Der Grundgedanke in Goethes Faust [Reprint 2018 ed.] 9783111480169, 9783111113241

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Der Grundgedanke in Goethes Faust [Reprint 2018 ed.]
 9783111480169, 9783111113241

Table of contents :
Vorrede
Inhalt
Einleitung
I. Der Urfaust
II. „Faust", 1. Teil
III. Faust. Zweiter Teil
IV. Der „Faust" im Spiegel Goethescher Weltanschauung

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Der Grundgedanke in Goethes Faust

Der Grundgedanke in Goethes Laust von

Dr. Willi Splettftößer, Dberlehrer, Dozent an der L)umboldt-Akademie zu Berlin.

Ich bin erstaunt, wie ich so wissentlich in bas alles. Schritt vor Schritt, hineingegangen bin! wie ich über meinen Anstand immer so klar gesehen und doch gebandelt habe, wie ein Kinb; jetzt noch so klar sehe, und es noch keinen Anschein zur Besserung hat. werther

Berlin t9U Druck und Verlag von Georg Reimer

Vorrede. Diese Arbeit stellt sich zu denen, welche die Einheitlichkeit in Goethes^,,Laust" vertreten. Nicht die Einheitlichkeit des Kunstwerks, sondern des Gedankenwerkes. Nebenbei, hoffe ich, wird sie auch zur Würdigung des Kunstwerkes beitragen, was mich an sie geführt hat, ist die Wahrnehmung: soviele (Erläuteret der „Faust" gefunden hat, soviele Deutungen ge­ geben worden sind, ich vermisse die strikte Konsequenz. (Eine Ausnahme macht wohl F. Th. Discher, aber sein Gesamturteil ist nicht das meine.) Damit kommt ein Moment der Zerrissen­ heit, der Willkür in den „Faust", das, wenn es wirklich vor­ handen wäre, ihn ungenießbar machen müßte. )ch vermag dieses nachteilige Moment nicht zu entdecken; bin vielmehr der Überzeugung, daß Goethe, wie stets, so im „Faust" nicht nur ein Großes, sondern ein G a n z e s geschaffen hat; und weiter: daß dieses Ganze über die Bedeutung eines biographischen Reflexes, wie K. Fischer annimmt, weit hinausgeht. Die Quelle dieser Forschungen ist Goethes „Faust", wie jeder ihn lesen kann, nicht zu vergessen den „Urfaust" und die „paraltpomena". Es hätte nahe gelegen, ans anderen Werken Goethes, vor allen dem „wilhelin Meister", Belege für meine Behauptungen anzuführen. Ich habe, bis auf wenige Aus­ nahmen, es vermieden und den „Faust" durch sich allein wirken lassen. )ch ineine, er redet eindringlich genug. Zu den Äuße­ rungen und Urteilen, die Goethe, als Privatmann, an feilt Werk geknüpft hat, mußte ich mich kritisch stellen. Dichter und Kritiker harmonieren selten miteinander, auch wenn sie in

VI einer Seele wohnen. Was ich anderen Erklären, verdanke, habe ich bei Gelegenheit angemerkt. Da es nicht in meiner Absicht lag, einen Kommentar zu schreiben, so bedurfte es keiner lückenlosen Inhaltsangabe, wo sie nötig schien, für den zweiten Teil des „Faust" mehr als für den ersten, ist sie nicht umgangen worden. Männer wie I). Düntzer, G. v. koeper werden in Einzelheiten und Kleinigkeiten ergänzen können. Für mich war die Hauptsache, den Grundgedanken im „Faust" eindeutig herauszuwirken. Möge mir das in aller Klarheit und Verständlichkeit gelungen sein. Aus Vorlesungen an einer Volkshochschule, der Berliner Humboldt-Akademie, hervor­ gegangen, wenden diese Darlegungen sich an weitere Kreise, nicht nur an die Fachgelehrten. Unsere Zeit trägt ausgesprochen Faustischen Lharakter, und eifrig ist das Be,nähen vieler, ihn, den sie erleben, auch zu begreifen. Möge diese Arbeit ihnen helfen.

Inhalt. Still

Einleitung.....................................................................................................

l

l. Derurfaust. A. B. C. D. E.

Seine Anlage............................................................................... 3 Laust ............................................................................................. 5 Mephistopheles............................................................................. 13 Margarete..................................................................................... 15 Rückblick. — Das „Fragment" und seine Weiterbildung---- 18

II. Faust, v Teil. A. B. C. D. E. F. G. H. I.

Die „Zueignung" und das „Vorspiel auf dem Theater" ... Prolog im Himmel..................................................................... Faust und Mephistopheles......................................................... Mephistopheles............................................................................. Die Pakt-Szene........................................................................... Vergleichung zwischen Faust undMephistopheles ................ Die Schülerszene........................................................................... Auerbachs Keller und Hexenküche............................................. Die Gretchen-Tragödie .............................................................

26 22 29 37 $3 59 60 62 6$

III. Faust, 2. Teil. A. B. C. D.

Faufts Genesung ................................................ Der Mummenschanz am Kaiserhofe.................. Der Maskenzug* und seine Bedeutung ............ Beschwörung der Helena. a) Die Mütter................................................... b) Ein Zwischenspiel.......................................... c) Helenas Erscheinen E. Homunkulus und die klassische Walpurgisnacht F. Faust und Helena ..............................................

69 75 79 91 96 97 102 120



VIII

— Seite

G. Laust der Talenmensch. a) Die Schlacht ......................................................................... \30 b) Die Lolgen des Sieges ..................................................... i$2 c) philemon und Baucis ....................................................... vw d) Lausts Erfolge.......................................................................1$5 H. Die vier grauen Weiber ......................................................... \5\ I. Lausts Ende.................................................................................155 K. Mephistopheles' Abgang ...........................................................162 L. Lausts Himmelfahrt..................................................................... 170 IV. Der „Laust" im SpiegelGoethescher Weltanschauung .................176 Schluß ................................................................................................188

Einleitung. Per „Utfaufit" beginnt kräftig und unmittelbar. , allmählich, auf Umwegen vielleicht, ihm nahe zu kommen suchen, d. h. dieselbe langsame Gangart wählen, in der er vor kurzem am Leitseil der Vernunft dem Ziel der Weit erkenntnis entgegen; »streben begann. Was redet Mephisto von Stillestehen, von herzhaftem Zugreifen und behaglichem Genießen? Als ob es nicht gleichgültig ist, was einem das Leben bietet, wäre es auch das widersprechendste, schmerzlicher Genuß, verliebter Haß, erquickender Verdruß, wenn es einen nur merken läßt, daß man lebt und sich seiner Natur gemäß betätigt, wenn es Faust nur von seinem Wissens­ drang befreit und -er Scham eines gedemütigten Titanismus. Der Titane verkriecht sich hinter den Menschen in seiner Brust. Aber maßlos, wie sein wollen immer ist, genügt es ihm nicht, sein Einzelschicksal zu erfüllen; nein, sein Leben erweitert sich ihm zum Leben aller Menschen. Nicht zufrieden mit einem Bruchteil ihrer Freuden und Leiden, begehrt er sie alle; wobei, dank seinen bitteren vorersahrungen, die Leiden ihm das größere Quantum bilden und seine Phantasie den Ausgang der Menschheit hoffnungslos als ein „Zerscheitern" sieht. So erniedrigt sich, so büßt der Titane Faust für seine Über­ hebung; aber er tut es wieder in großem Stil. Der Blick des Herrn hat ihn begnadet, darum ist ihm alles Kleine, alles Kleinliche fremd. Und wie käme er dem willen des Höchsten, der ihn zum bevorzugten Menschen gestempelt hat, besser entgegen, als wenn er sein Menschentum mit allem Nachdruck zur Geltung brächte? Daher mag ihn Mephisto spottend auf die Alltäglichkeit, als das dem Menschen entsprechende Gebiet, verweisen, worin Tag und Nacht, Arglist und ein Quentchen Großmut, vor allem sinnliche Leidenschaft die Triebfedern sogenannten Lebens darstellen, mag ihm vorhalten, daß, seine Pläne zu verwirklichen, wohl im Bereich der Poesie, die mit schnellem Tempo rechne, möglich sei, aber ein Menschen­ leben dafür zu kurz wäre, mag ihm schließlich zu bedenken geben, daß kein Mensch über sich hinaus könne, daß er, trotz theatralischer pose, Kothurn und Perücke, doch immer bliebe.

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was er sei, Kaust setzt allen diesen Reden sein unerschütterliches „)ch will" entgegen. Und mit Recht. Statt ihn zu überzeugen, haben Mephistos Worte ihm aufs neue dessen Unfähigkeit bewiesen, „eines Menschen Geist in seinem hohen Streben" zu erfassen, geschweige denn, zu würdigen. Und der Ausklang, jener Hinweis auf die Wesensstetigkeit des Menschen, hat, nicht gerade klug, an Kausts Ahnung von einem unveränder­ lichen Kern in seiner Brust gerührt, auf dessen Basis er sich getraute, eine vielleicht verhängnisvolle wette einzugehen. So lenkt Mephisto schließlich ab mit dem Vorschlag, dem Spinti­ sieren ein Ende zu machen und die Erdenfahrt frischweg zu beginnen, fjabe er einmal seine Studierstube und die Stadt, kurz, den „Marterort" im Rücken, so werde alles andere sich von selbst ergeben. Ein schneller Rückblick wird die Tatsache nicht übersehen können, daß die Paktszene in Aufbau und Stimmung nicht unerhebliche Ähnlichkeit mit der ersten Szene: Nacht. Kaust am Pult — aufweist. Den Grgelpunkt, über den die Harmonien und Disharmonien in beiden Hingleiten, bildet Kausts Ver­ zweiflung. Hervorgegangen ist sie zu Anfang aus der Einsicht in die Unzulänglichkeit alles Wissens. Aus dieser Stimmung entwickelt sich, vermöge Kausts natürlicher Anlage, das Ringen nach innerer Kreiheit. Er beschließt aufzugeben, was ihn bisher gefesselt hat. Nicht will er künftig mehr am Kaden strenger Logik ängstlich zum Ziel der Erkenntnis schleichen, sondern es im kühnen Sprung intuitiven Schauens gewinnen. Dazu beruft er die Geister, „wie spricht ein Geist zum andern Geist?" ist die Krage, das Leben im Reich der )deen sein wünschenswertes Ziel, sein Trachten steht nach einer über­ sinnlichen Welt. Doch sein Drängen verebbt im Sande der Hoffnungslosigkeit. Und in der Paktszene? Sind nicht wieder die Geister Kausts letzte Zuflucht? wechselt er nicht wiederum das Ziel seiner Betätigung? Nur daß er diesmal aus der übersinnlichen es in die sinnliche Welt verlegt? Und klingt sein Bemühen

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nicht ebenfalls trübselig in den Zweifel am Erfolg aus? Einzig, daß sich diesmal seinem Streben erhabene Gleichgültigkeit gegen jeglichen Ausgang, den es nehme, zugesellt hat. Hier ist der (Drt, noch einmal auf die Wette zurückzukommen unb zu fragen: wie steht, was Kaust mit Mephisto paktiert, zu den Absichten des Herrn? Liegt es mit ihnen in gleicher Richtung, oder widerstrebt es ihnen? — Wer sorgsam diesen Ausführungen bisher gefolgt ist, wird nur eine Antwort zu geben vermögen: Kaust wettet, wie er zu wetten in der Lage ist, weswegen kein Widerspruch zwischen ihm und dem Herrn platzgreifen kann. Der Herr hat auf die Tätigkeit, als etwas dem Menschen Eingeborenes, hingedeutet, und eben diese Tätigkeit, sagen wir klarer, seinen Tätigkeitsdrang, sein Streben, macht Kaust zum Angelpunkt einer Wette, deren Ausgang für keinen Unbefangenen mehr zweifelhaft sein kann. Kaust vollzieht diese Tat unbewußt; das wirken des Herrn ist ihm verschlossen. „So lang' er auf der Erde lebt, so lange usw.", mit diesen Worten hat der ßerr — und Goethe mit ihm — den Umkreis menschlicher Betätigung und Erfahrung auf ein Minimum eingeengt, von hier aus können Beziehungen zum jenseits wohl geahnt, aber nimmermehr definiert werden. So mag dem Kaust zuzeiten die Ahnung von einem Wesensfern, seinem Streben, aufdämmern, er mag sogar in ihrem Zwielicht folgenschwere Entschließungen treffen, ein höheres Bewußtsein, wie er den Plänen des Ewigen damit entgegen­ komme, hat er nicht. Das ist letzten Endes auch nicht nötig. Der Beobachter aber spürt, wie mit dieser wette sichtbarlich das Band zwischen sperrn und Kaust geknüpft ist, von dem bisher nur die Rede ging, spürt, wie Kaust mit der Einschränkung, die er seinem irrlichtelierenden Streben gibt, gleichsam in festere Leitung kommt, wie der Gleichmut gegen Erfolg und Ziel seines Strebens mit dem Gefühl der Abhängigkeit von einem Höheren sich deckt, erkennt darin eine Verehrung, die darum nicht minder Gottesdienst, weil sie verworren ist, erblickt, daß ich es mit einem Worte sage, Kaust, trotz aller

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Ähnlichkeit mit dem von Anfang, bereits auf einer höheren Stufe. Wie denkt zum Schluß Mephistopheles über feine Wette?