aber keiner dieser Vorschläge durchsetzen. Den Schutz der Familie sah der Gesetzgeber in letzter Konsequenz nicht als wesentlich genug an. Ganz im Gegenteil: Durch den Insolvenzbeschlag des Neuerwerbs hat sich die Situation für Familienangehörige sogar verschlechtert, da es ihnen seither verwehrt ist, in diesen zu vollstrecken.51) Nicht ohne Grund wird vor diesem Hintergrund in der Literatur sogar davon gesprochen, dass die Einführung der Insolvenzordnung, und insbesondere die durch sie erstmalig etablierte Restschulbefreiung, „auf Kosten“ der Unterhaltsgläubiger erfolgt sei.52)

B. Berücksichtigung der Familie in den InsO-Reformen I.

Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze

22 Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (auch: Insolvenzänderungsgesetz), das am 7. Dezember 2001 in Kraft getreten ist,53) erkannte der Gesetzgeber wieder die soziale Dimension des Verfahrens an.

23 Er stellte fest, dass die Überschuldungssituation nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf den Schuldner selbst, sondern regelmäßig auch auf seine gesamte Familie habe und, dass Maßnahmen, die zur Überwindung der Überschuldung beitragen, auch ___________ 50) Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 41, 167. 51) So: Kohte, ZIP 1994, 184, 186. 52) So: Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473; auch der Rechtsausschuss sieht darin im Grundsatz einen Nachteil: Beschlussempf. und Bericht des Rechtausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167; dazu auch: Paul, DZWIR 2009, 186, 187; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 791. 53) BGBl. I 2001, 2710.

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B. Berücksichtigung der Familie in den InsO-Reformen

von großer familien- und jugendpolitischer Bedeutung seien.54) Zu dieser Erkenntnis gelangt, wollte er sich nunmehr mit der Verbesserung der Effizienz des Verbraucherinsolvenzverfahrens gerade auch im Interesse überschuldeter Familien und ihrer Kinder für ein funktionstüchtiges Entschuldungsmanagement einsetzen.55) Zu diesem Zweck wurden im Rahmen des Insolvenzänderungsgesetzes die Stun- 24 dungsregelungen in §§ 4a ff. InsO eingeführt, die fortan auch mittellosen Schuldnern den Zugang zum Insolvenzverfahren eröffneten.56) Zudem wurde die Wohlverhaltensphase von sieben bzw. fünf Jahren bei Zahlungsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1997 auf sechs Jahre verkürzt.57) Der Rechtsausschuss war der Ansicht, dass diese Maßnahmen positive Auswirkungen auf die überschuldeten Familienhaushalte haben würden, da diese sich nunmehr zügiger reorganisieren könnten.58) Im Übrigen fand in diesem Zuge auch § 36 Abs. 1 S. 2 InsO Einzug in die Insolvenz- 25 ordnung, der die Pfändungsvorschriften der §§ 850 ff. ZPO für entsprechend anwendbar erklärte. Bis zum Inkrafttreten des Insolvenzänderungsgesetzes bestanden im Hinblick auf die Sicherung des schuldnerischen und familiären Existenzminimums Gesetzeslücken. Während einige zur Schließung dieser für eine entsprechende Geltung der Pfändungsvorschriften, namentlich § 850f ZPO, plädierten,59) befürworteten andere Stimmen eine Lösung über § 100 InsO, nach der sich in bestimmten Fällen die Möglichkeit der Unterhaltsleistung in eine Pflicht umwandelte.60) Mit Einführung des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO schloss sich der Gesetzgeber im Ergebnis der ersten Auffassung an.61) Um den Schuldner vor Obdachlosigkeit zu bewahren, strich der Gesetzgeber zudem 26 das Sonderkündiungsrecht des Insolvenzverwalters bei Wohnraum (vgl. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO).62)

___________ 54) 55) 56) 57) 58) 59)

RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 11. RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 11. RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 12; dazu: Smid, DZWIR 2002, 221, 222 f. Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 27.6.2001, BT-Drs. 14/6468, 18. Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 27.6.2001, BT-Drs. 14/6468, 18. Etwa: OLG Köln 16.10.2000 – 2 W 189/00 – NZI 2000, 590, 591; LG Offenburg 14.3.2000 – 4 T 38/00 – NZI 2000, 277; AG Aachen 13.7.2000 – 19 IK 29/99 – NZI 2000, 554; Leibner, NZI 2001, 574, 577; Grote, ZInsO 2000, 490 f.; Stephan, ZInsO 2000, 376, 378 ff.; Steder, ZIP 1999, 1874, 1879 f.; zustimmend auch: G. Pape, EWiR 2001, 647, 648; Fuchs/Vallender, ZInsO 2001, 681, 686; wohl auch: Smid, DZWIR 2002, 221, 226. 60) Etwa: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 806 ff.; später: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 62. 61) Dazu: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 41 ff.; siehe auch: Smid, DZWIR 2002, 221, 226. 62) RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 16; dazu: Ringstmeier, in: Karsten Schmidt, InsO, § 109 Rn. 19.

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Erster Teil: Gesetzgebungsgeschichte

II. Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens 27 Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, das am 18. April 2007 in Kraft getreten ist,63) wurde die schriftliche Verfahrensdurchführung eingeführt, Regelungen zur Internetveröffentlichung in § 9 InsO etabliert und eine Regelung zur Freigabe der selbstständigen Tätigkeit in § 35 Abs. 2 und Abs. 3 InsO geschaffen.64) Mit dem Schutz der Familie beschäftigte sich der Gesetzgeber in diesem Zuge nicht.

III. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte 28 Die größte Änderung erfuhr das Privatinsolvenzrecht nach langer Diskussion mit dem zum 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte.65) Der Gesetzgeber verkürzte in diesem Rahmen erneut die Wohlverhaltensphase bei Verfahrenskostendeckung von sechs auf fünf Jahre bzw. bei einer Quote von 35 % auf drei Jahre (vgl. § 300 Abs. 1 InsO) und führte außerdem das Insolvenzplanverfahren für die Verbraucherinsolvenz ein (Streichung des § 312 InsO).66) Darüber hinaus erweiterte er den § 302 InsO, der bestimmte Forderungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Restschuldbefreiung ausnimmt, auf Ansprüche aus Steuerhinterziehung und rückständigen Unterhalt und setzte sich somit erstmals wieder mit dem Schutz der Familie im Insolvenzverfahren auseinander.67) Begründet wurde diese Erweiterung zugunsten der Unterhaltsgläubiger mit dem erforderlichen Schutz der Unterhaltsberechtigten einerseits, sowie den entsprechenden Regelungen in vielen anderen europäischen Mitgliedstaaten andererseits.68)

IV. Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz 29 Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz, das am 15. Februar 2017 verabschiedet wurde und am 5. April 2017 in Kraft getreten ist,69) reformierte der Gesetzgeber umfassend das Insolvenzanfechtungsrecht, um dieses rechtssicherer zu gestal-

___________ 63) 64) 65) 66) 67) 68) 69)

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BGBl. I 2007, 509. Siehe dazu: RegE v. 2.11.2006, BT-Drs. 16/3227; Lüdtke, in: PrivatinsRK, § 1 Rn. 14. BGBl. I 2013, 2379. Siehe dazu: RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 13; Lüdtke, in: PrivatinsRK, § 1 Rn. 17. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16, 32. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16. BGBl. I 2017, 654.

B. Berücksichtigung der Familie in den InsO-Reformen

ten.70) Den Schutz der Familie tangieren die Neuregelungen nur indirekt (o siehe Rn. 118 ff.).

V. Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens Das am 30. Dezember 2020 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Verkürzung des 30 Restschuldbefreiungsverfahrens71) geht auf die zum 16. Juli 2019 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (im Folgenden: Restrukturierungsrichtlinie bzw. RL) zurück.72) Kernstück der Reform ist die im neuen § 287 Abs. 2 InsO geregelte Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre, die rückwirkend zum 1. Oktober 2020 in Kraft getreten ist.73) Sie gilt – anders als es noch der Regierungsentwurf 74) vorsah – unbefristet und einheitlich für sämtliche Schuldner, also sowohl für Selbstständige als auch für Verbraucher.75) Auf die Erfüllung besonderer Voraussetzungen (Deckung der Verfahrenskosten, Erfüllung von Mindestbefriedigungsanforderungen), die nach altem Recht für eine vorzeitige Restschuldbefreiung nach drei bzw. fünf Jahren erforderlich waren (vgl. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Nr. 3 InsO a. F.), wird zukünftig verzichtet.76) Ebenfalls rückwirkend wurden neue Obliegenheiten des Schuldners in der Wohlverhaltensphase eingeführt (§ 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 InsO). Weitere Neuregelungen betreffen abermals die sog. Freigabe nach § 35 Abs. 2 und Abs. 3 InsO, die Obliegenheiten des selbstständigen Schuldners in der Wohlverhaltensphase (§ 295a InsO) sowie das Schicksal von Tätigkeitsverboten nach erteilter Restschuldbefreiung (§ 301 Abs. 4 InsO). Den Schutz der Familie behandelt das Gesetz nicht. Die verkürzte Verfahrensdauer 31 wird der Familie des Schuldners zwar mittelbar zugutekommen, da sie künftig dazu führen wird, dass der Familienverbund schon nach drei Jahren von den Einschrän___________ 70) Siehe dazu: RegE v. 16.12.2015, BT-Drs. 18/7054. 71) Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht, BGBl. I 2020, 3328. 72) RL (EU) 2019/1023, Abl. EU 2019, Nr. L 172/18; zu den in dieser enhaltenen Regelungen betreffend die Entschuldung natürlicher Personen ausführlich: L.-M. Schmidt, ZVI 2020, 121 und ZVI 2020, 171. 73) A. Schmidt, ZVI 2021, 41. 74) RegE v. 31.8.2020, BT-Drs. 19/21981; dazu kritisch: Heyer, ZVI 2020, 285, 286; Allemand/ Henning, ZVI 2020, 325; Jäger, ZVI 2020, 326, 327; Ahrens/Graeber/Grote/Heyer/G. Pape/ I. Pape/Schmerbach/Kohte, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 5. 75) A. Schmidt, ZVI 2021, 41. 76) A. Schmidt, ZVI 2021, 41, 42.

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Erster Teil: Gesetzgebungsgeschichte

kungen des Insolvenzverfahrens „erlöst“ wird und damit etwa auch Unterhaltsforderungen schon früher wieder vollstreckt werden können. Wie noch zu zeigen sein wird, bleibt die Umsetzung ins deutsche Recht jedoch hinter den durch die Richtlinie geschaffenen Möglichkeiten zum Schutz der Familie zurück.

VI. Fazit 32 Auch in den darauffolgenden InsO-Reformen ist die Etablierung einer umfassenden Regelungssystematik mithin ausgeblieben. Vereinzelt hat sich der Gesetzgeber zwar mit den Belangen der schuldnerischen Familie und der Notwendigkeit der Absicherung eines Existenzminimums auseinandergesetzt, wie etwa bei Einführung des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO im Rahmen des Insolvenzänderungsgesetzes, der die Pfändungsvorschriften der ZPO für im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar erklärt, oder bei Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO, der nunmehr auch rückständige, vorsätzlich, pflichtwidrig nicht gewährte Unterhaltsansprüche erfasst. Im Ergebnis bleibt aber festzuhalten, dass der Gesetzgeber sich bislang allenfalls stiefmütterlich mit dem Schutz der Familie im Insolvenzverfahren und dem daraus erwachsenden Spannungsverhältnis der unterschiedlichen betroffenen Interessen beschäftigt hat.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie Die Insolvenz des Schuldners hat nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Lebens- 33 verhältnisse seiner Familie. Als „Familie“ ist in diesem Zusammenhang die Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, in der der Schuldner mit seinen Angehörigen lebt, und zwar unabhängig davon, ob er mit diesen eine häusliche Gemeinschaft bildet oder nicht. Von dem Insolvenzbeschlag seines Vermögens werden insbesondere diejenigen Angehörigen tangiert, die sich in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu ihm befinden bzw. die von seinem Vermögen faktisch profitieren. Eine solche Abhängigkeit besteht in den verschiedensten Konstellationen, mithin sowohl in traditionellen Familienverhältnissen als auch in Patchwork-Familien.

A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags Der Umfang des vom Insolvenzbeschlag betroffenen Vermögens des Schuldners 34 richtet sich nach den §§ 35, 36 InsO. Nach diesen wird das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt, vom Insolvenzverfahren erfasst (vgl. § 35 Abs. 1 InsO).77) Von der Insolvenzmasse ausgenommen sind nur solche Gegenstände und Bezüge, die unpfändbar sind (vgl. § 36 Abs. 1 S. 1 InsO). Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO gelten entsprechend (vgl. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO). Die insoweit benannten Regelungen der ZPO dienen dem Schutz des verfassungsrechtlich verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Schuldners (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der Realisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsgebots in Art. 20 Abs. 1 GG.78) Obgleich in der Theorie ausschließlich das Vermögen des Schuldners beschlagnahmt wird, führt eine Insolvenz faktisch zu einer erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Familie des Schuldners, und zwar völlig unabhängig davon, in welcher konkreten Konstellation der Schuldner und seine Familie leben, solange diese nur wirtschaftlich abhängig von ihm ist. Eine solche Abhängigkeit kann sich sowohl aus Gesetz (z. B. bei Bestehen gesetzlicher Unterhaltsansprüche) als auch aus den faktischen Lebensumständen (z. B. bei Bestehen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft) ergeben. Schuldnerisches Arbeitseinkommen bzw. Sozialleistungen, Bankguthaben, Wohnraum, Hausrat und ___________ 77) Zu den einzelnen Positionen: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 72 ff.; Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 35 Rn. 8 ff.; Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 151 ff. 78) RegE v. 28.6.1977, BT-Drs. 8/693, 45; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 1; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850 Rn. 1; vgl. zum verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimum etwa: BVerfG 23.7.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 – NJW 2014, 3425 ff.; 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 u. a. – NJW 2010, 505, 507; BGH 26.6.2014 – IX ZB 88/13 – NJW-RR 2014, 1197, 1198; 25.10.2012 – VII ZB 31/12 – NZI 2013, 194, 196; 25.11.2010 – VII ZB 111/09 – NJW-RR 2011, 706, 707.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Wohnungseigentum, Ansprüche aus Güterstandsvereinbarungen, schuldnerische Unterhaltsansprüche sowie Versicherungsansprüche in Form von Krankenversicherungsleistungen, Altersversorgung und Ansprüche aus Personenversicherungen oder auch erbrechtliche Ansprüche bilden häufig die wirtschaftliche Lebensgrundlage der schuldnerischen Familie. Inwieweit diese dem Insolvenzbeschlag unterfallen, soll daher im Folgenden überblicksartig aufgezeigt werden.

I.

Arbeitseinkommen

1.

Insolvenzbeschlag des Arbeitseinkommens

35 Das Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, gehört zum Neuerwerb gem. § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO und wird daher nach Maßgabe der Pfändungsvorschriften gepfändet (vgl. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO).79) Die Vollstreckung in das Arbeitseinkommen des Schuldners wird dabei durch die verfassungsrechtlich notwendige Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens des Schuldners und seiner Familie begrenzt.80) Dem Erwerbstätigen ist von seinem selbst erzielten Einkommen so viel zu belassen, wie der Staat dem Bedürftigen zur Deckung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln gewährt.81) Ein gewisser Ertrag soll ihm aus seiner Arbeit verbleiben, damit er finanziell zumindest nicht schlechter steht als ein Sozialhilfeempfänger. Seine Motivation zur weiteren Teilnahme am Erwerbsleben soll auch während des Verfahrens aufrechterhalten werden.82)

36 Bei bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen werden die Pfändungsfreibeträge unter bestimmten Voraussetzungen erhöht (vgl. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c Abs. 1 ZPO). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte, etwa in Form von eigenem Arbeitseinkommen hat (vgl. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c Abs. 4 ZPO; o eingehend dazu auch in den Ausführungen zum laufenden Unterhalt, Rn. 420 ff., Rn. 435 ff.).

37 Oftmals bilden die Einkünfte des Schuldners die einzige Einnahmequelle der Familie. Ihr Insolvenzbeschlag wirkt sich daher regelmäßig besonders stark auf die familiären Lebensverhältnisse aus.

___________ 79) Im Einzelnen zur Pfändung von Arbeitseinkommen in der Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/ Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.1 ff. 80) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850 Rn. 1. 81) Dazu: BVerfG 23.7.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 – NJW 2014, 3425 ff.; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 1. 82) RegE v. 28.6.1977, BT-Drs. 8/693, 45; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 3; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850c Rn. 1.

14

A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags

2.

Erwerbsobliegenheit des Schuldners

Sowohl im eröffneten Verfahren (§ 287b InsO) als auch in der Wohlverhaltensphase 38 (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO) trifft den Schuldner die Obliegenheit, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben bzw. sich in Ermangelung einer solchen um diese zu bemühen.83) Als angemessen gelten dabei in der Regel nur Vollzeittätigkeiten.84) Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, riskiert er die Versagung der Restschuldbefreiung (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO).85) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll so eine optimale Befriedigung der Insolvenzgläubiger sichergestellt werden.86)

3.

Exkurs: Erwerbsobliegenheit und Kinderbetreuung

Als nicht ganz unproblematisch erweist sich die Situation, in der ein Schuldner 39 zeitgleich zur Kinderbetreuung verpflichtet ist. Das Interesse der Insolvenzgläubiger an einer möglichst optimalen Befriedigung steht dabei der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes gegenüber.87) Fraglich ist daher, welche Anforderungen bei gleichzeitiger Kinderbetreuung an die bestehende Erwerbsobliegenheit gestellt werden können.88)

a) Anwendbarkeit der zu § 1570 BGB entwickelten Grundsätze? In seiner Entscheidung vom 3. Dezember 200989) zog der BGH zur Bestimmung 40 der Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit bei gleichzeitiger Kinderbetreuung die zu § 1570 BGB a. F. entwickelten Grundsätze heran und schloss sich damit einer bis dahin schon im Schrifttum verbreiteten Ansicht an.90) § 1570 BGB a. F. statuierte, dass ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Ehegatten nur Unterhalt verlangen kann, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Ab wann allerdings eine Erwerbstätigkeit bei gleichzeitiger Kinderbetreuung in diesem Sinne zumutbar sein sollte, hatte der Gesetzgeber nicht weiter konkretisiert.91) Die familienrechtliche Rechtsprechung hatte aus diesem Grund Leitlinien zu § 1570 BGB a. F. ___________ 83) Näher dazu und mit Verweis auf die zu § 1574 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze: Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 287b Rn. 6; zu den insoweit befürchteten Auswirkungen der COVID-19Pandemie: Ahrens, NZI 2020, 345, 350. 84) Dazu zuletzt: AG Hamburg 30.6.2020 – 68h IK 84/19 – ZVI 2020, 407; siehe auch: Streck, in: HambKomm, InsO, § 295 Rn. 5. 85) Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 290 Rn. 59. 86) BR-Drs. 1/92, 192; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 295 Rn. 3. 87) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 192. 88) Nach Auffassung des Gesetzgebers war etwa der Mutter mit Kleinkindern eine Erwerbstätigkeit unzumutbar: RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 192. 89) BGH 3.12.2009 – IX ZB 139/07 – NJW-RR 2010, 628. 90) BGH 3.12.2009 – IX ZB 139/07 – NJW-RR 2010, 628. 91) RegE v. 1.6.1973, BT-Drs. 7/650, 122 f.; Maurer, in: MüKo-BGB, § 1570 Rn. 2.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

entwickelt (sog. „Altersphasenmodell“), die der BGH in seiner Entscheidung vom 3. Dezember 2009 auf das Insolvenzrecht übertrug.92)

41 Seit der Unterhaltsreform von 2008 sind diese Leitlinien nach dem Willen des Gesetzgebers im Familienrecht nicht mehr anwendbar.93) Stattdessen soll nunmehr verstärkt auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden, vor allem darauf, inwieweit im konkreten Einzelfall und der gegebenen Betreuungssituation vor Ort von dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung erwartet werden kann.94) § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. statuiert, dass ein geschiedener Ehegatte von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen kann. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich gem. Satz 2 solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Ob auch diese Grundsätze sinnvoll im Insolvenzrecht Anwendung finden können, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.95)

42 An die Übertragung der Maßstäbe des § 1570 BGB muss aber jedenfalls der Anspruch gestellt werden, dass aus ihr ein verlässliches System für den Insolvenzschuldner erwächst, an dem er sein Verhalten zu jeder Zeit ausrichten kann.96) Für den Schuldner gilt hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit im Insolvenzrecht „Hopp oder Top“:97) Kommt er dieser nicht nach und stellt ein Gläubiger einen darauf gestützten Versagungsantrag, droht ihm die Versagung der Restschuldbefreiung (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO im eröffneten Verfahren und § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO in der Wohlverhaltensphase). Die im Rahmen der §§ 290 Abs. 1 Nr. 7, 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO an den Schuldner gestellten Anforderungen müssen aufgrund dieser drohenden Konsequenzen für ihn vorhersehbar sein.

43 In Fortentwicklung der zu § 1570 BGB a. F. ergangenen Rechtsprechung empfiehlt sich für das Insolvenzrecht bei der Bestimmung der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit bei gleichzeitiger Kinderbetreuung daher eine möglichst „grobe“ Herangehensweise.98) Die Maßstäbe des § 1570 BGB sollten im Insolvenzrecht mithin nicht wortwörtlich begriffen werden, sondern sollten stattdessen auf viele denkbare Konstella___________ 92) BGH 3.12.2009 – IX ZB 139/07 – FamRZ 2010, 638. 93) Maurer, in: MüKo-BGB, § 1570 Rn. 2. 94) RegE v. 1.6.1973, BT-Drs. 16/1830, 16 f.; Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 7.11.2007, BT-Drs. 16/6980, 8. 95) Dazu bereits: L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181 ff.; dies befürwortend, jedoch ohne zwischen alter und neuer Rechtslage zu differenzieren: Streck, in: HambKomm, InsO, § 295 Rn. 4; Montag, in: PrivatinsRK, § 295 Rn. 12; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 62; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 295 Rn. 8. 96) L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 185 f. 97) L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 185. 98) L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 188.

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A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags

tionen angewendet werden, also nicht nur in ehelichen oder nichtehelichen Trennungssituationen, sondern auch bei intakten Familienverhältnissen oder bei Betreuung eines Pflegekindes, welches gemeinhin wohl nicht als „gemeinschaftliches Kind“ i. S. d. Norm verstanden wird.99) Aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit ist es daher vorzugswürdig, 44 in Fortführung der BGH-Rechtsprechung zu dem bis zur Unterhaltsreform geltenden Altersphasenmodell, für die Fälle, die nach dem 1. Januar 2008 angesiedelt sind, die seitdem im Familienrecht geltenden Regeln heranzuziehen:100) In den ersten drei Lebensjahren des Kindes gilt der Vorrang der elterlichen Betreuung 45 gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten (vgl. § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine Erwerbsobliegenheit besteht dann nicht.101) Anschließend entscheiden die Umstände des Einzelfalls (vgl. § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB).102) Die Dauer kann sich dann nach Billigkeit verlängern, wobei die Belange des Kindes sowie die regionalen Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen sind.103) Dann sollte auf die im Familienrecht entwickelten kindbezogenen Verlängerungsgründe zurückgegriffen werden, die von der familienrechtlichen Rechtsprechung hinreichend ausgeformt wurden, um ein für den Schuldner verlässliches System abzubilden.104) Zu diesen zählen etwa die körperliche oder geistige Behinderung des Kindes105) (sogar bei Volljährigkeit106)), eine dauerhafte Erkrankung (z. B. Immunschwäche107)) oder Krankheitsgefährdung,108) nicht hingegen Erkrankungen leichterer Art wie z. B. Erkältungen, Mittelohrentzündungen oder die Grippe109) oder wenn der krankheitsbedingte ___________ 99) L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 185; Montag, in: PrivatinsRK, § 295 Rn. 12; zum Anwendungsbereich der Vorschrift: Maurer, in: MüKo-BGB, § 1570 Rn. 18; explizit zur Erwerbsobliegenheit bei Aufnahme eines Pflegekindes: AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 215. 100) LG Hamburg 28.5.2018 – 330 T 10/18 – ZVI 2018, 336, 337; AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 215; siehe dazu auch: L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 188; so auch unter generellem Verweis auf die Rechtspechung des BGH: Streck, in: HambKomm, InsO, § 295 Rn. 4; Montag, in: PrivatinsRK, § 295 Rn. 12; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 62; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 295 Rn. 8; Butenob, in: NK-PrivatinsR, § 295 Rn. 10. 101) Montag, in: PrivatinsRK, § 295 Rn. 12. 102) Dazu: Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 62. 103) Montag, in: PrivatinsRK, § 295 Rn. 12. 104) Zu diesen im Detail: Maurer, in: MüKo-BGB, § 1570 Rn. 46 ff.; so auch schon: L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 188. 105) BGH 17.3.2010 – XII ZR 204/08 – NJW 2010, 1665; zu § 1615l BGB: BGH 10.6.2015 – XII ZB 251/14 – NJW 2015, 2257, 2258; siehe auch: Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 12.9.1997, BT-Drs. 13/8511, 71; vgl. auch beim Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt i. S. d. § 1615l BGB: RegE v. 13.6.1996, BT-Drs. 13/4899, 89. 106) BGH 17.3.2010 – XII ZR 204/08 – NJW 2010, 1665. 107) OLG Düsseldorf 7.10.2009 – 8 UF 32/09 – NJW-RR 2010, 145. 108) OLG Rostock 8.11.2006 – 10 UF 50/05 – NJOZ 2007, 4161, 4164. 109) Maurer, in: MüKo-BGB, § 1570 Rn. 52.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Betreuungsbedarf anderweitig erbracht werden kann,110) wohl aber schwere Entwicklungsstörung (z. B. verzögerte Sprachentwicklung und Eingewöhnungsschwierigkeiten im Kindergarten,111) motorische Defizite,112) Wahrnehmungsstörungen,113) schulische Defizite114) oder sonstige Verhaltensauffälligkeiten115)), psychische Labilität,116) z. B. wenn das Kind besonders scheu, sensibel oder ängstlich ist, Straffälligkeit,117) eine besondere Begabung (etwa sportlicher oder musischer Natur)118) oder ein besonderes Leiden unter der Trennung der Eltern.119) Bei Vorliegen dieser Situationen müssen die Bedürfnisse des Kindes dem Interesse der Insolvenzgläubiger an einer möglichst optimalen Befriedigung vorgehen.120) Zumutbar ist dem Schuldner dann unter Umständen noch eine geringe Arbeitstätigkeit.121) Ggf. entfällt die Erwerbsobliegenheit aber auch in Gänze.122) Aufgrund der durch Art. 6 GG geschützten freien Rollenwahl innerhalb einer Familie kann jedenfalls nicht beanstandet werden, dass der Schuldner – und nicht etwa der Partner – die Kinderbetreuung übernommen hat.123) Auf die elternbezogenen Verlängerungsgründe i. S. d. § 1570 Abs. 2 BGB kommt es im Insolvenzrecht nicht an, da diese ihre Rechtfertigung allein in der Ehe und einer „nachehelichen“ Solidarität finden.124)

b) Eheliche Beistandspflichten im Rahmen der Erwerbsobliegenheit? 46 In seiner Entscheidung vom 16. Februar 2018 hatte das AG Hamburg125) sich mit der Frage zu beschäftigten, ob die an die Erwerbsobliegenheit des Schuldners gestellten Anforderungen im Hinblick auf das Bemühen um eine angemessene Erwerbsobliegenheit auch die Obliegenheit umfassen, von einem etwaigen Beistandsschuldner i. S. d. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB die Erfüllung seiner familienrechtlichen ___________ 110) 111) 112) 113) 114) 115) 116) 117) 118) 119) 120) 121) 122) 123) 124)

BGH 6.5.2009 – XII ZR 114/08 – NJW 2009, 1956. OLG Köln 26.5.2009 – II-25 UF 162/08 – FamRZ 2009, 2011. OLG Düsseldorf 28.6.2002 – 3 UF 2/02 – FamRZ 2003, 184, 185. OLG Celle 21.11.2001 – 21 UF 96/01 – FamRZ 2002, 636. OLG Hamm 28.4.2009 – II-13 UF 2/09 – FamRZ 2010, 570, 571. OLG Rostock 8.11.2006 – 10 UF 50/05 – NJOZ 2007, 4161, 4164. BGH 18.4.1984 – IVb ZR 80/82 – NJW 1984, 2355, 2356. OLG Hamm 25.11.2008 – 3 UF 59/08 – FamRZ 2009, 976. BGH 1.10.2014 – XII ZB 185/13 – NJW 2014, 3649, 3650. Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 7.11.2007, BT-Drs. 16/6980, 9. So schon: L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 188. Streck, in: HambKomm, InsO, § 295 Rn. 4 f.; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 62. So auch: Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 62. Butenob, in: NK-PrivatinsR, § 295 Rn. 10; Diehl, ZVI 2010, 98. Dem zustimmend: Montag, in: PrivatinsRK, § 295 Rn. 12; Butenob, in: NK-PrivatinsR, § 295 Rn. 10; so auch: Diehl, ZVI 2010, 98, 99; a. A. wohl: Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 62; zu den elternbezogenen Gründen: Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 7.11.2007, BT-Drs. 16/6980, 9; Maurer, in: MüKo-BGB, § 1570 Rn. 72. 125) AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214; abgeändert durch: LG Hamburg 28.5.2018 – 330 T 10/18 – ZVI 2018, 336.

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A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags

Pflichten zu verlangen.126) In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es um die Frage, ob es der Schuldnerin zuzumuten war, neben der Kinderbetreuung eine Vollzeittätigkeit auszuüben bzw. sich um eine solche zu bemühen. Die Schuldnerin trug dazu vor, dass ihre Tochter aufgrund von gesundheitlichen Problemen nur von ihr selbst bzw. ihrem Ehemann in die Kita gebracht und abgeholt werden könne. Ihr Ehemann aber könne diese Aufgabe nicht übernehmen, da er als selbstständiger Makler vollzeitbeschäftigt und daher täglich von 6:20 Uhr bis mindestens 16:30 Uhr, eher 17:00 Uhr oder 17:30 Uhr, außer Haus sei. Dies mache eine Vollzeittätigkeit für sie unzumutbar.127) Dieser Vortrag überzeugte das AG Hamburg nicht.128) Nach seiner Auffassung ver- 47 pflichtet § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB den Ehegatten der Schuldnerin dazu, der Schuldnerin die Hilfe zu leisten, die sie zur Bewältigung ihrer alltäglichen Aufgaben benötigt.129) Erst recht müsse er helfen, wenn die Schuldnerin mit besonderen Schwierigkeiten, wie etwa der Bewältigung einer Privatinsolvenz zu kämpfen habe. Dies habe die Schuldnerin im Rahmen der Erwerbsobliegenheit i. S. d. § 287b InsO auch einzufordern. Die Beistandspflicht des Ehemannes konkretisiere sich dann dahingehend, dass dieser die Schuldnerin bei der Organisation ihres Arbeits- und Betreuungsalltags in einer Weise zu unterstützen habe, welche es der Schuldnerin ermögliche, eine Vollzeittätigkeit auszuüben.130) Dies entspreche auch der Wertung des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB, wonach der nicht insolvente Ehegatte ggf. die Verfahrenskosten zu tragen habe.131) Anhaltspunkte dafür, wieso es dem wirtschaftlich selbstständig tätigen Ehemann der Schuldnerin nicht möglich gewesen sein sollte, die Tochter zumindest einige Tage in der Woche zur Kita zu bringen, waren für das Gericht nicht ersichtlich. Im Ergebnis war es vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass die Schuldnerin gegen ihre Erwerbsobliegenheit verstoßen und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt habe.132) Das AG Hamburg war der Ansicht, dass bei einem anderen Verständnis auch ein erhebliches Missbrauchspotential entstünde. Würden derartige Anforderungen nicht bestehen, hätten die Ehegatten es nach Ansicht des Gerichts in der Hand, ihre Aufgabenverteilung so zu gestalten, dass die Gläubiger des insolventen Ehegatten nichts bekämen.133) Sie könnten die Gläubiger___________ 126) Bejahend: AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214; im Grundsatz ebenso, für den konkreten Fall aber aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung des Ehemannes verneinend: LG Hamburg 28.5.2018 – 330 T 10/18 – ZVI 2018, 336. 127) Zum Sachverhalt: AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214 f. 128) AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 215. 129) AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 215 f. 130) AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 216. 131) AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 216; zu den Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB im Rahmen einer Insolvenzverfahrens: WeberMonecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 25. 132) AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 216. 133) AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 216.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

befriedigung dann dadurch vermeiden, dass der andere Ehegatte nunmehr Vollzeit arbeite und der sich im Insolvenzverfahren befindliche Ehegatte allein die Kinderbetreuung übernehme.

48 Dieser Wertung ist im Ergebnis nicht zuzustimmen. Richtig ist zwar, dass sich die Ehepartner gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zum gegenseitigen Beistand verpflichtet sind und dies im Grundsatz auch im Laufe eines Insolvenzverfahrens gelten muss.134) Die Anforderungen an die in diesem Rahmen bestehenden ehelichen Beistandspflichten können aber nicht so weit gehen, dass der andere, nicht insolvente Ehepartner seinen Arbeitsalltag zur Erfüllung der Erwerbsobliegenheit des insolventen Ehepartners modifizieren muss. Ein derartiger Aufwand, der im Ergebnis sogar seine Berufsfreiheit i. S. d. Art. 12 GG tangieren würde, ist dem Ehepartner nicht zumutbar.135) Den Ehepartnern steht es gem. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG grundsätzlich frei, wie sie ihr Zusammenleben, die Erwerbstätigkeit und die Kindererziehung organisieren.136) Dies umfasst auch die Entscheidung, den Familienalltag dahingehend zu bestreiten, dass der eine Ehepartner mit der Kinderbetreuung betraut ist, während der andere Ehepartner einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese Freiheit wäre durch entsprechende weitgehende Anforderungen an eheliche Beistandspflichten in erheblichem Maße beeinträchtigt.

49 Auch der im Insolvenzrecht vorherrschende Grundsatz der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung (vgl. § 1 InsO) könnte eine derartige Beeinträchtigung nicht rechtfertigen. Das Insolvenzverfahren erfasst grundsätzlich nur das Vermögen des insolventen Ehegattens.137) Eine Restschuldbefreiung für den Haftungsverbund der Familie existiert nicht (o siehe dazu bereits Rn. 15 f.). Es kann vor diesem Hintergrund einmal mehr nicht die Aufgabe des unbeteiligten Ehegattens sein, durch Umstrukturierung seines Arbeitsalltags eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung herbeizuführen.

50 Hinzu kommt, dass der Schuldner die im Rahmen des § 287b InsO an ihn gestellten Anforderungen auch in eigener Person bewerkstelligen können muss. Andernfalls hängt die Erfüllung der Erwerbsobliegenheit durch den Schuldner vom Einzelfall und möglicherweise sogar davon ab, ob der nicht insolvente Ehegatte dazu in der Lage bzw. bereit dazu ist, seinen Arbeitsalltag entsprechend umzustrukturieren oder nicht. Dies wäre vor dem Hintergrund der damit verbundenen weitreichenden Konsequenzen in Form der Versagung der Restschuldbefreiung (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO) nicht sachgerecht. Eine Hinzuziehung des unbeteiligten, nicht insolventen Ehegattens käme daher nach der hier vertretenen Auffassung allenfalls in Betracht, wenn der Gesetzgeber dies – wie etwa im Falle des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB – ausdrücklich normiert hätte. ___________ 134) 135) 136) 137)

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Zur ehelichen Beistandspflicht: Roth, in: MüKo-BGB, § 1353 Rn. 1 ff. So aber: AG Hamburg 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 215 f. Dies erkennt auch das AG Hamburg an, vgl. 16.2.2018 – 67g IN 555/14 – ZVI 2018, 214, 216. Für den Standardgüterstand der Zugewinngemeinschaft: Koch, in: MüKo-BGB, Vor § 1363 Rn. 1.

A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags

Im Übrigen ist auch das vom AG Hamburg befürchtete Missbrauchspotential gering. 51 Es entspricht nicht den gegebenen Lebensrealitäten, dass der Ehegatte, der zuvor mit der Kinderbetreuung betraut war, im Falle der Insolvenz ohne Weiteres eine Vollzeittätigkeit aufnehmen bzw. von Teilzeit auf Vollzeit aufstocken kann. In der Regel wird dies zudem bei einem wie oben beschriebenen Familienmodell zu einer erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Familie führen und vom Schuldner daher nicht gewollt sein. Sollte der Fall aber doch ausnahmsweise anders liegen, eine wirtschaftliche Verschlechterung also nicht zu befürchten sein, dürfte in entsprechenden Absprachen zwischen den Ehegatten ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sehen sein, das über § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO sanktioniert werden kann. Eine Notwendigkeit für die Ausweitung der Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit besteht daher selbst dann nicht.

II. Einkünfte bei Selbstständigen Im Grundsatz sind sämtliche Einkünfte des Selbstständigen ohne Abzug für be- 52 triebliche Aufwendungen oder persönlichen Bedarf Neuerwerb und somit Teil der Masse.138) Zur Sicherung seiner Lebensgrundlage ist der selbstständige Schuldner daher auf einen Antrag auf Pfändungsschutz nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i ZPO verwiesen.139) Dies halten Teile der Literatur für verfassungswidrig (o Einzelheiten dazu in den Ausführungen zum laufenden Unterhalt, Rn. 521 ff.).140) Die im Rahmen der Corona-Pandemie gewährten Soforthilfen als Liquiditätsstütze 53 an Selbstständige und Freiberufler sind nach der überwiegenden Auffassung der Gerichte unpfändbar.141)

III. Sozialleistungen Sozialleistungen der SGB I bis XII unterfallen dem Insolvenzbeschlag, wenn es 54 sich bei ihnen um laufende Geldleistungen i. S. d. § 54 Abs. 4 SGB I handelt und soweit sich nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO ein pfändbarer Anteil ergibt.142) Dies kommt in Betracht bei Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld,143) ___________ 138) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 247. 139) Eingehend dazu für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.512 ff. 140) So: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 109. 141) So etwa: BFH 9.7.2020 – VII S 23/20 – ZVI 2020, 431; LG Köln 23.4.2020 – 39 T 57/20 – ZVI 2020, 213; AG Hagen 7.4.2020 – 109 IN 13/20 – Insbüro 2020, 260; dazu: Henning, ZVI 2020, 451. 142) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 250; für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/ Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.77 ff. 143) Benner, NZFam 2020, 385; für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.141 ff.; eingehend zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie: Ahrens, NZI 2020, 345, 350 f.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Krankengeld, Verletzten- und Hinterbliebenenrente sowie Renten wegen Berufs-, Erwerbsunfähigkeit oder Alter.144)

55 Eltern-,145) Mutterschafts-146) und Wohngeld147) dagegen sind wegen § 54 Abs. 3 SGB I unpfändbar.148) Dasselbe gilt für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II, vgl. § 42 Abs. 4 S. 1 SGB II) sowie Sozialhilfe (§ 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII).149) Kindergeld ist gem. § 54 Abs. 5 SGB I nur für das Kind pfändbar.150)

IV. Unterhaltsansprüche des Schuldners 56 Unterhaltsansprüche des Schuldners unterliegen der Pfändungsbeschränkung des § 850b ZPO.151) Die Vorschrift erklärt bestimmte zivilrechtliche Renten und ähnliche Bezüge für unpfändbar, erlaubt auf Antrag aber eine bedingte Pfändbarkeit aus Billigkeitsgründen. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung zur Ermittlung des massezugehörigen Anteils sind vor allem Höhe, Art und Anlass der vom Schuldner bezogenen Leistungen zu berücksichtigen. Bei fehlenden Anhaltspunkten kann auf die Richtwerte in § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO zurückgegriffen werden.152) Der dem bedürftigen Schuldner aus der Insolvenzmasse von der Gläubigerversammlung oder vorläufig vom Insolvenzverwalter bewilligte Unterhalt i. S. d. § 100 InsO ist ebenfalls als Unterhalt i. S. d. § 850b ZPO anzusehen.153)

V. Bankguthaben 57 Die bei Insolvenzeröffnung vorhandenen Guthaben auf Bankkonten sind im Grundsatz massezugehörig. Ausgenommen davon ist das in Höhe des monatlichen Freibetrags nach § 850c ZPO vorhandene Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto (P-Konto), was sich aus den § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850k ZPO ergibt.154) ___________ 144) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 250; für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/ Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.77 ff. 145) Für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.70. 146) Für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.71. 147) Für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.72. 148) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 250. 149) Pieper, ZVI 2009, 99, 101; für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.18 f., 39. 150) Für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. D.97. 151) Zur Anwendbarkeit des § 850b ZPO im Insolvenzrecht: BGH 3.12.2009 – IX ZR 189/08 – NZI 2010, 141; Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 491 ff.; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 158; für die Einzelzwangvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.181. 152) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 32. 153) So: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.187. 154) Instruktiv dazu: Tichbi, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 4, Rn. 155 ff.; siehe auch: Lissner, ZVI 2017, 222 ff.

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A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags

VI. Hausrat Die zum gewöhnlichen Hausrat des Schuldners gehörenden Sachen, die im Haushalt 58 des Schuldners gebraucht werden, unterliegen im Grundsatz nicht dem Insolvenzbeschlag (vgl. § 36 Abs. 3 InsO).155) Damit gemeint sind die dem Pfändungsschutz der § 811 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ZPO unterfallenden Sachen, wie etwa Möbel und Haushaltsgeräte, nicht aber Luxusgegenstände und Sachen mit besonderem Sammleroder Altertumswert.156) Wertvollere Haushaltsstücke, wie etwa teure Teppiche, Möbel auf dem Dachboden oder wertvolle Bilder sowie neuwertige oder aufwendige Unterhaltungselektronik fallen in die Insolvenzmasse.157) Was zum gewöhnlichen Hausrat zählt und was nur den Luxusbedürfnissen dient, bestimmt sich nach allgemeiner Lebenserfahrung, ist eine Frage des Einzelfalls und ist vom Insolvenzverwalter in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bestimmen.158) Entscheidend für die Abwägung ist dabei nicht der objektive Sachwert, sondern der Gebrauchswert für den Schuldner in Relation zum prognostizierten Verwertungserlös.159) Ein Rechtsmittel für den Schuldner existiert nicht, ihm müssen nach der hier vertretenen Auffassung aber die gleichen Rechtsmittel wie bei einem Streit um die Unpfändbarkeit nach § 811 ZPO zustehen.160) Für das Kfz des Schuldners gilt § 811 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ZPO i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO.161) Dieses ist mithin nur dann Teil der Masse, wenn es für die Erwerbstätigkeit des Schuldners nicht erforderlich ist. Bei vorhandener Gehbehinderung des Schuldners oder seiner Familienangehörigen greift § 811 Abs. 1 Nr. 1 lit. c ZPO.162) Die Praxis verlangt zudem, dass die Mindestwertgrenze von 500 Euro überschritten ist.163) Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die unter Ehegatten geltende Sonderregelung des § 1362 BGB (o dazu sogleich, Rn. 91 ff.).

VII. Wohnraum Das Mietverhältnis des Schuldners, welches vor Verfahrenseröffnung geschlossen 59 wurde, wirkt gem. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort.164) Ab Verfahrenseröffnung geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über (vgl. § 80 InsO). ___________ 155) 156) 157) 158) 159) 160) 161) 162) 163) 164)

Dazu auch: Roth, in: G. Pape/Uhländer, InsO, § 36 Rn. 32 f. Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 36 Rn. 55; Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 36 Rn. 12. Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 62; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 36 Rn. 55. Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 36 Rn. 12; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 36 Rn. 55. Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 62. So schon: Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 36 Rn. 55; a. A.: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 63; Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 36 Rn. 12. Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 31; ausführlich zu der Thematik: Winter, ZVI 2005, 569, 570 ff. Für den gehbehinderten Schuldner: BGH 16.6.2011 – VII ZB 12/09 – VuR 2012, 273; für die gehbehinderte Familienangehörige: LG Berlin 15.4.2013 – 51 T 227/13 – BeckRS 2013, 16198. Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1387. Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 Rn. 7; dazu auch: Pieper, ZVI 2009, 99, 101 f.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

60 § 109 Abs. 1 S. 2 InsO schützt den Schuldner derweil vor dem Verlust seines Wohnraums. Ein Sonderkündigungsrecht i. S. d. § 109 Abs. 1 S. 1 InsO besteht nicht.165) Um die Insolvenzmasse vor der Entstehung weiterer Masseverbindlichkeiten zu schützen, hat der Insolvenzverwalter allerdings die Möglichkeit, eine Enthaftungserklärung i. S. d. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abzugeben. Die Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters hat zur Folge, dass die Mietzinsansprüche des Vermieters, die nach Ablauf der in § 109 Abs. 1 S. 1 InsO genannten Frist fällig werden, nicht im Verfahren geltend gemacht werden können.166) Für den Schuldner bedeutet dies, dass er seine Miete ab diesem Zeitpunkt aus dem unpfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens bezahlen muss.167) Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, droht ihm die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter, wenn er für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug gerät (vgl. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB). Die in seinem Haushalt lebenden Angehörigen tangiert diese Kündigung dann gleichermaßen.

61 Nach dem Wortlaut der Vorschrift betrifft § 109 InsO nur das Mietverhältnis über die vom Schuldner selbst als Lebensmittelpunkt genutzte Wohnung.168) Die Anwendung der Vorschrift auf solche Wohnungen, die der Schuldner für einen nahen Angehörigen angemietet hat oder die nach seinem Auszug von seinem von ihm getrenntlebenden Ehegatten bewohnt wird, ist allerdings ebenso sachgemäß.169) Diese Personen haben gleichermaßen und erst Recht ein berechtigtes Interesse an dem Schutz vor Wohnraumverlust in der schuldnerischen Insolvenz. Die Interessen der Insolvenzgläubiger werden durch die Möglichkeit der Enthaftung hinreichend berücksichtigt.170) Eine analoge Anwendung auf Werkstatt- oder Büroräume scheidet aufgrund des auf die Wohnraumvermietung zugeschnittenen Ausnahmecharakters der Vorschrift aus.171)

62 Für den Vermieter gilt zwar der Grundsatz, dass vor der Eröffnung entstandene Mietforderungen als Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO geltend gemacht werden müssen, während nach Eröffnung entstandene Forderungen außerhalb des Verfahrens zu verfolgen sind.172) Bei Beendigung des Mietverhältnisses gilt jedoch die Besonder-

___________ 165) Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 Rn. 16 f.; zur Rechtslage vor dem InsOÄndG von 2001: Eckert/Hoffmann, in: MüKo-InsO, § 109 Rn. 7. 166) Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 109 Rn. 26. 167) Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 109 Rn. 26 f. 168) Eckert/Hoffmann, in: MüKo-InsO, § 109 Rn. 49. 169) Eckert/Hoffmann, in: MüKo-InsO, § 109 Rn. 49. 170) Eckert/Hoffmann, in: MüKo-InsO, § 109 Rn. 49. 171) So: Eckert/Hoffmann, in: MüKo-InsO, § 109 Rn. 49. 172) Blankenburg, in: PrivatinsRK, § 108 Rn. 11.

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A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags

heit, dass er die Mietkaution für die Befriedigung seiner Ansprüche nutzen kann, und zwar auch dann, wenn es sich bei diesen um Insolvenzforderungen handelt.173)

VIII. Grundstücke und Wohnungseigentum Grundstücke des Schuldners gehören mit ihren Bestandteilen, ihrem Zubehör und 63 ihren Früchten zur Insolvenzmasse.174) Dasselbe gilt für Wohnungseigentum i. S. d. §§ 1, 2 WEG.175) Auch die durch Immobilien erwirtschafteten Mieteinnahmen gehören zur Masse (vgl. §§ 108, 110 f. InsO), wenn der Schuldner durch diese nicht seinen Lebensunterhalt mit der Folge bestreitet, dass die Pfändung auf Antrag des Schuldners vom Vollstreckungsgericht insoweit aufzuheben ist, als diese Einkünfte für den Schuldner zur laufenden Unterhaltung des Grundstücks, zur Vornahme notwendiger Instandsetzungsarbeiten und zur Befriedigung von Ansprüchen unentbehrlich sind (vgl. § 851b Abs. 1 S. 1 ZPO).176) Bewohnt der Schuldner seine Immobilie selbst, hat er aus seinem unpfändbaren Einkommen für diese Nutzung eine Entschädigungszahlung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB an die Insolvenzmasse zu zahlen.177) Für Angehörige gilt dies nur dann, wenn Entsprechendes gesondert vereinbart wurde oder diese dem Schuldner zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sind.178)

IX. Versicherungsansprüche 1.

Krankenversicherungsleistungen

Krankenversicherungsleistungen der privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung 64 sind bedingt pfändbare Vermögensgegenstände i. S. d. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO, die damit auch nur eingeschränkt, unter Billigkeitsgesichtspunkten massezugehörig sind.179)

2.

Altersversorgung

Die Insolvenz des Schuldners hat auch Auswirkungen auf seine Altersversorgung. 65 Anzuführen sind insoweit Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die ___________ 173) OLG Hamburg 24.4.2008 – 4 U 152/07 – ZMR 2008, 714; Blankenburg, in: PrivatinsRK, § 109 Rn. 23. 174) Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 25; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 122; Pieper, ZVI 2009, 99 f. 175) Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 26. 176) Dazu zuletzt: Lissner, ZVI 2020, 377, 378 f.; siehe auch: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 203; für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. A.325. 177) BGH 19.11.2015 – IX ZB 59/14 – NZM 2016, 206, 207; zur Konkursordnung: BGH 11.10.1984 – VII ZR 216/83 – NJW 1985, 1082; dazu zuletzt auch: Lissner, ZVI 2020, 377, 378 f. 178) OLG Nürnberg 24.6.2005 – 5 U 215/05 – NZM 2005, 918; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 202. 179) Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 32; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 211.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

betriebliche Altersversorgung, Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken und die private Altersversorgung Selbstständiger durch Lebensversicherungen oder anderweitige Kapitalanlagen.

66 Die monatlichen Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung werden im Rahmen der Pfändungsgrenzen vom Insolvenzbeschlag erfasst. Diese können wie Arbeitseinkommen, mithin in den Grenzen des § 850c ZPO, gepfändet werden (vgl. § 54 Abs. 4 SGB I).180) Dasselbe gilt auch für zukünftig entstehende oder fällig werdende, laufende Geldansprüche gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, sofern diese Ansprüche in einem bereits bestehenden Sozialversicherungsverhältnis wurzeln.181) Auch Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung i. S. d. §§ 1, 1b Abs. 3, Abs. 4 BetrAVG, die als fortlaufende Einkünfte nach dem Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gem. § 850 Abs. 2 ZPO ebenfalls Arbeitseinkommen sind, sind nach Maßgabe der § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO pfändbar.182)

67 Ist der Schuldner als Freiberufler Mitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk, bleibt es zwar während des Insolvenzverfahrens ihm überlassen, ob er die Mitgliedschaft beendet und die Erstattung der gezahlten Beiträge verlangt. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht insoweit nicht auf den Insolvenzverwalter über.183) Die Pfändbarkeit der Rentenzahlungen aus dem Versorgungswerk wird allerdings regelmäßig landesrechtlich entsprechend § 54 SGB I geregelt.184)

68 Gehört der Schuldner als Selbstständiger nicht einem solchen Versorgungswerk an, hat er die Möglichkeit seine Altersvorsorge durch den Abschluss von Lebensversicherungsverträgen oder vergleichbare Kapitalanlagen sicherzustellen. Ansprüche auf Leistungen aus diesen sind nur nach Maßgabe des § 851c ZPO pfändbar.185) Geschützt sind insoweit nicht nur die erworbenen Rentenansprüche, sondern auch der erworbene Kapitalstock.186)

___________ 180) BGH 25.10.1984 – IX ZR 110/83 – NJW 1985, 976; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 157; Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1387; Smid, FPR 2007, 443. 181) BGH 21.11.2002 – IX ZB 85/02 – NJW 2003, 1457; siehe auch: Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 157; Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 35 Rn. 11. 182) Für die Einzelzwangsvollstreckung: Herget, in: Zöller, ZPO, § 850 Rn. 8a. 183) BGH 10.1.2008 – IX ZR 94/06 – BeckRS 2008, 02211; dazu auch: Ganter, NZI 2009, 265, 270; siehe auch: Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1387. 184) BGH 28.3.2007 – VII ZB 43/06 – ZVI 2007, 522; 25.8.2004 – IXa ZB 271/03 – NJW 2004, 3770; siehe auch: Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 157; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 214; Smid, FPR 2007, 443. 185) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 215; Wollmann, ZInsO 2013, 902; Elster, ZVI 2013, 369; Stöber, NJW 2007, 1242; für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. A.82; zu der Regelung des § 851c ZPO instruktiv: Smid, FPR 2007, 443, 444 ff. 186) Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 152.

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A. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie als Bestandteil des Insolvenzbeschlags

3.

Ansprüche aus Personenversicherungen

Die Renten von Lebens-, Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherungen sind gem. 69 § 850 Abs. 3 lit. b ZPO wie Arbeitseinkommen pfändbar und massezugehörig.187) Für Selbstständige gilt § 851c ZPO.188) Ggf. ist insoweit auch § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO einschlägig, etwa wenn es sich um eine private Berufsunfähigkeitsversicherung handelt, mit der Folge, dass die Bezüge nur bedingt unter den Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO pfändbar sind.189) Auch etwaige Rückkaufswerte gehören zur Masse, sofern der Schuldner unwiderruflich bezugsberechtigt ist oder als Versicherungsnehmer Dritten kein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt hat.190) Im Rahmen einer Direktversicherung ist zwischen widerruflichen und unwiderruflichen Bezugsrechten zu unterscheiden, wobei nur im zuletzt genannten Fall der Rückkaufswert in die Insolvenzmasse fällt, und zwar in der Höhe, wie er auf Leistungen des Arbeitnehmers beruht.191)

X. Erbe, Vermächtnis und Pflichtteilsanspruch Eine Erbschaft i. S. d. §§ 1942 ff. BGB und ein Vermächtnis i. S. d. §§ 2176 ff. BGB 70 gehören zur Insolvenzmasse, wenn und sobald der Schuldner diese angenommen (vgl. § 1943 BGB) bzw. seinen Willen zur Rechtsverfolgung dokumentiert hat.192) Die Entscheidung darüber, ob das Erbe bzw. das Vermächtnis angenommen oder ausgeschlagen wird, obliegt aufgrund dessen höchstpersönlicher Natur dem Schuldner (vgl. § 83 Abs. 1 S. 1 InsO). Anders verhält es sich mit dem Pflichtteilsanspruch des Schuldners i. S. d. § 2303 71 BGB. Dieser entsteht mit dem Erbfall und ist im Grundsatz übertragbar (vgl. § 2317 BGB), mithin auch massezugehörig.193) Zu beachten ist insoweit jedoch § 852 Abs. 1 ZPO, der eine Verwertungshandlung seitens des Schuldners unter die aufschiebende

___________ 187) Zur Pfändbarkeit der gesetzlichen Unfallversicherung: BGH 20.10.2016 – IX ZB 66/15 – ZInsO 2016, 2391; zu privaten Berufsunfähigkeitsrenten: OLG Hamm 20.5.2009 – I-20 U 135/08 – ZInsO 2009, 2339; LG Dortmund 29.7.2010 – 2 O 65/10 – ZVI 2010, 395; siehe auch: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850 Rn. 42. 188) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850 Rn. 42. 189) BGH 3.12.2009 – IX ZR 189/08 – NJW-RR 2010, 474. 190) Für eine Lebensversicherung: BGH 20.12.2018 – IX ZB 8/17 – NJW 2019, 999; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 212; Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 35 Rn. 13; Köster/ Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 37. 191) Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 38; im Detail dazu: Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 230 ff. 192) Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 483; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 199; Köster/ Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 22. 193) Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 24.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Bedingung der Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs durch den Schuldner stellt (o dazu auch weiter unten, Rn. 175 ff.).194)

XI. Fazit 72 Obgleich die §§ 850 ff. ZPO, die im Insolvenzverfahren gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO entsprechend anwendbar sind, dem Insolvenzschuldner und seiner Familie einen gewissen Schutz bieten, wird – wie gezeigt – die wirtschaftliche Lebensgrundlage der schuldnerischen Familie durch das Insolvenzverfahren nicht unerheblich beeinträchtigt. Nicht selten bilden das Arbeitseinkommen und die Einkünfte bei Selbstständigen die einzig relevanten Einnahmequellen des Familienverbunds, so dass der Massebeschlag dieser Einkünfte die Familie während des Verfahrens stark beeinträchtigt. Die von Art. 6 GG geschützte Freiheit zur innerfamiliären privaten Lebensgestaltung wird zwar nach der hier vertretenen Auffassung nicht in dem Ausmaß eingeschränkt, dass die Erwerbsobliegenheit des Schuldners seinen nicht insolventen Ehegatten dazu zwingt, seine Arbeitszeit aufgrund ehelicher Beistandspflichten umzustrukturieren. Der Insolvenzbeschlag etwaiger privater Gebrauchsgegenstände, vorhandener Grundstücke und der Alters- bzw. Lebensversorgung sowie der Fakt, dass der Schuldner seine Wohnraummiete nach der Freigabe des Wohnraummietverhältnisses durch den Insolvenzverwalter aus dem unpfändbaren Teil seines Vermögens bedienen muss, führen jedoch zu einer erheblichen Veränderung der familiären Lebensrealität. Gerade in Konstellationen, in denen das schuldnerische Einkommen die einzig relevante Einnahmequelle der Familie darstellt, können diese Veränderungen auch zu wirtschaftlichen Notlagen für seine von ihm wirtschaftlich abhängigen Angehörigen führen.

B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners 73 Auch die bestehende Ehe des Schuldners wird durch das eröffnete Insolvenzverfahren in erheblichem Ausmaß tangiert. Die Auswirkungen auf diese sollen im Folgenden dargestellt werden. Den Ausführungen liegt dabei der Ehebegriff aus § 1353 Abs. 1 BGB zugrunde, wonach eine Ehe eine von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebzeiten geschlossene Gemeinschaft ist.

I.

Mithaftung des Ehegatten im Allgemeinen

1.

Übernahme der Verfahrenskosten durch den Ehegatten

74 Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, dass die Verfahrenskosten (voraussichtlich) gedeckt sind (§§ 26 Abs. 1, 207 InsO). Nicht in jedem Fall ___________ 194) Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 201; Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 24; zu den Möglichkeiten der Verwertung vor Eintritt der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO: Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 484.

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B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners

hält der Schuldner dazu allerdings genügend liquide Mittel bereit. Nach § 4a Abs. 1 S. 1 InsO werden dem Schuldner als natürlicher Person, die einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, daher auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken. Die insoweit geforderte Mittellosigkeit ist nicht gegeben, wenn der Schuldner einen 75 Anspruch gegen seinen Ehegatten aus § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB darauf hat, den Vorschuss aufzubringen.195) Ist hiernach ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Bei dem Anspruch handelt es sich um einen familienrechtlichen Anspruch eigener Art.196) Auf den gewählten Güterstand kommt es dabei nicht an. Dem Anspruch liegt der Gedanke zugrunde, dass nach dem zwischen Staat und Familie geltenden Subsidiaritätsprinzip die ehelichen Beistands- und Fürsorgepflichten vorrangig sind.197) Der Gesetzgeber wollte öffentlich-rechtliche Mittel zur Durchführung des Insolvenzverfahrens nur zur Verfügung stellen, sofern für den Schuldner keine Möglichkeit besteht, auf andere Weise die Verfahrenskosten aufzubringen.198) Die Prozesskostenvorschusspflicht gilt dabei als Teil der gesetzlichen Unterhaltspflicht.199) Im Einzelnen:

a) Kostenvorschuss im Insolvenzverfahren Der Begriff des Rechtsstreits i. S. d. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB ist grundsätzlich 76 weit auszulegen und umfasst gerichtliche Verfahren aller Art.200) Er umfasst daher auch ein mit dem Ziel der Restschuldbefreiung eingeleitetes Insolvenzverfahren.201) ___________ 195) BGH 24.7.2003 – IX ZB 539/02 – ZVI 2003, 405, 407; LG Köln 22.8.2016 – 13 T 7/16 – ZVI 2017, 101; siehe nunmehr auch: Montag, in: PrivatinsRK, § 4a Rn. 25; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 4a Rn. 17; so schon früh: AG Hamburg v. 26.4.2002 – 67g IN 152/02 – NZI 2002, 394; dies noch offenlassend: LG Köln v. 1.7.2002 – 19 T 83/02 – NZI 2002, 504. 196) BGH 14.4.1971 – IV ZR 16/70 – NJW 1971, 1262, 1263; vgl. auch: BGH 10.11.1967 – IV ZR 117/66 – NJW 1968, 446; Caspary, NJW 2005, 2577, 2579. 197) U. a.: BGH 12.4.2017 – XII ZB 254/16 – NJW 2017, 1960; eingehend dazu und m. w. N. auch: Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 20; Caspary, NJW 2005, 2577. 198) BGH 24.7.2003 – IX ZB 539/02 – ZVI 2003, 405. 199) So die st. Rspr. und h. M.: BGH 4.8.2004 – XII ZA 6/04 – NJW-RR 2004, 1662; 14.2.1990 – XII ZR 39/89 – NJW 1990, 1476; 14.4.1971 – IV ZR 16/70 – NJW 1971, 1262; 10.11.1967 – IV ZR 117/66 – NJW 1968, 446; Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 20; Caspary, NJW 2005, 2577. 200) So: BGH 24.7.2003 – IX ZB 539/02 – ZVI 2003, 405, 407; Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 25. 201) Siehe etwa: BGH 25.1.2007 – IX ZB 6/06 – ZVI 2007, 187; 24.7.2003 – IX ZB 539/02 – ZVI 2003, 405, 407; dazu bereits: LG Düsseldorf v. 21.5.2002 – 25 T 128 und 129/02 – NZI 2002, 504, 505; AG Hamburg v. 26.4.2002 – 67g IN 152/02 – NZI 2002, 394, 395; siehe auch: Montag, in: PrivatinsRK, § 4a Rn. 25.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

b) Vorschusspflichtige Personen 77 Nach dem Wortlaut des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB ist der Ehegatte des Schuldners vorschusspflichtig i. S. d. Norm. Voraussetzung dafür ist, dass die Ehe wirksam ist und noch besteht.202) Zudem wird zu Recht überwiegend gefordert, dass die Ehegatten in einer verfestigten Lebensgemeinschaft leben.203)

78 Über den Wortlaut hinaus fallen auch Lebenspartner in den Anwendungsbereich der Norm, da die Vorschriften über den Familienunterhalt (§§ 1360a und 1360b BGB) auf diese nach § 5 LPartG entsprechend anzuwenden sind. Zwischen nichtehelichen Lebenspartnern besteht dagegen keinerlei Unterhaltsverpflichtung, sodass eine Kostenvorschusspflicht insoweit gänzlich ausscheidet.204) Dies ist sachgerecht, wenn man bedenkt, dass erst mit der Eheschließung die Entscheidung einhergeht, finanziell füreinander einzustehen.205) Bis zu dieser Entscheidung muss es nichtehelichen Lebenspartnern möglich sein, eine solche Einstandspflicht zu vermeiden.

79 Unstreitig ist die analoge Anwendbarkeit der Norm hingegen auf das Verhältnis des minderjährigen Kindes zu seinen Eltern.206) Dieses kann von seinen unterhaltspflichtigen Eltern das Aufkommen für den Kostenvorschuss als Bestandteil der Unterhaltsverpflichtung verlangen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein eheliches oder ein nichteheliches Kind handelt.207) Auch die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung unterscheidet insoweit nicht, sodass es darauf ebenso wenig im Rahmen des § 1360a Abs. 4 BGB ankommen kann. Die praktische Bedeutung von Insolvenzverfahren minderjähriger Personen ist indes gering.208)

80 Relevanter ist der Fall einer Insolvenz des volljährigen Kindes. Gegenüber volljährigen Kindern besteht eine derartige Prozesskostenvorschusspflicht nur unter engen Voraussetzungen.209) Dies ist zum einen der Fall, wenn es sich bei dem Kind um ein privilegiertes volljähriges Kind handelt, das im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebt und sich in der allgemeinen Schulausbildung befindet (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB).210) Zum anderen steht ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nach ___________ 202) Eingehend dazu: Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 21. 203) So: AG Duisburg 13.8.2008 – 64 IK 75/08 – ZVI 2008, 477, das in seinem Beschluss davon ausgeht, dass die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses dem Ehegatten des Schuldners nicht zuzumuten ist, wenn der Schuldner in einer neuen verfestigten Lebensgemeinschaft lebt; zustimmend: Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 4a Rn. 17; Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 4a Rn. 13; Stephan, in: Karsten Schmidt, InsO, § 4a Rn. 11. 204) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 21 m. w. N. 205) Zu Auskunfts- und Fürsorgepflichten in der Ehe: Roth, in: MüKo-BGB, § 1353 Rn. 38. 206) So: BGH 4.8.2004 – XII ZA 6/04 – NJW-RR 2004, 1662; Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 21. 207) Caspary, NJW 2005, 2577. 208) Vgl.: Statistisches Bundesamt, Statistik zu Überschuldung privater Personen 2019, 5. 209) Zu den insoweit vertretenen Ansichten: BGH 23.3.2005 – XII ZB 13/05 – NJW 2005, 1722 f. 210) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 21 m. w. N.

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B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners

höchstrichterlicher Rechtsprechung auch demjenigen volljährigen Kind zu, das nicht mehr im Haushalt der Eltern lebt, und zwar solange, wie es sich noch in der Ausbildung befindet und deswegen (noch) keine eigene Lebensstellung erlangt hat.211) Begründet wird dies zu Recht mit der zu diesen Kindern bestehenden engen Verbundenheit.212) Höchstrichterlich bislang nicht entschieden ist, ob Kinder auch ihren Eltern zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses verpflichtet sind. Nach herrschender, zutreffender Meinung ist dies aber nicht der Fall, da Kinder gegenüber ihren Eltern nicht gesteigert unterhaltspflichtig sind.213)

c)

Voraussetzungen

§ 1360a Abs. 4 S. 1 BGB statuiert, dass nur dann ein Prozesskostenvorschuss gezahlt 81 werden muss, wenn der zu führende Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit des Partners betrifft und wenn die Zahlung der Billigkeit entspricht.

aa) Die Durchführung des Insolvenzverfahrens als „persönliche Angelegenheit“ Bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens muss es sich um eine „persönliche 82 Angelegenheit“ i. S. d. § 1360a Abs. 4 BGB handeln. Dies bedeutet, dass das gerichtliche Verfahren mit den aus der Ehe erwachsenen persönlichen oder wirtschaftlichen Bindungen oder Beziehungen im Zusammenhang stehen muss.214) Die Bestimmung dieser Begrifflichkeit ist im Einzelnen schwierig.215) Umstritten ist insbesondere, ob ein solcher Zusammenhang besteht, wenn es sich bei den aufgelaufenen Verbindlichkeiten überwiegend um voreheliche Verbindlichkeiten handelt. In seiner Entscheidung vom 24. Juli 2003216) war der BGH der Auffassung, dass 83 eine persönliche Angelegenheit i. S. d. § 1360a Abs. 4 BGB nicht gegeben sei, wenn ein Ehegatte ein Privatinsolvenzverfahren durchzuführen beabsichtigt, das auf Verbindlichkeiten beruht, die vor einer bestehenden Ehe zum Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz begründet wurden.217)

___________ 211) BGH 23.3.2005 – XII ZB 13/05 – NJW 2005, 1722; Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 21. 212) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 21. 213) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 21; Caspary, NJW 2005, 2577, 2578. 214) Montag, in: PrivatinsRK, § 4a Rn. 25; Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 26. 215) Eingehend dazu: Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 26 ff. 216) BGH 24.7.2003 – IX ZB 539/02 – ZVI 2003, 405, 407. 217) BGH 24.7.2003 – IX ZB 539/02 – ZVI 2003, 405, 407.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

84 Die jüngere Rechtsprechung folgt dem nicht.218) Zwischenzeitlich hatte der BGH im familienrechtlichen Kontext entschieden, dass § 1360a Abs. 4 BGB auch dann greife, wenn ein Ehegatte einen Zugewinnausgleichsanspruch gegen einen früheren Ehegatten geltend macht.219) Das LG Köln ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass, wenn selbst für diese Art von Schulden § 1360a BGB gilt, dies erst recht für voreheliche Schulden gelten müsse. Wenn ein Ehegatte sogar verpflichtet sei, die Kosten für einen Rechtsstreit vorzuschießen, mit dem Ansprüche gegen einen früheren Ehegatten verfolgt werden, die vor der Schließung der neuen Ehe entstanden seien, müsse dies erst recht für ein Insolvenzverfahren gelten, das auf Verbindlichkeiten beruht, die vor einer bestehenden Ehe zum Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz eines Ehegatten begründet wurden.220)

bb) Bedürftigkeit des Schuldners 85 Aus dem Merkmal der Billigkeit folgt, dass der Schuldner bedürftig sein muss.221) Dies bedeutet, dass er außer Stande sein muss, die Kosten zu tragen, ohne dabei seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden.222) Dabei gilt: Je leistungsfähiger der Verpflichtete ist, umso geringer sind die an die Bedürftigkeit des Berechtigten zu stellenden Anforderungen.223) Dies folgt aus der für den Anspruch maßgeblichen Billigkeit.224)

86 Die grundsätzliche Möglichkeit der Beantragung einer Verfahrenskostenstundung nach § 4a InsO lässt die Bedürftigkeit des Schuldners nicht entfallen. Hat der Schuldner einen Anspruch auf Leistung des Kostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 InsO, ist sein Stundungsantrag unbegründet. Die Stundung ist mithin gegenüber dem Anspruch auf § 1360a Abs. 4 InsO subsidiär.225)

___________ 218) Etwa: LG Köln 22.8.2016 – 13 T 7/16 – ZVI 2017, 101; zuvor: LG Duisburg v. 28.9.2012 – 7 T 130/12 – VIA 2013, 70, 71; zustimmend: Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 4a Rn. 17; a. A. wohl: Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 4a Rn. 13; Stephan, in: Karsten Schmidt, InsO, § 4a Rn. 11. 219) BGH 25.11.2009 – XII ZB 46/09 – NJW 2010, 372, 373. 220) LG Köln 22.8.2016 – 13 T 7/16 – ZVI 2017, 101, 102; zuvor: LG Duisburg v. 28.9.2012 – 7 T 130/12 – VIA 2013, 70, 71; zustimmend: Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 4a Rn. 17. 221) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 23. 222) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 23. 223) OLG Köln 6.3.2002 – 27 UF 182/01 – NJW-RR 2002, 1585 f.; Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn 23. 224) OLG Köln 6.3.2002 – 27 UF 182/01 – NJW-RR 2002, 1585 f.; Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1360a Rn. 23. 225) BGH 24.7.2003 – IX ZB 539/02 – NZI 2003, 556, 557 f.

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B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners

cc) Leistungsfähigkeit des Ehegatten Aus dem Merkmal der Billigkeit folgt zudem, dass der Pflichtige leistungsfähig 87 sein muss.226) Auch der Pflichtige muss sich im Grundsatz mithin nicht auf den notwendigen Unterhalt verweisen lassen. Außerdem muss er den Betrag in einer Summe aufbringen können, da er andernfalls schlechter gestellt wäre, als wenn er selbst eine Stundung beantragt hätte.227)

2.

Haftungserweiterung bei Ehegattenbürgschaft

Nicht selten übernehmen insbesondere Ehegatten oder Lebensgefährten, aber auch 88 nahe Verwandte oder enge Freunde, Bürgschaftsverpflichtungen, die ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse erheblich übersteigen, um dem Schuldner in seiner schwierigen Situation zu helfen.228) Dies ist im Grundsatz zulässig, allerdings nur bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit i. S. d. § 138 BGB.229) Für die entstehende Regressforderung gegen den Schuldner gilt im Falle der Insolvenz 89 § 44 InsO.230) Danach kann der mithaftende Ehegatte die Forderung, die er durch eine Teilbefriedigung des Gläubigers künftig gegen den Schuldner erwerben könnte, im Insolvenzverfahren nur geltend machen, wenn der Gläubiger seine Restforderung nicht geltend macht (sog. Verbot der Doppelanmeldung).231) Meldet der Hauptgläubiger seine Restforderung also zur Tabelle an, schließt § 44 InsO die Regressgläubiger vom Verfahren aus. Unproblematisch ist dies, solange die Geltendmachung der gesamten Forderung in Rede steht. Fraglich ist jedoch, wie zu verfahren ist, wenn der Gläubiger nur den einen Teil der Forderung zur Tabelle anmeldet, der Bürge aber für den anderen Teil haftbar gemacht wird. § 44 InsO enthält dazu zwar keine ausdrückliche Regelung. Gerechtigkeitserwä- 90 gungen sprechen aber dafür, dass der Bürge trotz Teilnahme des Gläubigers am Verfahren seine Regressforderung zur Tabelle anmelden kann. Zum einen entstünde andernfalls die paradoxe Situation, dass der Bürge im Verhältnis zum Gläubiger für die Forderung einstehen müsste, während sein daraus resultierender Regressanspruch mangels Möglichkeit der Geltendmachung im und nach dem Verfahren (vgl. § 301 Abs. 1 InsO) wertlos bliebe. Aus Sicht des Bürgen käme die Insolvenz dann einem Schuldbeitritt gleich, was nicht sachgerecht wäre. Zum anderen würden die anderen ___________ 226) Montag, in: PrivatinsRK, § 4a Rn. 25. 227) BGH 4.8.2004 – XII ZA 6/04 – NJW-RR 2004, 1662, 1663 m. w. N. zu den zuvor vertretenen Auffassungen. 228) Musielak, JA 2015, 161, 168 f. 229) Vgl. etwa: BGH 25.4.1996 – IX ZR 177/95 – NJW 1996, 2088, 2089; 19.2.2013 – XI ZR 82/11 – NJW 2013, 1534. 230) Für Einzelheiten siehe: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 44 Rn. 12 ff.; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 44 Rn. 3. 231) Bitter, in: MüKo-InsO, § 44 Rn. 12.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Insolvenzgläubiger, deren quotale Befriedigung in der Folge höher ausfiele, auch unberechtigt übervorteilt werden, was nicht zuletzt dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz aus § 1 InsO zuwiderliefe.232) Um eine doppelte Inanspruchnahme des bürgenden Ehegatten zu vermeiden, muss § 44 InsO in diesem Fall daher so gelesen werden, dass die Geltendmachung der Regressforderung nur ausgeschlossen ist, soweit sich die Forderungen decken.233) Diese Lesart steht auch im Einklang mit dem Zweck der Vorschrift, die den Schuldner lediglich vor einer doppelten Inanspruchnahme schützen will.234)

3.

Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB

a) Regelungsgehalt 91 Dem Insolvenzbeschlag unterliegt gem. § 35 Abs. 1 InsO nur „das Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt“. Die dem Angehörigen des Schuldners gehörenden Sachen unterfallen im Allgemeinen also nicht dem Insolvenzbeschlag. Zu beachten ist insoweit jedoch die Regelung in § 1362 BGB. Nach § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB wird zugunsten der Gläubiger eines der Ehegatten widerleglich vermutet, dass die im Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. Zweck dieser Regelung ist es, einen Beweisnotstand der Gläubiger im Vollstreckungsfall zu verhindern, da diesen die Eigentumsverhältnisse der Ehegatten an Mobiliarsachen für gewöhnlich nicht bekannt sein können.235) Dies gilt auch für das Insolvenzverfahren.236)

92 Will der Insolvenzverwalter eine Sache zur Masse ziehen, ohne dass er um die genauen Eigentumsverhältnisse zwischen den Ehegatten weiß, genügt er den Beweisanforderungen des § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB folglich bereits dann, wenn er den Besitz nur eines Ehegatten nachweisen kann. Er muss mithin nicht darlegen, welchem Ehegatten die Sache gehört. Dies gilt unabhängig von dem Güterstand der Eheleute, allerdings gem. § 1362 Abs. 1 S. 2 BGB nicht für ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmte Sachen oder wenn die Eheleute getrennt leben.237) Die Vermutung kann im Streitfall von dem nicht insolventen Ehegatten durch den Beweis des Gegenteils in Form der Verschaffung voller richterlicher Überzeugung widerlegt werden.238) Ausreichend dafür ist der Beweis des alleinigen ___________ 232) So bereits: Noack/Bunke, in: FS Uhlenbruck, 335, 358. 233) Zeising, DZWIR 2010, 316, 322; Bitter, in: MüKo-InsO, § 44 Rn. 15; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 44 Rn. 16; so auch schon: Noack/Bunke, in: FS Uhlenbruck, 335, 357 f. 234) Dazu: Bitter, in: MüKo-InsO, § 44 Rn. 15. 235) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 2. 236) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 18. 237) Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1389. 238) Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1389.

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B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners

Eigentumserwerbs.239) In der Regel ist aber auch dieser schwer zu führen. Die Regelung kann daher zu einer faktischen Gesamthaftung beider Ehegatten führen.240) Eine analoge Anwendung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften oder anderweitige 93 nahestehende Personen wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Recht abgelehnt.241) Unabweisbare Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, die für eine analoge Anwendung auf nichteheliche Lebenspartner streiten würden, sah der BGH als nicht gegeben an.242) Auch die Grundrechte, mithin die Art. 3 und 6 GG erforderten es aus seiner Sicht nicht, die Vermutung des § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB auf Gemeinschaften zu erstrecken, die nicht personenstandsrechtlich verfestigt sind.243) Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Wieder, wie schon im Rahmen des § 1360a Abs. 4 BGB, gilt: Bis zur Entscheidung zur Eheschließung muss es nichtehelichen Lebenspartnern möglich sein, eine finanzielle Einstandspflicht zu vermeiden. Einer solchen käme die analoge Anwendbarkeit des § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB aber zumindest dann gleich, wenn die Regelung, wie so häufig, aufgrund der mit ihr einhergehenden Beweisschwierigkeiten zu einer faktischen Gesamthaftung führt.

b) Verfassungsrechtliche Bewertung Da die wenigsten Ehegatten derart penibel dokumentieren, welche Sachen von wem 94 angeschafft wurden, werden sie in den seltensten Fällen in der Lage sein, entsprechende Nachweise zu führen und die Vermutung zu entkräften. Dies kann zu einer faktischen Gesamthaftung beider Ehegatten führen.244) Der hinter der Zugewinngemeinschaft stehende Gedanke der Haftungstrennung wird so zu Gunsten des Schutzes der Vollstreckungsgläubiger vor Vermögensvertuschung erheblich eingeschränkt.245) Dies stellt die Ehegatten im Verhältnis zu sonstigen aussonderungsberechtigten Gläubigern beweisrechtlich schlechter. Zur Abwendung der unzumutbaren Beweisnot, die andernfalls entstünde, ist die 95 Regelung zur Gewährleistung effektiver Vollstreckung aber erforderlich. Den In___________ 239) BGH 26.11.1975 – VIII ZR 112/74 – NJW 1976, 238; siehe auch: Weber-Monecke, in: MüKoBGB, § 1362 Rn. 23; Roth, in: G. Pape/Uhländer, InsO, § 36 Rn. 33. 240) Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 29; ausführlich dazu auch: Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1389; Pieper, ZVI 2009, 99, 103. 241) BGH 14.12.2006 – IX ZR 92/05 – NJW 2007, 992; ebenso: OLG Köln 15.3.1989 – 6 U 191/88 – NJW 1989, 1737 f.; LG Frankfurt 9.3.1984 – 2/9 T 259/84 – NJW 1986, 729; WeberMonecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 10; Brox, FamRZ 1981, 1125, 1127; a. A: Götz, in: Grüneberg, Einl. v. § 1297 Rn. 26; Thran, NJW 1995, 1458, 1460 ff.; Löhning/Würdinger, FamRZ 2007, 1856, 1858; gegen eine Ungleichbehandlung von Ehegatten und nichtehelichen Partnern bei § 138 Abs. 1 InsO: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 140 ff. 242) BGH 14.12.2006 – IX ZR 92/05 – NJW 2007, 992, 994. 243) BGH 14.12.2006 – IX ZR 92/05 – NJW 2007, 992, 994. 244) Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 3. 245) Vgl. dazu Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 3 m. w. N.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

solvenzgläubigern kann nicht zugemutet werden, das Risiko, dass der Eigentumsnachweis misslingt, zu tragen, zumal die Ehegatten eine faktische Gesamthaftung präventiv dadurch verhindern können, dass sie frühzeitig für eine Klarstellung ihrer Eigentumsverhältnisse sorgen.246)

96 Auch das BVerfG erkennt die Wirksamkeit der Vorschrift für das Insolvenzverfahren offensichtlich an. In einer zur Konkursordnung ergangenen Entscheidung aus dem Jahr 1968 befasste es sich mit der Wirksamkeit des vormaligen § 45 KO.247) Dieser bestimmte, dass die Ehefrau des Gemeinschuldners Gegenstände, welche sie während der Ehe erworben hatte, nur in Anspruch nehmen konnte, wenn sie bewies, dass dieselben nicht mit Mitteln des Gemeinschuldners erworben waren. Das BVerfG hielt diese Vorschrift für mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar und erklärte sie daher für nichtig.248) Zur Begründung dessen verwies das BVerfG unter anderem auf § 1362 BGB. Es führte insoweit aus, dass es in der Natur der Ehe liege und im Allgemeinen auch nicht zu umgehen sei, dass tatsächlich und unbemerkt eine Vermischung der Vermögen von Ehegatten eintrete, und dass durch Hin- und Hergeben, durch Austausch und durch veränderte Anlage die Selbstständigkeit des beiderseitigen Vermögens der äußeren Erkennbarkeit entrückt werde.249) Es erkannte außerdem an, dass die Gläubiger gegen die Gefahr einer absichtlichen, fahrlässigen oder unvermeidlichen Täuschung rechtlich geschützt werden müssten.250) Der insoweit erforderliche Schutz war nach Ansicht des BVerfG jedoch über § 1362 BGB und die Vorschriften über die Anfechtung im Konkurs (§§ 30 ff. KO) „wirksam“ gewährleistet.251)

II. Auswirkungen auf den Güterstand 97 Die ehelichen Güterstände regeln die vermögensrechtliche Beziehung der Ehegatten im Verhältnis zueinander sowie im Verhältnis zu Dritten.252) Zu unterscheiden sind insoweit der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, der Güterstand der Gütertrennung und der Güterstand der Gütergemeinschaft. Die Entscheidung, welchen Güterstand die Ehegatten wählen, unterliegt der ehelichen Vertragsfreiheit.253)

___________ 246) 247) 248) 249) 250) 251) 252) 253)

36

Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 3. BVerfG 24.7.1968 – 1 BvR 394/67 – BVerfGE 24, 104. BVerfG 24.7.1968 – 1 BvR 394/67 – BVerfGE 24, 104. BVerfG 24.7.1968 – 1 BvR 394/67 – BVerfGE 24, 104, 111. BVerfG 24.7.1968 – 1 BvR 394/67 – BVerfGE 24, 104, 111. BVerfG 24.7.1968 – 1 BvR 394/67 – BVerfGE 24, 104, 111. Koch, in: MüKo-BGB, Vor § 1363 Rn. 1. Eingehend zu dem Spannungsfeld zwischen autonomer Vertragsgestaltungsfreiheit und zwingenden insolvenzrechtlichen Schutzzwecken: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 1 ff.

B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners

1.

Grundsätze der ehelichen Vertragsfreiheit

Die Ehegatten regeln ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag, 98 vgl. § 1408 Abs. 1 BGB).254) Der Abschluss dieses Ehevertrags richtet sich nach den §§ 1410, 1411 BGB und ist formbedürftig. Art. 6 Abs. 1 GG gibt den Eheleuten das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach 99 innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten.255) Für den Ehevertrag gilt gem. § 1408 Abs. 1 BGB die Vertragsfreiheit, die im Allgemeinen nur durch § 138 BGB sowie die Grundsätze des BVerfG zur Inhaltskontrolle beschränkt werden kann.256) Dies gilt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sodass den Ehegatten selbst zu diesem Zeitpunkt die Gestaltung oder Änderung des Güterstands für die Zukunft freisteht.257) Der Schutz der staatlichen Ordnung, der für Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG 100 ausdrücklich verbürgt ist, setzt im Übrigen jedoch eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus.258) Es gelten für ihn darüber hinaus also keine Besonderheiten, sondern die allgemeinen Bestimmungen über Rechtsgeschäfte und Verträge. Auch die insolvenzrechtlichen Vorschriften finden daher Anwendung.

2.

Zugewinngemeinschaft

a) Grundsatz der Gütertrennung Bei der Zugewinngemeinschaft handelt es sich um den gesetzlichen Standardgüter- 101 stand. Vereinbaren die Ehegatten nichts Entgegenstehendes, leben sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (vgl. § 1363 Abs. 1 BGB).259) In diesem behält jeder Ehegatte sein in die Ehe eingebrachtes und das während der Ehe erworbene Vermögen (vgl. § 1362 Abs. 2 S. 1 BGB). Vorbehaltlich der Sonderregelungen in §§ 1365 – 1369 BGB besteht mithin Gütertrennung. Für den Fall der Insolvenz bedeutet dies, dass jeder Ehegatte seinen Gläubigern nur mit seinem eigenen Vermögen haftet. Zur Insolvenzmasse gehört nach Maßgabe der §§ 35, 36 InsO mithin im Grundsatz nur das Vermögen des insolventen Ehegatten.260) Zu beachten ist insoweit jedoch die ___________ 254) Scheller, in: BeckOK-BGB, § 1408 Rn. 2, 6. 255) BVerfG 6.2.2001 – 1 BvR 12/92 – NJW 2001, 957, 958. 256) Scheller, in: BeckOK-BGB, § 1408 Rn. 9; ausführlich zu Letzteren: BVerfG 6.2.2001 – 1 BvR 12/92 – NJW 2001, 957, 958 ff.; Münch, in: MüKo-BGB, § 1408 Rn. 25 ff.; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 22 ff. 257) Schumann, in: MüKo-InsO, § 37 Rn. 47. 258) BVerfG 6.2.2001 – 1 BvR 12/92 – NJW 2001, 957, 958; 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 – BVerfGE 89, 214, 234. 259) Zu der Möglichkeit der vertraglichen Modifizierung der Zugewinngemeinschaft: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 11 f. 260) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 218, § 37 Rn. 21.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Eigentumsvermutung zugunsten der Insolvenzgläubiger aus § 1362 BGB, die dem anderen Ehegatten die Aussonderung seiner Sachen regelmäßig erheblich erschweren wird.261)

b) Behandlung des schuldnerischen Zugewinnausgleichsanspruchs 102 Nach Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Scheidung der Ehe, durch Tod oder durch die vertragliche Vereinbarung eines anderen Güterstands (§§ 1371, 1372 BGB) entsteht ein Anspruch eines Ehepartners darauf, dass der Zugewinn, den die Ehegatten während der Dauer dieses Güterstands erwirtschaftet haben, hälftig ausgeglichen wird (vgl. § 1378 Abs. 1 BGB). Zugewinn meint dabei den Betrag, um den das Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt (vgl. § 1373 BGB). Die Berechnungsmethode richtet sich nach dem Grund für die Beendigung (vgl. §§ 1371 Abs. 2, 1372 BGB).262)

aa) Insolvenz des Zugewinnausgleichsgläubigers 103 Wird die Gütergemeinschaft im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren beendet, und besteht danach ein Ausgleichsanspruch zugunsten des insolventen Ehegatten, unterliegt auch dieser im Grundsatz dem Insolvenzbeschlag.263) Er kann zur Insolvenzmasse gezogen werden, sobald er pfändbar ist. Dies gilt auch, wenn der Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung entstanden ist. Es handelt sich dann um Neuerwerb i. S. d. § 35 InsO. In beiden Fällen muss der Zugewinnausgleichsanspruch jedoch wegen § 852 Abs. 2 ZPO durch Vertrag anerkannt oder den Anforderungen des § 261 ZPO entsprechend rechtshängig gemacht worden sein.264)

bb) Insolvenz des Zugewinnausgleichsschuldners 104 Die Ausgleichsforderung des Zugewinnausgleichsberechtigten stellt eine Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO dar, sofern sie vor Verfahrenseröffnung entsteht.265) Es gelten insoweit mithin die allgemeinen Regeln. Eine Sonderbehandlung erfährt die Regelung im Verhältnis zu den sonstigen Insolvenzforderungen nicht. Der Zuge-

___________ 261) Dazu auch: Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1389. 262) Zur Berechnung des Zugewinns bei Insolvenz: OLG Naumburg – 4 UF 153/14 – FamRZ 2015, 748 ff.; kritisch dazu: Kogel, FamRZ 2015, 715 ff. 263) Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 35 Rn. 10; Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 487. 264) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 219; Einzelheiten dazu auch in: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 98; Weber, FamRZ 2019, 420 ff.; so auch schon: Leipold, in: FS Gaul, 367, 370; für die Einzelzwangsvollstreckung: Flockenhaus, in: Musielak/ Voit, ZPO, § 852 Rn. 1; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 852 Rn. 2; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. A.588. 265) Kogel, in: Kogel, Zugewinnausgleich, Rn. 1689.

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B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners

winnausgleichsberechtigte muss sich mithin mit einer quotalen Befriedigung aus der Insolvenzmasse begnügen.266)

3.

Gütertrennung

Für die Gütertrennung gilt im Grundsatz dasselbe wie für die Zugewinngemein- 105 schaft. Die Insolvenz des einen Ehegatten erfasst nur dessen eigenes Vermögen.267) Die Frage nach dem Insolvenzbeschlag eines Ausgleichsanspruchs stellt sich in diesem Fall nicht, da ein Vermögensausgleich nach Beendigung des Güterstands nicht stattfindet.

4.

Gütergemeinschaft

Anders als beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft und dem Güterstand der 106 Gütertrennung, bleiben im Rahmen des Güterstands der Gütergemeinschaft die Vermögen der Ehegatten nicht voneinander getrennt.268) Vereinbaren die Ehegatten durch notariellen Ehevertrag den Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1415 – 1518 BGB), geht das beiderseitige Vermögen, das eingebrachte sowie das hinzuerworbene, in das Gesamthandsvermögen über und wird ab diesem Zeitpunkt als Gesamtgut gemeinschaftlich verwaltet (vgl. § 1416 Abs. 1 BGB).269) Ausgenommen davon ist nur das ehevertraglich vereinbarte oder durch einen Dritten ausdrücklich insoweit zugewendete Vorbehaltsgut i. S. d. § 1418 BGB sowie das Sondergut in Form von nicht übertragbaren Gegenständen i. S. v. § 1417 BGB.270) Diese werden von jedem Ehegatten selbst verwaltet. Da diese Vermögensaufteilung dem insolvenzrechtlichen Grundsatz „Eine Person, 107 ein Vermögen, eine Insolvenz“271) widerspricht, bedarf es für das Insolvenzverfahren einer gesetzlichen Sonderregelung. Soweit die Gütergemeinschaft noch nicht beendet wurde, gilt demnach § 37 InsO und die Folgen der Verfahrenseröffnung richten sich danach, ob die Gesamtgutsverwaltung durch einen Ehegatten (Abs. 1) oder durch beide Ehegatten (Abs. 2) erfolgt. Besonderheiten gelten für den Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft (Abs. 3).272) Die Regelungen gelten für Lebenspartner entsprechend (Abs. 4).

___________ Kogel, in: Kogel, Zugewinnausgleich, Rn. 1689. Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 21. Thiele/Salmen, ZInsO 2014, 2259. Dazu: Wipperfürth, InsbürO 2012, 59, 60. Roth, in: G. Pape/Uhländer, InsO, § 37 Rn. 1; Einzelheiten dazu: Wipperfürth, InsbürO 2012, 59, 60 f. 271) So: Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 37 Rn. 1; Thiele/Salmen, ZInsO 2014, 2259. 272) Dazu: Lüdtke, in: HambKomm, § 37 Rn. 16 ff.

266) 267) 268) 269) 270)

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

a) Gesamtgutsverwaltung durch einen Ehegatten aa) Insolvenz des allein verwaltenden Ehegatten 108 Verwaltet der Schuldner das Gesamtgut allein, besteht die Insolvenzmasse aus seinem Sondergut, seinem Vorbehaltsgut sowie dem gemeinschaftlichen Gesamtgut (§ 37 Abs. 1 S. 1 InsO). Wegen der grundsätzlichen Zugehörigkeit hinzuerworbenen Vermögens zum Gesamtgut, ist dann auch das pfändbare Arbeitseinkommen des nicht insolventen Ehegatten vom Insolvenzbeschlag erfasst.273) Hinsichtlich des Sonder- und Vorbehaltsguts des anderen Ehegattens kann dieser zwar Aussonderung verlangen.274) Hierbei muss allerdings die Zugehörigkeitsvermutung zum Gesamtgut nach § 1416 Abs. 1 BGB entkräftet werden.275)

bb) Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten 109 Liegt die Verwaltungsbefugnis für das Gesamtgut ausschließlich bei dem nicht insolventen Ehegatten, fällt dieses auch nicht in die Masse (§ 37 Abs. 1 S. 3 InsO). Trotz § 287 Abs. 2 InsO gilt dies dann auch für das dem Gesamtgut zugehörige pfändbare Einkommen des Schuldners.276) Der Insolvenzbeschlag umfasst ausschließlich das Sonder- und Vorbehaltsgut des insolventen Ehegatten, soweit dieses pfändbar ist.277)

110 Die Gegenstände des Gesamtguts können zwar an den allein verwaltenden Ehegatten gem. § 47 InsO ausgesondert werden.278) Es gilt jedoch auch insoweit die Beweislastregel des § 1416 Abs. 1 BGB.279) Den Insolvenzgläubigern steht das Gesamtgut dann trotz der §§ 87, 89 Abs. 1 InsO unter den Voraussetzungen der §§ 1437 BGB, 740 ff. ZPO weiterhin im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zur Verfügung.280)

b) Gemeinsame Gesamtgutsverwaltung 111 Im Falle der gemeinsamen Gesamtgutsverwaltung (§ 1421 BGB) gehört das Gesamtgut nicht zur Insolvenzmasse (§ 37 Abs. 2 InsO). Diese besteht dann lediglich aus ___________ 273) Schumann, in: MüKo-InsO, § 37 Rn. 21; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 7; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 37 Rn. 8; kritisch dazu: Dieckmann, in: Insolvenzrecht im Umbruch, 127, 136; zu möglichen Lösungsansätzen für die Praxis: Thiele/Salmen, ZInsO 2014, 2259, 2261 f. 274) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 10. 275) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 10. 276) Schumann, in: MüKo-InsO, § 37 Rn. 28; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 11; kritisch dazu: Wipperfürth, Insbüro 2012, 59, 61. 277) Schumann, in: MüKo-InsO, § 37 Rn. 28; so im Ergebnis auch: Wipperfürth, Insbüro 2012, 59, 60. 278) BGH 4.5.2006 – IX ZB 285/04 – NZI 2006, 402; siehe auch: Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 37 Rn. 10. 279) Schumann, in: MüKo-InsO, § 37 Rn. 22; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 11. 280) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 12.

40

B. Auswirkungen der Insolvenz auf den Ehegatten des Schuldners

dem (pfändbaren) Sondergut sowie dem Vorbehaltsgut des Insolvenzschuldners.281) Im Hinblick auf das Gesamtgut besteht ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO.282) Aufgrund der Sonderinsolvenzfähigkeit des Gesamtguts kann über dieses zudem auch ein eigenes Insolvenzverfahren eröffnet werden (vgl. § 333 InsO).

c)

Fortgesetzte Gütergemeinschaft

Gem. § 1483 BGB können die in Gütergemeinschaft lebenden Eheleute im Ehevertrag 112 vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod eines Ehegatten mit dem Überlebenden und den gemeinsamen Abkömmlingen fortgesetzt wird. Der überlebende Ehegatte ist dann gem. § 37 Abs. 3 InsO als Alleinverwalter des Gesamtguts anzusehen. Im Falle der Insolvenz fällt somit nicht nur sein pfändbares Vorbehaltsund Sondergut (§ 1486 BGB), sondern auch das Gesamtgut (§ 1485 BGB) in die Masse.283)

d) Nach Beendigung der Gütergemeinschaft Nach Beendigung gelten die §§ 35, 36 InsO, mit der Folge, dass der Anteil des in- 113 solventen Ehegatten bis zur Auseinandersetzung des Gesamtgutes gem. § 35 InsO i. V. m. § 860 Abs. 2 ZPO in die Masse fällt.284)

III. Fazit Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass eine Insolvenz die Ehe des Schuldners 114 nicht unerheblich tangiert. Mit dem Entschluss zur Eheschließung geht auch die Entscheidung einher, in vermögensrechtlicher Hinsicht füreinander einzustehen.285) Dies gilt es im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen. Dem Wesen der Ehe liegt als fundamentales Prinzip die Verantwortung füreinander zugrunde, die insbesondere in der Pflicht zum wechselseitigen Beistand und in Garantenpflichten zum Ausdruck kommt (vgl. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB).286) Zum Kernbereich dieser ehelichen Solidarität gehört nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch der Versorgungsaspekt.287) Der Ehegatte darf die vermögensrechtlichen Interessen des anderen mithin nicht nur nicht schädigen, sondern muss – als Nachwirkung der Ehe sogar noch nach der Scheidung – dessen finanzielle Lasten vermindern, soweit ihm dies ohne Verletzung ___________ Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 37 Rn. 13; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 13. Schumann, in: MüKo-InsO, § 37 Rn. 32; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 37 Rn. 13. Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 37 Rn. 16. Wipperfürth, Insbüro 2012, 59, 62; für die Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. E.220. 285) Zu den vermögensrechtlichen Pflichten innerhalb der Ehe im Einzelnen: Hahn, in: BeckOK-BGB, § 1353 Rn. 21; Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1353 Rn. 5. 286) Roth, in: MüKo-BGB, § 1353 Rn. 22. 287) Vgl.: BGH 26.7.2001 – III ZR 172/00 – NJW 2001, 3541.

281) 282) 283) 284)

41

Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

eigener Interessen möglich ist.288) Das Insolvenzverfahren kann, wie oben aufgezeigt, zur Inanspruchnahme des nicht insolventen Ehegatten nach § 1360a Abs. 4 BGB oder zur erschwerten Absonderungsmöglichkeit wegen der Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB führen. Neben diesen allgemeinen, unabhängig vom Güterstand einschlägigen Regelungen, auf deren Geltung die Ehegatten keinen Einfluss haben, können sie das Ausmaß, in dem die Insolvenz sie in güterrechtlicher Hinsicht tangiert, im Übrigen frei bestimmen. Vereinbaren die Ehegatten etwa den Güterstand der Gütertrennung, bleibt das Vermögen des anderen, wie gezeigt, weitestgehend verschont.

C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection 115 Asset Protection meint die Gesamtheit an vermögensvorsorgenden Gestaltungsansätzen für den Fall, dass eine Haftung und der Zugriff von Dritten auf das private Vermögen des Haftenden drohen. Die Begrifflichkeit geht auf das angloamerikanische Recht zurück.289) Alle Maßnahmen der Asset Protection verfolgen das Ziel, das Vermögen der haftungsgefährdeten Person eigentumsmäßig von dieser zu trennen. Ist infolge solcher Maßnahmen keine Haftungsmasse mehr vorhanden, scheidet ein Gläubigerzugriff aus.290) Relevanz kommt der Asset Protection nur zu, wenn der Schuldner zu verteilendes Vermögen hat. Dies ist in den meisten Verbraucherinsolvenzverfahren zwar nicht der Fall, erlangt aber für den Fall einer unternehmerischen Tätigkeit mit dem Risiko der Privatvermögenshaftung durchaus Bedeutung.291)

I.

Der Schutz der Familie durch Asset Protection

116 Um sich und seine Familie vor den Negativwirkungen des Insolvenzbeschlags zu schützen, besteht für den planvoll agierenden vermögenden Schuldner im Vorfeld der Insolvenz die Möglichkeit einer präventiven Asset Protection. Maßnahmen der Asset Protection innerhalb des eigenen Familienkreises sind dabei besonders lukrativ, da solche es dem Schuldner ermöglichen, auch während des Verfahrens wirtschaftlich von seinem Vermögen zu profitieren.292)

117 Die relevantesten Formen der Vermögensabsicherung sind Vermögensübertragungen auf Vertrauenspersonen, auch durch die Mitarbeit im ehelichen Betrieb oder im Wege vorweggenommener Erbfolge, Maßnahmen zum Schutz des Familienheims, ___________ 288) Etwa: BGH 8.2.1984 – IV b ZR 42/82 – NJW 1984, 2040, 2041; 13.10.1976 – IV ZR 104/74 – NJW 1977, 378; Hahn, in: BeckOK-BGB, § 1353 Rn. 21. 289) Vgl. dazu: von Oertzen, in: Asset Protection im deutschen Recht, § 1 Rn. 3. 290) Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 362. 291) Rosenberger, RNotZ 2020, 357; zu aktuellen prominenten Fällen: von Oertzen, in: Asset Protection im deutschen Recht, § 1 Rn. 1. 292) Dazu: Harder, in: NK-PrivatinsR, § 138 Rn. 24 f.; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 1; von Oertzen, in: Asset Protection im deutschen Recht, § 2 Rn. 2.

42

C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

der Verzicht auf die Geltendmachung bestehender familiärer Rechtspositionen, güterrechtliche Maßnahmen in Form von sog. Güterstandsschaukeln sowie die Einräumung von Bezugsrechten an einer Lebensversicherung.293) Daneben kommt außerdem noch die Gründung einer Familienstiftung sowie die Gründung einer (vermögensverwaltenden) Personen- oder Kapitalgesellschaft in Betracht.294) Von diesen rechtmäßigen Formen der Vermögensvorsorge zu trennen sind unseriöse Modelle, die auf der Verfälschung von Tatsachen, der Verheimlichung von Vermögenswerten oder einer sonstigen Verdeckung des vollen Sachverhalts beruhen, etwa Vermögenstransaktionen unmittelbar vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Eintragung nicht valutierender Eigentümergrundschulden auf einem Grundbesitz.295)

II. Einschränkung dieses Schutzes durch die Insolvenzanfechtung Um zu verhindern, dass der Schuldner bei drohender Insolvenz im Wege der Asset 118 Protection sämtliche Vermögenswerte durch Übertragung an Dritte dem Insolvenzbeschlag und somit der Gläubigergesamtheit entzieht, hat der Gesetzgeber in §§ 129 ff. InsO Regelungen getroffen, die sicherstellen sollen, dass Gläubiger, die aufgrund besserer Kenntnisse über die Vermögenslage des gemeinsamen Schuldners, durch ein rücksichtsloseres Vorgehen oder sogar durch ein doloses Zusammenarbeiten mit dem gemeinsamen, später insolventen Schuldner Vermögensvorteile erlangt haben, diese wieder zur gemeinsamen Befriedigung der Gläubigergemeinschaft in einem geordneten Verfahren zur Verfügung stellen müssen.296) Zu diesem Zweck sind die Regelungen in §§ 129 ff. InsO auch zwingend erforderlich. Die oben beschriebenen Maßnahmen i. S. d. Asset Protection fruchten vor diesem 119 Hintergrund aus dem Blickwinkel des Schutzes der familiären Lebensgrundlage nur, wenn und soweit die ihnen zugrundeliegenden Rechtshandlungen nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar sind. Bevor die einzelnen Maßnahmen der Asset Protection näher erläutert werden sollen, gilt

___________ 293) Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich nur auf Asset Protection Maßnahmen des Schuldners, die dieser zum Zwecke der Absicherung seiner Familie zu Lebzeiten vornehmen kann. Etwaige in Betracht kommende Asset Protection Maßnahmen der haftungsgefährdeten Person nach dem Tod des Schuldners werden an dieser Stelle mit Blick auf den Themenzuschnitt nicht untersucht. Dazu aber instruktiv: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 197 ff.; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374 ff. 294) Auf die Erläuterung der beiden zuletztgenannten Maßnahmen wird im Folgenden verzichtet, da diese für den durschnittlichen Schuldner wenig bis keine Relevanz haben. Zu diesen aber ausführlich: Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 370 ff. 295) Auf die Erläuterung dieser soll im Folgenden verzichtet werden; siehe dazu aber etwa: von Oertzen, in: Asset Protection im deutschen Recht, § 1 Rn. 6; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 362. 296) So beschreibt es: Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1394.

43

Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

es daher zuvorderst die allgemeinen Grundsätze der Insolvenzanfechtung überblicksartig aufzuzeigen.297)

1.

Allgemeine Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO

a) Anfechtungsberechtigung 120 Berechtigter der Insolvenzanfechtung ist gem. § 129 InsO der Insolvenzverwalter. b) Vornahme einer Rechtshandlung 121 Die Tatbestände der Insolvenzanfechtung setzen voraus, dass der Schuldner eine Rechtshandlung i. S. d. § 129 InsO vorgenommen hat. Eine Rechtshandlung in diesem Sinne ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann.298) Der Begriff ist grundsätzlich weit auszulegen.299) Anfechtbare Handlungen können demnach Rechtsgeschäfte, rechtsgeschäftsähnliche Handlungen oder Realakte sein, Letztere allerdings nur dann, wenn ihnen das Gesetz Rechtswirkung beimisst.300) Ebenfalls erfasst werden Rechtshandlungen, bei denen der Erfolg kraft Gesetzes eintritt, prozessuale Handlungen, Verwendungen auf eine fremde Sache und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung.301) Grundsätzlich ist jede Rechtshandlung für sich eigenständig zu betrachten.302) Der maßgebliche Zeitpunkt ergibt sich aus § 140 InsO.303)

122 Unterlassungen sind gem. § 129 Abs. 2 InsO positivem Tun gleichgestellt und damit auch Rechtshandlung i. S. d. Insolvenzanfechtungsrechts, soweit sie auf einer Willensbetätigung beruhen und durch die Unterlassung eine rechtliche Wirkung erzeugt wird, die das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändert.304) Ausreichend dafür ist, dass bewusst auf die Geltendmachung einer bereits bestehenden

___________ 297) Im Detail: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 1 ff.; Kayser/Freudenberger, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 1 ff.; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 1 ff. 298) St. Rspr.: BGH 29.9.2011 – IX ZR 74/09 – NZ 2011, 855; 12.2.2004 – IX ZR 98/03 – NJW 2004, 1660; siehe auch: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 86. 299) Vgl. Begr. zu § 144 RegE, BT-Drs. 12/2443, 156 f.; K. Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 129 Rn. 25; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 129 Rn. 6; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 7. 300) BGH 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – NJW 2007, 1588, 1589; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 129 Rn. 6. 301) Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 358. 302) BGH 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – ZInsO 2008, 106, 107; 7.2.2002 – IX ZR 115/99 – ZIP 2002, 489, 490; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 3. 303) Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 33. 304) BGH 10.2.2005 – IX ZR 211/02 – NJW 2005, 1121, 1125; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 119; Kayer/Freudenberger, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 24.

44

C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

Rechtsposition verzichtet wird.305) Ein bewusstes Zusammenwirken mit dem Begünstigten wird dabei nicht vorausgesetzt.306)

c)

(Kausale) objektive Gläubigerbenachteiligung

Die §§ 129 ff. InsO setzen weiterhin voraus, dass es durch die Vornahme einer 123 Rechtshandlung zu einer objektiven Benachteiligung der Insolvenzgläubiger gekommen ist. Die Anfechtung soll der Insolvenzmasse nicht Vorteile verschaffen, die ihr ohne die Rechtshandlung nicht zugestanden hätten.307) Eine objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ist gegeben, wenn durch die Rechtshandlung die Masse der Schulden und Verbindlichkeiten vergrößert oder die Aktivmasse verringert wird oder wenn der Zugriff der Gläubiger auf die Haftungsmasse vereitelt, erschwert oder verzögert wird.308) Maßgeblich ist, ob durch die Gläubigerbenachteiligung eine wirtschaftlich bedeutende Vermögensverschiebung stattgefunden hat.309) Dies ist z. B. nicht der Fall, wenn es sich um die Weggabe eines aufgrund der §§ 850 ff. ZPO ohnehin unpfändbaren Gegenstands bzw. bei Verzicht auf eine nach denselben Vorschriften unpfändbare Forderung handelt oder wenn der Schuldner eine vollständige Gegenleistung erhalten hat.310) Auch die Weggabe wertloser Gegenstände vermag keine Gläubigerbenachteiligung zu begründen.311) Die benachteiligende Rechtshandlung muss sich gerade auf Vermögensbestandteile beziehen, die – wären sie nicht vorgenommen worden – nach dem gem. § 140 InsO relevanten Zeitpunkt zu dem späteren, haftenden Schuldnervermögen gehört hätten.312) Auch in der Herausgabe einer Sache, die hätte ausgesondert werden können, liegt somit keine Gläubigerbenachteiligung.313) Je nach Anfechtungstatbestand wird eine unmittelbare oder mittelbare Benachteili- 124 gung vorausgesetzt. Eine unmittelbare Benachteiligung ist gegeben, wenn die Benachteiligung allein durch die Rechtshandlung eintritt (o dazu noch in den Aus___________ 305) 306) 307) 308) 309) 310)

311) 312)

313)

Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 121. Kayser/Freudenberger, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 24. Bereits zur Konkursordnung: BGH 26.1.1983 – VIII ZR 254/81 – NJW 1983, 1120, 1122. So die st. Rspr., siehe zuletzt etwa: BGH 15.11.2018 – IX ZR 229/17 – DStR 2019, 522, 523; siehe auch: Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 42. Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 11. BGH 7.4.2016 – IX ZR 145/15 – NZI 2016, 584, 585; Borries/Hirthe, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 184; Kayer/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 84; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 10. BGH 17.7.2014 – IX ZR 240/13 – ZInsO 2014, 1655, 1656; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 199; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 359. Siehe etwa: BGH 25.2.2016 – IX ZR 12/14 – ZInsO 2016, 700, 701; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 77; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 46; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 169. Vgl. dazu: BGH 12.10.2017 – IX ZR 288/14 – ZInsO 2017, 2539, 2541; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 47.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

führungen zu § 133 Abs. 4 InsO, Rn. 136).314) Für eine mittelbare Benachteiligung dagegen genügt es, wenn zwar die maßgebliche Rechtshandlung allein noch keinen Nachteil für die Insolvenzgläubiger bewirkt, sie aber die Grundlage für einen weiteren gläubigerbenachteiligenden Ablauf bildet.315)

125 Die Rechtshandlung muss für die Gläubigerbenachteiligung zusätzlich zumindest mitursächlich, mithin kausal gewesen sein.316) Dies ist zu bejahen, wenn die Gläubiger ohne die Rechtshandlung günstigere Befriedigungsaussichten gehabt hätten.317) Maßgeblich ist insoweit nur das reale Geschehen.318)

d) Rechtsfolge 126 Auf Rechtsfolgenseite steht dem Insolvenzverwalter nach § 143 Abs. 1 InsO ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr der weggegebenen Leistung in Natur (Satz 1) bzw. Wertersatz (Satz 2) zu. Dieser Anspruch umfasst grundsätzlich den gesamten angefochtenen Betrag, es sei denn es handelt sich um ein hohes Vielfaches des Betrags, der zur Begleichung aller vorrangigen und gleichrangigen Forderungen erforderlich ist.319) Ein Sich-Berufen auf den Entreicherungseinwand ist durch die Gleichstellung mit einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner in der Regel ausgeschlossen (vgl. § 143 Abs. 1 S. 2 InsO).320)

2.

Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO

127 Neben den objektiven Tatbestandsmerkmalen der Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung, auf die bereits weiter oben eingegangen wurde, kommt es im Rahmen der Vorsatzanfechtung insbesondere auf subjektive Merkmale an. Gem. § 133 Abs. 1 S. 1 bzw. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen. Dieser Vorsatz muss dem Dritten, der an dieser Rechtshandlung mitgewirkt hat, bekannt gewesen sein (§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO). Der Anfechtungszeitraum beträgt zehn Jahre (§ 133 Abs. 1 InsO) bzw. vier Jahre bei sog. Deckungen (§ 133 Abs. 2 InsO). Der ___________ 314) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 80; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 113. 315) BGH 26.4.2012 – IX ZR 146/11 – ZInsO 2012, 1127; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 89. 316) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 127; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 228. 317) Etwa: BGH 22.10.2015 – IX ZR 248/14 – ZInsO 2015, 2374, 2376; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 358 f. 318) Etwa: BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/15 – ZInsO 2016, 2345, 2346; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 230. 319) OLG München 20.1.2015 – 5 W 1651/14 – ZInsO 2015, 1444. 320) Siehe etwa: BGH 1.2.2007 – IX ZR 96/04 – NZI 2007, 230; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 143 Rn. 27.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

Fristbeginn richtet sich nach § 139 InsO. Den maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale bestimmt § 140 InsO.321)

a) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz Erforderlich ist, dass der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt 128 hat. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Fall, wenn festzustellen ist, dass der Schuldner in dem Zeitpunkt, in dem er die Rechtshandlung vornahm, die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge erkannt und gebilligt hat, sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils.322) Ebenso wie im Rahmen des Vorsatzes i. S. d. § 276 BGB besteht der geforderte Benachteiligungswille mithin aus einem Wissens- sowie einem Wollenselement.323) Der Benachteiligungsvorsatz muss sich auf die Insolvenzgläubiger beziehen. Un- 129 erheblich ist dabei allerdings, ob sich dieser gegen alle oder nur einzelne, gegen bestimmte oder unbestimmte, gegen schon vorhandene oder nur mögliche künftige Gläubiger richtet, sodass eine Anfechtung selbst dann in Betracht kommt, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch gar keine Gläubiger hatte.324) Unerheblich ist auch, ob er sich tatsächlich in derjenigen Gläubigerbenachteiligung realisiert, die der Schuldner sich vorgestellt hat.325) Überwiegende andere Beweggründe, wie etwa die Absicherung der Familie oder die Alterssicherung einer nahestehenden Person, schließen den Benachteiligungsvorsatz nicht aus.326)

b) Positive Kenntnis des Anfechtungsgegners § 133 Abs. 1 S. 1 InsO setzt weiterhin voraus, dass der „andere Teil“, mithin der 130 Anfechtungsgegner, positive Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt hat. Der andere Teil muss wissen, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und der Schuldner dies auch gewollt hat.327) Grob fahrlässige Unkenntnis oder eine leichtfertige Unkenntnis genügen insoweit nicht.328) Für institutionelle Gläubiger, wie etwa das Finanzamt oder die Sozial___________ 321) BGH 29.9.2011 – IX ZR 202/10 – NZI 2012, 137, 138; Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 43; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 22. 322) So etwa: BGH 14.9.2017 – IX ZR 3/16 – NZI 2018, 114, 115 m. w. N. 323) Zu den Elementen im Einzelnen: Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 14 ff.; Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 31 ff. 324) Siehe etwa m. w. N.: BGH 13.8.2009 – IX ZR 159/06 – MittBayNot 2010, 149; dazu auch: Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 20; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 359. 325) BGH 10.1.2008 – IX ZR 33/07 – NZI 2008, 233, 234; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 16. 326) BGH 10.7.2014 – IX ZR 50/12 – MittBayNot 2015, 63, 64; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 133 Rn. 19; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 359. 327) BGH 9.2.2012 – IX ZR 48/11 – NZI 2012, 514, 515 m. w. N. 328) BGH 22.6.2017 – IX ZR 111/14 – NZI 2017, 718, 720.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

versicherungsträger, hat der BGH entschieden, dass diese sich einer positiven Kenntnis nicht verschließen dürfen, sodass schon der Verstoß gegen auferlegte Beobachtungs-, Informations- und Erkundigungspflichten zur Erfüllung des Tatbestandmerkmals genügen kann.329) Maßgeblich ist stets die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.

c)

Beweislast

131 Die Beweislast hinsichtlich des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners liegt beim Anfechtenden, mithin beim Insolvenzverwalter.330) Die ständige Rechtsprechung geht allerdings davon aus, dass der Schuldner, wenn er zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz handelt.331)

132 Im Übrigen ist insoweit entscheidend, ob es sich bei der Rechtshandlung um eine inkongruente Deckung (§ 133 Abs. 1 InsO) oder eine kongruente Deckung (§ 133 Abs. 2 InsO) handelt. Eine inkongruente Deckung ist gegeben, wenn der Anfechtungsgegner eine Sicherung oder Befriedigung erlangt, die er nach dem zugrundeliegenden Kausalverhältnis nicht, nicht in der Art oder nicht zu dieser Zeit verlangen konnte, während andersherum eine sog. kongruente Deckung vorliegt, wenn nach Maßgabe der schuldrechtlichen Verpflichtungen geleistet wird.332) Für die inkongruente Deckung wird insoweit eine Beweiserleichterung angenommen, dass ein Begünstigungswille gegenüber dem Leistungsempfänger und damit ein Benachteiligungswille gegenüber anderen Gläubigern indiziert wird.333) Handelt es sich um eine kongruente Deckung, tritt an die Stelle der erforderlichen drohenden Zahlungsunfähigkeit die Notwendigkeit einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit (§ 133 Abs. 3 S. 1 InsO).334) Für den Fall, dass der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hat, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte (vgl. § 133 Abs. 3 S. 2 InsO).335)

___________ 329) Siehe etwa: BGH 30.6.2011 – IX ZR 155/08 – NZI 2011, 684, 686. 330) BGH 18.12.2008 – IX ZR 79/07 – NZI 2009, 239, 240; 17.7.2003 – IX ZR 272/02 – NZI 2003, 597; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 30; Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 44. 331) Etwa: BGH 25.2.2016 – IX ZR 109/15 – NZI 2016, 266; ausführlich dazu auch: Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 133 Rn. 42 ff. 332) Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 360; siehe auch im Detail: Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 131 Rn. 9; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 131 Rn. 10. 333) So etwa: BGH 19.12.2013 – IX ZR 127/11 – NZI 2014, 266, 268; Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 45; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 360. 334) Näher dazu: Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 57 f. 335) Näher dazu: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 82a ff.; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 59 ff.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

3.

Anfechtung ggü. nahestehenden Personen nach §§ 133 Abs. 4, 138 InsO

Verträge mit nahestehenden Personen i. S. d. § 138 Abs. 1 InsO erfahren in § 133 133 Abs. 4 InsO eine Sonderbehandlung dergestalt, dass die Anfechtbarkeit in beweisrechtlicher Hinsicht wesentlich erleichtert wird.

a) Voraussetzungen aa) Entgeltliche Verträge § 133 Abs. 4 InsO gilt für entgeltliche Verträge. Der Begriff des Vertrags ist dabei 134 weit auszulegen und erfasst alle Rechtshandlungen des Schuldners, die in Übereinstimmung mit dem Willen des anderen Teils vorgenommen wurden.336) Erfasst sind mithin zweiseitige rechtsgeschäftliche Absprachen aller Art i. S. v. §§ 145 ff. BGB.337) Zu den „entgeltlichen Verträgen“ zählen auch güterrechtliche Verträge zwischen Ehegatten.338) § 133 Abs. 4 InsO setzt voraus, dass der Vertrag entgeltlich ist. Dies ist der Fall, 135 wenn der Leistung des Schuldners eine ausgleichende Zuwendung der ihm nahestehenden Person gegenübersteht und beide rechtlich voneinander abhängen.339) Im Allgemeinen genügt insoweit jeder wirtschaftliche Vorteil für den Schuldner.340) Erfüllungsgeschäfte unterfallen dann dem Begriff des (entgeltlichen) Vertrags, wenn die getilgte Verbindlichkeit durch einen entgeltlichen Vertrag begründet worden ist. Das Entgelt besteht dann in der Befreiung von der Schuld.341)

bb) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung Der Vertrag muss die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligen. Dies setzt 136 voraus, dass die Befriedigungsmöglichkeiten aus dem Schuldnervermögen bereits durch die angefochtene Rechtshandlung und ohne Hinzutreten weiterer Umstände beeinträchtigt wurden.342) Reine Erfüllungshandlungen benachteiligen die Insolvenzgläubiger demnach nur, wenn der erfüllte, entgeltliche Anspruch rechtlich nicht mehr

___________ 336) BGH 9.6.2016 – IX ZR 154/15 – ZInsO 2016, 1491; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 184. 337) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 133 Rn. 15; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 80; siehe diverse Beispiele in: Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 40. 338) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 740; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 133 Rn. 15. 339) Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 81; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 41. 340) Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 41. 341) BGH 10.7.2014 – IX ZR 192/13 – ZIP 2014, 1491; 20.12.2012 – IX ZR 130/10 – ZIP 2013, 374. 342) Zu § 3 Abs. 2 AnfG: BGH 19.5.2009 – IX ZR 129/06 – NJW-RR 2009, 1567, 1568.

49

Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

durchsetzbar war oder wenn der Schuldner keine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat.343)

cc) Nahestehende Personen i. S. d. § 138 Abs. 1 InsO (1) Ehegatten und Lebenspartner 137 Nahestehende Person ist gem. § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO nach heutiger Rechtslage344) zunächst der Ehegatte des Schuldners, und zwar auch wenn die Ehe erst nach der Rechtshandlung geschlossen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist.345) Voraussetzung ist, dass die bestehende bzw. vormalig bestehende Ehe wirksam ist bzw. war.346) Die Wirksamkeit richtet sich nach den §§ 1310 ff. BGB bzw. bei Ehen mit Auslandsberührung nach dem nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Sachrecht.347) Ein bloßes Getrenntleben genügt nicht, um die Qualifizierung des Ehegatten als nahestehende Person entfallen zu lassen.348) Seit dem 1. Oktober 2017 sind infolge von § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. auch gleichgeschlechtliche Ehen erfasst.349)

138 Gem. § 138 Abs. 1 Nr. 1a InsO gelten dieselben Grundsätze auch für den Lebenspartner des Schuldners nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz.350) Der nichteheliche Partner des Schuldners gehört nach der Rechtsprechung des BGH zwar nicht zu den nahestehenden Personen i. S. d. § 138 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a InsO.351) Insoweit greift jedoch ggf. § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO.352)

(2) Verwandte 139 Weiterhin zählen zu den nahestehenden Personen die in § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO aufgeführten Verwandten des Schuldners. Maßgeblich für die Bestimmung des Verwandtschaftsverhältnisses sind die Bestimmungen des BGB.353) Dem Schuldner ___________ 343) Etwa: BGH 22.12.2016 – IX ZR 94/14 – NJW-RR 2017, 682, 684 m. w. N.; Kayser/ Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 44. 344) Zu der Rechtslage vor Einführung der InsO: App, FamRZ 1996, 1523. 345) Zur Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 GG: OLG Hamm 5.3.2009 – 27 U 45/07 – BeckRS 2010, 18789; Biehl, FamRZ 2001, 745 ff.; hält die Einbeziehung früherer Ehegatten für fragwürdig: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 140. 346) Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 5. 347) Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 7; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 138 Rn. 3. 348) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 138 Rn. 3; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 4. 349) Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 4. 350) Siehe auch: Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 7. 351) BGH 17.3.2011 – IX ZA 3/11 – ZVI 2011, 219; dazu auch: Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 7; Harder, in: NK-PrivatinsR, § 138 Rn. 7; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 6. 352) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 138 Rn. 3. 353) Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 10; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 138 Rn. 7; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 138 Rn. 7; Kirchhof/Gehrlein, in: MüKo-BGB, § 138 Rn. 6.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

nahestehend sind demnach Verwandte in auf- oder absteigender Linie, mithin Kinder, Enkelkinder, Eltern und Großeltern, sowie voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners und verschwägerte Personen i. S. d. § 1590 BGB.354) Nicht erfasst sind dagegen die in Seitenlinie mit dem Schuldner verwandten Personen, wie Onkel, Tanten, Nichten oder Neffen.355) Das Verwandtschaftsverhältnis kann auch durch Adoption begründet sein (§ 1754 BGB).356) Unter § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen zudem die oben genannten Verwandten des 140 Ehegatten oder Lebenspartners des Schuldners.357) Aufgrund der Verweise auf Nr. 1 und Nr. 1a gilt in Bezug auf diese, dass die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bei Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung zwar nicht mehr bestanden haben muss, sie darf aber auch nicht früher als ein Jahr zuvor aufgelöst worden sein.358) Für die Ehegatten bzw. Lebenspartner der in Nr. 2 erwähnten Personen gilt, dass die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bei Vornahme der Rechtshandlung bestanden haben muss.359)

(3) Personen in häuslicher Gemeinschaft oder dienstvertraglicher Beziehung Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten 141 Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt haben, gelten gem. § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO als nahestehende Personen. Dies gilt nur, wenn das Zusammenleben zu einer persönlichen Nähe führt bzw. geführt hat, aufgrund derer ein entsprechend intensiver Austausch von Informationen zwischen dem Schuldner und der mit ihm zusammenlebenden Person zu erwarten ist.360) Als Beispiele sind insoweit der nichteheliche Lebensgefährte des Schuldners oder Pflegekinder anzuführen.361) Zweckgemeinschaften, wie etwa studentische Wohngemeinschaften fallen nicht unter § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO.362) Anders als im Rahmen des § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO darf der das Näheverhältnis begründende Umstand, hier also die häusliche Gemeinschaft, nicht erst nach Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung begründet worden sein.363) ___________ 354) 355) 356) 357) 358) 359) 360) 361) 362) 363)

Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 7. Harder, in: NK-PrivatinsR, § 138 Rn. 9; Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 11. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 138 Rn. 7; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 138 Rn. 7. Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 138 Rn. 8. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 138 Rn. 9; Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 12. Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 12. Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 9; Kirchhof/Gehrlein, in: MüKo-InsO, § 138 Rn. 7. Harder, in: NK-PrivatinsR, § 138 Rn. 14; Zivkovic, PrivatinsRK, § 138 Rn. 9. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 138 Rn. 11; Harder, in: NK-PrivatinsR, § 138 Rn. 14. K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 140 ff. sieht darin eine verfassungsrechtlich relevante Schlechterstellung von Ehegatten.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

142 Auch solche Personen, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können, gelten gem. § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO als nahestehend. Anzuführen sind insoweit etwa leitende Angestellte des Schuldners, wohl aber nicht „einfache“ Angestellte oder solche Personen, die für den Schuldner selbstständig tätig sind oder in anderweitigen Geschäftsbeziehungen zu ihm stehen.364)

(4) Gesellschaftsrechtliche Nähebeziehung 143 Dem Schuldner nahestehende Person kann gem. § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO auch eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit sein, wenn der Schuldner oder eine der in den Nr. 1 bis 3 genannten Personen Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans oder persönlich haftender Gesellschafter ist oder zu mehr als einem Viertel an deren Kapital beteiligt ist oder auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hat, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten.

b) Beweislast 144 Gelingt dem Insolvenzverwalter der Nachweis, dass der Schuldner mit einer solchen nahestehenden Person einen entgeltlichen Vertrag geschlossen hat, der zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung geführt hat, wird widerlegbar vermutet, dass der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat. Letztlich handelt es sich bei dem Anfechtungstatbestand mithin um eine Vorsatzanfechtung mit umgekehrter Beweislast.365) Kann der andere Teil allerdings nachweisen, dass der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen wurde oder ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war, ist die Anfechtung ausgeschlossen (vgl. § 133 Abs. 4 S. 2 InsO). Zweifel an der Datierung des Vertrags gehen dabei zulasten des Anfechtungsgegners.366)

c)

Verfassungsrechtliche Bewertung

145 Die Regelung tangiert in einem nicht unerheblichen Ausmaß die ehelichen bzw. familiären Interessen, denn Ehe und Familie sind im Rahmen des § 138 Abs. 1 InsO Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Nachteile.367) Soweit die Vorschrift dadurch ___________ 364) Harder, in: NK-PrivatinsR, § 138 Rn. 16. 365) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 183; siehe auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 135. 366) So schon der RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 160; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 83; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 197; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 43. 367) Biehl, FamRZ 2001, 745, 747.

52

C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

in den Schutzbereich des Art. 6 GG eingreift, bedarf sie mithin einer sachlichen Rechtfertigung, um als verfassungskonform angesehen werden zu können. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz für Ehe und Familie erfordert dabei nicht, dass diese vor jedweden nachteiligen Rechtsfolgen verschont bleiben.368) An die Regelung muss aber vor dem Hintergrund der mit Art. 6 GG verbundenen Schutz- und Förderpflicht des Staates369) der Anspruch gestellt werden, die betroffenen und zu schützenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich miteinander zu bringen.370) Die Vorschrift soll die Insolvenzmasse bzw. die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung 146 vor Masseverkürzungen schützen.371) Die Annahme, der Schuldner sei geneigt Vermögensteile durch Übertragung auf ihm nahestehende Personen dem Gläubigerzugriff zu entziehen, beruht auf der Vorstellung, dass der Schuldner wegen der engen Verbundenheit davon ausgeht, auch nach der Übertragung weiter an ihnen partizipieren zu können.372) Der Gesetzgeber geht zudem davon aus, dass nahestehende Personen in der Regel die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des späteren Schuldners kennen, seine Absichten leichter durchschauen und wegen ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verbundenheit eher bereit sind, mit ihm zum Schaden seiner Gläubiger Verträge abzuschließen.373) Um dem vorzubeugen und die Insolvenzmasse bzw. die Insolvenzgläubiger vor einem derartigen Vorgehen zu schützen, hat sich der Gesetzgeber im Rahmen des § 138 Abs. 1 InsO dem Rechtsinstrument der widerleglichen Rechtsvermutung bedient und die Insolvenzanfechtung ggü. diesen Personen erleichtert.374) Nahestehende Personen werden von Gesetzes wegen damit zunächst als „suspekt“ qualifiziert und Rechtshandlungen mit ihnen unter Generalverdacht gestellt.375) Die Nachteile, die den nahestehenden Personen dadurch entstehen, sind dabei unmittelbar an ihre persönliche Beziehung zum Schuldner geknüpft.376) Außer Frage muss daher stehen, dass § 138 Abs. 1 InsO den Schutzbereich des

___________ 368) Von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 35; Biehl, FamRZ 2001, 745, 747; vgl. auch: BVerfG 7.5.1968 – 1 BvR 133/67 – BVerfGE 23, 258, 264. 369) Dazu: von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 34; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 10. 370) Dazu auch: Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. 371) Zu dem Zweck der Insolvenzanfechtung im Allgemeinen: K. Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 129 Rn. 1. 372) Kirchhof/Gehrlein, in: MüKo-InsO, § 138 Rn. 2. 373) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 183; Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 2; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 138 Rn. 1; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 136; vgl. dazu auch den RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 161 f. 374) Zu dem Zweck der Vorschrift: Ganter, in: Karsten Schmidt, InsO, § 138 Rn. 2; Kichhof/Gehrlein, in: MüKo-InsO, § 138 Rn. 1; dazu auch: Kirchhof, ZInsO 2001, 825 f. 375) So: Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 138 Rn. 1; dazu auch: Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 138 Rn. 1; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 136 spricht sogar von einem „institutionalisierten Misstrauen“. 376) Biehl, FamRZ 2001, 745, 747.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Art. 6 Abs. 1 GG berührt, soweit der von diesem geschützte Personenkreis377) betroffen ist.378)

147 Vor dem Hintergrund entsprechender praktischer Erfahrungen ist dieser Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG im Allgemeinen jedoch sachgerecht.379) Die Lebenserfahrung zeigt, dass persönlich Nahestehende den Zugriff der Gläubiger auf Vermögensgegenstände des Schuldners häufig vereiteln wollen.380) Die Insolvenzmasse, die die Insolvenzgläubiger gleichmäßig quotal befriedigen soll, muss vor derartigen Eingriffen geschützt werden.381) Dies zeigt auch ein Vergleich mit dem Einzelzwangsvollstreckungsrecht. Dieses nimmt in § 1362 BGB eine vergleichbare Wertung vor, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch als verfassungskonform angesehen wird.382) Auch diese Vorschrift schützt die Vollstreckungsgläubiger vor einer Vermögensvertuschung im innerehelichen Kreis, indem sie eine widerlegliche Eigentumsvermutung zulasten des Schuldners aufstellt.383) Für die Frage nach der Sachrichtigkeit solcher Beweiserleichterungen im Allgemeinen kann mithin auch auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (o siehe Rn. 94 ff.).

148 Fraglich ist jedoch, ob auch die Reichweite des von § 138 Abs. 1 InsO berücksichtigten Personenkreises von dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot gedeckt ist.384) § 138 Abs. 1 InsO pauschalisiert. Anders als im Rahmen des § 1362 BGB unterliegen nämlich, wie gezeigt, nicht nur der Ehegatte des Schuldners einer beweisrechtlichen Schlechterstellung, sondern auch seine entfernteren Verwandten, wie etwa der frühere Ehegatte oder der Schwager.385) Die gesetzliche Vermutung greift mithin auch dann, wenn typische Insidergefahren386) gar nicht (mehr) zu befürchten sind.387) So liegt es etwa auf der Hand, dass das Verhalten des Ehegatten des Schuldners für den Bestand der Insolvenzmasse verdächtiger ist als dasjenige des Schwagers.388) Auch bei früheren Ehegatten ist fraglich, inwieweit diese nach ___________ 377) 378) 379) 380) 381) 382)

383) 384) 385) 386) 387) 388)

54

Dazu ausführlich: Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 60 ff. So auch: Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. So im Ergebnis auch: Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. Zu der entsprechenden Zielsetzung des Insolvenzverfahrens: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 33 f. BGH 14.12.2006 – IX ZR 92/05 – NJW 2007, 992; ebenso: OLG Köln 15.3.1989 – 6 U 191/88 – NJW 1989, 1737 f.; LG Frankfurt 9.3.1984 – 2/9 T 259/84 – NJW 1986, 729; WeberMonecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 10; Brox, FamRZ 1981, 1125, 1127. Zu dem Normzweck: Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 2. Diese Frage schon aufwerfend: Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. Die Begrifflichkeit „Insider“ geht zurück auf: Biehl, Insider im Insolvenzverfahren, 1. Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. Biehl, FamRZ 2001, 745, 747.

C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

einer Trennung noch zulasten der Gläubiger zusammenwirken.389) Teile der Literatur halten die Regelung vor diesem Hintergrund für zu pauschal und haben schon frühzeitig vorgeschlagen, nach der Verdächtigkeit der Insider zu unterscheiden.390) Für die Praxis hätte dies jedoch ein empfindliches Minus an Handhabbarkeit zur Folge, das mit einer unverhältnismäßig großen Gefahr der Vermögensvertuschung zulasten der Insolvenzmasse verbunden wäre.391) Es muss nach der hier vertretenen Ansicht mithin bei einer pauschalen Regelung bleiben. Den nahestehenden Personen bleibt die Möglichkeit, der Anfechtung durch den Beweis des Gegenteils zu entgehen. Dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot ist dadurch hinreichend genüge getan.392) Die Anforderungen an den Gegenbeweis dürfen aufgrund der Pauschalität der Regelung indes nicht überhöht werden.393) Für die Praxis ist insoweit Augenmaß zu fordern.

4.

Unentgeltlichkeitsanfechtung nach § 134 InsO

Eine unentgeltliche Leistung des Schuldners ist gem. § 134 InsO innerhalb von vier 149 Jahren anfechtbar, ohne dass es dabei auf subjektive Kriterien, mithin den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bzw. die Kenntnis des Anfechtungsgegners ankommt. Die Anfechtungsvoraussetzungen für solche unentgeltlichen Vermögensverschiebungen sind demnach im Vergleich zu denen nach § 133 InsO wesentlich erleichtert.394) Die Vorschrift beruht auf Billigkeitserwägungen.395) Ihr liegt der Rechtsgedanke zu Grunde, dass der unentgeltliche Erwerb hinter die Interessen der Insolvenzgläubiger an der Rückabwicklung gläubigerbenachteiligender Vorgänge zurücktritt, die optimale Masserealisierung mithin stärker wiegt als der Vertrauensschutz des Empfängers einer unentgeltlichen Leistung bzgl. des Behaltendürfens.396) Der Empfänger kann sich lediglich auf den Entreicherungseinwand gem. § 143 Abs. 2 S. 1 InsO berufen,

___________ 389) An der Einbeziehung des früheren Ehegatten zweifelnd: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 138 f. 390) Killinger, Insolvenzanfechtung gegen Insider, 196 ff.; dazu auch: Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. 391) So auch: Biehl, FamRZ 2001, 745, 747. 392) So auch: Biehl, FamRZ 2001, 745, 747; a. A. wohl: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 141, die es im Ergebnis de lege ferenda ablehnt, nahestehende Personen grundsätzlich schlechter zu stellen als Gläubiger ohne persönliche Beziehung bzw. anderer persönlicher Beziehung. 393) Zur Beweislast i. R. d § 133 Abs. 4 InsO: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 195 ff. 394) Harder, in: NK-PrivatinsR, § 134 Rn. 3. 395) Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 134 Rn. 4; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 1. 396) Bork, NZI 2018, 1, 3; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 21; siehe auch: BGH 21.12.2010 – IX ZR 199/10 – NZI 2011, 107.

55

Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

sofern er nicht weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.397)

150 Der Abgrenzung zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Leistung kommt im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts mithin eine große Bedeutung zu. Aufgrund der für den Insolvenzverwalter erleichterten Anfechtungsvoraussetzungen in § 134 InsO, empfiehlt es sich aus Sicht des Schuldners, Zuwendungen zum Zwecke der Asset Protection grundsätzlich als entgeltlich auszugestalten. Eine Anfechtung über § 134 InsO scheidet dann nämlich aus und die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 InsO sind für gewöhnlich schwierig nachzuweisen. Die Qualifizierung als entgeltlich hat mithin zur Folge, dass eine Anfechtung in diesem Rahmen nur innerhalb des Zweijahreszeitraums nach § 133 Abs. 4 InsO möglich ist.

a) Unentgeltliche Leistung 151 Im Folgenden soll sich dem Begriff „unentgeltlich“ i. S. d. § 134 Abs. 1 InsO genähert werden. Dabei ist im Rahmen dieses Themenzuschnitts nur das Zwei-PersonenVerhältnis von Relevanz.398) Auf die spezifischen, sich im Rahmen von DreiPersonen-Verhältnissen stellenden Fragen soll nicht näher eingegangen werden.399)

152 Ursprünglich ging die Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, eine unentgeltliche Zuwendung liege vor, wenn ihr „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts“ keine Gegenleistung gegenüberstehe.400) Eine Zuwendung war somit unentgeltlich, wenn für sie „vereinbarungsgemäß“ keine Gegenleistung erbracht wurde.401) Dagegen war eine Leistung entgeltlich, wenn der Gemeinschuldner hierzu verpflichtet war oder eine solche Verpflichtung irrtümlich angenommen hatte.402) Im Fokus der Differenzierung stand mithin nicht das Wertverhältnis der Leistungen, sondern, dass die Beteiligten den Gegenwert als Entgelt aufgefasst haben.403) Im späteren Verlauf hielt sodann eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Einzug in die Rechtsprechung des BGH.404) ___________ 397) Zu den Anforderungen an die Darlegung des Entreicherungseinwands durch den Anfechtungsgegner: BGH 27.10.2016 – IX ZR 160/14 – ZIP 2016, 2326; zur Kenntnis oder zum Kennenmüssen der Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 143 Abs. 2 S. 2 InsO: BGH 24.3.2016 – IX ZR 159/15 – ZIP 2016, 1034. 398) Auf die Unterscheidung hinweisend: Ganter, NZI 2015, 249, 254. 399) Dazu: Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 19. 400) RG 9.11.1905 – Rep. VI. 49/05 – RGZ 62, 38, 44 f.; RG 26.1.1918 – Rep. V. 238/17 – RGZ 92, 227, 228. 401) So noch zu § 32 KO: BGH 29.11.1990 – IX ZR 29/90 – BGHZ 113, 98, 101. 402) BGH 13.3.1978 – VIII ZR 241/76 – BGHZ 71, 61, 91. 403) Ganter, NZI 2015, 249, 250. 404) Mittlerweile st. Rspr., siehe etwa: BGH 9.11.2006 – IX ZR 285/03 – NZI 2007, 101; 29.11.1990 – IX ZR 29/90 – NJW 1991, 560; 28.2.1991 – IX ZR 74/90 – NJW 1991, 1610, 1611; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 29; Ganter, NZI 2015, 249, 250 f.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

Die bis dahin für das Zwei-Personen-Verhältnis streng beachtete, rechtsgeschäftlich orientierte Auffassung wurde zu Gunsten einer Betrachtungsweise eingeschränkt, in der das objektive Verhältnis der Werte der beiderseitigen Leistungen berücksichtigt werden sollte.405) Mittlerweile kombiniert der BGH für die Abgrenzung objektive mit subjektiven 153 Kriterien.406) Danach ist eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll.407) Als entgeltlich wird dagegen eine Verfügung angesehen, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte.408) Bei der Differenzierung kommt es nach Auffassung des BGH zwar nach wie vor 154 vordergründig auf die objektive Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung an.409) Begründet wird dies damit, dass die Beteiligten andernfalls allein dadurch, dass sie einer für den Schuldner objektiv wertlosen Leistung und ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen einen subjektiven Wert beimessen, den Zweck des Gesetzes vereiteln könnten.410) Maßgeblich für die Abgrenzung sollen aber daneben subjektive Kriterien sein, sodass 155 insbesondere beiderseitige Fehlvorstellungen über die Werthaltigkeit bei objektiver Wertlosigkeit in diese einzubeziehen sind.411) § 134 Abs. 1 InsO ist nach Auffassung des BGH nicht anwendbar, wenn beide Teile nach den objektiven Umständen der Vertragsanbahnung, den Vorüberlegungen der Parteien und den objektiven Umständen des Vertragsschlusses selbst von einem Austauschgeschäft ausgehen und zudem in gutem Glauben von der Werthaltigkeit der dem Schuldner gewährten Gegenleistung überzeugt sind, die sich erst aufgrund einer nachträglichen Prüfung

___________ 405) Dazu: Ganter, NZI 2015, 249, 250. 406) BGH 22.10.2020 – IX ZR 208/18 – ZVI 2021, 34, 35; 19.7.2018 – IX ZR 296/17 – NJW 2018, 3018. 407) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/15 – NZI 2017, 68, 69. 408) BGH 22.10.2020 – IX ZR 208/18 – ZVI 2021, 34, 35; 19.7.2018 – IX ZR 296/17 – NJW 2018, 3018. 409) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/05 – NZI 2017, 68, 69; 3.3.2005 – IX ZR 441/00 – BGHZ 162, 276; 29.11.1990 – IX ZR 29/90 – BGHZ 113, 98, 102; 28.2.1991 – IX ZR 74/90 – BGHZ 113, 393, 395 f. 410) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/05 – NZI 2017, 68, 69. 411) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/05 – NZI 2017, 68, 69; dazu auch: Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 40; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 32a; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 29.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

als wertlos erweist.412) Der von der Rechtsordnung bei der Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO zu beachtende Beurteilungsspielraum werde demnach nicht verlassen, sofern beide Parteien subjektiv in gutem Glauben der Überzeugung seien, bei der Bemessung von Leistung und Gegenleistung einen interessengerechten Ausgleich gefunden zu haben.413) Etwas anderes gelte allenfalls dann, wenn die Fehlvorstellung ihre Grundlage in den objektiven Umständen des Vertragsschlusses finde.414)

b) Beweislast 156 Die Beweislast trägt der anfechtende Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter.415) Er hat darzulegen und zu beweisen, dass eine unentgeltliche Leistung durch den Schuldner erbracht wurde.416) Beruft sich der Anfechtungsgegner darauf, dass beide Teile von einem gleichwertigen Leistungsaustausch ausgegangen sind, genügt der Insolvenzverwalter diesen Beweisanforderungen nicht, wenn er lediglich ein Missverhältnis des objektiven Werts von Leistung und Gegenleistung darlegt und beweist.417) Vielmehr muss er dartun und beweisen, dass keine objektiven Umstände vorgelegen haben, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlaubten.418)

157 Nach einer Auffassung in der Literatur kommt dem Insolvenzverwalter in diesem Zusammenhang die gesetzliche Vermutung des § 1362 BGB zugute.419) Vertreten wird insoweit, dass diese zu einer erheblichen Beweiserleichterung für den Anfechtenden, namentlich zur Annahme der Unentgeltlichkeit führe, da jede vereinbarte Gegenleistung mutmaßlich bereits von vornherein zum Vermögen des zuwendenden Ehegatten gehöre.420)

158 Ein solches Verständnis der Norm ist jedoch weder von ihrem Wortlaut gedeckt, noch entspricht es ihrem Zweck. Bei der Vorschrift des § 1362 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Rechtsvermutung, nach der von einer Tatsache, namentlich dem Besitz, auf die Entstehung oder den Erwerb eines Rechts, namentlich das Eigentum, geschlossen wird.421) Auf Rechtsgeschäfte bezieht sich die Vorschrift schon ___________ 412) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/15 – NZI 2017, 68, 69; dagegen: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 32a. 413) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/15 – NZI 2017, 68, 69 f. 414) BGH 22.10.2020 – IX ZR 208/18 – ZVI 2021, 34, 35. 415) BGH 30.3.2006 – IX ZR 84/05 – ZIP 2006, 957; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 163. 416) Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 134 Rn. 83. 417) BGH 22.10.2020 – IX ZR 208/18 – ZVI 2021, 34, 35. 418) BGH 22.10.2020 – IX ZR 208/18 – ZVI 2021, 34, 35. 419) Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 23 f. 420) So aber: Weber-Monecke, in: MüKo-BGB, § 1362 Rn. 20; kritisch dazu: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 24; a. A.: Erbarth, in: BeckOGK, § 1362 BGB Rn. 21. 421) Dazu: Erbarth, in: BeckOGK, § 1362 BGB Rn. 21.2.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

dem Wortlaut nach nicht.422) Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Vorschrift, die Gläubiger eines Ehegatten vor einer Verschleierung der Eigentumslage durch ein Zusammenwirken beider Ehegatten zu schützen und so eine Beweisnot der Gläubiger zu verhindern.423) Diesem Normzweck wird im Insolvenzverfahren bereits dadurch genügt, dass die Vorschrift bei der Bestimmung des Insolvenzbeschlags Anwendung findet und die Zugehörigkeit beweglicher Sachen zur Insolvenzmasse wegen des § 1362 Abs. 1 S. 1 BGB vermutet wird.424) Ein darüber hinausgehender Schutz der Gläubiger ist von dem Normzweck weder gefordert noch von ihm gedeckt.425)

5.

Sonstige Anfechtungstatbestände

Sonstige Anfechtungstatbestände finden sich in § 135 InsO bzw. §§ 130 – 132 InsO. 159 Letztere sind insolvenzspezifisch. §§ 130, 131 InsO setzen zudem voraus, dass es sich bei dem Anfechtungsgegner um einen Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO handelt. Für die präventive Asset Protection haben diese Anfechtungstatbestände eher eine geringe Bedeutung, weswegen auf ihre detaillierte Darstellung an dieser Stelle verzichtet werden kann.426)

III. Innerfamiliäre Maßnahmen der Asset Protection und ihre Anfechtbarkeit 1.

Vermögensübertragungen im innerfamiliären Bereich

Als Maßnahme der Asset Protection kommt zuvorderst die Vermögensübertragung 160 auf eine Vertrauensperson aus dem innerfamiliären Bereich in Betracht, z. B. auf den weniger haftungsgefährdeten Ehegatten oder die Kinder.427) Vorstellbar sind in diesem Zusammenhang sowohl die Anfechtung freiwillig erbrachter Vermögenszuwendungen, als auch die Anfechtung solcher Vermögenszuwendungen, zu denen der Schuldner gesetzlich verpflichtet ist. In Betracht kommt im Grundsatz ferner die Anfechtung des Verzichts auf familienspezifische gesetzliche Ansprüche.

___________ 422) Erbarth, in: BeckOGK, § 1362 BGB Rn. 21.2. 423) Dazu: Erbarth, in: BeckOGK, § 1362 BGB Rn. 21.3. 424) Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 29; ausführlich dazu auch: Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1389; Pieper, ZVI 2009, 99, 103. 425) So auch: Erbarth, in: BeckOGK, § 1362 BGB Rn. 21.3; kritisch auch: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 24. 426) So auch: Rosenberger, RNotZ 2020, 257, 361. 427) Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 362.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

a) Freiwillige Vermögenszuwendungen 161 Im Rahmen von freiwillig erbrachten Vermögenszuwendungen ist zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Geschäften zu unterscheiden. Als entgeltliche Vermögensübertragung kommen sowohl ein Kauf- oder Tauschgeschäft als auch die Beitragszahlung zur Finanzierung einer Immobilie, etwa in Form eines Darlehens, in Betracht.428) Praktisch relevanter für den innerfamiliären Bereich sind jedoch regelmäßig unentgeltliche Vermögenszuwendungen, vor allem in Form von „alltäglichen“ gegenseitigen Zuwendungen.

162 Je nachdem, ob es sich bei der freiwilligen Vermögensübertragung um eine entgeltliche oder eine unentgeltliche Rechtshandlung handelt, kommen § 133 Abs. 1 bzw. Abs. 2 und Abs. 4 InsO sowie § 134 InsO als Anfechtungstatbestände in Betracht. Ist die Zuwendung mithin entgeltlich ausgestaltet, kann die vierjährige Anfechtungsfrist der Schenkungsanfechtung auf zwei Jahre verkürzt werden (vgl. § 133 Abs. 4 InsO). Aus Sicht des Schuldners kann die Vereinbarung tauglicher Gegenleistungen daher zweckmäßig sein.429) Die Führung des Haushalts oder die Kinderbetreuung können dabei allerdings nicht als „Entgelt“ veranschlagt werden.430) Ob es sich bei der Zuwendung um eine entgeltliche oder eine unentgeltliche handelt, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BGH vordergründig, wie bereits erläutert, anhand einer objektiven Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung (o siehe dazu Rn. 151 ff.).

163 Unentgeltliche, gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von geringem Wert unterliegen nicht der Anfechtung (vgl. § 134 Abs. 2 InsO). Als Gelegenheitsgeschenke in diesem Sinne sind Geschenke zu bestimmten Anlässen, wie etwa zu Weihnachten oder zum Geburtstag zu verstehen, wenn sie insoweit als geringwertig anzusehen sind, dass sie im Einzelfall einen Betrag von 200 Euro nicht übersteigen und im Kalenderjahr ein Gesamtbetrag von 500 Euro nicht überschritten wird.431)

164 Im Folgenden soll auf ausgewählte Arten freiwilliger Vermögenszuwendungen im innerfamiliären Bereich gesondert eingegangen werden.

aa) Unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten 165 Besonders hervorzuheben sind zunächst unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten. Unterschieden wird im Rahmen dieser zwischen gewöhnlichen Schenkungen i. S. d. § 516 BGB und sog. ehebedingten unbenannten Zuwendungen als ehebezo___________ 428) Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 362 f. 429) So: Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 363. 430) Vgl. etwa: BGH 13.3.1978 – VIII ZR 241/76 – NJW 1978, 1326, 1327; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 22; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 41. 431) BGH 4.2.2016 – IX ZR 77/15 – NZI 2016, 359, 361.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

gene Rechtsgeschäfte eigener Art.432) Die Abgrenzung zwischen den beiden Rechtsgeschäften ist in der Vergangenheit Gegenstand zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen.433) Beachtenswert ist die Unterscheidung vor allem aufgrund der unterschiedlich ausgestalteten Ausgleichsregelungen im Rahmen der Auflösung einer Ehe.434) Im Rahmen einer Schenkung ist ein solcher Ausgleich nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 528 ff. BGB möglich. Die Abgrenzung richtet sich nach dem Parteiwillen.435) Eine Schenkung liegt dem- 166 nach vor, wenn sie nach dem Willen der Parteien unentgeltlich i. S. e. echten Freigebigkeit ist und nicht an die Erwartung des Fortbestands der Ehe geknüpft wird. Eine ehebezogene Zuwendung wird dagegen angenommen, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde.436) Für die Qualifizierung der Rechtshandlung als entgeltlich bzw. unentgeltlich i. S. d. 167 Anfechtungstatbestände soll diese Unterscheidung keine Rolle spielen.437) Einschlägig ist nach überwiegender Auffassung stets § 134 Abs. 1 InsO, und zwar mit der Begründung, dass dieser nicht nur Schenkungen, sondern weitergehend alle objektiv unentgeltlichen Verfügungen und somit auch ehebedingte Zuwendungen erfassen solle.438) Anzumerken ist insoweit, dass die Tendenzen der Rechtsprechung, die Abgrenzung 168 zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften anhand subjektiver Kriterien vorzunehmen (o siehe dazu Rn. 151 ff.), dem Schuldner und seiner Familie „in die Karten spielen“ können. Denkbar ist etwa, dass die Ehegatten von der Werthaltigkeit eines Zugewinns ausgehen und der eine Ehegatte in diesem Glauben auf dessen Geltendmachung verzichtet, während der Schuldner im Gegenzug das Eigentum an einem Grundstück überträgt. Der diesem Rechtsgeschäft zugrunde___________ 432) BGH 17.1.1990 – XII ZR 1/89 – NJW-RR 1990, 386, 387; instruktiv zu der Entwicklung der Rechtsfigur der unbenannten Zuwendung: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 52 ff. 433) BGH 17.1.1990 – XII ZR 1/89 – NJW-RR 1990, 386, 387; 2.10.1991 – XII ZR 142/90 – NJW 1992, 238 f.; Koch, in: MüKo-BGB, § 516 Rn. 62. 434) Zu der Entwicklung der Figur der unbenannten Zuwendung: Jeep, NZFam 2014, 293, 294. 435) Siehe etwa: BGH 2.10.1991 – XII ZR 142/90 – NJW 1992, 238 f. 436) Etwa: BGH 17.1.1990 – XII ZR 1/89 – NJW-RR 1990, 386, 387; Jeep, NZFam, 2014, 293, 294. 437) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 41; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 138; Harder, in: NK-PrivatnsR, § 134 Rn. 12; zum Anfechtungsgesetz: BGH 8.2.2011 – IX ZR 33/11 – ZInsO 2012, 128, 134. 438) Koch, in: MüKo-BGB, § 516 Rn. 65; so schon zu der Vorgängernorm § 32 KO: BGH 13.3.1978 – VIII ZR 241/76 – NJW 1978, 1326; insoweit kritisch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 87 ff.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

liegende Irrtum kann dann dazu führen, dass das Rechtsgeschäft als entgeltlich qualifiziert wird und die erleichterten Anfechtungsvoraussetzungen der Schenkungsanfechtung nicht greifen, obgleich sich die Eigentumsübertragung durch den Schuldner als objektiv unentgeltlich dargestellt hat.

bb) Mitarbeit im ehelichen Betrieb 169 Ein weiterhin diskutierter Sonderfall stellt auch die Mitarbeit des Ehegatten in dem schuldnerischen Betrieb dar.439) Arbeitet ein Ehegatte im Geschäft des anderen (ohne Abschluss eines Dienst- oder Arbeitsvertrags) in einer Weise mit, die üblicherweise vergütet wird, und ist diese Mitarbeit auch nicht gesetzlich geschuldet, ist eine dafür vereinbarte und gewährte Vergütung in der Regel entgeltlich, mit der Folge, dass eine Anfechtung nur über § 133 InsO in Betracht kommt, in der Regel also im Zweijahreszeitraum des § 133 Abs. 4 InsO.440)

cc) Familienheim 170 Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch die Übertragung des Eigentums an dem zu Wohnzwecken genutzten Familienheim.441) Dies kann sowohl in entgeltlicher als auch in unentgeltlicher Form erfolgen, mithin sowohl der Anfechtung nach § 133 InsO als auch der nach § 134 InsO unterliegen. Entscheidend ist immer die konkrete Ausgestaltung:

(1) Übernahme eines auf der Immobilie lastenden Grundpfandrechts 171 Die zeitgleiche Übernahme eines auf der Immobilie lastenden Grundpfandrechts ordnete der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 in diesem Zusammenhang als entgeltlich ein.442) Nach seiner Auffassung beurteilt sich die Frage, ob die Zuwendung unentgeltlich ist, nach dem Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs.443) Im konkreten Fall fehlt es ihm vor diesem Hintergrund an der Unentgeltlichkeit, da die wertausschöpfende Belastung des Grundstücks zu dem für die Anfechtung maßgeblichen Zeitpunkt schon bestanden hat.

___________ 439) Dazu etwa: K. L. Frank: Familienrecht und Insolvenz, 56 ff. 440) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 41; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 141. 441) Dazu: Koch, in: MüKo-BGB, § 516 Rn. 55; siehe zur Diskussion um die sog. „Familienheimschaukel“ auch: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 71 ff.; Rosenberger, RNotZ 2020, 257, 366. 442) BGH 21.2.2013 – IX ZR 219/12 – ZInsO 2013, 608. 443) So auch schon: BGH 3.3.2005 – IX ZR 441/00 – BGHZ 162, 276, 281.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

(2) Einräumung eines dinglichen Wohnrechts Nach Auffassung des LG Köln hat die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts 172 keinen Entgeltcharakter.444) Ein solches weise dem Schuldner nicht das Recht der alleinigen Nutzung des Grundbesitzes zu, sondern lediglich das zur gemeinsamen Mitbenutzung. Vor allem sei der Schuldner aber aufgrund der Übertragung des Eigentumanteils nicht mehr zur Verwertung des Grundbesitzes befugt. Sein Vermögen habe sich daher nach Übertragung des Grundbesitzes nach wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung verringert, ohne dass dem eine Gegenleistung als Entgelt gegenüberstünde. Den fehlenden Entgeltcharakter der Einräumung des dinglichen Wohnrechts begründet das Gericht dabei insbesondere damit, dass das dem Schuldner zustehende Wohnrecht für seine Gläubiger nicht verwertbar sei.

dd) Vermögenszuwendungen im Wege vorweggenommener Erbfolge Weiterhin kann Asset Protection auch durch Maßnahmen der vorweggenommenen 173 Erbfolge betrieben werden. Bei solchen handelt es sich in der Regel um unentgeltliche Maßnahmen mit der Folge, dass sie der Anfechtung i. S. d. § 134 Abs. 1 InsO unterfallen.445)

b) Vermögenszuwendungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Neben diesen „freiwillig“ erbrachten Zuwendungen unterliegen auch solche Rechts- 174 handlungen der Insolvenzanfechtung, zu denen der Schuldner gesetzlich verpflichtet ist.446) Anfechtbar sind mithin dem Grundsatz nach auch vom Schuldner vorgenommene Unterhaltsleistungen (o dazu später im Rahmen der Ausführungen zum Unterhalt ausführlicher, Rn. 538 ff.) sowie die Befriedigung von Ansprüchen auf Versorgungsausgleich oder Zugewinnausgleich.447)

c)

Verzicht des Schuldners auf familienspezifische gesetzliche Ansprüche

aa) Ausschlagung einer Erbschaft und Erbverzicht Die Ausschlagung einer Erbschaft bzw. der Erbverzicht ist keine Rechtshandlung 175 i. S. d. § 129 InsO, wenn die Ausschlagung oder der Verzicht vor Eintritt des Erbfalls vorgenommen worden ist.448) Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 83 Abs. 1 ___________ 444) LG Köln 10.9.2008 – 2 O 204/08, Rn. 6. 445) Vgl. dazu: BFH 8.8.1978 – VII R 125/74 – BFHE 125, 500; vgl. ausführlicher zu Vermögenszuwendungen für den Todesfall: Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374 ff. 446) Siehe etwa: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 138. 447) Vgl. Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 41, 43; zur Anfechtbarkeit von Letzterem ausführlich: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 115 ff., 236 ff. 448) Dazu bereits: BGH 20.12.2012 – IX ZR 56/12 – NZI 2013, 137, 138; Kayser/Freudenberger, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 90; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 9; R. Kössinger/Zintl, in: Handbuch der Testamentsgestaltung, § 21 Rn. 118b; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 358.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

S. 1 InsO, wonach die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft aufgrund deren höchstpersönlicher Natur nur dem Schuldner zusteht. Eine Anfechtung scheidet dann aus.449) Zu diesem Zeitpunkt besteht noch keine gesicherte Vermögensposition, sodass sich ein Verzicht nicht negativ auf die Insolvenzgläubiger auswirken kann.450) Auch der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils ist keine Unterlassung i. S. e. Rechtshandlung, da auch dieser Verzicht, solange der Pflichtteil nicht anerkannt oder rechtshängig gemacht wurde, wegen § 852 Abs. 1 ZPO keine Auswirkungen auf die Insolvenzgläubiger hat (o siehe dazu bereits oben, Rn. 70 f.).451)

bb) Verzicht auf die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs 176 Dasselbe gilt gem. § 852 Abs. 2 ZPO für den Verzicht auf den Zugewinnausgleich.452) Auch dieser kann sich, solange der Zugewinnausgleichsanspruch noch nicht anerkannt oder rechtshängig gemacht wurde, nicht negativ auf die Insolvenzgläubiger auswirken. Für den ausgleichsberechtigten Ehegatten besteht mithin die Möglichkeit, den Zugriff der Insolvenzgläubiger dadurch zu verhindern, dass er den Anspruch vorerst nicht geltend macht.453) Macht er den Zugewinnausgleichsanspruch erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und der Wohlverhaltensphase geltend, kann er ihn so gänzlich dem Gläubigerzugriff entziehen.454)

177 In der Literatur wird dies zum Teil vor dem Hintergrund des mit einer Wahlmöglichkeit einhergehenden Missbrauchspotentials kritisch gesehen und gefordert, dass der Schuldner dazu verpflichtet werden kann, zwecks gemeinschaftlicher Gläubigerbefriedigung die Voraussetzungen für eine Massezugehörigkeit des zu seinen Gunsten bestehenden Zugewinnausgleichsanspruchs zu schaffen.455) Befürchtet wird, dass andernfalls ein Scheidungsbeschluss durch Anhängigmachung weiterer Folgesachen im Verbundverfahren ad infinitum hinausgezögert werden könnte und Absprachen zwischen den beteiligten Eheleuten zulasten der Gläubiger dann auf der Hand lägen.456) Im Ergebnis fruchten diese Bedenken aber nicht. Die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs greift tief in das persönliche Verhältnis zwischen ___________ 449) Gehrlein, in: NK-PrivatinsR, § 35 Rn. 40. 450) Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 9. 451) BGH 6.5.1997 – IX ZR 147/96 – NJW 1997, 2384; vgl. auch: BGH 10.3.2011 – IX ZB 168/09 – NZI 2011, 329, 330; Kayser/Freudenberger, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 90; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 9; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 358; zur ausnahmsweisen Pfändbarkeit vor Eintritt der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO: BGH 8.7.1993 – IX ZR 116/92 – NJW 1993, 2876. 452) So etwa: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 9; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 358. 453) Dazu auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 230 f. 454) K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 231. 455) Dies aufwerfend: Perleberg-Köbel, FuR 2017, 432, 434; dagegen: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 231 f. 456) Perleberg-Köbel, FuR 2017, 432, 434.

64

C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

den Ehegatten ein.457) Der Anspruch hat höchstpersönlichen Charakter und ist aus diesem Grund auch nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst.458) Entscheidet der Schuldner sich gegen die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs, muss diese Entscheidung auch Wirkung für die Insolvenzmasse entfalten.459) Nur wenn er sich für die Realisierung des Anspruchs entscheidet, ist es sachgerecht, auch seine Gläubiger in den Genuss der Vorteile zu bringen.460) Dies entspricht auch den Wertungen an anderen Stellen der Insolvenzordnung, wie 178 etwa bei § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO und innerhalb der zu dieser Norm ergangenen Rechtsprechung.461) Nach dieser Norm obliegt es dem Schuldner im Rahmen der Wohlverhaltensphase zwar, Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt dies aber ebenfalls nur, soweit das Erbe angenommen wurde.462)

2.

Güterrechtliche Maßnahmen

Die insolvenzspezifischen Anfechtungsregeln der §§ 129 ff. InsO erstrecken sich 179 grundsätzlich auch auf güterrechtliche Maßnahmen.463)

a) Anfechtbarkeit des Ehevertrags Güterrechtsverträge sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH im Grundsatz in 180 gleicher Weise anfechtbar wie sonstige Verträge zwischen Ehegatten.464) Zu differenzieren ist jedoch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG und § 1408 Abs. 1 BGB bzw. mit ___________ 457) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 219. 458) Höchstpersönliche Ansprüche, die dem Familien- oder Erbrecht zuzurechnen sind, werden nach einhelliger Auffassung nicht zur Insolvenzmasse gerechnet, vgl.: Köster/Berner, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 1, Rn. 21; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 34, 37. 459) So auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 231 f. 460) Für die Einzelzwangsvollstreckung: Kemper, in: Saenger, ZPO, § 852 Rn. 1. 461) BGH 10.3.2011 – IX ZB 168/09 – NJW 2011, 2291; 25.6.2009 – IX ZB 196/08 – NJW-RR 2010, 121; Kogel, in: Kogel, Zugewinnausgleich, Rn. 1691. 462) BGH 10.3.2011 – IX ZB 168/09 – NJW 2011, 2291; 25.6.2009 – IX ZB 196/08 – NJW-RR 2010, 121. 463) Etwa: Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 129 Rn. 89; dazu auch: Scheller, in: BeckOKBGB, § 1408 Rn. 4a; detailliert zu dem insoweit entstehenden Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und zwingenden insolvenzrechtlichen Schutzzwecken: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 1 ff., 245 f. 464) BGH 8.12.2011 – IX ZR 33/11 – NJW 2012, 1217, 1222; 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 143; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 80; Kluth, in: NK-PrivatinsR, § 133 Rn. 52; Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 93; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 42; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, 45; a. A. zur Schenkungsanfechtung, für die Vorsatzanfechtung aber ausdrücklich offengelassen: BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48, 49.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Blick auf die eheliche Vertragsfreiheit zwischen der statusrelevanten Gestaltungswirkung einerseits und der mit ihnen verbundenen vermögensrechtlichen Wirkung andererseits.465)

181 Der Abschluss bzw. die Änderung eines Güterrechtsvertrags werden als entgeltliche Rechtshandlungen qualifiziert. Anwendbar sind mithin die Vorschriften der Entgeltlichkeitsanfechtung.466) Dieser Einordnung als entgeltlich liegt die Überlegung zugrunde, dass es den Ehegatten aufgrund der Ehevertragsfreiheit jederzeit freistehen muss, ihren Güterstand zu ändern.467) Dieser Freiheit sollen sie nicht dadurch verlustig werden, dass die beweisrechtlich erleichterte Schenkungsanfechtung gilt.468)

b) Ausgewählte anfechtungsrelevante Maßnahmen in Bezug auf den Güterstand aa) Ausgleich des Zugewinns bei bestehender Ehe („fliegender Zugewinnausgleich“) 182 In Betracht kommt auch ein sog. fliegender Zugewinnausgleich. Bei einem solchen wird – bei fortbestehender Zugewinngemeinschaft – der in der Vergangenheit entstandene Zugewinnausgleichsanspruch ausgeglichen und der Stand der Ausgleichung sodann als neues Anfangsvermögen festgelegt.469) Dieses Vorgehen wird als unentgeltliche Leistung angesehen, mit der Folge, dass eine entsprechende Vereinbarung über § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar ist.470)

bb) Güterstandsschaukel 183 Überdies kommt als güterrechtliche Gestaltungsvariante zur Asset Protection die freiwillige Beendigung des Güterstands in Form eines Wechsels vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütertrennung in Betracht (sog. Güterstandsschaukel).471) Dabei passiert das Folgende472): Die Zugewinn___________ 465) Zu Recht: Herrler, in: FamR in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 19 Rn. 49 mit Verweis auf BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 740. 466) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; siehe auch: Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 42; Kluth, in: NK-PrivatinsR, § 133 Rn. 52; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 80; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 109 f.; Unger/Dreßler, NWB-EV, 212, 214; zum alten Recht: BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48, 49. 467) BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48, 49; siehe auch: von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 256. 468) BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48, 49; dazu: von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 256. 469) Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 369. 470) Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 41; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 369. 471) Anerkannt durch die Grundsatzentscheidung: BFH 12.7.2005 – II R 29/02 – DNotI-Report 2005, 181, 182; zu dieser: Unger/Dreßler, NWB-EV 2017, 212 ff. 472) Instruktiv dazu: Unger/Dreßler, NWB-EV 2017, 212 ff.; Hosser, ZEV 2011, 174 f.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

gemeinschaft wird beendet, wodurch ein Anspruch auf Zugewinnausgleich nach § 1378 Abs. 1, 3 BGB entsteht. Dieser Anspruch ist gem. § 5 Abs. 2 ErbStG steuerfrei. Die vermögenssichernde Wirkung besteht mithin darin, dass das Vermögen des einen Ehegatten steuerfrei auf den anderen Ehegatten übertragen und dem Zugriff der Gläubiger somit entzogen wird.473) Für die Durchführung einer solchen Güterstandsschaukel ist erforderlich, dass die 184 Ehegatten den gesetzlichen Güterstand vollständig beenden und Schritte zur tatsächlichen güterrechtlichen Abwicklung vornehmen.474) Die Ehegatten müssen mithin eine Ausgleichsbilanz ziehen und den Zugewinn konkret berechnen.475) Ein fliegender Güterstandswechsel dergestalt, dass die Ehegatten – bei fortbestehender Zugewinngemeinschaft – den vergangenen Zugewinn ausgleichen und den Stand der Ausgleichung als neues Anfangsvermögen festlegen, genügt dem nicht.476) Unproblematisch ist es nach Auffassung des BFH dabei, wenn die Ehegatten nicht 185 dauerhaft, sondern nur vorübergehend in den Güterstand der Gütertrennung wechseln, mithin auch, wenn die Ehegatten die Gütertrennung für nur eine Nacht vereinbaren.477) Der BFH argumentierte insoweit insbesondere mit der in § 1408 BGB verankerten Vertragsfreiheit.478) Wegen dieser stehe es den Ehegatten frei, eine entsprechende Regelung zu treffen. Insbesondere sei darin auch keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung nach § 42 AO zu sehen.479) Berücksichtigt werden müsse insoweit jedoch die ältere Rechtsprechung des BFH, die einen rechtsmissbräuchlichen Güterstandswechsel annimmt, wenn dem Hin- und Herwechseln ein einheitlicher Plan zugrunde liegt, durch den die Gläubiger benachteiligt werden sollen.480) Um diesen Eindruck zu vermeiden, wird in der einschlägigen Fachliteratur empfohlen, die Güterstandsschaukel aufzutrennen und in zwei separaten Eheverträgen zu vereinbaren.481) Im Grundsatz bleibt ein solches Vorgehen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aber wirksam und ermöglicht es damit den Ehegatten, eine steuerfreie Vermögensverschiebung vorzunehmen.

___________ 473) 474) 475) 476) 477) 478) 479) 480) 481)

Dazu auch: Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 366 f. Unger/Dreßler, NWB-EV 2017, 212 f. BFH 12.7.2005 – II R 29/02 – BeckRS 2005, 24002301. BFH 12.7.2005 – II R 29/02 – BeckRS 2005, 24002301; Unger/Dreßler, NWB-EV 2017, 212 f.; dazu auch: von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 259. BFH 12.7.2005 – II R 29/02 – BeckRS 2005, 24002301. BFH 12.7.2005 – II R 29/02 – BeckRS 2005, 24002301. BFH 12.7.2005 – II R 29/02 – BeckRS 2005, 24002301. BFH 27.11.1991 – IV ZR 266/90 – NJW 1992, 558, 559; dazu: Unger/Dreßler, NWB-EV 2017, 213. Unger/Dreßler, NWB-EV 2017, 213.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

186 Ob der Güterstandswechsel dem Anwendungsbereich der §§ 129 ff. InsO unterliegt, wird in der Literatur – unter Verweis auf dieselbe Entscheidung des BGH482) – unterschiedlich beurteilt.483) Zu differenzieren ist insoweit aber jedenfalls zwischen dem Änderungsvertrag (als Verpflichtungsgeschäft) und der Durchführung des Zugewinnausgleichs (als Vollzugsgeschäft).484)

(1) Anfechtbarkeit des Änderungsvertrags (a) Generell 187 Zum Teil wird mit Verweis auf die Entscheidung des BGH zur Schenkungsanfechtung aus dem Jahr 1971485) vertreten, dass eine Anfechtung des Güterstandswechsels aufgrund der ehelichen Vertragsfreiheit im Allgemeinen, also auch nach den Anfechtungsvorschriften für entgeltliche Rechtshandlungen, auszuscheiden hat.486) Zuzugeben ist dem, dass auch die jüngere Rechtsprechung des BGH in Bezug auf die Anfechtbarkeit eines Güterstandswechsels zweideutig bleibt.487) Im Rahmen einer vielzitierten Entscheidung aus dem Jahr 2010488) statuiert der BGH etwa zunächst, dass der Ausführungsvertrag, mithin die Regelung der Vermögensauseinandersetzung, und deren dinglicher Vollzug, als ein einheitliches Vertragswerk anzusehen seien, das die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger insgesamt verschlechtere und somit im Gesamten anfechtbar sei.489) Dazu im Widerspruch stehen dann auf den ersten Blick allerdings seine späteren Ausführungen in derselben Entscheidung, nach denen „die güterrechtliche Vereinbarung der Eheleute von der Anfechtung nicht erfasst“ sei.490)

___________ 482) Insbesondere: BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738. 483) Dafür: Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 93; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 40; Backes/Priebe, NZI 2010, 961, 965; dagegen: von Hertzberger, RNotZ 2019, 245, 258; Klühs, NZI 2010, 921, 923, 925; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 36 f., 38 ff., 45 f.; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 113 f., 255 f. 484) BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 367 f.; siehe auch: Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 42. 485) BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48. 486) So wohl: von Hertzberger, RNotZ 2019, 245, 258; Klühs, NZI 2010, 921, 923, 925; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 36 f., 38 ff., 45 f.; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 113 f., 255 f. 487) Ausführlich dazu: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 38. 488) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738. 489) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739. 490) So sieht es jedenfalls: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 38; vgl. dazu die Ausführungen in: BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 740.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

Bei der Klärung der Frage nach der Anfechtbarkeit des Güterstandswechsels muss 188 es vor diesem Hintergrund insbesondere auf systematische und teleologische Erwägungen ankommen. Diese sprechen entschieden für eine Anfechtbarkeit des Güterstandswechsels.491)

(aa) Systematische Überlegungen Zunächst ist in systematischer Hinsicht anzumerken, dass der BGH in seiner Ent- 189 scheidung aus dem Jahr 2010492) unter den Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 2 InsO a. F. (nunmehr: § 133 Abs. 4 InsO) subsumiert. Dieser setzt, wie bereits erläutert, eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus. Würde man die Entscheidung des BGH nunmehr, wie vielfach vertreten,493) so lesen, dass nur das Vollzugsgeschäft der Anfechtung unterliegen soll, würde die Entscheidung einen wesentlichen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung zur unmittelbar benachteiligenden Wirkung von Rechtshandlungen darstellen. Vollzugsgeschäften kommt nach ständiger Rechtsprechung494) keine unmittelbar benachteiligende Wirkung zu. Eine davon abweichende Rechtsprechungsänderung hätte eines nicht unerheblichen 190 Begründungsaufwands bedurft, der vorliegend nicht einmal im Ansatz erkennbar ist. Die Entscheidung muss daher schon vor diesem systematischen Hintergrund so verstanden werden, dass der BGH Verträge über die Änderung eines ehelichen Güterstands offensichtlich für anfechtbar hält.495)

(bb) Teleologische Überlegungen Auch teleologische Erwägungen sprechen vor diesem Hintergrund für eine Anfecht- 191 barkeit des Änderungsvertrags. Nähme man den Güterstandswechsel vom Anwendungsbereich des Anfechtungsrechts aus, würde dies dazu führen, dass die Rechtshandlungen im Rahmen einer Güterstandsschaukel nur noch auf Vollzugsebene und, mangels unmittelbar gläubigerbenachteiligender Wirkung eines Vollzugsgeschäfts,496) unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bzw. Abs. 2 InsO anfechtbar ___________ 491) So im Ergebnis auch: Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 93; Kayser/ Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 40; Backes/Priebe, NZI 2010, 961, 965. 492) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738. 493) Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 38 ff., 45 f.; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 113; von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 257; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 367 f. 494) So die ständige Rechtsprechung: BGH 10.7.2014 – IX ZR 192/13 – NZI 2014, 775, 780; 12.7.1990 – IX ZR 245/89 – BGHZ 112, 136, 138; dazu auch: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 185. 495) So auch: BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 144; a. A.: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 38 ff., 45 f.; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 113 f.; von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 257; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 367 f. 496) Vgl. BGH 10.7.2014 – IX ZR 192/13 – NZI 2014, 775, 780; 12.7.1990 – IX ZR 245/89 – BGHZ 112, 136, 138.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

wären. Da sich der Nachweis der insoweit erforderlichen Tatbestandsmerkmale für den Insolvenzverwalter regelmäßig als schwierig erweisen würde, hätte dies zur Folge, dass güterrechtliche Verträge im Rahmen der Insolvenzanfechtung eine nicht unwesentliche Privilegierung dahingehend erfahren würden, dass eine Insolvenzanfechtung nur noch in Ausnahmefällen in Betracht käme.

192 Mit der Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts wäre dies nur schwerlich in Einklang zu bringen. Dieses verfolgt in § 1 InsO verfassungsrechtlich legitimierte Ziele des Gemeinwohls.497) Restriktionen für die Vertragsparteien sind vor diesem Hintergrund hinzunehmen, und zwar auch dann, wenn die Vertragsfreiheit, wie im Falle von Ehegatten, wegen Art. 6 GG besonderen Grundrechtsschutz genießt.498)

(cc) Weitere Überlegungen 193 Im Übrigen wird die von Art. 6 GG geschützte eheliche Vertragsfreiheit durch die Insolvenzanfechtung nicht tangiert.499) Die durch die Anfechtung ausgelösten Rückgewähransprüche aus § 143 Abs. 1 InsO beschränken sich in ihrer Wirkung auf die gläubigerbenachteiligenden Rechtswirkungen der Übertragungsvorgänge.500) Gegenstand der Insolvenzanfechtung ist nicht die Rechtshandlung selbst, sondern die unter den Voraussetzungen der §§ 130 – 142 InsO durch die Insolvenzanfechtung zu korrigierende vermögensrechtliche Folge der Rechtshandlung.501) Die statusrelevante Gestaltungswirkung der Güterstandsvereinbarung bleibt dadurch unberührt.502)

___________ 497) So: BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 740; so auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 101 f.; zu den Zielen des Verfahrens: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 33 ff. 498) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 740; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 101 f. 499) So sieht es aber offensichtlich: von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 258; Herrler, in: Reul/ Heckschen/Wienberg, InsR, § 6 Rn. 90 ff. 500) So: BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 740; Hosser, ZEV 2011, 174, 176; zu diesen: Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 129 Rn. 1. 501) Etwa: BGH 11.3.2010 – IX ZR 104/09 – NZI 2010, 414, 415; K. Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 129 Rn. 4; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 129 Rn. 1. 502) Zu Recht: Herrler, in: FamR in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 19 Rn. 49 f. mit Verweis auf: BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 740.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

(b) Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 4 InsO? Güterrechtliche Vereinbarungen werden als entgeltlich qualifiziert.503) Dasselbe gilt 194 mithin auch für Verträge über die Änderung eines ehelichen Güterstands oder den Zugewinnausgleich.504) Aufgrund der Qualifizierung als entgeltlicher Vertrag ist im Grundsatz die Entgelt- 195 lichkeitsanfechtung, mithin der § 133 Abs. 1 bzw. Abs. 2 InsO, einschlägig.505) Unklar ist allerdings, ob schon der Abschluss eines Güterrechtsvertrags bzw. die Änderung eines solchen zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung führen kann, mit der Folge, dass eine Anfechtung auch nach § 133 Abs. 4 InsO innerhalb von zwei Jahren in Betracht kommt.506) Davon geht der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2010 offensichtlich aus. Er stellt fest, dass der Vertrag als Ganzes die Gläubiger des Schuldners unmittelbar benachteiligt hat.507) Eine Begründung bleibt insoweit aber aus. In der einschlägigen Literatur wird dies mit Recht kritisiert.508) Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist gegeben, wenn die Benachteiligung 196 ohne Hinzukommen späterer Umstände schon mit der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung selbst eintritt.509) Zwar entsteht der Ausgleichsanspruch rechtstechnisch erst mit der Beendigung des Güterstands, mithin erst nach Hinzutreten weiterer Umstände.510) Der Beitrag zur Vermögensbildung durch den später anspruchsberechtigten Ehegatten wird bei Eingehen der Zugewinngemeinschaft aber quasi vorgeleistet und entfaltet damit schon zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vermögensmindernde Wirkung.511) Der Zeitpunkt des Eingehens der Zugewinngemeinschaft ist daher auch der für das Vorliegen einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung relevante Zeitpunkt. Dies entspricht in etwa dem Rechtsgedanken aus § 140 Abs. 3 InsO, nach dem bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung der Eintritt der Bedingung oder der Termin für die Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme der Rechts___________ 503) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; siehe auch: Kluth, in: NK-PrivatinsR, § 133 Rn. 52; Zivkovic, in: PrivatinsRK, § 133 Rn. 80; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 109 f.; Unger/Dreßler, NWB-EV, 212, 214; zum alten Recht: BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48, 49. 504) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 144; Hosser, ZEV 2011, 174, 175. 505) So auch: Unger/Dreßler, NWB-EV, 212, 214. 506) So ausdrücklich: BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; zweifelnd: von Hertzberg, RNotZ 2019, 247, 258; wohl auch: Klühs, NZI 2010, 921, 922 f. 507) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; zustimmend: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 101 f. 508) So: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 36 ff.; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 113 f.; von Hertzberger, RNotZ 2019, 245, 258; Klühs, NZI 2010, 921, 922 ff. 509) Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 44. 510) Klühs, NZI 2010, 921, 924. 511) Klühs, NZI 2010, 921, 924.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

handlung außer Betracht bleibt. Das Verpflichtungsgeschäft in Form des Abschlusses eines Güterrechtsvertrags bzw. der Änderung eines solchen ist daher – mit der Rechtsprechung des BGH – innerhalb von zwei Jahren nach § 133 Abs. 4 InsO anfechtbar.512)

(2) Anfechtbarkeit des Vollzugsgeschäfts 197 Die Durchführung des Zugewinnausgleichs, mithin des Vollzugsgeschäfts, ist anfechtungsrechtlich gesondert zu beurteilen.513) Nach Ansicht des BGH handelt es sich auch bei diesem um eine anfechtbare Rechtshandlung.514) Er ordnet eine im Zusammenhang mit der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft vereinbarte Regelung der Vermögensauseinandersetzung und deren dinglichen Vollzug als gläubigerbenachteiligend ein, da eine solche die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtere.515)

198 Einschlägiger Anfechtungstatbestand ist nach jüngerer Rechtsprechung des BGH § 133 Abs. 4 InsO.516) Der BGH sieht den Ausführungsvertrag, mithin die Regelung der Vermögensauseinandersetzung und deren dinglichen Vollzug, als ein einheitliches Rechtsgeschäft an, das die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtert und somit insgesamt anfechtbar ist.517) Ohne dass er insoweit klar differenziert, sieht er also offensichtlich auch die Durchführung des Zugewinnausgleichs als eine entgeltliche Leistung einer nahestehenden Person an.518) Dies ist sachgerecht, da die Erfüllung einer Verbindlichkeit nach ständiger Rechtsprechung immer dann als entgeltlich behandelt wird, wenn sie durch einen entgeltlichen Vertrag oder – wie hier – durch ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet wurde. Die Entgeltlichkeit liegt dann darin, dass der Ausgleichsverpflichtete von einer Schuld befreit wird.519)

___________ 512) Dies im Ergebnis offensichtlich befürwortend: Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, InsO, § 133 Rn. 93; Backes/Priebe, NZI 2010, 961, 965; so auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 101 f. 513) Vgl. für das alte Recht: BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48, 49. 514) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – BeckRS 2010, 18745. 515) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – BeckRS 2010, 18745. 516) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – BeckRS 2010, 18745; kritisch: Klühs, NZI 2010, 921, 923 f.; Rosenberger, RNotZ 2020, 257, 368; von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 257. 517) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739. 518) BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739; im Grundsatz auch: BGH 20.10.1971 – VIII ZR 212/69 – NJW 1972, 48, 49, wonach aber ggf. dann eine Unentgeltlichkeitsanfechtung nach § 134 InsO in Betracht kommt, wenn der Auseinandersetzungsvertrag eine unentgeltliche Bevorzugung eines der Ehegatten enthält. 519) Etwa: BGH 10.7.2014 – IX ZR 192/13 – ZIP 2014, 1491; 20.12.2012 – IX ZR 130/10 – ZIP 2013, 374.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

Zweifelhaft erscheint jedoch, dass in einem solchen Fall auch das Merkmal der 199 unmittelbaren Benachteiligung i. S. d. § 133 Abs. 4 InsO gegeben sein soll.520) Der BGH geht davon offensichtlich aus, begründet diese Auffassung allerdings nicht.521) Der Entscheidung kann insoweit nicht gefolgt werden.522) Ein Vollzugsgeschäft, das nur noch die Tilgung einer tatsächlich bestehenden und 200 auch noch durchsetzbaren Verbindlichkeit zum Gegenstand hat, wirkt gerade nicht mehr unmittelbar gläubigerbenachteiligend, da die Befreiung von einer rechtsgültigen, unanfechtbaren Verbindlichkeit regelmäßig einen vollwertigen wirtschaftlichen Ausgleich für die Tilgungsleistung aus dem grundsätzlich haftenden Vermögen darstellt.523) Die nach Beendigung der Zugewinngemeinschaft erfolgte Erfüllung des Zugewinnausgleichs kann anfechtungsrechtlich daher nicht anders beurteilt werden als die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit des späteren Insolvenzschuldners.524) Eine unmittelbare Benachteiligung kommt mithin nur insoweit in Betracht, wie der Schuldner mehr oder früher leistet als geschuldet.525) Andernfalls scheidet sie aus.526) Daraus folgt, dass entgegen der Auffassung des BGH eine Anfechtung des Vollzugsgeschäfts nach § 133 Abs. 4 InsO nicht in Betracht kommt.527)

cc) Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt mithin, dass der Güterstandswechsel im Grundsatz der Insolvenz- 201 anfechtung unterliegt und als Asset Protection-Maßnahme vor diesem Hintergrund nur begrenzt tauglich ist. Anfechtbar sind nach der hier vertretenen Auffassung sowohl der Änderungsvertrag als auch das Vollzugsgeschäft, Letzteres allerdings mangels unmittelbar gläubigerbenachteiligender Wirkung nicht nach Maßgabe des § 133 Abs. 4 InsO und somit nur nach den in beweisrechtlicher Hinsicht strengeren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 und Abs. 2 InsO. Eine Anfechtung nach § 134 InsO scheidet schon wegen der Entgeltlichkeit von Güterstandsvereinbarungen aus.

3.

Einräumung von Bezugsrechten an einer Lebensversicherung

Denkbar ist auch, dass der Schuldner seinen Angehörigen im Vorfeld der Insolvenz 202 zum Zwecke der Asset Protection Bezugsrechte an einer Lebensversicherung einräumt ___________ 520) 521) 522) 523) 524) 525) 526) 527)

So auch: Klühs, NZI 2010, 921, 923 f.; von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 257. BGH 1.7.2010 – IX ZR 58/09 – NZI 2010, 738, 739. So auch: von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 257 f. So die ständige Rechtsprechung: BGH 10.7.2014 – IX ZR 192/13 – NZI 2014, 775, 780; 12.7.1990 – IX ZR 245/89 – BGHZ 112, 136, 138. Klühs, NZI 2010, 921, 924. Klühs, NZI 2010, 921, 923. Klühs, NZI 2010, 921, 923; von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 257. So auch: von Hertzberg, RNotZ 2019, 245, 257; Klühs, NZI 2010, 921, 924 f.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

bzw. Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherheit an diese abtritt.528) Da die Renten bzw. Rückkaufswerte aus der Lebensversicherung im Grundsatz zur Insolvenzmasse gehören (o siehe dazu bereits oben, Rn. 65 ff.), hat ein solches Vorgehen anfechtungsrechtliche Relevanz. Zunächst zur rechtlichen Einordnung des Lebensversicherungsvertrags im Allgemeinen.

a) Rechtliche Einordnung des Lebensversicherungsvertrags 203 Bei dem Lebensversicherungsvertrag handelt es sich um einen Vertrag zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Gegenüber stehen sich in dessen Rahmen die Prämienleistungspflicht des Versicherungsnehmers und die durch den Versicherungsfall aufschiebend bedingte Pflicht zur Erbringung der Versicherungsleistung durch den Versicherer.529) Am Versicherungsvertrag beteiligt sind regelmäßig der Versicherer, der die Erbringung der Versicherungsleistung im Versicherungsfall verspricht, sowie der Versicherungsnehmer (hier: der Schuldner), der nicht zwingend identisch mit der versicherten Person sein muss, und optional ein Bezugsberechtigter (hier: eine dem Schuldner nahestehende Person), dem als Begünstigter die Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis zugewiesen werden können.530)

204 Im Falle der Einräumung des Bezugsrechts gestaltet sich der Lebensversicherungsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter gem. §§ 328 ff. BGB.531) Im Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer wird dann geregelt, wann und in welchem Umfang der Bezugsberechtigte den Versicherungsanspruch erwirbt, während das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigten den Rechtsgrund für den Anspruchserwerb durch den Bezugsberechtigten festlegt.532)

b) Anfechtungsrechtliche Beurteilung 205 Bei der Einräumung eines Bezugsrechts handelt es sich im Grundsatz um eine Rechtshandlung i. S. d. § 129 InsO.533) Dies gilt sowohl für die erstmalige Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts bzw. die erstmalige Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts als auch für die nachträgliche Änderung der Bezugsberech___________ 528) Aufgrund des Themenzuschnitts sollen im Folgenden nur inländische Lebensversicherungen untersucht werden. Instruktiv zu ausländischen Lebensversicherungen: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 165 ff. 529) Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 165. 530) Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 165 f. 531) Vgl. BGH 27.9.2012 – IX ZR 15/12 – NJW 2013, 232, 234; 23.10.2003 – IX ZR 252/01 – NZI 2004, 78, 79; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 85; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 166 f. 532) Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 166 f. 533) BGH 23.10.2003 – IX ZR 252/01 – NZI 2004, 78, 79.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

tigten.534) Auf die Wirksamkeit der Bezugsrechtseinräumung kommt es erst im Rahmen der Gläubigerbenachteiligung an.535) Obgleich der Lebensversicherungsvertrag als solcher entgeltlich ist, erfolgt die Ein- 206 räumung des Bezugsrechts bzw. die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Dritten häufig unentgeltlich.536) Bei der Bestimmung gelten jedoch grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften, sodass insoweit auf die Ausführungen zur Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 134 Abs. 1 InsO verwiesen werden kann (o siehe Rn. 151 ff.).537) Die Einräumung des Bezugsrechts wirkt gläubigerbenachteiligend.538) Als anfechtbare Rechtshandlung kommt primär die Einsetzung des Dritten als Begünstigten in Betracht.539) Denkbar ist aber auch die Anfechtung einer etwaig bereits erfolgten Prämienzahlung oder die Anfechtung der Auszahlung der Versicherungssumme.540) Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang drei Konstellationen.

207

aa) Widerrufliches Bezugsrecht In der ersten Konstellation räumt der Schuldner als Versicherungsnehmer dem Dritten 208 anfänglich oder nachträglich ein widerrufliches Bezugsrecht an der von ihm abgeschlossenen Lebensversicherung ein.541) Für das Insolvenzverfahren ergibt sich daraus Folgendes: Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Einräumung eines wider- 209 ruflichen Bezugsrechts zunächst nicht mehr als eine ungesicherte Hoffnung auf den Erwerb des künftigen Anspruchs, mithin ein rechtliches Nullum.542) Ist der Versicherungsfall bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht eingetreten, bedarf es daher auch keiner Insolvenzanfechtung.543) ___________ 534) Zur Bezugsrechtseinräumung: BGH 27.9.2012 – IX ZR 15/12 – NJW 2013, 232, 234; 23.10.2003 – IX ZR 252/01 – NZI 2004, 78; zur Änderung des Bezugsberechtigten: BGH 22.10.2015 – IX ZR 248/14 – NZI 2016, 35, 36; siehe auch: Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 85a. 535) BGH 22.10.2015 – IX ZR 248/14 – NZI 2016, 35; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 85a. 536) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 86; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 16; so auch: Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374. 537) Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 16. 538) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO § 134 Rn. 85b. 539) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 88. 540) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 88. 541) Die Differenzierung zwischen anfänglich oder nachträglich eingeräumten Bezugsrecht ist obsolet, vgl. BGH 23.10.2003 – IX ZR 252/01 – NZI 2004, 78, 79. 542) BGH 22.10.2015 – IX ZR 248/14 – NZI 2016, 35. 543) Kayser/Freudenberg, in: MüKo-BGB, § 134 Rn. 16b; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 91.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

Der Insolvenzverwalter ist zu diesem Zeitpunkt noch zum Widerruf des Bezugsrechts berechtigt.544) Er kann den Lebensversicherungsvertrag kündigen und das Guthaben zur Masse ziehen (vgl. § 80 Abs. 1 InsO). Der Bezugsberechtigte erwirbt den Anspruch auf die Versicherungsleistung bei einem widerruflichen Bezugsrecht nicht sofort.545) Anfechtungsrelevante Wirkung entfaltet die Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts in dem nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt daher erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls (§ 159 Abs. 2 VVG), zumeist also mit dem Ableben des Schuldners.546) Zu diesem Zeitpunkt erwirbt er den Anspruch auf die Versicherungssumme dann originär selbst.547)

210 Ist der Versicherungsfall innerhalb der Frist des § 134 Abs. 1 InsO eingetreten, kann die Bezugsberechtigung oder die Inanspruchnahme der Versicherungsleistung vom (Nachlass-) Insolvenzverwalter gegenüber dem Bezugsberechtigten angefochten werden.548) Darauf, dass die Versicherungsleistung zu keiner Zeit zu dem Vermögen des Erblassers gehört hat, kommt es nicht an.549)

bb) Unwiderrufliches Bezugsrecht 211 In der zweiten Konstellation räumt der Schuldner dem Dritten anfänglich oder nachträglich ein unwiderrufliches Bezugsrecht ein.550) Im Unterschied zur ersten Konstellation erwirbt der Dritte unmittelbar mit der Einräumung des Bezugsrechts sofort den Anspruch auf die Versicherungsleistung.551) Maßgeblicher Zeitpunkt i. S. d. § 140 InsO ist mithin nicht der Eintritt des Versicherungsfalls, sondern schon vorgelagert, die Einräumung des Bezugsrechts.552) Dies gilt auch, wenn die Zuwendung der Versicherungsleistung an den unwiderruflich Bezugsberechtigten unter einer auflösenden Bedingung steht.553) Hat die Einräumung innerhalb der Frist des § 134 Abs. 1 InsO stattgefunden, ist die Bezugsrechtseinräumung anfechtbar.554) Hat die ___________ 544) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 91; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 16b. 545) BGH 22.10.2015 – IX ZR 248/14 – DNotZ 2016, 394, 395. 546) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 90; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374. 547) BGH 27.4.2010 – IX ZR 245/09 – NZI 2010, 646. 548) BGH 22.10.2015 – IX ZR 248/14 – NZI 2016, 35; dazu auch: Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 177 f.; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374. 549) BGH 22.10.2015 – IX ZR 248/14 – NZI 2016, 35, 36. 550) Die Unterscheidung zwischen anfänglich und nachträglich eingeräumten Bezugsrecht ist auch insoweit obsolet, vgl. BGH 26.1.2012 – IX ZR 99/11 – NZI 2012, 661, 662. 551) BGH 26.1.2012 – IX ZR 99/11 – NZI 2012, 661, 662. 552) BGH 27.9.2012 – IX ZR 15/12 – NJW 2013, 232; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 92; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 16; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374. 553) BGH 27.9.2012 – IX ZR 15/12 – NJW 2013, 232. 554) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 94; Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 16b; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374.

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C. Möglichkeiten der Absicherung der Familie durch Asset Protection

Einräumung außerhalb der Frist des § 134 Abs. 1 InsO stattgefunden, sind lediglich die innerhalb der Frist gezahlten Prämien anfechtbar.555)

cc) Abtretung der Versicherungsansprüche Zuletzt ist eine Konstellation denkbar, in der der Schuldner als Versicherungsnehmer 212 die Ansprüche an einen Dritten abtritt. Nicht anders als bei der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts wird dem Anfechtungsgegner dabei eine gesicherte Rechtsposition verschafft, hinsichtlich derer eine Schenkungsanfechtung im Vierjahreszeitraum des § 134 Abs. 1 InsO in Betracht kommt.556) Ist die Abtretung unentgeltlich innerhalb der Frist des § 134 Abs. 1 InsO erfolgt, etwa zur Besicherung einer fremden Schuld ohne entsprechende Verpflichtung, so kann die Abtretung selbst angefochten werden. Ist die Abtretung allerdings unentgeltlich außerhalb der Frist des § 134 Abs. 1 InsO erfolgt, so können nur die innerhalb der Frist geleisteten Prämien angefochten werden.

IV. Fazit Die Anfechtungsvorschriften in den §§ 129 ff. InsO sind vor dem Hintergrund ihrer 213 Zwecksetzung, die Insolvenzmasse vor ungerechtfertigten Eingriffen in den Haftungsbestand zu schützen, zwingend notwendig und insoweit auch sachgerecht. In letzter Konsequenz führen sie aber dazu, dass Asset Protection-Maßnahmen zum Schutz der Familie bei Insolvenz nur begrenzt wirkungsvoll sind. Versuche des Schuldners, seine Familie im Vorfeld der Insolvenz durch Vermögensverschiebungen abzusichern, laufen insoweit leer, wie diese Vermögensverschiebungen den Anfechtungsvorschriften nach §§ 129 ff. InsO unterliegen. Zwar können die Tendenzen der Rechtsprechung, die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften anhand subjektiver Kriterien vorzunehmen und beiderseitige Fehlvorstellungen über die Werthaltigkeit einer Leistung in diese einzubeziehen, der Familie „in die Karten spielen“, wenn die Ehegatten etwa von der Werthaltigkeit eines Zugewinns ausgehen und der eine Ehegatte in dem Glauben auf dessen Geltendmachung verzichtet, während der Schuldner im Gegenzug das Eigentum an einem Grundstück überträgt. Der diesem Rechtsgeschäft zugrundeliegende Irrtum kann dann dazu führen, dass das Rechtsgeschäft als entgeltlich qualifiziert wird und die erleichterten Anfechtungsvoraussetzungen der Schenkungsanfechtung nicht greifen, obgleich sich die Eigentumsübertragung durch den Schuldner als objektiv unentgeltlich darstellt. Letztlich hat sich in Bezug auf die Kriterien zur Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtshandlungen in der Rechtsprechung aber ___________ 555) Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 16a; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 95; Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 180; Rosenberger, RNotZ 2020, 357, 374. 556) BGH 20.12.2012 – IX ZR 21/12 – NZI 2013, 258, 259.

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Zweiter Teil: Auswirkungen der Insolvenz auf die Lebensverhältnisse der Familie

noch kein verlässliches System entwickelt, an dem der Schuldner sein Verhalten ausrichten könnte. Im Rahmen der für die Anfechtung maßgeblichen Zeiträume sind Asset Protection-Maßnahmen zum Schutz der Familie daher nur eingeschränkt geeignet. Hinzu kommt, dass Rechtsgeschäfte mit nahestehenden Personen für den Zeitraum von zwei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 133 Abs. 4, 138 InsO ohnehin unter „Generalmissbrauchsverdacht“ gestellt werden.

214 Für eine wirksame Asset Protection wäre es vor diesem Hintergrund erforderlich, dass der Schuldner frühzeitig und planvoll mit Blick auf die potentiellen Anfechtungsrisiken agiert. Dies ist für den Schuldner, der nicht anwaltlich beraten ist, in der Praxis kaum leistbar. Ein zufriedenstellender Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Schutzinteressen kann durch Asset Protection daher nicht hergestellt werden.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts Vor dem Hintergrund der im zweiten Teil aufgezeigten Auswirkungen der Insolvenz 215 auf die schuldnerische Familie und der fehlenden Absicherungsmöglichkeit im Wege einer Asset Protection, soll im nachstehenden dritten Teil der Frage nachgegangen werden, ob es im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren eines ausgeprägteren Schutzes der Familie des Schuldners durch Absicherung des Unterhalts bedarf. Insoweit soll umfassend untersucht werden, welche Auswirkungen das Insolvenzverfahren auf bereits befriedigte, rückständige und laufende Unterhaltsansprüche hat und ob der dahingehend vorhandene Schutz der Bedeutung des Unterhaltsanspruchs gerecht wird.

A. Gesetzlicher Unterhalt zur Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums Beim Unterhalt handelt sich um eine Form der Lebenshilfe, die unmittelbar mit dem 216 verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum korrespondiert.557) Ein Unterhaltsanspruch ist die Verpflichtung des Einzelnen, die Existenz eines anderen Menschen ganz oder teilweise zu sichern.558) Eine gesetzliche Definition existiert insoweit zwar nicht. Im Grundsatz ist Unterhalt aber all das, was erforderlich ist, um den unmittelbaren menschlichen Lebensbedarf zu finanzieren.559) Für den Unterhalt minderjähriger Kinder ist dies seit dem Gesetz zur Änderung des 217 Unterhaltsrechts, das am 9. November 2007 verabschiedet wurde und seit dem 1. Januar 2008 in Kraft ist,560) gesetzlich anerkannt (vgl. §§ 1610, 1612a BGB).561) Der Unterhalt für minderjährige Kinder wird von Gesetzes wegen als besonders schutzwürdig angesehen und an verschiedenen Stellen entsprechend privilegiert (vgl. etwa die Rangordnung für den Mangelfall nach § 1609 BGB). Minderjährige Kinder unterliegen grundsätzlich einem Arbeitsverbot und sind daher besonders auf die Unterhaltszahlungen des Unterhaltsschuldner angewiesen. Ihre Sonderbehandlung ist vor diesem Hintergrund zwingend notwendig. Unabhängig davon gilt für den gesetzlich normierten Unterhalt aber im Allgemeinen: 218 Hat der Gesetzgeber gesetzliche Unterhaltspflichten normiert, sieht er in den diesen ___________ 557) So für den Kindesunterhalt: RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 27; Pauling/Maier, in: Schulz/ Hauß, FamR, § 1610 Rn. 16; vgl. die Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz des Existenzminimums: BVerfG 10.11.1998 – 2 BvL 42/93 – NJW 1999, 561, 564; 14.6.1994 – 1 BvR 1022/88 – NJW 1994, 2817, 2818; 25.9.1992 – 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91 – NJW 1992, 3153, 3154. 558) Jeep, NZFam 2014, 293, 294. 559) Langeheine, in: MüKo-BGB, Vor § 1601 Rn. 1. 560) BGBl. I 2007, 3189. 561) RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 27; dazu auch: Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2022; Pauling/ Maier, in: Schulz/Hauß, FamR, § 1610 Rn. 16.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

zugrundeliegenden Verwandtschaftsverhältnissen offensichtlich generell eine gesteigerte Verantwortlichkeit für den Unterhaltsberechtigten, die ein fortlaufendes wirtschaftliches Aufkommen für diesen rechtfertigen.562) Die Grenze einer solchen Unterhaltsverpflichtung bildet immer das Existenzminimum des Verpflichteten (vgl. § 1603 BGB).563) Der Unterhaltsanspruch besteht nur, sofern der Unterhaltsverpflichtete auch leistungsfähig ist.564) Reicht die eigene Wirtschaftskraft des Schuldners nicht aus, um den Unterhalt zu gewährleisten, bedarf es der Bereitstellung staatlicher Hilfen, was sich aus Art. 1 GG sowie dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG und der darin verfassungsrechtlich verankerten Garantie zur Sicherung des Existenzminimums ergibt.565)

219 Im Folgenden gilt es zu untersuchen, inwieweit dieser gesteigerten Bedeutung des Unterhaltsanspruchs für den Unterhaltsgläubiger in der Insolvenzordnung Rechnung getragen wird. Dafür bedarf es in einem vorangestellten allgemeinen Teil unter B. zunächst der Darstellung der unterschiedlichen Unterhaltsarten (unter I.) sowie der Einordnung dieser in die Systematik der Insolvenzordnung (unter II.). Im Anschluss daran folgt unter C. die Untersuchung der Folgen einer Insolvenz für rückständige Unterhaltsansprüche sowie unter D. die Untersuchung der Folgen einer Insolvenz für laufende Unterhaltsansprüche. Unter E. soll der Frage nachgegangen werden, ob und wenn ja, inwieweit bereits gezahlte Unterhaltsansprüche der Insolvenzanfechtung i. S. d. §§ 129 ff. InsO unterliegen. Die Ausführungen zum Unterhalt werden unter F. mit einem Annex zu der Behandlung der Unterhaltsgläubiger in den anderweitigen in der Insolvenzordnung vorgesehenen Möglichkeiten zur Entschuldung abgerundet.

B. Allgemeiner Teil I.

Unterhaltsarten

220 Unterhaltsverpflichtungen können auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen. Am praktisch relevantesten sind die auf Gesetz beruhenden Unterhaltsverpflichtungen. Bei diesen handelt es sich um laufende Zahlungsansprüche, die als wiederkehrende Leistungen eine Person berechtigten, die Mittel zur Bestreitung ihres Lebensbedarfs ganz oder teilweise von einer anderen Person zu verlangen.566) Zu ihnen zählen der Anspruch auf Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB), Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB), Geschiedenenunterhalt (§§ 1569 ff. BGB), Unterhalt nach ___________ 562) Lipp, NJW 2002, 2201 spricht insoweit von Solidarität „in Form von Beistand und Unterstützung zwischen Verwandten“. 563) Etwa: BVerfG 20.8.2001 – 1 BvR 1509/97 – FamRZ 2001, 1685; siehe zu den Grenzen der Leistungsfähigkeit auch: Kohlenberg, in: Heiß/Born, UnterhaltsR, 12. Kapitel Rn. 74. 564) Dies gilt auch für den Unterhalt minderjähriger Kinder, siehe dazu: Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2023. 565) BVerfG 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 – NJW 2010, 505, 507. 566) Schwab, FamR, Teil III., 7. Kapitel, § 84 Rn. 1040.

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B. Allgemeiner Teil

aufgehobener Ehe (§ 1381 i. V. m. §§ 1569 ff. BGB), Unterhalt bei bestehender Lebenspartnerschaft (§ 5 LPartG), Unterhalt eines getrennt lebenden Lebenspartners (§ 12 LPartG), Unterhalt eines Lebenspartners bei aufgehobener Lebenspartnerschaft (§ 16 LPartG), Verwandtenunterhalt (§§ 1601 ff. BGB), Unterhalt der Mutter eines nichtehelichen Kindes (§ 1615l BGB) und der Anspruch auf Unterhalt des Adoptivkindes (§§ 1754, 1770 Abs. 3 BGB).567) Die Voraussetzungen für das Bestehen dieser Ansprüche ergeben sich aus den fami- 221 lienrechtlichen Vorschriften des BGB sowie aus den auf diese Normen verweisenden Vorschriften aus dem LPartG.568) Nach diesen entstehen die Ansprüche jeweils zu Beginn des Monats neu, im Regelfall zum Monatsanfang (vgl. etwa §§ 1361 Abs. 4 S. 2, 1585 Abs. 1 S. 2 und § 1612 Abs. 3 S. 1 BGB), solange die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere also die Bedürftigkeit und die Leistungsfähigkeit, gegeben sind.569) Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners entfällt trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht.570) Sie muss aber im Rahmen der Unterhaltsbemessung berücksichtigt werden.571) Den beteiligten Personen steht es selbstredend frei, die Ansprüche vertraglich auszugestalten.572) Wie sogleich zu zeigen sein wird, hat dies keine Auswirkungen auf ihre Einordnung als gesetzliche Ansprüche. Neben diesen gesetzlichen Unterhaltsansprüchen existieren ggf. auch vertragliche 222 Unterhaltsverpflichtungen, etwa gegenüber dem nichtehelichen Partner, oder deliktische Unterhaltsansprüche, wie etwa die Geldrente des Geschädigten aus § 843 BGB oder Ersatzansprüche Dritter bei der Tötung des Unterhaltsverpflichteten nach § 844 BGB. Unterhaltsansprüche können in bestimmten Konstellationen zudem auf einen Dritten übergehen.

II. Einordnung der Unterhaltsarten in die Systematik der Insolvenzordnung Die Insolvenzordnung behandelt Unterhaltsansprüche allenfalls „stiefmütterlich“. 223 Trotz der aufgezeigten Bedeutung des gesetzlichen Unterhalts für die Sicherung eines angemessenen Lebensbedarfs, befasst die Insolvenzordnung sich lediglich an ___________ 567) Aufzählung nach: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 116. 568) Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 6; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 6. 569) Langeheine, in: MüKo-BGB, Vor § 1601 Rn. 18; siehe auch: Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 3. 570) Etwa: BGH 31.10.2007 – XII ZR 112/05 – NJW 2008, 227, 228; KG 14.4.2015 – 13 WF 59/15 – NJW-RR2015, 902; OLG Koblenz 15.5.2002 – 9 UF 440/01 – NZI 2003, 60; Seiler, in: Niepmann/Seiler, Rspr. Unterhalt, 1. Teil Rn. 118. 571) Siehe etwa: BGH 31.10.2007 – XII ZR 112/05 – NJW 2008, 227, 228; OLG Koblenz 15.5.2002 – 9 UF 440/01 – NZI 2003, 60 f.; Diehl, FPR 2013, 143, 145; Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 7. 572) Instruktiv zum Unterhalt als Regelungsgegenstand des Ehevertrags und den insoweit bestehenden Grenzen: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 17 ff.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

zwei Stellen mit ihm, namentlich in § 40 S. 1 InsO und in § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO. Eine eigenständige Systematik existiert nicht. Bei der Bestimmung, wie mit Unterhaltsgläubigern im Rahmen der Insolvenz zu verfahren ist, kommt es mithin maßgeblich auf die allgemeinen Grundsätze an.

224 Zu unterscheiden sind rückständige Unterhaltsansprüche und laufende Unterhaltsansprüche. Vor Eröffnung entstandene Unterhaltsansprüche sind im Grundsatz Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO, wenn sie vor Verfahrenseröffnung begründet und bis dahin nicht befriedigt worden sind.573) Sie werden als rückständige Unterhaltsansprüche bezeichnet und unterliegen in der Regel der Restschuldbefreiung. Als laufende Unterhaltsansprüche werden dagegen solche Unterhaltsansprüche bezeichnet, die nach Eröffnung des Verfahrens begründet wurden und daher (in der Regel) außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verfolgen sind. Sie werden nicht von der Restschuldbefreiung erfasst.574) Gerechtfertigt werden die damit verbundenen nachteiligen Konsequenzen für Unterhaltsneugläubiger mit ihrer besonderen Verbundenheit mit den Lebensumständen des unterhaltspflichtigen Schuldners.575) Der Schuldner soll sich seinen laufenden Unterhaltsverpflichtungen im Grundsatz offenbar nicht durch das Insolvenzverfahren entledigen können.

225 Die einzige Ausnahme von dieser Systematik ergibt sich aus § 40 S. 1 InsO, der statuiert, dass Unterhaltsansprüche familienrechtlicher Natur für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in dessen Rahmen nur geltend gemacht werden können, soweit der Schuldner nicht als Erbe des Verpflichteten haftet. Von einer familiären Verbundenheit wird also dann nicht mehr ausgegangen, wenn die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners durch Erbfolge entstanden ist.576) Die praktische Relevanz dieses Ausnahmetatbestands ist gering.577) Sein Aussagegehalt beschränkt sich darauf, dass in der Regel die Grundsätze des Insolvenzverfahrens, wonach nur zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits entstandene Ansprüche als Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO am Verfahren teilhaben können, auch auf familienrechtliche Ansprüche Anwendung finden.578) Dies gilt nur dann nicht, wenn im Rahmen eines Nachlassinsolvenzverfahrens der Schuldner als Erbe des Verpflichteten haftet.579) Damit bezweckt die Vorschrift, den Erben in die günstige Lage zu bringen, ___________ 573) Smid, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 40 Rn. 5; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 5; Reck, in: PrivatinsRK, § 40 Rn. 1; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 10; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 15. 574) Reck, in: PrivatinsRK, § 40 Rn. 1; Smid, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 40 Rn. 5; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 7; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 15; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 11; Keller, NZI 2007, 143. 575) Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 1; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 2. 576) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 3. 577) Dazu: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 17; Keller, NZI 2007, 143. 578) Keller, NZI 2007, 143. 579) Keller, NZI 2007, 143.

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B. Allgemeiner Teil

sich im Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens im Wege der Restschuldbefreiung sämtlicher gegen ihn bestehender Unterhaltsforderungen zu entledigen. Vor dem Hintergrund, dass die meisten Unterhaltsansprüche aber ohnehin nicht über den Tod des Unterhaltsverpflichteten hinaus entstehen (vgl. § 1615 Abs. 1 BGB), ist die Notwendigkeit einer derartigen Regelung äußerst zweifelhaft.580) Aufgrund des Ausnahmecharakters des § 40 S. 1 InsO muss sich der Norm aber 226 nichtsdestotrotz im Folgenden genähert und in diesem Zuge erläutert werden, welche Unterhaltsansprüche als familienrechtliche Unterhaltsansprüche dem Ausnahmetatbestand des § 40 S. 1 InsO unterfallen.

1.

Gesetzliche Unterhaltsansprüche

Gesetzliche Unterhaltsansprüche in dem oben beschriebenen Sinne sind familien- 227 rechtliche Unterhaltsansprüche i. S. d. § 40 S. 1 InsO.581) Soweit also der Schuldner nicht als Erbe des Verpflichteten haftet, bleibt es bei den Grundsätzen des § 38 InsO. Vor Verfahrenseröffnung entstandene, gesetzliche Unterhaltsansprüche nehmen am Verfahren teil. Die danach entstandenen, gesetzlichen Unterhaltsansprüche sind außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verfolgen. Dies gilt auch, wenn die gesetzlichen Ansprüche vertraglich ausgestaltet wurden.582)

2.

Übergegangene Ansprüche

Umstritten ist, wie mit Ansprüchen zu verfahren ist, die nach §§ 1607 Abs. 2 S. 2, 228 1608 S. 3, 1584 S. 3, 1615l Abs. 3 S. 1 BGB auf einen anderen Unterhaltsverpflichteten bzw. gem. § 33 Abs. 1 SGB II, § 95 SGB VIII, § 94 Abs. 1 SGB XII, § 7 UVG oder § 37 Abs. 1 BAföG auf einen Dritten oder einen öffentlichen Träger übergegangen sind.583) Richtigerweise lässt sich dies nicht generell aus dem Charakter des jeweils übergegangenen Anspruchs und aus der Technik des Forderungsübergangs ableiten, sondern ist für die jeweiligen Fallgruppen je nach Normzweck der dieser zugrundeliegenden Vorschriften gesondert zu beantworten.584) Die Diskussion verläuft dabei parallel zur derjenigen im Einzelzwangsvollstreckungsrecht im Hinblick auf das Vollstreckungsprivileg des § 850d ZPO.585) Die Einheit der Rechtsordnung gebietet insoweit die Vornahme paralleler Wertungen. ___________ 580) Dazu: Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 12. 581) Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 6; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 6. 582) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 10; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 8; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 14; so zu der parallel verlaufenden Diskussion bei § 850d ZPO: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 2. 583) Ahrens, in: Verfahrenskostenstundung, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, § 301 InsO Rn. 8. 584) Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 810. 585) Siehe insoweit: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 810.

83

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

a) Übergang des Anspruchs auf einen anderen familienrechtlichen Unterhaltsschuldner 229 Denkbar ist, dass der Anspruch auf einen anderen Verwandten übergeht, wie etwa im Falle der Ersatzhaftung eines nachrangig Verpflichteten nach § 1607 Abs. 2 BGB. Nach dieser hat ein entfernterer Verwandter, der auf Grund des § 1603 BGB nicht primär unterhaltspflichtig ist, anstelle des primär Verpflichteten Unterhalt zu gewähren, wenn die Rechtsverfolgung gegen diesen ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der ursprüngliche Anspruch geht in der Folge im Wege der cessio legis auf ihn über.586)

230 Dies gilt auch für etwaige mit ihm verbundene Privilegien. Das Näheverhältnis, das für die Einordnung als Anspruch familienrechtlicher Natur i. S. d. § 40 S. 1 InsO maßgeblich ist, bleibt auch nach Übergang auf den Dritten bestehen.587) Zur Begründung dessen, kann auf die zu § 850d ZPO geführte Diskussion verwiesen werden: Die herrschende Meinung geht in deren Rahmen zu Recht davon aus, dass das Vollstreckungsprivileg aus § 850d ZPO in einer solchen Konstellation auf den Dritten übergeht und begründet dies mit dem öffentlichen Interesse an einer gerechten Lastenverteilung. Die Regelung solle nicht dazu führen, dass der Dritte aufgrund der Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung selbst in Bedrängnis gerate und möglicherweise ebenfalls auf Sozialhilfe angewiesen sei.588) Nach zutreffender Ansicht darf er insoweit nicht schlechter gestellt werden als der ursprünglich Verpflichtete. Aufgrund der gebotenen Einheit der Rechtsordnung muss dies auch für die Qualifizierung als familienrechtlicher Unterhaltsanspruch i. S. d. § 40 S. 1 InsO gelten.

231 Anders verhält es sich im Rahmen der Ausfallhaftung anderer Verwandter gem. § 1607 Abs. 1 BGB. Diese begründet eine eigene Verpflichtung des entfernteren Verwandten, mithin nicht eine im Wege der cessio legis auf ihn „übergegangene“ Verpflichtung. Der Anspruch gegen den primär verpflichteten Schuldner ist dann – etwa mangels Leistungsfähigkeit – nie entstanden.589) Von einem „Übergang“ etwaiger Privilegien kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden. § 40 S. 1 InsO findet in diesem Fall keine Anwendung.

___________ 586) Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1607 Rn. 15. 587) So im Ergebnis auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 136; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 92 f.; ebenso zu § 850d ZPO: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.297; a. A.: Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1607 Rn. 17. 588) So: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 92. 589) Zu den Grundsätzen der Ausfallhaftung siehe: Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1607 Rn. 3 ff.; in Bezug auf die Situation bei Insolvenz: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 136.

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B. Allgemeiner Teil

b) Übergang des Anspruchs auf den Bürgen Geht der Anspruch gem. § 774 BGB auf den Bürgen über, greifen die zu § 1607 232 Abs. 2 BGB angestellten Überlegungen ebenfalls nicht.590) Zwar geht auch hier der Unterhaltsanspruch über, weil der Bürge als Dritter an den Unterhaltsberechtigten geleistet hat. Dies geschieht jedoch nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern auf Basis des zuvor mit dem Gläubiger geschlossenen Bürgschaftsvertrags gem. § 765 BGB. Ein öffentliches Interesse an einer gerechten Verteilung der Lasten besteht in diesen Fällen nicht.591)

c)

Übergang des Anspruchs auf einen öffentlich-rechtlichen Träger

Für den Fall, dass der Anspruch auf einen Träger der Sozialhilfe übergegangen ist, 233 wird vertreten, dass diese übergegangenen Ansprüche keine Ansprüche familienrechtlicher Natur i. S. d. § 40 S. 1 InsO darstellen würden.592) Es wird argumentiert, dass die diesen Übergang begründenden Normen keine unterhaltsrechtlichen Anspruchsgrundlagen seien, sondern subsidiär Sozialleistungen ermöglichen sollten. Die den Ausschluss rechtfertigende Nähebeziehung zum Schuldner bestünde daher nicht.593) Der Unterschied zum Unterhaltsrecht liege darin, dass der Sozialleistungsträger durch die Inanspruchnahme des Unterhaltsschuldners nach § 94 SGB XII und § 33 SGB II keinen weiteren Fall von sozialer Hilfebedürftigkeit schaffen dürfe, er also keinen Unterhaltsanspruch geltend machen dürfe, wenn der Schuldner durch Zahlung des Unterhalts selbst hilfebedürftig werden würde (§ 33 Abs. 2 SGB II, § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB XII).594) Dem kann indes nicht gefolgt werden. Geht der Anspruch auf einen Sozialleistungs- 234 träger über, ändert dies die Rechtsnatur des familienrechtlichen Anspruchs nicht.595) Mit dem Übergang der mit dem Unterhaltsanspruch verbundenen Privilegien muss zudem die Vermögensbildung des Schuldners auf Kosten der öffentlichen Kassen verhindert werden.596) Der Schuldner soll sich durch das Insolvenzverfahren nicht den gegen ihn bestehenden Forderungen des Trägers der Sozialhilfe entledigen ___________ 590) So schon: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 93; ebenso zu § 850d ZPO: Stöber/ Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.294, C. 296. 591) Instruktiv: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 93 f. 592) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 135. 593) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 12; Bornemann, in: FK-InsO, § 40 Rn. 8; so zu § 850d ZPO: BAG 18.2.1971 – 5 AZR 296/70 – NJW 1971, 2094. 594) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 135. 595) Hußmann, FPR 2004, 534, 535; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13; im Ergebnis auch: Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 11; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 801, 811; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 92; ebenso zu § 850d ZPO: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 6 f.; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 4; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.298. 596) Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 92.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

können. Die Vorleistungspflicht der öffentlichen Kassen darf nicht zu einer endgültigen Lastentragung führen.597) Würden übergegangene Ansprüche nicht § 40 S. 1 InsO unterfallen, hätte dies zur Folge, dass sämtliche Ansprüche wegen der §§ 41, 46 InsO als Insolvenzforderungen einzuordnen wären, mit der weiteren Konsequenz, dass es lediglich zu einer quotalen Befriedigung der Forderungen im Insolvenzverfahren käme.598) Nach erfolgter Restschuldbefreiung hätte sich der Schuldner dann auf Kosten der Sozialfürsorge saniert.599) Dies wäre nicht sachgerecht, denn dann stünde der pflichtbewusste Unterhaltsschuldner schlechter als derjenige, der sich seiner Unterhaltsverpflichtung wissentlich entzieht. Richtig ist zwar, dass die Inanspruchnahme des Schuldners wegen § 33 Abs. 2 SGB II und § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB XII nicht dazu führen darf, dass der Schuldner selbst hilfebedürftig wird. Nach der hier vertretenen Auffassung ist er insoweit jedoch ausreichend über § 850d ZPO geschützt, der eine privilegierte Vollstreckung der öffentlichen Träger ohnehin nur bis zu der Grenze des für den Schuldner notwendigerweise zu belassenem Lebensunterhalt ermöglicht.600)

235 Auch auf Sozialleistungsträger übergegangene Ansprüche sind somit Ansprüche „familienrechtlicher Natur“ i. S. d. § 40 S. 1 InsO.601) Sie teilen damit das Schicksal des ursprünglichen Anspruchs und sind – je nach Zeitpunkt ihrer Entstehung – innerhalb oder außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verfolgen.602)

3.

Sonstige Unterhaltsansprüche

a) Schuldrechtliche Unterhaltsvereinbarungen und Kapitalabfindungen 236 Die Einordnung vertraglicher Unterhaltsansprüche, etwa mittels Kapitalabfindung oder durch Leibrentenverpflichtung i. S. d. § 759 BGB, ist umstritten. Nach herrschender und zutreffender Ansicht fallen schuldrechtliche Unterhaltsvereinbarungen ___________ 597) Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13. 598) Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13. 599) Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13; in dieselbe Richtung tendierend, aber für die Zubilligung eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Bescheidung eines Erlassgesuches: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 811. 600) Zu der Frage, ob das Vollstreckungsprivileg aus § 850d ZPO auf öffentliche Träger übergeht und dies bejahend: BGH 17.9.2014 – VII ZB 21/13 – NJW 2015, 157, 158 m. w. N.; so auch schon: BAG 18.2.1971 – 5 AZR 296/70 – NJW 1971, 2094; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 6; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850d Rn. 3; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 5; dazu auch: Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 11. 601) So auch: Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 11; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13; a. A: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 12; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 92; Keller, NZI 2007, 143, 146; so zu der parallel verlaufenden Diskussion bei § 850d ZPO: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 6 f. 602) Hußmann, FPR 2004, 534, 535; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13; im Ergebnis auch: Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 11; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 801, 811.

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B. Allgemeiner Teil

nicht in den Anwendungsbereich des § 40 S. 1 InsO.603) Diese Einordnung steht im Einklang mit der Gesetzeshistorie: § 40 S. 1 InsO ist der Regelung des § 3 Abs. 2 KO nachempfunden, die auf rechtsgeschäftlich begründete Unterhaltsansprüche, für Leibrentenverträge i. S. v. §§ 759 ff. BGB und für familienrechtlich nicht geschuldete Kapitalabfindungen keine Anwendung fand.604) Solche Ansprüche können mithin gem. §§ 41, 46 InsO auch für die Zukunft als In- 237 solvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO geltend gemacht werden, wenn sie vor Insolvenzeröffnung begründet wurden.605) Auf die Fälligkeit des Anspruchs kommt es nicht an, sodass der Anspruch auch nicht, wie zum Teil vorgeschlagen wird,606) bei Fälligkeit nach Insolvenzeröffnung, zeitanteilig aufzuteilen ist.607) Der Schuldner kann sich solcher Ansprüche somit durch Insolvenzverfahren – 238 auch für die Zukunft – entledigen. Das Insolvenzrisiko trägt im Rahmen schuldrechtlicher Unterhaltsvereinbarungen und Kapitalabfindungen damit der Unterhaltsgläubiger. Dass dies in bestimmten Unterhaltsverhältnissen nicht sachgerecht ist, hat der Gesetzgeber erkannt. Für den Verwandtenunterhalt i. S. d. § 1601 BGB hat er daher in § 1614 Abs. 1 BGB ein Verzichtsverbot normiert. Dieses umfasst jede Art des Verzichts für die Zukunft, insbesondere also auch die Vereinbarung einer Kapitalabfindung.608)

b) Deliktische Ansprüche Auch die Einordnung deliktischer Ansprüche, namentlich der Ansprüche gem. §§ 843, 239 844 BGB, §§ 10, 13 StVG und §§ 3, 5 HaftPflG, ist umstritten. Nach herrschender Ansicht sind diese nicht als Ansprüche familienrechtlicher Natur i. S. d. § 40 S. 1 InsO, sondern stattdessen als echte Schadensersatzansprüche zu qualifizieren.609) ___________ 603) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 11; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 8; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 143; Keller, NZI 2007, 143; a. A.: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 87 f. 604) Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 1. 605) Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 9; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 8; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 10 f.; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 14; Keller, NZI 2007, 143, 144; Paul, DZWIR 2009, 186, 187; diff. für den Fall von Kapitalabfindungen: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 146 ff.; a. A., nach der es sich bei Fälligkeit nach Verfahrenseröffnung nicht um eine Insolvenzforderung handelt: Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 8; Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473, 1474; für eine Aufteilung des Abfindungsanspruchs: Häsemeyer, Rn. 16.19. 606) Etwa: Häsemeyer, Rn. 16.19; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 86, 88. 607) So: Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 8; Keller, NZI 2007, 143; Paul, DZWIR 2009, 186, 187. 608) BGH 29.1.2014 – XII ZB 303/13 – NJW 2014, 1101, 1106 m. w. N.; Langeheine, in: MüKoBGB, § 1614 Rn. 8. 609) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 139 f.; so im Ergebnis auch: Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 14; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 10; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 6; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 9.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Dafür spreche, dass die genannten Ansprüche nicht auf einer familiären Beziehung beruhen, der Rechtfertigungsgrund für die Sonderregelung des § 40 S. 1 InsO daher nicht greife und stattdessen vielmehr der Nachteil ausgeglichen werden solle, den der Unterhaltsberechtigte durch den Entzug des Unterhaltsanspruchs erleide.610) Anderes gelte nur für den Anspruch wegen „sittenwidriger Entziehung des Unterhalts“ gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB.611) Zum Teil wird indes vertreten, dass es sich sogar bei diesem um einen solchen Anspruch handelt, der nicht auf familiären Verhältnissen beruht, sondern der in einer vorsätzlich begangenen Straftat wurzelt, mit der Folge, dass § 40 S. 1 InsO keine Anwendung finden soll.612)

240 Der in § 40 S. 1 InsO gewählte Begriff „Anspruch familienrechtlicher Natur“ entbehrt eines Pendants in den familienrechtlichen Vorschriften des BGB. Für eine Auslegung nach dem Wortlaut der Norm fehlt damit die Grundlage. Sinn und Zweck der Regelung aber ist, den Unterhaltsneugläubiger im familienrechtlichen Sinne aufgrund seiner Nähebeziehung zum Schuldner vom Verfahren auszuschließen. Richtigerweise sind daher – in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung613) – solche Ansprüche vom Anwendungsbereich des § 40 S. 1 InsO auszunehmen, deren Haftungsgrund nicht familienspezifisch ist. Ausgenommen sind somit die oben genannten Ansprüche aus §§ 843, 844 BGB, §§ 10, 13 StVG und §§ 3, 5 HaftPflG, deren Haftungsgrund nicht in einem familiären Näheverhältnis, sondern in der Verletzung des Körpers und des Lebens liegt.614) Diese Ansprüche unterfallen unmittelbar § 38 InsO und können auch für die Zukunft nach den Regeln der §§ 41, 46 InsO als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden.615) § 40 S. 1 InsO greift insofern nicht.

241 Entgegen der insoweit teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht,616) leuchtet es aber nicht ein, weshalb ein Schuldner, der sich vorsätzlich seiner Unterhaltsschuld entzieht und daher gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB haftet, dadurch bessergestellt werden sollte, dass er sich durch Restschuldbefreiung im Hinblick auf die gegen ihn gerichteten Unterhaltsansprüche befreien kann, während der Schuldner, der sich pflichtbewusst um die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bemüht, der privilegierten Vollstreckung i. S. d. § 850d ZPO ausgesetzt wird. Die Signalwirkung, die mit einer solchen Besserstellung einherginge, wäre fatal und wird der wirtschaftlichen Bedeutung des Unterhalts für den Unterhaltsgläubiger nicht gerecht. Die Privilegierung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. ___________ Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 139 f. Kohte, in: Karsten Schmidt, InsO, § 36 Rn. 55; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 10. So: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 138. Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 139 ff.; i. E. auch: Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 14; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 6; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 9. 614) Siehe etwa: Sprau, in: Grüneberg, § 843 Rn. 1; Wagner, in: MüKo-BGB, § 844 Rn. 1. 615) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 10. 616) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 140 f.

610) 611) 612) 613)

88

B. Allgemeiner Teil

§ 170 Abs. 1 StGB gegenüber den anderweitigen deliktischen Ansprüchen ist daher auch vor dem Hintergrund des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes aus § 1 InsO gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass dem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB ohnehin die Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zugrunde liegt (vgl. § 170 Abs. 1 StGB). Richtigerweise ist also auch dieser Anspruch ein Anspruch „familienrechtlicher Natur“ i. S. d. § 40 S. 1 InsO. Dasselbe gilt für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger Entziehung eines Unterhaltsanspruchs nach § 826 BGB.617)

c)

Annex: Anwendbarkeit auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich?

Diskutiert wird überdies, ob auch der schuldrechtliche Versorgungsausgleich gem. 242 §§ 20 ff. VersAusglG in den Anwendungsbereich des § 40 S. 1 InsO fällt.618) Zum Teil wird vertreten, dies sei der Fall.619) Begründet wird dies damit, dass es sich 243 bei versorgungsrechtlichen Ansprüchen gegen den Ehegatten, genau wie bei Unterhaltsansprüchen, um künftig neu entstehende Forderungen handele und der Ehegatte außerdem, wie im Rahmen des Unterhaltsrechts, in gewissem Umfang von der Versorgungslage des Pflichtigen abhängig sei und dessen Schicksal daher teile.620) Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen.621) Neben dem Wortlaut des § 40 S. 1 244 InsO, der ausdrücklich nur familienrechtliche „Unterhaltsansprüche“ erfasst, spricht gegen dessen Geltung für versorgungsrechtliche Ansprüche vor allem auch sein Regelungszusammenhang. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich findet weder bei der Erhöhung der Pfändungsgrenzen im Rahmen der § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO, noch im Rahmen der privilegierten Pfändung nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850d ZPO Berücksichtigung.622) Es entspricht mithin steter gesetzgeberischer Wertung, den Unterhaltsanspruch ggü. anderen Ansprüchen zu privilegieren bzw. ihn zumindest gesondert zu behandeln. Für den Anspruch auf ___________ 617) So auch: Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 5; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 9; so zu der parallel verlaufenden Diskussion bei § 850d ZPO: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 4. 618) Dafür: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 9; Knof, in Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 6; Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 40 Rn. 3; dagegen: BGH 13.10.2011 – IX ZB 80/10 – NJW 2012, 609, 610 f.; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 12; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 10; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 128. 619) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 9; Knof, in Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 6; Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 40 Rn. 3; siehe dazu auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 128. 620) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 9. 621) So auch: BGH 13.10.2011 – IX ZB 80/10 – NJW 2012, 609, 610 f.; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 12; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 10; Janlewing, Insolvenzecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 130. 622) BGH NJW 13.10.2011 – IX ZB 80/10 – 2012, 609, 611; zu § 850d ZPO: BGH 5.7.2005 – VII ZB 11/05 – ZVI 2005, 404, 405.

89

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gilt dies nicht. Ihn nunmehr unter § 40 S. 1 InsO zu subsumieren, würde vor diesem Hintergrund willkürlich anmuten und den mit der Sonderbehandlung der Unterhaltsgläubiger bezweckten Schutz vereiteln.

245 Auch der mit dem Versorgungsrecht verfolgte Zweck ist nicht mit demjenigen des Unterhaltsrechts vergleichbar. Der Anspruch auf Versorgungsausgleich besteht unabhängig von der Bedürftigkeit und der Leistungsfähigkeit des Berechtigten und bezweckt die Schaffung einer eigenständigen sozialen Sicherung des Ehegatten nach der Scheidung. Er beruht auf dem Gedanken der hälftigen Teilhabe des einen Ehegatten an der in der Ehezeit erworbenen Versorgung des anderen Ehegatten.623) Das Unterhaltsrecht dagegen verfolgt das gesetzgeberische Anliegen, Gläubiger, die in ihrer Existenz von den Zahlungen des Schuldners abhängen, abzusichern und nicht auf die Sozialfürsorge zu verweisen.624) Die hinter den jeweiligen Regelungen stehenden Ideen sind daher grundverschieden.625) Für den Anspruch auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gelten somit im Rahmen der Insolvenz keine Besonderheiten.626) Der Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsrente ist einer normalen Insolvenzforderung gleichzustellen, die zur Tabelle anzumelden ist, wenn der Anspruch bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden war.627)

4.

Zusammenfassung

246 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich somit im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 40 S. 1 InsO und die daraus resultierende Einordnung der Unterhaltsansprüche in die insolvenzrechtliche Systematik das folgende Bild: Art des Unterhaltsanspruchs

Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands in § 40 S. 1 InsO?

Gesetzlich

Ja

Übergegangen auf Träger der Sozialhilfe Ja Vertraglich

Nein

Deliktisch

Ja, soweit der Haftungsgrund familienspezifisch ist

Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich

Nein

___________ 623) Für die insoweit parallel verlaufende Diskussion zu § 850d ZPO: BGH 5.7.2005 – VII ZB 11/05 – ZVI 2005, 404, 405. 624) Für die insoweit parallel verlaufende Diskussion zu § 850d ZPO: BGH 5.7.2005 – VII ZB 11/05 – ZVI 2005, 404, 405. 625) So auch: Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 12; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 10; Siede, NZFam 2019, 771, 776; für die insoweit parallel verlaufende Diskussion zu § 850d ZPO: BGH 5.7.2005 – VII ZB 11/05 – ZVI 2005, 404, 405. 626) So auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 3 Rn. 131. 627) Instruktiv auch zu den Auswirkungen der Insolvenz der ausgleichspflichtigen Person im Wertausgleich bei und nach der Scheidung: Siede, NZFam 2019, 771 ff., 776.

90

C. Rückständiger Unterhalt

C. Rückständiger Unterhalt Entstehen nach den oben aufgeführten Grundsätzen vor Eröffnung des Insolvenz- 247 verfahrens Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner, werden diese, wie bereits erläutert und vorbehaltlich des § 40 S. 1 InsO, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO (sog. rückständiger Unterhalt).628) Gläubiger rückständiger Unterhaltsansprüche werden dann wie andere Insolvenzgläubiger behandelt und unterliegen während des Verfahrens dem Vollstreckungsverbot aus § 89 Abs. 1 InsO. Eine Befriedigung findet nur anteilig durch den auf sie entfallenden Teil der Insolvenzmasse statt und die verbleibende Restverbindlichkeit nimmt nach Ablauf der Abtretungsfrist an der Restschuldbefreiung teil.629) Eine Nachhaftung des Schuldners scheidet dann aus (vgl. §§ 301 Abs. 1, 201 Abs. 3 InsO). Etwas anderes gilt jedoch für sogenannte ausgenommene Forderungen i. S. d. § 302 248 InsO, zu denen seit dem 1. Juli 2014 auch rückständige Unterhaltsforderungen zählen (vgl. § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO).630)

I.

Unterhaltsansprüche als ausgenommene Forderungen i. S. d. § 302 InsO

1.

Allgemeine Wirkungen des § 302 InsO

Während des Insolvenzverfahrens und der Wohlverhaltensphase werden ausge- 249 nommene Forderungen zwar wie normale Insolvenzforderungen behandelt. Sie werden mithin anteilig bedient und unterliegen dem Vollstreckungsverbot aus § 89 Abs. 1 InsO.631) Auch § 294 Abs. 1 InsO findet Anwendung.632) Die mit § 302 InsO einhergehende Privilegierung tritt aber nach Rechtskraft der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung ein.633) Gläubiger, zu deren Gunsten Forderungen nach § 302 InsO festgestellt wurden, 250 können diese nach Erteilung der Restschuldbefreiung trotz § 301 Abs. 1 InsO unbeschränkt geltend machen.634) Im Gegensatz zu normalen Insolvenzforderungen bleiben sie also auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung erfüll- und durch___________ 628) Smid, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 40 Rn. 5; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 4; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 15; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 5; Klinkhammer, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 2 Rn. 261; Seiler, in: Niepmann/Seiler, Rspr. Unterhalt, 1. Teil, Rn. 115. 629) Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 15; Reck, in: PrivatinsRK, § 40 Rn. 1; Keller, NZI 2007, 143, 143. 630) Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5; Knop, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 302 Rn. 1. 631) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 29; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 24. 632) BGH 28.6.2012 – IX ZB 313/11 – NZI 2012, 811 m. w. N. 633) Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 78; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 12; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 25. 634) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 30.

91

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

setzbar. Der Schuldner soll sich diesen bestimmten, besonders belasteten Forderungen offensichtlich nicht entziehen können.635)

251 Der Regelung des § 302 InsO liegt ein Spannungsverhältnis zwischen Gläubigerund Schuldnerinteressen zugrunde.636) Auf der einen Seite steht das Interesse des Schuldners an einer möglichst umfassenden Restschuldbefreiung, denn geht es um deren Wert für den Schuldner und die Frage, ob sich das mühevolle Verfahren für ihn lohnt, ist vordergründig entscheidend, in welchem Umfang die Wirkungen des Verfahrens eintreten.637) Je mehr Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, desto weniger attraktiv stellt sich das Verfahren für den Schuldner dar. Der Schuldner muss dann nämlich damit rechnen, nach Erteilung der Restschuldbefreiung in großem Umfang mit einer Inanspruchnahme wegen seiner Altverbindlichkeiten konfrontiert zu werden, die seinen wirtschaftlichen Neustart erheblich erschweren.638)

252 Demgegenüber steht das Störgefühl, das aufkommt, wenn ein Schuldner sich durch das Verfahren bestimmter Forderungsarten entledigen kann. Im Falle von gegen ihn gerichteten deliktischen Forderungen etwa entsteht ein solches vor allem vor dem Hintergrund des mit der Verletzungshandlung einhergehenden Unrechtgehalts.639) Bei der Fallgruppe des rückständigen Unterhalts spielen zudem Schutzaspekte eine Rolle.640) Jedenfalls aber soll das Insolvenzverfahren gem. § 1 S. 1 InsO nur dem redlichen Schuldner zugutekommen (vgl. § 1 S. 2 InsO), sodass eine Entschuldung auf Kosten solcher Gläubiger bedenklich erscheint.

253 Der Anwendungsbereich des § 302 InsO umfasst neben Verbindlichkeiten des Schuldners aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (Nr. 1 Var. 1) und rückständigem gesetzlichem Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat (Nr. 1 Var. 2), außerdem Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang mit diesem wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist (Nr. 1 Var. 3), Geldstrafen und den diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten (Nr. 2) und Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden (Nr. 3).

___________ 635) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 194; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 1; G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2006. 636) Vgl. G. Pape, ZInsO 2016, 2005. 637) Vgl. G. Pape, ZInsO 2016, 2005. 638) Vgl. G. Pape, ZInsO 2016, 2005. 639) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 194; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 302 Rn. 2; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 1; Schinkel, ZVI 2019, 173. 640) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16.

92

C. Rückständiger Unterhalt

2.

Gesetzeshistorie

Schon bei Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 hielt es der Gesetzgeber 254 für sachgerecht, zwei der nunmehr fünf Arten von Verbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung auszunehmen.641) Vor dem Hintergrund der Ausgleichsfunktion des Deliktsrechts und des Unrechtsgehalts der entsprechenden anspruchsbegründenden Umstände sollten Schadensersatzpflichten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden.642) Durch die Aufnahme von Geldstrafen bzw. vergleichbaren Verbindlichkeiten wollte der Gesetzgeber zudem den staatlichen Strafanspruch sowie den damit verbundenen Sanktionszweck schützen.643) Mit dem Insolvenzänderungsgesetz vom 26. Oktober 2001 wurde der Anwendungs- 255 bereich der Norm auf Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen erweitert. Durch diese Erweiterung sollten solche Stiftungen bzw. anderweitige öffentliche oder karitative Einrichtungen privilegiert werden, die den Schuldner bei der Aufbringung der Verfahrenskosten unterstützen.644) Da diese Leistungen letztlich auch die Staatskassen entlasten, sollen diese Institutionen gesondert geschützt werden.645) Zuletzt wurde die Vorschrift durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbe- 256 freiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zum 1. Juli 2014 reformiert und der Anwendungsbereich auf vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährten Unterhalt sowie auf Steuerforderungen ausgeweitet.646) Mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber die besondere Schutzbedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten anerkannt und der Tatsache Rechnung getragen, dass Unterhaltsschuldner in vielen anderen europäischen Mitgliedstaaten von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind.647) Außerdem sollte mit der Gesetzesänderung der besondere Unrechtsgehalt von Steuerstraftaten berücksichtigt werden.648)

___________ 641) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 194; Schinkel, ZVI 2019, 173, 173; zur Gesetzeshistorie: G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2006 f. 642) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 194; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 302 Rn. 2; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 1; Schinkel, ZVI 2019, 173, 173. 643) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 194; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 1; Schinkel, ZVI 2019, 173. 644) RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 29; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 1; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 302 Rn. 4; Schinkel, ZVI 2019, 173, 174. 645) RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 29. 646) Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 302 Rn. 18. 647) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16. 648) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32.

93

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

3.

§ 302 InsO a. F.: Unterhaltsforderungen als deliktische Forderungen

257 Vor der Gesetzesreform von 2014 waren Unterhaltsansprüche nur dann von der Schuldbefreiung ausgenommen, wenn gegen den Schuldner eine Deliktsforderung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB bestand. Obgleich diese Tatbestandsvariante weiterhin Geltung hat, hat sie durch die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO um vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährten Unterhalt an Bedeutung verloren.

258 § 170 StGB dient dem Schutz des Unterhaltsberechtigten vor einer Gefährdung seines wirtschaftlichen Lebensbedarfs sowie dem Schutz der Allgemeinheit vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel.649) Geschütztes Rechtsgut ist somit nicht die ordnungsgemäße Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsansprüche, sondern die materielle Sicherstellung des Berechtigten sowie – zweitrangig – die Schonung öffentlicher Finanzen.650) § 170 Abs. 1 StGB ist ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.651) Dies gilt auch gegenüber den Trägern der Unterhaltsvorschusskassen, die ggf. anstelle des zum Unterhalt Verpflichteten geleistet haben.652)

a) Exkurs: Verfassungsrechtliche Bewertung des § 170 StGB 259 In einem im Jahr 1979 zu entscheidenden Fall hatte das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit der Vorläufernorm § 170b StGB zu prüfen.653) Konkret ging es in dem Fall um die Frage, ob sich die Mutter eines im Jahre 1965 nichtehelich geborenen Sohnes wegen § 170b StGB strafbar gemacht hatte, weil sie sich nicht in der ihr zumutbaren Weise an den Heimunterbringungskosten für ihr Kind beteiligt hatte. Das Kind war im Jahr 1972 in einem Jugendwohnheim untergebracht worden, nachdem die Mutter es über einige Zeit hatte verwahrlosen lassen. Obwohl sie von Beginn an zu einer Kostenbeteiligung aufgefordert worden war und zur Zahlung eines angemessenen Unterhaltsbeitrags in der Lage gewesen wäre, bezahlte sie nur geringe Summen an das Jugendamt. Ab dem Jahr 1975 kümmerte sich die Angeklagte wieder um ihr Kind und besuchte es regelmäßig.654) ___________ 649) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 170 Rn. 1; Fischer, StGB, § 170 Rn. 2; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 1; Krumm, NZFam 2015, 54. 650) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445. 651) Siehe etwa: BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – NZFam 2016, 468; OLG Brandenburg 19.11.2014 – 13 U 18/11 – BeckRS 2015, 11829; OLG Hamm 13.3.2014 – 6 UF 150/13 – BeckRS 2014, 08986; Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 3; Wagner, in: MüKo-BGB, § 823 Rn. 596 m. w. N.; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 1. 652) Etwa in: BGH 11.5.2010 – IX ZB 163/09 – NZI 2010, 615, 616; 30.3.1976 – 1 StR 20/75 – NJW 1976, 1273, 1274; Knop, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 302 Rn. 4; a. A. noch: OLG Frankfurt 10.12.1971 – 1 Ss 335/70 – NJW 1972, 836, 836. 653) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445. 654) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445.

94

C. Rückständiger Unterhalt

Das AG Nürnberg, das über die Strafwürdigkeit des Verhaltens der Angeklagten 260 zu entscheiden hatte, zweifelte aufgrund der Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen oberen Gerichten655) an der Verfassungsmäßigkeit der Norm und setzte das gegen die Angeklagte eingeleitete Verfahren aus.656) Dieses Vorgehen begründete das AG wie folgt: Die Angeklagte sei nach der Rechtsprechung des BGH bis Mitte 1975 deswegen straflos, weil sie ihr Kind auch habe verwahrlosen lassen; ab Mitte 1975 solle sie hingegen strafbar sein, weil sie ihr Kind nun nicht mehr habe verwahrlosen lassen, sondern sich vielmehr nur noch ihrer Unterhaltspflichtverletzung entzogen habe.657) Dieses Ergebnis sei willkürlich. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Verletzung der Unterhaltspflicht bei Wegfall besonderer, den Unrechtsgehalt verstärkender Umstände strafbar und beim Hinzutreten der genannten Umstände straflos sein solle.658) Die vorgetragenen Bedenken teilte das BVerfG jedoch nicht und entschied, dass 261 § 170b StGB mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG und dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG, im Einklang stehe.659) Auch wenn es Sachverhalte geben möge, in welchen – bei etwa gleichem Unrechtsgehalt der Verhaltensweise des Täters – ein Unterhaltsverpflichteter wegen der Tatbestandsfassung des § 170b StGB straflos bliebe, so könne daraus ein die Verfassungswidrigkeit der Strafbestimmung begründender Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden.660) Art. 103 Abs. 2 GG fordere für das Strafrecht zwar bestimmt umschriebene Tatbestände. Letztlich sei es aber kaum vermeidbar, dass besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich dieses Strafgesetzes hinausfielen.661) Sei die Heimunterbringung in der Weise durch die Unterhaltsverweigerung mit veranlasst worden, dass diese für sich allein bereits die Verbringung ins Heim trage, so verbleibe es während des Heimaufenthalts bei der Strafbarkeit nach § 170b StGB, solange der Verpflichtete einen zumutbaren Kostenbeitrag vorsätzlich nicht leiste, und zwar unabhängig davon, ob weitere Unterbringungsgründe wie drohende Verwahrlosung bestünden oder nicht.662)

___________ 655) Einerseits: OLG Stuttgart 28.11.1972 – 1 Ws 339/72 – NJW 1973, 816, 816 f.; OLG Frankfurt 10.12.1971 – 1 Ss 335/70 – NJW 1972, 836, 836; andererseits: BayObLG 16.12.1974 – Rreg. 7 St. 218/74 – NJW 1975, 1720, 1720. 656) Vorlagebeschluss: AG Nürnberg 23.11.1977 – 42 Ds 132/74. 657) Vorlagebeschluss: AG Nürnberg 23.11.1977 – 42 Ds 132/74. 658) Vorlagebeschluss: AG Nürnberg 23.11.1977 – 42 Ds 132/74. 659) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445, 1448. 660) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445, 1448. 661) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445, 1448. 662) BVerfG 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – NJW 1979, 1445, 1446.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

b) Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB 262 Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB setzt die Verletzung eines Schutzgesetzes, mithin das Vorliegen der zu dem gesetzlichen Tatbestand des § 170 Abs. 1 StGB gehörenden Tatumstände voraus.

aa) Gesetzliche Unterhaltspflicht 263 Der Tatbestand des § 170 Abs. 1 StGB ordnet das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht an. Gemeint ist eine Unterhaltspflicht i. S. d. bürgerlichen Rechts.663) Vertragliche Unterhaltspflichten werden nicht erfasst.664) Dasselbe gilt für Ersatzansprüche Dritter.665)

bb) Leistungsfähigkeit 264 Über den Wortlaut des § 170 Abs. 1 StGB hinaus muss der Schuldner leistungsfähig gewesen sein.666) Leistungsfähig in diesem Sinne ist, wer ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts (Selbstbehalt) unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen im Stande ist, dem Berechtigten den diesem zustehenden Unterhalt zu gewähren.667) Dies ist für den Schuldner anhand seiner Einkommensund Vermögensverhältnisse sowie anhand des Lebensbedarfs der bedürftigen Person zu bemessen und durch das Strafgericht für den fraglichen Zeitraum selbstständig festzustellen.668) Der Strafrichter hat die Leistungsfähigkeit dergestalt festzustellen, dass eine spätere Überprüfung der im Urteil gemachten Angaben möglich bleibt.669) Dies erfordert eine genau bezifferte Darlegung der Höhe der Einkünfte,670) sonstiger Verpflichtungen bzw. Lasten sowie des Selbstbehalts des Verpflichteten.671) Ist ein nichteheliches Kind unterhaltsberechtigt, sind zudem Feststellungen über die Ein___________ 663) Fischer, StGB, § 170 Rn. 3; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170, Rn. 3; Ritscher, in: MüKoStGB, § 170 Rn. 9; Krumm, NZFam 2015, 54, 54. 664) Fischer, StGB, § 170 Rn. 6; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 2. 665) Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 170 Rn. 15. 666) So die h. M.: Fischer, StGB, § 170 Rn. 8; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 8; Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 36; a. A.: OLG Koblenz 4.4.2005 – 1 Ss 59/05 – NStZ 2005, 640, das die Leistungsfähigkeit als ein vom Strafrichter selbstständig zu beurteilendes Element des gesetzlichen Merkmals der Unterhaltspflicht einordnet; so auch: Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 170 Rn. 19. 667) Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 8; Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 38. 668) Fischer, StGB, § 170 Rn. 8; Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 40; Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 170 Rn. 22; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 8; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 161. 669) Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 170 Rn. 22. 670) Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 8. 671) Fischer, StGB, § 170 Rn. 8.

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C. Rückständiger Unterhalt

kommens- und Vermögensverhältnisse anderer unterhaltspflichtiger Personen erforderlich.672) Zivilrechtliche Entscheidungen im Rahmen von Unterhaltsverfahren entfalten dabei keine Bindungswirkung.673) Ein inzident festgestelltes Statusverhältnis sowie die vom Zivilrecht festgelegte Rangfolge der Unterhaltsberechtigten (§ 1609 BGB) hingegen sind vom Strafrichter zu berücksichtigen.674) Im Übrigen kann er sich auch an den in der Rechtsprechung der Familiensenate der Oberlandesgerichte entwickelten unterhaltsrechtlichen Leitlinien und Tabellen orientieren.675)

cc) Tathandlung: Sich Entziehen Seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht kann sich ein Verpflichteter sowohl durch 265 positives Tun als auch durch bloßes Unterlassen entziehen.676) Eine Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen setzt die Nichtleistung der Unterhaltsleistung voraus.677) Eine Tatbestandsverwirklichung durch positives Tun hingegen ist nur denkbar, wenn der Täter seine Leistungsunfähigkeit durch leichtfertige Arbeitsaufgabe, Wohnsitzwechsel, zur Leistungsunfähigkeit führende Schenkungen an Dritte oder Verschwendung678) unmittelbar selbst herbeiführt.679) Für die Frage, ob ein Unterhaltspflichtiger des geschuldeten Unterhalts schuldig 266 geblieben ist, ist auch die Rangfolge unter mehreren Unterhaltsforderungen von Bedeutung.680) Diese bestimmt sich nach bürgerlichem Recht (§ 1584 BGB i. V. m. §§ 1606 ff. BGB). Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren (sog. Mangelfall), gibt § 1609 BGB eine Rangfolge vor, nach der die Unterhaltsberechtigten zu befriedigen sind. Seiner Unterhaltspflicht kommt der Unterhaltspflichtige in einem solchen Fall nur dann ordnungsgemäß nach, wenn er die nach dieser Vorschrift vorrangig Berechtigten unterhaltsrechtlich abgesichert hat.681) Minderjährige Kinder und Kinder i. S. d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB sind danach stets als erstes zu berücksichtigen.

___________ 672) Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 170 Rn. 22; Fischer, StGB, § 170 Rn. 8. 673) BGH 4.11.1953 – 4 StR 91/53 – BGHSt 5, 106, 109; Fischer, StGB, § 170 Rn. 5; Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 31. 674) BayObLG 25.4.2002 – 5St RR 106/02 – BayObLGSt 2002, 71, 74; Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 31; Fischer, StGB, § 170 Rn. 5. 675) So schon: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 161. 676) BGH 30.5.1963 – 1 StR 6/63 – BGHSt 18, 376, 379. 677) Fischer, StGB, § 170 Rn. 9. 678) BGH 8.3.1960 – 1 StR 57/60 – BGHSt 14, 165. 679) Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 9; Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 49 ff.; Fischer, StGB, § 170 Rn. 9; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 161. 680) Fischer, StGB, § 170 Rn. 7; tiefergehend: Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 20 f. 681) Ritscher, in: MüKo-StGB, § 170 Rn. 20.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

dd) Taterfolg: Gefährdung des Lebensbedarfs 267 Die Verwirklichung des § 170 Abs. 1 StGB setzt darüber hinaus die Gefährdung des Lebensbedarfs des Unterhaltsberechtigten voraus.682) Wie hoch der Lebensbedarf im Einzelfall ist, richtet sich nach den zivilrechtlichen Vorschriften zum Unterhaltsbedarf (vgl. §§ 1360a, 1361, 1610, 1578 BGB und §§ 5, 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 LPartG) und umfasst nicht nur das zum Leben unbedingt notwendige, sondern alles, was den Lebenszuschnitt des Berechtigten prägt.683) Auch ein unterhaltsrechtlich gewährleisteter hoher Lebensstandard kann daher dem strafrechtlichen Schutz des § 170 Abs. 1 StGB unterliegen.684)

268 Als Gefährdung wird die nahe Wahrscheinlichkeit eines Mangels verstanden.685) Dies entspricht den Anforderungen an ein konkretes Gefährdungsdelikt.686) Zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Lebensbedarfs muss es mithin noch nicht gekommen sein.687) Der Gefährdung steht es vielmehr gleich, wenn der Unterhaltsberechtigte ohne anderweitig geleistete Hilfe gefährdet gewesen wäre. „Andere“ in diesem Sinne sind vor allem öffentliche Stellen.688)

269 Die nahe Wahrscheinlichkeit eines Mangels ist nach der Rechtsprechung des BGH außerdem gegeben, wenn der Berechtigte zur Sicherung seines Lebensbedarfs eigene Anstrengungen aufbringen muss, die das Maß des objektiv Zumutbaren übersteigen.689) Nicht ausreichend dafür aber ist, dass ein Arbeitsaufwand nur die persönlichen Verhältnisse eines getrennt lebenden Ehegattens i. S. d. § 1361 Abs. 2 BGB übersteigt.690)

___________ 682) Fischer, StGB, § 170 Rn. 10. 683) Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 10; Ritscher, MüKo-StGB, § 170 Rn. 54; Bosch/ Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 170 Rn. 28. 684) BGH 15.4.1975 – 5 StR 667/74 – BGHSt 26, 111, 113; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1627. 685) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1627. 686) BGH 21.11.1958 – 5 StR 366/58 – NJW 1959, 301, 302; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 161. 687) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1627. 688) Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 10. 689) BGH 2.7.1974 – VI ZR 56/73 – NJW 1974, 1868, 1869. 690) BGH 2.7.1974 – VI ZR 56/73 – NJW 1974, 1868, 1869.

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C. Rückständiger Unterhalt

ee) Weitere Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, insbesondere: Vorsatz Das Bestehen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB setzt darüber hinaus die 270 Rechtswidrigkeit der Schutzgesetzverletzung voraus, die durch diese selbst indiziert wird.691) Im Übrigen ist auch ein Verschulden des Schuldners erforderlich. Die Verschuldens- 271 fähigkeit richtet sich i. S. d. herrschenden Meinung nach den §§ 827 f. BGB.692) Setzt das Schutzgesetz eine bestimmte Schuldform voraus, ist diese konsequenterweise auch Voraussetzung für einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB.693) In diesem Sinne setzt das Bestehen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB eine vorsätzliche Begehungsweise voraus. Ein Verschulden in Bezug auf einen darüberhinausgehenden Verletzungserfolg ist nicht erforderlich.694) Die Rechtsfolgen des Anspruchs ergeben sich aus den §§ 249 ff. BGB.695)

c)

272

Anmeldung zur Tabelle

§ 302 Nr. 1 InsO gibt dem Schuldner auf, seine Forderung unter Angabe des jewei- 273 ligen Rechtsgrundes zur Tabelle anzumelden und verweist dabei auf die Regelung in § 174 Abs. 2 InsO.

aa) Hintergrund zu § 174 Abs. 2 InsO In seiner ursprünglichen Fassung verlangte § 174 Abs. 2 InsO für die Anmeldung 274 zur Tabelle nur die Angabe von Grund und Betrag der Forderung. Durch das Insolvenzänderungsgesetz vom 26. Oktober 2001 wurde diese Obliegen- 275 heit aber auf die Tatsachen erweitert, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt.696) Bedeutung erlangt die Angabe dieses Attributs nur im Hinblick auf die Regelung des § 302 InsO und somit auch nur für die Insolvenz natürlicher ___________ 691) BGH 26.2.1993 – V ZR 74/92 – NJW 1993, 1580, 1581; Katzenmeier, in: NK-BGB, § 823 Rn. 531. 692) Etwa: Katzenmeier, in: NK-BGB, § 823 Rn. 533; a. A., die auf die für den Fall der Verletzung einer Strafnorm auf §§ 19 ff. StGB abstellt: Wagner, in: MüKo-BGB, § 823 Rn. 612. 693) Katzenmeier, in: NK-BGB, § 823 Rn. 534 m. w. N. 694) Etwa: BGH 25.9.1952 – III ZR 322/51 – NJW 1953, 700, 701; so auch die h. M., siehe etwa: Wagner, in: MüKo-BGB, § 823 Rn. 607. 695) Wagner, in: MüKo-BGB, § 823 Rn. 616. 696) RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 6; siehe auch: Mäusezahl, ZInsO 2002, 462; Grote, NJW 2001, 3665, 3667.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Personen.697) Das mit dieser Erweiterung verfolgte gesetzgeberische Ziel lag in einem verstärkten Schuldnerschutz.698) Dieser sollte aufgrund der damit verbundenen einschneidenden Konsequenzen schon möglichst frühzeitig darüber informiert werden, welche Forderungen am Ende des Restschuldbefreiungsverfahrens nicht von der Schuldbefreiung erfasst werden.699)

276 Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 1. Juli 2014 wurde § 174 Abs. 2 InsO zuletzt reformiert und entsprechend den Änderungen in § 302 InsO für Forderungsanmeldungen aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt und aus einem Steuerverhältnis erweitert.700) Inhaltliche Änderungen gingen damit nicht einher (o siehe dazu auch Rn. 317 ff.).

bb) Regelungsgehalt 277 Im Grundsatz verpflichtet § 174 Abs. 2 InsO jeden Gläubiger, den Grund und den Betrag der Forderung bei der Forderungsanmeldung anzugeben. Unter dem Grund der Forderung ist dabei der Sachverhalt zu verstehen, aus dem die Forderung hergeleitet wird und durch den sie ihre Berechtigung erhält.701) Dabei gelten die vom BGH für den Zivilprozess entwickelten Substantiierungsgrundsätze.702) Soweit die Anmeldung Grundlage der Teilnahme am Insolvenzverfahren ist, hat der Gläubiger also einen Lebenssachverhalt darzulegen, der in Verbindung mit einem – nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden – Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt.703) Der Insolvenzverwalter und die übrigen Gläubiger sollen die Möglichkeit bekommen, die Forderung zu überprüfen.704) Die Reichweite der Forderung muss bestimmbar sein, da sich aus ihrem Tabelleneintrag der vollstreckbare Titel ergibt (vgl. § 178 Abs. 3 InsO).705)

___________ 697) Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 174 Rn. 53; Riedel, in: MüKo-InsO, § 174 Rn. 34. 698) RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 29. 699) RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 29; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 302 Rn. 4; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 2; Schinkel, ZVI 2019, 173, 174; Mäusezahl, ZInsO 2002, 462. 700) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 6. 701) BGH 22.1.2009 – IX ZR 3/08 – NZI 2009, 242, 243; zuletzt auch in: 5.7.2018 – IX ZR 167/15 – NZI 2018, 743, 744 f.; Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 174 Rn. 19; Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1634. 702) Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 174 Rn. 19; vgl. zu den vom BGH entwickelten Substantiierungsgrundsätzen: BGH 12.7.1984 – VII ZR 123/83 – NJW 1984, 2888. 703) BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127; 21.2.2013 – IX ZR 92/12 – NZI 2013, 388; 22.1.2009 – IX ZR 3/08 – NZI 2009, 242, 243. 704) Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 174 Rn. 19. 705) BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1634.

100

C. Rückständiger Unterhalt

Soll eine Forderung von der Wirkung der Restschuldbefreiung ausgenommen bleiben, 278 gehen die an die Anmeldung gestellten Anforderungen noch darüber hinaus. Anzugeben sind dann nach § 174 Abs. 2 InsO auch die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Forderung unter eine der in § 302 InsO aufgezählten Alternativen fällt.706) Dies gilt auch dann, wenn die Forderung schon entsprechend tituliert worden ist.707) Gehört die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung bereits zum Grund des angemeldeten Anspruchs, gelten die vorstehenden Ausführungen auch für sie. Welche Darlegungsanforderungen aber bestehen, wenn die Anmeldung der Forderung als auf einer unerlaubten Handlung beruhend nur im Hinblick auf die spätere Restschuldbefreiung und § 302 InsO Bedeutung erlangt, ist in Rechtsprechung und Wissenschaft umstritten. Einige lassen das bloße Ankreuzen eines im Anmeldeformular hierfür vorgesehenen Kästchens708) oder die Vorlage eines entsprechenden Titels709) genügen. Andere fordern die hinreichende Individualisierung des maßgeblichen Vorgangs beruhend auf der subjektiven Einschätzung des Gläubigers.710) Dritte wiederum verlangen einen Tatsachenvortrag, der die unerlaubte Handlung als plausibel erscheinen lässt.711) Nach einer vierten Ansicht muss der Tatsachenvortrag schlüssig, jedes Tatbestandsmerkmal der unerlaubten Handlung also mit Tatsachen unterlegt sein.712) Der BGH nahm sich dieser Frage in einem im Jahr 2014 zu behandelnden Fall an 279 und entschied wie folgt:713) Beruhe der Rechtsgrund der Forderung auf einer unerlaubten Handlung, müsse dieser 280 in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmbar sei und der Schuldner erkennen könne, welches Verhalten ihm vorgeworfen werde.714) Der Schuldner solle frühzeitig einschätzen können, ob er sich im Hinblick auf die angemeldete, nicht der Restschuldbefreiung unterfallenden Forderung überhaupt dem Insolvenzverfahren mit ___________ 706) Reck, in: PrivatinsRK, § 174 Rn. 8. 707) BGH 28.6.2012 – IX ZR 160/11 – ZInsO 2012, 1614; 18.5.2006 – IX ZR 187/04 – NZI 2006, 536. 708) Mäusezahl, ZInsO 2002, 462, 463. 709) OLG München 28.4.2015 – 5 U 3710/14 – VIA 2016, 4. 710) Kolbe, Deliktische Forderungen und Restschuldbefreiung, 45; Gaul, in: GS Heinze, 193, 199. 711) AG Göttingen 30.12.2015 – 74 IN 175/14 – ZInsO 2016, 648, 650; AG Hamburg 29.12.2004 – 68b IK 31/02 – ZInsO 2005, 107; AG Strausberg 19.8.2004 – 13 M 936/04 – VuR 2005, 33; Kahlert, ZInsO 2006, 409; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 166. 712) AG Köln 25.10.2012 – 72 IK 479/11 – ZVI 2013, 150; so auch: Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 174 Rn. 38; A. Schmidt, ZVI 2019, 249, 250; Hain, ZInsO 2011, 1193, 1194; Rinjes, DZWIR 2002, 415, 416. 713) BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127. 714) BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; so auch: Reck, in: PrivatinsRK, § 174 Rn. 8; Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1634 f.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

anschließender Wohlverhaltensphase unterwerfen wolle.715) Das bloße Setzen eines Kreuzchens genüge diesen Anforderungen nicht.716) Einer schlüssigen Darlegung des objektiven und subjektiven Deliktstatbestands bedürfe es allerdings ebenso wenig, da der Schuldner bereits ausreichend über die Hinweispflicht des Gerichts aus § 175 Abs. 2 InsO geschützt sei und das Erfordernis der qualifizierten Anmeldung nicht dazu dienen solle, dem Schuldner das Prozessrisiko des sich an den Widerspruch möglicherweise anschließenden Feststellungsrechtsstreits abzunehmen.717) Der Gläubiger müsse daher auch nicht jedes Tatbestandsmerkmal der unerlaubten Handlung mit Tatsachen unterlegen.718)

281 Im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm sollen die Ausführungen erkennen lassen, weshalb sich aus dem Sachverhalt aus Sicht des Gläubigers ein deliktischer Anspruch ergebe.719) Anhand der Angaben müsse es möglich sein, nachzuvollziehen, durch welches Geschehen der Anspruch begründet sei.720) Dies erfordere die Schilderung eines tatsächlichen Geschehensablaufs, der alle wesentlichen Elemente der Tatbegehung offenbare.721) Ein Verweis auf eine entsprechende Titulierung genüge diesen Anforderungen nicht, wenn diese keinen Sachverhalt erkennen lasse, mit dem eine Forderung einem bestimmten Verhalten zugeordnet werden könne, wie etwa ein Vollstreckungsbescheid.722) Anders verhalte es sich jedoch dann, wenn ein Urteil vorgelegt werde, aus dem sich unzweifelhaft eine deliktische Schadensersatzpflicht ergebe.723)

282 Der in dieser Form ordnungsgemäßen Anmeldung kommt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Genügt der Gläubiger diesen Anforderungen nicht, nimmt die Forderung an der Restschuldbefreiung teil.724) Dies gilt sogar dann, wenn die unterbliebene oder unvollständige Anmeldung nicht auf einem Verschulden des Gläubigers beruht.725) ___________ 715) RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 27; BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128. 716) So: AG Göttingen 30.12.2015 – 74 IN 175/14 – ZInsO 2016, 648, 650. 717) BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; so auch: AG Göttingen 30.12.2015 – 74 IN 175/14 – ZInsO 2016, 648, 650; T. Schmidt, ZInsO 2006, 523, 526; Heinze, DZWIR 2002, 369. 718) A. A.: A. Schmidt, ZVI 2019, 249, 250. 719) BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; AG Köln NZI 2017, 449, 450. 720) BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 174 Rn. 22; dies entspricht auch dem Regelungszweck: RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 29. 721) Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1635; Preß/Hennigsmeier, in: HambKomm, InsO, § 174 Rn. 22. 722) AG Norderstedt 6.6.2017 – 65 IK 29/17 – ZVI 2017, 387; Schinkel, ZVI 2019, 251. 723) OLG München 28.4.2015 – 5 U 3710/14, Rn. 14 (juris). 724) Riedel, in: MüKo-InsO § 174 Rn. 34; Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1635. 725) BGH 5.4.2016 – VI ZR 283/15 – ZVI 2016, 310, 311; 16.12.2010 – IX ZR 24/10 – VuR 2012, 33; Riedel, in: MüKo-InsO, § 174 Rn. 34; Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1635.

102

C. Rückständiger Unterhalt

cc) Wirkung der Attributsanmeldung Nach entsprechender Anmeldung der Forderung muss das Insolvenzgericht den 283 Schuldner im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gem. § 175 Abs. 2 InsO auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und die Möglichkeit des Widerspruchs hinweisen, um ein entsprechendes Bewusstsein für die Rechtsfolgen zu schaffen.726) Letzteres setzt voraus, dass der Schuldner darüber aufgeklärt wird, dass es sich um eine ausgenommene Forderung i. S. d. § 302 InsO handelt, aus der auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung weiter vollstreckt werden kann, und dem Schuldner die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Forderung offensteht.727) Erforderlich ist auch, dass er in Kenntnis gesetzt wird, dass der Widerspruch nur im Prüfungstermin erklärt werden kann und daher im Regelfall seine persönliche Anwesenheit erfordert.728) Die Belehrung muss individuell in Bezug auf die konkrete Forderung erfolgen.729) Versäumt das Insolvenzgericht die Belehrung bzw. entspricht die Belehrung nicht der vorgegebenen Form, ist dem Schuldner nach § 186 InsO die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.730)

d) Widerspruch Im Rahmen des vom Insolvenzgericht geleiteten Prüfungstermins werden die zur 284 Tabelle angemeldeten und entsprechend eingetragenen Forderungen überprüft. Jede angemeldete Forderung kann dabei durch die Gläubiger, den Insolvenzverwalter oder durch den Schuldner bestritten werden.731) Dies geschieht durch Erhebung eines Widerspruchs.732) Die formellen Anforderungen an einen solchen sind gering. Der Widerspruch ist mündlich im Prüfungstermin zu erklären.733) Einer Begründung bedarf er nicht.734)

___________ 726) Schinkel, ZVI 2019, 251, 252; siehe auch die Gesetzesbegründung: RegE v. 28.3.2001, BT-Drs. 14/5680, 27; über die Fürsorge des Gerichts: Reck, ZVI 2019, 366, 367. 727) Näher zur Hinweispflicht: Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 175 Rn. 7 ff.; G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2007. 728) BGH 10.2.2011 – IX ZB 237/09 – ZInsO 2011, 837; Preß/Hennigsmeier, in: HambKomm, InsO, § 175 Rn. 9. 729) Knop, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 302 Rn. 11. 730) Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 175 Rn. 9; Knop, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 302 Rn. 11. 731) Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 8. 732) Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 8; G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2017 ff. 733) Preß/Hennigsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 10; für ein weiteres Verständnis: Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 176 Rn. 21, der sich zusätzlich für die Wirksamkeit eines früheren Widerspruchs ausspricht. 734) Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 178 Rn. 16; kritisch: Preß/Hennigsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 10.

103

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

285 Die Rechtsfolgen eines solchen Widerspruchs hängen davon ab, wer den Widerspruch erhoben hat und gegen was er sich richtet.

aa) Widerspruch des Insolvenzverwalters 286 Der Widerspruch des Insolvenzverwalters richtet sich gegen die zur Tabelle angemeldete Forderung selbst. Bestritten wird die Anspruchsberechtigung, der Grund der Forderung, die Höhe des Forderungsbetrags oder der geltend gemachte Rang.735) Ein solcher Widerspruch verhindert, dass die Forderung am Verfahren teilnimmt.736) Wird er nicht rechtzeitig beseitigt, kann die Forderung nicht festgestellt werden (vgl. § 178 Abs. 1 S. 1 InsO). Sie wird dann nicht an der Schlussverteilung beteiligt.

287 Um diese Konsequenz zu vermeiden, bleibt es gem. § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger der Forderung überlassen, den Widerspruch durch Betreiben der Feststellung gegen den Bestreitenden zu beseitigen. Zweck eines solchen Rechtsstreits ist es, eine Entscheidung über das im Streit stehende Rechtsverhältnis herzustellen.737) Gem. § 180 Abs. 1 InsO ist die Klage im ordentlichen Verfahren zu betreiben.

288 Besonderheiten gelten insoweit für bereits titulierte Forderungen. Diese entfalten zugunsten ihres Inhabers einen beachtlichen Grad an Richtigkeitsgewähr.738) § 179 Abs. 2 InsO weist für diesen Fall daher dem Bestreitenden die Feststellungsinitiative zu.739) Verfolgt dieser seinen Widerspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO, wird die Forderung gleichwohl im Verfahren berücksichtigt.

bb) Widerspruch des Schuldners (1) Gegen die Forderung als Ganzes 289 Ein Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung als Ganzes steht der Feststellung derselben zur Tabelle wegen § 178 Abs. 1 S. 2 InsO nicht entgegen.740) Ohne die Beseitigung des erhobenen Widerspruchs gegen die Forderung kann der Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens zwar keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Tabelleneintrag gem. § 201 Abs. 2 InsO betreiben.741) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kommen aber ohnehin nur in Betracht, wenn dem Insolvenzverfahren kein Restschuldbefreiungsverfahren folgt (§§ 201 Abs. 3, 294 Abs. 1, 301 Abs. 1 InsO) oder wenn das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung versagt ___________ 735) 736) 737) 738) 739) 740) 741)

104

Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1636. Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 1; Eisner, NZI 2003, 480, 481. Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1639. Geißler, ZInsO 2019, 1633, 1641. Herchen, in: HambKomm, InsO, § 179 Rn. 23. Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 8; Reck, in: PrivatinsRK, § 178 Rn. 5. BGH 11.7.2013 – IX ZR 286/12 – NZI 2013, 801; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 40; Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 8.

C. Rückständiger Unterhalt

oder widerruft (§§ 290, 299, 300, 303 InsO).742) Dem schuldnerischen Widerspruch gegen die Forderung als Ganzes kommt vor diesem Hintergrund eine nur untergeordnete Bedeutung zu.

(2) Gegen das Forderungsattribut Praxisrelevanter ist der sog. isolierte Widerspruch.743) Zur Verhinderung der Weiter- 290 haftung nach Erteilung der Restschuldbefreiung kann der Schuldner unter Anerkennung des Zahlungsanspruchs isoliert der Feststellung des Attributs i. S. d. § 302 InsO zur Tabelle widersprechen.744) Für den Fall, dass sich der deliktische Rechtsgrund aus dem Entscheidungstenor des vollstreckbaren Titels ergibt, gilt die Frist des § 184 Abs. 2 InsO entsprechend.745) Richtet sich der Widerspruch des Schuldners gegen das Forderungsattribut, bleibt 291 die vom Gläubiger erhoffte Wirkung des § 302 InsO aus.746) Die Forderung nimmt dann, wenn der Widerspruch nicht durch Feststellungsklage beseitigt wird, an der Restschuldbefreiung teil.747) Ist die Forderung im Übrigen festgestellt, ist dem Gläubiger zwar nach der Rechtsprechung des BGH gleichwohl eine vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenauszugs nach § 201 Abs. 2 S. 1 InsO zu erteilen.748) Der Schuldner bringt durch seinen Widerspruch aber zum Ausdruck, dass er eine Vollstreckung nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht hinzunehmen bereit ist und daher seinerseits mit der Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage i. S. d. § 767 ZPO zu rechnen ist.749) Die mit der Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs einhergehende Bevorzugung des Gläubigers ist vor diesem Hintergrund nur eine scheinbare Besserstellung. Erhebt der Schuldner in der Folge tatsächlich eine Vollstreckungsgegenklage i. S. d. § 767 ZPO, entstehen für den Gläubiger noch zusätzliche Kosten. Um dies zu verhindern und die Wirkung des § 302 InsO wiederherzustellen, muss 292 der Gläubiger Klage auf Feststellung des Rechtsgrundes erheben (auch: Attributsklage).750) Die Feststellungslast liegt bei ihm, es sei denn die Forderung ist titu___________ 742) Schumacher, in: MüKo-InsO, § 178 Rn. 24. 743) Reck, in: PrivatinsRK, § 178 Rn. 5. 744) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 40; Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 8; Schumacher, in: MüKo-InsO, § 178 Rn. 24. 745) BGH 2.12.2010 – IX ZR 41/10 – ZIP 2011, 39; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 45; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 184 Rn. 20; Herchen, in: HambKomm, InsO, § 184 Rn. 19. 746) Preß/Henningsmeier, in: HambKomm, InsO, § 178 Rn. 8; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 36. 747) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 38. 748) BGH 3.4.2014 – IX ZB 93/13 – NZI 2014, 568. 749) BGH 18.5.2006 – IX ZR 187/04 – NZI 2006, 536, 537. 750) BGH 18.1.2007 – IX ZR 176/05 – NZI 2007, 416, 417; 18.5.2006 – IX ZR 187/04 – NZI 2006, 536, 537; Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 184 Rn. 10.

105

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

liert.751) § 184 InsO gilt analog.752) Das erforderliche Feststellungsinteresse resultiert dann aus seinem Bedürfnis, die Forderung spätestens nach Ablauf der Wohlverhaltensphase und unabhängig davon durchzusetzen, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt worden ist oder nicht.753)

293 In der Regel wird auch dem Schuldner an einer zeitnahen Klärung des Vorliegens der Attributseigenschaft gelegen sein: Bis dahin besteht für ihn die Ungewissheit, ob die betreffende Forderung trotz der von ihm angestrebten Restschuldbefreiung tituliert und durchgesetzt werden kann.754) Möglicherweise hängt für den Schuldner davon sogar ab, ob er den Antrag auf Restschuldbefreiung überhaupt weiterverfolgt.755) Auch er kann daher negative Feststellungsklage erheben und gerichtlich klären lassen, dass das entsprechende Attribut nicht gegeben ist.756)

294 Eine entsprechende Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn die Forderung selbst dem Grunde und der Höhe nach zur Insolvenztabelle festgestellt ist, das besondere Forderungsattribut vom Gläubiger hinreichend konkret angemeldet worden ist und der Widerspruch des Schuldners gegen das besondere Attribut in die Insolvenztabelle eingetragen ist.757) Handelt es sich bei dem Feststellungsbegehren um eine unterhaltsrechtliche Angelegenheit, sind die Familiengerichte zuständig.758)Anderes gilt jedoch, wenn es um die Klage einer Unterhaltsvorschusskasse geht, die einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 UVG geltend macht.759) Zuständig sind dann die ordentlichen Gerichte.760)

cc) Beweislast im Feststellungsprozess 295 Es entspricht feststehender Rechtsprechung des BGH, dass derjenige, der sich auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes stützt, grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zu beweisen hat, aus denen sich die Verwirklichung

___________ Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 42. Herchen, in: HambKomm, InsO, § 184 Rn. 19. Herchen, in: HambKomm, InsO, § 184 Rn. 10. Vgl. BGH 3.4.2014 – IX ZB 93/13 – NZI 2014, 568. BGH 18.1.2007 – IX ZR 176/05 – NZI 2007, 416, 417. Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 44; a. A.: Herchen, in: HambKomm, InsO, § 184 Rn. 30. Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 184 Rn. 11. BGH 3.3.2016 – IX ZB 33/14 – ZVI 2016, 357 f.; 3.3.2016 – IX ZB 64/14 – ZVI 2016, 398, 399; KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 26; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 302 Rn. 19; G. Pape, Insbüro 2017, 56, 58; Pianowski, Insbüro 2015, 4, 7; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 180. 759) G. Pape, Insbüro 2017, 56, 58. 760) G. Pape, Insbüro 2017, 56, 58.

751) 752) 753) 754) 755) 756) 757) 758)

106

C. Rückständiger Unterhalt

der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt.761) Er muss bei Geltendmachung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB beweisen, dass in bestimmten Zeiträumen eine gesetzliche Unterhaltspflicht bestanden hat, sich der Schuldner dieser Unterhaltspflicht trotz Leistungsfähigkeit entzogen hat und dadurch der eigene Lebensbedarf gefährdet ist bzw. ohne die Hilfe anderer gefährdet gewesen wäre.762) Auch für den bedingten Vorsatz des Schuldners ist der Gläubiger nach Ansicht des BGH beweispflichtig.763) Dies gilt unabhängig davon, auf wessen Feststellungsinitiative hin der Rechtsstreit geführt wird.764) Dies gilt nach dem BGH auch bei Vorliegen eines titulierten Unterhaltsanspruchs.765) 296 Der BGH entschied dies für einen Fall, in dem darüber gestritten wurde, ob die zur Tabelle angemeldeten (titulierten) Unterhaltsforderungen auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i. S. v. § 302 Nr. 1 InsO a. F. beruhten. Die diesem Streit zugrundeliegenden Forderungen waren solche auf Kindesunterhalt, die durch Zahlung von Unterhaltsvorschüssen bereits auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen waren. Die Nichterfüllung einer ausgeurteilten Unterhaltsschuld und die vorsätzliche Ver- 297 letzung einer Unterhaltspflicht gem. § 170 StGB sind nach Ansicht des BGH nicht identisch.766) Eine Titulierung kann nach Auffassung des BGH mithin nicht die Beweislast zugunsten des Inhabers beeinflussen. Denn ebenso wenig wie ein rechtskräftiges Urteil über eine Zahlungspflicht bindend darüber entscheiden könne, ob ein Anspruch wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung bestehe, folge aus einem rechtskräftigen Unterhaltsurteil, dass der den Unterhalt nicht bezahlende Schuldner den Straftatbestand des § 170 StGB erfülle. Auch die Regeln der Rechtskraft könnten insoweit zu keinem anderen Ergebnis 298 führen. Der Anspruch auf laufenden Unterhalt und der Schadensersatzanspruch aufgrund einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht hätten unterschiedliche Streitgegenstände.767) Die rechtskräftige Entscheidung über den Unterhaltsanspruch könne daher auch keine präjudizielle Wirkung haben.768) Urteile seien gem. § 322 ___________ 761) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; 18.12.2012 – II ZR 220/10 – ZIP 2013, 412; 19.7.2011 – VI ZR 367/09 – ZIP 2011, 1821; OLG Hamm 13.3.2014 – 6 UF 150/13 – ZVI 2014, 385; so auch schon: Keller, NZI 2007, 316, 320. 762) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; dazu: Stephan, VIA 2016, 73, 75 f. 763) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; 18.12.2012 – II ZR 220/10 – ZIP 2013, 412; 2.12.2010 – IX ZR 247/09 – NZI 2011, 111, 113. 764) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; OLG Brandenburg 19.12.2012 – 13 U 18/11 – BeckRS 2013, 18373. 765) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; ohne Einschränkung: OLG Hamm – 13.3.2014 – 6 UF 150/13 – ZVI 2014, 384, 385. 766) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399. 767) BGH 3.3.2016 – IX ZB 33/14 – ZVI 2016, 357; 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 400. 768) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 400.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Abs. 1 ZPO nur insoweit der Rechtskraft zugänglich, als über den durch die Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist.769) Dieser sei im Rahmen eines Rechtsstreits über Unterhalt auf die wiederkehrenden Leistungen aus dem zugrundeliegenden Verhältnis beschränkt.770) Gemeinsame Vorfragen und etwa bestehende Sinn- und Ausgleichszusammenhänge mit einem anderen Streitgegenstand seien nicht erfasst.771) Auch die dem Unterhaltsurteil etwa gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 418 Abs. 1 ZPO zukommende Beweiskraft ändere an dieser Ausgangslage nichts.772)

299 Gänzlich schutzlos stellte der BGH den Unterhaltsgläubiger aber nicht. Zunächst schaffte er in Sachen Nachweis der Bedürftigkeit Abhilfe. Nach seiner Auffassung könne sich der Gläubiger hinsichtlich der Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes auf § 1612a BGB berufen, denn solange der Schuldner keine Umstände darlege, die es möglich erscheinen ließen, dass ein minderjähriges Kind gem. § 1602 BGB in Höhe des Mindestunterhalts nicht bedürftig sei, sei der Gläubiger nicht gehalten, weiteres zu Unterhaltsbedarf und -bedürftigkeit vorzutragen oder zu beweisen.773) Durch Anwendung dieses für den Unterhaltsbedarf geltenden § 1612a BGB für die Klärung der Bedürftigkeit vermischte der BGH die im Familienrecht voneinander zu trennenden Fragen nach Unterhaltsbedarf und Unterhaltsbedürftigkeit und erleichterte dem Unterhaltsgläubiger so die Darlegung Letzterer im Feststellungsprozess. Nach Ansicht des BGH sollte diese Erleichterung auch nicht nur für das minderjährige Kind selbst gelten, sondern auch für die Unterhaltsvorschusskasse, die den cessio legis auf sie übergangenen Kindesunterhalt im Rahmen des Insolvenzverfahrens verfolgt.

300 Darüber hinaus schaffte der BGH auch in Bezug auf die im Rahmen des Prozesses darzulegende Leistungsfähigkeit Abhilfe. Er stellte fest, dass der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs regelmäßig keine Tatsachen über die Leistungsfähigkeit des Schuldners kenne und ihm auch keine Auskunftsansprüche zustünden (auch nicht § 1605 BGB und § 6 UVG). Daraus schloss er, dass den Schuldner eine sekundäre Darlegungslast in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit treffe.774) Wieder gilt dies nach Ansicht des BGH sowohl bei Geltendmachung des Anspruchs durch das Kind selbst, als auch bei Geltendmachung durch eine Unterhaltsvorschusskasse. Dem Schuldner kann danach zugemutet werden, durch nähere Angaben über seine Vermögensverhältnisse eine noch detailliertere Darlegung der Leistungsfähigkeit zu ___________ 769) BGH 26.6.2003 – I ZR 269/00 – NJW 2003, 3058, 3059; 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 400. 770) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 400. 771) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 400. 772) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 400. 773) A. A. noch: OLG Hamm 13.3.2014 – 6 UF 150/13 – ZVI 2014, 384, 387. 774) A. A.: OLG Hamm 13.3.2014 – 6 UF 150/13 – ZVI 2014, 384, 387.

108

C. Rückständiger Unterhalt

ermöglichen. Zu beachten ist jedoch, dass er erst nach dem schlüssigen Vortrag aller anspruchsbegründenden Voraussetzungen durch den Gläubiger auf die sekundäre Beweislast verwiesen werden kann.775) Inwieweit diese Rechtsprechung auf die Neuregelung in § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO 301 übertragbar ist, ist fraglich. (o siehe dazu Rn. 345 ff.).

4.

§ 302 InsO n. F.: Vorsätzlich, pflichtwidrig nicht gewährter Unterhalt

a) Sinn und Zweck der Neuregelung Mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stär- 302 kung der Gläubigerrechte vom 1. Juli 2014 wurde der Katalog der nach § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen erweitert.776) Erstmals angedacht hatte der Gesetzgeber eine entsprechende Ergänzung schon im Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 5. Dezember 2007.777) Nach der Neuregelung genügt es, dass der gesetzlich geschuldete Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt worden ist (vgl. § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO). Der Verwirklichung des Straftatbestands der Unterhaltspflichtverletzung i. S. d. § 170 Abs. 1 StGB bedarf es seither nicht mehr. Die Notwendigkeit einer solchen Neuregelung begründete der Gesetzgeber mit der 303 Schutzbedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten.778) Er reagierte damit auf die insoweit in der Literatur bereits lange vorherrschende Kritik an den bestehenden Regelungen, die vereinzelt sogar als „strukturelle Benachteiligung der Unterhaltsgläubiger im Insolvenzverfahren“ bezeichnet wurden.779) Insbesondere im Hinblick auf die Beweisschwierigkeiten im Strafprozess hielt er die Erweiterung für dringend erforderlich.780) Im Übrigen sprachen aus Sicht des Gesetzgebers auch die Regelungen verschiedener europäischer Mitgliedstaaten dafür, nach denen Unterhaltsansprüche bereits von der Restschuldbefreiung ausgenommen waren.781)

b) Bedenken in der Literatur In der Literatur stieß die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO zugunsten von Unter- 304 haltsgläubigern auf vielschichtige Kritik. ___________ Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16. RegE v. 5.12.2007, BT-Drs. 16/7416. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561; Ahrens, ZVI 2012, 122, 123; Riedel, in: FS Brudermüller, 559, 569. 779) Ahrens, ZVI 2012, 122, 123; so ähnlich: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 790. 780) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16. 781) Schinkel, ZVI 2019, 173, 175. 775) 776) 777) 778)

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

aa) Fehlende Systemkonformität und Entwertung der Restschuldbefreiung 305 Befürchtet wurde zunächst, dass die Wirkung der Restschuldbefreiung durch die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO erheblich gefährdet werden würde. Diese Bedenken gingen sogar soweit, dass von einer „Entwertung der Restschuldbefreiung“ und damit einhergehenden „verringerten Chancen des Schuldners auf einen unbelasteten Neubeginn“ die Rede war.782) Der Schuldner sehe sich nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht unerheblichen Unterhaltsrückständen ausgesetzt, die einen wirtschaftlichen Neustart erheblich erschweren würden.783) Ein solcher sei aber letztlich auch im Interesse der schuldnerischen Familie, sodass es paradox wäre, den Unterhaltsgläubigern, die als Familienmitglieder an der Schuldbefreiung des Schuldners teilhaben, zusätzlich noch ein Nachforderungsrecht zuzugestehen, das die intendierte Schuldbefreiung in Frage stellen würde.784) Vor diesem Hintergrund könne von den dem Familienverbund angehörenden Gläubigern auch eine über das normale Maß hinausgehende Gläubigersolidarität hinsichtlich des Einstehens für die Verbindlichkeiten des Schuldners gefordert werden.785) Jedenfalls gebiete das Gebot der Gläubigerbehandlung aber gerade an dieser Stelle von einem Ausnahmetatbestand abzusehen.786)

306 Im Übrigen wurde auch befürchtet, dass eine entsprechende Regelung Nachahmer befördere.787) Alle Gläubiger seien tendenziell der Auffassung, dass ihre Forderungen vorrangig bedient werden sollten.788) Würde sich dieser Trend der bevorzugten Behandlung bestimmter Gläubigergruppen aber fortsetzen, entstünde ein Widerspruch zu dem der Insolvenzordnung zugrundeliegenden Gläubigergleichbehandlungsgebot.789)

___________ 782) Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 3; G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2008; Grote/G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1445; dies., ZInsO 2012, 1913, 1919; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 92; Ahrens, ZVI 2012, 122, 123, 126; so auch schon: Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 256; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, 214 f.; so im Ergebnis auch: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 178, 180. 783) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1632; so bereits: Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 256. 784) Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, 214 f.; zweifelnd: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 173. 785) Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, 214 f.; wohl auch: Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 255; daran zweifelnd: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 173. 786) So im Ergebnis: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 179 ff. 787) Grote/G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1445. 788) Ahrens, ZVI 2012, 122. 789) Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 92; Grote/G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1444.

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C. Rückständiger Unterhalt

bb) Gefährdung des laufenden Unterhalts Weitere Stimmen in der Literatur sahen seitens der Gläubiger zudem keine Not- 307 wendigkeit für eine entsprechende Regelung: Zwar sei es erfreulich für die Unterhaltsgläubiger, alte Unterhaltsforderungen auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung realisieren zu können. Von einem existenziellen Angewiesensein könne aber bei sechs Jahre alten Forderungen nicht mehr ausgegangen werden.790) Die Gläubiger seien hinreichend über die Möglichkeit der Geltendmachung des laufenden Unterhalts sowie der Unterstützung aus der Masse geschützt.791) Eine unvollkommene Entschuldung führe zudem dazu, dass die Erfüllung der gegen- 308 wärtigen Unterhaltsverpflichtungen gefährdet werden würde.792) Gerade vor dem Hintergrund, dass das werthaltige Vermögen des Schuldners seit Einführung der Insolvenzordnung bis zum Abschluss des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens im Wesentlichen den Insolvenzgläubigern zugewiesen sei, müsse im Anschluss noch eine realistische Zugriffschance für Neugläubiger bestehen.793) Eine Ausweitung des § 302 Nr. 1 InsO widerspreche dem insoweit, dass sie bestimmten Insolvenzgläubigern zusätzlich die Möglichkeit gebe, ihre Forderung auch nach Abschluss des Restschuldbefreiungsverfahrens durchzusetzen,794) wohingegen der gegenwärtige Unterhalt jedoch eigentlich Vorrang vor dem Unterhalt für die Vergangenheit haben müsse.795)

cc) Fiskusprivileg Teile der Literatur waren außerdem der Ansicht, dass die Regelung in erster Linie 309 den Fiskus in Form der Unterhaltsvorschusskassen privilegiere.796) Ahrens bezeichnete die Neufassung sogar als „verkapptes Fiskusprivileg“.797) Sei ein Unterhaltsgläubiger in besonderem Maße auf die entsprechenden Leistungen angewiesen, würden bei einem Ausfall des Unterhaltsverpflichteten die Sozialleistungsträger eintreten. ___________ 790) Ahrens, ZVI 2012, 122, 123; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1631; so bereits: Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 255; im Ergebnis auch: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 180 f. 791) Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 196 f.; dazu: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 174. 792) Ahrens, ZVI 2012, 122, 126; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 180 f. 793) Vgl. Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 198 f., 256. 794) Ahrens, ZVI 2012, 122, 126; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 256. 795) Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 180 f.; vgl. auch: Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 197 f. 796) Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 10; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1631 f.; Grote/ G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1445; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 92; Ahrens, ZVI 2012, 122, 125; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561. 797) Ahrens, ZVI 2012, 122, 125; so auch: G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2008; Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1392.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Auf diese gingen die Ansprüche gegen den Unterhaltsverpflichteten dann nach § 7 UVG, § 37 BAföG, § 33 SGB II, § 95 SGB VIII und § 94 SGB XII cessio legis über. Durch entsprechenden Hinweis bei der Forderungsanmeldung könne die Unterhaltsvorschusskasse sich hiernach aufgrund des § 302 Nr. 1 InsO bevorzugt behandeln lassen. In der späteren Vollstreckung könne dies dann sogar zu unerwünschten Konkurrenzsituationen mit dem eigentlichen Unterhaltsberechtigten führen,798) insbesondere auch, weil den Regressansprüchen der Unterhaltsvorschusskassen ohnehin ein viel größeres Gewicht zukomme als den von dem Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Schuldner geltend gemachten Ansprüchen.799)

c)

Regelungsgehalt und die wesentlichen Neuerungen

310 Vor dem Hintergrund dieser harschen Kritik, sollen im Folgenden die wesentlichen Gesetzesänderungen und die mit ihnen einhergehenden Streitstände dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden.

aa) Verzicht auf die Prüfung des gefährdeten Lebensbedarfs 311 Nach der alten Regelung konnte § 302 Nr. 1 InsO in einer Vielzahl von Fällen nicht angewendet werden, und zwar in all jenen Fällen, in denen zwar die Tathandlung, nicht aber der Taterfolg erfüllt war, es mithin für den Gläubiger nicht zu einer Gefährdung des Lebensbedarfs gekommen war.800) Eine derartige Einschränkung hielt der Gesetzgeber für nicht länger geboten.801) Künftig sollten alle Verbindlichkeiten aus rückständigem Unterhalt, die vorsätzlich pflichtwidrig nicht erfüllt werden, von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden.802) Seit der Gesetzesreform kommt es mithin nicht mehr darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte durch die Pflichtverletzung in seinem Lebensbedarf gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre. Mit anderen Worten: Es bedarf nicht mehr des Eintretens des dem § 170 StGB zugeschriebenen Taterfolgs.

bb) Vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährter Unterhaltsanspruch 312 Alleinige Voraussetzung ist nunmehr die vorsätzlich pflichtwidrige Nichtleistung gesetzlichen Unterhalts. Aufgrund des Gebots der Einheit der Rechtsordnung ist im Hinblick auf die Begrifflichkeit „gesetzlicher Unterhalt“ nach der hier vertretenen Auffassung ein Gleichlauf mit den Begriffsbestimmungen in § 40 S. 1 InsO und § 850d ZPO vorzugswürdig (o siehe dazu bereits eingehend bei den Ausführungen ___________ 798) Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561; Riedel, in: FS Brudermüller, 559, 569. 799) Ahrens, ZVI 2012, 122, 125; Riedel, in: FS Brudermüller, 559, 569. 800) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32; Grunicke, ZVI 2014, 361, 362. 801) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. 802) Grunicke, ZVI 2014, 361, 362.

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C. Rückständiger Unterhalt

zu § 40 S. 1 InsO, Rn. 223 ff.). Die Vorschrift muss daher auch Anwendung finden, wenn der Unterhaltsanspruch auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen ist.803)

(1) Pflichtwidrigkeit Die Nichtleistung durch den Schuldner muss pflichtwidrig gewesen sein. Dies setzt 313 nach der Gesetzesbegründung die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten sowie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners voraus.804) Die Anforderungen daran sind umstritten (o siehe Rn. 348 ff.). Eine Auslegung muss sich aber jedenfalls an dem Schutzzweck der erweiterten Neufassung, die Rechte unterhaltsberechtigter Gläubiger zu stärken, orientieren.805)

(2) Vorsatz Das Vorsatzerfordernis soll eine gewisse Erheblichkeitsschwelle bilden, die über- 314 schritten sein muss, damit die Nichtleistung als hinreichend verwerflich angesehen werden kann, um die Forderung von der Restschuldbefreiung auszunehmen.806) Der Schuldner muss zumindest bedingt vorsätzlich den rückständigen Unterhalt pflichtwidrig nicht gewährt haben.807) Einigkeit besteht dabei weitestgehend darüber, dass Vorsatz nur anzunehmen ist, wenn der Schuldner nicht leistet, obwohl er seine Unterhaltspflicht kennt.808) Die reine Nichtleistung kann daher noch keinen Aufschluss über die Vorsätzlichkeit des Verhaltens geben.809) Muss der Pflichtige zu dem sicheren Schluss kommen, dass eine Unterhaltspflicht 315 seinerseits in einer bestimmten Höhe unabweisbar ist, handelt er bei deren (weiterer) Nichterfüllung vorsätzlich. Dies ist vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 302 InsO dann anzunehmen, wenn der Schuldner weiß, dass unterhaltsberechtigte Gläubiger vorhanden sind,810) jedenfalls aber, wenn ein entsprechender Titel gegen ihn existiert.811) ___________ 803) So auch: Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 4; A. Schmidt, Privatinsolvenz, § 7 Rn. 9; Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1707; a. A.: Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, 209. 804) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. 805) A. Schmidt, Privatinsolvenz, § 7 Rn. 11. 806) Grunicke, ZVI 2014, 361, 363. 807) Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 26. 808) Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 26; Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1706; Lackmann, ZVI 2016, 177 f.; A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111; so auch: KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 27; AG Kaufbeuren 26.7.2016 – 3 F 1291/15, Rn. 25 (juris). 809) Lackmann, ZVI 2016, 177 f.; so aber: AG Hannover, ZVI 2016, 77. 810) So: A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111. 811) AG Kaufbeuren 26.7.2017 – 3 F 1291/15, Rn. 25 (juris); Schumann, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 28.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

316 Zweifelt er dagegen an dem Bestehen einer Unterhaltspflicht dergestalt, dass er diese nur für möglich hält, scheidet Vorsatz aus.812) Ist die vom Schuldner im Rahmen eines Unterhaltsrechtsstreits vorgebrachte Verteidigung nicht von vornherein aussichtlos, kann ihm nämlich nicht verwehrt werden, die offenen Fragen gerichtlich klären zu lassen.813) Entscheidend dafür dürften stets die Umstände des Einzelfalls sein.814) Räumt der Schuldner etwa ein, seinen Kindern regelmäßig Taschengeld gegeben, Kleidung und Schuhe gekauft und Ferienaufenthalte ermöglicht zu haben, spricht dies für die Kenntnis der gegen ihn bestehenden Unterhaltsverpflichtungen.815) Ebenso verhält es sich, wenn er über einen längeren Zeitraum bewusst verschweigt, dass sich seine wirtschaftliche Situation, etwa durch Aufnahme einer höher vergüteten Tätigkeit, verbessert hat oder er gar seine Leistungsunfähigkeit selbst herbeiführt, indem er seinen Arbeitsplatz bewusst aufgibt.816)

cc) Erweiterung des § 174 Abs. 2 InsO 317 Auch im Bereich der Forderungsanmeldung reagierte der Gesetzgeber redaktionell auf die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO.817) Bei seiner Forderungsanmeldung hat der Gläubiger nunmehr Tatsachen anzugeben, aus denen sich nach seiner Einschätzung die vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht ergibt (vgl. § 174 Abs. 2 InsO). Inhaltliche Änderungen im Hinblick auf die Anforderungen an eine Anmeldung entsprechender Forderungen ergeben sich daraus nicht. Die bisherigen Grundsätze gelten insoweit für die neue Tatbestandsvariante fort (o zu den Anforderungen an eine entsprechende Anmeldung siehe Rn. 273 ff.).

318 Auffällig in diesem Zusammenhang ist, dass der Wortlaut des reformierten § 174 Abs. 2 InsO sich nicht mit dem des reformierten § 302 Nr. 1 InsO deckt.818) Während sich die Bereichsausnahme des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO nur auf rückständigen gesetzlichen Unterhalt bezieht, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, umfasst § 174 Abs. 2 Var. 2 InsO jede vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht.

319 Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 302 Nr. 1 InsO geht damit allerdings nicht einher.819) Laut der Gesetzesbegründung handelt es sich bei der Neufas___________ 812) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5. 813) OLG Hamburg 25.11.2016 – 2 UF 111/16 – ZVI 2017, 154, 157; Schumann, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 26. 814) KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24 27; so auch schon zu § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB: BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 402. 815) So in: KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 27. 816) KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 27 f.; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1629. 817) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 6; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 136. 818) Dazu: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 137. 819) Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 137.

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C. Rückständiger Unterhalt

sung von § 174 Abs. 2 InsO um eine bloße Folgeänderung zu § 302 Nr. 1 InsO.820) § 174 Abs. 2 Var. 2 InsO ergänzt die Regelung des § 302 Nr. 1 InsO somit nur in verfahrenstechnischer Hinsicht. Maßgeblich bleibt die Formulierung in § 302 Nr. 1 InsO. Auch die Forderungsanmeldung ist daher auf den rückständigen Unterhalt beschränkt.821) Meldet der Gläubiger anderweitige Ansprüche entsprechend zur Tabelle an, bleibt die privilegierte Wirkung auf den Tatbestand des rückständigen Unterhalts beschränkt.822)

dd) Anforderungen an den Widerspruch Für den Fall eines isolierten Widerspruchs kann sich der Schuldner nunmehr darauf 320 beschränken, nur die pflichtwidrige Nichtzahlung von Unterhalt – etwa im Hinblick auf seine eigene fehlende Leistungsfähigkeit – in Abrede zu stellen.823) Im Übrigen ergeben sich aus der Novellierung aber keine Neuerungen im Hinblick auf einen potentiellen Widerspruch. Es kann insoweit auf die bereits oben getätigten Ausführungen verwiesen werden (o Rn. 284 ff.).

d) Bewertung der Neuregelung Im Folgenden soll die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO bewertet werden. Dafür 321 muss sich zunächst mit den in der Literatur gegen die Neufassung vorgebrachten Bedenken auseinandergesetzt werden.

aa) Die Erweiterung des § 302 InsO im Allgemeinen (1) Systemkonformität Zuzugeben ist der Kritik zwar, dass die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO dem Unter- 322 haltsschuldner den wirtschaftlichen Neustart erschweren kann. Nicht zutreffend ist jedoch die Einschätzung, dass dadurch die Wirkung der Restschuldbefreiung entfiele.824) Die Hauptursache für Überschuldungen ist neben etwaigen Veränderungen in der familiären Situation, der Arbeitslosigkeit bzw. reduzierten Arbeit, Einkommensarmut und der gescheiterten Selbstständigkeit, insbesondere die unwirtschaftliche Haushaltsführung des Schuldners.825) Erhebungen des Statistischen Bundesamtes ___________ 820) 821) 822) 823) 824)

RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 23. Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 137. Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 137. G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2017. So aber: Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 3; Grote/G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1445; dies., ZInsO 2012, 1913, 1919; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 92; Ahrens, ZVI 2012, 122, 123, 126; so auch schon: Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 256; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, 214 f.; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 182. 825) Statistisches Bundesamt, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2019, 9.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

zu Folge, machen Unterhaltsforderungen gerade einmal 5 % der Forderungsgesamtheit aus, während etwa Telekommunikationsunternehmen mit 48 % und Versandhäuser mit ca. 26 % ins Gewicht fallen.826) Bleiben mithin Unterhaltsforderungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung durchsetzbar, steht dies dem wirtschaftlichen Neustart nicht entgegen.

323 Auch ein anderweitiger Verstoß gegen die Systematik der Insolvenzordnung ist nicht ersichtlich. Zwar verlangt der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz – in Abkehr zu dem vormals in der Konkursordnung geltenden Rangprinzip i. S. d. § 61 KO – die gleichmäßige Behandlung aller am Verfahren beteiligter Gläubiger.827) Die im Gesetz vorgesehene Sonderbehandlung bestimmter Forderungen belegt jedoch, dass dies der Bevorzugung einzelner Gläubigergruppen nicht zwangsläufig entgegensteht. Gem. § 207 Abs. 1 InsO stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein, wenn die Masse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht sind als Massegläubiger stets vorweg zu befriedigen. Dasselbe gilt auch für Gläubiger von Ab- und Aussonderungsrechten sowie Vorzugsrechten. Auch diese sind vor jeglichem Einsetzen der Berücksichtigung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes zu bedienen.828) Im Übrigen haben auch schon im Vorfeld der Novellierung die Gläubiger, deren Forderungen gem. § 302 a. F. InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen waren, eine Sonderbehandlung erfahren. Diese Gläubiger konnten ihre Forderungen auch vorher schon, anders als alle übrigen Insolvenzgläubiger, nach Erteilung der Restschuldbefreiung vollstrecken.

324 Die Privilegierung einzelner Gläubigergruppen läuft mithin den Grundsätzen des Insolvenzverfahrens nicht zuwider, sondern ist ein fester Bestandteil seiner Systematik. Eine Gläubigergleichbehandlung findet allenfalls in der jeweiligen Rangklasse statt, nicht jedoch unter allen Gläubigern gleichmäßig und schlechthin.829) Entscheidend für die Frage der Legitimation der Privilegierung scheint daher weniger das „Ob“ zu sein als vielmehr das „Wie“ bzw. „Wer“, mithin die Frage, welchen Forderungen von Seiten des Gesetzgebers gesteigerte Bedeutung beigemessen wird und welchen nicht.

325 Die vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf die Gefahr einer Nachahmung sind aber jedenfalls unbegründet.830) Die Beurteilung der Notwendigkeit entsprechender Regelungen unterliegt der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, sodass eine Nachahmung, solange dafür keine politischen Mehrheiten bestehen, nicht zu befürchten ist. ___________ 826) 827) 828) 829) 830)

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Statistisches Bundesamt, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2019, 12. Dazu: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 33. Dazu: Knospe, ZInsO 2014, 861, 864. Knospe, ZInsO 2014, 861, 865. A. A.: Grote/G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1445.

C. Rückständiger Unterhalt

(2) Gleichwertigkeit von rückständigem und laufendem Unterhalt Bleiben die rückständigen Unterhaltsforderungen nach Eintritt der Restschuldbe- 326 freiung durchsetzbar, treten diese in Konkurrenz zu den anderweitigen, fortlaufenden Unterhaltsforderungen, die nach Verfahrensende fällig werden. Soweit durch die so entstehende Konkurrenz eine Gefährdung des laufenden Unterhalts zu befürchten ist,831) kann dem durch die gesetzgeberische Wertung in § 1609 BGB begegnet werden. Der Gesetzgeber hat sich mit der Neufassung des § 1609 BGB für eine Rangordnung 327 entschieden, die abstrakt an die Nähe der Angehörigenbeziehung anknüpft.832) Danach haben Ansprüche minderjähriger Kinder (Nr. 1) Vorrang vor Ansprüchen von Elternteilen, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind bzw. im Falle einer Scheidung wären (Nr. 2), anderweitigen Ehegatten und geschiedenen Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen (Nr. 3), Kindern, die nicht unter Nr. 1 fallen (Nr. 4), Enkelkindern und weiteren Abkömmlingen (Nr. 5), Eltern (Nr. 6) und weiteren Verwandten der aufsteigenden Linie (Nr. 7). Bedeutung erlangt diese Regelung bei Vorhandensein mehrerer Berechtigter und eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Pflichtigen.833) Genügt das zu Unterhaltszwecken verfügbare Einkommen nicht zur Deckung sämtlicher Unterhaltsverpflichtungen, wird es in der Reihenfolge der Rangstufen jeweils in Höhe des geschuldeten vollen Unterhalts verteilt, bevor die nächste Rangstufe zum Zuge kommt („Alles-oder-nichts-Prinzip“).834) Ein Vorrang für gegenwärtige Ansprüche besteht dabei ebenso wenig wie ein Vorrang für rückständige, bereits titulierte Ansprüche.835) Dies gilt auch unabhängig von einem Insolvenzverfahren. Die Konkurrenz zwischen nicht erfüllten rückständigen Unterhaltsansprüchen und laufenden Unterhaltsansprüchen entspricht somit dem gesetzlichen Regelfall.

(3) Sozialhilferechtliches Benachteiligungsverbot Auch das Argument des verkappten Fiskusprivilegs überzeugt im Ergebnis nicht.836) 328 Eine Konkurrenz der Unterhaltsvorschussstellen zu dem Unterhaltsberechtigten ist nicht zu befürchten, da diese dem Verbot des § 7 Abs. 3 S. 2 UVG unterworfen ___________ 831) 832) 833) 834) 835) 836)

So: Ahrens, ZVI 2012, 122, 126; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 174 f., 180 f. Vgl. dazu: RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 13. Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1609 Rn. 5. Dazu: Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1609 Rn. 8; kritisch: Schwab, FamRZ 2005, 1417, 1423. Maier, in: Johannsen/Henrich/Althammer, FamR, § 1609 BGB Rn. 1. So aber etwa: Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 10; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1631 f.; Grote/G. Pape, ZInsO 2013, 1433, 1445; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 92; Ahrens, ZVI 2012, 122, 125; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

sind.837) Diese Regelung schafft den erforderlichen Interessenausgleich zwischen den Interessen des Kindes auf der einen, sowie den Interessen des Trägers der Unterhaltsvorschusskasse auf der anderen Seite und statuiert, dass der Übergang eines Unterhaltsanspruchs nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden kann.

329 Zwar ist die privilegierte Pfändung der Unterhaltsvorschusskasse nach § 850d ZPO nicht davon abhängig, dass diese im Vollstreckungsverfahren das Fehlen der nach § 7 Abs. 3 S. 2 UVG vorrangig zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche darlegt und nachweist.838) Die Unterhaltskasse kann mithin gem. § 850d ZPO privilegiert pfänden, selbst wenn noch nicht feststeht, ob der Unterhaltsberechtigte von dem Schuldner Unterhalt nach § 7 Abs. 3 S. 2 UVG verlangt.839) Diesem verbleibt aber dann die Möglichkeit, den bestehenden Vorrang seines Unterhaltsanspruchs im Vollstreckungsverfahren mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO geltend zu machen.840) Ist das Vollstreckungsverfahren der Unterhaltskasse bereits abgeschlossen, besteht zudem auch ein Bereicherungsanspruch auf Auskehrung des Erlöses in Höhe der Unterhaltsforderung gegen die Unterhaltskasse.841)

330 Der Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten hat demnach Vorrang gegenüber dem übergegangenen Anspruch. Der befürchteten Konkurrenz der Regressansprüche der öffentlichen Hand mit den bestehenden laufenden Unterhaltsansprüchen des Kindes ist vorgebeugt. Im Ergebnis ist die Durchsetzung des Rückgriffs daher zu begrüßen. Durch diese kann nicht zuletzt auch positiv auf das künftige Verhalten des Unterhaltsverpflichteten eingewirkt werden.842)

(4) Abwägung der widerstreitenden Interessen 331 Zuletzt fällt auch die Abwägung der betroffenen widerstreitenden Interessen zugunsten der Unterhaltsgläubiger aus. Diese sind vor dem Hintergrund des Art. 6 GG als besonders schutzbedürftig zu qualifizieren (o dazu bereits weiter oben, Rn. 216 ff.). Eine Sonderbehandlung ist daher auch verfassungsrechtlich geboten.843)

___________ 837) Siehe etwa: RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32; BGH 23.8.2006 – XII ZR 26/04 – NJW 2006, 3561. 838) BGH 17.9.2014 – VII ZB 21/13 – NJW 2015, 157, 159. 839) BGH 17.9.2014 – VII ZB 21/13 – NJW 2015, 157, 159. 840) BGH 17.9.2014 – VII ZB 21/13 – NJW 2015, 157, 159. 841) BGH 17.9.2014 – VII ZB 21/13 – NJW 2015, 157, 160. 842) A. A.: Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1632. 843) So auch schon: Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 61; in die Richtung auch: Häsemeyer, in: FS Henckel, 353, 362.

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C. Rückständiger Unterhalt

(a) Schutzbedürftigkeit von Unterhaltsberechtigten Aufgrund ihrer Bedeutung für den Lebensbedarf des Berechtigten sind Unterhalts- 332 ansprüche in vielerlei Hinsicht besonders geschützt.844) Unterhaltsrenten, die auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, sind gem. § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO unpfändbar, sie können wegen § 394 BGB nicht der Aufrechnung unterliegen, sie sind wegen § 400 BGB nicht abtretbar und ihre Verjährung kommt wegen der §§ 194 Abs. 2, 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes nicht in Betracht.845) Unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StGB ist die Verletzung der Unterhaltspflicht sogar strafbewehrt. Gem. § 1614 Abs. 1 BGB kann auch nicht auf den Unterhalt i. S. d. § 1601 BGB verzichtet werden. Handelt es sich bei den Unterhaltsberechtigten um minderjährige Kinder, ist das 333 anerkannte Schutzbedürfnis besonders hoch. Minderjährige Kinder sind außer Stande selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen und daher ganz besonders auf den Bezug von Unterhalt angewiesen.846) Aus diesem Grund überzeugt es auch nicht, wenn behauptet wird, dass Kinder weniger stark auf materielle Güter fixiert seien.847) Mit einer Fixierung auf materielle Güter hat der Schutz von Unterhaltsansprüchen, der nicht zuletzt der Absicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums dient, nichts zu tun. Bei der Gewährung von Unterhaltsansprüchen geht es nicht um die Befriedigung materieller Wünsche, sondern um die Gewährleistung einer wirtschaftlichen Existenz. Davon geht im Grundsatz offensichtlich auch der Gesetzgeber aus. Im Rahmen des 334 Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes aus dem Jahr 2008 hat der Gesetzgeber zunächst die Rangfolge der Unterhaltsansprüche im Mangelfall konsequent auf das Kindeswohl ausgerichtet.848) Seither kommt dem Kindesunterhalt Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen zu (vgl. § 1609 Nr. 1 BGB). Dies wurde damit begründet, dass Kinder die wirtschaftlich schwächsten Mitglieder der Gesellschaft seien und sie ihre wirtschaftliche Lage auch nicht aus eigener Kraft verbessern könnten.849) Die Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) im Rahmen der Neuregelungen 335 des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems und den Änderungen haushaltsrechtlicher Vorschriften im Jahr 2017 brachte zudem eine wesentliche Erweiterung der staatlichen Ersatzleistungen für minderjährige Unterhaltsberechtigte mit sich.850) Im Rahmen der Reform wurde der Kreis der Leistungsberechtigten ausgeweitet ___________ 844) 845) 846) 847) 848) 849) 850)

Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, Vor § 1601 Rn. 6. Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, Vor § 1601 Rn. 6. Vgl. dazu: Born, NJW 2008, 1. So aber: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 178. Vgl. dazu: RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 1; Born, NJW 2008, 1. RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 23. Vgl. RegE v. 13.2.2017, BT-Drs. 18/11135.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

und auf eine Höchstbezugsdauer verzichtet.851) Leistungen in Form von Unterhaltsvorschuss nach dem UVG stellen eine besondere Sozialleistung für Kinder und ihre alleinerziehenden Eltern dar und werden wegen des Ausfalls von Leistungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils gewährt.852) Ziel der ausweitenden Maßnahmen war es vor diesem Hintergrund, alleinerziehende Elternteile, die für ihre minderjährigen Kinder nicht nur die Betreuungs-, Erziehungs- und Versorgungsverantwortung tragen, sondern durch Ausbleiben des Barunterhalts auch für die Kosten des Kindes aufkommen müssen, verstärkt zu unterstützen und dadurch das für sie bestehende Armutsrisiko zu minimieren.853) Dem Gesetzgeber kam es offensichtlich darauf an, minderjährigen Kindern eine kontinuierliche Unterhaltsgewährung zu ermöglichen. Die Zahl der UVG-Anträge ist seitdem erheblich gestiegen.854)

(b) Dagegen: Schutzbedürftigkeit des Schuldners? 336 Auf der anderen Seite steht das Bedürfnis des Schuldners auf eine vollständige Entschuldung. Diesem kommt vor dem Hintergrund der Bedeutung von Unterhaltsansprüchen für die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen nach der hier vertretenen Auffassung eine nur nachrangige Bedeutung zu.855) Dies gilt vor allem, wenn man bedenkt, dass Unterhaltsansprüche regelmäßig nur einen kleinen Teil der ausstehenden Verbindlichkeiten ausmachen (o siehe dazu bereits weiter oben, Rn. 322).

337 Im Übrigen ist der Schuldner im Rahmen des Systems der Unterhaltsansprüche auch anderweitig abgesichert, und zwar durch die Herabsetzung des Unterhalts bei einer Einkommensverringerung, durch die Berücksichtigung seiner Schulden sowie durch den ihm zu belassenen Selbstbehalt.856) Die Grenze der Unterhaltsverpflichtung bildet immer sein eigenes Existenzminimum (vgl. § 1603 BGB).857) Im Insolvenzverfahren tritt sein Interesse an einer vollständigen Entschuldung vor diesem Hintergrund nach der hier vertretenen Auffassung hinter den Interessen der Unterhaltsberechtigten zurück.

___________ 851) RegE v. 13.2.2017, BT-Drs. 18/11135, 118 f. 852) RegE v. 13.2.2017, BT-Drs. 18/11135, 3 f.; vgl. auch: Pauling/Maier, in: Schulz/Hauß, FamR, § 1602 BGB Rn. 11. 853) RegE v. 13.2.2017, BT-Drs. 18/11135, 4; vgl. auch über die Wirkungen der Reform: Bericht der BReg v. 22.8.2018, BT-Drs. 19/3960, 3 ff. 854) Bericht der BReg v. 22.8.2018, BT-Drs. 19/3960, 6 f. 855) So auch: Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 61. 856) So auch schon: Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 61 f., 225 f.; a. A.: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 180. 857) Etwa: BVerfG 20.8.2001 – 1 BvR 1509/97 – FamRZ 2001, 1685.

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C. Rückständiger Unterhalt

(c) Missbrauchspotential Im Übrigen ist eine Entschuldung auf Kosten der Unterhaltsgläubiger auch vor dem 338 Hintergrund des damit einhergehenden Missbrauchspotentials problematisch.858) Ein Schuldner, der sich durch Beantragung eines Insolvenzverfahrens seiner rückständigen Unterhaltsverbindlichkeiten entledigen kann, sieht im Vorfeld zu diesem möglicherweise keine Notwendigkeit dazu, diese zu bedienen.859) Aus diesem Grund überzeugt letztendlich auch das Argument der gesteigerten Gläubigersolidarität nicht.860) Zwar ist in der Theorie davon auszugehen, dass auch die Familie des Schuldners von der Restschuldbefreiung profitiert. Dies gilt jedoch nur, soweit diese noch intakt ist.861) Lebt der Schuldner getrennt von seiner Familie, greifen diese Überlegungen nicht. Gerade nach einer Scheidung sind die Interessen der Geschiedenen oftmals grundverschieden.862) Zudem ergeben Auswertungen des Bundesministeriums für Familien, Senorien, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dass Alleinerziehende mit Kindern weit überdurchschnittlich von Überschuldung betroffen sind.863) Die Annahme, dass dies zumindest teilweise damit zusammenhängt, dass Unterhaltszahlungen, z. B. aufgrund von Meinungsverschiedenheiten, nicht geleistet werden, liegt nahe.864)

(d) Zusammenfassung Die in der Literatur vorgebrachten Bedenken gegen die Erweiterung überzeugen im 339 Ergebnis nicht. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen im Gesetz anerkennt, dass die Gruppe der Unterhaltsgläubiger, innerhalb dieser insbesondere die der minderjährigen Unterhaltsgläubiger, aufgrund der Bedeutung des Unterhalts für ihr wirtschaftliches Auskommen eines gesonderten Schutzes bedarf. Im Ergebnis ist die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO auf vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährten Unterhalt zu begrüßen. Der Schuldner sollte sich nicht auf Kosten seiner Unterhaltsgläubiger entschulden können.

bb) Bedeutung der Regelung in der Praxis Obgleich die Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO zugunsten von Unterhaltsgläubigern 340 nach der hier vertretenen Auffassung also im Grundsatz zu befürworten ist, bestehen ___________ 858) Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 62, 226. 859) Dazu: Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 275. 860) Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 179; Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 224 f.; a. A.: Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, 214 f.; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 255. 861) Dazu: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 176 f., 179 f. 862) Dazu: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 176 f., 179 f. 863) BMFSFJ, Wenn aus Liebe rote Zahlen werden, 16. 864) So schon: Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 61 f.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Zweifel an ihrer Praxistauglichkeit. Schon bei der Anmeldung entsprechender Forderungen halten sich unterhaltsberechtigte Gläubiger nämlich wie kaum eine andere Gläubigergruppe zurück.865) Während einzelne Handelsketten dazu übergegangen sind, jede im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld zu einem Insolvenzverfahren eingegangene Forderung mit Deliktsattribut anzumelden (dann als Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (Eingehungsbetrug)), kommt es in der Praxis eher selten vor, dass die getrennt lebende bzw. geschiedene Ehefrau des Schuldners für sich oder für die bei ihr lebenden minderjährigen Kinder einen Anspruch auf rückständigen gesetzlichen Unterhalt entsprechend geltend macht.866) Möglicherweise halten die meisten unterhaltsberechtigten Gläubiger ein entsprechendes Vorgehen für aussichtslos. Unter Umständen fehlt es aber auch schlicht an dem nötigen Durchsetzungswillen, wenn diesbezüglich schon in den Jahren vor dem Insolvenzverfahren langwierige familienrechtliche Streitigkeiten stattgefunden haben.867)

341 In dieselbe Richtung weist auch die im Auftrag des BMFSFJ erstellte Studie „Wenn aus Liebe rote Zahlen werden – über die wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung“.868) Aus dieser geht hervor, dass zwei Drittel der Frauen, die einen Anspruch auf Trennungsunterhalt haben, keinerlei Zahlungen erhalten, obwohl die Mehrheit der Verpflichteten zahlungsfähig gewesen wäre.869) Diejenigen Männer, die einen Trennungsunterhaltsanspruch hatten, erhielten sogar zu 90 % keinen Unterhalt. Daraus ergibt sich, dass die überwiegende Mehrheit von Unterhaltsgläubigern unterlassene Unterhaltsleistungen offensichtlich, ohne rechtliche Schritte zu unternehmen, hinnimmt.870) Die praktische Bedeutung dieser Regelung für den Schutz der Unterhaltsgläubiger ist vor diesem Hintergrund eher gering.871)

342 Wenn überhaupt entsprechende Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren vorgenommen werden, geschieht dies in erster Linie durch die Unterhaltsvorschusskassen, auf die die Kindesunterhaltsansprüche übergegangen sind.872) Seitdem am 1. Juli 2017 weitreichende Änderungen des UVG in Kraft getreten sind, durch die die Begrenzung der Leistungsdauer auf höchstens 72 Monate aufgehoben und der Unterhaltsvorschuss für Kinder zwischen dem vollendeten 12. und dem vollendeten ___________ A. Schmidt, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 1, 4; ders., ZVI 2020, 1. A. Schmidt, ZVI 2020, Bei. Zu Heft 7, 1, 4; ders., ZVI 2020, 1. A. Schmidt, ZVI 2020, 1. BMFSFJ, Wenn aus Liebe rote Zahlen werden. BMFSFJ, Wenn aus Liebe rote Zahlen werden, 16. So auch: Kleine Anfrage v. 15.6.2005, BT-Drs. 15/5775, 1; in dieselbe Richtung geht auch: Ahrens, ZVI 2012, 122, 125 m. w. N. 871) Zweifelnd auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 872) A. Schmidt, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 1, 4; ders., ZVI 2020, 1, 2; siehe auch: Ahrens, ZVI 2012, 122, 125, nach dem dies in etwa drei Viertel der Fälle geschieht; so auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164.

865) 866) 867) 868) 869) 870)

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C. Rückständiger Unterhalt

18. Lebensjahr eingeführt wurden, hat sich deren Leistungsaufwand vielerorts in kürzester Zeit verdoppelt.873) Im Jahr 2020 wurden insgesamt Unterhaltsvorschüsse von rund 2,31 Milliarden Euro geleistet.874) Aus der familiengerichtlichen Praxis wird indes berichtet, dass auch viele Unterhaltsvorschusskassen bei der Durchsetzung der übergegangenen Ansprüche nachlässig sind. Zweifelhaft ist auch, ob sich der Verzicht auf die Prüfung des gefährdeten Lebens- 343 bedarfs, wie vom Gesetzgeber intendiert, in der Praxis bemerkbar machen kann. Ist ein Gläubiger durch das Ausbleiben der Unterhaltszahlungen nicht in seinem Lebensbedarf gefährdet, ist der Anreiz zur Geltendmachung der Forderung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens – insbesondere auch vor dem Hintergrund der meist zu erwartenden schlechten Quoten – eher gering. Bestehen nur geringfügige Fehlbeträge, verzichten viele Gläubiger daher ohnehin auf die Anmeldung ihrer noch offenen Unterhaltsforderungen zur Insolvenztabelle.875) Bedeutung erlangt der Verzicht deshalb allenfalls, wenn der Unterhaltsberechtigte eine eigene Erwerbstätigkeit aufnimmt oder ausweitet, zu der unterhaltsrechtlich keine Obliegenheit besteht. Dann bestehen zwar Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner, aufgrund des eigenen Zuverdienstes wird der Lebensbedarf aber regelmäßig nicht gefährdet sein. Dieser Fall wird indes nur relativ selten eintreten, da mit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 31. Dezember 2007 die Eigenverantwortung der geschiedenen Ehegatten stärker betont wurde (§ 1569 BGB) und die Obliegenheit zur Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit nach einer Scheidung in § 1575 BGB erhöht wurde.876) Obgleich der in der Vorschrift grundsätzlich enthaltenen Wertung zuzustimmen ist, 344 reüssiert sie im Ergebnis also nicht.877) Das gesetzgeberische Ziel, den Schutz der Unterhaltsgläubiger zu verbessern,878) wird praktisch nicht erreicht.879) Die Literatur sieht daher zum Teil dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf.880) Im Folgenden sollen die maßgeblichen Anwendungsprobleme vor diesem Hintergrund untersucht und Vorschläge für eine effizientere praktische Handhabung unterbreitet werden.

___________ 873) 874) 875) 876) 877) 878) 879) 880)

Ausführlich dazu: Benner, NZFam 2018, 625. BMFSFJ, Rückgriffsquote beim Unterhaltsvorschuss, Aktuelle Meldung v. 19.2.2021. Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1627. Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1627; vgl. zur Stärkung der Eigenverantwortung der Ehegatten auch: RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 16; Maurer, in: MüKo-BGB, § 1569 Rn. 1. A. Schmidt, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 1, 4. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. Daran zweifelnd auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. A. Schmidt, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 1, 4.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

cc) Hauptanwendungsprobleme (1) Hürden bei der Anmeldung 345 Nach der Neufassung muss der Gläubiger nicht mehr – wie noch im Geltungsbereich der vormaligen Regelung bei der Anmeldung einer deliktischen Forderung wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB – nachweisen, dass er durch die Unterlassungen des Schuldners in seinem Lebensunterhalt gefährdet ist.881) Die an ihn im Rahmen der Anmeldung gestellten Anforderungen sind somit im Ergebnis gesunken, was zu begrüßen ist.882) Wie gezeigt, halten sich Unterhaltsgläubiger bei der Forderungsanmeldung gleichwohl wie kaum eine andere Gläubigergruppe zurück.883)

346 Da die Voraussetzungen für die Anmeldung einer Forderung nach § 174 Abs. 2 InsO im Rahmen der Gesetzesreform von 2014 nicht verändert wurden und der mit ihr einhergehende Schutzzweck fortbesteht, gilt die Rechtsprechung des BGH zur Anmeldung einer Forderung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB für die Anmeldung einer vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährten Unterhaltsforderung fort. Die Forderung muss also dergestalt zur Tabelle angemeldet werden, dass der aus ihr hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmbar ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird.884) Im Hinblick auf diesen Schutzzweck des § 174 Abs. 2 InsO soll der Tatsachenvortrag mithin erkennen lassen, woraus sich der rückständige Unterhaltsanspruch aus Sicht des Gläubigers ergibt.885) Ausreichend muss dafür aber sein, wenn der Unterhaltsgläubiger abstrakte Angaben zur Unterhaltspflicht des Schuldners macht, mithin zu seiner Unterhaltsberechtigung und zur Fähigkeit des Schuldners, überhaupt etwas zu leisten.886)

347 Erforderlich ist indes nicht, wie teilweise vertreten wird, dass der Gläubiger jede Anspruchsvoraussetzung mit Tatsachen unterlegt, sein Vortrag mithin schlüssig ist.887) Derart hohe Anforderungen widersprächen der Intention des Gesetzgebers, den Schutz für Unterhaltsgläubiger zu erhöhen und das Verfahren für diese zu vereinfachen. Bei dem zu erwartenden Umfang und der Qualität von Sachverhaltsangaben müssen die tatsächlichen Möglichkeiten des einzelnen Gläubigers berück___________ 881) 882) 883) 884)

Dazu: RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5; Grunicke, ZVI 2014, 361, 362. A. Schmidt, ZVI 2020, 1. Vgl. BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; so auch: Reck, in: PrivatinsRK, § 174 Rn. 6. 885) Vgl. BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; AG Köln 7.4.2017 – 71 IK 175/15 – NZI 2017, 449, 450. 886) G. Pape, Insbüro 2017, 16, 18. 887) Vgl. a. A.: A. Schmidt, ZVI 2019, 249, 250.

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C. Rückständiger Unterhalt

sichtigt werden.888) Das mit der Neufassung der Vorschrift bezweckte Ziel, den Schutz der Unterhaltsgläubiger auszuweiten, wäre verfehlt, wenn die an die – oftmals nicht anwaltlich beratenen – Unterhaltsgläubiger gestellten Anforderungen im Rahmen der Forderungsanmeldung weit über das hinaus gingen, wozu ein Unterhaltsgläubiger typischerweise in der Lage ist. So hat das Finanzamt im Rahmen von Steuerschuldverhältnissen im Vergleich zum Unterhaltsgläubiger bessere und weitreichendere Möglichkeiten, den der jeweiligen Forderung zugrundeliegenden Sachverhalt zu ermitteln.889) Gleichwohl darf dies nicht dazu führen, dass die Privilegierung in § 302 Nr. 1 InsO faktisch nur dem Finanzamt zugute kommt. Es können von dem Unterhaltsgläubiger daher weder die Beifügung sämtlicher maßgeblicher Unterlagen noch konkrete Angaben über die Leistungsfähigkeit des Schuldners verlangt werden. Der Schuldner ist insoweit hinreichend über die Hinweispflicht nach § 175 InsO geschützt.

(2) Anforderungen an die Pflichtwidrigkeit und Beweislast im Feststellungsprozess Nach der Gesetzesbegründung steht die Nichtleistung des Unterhalts dann einer 348 unerlaubten Handlung gleich, ist also pflichtwidrig i. S. d. Norm, wenn neben der gesetzlichen Unterhaltspflicht die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben sind.890) Bei dieser Definition handelt es sich letztlich um die Wiederholung der zum gesetzlichen Tatbestand eines Unterhaltsanspruchs gehörenden Voraussetzungen: Ein Unterhaltsanspruch entsteht nur dann, wenn der Schuldner im entscheidenden Zeitpunkt leistungsfähig und der zum Unterhalt Berechtigte unterhaltsbedürftig ist. Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit sind mithin für die Feststellung eines Unterhaltsanspruchs auch unabhängig von der Neuregelung des § 302 Nr. 1 InsO maßgeblich. Aufgrund dieser wenig konkreten Gesetzesbegründung ist die Bedeutung der Begrifflichkeit umstritten. Dies führt zu (vermeidbaren) Rechtsunsicherheiten, die das Verfahren im Ergebnis weniger zugänglich machen. Im Wesentlichen zeichnen sich in der Literatur und Rechtsprechung vier – im Fol- 349 genden darzustellende – Lösungsmodelle ab, deren Anforderungen unmittelbar mit Vorschlägen für die Beweislastverteilung in einem etwaigen Feststellungsprozess korrespondieren. Während nach einer Ansicht im Grundsatz auf die bisher zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO ergangene Rechtsprechung abzustellen ist (Modell 1), sehen andere Parallelen zum Deliktsrecht und wollen die insoweit geltenden Grundsätze im Rahmen des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO anwenden (Modell 2). Nach einer dritten Ansicht ist ___________ 888) Schinkel, ZVI 2019, 251; Grunicke, ZVI 2014, 361, 366. 889) So: Grunicke, ZVI 2014, 361, 366. 890) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

die Lösung in den unterhaltsrechtlichen Regelungen des BGB zu finden (Modell 3). Ein viertes Modell stellt auf die Wertungen des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO ab (Modell 4).

350 Fest steht jedenfalls, dass der Gesetzgeber die Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf den Straftatbestand der Unterhaltspflichtverletzung erkannt hat und den Unterhaltsgläubiger durch die Neuregelung entlasten wollte.891) Dies ist bei der folgenden Begriffsbestimmung zu berücksichtigen.892)

(a) Modell 1: Fortgeltung der zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO ergangenen Rechtsprechung 351 Im Rahmen des ersten Modells kommt es für das Vorliegen der Pflichtwidrigkeit darauf an, ob die tatsächlichen Verhältnisse des Unterhaltsberechtigten und des Schuldners im Zeitraum der geltend gemachten Unterhaltsforderung die Annahme einer Unterhaltspflicht, der der Schuldner nicht nachgekommen ist, rechtfertigen.893) Diese Ansicht setzt voraus, dass der Schuldner seine Unterhaltspflicht und Leistungsfähigkeit sowie die Bedürftigkeit des Berechtigten im maßgeblichen Zeitpunkt kennt.894) Die bloße Nichtleistung genüge diesen Anforderungen noch nicht, sodass es auch nicht allein darauf ankommen könne, ob in rechtlicher Hinsicht ein Unterhaltsanspruch bestehe.895) Erforderlich sei vielmehr das Hinzutreten eines das Unrecht erhöhenden, tatsächlichen Umstands, der die durch den Zusatz „pflichtwidrig“ geforderte Erheblichkeitsschwelle überschreite.896)

352 In prozessualrechtlicher Hinsicht orientiert sich dieses Modell an der zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO ergangenen Rechtsprechung.897) Die vollumfängliche Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO erfüllt seien, trage der Gläubiger.898) Leiste der Schuldner allerdings trotz eines entsprechenden Titels keinen Unterhalt, könne regelmäßig von einem pflichtwidrigen Nichtgewähren der Unterhaltsschuld ausgegangen ___________ 891) 892) 893) 894) 895)

Vgl. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16. So schon: A. Schmidt, Privatinsolvenz, 110. Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16. Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16. Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16; so aber: AG Hannover 28.9.2015 – 909 IK 1072/15 – ZVI 2016, 77. 896) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16. 897) Vgl. BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398; so für § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO: KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 26 f., allerdings insoweit modifiziert, dass § 1612a BGB nicht nur zu einer sekundären Beweislast des Schuldners im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit führt, sondern auch zur Feststellung der Bedürftigkeit herangezogen werden kann. 898) Vgl. BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; so für § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO: Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 19; dies., ZVI 2019, 173, 176; KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 26; so im Grundsatz nunmehr auch: Lackmann, in: NK-PrivatinsR, § 302 Rn. 13 f.; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453.

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C. Rückständiger Unterhalt

werden.899) Im Übrigen müsse dafür zwar objektiv feststehen, dass dem Schuldner aufgrund des Unterhaltstitels seine Zahlungsverpflichtung einschließlich seiner vom Gericht bejahten Leistungsfähigkeit bekannt gewesen und er gleichwohl seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen sei.900) Im Hinblick auf die fehlende Leistungsfähigkeit, in die der Gläubiger regelmäßig keinen Einblick habe, treffe den Schuldner dann aber – im Gleichlauf zu der Rechtsprechung des BGH zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO – eine sekundäre Darlegungspflicht.901)

(b) Modell 2: Gleichsetzung mit dem Deliktsrecht Nach einem zweiten Modell ist die Pflichtwidrigkeit mit der deliktischen Rechts- 353 widrigkeit gleichzusetzen.902) Rechtswidrigkeit i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB ist als die Abwesenheit von Rechtfertigungsgründen zu definieren.903) Im Falle eines Unterlassens kommt es auf die Rechtspflicht zum Handeln, mithin die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht an.904) In Anlehnung daran ist nach dieser Auffassung im Rahmen des § 302 Nr. 1 InsO 354 jedes Nichterfüllen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht, das nicht von gesetzlichen Ausnahmetatbeständen, wie etwa der fehlenden Leistungsfähigkeit, gedeckt ist, pflichtwidrig.905) Eine Rechtspflicht zum Handeln ergebe sich aus den Vorschriften der §§ 1361, 1570 ff., 1601 ff. BGB, sodass in der Konsequenz jede Nichtgewährung von gesetzlich geschuldetem Unterhalt pflichtwidrig sei.906) Darauf, ob der Forderungsanmeldung eine titulierte oder nicht titulierte Forderung zu Grunde liege, komme es nicht an.907) Maßgeblich für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals sei nicht, welche Rechte und Pflichten der Schuldner in prozessualer Hinsicht habe, sondern welche Rechte und Pflichten ihn in materiell-rechtlicher Hinsicht treffen.908)

___________ 899) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 19. 900) Vgl. BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; so für § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO: Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 19; dies., ZVI 2019, 173, 176. 901) Vgl. BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; so für § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO: KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 26; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 19; so nunmehr auch: Lackmann, in: NK-PrivatinsR, § 302 Rn. 13 f.; noch zweifelnd: ders., ZVI 2016, 177, 178; davon abweichend: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453, nach dem der Schuldner in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit die volle Darlegungs- und Beweislast trifft; a. A.: OLG Hamm 13.3.2014 – 6 UF 150/13 – ZVI 2014, 384. 902) So: A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111. 903) Zur Dogmatik: Wagner, in: MüKo-BGB, § 823 Rn. 75. 904) Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 26, 45 ff. 905) A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111. 906) A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111. 907) So aber: Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1629. 908) A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

355 Konsequenterweise ist die Pflichtwidrigkeit bei Nichtleistung des Unterhalts nach dieser Auffassung in Anlehnung an die deliktische Rechtswidrigkeit indiziert.909) Die Darlegungs- und Beweislast trifft dann unabhängig von etwaigen Titulierungen den Schuldner.910) Dieser muss sich im Prozess entsprechend exkulpieren.

(c) Modell 3: Entsprechende Geltung der unterhaltsrechtlichen Regelungen 356 Modell 3 orientiert sich streng an der Gesetzesbegründung und stellt zur Begriffsbestimmung auf die unterhaltsrechtlichen Vorschriften des BGB zum Verwandtenunterhalt ab.911) Nach diesen Vorschriften ist bedürftig, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 BGB), und leistungsfähig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen im Stande dazu ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts, Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB).912)

357 Leistet der Schuldner trotz entsprechender unterhaltsrechtlicher Pflicht nicht, handelt er nach der diesem Modell zugrundeliegenden Ansicht pflichtwidrig.913) Einen Sonderfall bilde insoweit nur der Ehegattenunterhalt nach § 1360 BGB, der von Gesetzes wegen lediglich auf die Leistungsfähigkeit des Schuldners abstellt und die Bedürftigkeit des Gläubigers außer Betracht lässt. Um die Ausnahme der Forderung von der Restschuldbefreiung zu rechtfertigen, bedürfe es zur Bejahung der Pflichtwidrigkeit der Nichtgewährung auch beim Ehegattenunterhalt einer Bedürftigkeit.914) Andernfalls sei die Erheblichkeitsschwelle, die durch das Kriterium der Pflichtwidrigkeit geschaffen werden sollte, nicht überschritten.915)

358 Im Übrigen bedient sich dieser Ansatz dann der allgemeinen unterhaltsrechtlichen Darlegungs- und Beweislastregeln.916) Entscheidend sei zunächst, ob der in Rede stehende Unterhaltsanspruch tituliert sei oder nicht.917) Liegen familiengerichtliche Unterhaltsentscheidungen vor, sei die Forderung bindend festgestellt. Dann sei davon auszugehen, dass der Schuldner im Titulierungszeitpunkt in entsprechender Höhe leistungsfähig bzw. der Unterhaltsgläubiger entsprechend bedürftig gewesen sei.918) ___________ 909) A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111; AG Hannover 28.9.2015 – 909 IK 1072/15 – ZVI 2016, 77; ablehnend: Lackmann, ZVI 2016, 177, 178. 910) A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111. 911) Grunicke, ZVI 2014, 361, 363 f.; so zunächst auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 451 und Waltenberger, in: HK-InsO, § 302 Rn. 17. 912) Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 9; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628. 913) Grunicke, ZVI 2014, 361, 364. 914) So bereits: Grunicke, ZVI 2014, 361, 364. 915) Grunicke, ZVI 2014, 361, 364. 916) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1632; dem in rechtlicher Hinsicht wohl noch zustimmend: Lackmann, ZVI 2016, 177, 178; a. A.: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453. 917) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628. 918) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628, 1630.

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C. Rückständiger Unterhalt

Die Pflichtwidrigkeit der Nichtleistung sei in diesem Fall zu bejahen.919) Die Darlegungs- und Beweislast liege dann beim Schuldner.920) Denkbar seien zwar auch Konstellationen, in denen die Pflichtwidrigkeit oder zumindest der Vorsatz des Schuldners zweifelhaft seien, so zum Beispiel, wenn der Titel auf der Grundlage von fiktiven Einkünften erwirkt worden sei oder sich die wirtschaftliche Situation des Unterhaltsschuldners oder des Gläubigers nach der Titulierung maßgeblich verändert habe.921) Entscheidend sei aber dann, ob die Voraussetzungen für einen unterhaltsrechtlichen Abänderungsantrag gegeben seien. Sei dies der Fall, obliege es dem Schuldner nach wie vor selbst, im Einzelnen vorzutragen und zu beweisen, weshalb er nicht pflichtwidrig und ohne Vorsatz geleistet haben soll.922) Tue er dies nicht, sei sein Verhalten als pflichtwidrig anzusehen.923) Selbst wenn kein Unterhaltstitel vorhanden ist, kann nach diesem Modell aber auf 359 die im Unterhaltsrecht vorhandenen Regelvorschriften und Erfahrungssätze zurückgegriffen werden.924) Dazu zähle z. B. der Mindestbedarf von minderjährigen Kindern gem. § 1612a BGB. Dass der Bedarf des Kindes ausnahmsweise nicht in dieser Höhe bestehe, habe auch im Insolvenzrecht der Schuldner darzutun und zu beweisen.925) Bedarf und Bedürftigkeit seien hier – und damit letztlich im Gleichlauf zur Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2016 – gleichzusetzen. Wegen §§ 1581, 1603 Abs. 1 BGB trage der unterhaltsverpflichtete Insolvenzschuldner außerdem die Darlegungs- und Beweislast für eine von ihm behauptete nicht vorhandene Leistungsfähigkeit.926)

___________ 919) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628, 1630. 920) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1629; dem zustimmend: Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1707; so im Ergebnis auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453 und Waltenberger, in: HK-InsO, § 302 Rn. 18 f.; a. A. wohl: Lackmann, in: NK-PrivatinsR, § 302 Rn. 13. 921) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628 f.; siehe auch Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 452 f.; Waltenberger, in: HK-InsO, § 302 Rn. 17. 922) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453. 923) AG Kaufbeuren 26.7.2016 – 3 F 1291/15, Rn. 33 (juris); Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630. 924) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; diesen zustimmend: Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; im Grundsatz auch noch: Lackmann, ZVI 2016, 177 f.; a. A.: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453, der die Anwendung der unterhaltsspezifischen Beweislastmodifikationen i. R d. § 302 InsO ablehnt. 925) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; vgl. dazu die insoweit ergangene Rechtsprechung im Familienrecht: BGH 9.7.2003 – XII ZR 83/00 – NJW 2003, 3122; 6.2.2002 – XII ZR 20/00 – FamRZ 2002, 536, 400; Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1612a Rn. 6, 70. 926) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; dazu im Familienrecht: Langeheine, in: MüKoBGB, § 1603 Rn. 207.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

(d) Modell 4: Orientierung an den zu § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO entwickelten Grundsätzen 360 Modell 4 orientiert sich an den zu § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO entwickelten Grundsätzen.927) Diese Vorschrift ermöglicht die privilegierte Pfändung von rückständigem Unterhalt im Falle eines „absichtlichen Entzugs“, wegen § 89 Abs. 2 S. 2 InsO auch während des Insolvenzverfahrens (o siehe ausführlicher zu § 850d ZPO Rn. 478 ff.).

361 Erforderlich für die Annahme eines „absichtlichen Entzugs“ in diesem Sinne ist, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Unterhaltsschuldner seiner Zahlungspflicht trotz Zahlungsmöglichkeit nicht nachgekommen ist, mithin durch ein zweckgerichtetes Verhalten oder Unterlassen die Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest erschwert hat.928) Dazu genügt es, wenn er seiner gegenüber den minderjährigen Kindern gesteigerten unterhaltsrechtlichen Verpflichtung, seine Arbeitskraft voll einzusetzen, trotz bestehender Möglichkeiten, auf diese Weise Einkünfte zu erzielen, nicht nachkommt.929) Notwendig sind Anhaltspunkte, die auf die Böswilligkeit des Schuldners schließen lassen.930)

362 Diese Grundsätze sind nach der diesem Modell zugrundeliegenden Ansicht bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO entsprechend heranzuziehen. Begründet wird dies mit der angeblichen Vergleichbarkeit der Lebenssachverhalte. § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO wolle – wie auch § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO – ein zweckgerichtetes und vorsätzliches Verhalten des Unterhaltsschuldners, die Realisierung der Unterhaltsschuld zu verhindern, sanktionieren.931)

363 Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast schließt sich diese Ansicht dem Modell 1 an (o siehe zu diesem Rn. 351 f.). Zwar liege die Beweislast im Rahmen des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO beim Schuldner.932) Mangels vorliegender Anhaltspunkte im Wortlaut könne diese Wertung jedoch nicht auf die Regelung des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO übertragen werden.933) Vorzugswürdig sei stattdessen eine Lösung im Gleichlauf zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO.934) ___________ 927) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 928) BGH 21.12.2004 – IXa ZB 273/03 – NJW-RR 2005, 718, 719; dazu auch: Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850d Rn. 12a; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, C.305; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 929) BGH 21.12.2004 – IXa ZB 273/03 – NJW-RR 2005, 718, 719. 930) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 9. 931) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 932) Siehe dazu: BGH 21.12.2004 – IXa ZB 273/03 – NJW-RR 2005, 718; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 9. 933) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 934) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164.

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C. Rückständiger Unterhalt

(e) Stellungnahme Zur Bewertung dieser Modelle müssen im Folgenden Leitlinien entwickelt werden, 364 die der Begriffsbestimmung und prozessrechtlichen Einordnung der Pflichtwidrigkeit zu Grunde gelegt werden können.

(aa) Leitlinien Aufgrund der mit der Regelung des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO verbundenen weitrei- 365 chenden Konsequenzen, müssen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines pflichtwidrigen Nichtgewährens allem voran konkret umrissen sein. Der Schuldner muss erkennen können, durch welches Verhalten er einen möglichen wirtschaftlichen Neubeginn gefährdet (Erkennbarkeit).935) Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass das Vorliegen ausgenommener Forderungen nicht erst im Rahmen der Restschuldbefreiung Bedeutung erlangt, sondern bereits im Vorfeld Auswirkung auf die Verfahrenskostenstundung haben kann.936) Ein pflichtwidriges Nichtgewähren gesetzlicher Unterhaltsansprüche gefährdet nicht nur die Restschuldbefreiung, sondern das Insolvenzverfahren als Ganzes. Weiterhin muss ein angemessener Interessenausgleich zwischen beiden Materien her- 366 gestellt werden. Während die unterhaltsrechtlichen Normen auf die Herstellung eines finanziellen Interessenausgleichs im Verwandtschaftsverhältnis gerichtet sind,937) dienen die insolvenzrechtlichen Regelungen dem Interessenausgleich zwischen Restschuldbefreiung und Gläubigerbefriedigung (vgl. § 1 InsO).938) Daraus folgt, dass weder die eine, noch die andere Regelungssystematik ohne Rücksicht auf die andere angewendet werden kann. Es muss vielmehr eine Lösung gefunden werden, die unter Berücksichtigung beider Zielrichtungen zu einem angemessenen Ergebnis kommt. Dies ist nicht zuletzt auch wegen Art. 6 Abs. 1 GG geboten.939) Art. 6 Abs. 1 GG muss daher bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner sich der Unterhaltspflicht pflichtwidrig entzieht, berücksichtigt werden.940) Im Übrigen muss der Anspruch hoher Praktikabilität gestellt werden.941) Die Pflicht- 367 widrigkeit i. S. d. § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO, die in der Gesetzesbegründung unter Hinweis auf die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit definiert ___________ 935) Vgl.: L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 185. 936) Etwa: BGH 16.12.2004 – IX ZB 72/03 – NZI 2005, 232, 233; AG Hannover 28.9.2015 – 909 IK 1072/15 – ZVI 2016, 77; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 49. 937) Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 1. 938) Zu den Zielen des Insolvenzverfahrens: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 33 ff. 939) So auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 940) So auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 941) So auch schon in: L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 185.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

ist,942) tangiert beide Regelungsbereiche gleichermaßen. Während ein mit dem Insolvenzrecht betrauter Jurist allerdings mit den unterhaltsrechtlichen Wertungen wenig vertraut sein wird, wird sich ein Familienrechtler selten in den Detailfragen des Insolvenzrechts auskennen. Dennoch ist es Sache des Insolvenzgerichts die Attributseigenschaft der Forderung festzustellen (vgl. § 178 InsO) bzw. Sache der Familiengerichte den Feststellungsrechtsstreit bei insoweit vorherrschender Uneinigkeit zu entscheiden.943) Es muss daher eine Begriffsbestimmung gewählt werden, die den Bereich zwar möglichst interessengerecht im unterhaltsrechtlichen Sinne regelt, gleichzeitig aber praktikabel und kompakt auf das Insolvenzrecht zugeschnitten ist.944)

(bb) Bewertung 368 Das oben aufgezeigte Modell 1945) kann bei Berücksichtigung dieser Leitlinien (o Rn. 365 ff.) nicht überzeugen. Zunächst liegt dieser Ansicht, wie oben gezeigt, keine konkrete Definition der Pflichtwidrigkeit zugrunde, sodass die erforderliche Erkennbarkeit für den Schuldner nicht gewährleistet werden kann. Im Übrigen nimmt sie der Titulierung ihre Wirkungskraft und widerspricht damit den Grundsätzen der Rechtskraft und Rechtseinheitlichkeit. Modell 1 legt dem Unterhaltsgläubiger die Darlegungs- und Beweislast auch für den Fall des Vorliegens eines entsprechenden Unterhaltstitels auf und wendet die zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO ergangene Rechtsprechung946) unverändert auf die Neuregelung in § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO an.947) Nach dieser trifft den Schuldner nach einem schlüssigen Tatsachenvortrag des Gläubigers allenfalls eine sekundäre Beweislast in Bezug auf die eigene Leistungsfähigkeit.948)

369 Die entsprechende Fortgeltung der zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO ergangenen Rechtsprechung widerspricht dabei nicht nur dem mit der Neufassung verbundenen gesetzgeberischen Ziel,949) sondern auch der Schaffung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Unterhaltsgläubiger und Schuldner. Der Gesetzgeber erkannte vor der Gesetzesreform von 2014 die im Strafrecht bestehenden Beweisschwierig___________ 942) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. 943) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 399; KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 26; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 302 Rn. 19; G. Pape, Insbüro 2017, 56, 58; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 180. 944) Vgl. bereits: L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 185. 945) Insbesondere: Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16 ff.; im Hinblick auf die Beweislast auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 946) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398. 947) Siehe: Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 19; so auch: KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 26. 948) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 401. 949) Vgl. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32.

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C. Rückständiger Unterhalt

keiten für den Unterhaltsgläubiger an und wollte diese durch Neufassung des § 302 Nr. 1 InsO beseitigen.950) Dieses gesetzgeberische Ziel wird in der Umsetzung verfehlt, wenn die bisher ergangene Rechtsprechung unverändert fort gilt. Eine Beweiserleichterung tritt dann nicht ein. Auch vor dem Hintergrund der erforderlichen Schaffung eines angemessenen Interessenausgleichs und des mit dem Unterhalt verbundenen Leistungszwecks,951) kann dem Unterhaltsgläubiger nicht zugemutet werden, einen bereits beigelegten Rechtsstreit abermals auszufechten bzw. in einem solchen erneut beweisbelastet zu sein. Auch Modell 2952) kann in systematischer Hinsicht nicht überzeugen. Zwar greifen 370 die von Schinkel und Ahrens gegen dieses vorgebrachten Argumente953) nicht. Es leuchtet schon nicht ein, inwieweit dieses Modell die Eröffnung des Schutzbereichs des § 823 Abs. 1 BGB voraussetzen soll, denn auf die Einschlägigkeit des Schutzbereichs des § 823 Abs. 1 BGB kann es gerade nicht ankommen, wenn der Gesetzgeber mit der Erweiterung des Tatbestands die Abkehr vom Deliktsrecht bezweckt hat.954) Die Anwendung deliktsrechtlicher Grundsätze macht den Begriff der Pflichtwidrigkeit außerdem nicht – wie von Schinkel, Ahrens und Geißler behauptet – bedeutungslos,955) denn Pflichtwidrigkeit i. S. d. Modells 2 bedeutet „entgegen einer gesetzlichen Pflicht“.956) Die bloße Nichtleistung genügt.957) In der Tat ist aber zu bedenken, dass der Gesetzgeber § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO geschaffen hat, um Unterhaltsansprüche auch dann von der Restschuldbefreiung auszunehmen, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB im Einzelfall nicht vorliegen.958) Die dadurch implizierte Systematik spricht dagegen, die Regelung des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO formell mit dem Delikt gleichzusetzen.959) Unter dem Eindruck dieser systematischen Ungenauigkeiten ist den dem Modell zugrundeliegenden Wertungen lediglich zugute zu halten, dass der Schuldner im Feststellungsprozess richtigerweise nicht von jeglicher Beweisbelastung zu befreien ist.960) ___________ 950) 951) 952) 953) 954) 955) 956) 957) 958) 959) 960)

RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. Vgl. zur Unterhaltsberechtigung: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 1. Insbesondere: A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111. Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 452. Auf den Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB aber verweisend: Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16. So aber: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 452; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16; Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1706. A. Schmidt, Privatinsolvenzrecht, 111. Insoweit daher richtig: AG Hannover 28.9.2015 – 909 IK 1072/15 – ZVI 2016, 77. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32; KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 28; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1627 f. So auch: Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1706; a. A.: A. Schmidt, Privatinsolvenzrecht, 111. Im Ergebnis daher richtig: A. Schmidt, Privatinsolvenzrecht, 111.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

371 Modell 4961) überzeugt ebenfalls nicht. Die Orientierung an den zu § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO entwickelten Grundsätzen steht zuvorderst im Widerspruch zur Gesetzesbegründung. Diese verweist zur Begriffsbestimmung eindeutig auf das BGB und die insofern gleichlautenden und darin definierten Begriffe der Leitungsfähigkeit (vgl. § 1603 BGB) und Bedürftigkeit (§ 1602 BGB).962) Eine Definition anhand der Begrifflichkeit des „absichtlichen Entzugs“ i. S. d. § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO kann schon deswegen nicht überzeugen. Im Übrigen fehlt es diesem Modell aber auch an inhaltlicher Konsistenz. Die Wertungen des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO werden nur teilweise übertragen, sodass ein gewisser Eindruck von Willkür entsteht, der den vorgegebenen Leitlinien, insbesondere der Erkennbarkeit und der Praktikabilität, zuwiderläuft. Auf beweisrechtlicher Ebene werden die im Rahmen des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO geltenden Grundsätze nicht übernommen, sodass der Schuldner nicht – wie dort – beweisrechtlich beschwert wird.963) Stattdessen wird auf die zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO entwickelten Kriterien abgestellt, womit eine beweisrechtliche Verpflichtung der Unterhaltsgläubiger einhergeht. Begründet wird dies mit mangelnden Anhaltspunkten im Wortlaut des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO und dem vermeintlich erforderlichen Gleichlauf zu § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO. Überzeugen kann dies nicht, da auch der Wortlaut des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO keine entsprechende Beweislastverteilung nahelegt.964) Ein Gleichlauf zu der für § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO ergangenen Rechtsprechung empfiehlt sich auch nicht.

372 Richtigerweise ist die Lösung daher – wie in Modell 3 vorgeschlagen – in den unterhaltsrechtlichen Vorschriften zu suchen.965) Ein angemessener Interessenausgleich unter dem Eindruck des Art. 6 GG kann dabei allerdings nur gewährleistet werden, wenn die insoweit geltenden Grundsätze so modifiziert bzw. vereinfacht werden, dass sie im Insolvenzrecht praktikabel bleiben.966) Zur materiell-rechtlichen Begriffsbestimmung sollte daher auf die Grundzüge des Unterhaltsrechts abgestellt werden, ohne dabei jedoch die in einer Vielzahl von Entscheidungen entwickelten Definitionen der im konkreten Fall einschlägigen Normen hinzuziehen.967) Die Geltung dieser hätte zur Folge, dass die Anforderungen für die Ausnahme einer Forderung von der Restschuldbefreiung variieren, je nachdem welche Art von Anspruch der Forderung zu Grunde liegt. Eine solche Differenzierung ist im Insolvenzrecht nicht angemessen. Empfehlenswert ist stattdessen die Orientierung an dem für jede Unterhaltsart gel___________ Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. Vgl. zur Beweislast bei § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO: BGH NJW-RR 2005, 718, 719. A. A.: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628 f.; dem im Ergebnis noch zustimmend: Lackmann, ZVI 2016, 177, 178. 966) Vgl. L.-M. Schmidt, ZVI 2018, 181, 185. 967) So letztlich auch: Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628; vgl. die detaillierte Begriffsbestimmung im Unterhaltsrecht: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 1 ff.

961) 962) 963) 964) 965)

134

C. Rückständiger Unterhalt

tenden allgemeinen Prüfungsschema.968) Nach diesem ist der Unterhaltsberechtigte bedürftig, wenn er seinen Bedarf nicht ganz oder jedenfalls teilweise durch eigene Einkünfte decken kann.969) In dieser Höhe ist der Unterhaltspflichtige auch leistungsfähig, wenn er seinen eigenen Bedarf durch die Leistung nicht gefährdet.970) Richtigerweise ist dann davon auszugehen, dass jeder vorsätzlichen Nichterfüllung 373 der gesetzlich bestehenden Unterhaltsverbindlichkeit ein besonderer Unrechtsgehalt immanent ist.971) Die bloße Nichtleistung muss ausreichen, damit der Anwendungsbereich des § 302 Nr. 1 InsO eröffnet ist.972) Eine Sonderrolle nimmt insoweit, wie oben gezeigt (o Rn. 356 ff.) lediglich der Ehegattenunterhalt nach § 1360 BGB ein. Eine pauschalisierte Umsetzung unterhaltsrechtlicher Grundsätze dient nicht nur der Praktikabilität, sondern auch der Erkennbarkeit für den Schuldner. Vor demselben Hintergrund sind auch in beweisrechtlicher Hinsicht pauschalisierte 374 Überlegungen anzustellen. Ist der Unterhaltsanspruch bereits tituliert festgestellt, gleicht die Situation derjenigen eines Abänderungsverfahrens i. S. d. §§ 238 f. FamFG.973) Unabhängig von der Art des in Streit stehenden Unterhaltsanspruchs muss dann schon aus Gründen der mit der Titulierung einhergehenden Rechtskraft die Darlegungs- und Beweislast vollumfassend beim Schuldner liegen.974) Im Übrigen, also insbesondere im Hinblick auf nicht titulierte Ansprüche, muss aber zwischen den verschiedenen Unterhaltsformen unterschieden werden.975) Zu differenzieren sind dabei der Kindesunterhalt vom Ehegatten- und sonstigen Verwandtenunterhalt. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Unter- 375 haltsbedarfs liegt im Grundsatz zwar beim Unterhaltsberechtigten.976) Dies gilt auch unabhängig davon, welche Art des Unterhaltsanspruchs in Rede steht. Für den Kindesunterhalt ist insoweit jedoch die Beweislastmodifikation aus § 1612a BGB zu berücksichtigen, nach der für ein minderjähriges Kind angenommen werden ___________ 968) 969) 970) 971) 972) 973) 974)

975) 976)

Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 9. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 9. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 9. AG Hannover 28.9.2015 – 909 IK 1072/15 – ZVI 2016, 77; Grunicke, ZVI 2014, 361, 362; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5. So auch: A. Schmidt, Privatinsolvenzrecht, 111; AG Hannover 28.9.2015 – 909 IK 1072/15 – ZVI 2016, 77; a. A.: Lackmann, ZVI 2016, 177; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16. Zur Beweislast in einem solchen: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 746. Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1629; zustimmend: Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1707; so im Ergebnis auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453 und Waltenberger, in: HK-InsO, § 302 Rn. 18 f.; zum Abänderungsverfahren: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 746. So letztlich auch: Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628 ff. Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; vgl. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 703; zu pauschal: Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1707.

135

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

kann, dass es einen monatlichen Mindestbedarf benötigt.977) Dieser Mindestbedarf ist definiert als der Barbetrag, den ein minderjähriges – und damit besonders schutzbedürftiges – Kind zwingend zum Überleben braucht (auch: Existenzminimum).978) Der BGH stellte bereits in seiner Entscheidung zur Beweislastverteilung bei einem in Streit stehendem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB auf § 1612a BGB ab.979) Unterhaltsbedarf und Unterhaltsbedürftigkeit setzte er dabei gleich.980) Dies ist zu begrüßen.

376 Als Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten sollte ein minderjähriges Kind seine Bedürftigkeit in Höhe des Mindestbedarfs auch im Rahmen der Neufassung des § 302 Nr. 1 InsO nicht näher darlegen müssen.981) Es muss insoweit von seiner Darlegungs- und Beweislast entbunden werden.982) Nur wenn der zur Tabelle angemeldete Unterhalt über diesen Mindestunterhalt hinausgeht, bleibt es bei der sich aus den allgemeinen Grundsätzen ergebenden Darlegungs- und Beweislast des Kindes für diesen höheren Unterhaltsbedarf.983) Dies gilt auch in Bezug auf einen geltend gemachten Mehrbedarf, z. B. in Höhe der Kindergartenbeiträge oder zur Förderung des künstlerischen Talents.984) Ebenso wird sich wohl auch ein volljähriges Kind nicht auf § 1612a BGB berufen können, jedenfalls insoweit, wie es nicht gem. § 1603 Abs. 2 BGB privilegiert und den minderjährigen Kindern gleichgestellt wird.985) Im Rahmen des Ehegattenunterhalts sowie des Verwandtenunterhalts existiert keine dem § 1612a BGB entsprechende Beweislastmodifikation. Hinsichtlich der Bedürftigkeit bleibt es daher in diesen Fällen bei der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten.986)

___________ 977) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; diesen zustimmend: Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; a. A.: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453, der die Anwendung der unterhaltsspezifischen Beweislastmodifikationen i. R. d. § 302 InsO ablehnt; vgl. zur RegelAusnahme-Situation: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 732; Langeheine, in: MüKoBGB; § 1612a Rn. 3. 978) Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1612a Rn. 3. 979) Siehe dazu: BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 401. 980) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 401. 981) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; vgl. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 704. 982) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; vgl. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 704. 983) Vgl. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 705. 984) Vgl. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 706. 985) Vgl. Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 707. 986) Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 703 ff.

136

C. Rückständiger Unterhalt

In Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Schuldners gilt im Allgemeinen die Beweis- 377 lastumkehr aus §§ 1581, 1603 BGB.987) An sich handelt es sich bei der Leistungsfähigkeit zwar um eine weitere Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs. Aus Zweckmäßigkeitsgründen hat der Gesetzgeber die Beweislast in Bezug auf diese aber umgekehrt.988) Dies gilt auch für den Fall, dass die Unterhaltsforderung von einer Unterhaltsvorschusskasse geltend gemacht wird.989) Zurückzuführen ist dies darauf, dass nur der Schuldner selbst Angaben zu seiner eigenen Vermögenssituation machen kann. Es ist nicht ersichtlich, wieso diese Wertung nicht auf das Insolvenzrecht übertragen werden sollte. Insbesondere die Lösung des BGH, nach der daraus eine sekundäre Beweislast des Schuldners folgt, kann daher nicht überzeugen.990) (Nur) für den Kindesunterhalt ergibt sich damit nach der hier vertretenen Auffas- 378 sung im Rahmen eines Feststellungsstreits eine umfassende Darlegungs- und Beweislast des Schuldners. Diese Unterscheidung zwischen dem Minderjährigenunterhalt auf der einen und dem Ehegatten- bzw. sonstigen Verwandtenunterhalt auf der anderen Seite entspricht nicht zuletzt auch der Wertung des § 1609 BGB, wonach die Rangfolge der Unterhaltsansprüche im Mangelfall konsequent auf das Kindeswohl ausgerichtet ist.991)

(cc) Zusammenfassung Zusammenfassend empfiehlt sich somit die folgende Beweislastverteilung: Bei Titulierung

Keine Titulierung

Kindesunterhalt

Schuldner

Schuldner

Sonstiger gesetzlicher Unterhalt

Schuldner

Gläubiger, aber Beweislastumkehr bzgl. Leistungsfähigkeit

379

(3) Reichweite des Vorsatzerfordernisses? Umstritten ist auch, ob sich der Vorsatz auf die Pflichtwidrigkeit beziehen muss.992) 380 Der Wortlaut des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO spricht möglicherweise dafür, da das ___________ 987) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; so im Ergebnis auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453; vgl. im Unterhaltsrecht: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 721; Maurer, in: MüKo-BGB, § 1581 Rn. 106; Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1603 Rn. 207. 988) Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 722. 989) BGH 19.9.2018 – XII ZB 385/17 – FamRZ 2019, 112; Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 722. 990) BGH 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – ZVI 2016, 398, 401. 991) Vgl. dazu: RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 1; Born, NJW 2008, 1. 992) Grunicke, ZVI 2014, 361, 363; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 17; dies., ZVI 2019, 173, 176; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 454; a. A.: KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 28 („damit liegt ein vorsätzliches Nicht-Gewähren von gesetzlichem Unterhalt vor und das war auch pflichtwidrig (…)“).

137

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Wort „vorsätzlich“ der Tatbestandsvariante voransteht („vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt“). Gleichsam kann der Wortlaut aber auch so verstanden werden, dass sich „vorsätzlich“ und „pflichtwidrig“ als Begriffspaar nur auf das Nichtgewähren beziehen.993) Ausreichend wäre dann, dass der Schuldner seiner Unterhaltspflicht bedingt vorsätzlich nicht nachkommt, obwohl er leistungsfähig und der Unterhaltsberechtigte bedürftig ist.994) Der Wortlaut ist insoweit nicht eindeutig. Ihm kann vor diesem Hintergrund keine große Bedeutung beigemessen werden. Die Gesetzesbegründung bleibt ebenfalls unpräzise, indem sie lediglich feststellt, dass der Schuldner „vorsätzlich gehandelt haben muss“.995)

381 Maßgeblich muss daher die Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sein. Durch Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO um die Tatbestandsvariante des vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährten Unterhalts sollte eine Verbesserung des Schutzniveaus für Unterhaltsgläubiger im Insolvenzverfahren erreicht werden. Diesem Schutzzweck wird die Regelung nicht gerecht, wenn der Schuldner auch im Hinblick auf die Pflichtwidrigkeit vorsätzlich gehandelt haben muss.996) Voraussetzung dafür wäre, dass der Schuldner um die konkreten Anforderungen an seine eigene Leistungsfähigkeit und die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten weiß. Die richtige Einschätzung der Unterhaltslasten erfordert indes detaillierte familienrechtliche Fachkenntnisse, über die nicht einmal jeder studierte Jurist verfügt.997) Ohne fachkundigen Rat kann der Schuldner daher nicht wissen, dass er zur Steigerung seiner Leistungsfähigkeit etwa Nebentätigkeiten aufnehmen oder eine Umschuldung im Interesse seines minderjährigen Kindes veranlassen muss.998) Könnte er sich in solchen Fällen stets auf fehlende Rechtkenntnis berufen, wären dem vorsatzausschließenden Rechtsirrtum Tür und Tor geöffnet. Vor dem Hintergrund des viel zu hohen prozentualen Anteils an Unterhaltsschuldnern, die entweder gar keinen oder nur zu wenig Unterhalt zahlen,999) ist dies nicht zu befürworten.1000) Ausreichend muss vielmehr sein, dass der Schuldner Kenntnis von seiner Unterhaltspflicht hat und dennoch nicht leistet. Nur wenn der Schuldner die Unterhaltszahlung unterlässt,

___________ 993) So letztlich auch: A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111. 994) Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 16; Lackmann, in: NK-PrivatinsR, § 302 Rn. 11. 995) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. 996) So im Ergebnis auch: KG 29.8.2019 – 13 UF 91/19 – ZVI 2020, 24, 28; AG Kaufbeuren 26.7.2016 – 3 F 1291/15, Rn. 25 (juris); A. Schmidt, Privatinsolvenz, 111; Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5; Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 174 Rn. 54. 997) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1629. 998) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1629. 999) Dazu: A. Schmidt, ZVI 2020, 1 f. 1000) So: AG Kaufbeuren 26.7.2016 – 3 F 1291/15, Rn. 30 (juris).

138

C. Rückständiger Unterhalt

weil er zunächst einen Rechtsstreit abwarten möchte, scheidet der Vorsatz ausnahmsweise aus.1001)

dd) Zusammenfassung Zwar ist die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 302 Nr. 1 InsO auf rück- 382 ständige Unterhaltsforderungen im Grundsatz zu begrüßen. Um die Praxistauglichkeit sowie den Schutz des Unterhaltsgläubigers zu verbessern, braucht es jedoch eines zugänglicheren und klarer ausgestalteten Verfahrens, das es auch dem rechtsunkundigen Gläubiger ermöglicht, seine Ansprüche entsprechend durchzusetzen. Dies erfordert in der Praxis nicht nur, die an den Gläubiger im Rahmen der Forderungsanmeldung gestellten Anforderungen nicht zu überhöhen, sondern auch eine einheitliche und damit rechtssichere Handhabung der Tatbestandsmerkmale „pflichtwidrig“ und „vorsätzlich“ sowie die sachgerechte Beweislastverteilung in einem potentiellen Feststellungsprozess. An der Effizienz der Regelung bestehen vor dem Hintergrund dieser Hürden und Unsicherheiten erhebliche Zweifel.

e)

Reichweite der Ausnahme von der Restschuldbefreiung

Fraglich ist schließlich, welche Reichweite die Ausnahme von der Restschuldbe- 383 freiung im Falle von Unterhaltsforderungen hat. Nach der hier vertretenen Auffassung muss es im Falle von titulierten Unterhalts- 384 ansprüchen für den Umfang der Restschuldbefreiung konsequenterweise auf die formelle, sich aus dem Titel ergebende Rechtslage ankommen.1002) Zwar birgt dies das Risiko, dass der Titel, der sich nur auf den Saldo der ausstehenden Forderungen zu einem bestimmten Zeitpunkt bezieht, die sich potentiell in der Zwischenzeit aus materiellem Recht ergebenden Veränderungen nicht berücksichtigt.1003) Würde man aber in solchen Fällen nicht auf die Titulierung abstellen, bestünde die Notwendigkeit, den Unterhalt nach über sechs Jahren anhand der vormals bestehenden Verhältnisse neu zu berechnen, was schon aus Praktikabilitätsgründen nicht überzeugen kann. Vorzugswürdig ist es daher, auf die bereits vorhandene Titulierung abzustellen. Der Schuldner ist insoweit hinreichend über die Figur des unterhaltsrechtlichen Abänderungsantrags geschützt. Zusätzlich zu den Unterhaltsansprüchen, können auch Nebenforderungen, wie z. B. 385 zivilprozessuale Kostenerstattungsansprüche oder vor Verfahrenseröffnung angefallene Zinsforderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden, da es ___________ 1001) OLG Hamburg 25.11.2016 – 2 UF 111/16 – NZFam 2017, 421; Lackmann, in: NK-PrivatinsR, § 302 Rn. 11. 1002) So wohl auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 454. 1003) Daher ein Abstellen auf die formelle Rechtslage verneinend: Grunicke, ZVI 2014, 361, 363.

139

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

sich bei ihnen ebenfalls um Verbindlichkeiten aus dem rückständigen Unterhalt handelt.1004)

5.

Annex: Reichweite der Möglichkeit einer Forderungsanmeldung nach § 302 InsO

a) Titulierung des § 302 InsO-Vermerks bei fehlendem Restschuldbefreiungsantrag? 386 Diskutiert wird, ob ein Gläubiger eine Forderung als ausgenommene Forderung gem. § 302 InsO zur Tabelle anmelden kann, wenn der Schuldner keinen Restschuldbefreiungsantrag gestellt hat.1005) Dies wird überwiegend mit der Begründung verneint, dass der Gläubiger in einem solchen Fall kein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Feststellung der Restschuldbefreiungsfestigkeit seiner Forderung i. S. d. § 302 InsO habe.1006) Im Übrigen erfolge in einem solchen Verfahren auch keine Belehrung des Schuldners über die Notwendigkeit eines Widerspruchs nach § 175 InsO. Vor dem Hintergrund des Zwecks der darin normierten Hinweispflicht erscheine es daher unbillig, wenn dem Gläubiger ein vollstreckbarer Auszug aus dem § 302 InsOVermerk zu Teil werde.1007) Dem ist zuzustimmen.

b) Reichweite der Titulierung in einem Zweitverfahren 387 Denkbar ist, dass der Schuldner zeitnah nach Beendigung eines ersten Insolvenzverfahrens einen erneuten Insolvenzantrag verbunden mit einem Restschuldbefreiungsantrag stellen muss. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, wie in diesem Zweitverfahren mit einer erneut als Attributsforderung geltend gemachten Forderung umzugehen ist, wenn die Forderung des Gläubigers in dem ersten Insolvenzverfahren als ausgenommene Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO zur Tabelle festgestellt worden ist, ohne dass der Schuldner einen Widerspruch erhoben hat und der Gläubiger einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle nach § 201 Abs. 2 InsO erhalten hat.1008)

___________ 1004) So auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 455; Grunicke, ZVI 2014, 361, 363 vgl. für eine Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung: BGH 21.7.2011 – IX ZR 151/10 – ZInsO 2011, 1608; siehe auch: G. Pape, ZInsO 2016, 2005, 2011 f., der zusätzlich noch der Frage nachgeht, ob auch nach Verfahrenseröffnung angefallene Zinsen erfasst sind. 1005) Dazu: AG Düsseldorf 6.2.2018 – 502 IN 155/14 – ZInsO 2018, 618; AG Köln 1.12.2016 – 783 IN 485/15 – NZI 2017, 78; AG Aurich 3.12.2015 – 9 IN 145/15 – NZI 2016, 143. 1006) AG Düsseldorf 6.2.2018 – 502 IN 155/14 – ZInsO 2018, 618; AG Köln 1.12.2016 – 783 IN 485/15 – NZI 2017, 78; AG Aurich 3.12.2015 – 9 IN 145/15 – NZI 2016, 143. 1007) AG Köln 16.6.2020 – 73 IN 298/17 – NZI 2020, 899. 1008) Schinkel, in PrivatinsRK, § 302 Rn. 50; Sengl, NZI 2009, 31, 32 f.

140

C. Rückständiger Unterhalt

Aufgrund des Schutzzwecks des § 174 Abs. 2 InsO (o siehe dazu Rn. 274 ff.), ist 388 jedenfalls erforderlich, dass die Forderung erneut qualifiziert zur Tabelle angemeldet wird.1009) Für den Schuldner muss abermals erkennbar sein, ob es sich mit Blick auf den Umfang der nach § 302 Nr. 1 InsO angemeldeten Forderungen lohnt, ein Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung zu durchlaufen.1010) Das Insolvenzgericht hat den Schuldner erneut gem. § 175 Abs. 2 InsO zu belehren.1011) Der Tabelleneintrag des Erstverfahrens wirkt gegen den Schuldner nach zutreffender Ansicht gem. § 201 Abs. 2 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil, aus dem der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreiben kann.1012) Dies hat zur Folge, dass der Gläubiger im Zweitverfahren nicht (mehr) die Feststellungslast nach § 184 Abs. 1 InsO trägt, sondern die Vorschrift des § 184 Abs. 2 InsO im Zweitverfahren entsprechend anwendbar ist.1013)

II. Obliegenheit zur Antragstellung bei Unterhaltsrückständen? Diskutiert wird auch, ob das Auflaufenlassen von Unterhaltsrückständen unter be- 389 stimmten Voraussetzungen die Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens begründen kann.

1.

Keine Insolvenzantragspflicht bei natürlichen Personen

Juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind ab Eintritt 390 der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung gem. § 15a Abs. 1 InsO zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet. Für natürliche Personen besteht eine solche Antragspflicht im Grundsatz nicht.1014) Es gibt allerdings Fälle, in denen der Schuldner, der eine natürliche Person ist, durch 391 das Inaussichtstellen eines entsprechenden Übels zur Stellung eines Insolvenzantrags bewegt bzw. mittelbar auch dazu verpflichtet wird.1015) So kann dem natürlichen Schuldner gem. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag vorsätzlich oder grob fahrlässig, zum Beispiel durch erhebliche Zuwendungen an nahe Angehörige,1016) die Befrie___________ 1009) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 50. 1010) Zu dem Schutzzweck des § 174 Abs. 2 InsO: Riedel, in: MüKo-InsO, § 174 Rn. 34; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 174 Rn. 37; Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 174 Rn. 53. 1011) Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 50. 1012) Schumacher, in: MüKo-InsO, § 184 Rn. 8b, c; Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 50; Sengl, NZI 2009, 31, 32 f.; Ahrens, NJW-Spezial 2018, 725. 1013) So auch: Schinkel, in: PrivatinsRK, § 302 Rn. 50, Schumacher, in: MüKo-InsO, § 184 Rn. 8b f.; Sengl, NZI 2009, 31, 32 f.; Ahrens, NJW-Spezial 2018, 725; a. A.: Schmerbach, VIA 2010, 18, 19. 1014) Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 13 Rn. 44. 1015) Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 13 Rn. 44. 1016) AG Göttingen 12.3.2012 – 74 IN 150/06 – NZI 2012, 423.

141

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

digung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, dass er ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat. Auch für den Unterhaltsschuldner, gegen den Unterhaltsrückstände bestehen und der trotz Zumutbarkeit keinen Insolvenzantrag stellt, gelten insoweit Besonderheiten.1017) Für den gesteigert Unterhaltspflichtigen ergibt sich eine derartige unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens aus § 1603 Abs. 2 BGB. Im Einzelnen:

2.

Antragsobliegenheit bei Unterhaltsrückständen gegenüber minderjährigen Kindern

392 § 1603 BGB regelt in Absatz 1 die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Schuldners und ist als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht zu verstehen. Die Regelung soll einen Ausgleich zwischen der allgemeinen Handlungsfreiheit des Unterhaltschuldners aus Art. 2 Abs. 1 GG einerseits und dem Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG andererseits schaffen.1018) Nicht unterhaltspflichtig ist demnach, wer bei Berücksichtigung der ihm sonst zur Verfügung stehenden Mittel und anderweitigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts, anderen Personen Unterhalt zu gewähren (sog. Mangelfall).1019)

393 Handelt es sich bei den unterhaltsberechtigten Personen um minderjährige bzw. denen gleichgestellte Kinder, verlangt § 1603 Abs. 2 BGB grundsätzlich stärkere Anstrengungen des Unterhaltsschuldners. Die Vorschrift verpflichtet ihn dazu, alle verfügbaren Mittel zu seinem Unterhalt und demjenigen der Kinder gleichmäßig zu verwenden und so einen Mangelfall i. S. d. § 1603 BGB zu beseitigen.1020) Mit anderen Worten: Der Schuldner hat alle ihm zumutbaren Möglichkeiten auszunutzen, um den Unterhaltsbedarf sicherzustellen.

394 Zu diesen auszuschöpfenden Möglichkeiten zählt seit der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2005 grundsätzlich auch die Stellung eines Insolvenzantrags.1021) Er___________ 1017) BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239, 240; Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 13 Rn. 44; vgl. auch: Weisbrodt, FamRZ 2003, 1240, 1243 f. 1018) BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239. 1019) Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1603 Rn. 4; Keller, NZI 2007, 143, 147. 1020) Keller, NZI 2007, 143, 147. 1021) BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239, 240; zu den Voraussetzungen: Weber, FPR 2006, 468, 470; in dieselbe Richtung schon: OLG Koblenz 12.1.2004 – 13 UF 666/03 – NJW 2004, 1256; OLG Karlsruhe 30.10.2003 – 5 UF 70/03A – FamRZ 2004, 656, 657; OLG Dresden 10.1.2003 – 10 UF 684/02 – FamRZ 2003, 1028; OLG Nürnberg 30.5.2003 – 11 UF 850/03 – NJW 2003, 3138; OLG Hamm 31.5.2000 – 8 UF 558/99 – FamRZ 2001, 441; AG Nordenham 16.1.2002 – 4 F 260/01 UEUK – FamRZ 2002, 896; a. A.: OLG Naumburg 5.3.2003 – 8 WF 202/02 – NZI 2003, 615; OLG Stuttgart 17.9.2001 – 16 UF 383/01 – FamRZ 2002, 982; ausführlich zu dem bis zu der Entscheidung des BGH in der Literatur vorherrschenden Streit: Niepmann, FPR 2006, 91, 92.

142

C. Rückständiger Unterhalt

scheint ein Verbraucherinsolvenzverfahren demnach zulässig und geeignet, den laufenden Unterhaltsansprüchen minderjähriger und den ihnen gleichgestellter Kinder nach § 1603 Abs. 2 BGB, die mit ihren sog. Neugläubigerforderungen grundsätzlich nicht an der Restschuldbefreiung teilnehmen (vgl. § 40 S. 1 InsO) und somit auch während des laufenden Insolvenzverfahrens teilweise weiter vollstrecken können (vgl. § 89 Abs. 2 S. 2 InsO), Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten des Unterhaltsschuldners einzuräumen, trifft den Unterhaltsschuldner eine Obliegenheit zur Einleitung eines solchen Verfahrens, wenn er nicht Umstände vorträgt, die eine Antragspflicht im konkreten Einzelfall unzumutbar erscheinen lassen.1022) Erforderlich ist insoweit die umfassende Würdigung aller Umstände, zu denen sowohl die eigenen Interessen als auch diejenigen der Unterhaltsgläubiger zählen.1023) In der anzustellenden Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen der Einleitung eines 395 Insolvenzverfahrens sind zudem auch die Kosten des Verfahrens, der mit einem Insolvenzverfahren einhergehende Verlust wirtschaftlicher Selbstständigkeit durch die Bestellung des Insolvenzverwalters, die Dauer des Verfahrens im Vergleich zu der Dauer der Unterhaltspflicht und die Verkürzung der Rechte der übrigen Gläubiger zu berücksichtigen.1024) So besteht eine Obliegenheit zur Einleitung des Verfahrens wohlmöglich nicht, wenn die Drittschulden relativ niedrig sind,1025) wenn die Einleitung für den Schuldner im Einzelfall unzumutbar ist, etwa weil er seinen Arbeitsplatz gefährdet,1026) oder wenn er ohnehin nicht mit einer Restschuldbefreiung rechnen kann.1027) Ebenso kann es an der erforderlichen Zumutbarkeit fehlen, wenn die Unterhaltspflicht voraussichtlich endet noch bevor das Restschuldbefreiungsverfahren nach Ablauf von insgesamt sechs Jahren (§ 287 Abs. 2 InsO) beendet sein wird.1028) Das OLG Naumburg hält das Verbraucherinsolvenzverfahren weiterhin für unzumutbar, wenn die Leistungsunfähigkeit des Schuldners erst durch die Verurteilung zu den die Kreditverpflichtungen unberücksichtigt lassenden Unterhaltszahlungen verursacht wird.1029) Teile der Literatur nehmen eine Unzumutbarkeit zudem an, wenn der selbstständige Unterhaltsschuldner wegen des Insolvenzver___________ 1022) BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239, 240; Linker, in: HambKomm, InsO, § 15a Rn. 7; G. Pape, Insbüro 2009, 162, 164. 1023) BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot, 2006, 239, 240; Diehl, FPR 2013, 143, 145; Niepmann, FPR 2006, 91, 93. 1024) BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239, 241; Weber, FPR 2006, 468, 471. 1025) Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1603 Rn. 96. 1026) OLG Oldenburg 7.3.2006 – 12 UF 154/05 – FamRZ 2006, 1223; Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1603 Rn. 96; dazu auch: Hauß, FamRZ 2006, 306 ff.; Schürmann, FamRZ 2005, 887, 888; Krause, FamRZ 2005, 1725, 1726; Wohlgemuth, FamRZ 2005, 2035 f. 1027) Weber, FPR 2006, 468, 471. 1028) Keller, NZI 143, 147; in dieselbe Richtung tendierend: OLG Dresden 10.1.2003 – 10 UF 684/02 – FamRZ 2003, 1028, 1029. 1029) OLG Naumburg 5.3.2003 – 8 WF 202/02 – NZI 2003, 615; Niepmann, FPR 2006, 91 93.

143

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

fahrens die Fortsetzung seines Betriebes gefährdet sieht oder wenn mit ihm der Verlust beruflich benötigter Gegenstände oder auch höchstpersönlicher Rechte Dritter einhergeht.1030) Auch die mit einem Insolvenzverfahren verbundenen Einbußen an Kreditwürdigkeit und Sozialprestige sind nach Ansicht einiger in die Abwägung einzubeziehen.1031) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen solcher die Zumutbarkeit ausschließender Umstände liegt beim Unterhaltsschuldner.1032)

396 Nur wenn die Abwägung ergibt, dass die mit der Einleitung eines Insolvenzverfahrens verbundenen Vorteile für den nach § 1603 Abs. 2 BGB Unterhaltsberechtigten überwiegen, besteht eine Obliegenheit zur Antragstellung. Die Obliegenheit setzt dann mit Eintritt des Mangelfalls ein.1033) Der Schuldner ist ab diesem Zeitpunkt so zu behandeln, als habe er einen Insolvenzantrag gestellt bzw. als sei ihm die Restschuldbefreiung bereits erteilt worden.1034)

3.

Antragsobliegenheit bei Trennungsunterhalt

397 Die Übertragung dieser Regeln auf Fälle des Trennungsunterhalts scheidet nach der Rechtsprechung des BGH aus.1035) Die Obliegenheit des Schuldners zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz rechtfertigt sich nach Ansicht des BGH allein durch die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB.1036) Eine dem Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder vergleichbare Situation bestehe beim Trennungsunterhalt nicht, da es sich dabei regelmäßig um eine in den ehelichen Lebensverhältnissen angelegte Verschuldung handele, die der unterhaltsberechtigte Ehegatte mittragen müsse. Wegen der allgemeinen Handlungsfreiheit des Unterhaltsschuldners lasse sich eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz ohnehin nur aus besonders wichtigen Gründen rechtfertigen, zu denen die Trennungssituation gerade nicht zähle.1037)

4.

Bewertung

398 Mit dieser Entscheidung wendete sich der BGH erstmals gegen die bis dahin in Rechtsprechung und Literatur eindeutig erkennbare Tendenz, Unterhaltsansprüche ___________ Schürmann, FamRZ 2005, 887; Niepmann, FPR 2006, 91, 93. Weber, FPR 2006, 468, 471. BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239, 240; Weber, FPR 2006, 91, 93. Hoppenz, FPR 2006, 97, 100. BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239, 240. BGH 12.12.2007 – XII ZR 23/06 – MittbayNot 2008, 220; Büte, FuR 2015, 583, 586; Gogger, in: Insolvenzgläubiger-Handbuch, 223; G. Pape, Insbüro 2009, 162, 163 f.; a. A.: Hoppenz, FPR 2006, 97, 100; Weber, FPR 2006, 468, 470. 1036) BGH 12.12.2007 – XII ZR 23/06 – MittbayNot 2008, 220, 221. 1037) BGH 12.12.2007 – XII ZR 23/06 – MittBayNot 2008, 220, 222.

1030) 1031) 1032) 1033) 1034) 1035)

144

C. Rückständiger Unterhalt

und sonstige Forderungen gleichzubehandeln.1038) Dies begründete er damit, dass dem Unterhaltsschuldner mit Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens die Möglichkeit eingeräumt wurde, den ohne Berücksichtigung von Drittschulden bemessenen laufenden Unterhalt zu zahlen und nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befreiung von seinen Schulden zu erlangen.1039) Der mit der Entscheidung verfolgte Zweck liegt vor diesem Hintergrund in dem Schutz bzw. der finanziellen Absicherung unterhaltsberechtigter Kinder.1040) Der Unterhaltsschuldner soll zu ihrem Schutz offensichtlich dazu angehalten werden, bei angespannter Vermögenslage möglichst frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Begrüßenswert ist, dass der BGH sich im Rahmen der Entscheidung im Grundsatz 399 mit der Schutzwürdigkeit von Unterhaltsgläubigern im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren auseinandergesetzt hat. Zu befürworten ist auch, dass er insoweit zwischen Unterhaltsrückständen gegenüber minderjährigen Kindern und Unterhaltsrückständen gegenüber dem (vormaligen) Ehegatten unterscheidet,1041) da sich diese Unterscheidung in die gesetzgeberische Wertung in § 1609 BGB einfügt und dem Umstand der besonderen Schutzwürdigkeit minderjähriger Kinder in angemessener Form Rechnung trägt.1042) Fraglich ist jedoch, inwieweit die Verfahrenseröffnung überhaupt zum Schutz der 400 Unterhaltsgläubiger beiträgt. Gläubiger rückständiger Unterhaltsforderungen werden im Verfahren im Grundsatz wie normale Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO behandelt und werden demnach quotal aus der Insolvenzmasse befriedigt. Ihre Forderungen nehmen im Übrigen an der Restschuldbefreiung teil. Zwar besteht für sie die Möglichkeit der Anmeldung der Forderung als Attributsforderung gem. § 302 Nr. 1 InsO. Wie gezeigt (o Rn. 340 ff.), reüssiert der damit bezweckte Schutzmechanismus jedoch oftmals nicht. Auch für Unterhaltsneugläubiger, die nicht am Verfahren teilnehmen und während- 401 dessen gem. § 89 Abs. 2 S. 2 InsO weiter in den Pfändungskorridor gem. § 850d ZPO vollstrecken dürfen, verbessert sich die Situation nicht (o dazu ausführlicher Rn. 478 ff.). Zum einen ist die Leistungsfähigkeit des Schuldners mit Verfahrenseröffnung noch nicht wiederhergestellt, sodass sich dieser Umstand auch weiterhin auf die Höhe der Unterhaltsansprüche auswirken wird (vgl. § 1603 Abs. 1 BGB).1043) ___________ 1038) So etwa noch: BGH 19.3.1986 – IVb ZB 99/82 – NJW 1986, 1932; 9.5.1984 – IVb ZR 74/82 – FamRZ 1984, 657, 658; siehe auch: Hauß, in: Melchers/Hauß, Rn. 107 ff.; Weber, FPR 2006, 468, 471. 1039) BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239, 240; siehe auch: Hoppenz, FPR 2006, 97, 100. 1040) Linker, in: HambKomm, InsO, § 15a Rn. 7. 1041) So auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 219. 1042) A. A.: Hoppenz, FPR 2006, 97, 100, der die Obliegenheit im Grundsatz bei jeder gesetzlichen Unterhaltspflicht, mit Ausnahme derjenigen gegenüber den Eltern, bejaht. 1043) Keller, NZI 2007, 143, 148.

145

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Zum anderen gehört der Neuerwerb des Schuldners mit Verfahrenseröffnung zum Insolvenzbeschlag, sodass sich die Vollstreckungsmöglichkeiten auch noch signifikant verschlechtern.1044) Zwar können sich Unterhaltsneugläubiger im Verfahren gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c Abs. 1 ZPO auf die erhöhten Pfändungsfreigrenzen berufen. Dies gilt jedoch auch in der Einzelzwangsvollstreckung und damit außerhalb des Verfahrens. Vorteilhaft ist die Verfahrenseröffnung für Unterhaltsgläubiger vor diesem Hintergrund nicht.1045)

402 Im Übrigen ist auch die Durchsetzbarkeit der Regelung zweifelhaft. Die unterhaltsrechtliche Obliegenheit soll nach Ansicht des BGH dergestalt durchgesetzt werden, dass der Schuldner so zu behandeln sei, als habe er entsprechend seiner Obliegenheit gehandelt, mithin als habe er einen Insolvenzantrag gestellt und als sei ihm die Restschuldbefreiung erteilt worden.1046) Eine zwangsweise Durchsetzung gegenüber dem Schuldner ist dabei aber nicht vorgesehen.1047) Auch macht er sich – mit Ausnahme der Fälle des § 170 Abs. 1 StGB – nicht strafbar, wenn er keinen Insolvenzantrag stellt.1048) An dem praktischen Nutzen der Entscheidung bestehen vor diesem Hintergrund erhebliche Zweifel.1049)

D. Laufender Unterhalt 403 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über (vgl. § 80 Abs. 1 InsO). Im Übrigen bleibt der natürliche Schuldner aber rechts- und geschäftsfähig. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann er daher gesetzlicher Anspruchsgegner sein und rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten eingehen. Entstehen nach den oben aufgeführten Grundsätzen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner, sind diese mithin als Neugläubigerforderungen zu qualifizieren.

I.

Allgemeine Neugläubigerproblematik

404 Neugläubigerforderungen nehmen weder als Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO1050) noch als Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 InsO1051) am Verfahren teil.1052) Handelt ___________ K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 208. So auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 208 ff. BGH 12.12.2007 – XII ZR 23/06 – MittbayNot 2008, 220, 222; Keller, NZI 2007, 143, 147. Keller, NZI 2007, 143, 148. Keller, NZI 2007, 143, 148. So auch: Keller, NZI 2007, 143, 147; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 210 f. Etwas anderes gilt, wenn der Schuldner als Erbe des Unterhaltspflichtigen handelt, vgl. § 40 S. 1 InsO: Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 18 ff. 1051) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 2. 1052) Reck, in: PrivatinsRK, § 40 Rn. 1; Smid, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 40 Rn. 5; Paul, DZWIR 2009, 186, 187; Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473, 1474. 1044) 1045) 1046) 1047) 1048) 1049) 1050)

146

D. Laufender Unterhalt

sich bei den Neugläubigerforderungen um solche, die auf Rechtsgeschäft beruhen, ist dies angemessen. Den Gläubigern steht es im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit frei, Verbindlichkeiten gegenüber dem insolventen Schuldner zu begründen. Sie haben die Möglichkeit der Bonitätsprüfung und tragen daher als Kehrseite der Gewinnerzielung zu Recht das Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners.1053) Für diese Verbindlichkeiten bedarf es auch keines irgendwie gearteten Schutzes, denn es wäre nicht sachgerecht, wenn die Allgemeinheit für die fehlende Solvenz des Vertragspartners aufkommen müsste.1054) Davon zu unterscheiden ist jedoch nach der hier vertretenen Auffassung die Situation, 405 in der die Neugläubigerforderungen auf Gesetz beruhen. Der gesetzliche Neugläubiger kann sich seinen Anspruchsgegner nicht aussuchen und ist zur Geltendmachung der ihm gesetzlich zustehenden Ansprüche auf dessen Solvenz angewiesen. Kann seine Forderung aufgrund der Insolvenz des Schuldners nicht befriedigt werden, ist dies daher mit Blick auf den mit den gesetzlichen Regelungen verfolgten Zweck problematisch. Dies gilt insbesondere für das gesetzliche Unterhaltsschuldverhältnis. Nicht ohne Grund wird zuweilen sogar davon gesprochen, die Restschuldbefreiung sei „auf Kosten“ der Unterhaltsgläubiger eingeführt worden.1055) Die Rechtsstellung der Unterhaltsneugläubiger hat sich mit Einführung der Insolvenz- 406 ordnung erheblich verschlechtert.1056) Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass es ihnen seither verwehrt ist, in den Neuerwerb des Schuldners zu vollstrecken.1057) Auch ein rechtlich geschütztes Interesse an der Eröffnung eines Zweitinsolvenzverfahrens besteht nicht, da dem Schuldner während des Verfahrens nur sein unpfändbares Vermögen verbleibt.1058)

II. Unterhaltsneugläubiger als Massegläubiger Unter den Voraussetzungen des § 100 InsO werden der Schuldner und seine Familie 407 zu Massegläubigern. Die Vorschrift gliedert sich in zwei Absätze und ermöglicht die Gewährung von Unterhalt an den Schuldner und seine Familie aus der Insolvenzmasse. Es entsteht eine Masseverbindlichkeit, die am Verfahren teilnimmt und ___________ 1053) So: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 226. 1054) So: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 226. 1055) So: Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473; auch der Rechtsausschuss sieht darin im Grundsatz einen Nachteil: Beschlussempf. und Bericht des Rechtausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167; dazu auch: Paul, DZWIR 2009, 186, 187; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 791. 1056) So: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 791, 797; Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473; ders., FamRZ 1993, 1026, 1028; wohl auch: Schumann, in: MüKo-InsO, 40 Rn. 1; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 1; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 226 f. 1057) Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 797. 1058) Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 35 Rn. 45.

147

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

vorweg zu befriedigen ist (vgl. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO).1059) Unterhaltsneugläubiger können auf diese Weise also möglicherweise doch am Verfahren teilnehmen. Eines Antrags bedarf es insoweit wohl nicht.1060) Dass dies die im Übrigen fehlende Schutzsystematik aufwiegen kann, erscheint dennoch fraglich. Zweifel ergeben sich insoweit insbesondere aus dem fehlenden Anspruchscharakter der Norm.

1.

Unterhaltsgewährung durch die Gläubigerversammlung (Abs. 1)

408 Der Familienbegriff des § 100 Abs. 1 InsO ist denkbar weit. Zur Familie in diesem Sinne gehören daher nicht nur die kraft Gesetzes Unterhaltsberechtigten, sondern potentiell alle Personen, denen der Schuldner bisher Unterstützung gewährt hat.1061) In Betracht kommt demnach auch die Unterhaltsgewährung an z. B. Geschwister, Pflegepersonen oder Stiefeltern.1062) Zum Teil wird verlangt, dass der Schuldner mit der entsprechenden Person zusammenlebt oder mit ihr das Hauswesen teilt.1063) Sowohl die Entscheidung darüber, ob Unterhalt gewährt werden soll, als auch die Entscheidung darüber, an wen Unterhalt gewährt werden soll, liegt im Rahmen des § 100 Abs. 1 InsO jedoch im Ermessen der Gläubigerversammlung. Die Notwendigkeit, den Personenkreis zu begrenzen, besteht daher nicht.1064) Die Gläubigerversammlung bestimmt darüber hinaus auch die Höhe sowie die Art und Weise der Unterhaltsgewährung, ob also Bar- oder Naturalunterhalt, etwa in Form der Überlassung einer zur Insolvenzmasse gehörenden Wohnung, gewährt werden soll.1065) Sie kann die Art und Weise der Unterhaltsgewährung somit den sich ständig wandelnden gesellschaftlichen Gegebenheiten sowie dem Einzelfall anpassen.1066)

409 Gesichtspunkte für die Ermessensentscheidung können dabei etwa die Redlichkeit des Schuldners, die Werthaltigkeit der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände, die Höhe des pfändbaren Arbeitseinkommens des Schuldners oder die Bereitschaft des Schuldners sein, seinen Verfahrenspflichten nachzukommen.1067) Ob der Schuldner sonst auf Sozialhilfe angewiesen ist, soll mangels Anspruchscharakter

___________ 1059) 1060) 1061) 1062) 1063) 1064) 1065)

1066) 1067)

148

Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 13. Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 4. Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 6. Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 18; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis § 7 Rn. 258. So: Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 17. Dazu: Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 6. Wolgast, in: PrivatinsRK, § 100 Rn. 8; Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 3 f.; Wimmer/ Amend, in: FK-InsO, § 100 Rn. 23; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 7 Rn. 258. Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 6. Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 22.

D. Laufender Unterhalt

der Vorschrift keine Rolle spielen.1068) Die Gläubigerversammlung entscheidet nach freiem Ermessen.1069)

2.

Vorläufige Unterhaltsgewährung durch den Insolvenzverwalter (Abs. 2)

Bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung kann der Insolvenzverwalter dem 410 Schuldner gem. § 100 Abs. 2 S. 1 InsO vorläufig Unterhalt gewähren. Auch dies geschieht nach freiem Ermessen.1070) Ein Anspruch besteht auch im Rahmen des § 100 Abs. 2 InsO nicht. § 100 Abs. 2 InsO unterscheidet sich von § 100 Abs. 1 InsO jedoch dahingehend, 411 dass der Insolvenzverwalter bei seiner Entscheidung auf den notwendigen Unterhalt i. S. d. SGB II beschränkt ist.1071) Dies entspricht wie im Falle des § 850d ZPO dem, was der Schuldner in Anlehnung an die geltenden Sätze des Sozialhilferechts an Geldmitteln, Sachleistungen und sonstigen Beihilfen erhalten kann.1072) Anders als § 100 Abs. 1 InsO, ist in Absatz 2 außerdem ausdrücklich bestimmt, welche Personen neben dem Schuldner als Anspruchsberechtigte in Betracht kommen. Gem. Satz 2 kann in gleicher Weise den minderjährigen, unverheirateten Kindern des Schuldners, seinem (früheren) Ehegatten, seinem (früheren) Lebenspartner und dem anderen Elternteil seines Kindes hinsichtlich eines Anspruchs nach den §§ 1615l, 1615n BGB Unterhalt gewährt werden.

3.

Anspruch aus § 100 InsO bei Gefährdung des Existenzminimums?

Umstritten ist, ob dem Schuldner nach § 100 InsO ausnahmsweise dann ein Anspruch 412 gegen die Insolvenzmasse zusteht, das Ermessen der Gläubigerversammlung bzw. des Insolvenzverwalters also auf Null reduziert ist, wenn seine Lebensgrundlage bzw. die Lebensgrundlage seiner Familie nicht anderweitig gesichert ist.1073) Zum Teil wird dies mit dem Verweis auf den Telos der Vorschrift, der nicht dem Schutz

___________ 1068) So: Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 22; Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 100 Rn. 9. 1069) Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 100 Rn. 9; Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 2 f. 1070) Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 28. 1071) Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 25; Wolgast, in: PrivatinsRK, § 100 Rn. 18 ff. 1072) Keller, NZI 2007, 316, 318. 1073) Dafür: Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 100 Rn. 6; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 806; wohl auch: Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 14; dagegen: Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 3; Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 21 f., 28; Wolgast, in: PrivatinsRK, § 100 Rn. 1; Janlewing, Insolvenzrecht in der familienrechtlichen Praxis, § 7 Rn. 262; Riedel, in: FS Brudermüller, 559, 561; Wipperfürth, ZInsO 2015, 1127; Pieper, ZVI 2009, 99, 104.

149

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

des Existenzminimums des Schuldners diene,1074) verneint. Diese Auffassung greift zu kurz.

413 Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es vielmehr zunächst eines Blickes in die Gesetzgebungsgeschichte: Wie bereits eingangs erläutert, kam dem Schuldner nach § 114 Abs. 1 des Regierungsentwurfs zur Einführung einer Insolvenzordnung ein Anspruch auf Gewährung des notwendigen Unterhalts aus der Insolvenzmasse zu, soweit er diesen nicht aus seinem sonstigen Vermögen, also insbesondere aus dem unpfändbaren Teil seines laufenden Arbeitseinkommens oder aus Unterhaltsleistungen von Angehörigen bestreiten konnte.1075) Der Gesetzgeber intendierte damit den Gleichlauf der Insolvenzordnung mit dem Bundessozialhilfegesetz sowie eine Entlastung der Staatskassen.1076) Soweit die Möglichkeit bestand, den notwendigen Unterhalt des Schuldners und seiner Familienangehörigen aus der Insolvenzmasse zu entnehmen, sollte ein Rückgriff auf Mittel der Sozialhilfe vermieden werden.1077)

414 Schlussendlich wurde die Notwendigkeit des Anspruchscharakters dann aber doch verneint.1078) Der Nachteil, den die Unterhaltsberechtigten wegen der Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse erlitten, wurde im weiteren Gesetzgebungsprozess zwar anerkannt.1079) Es wurde allerdings die Auffassung vertreten, dieser Nachteil wirke sich regelmäßig nicht erheblich aus, da der pfändungsfreie Teil des Einkommens nicht in die Masse falle und Unterhaltspflichten die Pfändungsfreibeträge erhöhen – mit anderen Worten: das Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie hinreichend über die Pfändungsschutzvorschriften geschützt sei.1080) Diese Auffassung war nicht unumstritten.1081)

415 Richtig ist: Die Lebensgrundlage des Schuldners und seiner Familie ist seither im Grundsatz durch die Pfändungsvorschriften der §§ 850 ff. ZPO geschützt, die gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar sind.1082) Diese Regelungen begrenzen die Vollstreckung in das Arbeitseinkommen bzw. die sonstigen Bezüge des Schuldners, um für ihn und seine Familie die Gewährleistung eines ___________ 1074) So: Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 1; Wolgast, in: PrivatinsRK, § 100 Rn. 1; Riedel, in: FS Brudermüller, 559, 561. 1075) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 143. 1076) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 143. 1077) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 143. 1078) Beschlussempf. und Bericht des Rechtausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167. 1079) Beschlussempf. und Bericht des Rechtausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167. 1080) Beschlussempf. und Bericht des Rechtausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167. 1081) Ausführlich zu den insoweit vor Inkrafttreten des Insolvenzänderungsgesetzes vertretenen Auffassungen: Stephan, ZInsO 2000, 376, 377 f. 1082) Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 3; Wolgast, in: PrivatinsRK, § 100 Rn. 1; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 7 Rn. 262; Wipperfürth, ZInsO 2015, 1127, 1128.

150

D. Laufender Unterhalt

menschenwürdigen Lebens sicherzustellen.1083) Derjenige Teil des schuldnerischen Einkommens, der unpfändbar ist, wird aufgrund der § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO nicht Massebestandteil, sondern verbleibt ihm zur eigenen Disposition. Ob dadurch aber, wie im Gesetzgebungsverfahren behauptet,1084) das Existenz- 416 minimum des Schuldners und seiner Familie hinreichend gewährleistet wird, ist fraglich. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob sämtliche Ausprägungen des Einzelzwangsvollstreckungsrechts mit dem Gesamtvollstreckungsrecht der Insolvenzordnung kompatibel sind. Bevor die Frage nach der Notwendigkeit eines Anspruchs aus § 100 InsO beantwortet werden kann, bedarf es mithin zuvorderst der Untersuchung, ob bzw. inwieweit dies jeweils der Fall ist.

III. Schutz der Neugläubiger durch entsprechende Geltung der Pfändungsvorschriften gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO Gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO gelten die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1 ZPO, 417 §§ 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO im Insolvenzverfahren entsprechend. Dies dient nach dem Willen des Gesetzgebers der Sicherung des schuldnerischen und familiären Existenzminimums im Insolvenzverfahren.1085) Die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens sind dabei gem. § 4 InsO zu berücksichtigen.1086) Die Bestimmungen der ZPO können auf das Insolvenzverfahren demnach nur übertragen werden, wenn und soweit dies mit der besonderen Natur des Insolvenzverfahrens zu vereinbaren ist.1087) Bis zum Inkrafttreten des Insolvenzänderungsgesetzes im Jahr 2001 bestand im 418 Hinblick auf die Sicherung des schuldnerischen und familiären Existenzminimums eine Gesetzeslücke. Schnell entwickelte sich daher nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung in der Literatur ein Streit darüber, wie diese Lücke geschlossen werden sollte.1088) Einigkeit bestand nur insoweit, dass staatliche Zugriffe, wie die Beschlagnahme der Insolvenzmasse, dem Schuldner das Existenzminimum nicht entziehen dürften und es daher zwingend Regelungen bedürfte.1089) Während einige für eine ___________ 1083) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850 Rn. 1. 1084) Beschlussempf. und Bericht des Rechtausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167. 1085) Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 36 Rn. 1; zu § 850c ZPO: Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 96. 1086) Vgl. Lüdtke, in: PrivatinsRK, § 4 Rn. 14. 1087) Lüdtke, in: PrivatinsRK, § 4 Rn. 14; instruktiv zu dem Verhältnis der InsO zu dem allgemeinen Zivil- und Zivilverfahrensrecht siehe: Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzeröffnungsverfahren, 33 f. 1088) Ausführlich zu den insoweit vor Inkrafttreten des Insolvenzänderungsgesetzes vertretenen Auffassungen: Stephan, ZInsO 2000, 376, 377 f.; dazu auch: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 36 ff. 1089) Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 805; Uhlenbruck, KTS 1999, 413, 418; zu dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz des Existenzminimums: BVerfG NJW 2010, 505, 507.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

entsprechende Geltung der Pfändungsvorschriften, namentlich § 850f ZPO (analog), plädierten,1090) befürworteten andere Stimmen eine Lösung über § 100 InsO, nach der sich in bestimmten Fällen die Möglichkeit der Unterhaltsleistung in eine Pflicht umwandelte.1091)

419 Mit Einführung des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO schloss sich der Gesetzgeber im Ergebnis der erstgenannten Auffassung an.1092) Im Gesetzgebungsverfahren wurde insoweit vorgebracht, die zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften hätten auch im Insolvenzverfahren ihre Berechtigung, da in der Gesamtvollstreckung ebenfalls Situationen denkbar seien, in denen diese Sonderregelungen notwendig werden könnten.1093) Unter dem Blickwinkel des im Insolvenzverfahren vorherrschenden Prinzips der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung müsse lediglich zwischen solchen Vorschriften unterschieden werden, die, wie z. B. § 850f Abs. 1 ZPO, die Pfändbarkeit für alle Gläubigergruppen erweitern oder beschränken und solchen, wie z. B. § 850d ZPO, die die Pfändbarkeit für nur bestimmte Gläubigergruppen modifizieren.1094) Dort, wo der Zweck der jeweiligen zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelung mit dem Ziel der Gesamtvollstreckung in Einklang steht, hielt der Rechtsausschuss eine entsprechende Anwendung der §§ 850 ff. ZPO für gerechtfertigt.1095)

1.

Erhöhung der Pfändungsfreibeträge nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO

420 Mit Verfahrenseröffnung orientiert sich der unterhaltsrechtliche Bedarf der Gläubiger mithin wegen § 36 Abs. 1 S. 2 InsO an dem insolvenzfreien Teil des Einkommens, also an dem pfändungsfreien Teil des Einkommens nach § 850c ZPO. § 850c Abs. 1 ZPO normiert die Grenzwerte, bis zu denen das Arbeitseinkommen des Schuldners im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung unpfändbar ist.

421 Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung einem bestimmten Personenkreis Unterhalt, erhöht sich der unpfändbare Betrag gem. § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO.1096) Dabei schlagen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber nur einer ___________ 1090) OLG Köln 16.10.2000 – 2 W 189/00 – NZI 2000, 590; LG Offenburg 14.3.2000 – 4 T 38/00 – NZI 2000, 277; AG Aachen 13.7.2000 – 19 IK 29/99 – NZI 2000, 554; Leibner, NZI 2001, 574, 577; Grote, ZInsO 2000, 490 f.; Stephan, ZInsO 2000, 376, 378 ff.; Steder, ZIP 1999, 1874, 1879 f.; zustimmend auch: G. Pape, EWiR 2001, 647, 648; Fuchs/Vallender, ZInsO 2001, 681, 686. 1091) Etwa: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 806 ff.; später: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 62. 1092) Dazu: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 41 ff. 1093) Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 27.6.2001, BT-Drs. 14/6468, 17. 1094) Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 27.6.2001, BT-Drs. 14/6468, 17. 1095) Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 27.6.2001, BT-Drs. 14/6468, 17. 1096) Siehe dazu: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 34; instruktiv: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.247 ff.; Weisbrodt, FamRZ 2003, 1240, 1242.

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D. Laufender Unterhalt

Person stärker ins Gewicht als diejenigen, die gegenüber weiteren Personen bestehen.1097) Die Bemessung der dem Schuldner insoweit zukommenden Freibeträge erfolgt pauschal. Eine Abwägung mit seinen sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen findet nicht statt. Die Zahlung dieses pfändungsfreien Betrags findet stets zu Händen des Schuldners 422 statt.1098) Eine Leistung an die Unterhaltsgläubiger kommt nicht in Betracht, da sie am Verfahren grundsätzlich nicht beteiligt sind. Aus diesem Grund scheidet auch ein isolierter Antrag auf Einziehung des Grundfreibetrags für eine unterhaltsberechtigte Person aus.1099) Ein solcher wäre mit der Systematik der §§ 850c, 850d ZPO nicht in Einklang zu bringen.1100) Im Folgenden sollen die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Pfändungsfrei- 423 beträge nach § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO im Einzelnen aufgezeigt werden.

a) Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs aa) Grundsätze im Einzelzwangsvollstreckungsrecht Voraussetzung für die Anrechnung der Unterhaltsverpflichtungen auf die Pfändungs- 424 freibeträge ist, dass im konkreten Einzelfall eine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung in Form eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs besteht.1101) Dafür ist es unerheblich, dass neben dem vorrangig unterhaltspflichtigen Schuldner auch ein anderer leistungsfähiger Verwandter einem minderjährigen Kind Barunterhalt schuldet. Dies hat allenfalls Auswirkungen auf die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB.1102) Der Kreis der Unterhaltsempfänger ist auf die im Wortlaut des § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO benannten Personengruppen beschränkt. Alle im Übrigen geleisteten Unterhaltszahlungen an Personen, die nicht diesem Kreis der Unterhaltsberechtigten angehören, bleiben außer Betracht.1103) Nicht zu berücksichtigen sind daher etwa Stiefkinder oder Pflegekinder, Geschwister, Schwiegereltern oder sonstige Verschwägerte und nicht

___________ 1097) Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850c Rn. 8 f.; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 11. 1098) Dazu: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 116 f. 1099) Siehe dazu: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 116. 1100) So schon: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 116 f. 1101) BAG 26.11.1986 – 4 AZR 786/85 – NJW 1987, 1573, 1574; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 34; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.240. 1102) BGH 31.10.2007 – XII ZR 112/05 – NZI 2008, 114; Smid, in: MüKo ZPO, § 850c Rn. 11; vgl. instruktiv auch zu den insoweit geltenden Regeln im Unterhaltsrecht: Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1603 Rn. 182. 1103) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 11; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.247.

153

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

unterhaltsberechtigte Verwandte.1104) Darauf, ob die Person in demselben Haushalt wie der Unterhaltsschuldner lebt, kommt es in der Regel nicht an.1105) Ggf. wird aber die Leistung von Unterhalt an den früheren Ehegatten des Schuldners noch so lange vermutet, wie er sich eine häusliche Gemeinschaft mit ihm teilt.1106)

425 Über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende, rein freiwillige Leistungen an bedürftige Angehörige erfüllen den Tatbestand nicht.1107) Dies ist Ausdruck der Grundsätze des Pfändungsrechts.1108) Das BAG stellte insoweit schon im Jahr 1987 fest, dass ein Arbeitgeber, dem von seinem Arbeitnehmer mitgeteilt wird, dass dieser verheiratet ist und eine bestimmte Zahl minderjähriger Kinder qua Gesetzes zu unterhalten hat, im Falle von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens von einer entsprechenden Zahl unterhaltsberechtigter Personen ausgehen kann.1109) Würde der Arbeitnehmer dagegen anderweitige Personen berücksichtigt wissen wollen, denen er auf schuldrechtlicher Basis Unterhalt gewährt, wäre der Arbeitgeber dazu gezwungen, das Bestehen dieser Unterhaltsansprüche nachzuprüfen und aufwendige Nachforschungen anzustellen.1110) Die Einbeziehung vertraglicher Unterhaltsverpflichtungen würde daher nicht der im Pfändungsrecht gebotenen Rechtsklarheit und Praktikabilität entsprechen.1111)

bb) Übertragbarkeit in das Insolvenzrecht 426 Auch im Insolvenzrecht werden ausschließlich gesetzliche Unterhaltsansprüche berücksichtigt. Das ist sachgerecht.1112) Die Berücksichtigung vertraglicher Unterhaltsverpflichtungen würde ein bedenkliches Missbrauchspotential für den unredlichen Insolvenzschuldner schaffen, der dann im Rahmen des Insolvenzverfahrens vertragliche Unterhaltsverpflichtungen gegenüber bedürftigen Verwandten eingehen könnte, die in der Folge zu einer Schmälerung der Masse führen würden. Dies wäre mit den Zielen des Insolvenzverfahrens, das in erster Linie der gemeinschaftlichen ___________ 1104) Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 4; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 11; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.247; vgl. etwa für Stiefkinder: BGH 24.6.1969 – VI ZR 66/67 – NJW 1969, 2007. 1105) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 11. 1106) BAG 28.8.2013 – 10 AZR 323/12 – NJW 2013, 3532; BGH 3.11.2011 – IX ZR 45/11 – NJW 2012, 393, 394; im Insolvenzrecht: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 34. 1107) BAG 26.11.1986 – 4 AZR 786/85 – NJW 1987, 1573, 1574; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850c Rn. 5. 1108) BAG 26.11.1986 – 4 AZR 786/85 – NJW 1987, 1573, 1574. 1109) BAG 26.11.1986 – 4 AZR 786/85 – NJW 1987, 1573, 1574. 1110) BAG 26.11.1986 – 4 AZR 786/85 – NJW 1987, 1573, 1574. 1111) BAG 26.11.1986 – 4 AZR 786/85 – NJW 1987, 1573, 1574. 1112) So auch: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 34.

154

D. Laufender Unterhalt

Befriedigung der Insolvenzgläubiger dient,1113) nicht zu vereinbaren und stünde zudem nicht im Einklang mit den Wertungen des § 40 S. 1 InsO. Davon zu unterscheiden sind nach der hier vertretenen Auffassung nur faktische Unterhaltspflichten, die im Rahmen des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO sehr wohl zu berücksichtigen sind (o siehe Rn. 448 ff.).

b) Tatsächliches Leisten aa) Grundsätze im Einzelzwangsvollstreckungsrecht Die Erhöhung der Pfändungsfreibeträge nach § 850c Abs. 1 ZPO setzt weiterhin 427 voraus, dass der Schuldner – freiwillig oder durch Beitreibung – auch tatsächlich Unterhalt leistet.1114) Bei zusammenlebenden Eheleuten wird dies vermutet.1115) Leistet der Schuldner aber etwa seinem unterhaltsberechtigten Kind tatsächlich keinen Unterhalt, obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet ist, ist dieses Kind bei der Berechnung des unpfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens nicht zu berücksichtigen, die Pfändungsfreibeträge sind dann dementsprechend nicht zu erhöhen.1116) Darüber kann der Gläubiger einen klarstellenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts verlangen.1117) Auf den ersten Blick handelt es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit. Die §§ 850 ff. ZPO dienen der Wahrung des Existenzminimums und sehen zu diesem Zweck Pauschalbeträge vor, die im Rahmen der Pfändung unberührt bleiben.1118) Diese sind nach Maßgabe des § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO zu erhöhen, wenn der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt leisten muss. Einer Erhöhung der Pfändungsfreibeträge bedarf es aber eben nur dann, wenn der Schuldner auch tatsächlich an den Unterhaltsgläubiger leistet, diese finanziellen Mittel ihm also auch tatsächlich nicht zur eigenen Disposition verbleiben.1119) Für die Einzelzwangsvollstreckung hat der BGH entschieden, dass es bei der Er- 428 höhung der Pfändungsfreibeträge nicht darauf ankommen soll, ob die Unterhaltsleistungen, die der Schuldner tatsächlich erbringt, dem jeweiligen Pauschalbereich

___________ 1113) Dazu: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 33 ff. 1114) BAG 28.8.2013 – 10 AZR 323/12 – NJW 2013, 3532; BGH 9.12.1965 – 5 AZR 272/65 – NJW 1966, 903; AG Oranienburg 8.1.2015 – 91 M 712/14 – ZVI 2017, 207; Stöber/ Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.247. 1115) BAG 28.8.2013 – 10 AZR 323/12 – NJW 2013, 3532; BGH 3.11.2011 – iX ZR 45/11 – NJW 2012, 393, 394; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850c Rn. 5. 1116) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 12. 1117) BGH 28.9.2017 – VII ZB 14/16 – NJW 2017, 3591; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 4, 10. 1118) Vgl. etwa: Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850c Rn. 1. 1119) Für das Insolvenzrecht: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 34.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

des § 850c ZPO entsprechen.1120) Die Pauschalbeträge sind also selbst dann zu erhöhen, wenn er seine gesetzlichen Unterhaltspflichten nicht in vollem Umfang erfüllt.1121) Begründet wird dies mit dem durch die Festlegung von Pauschalbeträgen verfolgten Zweck der Vorschrift des § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO.1122) Im Interesse einer praktikablen Gestaltung der Zwangsvollstreckung habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, die Zubilligung der unterhaltsbedingten Freibeträge von einzelfallbezogenen Feststellungen zur Höhe der Unterhaltsverpflichtung abhängig zu machen.1123) Entscheidend müsse vor diesem Hintergrund einzig und allein sein, ob der Schuldner überhaupt Unterhalt leiste.1124) Eine Reduzierung der in § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO genannten Pauschalbeträge auf den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbetrag zieht der BGH allenfalls dann in Betracht, wenn sich die Inanspruchnahme der Freibeträge durch den Schuldner als unbillig erweisen würde und deshalb die Verwirklichung des mit der Einführung von Pauschalbeträgen verfolgten Zwecks ausnahmsweise hinter dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers zurücktritt.1125) Die Grenzen zur Unbilligkeit sind dabei jedoch denkbar hoch. Ein Leisten i. H. v. nur 10 % reicht nach Ansicht des BGH nicht für die Annahme der Unbilligkeit aus. Es müssen vielmehr noch weitere Billigkeitsaspekte hinzutreten, um den gesetzlichen Regelfall zu widerlegen.1126)

429 Im Grundsatz räumt der BGH damit dem Interesse an der einfachen Handhabung des Zwangsvollstreckungsrechts den Vorrang vor den Interessen der Unterhaltsgläubiger ein. Dies mag aus Sicht der am Gericht Tätigen begrüßenswert sein, lässt aber bedenkenswert viel Spielraum für den kreativen unredlichen Schuldner.1127)

bb) Erforderliche Modifikation im Insolvenzrecht 430 Ob diese Grundsätze auch im Insolvenzverfahren gelten, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden.1128) Zweifel daran ergeben sich insbesondere aus dem mit einer ___________ 1120) BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753; 28.3.2007 – VII ZB 94/06 – NJW-RR 2007, 938, 939; 19.5.2004 – Ixa ZB 310/03 – NJW-RR 2004, 1370, 1371 f.; so auch: Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850c Rn. 3; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850c Rn. 5; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 12; Flockenhaus, Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 4; a. A.: AG Bad Schwelbach 30.4.2010 – 8 M 1301/09 – BeckRS 2010, 25916; kritisch auch: Strasser, FamFR 2010, 536. 1121) BGH 28.3.2007 – VII ZB 94/06 – NJW-RR 2007, 938, 939; dazu: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.247. 1122) BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753, 754. 1123) BGH 28.3.2007 – VII ZB 94/06 – NJW-RR 2007, 938, 939. 1124) BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753, 754. 1125) BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753. 1126) BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753, 754; dazu kritisch: Strasser, FamFR 2010, 536. 1127) So: Strasser, FamFR 2010, 536. 1128) Dafür wohl: Deppe, in: NK-PrivatinsR, § 850c Rn. 6.

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D. Laufender Unterhalt

entsprechenden Geltung einhergehenden Missbrauchspotential.1129) Gegen eine entsprechende Anwendbarkeit sprechen sowohl systematische als auch teleologische Argumente. In systematischer Hinsicht ist zunächst zu bedenken, dass die Bestimmungen der 431 ZPO nach dem Rechtsgedanken des § 4 InsO auf das Insolvenzverfahren nur übertragen werden, wenn und soweit dies mit der Natur des Insolvenzverfahrens zu vereinbaren ist.1130) Das Vermögen des Schuldners unterliegt ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Höhe des geltenden Pfändungsfreibetrags dem Insolvenzbeschlag (vgl. § 36 Abs. 1 InsO).1131) Dem Schuldner ist insoweit die Verfügungsbefugnis entzogen (vgl. § 80 Abs. 1 InsO). Profitiert der Schuldner nunmehr bereits bei minimalem Einsatz von den erhöhten 432 Pfändungsfreibeträgen, werden diese Wertungen umgangen. Für den unredlichen Schuldner besteht dann die Möglichkeit einen Teil des Neuerwerbs – ungeachtet des Insolvenzbeschlags – für sich zu beanspruchen, obwohl er in Höhe dieses Betrags gerade nicht bedürftig ist. Dieses „Schlupfloch“ für den unredlichen Schuldner widerspricht der grundlegenden Idee des Insolvenzrechts, das nur dem redlichen Schuldner zugutekommen soll (vgl. § 1 S. 2 InsO).1132) Schon insoweit ist eine Übertragung der für das Einzelzwangsvollstreckungsrecht geltenden Grundsätze mithin mit der Natur des Insolvenzverfahrens nicht vereinbar. Im Übrigen besteht im Insolvenzrecht auch aus teleologischer Sicht keine Notwen- 433 digkeit für eine derartige Pauschalisierung. Zuzugestehen ist der Lösung des BGH zwar, dass sie den Gerichten eine vereinfachte Handhabung einer Vielzahl von Fällen ermöglicht und damit eine effiziente Vorgehensweise für das Massengeschäft Einzelzwangsvollstreckung darstellt. Im Insolvenzrecht bedarf es dieser Vereinfachung aber gerade nicht. Das Insolvenzgericht bestellt für jeden Einzelfall einen Insolvenzverwalter, dem es zuzumuten ist, das Bestehen von Unterhaltsverpflichtungen gesondert zu überprüfen.1133) Der Schuldner ist gem. der allgemeinen Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren nach § 97 InsO dazu verpflichtet, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen, sodass die Ermittlung der bestehenden Unterhaltsverpflichtungen insoweit auch nur bei völlig destruktiven Schuldnern zu Schwierigkeiten führen dürfte.1134) Von der insolvenzrechtlichen Praxis ist Augenmaß zu fordern. Die Rechtspfleger sollten den Insolvenzverwalter dazu anhalten, zu überprüfen, ob der Schuldner die Unterhaltsleistungen in voller Höhe erbracht ___________ Siehe dazu: Lissner, ZVI 2017, 9, 14. Vgl. Lüdtke, in: PrivatinsRK, § 4 Rn. 14. Zum Insolvenzbeschlag: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 6. Vgl.: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 51 ff. So auch: Lissner, ZVI 2017, 9, 14 mit Verweis auf das LG Passau, das insoweit einen Weg über § 766 ZPO verfolgt. 1134) Lissner, ZVI 2017, 9, 14.

1129) 1130) 1131) 1132) 1133)

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

hat, bevor die Erhöhung der Pfändungsfreibeträge erfolgt. Ergibt diese Prüfung, dass der Schuldner seinen Unterhaltsverpflichtungen nur zum Teil nachkommt, dürfen die Pfändungsfreibeträge in der Folge auch nur um diesen Teil erhöht werden.1135) Die zum Massengeschäft der Einzelzwangsvollstreckung getätigten Überlegungen zu einer vereinfachten Handhabung durch Pauschalisierungen greifen im Insolvenzverfahren aber jedenfalls nicht.

cc) Zwischenergebnis 434 Im Insolvenzrecht muss der Schuldner nach der hier vertretenen Auffassung also vollumfänglich tatsächlich Unterhalt leisten, um in den Genuss der erhöhten Pfändungsfreibeträge zu kommen. Die insoweit ergangene Rechtsprechung des BGH zur Einzelzwangsvollstreckung ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht auf das Insolvenzrecht übertragbar. Stellt der Insolvenzverwalter fest, dass der Schuldner seine Unterhaltspflichten nicht in vollem Ausmaß erfüllt, sollte er den Arbeitgeber darauf hinweisen und den Anspruch auf entsprechend höhere pfändbare Gehaltsanteile geltend machen.1136) Es kann insoweit auch ein klarstellender Beschluss des Insolvenzgerichts eingefordert werden.1137)

c)

Berücksichtigung eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten

435 Die Gewährung einer höheren Grundsicherung bei Bestehen von Unterhaltsverpflichtungen führt zu unbilligen Ergebnissen, wenn der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte hat, die seinen finanziellen Grundbedarf bereits hinreichend sichern. Dies gilt auch und gerade im Insolvenzrecht, in dem der Neuerwerb im Grundsatz massezugehörig ist und damit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dient. Hat der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte, muss dies zu einer Verringerung des an den Schuldner gewährten erhöhten Freibetrags führen.1138) Das Gesetz regelt nicht, ab welcher Höhe dies der Fall ist.1139) Entscheidend ist daher immer der Einzelfall.1140) Eine Anrechnung scheidet jedenfalls aus, wenn die Einkünfte nur unbedeutend sind.1141) Befristete oder einmalige Einkünfte sind zeitlich begrenzt zu berücksichtigen.1142) ___________ 1135) Dafür auch: Lissner, ZVI 2017, 9, 14. 1136) Deppe, in: NK-PrivatinsR, § 850c Rn. 10. 1137) Vgl. BGH 28.9.2017 – VII ZB 14/16 – NJW 2017, 3591; Deppe, in: NK-PrivatinsR, § 850c Rn. 10. 1138) Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.249. 1139) RegE v. 28.6.1977, BT-Drs. 8/693, 48; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 12. 1140) BGH 4.10.2005 – VII ZB 24/05 – NJW-RR 2006, 568; 5.4.2005 – VII ZB 28/05 – NJW-RR 2005, 1239. 1141) Etwa: BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 298. 1142) Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 11.

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D. Laufender Unterhalt

Ein Vollstreckungsgläubiger hat in der Einzelzwangsvollstreckung gem. § 850c Abs. 4 436 ZPO die Möglichkeit, die Bestimmung der Anrechnung eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Einkommens des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht zu beantragen.1143) Anstelle des Gläubigers ist im Insolvenzrecht der Insolvenzverwalter antragsberechtigt (vgl. § 36 Abs. 4 S. 2 InsO).1144) Er muss sich an das Insolvenzgericht wenden, das insoweit zuständig ist (vgl. § 36 Abs. 4 S. 2 InsO).1145) Im Verfahren ergeben sich so häufig erstmalig pfändbare Beträge für die Insolvenzmasse.1146) Ggf. ist der Insolvenzverwalter daher auch zur Stellung eines entsprechenden Antrags verpflichtet.1147) Die Wirkung der Nichtberücksichtigung tritt mit Beschluss und ohne Rückwirkung ein.1148) Denkbar sind aber auch Vereinbarungen zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner.1149)

aa) Einkunftsarten Als eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten in diesem Sinne gelten alle Ein- 437 nahmen, die er fortlaufend1150) aus unselbstständiger oder selbstständiger Arbeit in Ausbildung und Beruf, aber auch aus Renten, Pensionen, Zinserträgen, Mieteinnahmen oder anderweitigen regelmäßigen Zuwendungen bezieht.1151) Sozialhilfeansprüche sind nicht erfasst.1152) Auf einzelne Einkunftsarten soll im Folgenden kurz gesondert eingegangen werden. Bar- oder Naturalunterhalt durch den anderen Elternteil Nach ständiger Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur 438 verringert Geld, welches der Unterhaltsberechtigte von dritter Seite, also etwa von seinem anderen Elternteil erhält, seinen Bedarf und ist daher im Rahmen des § 850c

___________ 1143) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 20; für ein Formulierungsbeispiel siehe: Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 98. 1144) Siehe auch: Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Rn. 97. 1145) BGH 21.2.2008 – IX ZR 202/06 – NZI 2008, 384, 385; siehe auch: Smid, in: Rattunde/ Smid/Zeuner, InsO, § 36 Rn. 23; ders., in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 39. 1146) Mäusezahl, ZVI 2005, 165. 1147) Smid, in: MüKO-ZPO, § 850c Rn. 20. 1148) Lissner, ZVI 2017, 9, 13. 1149) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 34; Kuleisa, ZVI 2018, 219, 222 f. 1150) Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850c Rn. 8a. 1151) Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 11; eingehend: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.260 ff.; Kuleisa, ZVI 2018, 219, 221 f.; Lissner, ZVI 2017, 9, 12. 1152) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 22; Lissner, ZVI 2017, 9, 12.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Abs. 4 ZPO als eigene Einkunftsart zu berücksichtigen.1153) Vor diesem Hintergrund ist auch der von dem anderen Unterhaltsverpflichteten gezahlte Barunterhalt zu den eigenen Einkünften i. S. d. § 850c Abs. 4 ZPO des Unterhaltsberechtigten zu zählen.1154) Soweit aufgrund der Zweckbestimmung der Unterhaltsleistung das Gegenteil vertreten wird, lässt dies die gesetzgeberischen Wertungen im Einzelzwangsvollstreckungsrecht unberücksichtigt und verkennt die mit der Regelung verfolgte Zwecksetzung.1155) Zweck des § 850c Abs. 4 ZPO ist die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Ansprüchen des Schuldners und denen des Unterhaltsberechtigten. Auf eine irgendwie geartete Sonderbehandlung des Unterhaltsgläubigers kommt es dabei nicht an.1156) Vielmehr gilt, dass der Vollstreckungsgläubiger gegenüber dem Unterhaltsgläubiger nicht schlechter gestellt werden darf als gegenüber dem Vollstreckungsschuldner selbst.1157) Einkünfte des Unterhaltsberechtigten müssen daher insoweit angerechnet werden, wie sie als Ansprüche des Schuldners auch pfändbar sind.1158) Unterhaltsansprüche, die vorbehaltlich des § 850b Abs. 2 ZPO nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO pfändbar sind, müssen daher als Einkünfte i. S. d. § 850c Abs. 4 ZPO angesehen werden.1159) Dasselbe gilt für den durch einen anderen Unterhaltsverpflichteten gewährten Naturalunterhalt.1160) Die Zuwendungen, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur geleistet werden, etwa unentgeltliches Wohnen oder freie Kost, gehören ebenso wie der Barunterhalt zum gesamten Lebensbedarf und mindern daher gleichsam die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners.1161) Vor diesem Hintergrund müssen solche Zuwendungen im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO auch Berücksichtigung finden.1162) ___________ 1153) BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 298; 16.4.2015 – IX ZB 41/14 – NZI 2015, 561, 562; 7.5.2009 – IX ZB 211/08 – NJW-RR 2009, 1279; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850c Rn. 12; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850c Rn. 8a; Flockenhaus, in: Musielak/ Voit, ZPO, § 850c Rn. 11; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 21. 1154) BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 298; 16.4.2015 – IX ZB 41/14 – NZI 2015, 561, 562; 7.5.2009 – IX ZB 211/08 – NJW-RR 2009, 1279, 1280; LG Hildesheim 18.10.2018 – 5 T 97/18 – NZI 2019, 44, 45; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 21; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 11; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.262; ebenfalls zustimmend: Kuleisa, ZVI 2018, 219, 222; Lissner, ZVI 2017, 9, 12 f.; Ahrens, NZI 2009, 423, 424. 1155) Ahrens, NZI 2009, 423, 424. 1156) Ahrens, NZI 2009, 423, 424. 1157) Ahrens, NZI 2009, 423, 424. 1158) Ahrens, NZI 2009, 423, 424. 1159) Ahrens, NZI 2009, 423, 424. 1160) BGH 16.4.2015 – IX ZB 41/14 – NZI 2015, 561, 562; LG Hildesheim 18.10.2018 – 5 T 97/18 – BeckRS 2018, 29877; LG Leipzig 11.2.2015 – 7 T 841/14 – BeckRS 2015, 10554; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 11; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 21; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.262; Lissner, ZVI 2017, 9, 12 f.; Ahrens, NZI 2009, 423, 424; Bäuerle, FD-InsR 2020, 426214. 1161) BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 298; Bäuerle, FD-InsR 2020, 426214. 1162) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 21.

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D. Laufender Unterhalt

Betreuungsleistungen Nach jüngster höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Betreuungs- 439 leistungen eines nicht barunterhaltspflichtigen Elternteils in Form von Versorgung, Erziehung, persönlicher Zuwendung und Haushaltsführung nicht um eigene Einkünfte des unterhaltsberechtigten Kindes i. S. d. § 850c Abs. 4 ZPO.1163) § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB setzt die Betreuungsleistungen des einen Elternteils und Barleistungen des anderen Elternteils zwar monetär gleich.1164) Dies trägt aber ausschließlich der Tatsache Rechnung, dass andernfalls eine Bewertung des Betreuungsaufwands vollständig unzulänglich bliebe.1165) Die Barunterhaltspflicht des anderen Elternteils soll dadurch nicht geschmälert werden.1166) Der Elternteil, der sein minderjähriges Kind nicht betreut, hat aus seinem Arbeitseinkommen trotz der Betreuung des anderen Elternteils weiterhin den vollen Barbedarf des Kindes aufzubringen. Eine Anrechnung von Betreuungsleistungen im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO wäre vor diesem Hintergrund verfehlt. Kindergeld Das Kindergeld stellt nach gefestigter Rechtsprechung kein Einkommen i. S. d. 440 § 850c Abs. 4 ZPO dar, sondern dient dem Ausgleich der aus dem Familienunterhalt folgenden Belastungen.1167) Der Gesetzgeber hat den den Kindern insoweit zufließenden Betrag bereits bei der Bemessung des pauschalisierten pfändungsfreien Betrags in der Tabelle zu § 850c Abs. 1 ZPO Rechnung getragen.1168) Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des BGH auch nicht aus der Neuregelung des § 1612b BGB, in dessen Rahmen das Kindergeld als unterhaltsrechtliches Einkommen des Kindes behandelt wird.1169) Das Kindergeld werde weiterhin bei der Bemessung des pauschalisierten pfändungsfreien Betrags berücksichtigt. Würde es daneben auch im Rahmen des § 36 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 850c Abs. 4 ZPO angerechnet werden, ___________ 1163) BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297; dazu: Henning, ZVI 2020, 451, 452 f.; Bäuerle, FD-InsR 2020, 426214; a. A. noch: BGH 16.4.2015 – IX ZB 41/14 – NZI 2015, 561. 1164) So auch: BGH 30.8.2006 – XII ZR 138/04 – FamRZ 2006, 1597, 1598 f. 1165) Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1606 Rn. 37 f.; Bäuerle, FD-InsR 2020, 426214. 1166) Vgl. Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1606 Rn. 40; Pauling/Maier, in: Schulz/Hauß, FamR, § 1606 Rn. 4. 1167) BGH 9.7.2020 – IX ZV 38/19 – ZVI 2020, 345; 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 298; 4.10.2005 – VII ZB 24/05 – NJW-RR 2006, 568; LG Hechingen 3.6.2011 – 3 T 23/11 – BeckRS 2012, 2196; ebenso: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 22; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850c Rn. 12; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850c Rn. 8a; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 11; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.262; Lissner, ZVI 2017, 9, 12; Kuleisa, ZVI 2018, 219, 222; a. A.: LG Arnsberg 4.8.2013 – 6 T 237/09 – FamRZ 2014, 874. 1168) BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 298 f.; 4.10.2005 – VII ZB 24/05 – NJW-RR 2006, 568; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 22. 1169) So aber: LG Arnsberg 4.8.2013 – 6 T 23//09 – BeckRS 2013, 20909.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

wäre die Zielsetzung des Gesetzes, mithilfe des Kindergelds das Existenzminimum des Kindes zu sichern, beeinträchtigt.1170) Soweit der BGH in früheren Entscheidungen entschieden hat, dass § 850c Abs. 4 ZPO „alle Arten“ von Einkünften erfasst,1171) ist dies mehr qualifizierend als generalisierend zu verstehen.1172)

441 Im Übrigen ist das Kindergeld in der Regel auch als so unbedeutend anzusehen, dass es schon aus diesem Grund im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO unberücksichtigt bleibt.1173) Dies gilt vor allem, wenn das Kind keine weiteren eigenen Einkünfte hat.1174) BAföG und anderweitige Sozialleistungen

442 Ferner ist fraglich, ob eine Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) als eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen ist.1175) Zum Teil wird vertreten, dass die Ausbildungsförderung dazu führt, dass der Unterhaltsberechtigte seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann.1176) Daher müsse sie auch zu einer Verringerung des Unterhaltsbedarfs des Kindes gegenüber seinen Eltern führen und im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO berücksichtigt werden.1177) Dem kann indes nicht gefolgt werden.1178) Die Ausbildungsförderung ist bei dem Unterhaltsberechtigten selbst wegen §§ 850a, 850b ZPO unpfändbar.1179) Diese Wertung darf im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO nicht umgangen werden.1180) Dies deckt sich auch mit den Erwägungen im Rahmen der Ausführungen zum Bar- und Naturalunterhalt, nach denen Unterhaltsansprüche nur insoweit angerechnet werden müssen, wie sie als Ansprüche des Schuldners auch pfändbar sind.1181) Zwar darf der Vollstreckungsgläubiger gegenüber dem Unterhaltsgläubiger nicht schlechter gestellt werden als gegenüber dem Vollstreckungs___________ 1170) 1171) 1172) 1173) 1174) 1175) 1176) 1177) 1178) 1179) 1180) 1181)

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BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 299. So etwa in: BGH 7.5.2009 – IX ZB 211/08 – NZI 2009, 443, 444. Ahrens, NZI 2009, 423, 424. BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 299; vgl. Flockenhaus, in: Musielak/ Voit, ZPO, § 850c Rn. 11; RegE v. 28.6.1977, BT-Drs. 8/693, 49. BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020, 297, 299. Bejahend: LG Hildesheim 18.10.2018 – 5 T 97/18 – NZI 2019, 44, 47; LG Arnsberg 4.8.2013 – 6 T 237/09 – FamRZ 2014, 874. LG Hildesheim 18.10.2018 – 5 T 97/18 – NZI 2019, 44, 47. LG Hildesheim 18.10.2018 – 5 T 97/18 – NZI 2019, 44, 47; LG Arnsberg 4.8.2013 – 6 T 237/09 – FamRZ 2014, 874. So im Ergebnis auch: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.262. Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 22; Lissner, ZVI 2017, 9, 12; Unpfändbarkeit der Ausbildungsförderung nach dem BAföG: Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850a Rn. 8. Der BGH ließ diese Frage jüngst ausdrücklich offen, vgl. BGH 19.12.2019 – IX ZB 83/18 – NJW-RR 2020 297, 299; dazu auch: Bäuerle, FD-InsR 2020, 426214. Vgl. Ahrens, NZI 2009, 423, 424.

D. Laufender Unterhalt

schuldner selbst.1182) Eine Besserstellung ist aber ebenso wenig geboten. Dasselbe gilt auch für Erziehungsgeld1183) sowie Eltern- und Betreuungsgeld bis zur Höhe der nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge (vgl. § 54 Abs. 3 Nr. 1 SGB I).1184)

bb) Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts des Unterhaltsberechtigten Lange Zeit war umstritten, wie die Absenkung des erhöhten Freibetrags zu berechnen 443 ist.1185) Eine Ansicht favorisierte zur Bestimmung dessen die Orientierung an dem sich aus der Pfändungstabelle ergebenden Freibetrag,1186) eine andere ermittelte den weitergehend pfändbaren Betrag ausgehend vom Sozialhilfebedarf des Unterhaltsberechtigten.1187) Nach einer dritten Ansicht war der Bedarf des Unterhaltsberechtigten nach unterhaltsrechtlichen Richtlinien, wie etwa der Düsseldorfer Tabelle, zu ermitteln.1188) Durchgesetzt hat sich mit der Entscheidung des BGH vom 21. Dezember 20041189) letztlich eine Ansicht, die jedwede schematisierte Berechnung mit festen Berechnungsgrößen als unzulässig erachtet.1190) § 850c Abs. 4 ZPO normiere eine reine Ermessensentscheidung, an der es grundsätzlich fehle, wenn sich das Gericht auf rein rechnerische Methoden berufe.1191) Dabei könnten Pfändungsfreibeträge und Unterhaltstabellen zwar Anhaltspunkte für die Ausübung des Ermessens geben.1192) Eine bloß einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsmodellen scheide jedoch aus, weil sie dem Sinn des § 850c Abs. 4 ZPO widerspreche.1193) Die Anrechnung der eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten kann in der 444 Folge nicht pauschal erfolgen, sondern muss vom zuständigen Insolvenzgericht im ___________ 1182) Vgl. Ahrens, NZI 2009, 423, 424. 1183) Lissner, ZVI 2017, 9, 12 m. w. N. 1184) LG Konstanz 2.6.2000 – 6 T 71/00 – Rpfleger 2000, 507; Ahrens, NZI 2009, 423, 424; a. A.: LG Heilbronn 30.4.2003 – 1b T 122/03 – JurBüro 2003, 660; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.262. 1185) Vgl. instruktiv zu den einzelnen Ansichten: Mäusezahl, ZVI 2005, 165, 166. 1186) Etwa: LG Darmstadt 5.5.2002 – 5 T 82/02 – ZVI 2002, 116. 1187) So etwa: LG Bielefeld 25.1.2000 – 25 T 930/99AG – BeckRS 2000, 31335093. 1188) LG München II 5.6.2001 – 6 T 2726/01 – JurBüro 2001, 657 f.; LG Kiel 8.11.1994 – 13 T 218/94 – JurBüro 1995, 384. 1189) BGH 21.12.2004 – IXa ZB 142/04 – ZVI 2005, 194; siehe auch: Mäusezahl, ZVI 2005, 165, 166. 1190) So bereits zuvor: LG Rostock 19.2.2003 – 2 T 43/03 – NJOZ 2003, 865. 1191) BGH 21.12.2004 – IXa ZB 142/04 – ZVI 2005, 194, 196; nunmehr ebenso: BGH 3.11.2011 – IX ZR 45/11 – NJW 2012, 393, 394; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850c Rn. 15. 1192) So auch: Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850c Rn. 9; Lissner, ZVI 2017, 9, 12 f. 1193) Grundlegend: BGH 21.12.2004 – IXa ZB 142/04 – ZVI 2005, 194, 196; ebenso: BGH 3.11.2011 – IX ZR 45/11 – NJW 2012, 393, 394; 7.5.2009 – IX ZB 211/08 – NJW-RR 2009, 1279.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

Rahmen einer Billigkeitsprüfung vorgenommen werden.1194) Im Rahmen dieser muss die wirtschaftliche Lage des Unterhaltsberechtigten in Relation zur Leistungspflicht des Schuldners gesetzt werden.1195) Die Nichtberücksichtigung darf dabei nicht dazu führen, dass die Angehörigen die Schulden des Schuldners in Form einer „Sippenhaft“ – wenn auch nur mittelbar – mittilgen müssen.1196) Dies gilt auch und gerade im Insolvenzverfahren. Die Lasten des Verfahrens dürfen nicht auf die Schultern der Unterhaltsberechtigten verteilt werden, wenn doch die Wirkung der Restschuldbefreiung – entgegen erster Tendenzen im ursprünglichen Gesetzgebungsprozess1197) – auch nur dem Schuldner selbst und nicht auch dem mithaftenden Ehegatten bzw. den mithaftenden Kindern zugutekommen. Entscheidend sind daher auch im Insolvenzrecht immer die konkreten (finanziellen) Gegebenheiten im Einzelfall.

d) Zusammenfassung 445 Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass den Interessen der Familie des Schuldners – und damit auch den Interessen der Unterhaltsneugläubiger – im Rahmen des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO im Grundsatz Rechnung getragen wird. Die entsprechende Geltung des § 850c ZPO ist daher zu befürworten. Der Insolvenzschuldner ist ebenso wie der Zwangsvollstreckungsschuldner in Höhe der normierten Pfändungsfreibeträge bedürftig. Es besteht ein höherer Bedarf, wenn gesetzliche Unterhaltsansprüche existieren. Die Pfändungsfreibeträge sind dann entsprechend zu erhöhen. Ist der Unterhaltsberechtigte wirtschaftlich abgesichert, sind seine eigenen Einkünfte in entsprechender Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO in Abzug zu bringen.

446 Im Hinblick auf die Notwendigkeit des tatsächlichen Leistens auf die Unterhaltsschuld, sind nach der hier vertretenen Auffassung die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Die Pfändungsfreibeträge sollten im Insolvenzverfahren nur dann erhöht werden, wenn der Schuldner auch tatsächlich in vollem Umfang auf die Unterhaltsschuld leistet. Die insoweit ergangene Rechtsprechung im Einzelzwangsvollstreckungsrecht sollte an dieser Stelle nicht auf das Insolvenzrecht übertragen werden.

447 Problematisch bleibt, dass die Unterhaltsneugläubiger auf die Zahlungswilligkeit des Schuldners angewiesen sind. Damit gehen ein großes Missbrauchspotential sowie die ungerechtfertigte Benachteiligung nicht intakter Familien einher. In intakten Familien, die regelmäßig auch in einem Hausstand mit dem insolventen Schuldner leben, profitieren die Unterhaltsgläubiger unmittelbar von den Zahlungen an den ___________ 1194) Vgl. etwa: BGH 3.11.2011 – IX ZR 45/11 – NJW 2012, 393, 394; Lissner, ZVI 2017, 9, 12 f.; zum Einzelzwangsvollstreckungsrecht: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.265 ff. 1195) Im Einzelnen: Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850c Rn. 12; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 23 f.; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850c Rn. 9; Lissner, ZVI 2017, 9, 13. 1196) So: Lissner, ZVI 2017, 9, 13. 1197) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 258.

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D. Laufender Unterhalt

Schuldner. Ist das Verhältnis dagegen zerrüttet, gehen die Unterhaltsgläubiger leer aus, wenn der Schuldner sich dazu entschließt, auf die Befriedigung der gegen ihn bestehenden Unterhaltsforderungen zu verzichten. Obgleich die Vorschrift die Unterhaltsgläubiger des Schuldners zwar im Grundsatz berücksichtigt, schützt sie diese vor Zahlungsunwilligkeit nicht. Dass es zahlungsunwillige Unterhaltsschuldner in der Realität aber durchaus gibt, wird nicht nur durch die Existenz des UVG belegt, sondern zeigen auch Berichte aus der insolvenzrechtlichen Praxis.1198) Vereinzelt wird sogar von Internetforen berichtet, in denen sich zur Unterhaltsleistung verpflichtete Väter austauschen und die Nichtleistung zu „so etwas wie einen Volkssport“ machen.1199)

2.

Änderungen des unpfändbaren Betrags nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850f Abs. 1 ZPO

§ 850f Abs. 1 ZPO trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei den Pfändungs- 448 freigrenzen des § 850c ZPO um nur pauschalisierte Regelsätze handelt. Da diese keine Berücksichtigung des Einzelfalls ermöglichen, bedarf es zur Sicherung des Existenzminimums einer Korrekturmöglichkeit des Vollstreckungsgerichts.1200) § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850f Abs. 1 ZPO ermöglicht vor diesem Hintergrund, den unter Berücksichtigung des § 850c ZPO pfändbaren Betrag bei Bedarf auf Antrag des Schuldners zu erhöhen.1201) Voraussetzung dafür ist, dass dieses Bedürfnis konkret und aktuell vorliegt und außergewöhnlich in dem Sinne ist, dass es bei den meisten Personen in vergleichbarer Lage nicht auftritt.1202)

a) Antragsberechtigung Der Änderung des unpfändbaren Freibetrags geht gem. Absatz 1 ein Antrag vo- 449 raus.1203) Antragsberechtigt sind der Schuldner, der betroffene Unterhaltsberechtigte, dem der zusätzliche Freibetrag zugutekäme,1204) sowie der Insolvenzverwalter (vgl. § 36 Abs. 4 S. 2 InsO). Die Zahlung findet – wie im Rahmen des § 850c ZPO – stets zu Händen des Schuldners statt. ___________ 1198) Vgl. A. Schmidt, ZVI 2020, 1. 1199) A. Schmidt, ZVI 2020, 1, 2. 1200) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850f Rn. 1; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 805; eingehend zur Berechnung der Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.419 ff. 1201) Einzelheiten zur Bemessung des Freibetrags: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.440 ff.; kritisch zur Anwendbarkeit der Vorschrift im Insolvenzrecht: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 43 ff. 1202) BGH 23.4.2009 – IX ZB 35/08 – NJW 2009, 2313, 2314; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850f Rn. 4. 1203) Vgl. für ein Formulierungsbeispiel: Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 117; eingehend zum Verfahren in der Einzelzwangsvollstreckung: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.443 ff. 1204) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850f Rn. 2.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

b) Abwägung durch das Insolvenzgericht 450 Zuständiges Gericht ist im Insolvenzverfahren das Insolvenzgericht (vgl. § 36 Abs. 4 S. 1 InsO).1205) Dieses hat im Rahmen einer Abwägung festzustellen, dass dem Schuldner aufgrund der Mehrbelastungen ein überdurchschnittlicher Nachteil dergestalt erwächst, dass ihm die Gefahr der Sozialhilfebedürftigkeit droht, und diese Mehrbelastungen die Gläubigerinteressen überwiegen.1206) Es bedarf eines objektivierbaren Bedürfnisses des Schuldners, auf das billigerweise bei der Vollstreckung oder der Durchführung des Insolvenzverfahrens Rücksicht zu nehmen ist.1207) Im Insolvenzrecht kann es im Rahmen der Abwägung auf Seiten der Gläubiger nur auf die Belange der Gläubigergesamtheit ankommen.1208)

c)

Mehrbedarf

451 Im Übrigen bedarf es des Vorliegens eines Mehrbedarfs i. S. d. lit. a-c ZPO. Der Schuldner muss demnach überprüfbar nachweisen,1209) dass sein notwendiger Lebensunterhalt bzw. der notwendige Lebensunterhalt der Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen nicht gedeckt ist (lit. a), besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen (lit. b) oder der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten (lit. c), eine Erhöhung des Freibetrags erfordern.

452 Zu den persönlichen Gründen i. S. d. lit. b können etwa Krankheit,1210) Invalidität1211) sowie Aufwendungen für eine notwendige Pflegekraft zählen.1212) Besondere ärztliche Therapien bzw. Heilbehandlungen, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, rechtfertigen allerdings regelmäßig keine Erhöhung.1213) Im beruflichen Umfeld kann sich ein Mehrbedarf aus ungewöhnlich hohen Fahrt___________ 1205) Dazu: Smid, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 36 Rn. 23; zur Rechtslage vor Einführung des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO: Grote, Einkommensverwertung und Existenzminimum, 89 f.; Mäusezahl, ZInsO 2000, 193; Steder, ZIP 1999, 1874, 1879 ff. 1206) Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 111. 1207) Vgl. BGH 23.4.2009 – IX ZB 35/08 – NJW 2009, 2313, 2314. 1208) Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 111; vgl. zu § 850i ZPO: Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362. 1209) Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850f Rn. 3. 1210) Z. B. Mehraufwendungen für Ernährung bei Zuckererkrankungen: LG Krefeld 16.8.1971 – 4 T 146/71 – MDR 1972, 152. 1211) Zur Verletztenrente als unterhaltsrelevantes Einkommen: BGH 20.1.1982 – Ivb ZR 647/80 – NJW 1982, 1593. 1212) Instruktiv: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.434. 1213) BGH 21.12.2017 – IX ZB 18/17 – NZI 2018, 218, 220; 23.4.2009 – IX ZB 35/08 – NJW 2009, 2313, 2315; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850f Rn. 4; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.434.

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D. Laufender Unterhalt

kosten zur Arbeitsstätte1214) oder Kosten für Arbeitskleidung bzw. anderweitige praxisbedingte Aufwendungen Selbstständiger ergeben.1215) Der Umfang der Unterhaltsverpflichtungen kann nach lit. c zu einem Mehrbedarf führen, wenn der Schuldner mehr als fünf Unterhaltsberechtigte hat1216) oder besondere notwendige Kosten für ärztliche Heilbehandlungen1217) bzw. die schulische Ausbildung1218) entstanden sind.1219)

d) Mehrbedarf bei faktischen Unterhaltspflichten in sozialrechtlicher Bedarfsgemeinschaft? Denkbar sind Konstellationen, in denen der Schuldner in einer sog. sozialrechtlichen 453 Bedarfsgemeinschaft lebt, die faktisch dazu führt, dass Personen, denen der Schuldner nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, auf seinen sozialrechtlichen Bedarf anzurechnen sind bzw. dass er für diese Personen einzustehen hat. Mangels Bestehens von gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen führen diese faktischen Unterhaltsverpflichtungen nicht zur Erhöhung des unpfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 1 ZPO. Umstritten war bislang, ob in diesen Fällen ein „Mehrbedarf“ i. S. d. § 850f Abs. 1 lit. a ZPO (analog) besteht.1220) Mit dem Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG) vom 22. November 2020,1221) hat der Gesetzgeber dies nun zu Unrecht verneint. Im Einzelnen:

aa) Der Begriff der sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft Die sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft ist im Ausgangspunkt als Einstands- und 454 Verantwortungsgemeinschaft zu verstehen.1222) Bei Vorliegen bestimmter typisierter, familiär geprägter Lebensumstände schließt der Gesetzgeber auf Haushaltseinsparungen und Unterstützungsleistungen innerhalb der Gemeinschaft, die die Gewährung staatlicher Hilfe in Form von Sozialhilfe in nur eingeschränktem Umfang gerecht___________ 1214) LG Mühlhausen 3.4.2016 – 1 T 37/16 – VuR 2016, 357; LG Hechingen 3.6.2011 – 3 T 23/11 – FamRZ 2012, 150; siehe auch: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.435. 1215) Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.435; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850f Rn. 5. 1216) Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850f Rn. 6. 1217) Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.435; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850f Rn. 6; bei kieferorthopädischer Behandlung: OLG Stuttgart 29.8.1980 – 3 WF 190/80 – FamRZ 1981, 76. 1218) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850f Rn. 6; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.438; zu diesen zählen nach OLG Karlsruhe 18.6.1991 – 2 A WF 26/91 – FamRZ 1991, 1349 nicht die Konfirmationskosten; a. A.: OLG Hamm 13.3.1991 – 5 WF 75/91 – FamRZ 1991, 1352. 1219) Eingehend: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.434 ff. 1220) Dazu: A. Schmidt, ZVI 2018, 1; Lackmann, ZVI 2017, 409. 1221) BGBl. I 2020, 2466; vgl. auch: RegE v. 10.6.2020, BT-Drs. 19/19850. 1222) BSG 14.3.2012 – B 14 AS 17/11 R – BeckRS 2012, 71100; Fasselt, in: Gesamtkommentar SRB, § 7 SGB II Rn. 32.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

fertigt erscheinen lassen.1223) Besteht zwischen mehreren Personen eine Bedarfsgemeinschaft im sozialrechtlichen Sinne, kann dies mithin Auswirkungen auf den individuellen Leistungsanspruch des Einzelnen nach dem SGB II haben. Auswirkungen ergeben sich insbesondere in Bezug auf den Regelbedarf, den anzuerkennenden Bedürfnissen nach einer Unterkunft und Heizung sowie der Anrechnung von Einkommen und Vermögen. In den Bescheiden nach dem SGB II werden alle Personen der Bedarfsgemeinschaft zusammengefasst.1224)

455 Zur Bestimmung der Bedarfsgemeinschaft stellen die sozialrechtlichen Bestimmungen vor allem auf die Wohngemeinschaft ab.1225) Der Begriff ist in § 7 Abs. 3 SGB II legaldefiniert. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören demnach etwa der nicht dauernd getrenntlebende Ehepartner bzw. eingetragene Lebenspartner, dem Haushalt angehörende, unverheiratete Kinder unter 25 Jahren oder die Eltern eines unverheirateten, erwerbsfähigen, unter 25-jährigen Kindes, wenn sie in einem Haushalt zusammenleben.1226) Bedeutung erlangt diese Fallkonstellation mithin insbesondere in sog. Patchwork-Familien.1227)

bb) Rechtslage vor Erlass des PKoFoG 456 In Literatur und Rechtsprechung war die Behandlung einer solchen Bedarfsgemeinschaft im Rahmen des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO schon vor Erlass des PKoFoG umstritten.

(1) Meinungsstreit 457 Einige Stimmen waren der Auffassung, dass Personen, die in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft mit dem Schuldner leben, im Rahmen des § 850f Abs. 1 ZPO als unterhaltsberechtigte Personen berücksichtigt werden sollten.1228) Dies ergebe

___________ 1223) 1224) 1225) 1226) 1227) 1228)

168

BSG 14.3.2012 – B 14 AS 17/11 R – BeckRS 2012, 71100. Conradis, in: Schulz/Hauß, FamR, Schwerpunktbeitrag 6, Rn. 101. Lissner, ZVI 2017, 9, 11. Vgl. die Aufzählung bei Lissner, ZVI 2017, 9, 11. A. Schmidt, ZVI 2018, 1. So im Ergebnis: OLG Frankfurt am Main 4.7.2008 – 24 U 146/07 – ZVI 2008, 384, 385; LG Bielefeld 28.1.2020 – 23 T 38/20 – ZVI 2020, 251; LG Hamburg 22.12.2017 – 330 T 71/17 – ZVI 2018, 161; LG Braunschweig 13.12.2016 – 6 T 691/16 – VuR 2017, 395, 396; LG Essen 4.9.2014 – 7 T 285/14 – VuR 2015, 67, 69; AG Dorsten 18.1.2018 – 6 M 045718 – ZVI 2018, 162; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, 7. Aufl. 2019, § 36 Rn. 35; Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 112 ff.; Rein/Zimmermann, ZVI 2020, 330, 332; Rein, ZVI 2018, 129, 130; Lackmann, ZVI 2017, 409, 412 f.; Kluth, VIA 2015, 29; offenlassend: Lissner, ZVI 2017, 9, 12.

D. Laufender Unterhalt

sich aus einer analogen Anwendung der Vorschrift.1229) Die gesetzgeberischen Wertungen des Sozialhilferechts seien bei der Auslegung der Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts zu berücksichtigen.1230) Wenn Sozialleistungen unter Hinweis auf das Einkommen des Partners versagt werden würden, könne sich der Schuldner der finanziellen Belastung nur durch Beendigung der Bedarfsgemeinschaft entziehen.1231) Dies sei ihm auch unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen nicht zuzumuten.1232) Daraus ergebe sich eine planwidrige Regelungslücke für das Zwangsvollstreckungsrecht.1233) Es sei nicht mit den guten Sitten vereinbar, zu vollstrecken, wenn dies dazu führe, dass der Schuldner den Unterhalt für die Bedarfsgemeinschaft nicht aufbringen könne und diese somit gefährde.1234) Dagegen waren andere schon vor Erlass des PKoFoG der Auffassung, dass Personen, 458 die in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft mit dem Schuldner leben, nicht berücksichtigt werden sollten.1235) Unter „Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat“ (Wortlaut des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO a. F.) verstand diese Ansicht schon vor der Gesetzesänderung nur gesetzliche Unterhaltspflichten i. S. v. § 850c ZPO.1236) Begründet wurde dies damit, dass eine faktische Unterhaltspflicht nicht wie eine gesetzliche Unterhaltspflicht zu behandeln sei, weil in § 850f Abs. 1 lit. a ZPO ausdrücklich auf § 850c ZPO Bezug genommen werde und in § 850c Abs. 2 ZPO

___________ 1229) OLG Frankfurt am Main 4.7.2008 – 24 U 146/07 – ZVI 2008, 384, 385; a. A.: LG Essen 4.9.2014 – 7 T 285/14 – VuR 2015, 67, 69, wonach es einer Analogie nicht bedürfe, da § 850f Abs. 1 lit. a ZPO keine gesetzliche Unterhaltspflicht verlange; so auch: Lackmann, ZVI 2017, 409, 412 f. 1230) LG Essen 4.9.2014 – 7 T 285/14 – VuR 2015, 67, 68; Rein, ZVI 2018, 129, 130; Kluth, VIA 2015, 29. 1231) LG Bielefeld 28.1.2020 – 23 T 38/20 – ZVI 2020, 251, 252; LG Hamburg 22.12.2017 – 330 T 71/17 – ZVI 2018, 161. 1232) LG Bielefeld 28.1.2020 – 23 T 38/20 – ZVI 2020, 251, 252; LG Braunschweig 13.12.2016 – 6 T 691/16 – VuR 2017, 395, 396. 1233) LG Braunschweig 13.12.2016 – 6 T 691/16 – VuR 2017, 395, 396; AG Dorsten 18.1.2018 – 6 M 0457-18 – ZVI 2018, 162. 1234) LG Braunschweig 13.12.2016 – 6 T 691/16 – VuR 2017, 395, 396; LG Essen 4.9.2014 – 7 T 285/14 – VuR 2015, 67; Rein, ZVI 2018, 129, 130. 1235) LG Münster 31.1.2017 – 5 T 30/17 – BeckRS 2017, 104663; LG Heilbronn 28.11.2011 – 1 T 327/11 Hn – BeckRS 2011, 139772; LG Mosbach 23.3.2012 – 5 T 31/12 – ZInsO 2012, 799; A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2; Goebel ZVI 2008, 514, 515; Deppe, in: NK-PrivatinsR, § 850f Rn. 8 f.; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850f Rn. 8; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850f Rn. 2b; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850f Rn. 5; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.431. 1236) BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850f Rn. 5; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850f Rn. 8.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

explizit nur von gesetzlichen Unterhaltspflichten die Rede sei.1237) Auch die Systematik der ZPO sprach nach dieser Ansicht gegen eine Berücksichtigung: Als Ausnahmevorschrift sei § 850f ZPO grundsätzlich eng und nicht weit auszulegen.1238) Nur dieses Verständnis werde auch der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsrechts gerecht.1239) Mit der Prüfung faktischer Unterhaltspflichten sei ein erhebliches Maß an Unsicherheit hinsichtlich des Umfangs und der Grenzen der faktischen Unterhaltspflichten verbunden.1240) Stiefkinder müssten beispielsweise je nach Umfang der faktischen Unterhaltspflicht, die beispielsweise auch von dem tatsächlich gelebten Umgang mit dem anderen Elternteil abhängen könnte, berücksichtigt werden.1241) Außerdem wäre eine Berücksichtigung faktischer Unterhaltspflichten abzugrenzen von reinen moralischen Verpflichtungen, was wiederum angesichts der Vielzahl denkbarer Konstellationen kaum leistbar sei.1242)

(2) Die Entscheidung des BGH vom 19. Oktober 2017 459 Auch der BGH hatte sich im Ergebnis gegen die Berücksichtigung der Bedarfsgemeinschaft ausgesprochen.1243) Er war der Auffassung, dass der Gesetzgeber, sofern er faktische Unterhaltsleistungen hätte erfassen wollen, hätte formulieren müssen, dass Personen zu berücksichtigen seien, denen der Schuldner „Unterhalt gewährt“ und nicht denen er „Unterhalt zu gewähren hat“.1244) Etwas anderes ergab sich seiner Ansicht nach insbesondere auch nicht aus einer Gesamtanalogie zu §§ 765a Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 2, 850f Abs. 1 lit. b ZPO.1245) Eine Analogie setze eine Gesetzeslücke i. S. e. planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus, die im konkreten Fall nicht gegeben sei. Der Gesetzgeber habe sich erst vor einigen Jahren mit den in Rede stehenden Vorschriften befasst, insbesondere auch die Regelung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO an die zuvor geänderte Gliederung des in Bezug genommenen SGB XII angepasst, und dennoch die sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft nicht erwähnt. Die Planwidrigkeit der Regelungslücke könne vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden. ___________ 1237) OLG Köln 20.3.2009 – 16 W 2/09 – FamRZ 2009, 1697; LG Münster 31.1.2017 – 5 T 30/17 – BeckRS 2017, 104663; LG Mosbach 23.3.2012 – 5 T 31/12 – ZInsO 2012, 799; LG Heilbronn 28.11.2011 – 1 T 327/11 Hn – BeckRS 2011, 139772; Flockenhaus, in: Musielak/ Voit, ZPO, § 850f Rn. 2b; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850f Rn. 5; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.431. 1238) A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2. 1239) A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2. 1240) A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2. 1241) A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2. 1242) A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2. 1243) BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933. 1244) A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2. 1245) BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933.

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D. Laufender Unterhalt

Unklar blieb, ob der BGH faktische Unterhaltspflichten dann berücksichtigt wissen 460 wollte, wenn die dem Schuldner belassenen Mittel das Existenzminimum unterschreiten. Obwohl der BGH sich insoweit nicht eindeutig positioniert hatte, ließen seine dahingehenden Anmerkungen eine gewisse Tendenz erkennen.1246) Zwar sei es nicht die Aufgabe der Gläubigergemeinschaft, sondern des Staates, das 461 Existenzminimum der mit dem Schuldner zusammenlebenden Personen, gegenüber welchen er nicht unterhaltspflichtig ist, zu sichern.1247) Aus der Garantie der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG ergebe sich aber nicht nur die Verpflichtung des Staates, dem Einzelnen notfalls auch die zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern auch das Gebot, dem Einzelnen das selbst erzielte Einkommen bis zu einem bestimmten Betrag nicht zu entziehen.1248) Dies müsse auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung gelten.1249)

cc) Rechtslage nach Erlass des PKoFoG (1) Neuregelung Mit dem PKoFoG hat der Gesetzgeber auf diesen in Literatur und Rechtsprechung 462 vorherrschenden Streit reagiert. Obgleich der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 15. Mai 2020 dafür plädiert hatte, faktische Unterhaltspflichten zwecks Harmonisierung von Sozial- und Zwangsvollstreckungsrecht und Sicherung des schuldnerischen Existenzminimums in die Regelung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO aufzunehmen,1250) beschränkte der Gesetzgeber den Wortlaut aufgrund einer Stellungnahme des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz1251) und unter Verweis auf die im Gesetzesentwurf in § 902 S. 1 Nr. 5 ZPO-E vorgesehene Regelung auf gesetzliche Unterhaltspflichten.1252)

(2) Kritik Die Neufassung der Norm ist nach der hier vertretenen Auffassung zu kritisieren. 463 Gegen die vom Gesetzgeber vorgenommene Einschränkung in § 850f Abs. 1 lit. a ZPO spricht nicht nur das Gebot der Einheit der Rechtsordnung (a), sondern insbe___________ 1246) 1247) 1248) 1249) 1250) 1251)

BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933 f. BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 934. BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933. BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933. Stellungnahme des BR v. 15.5.2020, BT-Drs. 19/19850, 54. Beschlussempf. und Bericht des Ausschusses für Recht- und Verbraucherschutz v. 7.10.2020, BT-Drs. 19/23171, 10, 30; zu Recht kritisch: Rein, ZVI 2020, 449 f. 1252) Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 19/19850, 56.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

sondere auch das Verfassungsrecht, namentlich Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG (b). Der zunächst in § 902 S. 1 Nr. 5 ZPO-E vorgesehene und in der Gesetzesbegründung zur Einschränkung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO angekündigte Schutzmechanismus wurde im weiteren Gesetzgebungsprozess gestrichen (c).

(a) Gebot der Einheit der Rechtsordnung 464 Die Vorschriften des Sozialhilferechts gehen von einer Einstandspflicht aus, nach der der Schuldner mit seinem Einkommen für die Sicherung des Lebensunterhalts der gesamten Bedarfsgemeinschaft aufkommen muss.1253) Im Rahmen von faktischen Unterhaltsverpflichtungen ist der Schuldner mithin sozialrechtlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet.1254) Dies gilt für den gesamten Zeitraum, in dem die Bedarfsgemeinschaft besteht. Diese gesetzgeberischen Wertentscheidungen im Sozialhilferecht müssen aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung im Zwangsvollstreckungsrecht berücksichtigt werden.1255) Für die Auslegung der Pfändungsvorschriften liefern die insoweit vorgenommenen Wertungen wichtige Anhaltspunkte. Aufgrund ihrer identischen Zielrichtung, namentlich dem Schutz des Existenzminimums, stehen die Pfändungsverbote und die Bestimmungen des Sozialrechts in einer engen Wechselbeziehung zueinander.1256) Im Ergebnis kann es daher keinen Unterschied machen, ob der Schuldner den Unterhalt aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung i. S. d. BGB oder nach einem anderen sozialrechtlichen Gesetz (faktisch) zu leisten hat.1257)

465 Dies erkannte auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum PKoFoG.1258) Darin führte er aus, dass es aus sozial- und familienpolitischer Sicht dringend einer Harmonisierung von Sozial- und Zwangsvollstreckungsrecht bedürfe, da es im Fall von faktischen Unterhaltspflichten andernfalls zu dem widersinnigen Ergebnis komme, dass zur Sicherung des schuldnerischen Existenzminimums staatliche Mittel aufgewendet werden müssen, um eigentlich unpfändbare, zum Existenzminimum gehörende Beträge zu ersetzen.1259)

___________ 1253) Lackmann, ZVI 2017, 409, 410 f. 1254) Lackmann, ZVI 2017, 409, 410 f. 1255) So auch: LG Braunschweig 13.12.2016 – 6 T 691/16 – VuR 2017, 395, 396; LG Essen 4.9.2014 – 7 T 285/14 – VuR 2015, 67, 68; Lackmann, ZVI 2017, 409, 410; Kluth, VIA 2015, 29. 1256) BSG 16.10.2012 – B 14 AS 188/11 R – ZVI 2013, 244, 246; Rein, ZVI 2018, 129, 130. 1257) Rein, ZVI 2018, 129; Lackmann, ZVI 2017, 409, 411. 1258) Stellungnahme des BR, BT-Drs. 19/19850, 49 ff. 1259) Stellungnahme des BR, BT-Drs. 19/19850, 54.

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D. Laufender Unterhalt

(b) Verfassungsrechtliche Bedenken Auch verfassungsrechtliche Überlegungen sprechen entschieden für die Einbeziehung 466 faktischer Unterhaltspflichten in den Anwendungsbereich des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO.1260) Werden faktische Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO nicht berücksichtigt, gefährdet dies nicht nur das verfassungsrechtlich garantierte wirtschaftliche Existenzminimum des Schuldners, sondern geht damit auch eine unangemessene Ungleichbehandlung von Patchwork-Familien einher.1261) Innerhalb solcher kommt es regelmäßig zu der Situation, dass der Schuldner gegenüber den Kindern des Partners mangels Verwandtschaftsverhältnis nicht zur Leistung gesetzlichen Unterhalts verpflichtet ist, die Kinder des Partners aber sehr wohl zu seiner Bedarfsgemeinschaft im sozialrechtlichen Sinne gehören und daher auf seinen sozialrechtlichen Bedarf anzurechnen sind bzw. er für diese einzustehen hat. Der Umstand, dass der Schuldner in einer Patchwork-Familien-Konstellation lebt, kann dann dazu führen, dass sein wirtschaftliches Existenzminimum gefährdet wird. Bestünden gesetzliche Unterhaltspflichten ggü. den Kindern seines Partners, würden diese im Rahmen des § 850c ZPO berücksichtigt werden. Eine derartige Ungleichbehandlung von Patchwork-Familien ist unangemessen. 467 Patchwork-Familien sind in der Bundesrepublik Deutschland als Lebensform mittlerweile weit verbreitet. Im Jahr 2020 lebten laut statistischem Bundesamt 11,2 % der Familien mit Kindern in nichtehelichen Lebensgemeinschaften.1262) Korrespondierend zu dieser Entwicklung hat sich in den letzten Jahren auch die rechtliche Definition der Familie ausgeweitet. Der EGMR etwa ist der Auffassung, der Begriff der Familie i. S. v. Art. 8 EMRK erfasse nicht nur durch eine Ehe begründete Beziehungen, sondern auch de facto-Beziehungen außerhalb einer Ehe.1263) Das aus einer solchen Beziehung hervorgegangene Kind sei daher von Geburt an Teil dieser Familie und habe zu seinen Eltern eine Verbindung, die einem Familienleben entspreche.1264) Auch als Familie i. S. d. Art. 6 Abs. 1 GG gilt längst nicht mehr nur die durch die natürliche Abstammung vermittelte Verwandtschaft i. S. d. §§ 1589, 1590 BGB. Geschützt ist auch die familiäre Erziehungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, die wiederrum auch die Fürsorge- und Verantwortungsbeziehung zu Stiefkindern erfasst.1265) Die jeweiligen Sachverhalte sind, unabhängig von der konkreten Familienform, zunächst einmal identisch, sodass eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbe___________ 1260) So auch: Kampf, in: PrivatinsRK, 1. Aufl. 2019, Anhang zu § 36, § 850f ZPO Rn. 7. 1261) LG Hamburg 22.12.2017 – 330 T 71/17 – ZVI 2018, 161. 1262) Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Familien mit minderjährigen Kindern in der Familie nach Lebensform und Kinderzahl. 1263) EGMR 13.7.2000 – 25735/94 – NJW 2001, 2315. 1264) EGMR 13.7.2000 – 25735/94 – NJW 2001, 2315. 1265) So: Badura, in: Maunz/Dürig GG, Art. 6 Rn. 60a; von Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6 Rn. 15 f.; Münch, in: FamR in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 11 Rn. 4; Heiderhoff, NZFam 2020, 320, 326; zum Familienbegriff auch: R. Frank, FamRZ 2009, 649, 650.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

handlung gegeben ist, wenn pfändungsrechtlich zwischen beiden Familienformen differenziert wird. Soweit in der Literatur nunmehr vorgebracht wird, dass diese Ungleichbehandlung ihren sachlichen Grund darin finde, dass leibliche Kinder des Schuldners bei der Ermittlung des Pfändungsfreibetrags deswegen zu berücksichtigten seien, weil sie (außer gegen die Mutter) nur gegen ihn einen Unterhaltsanspruch hätten, während seine Stiefkinder (außer gegen die Mutter) zusätzlich einen Unterhaltsanspruch gegen ihren leiblichen Vater hätten,1266) verkennt dies, dass der den Stiefkindern anderweitig zukommende Unterhalt keinesfalls garantiert ist. Im Übrigen kann er, soweit er tatsächlich gewährt wird, auch im Rahmen der Ermessensentscheidung des Gerichts bedarfsmindernd berücksichtigt werden, sodass dies nicht zwingend ein Argument für den gänzlichen Ausschluss der Anwendbarkeit des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO darstellen muss. Jedenfalls sprechen zwingende Argumente – gerade vor dem Hintergrund des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG – für eine Einbeziehung faktischer Unterhaltspflichten in den Anwendungsbereich des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO.

(c) Keine anderweitigen Schutzmechanismen 468 Anzumerken ist schlussendlich noch, dass der Gesetzgeber den in der Begründung zur Neufassung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO vorgebrachten, geplanten Schutzmechanismus des § 902 S. 1 Nr. 5 ZPO-E nicht, wie urspünglich vorgesehen, umgesetzt hat.1267)

469 Nach der ursprünglich geplanten Regelung sollten Geldleistungen, die der Schuldner für Dritte auf einem Pfändungsschutzkonto „entgegennimmt“, die mit ihm in einer Bedarfs- oder Einstandsgemeinschaft leben und denen er nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, vor einer Pfändung geschützt werden.1268) Der Gesetzgeber war der Auffassung, der Schuldner sei durch diese Regelung hinreichend geschützt, sodass es einer Anwendbarkeit des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO auf faktische Unterhaltspflichten nicht bedürfe.1269) Im späteren Verlauf wurde diese Vorschrift dann jedoch auf Geldleistungen, die dem Schuldner „selbst“ nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuch „gewährt werden“, beschränkt (vgl. § 902 S. 1 Nr. 4 ZPO n. F., tritt an dem 1. Dezember 2021 in Kraft). Die Begründung des Gesetzgebers für die Einschränkung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO läuft damit ins Leere.

___________ 1266) 1267) 1268) 1269)

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So: A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2. Gegenäußerung der BReg, BT-Drs. 19/19850, 56. RegE v. 10.6.2020, BT-Drs. 19/19850, 12 f. Gegenäußerung der BReg, BT-Drs. 19/19850, 56.

D. Laufender Unterhalt

dd) Erforderliche Modifikation im Insolvenzrecht Obgleich die Einbeziehung faktischer Unterhaltspflichten in den Anwendungsbereich 470 des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO im Einzelzwangsvollstreckungsrecht aufgrund des nunmehr eindeutigen Wortlauts, der auf gesetzliche Unterhaltspflichten beschränkt ist, nach derzeitiger Rechtslage nicht – mangels Planwidrigkeit der Regelungslücke auch nicht analog – in Betracht kommt, sollte es nach der hier vertretenen Auffassung im Insolvenzverfahren bei der analogen Anwendung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO auf faktische Unterhaltspflichten bleiben. Die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage ergibt sich aus dem Gebot, den Schuldner, der in einer PatchworkFamilie lebt, nicht zu benachteiligen. Der neugefasste Wortlaut der Regelung steht einer Analogie im Insolvenzrecht dabei 471 nicht – auch nicht im Sinne des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke – entgegen. Die für die Einzelzwangsvollstreckung erlassene Vorschrift gilt im Insolvenzrecht gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO nur „entsprechend“. Die Bestimmungen der ZPO sind nach dem Rechtsgedanken des § 4 InsO nur auf das Insolvenzverfahren zu übertragen, wenn und soweit dies mit der Natur des Insolvenzverfahrens zu vereinbaren ist. Der Wortlaut des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO kann daher im Rahmen insolvenzrechtlicher Wertungen keinesfalls zwingend sein. Viel entscheidender muss sein, ob eine Einbeziehung faktischer Unterhaltspflichten mit der Historie, der Gesamtsystematik und dem Telos der Insolvenzordnung kompatibel ist.1270) Schon der Blick auf die insolvenzrechtliche Gesetzeshistorie spricht dabei für die- 472 jenige Auslegung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO, die auch faktische Unterhaltsverpflichtungen erfasst. Als Ausgleich für die Nichtberücksichtigung von Neugläubigern im Verfahren bzw. als Ausgleich für die Massezugehörigkeit des Neuerwerbs sah der ursprüngliche Regierungsentwurf der Insolvenzordnung für den Fall der Existenzbedrohung einen Anspruch des Schuldners bzw. seiner Familie gegen die Insolvenzmasse vor.1271) Zwar hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit des Anspruchscharakters für § 100 InsO (bzw. § 114 RegE) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens letztlich verneint.1272) Seine damals dargelegte Argumentation stand aber unter der Prämisse, dass die Pfändungsvorschriften den Schuldner umfassend schützen.1273) Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn jeder Einzelfall angemessen berücksichtigt werden und dem Abrutschen unter das Existenzminimum durch die Berücksichtigung von faktischen Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850f Abs. 1 lit. a ZPO vorgebeugt werden kann.

___________ 1270) 1271) 1272) 1273)

Dies im Ergebnis offenlassend: Lissner, ZVI 2017, 9, 12. RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 122. Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.5.1994, BT-Drs. 12/7302, 167. Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.5.1994, BT-Drs. 12/7302, 167.

175

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

473 Darin liegt auch kein Verstoß gegen die Systematik des Insolvenzrechts. Zwar ist im Rahmen des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850c ZPO – wie oben festgestellt – ausschließlich auf gesetzliche Unterhaltspflichten abzustellen. Eine Einbeziehung vertraglicher Unterhaltsverpflichtungen kommt dort aufgrund der damit potentiell einhergehenden Missbrauchsgefahr nicht in Betracht. Auf den Fall faktischer Unterhaltspflichten können diese Überlegungen jedoch nicht übertragen werden. Die Situation faktischer Unterhaltsverpflichtungen ist mit derjenigen vertraglicher Unterhaltsverpflichtungen nicht zu vergleichen. Die Vorschriften des Sozialhilferechts gehen von einer Einstandspflicht aus, nach der der Schuldner mit seinem Einkommen für die Sicherung des Lebensunterhalts der gesamten Bedarfsgemeinschaft aufkommen muss.1274) Im Rahmen von faktischen Unterhaltsverpflichtungen ist der Schuldner mithin sozialrechtlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet.1275) In dieser Situation von einer potentiell bestehenden Missbrauchsgefahr auszugehen, erscheint vor dem Hintergrund der mit dem Leben in einer Bedarfsgemeinschaft verbundenen Belastungen geradezu grotesk. Dass sich ein Schuldner ausschließlich zu dem Zweck in eine Bedarfsgemeinschaft begibt, eine Erhöhung der Pfändungsfreibeträge herbeizuführen, ist nahezu ausgeschlossen. Das Verfahrensziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung wird durch die Einbeziehung faktischer Unterhaltspflichten in den Anwendungsbereich des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO mithin auch nicht gefährdet.

474 Weiterhin spricht auch der Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850f Abs. 1 lit. a ZPO für die Einbeziehung faktischer Unterhaltspflichten in den Anwendungsbereich der Norm.1276) Nach diesem sollen der Schuldner und die ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen gerade nicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verwiesen werden, worin letztlich auch der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe zum Ausdruck kommt.1277) Werden faktische Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO nun aber nicht berücksichtigt, kann dies den Schuldner, dessen finanzielle Situation im Insolvenzverfahren ohnehin äußerst angespannt ist, in existenzielle Nöte bringen, denn die Personen, die regelmäßig als potentiell faktisch unterhaltsberechtigt in Betracht kommen, partizipieren im Regelfall ebenso wie gesetzlich Unterhaltsberechtigte an den Einrichtungen des Hausstandes.1278) Zwar ist die Existenzsicherung des Schuldners im Grundsatz Sache des Staates. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn dazu nicht bereits ausreichende Mittel im eigenen Vermögen vorhanden sind. Die ge___________ 1274) Lackmann, ZVI 2017, 409, 410 f. 1275) Lackmann, ZVI 2017, 409, 410 f. 1276) LG Hamburg 22.12.2017 – 330 T 71/17 – ZVI 2018, 161; Kampf, in: PrivatinsRK, 1. Aufl. 2019, Anhang zu § 36, § 850f ZPO Rn. 7; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, 7. Aufl. 2019, § 36 Rn. 35. 1277) So im Ergebnis auch: LG Bielefeld 28.1.2020 – 23 T 38/20 – ZVI 2020, 251, 252. 1278) Kampf, in: PrivatinsRK, 1. Aufl. 2019, Anhang zu § 36 InsO, § 850f ZPO Rn. 7.

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D. Laufender Unterhalt

meinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf Kosten des Staates bzw. des Steuerzahlers ist aber jedenfalls völlig unverhältnismäßig.1279)

e)

Zusammenfassung

Auch im Insolvenzverfahren bedarf es zum Schutz der Interessen des Schuldners 475 und seiner Familie der Berücksichtigung des Einzelfalls. Die entsprechende Geltung des § 850f ZPO stärkt daher im Grundsatz die Interessen des Schuldners und seiner Familie und ist vor diesem Hintergrund begrüßenswert. Problematisch ist allerdings auch insoweit, dass die Zahlung stets zu Händen des Schuldners erfolgt. Ist der Schuldner zahlungsunwillig, gehen die Unterhaltsneugläubiger leer aus. Die Auszahlung an die Unterhaltsneugläubiger selbst kommt – wie schon im Rahmen des § 850c ZPO – systematisch nicht in Betracht, da diese als Neugläubiger nicht am Verfahren teilnehmen. Ggf. geht damit abermals eine ungerechtfertigte Benachteiligung nicht intakter Familien einher. Um die Familie des Schuldners hinreichend zu schützen, muss nach der hier ver- 476 tretenen Auffassung, und entgegen jüngsten gesetzgeberischen Entscheidungen im Einzelzwangsvollstreckungsrecht,1280) § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850f Abs. 1 lit. a ZPO analog auf faktische Unterhaltspflichten angewendet werden. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Vorschrift sowie verfassungsrechtlichen Erwägungen und entspricht im Übrigen der modernen Lebensrealität, in der PatchworkFamilien verbreitet sind. Aufgrund der Bestellung des Insolvenzverwalters ist eine verstärkte Einzelfallbe- 477 rücksichtigung im Insolvenzverfahren auch ohne große praktische Schwierigkeiten umsetzbar und zumutbar.1281) Für die Prüfung dürften eine Meldebestätigung der Meldebehörde sowie die eidesstattliche Versicherung des Schuldners, dass die mit ihm zusammenlebenden Bedarfsgemeinschaftsmitglieder keine eigenen Einnahmen haben, ausreichend sein.1282) Im Übrigen besteht auch die Möglichkeit, eine sozialrechtliche Bedarfsberechnung durch das Sozialamt durchführen zu lassen.1283) Diese Schritte dürften weder das Insolvenzgericht noch den mit dem Verfahren betrauten Insolvenzverwalter vor große Probleme stellen und sind diesen daher auch zumutbar.1284)

___________ 1279) So im Ergebnis auch: LG Bielefeld 28.1.2020 – 23 T 38/20 – ZVI 2020, 251, 252; Rein, ZVI 2018, 129, 130; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, 7. Aufl. 2019, § 36 Rn. 35. 1280) Vgl. BT-Drs. 19/19850, 56; zu Recht kritisch: Rein, ZVI 2020, 449 f. 1281) So auch: Lackmann, ZVI 2017, 409, 411. 1282) Lackmann, ZVI 2017, 409, 411. 1283) Lackmann, ZVI 2017, 409, 411. 1284) Lackmann, ZVI 2017, 409, 411 f.

177

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

3.

Vollstreckungsprivileg für Unterhaltsgläubiger nach § 89 Abs. 2 S. 2 InsO i. V. m. § 850d ZPO

478 Bei Zahlungsunwilligkeit des Schuldners verbleibt den Unterhaltsneugläubigern die Möglichkeit der privilegierten Vollstreckung in den Pfändungskorridor gem. § 89 Abs. 2 S. 2 InsO. Dazu im Einzelnen:

a) Grundsatz des Vollstreckungsverbots 479 Grundsätzlich ist die Insolvenzmasse vor dem Zugriff durch einzelne Gläubiger durch das Vollstreckungsverbot in § 89 Abs. 1 InsO geschützt. Dieses dient dem Verfahrensziel der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger i. S. d. § 1 InsO, welches nicht erreicht werden könnte, wenn einzelnen Insolvenzgläubigern während des Verfahrens, über ihren Quotenanspruch hinaus, ein Vollstreckungszugriff auf das Vermögen des Schuldners erlaubt wäre.1285) Nach dem Wortlaut der Norm gilt das Verbot jedenfalls für alle Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO.1286) Neugläubiger sind nicht ausdrücklich erwähnt. Aus den §§ 35, 38, 49 ff., 91 InsO sowie dem Zweck des Insolvenzverfahrens folgt aber, dass die Masse der Befriedigung der Insolvenzund Massegläubiger vorbehalten ist.1287) Die Masse ist daher auch vor dem Zugriff durch die Neugläubiger zu schützen. Den Neugläubigern verbleibt damit zwar die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners.1288) Praktische Relevanz hat dies jedoch nicht, da solches im Rahmen von Verbraucherinsolvenzen regelmäßig nicht besteht.1289)

480 § 89 Abs. 2 InsO weitet das Vollstreckungsverbot auf künftige Forderungen aus einem Dienstverhältnis aus. Umfasst sind insoweit ausdrücklich auch solche Gläubiger, die keine Insolvenzgläubiger sind. Künftige Bezüge in diesem Sinne sind sämtliche Bezüge, die nach Beendigung des Verfahrens entstehen oder fällig werden.1290) Während das laufende Arbeitseinkommen bereits durch § 89 Abs. 1 InsO und §§ 35, 36 InsO vor Neugläubigern geschützt wird, bedarf es für das künftig er___________ 1285) Breuer/Flöther, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 1; siehe zu § 1 InsO: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 33 ff.; Keller, in: Karsten Schmidt, InsO, § 89 Rn. 2. 1286) Vgl. auch: RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 137; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 1. 1287) KG 6.7.2005 – 5 W 299-307 + 334/05 – NStZ-RR 2005, 322, 323; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 12; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 7; Tichbi, in: PrivatinsRK, § 89 Rn. 3; Ahrens, NZI 2008, 24, 25. 1288) BGH 6.2.2014 – IX ZB 57/12 – NJW-Spezial 2014, 439; OLG Hamm 25.1.2011 – 15 W 674/10 – ZIP 2011, 1068; Keller, in: Karsten Schmidt, InsO, § 89 Rn. 14; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 7; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 12. 1289) Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 7; Keller, in: Karsten Schmidt, InsO, § 89 Rn. 15; Ahrens, NZI 2008, 24, 25; vgl. auch: Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 12. 1290) Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 49; Keller, in: Karsten Schmidt, InsO, § 89 Rn. 51; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 15; Tichbi, in: PrivatinsRK, § 89 Rn. 8.

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D. Laufender Unterhalt

zielte Arbeitseinkommen einer gesonderten Regelung. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, diese künftigen Forderungen für eine eventuelle Restschuldbefreiung zu reservieren.1291)

b) Sonderregelungen für Unterhaltsgläubiger Wegen ihrer erhöhten Schutzbedürftigkeit gelten für Unterhaltsgläubiger insoweit 481 Besonderheiten.1292) Nach § 850d Abs. 1 ZPO sind Pfändungen wegen der Unterhaltsansprüche der dort aufgezählten Gläubiger auch ohne die in § 850c ZPO bezeichneten Beschränkungen möglich, und zwar bis hin zur Grenze des für den Schuldner notwendigerweise zu belassenden Unterhalts. Dies gilt im Insolvenzverfahren gem. § 89 Abs. 2 S. 2 InsO entsprechend. § 850d Abs. 1 ZPO statuiert mithin eine gesteigerte Verantwortlichkeit des Unter- 482 haltsberechtigten für die erfassten Gläubiger und soll sicherstellen, dass diese nicht der staatlichen Fürsorge zur Last fallen.1293) Der Vorrechtsbereich des § 850d Abs. 1 ZPO gehört demnach nicht zur Insolvenzmasse,1294) wodurch die Privilegierung der Unterhaltsgläubiger in der Einzelzwangsvollstreckung konsequenterweise auf die Gesamtvollstreckung übertragen wird.1295) Dies gilt auch bei der Vollstreckung in Kurzarbeitergeld.1296) Für Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag fällig geworden sind, besteht das Vorrecht nur, wenn sich der Schuldner seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat (vgl. § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO).1297) Voraussetzung ist, dass der vollstreckende Unterhaltsgläubiger nicht als Insolvenz- 483 gläubiger am Verfahren teilnimmt.1298) Die Besserstellung gilt mithin nur für Unterhaltsneugläubiger. Diese sind besonders schutzbedürftig, da sie im Insolvenzverfahren, wie bereits festgestellt, nicht gesondert berücksichtigt werden und infolge der Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse keinen realistischen Vollstreckungszugriff auf das insolvenzfreie Vermögen haben.1299) Unterhaltsgläubiger,

___________ 1291) Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.5.1994, BT-Drs. 12/7302, 35 f.; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 15; Breuer/Flöther, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 3. 1292) Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 51; Kuleisa, in, HambKomm, InsO, § 89 Rn. 16. 1293) Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 1. 1294) Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 16; Breuer/Flöther, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 51. 1295) Breuer/Flöther, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 51; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 51. 1296) Ausführlich dazu: Benner, NZFam 2020, 385 ff. 1297) Siehe dazu: Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 5. 1298) BGH 6.2.2014 – IX ZB 57/12 – NZI 2014, 310, 311; 27.9.2007 – IX ZB 16/06 – NZI 2008, 50, 51; Breuer/Flöther, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 51; Tichbi, in: PrivatinsRK, § 89 Rn. 8; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 16; vgl. auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 182; Ahrens, NZI 2008, 24, 25. 1299) BGH 27.9.2007 – IX ZB 16/06 – NZI 2008, 50, 51; vgl. dazu: Ahrens, NZI 2008, 24, 25.

179

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

die an der gemeinschaftlichen Befriedigung im Insolvenzverfahren beteiligt sind, werden insoweit auf die Teilnahme am Verfahren verwiesen.1300)

c)

Vollstreckung in den Pfändungskorridor

aa) Privilegierter Anspruch 484 Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem Einzel- und dem Gesamtvollstreckungsrecht gebietet sich zur Bestimmung der nach § 850d ZPO privilegierten Ansprüche trotz des Wortlauts der Regelung ein Gleichlauf zu der im Rahmen des § 40 S. 1 InsO vertretenen Auffassung. Zu den nach § 850d Abs. 1 ZPO privilegierten Ansprüchen zählen mithin zunächst gesetzliche Unterhaltsansprüche, namentlich der Anspruch auf Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB), Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB), Geschiedenenunterhalt (§§ 1569 ff. BGB), Unterhalt nach aufgehobener Ehe (§ 1381 i. V. m. §§ 1569 ff. BGB), Unterhalt bei bestehender Lebenspartnerschaft (§ 5 LPartG), Unterhalt eines getrennt lebenden Lebenspartners (§ 12 LPartG), Unterhalt eines Lebenspartners bei aufgehobener Lebenspartnerschaft (§ 16 LPartG), Verwandtenunterhalt (§§ 1601 ff. BGB), Unterhalt der Mutter eines nichtehelichen Kindes (§ 1615l BGB) und der Unterhalt des Adoptivkindes (§§ 1754, 1770 Abs. 3 BGB).1301) Eine vertragliche Ausgestaltung dieser schadet auch hier nicht.1302) Ansprüche aus Unterhaltsverträgen von Ehegatten fallen mithin in den Anwendungsbereich der Norm, soweit sie mit den gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen identisch sind.1303) Rein vertragliche Ansprüche werden allerdings, wie auch im Rahmen des § 40 S. 1 InsO, nicht erfasst.1304) Dies gilt auch für den schuldrechtlichen Anspruch auf Versorgungsausgleich.1305) Gläubiger von deliktischen Unterhaltsansprüchen werden nach der hier vertretenen Auffassung von der Bevorrech-

___________ 1300) BGH 27.9.2007 – IX ZB 16/06 – NZI 2008, 50, 51; Ahrens, NZI 2008, 24, 25. 1301) Aufzählung nach: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 116; siehe auch: Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850d Rn. 2; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 2; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 5 f.; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 2; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 3 f.; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.292 f. 1302) Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850d Rn. 2 f.; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 2, 6; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 2 f.; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 3 f.; Benner, NZFam 2019, 845. 1303) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 2. 1304) Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850d Rn. 2; ebenso zu § 40 S. 1 InsO: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 11; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 8; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 143; Keller, NZI 2007, 143. 1305) So: BGH 5.7.2005 – VII ZB 11/05 – ZVI 2005, 404, 405; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 10; Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 12; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 40 Rn. 9.

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D. Laufender Unterhalt

tigung erfasst, sofern der Charakter der Vorschrift familienspezifisch ist (o siehe dazu Rn. 239 ff.).1306) Der Übergang des Anspruchs auf einen Träger der Sozialhilfe (§ 94 Abs. 1 S. 1 485 SGB XII)1307) bzw. dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 94 Abs. 3 KJHG),1308) der Unterhaltsvorschusskasse (§ 7 Abs. 1 UVG)1309) oder auf das Land (§ 37 Abs. 1 BAföG) schadet, wie auch im Rahmen des § 40 S. 1 InsO, nicht.1310) Dasselbe gilt für den Übergang auf einen nachrangig Verpflichteten nach § 1602 Abs. 2 BGB (o siehe Rn. 229 f.).1311) Der Charakter des Anspruchs wird dadurch nicht verändert.1312) Zu beachten ist insoweit jedoch, dass der übergegangene Anspruch nicht zum Nachteil des eigentlichen Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden darf.1313) Anders verhält es sich nur, wenn der Anspruch auf einen Erben oder Bürgen übergeht. In einem solchen Fall erlischt der Unterhaltscharakter des Anspruchs und § 850d ZPO ist nicht anwendbar.1314) § 850d Abs. 2 ZPO verweist für die Rangfolge der Gläubiger auf die in § 1609 BGB 486 aufgestellte Rangordnung. Demnach sind minderjährige Kinder des Schuldners stets vorrangig zu berücksichtigen.1315)

___________ 1306) A. A., die deliktische Ansprüche generell von dem Anwendungsbereich des § 850d ZPO ausnimmt: Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850d Rn. 2; wohl auch: Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 4 f.; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.295; die Anwendbarkeit jedenfalls für den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB verneinend: BGH 28.6.2006 – VII ZB 161/05 – NZI 2006, 593; ebenso zu § 40 S. 1 InsO: Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 5; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 9. 1307) BGH 10.10.2003 – IXa ZB 170/03 – FamRZ 2004, 185. 1308) LG Erfurt 16.8.1996 – 2 a T 83/96 – FamRZ 1997, 510. 1309) BGH 17.9.2014 – CII ZB 21/13 – NJW 2015, 157; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 1. 1310) Dazu auch: Deppe, in: NK-PrivatinsR, § 850d Rn. 2; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 3; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.298; ebenso zu § 40 S. 1 InsO: Schumann, in: MüKo-InsO, § 40 Rn. 13; Thonfeld, in: Karsten Schmidt, InsO, § 40 Rn. 11; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 801, 811. 1311) So auch: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.297; ebenso zu § 40 S. 1 InsO: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 4 Rn. 136. 1312) Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 4; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 5; im Ergebnis auch: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 811; a. A. etwa noch: LG Hanau 28.1.1965 – 2 T 142/64 – NJW 1965, 767. 1313) Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 4; vgl. auch: BGH 17.9.2014 – VII ZB 21/13 – NJW 2015, 157; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 3. 1314) Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.294, C.296; ebenso zu § 40 S. 1 InsO: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 93. 1315) Dazu: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850c Rn. 11 f.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

bb) Notwendiger Selbstbehalt des Schuldners (1) Grundsätze im Einzelzwangsvollstreckungsrecht 487 Dem Schuldner ist gem. § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO ein pfandfreier Betrag zu belassen. Dieser richtet sich nach dem 3. und 11. Kapitel des SGB XII und deckt seinen in diesem Sinne notwendigen Lebensbedarf zum Zwecke der Existenzsicherung.1316) Umfasst ist daher vor allem der Regelbedarf, der die Kosten des Schuldners für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie sowie die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft deckt.1317) Ggf. sind darüber hinaus noch zusätzliche Bedarfe zu berücksichtigen, wie etwa besondere berufsbedingte Aufwendungen oder unabweisbare individuelle Bedürfnisse.1318) Entscheidend ist immer der Einzelfall.1319) Der dem Schuldner nach der individuellen Berechnung verbleibende Betrag darf aber jedenfalls nicht niedriger sein als die Hälfte des ihm nach § 850c ZPO zu belassenden Betrags (vgl. § 850d Abs. 1 S. 3 ZPO).

488 Auch anderweitige laufende Unterhaltspflichten sind zu berücksichtigen, und zwar nach Auffassung des BGH in Höhe des dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Betrags, unabhängig davon, ob der Schuldner seiner Unterhaltspflicht in vollem Umfang genügt.1320) Der BGH begründete dies mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO: Nach dem Gesetzestext sei dem Schuldner so viel zu belassen, als er zur Erfüllung seiner laufenden Unterhaltspflichten „bedürfe“. Im Übrigen sei es der Zweck der Regelung, dass die dem vollstreckenden Unterhaltsgläubiger vorrangigen und gleichberechtigten Gläubiger durch die Vollstreckung nicht benachteiligt werden.1321) Durch die Berücksichtigung des pfandfreien Betrags solle für diese die Möglichkeit verbleiben, ihren Unterhaltsanspruch in größtmöglichem Umfang zu realisieren.1322) Dies könne nur dadurch gewährleistet werden, dass dem Schuldner der für die Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung erforderliche Betrag uneingeschränkt zur Verfügung stehe.1323) ___________ 1316) BGH 5.7.2018 – VII ZB 40/17 – NZFam 2018, 952; 25.11.2010 – VII ZB 111/09 – NJW-RR 2011, 706; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 10; Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 22; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 7; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 11; Stöber/ Rellermeyer, Forderungspfändung, C.310 ff.; ausführlich zu dem insoweit lange vorherrschenden Streit: Ahrens, NJW-Spezial 2009, 485. 1317) Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 11; Seiler, in: Thoma/Putzo ZPO, § 850d Rn. 10. 1318) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 22; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 7. 1319) Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 10. 1320) BGH 5.8.2010 – VII ZB 101/09 – BeckRS 2010, 20766; dazu: Kuckenburg, FamFR 2010, 419; a. A.: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850d Rn. 24; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 10; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.314; offengelassen: BGH 17.9.2014 – VII ZB 22/13 – NZFam 2015, 23, 25; dazu: Benner, NZFam 2019, 845, 848. 1321) BGH 5.8.2010 – VII ZB 101/09 – BeckRS 2010, 20766; dazu: Kuckenburg, FamFR 2010, 419. 1322) BGH 5.8.2010 – VII ZB 101/09 – BeckRS 2010, 20766; dazu: Kuckenburg, FamFR 2010, 419. 1323) BGH 5.8.2010 – VII ZB 101/09 – BeckRS 2010, 20766; dazu: Kuckenburg, FamFR 2010, 419.

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D. Laufender Unterhalt

(2) Erforderliche Modifikation im Insolvenzrecht Die oben aufgezeigten Grundsätze zur Berechnung des Selbstbehalts gelten im In- 489 solvenzrecht weitestgehend entsprechend. Im Hinblick auf die Berücksichtigung laufender Unterhaltsverpflichtungen bedarf es allerdings einer Modifikation. In Übereinstimmung mit der hier im Rahmen des § 850c ZPO vertretenen Auffassung sollte es im Insolvenzrecht nicht auf die Höhe der gesetzlichen Verpflichtung ankommen.1324) Vorzugswürdig ist es stattdessen, darauf abzustellen, in welcher Höhe der Schuldner tatsächlich Unterhalt leistet. Andernfalls wird der unredliche Schuldner unverhältnismäßig privilegiert. Es kann insoweit auf die im Rahmen der Ausführungen zu § 850c ZPO angestellten systematischen und teleologischen Erwägungen verwiesen werden.

cc) Verfahren Voraussetzung für den vorrangigen Zugriff ist ein Antrag des Gläubigers, aus dem 490 sich unmittelbar ergibt, dass er privilegiert vollstrecken möchte.1325) Seine Bevorrechtigung muss er durch Vorlage eines entsprechenden Titels darlegen.1326) Geeignet dafür sind etwa Beschlüsse, bei denen der Schuldgrund im Tenor ausdrücklich festgestellt wird oder zumindest dem Tatbestand bzw. den Entscheidungsgründen entnommen werden kann, ein Versäumnis- bzw. Anerkenntnisbeschluss, der den Schuldgrund im Tenor ausdrücklich feststellt, ein Verfahrensvergleich, aus dem sich ergibt, dass sich die Parteien über die Rechtsnatur des Anspruchs einig waren, eine notarielle Urkunde, der die Rechtsnatur der Forderung zu entnehmen ist oder eine Urkunde des Jugendamts.1327) Ein vollstreckbarer Auszug aus der Insolvenztabelle, der nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH für den zu führenden Nachweis im Rahmen des § 850f Abs. 2 ZPO genügt,1328) ist erst nach Verfahrensbeendigung geeignet, da die privilegierte Vollstreckung ausscheidet, solange der Gläubiger als Insolvenzgläubiger am Verfahren teilnimmt. Versäumt der Gläubiger

___________ 1324) So wohl auch: Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 10; a. A.: BGH 5.8.2010 – VII ZB 101/09 – BeckRS 2010, 20766; dazu: Kuckenburg, FamFR 2010, 419; Stöber/ Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.314; offengelassen: BGH 17.9.2014 – VII ZB 22/13 – NZFam 2015, 23, 25. 1325) Herget, in: Zöller, ZPO, § 850d Rn. 12; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 2 f.; eingehend zu dem zugrundeliegenden Verfahren: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.332 ff. 1326) BGH 6.9.2012 – VII ZB 84/10 – FamRZ 2012, 1799; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 2; Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 29; a. A.: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.333. 1327) Benner, NZFam 2019, 845 f. 1328) BGH 4.9.2019 – VII ZB 91/17 – NZI 2019, 897.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

es, deutlich zu machen, dass er sein Pfändungsverlangen auf § 850d ZPO stützt, wird nur im Bereich des § 850c ZPO gepfändet.1329)

491 Umstritten ist, welches Gericht im Insolvenzverfahren zuständig ist.1330) Zum Teil wird angenommen, dass dies das Vollstreckungsgericht sei.1331) Gestützt wird diese Annahme darauf, dass § 850d ZPO nicht bei § 36 Abs. 1 S. 2 InsO genannt werde und ein privilegierter Zugriff von Unterhaltsgläubigern im Insolvenzverfahren nicht die Insolvenzmasse betreffe.1332) Richtigerweise ist aufgrund der Sachnähe jedoch i. S. e. allgemeinen Entscheidungskompetenz anzunehmen, dass das Insolvenzgericht insoweit zuständig ist.1333) Dasselbe gilt gem. § 89 Abs. 3 InsO für sämtliche Einwendungen gegen unzulässige Vollstreckungsmaßnahmen. Teilweise wird davon ausgegangen, dass das Vollstreckungsgericht zuständig bleibt, wenn es um die Verletzung allgemeiner vollstreckungsrechtlicher Normen geht. Dies ist jedoch aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 89 Abs. 3 InsO, der insoweit nicht differenziert, abzulehnen.1334)

dd) Vollstreckungsrechtliche Besonderheiten in der Wohlverhaltensphase 492 Das Vollstreckungsverbot in der Wohlverhaltensphase gilt gem. § 294 InsO nur für Insolvenzgläubiger. Die Vollstreckung durch Neugläubiger ist mithin nicht ausgeschlossen. Dies gilt auch für Unterhaltsneugläubiger. Aufgrund des Verweises in § 292 Abs. 1 S. 3 InsO auf § 36 Abs. 1 S. 2 InsO können diese außerdem auch während der Wohlverhaltensphase auf den Vorrechtsbereich des § 850d ZPO zugreifen.

493 Soweit früher vertreten wurde, dass § 850d ZPO teleologisch zu reduzieren sei, und zwar mit dem Ziel, auch unterhaltsrechtliche Insolvenzgläubiger in der Wohlverhaltensphase am Neuerwerb teilhaben zu lassen,1335) widerspricht dies der Systematik der Insolvenzordnung.1336) Es fehlt insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke.1337) Unterhaltsrechtliche Insolvenzgläubiger müssen ihre Ansprüche nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens geltend machen. ___________ 1329) Kemper, in: Saenger, ZPO, § 850d Rn. 29. 1330) Dazu: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 6 Rn. 215. 1331) Bornemann, in: FK-InsO, § 36 Rn. 75; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 99; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 801. 1332) Dazu: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 6 Rn. 215. 1333) So auch: Schmerbach, in: FK-InsO, § 2 Rn. 10; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 6 Rn. 215. 1334) A. A.: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 99 f. 1335) Vgl. die Nachweise bei: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 6 Rn. 247. 1336) So: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 6 Rn. 247. 1337) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 174.

184

D. Laufender Unterhalt

d) Zusammenfassung Die Regelung des § 850d ZPO ermöglicht den Unterhaltsgläubigern die privilegierte 494 Vollstreckung. Die entsprechende Geltung der Vorschrift im Insolvenzverfahren ist daher zu begrüßen. Bei der Berechnung des Selbstbehalts kann es nach der hier vertretenen Ansicht im Gleichlauf zu § 850c ZPO allerdings nur auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt ankommen. Die insoweit ergangene Rechtsprechung im Einzelzwangsvollstreckungsrecht, die darauf abstellen will, in welcher Höhe der Schuldner gesetzlich verpflichtet ist, sollte an dieser Stelle nicht auf das Insolvenzrecht übertragen werden.1338) Obgleich die Geltung des § 850d ZPO im Insolvenzverfahren in der Theorie einen 495 erhöhten Schutz für die Unterhaltsgläubiger intendiert, ist die praktische Wirkung dieser Regelung im Fall einer Insolvenz fraglich. Ist der Schuldner insolvent, ist er in der Regel mittellos. Für den Unterhaltsgläubiger verbleibt somit, nach Abzug des dem Schuldner zu belassenden Selbstbehalts, zumeist ein nur schmaler Pfändungskorridor, der regelmäßig nicht ausreichen wird, um die gesamte Forderung zu bedienen. Die praktische Bedeutung dieser Regelung für den Schutz der Unterhaltsneugläubiger ist im Insolvenzverfahren daher gering.1339) Hinzu kommt auch, dass das in § 850d ZPO vorgesehene Verfahren ein aktives 496 Betreiben erfordert, das von vielen Unterhaltsgläubigern nicht geleistet werden kann. Diesen fehlt es in der Praxis oftmals an dem nötigen Durchsetzungswillen bzw. der erforderlichen Durchsetzungskraft, etwa wenn schon in der Vergangenheit langwierige familienrechtliche Streitigkeiten stattgefunden haben.1340) Es kann insoweit auf die bereits im Rahmen der Ausführungen zu § 302 InsO angestellten Erwägungen verwiesen werden (o Rn. 340 ff.).

4.

Besonderheiten in der Regelinsolvenz

In der Regelinsolvenz gelten pfändungsrechtliche Besonderheiten.1341) Diese ergeben 497 sich vor allem daraus, dass der selbstständige Schuldner kein Arbeitseinkommen i. S. d. § 850 Abs. 1 ZPO erzielt. Die §§ 850c, 850d, 850f ZPO sind daher nicht anwendbar. An die Stelle des Arbeitseinkommens treten im Rahmen der Regel___________ 1338) Vgl. BGH 5.8.2010 – VII ZB 101/09 – BeckRS 2010, 20766; dazu: Kuckenburg, FamFR 2010, 419; so auch: Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850d Rn. 10; a. A.: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.314; offengelassen: BGH 17.9.2014 – VII ZB 22/13 – NZFam 2015, 23, 25; vgl. auch: BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753; 28.3.2007 – VII ZB 94/06 – NJW-RR 2007, 938, 939; 19.5.2005 – IXa ZB 310/03 – NJW-RR 2004, 1370, 1371 f. 1339) Zweifelnd auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 5 Rn. 164. 1340) Zu der vergleichbaren Problematik im Rahmen des § 302 InsO: A. Schmidt, ZVI 2020, 1. 1341) Äußerst instruktiv dazu: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 83 ff.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

insolvenz die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Die pfändungsrechtlichen Konsequenzen für den Unterhalt richten sich danach, ob der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit i. S. d. § 35 Abs. 2 InsO freigegeben hat oder nicht.1342) Für Verfahren, die nach dem 30. Dezember 2020 beantragt wurden, gilt aufgrund des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens1343) der neugeschaffene § 35 Abs. 3 InsO, der dem Schuldner einen bislang nicht vorhandenen Anspruch auf Entscheidung des Insolvenzverwalters über die Freigabe zugesteht.1344)

498 Als selbstständige Tätigkeit gilt jede selbstständige Tätigkeit, auch wenn die Tätigkeit nur nebenberuflich oder als Scheinselbstständigkeit ausgeübt wird.1345) Unter einer selbstständigen Tätigkeit ist namentlich jede berufliche Betätigung zu verstehen, die nicht in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wird, die der Schuldner also im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und frei von Weisungen Dritter ausübt.1346) Erfasst sind demnach sowohl gewerbliche Einzelunternehmer als auch Freiberufler.1347)

a) Bei Fortführung der Tätigkeit für die Masse aa) Antrag des Schuldners nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i Abs. 1 ZPO 499 Gibt der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit des Schuldners nicht frei, wird diese für die Masse fortgeführt. Es gilt dann das Bruttobeschlagsprinzip.1348) Die durch die selbstständige Tätigkeit generierten Einkünfte unterfallen als Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag.1349) Einen kraft Gesetzes unpfändbaren Teil gibt es nicht. § 850c ZPO findet keine Anwendung.

500 Dies kann zu der paradoxen Situation führen, dass die Existenz des Schuldners trotz gewinnbringender selbstständiger Tätigkeit ipso iure nicht gesichert ist.1350) Bei etwaiger Existenzbedrohung muss der Schuldner nach der gesetzlichen Konzeption vielmehr selbst aktiv werden und einen Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 36 ___________ 1342) Instruktiv zur Freigabe: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 256 ff.; Roth, in: G. Pape/ Uhländer, InsO, § 35 Rn. 22 ff.; Smid, DZWIR 2008, 133 ff.; Ahrens, NZI 2007, 622 ff. 1343) BGBl. I 2020, 3328. 1344) Dazu und dies begrüßend: A. Schmidt, ZVI 2021, 41, 45. 1345) Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 35 Rn. 49; Ahrens, NZI 2007, 622, 626. 1346) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 259; Ahrens, NZI 2007, 622, 626. 1347) Montag, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 5, Rn. 251; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 259. 1348) BGH 20.3.2003 – IX ZB 388/02 – ZInsO 2003, 413, 416; Smid, DZWIR 2008, 133, 136. 1349) Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 48; vgl. auch: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.516. 1350) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 247; vertiefend: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche des Selbstständigen in der Insolvenz, 98 ff.

186

D. Laufender Unterhalt

Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i Abs. 1 ZPO stellen.1351) Das insoweit zuständige Gericht ist das Insolvenzgericht (vgl. § 36 Abs. 4 S. 1 InsO). Dieses hat dem Schuldner so viel zu belassen, wie er für seinen Unterhalt und den Unterhalt seiner bevorrechtigten Angehörigen benötigt.1352) Darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit der Schuldner bzw. der den Antrag stellende Gläubiger.1353)

(1) Antragsberechtigung Antragsberechtigt sind der Schuldner sowie der Unterhaltsberechtigte, dem der 501 Pfändungsschutz zugutekommen soll.1354) Nicht ausdrücklich geregelt ist, ob der Unterhaltsberechtigte auch die Zahlung des 502 auf ihn entfallenden Grundfreibetrags zu seinen Händen erreichen kann oder ob die Zahlung immer an den Schuldner erfolgt.1355) Bei den. § 850i Abs. 1 ZPO, der über § 36 Abs. 1 S. 2 InsO Anwendung im Insolvenzrecht findet, handelt es sich um eine dem Schuldnerschutz dienende Norm.1356) Die Vorschrift bezweckt den Pfändungsschutz für nicht abhängig Beschäftigte dem Pfändungsschutz für Arbeitnehmer anzugleichen.1357) Im Rahmen der bei abhängig Beschäftigten einschlägigen Vorschriften der §§ 850c, 850f ZPO findet ebenfalls keine Zahlung zu Händen des Gläubigers statt.1358) Ein gesonderter Antrag des Unterhaltsberechtigten auf Zahlung zu seinen Händen scheidet daher auch im Rahmen des § 850i ZPO aus.1359)

(2) Berechnungsmethoden Dem Antrag nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i Abs. 1 ZPO liegen auf- 503 wendige Berechnungsmethoden zugrunde.

___________ 1351) Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 123; Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 48; eingehend zu den von der Norm erfassten Einkünften: Ahrens, ZVI 2019, 441; ders., ZInsO 2010, 2357, 2359 f.; vgl. auch: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.513 ff.; kritisch: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche des Selbstständigen in der Insolvenz, 98 ff. 1352) Vgl. Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.519. 1353) Smid, in: MüKo-ZPO, § 850i Rn. 4. 1354) Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850i Rn. 1; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850i Rn. 4; Herget, in: Zöller, ZPO, § 850i Rn. 3. 1355) Diese Frage bereits aufwerfend: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 116 f. 1356) Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850i Rn. 1. 1357) RegE v. 19.12.2007, BT-Drs. 16/7615, 12, 18; BGH 7.4.2016 – IX ZB 69/15 – NJW-RR 2016, 761, 762; 26.6.2014 – IX ZB 88/13 – NJW-RR 2014, 1197, 1198. 1358) Dazu: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 116 f. 1359) So auch: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 116 f.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

504 Im ersten Schritt sind die Forderungen des selbstständigen Schuldners gegen Drittschuldner zu ermitteln und zusammenzurechnen.1360) Nach Ermittlung der dem Schuldner zukommenden Forderungen ist dann in einem zweiten Schritt ein Monatsdurchschnitt zu bilden.1361) Bei der Bildung des Durchschnitts besteht ein Ermessensspielraum des Gerichts. Entscheidend ist immer der Einzelfall.1362) Gem. § 850i Abs. 1 S. 1 ZPO ist dem Schuldner so viel zu belassen, wie ihm nach freier Einschätzung des Gerichts bei Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn verbleiben würde. Dabei bilden die bereits oben aufgezeigten Wertungen des § 850c ZPO eine Untergrenze.1363) In entsprechender Anwendung des § 850e Nr. 1 ZPO sind die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuer- oder sozialrechtlicher Verpflichtungen abzuführen sind, bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens herauszurechnen.1364) Dasselbe gilt für Versorgungsaufwendungen, Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk, zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge i. S. d. § 851c ZPO sowie für eine private Krankenversicherung.1365) Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen derartiger Bedürfnisse ist der Schuldner.1366)

(3) Abwägung durch das Insolvenzgericht? 505 § 850i Abs. 1 S. 2 und S. 3 ZPO sehen vor, dass in einem letzten Schritt die ermittelten wirtschaftlichen Verhältnisse und sonstigen Verdienstmöglichkeiten frei zu würdigen und mit entgegenstehenden überwiegenden Belangen der Gläubiger abzuwägen sind.1367) Ob die entsprechende Geltung dessen im Einklang mit den Besonderheiten des Insolvenzrechts steht, ist umstritten.1368) Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass eine derartige Abwägung im Insolvenzverfahren ausgeschlossen sein muss.1369)

506 Dem ist zuzustimmen. Das Vermögen des Schuldners unterliegt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzbeschlag und dient ausschließlich der gemein___________ 1360) Ahrens, NJW-Spezial 2011, 341 f. 1361) Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 129; Ahrens, NJW-Spezial 2011, 341. 1362) LG Bochum 18.8.2010 – 7 T 433/09 – ZInsO 2010, 1801, 1802; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2361. 1363) Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850i Rn. 3; Ahrens, NJW-Spezial 2011, 341. 1364) Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 123; Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 112; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2361. 1365) Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362; Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche des Selbstständigen bei Insolvenz, 112. 1366) Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 123; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850i Rn. 4. 1367) Instruktiv für das Einzelzwangsvollstreckungsrecht: Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.520, C.522. 1368) Dazu: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche des Selbstständigen in der Insolvenz, 113 f. 1369) So: Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362; Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 113 f.

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D. Laufender Unterhalt

schaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger.1370) Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ist dem Schuldner gem. § 80 Abs. 1 InsO entzogen. Es erübrigt sich daher, seine sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse in die Abwägung einzustellen. Auch eine Abwägung mit individuellen Gläubigerbelangen kommt nicht in Betracht.1371) Eine solche findet im Insolvenzverfahren aufgrund des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes i. S. d. § 1 InsO grundsätzlich nicht statt.1372) Im Übrigen spricht auch der Gleichlauf zu dem nicht selbstständigen Schuldner dagegen. Auch im Rahmen des § 850c ZPO ist eine solche Würdigung nicht vorgesehen.1373)

bb) Vollstreckungsmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten Dem Wortlaut und der Systematik nach ist § 850d ZPO allein auf die Pfändung 507 von Arbeitseinkommen zugeschnitten.1374) Es entspricht jedoch der überwiegenden Auffassung, dass aus Gründen der Gleichbehandlung von nicht selbstständigem und selbstständigem Schuldner, der Zugriff der Unterhaltsgläubiger auf den Vorrechtsbereich auch im Rahmen der Regelinsolvenz analog § 850d ZPO im Rahmen des § 850i ZPO möglich sein muss.1375) Über Einwendungen gegen die Vollstreckung gem. § 89 Abs. 2 S. 2 InsO i. V. m. § 850d ZPO entscheidet gem. § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht. Dasselbe gilt für Einwendungen gegen die bevorrechtigte Pfändung (vgl. § 89 Abs. 3 InsO), und zwar richtigerweise unabhängig davon, um welche Art der zwangsvollstreckungsrechtlichen Einwendung es sich handelt.1376)

b) Nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter Ergibt die Prognose des Insolvenzverwalters, dass die Betriebsfortführung sich für 508 die Masse als verlustbringend erweisen würde, gibt er sie frei.1377) Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das schuldnerische Einkommen, sondern auch auf die Vollstreckungsmöglichkeiten der Unterhaltsneugläubiger. Zwar normiert § 89 Abs. 2 S. 1 InsO ein Vollstreckungsverbot für freigegebenes Vermögen. Dieses greift jedoch ___________ 1370) Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 6; Büteröwe, in: Karsten Schmidt, InsO, § 35 Rn. 1. 1371) Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362; Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 113 f. 1372) Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362. 1373) So schon: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 113 f. 1374) Eingehend: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 117 f. 1375) Etwa: Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850i Rn. 5 f.; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362; Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 117 f. 1376) So auch: OLG Düsseldorf 23.1.2002 – 19 Sa 113/01 – NZI 2002, 388; Breuer, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 66; Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 119 f.; a. A.: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 99 f. 1377) Zu den Rechtsfolgen: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 277 ff.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

nur gegenüber Insolvenzgläubigern i. S. d. § 38 InsO.1378) Unterhaltsrechtliche Neugläubiger können, wie andere Neugläubiger auch, in das Vermögen aus freigegebener selbstständiger Tätigkeit vollstrecken.1379) Maßgeblich sind insoweit die §§ 808 ff. ZPO.1380)

509 Die Unterhaltsneugläubiger sind dabei nicht – wie bei der Vollstreckung gegenüber dem abhängig beschäftigten Schuldner – auf den Vorrechtsbereich des § 89 Abs. 2 S. 2 InsO i. V. m. § 850d ZPO beschränkt. Bei § 89 Abs. 2 S. 2 InsO handelt es sich um eine Privilegierung familienrechtlicher Gläubiger i. S. v. § 40 S. 1 InsO, die darauf zurückzuführen ist, dass die Unterhaltsneugläubiger wegen der Zuordnung des Neuerwerbs zur Insolvenzmasse nicht auf diesen zugreifen können.1381) Ist der Neuerwerb aufgrund der Freigabe des Insolvenzverwalters aber aus der Massebefangenheit herausgelöst, muss den unterhaltsrechtlichen Neugläubigern der Zugriff auf dieses freigegebene Vermögen auch möglich sein.1382) Andernfalls läge darin eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Neugläubigern. Der bevorrechtigte Bereich i. S. v. § 850d ZPO analog wird davon indes nicht berührt.1383) Dieser kommt ihnen zusätzlich zugute.

510 Der Antrag ist beim Vollstreckungsgericht zu stellen. Das oben vorgebrachte Sachnäheargument greift hier nicht, denn das Vermögen, in das vollstreckt werden soll, ist gerade nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst. Vor diesem Hintergrund ist auch die Abwägung mit den Belangen einzelner Gläubiger zulässig.1384)

511 Anzumerken ist insoweit jedoch, dass der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit regelmäßig nur dann freigeben wird, wenn seine Prognoseeinschätzung ergibt, dass diese andernfalls verlustbringend für die Masse sein könnte.1385) Hohe Einnahmen wird der Schuldner aus dieser freigegebenen Tätigkeit daher regelmäßig nicht erwirtschaften. Die Vollstreckungsmöglichkeiten und Befriedigungschancen der Unterhaltsneugläubiger sind daher wohl trotz allem eher gering.

___________ 1378) BGH 6.2.2014 – IX ZB 57/12 – ZInsO 2014, 496, 497; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 7; Breuer/Flöther, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 11; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 11. 1379) Breuer/Flöther, in: MüKo-InsO, § 89 Rn. 11; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 89 Rn. 7. 1380) Dazu: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 149 f. 1381) Vgl. dazu: Keller, in: Karsten Schmidt, InsO, § 89 Rn. 49. 1382) Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 6 Rn. 225. 1383) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 149. 1384) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 151. 1385) So auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 6 Rn. 221.

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D. Laufender Unterhalt

c)

Vollstreckungsrechtliche Besonderheiten in der Wohlverhaltensphase

aa) Abführungsobliegenheit nach § 295a Abs. 2 InsO Der durch die freigegebene selbstständige Tätigkeit gewonnene Neuerwerb ist nicht 512 massezugehörig.1386) Gem. § 295a Abs. 1 InsO (ehemals § 295 Abs. 2 InsO) trifft den Schuldner aber während der Wohlverhaltensphase eine Obliegenheit zur Abführung eines Betrags, der die Insolvenzgläubiger so stellt, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.1387) Diese Obliegenheit verdichtet sich nach der Rechtsprechung des BGH zu einer einklagbaren Pflicht, wenn der Schuldner tatsächlich einen Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit erzielt, der den unpfändbaren Betrag bei unselbstständiger Tätigkeit übersteigt.1388) Die Unterhaltspflichten werden dabei wie im Rahmen des § 850c ZPO berücksichtigt. Genügt der Schuldner dieser Verpflichtung nicht, gefährdet er die Erteilung der Restschuldbefreiung (vgl. §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 InsO). Seit Einführung des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens1389) kann er, soweit sein Insolvenzverfahren nach dem 30. Dezember 2020 beantragt wurde, die Höhe der an den Insolvenzverwalter bzw. an den Treuhänder abzuführenden Beträge gem. § 295a Abs. 2 InsO vom Insolvenzgericht verbindlich feststellen lassen.1390) Der Antrag muss dann die Eckpunkte für den gem. § 295a Abs. 1 InsO von dem Schuldner abzuführenden Betrag enthalten, d. h. er muss Angaben zu seiner Ausbildung und zu seinem beruflichen Werdegang sowie u. U. auch zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen glaubhaft machen.1391)

bb) Vollstreckung Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zur Verbraucherinsolvenz gezeigt 513 (o Rn. 492 f.), können die Unterhaltsneugläubiger auch während der Wohlverhaltensphase vollstrecken. Zuständiges Gericht ist das Insolvenzgericht (vgl. § 292 Abs. 1 S. 3 InsO i. V. m. § 36 Abs. 4 InsO). Erfolgt der Zugriff auf die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, gilt das Verfahren gem. § 850i ZPO. Die nach § 295a Abs. 1 InsO (ehemals § 295 Abs. 2 InsO) zu erbringenden Leistungen sind im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners anzuerkennen, wenn sie tatsächlich erbracht werden. Eine Angemessenheitsprüfung durch das Insolvenzge___________ 1386) BGH 18.4.2013 – IX ZR 165/12 – ZInsO 2013, 1146, 1148; 21.4.2005 – IX ZR 281/03 – BGHZ 163, 32, 35; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 278; Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 50. 1387) Auf die insoweit geltenden Einzelheiten kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Instruktiv dazu aber: A. Schmidt, ZVI 2014, 41. 1388) BGH 13.3.2014 – IX ZR 43/12 – NJW-RR 2014, 617, 618. 1389) BGBl. I 2020, 3328. 1390) Diese Neuregelung begrüßend: A. Schmidt, ZVI 2021, 41, 44. 1391) A. Schmidt, ZVI 2021, 41, 44 f.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

richt ist abzulehnen.1392) Zu beachten ist zudem, dass eine Einzelabwägung mit den Interessen des einzelnen Unterhaltsgläubigers nunmehr zulässig ist, da dem Schuldner nicht mehr, wie im Insolvenzverfahren, die Gläubigergesamtheit gegenübersteht.1393)

d) Zusammenfassung 514 Die Ausführungen haben gezeigt, dass die Situation von Unterhaltsneugläubigern selbstständiger Schuldner erheblich schlechter ist als die der Unterhaltsgläubiger von abhängig beschäftigten Schuldnern, da ihnen die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO nicht automatisch zugutekommen. Sie müssen erst selbst aktiv werden und einen Antrag nach § 850i ZPO stellen. Diese Ungleichbehandlung ist vor dem Hintergrund der Angleichung beider Verfahren und Art. 3 GG problematisch. Janlewing hält die Norm vor diesem Hintergrund sogar für verfassungswidrig.1394)

IV. In Conclusio: Notwendigkeit eines Anspruchs aus § 100 InsO für unterhaltsrechtliche Neugläubiger bei Gefährdung des Existenzminimums? 515 Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die vorhandene Systematik diverse Defizite aufweist.

1.

Regelungsdefizite

a) Missbrauchspotential durch Auszahlung zu Händen des (unredlichen) Schuldners 516 Zunächst stellt es sich als äußerst problematisch dar, dass die Auszahlung der Pfändungsfreibeträge zu Händen des Schuldners erfolgt. Dessen Redlichkeit kann aufgrund der Verdrossenheit mancher Unterhaltsschuldner nicht ohne Weiteres unterstellt werden.1395) Eine Kontrolle findet zwar dahingehend statt, dass nur demjenigen Schuldner Unterhalt ausgezahlt wird, der auch tatsächlich Unterhalt leistet. Der BGH lässt es in der Einzelzwangsvollstreckung dafür aber schon genügen, wenn der Schuldner nur einen kleinen Teil der Unterhaltsschuld tatsächlich bedient.1396)

517 Diese Rechtsprechung kann nach der hier vertretenen Auffassung aufgrund der Massebefangenheit des schuldnerischen Vermögens nicht in das Insolvenzrecht übertragen werden. Das schuldnerische Vermögen, zu dem gem. § 36 Abs. 1 InsO ___________ 1392) Dazu instruktiv: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 175 f.; a. A.: Ahrens, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 850i Rn. 46. 1393) So schon: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 176. 1394) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 101 ff. 1395) Dazu: A. Schmidt, ZVI 2020, 1, 2. 1396) BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753; 28.3.2007 – VII ZB 94/06 – NJW-RR 2007, 938, 939.

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D. Laufender Unterhalt

auch der Neuerwerb zählt, unterliegt mit Eröffnung des Verfahrens dem Insolvenzbeschlag und ist ab diesem Zeitpunkt dem Schuldner zur freien Disposition entzogen (vgl. § 80 Abs. 1 InsO).1397) Es dient dann der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger.1398) Eine irgendwie geartete Sonderbehandlung bedarf somit ab diesem Zeitpunkt der sachlichen Rechtfertigung. Eine solche ist, soweit der Schuldner den gegen ihn gerichteten Unterhaltsanspruch nicht in voller Höhe bedient, nach der hier vertretenen Auffassung nicht gegeben. Aus Sicht der Unterhaltsgläubiger besteht dann gerade kein Bedürfnis, den dem Schuldner zukommenden Grundfreibetrag zu erhöhen.1399) Im Übrigen verbleibt bislang für den unredlichen Schuldner auch ein bedenklich 518 weiter Missbrauchsspielraum, der mit den Grundsätzen des Insolvenzverfahrens nur schwer zu vereinbaren ist. Dieses soll gem. § 1 S. 2 InsO nur dem redlichen Schuldner zugutekommen.1400) Eine Bereicherung, die auf Kosten der Unterhaltsgläubiger erfolgt, ist damit nicht in Einklang zu bringen. Zum Teil kann dieser Missbrauchsgefahr zwar dadurch begegnet werden, dass das Insolvenzgericht eine Kontrolle dahingehend vornimmt, dass der Pfändungsfreibetrag nur dann erhöht wird, wenn der Schuldner tatsächlich in voller Höhe Unterhalt leistet. Zudem kann das Gericht dem unredlichen Schuldner – auf Antrag eines Insolvenzgläubigers hin – in einem solchen Fall auch die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO versagen.1401) Ein weitergehender Schutz für die Unterhaltsgläubiger resultiert daraus aber nicht. Zahlt der Schuldner nicht, verbleibt diesen nur noch das Vollstreckungsprivileg aus § 850d ZPO, das, wie gezeigt, aufgrund der in der Insolvenz typischerweise vorhandenen Mittellosigkeit in der Praxis kaum Abhilfe verschaffen kann.

b) Diskriminierung von Patchwork-Familien Weiterhin problematisch ist der Umgang mit faktischen Unterhaltspflichten.1402) 519 Mit der Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO auf gesetzliche Unterhaltspflichten geht eine Diskriminierung von Patchwork-Familien einher, die vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 GG und ___________ 1397) 1398) 1399) 1400) 1401) 1402)

Zum Insolvenzbeschlag: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 6. Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 6. So auch: Lissner, ZVI 2017, 9, 14. Vgl.: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 51 ff. Dazu: Ehlers, ZInsO 2013, 1386, 1392. Dazu: BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933; ebenso: LG Münster 31.1.2017 – 5 T 30/17 – BeckRS 2017, 104663; LG Heilbronn 28.11.2011 – 1 T 327/11 Hn – BeckRS 2011, 139772; LG Mosbach 23.3.2012 – 5 T 31/12 – ZInsO 2012, 799; A. Schmidt, ZVI 2018, 1, 2; Lackmann, ZVI 2017, 409 f.; Goebel ZVI 2008, 514, 515; Smid, in: MüKoZPO, § 850f Rn. 8; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 850f Rn. 2b; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, Rn. C.431.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

der gesellschaftlichen Lebensrealitäten problematisch ist.1403) Dies gilt einmal mehr, da mit Erlass des PKoFoG auch die Etablierung anderweitiger, und zunächst vorgesehener Schutzmeachnismen ausgeblieben ist.

520 Werden faktische Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO nicht berücksichtigt,1404) bringt dies den Schuldner in existenzielle Nöte.1405) Gerade im Laufe eines Insolvenzverfahrens aber, in dem der Schuldner zumeist ohnehin mittellos ist, ist dies vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots zur Sicherung des Existenzminimums problematisch. Die gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf Kosten des Staates bzw. des Steuerzahlers ist äußerst unangemessen.1406)

c)

Ungleichbehandlung der Einkommensarten

521 Im Übrigen erweist sich auch die Ungleichbehandlung der verschiedenen Einkommensarten als problematisch. Während dem Verbraucherschuldner die Pfändungsfreibeträge gem. § 850c ZPO ipso iure zukommen, muss der selbstständige Schuldner diese erst durch einen Antrag nach § 850i ZPO aktiv einfordern. Verfassungsrechtlich erscheint diese Ungleichbehandlung bedenklich.1407)

522 Bedenken bestehen insoweit vor allem im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG.1408) Dieser gewährleistet Gleichheit vor dem Gesetz, stellt also Gleichheit durch Gesetz bzw. durch Gesetzesanwendung her.1409) Wesentlich Gleiches muss danach gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt werden.1410) Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ist dabei an strenge Voraussetzungen geknüpft, die vom bloßen Willkürverbot bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung reichen.1411) Besonders streng ist die Bindung an diese Grundsätze bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen bzw. wenn ___________ 1403) So auch: LG Hamburg 22.12.2017 – 330 T 71/17 – ZVI 2018, 161; Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 112 ff. 1404) BGH 19.10.2017 – IX ZB 100/16 – NZI 2017, 931, 933. 1405) Kampf, in: PrivatinsRK, 1. Aufl. 2019, Anhang zu § 36 InsO, § 850f ZPO Rn. 7. 1406) So im Ergebnis auch: LG Bielefeld 28.1.2020 – 23 T 38/20 – ZVI 2020, 251, 252; Rein, ZVI 2018, 129, 130. 1407) Dazu eingehend: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 101 ff. 1408) So: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 101 ff. 1409) P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 72. 1410) BVerfG 23.10.1951 – 2 BvG 1/51 – BVerfGE 1, 14, 52; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 296. 1411) BVerfG 7.10.1980 – 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 – NJW 1981, 271, 272; 25.6.1974 – 1 BvL 11/73 – BVerfGE 37, 342, 353 f.; Britz, NJW 2014, 346, 347; Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, 272.

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D. Laufender Unterhalt

eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung von Personengruppen führt (sog. „Neue Formel“).1412) Bei der Entschuldung von privaten Verbindlichkeiten von Selbstständigen und 523 Verbrauchern handelt es sich um gleiche Sachverhalte, die nach dem Gleichheitssatz auch grundsätzlich gleich zu behandeln sind.1413) „Natürliche Personen“ sind sowohl solche, die eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. § 304 Abs. 1 S. 1 InsO ausüben, als auch solche, die diese Kriterien nicht erfüllen.1414) Ihre jeweilige Schuldbefreiung von privaten Verbindlichkeiten betrifft den gleichen rechtlichen Ordnungsbereich sowie übereinstimmende systematische Zusammenhänge.1415) Die Schulden resultieren jeweils aus der Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG. Während dabei der nicht selbstständige Schuldner seine Existenz durch sein Arbeitseinkommen sichert, sichert der Selbstständige seine durch wiederkehrende Leistungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste.1416) Die Ausgangssachverhalte sind insofern identisch. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung ist aus Sicht von Janlewing 524 vor diesem Hintergrund zu bejahen.1417) Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der Pfändungsschutzantrag gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i ZPO kann keinen gleichwertigen Ersatz für das Fehlen einer dem § 850c ZPO entsprechenden Regelung bilden.1418) Das jeweilige Schutzniveau ist nicht dasselbe. Dies folgt insbesondere daraus, dass der Selbstständige im Verfahren nach § 850i ZPO die Darlegungs- und Beweislast trägt, was für ihn ohne rechtlichen Beistand mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein dürfte.1419) Bis zur Entscheidung über den Antrag gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850i ZPO ist er zudem hilfebedürftig, wenn über den Antrag noch nicht entschieden wurde. Er ist dann gezwungen, das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG auf Gewährleistung

___________ 1412) Britz, NJW 2014, 346, 347. 1413) Zur Frage der Geltung einer verkürzten Entschuldungsfrist vgl. die auf die hiesige Fragestellung übertragbaren Erwägungen zur Gleichstellung der Verfahrensarten: L.-M. Schmidt, ZVI 2020, 121, 123 ff.; Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1453. 1414) Vgl.: Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, 274. 1415) Vgl. insoweit: BVerfG 19.12.2012 – 1 BvL 18/11 – NJW 2013, 1418; Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1453. 1416) Dazu bereits: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 103. 1417) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 103. 1418) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 103. 1419) Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 103; zur Darlegungs- und Beweislast im Verfahren: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850i Rn. 4.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

eines menschenwürdigen Existenzminimums geltend zu machen und Regelleistungen nach dem SGB II in Anspruch zu nehmen.1420)

525 Dies widerspricht dem Sinn und Zweck der Pfändungsschutzvorschriften und der Beschränkung der Insolvenzmasse auf das pfändbare Vermögen.1421) Dem Schuldner sollen durch die Zwangsvollstreckung gerade keine Mittel entzogen werden, die ihm der Staat aus sozialen Gründen mit Leistungen der Sozialhilfe im Anschluss wieder zur Verfügung stellen müsste.1422) Die Pfändungsschutzvorschriften sollen vielmehr seine wirtschaftliche Existenz erhalten, um – unabhängig von Sozialhilfe oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende – ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu können.1423) Staatliche Hoheitsakte dürfen demnach einzelnen Bürgern das sozialhilferechtlich geschützte Existenzminimum nicht entziehen. Dies gilt auch im Insolvenzverfahren. Durch den Verweis in § 36 Abs. 1 S. 2 InsO wird der Insolvenzbeschlag durch das Pfändungsrecht begrenzt.

526 Zu beachten ist in diesem Kontext auch, dass von der insoweit bestehenden Ungleichbehandlung zwischen den Verfahrensarten auch die Unterhaltsberechtigten des Schuldners betroffen sind, die unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG stehen. Unterhaltsneugläubiger sind – genauso wie der verpflichtete Schuldner – von dem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit existenziell abhängig.1424) Gleichwohl wird ihnen ein Grundfreibetrag nur dann ex ante zuerkannt, wenn der ihnen verpflichtete Schuldner Verbraucher i. S. d. § 304 Abs. 1 InsO ist und § 850c ZPO Anwendung findet. Ist der ihnen verpflichtete Schuldner dagegen selbstständig, sind sie auf den Antrag nach § 850i ZPO verwiesen, in dessen Rahmen sie grundsätzlich, ebenso wie der Schuldner selbst, darlegungs- und beweisbelastet sind.1425) Diese Ungleichbehandlung ist vor dem Hintergrund der ohnehin schon schwierigen Situation für Unterhaltsneugläubiger kaum zu ertragen. ___________ 1420) So schon: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 108; zum verfassungsrechtlich garantierten menschenwürdigen Existenzminimum: BVerfG 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 u. a. – NJW 2010, 505, 507; immerhin diese Schutzlücke anerkennend: Herchen/Morgen, § 100 Rn. 5. 1421) BSG 16.10.2012 – B 14 AS 188/11 R – ZVI 2013, 244, 246; BGH 16.6.2011 – VII ZB 12/09 – NJW-RR 2011, 1367; 28.1.2010 – VII ZB 16/09 – NJW-RR 2010, 642, 643; dazu: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 1 ff. 1422) BSG 16.10.2012 – B 14 AS 188/11 R – ZVI 2013, 244, 246; BGH 16.6.2011 – VII ZB 12/09 – NJW-RR 2011, 1367; 28.1.2010 – VII ZB 16/09 – NJW-RR 2010, 642, 643; 19.3.2004 – IXa ZB 321/03 – NJW-RR 2004, 789, 790; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 1 ff.; so auch: Steder, ZIP 1999, 1874, 1880. 1423) BSG 16.10.2012 – B 14 AS 188/11 R – ZVI 2013, 244, 246; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 1 ff.; vgl. auch: Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, § 811 Rn. 1; zu § 850c ZPO: Smid, in: MüKo-ZPO, § 850 Rn. 1. 1424) So auch schon: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 107. 1425) Vgl. Smid, in: MüKo-ZPO, § 850i Rn. 4.

196

D. Laufender Unterhalt

2.

Notwendigkeit der Ermessensreduzierung auf Null?

Vor dem Hintergrund dieser Schutzlücken bedarf es nach der hier vertretenen Auf- 527 fassung im Rahmen des § 100 InsO einer Ermessensreduzierung auf Null, soweit die wirtschaftliche Existenz des Schuldners bzw. seiner Unterhaltsgläubiger – wie in den aufgezeigten Situationen – nicht ausreichend über das Pfändungsrecht gesichert ist.1426) Dem Schuldner muss dann die Möglichkeit eingeräumt werden, Mittel zur Bestreitung seines notwendigen Lebensbedarfs aus der Insolvenzmasse zu beziehen. Soweit zum Teil vertreten wird, bei § 100 InsO handele es sich ausschließlich um eine Erweiterung des Handlungsinstrumentariums der Gläubiger bzw. des Verwalters zur Gestaltung des Verfahrens mit der Folge, dass eine darüber laufende Existenzsicherung des Schuldners ausscheide,1427) wird verkannt, dass die Vorschrift den Sicherungszweck der Pfändungsregelungen bei paralleler Geltung nicht aushebelt, sondern diesen vielmehr flankiert. In der Gesetzeshistorie finden sich immer wieder systematische Zusammenhänge 528 zwischen der Gewährung von Unterhalt aus der Insolvenzmasse und der Sicherung des Existenzminimums durch die Sozialhilfe. Der Regierungsentwurf zur Einführung einer Insolvenzordnung enthielt in § 114 RegE – der Vorgängernorm zu § 100 InsO – eine Vorschrift, die dem Schuldner bei entsprechender Bedürftigkeit einen Anspruch auf Unterhalt gegen die Insolvenzmasse gewährte.1428) Soweit die Möglichkeit bestand, den Lebensunterhalt des Schuldners auf diese Weise zu sichern, sollten die Mittel der Sozialhilfe nicht in Anspruch genommen werden.1429) Der Gesetzgeber sah demnach einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen § 114 RegE und den Regelungen zur Existenzsicherung im Sozialrecht. Zwar wurde die Vorschrift im weiteren Gesetzgebungsprozess dahingehend abgeändert, dass nur noch ein im Ermessen der Gläubigerversammlung stehender Anspruch für den Schuldner übrigblieb. Offensichtlich wurde dabei auch bewusst in Kauf genommen, dass die Unterhaltsberechtigten durch diese Änderung und in Verbindung mit den übrigen Neuregelungen im Hinblick auf den laufenden Unterhalt schlechter gestellt wurden als im bis dato geltenden Recht.1430) Wieder wurde zur Begründung dessen aber ein unmittelbarer Zusammenhang zu den Pfändungsvorschriften hergestellt, wegen derer ___________ 1426) Wohl auch: Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 100 Rn. 6; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 14; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 191; so im Ergebnis schon: OLG Frankfurt am Main 29.8.2000 – 26 W 61/00 – NZI 2000, 531, 532; LG Dortmund 6.1.2000 – 9 T 1397/99 – NZI 2000, 182, 183; a. A.: Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 3; wohl auch: Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 21 f., 28. 1427) Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 1; Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 7 Rn. 261 ff. 1428) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 143. 1429) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 143. 1430) Siehe etwa: Änderungsantrag der SPD-Fraktion v. 20.4.1994, BT-Drs. 12/7329, 3.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

sich dieser so begründete „Nachteil“ nicht erheblich auswirken würde.1431) § 100 InsO ist daher im Lichte der Mechanismen zur Sicherung des Existenzminimums für den Schuldner zu sehen und als eine diesem dienende Regelung einzuordnen.1432)

529 In systematischer Hinsicht spricht dafür nicht zuletzt auch die Regelung des § 278 Abs. 1 InsO. Diese räumt dem Schuldner einen Anspruch darauf ein, für sich und die in § 100 Abs. 2 S. 2 InsO genannten Familienangehörigen die Mittel aus der Insolvenzmasse zu entnehmen, die unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners eine bescheidene Lebensführung gestatten (o dazu ausführlicher Rn. 557 ff.). Dies zeigt, dass es dem Insolvenzrecht im Grundsatz nicht fremd ist, die Interessen des Schuldners und seiner Familie an einer hinreichenden Existenzsicherung gegenüber den Interessen der Insolvenzgläubiger an einer gemeinschaftlichen Befriedigung Vorrang einzuräumen.

530 Entgegen einiger Stimmen in der Literatur führt die Bejahung eines Anspruchs aus § 100 InsO in diesen Fällen auch nicht dazu, dass die Sicherung des Existenzminimums auf die Gläubiger abgewälzt wird.1433) Ein Verstoß gegen die Zielsetzung des Insolvenzverfahrens, der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, ist nicht ersichtlich. Den Gläubigern steht aufgrund des Insolvenzbeschlags ohnehin nur der Teil des schuldnerischen Vermögens für die gemeinschaftliche Befriedigung zu, den der Schuldner nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO nicht selbst für seinen notwendigen Lebensunterhalt benötigt.1434) Fällt die Quote dann in der Folge niedriger aus, liegt darin deswegen auch insbesondere kein „Sonderopfer“.1435) Ganz im Gegenteil: Eine Befriedigung der Gläubiger zulasten der Sozialhilfe käme einer Vergemeinschaftlichung von Schulden gleich, die schon wegen öffentlicher Allgemeininteressen abzulehnen ist und der Zielsetzung des Insolvenzbeschlags widerspricht.1436) Verbleiben mithin nach Anwendung der Pfändungsvorschriften Schutzlücken, gilt es diese durch § 100 InsO zu schließen. In dessen Rahmen bedarf es in solchen Fällen einer Ermessensreduzierung auf Null.

531 Dies gilt insbesondere auch bei Gefährdung des Existenzminimums minderjähriger Unterhaltsgläubiger. Ihre besondere Schutzwürdigkeit ergibt sich nicht nur aus diversen gesetzlichen Regelungen (o siehe dazu bereits Rn. 216 ff.), sondern gerade auch aus dem von dem BVerfG anerkannten, verfassungsrechtlich geschützten Mindestbedarf. Minderjährige Kinder unterliegen dem Arbeitsverbot. Von ihnen kann daher auch nicht verlangt werden, sich anderweitig um die Deckung ihres Lebensbedarfs zu bemühen. Auch der Verweis auf staatliche Auffanghilfen und ___________ 1431) 1432) 1433) 1434) 1435) 1436)

198

Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 167. A. A.: Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 1. So aber: Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 2 f. Zu dem dahinterstehenden Schutzgedanken: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 1 ff. Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 3. Dazu: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 1 ff.

D. Laufender Unterhalt

Ressourcen überzeugt insoweit nicht. Eine Entschuldung auf Kosten der Allgemeinheit ist nicht sachgerecht.

3.

Folgeproblem: Durchsetzbarkeit

Fraglich ist indes, wie der Schuldner einen entsprechenden Anspruch durchsetzen 532 kann, wenn die Gläubigerversammlung bzw. der Verwalter nicht von sich aus tätig werden. § 100 InsO enthält dazu keine Regelung.

a) Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung nach § 78 InsO? Eine Aufhebung der Beschlussfassung der Gläubigerversammlung durch das Insol- 533 venzgericht nach § 78 InsO kommt jedenfalls nicht Betracht.1437) Schon dem Wortlaut nach ist diese Vorschrift auf Anträge von absonderungsberechtigten Gläubigern, nachrangigen Insolvenzgläubigern und Anträge des Insolvenzverwalters begrenzt. Im Übrigen wäre dem Schuldner damit auch nicht geholfen. Die Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung würde nicht automatisch dazu führen, dass ihm Unterhalt aus der Insolvenzmasse gewährt werden würde.1438) Die Gläubigerversammlung müsste dann immer noch aktiv einen entsprechenden Beschluss fassen.

b) Vorzugswürdig: Aufsicht des Insolvenzgerichts nach § 58 InsO Vorzugswürdig ist daher der Rechtsweg über § 58 InsO.1439) Auf Antrag des 534 Schuldners oder eines Familienmitglieds i. S. d. § 100 Abs. 2 S. 2 InsO1440) sollte das Gericht nach der hier vertretenen Auffassung im Wege der Aufsicht nach § 58 InsO in den Fällen, in denen eine Pflicht zur Gewährung von Unterhalt nach § 100 Abs. 2 InsO besteht, weil das Existenzminimum des Schuldners nicht anderweitig gesichert ist, den Insolvenzverwalter dazu anhalten, die erforderlichen Zahlungen an den Schuldner oder dessen Familie zu veranlassen. Die Aufsicht ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und der allgemeinen Kompetenzverteilung im Insolvenzverfahren auf das Handeln des Insolvenzverwalters beschränkt.1441) Die Anweisung des Gerichts muss jedoch darüber hinaus auch Geltung für die Gläubiger___________ 1437) So aber: Allolio, FF 2000, 189, 194; Uhlenbruck, KTS 1999, 413, 418 f. 1438) Keller, NZI 2007, 316, 318. 1439) So auch: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 62; Grote, Einkommensverwertung und Existenzminimum, 92; wohl auch: Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 12; LG Dortmund 6.1.2000 – 9 T 1397/99 – NZI 2000, 182; dahin tendierend auch: OLG Frankfurt am Main 29.8.2000 – 26 W 61/00 – NZI 2000, 531; a. A.: Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 14; Wolgast, in: PrivatinsRK, § 100 Rn. 27 f.; Keller, NZI 2001, 449, 454; Uhlenbruck, KTS 1999, 413, 418. 1440) Für ein entsprechendes Antragsrecht des Schuldners: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 61; aber gegen ein Antragsrecht der Familie: dies., Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 63. 1441) So jedenfalls schon: Steder, ZIP 1999, 1874, 1880 f.; Stephan, ZInsO 2000, 376, 378 ff.

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Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

versammlung und einen ggf. bestehenden Gläubigerausschuss beanspruchen, da der durch die Aufsicht intendierte Schutz andernfalls ins Leere liefe.1442) Vor dem Hintergrund, dass die Gläubiger ihre Rechte auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse aus dem hoheitlichen Exekutionsakt des Insolvenzbeschlags herleiten, ist dies auch sachgerecht.1443) Eine gesetzliche Klarstellung wäre insoweit aber wünschenswert.

535 Im Übrigen ist die Unterhaltsgewährung zwingend auf den notwendigen Unterhalt i. S. d. § 100 Abs. 2 InsO und die darin aufgezählten Personen begrenzt. Notwendig in diesem Sinne ist der Betrag, der gem. §§ 27 bzw. 27a SGB XII (früher § 12 BSHG) als Hilfe zum Lebensunterhalt verlangt werden kann.1444) Dies kann etwa durch eine Bescheinigung des Sozialamts nachgewiesen werden.1445) Eine darüber hinausgehende Verringerung der Insolvenzmasse, die das Existenzminimum des Schuldners übersteigt, wäre vor dem Hintergrund der Ziele des Verfahrens nicht gerechtfertigt. Ebenso verhält es sich mit der Begrenzung auf die in § 100 Abs. 2 S. 2 InsO genannten Personen. Die darin enthaltene Beschränkung knüpft an §§ 850c, 850d ZPO an und ist auch für das Insolvenzverfahren interessengerecht.1446)

536 In der Praxis müsste es so weit indes gar nicht kommen. Dem Insolvenzverwalter, der schon von Amts wegen mit den Vermögensverhältnissen des Schuldners vertraut ist, ist es zuzumuten, im Einzelfall zu überprüfen, ob dem Schuldner die notwendigen Mittel zur Bestreitung seiner Existenz zur Verfügung stehen, und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, tätig zu werden.1447)

V. Fazit 537 Ein Anspruch des Schuldners auf Gewährung des notwendigen Unterhalts ist zu bejahen, wenn das Existenzminimum des Schuldners nicht anderweitig gesichert ist. Der Insolvenzverwalter muss dies nach der hier vertretenen Auffassung im Einzelfall überprüfen. Das Recht des Insolvenzverwalters nach § 100 Abs. 2 InsO, notwendigen Unterhalt zu gewähren, verdichtet sich in diesen Fällen zu einer rechtlichen Pflicht.1448) Kommt er seiner Verpflichtung nicht nach, hat das Insolvenzgericht ihn dazu im Wege der Aufsicht nach § 58 InsO zu verpflichten. Die Anweisung des Gerichts gilt dann auch ggü. der Gläubigerversammlung oder einem ___________ 1442) In eine ähnliche Richtung geht auch OLG Celle 21.1.2010 – 5 U 90/09 – BeckRS 2010, 17176, das zumindest davon ausgeht, dass der Schuldner das von der Gläubigerversammlung ausgeübte Ermessen gerichtlich nachprüfen lassen kann. 1443) Smid, InsO, § 100 Rn. 3; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 55. 1444) Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 24. 1445) Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 25. 1446) So auch: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 63. 1447) Dazu: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 53. 1448) So bereits: Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 806.

200

E. Anfechtungsfestigkeit des Unterhalts?

Gläubigerausschuss. Der Anspruch ist auf den notwendigen Unterhalt i. S. d. § 100 Abs. 2 S. 1 InsO begrenzt und kommt nur den in § 100 Abs. 2 S. 2 InsO aufgezählten Personen zugute.

E. Anfechtungsfestigkeit des Unterhalts? Eine laufende Unterhaltszahlung ist als entgeltliche Vermögenszuwendung zu quali- 538 fizieren, die im Grundsatz der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unterliegt.1449) Daraus folgt, dass vor Eröffnung geleisteter Unterhalt, sofern der Schuldner diesen zehn Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und der andere Teil zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz kannte, im Wege der Insolvenzanfechtung nach Maßgabe des § 143 InsO zur Masse gezogen werden kann (vgl. § 133 Abs. 1 InsO). Dies gilt freilich nur, soweit die in beweisrechtlicher Hinsicht gestellten Anforderungen erfüllt werden (o siehe dazu bereits Rn. 131 f.). Ob dabei angenommen werden kann, dass ein Schuldner, der die gegenüber seinen 539 Angehörigen bestehenden Unterhaltsverpflichtungen bedient, mit Benachteiligungsvorsatz handelt, ist in der Literatur schon seit geraumer Zeit umstritten. Zum Teil wurde insoweit angenommen, ein Schuldner, der aus den vorhandenen Geldmitteln den laufenden Unterhalt für sich und seine Familie gedeckt habe, handele per se nicht vorsätzlich, auch wenn er sich dabei bewusst gewesen sei, dass er dadurch die Geldmittel seinen Gläubigern als Befriedigungsobjekt entzieht.1450) Andere sahen dies differenzierter und hielten das Vorliegen von Benachteiligungsvorsatz auch dann nicht für ausgeschlossen.1451) Mit dieser Problematik hat sich nunmehr auch der BGH befasst.1452) In seiner dazu 540 ergangenen Entscheidung aus dem Jahr 2019 setzte er sich nicht nur mit der Frage auseinander, ob die Unterhaltszahlung im Grundsatz anfechtbar ist, sondern beschäftigte sich auch mit den Anforderungen an den insoweit vorhandenen Benachteiligungsvorsatz.

I.

Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO

Nach Auffassung des BGH ermöglicht § 133 Abs. 1 InsO im Grundsatz die An- 541 fechtung von Unterhaltsleistungen, und zwar sogar dann, wenn diese sich im Rahmen ___________ 1449) BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478; 11.11.1954 – IV ZR 64/54 – BB 1955, 236; Kayser/Freudenberger, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 35; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 171. 1450) Ponath, in: Asset Protection im deutschen Recht, 14. 1451) Kayser/Freudenberger, in: MüKo-InsO, § 133 Rn. 35; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 133 Rn. 171. 1452) BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478; siehe dazu auch: Schmidt/Gundlach, DStR 2020, 57, 58 f.; a. A. noch: BGH 11.11.1954 – IV ZR64/54 – BB 1955, 236.

201

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

des Existenzminimums des Unterhaltsempfängers bewegen.1453) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das sich aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG ergibt, steht dem seiner Meinung nach nicht entgegen. Das Grundrecht verpflichte den Staat zwar dazu, dem Hilfebedürftigen die materiellen Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins zur Verfügung zu stellen. Dies gelte jedoch nur für den Zeitpunkt, in dem dieser Bedarf auch tatsächlich bestehe.1454) Es sei insbesondere nicht die Aufgabe des Staates, den Hilfebedürftigen – oder dessen Rechtsnachfolger – davor zu bewahren, Geldbeträge zurückzahlen zu müssen, deren Verfügbarkeit in der Vergangenheit dazu beigetragen habe, einen damals bestehenden elementaren Lebensbedarf zu decken.1455)

II. Anforderungen an den Nachweis eines Benachteiligungsvorsatzes 542 In einem zweiten Schritt stellte der BGH sodann aber erhöhte Anforderungen an den zu erbringenden Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes auf.

543 Er erkannte an, dass Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n BGB einem Elternteil zustehen, sowohl in der Einzel- als auch in der Gesamtvollstreckung gegen den Unterhaltsverpflichteten in mehrfacher Hinsicht begünstigt seien, und entschied vor diesem Hintergrund, dass der unterhaltsverpflichtete Schuldner trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe, wenn dieser Unterhaltszahlungen vornehme und sich die einzelnen Unterhaltszahlungen in einer Größenordnung bewegten, die es nahelegten, dass es sich wirtschaftlich um Zahlungen aus dem zu Gunsten der Unterhaltsgläubiger pfändungsgeschützten Teil des Einkommens handele.1456) Dies gelte auch dann, wenn der Unterhaltsanspruch zum Zeitpunkt der Vornahme der Zahlung bereits auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen sei.1457) Das Vertrauen darauf, dass die Privilegierung von Unterhaltsansprüchen auch im Insolvenzverfahren berücksichtigt wird, hielt er offensichtlich für schützenswert.

544 Der Insolvenzverwalter ist aus diesem Grund nunmehr dazu verpflichtet, in solchen Fällen weitere Umstände darzulegen und zu beweisen, die für einen Benachteiligungsvorsatz sprechen. In der Praxis wird ein derartiger Beweis jedoch nur selten zu führen sein.

___________ 1453) 1454) 1455) 1456) 1457)

202

BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478, 480. BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478, 480. BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478, 480. BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478, 482 f. BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478, 482.

E. Anfechtungsfestigkeit des Unterhalts?

III. Bewertung Der insoweit vorgenommenen Wertung des BGH ist im Ergebnis zuzustimmen. 545 Auch wenn der BGH dies nicht ausdrücklich so benennt, haben die durch die Entscheidung aufgestellten Anforderungen an den Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes zur Folge, dass im Hinblick auf Unterhaltszahlungen, die in der Vergangenheit vorgenommen worden sind, keine Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO zu befürchten ist, soweit die Zahlungen sich im Rahmen der vom Pfändungsrecht vorgegebenen Grenzen, insbesondere also der Grenzen des § 850c ZPO, bewegen. Der BGH erkannte damit – über einen argumentativen Umweg – im Ergebnis an, dass den Unterhaltsberechtigten dieser Betrag nicht – auch nicht im Nachhinein – entzogen werden darf. Vor dem Hintergrund der bereits dargelegten Bedeutung des Unterhalts für das wirtschaftliche Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten (o dazu Rn. 216 ff.) und dem Zweck der Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c Abs. 1 ZPO (o dazu Rn. 420 ff.) ist dies ausdrücklich zu befürworten. Wünschenswert wäre indes gewesen, dass der BGH auch im Hinblick auf die Frage 546 der grundsätzlichen Anfechtbarkeit solcher der Sicherung des Existenzminimums dienenden Zahlungen „Farbe bekannt“ und die Anfechtbarkeit für diese verneint hätte. Dafür, diese Zahlungen von der Anfechtung auszunehmen, sprechen vor allem teleologische Erwägungen. Die Anfechtung von Unterhaltszahlungen, die in der Vergangenheit der Sicherung 547 des Existenzminimums des Berechtigten dienten, führt in letzter Konsequenz dazu, dass die Insolvenzgläubiger – im Nachhinein – auf Kosten der Unterhaltsgläubiger befriedigt werden. Richtig ist zwar, dass der in der Vergangenheit gezahlte Unterhalt keinen akuten Bedarf mehr deckt. Der BGH unterliegt aber einem Trugschluss, wenn er offensichtlich meint, die Unterhaltsgläubiger hätten vor diesem Hintergrund in finanzieller Hinsicht und im Hinblick auf ihr Existenzminimum nichts zu befürchten. In der Vergangenheit erhaltene Unterhaltszahlungen zurückzahlen zu müssen, während der laufende Unterhalt im Rahmen des Verfahrens zugleich auf die in § 850c ZPO gesetzten Grenzen beschränkt wird, bedeutet eine enorm hohe finanzielle Belastung für Unterhaltsgläubiger, die der – nicht zuletzt verfassungsrechtlichen – Bedeutung ihrer Ansprüche nicht gerecht wird, deren Wirkung konterkariert und im schlimmsten Fall dazu führt, dass der betroffene Unterhaltsgläubiger in finanzielle Notlagen gerät. Dem bereits eingangs beschriebenen notwendigen Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen wird diese Wertung, die offensichtlich davon ausgeht, der quotalen Befriedigung der Insolvenzgläubiger komme insoweit ein größeres Gewicht zu, nicht gerecht.

203

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

F. Annex: Die Berücksichtigung von Unterhaltsgläubigern in den anderweitigen in der Insolvenzordnung vorgesehenen Möglichkeiten zur Entschuldung 548 Im Folgenden soll abschließend und im Überblick aufgezeigt werden, inwieweit Unterhaltsforderungen in den anderweitigen Entschuldungsmöglichkeiten Berücksichtigung finden können.

I.

Schuldenbereinigungsplan

1.

Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan

549 Die Beantragung eines Insolvenzverfahrens setzt das Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuches voraus, der die Erstellung und Annahme eines Schuldenbereinigungsplans beinhaltet (vgl. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Da die Insolvenzordnung keine Vorgaben hinsichtlich Form und Inhalt des Plans enthält, sondern insoweit der Grundsatz der Privatautonomie gilt,1458) wird in der Literatur vereinzelt diskutiert, ob und inwieweit Unterhaltsforderungen in diesen einbezogen werden sollten.

550 Gläubiger rückständiger Unterhaltsforderungen, die ab Eröffnung des Verfahrens zu Insolvenzgläubigern werden, sind in jedem Fall einzubeziehen.1459) Dies ergibt sich bereits daraus, dass diese im Verfahren grundsätzlich mit sonstigen Insolvenzgläubigern gleichgesetzt werden. Schwieriger gestaltet sich aber die Frage, inwieweit auch laufende Unterhaltsforderungen in den außergerichtlichen Plan einbezogen werden sollten. Diese nehmen – wie gezeigt – gerade nicht am Verfahren teil.

551 Ihre Berücksichtigung ist aber dennoch empfehlenswert.1460) Zum einen kann so die Motivation des Unterhaltsgläubigers gesteigert werden, dem Schuldenbereinigungsplan zuzustimmen.1461) Zum anderen kann auch nur dann eine sinnvolle Schuldenbereinigung erreicht werden, wenn sämtliche Verpflichtungen des Schuldners berücksichtigt werden.1462)

2.

Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan

552 Nachdem der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan gescheitert ist, kann der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Das Insolvenzgericht ___________ 1458) Stephan, in: Karsten Schmidt, InsO, § 305 Rn. 8; Ritter, in: HambKomm, InsO, § 305 Rn. 2; Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 305 Rn. 17; Butenob, in: PrivatinsRK, § 305 Rn. 6. 1459) Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 123. 1460) So: Keller, NZI 2007, 316, 318; Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 124 f.; Kohte, in: Kölner Schift, 781, 793; Uhlenbruck, KTS 1999, 413, 425. 1461) Dazu: Keller, NZI 2007, 316, 318. 1462) So: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 125.

204

F. Unterhalt bei anderweitigen Möglichkeiten zur Entschuldung

entscheidet dann über den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan (vgl. § 306 Abs. 1 S. 1 InsO). Dieser kann von dem vorgerichtlichen Plan abweichen.1463) Auch dieser Plan unterliegt im Grundsatz der Privatautonomie.1464) Er muss jedoch 553 gem. § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO geeignet sein, unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse zu einer angemessenen Schuldenbereinigung zu führen. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen ist damit für diesen Fall ausdrücklich normiert. Nach Auffassung des Rechtsausschusses sollte dadurch klargestellt werden, dass den Unterhaltspflichten vorrangige Bedeutung beigemessen wird.1465) Unterhaltsforderungen sind mithin auch in diesem Rahmen zu berücksichtigen.1466)

3.

Insolvenzplanverfahren

Im Falle eines Insolvenzplans i. S. d. §§ 217 ff. InsO, der seit der Gesetzesreform 554 von 2014 eine gleichberechtigte Alternative zum normalen Verfahrensgang auch im Verbraucherinsolvenzverfahren darstellt,1467) stellt sich die Frage, ob das Gericht die Zustimmung zu den Regelungen gem. § 245 InsO auch gegen den Willen der familienrechtlichen Gläubiger mit der Folge erteilen kann, dass die Wirkungen des Plans nach rechtskräftiger Bestätigung auch ihnen gegenüber eintreten (vgl. § 254 Abs. 1 S. 3 InsO).1468) Insoweit muss abermals zwischen rückständigen und laufenden Unterhaltsforderungen unterschieden werden. Unterhaltsrechtliche Insolvenzgläubiger nehmen, wie alle anderen Insolvenzgläu- 555 biger, als Beteiligte am Planverfahren teil.1469) Für sie existieren insoweit keine Sonderregelungen. Ihre Rechte können gleichsam durch den Insolvenzplan beschnitten werden. Eine Zustimmungsersetzung durch das Gericht ist somit auch gegen ihren Willen denkbar.1470) Auch Gläubiger laufender Unterhaltsansprüche können im Insolvenzplan bedacht 556 werden.1471) Dies ist, vor dem Hintergrund der damit einhergehenden Motivation ___________ 1463) 1464) 1465) 1466) 1467) 1468) 1469) 1470) 1471)

Ritter, in: HambKomm, InsO, § 305 Rn. 28. Sternal, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 f. Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 191. So auch: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 132 f.; Allolio, FF 2001, 9, 14; Kohte, in: Kölner Schrift, 781, 793; Uhlenbruck, KTS 1999, 413, 428 f. RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 34 f. Diese Frage aufwerfend: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 10 Rn. 296. Paul, DZWIR 2009, 186, 187. So auch schon: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 10 Rn. 296 f. Dazu: Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 13; Paul, DZWIR 2009, 186, 188; so auch schon: Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473, 1475.

205

Dritter Teil: Notwendigkeit der Absicherung des Unterhalts

für die Unterhaltsgläubiger, dem Plan zuzustimmen, empfehlenswert.1472) Eine Zustimmungsersetzung gegen den Willen dieser Gläubiger ist nach der hier vertretenen Auffassung indes nicht möglich.1473) Gläubiger laufender Unterhaltsansprüche nehmen, soweit sie den Regelungen nicht ausdrücklich zugestimmt haben, nicht als Beteiligte am Verfahren teil, sodass die Wirkungen auch nicht für und gegen sie eintreten können (Umkehrschluss aus § 254 Abs. 1 InsO).1474) Wird insoweit in ihre Rechte eingegriffen, steht ihnen ein Beschwerderecht zu.1475)

II. Eigenverwaltung 557 Der private Lebensunterhalt des Schuldners und seiner engsten Familienangehörigen wird in der Eigenverwaltung durch § 278 InsO gesichert.1476) Nach dessen Absatz 1 ist der Schuldner berechtigt, für sich und die in § 100 Abs. 2 S. 2 InsO genannten Familienangehörigen aus der Insolvenzmasse die Mittel zu entnehmen, die unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners eine bescheidene Lebensführung gestatten. Dieses Recht ist zwar gegenüber anderen Möglichkeiten zur Deckung des Lebensbedarfs subsidiär.1477) Es handelt sich nach einhelliger Auffassung aber um einen Rechtsanspruch.1478) Die Entnahme ist insbesondere auch nicht, wie im Rahmen des § 100 InsO, von der Genehmigung der Gläubigerversammlung oder des Sachwalters abhängig.1479) Die Situation gestaltet sich für den Schuldner im Eigenverwaltungsverfahren somit im Ergebnis vorteilhafter.1480)

558 Soweit es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt, die einer abhängigen Beschäftigung nachgeht, stehen ihm zunächst die unpfändbaren Beträge i. S. d. §§ 850 ff. ZPO zu.1481) Diese unterfallen, wie bereits festgestellt (o siehe ___________ 1472) Insoweit zum außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, vgl.: Keller, NZI 2007, 316, 318. 1473) A. A.: OLG Düsseldorf 24.9.2008 – 8 UF 212/07 – NZI 2008, 689; insoweit bereits kritisch: Paul, DZWIR 2009, 186, 187. 1474) Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 40 Rn. 13; Paul, DZWIR 2009, 186, 188; dazu auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 10 Rn. 301 f. 1475) BGH 29.10.2007 – 2/0 T 198/07 – NZI 2008, 110 f., für den Fall, dass in die Rechtstellung eines zur Aussonderung berechtigten Gläubigers eingegriffen wurde; dazu auch: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 10 Rn. 301 f. 1476) Fiebig, in: HambKomm, InsO, § 278 Rn. 1; Undritz, in: Karsten Schmidt, InsO, § 278 Rn. 1; a. A.: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 7 Rn. 267, die der Auffassung ist, § 278 InsO diene, ebenso wie § 100 InsO, nicht der Existenzsicherung des Schuldners. 1477) RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 225; Morgen/Baumgarten, ZVI 2018, 267, 268. 1478) Beschlussempf. und Bericht des Rechtsausschusses v. 19.4.1994, BT-Drs. 12/7302, 186 zu § 339; Kern, in: MüKo-InsO, § 278 Rn. 11; Undritz, in: Karsten Schmidt, InsO, § 278 Rn. 1; Fiebig, in: HambKomm, InsO, § 278 Rn. 7; a. A.: Janlewing, Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis, § 7 Rn. 267 ff., die darin die Parallelvorschrift zu § 100 InsO sieht. 1479) Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 278 Rn. 1. 1480) So auch: Morgen/Baumgarten, ZVI 2018, 267, 268. 1481) Kern, in: MüKo-InsO, § 278 Rn. 16; Fiebig, in: HambKomm, InsO, § 278 Rn. 2.

206

F. Unterhalt bei anderweitigen Möglichkeiten zur Entschuldung

dazu bereits Rn. 420 ff.), von vornherein nicht dem Insolvenzbeschlag. Darüber hinausgehender Unterhalt kann ihm nur gewährt werden, wenn dies unter Berücksichtigung seiner bisherigen Lebensverhältnisse angemessen erscheint und der Betrag die Grenzen einer bescheidenen Lebensführung nicht überschreitet. Was dies im Einzelnen bedeutet, ist umstritten. Einigkeit besteht nur insoweit, dass dadurch kein üppiger Lebensstil ermöglicht werden soll und das Entnahmerecht auf einen angemessenen Betrag begrenzt werden sollte.1482) Die Pfändungsgrenzen können dabei einen Orientierungspunkt bilden.1483) Auch der Rechtsgedanke des § 850c Abs. 4 InsO ist zu berücksichtigen.1484) Jedenfalls gehen die zu einer bescheidenen Lebensführung notwendigen Mittel aber über den notwendigen Unterhalt i. S. d. § 100 Abs. 2 InsO hinaus.1485) Entscheidend ist immer der Einzelfall.1486) Über den zu einer bescheidenen Lebensführung erforderlichen Betrag hinausge- 559 hender Unterhalt kann nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung gewährt werden.1487)

___________ Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 278 Rn. 4 f.; Kern, in: MüKo-InsO, § 278 Rn. 17. Undritz, in: Karsten Schmidt, InsO, § 278 Rn. 4; Morgen, in: PrivatinsRK, § 278 Rn. 10. Fiebig, in: HambKomm, InsO, § 278 Rn. 5; Morgen, in: PrivatinsRK, § 278 Rn. 11. RegE v. 15.4.1992, BT-Drs. 12/2443, 225; Undritz, in: Karsten Schmidt, InsO, § 278 Rn. 4 und Morgen/Baumgarten, ZVI 2018, 267, 268; a. A., die für eine Untergrenze in Höhe des „notwendigen“ Unterhalts plädiert: Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 278 Rn. 5; Kern, in: MüKo-InsO, § 278 Rn. 17. 1486) Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 278 Rn. 5. 1487) Morgen, in: PrivatinsRK, § 278 Rn. 10; Fiebig, in: HambKomm, InsO, § 278 Rn. 4.

1482) 1483) 1484) 1485)

207

Vierter Teil: Ergebnis 1. Von den Bestimmungen des Familienrechts abgesehen, gibt es kaum einen Rege- 560 lungsbereich, der so tiefgreifende Auswirkungen auf die persönlichen Beziehungen des Schuldners zu seiner Familie hat, wie das Insolvenzrecht.1488) Eine eigenständige Systematik zur Lösung der dadurch entstehenden Konflikte hält die Insolvenzordnung gleichwohl nicht bereit. Zwar hat sich der Gesetzgeber, wie gezeigt, bei Einführung der Insolvenzordnung noch mit dem Schutz der Familie bei Insolvenz auseinandergesetzt und ein dahingehendes Regelungsbedürfnis zunächst anerkannt (o Rn. 12 ff.). Letztlich konnten sich jedoch weder der Vorschlag, den Schutz der Familie der Insolvenzordnung als Programmsatz voranzustellen, noch der Vorschlag, die Restschuldbefreiung auf den familiären Haftungsverbund zu erstrecken, durchsetzen. Auch in den darauffolgenden InsO-Reformen ist die Etablierung einer umfassenden Regelungssystematik zum Schutz der Familie ausgeblieben (o Rn. 22 ff.). Den Schutz der Familie in der Insolvenz sieht der Gesetzgeber in letzter Konsequenz offensichtlich nicht als wesentlich genug an. Dies wird seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung im Hinblick auf Art. 6 GG nicht gerecht. 2. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der schuldnerischen Familie wird durch 561 das Insolvenzverfahren nicht unerheblich beeinträchtigt. Nicht selten bilden das Arbeitseinkommen oder die Einkünfte bei Selbstständigen die einzig relevante Einnahmequelle des Familienverbunds, so dass der Massebeschlag dieser Einkünfte die Familie – trotz des von den §§ 850 ff. ZPO ausgehenden Schutzes – stark belastet (o Rn. 34 ff.). Auch die Ehe des Schuldners wird durch die Insolvenz des Schuldners nicht unerheblich tangiert (o Rn. 73 ff.). Dem Wesen der Ehe liegt als fundamentales Prinzip die Verantwortung füreinander zugrunde, die insbesondere in der Pflicht zum wechselseitigen Beistand und in Garantenpflichten zum Ausdruck kommt (vgl. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB).1489) Zum Kernbereich dieser ehelichen Solidarität gehört nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch der Versorgungsaspekt.1490) Im Kontext eines Insolvenzverfahrens geht damit einher, dass der nicht insolvente Ehegatte ggf. nach § 1360a Abs. 4 BGB zur Begleichung der Verfahrenskosten in Anspruch genommen wird und eine Absonderung für ihn wegen der Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB erschwert ist (o Rn. 74 ff., 91 ff.). Eine präventive Absicherung der Familie vor diesen Verfahrenswirkungen im 562 Rahmen von Asset Protection Maßnahmen ist selbst bei planvollem Agieren nur begrenzt wirkungsvoll. Versuche des Schuldners, seine Familie abzusichern, laufen ___________ 1488) So auch: G. Pape, Insbüro 2009, 162; vgl. dazu auch: K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 4 ff. 1489) Roth, in: MüKo-BGB, § 1353 Rn. 22. 1490) Vgl.: BGH 26.7.2001 – III ZR 172/00 – NJW 2001, 3541; Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1353 Rn. 5.

209

Vierter Teil: Ergebnis

insoweit leer, wie die vorgenommenen Rechtshandlungen den Anfechtungsvorschriften nach §§ 129 ff. InsO unterliegen (o Rn. 118 ff.). Für die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften (o Rn. 151 ff.) kommt es nach Auffassung des BGH vordergründig auf die objektive Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung an.1491) Maßgeblich für die Abgrenzung sollen aber daneben auch subjektive Kriterien sein. Beiderseitige Fehlvorstellungen über die Werthaltigkeit bei objektiver Wertlosigkeit sind daher zu berücksichtigen.1492)

563 Dies kann der Familie bei der Absicherung von Vermögen „in die Karten spielen“, wenn die Ehegatten etwa von der Werthaltigkeit eines Zugewinns ausgehen und der eine Ehegatte in dem Glauben auf dessen Geltendmachung verzichtet, während der Schuldner im Gegenzug das Eigentum an einem Grundstück überträgt. Der diesem Rechtsgeschäft zugrundeliegende Irrtum kann dann dazu führen, dass das Rechtsgeschäft als entgeltlich qualifiziert wird und die erleichterten Anfechtungsvoraussetzungen der Schenkungsanfechtung nicht greifen, obgleich sich die Eigentumsübertragung durch den Schuldner als objektiv unentgeltlich darstellt.

564 Letztlich hat sich in Bezug auf die Kriterien zur Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtshandlungen in der Rechtsprechung aber noch kein verlässliches System entwickelt, an dem der Schuldner sein Verhalten ausrichten könnte. Im Rahmen der für die Anfechtung maßgeblichen Zeiträume, sind Asset ProtectionMaßnahmen zum Schutz der Familie daher nur eingeschränkt geeignet. Hinzu kommt, dass Rechtsgeschäfte mit nahestehenden Personen für den Zeitraum von zwei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 133 Abs. 4, 138 InsO ohnehin unter „Generalmissbrauchsverdacht“ gestellt werden (o Rn. 137 ff.).

565 3. Diese Erkenntnisse belegen einmal mehr, dass es einer hinreichenden Absicherung des gesetzlichen Unterhalts im Verfahren bedarf. Beim gesetzlichen Unterhalt handelt es sich um eine Form der Lebenshilfe, die unmittelbar mit dem verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum korrespondiert (o Rn. 216 ff.).1493) Die Insolvenzordnung beschäftigt sich gleichwohl lediglich an zwei Stellen mit ihm, namentlich in § 40 S. 1 InsO und in § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO. Eine eigenständige Systematik existiert insoweit nicht. Dies wird der – nicht zuletzt auch verfassungs___________ 1491) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/05 – NZI 2017, 68, 69; 3.3.2005 – IX ZR 441/00 – BGHZ 162, 276; 29.11.1990 – IX ZR 29/90 – BGHZ 113, 98, 102; 28.2.1991 – IX ZR 74/90 – BGHZ 113, 393, 395 f. 1492) BGH 15.9.2016 – IX ZR 250/05 – NZI 2017, 68, 69; dazu auch: Kayser/Freudenberg, in: MüKo-InsO, § 134 Rn. 40; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 134 Rn. 32a; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 134 Rn. 29. 1493) So für den Kindesunterhalt: RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 27; Pauling/Maier, in: Schulz/Hauß, FamR, § 1610 Rn. 16; vgl. die Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz des Existenzminimums: BVerfG 10.11.1998 – 2 BvL 42/93 – NJW 1999, 561, 564; 14.6.1994 – 1 BvR 1022/88 – NJW 1994, 2817, 2818; 25.9.1992 – 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91 – NJW 1992, 3153, 3154.

210

Vierter Teil: Ergebnis

rechtlichen – Bedeutung des Unterhalts für das wirtschaftliche Auskommen der Berechtigten nicht gerecht. a) Forderungen aus rückständigem Unterhalt gehören seit dem Gesetz zur Verkür- 566 zung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte dem Katalog der unter den Voraussetzungen des § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen an.1494) Die besondere Schutzwürdigkeit der Unterhaltsgläubiger ist damit seither auch in der Insolvenzordnung – zumindest in der Theorie – anerkannt. Die in der Literatur vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 302 Nr. 1 InsO, insbesondere im Hinblick auf eine damit verbundene angebliche Entwertung der Restschuldbefreiung, haben sich nicht durchgesetzt (o siehe zu den dazu vorgebrachten Bedenken Rn. 304 ff.). Dies ist vor dem Hintergrund der Berichte aus der Praxis, worin Internetforen beschrieben werden, in denen sich zur Unterhaltsleistung verpflichtete Väter austauschen und die Nichtleistung des Unterhalts zu „so etwas wie einen Volkssport“ machen, in höchstem Maße zu begrüßen.1495) Die Untersuchung hat gleichwohl gezeigt, dass eine praktische Verbesserung für 567 Unterhaltsgläubiger mit der Ausweitung der Regelung nicht einhergegangen ist (o zu den Hauptanwendungsproblemen Rn. 345 ff.). Im Umgang mit dem zu durchlaufenden Verfahren herrschen zu viele Unsicherheiten. Die Hürden für die Durchsetzung entsprechender Forderungen sind nach wie vor zu groß. An der Effizienz der Regelung des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO bestehen vor diesem Hintergrund erhebliche Zweifel. aa) Unterhaltsberechtigte Gläubiger halten sich schon bei der Anmeldung entspre- 568 chender Forderungen wie kaum eine andere Gläubigergruppe zurück.1496) Offensichtlich fehlt es insoweit oft an Durchsetzungskraft bzw. auch an Durchsetzungswillen (o dazu schon Rn. 340 ff.).1497) Nach der Ausweitung des § 302 Nr. 1 InsO muss der Gläubiger immerhin nicht mehr nachweisen, dass er durch die Unterlassungen des Schuldners in seinem Lebensunterhalt gefährdet ist – wie dies noch bei der vormaligen Regelung bei Geltendmachung eines deliktischen Anspruchs wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 Abs. 1 StGB der Fall war.1498) Die an ihn im Rahmen der Anmeldung gestellten Anforderungen sind somit im Ergebnis gesunken, was zu begrüßen ist.1499) Wegen des fortbestehenden Schutzzwecks des § 174 Abs. 2 InsO muss die Rechtsprechung des BGH zur Anmeldung einer Forderung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 ___________ 1494) 1495) 1496) 1497) 1498) 1499)

RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 16. A. Schmidt, ZVI 2020, 1, 2. A. Schmidt, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 1, 4; ders., ZVI 2020, 1. A. Schmidt, ZVI 2020, 1. Dazu: RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32. Streck, in: HambKomm, InsO, § 302 Rn. 5; Grunicke, ZVI 2014, 361, 362.

211

Vierter Teil: Ergebnis

Abs. 1 StGB im Wesentlichen aber fortgelten (o zu der Rechtsprechung des BGH Rn. 273 ff.). Es bleibt also dabei, dass die Forderung dergestalt zur Tabelle angemeldet werden muss, dass der aus ihr hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmbar ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird.1500)

569 Gleichwohl gilt es bei dem zu erwartenden Umfang und der Qualität von Sachverhaltsangaben auch die tatsächlichen Möglichkeiten des typischen Unterhaltsgläubigers zur Ermittlung des Sachverhalts zu berücksichtigen.1501) Die Beifügung sämtlicher maßgeblicher Unterlagen oder konkrete Angaben über die Leistungsfähigkeit des Schuldners können demnach nicht verlangt werden. Der Tatsachenvortrag muss auch nicht schlüssig sein. Derart hohe Anforderungen an die Anmeldung widersprächen der Intention des Gesetzgebers, das Verfahren für Gläubiger rückständiger Unterhaltsforderungen durch Ausweitung des § 302 Nr. 1 InsO zu vereinfachen. Ausreichend muss daher sein, wenn der Unterhaltsgläubiger abstrakte Angaben zur Unterhaltspflicht des Schuldners, mithin zu seiner Unterhaltsberechtigung und zur Fähigkeit des Schuldners, überhaupt etwas zu leisten, macht.1502)

570 bb) Unsicherheiten im Hinblick auf die praktische Handhabung der Vorschrift resultieren auch aus dem Streit um die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „pflichtwidrig“ und „vorsätzlich“ (o dazu Rn. 348 ff., 380 f.). Nach der Gesetzesbegründung steht die Nichtleistung des Unterhalts dann einer unerlaubten Handlung gleich, ist also pflichtwidrig i. S. d. Norm, wenn neben der gesetzlichen Unterhaltspflicht die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben sind.1503) Zur materiell-rechtlichen Begriffsbestimmung sollte insoweit vorzugsweise – schon aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung – auf die Grundzüge des Unterhaltsrechts abgestellt werden. Danach ist der Unterhaltsberechtigte bedürftig, wenn er seinen Bedarf nicht ganz oder jedenfalls teilweise durch eigene Einkünfte decken kann.1504) In dieser Höhe ist der Unterhaltspflichtige auch leistungsfähig, wenn er seinen eigenen Bedarf durch die Leistung nicht gefährdet.1505) Der Vorsatz des Schuldners muss sich vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm nicht auf die Pflichtwidrigkeit beziehen, setzt mithin nicht detaillierte Kenntnis über die Kriterien zur Bestimmung seiner eigenen Leistungsfähigkeit und der Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers voraus. Ausreichend muss vielmehr

___________ 1500) Vgl. BGH 9.1.2014 – IX ZR 103/13 – NZI 2014, 127, 128; so auch: Reck, in: PrivatinsRK, § 174 Rn. 6. 1501) Schinkel, ZVI 2019, 251; Grunicke, ZVI 2014, 361, 366. 1502) G. Pape, Insbüro 2017, 16, 18. 1503) RegE v. 31.10.2012, BT-Drs. 17/11268, 32; Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628. 1504) Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 9. 1505) Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 1 Rn. 9.

212

Vierter Teil: Ergebnis

sein, dass der Schuldner Kenntnis von seiner Unterhaltspflicht hat und dennoch nicht leistet. cc) In beweisrechtlicher Hinsicht müssen zum Zwecke der Vereinfachung des 571 Verfahrens pauschalisierte Regeln angewendet werden. Ist der Unterhaltsanspruch bereits tituliert festgestellt, gleicht die Situation derjenigen eines Abänderungsverfahrens i. S. d. §§ 238 f. FamFG.1506) Unabhängig von der Art des in Streit stehenden Unterhaltsanspruchs muss dann schon aus Gründen der mit der Titulierung einhergehenden Rechtskraft die Darlegungs- und Beweislast vollumfassend beim Schuldner liegen.1507) Im Übrigen, also im Hinblick auf nicht titulierte Ansprüche, muss zwischen den verschiedenen Unterhaltsformen unterschieden werden.1508) Zu differenzieren sind dabei der Kindesunterhalt vom Ehegatten- und sonstigen Verwandtenunterhalt. Diese Unterscheidung zwischen dem Minderjährigenunterhalt auf der einen und dem Ehegatten- bzw. sonstigen Verwandtenunterhalt auf der anderen Seite entspricht nicht zuletzt auch der Wertung des § 1609 BGB, wonach die Rangfolge der Unterhaltsansprüche im Mangelfall konsequent auf das Kindeswohl ausgerichtet ist.1509) Für den Kindesunterhalt ergibt sich demnach aufgrund der Beweislastmodifikation in § 1612a BGB auch bei nicht titulierten Forderungen eine umfassende Darlegungs- und Beweislast des Schuldners, denn in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Schuldners gilt die Beweislastumkehr aus §§ 1581, 1603 BGB im Allgemeinen.1510) dd) Festzuhalten bleibt, dass die Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 302 572 Nr. 1 InsO zwar sicherlich mit der richtigen Intention erfolgt ist, wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber insoweit eine Erhöhung des Schutzniveaus für Gläubiger rückständiger Unterhaltsforderungen bezweckte. Die Ausgestaltung des Verfahrens und die aufgezeigten damit einhergehenden Hürden bei der Durchsetzung entsprechender Ansprüche werden dieser – im Grundsatz begrüßenswerten – Intention jedoch bedauerlicherweise nicht gerecht. Vor dem Hintergrund entsprechender Berichte aus der Praxis, wonach sich die Gruppe der Gläubiger rückständiger Unterhaltsforderungen nach wie vor wie kaum eine andere Gläubigergruppe bei der Anmeldung derartiger Forderungen zurückhält, bestehen erhebliche Zweifel an der praktischen Effizienz der Regelung im Hinblick auf den gewünschten erhöhten Schutz für Unter___________ 1506) Zur Beweislast in einem solchen: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 746. 1507) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1629; zustimmend: Henning, in: Karsten Schmidt, InsO, § 302 Rn. 11; Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1707; so im Ergebnis auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453 und Waltenberger, in: HK-InsO, § 302 Rn. 18 f.; zum Abänderungsverfahren: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 746. 1508) So letztlich auch: Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1628 ff. 1509) Vgl. dazu: RegE v. 15.6.2006, BT-Drs. 16/1830, 1; Born, NJW 2008, 1. 1510) Dornblüth/G. Pape, ZInsO 2014, 1625, 1630; so im Ergebnis auch: Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 453; vgl. im Unterhaltsrecht: Dose, in: Wendl/Dose, UnterhaltsR, § 6 Rn. 721; Maurer, in: MüKo-BGB, § 1581 Rn. 106; Langeheine, in: MüKo-BGB, § 1603 Rn. 207.

213

Vierter Teil: Ergebnis

haltsgläubiger. Der Gesetzgeber sollte sich mit diesen Anwendungsproblemen dringend auseinandersetzen.

573 Dies ist bislang nicht geschehen. Auffallend ist insoweit, dass die Evaluierungsvorschrift zum Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte in Art. 107 EGInsO, nach der die Bundesregierung dazu verpflichtet wird, dem Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2018 zu berichten,1511) in wie vielen Fällen bereits nach drei Jahren eine Restschuldbefreiung erteilt werden konnte, eine Evaluierung der Auswirkungen der Erweiterung des § 302 Nr. 1 InsO gar nicht vorsieht. Anzumerken ist insoweit auch, dass der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten in der am 16. Juli 2019 in Kraft getretenen Restrukturierungsrichtlinie1512) im Rahmen der Regelungen zum Entschuldungsverfahren in Titel III in Bezug auf Unterhaltsansprüche einen wesentlich weiteren – über den Normgehalt der Regelung in § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO hinausgehenden – Handlungsspielraum überlassen hat.1513) Den Mitgliedstaaten ist es gem. Art. 23 Abs. 4 RL selbst überlassen, bestimmte Schuldenkategorien, zu denen gem. lit. d auch Schulden bezüglich Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen, zählen, von der Entschuldung auszuschließen, den Zugang zur Entschuldung für diese zu beschränken oder für diese Schuldenkategorien längere Entschuldungsfristen vorzusehen.

574 Obgleich die deutsche Rechtslage sicherlich nicht europarechtswidrig ist1514) und sich aus der Richtlinie eine Verpflichtung zum Tätigwerden auch nicht ergibt, fällt auf, dass nach Art. 23 Abs. 4 RL auch der vollständige Ausschluss der Unterhaltspflichten von der Entschuldung denkbar wäre.1515) Der deutsche Gesetzgeber hätte die Richtlinie vor dem Hintergrund des insoweit eröffneten Handlungsspielraums zum Anlass nehmen können, die Regelung des § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO auf ihre Praxistauglichkeit hin zu überprüfen. Weder der zur Richtlinie ergangene Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) noch der Regierungsentwurf1516) enthielten jedoch dahingehende Überlegungen.1517)

575 Den Schutz der Familie hat der Gesetzgeber offensichtlich – wiederholt – als nicht wesentlich genug angesehen, was vor dem Hintergrund seiner – nicht zuletzt auch verfassungsrechtlichen – Bedeutung äußerst bedenkenswert ist. ___________ 1511) Siehe zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung v. 23.8.2018: BT-Drs. 19/4000. 1512) RL (EU) 2019/1023, Abl. EU 2019, Nr. L 172/18. 1513) Ausführlich zu den in der Richtlinie vorhandenen Regelungen zum Entschuldungsverfahren bereits: L.-M. Schmidt, ZVI 2020, 121 ff., 171 ff. 1514) So bereits in: L.-M. Schmidt, ZVI 2020, 171, 173. 1515) Eine strengere Regelung fordert auch: A. Schmidt, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 1, 4. 1516) RegE v. 31.8.2020, BT-Drs. 19/21981. 1517) Insoweit kritisch: A. Schmidt, ZVI 2020, Beil. zu Heft 7, 1, 4.

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Vierter Teil: Ergebnis

b) Auch die vom BGH etablierte Antragsobliegenheit1518) (o dazu Rn. 389 ff.) 576 fruchtet im Ergebnis bedauerlicherweise nicht. Begrüßenswert ist zwar, dass der BGH sich im Rahmen der Entscheidung im Grundsatz mit der Schutzwürdigkeit von Unterhaltsgläubigern im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren auseinandergesetzt hat. Der mit der Entscheidung verfolgte Zweck – die finanzielle Absicherung unterhaltsberechtigter Kinder – wird jedoch verfehlt, denn die Verfahrenseröffnung trägt nicht wesentlich zum Schutz der Unterhaltsgläubiger bei, sondern ist, ganz im Gegenteil, eher nachteilig für sie. Gläubiger rückständiger Unterhaltsforderungen werden im Verfahren im Grundsatz wie normale Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO behandelt und werden demnach quotal aus der Insolvenzmasse befriedigt. Ihre Forderungen nehmen im Übrigen an der Restschuldbefreiung teil. Zwar besteht für sie, wie gezeigt, die Möglichkeit der Anmeldung der Forderung als Attributsforderung gem. § 302 Nr. 1 InsO. Wie ebenfalls dargestellt, reüssiert der damit bezweckte Schutzmechanismus jedoch oftmals nicht. Auch für Unterhaltsneugläubiger, die nicht am Verfahren teilnehmen und währenddessen gem. § 89 Abs. 2 S. 2 InsO weiter in den Pfändungskorridor gem. § 850d ZPO vollstrecken dürfen, verbessert sich die Situation nicht. Zum einen ist die Leistungsfähigkeit des Schuldners mit Verfahrenseröffnung noch nicht wiederhergestellt, sodass sich dieser Umstand auch weiterhin auf die Höhe der Unterhaltsansprüche auswirken wird (vgl. § 1603 Abs. 1 BGB).1519) Zum anderen gehört der Neuerwerb des Schuldners mit Verfahrenseröffnung zum Insolvenzbeschlag, sodass sich die Vollstreckungsmöglichkeiten auch noch signifikant verschlechtern.1520) Im Übrigen ist auch die Durchsetzbarkeit der Regelung zweifelhaft, denn Möglichkeiten zur zwangsweisen Durchsetzung gegenüber dem Schuldner bestehen nicht.1521) c) Die Forderungen von Unterhaltsneugläubigern nehmen – wie die Forderungen 577 sonstiger Neugläubiger auch – nicht am Verfahren teil.1522) Ein Anspruch auf Unterhalt aus der Masse existiert auch im Rahmen des § 100 InsO, der die Unterhaltsgewährung aus der Masse in das Ermessen der Gläubigerversammlung stellt, nicht (o Rn. 407 ff.). Über den Verweis in § 36 Abs. 1 S. 2 InsO gelten die §§ 850 ff. ZPO im Insolvenzverfahren entsprechend. Nach Auffassung des Gesetzgebers wird das schuldnerische und familiäre Existenzminimum dadurch hinreichend gesichert. Wie gezeigt, ergeben sich insoweit jedoch erhebliche Regelungsdefizite. aa) Problematisch ist zunächst, dass die Auszahlung etwaiger, aufgrund von Unter- 578 haltsverpflichtungen bestehender Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO oder ___________ 1518) 1519) 1520) 1521) 1522)

BGH 23.2.2005 – XII ZR 114/03 – MittbayNot 2006, 239. Keller, NZI 2007, 143, 148. K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 208. Keller, NZI 2007, 143, 148. Reck, in: PrivatinsRK, § 40 Rn. 1; Smid, in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 40 Rn. 5; Paul, DZWIR 2009, 186, 187; Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473, 1474.

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Vierter Teil: Ergebnis

§ 850f ZPO stets zu Händen des Schuldners erfolgt (o Rn. 516 ff.). Dessen Redlichkeit kann aufgrund der Verdrossenheit mancher Unterhaltsschuldner nicht ohne Weiteres unterstellt werden.1523) Eine Kontrolle findet zwar dahingehend statt, dass im Rahmen des § 850c ZPO nur demjenigen Schuldner Unterhalt ausgezahlt wird, der auch tatsächlich Unterhalt leistet. Der BGH lässt es in der Einzelzwangsvollstreckung dafür aber schon genügen, wenn der Schuldner nur einen kleinen Teil der Unterhaltsschuld tatsächlich bedient.1524)

579 Aufgrund der Massebefangenheit des schuldnerischen Vermögens darf diese Handhabung nicht in das Insolvenzrecht übertragen werden. Das schuldnerische Vermögen, zu dem gem. § 36 Abs. 1 InsO auch der Neuerwerb zählt, unterliegt mit Eröffnung des Verfahrens dem Insolvenzbeschlag und ist ab diesem Zeitpunkt der freien Disposition des Schuldners entzogen (vgl. § 80 Abs. 1 InsO).1525) Eine irgendwie geartete Sonderbehandlung bedarf daher ab diesem Zeitpunkt der sachlichen Rechtfertigung. Eine solche ist, soweit der Schuldner den gegen ihn gerichteten Unterhaltsanspruch nicht in voller Höhe bedient, nicht gegeben. Aus Sicht der Unterhaltsgläubiger besteht dann gerade kein Bedürfnis, den dem Schuldner zukommenden Grundfreibetrag zu erhöhen.1526) Im Übrigen verbleibt bislang für den unredlichen Schuldner auch ein bedenklich weiter Missbrauchsspielraum, der mit den Grundsätzen des Insolvenzverfahrens nur schwer zu vereinbaren ist. Dieses soll gem. § 1 S. 2 InsO nur dem redlichen Schuldner zugutekommen.1527) Eine Bereicherung, die auf Kosten der Unterhaltsgläubiger erfolgt, ist damit nicht in Einklang zu bringen.

580 bb) Im Insolvenzverfahren sollte es trotz der Neufassung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO durch das PKoFoG (o Rn. 462 ff.), bei der analogen Anwendung des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO auf faktische Unterhaltspflichten bleiben. Werden faktische Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen des § 850f Abs. 1 lit. a ZPO nicht berücksichtigt, bringt dies den Schuldner in existenzielle Nöte.1528) Gerade im Laufe eines Insolvenzverfahrens aber, in dem der Schuldner zumeist ohnehin mittellos ist, ist dies vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots zur Sicherung des Existenzminimums problematisch. Zudem geht mit einer derartigen Beschränkung eine Diskriminierung von Patchwork-Familien einher, die vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 GG und der gesellschaftlichen Lebensrealitäten zu kritisieren ist.1529) ___________ 1523) Dazu: A. Schmidt, ZVI 2020, 1, 2. 1524) BGH 23.9.2010 – VII ZB 23/09 – NJOZ 2011, 753; 28.3.2007 – VII ZB 94/06 – NJW-RR 2007, 938, 939. 1525) Zum Insolvenzbeschlag: Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 35 Rn. 6. 1526) So auch: Lissner, ZVI 2017, 9, 14. 1527) Vgl.: A. Schmidt, in: HambKomm, InsO, § 1 Rn. 51 ff. 1528) Kampf, in: PrivatinsRK, 1. Aufl. 2019, Anhang zu § 36 InsO, § 850f ZPO Rn. 7. 1529) So auch: LG Hamburg 22.12.2017 – 330 T 71/17 – ZVI 2018, 161; Kampf, in: PrivatinsRK, §§ 35, 36, Teil 3, Rn. 116.

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Vierter Teil: Ergebnis

cc) Im Übrigen erweist sich auch die Ungleichbehandlung der verschiedenen Ein- 581 kommensarten als problematisch (o Rn. 521 ff.). Während dem Verbraucherschuldner die Pfändungsfreibeträge gem. § 850c ZPO ipso iure zukommen, muss der selbstständige Schuldner diese erst durch einen Antrag nach § 850i ZPO aktiv einfordern. Verfassungsrechtlich erscheint diese Ungleichbehandlung bedenklich.1530) dd) Vor dem Hintergrund dieser Schutzlücken bedarf es daher im Rahmen des § 100 582 InsO einer Ermessensreduzierung auf Null, soweit die wirtschaftliche Existenz des Schuldners bzw. seiner Unterhaltsgläubiger nicht ausreichend über das Pfändungsrecht gesichert ist.1531) Verbleiben nach Anwendung der Pfändungsvorschriften Schutzlücken, gilt es diese durch § 100 InsO zu schließen. Dies gilt vor allem bei Gefährdung des Existenzminimums minderjähriger Unterhaltsgläubiger. Eine dahingehende gesetzgeberische Klarstellung wäre wünschenswert. Auf Antrag des Schuldners oder eines Familienmitglieds i. S. d. § 100 Abs. 2 S. 2 583 InsO1532) sollte das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsicht nach § 58 InsO, in den Fällen, in denen eine Pflicht zur Gewährung von Unterhalt nach § 100 Abs. 2 InsO besteht, weil das Existenzminimum des Schuldners nicht anderweitig gesichert ist, den Insolvenzverwalter dazu anhalten, die erforderlichen Zahlungen an den Schuldner oder dessen Familie zu veranlassen. Vorgelagert zum Einschreiten des Insolvenzgerichts ist es jedoch auch dem Insolvenzverwalter, der schon von Amts wegen mit den Vermögensverhältnissen des Schuldners vertraut ist, zuzumuten, im Einzelfall zu überprüfen, ob dem Schuldner die notwendigen Mittel zur Bestreitung seiner Existenz zur Verfügung stehen, und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, tätig zu werden.1533) Die Unterhaltsgewährung ist dann zwingend auf den für die Sicherung des Existenzminimums notwendigen Unterhalt i. S. d. § 100 Abs. 2 InsO und die darin aufgezählten Personen begrenzt, da eine darüberhinausgehende Verringerung der Insolvenzmasse vor dem Hintergrund der Ziele des Verfahrens und des mit der Eröffnung des Verfahrens einhergehenden Insolvenzbeschlags nicht gerechtfertigt wäre.

___________ 1530) Dazu eingehend: Janlewing, Familienrechtliche Ansprüche gegen den Selbstständigen in der Insolvenz, 101 ff. 1531) Wohl auch: Jungmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 100 Rn. 6; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 100 Rn. 14; K. L. Frank, Familienrecht und Insolvenz, 191; so im Ergebnis schon: OLG Frankfurt am Main 29.8.2000 – 26 W 61/00 – NZI 2000, 531, 532; LG Dortmund 6.1.2000 – 9 T 1397/99 – NZI 2000, 182, 183; a. A.: Morgen, in: HambKomm, InsO, § 100 Rn. 3; wohl auch: Stephan, in: MüKo-InsO, § 100 Rn. 21 f., 28. 1532) Für ein entsprechendes Antragsrecht des Schuldners: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 61; aber gegen ein Antragsrecht der Familie: dies., Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 63. 1533) Dazu: Rohleder, Unterhaltsansprüche in der Insolvenz, 53.

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Vierter Teil: Ergebnis

584 d) Unterhaltszahlungen, die in der Vergangenheit vorgenommen worden sind, sind nach der Rechtsprechung des BGH1534) richtigerweise nur unter beweisrechtlich kaum zu überwindenden Nachweisschwierigkeiten anfechtbar, soweit sie sich im Rahmen der vom Pfändungsrecht vorgegebenen Grenzen, insbesondere also der Grenzen des § 850c ZPO, bewegen (o Rn. 538 ff.). Auch wenn der BGH dies nicht ausdrücklich so benennt, haben die durch die Entscheidung aufgestellten Anforderungen an den Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes im Ergebnis zur Folge, dass eine Anfechtung solcher Zahlungen praktisch ausscheidet. Vor dem Hintergrund der dargelegten Bedeutung des Unterhalts für das wirtschaftliche Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten ist dies ausdrücklich zu befürworten.

585 Wünschenswert wäre indes gewesen, dass der BGH auch im Hinblick auf die Frage der grundsätzlichen Anfechtbarkeit solcher der Sicherung des Existenzminimums dienenden Zahlungen „Farbe bekannt“ und die Anfechtbarkeit für diese verneint hätte. Dafür, diese Zahlungen von der Anfechtung auszunehmen, sprechen vor allem teleologische Erwägungen. Die Anfechtung von Unterhaltszahlungen, die in der Vergangenheit der Sicherung des Existenzminimums des Berechtigten dienten, führt in letzter Konsequenz dazu, dass die Insolvenzgläubiger – im Nachhinein – auf Kosten der Unterhaltsgläubiger befriedigt werden. In der Vergangenheit erhaltene Unterhaltszahlungen zurückzahlen zu müssen, während der laufende Unterhalt im Rahmen des Verfahrens zugleich auf die in § 850c ZPO gesetzten Grenzen beschränkt wird, bedeutet eine enorm hohe finanzielle Belastung für Unterhaltsgläubiger, die der – nicht zuletzt auch verfassungsrechtlichen – Bedeutung ihrer Ansprüche zur Sicherung ihres Existenzminimums nicht gerecht wird und im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass der betroffene Unterhaltsgläubiger in finanzielle Notlagen gerät. Dem notwendigen Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen wird auch diese Wertung, die offensichtlich davon ausgeht, der quotalen Befriedigung der Insolvenzgläubiger komme ein größeres Gewicht zu, nicht gerecht.

___________ 1534) BGH 12.9.2019 – IX ZR 264/18 – ZVI 2019, 478.

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Winter, Ulrich Die Verwertung eines Kraftfahrzeugs im Insolvenzverfahren, ZVI 2005, S. 569 – 585 (zit.: Winter, ZVI 2005). Wipperfürth, Sylvia „Drum prüfe, wer sich ewig bindet!“ – Massebeschlag bei bestehender Gütergemeinschaft in der Insolvenz, Insbüro 2012, S. 59 – 63 (zit.: Wipperfürth, Insbüro 2012). Dies. Unterhalt des selbstständigen Schuldners in der Eigenverwaltung, ZInsO 2015, S. 1127 – 1132 (zit.: Wipperfürth, ZInsO 2015). Wittig, Arne Insolvenzordnung und Konsumentenkredit – Teil II –, WM 1998, S. 209 – 225 (zit.: Wittig, WM 1998) Wohlgemuth, Gisela Unterhalt und Insolvenz, FamRZ 2005, S. 2035 – 2036 (zit.: Wohlgemuth, FamRZ 2005). Wolff, Heinrich Amadeus (Hrsg.)/Seifert, Karl-Heinz/Hörnig, Dieter (Begr.) Nomos Kommentar, Grundgesetz, 13. Aufl., Baden-Baden 2022 (zit.: Bearb., in: Hörnig/Wolff, GG). Zeising, Jörg Benachteiligungsverbot und Befriedigungsvorrecht bei Legalzession im Gesamtschuldverhältnis, DZWIR 2010, S. 316 – 325 (zit.: Zeising, DZWIR 2010) Zöller, Richard (Hrsg.) Zivilprozessordnung Kommentar, 34. Aufl., Köln 2022 (zit.: Bearb., in: Zöller, ZPO).

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243

Stichwortverzeichnis

Abführungsobliegenheit gem. § 295a Abs. 2 InsO – Berücksichtigung von Unterhaltspflichten 512 Altersrente siehe Sozialleistungen Anfechtung siehe Insolvenzanfechtung Anmeldung des Attributs – Anforderungen 277 ff., 317 ff. – Bei fehlendem RSB-Antrag 386 Antrag nach § 850f ZPO siehe auch Unpfändbarer Betrag – Antragsberechtigung 449 – Zuständiges Gericht 450 Antrag nach § 850i ZPO siehe auch Unpfändbarer Betrag – Abwägung 505 f. – Antragsberechtigung 501 f. – Berechnungsmethoden 503 f. – Zuständiges Gericht 499 f. Arbeitseinkommen – Massezugehörigkeit 35 ff. Asset Protection – Ausschlagung einer Erbschaft 175 – Begriff 115 – Bezugsrecht an Lebensversicherung 202 ff. – Erbverzicht 175 – Familienheim 170 – Fliegender Zugewinnausgleich 182 – Freiwillige Vermögenszuwendung 161 ff. – Güterstandsschaukel 183 ff. – Mitarbeit im ehelichen Betrieb 169 – Verzicht auf Zugewinnausgleich 176 ff. – Vorweggenommene Erbfolge 173 Arbeitslosengeld siehe Sozialleistungen Attributsanmeldung siehe Anmeldung des Attributs Attributsforderung siehe Ausgenommene Forderung gem. § 302 InsO Attributsklage siehe Feststellungsprozess Ausgenommene Forderung gem. § 302 InsO siehe auch Unterhaltspflicht; Vorsätzlich, pflichtwidrig nicht gewährter Unterhalt – Anmeldung des Attributs 273 ff., 317 ff., 345 ff. – Anwendungsbereich 249 ff.

– Beweislast im Feststellungsprozess 295 ff., 348 ff. – Gesetzeshistorie 28, 254 ff. – Widerspruch gegen das Forderungsattribut 290 ff., 320 – Wirkung 249 ff., 383 ff. – Zweitverfahren 387 f. Außergerichtliche Schuldenbereinigung – Unterhalt 549 ff.

Bankguthaben – Massezugehörigkeit 57 Bedarfsgemeinschaft siehe Sozialhilferechtliche Bedarfsgemeinschaft Berufsunfähigkeitsversicherung siehe Personenversicherung Beweislast – Feststellungsprozess 295 ff., 348 ff. Bezugsrecht siehe Lebensversicherung

Deliktisches Attribut

siehe Ausgenommene Forderung gem. § 302 InsO Deliktisches Attribut siehe Unterhaltspflicht

Ehegatten

siehe auch Güterstand – Als nahestehende Personen i. S. d. § 138 Abs. 1 InsO 137 f. – Eigentumsvermutung gem. § 1362 BGB 91 ff. – Kostenvorschuss 77 ff. Ehegattenbürgschaft 88 ff. Ehelicher Beistand – Kinderbetreuung 39 ff. Ehevertrag – Anfechtbarkeit 180 f., 187 ff. Eigentum am Grundstück siehe Grundstückseigentum Eigentumsvermutung – Regelungsgehalt 91 ff. – Verfassungsrechtliche Bewertung 94 ff. Eigenverwaltung – Unterhalt aus der Insolvenzmasse 557 ff. Einkommen siehe Arbeitseinkommen Elterngeld siehe Sozialleistungen Enthaftungserklärung – Gesetzeshistorie 22 ff.

245

Stichwortverzeichnis Enthaftungserklärung – Wohnraum 59 ff. Erbe – Ausschlagung/Verzicht 175 – Massezugehörigkeit 70 f. – Vorweggenommene Erbfolge 173 Erwerbsobliegenheit 38 – Ehelicher Beistand 46 ff. – Kinderbetreuung 39 ff. Erwerbsunfähigkeitsrente siehe Sozialleistungen Existenzminimum – Anspruch aus Insolvenzmasse bei Gefährdung 17 ff., 412 ff., 527 ff. – Reform 2001 22 ff. – Verfassungsrechtlich verankerte Garantie 8, 216 ff.

Familie – Begriff 7 – Verfassungsrechtlicher Schutz 6 ff. Familienheim – Asset Protection 170 Feststellungsprozess – Beweislast 295 ff., 348 ff. Forderungsattribut siehe Ausgenommene Forderung gem. § 302 InsO

Gehalt siehe Arbeitseinkommen Gerichtliche Schuldenbereinigung – Unterhalt 552 f. Grundstückseigentum – Massezugehörigkeit 63 Güterstand – Asset Protection 179 ff. – Eheliche Vertragsfreiheit 98 ff. – Gütergemeinschaft 106 ff. – Güterstandsschaukel 183 ff. – Gütertrennung 105 – Zugewinngemeinschaft 101 ff. Hausrat – Massezugehörigkeit 58 – Pfändungsschutz 58 Hinterbliebenenrente siehe Sozialleistungen

Insolvenzanfechtung – – – –

246

Beweislast 131 f., 144, 156 ff. Ehevertrag 180 f. Entgeltliche Verträge 134 f. Gläubigerbenachteiligung 123 ff.

– Gläubigerbenachteiligungsvorsatz 128 f. – Kenntnis des Anfechtungsgegners 130 – Nahestehende Personen 133 ff. – Rechtsfolge 126 – Rechtshandlung 121 f. – Unentgeltliche Leistung 151 ff. – Unentgeltlichkeitsanfechtung 149 ff. – Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung 136 – Unterhalt 538 ff. – Verfassungsrechtliche Bewertung des § 138 InsO 145 ff. – Vorsatzanfechtung 127 ff. Insolvenzantrag siehe auch Obliegenheit zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens – Obliegenheit bei Unterhaltsrückständen 389 ff. Insolvenzgläubiger siehe Rückständiger Unterhalt Insolvenzmasse – Altersversorgung 65 ff. – Arbeitseinkommen 35 ff. – Bankguthaben 57 – Berufsunfähigkeitsrente 69 – Einkünfte bei Selbstständigen 52 f. – Erbe 70 f. – Grundstück 63 – Hausrat 58 – Krankenversicherungsleistungen 64 – Lebensversicherungsrente 69 – Mieteinnahmen 63 – Mietkaution 59 ff. – Pflichtteilsanspruch 70 f. – Sozialleistungen 54 f. – Unfallversicherungsrente 69 – Unterhaltsansprüche des Schuldners 56 – Vermächtnis 70 f. – Wohnungseigentum 63 Insolvenzplan – Unterhalt 554 ff.

Kinderbetreuung – Altersphasenmodell 40 ff. – Ehelicher Beistand 46 ff. – Erwerbsobliegenheit 39 ff. – Unterhaltsreform 2008 40 ff. Kindergeld siehe Sozialleistungen Konto des Schuldners siehe Bankguthaben

Stichwortverzeichnis Kostenvorschuss gem. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB 74 ff. – Voraussetzungen 81 ff. – Vorschusspflichtige Personen 77 ff. Krankengeld siehe Sozialleistungen Krankenversicherungsleistungen – Massezugehörigkeit 64 Kurzarbeitergeld siehe Sozialleistungen

Pfändung – Eigentumsvermutung gem. § 1362 BGB 91 ff. Pfändungsfreibetrag siehe Unpfändbarer Betrag Pfändungsschutzkonto 57 Pflichtteilsanspruch – Massezugehörigkeit 70 f.

Laufender Unterhalt

Reform 2001

– Änderung des unpfändbaren Betrags 448 ff. – Anspruch aus der Insolvenzmasse 407 ff., 527 ff. – Antrag nach § 850i ZPO 499 ff. – Begriff 223 ff., 403 – Erhöhung des Pfändungsfreibetrags 420 ff. – Neugläubigerproblematik 404 ff. – Regelungsdefizite 515 ff. – Vollstreckungsprivileg 478 ff. Lebenspartner – Als nahestehende Personen i. S. d. § 138 Abs. 1 InsO 137 f. – Kostenvorschuss 77 ff. Lebensversicherung siehe auch Personenversicherung – Abtretung von Versicherungsansprüchen 212 – Einräumung von Bezugsrechten 202 ff. – Unwiderrufliches Bezugsrecht 211 – Vertrag 203 f. – Widerrufliches Bezugsrecht 208 ff.

Massegläubiger

siehe Laufender Unterhalt

Mieteinnahmen – Massezugehörigkeit 63 Mietkaution – Massezugehörigkeit 59 ff. Mutterschaftsgeld siehe Sozialleistungen

Neugläubiger

siehe Laufender Unterhalt

Obliegenheit zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens 389 ff. – Nutzen 398 ff. – Trennungsunterhalt 397 – Unterhaltsrückstände ggü. minderjährigen Kindern 392 ff.

Personenversicherung

22 ff. Reform 2007 27 Reform 2014 28 Reform 2017 29 Reform 2020 30 f. Regierungsentwurf 1992 – Restschulbefreiung für den Familienverbund 15 f. – Schutz der Familie als Verfahrensziel 12 ff. – Unterhaltsanspruch aus der Insolvenzmasse 17 ff., 412 ff. RSB-Versagung – Abführungsobliegenheit nach § 295a Abs. 2 InsO 512 – Erwerbsobliegenheit 38 ff. Rückständiger Unterhalt siehe auch Ausgenommene Forderung gem. § 302 InsO – Als ausgenommene Forderung i. S. d. § 302 InsO 249 f. – Als Insolvenzforderung 247 f. – Begriff 223 ff., 247 f. – Reform 2014 28, 254 ff.

Selbstständiger – Abführungsobliegenheit gem. § 295a Abs. 2 InsO 512 – Antrag nach § 850i ZPO 497 ff. – Massezugehörigkeit von Einkünften 52 f. – Unpfändbarer Betrag 497 ff. – Vollstreckungsmöglichkeiten des Unterhaltsberechtigten 507 ff., 513 Sozialhilferechtliche Bedarfsgemeinschaft – Begriff 454 f. – Kritik an der Neuregelung des PKoFoG 463 ff. – Mehrbedarf 453 ff. – Meinungsstreit vor Erlass des PKoFoG 456 ff. – Rechtslage nach Erlass des PKoFoG 462

– Massezugehörigkeit Renten 69

247

Stichwortverzeichnis Sozialleistungen – Pfändungsschutz 54 f. Stundung 74 ff. – Kostenvorschuss gem. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB 74 ff. – Reform 2001 22 ff.

Unfallversicherung

siehe Personenversicherung Unpfändbarer Betrag siehe auch Antrag nach § 850f ZPO; Antrag nach § 850i ZPO; Sozialhilferechtliche Bedarfsgemeinschaft – Beim Selbstständigen 497 ff. – Einkünfte des Unterhaltsberechtigten 435 ff. – Faktische Unterhaltspflichten 453 ff. – Gesetzliche Unterhaltspflichten 420 ff., 499 ff. – Mehrbedarf 451 ff. Unterhalt siehe auch Laufender Unterhalt; Rückständiger Unterhalt; Unterhaltspflicht; Vorsätzlich, pflichtwidrig nicht gewährter Unterhalt – Arten 220 ff., 227 ff. – Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan 549 ff. – Eigenverwaltung 557 ff. – Existenzminimum 216 ff. – Faktische Unterhaltspflicht 453 ff. – Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan 552 f. – Insolvenzanfechtung 538 ff. – Insolvenzplan 554 ff. – Laufender Unterhalt 223 ff., 403 ff. – Rückständiger Unterhalt 223 ff., 247 ff. – Übergegangener Unterhaltsanspruch 228 ff. Unterhaltsansprüche des Schuldners – Massezugehörigkeit 56 Unterhaltspflicht – Gefährdung des Lebensbedarfs 267 ff. – Leistungsfähigkeit 264 – Tatbestandsvoraussetzungen 262 ff. – Sich Entziehen 265 f. – Verfassungsrechtliche Bewertung des § 170 StGB 259 ff. – Vorsatz 270 ff.

248

Verfahrenskosten

siehe auch Kostenvorschuss gem. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB – Kostenvorschuss 74 ff. Verfahrensziele siehe Ziele des Verfahrens Verletztenrente siehe Sozialleistungen Vermächtnis – Massezugehörigkeit 70 f. Versagung der RSB siehe RSB-Versagung Versorgungsausgleich – Anwendbarkeit des § 40 S. 1 InsO 242 ff. Verwandte – Als nahestehende Personen i. S. d. § 138 Abs. 1 InsO 139 f. Vollstreckungsprivileg – Grundsatz des Vollstreckungsverbots 479 f. – Inanspruchnahme 490 f. – Privilegierter Anspruch 484 ff. – Regelinsolvenz 507 ff., 513 – Selbstbehalt des Schuldners 487 f. – Wohlverhaltensphase 492 f., 513 – Zuständiges Gericht 490 f. Vorsätzlich, pflichtwidrig nicht gewährter Unterhalt – Anwendungsprobleme 345 ff. – Attributsanmeldung 317 ff., 345 ff. – Bedeutung in der Praxis 340 ff. – Beweislast im Feststellungsprozess 348 ff. – Bewertung 321 ff. – Kritik an der Neuregelung 304 ff. – Pflichtwidrigkeit 313 – Regelungszweck 302 f. – Voraussetzungen 310 ff. – Vorsatz 314 ff., 380 f.

Wohngeld siehe Sozialleistungen Wohnraum – Enthaftungserklärung 59 ff. – Reform 2001 22 ff. Wohnungseigentum – Massezugehörigkeit 63 Ziele des Verfahrens

5 Zugewinngemeinschaft siehe auch Güterstand – Fliegender Zugewinnausgleich 182 – Güterstandsschaukel 183 ff.