Der Einfluß des Wandels in der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung [1 ed.] 9783428477135, 9783428077137

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Der Einfluß des Wandels in der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung [1 ed.]
 9783428477135, 9783428077137

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WERNER EHRLICHER . RÜDIGER BRAUN

Der Einfluß des Wandels in der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung

Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung A: Wirtschaftswissenschaft Herausgegeben von G. Ashauer, W. Ehrlicher, H.-J. Krümmel, F. Voigt

Band 149

Der Einfluß des Wandels in der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung

Von

Prof. Dr. Werner Ehrlicher Dr. Rüdiger Braun

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ehrlicher, Werner: Der Einfluss des Wandels in der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung / von Werner Ehrlicher; Rüdiger Braun. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen : Abt. A, Wirtschaftswissenschaft ; Bd. 149) ISBN 3-428-07713-X NE: Braun, Rüdiger:; Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen / A

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7336 ISBN 3-428-07713-X

Inhaltsverzeichnis Einführung ..............................................................................

9

Erstes Kapitel: Zur Theorie über die Zusammenhänge zwischen Geldvermögensbildung und Realvermögensbildung ...................................

13

A. Abgrenzung der Vermögensbegriffe ... ..... ........ .................... ...........

13

1. Zum Begriff des Sparens .......................................................

13

2. Gesamtvermögensbegriffe ............................................. ..... ....

14

3. Realvermögensbildung ..........................................................

17

4. Geldvermögensbildung ............... ..... ......................................

19

B. Theorien über den Zusammenhang zwischen Geldvermögensbildung und Realvermögensbildung ...................................................................

22

1. Sparen und Investieren aus neoklassischer Sicht .............................

23

2. Sparen und Investieren aus keynesianischer Sicht. ...........................

26

3. Zwangssparen bei Preissteigerungen ...........................................

28

4. Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes und Geldversorgung ..................

33

C. Einfluß der Struktur der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung

35

1. Portfoliotheoretische Begründung des Zusammenhanges zwischen der Struktur der Geldvermögensbildung und der Realvermögensbildung ......

35

2. Kreditrationierung und Realvermögensbildung ...............................

37

Zweites Kapitel: Entwicklung der Geldkapitalbildung und der Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1950 und 1990 ...

39

A. Realkapitalbildung ..................................................................

42

1. Quantitative Entwicklung der Realvermögensbildung .......................

42

2. Strukturwandlungen der Realvermögensbildung ......... ..... ..... ....... ....

47

B. Geldkapitalbildung ..... ...... ............... ........................................

54

1. Quantitative Entwicklung der Geldkapitalbildung ............................

54

2. Strukturwandlungen der Geldvermögensbildung .............................

57

6

Inhaltsverzeichnis

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland .......................................................

64

1. Finanzierung der Realvermögensbildung ......................................

64

2. Gründe für eine Verschiebung der Relation zwischen Selbst- und Außenfinanzierung ......................................................................

74

a) Schwankungen im Konjunkturverlauf .....................................

75

b) Längerfristige Tendenzen ...................................................

77

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung ..........................

85

1. Kreditfinanzierung der Konsumnachfrage .....................................

87

2. Säkularer Anstieg der Kassenhaltung ..........................................

90

3. Kreditfinanzierte Vermögensumschichtungen ................................

99

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung für die Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland .....................................

101

1. Verhältnis zwischen längerfristiger Geldvermögensbildung und Realvermögensbildung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene ............................

103

a) Fristenstruktur der Geldvermögensbildung und Kreditnahme der nicht finanziellen Sektoren ........................................................

103

b) Längerfristige Kreditnahme und Realvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren ..............................................................

109

2. Bedeutung des Aufkommens längerfristiger Kredite für die sektorale Realvermögensbildung ...............................................................

111

a) Anteile der Sektoren an der längerfristigen Kreditnahme ...............

112

b) Gründe für Abweichungen im Ausmaß der Kreditabhängigkeit der Realinvestitionen verschiedener Wirtschaftsbereiche ..........................

118

Drittes Kapitel: Ergebnisse und allokationspolitische Schlußfolgerungen....

124

Literaturverzeichnis ...................... . ........ . ...................................

132

Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Wachstum des realen Nettosozialprodukts zu Preisen von 1980 ....... Abb. 2: Entwicklung des Kapitalkoeffizienten ..................................... Abb. 3: Entwicklung der Investitionen als Anteil des Nettosozialprodukts zu Marktpreisen .................................................................. Abb. 4: Struktur der Realvermögensbildung ........................................ Abb. 5: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Produktionsunternehmen an der inländischen Realvermögensbildung ....................................... Abb. 6: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Staat an der inländischen Realvermögensbildung ............................................................ Abb. 7: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Wohnungs wirtschaft an der inländischen Realvermögensbildung ............................................. Abb. 8: Durchschnittlicher Anteil der Sektoren an der inländischen Realvermögensbildung ............................................................ Abb. 9: Entwicklung des Geld-Realvermögensquotienten ........................ Abb.lO: Struktur der Geldvermögensbildung inländischer Sektoren ............. Abb.ll: Durchschnittlicher Anteil des Sektors private Haushalte an der Geldvermögensbildung ............................................................ Abb.12: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Produktionsunternehmen an der Geldvermögensbildung ...................................................... Abb. 13: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Staat an der Geldvermögensbildung ........................................................................... Abb. 14: Durchschnittlicher Anteil der inländischen Sektoren an der Geldvermögensbildung ............................................................ Abb. 15: Struktur des Bruttogeldvermögens der inländischen Sektoren .......... Abb. 16: Selbst- und Außenfinanzierung der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung ............ ..... ................. .......... ................. ........... Abb. 17: Entwicklung der durchschnittlichen Selbstfinanzierungsquote .......... Abb. 18: Beiträge der Sektoren zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung Abb. 19: Durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag der privaten Haushalte zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung................................ Abb. 20: Durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag des finanziellen Sektors zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung................................ Abb. 21: Durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag der Produktionsunternehmen zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung ........................... Abb.22: Durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag des Staates zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung ............................................ Abb.23: Durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag der Wohnungswirtschaft zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung................................

41 44 45 48 50 51 52 53 55 58 59 60 61 62 63 66 67 69 70 71 72 73 74

8

Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 24: Durchschnittliche Finanzierungsbeiträge der Sektoren zur gesamtwirtschaftlichen Vennögensbildung ...... ..... ................. ..... ...........

75

Abb.25: Durchschnittliche Kreditaufnahme, Aktienemission und Außenfinanzierung der Realinvestition inländischer nichtfinanzieller Sektoren .......

86

Abb. 26: Konsumentenkredite der privaten Haushalte ..............................

89

Abb.27: Kreditfinanzierung staatlicher Konsumausgaben .........................

91

Abb.28: Verhältnis der Kassenhaltung der inländischen nichtfinanziellen Sektoren zum BSP .................................................................

92

Abb.29: Verhältnis der Kassenhaltung der privaten Haushalte in Bargeld, Sichtund Tennineinlagen zum BSP ..............................................

94

Abb.30: Verhältnis der Kassenhaltung der Unternehmen in Bargeld, Sicht- und Tennineinlagen zum BSP ...................................................

96

Abb. 31: Verhältnis der Kassenhaltung öffentlicher Haushalte zum BSP ........

98

Abb.32: Änderungen des Preisindex gegenüber dem Vorjahr (1980 = 100) ....

101

Abb. 33: Längerfristige Geldvennögensbildung und Kreditnahme der nichtfinanziellen Sektoren ..............................................................

104

Abb.34: Anteile der längerfristigen Geldvennögensbildung und Verpflichtungen der nichtfinanziellen Sektoren aus der gesamten Geldvennögensbildung bzw. den gesamten Verpflichtungen der nichtfinanziellen Sektoren ...

105

Abb.35: Anteile der längerfristigen Geldvennögensbildung und Kreditnahme an der gesamten Geldvennögensbildung und Kreditnahme der nichtfmanziellen Sektoren ..............................................................

106

Abb. 36: Struktur der durchschnittlichen längerfristigen Geldvennögensbildung der nichtfinanziellen Sektoren ..............................................

108

Abb. 37: Längerfristige Kreditnahme, Aktienemission und Realvennögensbildung der nichtfinanziellen Sektoren ..............................................

110

Abb.38: Struktur der inländischen Realvennögensbildung ... ........ ........ .....

113

Abb. 39: Struktur der längerfristigen Kreditnahme der investierenden Sektoren. ...

114

Abb.40: Längerfristige Kreditnahme und Realvennögensbildung der Produktionsunternehmen ............................................................

116

Abb.41: Längerfristige Kreditnahme und Realvennögensbildung der Wohnungswirtschaft .....................................................................

118

Abb.42: Längerfristige Kreditnahme und Realvennögensbildung des Staates...

119

Einführung Der Zusammenhang zwischen Geldkapitalbildung und Realkapitalbildung hat in der Ökonomie schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Die anhaltende Kontroverse über den Kausalzusammenhang zwischen den beiden Größen fand eine besondere Zuspitzung in der Keynes'schen Deutung, daß der Umfang der Investitionen die Höhe der Ersparnis bestimme, während die traditionelle Auffassung den Kausalzusammenhang umgekehrt sah. In der Diskussion über die Probleme der Kapitalbildung werden die relevanten Begriffe auch heute noch mit sehr unterschiedlichem Inhalt gebraucht. Die Untersuchung geht deshalb in einem ersten theoretischen Kapitel über die Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvermögensbildung von einer Abgrenzung der wichtigsten Begriffe aus. In der anschließenden Gegenüberstellung der neoklassischen und der keynesianischen Position wird u. a. dargelegt, daß die Neoklassiker von einer strengen Parallelität von Geld- und Realkapitalbildung ausgehen, während die Keynesianer die Möglichkeit einer vorübergehenden Divergenz zwischen den beiden Größen unterstellen. Dies sei darin begründet, daß Investitionen auch über Geldschöpfung finanziert werden können; in diesem Falle würde eine der Realkapitalbildung entsprechende Geldkapitalbildung im Laufe des durch die Investition ausgelösten Multiplikatorprozesses nachgeholt. Der abschließende Abschnitt dieses Kapitels befaßt sich mit den wichtigsten Theorien über den Einfluß von Strukturveränderungen in der Geldvermögensbildung auf die Realkapitalbildung. Das zweite Kapitel, das den Hauptteil der Arbeit darstellt, ist empirisch orientiert und untersucht auf der Grundlage differenzierter Zahlenreihen die Geldund Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland für die Zeit von 1950 bis 1990. Damit wird eine frühere Untersuchung (Ehrlicher, W.: Geldkapitalbildung und Realkapitalbildung, Tübingen 1956) fortgeführt, die sich auf den Zeitraum von 1924 bis 1953 erstreckte und von noch recht begrenztem Datenmaterial ausgehen mußte. Die vorliegende Arbeit stützt sich auf das umfangreichere Zahlenwerk, das die Deutsche Bundesbank in ihrer gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung veröffentlicht. Auf dieser Grundlage wird zunächst ein umfassendes Bild der Realkapitalbildung nach Sektoren (Produktionsunternehmen, Wohnungswirtschaft, Staat, Ausland) erarbeitet; sodann werden die Entwicklung der Geldkapitalbildung nach Trägern und nach Formen dargestellt und die Beiträge der Selbst- und Außenfinanzierung zur Realkapitalbildung aufgezeigt. Der

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Einführung

Betrachtungszeitraum wird in fünf Zyklen unterteilt, die jeweils zwei der üblicherweise unterschiedenen drei- bis vierjährigen Wachstumszyklen umfassen; dadurch sollen kurzfristig-konjunkturelle Einflüsse im Interesse der angestrebten Erkenntnisse über die zyklusübergreifenden Zusammenhänge zwischen Geldund Realvermögensbildung ausgeklammert werden. Bei der Analyse der realen und monetären Reihen werden jeweils sowohl die Gesamtentwicklung als auch die Strukturverschiebungen innerhalb der Globalgröße berücksichtigt. Während die erwähnte Untersuchung über den Zeitraum von 1924 bis 1953 von einer Parallelität von Geld- und Realvermögensbildung ausging, richtet sich das Augenmerk in der vorliegenden Untersuchung in stärkerem Maße auf den in den vergangenen 40 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland zu beobachtenden überproportionalen Anstieg der Geldvermögensbildung. Zur Untersuchung der damit angesprochenen Zusammenhänge wird zunächst nach möglichen Gründen für kurzfristige Abweichungen der beiden Größen im Konjunkturverlauf gefragt. Diese können vor allem in der Verschiebung der Anteile der Selbst- und Außenfinanzierung im konjunkturellen Rhythmus angelegt sein; bei der Selbstfinanzierung, die im Konjunkturaufschwung zunimmt, wird ja zur Finanzierung der Realkapitalbildung kein Geldvermögen in Anspruch genommen. Dieser Zusammenhang gilt während des Untersuchungszeitraums auch für die längerfristige Entwicklung, weil die Selbstfinanzierungsquote über die Perioden hinweg fortschreitend abnimmt, die Außenfinanzierungsquote dementsprechend zunimmt. Dies erklärt jedoch nur einen begrenzten Teil der überproportionalen Geldvermögensbildung. In den späteren Abschnitten dieses Kapitels werden daher verschiedene von der Realvermögensbildung unabhängige Portefolioentscheidungen der Wirtschaftseinheiten darauf untersucht, inwieweit sie zu der überproportionalen Ausdehnung des monetären "Überbaus" beigetragen haben könnten. In diesem Sinne werden die Zunahme der Kreditfinanzierung von Konsumgüterkäufen durch private Haushalte, der säkulare Anstieg der Kassenhaltung der privaten Haushalte und der Produktionsunternehmen, die Kreditfinanzierung von interpersonellen Realvermögensumschichtungen - sei es von Grund und Boden oder von reproduzierbarem Sachkapital - geprüft. Im dritten Kapitel wird die Frage aufgenommen, welchen Einfluß die überproportionale Geldvermögensbildung in den vergangenen vierzig Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf das Volumen der Realvermögensbildung hatte. Dazu werden die Investitionen nach den unterschiedlichen Bestimmungsgründen der Investitionsneigung und der Investitionsmöglichkeit in konjunktur- und kreditabhängige unterschieden. Bei ersteren ist die Investitionsneigung in erster Linie von der Endnachfrage abhängig, während dem Aufkommen längerfristiger Finanzierungsmittel keine größere Bedeutung zukommt. Bei den kreditabhängigen Investitionen ist die Investitionsneigung von der Endnachfrage relativ unabhängig, während das Aufkommen an längerfristigen Finanzierungsmitteln ein wichti-

Einführung

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ger Bestimmungsgrund ist. Auf diesem Hintergrund werden die einschlägigen Zahlenreihen analysiert. Das Ergebnis geht dahin, daß die überproportionale Geldvermögensbildung die Investitionsmöglichkeit in den kreditabhängigen Bereichen begünstigt und damit die Voraussetzungen für die Realvermögensbildung insgesamt verbessert hat.

Erstes Kapitel

Zur Theorie über die Zusammenhänge zwischen Geldvermögensbildung und Realvermögensbildung A. Abgrenzung der Vermögensbegriffe Zur Einführung in die Problemstellung werden zunächst alternative Möglichkeiten einer Abgrenzung der Vermögensbegriffe diskutiert. Hierbei werden die Begriffe "Sparen", "Gesamtvermögen", "Realvermögen" und "Geldvermögen" aus unterschiedlichen Blickwinkeln erörtert und gegeneinander abgegrenzt. Diese einführenden Überlegungen werden darüber Aufschluß geben, in welchem Maße sich die unterschiedlichen Begriffsausprägungen zur Untersuchung der einzelnen Teilprobleme in der vorliegenden Untersuchung eignen. Sie bilden somit zusammen mit den Theorien über die Zusammenhänge zwischen der Geld- und Realvermögensbildung die Ausgangsbasis für die empirischen Überlegungen späterer Kapitel. 1. Zum Begriff des Sparens

Der Begriff des Sparens wird in verschiedenen Bereichen von Theorie und Praxis sehr ambivalent benutzt; insbesondere wird er sowohl - im Sinne der realen Ersparnis - für Sachvermögens- oder Sachkapitalbildung als auch - im Sinne der monetären bzw. nominellen Ersparnis - für Geldvermögens- bzw. Geldkapitalbildung verwendet. Die reale Ersparnis einer Periode kann prinzipiell auf zwei verschiedene Arten bestimmt werden. Entweder man ermittelt die Ersparnis residual als denjenigen Teil des Einkommens, der nicht konsumtiv verwandt wurde, oder man stellt unmittelbar die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung der laufenden Periode fest, die mit der realen Ersparnis übereinstimmt. I Da eine direkte Erfassung von Veränderungen der Vermögensbestände in der Praxis jedoch - insbesondere im Bereich der Realkapitalbildung und der Humankapitalbildung 2 - an unzureichendem statistischen Datenmaterial scheitert, wird die Ersparnis in der VGR 3 als Differenz aus den Stromgrößen Einkommen und Verbrauch bestimmt. I

2 3

Vgl. Francke, H.-H. / Friedrich, D. (1985), S. 9; Blümle, G. (1985), S. 29. Sofern man das Humankapital zum volkswirtschaftlichen Vermögen zählt. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden.

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

Der Prozeß des realen Sparens bzw. der Sachvermögensbildung wird in Marktwirtschaften monetär gesteuert. Über die geldwirtschaftlichen Zusammenhänge erfolgt gleichzeitig die Verteilung der Kapitalwerte und Kapitalerträge. Dieser Prozeß der monetären Steuerung läßt sich folgendermaßen skizzieren: Leisten die Einkommensbezieher einen Konsumverzicht, so führt dies im allgemeinen zu einer entsprechenden Zunahme der Geldersparnisse, die entweder in Form des Wertpapiersparens unmittelbar am Kapitalmarkt angeboten werden oderbei einer Erhöhung der Spareinlagen der privaten Haushalte - über Kreditinstitute dem Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt werden. Eine Ersparnisbildung kann jedoch auch in den Unternehmen über eine Gewinnthesaurierung oder im Konjunkturverlauf durch eine Depositenstillegung erfolgen. Bei der letztgenannten Form handelt es sich um die Unterbrechung eines dauerhaften Ausgabenstromes aufgrund von Einschränkungen der Geschäftstätigkeit, einer Auflösung von Lagerbeständen oder einer Unterlassung von Ersatzinvestitionen. Obwohl die Depositenstillegung eher als Reflex der allgemeinen Geschäftstätigkeit und weniger als ein gezieltes Sparen interpretiert werden kann, schlagen sich die Depositenstillegungen in den Bankbilanzen - wie das Einlagensparen - als Einlagenbildung oder Verlangsamung der Umschlags geschwindigkeit der Depositen nieder und werden daher im folgenden in die Ersparnis einbezogen. Zudem können die öffentlichen Haushalte als Sparer auftreten. Sofern sie Einnahmenüberschüsse realisieren, tragen sie über ein Zwangssparen zur Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis bei. 2. Gesamtvermögensbegriffe Die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung umfaßt einerseits die Sachvermögensbildung und andererseits die Veränderung der Nettoforderungen der Inländer gegenüber dem Ausland. Da sich die Finanzierungssalden der Inländer gegenseitig aufheben, stellt eine Geldvermögensbildung gesamtwirtschaftlich - zumindest in einer geschlossenen Wirtschaft - keine Vermögensbildung dar. Lediglich eine Geldvermögensbildung im Zusammenhang mit einer Veränderung der Nettoauslandsforderungen kann gesamtwirtschaftlich als ein Vermögenszuwachs der Inländer gegenüber dem Ausland angesehen werden. Diese makroökonomisch orientierte Begriffabgrenzung impliziert, daß nur ein Teil der Bruttoge1dvermögensbildung der laufenden Periode der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung zugerechnet werden kann. 4 Dies steht in einem gewissen Gegensatz zu gebräuchlichen Vermögensbegriffen, wie sie in mikroökonomisch orientierten Konzepten Verwendung finden. Daher wird im folgenden auf die Unterschiede 4 Die verschiedenen Begriffe der Geldvennögensbildung werden unten eingehender erläutert.

A. Abgrenzung der Vermögensbegriffe

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zwischen alternativen Vennögensbegriffen eingegangen und deren Verwendung im Verlaufe der weiteren Untersuchung erläutert. Zur Abgrenzung des Vennögensbegriffs können sowohl mikro- als auch makroökonomisch orientierte Konzepte herangezogen werden. Mikroökonomisch ansetzende Abgrenzungen gehen hierbei vom Portfolio des einzelnen Wirtschaftssubjekts aus, das die Gesamtheit der Vennögensobjekte und Verbindlichkeiten eines Wirtschafts subjekts umfaßt und bei dem Real- und Geldvennögensobjekte zusammengefaßt und zu einem Gesamtvennögen addiert werden können. Solche portfoliotheoretischen Konzepte befassen sich meist mit der Fragestellung, wie ein rational handelndes Wirtschaftssubjekt sein Gesamtvennögen auf alternative Geld- und Realvennögensobjekte verteilt, die unterschiedliche Ertragsraten aufweisen und mit unterschiedlichen Kosten und Risiken behaftet sind. Die einzelwirtschaftlichen Vennögen lassen sich - da in ihnen Real- und Geldvennögen addiert werden - nicht zu einem gesamtwirtschaftlichen Vennögen aufsummieren. Makroökonomisch orientierte Vennögenskonzepte beziehen sich - da sich inländische Geldvennögen und Verbindlichkeiten saldieren - nur auf das Sachvennögen. In diesen Konzepten wird die Veränderung des Vennögens mehrerer Wirtschaftssubjekte zur Vennögensbildung eines Sektors oder zur Vennögensbildung der Gesamtwirtschaft zusammengefaßt. Bei einer solchen Aggregation einze1wirtschaftlicher Vennögensbilanzen kann entweder nach dem Brutto- oder nach dem Nettoprinzip verfahren werden, wobei die Wahl des Verfahrens von der jeweiligen Fragestellung abhängt. Die Vorzüge und Nachteile beider Aggregationsverfahren werden anschließend erläutert. Die Verschiedenheiten der mikro- und makroökonomischen Vennögenskonzepte sind darin begründet, daß der einzelne Vennögensbesitzer in seinem Portfolio sowohl Geld- als auch Realvennögensobjekte hält und sein Gesamtvennögen als Summe aus beiden Vennögensarten ennittelt. Diese Vorgehensweise bei der Ennittlung des Gesamtvennögens läßt sich bei einer Aggregation der Vennögensbestände mehrerer Wirtschafts subjekte jedoch nur bedingt beibehalten. Während die Sachkapitalbestände der Wirtschaftssubjekte problemlos zu einem sektoralen oder gesamtwirtschaftlichen Realvennögen zusammengefaßt werden können, ist eine Addition der Geldvennögensobjekte zum gesamtwirtschaftlichen Vennögen nicht möglich, da in einer geschlossenen Volkswirtschaft den Forderungen der Gläubiger die Verbindlichkeiten der Schuldner gegenüberstehen, so daß das Geldvennögen kein Nettovennögen der Gesellschaft darstellt. Daher können gesamtwirtschaftlich nicht die Geld- und Realvennögensobjekte zu einem volkswirtschaftlichen Gesamtvennögen addiert werden. Lediglich in der offenen Volkswirtschaft kann eine volkswirtschaftliche Vermögensbildung in Fonn einer Geldvennögensbildung gegenüber dem Ausland zustande kommen, bei der der Bestand an Forderungen der Inländer den Bestand an Verbindlichkeiten inländischer Schuldner übersteigt. In diesem Falle kann die

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

Geldvennögensbildung in Höhe der Nettoauslandsforderungen der volkswirtschaftlichen Vennögensbildung zugerechnet werden. Die Forderungen gegenüber den Inländern bleiben hingegen auch hier außer Ansatz, weshalb eine Addition der Real- und Geldvennögensbestände der Inländer zur Ennittlung des volkswirtschaftlichen Vennögens nicht zulässig ist. Das gesamtwirtschaftliche Vennögen ergibt sich somit nach der oben erläuterten Abgrenzung als die Summe aus den privaten und öffentlichen Sachvennögen und den Nettoforderungen gegenüber dem Ausland. Das Sachvennögen umfaßt das reproduzierbare Nettoanlagevennögen,5 das Grundvennögen sowie die Gesamtheit der Vorratsbestände der laufenden Periode. 6 Das Nettogeldvennögen entspricht der Differenz aus Geldvennögen und Verbindlichkeiten, wobei sich, wie oben erläutert, die Forderungen und Verbindlichkeiten der Inländer gegenseitig aufheben, so daß in das Volksvennögen nur der Saldo der Geldvennögen gegenüber dem Ausland eingeht. Eine positive Geldvennögensbildung kommt im Zuge von Leistungsbilanzüberschüssen zustande, wie sie für die Bundesrepublik Deutschland Ende der achtziger Jahre charakteristisch waren. Umgekehrt führt ein Leistungsbilanzdefizit zu einer negativen Geldvennögensbildung bzw. zu einem Geldvennögensverzehr. Da der Geldvennögensbildung im Wirtschaftsablauf eine wichtige Steuerungsfunktion zukommt, muß zwischen den realen und monetären Aspekten der gesamtwirtschaftlichen Kapitalbildung unterschieden werden. Weitere Infonnationen über die Steuerungsfunktion der Geldvennögensbildung bei dem Prozeß der Realkapitalbildung erhält man, wenn man die Gesamtwirtschaft in die Sektoren "private Haushalte", "Wohnungswirtschaft" , ,,Produktionsunternehmen" , "finanzieller Sektor", "Staat" und ,,Ausland" aufteilt und die Beiträge der einzelnen Sektoren zur Vennögensbildung einander gegenüberstellt. Eine solche sektorale Gliederung bietet sich aufgrund der unterschiedlichen Stellung dieser Sektoren im Wirtschaftsablauf an. Dabei sind die genannten Sektoren insofern funktionell abgegrenzt, als die Realvennögensbildung der privaten Haushalte, die sich in der Schaffung von Wohnungseigentum niederschlägt, der Wohnungswirtschaft zugerechnet wird und die staatlichen Investitionen in öffentlich rechtliche Unternehmen dem Sektor Produktionsunternehmen zugeschlagen werden. Da die Realvennögensbildung des finanziellen Sektors nicht sonderlich ins Gewicht fallt, wird sie, sofern dies nicht ausdrücklich anders vennerkt wird, ebenfalls dem Sektor Produktionsunternehmen zugerechnet.

5 Da der Kapitalstock im Produktionsprozeß bei technischem Fortschritt einem nutzungsbedingten Verschleiß und Wertminderungen unterworfen ist, müssen vom Bruttovennögen entsprechende Abschreibungen abgesetzt werden. 6 Vgl. Leibinger, H.-B., (1985), S.453.

A. Abgrenzung der Vermögensbegriffe

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3. Realvermögensbildung Betrachtet man den Prozeß der Realkapitalbildung im Zeitablauf, so erscheint es angebracht, die Überlegungen auf das reproduzierbare Sachvennögen zu begrenzen. Aufgrund seiner Knappheit kann das Grundvennögen zwar auch in inflationsfreien Zeiten erhebliche Wertsteigerungen erfahren und zu einem Anstieg des Vennögens führen, aber es ist rein mengenmäßig nicht vennehrbar. Solche Vennögensänderungen durch Wertsteigerungen können bei einer Untersuchung der Zusammmenhänge zwischen Real- und Geldvennögensbildungjedoch unberücksichtigt bleiben, da sie nur dann zu einem Finanzierungsbedarf führen, wenn diese Wertsteigerungen im Zuge einer Veräußerung auch realisiert werden. Die weiteren Überlegungen zur Realkapitalbildung setzen daher an der Änderung des reproduzierbaren Sachvennögens an. Realinvestitionen wirken sich über ihren Einkommens- und Kapazitätseffekt auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung aus. Beide Effekte einer Investition können nur im Zusammenhang gedeutet werden. Im Hinblick auf den Einkommenseffekt wird einer Erhöhung der Investitionen im allgemeinen eine konjunkturbelebende Wirkungen zugesprochen, da sie zu einem Anstieg der Nachfrage und des Einkommens führt. Nach ihrer Fertigstellung ennöglichen diese Investitionen jedoch gleichzeitig die Ausweitung des Güterangebots. Diese potentielle Erhöhung des Güterangebots kann als Kapazitätseffekt der Investitionen bezeichnet werden. Handelt es sich bei der Investition um die Realisierung einer produktionstechnischen Innovation, die bei geringem Kostenaufwand in vergleichsweise kurzer Zeit eine erhebliche Angebotsausweitung zuläßt, so kann der Kapazitätseffekt der Investition schon nach relativ kurzer Zeit ihren Einkommenseffekt übersteigen. Durch eine solche Dominanz des Kapazitätseffekts im Zeitablauf wird eine Tendenz zum gesamtwirtschaftlichen Angebotsüberhang forciert, so daß die Investition eher konjunkturdämpfend wirkt. Umgekehrt kann jedoch auch der Fall eintreten, daß eine Investition nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung zu einer Erhöhung des Güterangebots führt. In diesem Falle dominiert kurzfristig der Einkommenseffekt und die Investitionstätigkeit wirkt konjunkturbelebend oder sogar inflatorisch. Aus diesem Grunde liegt es nahe, den Globalbegriff der Investitionen im Hinblick auf das Verhältnis ihres Einkommens- und Kapazitätseffekts aufzugliedern. 7 Während für den Einkommenseffekt in erster Linie die Höhe des investierten Betrages ausschlaggebend ist, hängt der Kapazitätseffekt, als Erhöhung des Güterangebots pro Zeiteinheit, in starkem Maße - neben der Höhe des investierten Betrages - von der Lebensdauer einer Investition ab. Infrastrukturinvestitionen sowie Realinvestitionen im Wohnungsbau sind i. d. R. sowohl durch einen 7

Vgl. Ehrlicher, W. (1956), S. 57 ff.

2 Ehrlicher I Braun

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvermögensbildung

hohen Investitionsbetrag als auch durch eine sehr hohe Lebensdauer gekennzeichnet. Die Erhöhung des Güterangebots verteilt sich demnach über einen langen Zeitraum, weshalb die Ausweitung des Güterangebots pro Periode vergleichsweise gering ausfällt. Im Gegensatz dazu weisen die Investitionen im industriellen Bereich häufig eine geringere Lebensdauer auf. Sie sind einer höheren Abnutzung unterworfen und gehen z. T. in einer relativ kurzen Zeitspanne in, das jährlich anfallende zusätzliche Sozialprodukt ein. Die Ausweitung des Güterangebots pro Periode ist entsprechend höher. Da der Einkommenseffekt einer Investition durch die Höhe des Investitionsbetrages und der Kapazitätseffekt neben der Höhe des Investitionsbetrages durch die Lebensdauer bestimmt wird, kann festgehalten werden, daß das Verhältnis von Einkommenseffekt und Kapazitätseffekt von der Lebensdauer des Investitionsobjekts abhängt. Versucht man diese Investitionsarten unterschiedlichen Sektoren zuzuordnen, so läßt sich folgende Tendenzaussage treffen. Die Investitionen im Bereich Produktionsunternehmen sind in stärkerem Maße konjunkturabhängig und reagieren somit schneller auf Änderungen im Niveau und der Struktur der aktuellen Nachfrage, als die Investitionen im Wohnungsbau und die staatlichen Infrastrukturinvestitionen, für deren Leistungen ein ständiger latenter Bedarf vorhanden ist oder die von der voraussichtlichen Nachfrageentwicklung auf längere Sicht abhängen. Diese unterschiedliche Ausrichtung der Investitionsvorhaben hat sowohl Konsequenzen für die geplante Lebensdauer der Investitionsobjekte als auch für den Finanzierungsbedarf, der bei der Realisierung der Investitionen anfallt. Aufgrund ihrer Ausrichtung an der kurzfristigen Nachfrageentwicklung sind die Investitionen im Bereich der Produktionsunternehmen häufig durch hohe Kapazitätseffekte im Vergleich zu den Investitionskosten (i. e. ihrem Einkommenseffekt) gekennzeichnet. Die in dem Investitionsobjekt gebundenen Mittel werden bei einem hohen Kapazitätseffekt innerhalb relativ kurzer Zeit durch entsprechende Umsatzerlöse wieder freigesetzt, weshalb der Bedarf an Finanzierungsmitteln bei diesen Objekten im Zeitablauf relativ stark abnimmt. Im Gegensatz dazu weisen die Investitionen im Wohnungsbau oder die Infrastrukturinvestitionen einen im Verhältnis zur Investitionssumme geringeren Kapazitätseffekt auf und führen daher zu einem längerfristigen Finanzierungsbedarf, der entweder über verfügbare EigenmiUel oder über Kredite gedeckt werden muß. Da diese Wohnungsbauund Infrastrukturinvestitionen jedoch häufig ein hohes Investitionsvolumen aufweisen, ist der Anteil der Außenfinanzierung zur Deckung des Finanzierungsbedarfs relativ hoch. Sie können daher als kreditabhängige Investitionen bezeichnet werden. Bei den kreditabhängigen Investitionen kann eine vergleichsweise hohe Zinsreagibilität konstatiert werden, da die Zinskosten bei dieser Investitionsart einen relativ großen Anteil der Kapitalkosten ausmachen. 8 8 Dies resultiert aus der Tatsache, daß die jährlichen Amortisationsbeträge bei langlebigen Investitionen im Vergleich zu dem ständig zu verzinsenden Gesamtkapital relativ gering ausfallen. Der Zinsanteil an den Kapitalkosten kann hier evtl. sogar über dem Amortisationsanteil liegen.

A. Abgrenzung der Vermögensbegriffe

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Neben einer Abgrenzung unterschiedlicher Arten der Realinvestition stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Zuordnung einer Auslandsanlage zur Geld- oder Realvermögensbildung. Formal bedeutet eine Auslandsanlage eine Zunahme der Nettoforderungen gegenüber dem Ausland und kann als Geldvermögensbildung behandelt werden. Diese Abgrenzung erscheint jedoch aus den beiden folgenden Gründen fragwürdig: Sofern die Veränderung der Nettoforderungen gegenüber dem Ausland aus Direktinvestitionen resultiert, haben die zugrundeliegenden Transaktionen eher den Charakter einer Realkapitalbildung. Zudem haben auch Kredite an das Ausland materiell eine andere Qualität als Kredite an Inländer. Solange der Zinsendienst auf die Auslandsverschuldung geleistet und transferiert wird, tragen die Zinszahlungen zu einer Erhöhung des inländischen Volkseinkommens bei. Dies ist bei Kreditbeziehungen zwischen Inländern nicht der Fall, da sich die Geldforderungen und Verbindlichkeiten zu Null saldieren. Aufgrund dieser Eigenschaften der Auslandsverschuldung werden die Nettoforderungen gegenüber dem Ausland im folgenden der Realkapitalbildung zugerechnet. 4. Geldvermögensbildung Die Geldvermögensbildung umfaßt jede Änderung des Geldvermögens. Sie beinhaltet somit die Ausweitung des Bargeldumlaufs, die Zunahme von Bankeinlagen jeglicher Art sowie Veränderungen des Umlaufs von Wertpapieren. Obwohl der Kauf von Aktien aus einzelwirtschaftlicher Sicht als Erwerb von Sachvermögen interpretiert werden kann, ist er aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eher der Geldvermögensbildung zuzurechnen. Dies erscheint angebracht, weil es sich hierbei um ein Instrument der Außenfinanzierung handelt. Greift man die oben angesprochene sektorale Gliederung der Gesamtwirtschaft erneut auf, so kommt dem finanziellen Sektor bei der Geldvermögensbildung eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Realvermögensbildung, da ein großer Teil der Geldvermögensbildung der übrigen Sektoren über den finanziellen Sektor abgewickelt wird. Viele Finanzierungsvorgänge schlagen sich sowohl bei dem eigentlichen Träger der Finanzierung als auch im finanziellen Sektor nieder, weshalb die gesamte Geldvermögensbildung meist doppelt so hoch ist, wie die Geldvermögensbildung der nichtfinanziellen Sektoren. Bei einer Untersuchung von Veränderungen in der Relation zwischen Geldund Realvermögensbildung kann es sinnvoll sein, nicht wie bei den Überlegungen zum volkswirtschaftlichen Vermögen die Geldvermögensbildung im Rahmen eines Nettokonzepts zu erfassen, sondern von einem Bruttokonzept auszugehen. Im Gegensatz zu dem Nettokonzept wird bei dem Bruttokonzept auf eine Aufrechnung der monetären Forderungen und Verbindlichkeiten der Wirtschaftssubjekte verzichtet, so daß Umfang und Struktur der Finanzierung in den zu analysierenden Variablen enthalten sind. 9 Diese Betrachtung stellt nicht die Ermittlung des 9 2*

Vgl. Ehrlicher, W. / Francke H.-H.(1988), S. 396.

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

volkswirtschaftlichen Vennögens, sondern die Analyse der Bedeutung des finanziellen Überbaus für die Art und den Umfang der Realkapitalbildung in den Vordergrund. Faßt man das Bruttogeldvennögen der finanziellen und nichtfinanziellen Sektoren sowie das Realvennögen zu einer Aggregatgröße zusammen, so erhält man die Summe der realen und finanziellen Vennögensobjekte, die jedoch nicht als volkswirtschaftliches Vennögen interpretiert werden kann, da einem großen Teil des Bruttogeldvennögens Verbindlichkeiten von Inländern gegenüber stehen. Aus dem Bruttogeldvennögenskonzept lassen sich folglich unmittelbar nur Aussagen über das Verhältnis der Geldvennögensbildung zur Realvennögensbildung i. S. eines Geld-Realvennögenskoeffizienten, nicht aber Aussagen über die Anteile von Geld- und Realvennögen am Gesamtvennögen der Volkswirtschaft ableiten. Real- und Geldvennögensbildung basieren auf grundverschiedenen volkswirtschaftlichen Vorgängen: Während eine Realvennögensbildung durch eine entsprechende investive Ressourcenverwendung ausgelöst wird, entsteht eine zusätzliche Geldvennögensbildung dann, wenn die Wirtschaftssubjekte Budgetungleichgewichte realisieren. Solche Budgetungleichgewichte stehen nur in einem mittelbaren Zusammenhang mit der Realvennögensbildung, weshalb nicht unbedingt mit einer parallelen Entwicklung beider Größen zu rechnen ist. Zwar sind Investitionen zur Realvennögensbildung ein häufiger Anlaß für die privaten Unternehmen und den Staat, Bugetdefizite einzugehen, doch sie begründen nur einen - wenn auch erheblichen - Teil der Geldvennögensbildung. In der Praxis findet auch häufig eine Realvennögensbildung ohne Geldvennögensbildung statt. Schließlich dient auch nicht jede Geldvennögensbildung der Finanzierung von Realinvestitionen. Dies wird anhand der folgenden Beispiele kurz erläutert. Betrachtet man zunächst die Finanzierung der Realvennögensbildung, so zeigt sich, daß der Selbstfinanzierung über einbehaltene Gewinne neben der Außenfinanzierung über Geldvennögensbildung eine erhebliche Bedeutung zukommt. Beide Finanzierungsarten haben in den investierenden Sektoren produktionswirtschaftliche Unternehmen, Staat und Wohnungswirtschaftjedoch ein unterschiedliches Gewicht. Die Begriffe Selbstfinanzierung und Außenfinanzierung bedürfen im Hinblick auf die sektorale Analyse einer neuen inhaltlichen Abgrenzung. Bei der sektoralen Betrachtung werden die Wirtschaftssubjekte eines Sektors zusammengefaßt und die intrasektoralen Finanzierungsströme saldiert. Für den Sektor produktionswirtschaftliche Unternehmen impliziert diese Vorgehensweise z. B., daß die Außenfinanzierung einer Unternehmung aus Selbstfinanzierungsmitteln einer anderen produktionswirtschaftlichen Unternehmung aus sektoraler Sicht als Selbstfinanzierung betrachtet werden kann. In der Wohnungswirtschaft resultieren die Selbstfinanzierungsmittel aus fiktiven Vennögensübertragungen des Haushaltssektors und anderer Sektoren an den Wohnungssektor. Eine staatliche Selbstfinanzierung öffentlicher Investitionen findet aus Steuennitteln statt.

A. Abgrenzung der Vermögensbegriffe

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Im Umfang der Selbstfinanzierung der investierenden Sektoren ist eine Realkapitalbildung möglich, ohne daß dazu eine Zunahme der Geldvermögensbildung erforderlich wäre. Eine Divergenz zwischen der Entwicklung von Realvermögensbildung und· Geldvermögensbildung kann jedoch auch aus einer Reihe von Vorgängen resultieren, bei denen es ausschließlich zu einer Geldkapitalbildung, nicht aber zu einer Realkapitalbildung kommt. Im Falle der Wohnungswirtschaft kann ein Teil der divergierenden Entwicklung von Geld- und Realvermögensbildung auf ein methodisches Problem bei der Erfassung von Wertsteigerungen des Grundvermögens zurückgeführt werden. Ein erheblicher Teil der vom Sektor Wohnungswirtschaft aufgenommenen Kredite wird nicht für den Eigenheim- und Miethausbau verausgabt, sondern für den Kauf von Grundstücken aufgewendet. Da die entsprechenden Kredite in die Statistik der Geldvermögensbildung eingehen, das Grundvermögen bzw. seine Änderung jedoch nicht erfaßt werden, kommt es aus erhebungsbedingten Gründen zu einer Zunahme der Geldvermögensbildung ohne gleichzeitige Realvermögensbildung. 10 Das Gleiche gilt auch, wenn für den Kauf von fertigen Eigenheimen bzw. Mietwohnungen Kredite aufgenommen werden. Zudem steht auch dem Bruuogeldvermögen der Wohnungswirtschaft kein Realvermögen gegenüber, da es sich dabei in erster Linie um das finanzielle Umlaufvermögen der gewerblichen und öffentlichen Wohnungswirtschaft handelt. Darüber hinaus können auch staatliche Aktivitäten zu einer Geldvermögensbildung ohne Realvermögensbildung führen. Wenn die Kreditaufnahme der staatlichen Haushalte über die Summe der Bruuogeldvermögensbildung und der Realvermögensbildung hinausgeht und der Staat Geldkapital zur Finanzierung allgemeiner Staatsausgaben - i. e. Staatskonsum - verausgabt, kommt es zu einer Zunahme der Geldvermögensbildung ohne Realvermögensbildung. Zudem bewirkt die Zunahme der Kassenhaltung und Darlehensgewährung des Staatssektors einen überproportionalen Anstieg der Geldvermögensbildung im Vergleich zur Realkapitalbildung. Über die Hälfte seines Geldvermögens hält der staatliche Sektor als Einlagen bei Banken, die in erster Linie Kassen- und sonstige Reserven darstellen, .denen kein Realvermögen gegenüber steht. 11 Ein weiterer Teil wird darüber hinaus für Entwicklungshilfedarlehen, BaföG etc. konsumtiv verausgabt und erhöht die Divergenz von Geld- und Realvermögensbildung. Lediglich der verbleibende Rest der Geldvermögensbildung wird zur Förderung von Investitionen im Wohnungsbau oder der Neugründung von Betrieben und somit für eine Realkapitalbildung eingesetzt. 10 Bei Wertsteigerungen des Grundvermögens frodet zwar eine Zunahme des Volksvermögens statt, die jedoch in der Regel wegen ihrer besonderen Problematik: (s.o.) bei Untersuchungen über die Entwicklung der Realvermögensbildung außer Ansatz bleibt. So ist auch in den Angaben der Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank, die späteren Überlegungen zugrunde liegen, das Grundvermögen des Sektors Wohnungswirtschaft nicht enthalten. Vgl. Deutsche Bundesbank (1990), S. 135. 11 Vgl. Ehrlicher, W. (1989), S. 49.

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I. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

Auch im Sektor Produktionsunternehmen findet Geldvermögensbildung ohne Realkapitalbildung statt. Aus Risiko- und Rentabilitätsüberlegungen heraus halten die Unternehmen Teile ihres Vermögens in Form von finanziellem Anlagevermögen und in Form von Bankeinlagen, also finanziellem Umlaufvermögen. Beiden Formen steht kein entsprechendes Realvermögen gegenüber.

B. Theorien über den Zusammenhang zwischen Geldvermögensbildung und Realvermögensbildung Im Zuge der Wandlungen in der Wirtschaftstheorie änderte sich die Stellung der Spartheorie im ökonomischen Gesamtsystem. Obwohl die neoklassische Theorie über den Systemgedanken der allgemeinen Interdependenz eine hohe Geschlossenheit ihres Lehrgebäudes erreichte, blieben die einzelnen Teiltheorien doch weitgehend selbständige in sich abgerundete Lehrstücke. In diesem Sinne können Angebot und Nachfrage nach Ersparnissen im neoklassischen Konzept als ein selbständiger Markt aufgefaßt werden, der durch den Zins ins Gleichgewicht gebracht wird. Über den interdependenten Preiszusammenhang erfolgt bei der Totalanalyse, nicht aber bei der (am praktischen Problem häufiger angewandten) Partialanalyse, die Einbeziehung dieses Marktes in das ökonomische Gesamtsystem. Eine ganz andere Stellung kommt der Spartheorie im Rahmen kreislauftheoretischer Konzepte zu. Hier wird das Sparen in Verbindung mit der Investition der laufenden Periode gesehen. Zugleich wird dieser Zusammenhang in den Mittelpunkt des ökonomischen Systems gerückt. Die Beziehung zwischen Sparen und Investieren wird dabei nicht mehr als (mehr oder weniger isoliertes) Teilproblem behandelt, sondern von vornherein aus dem Gesamtzusammenhang des Systems heraus vorgetragen. Die Einbeziehung des Sparens und Investierens in das Gesamtsystem erfolgt in zweifacher Richtung. Aus einkommenstheoretischer Sicht kann eine Ersparnisbildung als Nachfrageausfall (im Verhältnis zum Einkommen der laufenden Periode) aufgefaßt werden; aus monetärer Sicht steigert die Ersparnisbildung gleichzeitig die Liquidität des Bankensystems und begünstigt somit eine Ausweitung des Angebots an investierbaren Mitteln. Die Investitionen wirken sich über einen positiven Einkommens- und Kapazitätseffekt auf das Gesamtsystem aus; aus monetärer Perspektive erhöht ein zusätzliches Angebot an investierbaren Mitteln die Investitionsmöglichkeit. Durch diese Änderung der Blickrichtung wird das statische System der Neoklassik zugunsten einer dynamischen Fragestellung verlassen. Veränderungen des Sparens und Investierens werden als konjunkturverändernde Momente herausgestellt, wobei die Multiplikator- und Akzeleratorprozesse zu einem Hauptgegenstand der Analyse werden. Zugleich wurde mit diesem Übergang von der

B. Zusammenhang zwischen Geld- und Realvennögensbildung

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mikroökonomischen zur makroökonomischen Betrachtungsweise die Abgrenzung nach verschiedener Formen des Sparens und Investierens aufgegeben und durch einheitliche Globalbegriffe ersetzt. Die oben angesprochene Entwicklung in der Stellung des Sparens und Investierens bei der Analyse des Wirtschafts geschehens wird im folgenden ausführlicher skizziert. Anschließend wird die Frage aufgegriffen, inwiefern eine weitere Differenzierung in verschiedene Formen des Sparens und Investierens im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung angebracht erscheint.

1. Sparen und Investieren aus neoklassischer Sicht Aus neoklassischer Sicht läßt sich die Allokation einer vorhandenen, knappen Ressourcenausstattung auf alternative Verwendungsmöglichkeiten auf der Grundlage einer Analyse der ökonomischen Verhaltensweisen und Optimierungskalküle der Individuen einer Gesellschaft erklären. Im Rahmen ihres mikroökonomischen Entscheidungskalküls wägen die Individuen die Grenznutzen und Grenzkosten unterschiedlicher Handlungsalternativen gegeneinander ab und wählen anschließend aus dem Spektrum möglicher Handlungsalternativen diejenige aus, die eine Maximierung ihres subjektiven Nutzen verspricht. Bei ihrer Analyse des Allokationsprozesses geht die Neoklassik davon aus, daß in Marktwirtschaften der Preismechanismus die Pläne der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten in Übereinstimmung bringt und gleichzeitig auf einen Ausgleich von Produktions- und Nachfragestruktur hinwirkt. Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage auf den einzelnen Teilmärkten werden durch entsprechende Preisänderungen abgebaut, die sowohl Anbieter als auch Nachfrager zu einer Revision ihrer Pläne veranlassen und die dadurch einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herbeiführen. Folgt man der neoklassischen Analyse, so läßt sich auch der Zusammenhang zwischen Sparen und Investieren auf der Grundlage der individuellen Spar- und Investitionsentscheidungen erklären. Da es sich bei den genannten Entscheidungen um prinzipiell voneinander unabhängige Entscheidungen unterschiedlicher Entscheidungsträger handelt, ist nicht notwendigerweise mit einer Übereinstimmung beider Entscheidungen zu rechnen. Es bedarf vielmehr einer Koordination der Spar- und Investitionsentscheidungen über den Preismechanismus - in diesem Falle über den Zins - , der Angebot und Nachfrage nach investierbaren Mitteln zum Ausgleich bringt. Am Kapitalmarkt treffen Kapitalangebot und Kapitalnachfrage aufeinander, wobei der Kapitalmarktzins einen Ausgleich von Kapitalangebot und Kapitalnachfrage herbeiführt. Aus neoklassischer Perspektive bewirkt der Zinszusammenhang bei weitgehender Preisniveaustabilität eine hohe Parallelität zwischen der Entwicklung der Geldvermögensbildung der privaten Haushalte und der

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

Realvermögensbildung der Unternehmen. Ein zusätzliches Sparen der privaten Haushalte und eine damit korrespondierende Erhöhung der Geldkapitalbildung erhöht das Kapitalangebot 12 und wirkt über eine Zinssenkungstendenz stimulierend auf die Kapitalnachfrage und die Investitionen des Unternehmenssektors. Da auf dem Kapitalmarkt vergleichsweise ideale Marktbedingungen herrschen, ist mit einer relativ raschen und vollkommenen Zinsreaktion zu rechnen. Im Falle einer inflationierenden Wirtschaft muß der Zusammenhang zwischen Geld- und Realvermögensbildung in mehrfacher Hinsicht relativiert werden. Solchen Änderungen monetärer Variablen wird in der neoklassischen Theorie jedoch nur geringe Bedeutung beigemessen, da diese Theorie davon ausgeht, daß die Höhe des Produktionspotentials in erster Linie von realen Größen, wie der vorhandenen Faktorausstattung, den Faktorproduktivitäten sowie dem Stand des technischen Wissens abhängt und daß der Mechanismus der relativen Preise das Niveau der Wirtschaftstätigkeit steuert. Diese Einschätzung der Wirkungen monetärer Größen resultiert aus der quantitätstheoretischen Analyse des monetären Sektors. Die Quantitätstheorie legt die Schlußfolgerung nahe, daß sich Änderungen der Geldmenge lediglich am Gütermarkt auf das Niveau der Preise auswirken. Zur Begründung dieser These wird davon ausgegangen, daß auf gesamtwirtschaftlicher Ebene das Produkt aus Umlaufsgeschwindigkeit und Geldmenge dem nominellen Sozialprodukt entspricht. Da das reale Sozialprodukt bereits durch die relativen Preise bestimmt ist und die makroökonomische Größe der Umlaufsgeschwindigkeit von der Cambridge Schule im Rahmen einer mikroökonomischen Theorie der Kassenhaltung im wesentlichen auf die Zahlungsgewohnheiten der Wirtschaftssubjekte zurückgeführt wurde, wirken sich Änderungen der Geldmenge unmittelbar auf das Preisniveau aus. Die Zunahme der nominellen Kassenbestände bei einer Geldmengenerhöhung veraniaßt die Wirtschaftssubjekte zu einer Erhöhung ihrer Ausgaben, da die aktuelle Kassenhaltung den geplanten Realwert ihrer Kassenhaltung übersteigt. Die dadurch erhöhte Güternachfrage trifft am Gütermarkt auf ein gegebenes Güterangebot, das lediglich durch reale Variablen bestimmt wird, und verursacht einen Anstieg des Preisniveaus. Der Preisniveauanstieg kommt zum Stillstand, wenn die reale Kassenhaltung das ursprünglich geplante Niveau erreicht hat. 13 Rein nominelle Änderungen der Geldkapitalbildung, die ausschließlich auf einer Erhöhung der Geldmenge basieren, haben somit lediglich einen Einfluß auf das Niveau der Preise, nicht aber auf die Preisrelationen. Eine solche Zunahme der Geldkapitalbildung induziert demnach keine gleichgerichtete Zunahme der Realkapitalbildung über den Zinszusarnmenhang. 12 Dieses kann direkt über eine Zunahme des Wertpapiersparens oder indirekt über eine Erhöhung der Liquidität der Geschäftsbanken erfolgen. 13 Diese Abhängigkeit der Güternachfrage von der realen Kassenhaltung wird häufig auch als "Cambridge-Effekt" bezeichnet. Vgl. Felderer, B. / Homburg, St. (1987), S. 83.

B. Zusammenhang zwischen Geld- und Realvennögensbildung

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Während die Kassenhaltungstheorie der Cambridge Schule die Geldnachfrage der Wirtschaftssubjekte stromtheoretisch mit dem Transaktions- und Vorsichtsmotiv begründet, bietet die "Neoquantitätstheorie" monetaristischer Prägung eine bestandstheoretische Erklärung für die Stabilität der Geldnachfrage bzw. der Umlaufs geschwindigkeit im Zeitablauf an, bei der intertemporale Entscheidungen stärkeres Gewicht gewinnen. Da die Umlaufsgeschwindigkeit aus ihrer Sicht zwar nicht ausschließlich durch die Kassenhaltungsgewohnheiten der Wirtschaftssubjekte bestimmt wird, aber dennoch als stabile Funktion einer begrenzten Zahl erklärender Variablen 14 angesehen wird, gelangt sie schließlich doch zu ähnlichen Ergebnissen wie die ältere Quantitätstheorie der Cambridge Schule. Die Geldmengenentwicklung kann damit als die entscheidende Determinante des Preisniveaus angesehen werden. Sie hat jedoch nur einen geringen Einfluß auf den Realzins, der reale Investition und reale Ersparnis auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zum Ausgleich bringt. In ihrer Zinstheorie und der darauf aufbauenden realwirtschaftlichen Analyse schließen sich die Monetaristen weitgehend der neoklassischen Sichtweise des Wirtschaftsablaufs an. Sie unterscheiden zwischen der realen und der nominellen Zinsentwicklung: Der Realzins wird in der längerfristig orientierten Betrachtung der Monetaristen als reales Phänomen eingestuft. Für die Höhe des Realzinses ist in erster Linie die Grenzproduktivität des Kapitals ausschlaggebend. Der Konsumverzicht der Wirtschaftssubjekte und die reale Investition bestimmen bei abnehmenden Grenzerträgen des Kapitals das Zinsniveau und die Wachstumsrate der Wirtschaft. Der Nominalzins kann bei einer Änderung des Geldangebots vorübergehend von dem Realzins abweichen. Eine Zunahme der Geldvermögensbildung hat im Rahmen dieses Konzepts nur dann einen Einfluß auf die Realvermögensbildung, wenn sie mit einem zusätzlichen Konsumverzicht einhergeht, der den Realzins senkt. Eine zusätzliche Geldschöpfung vermag hingegen den Nominalzins nur kurzfristig unter den Realzins zu senken. Die erhöhte Geldmenge wird jedoch relativ rasch auf das Preisniveau durchschlagen. Dadurch steigt die Geldnachfrage der Wirtschaftssubjekte und in der Folge der Nominalzins soweit an, bis er schließlich über dem Realzins liegt. Obwohl die Monetaristen die Zinselastitzität der Investitionen als relativ hoch einschätzen, halten sie aus den genannten Gründen eine geldpolitische Beeinflusung der realen Wirtschaftstätigkeit nur kurzfristig für möglich. Antizipieren die Wirtschaftssubjekte zudem die Preisniveaureaktion im Anschluß an die Geldmengenänderung, so kann eine Reaktion der Investitionstätigkeit auf die kurzfristige Änderung des Nominalzinses sogar vollständig ausbleiben.

14 Als Bestimmungsgründe der nominellen Geldnachfrage nennt M. Friedman u. a. das Preisniveau und seine Änderungsrate im Zeitablauf, die Ertragsraten zinsbringender Anlagefonnen i. S. v. Opportunitätskosten der Geldhaltung sowie die Entwicklung des Vennögens. Vgl. Friedman, M. (1956), S. 4 ff.

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

2. Sparen und Investieren aus keynesianischer Sicht Die neoklassische These, daß die Geldvennögensbildung im Falle einer zusätzlichen gesamtwirtschaftlichen Ersparnis über den Zinszusammenhang am Kapitalmarkt unmittelbar eine Zunahme der Realvennögensbildung induziert und dadurch einerseits zu einem Ausgleich von Kapitalangebot und Kapitalnachfrage und andererseits über den Mechanismus der relativen Preise gleichzeitig zu einem Gleichgewicht am Gütennarkt führt, wird von der keynesianisch orientierten Theorie in Frage gestellt. Nach keynesianischer Auffassung wird der reale Wirtschaftsablauf - d. h. sowohl die Auslastung der Produktionsfaktoren als auch die Wachstumsrate der Wirtschaft - in stärkerem Maße durch Variationen im Niveau der effektiven Nachfrage als durch den Mechanismus der relativen Preise gesteuert. Keynes bezweifelte die Gültigkeit des "Say-Gesetzes", das ein zentraler Bestandteil der neoklassischen Analyse ist. Den Say'schen Überlegungen entsprechend ist jede Angebotsentscheidung stets mit einer komplementären Nachfrageentscheidung eines Anbieters von Gütern und Leistungen verbunden, da von den Wirtschaftssubjekten nur dann Güter angeboten werden, wenn sie mit dem Erlös andere Güter kaufen wollen. Stark verkürzt wurde diese Prämisse durch die Fonnulierung umschrieben, daß sich jedes Angebot seine eigene Nachfrage schafft. Im Gegensatz dazu weisen Keynesianer darauf hin, daß nicht apriori davon ausgegangen werden kann, daß alle im Produktionsprozeß entstandenen Einkommen zur Nachfrage nach Gütern und Leistungen der laufenden Produktion eingesetzt werden. Sie halten daher eine explizite Analyse der Bestimmungsgründe der effektiven, für die Unternehmen spürbaren Nachfrage für erforderlich. 15 Keynesianer konstatieren eine gewisse Instabilität im Wirtschaftsablauf und begründen das Phänomen konjunktureller Schwankungen mit der Instabilität der privaten Nachfrage, insbesondere der privaten Investitionsnachfrage, die aufgrund der tendenziellen Instabilität der erwarteten Grenzleistungsfähigkeit zusätzlicher Investitionen relativ starken Schwankungen unterliegt. Die Impulse, die von solchen Schwankungen auf die effektive Nachfrage ausgehen, werden durch multiplikative und akzelerative Folgewirkungen verstärkt und können dadurch zu ausgeprägten Schwankungen im Niveau der wirtschaftlichen Aktivität führen. Dem Zinssatz wird hierbei nicht wie in der neoklassischen Analyse die entscheidende Bedeutung bei der Koordination der Sparund Investitionstätigkeit zugemessen. Es wird zwar unterstellt, daß die Zinsentwicklung über ihren Einfluß auf die Ertrags- und Absatzerwartungen der Unternehmen eine gewisse Bedeutung hat. In der vorwiegend kurzfristig ausgerichteten Analyse der Keynesianer wird der Zinssatz jedoch nicht wie in der klassischen Analyse als real bestimmte, sondern 15

Vgl. Landmann, O. (1976), S. 142.

B. Zusammenhang zwischen Geld- und Realvennögensbildung

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als primär monetär detenninierte Größe angesehen, die weniger durch Änderungen im Spar- und Investitionsverhalten, als vielmehr durch Änderungen der Geldschöpfung bestimmt wird. Eine Ausweitung der Geldmenge führt zu einem Liquiditätseffekt, der den Zinssatz senkt. Diese Senkung des Zinssatzes bewirkt - bei gegebenen Ertragserwartungen der Unternehmen - eine Zunahme der Investitionstätigkeit und des Einkommens der laufenden Periode. Im Zusammenhang mit der Einkommenssteigerung steigt die Nachfrage nach Transaktionskasse, wodurch eine Steigerung des Zinssatzes ausgelöst wird, die die anfängliche Zins senkung jedoch nicht kompensiert. Diese Wirkung tritt nicht mehr ein, wenn der Zins in einer anhaltenden Rezession bereits ein sehr niedriges Niveau erreicht hat. In dieser Situation wird die Zinselastizität der Geldnachfrage sehr hoch und die Investitionstätigkeit relativ zinsunelastisch. Hier liegt es nahe, expansive geldpolitische Maßnahmen durch expansive finanzpolitische Maßnahmen zu ergänzen, um die Investitionstätigkeit anzuregen. Damit ist bereits die zweite bedeutende Detenninante der Investitionsneigung der Unternehmen angesprochen. Die erwartete Grenzleistungsfähigkeit der Neuinvestitionen wird primär von der Entwicklung der monetären Gesamtnachfrage - bzw. einzelwirtschaftlich von der Absatzlage - abhängig gesehen, die ihrerseits neben den Zins- und sonstigen Kostenvariationen die Gewinnerwartungen bestimmt. Änderungen in den unternehmerischen Erwartungen schlagen sich hierbei in Verschiebungen der Kurve der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals nieder, die für das Investitionsverhalten häufig VOn weitaus höherer Bedeutung sein können, als die Elastizität der Kurve (bei gegebenen Ertrags- und Absatzerwartungen) in Bezug auf den Zinssatz. In diesen Fällen dominieren die Zukunftserwartungen das Investitionsverhalten der Unternehmen. Ihre Schwankungen können daher als wesentliche Ursache des Konjunkturzyklus angesehen werden. 16 Aus diesem Grunde kann eine vollständige Koordination von Sparen und Investieren bereits bezweifelt werden. Hinsichtlich der Detennination der Spartätigkeit geht die keynesianische Theorie VOn einer relativ geringen Zinselastizität des Sparens aus 17 und unterstellt stattdessen eine starke Abhängigkeit des Sparen vom Niveau des aktuellen Einkommens. Zinsänderungen wirken hierbei lediglich indirekt über eine Variation des Gesamteinkommens auf die Höhe der Ersparnisbildung. Wird durch eine Zinssatzvariation ein Anstieg der Investitionstätigkeit erreicht, so resultiert daraus Vgl. Keynes, J. M. (1956), S. 121 ff. Keynes weist darauf hin, daß der Einfluß des Zinses auf die Ausgaben- bzw. Spameigung der Wirtschaftssubjekte kurzfristig von sekundärer Bedeutung sei, da von Variationen des Zinssatzes in Abhängigkeit von den Sparmotiven z. T. entgegengesetzte Wirkungen auf das Sparverhalten ausgehen. Lediglich sehr große und länger anhaltende Zinsänderungen könnten die gesellschaftlichen Gebräuche erheblich verändern. Vgl. Keynes, J. M. (1936), S. 93 f. 16 17

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

bei verbesserter Ertrags- und Absatzerwartung der Unternehmen eine Zunahme der effektiven Nachfrage und ein Anstieg des Gesamteinkommens, solange dieser Prozeß nicht an die Grenzen des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials stößt. Im Zuge des Einkommensanstiegs erhöht sich nach Maßgabe der marginalen Sparneigung auch die gesamtwirtschaftliche Ersparnis. Die Realvermögensbildung bewirkt hierbei über eine Anpassung des Einkommensniveaus eine Erhöhung des Sparens und damit über eine Zunahme des Einlagensparens oder des Wertpapiersparens eine Zunahme der Geldvermögensbildung. Für diesen Anpassungsmechanismus ist eine gewisse Elastizität des Geldangebots erforderlich. Nach Keynesianischer Auffassung ist die Geldversorgung der Wirtschaft in einer zweistufigen Geldordnung - wie der der Bundesrepublik Deutschland - jedoch soweit elastisch, daß begrenzte Variationen im Ausgabenniveau nicht unmittelbar zu zinsbedingten crowding-out Effekten führen müssen. In einer wachsenden Wirtschaft sei eine beständige Ausweitung des Geldangebots erforderlich, damit das Bankensystem den monetären Mantel entsprechend der Ausweitung der Produktion erweitern kann. Die Geschäftsbanken und die Nichtbanken sind in der Regel auch bei einem zurückhaltenden Geldangebot durch die Zentralbank und steigenden Zinssätzen in der Lage, Liquiditätsreserven freizusetzen und dadurch eine endogene Geldschöpfung herbeizuführen. Diese Spielräume können sich jedoch beim Eintreten von Preissteigerungen und einer anhaltend restriktiven Geldpolitik der Zentralbank erschöpfen und der Einkommensentwicklung monetäre Restriktionen setzen. Die Geldvermögensbildung geht in diesem System allerdings nicht wie im klassischen System durch "Ansparen" der Realvermögensbildung voraus, sondern erfolgt parallel zur Investitionstätigkeit. Die zusätzliche Investitionstätigkeit wird zunächst mit zusätzlicher Geldschöpfung finanziert, die später durch das zusätzliche Sparen "sanktioniert" bzw. "abgelöst" wird. Obwohl aus keynesianischer Sicht andere Bestimmungsgrunde für die Entwicklung der Ersparnis und der Investition aufgezeigt werden, ergibt sich auch im Keynesianischen System eine gewisse Parallelität von Realvermögensbildung und Geldvermögensbildung. Andere Zusammenhänge werden relevant, wenn bei weitgehender Vollbeschäftigung eine derartige Anpassung des Sparens über Variationen im (realen) Einkommensniveau nicht mehr möglich ist. Änderungen im Niveau der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage schlagen sich dann vorwiegend in entsprechenden Variationen des Preisniveaus nieder. Die Konsequenzen solcher Preisniveauvariationen auf die Entwicklung der Geld- und Realvermögensbildung werden im folgenden kurz skizziert.

3. Zwangssparen bei Preissteigerungen Bei dem von Keynes in die konjunkturpolitische Diskussion eingeführten Multiplikatorprozeß wird davon ausgegangen, daß in Abhängigkeit von der Nach-

B. Zusammenhang zwischen Geld- und Realvermögensbildung

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frageentwicklung eine ganze Schar unterschiedlicher Niveaulagen für das Sozialprodukt realisierbar ist, die für alternative Investitionsvolumina, unter Beibehaltung der Verteilungs struktur des Ausgangszeitpunktes, einen Ausgleich von gesamtwirtschaftlicher Investition und Ersparnis sicherstellen. Das Sparen wird als eine Funktion des Einkommens angesehen. Bei einer Störung des makroökonomischen Gleichgewichts erfolgt die Anpassung der Ersparnisbildung an die gesamtwirtschaftliche Investition über Einkommensvariationen, die durch Änderungen der effektiven Nachfrage und anschließende multiplikative und akzelerative Folgewirkungen eingeleitet werden. 18 Eine solche Anpassung der Ersparnis an die gesamtwirtschaftliche Investition über Änderung des Sozialproduktes vollzieht sich insbesondere bei Schwankungen im Niveau der wirtschaftlichen Aktivität und den damit verbundenen Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotentials nach dem von Keynes aufgezeigten Muster. 19 Die Anpassung der Ersparnis an die Investition im Konjunkturverlauf erfolgt jedoch nicht nur in dem bisher unterstellten Sinne, daß die Faktoreinkommen und damit die Faktorersparnisse variieren. Die den starken Schwankungen der Investitionstätigkeit im Konjunkturverlauf entsprechenden Veränderungen der Spartätigkeit vollziehen sich vielmehr über Verschiebungen in der Verteilungsstruktur: In der Rezession geht die Gewinnquote zurück. Entsprechend der höheren Sparquote der Gewinneinkommensbezieher nimmt die Ersparnis überproportional ab. Im Aufschwung steigt die Gewinnquote. Entsprechend überproportional nimmt die Gesamtersparnis zu. Dieser Zusammenhang, daß eine Anpassung der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis auch über eine Änderung der Einkommensverteilung zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern und einer entsprechenden Variation der Lohn- und Gewinnquote bei gegebenem Sozialprodukt erfolgen kann, wurde von Kaldor in einer Weiterentwicklung der Keynesschen Multiplikatoranalyse aufgezeigt. Die Kreislauftheorie der Einkommensverteilung von Kaldor 20 bietet hierbei erste Ansatzpunkte zur Erklärung der institutionellen Verteilung 21 zwischen den sozialen Gruppen der Arbeitnehmer und Unternehmer. 18 solange von einem konstanten Ausgabeverhalten der Wirtschafts subjekte ausgegangen werden kann. 19 Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Produktionspotential im Zuge des Prozesses multiplikativer Einkommenssteigerungen auch zunehmen kann. 20 Siehe Kaldor, N.: Alternative Theories of Distribution, in: Kaldor, N.: Essays on Value and Distribution, London 1960, S. 227 ff. 21 Diese Abgrenzung des Verteilungsbegriffs trägt der Tatsache Rechnung, daß den Arbeitnehmern aufgrund ihrer Ersparnisbildung nicht nur kontraktgebundenes Einkommen, sondern auch Vermögenseinkünfte zukommen und daß das Unternehmereinkommen, neben Gewinnen und Vermögenseinkünften, auch in bestimmtem Umfang Lohneinkommen einschließen kann, da die Unternehmer ihre Arbeitskraft in die Unternehmen einbringen. Für beide Gruppen existiert also eine Querverteilung bzgl. der Einkommensarten, aus denen sich das persönliche Einkommen ergibt. Siehe Külp, B.: Verteilungstheorie, S. 31.

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1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

Kaldor unterstellt bei seiner Betrachtung, daß die gesamtwirtschaftliche Ersparnis einerseits von der Höhe des Einkommens 22 und andererseits von der Höhe der Gewinnquote am Sozialprodukt abhängt. 23 Für ein gegebenes Einkommen bzw. einen gegebenen Beschäftigungsgrad der Wirtschaft kann daher in Kaldors System gezeigt werden, wie sich die Ersparnisbildung über Änderungen der Einkommensverteilung an die Investitionsquote der betrachteten Periode über Variationen des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus anpaßt. Kennzeichnend für Kaldors Sicht der Wirkungs abläufe ist, daß die Investitionsquote am Sozialprodukt bei Vollbeschäftigung und hoher Kapazitätsauslastung als weitgehend unabhängig vom Sparverhalten der privaten Haushalte angesehen werden kann 24 und daß innerhalb gewisser Grenzen der Anteil von privater Nettoinvestition, staatlicher Kreditnahme und Leistungsbilanzsaldo am Sozialprodukt über das Ausmaß der privaten Vermögensbildung entscheidet. In Kaldors Ansatz werden die von der neoklassischen und keynesianischen Theorie aufgezeigten Zusammenhänge, die auf eine Parallelität in der Entwicklung von Real- und Geldvermögensbildung hinwirken, relativiert, da die aus einer Steigerung der einbehaltenen Gewinne resultierende Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis mit keiner Ge1dvermögensbildung verbunden ist. Bei einem hohen Auslastungsgrad des Produktionspotentials führt ein Anstieg der autonomen Investitionen zu einer Zunahme der effektiven Nachfrage, die nicht mehr durch eine reale Sozialproduktsausweitung befriedigt werden kann und die daher vorwiegend preissteigernd wirkt. Diese rein nachfragebedingten Preissteigerungen verursachen einen Anstieg der Kreislaufgewinne und damit eine Umverteilung zugunsten der Unternehmen sowie ein Zwangssparen der übrigen Wirtschaftssubjekte. Von den Kreislaufgewinnen verbleibt - sofern nicht relativ schnell Lohnsteigerungen als Reaktion auf Verteilungsänderungen durchgesetzt werden - der weitaus größere Teil in Form von nicht ausgeschütteten Gewinnen in den Unternehmen. Die einbehaltenen Gewinne der Unternehmen stellen somit im Konjunkturverlauf die elastische Größe bei dem geschilderten Prozeß einer Anpassung der Ersparnisbildung über Änderungen in der Einkommensverteilung dar. 25 Die marginale Spameigung für diese zusätzlichen Einkommen der Unternehmen beträgt eins, was sich dämpfend auf den oben erläuterten Prozeß der multiplikativen Einkommensumverteilung auswirkt. 26 22 Das Sparen der Arbeitnehmer- und Unternehmerhaushalte ist über die marginalen Sparquoten mit der Höhe des Einkommens der Haushalte verknüpft, wobei die Unternehmerhaushalte aufgrund ihrer höheren Sparfähigkeit eine entsprechend höhere Sparneigung aufweisen als die Arbeitnehmerhaushalte. 23 Siehe Külp, B.: Verteilungstheorie, S. 9. 24 Siehe Kaldor, N.: Alternative Theories of Distribution, in: ders.: Essays on Value and Distribution, London 1960, S. 229. 25 Vgl. Bombach, G.: Preisstabilität, wirtschaftliches Wachstum und Einkommensverteilung, in: SZfVS, Nr. 1, 1959, S. 14.

B. Zusammenhang zwischen Geld- und Realvennögensbildung

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Neben der Höhe der einbehaltenen Gewinne der Unternehmen bestimmt der Unterschied zwischen den marginalen Spameigungen von Arbeitnehmern und Unternehmern das Ausmaß der erforderlichen Verteilungs änderung, die zu einem Ausgleich von gesamtwirtschaftlicher Investition und Ersparnis führt. Da die Unternehmerhaushalte eine höhere Sparneigung als die Arbeitnehmerhaushalte aufweisen, wird von den Unternehmereinkommen und den Gewinnausschüttungen an die Unternehmerhaushalte ein vergleichsweise größerer Anteil gespart. Daher führt eine Umverteilung zu ihren Gunsten ebenfalls zu einer Erhöhung der Ersparnisbildung. 27 Ein zusätzlicher Konsum der Unternehmerhaushalte sowie ein Entsparen der Arbeitnehmerhaushalte würde in dieser Situation den quantitativen Umfang der Umverteilung durch einen zusätzlichen Nachfrageimpuls erhöhen. Wie der Arbeitnehmerkonsum ist auch der Unternehmerkonsum keine autonome Größe und dürfte in gewissem Umfang von der Gewinnhöhe abhängen. Daher wird der Einfluß von Änderungen der Nachfragestruktur auf die Einkommensverteilung, bei Gewinnerhöhungen wie auch Gewinnsenkungen, durch eine entsprechende Variation im Unternehmerkonsum indirekt verstärkt. Da der Unternehmerkonsum gesamtwirtschaftlich aber nur einen vergleichsweise geringen Anteil der Gesamtnachfrage ausmacht, sind von dieser Seite quantitativ nur relativ geringe Impulse zu erwarten. Neben den Determinanten der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung bestimmen demnach Änderungen des Unternehmerkonsums und des Sparverhaltens der Arbeitnehmer die Intensität der zu erwartenden Umverteilung. Das Ausmaß der Verteilungsänderung hängt zudem von der Lohnpolitik der Gewerkschaften ab. Zur Vermeidung bzw. Kompensation einer unerwünschten Umverteilung versuchen die Gewerkschaften in den Tarifrunden, entweder preissteigerungsbedingte Verteilungsverluste vorangegangener Perioden durch zusätzliche Lohnforderungen nachträglich auszugleichen oder sie durch die vorbeugende Vereinbarung eines Inflationsausgleichs für erwartete Preissteigerungen zu vermeiden. Der Erfolg einer solchen Lohnpolitik, deren verteilungspolitisches Ziel in einer Stabilisierung des Anteils der Arbeitnehmer am Sozialprodukt besteht, hängt davon ab, in welchem Umfang die Unternehmen Lohnsteigerungen in die Absatzpreise überwälzen können. Eine Verschiebung der Verteilungsrelationen kommt in diesem Falle nur dann zustande, wenn die Unternehmen auf der Absatzseite Preissteigerungen durchsetzen können, die den Einfluß der lohnkostenbedingten Stückkostensteigerung auf die Ertragslage der Unternehmen nicht nur ausgleichen, sondern darüber hinausgehen. 28 26 Siehe Hauser, H. J.: Verteilungswirkung der Staatsverschuldung. Eine kreislauftheoretische Inzidenzbetrachtung, S. 34. 27 Siehe Külp, B.: Verteilungstheorie, S. 16. 28 Derartige Preissteigerungen sind möglich, wenn die mit Lohnerhöhungen einhergehende Zunahme der privaten Konsumgütemachfrage (in Abwesenheit einer adäquaten

32

1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvermögensbildung

Wenn die Entwicklung der effektiven Nachfrage keine oder lediglich unterproportionale Erhöhungen der Absatzpreise zuläßt, ist es den Unternehmen nicht möglich, den mit einem solchen Inflationsausgleich verbundenen Anstieg der Lohnstückkosten vollständig zu überwälzen und eine Änderung der Verteilungsrelationen sowie einen höheren Gewinnaufschlag auf die Stückkosten zu realisieren. In diesem Falle wäre sogar mit einer Abnahme der Gewinnquote zu rechnen, da die Lohnstückkostensteigerung bei unterproprtionalen Preissteigerungen die am Markt realisierbaren Gewinnaufschläge reduziert. Eine Zunahme der Geldvermögensbildung findet bei einer Anpassung der Ersparnis über Änderungen in der Verteilungsstruktur jedoch nur in Verbindung mit einem Anstieg der umlaufenden Geldmenge zur monetären Alimentierung dieser Anpassungsprozesse statt. Die für die Expansion der nominellen Nachfrage erforderliche Geldmengenerhöhung wird sich allerdings unter realistischen Voraussetzungen nur auf einen Teil des zugrundeliegenden Nachfrageimpulses belaufen. Der Ausgleich zwischen der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis und der Nachfrage nach investierbaren Mitteln erfolgt hierbei nicht in erster Linie über eine parallele Zunahme der Geldvermögensbildung, sondern über einen Anstieg der Selbstfinanzierungsmittel der Unternehmen, denen keine entsprechende Geldvermögensbildung gegenübersteht. Bei einer solchen Anpassung der Ersparnis über Preisniveauvariationen und Änderungen in der Einkommensverteilung ist folglich mit einem höheren Grad der Unabhängigkeit in der Entwicklung von Geld- und Realvermögensbildung zu rechnen. Solange die Geldangebotselastizität hinreichend groß ist, kann eine Anpassung der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis, wie oben erläutert wurde, ausschließlich über Änderungen in der Einkommensverteilung erfolgen, ohne daß größere Zinssteigerungen auftreten müssen, die zu einer Verdrängung (crowding-out) der privaten Investitionen führen könnten. Bei geringer Elastizität des Geldangebots kann die Zunahme der nominellen Gesamtnachfrage jedoch an monetären Restriktionen scheitern. Die Investoren konkurrieren in diesem Falle bei Zinssteigerungen um ein begrenztes Angebot an investierbaren Mitteln. Dabei kommt es zu einer Verdrängung der zinselastischen Investitionen und einer Reduzierung des Nachfrageanstiegs, so daß sich die Nachfrage nach investierbaren Mitteln z. T. auch nach klassischem Muster an ein relativ begrenztes Angebot anpaßt. 29

Lohnverwendungspolitik) zeitgleich mit einer Zunahme der Quote des Leistungsbilanzsaldos am Sozialprodukt auftritt. 29 Hiermit ist insbesondere bei Lohnerhöhungen zu rechnen.

B. Zusammenhang zwischen Geld- und Realvennögensbildung

33

4. Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes und Geldversorgung Das klassische Konzept läuft auf eine strenge Parallelität von Geld- und Realkapitalbildung hinaus. Im Keynesschen Ansatz wird diese Parallelität insofern relativiert, als die Möglichkeit einer Finanzierung zusätzlicher Investitionen aus Geldschöpfung eingeräumt wurde. Solange noch ungenutzte Kapazitäten vorliegen, führt der Einkommenseffekt der Investitionen zu einer Ausweitung des Sozialprodukts und der Einkommen, mit der Folge einer nach Maßgabe der Sparquote steigenden Spartätigkeit, so daß nachträglich wieder eine Parallelität von Geld- und Realkapitalbildung erreicht werden kann. Mit Annäherung an die Vollbeschäftigung führt die Geldschöpfung zu Preissteigerungen, die bei zurückhaltender Lohnpolitik eine Steigerung der Gewinne bewirken. Diese Verschiebung der Einkommensverteilung bewirkt im Sinne des Keynes-Kaldor-Mechanismus eine überproportionale Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Sparens, die in Form einbehaltener Gewinne zu keiner entsprechenden Steigerung der Geldkapitalbildung führt. Ein noch weitgehenderes Auseinanderfallen von Geld- und Realkapitalbildung läßt sich mit dem von Stützel weiterentwickelten Ansatz von Lautenbach begründen. Dieser Ansatz zielt allerdings nur indirekt auf den Zusammenhang zwischen Geld- und Realkapitalbildung. Primär ist er auf die Entwicklung von Geldversorgung und Ausgabenströmen gerichtet. Quantitätstheoretischen und zum Teil auch liquiditätstheoretischen Überlegungen liegt die gemeinsame Vorstellung zugrunde, daß die Geldversorgung unmittelbar, über Änderungen der Geldmenge, oder mittelbar, über Änderungen des verfügbaren Kreditvolumens das Ausgabenniveau einer Periode beeinflußt. Folgt man diesen Überlegungen, dann wird die Höhe des realisierbaren Ausgabenstromes mehr oder weniger direkt durch den Umfang der vorhandenen Zahlungsmittelbestände einer Volkswirtschaft determiniert. Gegen diese Vorstellung läßt sich einwenden, daß im kurzfristig-konjunkturellen Geschehen keine parallele Entwicklung der Zahlungsmittelbestände und des Ausgabenstromes beobachtet werden kann. Dies spricht dafür, daß die in den obigen Theorien enthaltene Annahme nicht zutrifft. Gerade diese Annahme wurde von Lautenbach und von W. Stützel kritisiert. 30 Ihre Kritik und die daraus abgeleitete Vorstellung eines hohen Grades der Unabhängigkeit zwischen realen und monetären Variablen basiert im Gegensatz zu den oben erläuterten Theorien auf der Feststellung, daß der Bedarf an Zahlungsmitteln, der zur Abwicklung eines bestimmten Umsatzvolumens erforderlich ist, weniger vom absoluten Niveau der Umsätze abhängt, als vielmehr davon, in welchem Umfang die Stromstärkenänd~rung auf der Ausgangsseite von Stromstärkenänderungen auf der Eingangsseite im Zeitablauf abweichen, anders aus ge30

Stützei, W. (1958), S. 250 ff.

3 Ehrlicher/Braun

34

I. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvermögensbildung

drückt, in welchem Umfang bei den Wirtschaftseinheiten Ausgaben- bzw. Einnahmenüberschüsse auftraten. Dabei kann beobachtet werden, daß sich im Konjunkturaufschwung die Dauer solcher Salden stark verkürzt, im Abschwung verlängert. Stützel weist darauf hin, daß die Quantität der Zahlungsmittel nur dann für die Höhe des Ausgabenstromes ausschlaggebend ist, wenn einerseits die Leistungstransaktionen einer relativ festen, vorgegebenen Periodizität folgen 31 und andererseits vergleichsweise starre Zahlungsgewohnheiten vorliegen, so daß eine im Zeitablauf stabile Umlaufsgeschwindigkeit unterstellt werden kann. 32 Berücksichtigt man jedoch, daß gerade die im Konjunkturverlauf entscheidenden zwischenbetrieblichen Umsätze von Anlagegütern und Lagervorräten keinem festen zeitlichen Rhythmus folgen und zeitlich nahezu beliebig geballt oder gestreut auftreten können, so ist nicht mehr mit einer konstanten Umlaufsgeschwindigkeit zu rechnen. Die Unternehmen können im Aufschwung schon bei einer geringen Flexibilität der effektiv zur Verwendung kommenden Zahlungsziele beträchtliche wechselseitige Steigerungen von Ausgaben und Einnahmen vornehmen, ohne daß dazu zusätzliche Zahlungsmittel benötigt würden. 33 Konjunkturbedingte Schwankungen im Niveau der Gesamtausgaben finden daher häufig ihren Niederschlag in Änderungen der Umlaufsgeschwindigkeit. Aus diesem Grunde sind multiplikative Expansionsprozesse in ihrer umsatztechnischen Bewältigung in weitaus geringerem Maße von entsprechenden Variationen der Zahlungsmittel abhängig, als dies von quantitätstheoretisch orientierten Konzepten unterstellt wird. Hieraus resultiert dann indirekt auch eine relativ hohe Unabhängigkeit der Entwicklung im Niveau der Realvermögensbildung von Änderungen im Bereich der Geldvermögensbildung und insbesondere der Bestände an Zahlungsmitteln. Eine Zunahme der Realvermögensbildung, i. e. ein Anstieg der privaten Nettoinvestitionen, führt nach den voranstehenden Überlegungen zu einer endogenen Erhöhung der effektiven Geldmenge durch eine Zunahme der Umlaufsgeschwindigkeit der vorhandenen Zahlungsmittel. Sie schafft sich dadurch weitgehend die zu ihrer Realisierung erforderliche monetäre Alimentierung.

wie z. B. regelmäßige Pacht-, Miet-, Zins- und Steuerleistungen. Beide Faktoren bestimmen zusammen im wesentlichen die Häufigkeit, mit der Zahlungsmittel pro Periode zur Zahlung von Leistungen benutzt werden können, sofern man vom Zahlungsmittelhorten absieht. vgl. Stützei, W. (1969), S. 200. 33 Umgekehrt steigt bei einem Umsatzrückgang, der zumeist mit einer Zunahme der Unsicherheit über die Zahlungseingänge einhergeht, die Liquiditätspräferenz zur Absicherung der eigenen Zahlungsverpflichtungen, so daß hierbei auch keine nennenswerten Transaktionskassenüberschüsse freigesetzt werden. 31

32

C. Struktur der Geldvermögensbildung und Realvermögensbildung

35

c. Einfluß der Struktur der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung

Wie die bisherigen Überlegungen zeigten, legt der klassische Ansatz die Vermutung einer hohen Parallelität im Niveau der Entwicklung von Geld- und Realvermögensbildung nahe. Im keynesianischen Ansatz wird diese Parallelität bei konjunkturellen Schwankungen über zusätzliche Geldschöpfung hergestellt, die nachträglich über zusätzliche Ersparnisbildung abgelöst wird. Mit der Annäherung an die Vollbeschäftigung löst die zusätzliche Geldschöpfung Preissteigerungen aus, die - solange die Lohnpolitik nicht nachzieht - Verschiebungen in der Einkommensverteilung zugunsten der Unternehmensgewinne bewirken. Die erhöhte Ersparnis aus einbehaltenen Gewinnen muß sich nicht in erhöhter Geldkapitalbildung niederschlagen, so daß in diesem Falle die Parallelität in der Entwick1ung von Geld- und Realvermögensbildung nicht mehr besteht. Während diese drei Ansätze nur auf die Höhe der Geldkapitalbildung abstellen, betonen stärker mikroökonomisch ausgerichtete Ansätze die Bedeutung der Struktur der Geldvermögensbildung für die Höhe und die Art der Realvermögensbildung. Die Auswirkungen von Änderungen in der Struktur der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung lassen sich mit Hilfe portfoliotheoretischer Ansätze und Überlegungen zur Kreditrationierung begründen. Beide Konzepte gehen davon aus, daß eine Änderung in der Struktur der Geldvermögensbildung und daraus resultierende Änderungen in der Zinsstruktur das Niveau und die Struktur der Realvermögensbildung zu beeinflussen vermögen.

1. Portfoliotheoretische Begründung des Zusammenhanges zwischen der Struktur der Geldvermögensbildung und der Realvermögensbildung Auf der Grundlage portfoliotheoretischer Überlegungen lassen sich von der Struktur der Geldvermögensbildung ausgehende Wirkungen auf die Höhe und die Art der Realvermögensbildung begründen. Die Portfoliotheorie geht davon aus, daß die Wirtschaftssubjekte im Rahmen ihrer ökonomischen Aktivitäten einen bestimmten Vermögensbestand anstreben, der sowohl hinsichtlich seines gesamten Umfangs als auch seiner Zusammensetzung eindeutig bestimmt ist. Die Höhe und die Struktur des geplanten Vermögensbestandes werden hierbei durch die Präferenzen und die Risikoneigung der Vermögensbesitzer beeinflußt. Die Vermögensbesitzer vergleichen bei ihren Dispositionen den aktuellen mit dem geplanten Vermögensbestand und versuchen im Zuge der Einkommensverwendung das geplante Portfolio zu realisieren. Dabei entscheidet die Verwendung des Einkommens, das als periodischer Ertrag ihres Vermögens aufgefaßt werden kann, zugleich über die Höhe und die Struktur des zukünftigen Vermögens. 3*

36

1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

Bei ihrer Anlageentscheidung streben die Wirtschaftssubjekte gemäß ihrer Präferenzen auf der Grundlage eines Wahrscheinlichkeitskalküls eine optimale Portfoliostruktur an, bei der das Risiko des Gesamtportfolios gerade der subjektiven Risikoneigung des Anlegers entspricht. Da Real- und Finanzaktiva grundsätzlich verschiedene Ertrags- und Risikoeigenschaften aufweisen, läßt sich das Gesamtrisiko des Portfolios durch eine Diversifizierung des Portfolios und eine Streuung des Vermögens auf die beiden genannten Vermögensarten reduzieren. Zwischen Real- und Finanzaktiva besteht somit unter dem Risikoaspekt eine komplementäre Beziehung. Dies hat zur Konsequenz, daß der Anleger bei einer Aufstockung des Vermögens beide Komponenten in gleichem Umfang erhöhen bzw. bei einer Reduzierung des Vermögens verringern wird, um so, bei gegebenem Portfolioertrag, durch eine Risikostreuung eine Optimierung des Portfolios zu erreichen. Unter dem Ertragsaspekt können die unterschiedlichen Aktiva jedoch als begrenzt substitutiv eingestuft werden. Dies hat zur Folge, daß die Anleger bei Änderungen in den relativen Ertragsraten der Aktiva den Bestand der im relativen Ertrag gestiegenen Anlageformen erhöhen. Aufgrund der begrenzten Substitutionalität der Aktiva und einer fortlaufend neuen Risikoeinstufung der verschiedenen Vermögensarten durch die Anleger kann hierbei jedoch nicht unbedingt eine stabile Relation zwischen den verschiedenen Vermögensarten im Zeitablauf unterstellt werden. Änderungen in der Struktur der Geldvermögensbildung können demnach in zweifacher Weise, nämlich über ihren Risikoeffekt und ihren Ertragseffekt, auf die Art und den Umfang der Realvermögensbildung Einfluß nehmen. Die Transmission der Impulse aus einer Änderung in der Struktur der Geldvermögensbildung in den realen Sektor der Wirtschaft vollzieht sich über eine Veränderung der Ertragsrate bzw. des Marktwertes für vorhandenes Realkapital im Vergleich zur erwarteten Grenzleistungsfähigkeit für zukünftiges Kapital, i. e. Investitionen. 34 Dabei ist ausschlaggebend, daß Änderungen im Bereich der Geldvermögensbildung zu einem Risiko- oder Ertragsgefälle zwischen Finanzaktiva und Realkapital führen, wodurch die Anleger zu einer Umschichtung ihres Vermögens veranIaßt werden. Eine Änderung in der Struktur der Geldvermögensbildung, die sich beispielsweise aus einer Änderung der Fristenstruktur der Finanzaktiva im Zuge einer Umschichtung von Papieren mit kürzerer Laufzeit zu Papieren mit längerer Laufzeit ergeben kann,35 verursacht zunächst einen Anstieg der durchschnittlichen Verzinsung für Finanzaktiva und verändert damit die Ertragstruktur des Portfolios. 36 Dadurch entsteht ein Zinsgefälle zum vorhandenen Realkapital, 34 Vgl. Tobin, J. (1963), S. 144 ff. 35 Unter nonnalen Verhältnissen kann davon ausgegangen werden, daß der Zins für längerfristige Anlagefonnen über dem für kurzfristige Aktiva liegt.

C. Struktur der Geldvennögensbildung und Realvennögensbildung

37

woraufhin die Anleger auch für Realkapital eine höhere Ertragsrate fordern werden. 37 Dieser Anstieg der geforderten Mindestverzinsung für vorhandenes Realkapital wirkt, bei gegebener Grenzertragsrate zukünftigen Kapitals, kontraktiv auf die Investitionstätigkeit. Im Portfolioansatz wird somit davon ausgegangen, daß schon Änderungen in der Zusammensetzung des Geldvermögens, wie sie beispielsweise mit einer Änderung der Fristenstruktur einhergehen, genügen, um eine Änderung im Niveau der Realkapitalbildung in Gang zu setzen. 38

2. Kreditrationierung und Realvermögensbildung Ein weiterer Einfluß der Struktur der Geldvermögensbildung auf das Niveau der Realvermögensbildung kann anhand des Kreditverfügbarkeitskonzepts erläutert werden. Das Kreditverfügbarkeitskonzept betont die Bedeutung der Zinsstruktur für die Struktur des Kreditangebots. Im Rahmen des Konzepts wird davon ausgegangen, daß die Banken und andere Finanzierungsinstitutionen relativ sensibel auf Zins- bzw. Renditedifferenzen an den Geld- und Kapitalmärkten reagieren und daß die Kreditgeber durch Variationen der Zinsstruktur veraniaßt werden, ihre Kreditgewährung an Unternehmen zur Finanzierung von (Real-) Investitionen einzuschränken und stattdessen ihre Nachfrage nach Finanzaktiva, wie z. B. Staatspapieren, erhöhen. Die Effekte, die von einer Änderung der Zinsstruktur ausgehen, resultieren hierbei aus dem Bestreben der Kreditgeber, Rentabilität, Liquidität und Risiko ihrer Anlagen auszubalancieren. 39 Übersteigen die Renditen für Wertpapieranlagen deutlich die Zinsen für die Kreditvergabe an inländische Nichtbanken, so werden die Kreditgeber ihre Mittel vorwiegend auf diese ertragreicheren Anlageformen übertragen, wodurch es zu einer Kreditrationierung für inländische Nichtbanken, wie z. B. Unternehmen, kommen kann. 40 Das Phänomen der Kreditrationierung beinhaltet eine von Preisänderungen relativ unabhängige Kreditmengenanpassung, 41 die aus der Sicht der Kreditgeber mit einem "Risiko-Anreiz-Effekt" sowie einem "Negativ-Auslese-Effekt" erklärt 36 Sofern diese Umschichtung im Bereich der Finanzaktiva nicht mit einer Änderung des Anteils der Finanzaktiva am Gesamtportfolio einhergeht, treten zunächst keine zusätzlichen Risikoeffekte auf. 37 Die von den Anlegern geforderte Mindestrendite für Realkapital hängt von den Ertragsraten der übrigen (Finanz-) Aktiva und dem Risiko des Portfolios ab. 38 Vgl. Duwendag, D. u. a. (1985), S. 227. 39 Vgl. Lindbeck, A. (1962), S. 15. 40 Vgl. Neubauer, W. (1972), S. 41. 41 Die Mengenänderung kommt durch Veränderungen des Umfangs der Kreditrationierung am Kreditrnarkt zustande.

38

1. Kapitel: Zusammenhänge zwischen Geld- und Realvennögensbildung

werden kann. Beide Effekte begründen einen Anstieg des Kreditausfallrisikos bei steigendem Zinssatz, das eine zunehmende Rationierung der Kreditnachfrage durch das Kreditangebot erwarten läßt. Ein Zinsanstieg führt einerseits zu einer rückläufigen Kreditnachfrage und andererseits zu einer Negativauslese unter den Kreditnachfragern. Risikoaverse Kunden werden ihre Kreditnachfrage bei steigendem Zins einschränken, da sie in zunehmend geringerem Maße davon überzeugt sind, gewinnbringende Investitionen zu realisieren. Risikofreudigere Kunden werden hingegen trotz der Zinssteigerung ihre Nachfrage aufrechterhalten, da sie weiterhin davon überzeugt sind, ausreichend hohe Gewinne zu erzielen. Aufgrund solcher Änderungen in der Risikoeinstellung der Kunden gehen die Kreditgeber bei einem Anstieg des Zinsniveau von einer Zunahme des Kreditausfallrisikos aus. Neben derartigen Änderungen in der Struktur der Kunden veranlaßt der Risiko-Ameiz-Effekt im Zusammenhang mit einem Anstieg des Zinsniveaus den einzelnen Investor zu Investitionen mit einem vergleichsweise höheren Ertrag und einem entsprechend höheren Risiko überzugehen. Auch dies kann zu einem Anstieg des Kreditausfallrisikos beitragen. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Maximierung des erwarteten Gewinns unter Berücksichtigung des Kreditausfallrisikos zu einer Kreditrationierung führen, wenn der Risikoeffekt nach Einschätzung der Kreditgeber bei zunehmendem Zinsniveau den Einnahmenzuwachs aus dem Kreditgeschäft im Zuge einer möglichen Zinssatzerhöhung übersteigt. In diesem Falle werden die Kreditgeber bei dem von ihnen ermittelten optimalen Zins ein bestimmtes Kreditangebot realisieren und weitere Kreditanträge ablehen, auch wenn die Kreditnachfrager bereit wären, einen höheren Zins zu zahlen. Durch eine Kreditrationierung werden zunächst die kreditabhängigen Ausgaben betroffen. Im Zuge der Kreditrationierung verschlechtert sich zunächst die Investitionsmöglichkeit der Unternehmen, wodurch - in Abhängigkeit vom Umfang der Selbstfinanzierung und der Zinselastizität der Investitionen - die Investitionstätigkeit der Unternehmen zurückgeht. Dies kann in der Folge auch das Niveau der nicht kreditfinanzierten Ausgaben reduzieren und dadurch die Investitionsneigung der Unternehmen dämpfen. Änderungen in der Struktur der Geldvermögensbildung wirken sich demnach auch über die Kreditverfügbarkeit auf das Niveau und die Struktur der Realvermögensbildung aus.

Zweites Kapitel

Entwicklung der Geldkapitalbildung und der Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1950 und 1990 1 Vor dem Hintergrund der oben erläuterten theoretischen Konzepte über den Zusammenhang zwischen der Geld- und Realvermögensbildung wird nun in den folgenden Kapiteln die Entwicklung beider Größen für die Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 1990 anband empirischer Daten nachvollzogen und analysiert. Das Ziel dieser Untersuchung besteht einerseits in der Erklärung der Abweichungen im Niveau beider Größen und andererseits in der Analyse der Bedeutung der verschiedenen Formen der Geldkapitalbildung für die Realkapitalbildung. Dazu wird zunächst in den Kapiteln 2.A. und 2.B. das Phänomen der überproportionalen Geldvermögensbildung im Vergleich zur Realvermögensbildung näher erörtert. Hierbei wird die quantitative Entwicklung beider Größen während des gesamten Betrachtungszeitraumes gegenübergestellt. Eine solche Übersicht verdeutlicht den globalen Trend der Entwicklung von Geld- und Realvermögensbildung und vermittelt einen ersten Eindruck von dem Muster, nach dem sich die Entwicklung der einzelnen Größen während der vergangenen vierzig Jahre vollzogen hat. Anschließend wird auf die Ursachen der Abweichung im Niveau beider Größen eingegangen. Das KapiteI2.C. befaßt sich hingegen stärker mit der Untersuchung struktureller Aspekte des Zusammenhangs zwischen Ge1d- und Realvermögensbildung. Hier werden die Globalgrößen nach Vermögensarten und Wirtschafts sektoren aufgegliedert. Bei dieser Aufgliederung ist von Interesse, wie die Vermögensbildung der verschiedenen Sektoren finanziert wurden und welche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Teilkomponenten von Geld- und Realvermögensbildung existieren. Die oben genannten Kapitel umfassen einerseits eine längerfristig ausgerichtete Betrachtung, bei der Bestimmungsgründe des säkularen Trends der Entwicklung von Geld- und Realkapitalbildung über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg untersucht werden, und andererseits eine an der zyklischen Entwicklung 1 Eine erste Zusammenstellung des einschlägigen Zahlenmaterials hat Claudia Albrecht erarbeitet.

40

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

orientierte Untersuchung der konjunkturellen Bestimmungsgründe der betrachteten Größen. Das Kapitel 2.D. befaßt sich mit den Gründen für eine überproportionale Geldvermögensbildung und schließt damit die Untersuchung der Ursachen für die in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1950 und 1990 beobachtete Entwicklung ab. Die Konsequenzen der überproportionalen Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung in der Bundesrepublik werden schließlich in Kapitel 2.E. eingehender erläutert. Für eine längerfristig ausgerichtete rückschauende Betrachtung der Geld- und Realvermögensbildung von 1950 bis 1990 muß zunächst eine geeignete Aufteilung des Betrachtungszeitraumes vorgenommen werden, die eine Verzerrung der Untersuchungsergebnisse durch konjunkturelle Schwankungen möglichst gering hält. Zu diesem Zweck erscheint es angebracht, die Tiefpunkte der Wachstumsraten des realen Nettosozialprodukts zur Untergliederung des Betrachtungszeitraumes heranzuziehen. Zwei aufeinanderfolgende Tiefpunkte in der Wachstumsrate des realen Nettosozialprodukts umschließen jeweils einen Wachstumszyklus. Durch eine Orientierung der Periodeneinteilung an diesen Tiefpunkten ist gewährleistet, daß die verschiedenen Teilperioden nicht schwerpunktmäßig nur die Aufschwungphase oder nur die Abschwungphase eines Zyklus erfassen, was die Vergleichbarkeit der Daten im Rahmen einer zyklusübergreifenden Periodenbetrachtung sehr erschweren würde. Bei der zyklusübergreifenden Betrachtung der Entwicklung der Investitionsquote, die typischerweise im Aufschwung stark ansteigt, könnten die Untersuchungsergebnisse durch eine ungeeignete Periodeneinteilung beispielsweise verzerrt werden, wenn eine Teilperiode lediglich die mit einer Zunahme des Sozialproduktswachstums korrespondierenden überproportional hohen Investitionsquoten umfaßt, während die Vergleichsperiode lediglich die mit dem Abschwung einhergehenden unterproportionalen Investitionsquoten einschließt. Aus dem Datenmaterial könnten bei einer solchen Periodeneinteilung lediglich Rückschlüsse darüber gezogen werden, welche Unterschiede zwischen der Investitionsquote im Aufschwung im Vergleich zur Investitionsquote im Abschwung bestanden haben, nicht aber darüber, ob die Investitionsquote im zyklusübergreifenden Durchschnitt in der Bertrachtungsperiode höher lag als in der Vergleichsperiode. Um die daraus resultierenden Probleme zu umgehen, wird der Betrachtungszeitraum in der vorliegenden Untersuchung in sieben- bis neunjährige Wachstumszyklen unterteilt, die insgesamt ein typischeres Muster in der wirtschaftlichen Entwicklung zeigen, als die Auf- und Abschwünge kürzerer Zyklen, die sehr unterschiedliche Amplituden aufweisen. Die Entwicklung der Wachstumsrate des realen Nettosozialprodukts läßt sich anband von Abbildung 1 für den Betrachtungszeitraum nachvollziehen. Wie aus der Abbildung hervorgeht, kann der Betrachtungszeitraum in die fünf folgenden längerfristigen Wachstumszyklen untergliedert werden:

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

erster Zyklus: zweiter Zyklus dritter Zyklus: vierter Zyklus: fünfter Zyklus:

von

bis

1950 1959 1968 1976 1983

1958 1967 1975 1982 1990

41

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Abb. 1: Wachstum des realen Nettosozialprodukts zu Preisen von 1980

1880

42

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Die Zyklen zeigen insofern ein typisches Muster, als einem starken Aufschwung stets ein starker Abschwung folgt, der von einem Zwischenhoch unterbrochen wird. Die vorliegende Untersuchung weicht damit von der gebräuchlichen Periodenabgrenzung des Sachverständigenrates ab, der aufgrund seiner konjunkturpolitisch ausgerichteten Untersuchungen kürzere Zyklen mit einer Dauer von dreieinhalb bis viereinhalb Jahren betrachtet. Die Unterschiede zwischen beiden Abgrenzungen sind auf die abweichende Fragestellung des Sachverständigenrates zurückzuführen. Beide Konzepte stehen jedoch in keinem Widerspruch zueinander, da die längerfristigen Wachstumzyklen durch Zwischenhochs und Zwischentiefs unterbrochen werden, die vor dem Hintergrund konjunkturpolitischer Fragestellungen auch eine kürzere Periodeneinteilung rechtfertigen. Die folgenden Abschnitte bieten zunächst einen Überblick über die globale Entwicklung der Geld- und Realvermögensbildung seit 1950. Im Anschluß an eine Darstellung der Entwicklung der Globalgrößen erfolgt jeweils eine Untersuchung der Änderungen der Struktur der Geld- und Realvermögensbildung im Zeitablauf. Abschließend wird versucht, auf der Grundlage der in Kapitel 1 vorgestellten theoretischen Konzepte eine Interpretation der zwischen beiden Zeitreihen bestehenden Zusammenhänge zu geben.

A. Realkapitalbildung Das Realvermögen einer Volkswirtschaft umfaßt die Summe aus reproduzierbarem und nicht reproduzierbarem Sachvermögen. Aus den in Kapitel 1 erläuterten Gründen wird das nicht reproduzierbare Sachvermögen, das im wesentlichen das Grundvermögen umfaßt, im folgenden jedoch nicht weiter berücksichtigt. Die Analyse konzentriert sich somit auf die Untersuchung der Entwicklung des reproduzierbaren Sachvermögens, also des Anlagevermögens einschließlich des Vorratsvermögens, und der Nettoforderungen gegenüber dem Ausland.

1. Quantitative Entwicklung der Realvermögensbildung Bei der Analyse der quantitativen Entwicklung des Realvermögens sind neben der Unterscheidung in Brutto- und Nettovermögen grundsätzlich je nach Fragestellung drei verschiedene Bewertungsverfahren möglich: -

die Bewertung zu laufenden Preisen (oder auch Anschaffungspreisen);

-

die Bewertung zu Wiederbeschaffungspreisen;

-

die Bewertung zu konstanten Preisen;

Eine Bewertung zu laufenden Preisen ist angebracht, wenn der Anschaffungsaufwand in jeweiligen Preisen dargestellt werden soll. Dabei wird von den tatsächlichen Ausgaben oder den Kosten der Vermögensobjekte ausgegangen. Der An-

A. Realkapitalbildung

43

satz der Vermögensobjekte zu Anschaffungspreisen ist zudem unter Bewertungsaspekten am ehesten mit der Finanzstatistik vergleichbar 2 und wird daher im folgenden bei der Gegenüberstellung von Geld- und Realvermögensbeständen der gleichen Periode verwendet. Eine Bewertung zu Wiederbeschaffungspreisen bietet sich hingegen an, wenn der Wert des aktuellen Vermögensbestandes ermittelt werden soll. Sie weist aus der Sicht des gegenwärtigen Zeitpunkts realistischere Werte für den Vermögensbestand aus, der bei einer Bewertung zu Anschaffungspreisen (im Zuge einer Verteuerung der Vermögensobjekte im Ersatzbeschaffungfalle) tendenziell unterbewertet wird. Aus diesem Grunde werden bei der Bewertung zu Wiederbeschaffungspreisen die Preise angesetzt, die zum Berichtszeitpunkt für die Ersatzbeschaffung bezahlt werden müßten. Diese Bewertungsmethode eignet sich im Rahmen der Vermögensrechnung somit vorwiegend für die Erstellung eines aktuellen Vermögenskontos. Die Bewertung zu konstanten Preisen findet hingegen in erster Linie bei produktionstechnisch orientierten Fragestellungen Anwendung, da hierbei in der Regel die Entwicklung realer Größen untersucht werden soll. Da sich die Preise für die Vermögensobjekte im Zeitablauf ändern können, legt man zum Zwecke eines Vergleichs der Volumengrößen des Sachvermögens konstante Preise zu Grunde. Dieses Bewertungsverfahren wird daher im folgenden bei der Darstellung der Entwicklung des Kapitalkoeffizienten oder des realen Einkommensniveaus etc. herangezogen. Das jahresdurchschnittliche Bruttoanlagevermögen 3 (in Preisen von 1980) in der Bundesrepublik Deutschland stieg von 1472 Mrd. DM im Jahre 1950 auf 8810 Mrd. DM im Jahre 1989 an und erhöhte sich somit während des gesamten Betrachtungszeitraumes um den Faktor 5,9. 4 Während des gleichen Zeitraumes stieg das Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1980) von 308 Mrd. DM auf 1745 Mrd. DM und erhöhte sich um das 5,6-fache, so daß der Kapitalkoeffizient 5 insgesamt von 4,8 auf 5,1 leicht zunahm. Die Entwicklung des Kapitalkoeffizienten wird durch Abbildung 2 dargestellt. Der Kapitalkoeffizient sank während der 50er Jahre zunächst von 4,8 auf seinen Tiefststand von 3,6 im Jahre 1960, um anschließend relativ kontinuierlich auf einen Wert von 5,1 anzusteigen, den er seit Mitte der 80er Jahre annähernd beibehält. Diese Entwicklung kann darauf zurückgeführt werden, daß während der 50er Jahre durch vergleichsweise geringe Reparaturinvestitionen in alte Anlagen die Funktionsfahigkeit des ProduktionsVgl. Kock, H. (1985), S.486. i. e. (Jahresanfangsbestand + Jahresendbestand) / 2; in Preisen von 1980. 4 Zu den Angaben vgl.: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, verseh. Jg., sowie Deutsche Bundesbank (1990) und (1983). 5 Der KapitaIkoeffizient ergibt sich als Quotient aus dem jahresdurchschnittlichen Bruttoanlagevermögen zu konstanten Preisen und dem realen Bruttoinlandsprodukt der Periode. 2

3

44

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

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1890

KapItalkoeffizient

Abb. 2: Entwicklung des KapitalkoeJfizienten

mittel bestandes wieder hergestellt und dadurch die Ausbringung erhöht werden konnte. Das spätere Ansteigen des Koeffizienten kann dahingehend interpretiert werden, daß seit den 60er Jahren in der Produktion eine Strukturverschiebung zugunsten von kapitalintensiveren Verfahren stattgefunden hat. Auch die Nettoforderungen gegenüber dem Ausland sind zwischen 1950 und 1989 von - 4 Mrd. DM auf 555 Mrd. DM gestiegen und trugen dadurch zu einer Zunahme des Realvermögens in der oben begründeten Definition bei. Zu laufenden Preisen stieg das Nettorealvermögen 6 insgesamt von 155 Mrd. DM im Jahre 1950 auf 4969 Mrd. DM im Jahre 1989 um das 32-fache an.

A. Realkapitalbildung

45

Setzt man die Vennögensbildung ins Verhältnis zum Einkommen der jeweiligen Periode, so erhält man die Investitionsquote, deren Entwicklung in Abbildung 3 aufgezeigt wird. Die Investitionsquote war im Betrachtungszeitraum sehr starken Schwankungen unterworfen und wies auch im zyklusübergreifenden Durchschnitt in den verschiedenen Teilperioden sehr unterschiedliche Niveaus auf. In '"

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1890

Inv.atltlonaquot.

Abb. 3: Entwicklung der Investitionen als Anteil des Nettosozialprodukts zu Marktpreisen 6 als Summe aus dem reproduzierbaren Nettoanlagevermögen zu laufenden Preisen und den Nettoforderungen gegenüber dem Ausland.

46

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Während der ersten Periode 1950 bis 1958 lag der Anteil der Realvermögensbildung, als Summe aus der inländischen Realvermögensbildung und der Änderung der Nettoforderungen gegenüber dem Ausland, relativ hoch und betrug im Durchschnitt 18,8% des Nettosozialprodukts zu Marktpreisen. Die Investitionsquote stieg zu Beginn der zweiten Periode noch weiter an und erreichte ihren vorläufigen Höchststand von 22,9% im Jahre 1960. Gegen Ende der zweiten Periode nahm die Investitionsquote im Trend jedoch bis 1967 auf 16,9% ab. Gleichwohl betrug die Investitionsquote im Durchschnitt der zweiten Periode 20, 1 % und hatte damit das höchste Niveau während des gesamten Betrachtungszeitraumes. Zu Beginn der dritten Periode erreichte die Investitionsquote zwar im Jahre 1969 einen Anteil von 20,2 % des Nettosozialprodukts, sank dann gegen Ende der dritten Periode auf 10,8% im Jahre 1975 stark ab und betrug im Durchschnitt 17,5%. Während der vierten Periode, die durch die beiden Energiepreisverteuerungen der späten 70er und beginnenden 80er Jahre gekennzeichnet ist, hatte die Investitionsquote nur einen durchschnittlichen Wert von 11,3% und erreicht im Jahre 1982 ihren vorläufigen Tiefstand von 8,8 % des Nettosozialprodukts. In der fünften Periode fand schließlich wieder ein relativ kontinuierlicher Anstieg der Investitionsquote statt, die im Jahre 1989 erstmals nach 1974 wieder die 15% Marke überstieg. Im Durchschnitt der fünften Periode betrug die Investitionsquote 12,3%. Die in ihrer Tendenz abnehmende Investitionsquote während der ersten vier Perioden ging mit einem parallelen Rückgang der Wachstumsraten des realen Nettosozialprodukts einher. 7 Die durchschnittliche Wachstumsrate des realen Nettosozialprodukts nahm zunächst von 8,0% über 5,2% und 3,4% auf 2,1 % in der vierten Perioden ab und stieg erst in der fünften Periode gegen Ende der 80er Jahre allmählich wieder auf 2,8% an. Vergleicht man beide Zeitreihen, so fällt lediglich in der ersten Periode eine gewisse Abweichung auf. Trotz einer im Vergleich zur zweiten Periode deutlich geringeren Investitionsquote wies das reale Nettosozialprodukt während der ersten Periode im Durchschnitt eine Wachstumsrate von 8,0 % auf, welche die durchschnittliche Wachstumsrate der zweiten Periode von 5,2 % deutlich überstieg. Der Grund für dieses im Vergleich zur Investitionsquote überproportionale Wachstum des realen Sozialprodukts kann - wie oben bereits angedeutet - in einem relativ geringen marginalen Kapitalkoeffizienten während der Wiederaufbaujahre gesehen werden. Dies erklärt sich daraus, daß im Krieg teilzerstörte Anlagen oft mit geringem Kapitaleinsatz wieder voll betriebsfertig wurden und dadurch wieder für eine Ausweitung der Produktion zur Verfügung standen. Betrachtet man die Entwicklung der Realvermögensbildung und der Sozialproduktsentwicklung während des gesamten Untersuchungszeitraumes, so kann vorläufig festgehalten werden, daß die Investitionsquoten und mit ihnen die Wachstumsraten des realen Sozialprodukts bis Mitte der 80er Jahre zurückgingen und 7

Siehe dazu auch Abbildung 1.

A. Realkapitalbildung

47

sich erst Ende der 80er Jahre allmählich wieder erholten. Diese Entwicklung wirft unter anderem die Frage auf, ob der Rückgang in der Wachstumsrate des Sozialprodukts den Rückgang der Investitionsquote ausgelöst hat oder ob umgekehrt der Rückgang der Investitionsquote die rückläufigen Wachstumsraten des Sozialprodukts induziert hat. Darauf wird später zurückzukommen sein. 2. Strukturwandlungen der Realvermögensbildung Weitere Informationen über die Wandlungen im Prozeß der Realvermögensbildung gewinnt man, wenn man die Globalgrößen nach Sektoren aufgliedert. 8 Dazu werden im folgenden die Sektoren private Haushalte, Produktionsunternehmen, Wohnungswirtschaft, Staat, finanzieller Sektor und Ausland unterschieden. Hierbei wird die Realvermögensbildung der privaten Haushalte, die sich in der Erstellung von Wohnungseigentum niederschlägt, dem Sektor Wohnungswirtschaft zugeordnet und die staatlichen Investitionen in öffentlich-rechtlichen Unternehmen dem Sektor Produktionsunternehmen zugeschlagen. Da die Realvermögensbildung des finanziellen Sektors rein quantitativ nicht sonderlich ins Gewicht fällt, wird sie ebenfalls dem Sektor Produktionsunternehmen zugeordnet. Eine Analyse der Strukturwandlungen der Realvermögensbildung kann sich somit auf eine Untersuchung der vier Sektoren Produktionsunternehmen, Wohnungswirtschaft, Staat und Ausland beschränken. Die Struktur der Realvermögensbildung wird in Abbildung 4 für die vier genannten Sektoren dargestellt. Abbildung 4 zeigt die absoluten Beiträge der einzelnen Sektoren zur Realvermögensbildung der jeweiligen Periode. 9 Aus Abbildung 4 geht hervor, daß die Realvermögensbildung der inländischen Sektoren einen relativ eindeutigen Trendverlauf aufweist, während der Anteil der Auslandsanlagen bzw. der ausländischen Anlagen im Inland sehr stark schwankte. Die Auslandsanlagen setzen sich aus sehr unterschiedlichen Vermögensarten, wie z. B. Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapieranlagen bis hin zu Direktinvestitionen, zusammen, weshalb die Bestimmungsgründe für eine Änderung der Auslandsanlagen sehr heterogen sind. Umstritten ist grundsätzlich die Frage, ob der Saldo der Kapitalbilanz einen entsprechenden Leistungsbilanzsaldo bewirkt, ob die Leistungsbilanz die Kapitalbilanz zieht oder ob hier beide Zusammenhänge interdependent die Entwicklung bestimmen. Auf die Richtung und den Umfang der grenzüberschreitenden Kapitalströme wirken divergierende Inflationsraten im In- und Ausland sowie Zinsdifferentiale und Änderungen des allgemeinen politischen Klimas. Diese Faktoren können sich relativ schnell und 8 Die Sektorenaufteilung orientiert sich an der Sektorengliederung, die von der Deutschen Bundesbank im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung verwendet wird. 9 Zu den Angaben vgl.: Deutsche Bundesbank,(1990) und (1983).

48

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

350

In Mrd. DM

300

250

200

160

100

60

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1968

1976

1987

1982

_

Aueland

_

Wohnungewlrtechatt

E.:3

Staat

_

Produktloneuntern.

1990

Abb. 4: Struktur der Realvermögensbildung

stark ändern. Dies hat zur Folge, daß sich die für die einzelnen Konjunkturzyklen berechneten Durchschnittswerte aus sehr unterschiedlichen Jahreswerten zusammensetzen. Daher erscheint es angebracht, die außenwirtschaftlichen Einflüsse auf die Struktur der Vermögensbildung zu isolieren und die Realvermögensbildung der verschiedenen inländischen Sektoren jeweils auf die gesamte Realvermögensbildung bzw. auf gesamte inländische Realvermögensbildung zu beziehen. lO

A. Realkapitalbildung

49

Der Anteil der Auslandsanlage an der Realvennögensbildung nahm zunäch~t in den ersten beiden Perioden von durchschnittlich 10,4 % auf 4,0 % ab, um anschließend in der dritten Periode wieder auf 8,8% anzusteigen. Von 1976 bis 1982 sank er hingegen wieder deutlich und nahm mit - 0,5 % sogar einen negativen Wert an. Seit Beginn der 80er Jahre erhöhte sich der Anteil der Auslandsanlage jedoch kontinuierlich auf 26,6 %. Damit entfielen während der letzten Periode im Durchschnitt mehr als ein Viertel der gesamten Realvennögensbildung auf die Auslandsanlage. Im Gegensatz zu den Auslandsanlagen folgt die Realvennögensbildung der inländischen Sektoren einem vergleichsweise kontinuierlichen Entwicklungsrnuster. Die durchschnittlichen Anteile der Sektoren an der gesamten inländischen Realvennögensbildung werden in den Abbildungen 5 - 7 für die verschiedenen Teilperioden des Betrachtungszeitraumes aufgeführt und Abbildung 8 einander gegenübergestellt, so daß Anteilsverschiebungen von einer Teilperiode zur nächsten deutlich werden. Der Anteil der Produktionsunternehmen 11 an der gesamten Realvennögensbildung (inländischen Realvennögensbildung) sinkt von 58,8 % (52,8 %) während der ersten Periode über 47,9% (46,1 %) und 38,9% (35,8 %) auf 34,8% (35,2 %) in der vierten Periode ab und erreicht erst während der 80er Jahre wieder einen Anteil von 43,4% (31,4%). Eine dazu entgegengesetzte Tendenz weist die Realvennögensbildung des Staates 12 auf. Ihr Anteil steigt von 12,3 % (11,0 %) während der 50er Jahre über 19,7% (18,9%) und 26,1 % (23,7%) auf 27,2% (27,2%) in der vierten Periode an, um in der fünften Periode schließlich wieder auf 21,3 % (15,6%) abzufallen. Ebenso nahm der durchschnittliche Anteil des Sektors Wohnungswirtschaft von 28,9% (25,8%) während der ersten Periode über 32,4% (30,9%) und 34,9% (31,7%) auf 38,8% (38,2%) in der vierten Periode zu. l3 Auch bei dem Wohnungsbau sektor ereignete sich eine Trendwende während der fünften Periode, die an dem gesunkenen Anteil des Sektors von 35,3 % (26,5 %) an der Realvennögensbildung abgelesen werden kann. Diese Strukturverschiebung deutet darauf hin, daß - zumindest während der ersten vier Perioden - bei den inländischen Sektoren eine Verlagerung des Schwerpunkts der Investitionstätigkeit zu Lasten des Sektors der Produktionsunternehmen hin zu den Sektoren Staat und Wohnungswirtschaft stattgefunden 10 Aus den oben genannten Gründen betreffen die weiteren Erläuterungen in erster Linie die durchschnittlichen Anteile der Sektoren Wohnungs wirtschaft, Staat und Produktionsunternehmen bezogen auf die gesamte inländische Realvermögensbildung in den verschiedenen Teilperioden. Zum Vergleich werden die Werte, bezogen auf die gesamte Vermögensbildung - also einschließlich der Änderung der Nettoauslandsforderungen, im folgenden jeweils in Klammern angegeben. Die Angaben zum Sektor Ausland beziehen sich jedoch grundsätzlich auf die gesamte Realvermögensbildung. 11 Siehe Abbildung 5. 12 Siehe Abbildung 6. 13 Siehe Abbildung 7.

4 Ehrlicher/Braun

50

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In

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1860-68

1868-87

1888-76

1878-82

1883-80

-Er Produktlon.untern. Abb. 5: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Produktionsunternehmen an der inländischen Realvermögensbildung

hat. 14 Da aus den staatlichen Investitionen die Investitionen der öffentlich-rechtlichen Unternehmen ausgegliedert sind, können die verbleibenden Investitionen weitgehend als Infrastrukturinvestitionen betrachtet werden. Für Wohnungsbauinvestitionen sowie staatliche Infrastrukturinvestitionen ist tendenziell ein hoher Einkommenseffekt und ein geringer Kapazitätseffekt charakteristisch, während Investitionen im Sektor Produktionsunternehmen durch einen hohen Kapazitätseffekt und einen geringen Einkommenseffekt gekennzeichnet sind. 15 14

Siehe Abbildung 8.

A. Realkapitalbildung

51

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1860-68

1868-87

1888-76

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1178-82

1883-80

Staat

Abb. 6: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Staat an der inländischen Realvermögensbildung

Im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Einkommens- und Kapazitätseffekten verschiedener Investitionsarten ergibt sich die Frage, ob die oben angesprochene Strukturverschiebung bei der Realvermögensbildung im Aggregat zu einer Verschiebung der Relation zwischen Einkommens- und Kapazitätseffekten des Kapitalstocks im Betrachtungszeitraum geführt hat. Bei unveränderter Produktionstechnologie würde eine Strukturverschiebung zu Lasten der Investitionen der Produktionsunternehmen und zugunsten von Infrastruktur- und Wohnungs15 Zu den Begriffen konjunkturabhängige und kreditabhängige Investitionen siehe Ehrlicher, W. (1956) und (1957). Siehe dazu auch Kapitell.A.3.

4*

52

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In ..

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1888-76

1861Ht7

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1878-82

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1883-80

WOhnungawlrtachatt

Abb. 7: Durchschnittlicher Anteil des Sektors WohnungswirtschaJt a!l der inländischen Realvermögensbildung

bauinvestitionen eine Zunahme der Einkommenseffekte im Verhältnis zu den Kapazitätseffekten verursachen und einen im Vergleich zur Entwicklung der Produktionskapazitäten überproportionalen Nachfrageanstieg induzieren. Dieser Einfluß des Strukturwandels der Realkapitalbildung auf die Entwicklung von gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und gesamtwirtschaftlicher Produktionskapazität kann jedoch durch technischen Fortschritt kompensiert oder ggf. sogar überkompensiert werden. Sofern bei den Investitionen der Produktionsunternehmen größere Produktivitätsfortschritte im Zuge des technischen Fortschritts

A. Realkapitalbildung

53

100'110

76'110

60'110

26'110

1960-68

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1969-67

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1968-76

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Staat

1976-82

_

1983-90

Produktlonauntern.

Abb. 8: Durchschnittlicher Anteil der Sektoren an der inländischen Realvermögensbildung

.,

realisiert werden können als bei Wohnungsbau- und Infrastrukturinvestitionen, kann im Aggregat auch bei Zunahme des Anteils der Wohnungsbau- und Infrastrukturinvestitionen an der Realvermögensbildung das Verhältnis der Einkommens- und Kapazitätseffekte unverändert bleiben. Dies ist der Fall, wenn ein relativer Rückgang der Kapazitätseffekte, der bei einer Abnahme des Anteils der Investitionen der Produktionsunternehmen an der Realkapitalbildung und gegebener Produktionstechnologie eintreten würde, dadurch ausgeglichen wird, daß die

54

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Kapazitätseffekte pro Investitionseinheit bedingt durch den technischen Fortschritt im Sektor Produktionsunternehmen so stark ansteigen, daß das Verhältnis aus Einkommens- und Kapazitätseffekten im Aggregat unverändert bleibt. In der wachsenden Wirtschaft müssen daher mit einem Wandel der Struktur der Realvermögensbildung nach dem oben erläuterten Muster nicht notwendigerweise die Einkommenseffekte der Realinvestitionen im Vergleich zu den Kapazitätseffekten überproportional an Gewicht gewinnen. Eine detaillierte Untersuchung dieser Zusammenhänge wäre sehr arbeitsaufwendig und kann hier nicht angestellt werden. Sie ist für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Geld- und Realkapitalbildung auch nicht von unmittelbarer Relevanz.

B. Geldkapitalbildung Kapitel II.B. bietet zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Geldkapitalbildung zwischen 1950 und 1990. Das Geldvermögen der verschiedenen Sektoren wird in der Finanzierungsrechnung der Bundesbank als Bruttogröße ausgewiesen und den Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Dabei werden jedoch nicht die Budgetüberschüsse (bzw. -defizite) aller Wirtschaftssubjekte berücksichtigt, da die intrasektoralen Forderungen und Verbindlichkeiten der Untersektoren bei der Aggregation gegeneinander aufgerechnet werden. 16 Daher wird das gesamtwirtschaftliche Bruttogeldvermögen in der Regel von dem Bruttogeldver~ mögen, wie es im Zusammenhang mit der sektoralen Betrachtung ausgewiesen wird, abweichen. Trotz der erwähnten Vorbehalte lassen sich aus der Finanzierungsrechnung verschiedene Schlußfolgerungen über die quantitative Entwicklung der Geldvermögensbildung und ihrer strukturellen Zusammensetzung im Zeitablauf ableiten. 1. Quantitative Entwicklung der Geldkapitalbildung

Das Bruttogeldvermögen der inländischen nichtfinanziellen Sektoren stieg von 1950 bis 1989 kontinuierlich von 59,1 Mrd. DM auf 4,4 Bio. DM, d. h. auf das 75-fache an. (Zum Vergleich: Das Nettorealvermögen 17 zu laufenden Preisen stieg im gleichen Zeitraum von 155 Mrd. DM im Jahre 1950 auf 4969 Mrd. DM im Jahre 1989 um das 32-fache an. 18 Die Entwicklung des Bruttogeldvermögens aller inländischen ~ektoren 19 wird in Abbildung 9 der Entwicklung des Realvermögens gegenübergestellt. Die AbSiehe dazu z. B. Deutsche Bundesbank (1990), S. 16. als Summe aus dem reproduzierbaren Nettoanlagevermögen zu laufenden Preisen und den Nettoforderungen gegenüber dem Ausland. 18 Zur Problematik der Bewertung von Realvermögen siehe Kapitel II.A. 19 i. e. der finanziellen und der nichtfinanziellen Sektoren. 16 17

55

B. Geldkapitalbildung

bildung zeigt den Quotienten aus Bruttogeldvennögen und Realvennögen für die infändischen Sektoren von 1950 bis 1989. 20 Wachsen die Geld- und Realvermögensbestände der inländischen Sektoren mit der gleichen Rate, so bleibt der Geld-Realvennögensquotient unverändert. Ein Anstieg des Quotienten deutet hingegen auf ein überproportionales Wachstum des monetären Überbaus hin. 2

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1880

Geld-/Realvermögen

Abb. 9: Entwicklung des Geld-Realvermögensquotienten 20 Quotient aus der Bruttogeldvennögensbildung der inländischen finanziellen und nichtfinanziellen Sektoren einerseits und dem reproduzierbaren Nettosachvennögen zu laufenden Preisen zuzüglich der Nettoauslandsforderungen andererseits.

56

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Der Geld-Realvennögensquotient kann somit als Maßzahl für das relative Wachstum der Geldvennögensbestände im Verhältnis zu den Realvennögensbeständen der inländischen Sektoren herangezogen werden. Die Entwicklung des Geld-Realvennögensquotienten kann in vier verschiedene Phasen untergliedert werden. Die erste Phase umfaßt die Jahre 1950 bis 1955, in der der Geld-Realvennögensquotient zunächst von 0,68 bis auf 1,11 stark zunahm. 21 Der besonders ausgeprägte Anstieg des Geld-Realvennögensquotienten in diesen Jahren kann zu einem großen Teil auf Nachholeffekte im Zusammenhang mit der Beseitigung der Kriegsfolgen zurückgeführt werden. Durch die Währungsrefonn des Jahres 1948 war der finanzielle Überbau in der Bundesrepublik Deutschland nahezu vollständig zerstört worden und mußte zu Beginn der 50er Jahre erst wieder aufgebaut werden. Zudem expandierte der Sektor der Finanzierungsinstitute während dieser Zeitspanne mit einer hohen Rate, da die von den Siegennächten nach dem Krieg verordneten institutionellen Beschränkungen aufgehoben wurden, was die Expansion bestehender Institute und Neugründungen erleichterte. Eine rasche Ausweitung des finanziellen Sektors wurde dadurch begünstigt, daß das gestiegene Angebot an finanziellen Dienstleistungen auf eine erhöhte Nachfrage stieß, da ein erhöhter Bedarf bei der Finanzierung der Realvennögensbildung 22 bestand und gleichzeitig neue Finanzdienstleistungen, insbesondere im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eingeführt wurden. 23 In der zweiten Phase, zwischen 1956 und 1967,24 kann hingegen eine aimähemde Konstanz des Quotienten beobachtet werden, was auf eine parallele Entwicklung von finanziellem Überbau und realer Basis hindeutet. Während dieses Zeitraumes blieb das Verhältnis aus Geld- und Realvennögen nahezu unverändert und erhöhte sich bis zum Jahre 1967 nur geringfügig auf 1,18. Gleichzeitig finden Änderungen in der Struktur der Finanzierung der gesamtwirtschaftlichen Vennögensbildung statt, die jedoch in der Entwicklung der Niveaugrößen nicht zum Ausdruck kommen. 25 Diese Phase des gleichschrittigen Wachstums beider Größen hält bis zur Rezession des Jahres 1967 an. In der dritten Phase von 1968 bis 1981 beschleunigt sich der Anstieg des Geld-Realvennögensquotienten jedoch wieder deutlich. 26 Der Quotient erhöhte 21 Sie umfaßt also annähernd den ersten Wachstumszyklus. 22 Dies ist in erster Linie den hohen Zuwachsraten bei der Realvermögensbildung zu Beginn der 50er Jahre zuzuschreiben, da während dieser Periode - wie unten noch zu zeigen ist - die Selbstfinanzierungsquote der Produktionsunternehmen erheblich höher lag, als in der Gegenwart. 23 Vgl. Ehrlicher, W. / Francke, H-. H. (1988), S. 403. 24 Sie entspricht somit annähernd dem zweiten Wachstumszyklus der Nachkriegszeit. 25 Siehe dazu Kapitel 1I.B.2. 26 Die Phase des erneuten überproportionalen Wachstums des monetären Überbaus beschränkt sich somit nicht im wesentlichen über einen Wachstumszyklus sondern erstreckt sich über den dritten und vierten Wachstumszyklus.

B. Geldkapitalbildung

57

sich, von einer vorübergehenden Abschwächung während der Jahre 1973/74 abgesehen, bis Ende der siebziger Jahre relativ kontinuierlich und erreichte einen Wert von 1,7, den er während der vierten Phase in den 80er Jahren 27 nahezu unverändert beibehielt. Während der überproportionale Anstieg des monetären Überbaus zu Beginn der 50er Jahre in erster Linie auf die besondere Situation der Bundesrepublik Deutschland in der unmittelbaren Nachkriegszeit zurückgeführt werden kann, liegen ähnlich eindeutige Ursachen für die anschließenden Änderungen in den Zuwachsraten des Quotienten im Verlauf des zweiten bis fünften Wachstumszyklus nicht vor. Daher ist in Kapitel 1I.B.2. zunächst zu untersuchen, welche Teilkomponenten des Geldvermögens einen maßgeblichen Einfluß auf das (insgesamt überproportionale) Wachstum des monetären Überbaus hatten und welche Ursachen für deren Entwicklung ausschlaggebend waren.

2. Strukturwandlungen der Geldvermögensbildung Das Bruttogeldvermögen wies im Betrachtungszeitraum erhebliche Zuwachsraten auf. Hier ist nun zu klären, welchen Anteil die verschiedenen Sektoren an der Geldvermögensbildung und damit am Zuwachs des Bruttogeldvermögens hatten. Abbildung 10 gibt neben einem Überblick über die quantitative Entwicklung der Geldvermögensbildung Auskunft über die Verschiebungen im Gewicht der einzelnen Träger der Geldkapitalbildung. Der Sektor private Haushalte war in starkem Maße an der Zunahme der Geldvermögensbildung beteiligt. Der Anteil des Unternehmenssektors an der Zunahme der Geldvermögensbildung fiel hingegen deutlich geringer aus und der Anteil des Staates nahm beständig ab. Der Sektor Wohnungswirtschaft hat hingegen nur einen vernachlässigbar geringen Anteil an der gesamten Geldvermögensbildung. Die Entwicklung der durchschnittlichen Anteile der Sektoren an der Geldvermögensbildung wird in ihrer Tendenz anhand der Abbildungen 11-14 eingehender erläutert. Abbildung 11 zeigt den durchschnittlichen Anteil des Sektors private Haushalte an der Geldvermögensbildung in den verschiedenen Teilperioden des Betrachtungszeitraumes. Der Anteil der privaten Haushalte an der Geldvermögensbildung stieg von durchschnittlich 38,3 % während des ersten Wachstumszyklus über 56,7% und 63,9% auf 65,8% im vierten Zyklus an und verringerte sich anschließend im fünften Zyklus wieder auf 60,2 %. Der Anteil der privaten Haushalte erhöhte sich während des gesamten Betrachtungszeitraumes um den Faktor 1,6 und wies somit den höchsten Zuwachs auf. Der Anteil der Produktionsunternehmen zeigte hingegen eine deutlich geringere Dynamik, obwohl auch er - mit Ausnahme des ersten Zyklus - kontinuierlich 27 Die Phase seit Beginn der 80er Jahre deckt sich somit wieder weitgehend mit dem fünften Wachstumszyklus.

58

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

360

In Mrd. DM

300

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1982

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ProduktIonsuntern.

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Staat

1 1 1 1

1990

Abb. 10: Struktur der Geldvermägensbildung inländischer Sektoren

anstieg. Dies geht aus Abbildung 12 hervor. Der Anteil des Sektors Produktionsunternehmen sank zunächst von 23,1 % auf durchschnittlich 21,3 % während des zweiten Zyklus. Anschließend nahm er nur leicht zu und erreichte Werte von 25,0% bzw. 25,9% während des dritten und vierten Zyklus. Während der 80er Jahre zeigt der Anteil der Produktionsunternehmen an der Geldvermögensbildung jedoch einen deutlich zunehmenden Trend und steigt auf durchschnittlich 31,0 % an. Insgesamt erhöhte sich der Anteil des Sektors Produktionsunternehmen um

B. Geldkapitalbildung 70

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1860-68

1868-87

1888-76

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1878-82

1883-88

private Hau.halte

Abb. 11: Durchschnittlicher Anteil des Sektors private Haushalte an der Geldvermögensbildung

den Faktor 1,3 und stieg damit deutlich geringer als der Anteil der privaten Haushalte. Der Anteil des Staates an der Geldvennögensbildung weist dagegen während der ersten vier Perioden eine beständig fallende Tendenz auf. Dies zeigt Abbildung 13. Der Anteil des Staates an der Geldvennögensbildung sank von 38,4% über 21,6 % und 11 % auf durchschnittlich 7,3 % in der vierten Periode. Erst im Verlauf des fünften Wachstumszyklus stieg er dann wieder leicht auf 8,7% an. Der Anteil des Staates schrumpfte somit während des Betrachtungszeitrames auf 1/5 seines ursprünglichen Wertes.

60

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In " -

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Aus den oben erläuterten Entwicklungstendenzen ergeben sich grundlegende Änderungen in der sektoralen Struktur der Geldvennögensbildung. Die zugehörigen Anteilsverschiebungen werden daher zusammenfassend in Abbildung 14 für die einzelnen Teilperioden des Betrachtungszeitraumes einander gegenüber gestellt. Abbildung 14 zeigt, daß die Zunahme des Anteils der privaten Haushalte zunächst -- bei leicht sinkendem und später annähernd konstantem Anteil der Produktionsunternehmen -- in erster Linie zulasten des staatlichen Anteils an der Geldvennögensbildung geht. Diese Tendenz setzt sich über die ersten vier Perioden hinweg fort und erfährt erst während der 80er Jahre eine Umkehrung.

B. Geldkapitalbildung

61

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1888-76

1878-82

1883-88

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Abb. 13: Durchschnittlicher Anteil des Sektors Staat an der Geldvermögensbildung

In der letzten Periode steigen die Anteile des Staates und der Produktionsuntemehmen wieder an, während die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte etwas an Gewicht verliert. Diese Änderungen der Anteile der Geldvermögensbildung finden in einer entsprechenden Änderung der sektoralen Zusammensetzung der Geldvermögensbestände ihren Niederschlag.~8 Dies zeigt Abbildung 15. Der Sektor private 28 Während die Angaben zur Struktur der Geldverrnögensbildung über die relativen Änderungsraten Aufschluß geben, g~ht es hier um das relative Niveau der Bestände, von dem die oben angesprochenen Anderungen ausgingen.

62

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

1960-68

_

1968-76

1969-67

private Haushalte

_

1983-89

1976-82

ProduktIonsuntern.

EZ3 Staat

Abb. 14: Durchschnittliche Anteile der inländischen Sektoren an der Geldvermögensbildung

Haushalte hielt bereits 1950 einen relativ hohen Anteil der Bruttogeldvennögensbestände von 41,1 %, den er während des Betrachtungzeitraumes aufgrund seiner hohen Geldvennögensbildung weiter ausbauen konnte. Er erreichte seinen Höchststand mit 61,9% des Geldvennögens im Jahre 1987 und sank 1989 wieder leicht auf 61,0%. Nach den privaten Haushalten hielten die Unternehmen mit 32,3 % im Jahre 1950 den zweitgrößten Anteil am Geldvennögen. Er nahm aufgrund des riickläufi-

B. Geldkapitalbildung

63

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1960

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1990

Abb. 15,' Struktur des Bruttogeldvermögens der inländischen Sektoren

gen Anteils der Unternehmen an der Geldverrnögensbildung in der ersten Periode zunächst bis zu seinem Tiefststand von 21,1 % im Jahre 1960 ab und stieg anschließend bis zum Jahre 1989 auf 27,6% des Geldverrnögens an. Beim Staat ergibt sich ein entgegengesetztes Bild. Sein Anteil am Geldverrnögen nimmt von 25,9% im Jahre 1950 auf seinen Höchststand von 36,1 % im Jahre 1956 zu, um in den folgenden Perioden aufgrund des beständig abnehmenden staatlichen Anteils an der Geldverrnögensbildung auf seinen Tiefststand von 11 % des Geldverrnögens im Jahre 1989 zu sinken.

64

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Nach diesem Überblick über die Entwicklung der Geld- und Realvermögensbildung von 1950 bis 1989 werden in dem folgenden Abschnitt die Bestimmungsgründe der oben angesprochenen Entwicklungstendenzen unter besonderer Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen Geld- und Realkapitalbildung untersucht. Hierbei sind sowohl die Ursachen für den überproportionalen Anstieg des finanziellen Überbaus als auch die Gründe für den Strukturwandel im Bereich der Geld- und Realvermögensbildung eingehender zu erläutern.

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland 1. Finanzierung der Realvermögensbildung Bei der Analyse der Relation zwischen Geld- und Realvermögensbildung sind zwei verschiedene Aspekte von besonderem Interesse. Zum einen ist zu klären, wie die Realvermögensbildung finanziert wurde, d. h. welche Anteile auf die Selbst- und Außenfinanzierung entfallen. Zum anderen stellt sich die Frage, welchen Beitrag die verschiedenen Sektoren zur Finanzierung der Realvermögensbildung geleistet haben. Wie im ersten Kapitel bereits angedeutet wurde, können im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Untersuchungen die beiden Finanzierungsarten Selbstfinanzierung und Außenfinanzierung unterschieden werden. Wird eine Realinvestition in vollem Umfang aus Eigenrnittein finanziert, so fmdet eine Realvermögensbildung ohne gleichzeitige Geldvermögensbildung statt. Bei einer vollständigen Außenfinanzierung der Realinvestition steigen hingegen Geld- und Realvermögensbildung parallel zueinander an, da die Budgetdefizite der investierenden Wirtschaftseinheit oder des investierenden Sektors zu Budgetüberschüssen und einer Geldvermögensbildung bei anderen Wirtschaftseinheiten bzw. Sektoren führen. Änderungen im Finanzierungsverhalten können sich demnach auf das Verhältnis von Geld- und Realvermögensbildung auswirken. Wenn die Wirtschaftssubjekte ihre Realinvestitionen in geringerem Umfang aus Eigenmitteln finanzieren und stattdessen stärker auf die Außenfinanzierung zurückgreifen, so steigt der Geld-Realvermögenskoeffizient im Zeitablauf an. Daher ist im folgenden zu untersuchen, wie sich die Anteile der Selbst- und Außenfinanzierung im Betrachtungszeitraum geändert haben. Die Begriffe Selbst- und Außenfinanzierung werden hier nicht im üblichen Sinne verwandt, da sie in sektoraler Abgrenzung definiert werden und auf Besonderheiten der Finanzierungsrechnung abgestimmt sind. Bei den Produktionsunternehmen spielt die Selbstfinanzierung aus einbehaltenen Gewinne eine wichtige Rolle. Da der Begriff Selbstfinanzierung hier in sektoraler Abgrenzung verwendet

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung

65

wird, zählen zur Selbstfinanzierung des Sektors Produktionsunternehmen sowohl die nicht ausgeschütteten Gewinne der Unternehmen im engeren Sinne, als auch die Außenfinanzierung einer Unternehmung aus der Geldvennögensbildung einer anderen Unternehmung des selben Sektors. Dies ergibt sich aus dem Aggregationsverfahren im Rahmen der Finanzierungsrechnung, bei dem die intrasektoralen Finanzierungsströme gegeneinander aufgerechnet werden. Eine Selbstfinanzierung findet auch bei den übrigen inländischen Sektoren statt. Bei dem Staatssektor kann die Finanzierung öffentlicher Investitionen aus Steuennitteln als Selbstfinanzierung aufgefaßt werden. In der Wohnungswirtschaft resultieren die Se1bstfinanzierungsmittel aus den fiktiven Vennögensübertragungen der privaten Haushalte und anderer Sektoren. Zur Außenfinanzierung zählen alle Arten der Kreditfinanzierung sowie die Finanzierung über Aktien. Auch hier ist zu beachten, daß die Finanzbeziehungen innerhalb eines Sektors saldiert und in der Finanzierungsrechnung nur die Salden zu den anderen Sektoren ausgewiesen werden. Lediglich in Wertpapieren verbriefte Forderungen und Verpflichtungen sowie Aktien werden auch dann auf der Ebene des Hauptsektors ausgewiesen, wenn sie bei Einheiten des gleichen Sektors gegenzubuchen sind. 29 Aufgrund dieser Vorgehensweise bei der Aggregation der Geldvennögensbildung der Untersektoren werden höhere Werte für die Bruttogeldvennögensbildung der Hauptsektoren ausgewiesen, wenn sich der Anteil der Aktienfinanzierung eines Sektors zu Lasten der Kreditfinanzierung bei Einheiten des gleichen Sektors erhöht. 30 Die Finanzierung der gesamtwirtschaftlichen Vennögensbildung sowie ihrer Komponenten Selbst- und Außenfinanzierung wird in Abbildung 16 dargestellt. Die Abbildung zeigt, daß die Selbstfinanzierungsquote - insbesondere in der zweiten Hälfte des Betrachtungszeitraumes - überproportional stark im Konjunkturverlauf schwankt und an den Tiefpunkten der Wachstumsraten des Nettosozialprodukts ebenfalls ein Minimum aufweist. In Abbildung 16 wird weiter deutlich, daß die Außenfinanzierung - auch zyklusübergreifend - während der ersten vier Perioden des Betrachtungszeitraumes zu Lasten der Selbstfinanzierung an Bedeutung gewonnen hat. Erst während der 80er Jahre stieg der Anteil der Selbstfip.anzierung wieder spürbar an. Diese Tendenz kommt in der Entwicklung der durchschnittlichen Selbstfinanzierungsquote noch deutlicher zum Ausdruck. Wie aus Abbildung 17 hervorgeht, nahm die Selbstfinanzierungsquote im Periodendurchschnitt von 74,5 % in der Vgl. Deutsche Bundesbank (1990), S. 145. Dieses methodische Vorgehen relativiert - bei größeren Verschiebungen in der Finanzierungsstruktur nach dem oben angesprochen Muster - die Aussagekraft der ausgewiesenen sektoralen Daten in gewissem Umfang, da beiden Finanzierungsvorgängen prinzipiell eine gleich hohe Bruttogeldvermögensbildung auf einzelwirtschaftlicher Ebene gegenübersteht. 29

30

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

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Abb. 16: Selbst- und Außenfinanzierung der gesamtwirtschajtlichen Vermögensbildung

ersten Periode über 65,7 % und 45,5 % auf 25,5 % Ende der 70er Jahre kontinuierlich ab und erhöhte sich erst im Aufschwung der beginnenden 80er Jahre auf durchschnittlich 39,6%. Die während der 50er und 60er Jahre zunächst relativ langsam abnehmende globale Selbstfinanzierungsquote (bzw. das allmählich zunehmende Gewicht der Außenfinanzierung) korrespondiert mit dem ebenfalls im Vergleich zu den Folgeperioden relativ geringen Anstieg des Geld- Realvermögenskoeffizienten 31 wäh-

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung

67

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Abb. 17: Entwicklung der durchschnittlichen SelbstJinanzierungsquote

rend dieser Zeitspanne. 32 Während des dritten und vierten Zyklus verschärft sich der Rückgang der Selbstfinanzierungsquote (resp. die Zunahme des Gewichts der Außenfinanzierung) tendenziell. Gleichzeitig beschleunigt sich der Anstieg Siehe Abbildung 9. Der starke Anstieg des Geld-Realverrnögenskoeffizienten zu Beginn der 50er Jahre ist auf die besonderen Umstände der deutschen Wirtschaft in der unmittelbaren Nachkriegszeit zurückzuführen und wird im folgenden daher nicht weiter berücksichtigt. Siehe dazu auch die Erläuterungen des Kapitels II.B.l. der vorliegenden Untersuchung. 31

32

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68

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

des Geld- Realvennögenskoeffizienten. Diese Entwicklung hält an, bis die Selbstfinanzierungsquote zu Beginn der 80er Jahre wieder zunimmt und sich der Anstieg des Geld-Realvennögensquotient deutlich verlangsamt. Die Parallelität beider Zeitreihen deutet darauf hin, daß der Wandel im Finanzierungsverhalten (bzw. der Finanzierungsmöglichkeiten) einen maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der Relation zwischen Geld- und Realvennögensbildung hatte. Nähere Infonnationen darüber erhält man, wenn man die Beiträge der einzelnen Sektoren zur Selbst- und Außenfinanzierung eingehender untersucht. Die Beiträge der einzelnen Sektoren waren in der Vergangenheit starken Wandlungen unterworfen. Abbildung 18 gibt einen Überblick über deren Entwicklung seit 1950. Die Sektoren Staat, private Haushalte und Produktionsunternehmen leisteten in der ersten Hälfte des Betrachtungszeitraumes die quantitativ bedeutsamsten Beiträge zur Finanzierung der gesamtwirtschaftlichen Vennögensbildung. Während der Beitrag der privaten Haushalte in der zweiten Hälfte des Betrachtungszeitraumes kontinuierlich weiter anstieg, beschleunigte sich die Abnahme des Staatsanteils, der bereits seit 1950 rückläufig war. Diese Entwicklung führte dahin, daß der Staat während des letzten Zeitraumes keinen bzw. nur noch einen geringen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Ersparnis leistete. Zudem wird deutlich, daß die Produktionsunternehmen bei den oben angesprochenen Änderungen der Selbstfinanzierungsmöglichkeiten im Konjunkturverlauf die stärksten Gewinnschwankungen innerhalb der Gruppe der Unternehmen hinnehmen mußten, während dem finanziellen Sektor und der Wohnungswirtschaft auch in rezessiven Phasen noch erhebliche Eigenmittel zur Verfügung standen. Zur näheren Erklärung der während der ersten vier Zyklen tendenziell abnehmenden Selbstfinanzierungsquote können die durchschnittlichen Finanzierungsbeiträge der einzelnen Sektoren zur gesamtwirtschaftlichen Vennögensbildung herangezogen werden, deren Entwicklung in den Abbildungen 19 - 23 dargestellt wird. Zunächst fällt auf, daß der Beitrag der privaten Haushalte zur gesamtwirtschaftlichen Vennögensbildung während der ersten vier Zyklen beständig anstieg. Wie aus Abbildung 19 hervorgeht, stieg der Anteil der privaten Haushalte an der gesamtwirtschaftlichen Vennögensbildung von 25,3 % in den 50ger Jahren über 34,3 % und 54,6% auf durchschnittlich 74,8% während der Jahre 1976 bis 1982 und verdoppelte sich damit. Erst im fünften Zyklus sank er wieder auf 60,4 % ab. Eine ähnliche Entwicklung - wenn auch auf sehr viel niedrigerem Niveau -läßt sich auch bei dem Anteil des finanziellen Sektors an der Vennögensbildung (Abbildung 20) beobachten. Von einem vorübergehenden Rückgang des Anteils von 4,0% auf 2,7% während des ersten Zyklus ausgehend steigt der Anteil des finanziellen Sektors an der Vennögensbildung kontinuierlich über 5,3 % auf 12,4 % in der vierten Periode an und erreicht damit das dreifache seines

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung

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Abb. 18: Beiträge der Sektoren zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung

ursprünglichen Wertes. In der letzten Periode des Betrachtungszeitraumes fällt jedoch auch er auf durchschnittlich 10,2 % zurück. Eine dazu entgegengesetzte Entwicklung weist der Anteil der Produktionsunternehmen auf. Abbildung 21 zeigt, daß der Anteil der Produktionsunternehmen während der ersten vier Perioden stets eine fallende Tendenz hatte. Er sank von 29,6% in der ersten Periode über 26,8% und 12,9% auf 11,7% in der vierten Periode, also auf weniger als die Hälfte (39,5 %) seines ursprünglichen Wertes.

70

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In ..

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Abb. 19: Durschnittlicher Finanzierungsbeitrag der privaten Haushalte zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung

Er stieg erst während des Aufschwungs in der fünften Periode wieder auf 21,6% an. Bei dem Anteil des Staates an der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung (Abbildung 22) war sogar ein noch weit stärkerer Rückgang während der ersten vier Perioden zu verzeichnen. Er sank von 33,3 % während des ersten Zyklus über 24,4% und 15,9% auf einen negativen Wert von -3,42% in der vierten Periode. Dieser Wert kann dahingehend interpretiert werden, daß der Staat auch Teile der nichtinvestiven Staatsausgaben, also des Staatskonsums, über eine

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung In

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Abb. 20: Durschnittlicher Finanzierungsbeitrag des finanziellen Sektors zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung

Verschuldung finanzierte. Erst in der fünften Periode trug der Staat im Durchschnitt wieder einen positiven Anteil 0,2 % zur Vermögensbildung bei. Einen wesentlich wechselhafteren Verlauf zeigt der Anteil der Wohnungswirtschaft zur Vermögensbildung (Abbildung 23). Ihr Anteil stieg von 7,5 % in der ersten Periode auf 11,9% in der zweiten Periode, um anschließend über 11,4% auf 4,7 % in der vierten Periode abzusinken. In der fünften Periode erreichte er allerdings dann mit 7,6% annähernd seinen Ausgangswert wieder.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In ..

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Abb. 21: Durschnittlicher Finanzierungsbeitrag der Produktionsunternehmen zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung

Die Anteilsverschiebungen für die fünf verschiedenen Perioden des Betrachtungszeitraumes lassen sich in folgender Gewinn- und Verlustrechnung zusammenfassen und in Abbildung 24 verschaulichen. Gegenüber der ersten Periode steigt der Anteil der privaten Haushalte und der Wohnungswirtschaft in der zweiten Periode zu Lasten der Anteile der Produktionsunternehmen, des finanziellen Sektors und des Staates an. In der dritten und vierten Periode erhöhen sich jeweils die Anteile der privaten Haushalte und des finanziellen Sektors, während

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung In

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Abb. 22: Durschnittlicher Finanzierungsbeitrag des Staates zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung

die Beiträge der Produktionsunternehmen, der Wohnungswirtschaft und des Staates zur Vermögensbildung an Gewicht verlieren. Diese Entwicklung wandelt sich schließlich in der fünften Periode in ihr Gegenteil. Der Anteil der privaten Haushalte und des finanziellen Sektors weisen eine abnehmende Tendenz auf, während die Anteile der Produktionsunternehmen, der Wohnungswirtschaft und des Staates zunehmen.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In 'IIt

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2. Gründe für eine Verschiebung der Relation zwischen Selbst- und Außenfinanzierung Die vorangegangene Analyse der Entwicklung von Selbst- und Außenfinanzierung legt eine getrennte Untersuchung der kurzfristigen konjunkturbedingten Änderungen in der Selbstfinanzierungsquote und der langfristigen Verschiebungen in der Relation von Selbst- und Außenfinanzierung nahe. Die folgenden Ausführungen befassen sich daher zunächst mit den Ursachen der ausgeprägten Schwankungen des Eigenmittelaufkommens in den investierenden Sektoren im

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C. Wechsel wirkungen zwischen der Geld- und ReaIkapitalbildung

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Abb. 24: Durschnittliche Finanzierungsbeiträge der Sektoren zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung

Konjunkturverlauf. Anschließend wird die Frage aufgegriffen, welche Gründe für die zyklusübergreifende Abnahme der Selbstfinanzierungsquote ausschlaggebend gewesen sind.

a) Schwankungen im Konjunkturverlauf Die oben konstatierten Schwankungen der Selbstfinanzierungsquote im Konjunkturverlauf betreffen vor allem den Unternehmenssektor und die öffentlichen

76

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Haushalte. Die im Aufschwung stark zunehmenden Gewinne der Unternehmen können aus kostentheoretischer Perspektive mit der verbesserten Auslastung der Kapazitäten und aus kreislauftheoretischer Perspektive mit einem Prozeß der multiplikativen Einkommensumverteilung zugunsten der Unternehmen begründet werden. 33 Die nicht ausgeschütteten Gewinne der Unternehmen stellen in vollem Umfang Ersparnisse dar und erhöhen den Selbstfinanzierungsspielraum der Unternehmen. Ein solcher Anstieg der Eigenmittel ermöglicht es den Unternehmen, ein gegebenes Volumen an Realinvestitionen mit einer erheblich geringeren Kreditaufnahme zu finanzieren. Dabei ist es im Sinne der oben angesprochenen Theorie der Bildung von Zwangsersparnissen durchaus möglich, daß der Prozeß verstärkter Selbstfinanzierung zunächst durch verstärkte Kreditfinanzierung einzelner Unternehmen eingeleitet wird, die sich aber in der Gesamtwirtschaft aufgrund erhöhter Gewinne und Kredittilgung bei anderen Unternehmen nicht in erhöhter Verschuldung des Unternehmenssektors niederschlägt. Bei den gravierenden Gewinneinbrüchen in der Rezession verringert sich hingegen der Selbstfinanzierungsspielraum der Unternehmen deutlich, weshalb der Außenfinanzierung ein stärkeres Gewicht zukommt. Diese Anteilsverschiebung kann jedoch auch mit einem absoluten Rückgang der Kreditvergabe einhergehen, da das zu finanzierende Investitionsvolumen aufgrund absatzseitiger Restriktionen in der Rezession entsprechend geringer ausfällt. Ähnliches gilt auch für die Selbstfinanzierungsmittel der öffentlichen Haushalte (einseh!. Sozialversicherungen) im Konjunkturverlauf. Sie nehmen im Aufschwung zu, während bei rückläufiger Wirtschaftstätigkeit die Außenfinanzierungsquote ansteigt. Die einkommensabhängigen Steuereinnahmen des Staates steigen aufgrund von Progressionseffekten im Aufschwung überproportional an und erhöhen somit die Eigenmittel zur Deckung des Staatshaushalts. Darüber hinaus ist auch bei den Sozialversicherungen mit einem zunehmenden Mittelaufkommen zu rechnen, da deren Beitragseinnahmen im Aufschwung ansteigen, während ihre Ausgaben bei einem zunehmenden Beschäftigungsgrad zurückgehen. In der Rezession muß der Staat hingegen zur Aufrechterhaltung des ursprünglichen Ausgabenvolumens in der Regel eine konjunkturbedingte Verschuldung eingehen, sofern er nicht durch eine Reduzierung der Staatsausgaben oder eine Anhebung der Steuern zu einer Verschärfung der konjunkturellen Situation beitragen will. Dies trägt gesamtwirtschaftlich zu einer Erhöhung des Anteils der Außenfinanzierung bei. Auch bei den Sozialversicherungen findet in der Rezession ein starker Rückgang der Eigenmittel statt, der mit einer Abnahme der Beitragseinnahmen und einem gleichzeitigen Anstieg der zu erbringenden Leistungen bei einem abnehmenden Beschäftigungsgrad einhergeht. Ein wesentlicher Grund dafür, daß die oben angesprochen Einflüsse in der ersten Hälfte des Betrachtungszeitraumes weniger stark auf die Selbstfinanzie33

Siehe Kapitel I.B.2. und I.B.3.

C. Wec;hselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung

77

rungsquote durchgeschlagen sind, dürfte darin liegen, daß das reale Sozialprodukt bei konjunkturellen Schwankungen während der 50er und 60er Jahre auch in Abschwungsphasen noch höhere Wachstumsraten aufwies und erforderliche Umstrukturierungsprozesse daher zügiger bewältigt werden konnten. Sie gewannen jedoch in der zweiten Hälfte des Betrachtungszeitraumes an Einfluß, da die Gewinnsituation der Unternehmen während der 70er und 80er Jahre bei zunächst rückläufigen Investitionsquoten angespannt war und durch die Angebotsschocks der Jahre 1973n4 und 1980/81 weiter verschärft wurde. 34

b) Längerfristige Tendenzen Aus den vorangegangenen Überlegungen lassen sich - unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Entwicklung der Realvermögensbildung - auch für den beobachteten zyklus übergreifenden Rückgang der globalen Selbstfinanzierungsquote erste Erklärungsansätze ableiten. Dazu werden im folgenden die durchschnittlichen Anteile der einzelnen Sektoren an der Realvermögensbildung während der fünf Teilperioden des Betrachtungszeitraumes ihren jeweiligen Finanzierungsbeiträgen gegenübergestellt. Die sinkende Selbstfinanzierungsquote im Unternehmens sektor und bei den öffentlichen Haushalten steht in einem engen Zusammenhang mit den sich wandelnden Zielsetzungen der Finanzpolitik während des Betrachtungszeitraumes. In der Wiederaufbauphase stand eine Forcierung der Investitionstätigkeit zur Wiederherstellung des industriellen Produktionsapparates und einer Verbesserung der Versorgungslage im Mittelpunkt der Finanzpolitik. Die Steigerung der Investitions- und Sparquote wurde hierbei sowohl über ausgaben- als auch über einnahmenpolitische Maßnahmen angestrebt. Auf der Ausgabenseite wurde dieses Ziel durch hohe Eigeninvestitionen und umfangreiche zweckgebundene Darlehens gewährungen des Staates gefördert. Auf der Einnahmenseite lag der Schwerpunkt bei der steuerlichen Begünstigung der Ausgaben für Investitionszwecke sowie der Ersparnisbildung. Die hohen öffentlichen Gesamtinvestitionen wurden vorwiegend aus Steuermitteln finanziert, so daß nur eine geringe Neuverschuldung erforderlich war. Insbesondere im industriellen Bereich führten die finanzpolitischen Maßnahmen zu einer verbesserten Eigenmittelausstattung der Unternehmen und zu hohen Selbstfinanzierungsraten bei der Realvermögensbildung. Während dieses Zeitraumes war die Finanzpolitik eindeutig auf das allokationspolitische Ziel einer Steigerung der Investitionsquote und einer Erhöhung des Produktionspotentials ausgerichtet. Diese eindeutige Förderung der Selbstfinanzierung wurde ab 1953 schrittweise durch eine verstärkte Förderung der Fremdfinanzierung abgelöst. Dazu gehörte eine steuerliche Begünstigung bestimmter Einkommensverwendungsarten sowie 34 Diese Entwicklung ist bereits aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht und soll daher hier nicht weiter erörtert werden.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

eine allgemeine Senkung der Steuertarife im Interesse einer Steigerung der Spartätigkeit. Die steuerliche Begünstigung der Fremdfinanzierung wurde weiter ausgebaut und das Sparen - auch von Beziehern niedriger Einkommen - durch die Gewährung von Wohnungsbauprämien begünstigt. Zudem brachte das Kapitalmarktförderungsgesetz des Jahres 1952 - verbunden mit einer Senkung des Körperschaftssteuersatzes für ausgeschüttete Gewinne - den Anstoß zur Wiederbelebung bzw. Neuentstehung des Kapitalmarktes. 35 In dem daran anschließenden Zeitraum Mitte der 50er bis Mitte der 60er Jahre wurde die Priorität der allokationspolitischen Zielsetzung zugunsten verteilungs-, struktur- und konjunkturpolitischer Zielsetzungen aufgegeben. Die steuerlichen Maßnahmen der Wiederaufbauphase, die primär auf eine Steigerung der Realkapitalbildung ausgerichtet waren und die Bezieher höherer Einkommen begünstigten, wurden zugunsten von Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen zurückgeführt. Hinzu kam die steuerliche Begünstigung vermögenswirksamer Leistungen zur Förderung des Arbeitnehmersparens. Die stärkere Ausrichtung der finanzpolitischen Maßnahmen an verteilungspolitischen Gesichtspunkten führte bereits in gewissem Umfang zu einer Reduzierung des Eigenmittelaufkommens der Unternehmen. Darüber hinaus trug der Staat durch ein geändertes Ausgabe- und Finanzierungsverhalten zu einer weiteren Abnahme der Selbstfinanzierungsquote bei. Mit dem Abbau des sogenannten Juliusturms ab dem Jahre 1957 wurde eine Phase erhöhter staatlicher Ausgabentätigkeit eingeleitet, die zu einem abnehmenden Beitrag des Staates zur Finanzierung der gesamtwirtschaftlichen Realvermögensbildung führte.

Diese Entwicklung wurde während der 60er und beginnenden 70er Jahre dadurch weiter verschärft, daß der relative Preis der Staatsleistungen sowie der Bedarf an öffentlichen Gütern bei zunehmendem Wohlstand anstiegen. 36 Dies führte in diesen ersten Perioden noch zu keinem steigenden Mittelbedarf bei den öffentlichen Haushalten, da die Kriegsfolgelasten in der Wiederaufbauphase beständig abnahmen und damit einen Spielraum zur nominellen Ausweitung anderer Ausgabearten eröffneten. Nach Auslaufen der Kriegsfolgelasten kam dieser Substitutionsprozeß zum Stillstand und die Schere zwischen Mittelbedarfund Mittelaufkommen wurde deutlich. Somit kann ein erheblicher Teil des Rückganges der globalen Selbstfinanzierungsquote auf den Wandel der finanzpolitischen Ziele und der Verschuldungspolitik der öffentlichen Haushalte zurückgeführt werden. Während der durchschnittliche Anteil des Staatssektors an der inländischen Realvermögensbildung bis zur vierten Periode stets eine steigende Tendenz aufwies,37 sank sein Anteil auf der Finanzierungsseite kontinuierlich. Diese divergierende Entwicklung von Real35 Der Absatz festverzinslicher Wertpapiere verdreifachte sich von 1952 bis 1954. 36 Vgl. Ehrlicher, W. (1974), S. 244. 37 Siehe Abbildung 6.

C. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung

79

investition und Eigenmittelaufkommen führte zu einem gestiegenen Fremdmittelbedarf, der durch Außenfinanzierung zu decken war. Diese Anteilsverschiebungen von der Selbstfinanzierung aus Steuereinnahmen und Abgaben zur Außenfinanzierung der öffentlichen Realinvestitionen erhöhten den Geld-Realvermögenskoeffizienten und trugen damit zu einem entsprechenden Anstieg des monetären Überbaus bei. In den späteren Perioden trug neben dem geänderten Verhalten bei der Finanzierung öffentlicher Realinvestitionen die staatliche Konjunkturpolitik, die von den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern - insbesondere nach 1968 zur Bekämpfung der zunehmenden Arbeitslosigkeit verfolgt wurde, zu einem Anstieg des Gewichts der Außenfinanzierung bei. In der vierten Periode überstieg die Nettoneuverschuldung des Staates seine Realvermögensbildung. 38 Dem Anteil der Neuverschuldung, der zur Finanzierung allgemeiner Staatsausgaben verwendet wird, steht jedoch keine Realvermögensbildung gegenüber, so daß auch von dieser Seite der Anstieg des Geld- Realvermögenskoeffizienten forciert wurde. Ähnlich wie im staatlichen Sektor wurden auch die Realinvestitionen der Produktionsunternehmen in immer geringerem Umfang aus Eigenmitteln finanziert. Es wurde schon erwähnt, daß der in den 50er Jahren einsetzende Wandel in der Zie1richtung fmanzpolitischer Maßnahmen, insbesondere die steuerliche Begünstigung der Fremdfinanzierung von erheblicher Bedeutung war. Der durchschnittliche Beitrag der Produktionsunternehmen zur Finanzierung der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung nahm während der ersten vier Perioden be~ ständig ab. Allerdings sank gleichzeitig auch der Anteil der Realinvestitionen der Produktionsunternehmen an der Vermögensbildung. Der Rückgang der Finanzierungsbeiträge fiel jedoch wesentlich gravierender aus, als die Abnahme des durchschnittlichen Anteils der Produktionsunternehmen an der Realvermögensbildung, so daß auch hier die Außenfinanzierung an Bedeutung gewarm. So bildete sich bereits in den 60er Jahren die für die heutigen Verhältnisse typische Finanzierungsstruktur heraus, bei der die Produktionsunternehmen und in zunehmendem Maße auch der Staat als Defiziteinheiten auftreten, während die privaten Haushalte in zunehmendem Umfang Überschüsse bilden. Das Geldvermögen der privaten Haushalte besteht hierbei im wesentlichen aus Forderungen gegenüber Finanzierungsinstituten, die die Mittel auf dem Wege der Intermediation an den Staat und die Unternehmen weiterleiten. Zu Beginn der 70er Jahre wurde der Selbstfinanzierungsspielraum der Unternehmen in zunehmendem Maße von der Kostenseite eingeschränkt. Bei steigenden Tariflöhnen und einer globalen Verschlechterung der Angebotsbedingungen im Zusammenhang mit den Energiepreiserhöhungen von 1973n4 stiegen die

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Siehe Abbildung 22.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Stückkosten der Unternehmen stark an. Trotz einer Zunahme der Inflationsrate während dieses Zeitraumes waren die Unternehmen jedoch aufgrund des restriktiven Kurses der Bundesbank nicht in der Lage, den Anstieg der Stückkosten in größerem Umfang auf die Absatzpreise zu überwälzen und mußten deutliche Gewinneinbußen hinnehmen. Dies führte bei einem Rückgang der Investitionsquote und einem Rückgang im Niveau der realen Wirtschaftstätigkeit zu einer weiteren Abnahme der Selbstfinanzierungsquote bei den Produktionsunternehmen. Die Folgen dieser Entwicklung, in Form relativ niedriger und zum Teil sogar negativer Wachstumsraten des realen Sozialprodukts bei gleichzeitig hohen Inflationsraten dauern bis Ende der 70er Jahre an und werden zu Beginn der 80er Jahre durch die zweite Welle von Energiepreissteigerungen nochmals verschärft. Erst Mitte der 80er Jahre verbessert sich die Ertragslage der Unternehmen im Zuge eines vorwiegend von der Auslandsnachfrage getragenen allmählichen Aufschwungs und bei relativ stabilem Preisniveau wieder, was sich in einer zunehmenden Selbstfinanzierungsquote bei den Produktionsunternehmen im fünften Wachstumszyklus niederschlägt. Auch in der Wohnungswirtschaft ist im Verlaufe der ersten vier Dekaden im Trend ein rückläufiger Anteil der Selbstfinanzierung, die - wie oben dargestellt - im wesentlichen aus Übertragungen der privaten Haushalte besteht, zu verzeichnen. Dem Wohnungsbausektor kamen seit Beginn der 50er Jahre verschiedene öffentliche Förderungsmaßnahmen zum Abbau des Wohnungsmangels in der Nachkriegszeit zugute. Durch die umfangreiche Wohnraumzerstörung in den Kriegsjahren und den anschließenden Zustrom von Flüchtlingen in der unmittelbaren Nachkriegszeit war in der Bundesrepublik Deutschland ein enormer Wohnungsmangel entstanden, der den Staat schon frühzeitig zu einer Förderung des Wohnungsbaus und der Verabschiedung des ersten Wohnungsbaugesetzes von 1953 veranlaßte. In diesem Gesetz wurde die Wohnungsbauförderung zu einer öffentlichen Aufgabe erklärt und insbesondere der Förderung des sozialen Wohnungsbaus eine hohe Priorität beigemessen. 39 Der Tatbestand Wohnen wurde hierbei durch eine Verbilligung der Mieten, durch direkte Geldleistungen zur Finanzierung der Wohnkosten (Wohngeld), durch eine Senkung der Finanzierungslast bei Bau und Kauf von Wohneigentum sowie eine Begünstigung des Bausparens subventioniert. Für die Entwicklung der Selbstfmanzierungsquote in der Wohnungswirtschaft sind in erster Linie die beiden letztgenannten Förderungsarten relevant. Hierzu zählen im einzelnen die Vergabe zinsgünstiger öffentlicher Baudarlehen für die Deckung der Baukosten, die Gewährung von Darlehen und Zuschüssen zur Deckung der laufenden Aufwendungen (Aufwendungsdarlehen und -zuschüsse), öffentliche Zuschüsse zur Deckung der für Finanzierungsmittel zu entrichten39

Vgl. Erstes Wohnungsbaugesetz vom 25.8.1953, BGBl. I, S. 1047 ff.

c. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung

81

den Zinsen (Zinszuschüsse ) sowie öffentliche Darlehen zur Deckung der für Finanzierungsmittel zu entrichtenden Zinsen und Tilgungen (Annuitätsdarlehen). Diese Mittel dienen zunächst einer Senkung der Kosten für die Außenfinanzierung und bewirken damit eine Zunahme des Anteils der Fremdfinanzierung im Wohnungsbausektor. Seit den 60er Jahren erfolgt darüber hinaus eine Förderung des sog. steuerbegünstigten Wohnungsbaus, in die auch weniger bedürftige Haushalte einbezogen werden. Hier ist die Förderintensität jedoch niedriger, was sich in einer deutlich geringeren Subventionierung der einzelnen Wohnung niederschlägt. Im Rahmen dieses zweiten Förderungswegs wurden hauptsächlich Aufwendungsdarlehen und -zuschüsse gewährt, die die Bildung von Wohnungseigentum begünstigen sollten. Daneben wurden Steuervergünstigungen bei der Grundsteuer sowie Gebührenerlässe für Verwaltungsleistungen im Zusammenhang mit dem Bau- und Erwerb eines Hauses eingeräumt. Weitere Steuervergünstigungen konnten im Rahmen des § 7b Einkommenssteuergesetz auch für den frei finanzierten Wohnungsbau in Anspruch genommen werden. Zudem wurde das Baussparen alternativ über die Gewährung von Wohnungsbauprämien oder den Ansatz von Bausparbeiträgen als Sonderausgaben bei der Einkommenssteuer gefördert. Wie aus Abbildung 7 und Abbildung 23 ersichtlich wird, vermochten die Steuervergünstigungen, Sparprämien und Zuschüsse, die tendenziell einer Verbesserung der Selbstfinanzierungsmöglichkeiten der Investoren dienen sollten, keinen Anstieg des Eigenmittelaufkommens herbeizuführen, der mit der Zunahme der Wohnungsbauinvestitionen an der gesamten Realvermögensbildung Schritt halten konnte. Dadurch kam es nicht zu einer Erhöhung der Selbstfmanzierungsquote im Wohnungsbausektor, obwohl- wie unten noch eingehender erläutert wird - die Sparquote der privaten Haushalte anstieg und von den Haushaltsersparnissen stets ein erheblicher Teil dem Wohnungsbausektor als Eigenmittel zur Verfügung gestellt wurde. Bereits zu Beginn der 70er Jahre war ein großer Teil des Wohnungsmangels der Nachkriegszeit beseitigt. Dennoch stieg der Anteil der Wohnungsbauinvestitionen an der Realvermögensbildung in den siebziger Jahren nochmals an. Dies kann bei einer Stagnation bzw. eines leichten Rückgangs der Gesamtbevölkerung einerseits auf eine inflationsbedingte Flucht der Anleger in Sachwerte und andererseits auf einen Trend zum frühzeitigeren Verlassen des Elternhauses sowie dem damit verbundenen Anstieg der Haushalte zurückgeführt werden. 4O Gleichzeitig verschärfte sich jedoch der Rückgang des relativen Beitrags der Wohnungswirtschaft zur Finanzierung der Realvermögensbildung, wodurch auch in der Wohnungswirtschaft während des dritten und vierten Wachstumszyklus der Anteil der Außenfinanzierung bei den Wohnungsbauinvestitionen anstieg.

40

Vgl. Statistisches Bundesamt (1979), S. 649 ff.

6 Ehrlicher I Braun

82

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Im Verlauf der 80er Jahre ist ein Rückgang der Wohnungsnachfrage in Verbindung mit einer Rückführung der öffentlichen Wohnungsbauförderung zu verzeichnen, die durch mehrere Maßnahmen zum Abbau von Fehlsubventionierungen und von Mietverzerrungen im Wohnungswesen 1981 eingeleitet wurde. 41 Die Bundesregierung beschloß 1982 noch ein zeitlich befriststes Programm zur Belebung der Baukonjunktur, das eine Forcierung des sozialen Wohnungsbaus sowie die Zulassung eines Schuldzinsabzuges bei selbstgenutztem Wohnungseigentum und einen staatlichen Zuschuß zur Verbilligung der Zwischenfinanzierung von Bausparverträgen vorsah, doch sie konnte damit keinen dauerhaften Aufschwung in der Baukonjunktur erzielen. Das Programm bewirkte zwar in gewissem Umfang ein zeitliches Vorziehen der Investitionen im Wohnungsbau, hatte aber in den Folgeperioden einen umso größeren Einbruch in der W ohnungswirtschaft zur Folge und führte zusammen mit dem Auslaufen steuerlicher Vorteile im Rahmen von Bauherrenmodellen zu einem ausgeprägten Rückgang der Bauvorhaben im Jahre 1985. 42

Obwohl sich die allgemeine konjunkturelle Lage in den Folgejahren wieder deutlich verbesserte, wandelte sich die Situation im Wohnungsbausektor nur geringfügig. Ein im Vergleich zur Nachfrage relativ hohes Angebot bei Geschoßwohnungen wirkte dämpfend auf die Entwicklung der Mieten und Preise des Immobilienbestandes, was eine Investition in neu erstellte Wohnungen wenig attraktiv erscheinen ließ. Ein erheblicher Teil der Wohnungsbauinvestitionen diente daher der Modemisierung des Wohnungsbestandes. Zudem waren die Investitionen im Geschoßwohnungsbau rückläufig, weil die Objektförderung im sozialen Wohnungsbau, auf den 1987 etwa ein Fünftel der erstellten Wohneinheiten entfiel, weiter eingeschränkt wurde. 43 Lediglich bei selbstgenutzten Eigenheimen stieg die Bautätigkeit an. Diese Entwicklung wurde durch erhöhte Steuervergünstigungen für selbstgenutzten Wohnraum, 44 gestiegene Einkommen und relativ günstiges Baugeld gefördert, was die Eigenmittelausstattung tendenziell verbesserte. Da die expansiven Effekte im Eigenheimbau die kontraktiven Effekte im Geschoßwohnungsbau aber nicht zu kompensieren vermochten, sank insgesamt der Anteil der Wohnungsbauinvestitionen an der Realvermögensbildung bei einem gestiegenen Beitrag der Wohnungswirtschaft zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung im Verlaufe des fünften Wachstumszyklus. 45 Vgl. BGBL I 1981, S. 1497. Vgl. Sachverständigenrat (1985), Ziff. 72. 43 Rentabler erschien vielfach die Modemisierung von Altbauwohnungen, die 1986 annähernd 40% aller Investitionen im Geschoßwohnungsbau ausmachten. ders. (1986), Ziff.75 sowie (1987), Ziff.90. 44 Das Gesetz zur Neuregelung der steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums trat am 1. 1.1987 in Kraft. 45 Siehe Abbildung 7. 41

42

c. Wechselwirkungen zwischen der Geld- und Realkapitalbildung

83

Somit kann festgehalten werden, daß zunächst von dem Sektor Wohnungswirtschaft ein weiterer Impuls auf den Umfang der Außenfinanzierung ausging. Während sein durchschnittlicher Anteil an der Realvermögensbildung in der vierte Periode von knapp dreißig auf annähernd vierzig Prozent der Realvermögensbildung anstieg,46 ging der Beitrag dieses Sektors zur Finanzierung der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung in der dritten und vierten Periode zurück. Insgesamt wurde demnach auch bei der Finanzierung der Realinvestitionen des Wohnungsbausektors in stärkerem Maße auf die Außenfinanzierung zurückgegriffen. Diese Entwicklung kehrt sich erst im letzten Wachstumzyklus um, als der Sektor Wohnungswirtschaft sowohl einen rückläufigen Anteil an der Realvermögensbildung als auch einen steigenden Beitrag zur Ersparnis leistete. Insgesamt kann festgehalten werden, daß während der ersten vier Perioden des Betrachtungszeitraumes bei allen investierenden Sektoren ein tendenziell abnehmender Eigenmittelanteil bei der Finanzierung der Realinvestitionen zu verzeichnen war. Bei rückläufiger Selbstfmanzierungsquote gewann die Außenfinanzierung zunehmend an Bedeutung, die in erster Linie aus einer Zunahme der Geldvermögensbildung der privaten Haushalte und - in geringerem Umfang - des finanziellen Sektors alimentiert wurde. Die gravierendste Anteilsverschiebung fand bei dem Staat und den Produktionsunternehmen statt, deren Selbstfinanzierungsbeiträge von der ersten bis zur vierten Periode beständig abnahmen. Während der dritten und vierten Periode wurde der daraus resultierende Rückgang der Selbstfinanzierungsquote durch das zunehmende Gewicht der Außenfmanzierung im Bereich der Wohnungswirtschaft weiter verstärkt. Diese Entwicklung brach jedoch in der fünfte Periode ab. In dieser Periode verloren die durchschnittlichen Finanzierungsbeiträge der privaten Haushalte und des finanziellen Sektors zugunsten der Beiträge des Staates, der Wohnungswirtschaft und der Produktionsunternehmen an Gewicht und der durchschnittliche Anteil der Produktionsunternehmen an der Realvermögensbildung nahm deutlich zu. Dem ausgeprägten Rückgang der Selbstfinanzierungsquote in den investierenden Sektoren während der ersten vier Perioden steht ein starker Anstieg des Sparens der privaten Haushalte gegenüber. Diese Zunahme der Spartätigkeit kann auf Änderungen der Sparfähigkeit und Sparwilligkeit der privaten Haushalte zurückgeführt werden. In den ersten Zyklen war sowohl die Sparfähigkeit als auch die Sparwilligkeit der Haushalte sehr niedrig. Dies kommt in der relativ geringen Sparquote 47 von 4% Anfang der 50er Jahre zum Ausdruck. 48 Die 46 Siehe Abbildung 5.

47 Die Sparquote berechnet sich als der prozentuale Anteil der Ersparnis am verfügbaren Einkommen (jeweils ohne nichtentnommene Gewinne von Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit). 48 Die Angaben zur Sparquote sind dem Tabellenanhang zum Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1990/91 entnommen. Vgl. Sachverständigenrat (1990), S.358 u.359.

6*

84

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Sparquote stieg jedoch beständig mit der Zunahme des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte über 8,6 % 1960 und 13,8 % 1970 auf ihren Höchststand von 15,1 % 1975 an. Erst während des fünften Zyklus sank sie wieder auf 12%. Die von den Haushalten gesparten Beträge wiesen hierbei in den 50er Jahren mit 22,5 % und in den 60er Jahren mit 13,9 % deutlich höhere Zuwachsraten auf, als in der ersten Hälfte der siebziger Jahre mit einer Rate von 11,9%. Der dauerhafte Anstieg der Sparquote bis in die erste Hälfte der 70er Jahre kann in Übereinstimmung mit der von Keynes formulierten absoluten Einkommenshypothese auf eine mit zunehmender Sparfähigkeit steigende Sparquote zurückgeführt werden. 49 Bei zunächst hohen Wachstumsraten des realen Sozialprodukts wies auch die Sparquote hohe Zuwachsraten auf, die jedoch während der beiden folgenden Dekaden parallel zur Verlangsamung des Wachstums kontinuierlich abnahmen. Die Sparquote stieg mit abnehmender Zuwachsrate bis zum Beginn der 70er Jahre, als sie sich - bei einer Wachstumsrate des Sozialprodukts von 2 % - 2,5 % - bei einem Wert von 14%-15% des verfügbaren Einkommens der Haushalte einpendelte. Seit Beginn der 80er Jahre sank die Sparquote um annährend 2 Prozentpunkte auf einen relativ stabilen Anteil von 11 % -12,5 % des verfügbaren Haushaltseinkommens, was zu einer Abnahme des relativen Beitrags der privaten Haushalte zur gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung beitrug. Da die privaten Haushalte nach dieser sprungartigen Absenkung der Sparquote während des fünften Zyklus jedoch ein relativ konstantes Sparverhalten zeigten, kann die Abnahme des Anteils der privaten Haushalte an der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung seit Beginn der 80er Jahre als Reflex des steigenden Anteils der Unternehmensgewinne am Sozialprodukt sowie der damit einhergehenden Zunahme des Anteils der Eigenmittel bei der Finanzierung der Vermögensbildung interpretiert werden. Die zyklusübergreifende Verschiebung in der Relation von Selbst- und Außenfinanzierung ist also einerseits Ausdruck der abnehmenden Selbstfinanzierungsmöglichkeiten bei der Finanzierung der Realkapitalbildung in den investierenden Sektoren und andererseits der erhöhten Spartätigkeit der privaten Haushalte, die durch ihre Geldkapitalbildung einen zunehmenden Beitrag zu Finanzierung der Realkapitalbildung leisteten. Beide Sachverhalte stehen - wie im theoretischen Teil dargestellt wurde in einem wechselseitigen Zusammenhang: Eine hohe Investitionstätigkeit bzw. Realkapitalbildung bei geringer Spartätigkeit ist nur aus erhöhter Gewährung zusätzlicher Kredite möglich, die ihrerseits zu erhöhten Preissteigerungen und c. p. erhöhten Gewinnen der Unternehmen und damit Selbstfinanzierungsmöglichkeiten führt. Umgekehrt führt eine höhere Sparfähigkeit bzw. Geldkapitalbildung der privaten Haushalte zu einer Verringerung der monetären Nachfrage, 49

Vgl. Frietsch, H. (1990), S. 67.

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

85

die c. p. eine Reduktion der Gewinne und damit der Selbstfinanzierungsmöglichkeiten bewirkt.

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung In Kapitel B.l. wurde bereits herausgearbeitet, daß die Bruttogeldvermögensbildung der inländischen nichtfinanziellen Sektoren von 1950 bis 1989 kontinuierlich von 59,1 Mrd. DM auf 4,4 Bio. DM und damit auf das 75fache anstieg, während das Nettorealvermögen zu laufenden Preisen im gleichen Zeitraum von 155 Mrd. DM im Jahre 1950 auf 4.969 Mrd. DM im Jahre 1989 lediglich auf das 32fache anstieg. In diesem Sachverhalt kommt zum Ausdruck - worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde - daß der monetäre Überbau im Laufe der letzten 40 Jahre offenbar schneller als die realwirtschaftlichen Größen - sei es nun das Sozialprodukt oder das Realvermögen - zugenommen hat. Die Untersuchungen des vorhergehenden Kapitels haben gezeigt, daß die Selbstfinanzierung der investierenden Sektoren im Laufe des Untersuchungszeitraumes fortschreitend abgenommen hat, während umgekehrt der Anteil der Außenfinanzierung entsprechend angestiegen ist. Im Falle der Selbstfinanzierung wird von den investierenden Sektoren kein Geldkapital in Anspruch genommen. Diese Aussage ist zwar insoweit zu relativieren, daß - wie im theoretischen Teil erörtert - zur Finanzierung der zusätzlichen Investitionstätigkeit bzw. Realkapitalbildung zusätzliche Kredite in Anspruch genommen werden müssen bzw. die Finanzierung gesamtwirtschaftlich über eine Steigerung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes erfolgt. Die zusätzlichen Kredite werden jedoch, wenn sie in erhöhten Gewinnen Niederschlag finden und - im Falle der Selbstfinanzierung für Investitionsgüter verausgabt werden - wieder getilgt bzw. die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes reduziert sich dann wieder. Für die Frage des erforderlichen monetären Überbaus bedeutet dies, daß zu Beginn des Untersuchungszeitraumes für die Finanzierung der Investitionen geringere Geldkapitalbeträge benötigt wurden, während gegen Ende des Untersuchungszeitraumes aufgrund des gestiegenen Außenfmanzierungsanteils zunehmend mehr Geldkapital benötigt wurde. Zur Feststellung des Geldkapital- bzw. Kreditbedarfs für die Finanzierung der Investitionstätigkeit wäre also von der Höhe der Realinvestitionen (zu laufenden Preisen) die Selbstfinanzierung abzuziehen. In Abbildung 25 ist die gesamte Geldkapitalbildung der nichtfinanziellen Sektoren und der Finanzierungsbedarf für Investitionen eingetragen. Das Schaubild zeigt, daß nach dieser Korrektur das Angebot an Geldkapital noch erheblich stärker über die zur Investitionsfinanzierung erforderlichen Beträge hinausgeht. Im ersten Wachstumszylus erklärt der durchschnittliche Außenfinanzierungsbedarf der inländischen nichtfinanziellen Sektoren in Höhe von

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In Mrd. DM

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Abb. 25: Durchschnittliche Kreditaufnahme, Aktienemission und Außenfinanzierung der Realinvestition inländischer nichtfinanzieller Sektoren

7,71 Mrd. DM einen Anteil von 43% der durchschnittlichen Kreditnahme und Aktienemission der Sektoren. Dieser im Außenfinanzierungsbedarf für Realinvestitionen begründte Anteil der Kreditnabme und Aktienemission bei den betrachteten Sektoren erhöht sich im Verlaufe des zweiten und dritten Zyklus auf 57%

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

87

bzw. auf 63 %, um in dem vierten Zyklus auf 53,1 % abzusinken. Im letzten Zyklus steigt der Anteil wieder um 11 Prozentpunkte auf 64,3 % an. 50 Im folgenden sollen Überlegungen angestellt werden, für welche Zwecke dieses "überschüssige" Geldkapital eingesetzt bzw. anders ausgedrückt, aus welchen Gründen ein monetärer Überbau dieser Größenordnung erforderlich war. Aus der Entwicklung des Zinssatzes, der keineswegs auf ein Überangebot an Geldkapital hinweist, geht hervor, daß diese über den für Investitionszwecke erforderlichen Bedarf hinausgehende Geldkapitalbildung innerhalb der Wirtschaft nachgefragt und damit offensichtlich benötigt wurde. Zur Analyse der Ursachen für diese überproportionale Geldkapitalbildung werden daher im folgenden einerseits Änderungen im Anlegerverhalten bei den geldvermögensbildenden Wirtschaftseinheiten und andererseits Änderungen im Mittelbedarf sowie der Mittelverwendung bei den nachfragenden Wirtschaftseinheiten näher untersucht. Dabei wird in funktionaler Hinsicht die oben eingeführte sektorale Gliederung beibehalten.

1. Kreditflnanzierung der Konsumnachfrage Betrachtet man zunächst den Sektor private Haushalte, so stößt man bereits auf einen ersten wesentlichen Grund für einen überproportionalen Anstieg der Geldvermögensbildung. Die Verschuldungsbereitschaft der privaten Haushalte war während des Betrachtungszeitraumes einem deutlichen Wandel unterworfen und wies im Trend eine steigende Tendenz auf. Eine zunehmende Kreditaufnahme der Haushalte für Konsumzwecke bedingt eine Zunahme der Geldvermögensbildung, der keine Realkapitalbildung gegenüber steht. Obwohl der Sektor private Haushalte per saldo eine positive Geldvermögensbildung aufwies, ist er im Betrachtungszeitraum auch erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber anderen Sektoren 51 eingegangen. 52 Da die Transaktionen der privaten Haushalte zum Bau und Erwerb von Wohnungseigentum dem Wohnungsbausektor zugeordnet sind, kann die verbleibende Kreditnahme der privaten Haushalte als Konsumentenkredit angesehen werden, mit dem in erster Linie der Kauf langlebiger Konsumgüter finanziert wurde. Die Verschuldungsbereitschaft der privaten Haushalte war bis Ende der sechziger Jahre relativ gering. 53 Dies kommt in dem vergleichsweise geringen Volumen 50 Eigene Berechnungen nach Angaben der Deutschen Bundesbank (1990) sowie (1991). 51 Zum größten Teil bestehen diese Verbindlichkeiten gegenüber dem fmanziellen Sektor. 52 Die sektorale Kreditnahme wird lediglich bei der Ermittlung des Sparens der privaten Haushalte, nicht aber bei der Ermittlung der sektoralen Geldvermögensbildung explizit berücksichtigt, da sie nach dem Bruttoprinzip erfolgt. Vgl. Deutsche Bundesbank (1990), S. 12 in Verbindung mit S. 32.

88

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

der Konsumentenkredite zum Ausdruck, das im ersten und zweiten Zyklus durchschnittlich 0,53 Mrd. DM bzw. 1,57 Mrd. DM betrug. Dieser Umfang der Konsumentenkredite in den ersten Perioden vermag nur einen relativ geringen Anteil von 5 % bzw. 8 % der oben angesprochenen Kreditaufnahme der nichtfinanziellen Sektoren zu erklären, die den Außenfinanzierungsbedarf für Realinvestitionen übersteigt. Dies ändert sich jedoch in den 70erund 80er Jahren, wie aus Abbildung 26 hervorgeht. Abbildung 26 zeigt, daß die Verschuldungsbereitschaft der privaten Haushalte seit Ende der sechziger Jahre im Trend stark zunahm und daß ab diesem Zeitpunkt das jährliche Volumen der Konsumentenkredite ausgeprägtere Schwankungen aufweist. Die Konsumentenkredite stiegen von 1,82 Mrd. DM im Jahre 1967 auf ein Volumen von 10,6 Mrd. DM im Jahre 1972 an, um während der Rezessionsjahre 1973/74 bis auf 0,5 Mrd. DM zu sinken. Anschließend erhöhten sich die Konsumentenkredite jedoch erneut bis zum Jahre 1979 auf 20,7 Mrd. DM. Nach einem weiteren Tief von 7,6 Mrd. DM am Ende des vierten Wachstumszyklus im Jahre 1981 stieg das Volumen der Konsumentenkredite im Zuge der allmählichen konjunkturellen Erholung wieder an und erreichte im Jahre 1990 einen Stand von 23,8 Mrd. DM. Die kurzfristigen Schwankungen im Niveau der Konsumentenkredite werden in starkem Maße durch die Einkommenserwartungen der Haushalte bestimmt. Steht ein Haushalt vor der grundsätzlichen Entscheidung, Konsumbedürfnisse auf dem Wege der Kreditfinanzierung zu einem vorgezogenen Zeitpunkt zu realisieren, so hängt seine Verschuldungsbereitschaft von seiner Einschätzung der zukünftigen Einkommensentwicklung ab. Bei optimistischen Erwartungen über die Einkommensentwicklung im Aufschwung wird er eher bereit sein, ein Schuldverhältnis einzugehen als in der Rezession bei pessimistischen Erwartungen. Aus diesem Grunde schwankt die Verschuldungsquote der privaten Haushalte synchron zur konjunkturellen Entwicklung. Im Trend kann jedoch ein zunehmendes Volumen der Konsumentenkredite konstatiert werden. Im Periodendurchschnitt stieg das Volumen der Konsumentenkredite von 5,6 Mrd. DM während des dritten Wachstumszyklus über 14,2 Mrd. DM auf 14,4 Mrd. DM im letzten Zyklus an. Im Gegensatz zu den ersten beiden Zyklen gewinnt das Volumen der Konsumentenkredite somit zunehmend an Bedeutung und umfaßt in den drei genannten Perioden durchschnittlich 14,7 %, 16 % bzw. 19,8 % der überproportionalen Kreditaufnahme 54 der inländischen nichtfinanziellen Sektoren. Somit kann seit Ende der 60er Jahre ein erheblicher Teil der überproportionalen Kreditaufnahme der nichtfinanziellen Sektoren auf eine geänderte Zeitpräferenz bei den privaten Haushalten zurückgeführt werden, Sie wies zudem nur geringfügige Schwankungen auf. i. e. die Kreditnahme, die über den aus der Finanzierung der Realinvestitionen resultierenden Mittelbedarf hinausgeht. 53

54

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

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Abb. 26: Konsumentenkredite der privaten Haushalte die in einer zunächst gestiegenen und anschließend auf höherem Niveau verweilenden Verschuldungsquote 55 der privaten Haushalte zum Ausdruck kommt. 56 55 gemessen als prozentualer Anteil der Konsumentenkredite am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte. 56 Frietsch ermittelt für die Verschuldungsquote der privaten Haushalte bis 1967 Werte um 0,5% des verfügbaren Einkommens. In den Jahren 1972 und 1979 stieg die Verschuldungsquote auf ihre Höchstwerte von 2,0 bzw. 2,3 % und pendelte sich während

90

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Auch der Staatssektor nahm insbesondere während der beiden letzten Wachstumszyklen in zunehmendem Umfang Geldkapital zur Finanzierung allgemeiner Staatsausgaben in Anspruch. In einigen Perioden ging seine Kreditaufnahme erheblich über den Finanzierungsbedarf für Realinvestitionen hinaus. In diesem Umfang hat der Staat Geldkapital für allgemeine Staatsausgaben, also für Staatskonsum verausgabt, was die Divergenz zwischen der Entwicklung von Geldund Realkapitalbildung weiter erhöht und in einem negativen Beitrag des Staatssektors zur gesamtwirtschaftlichen Ersparnis zum Ausdruck kommt. Wie aus Abbildung 27 hervorgeht, war dies in den Jahren 1975-76, 1981-84, 1987 -1988 sowie 1990 der Fall. 57 Für die gegenüber der Realvermögensbildung überproportionale Entwicklung der Geldvermögensbildung kommt zudem der Zunahme der staatlichen Darlehensgewährung eine große Bedeutung zu. Die Darlehensgewährung des Staates stieg von 0,8 Mrd. DM zu Beginn der 50er Jahre auf 9,2 Mrd. DM im Jahre 1990 an. 58 Diese Darlehensgewährung dient zum Teil der Förderung von Investitionen im Wohnungsbau oder der Neugründung von Betrieben u. ä., also der Realkapitalbildung. Ein weiterer Teil, der die Darlehensgewährung für Entwicklungshilfe, BaföG etc. umfaßt, wird jedoch der konsumtiven Verwendung zugeführt und erhöht die Divergenz zwischen Geld- und Realkapitalbildung.

2. Säkularer Anstieg der Kassenhaltung Als weiterer gewichtiger Grund für einen überproportionalen Anstieg der Geldvermögensbildung ist der im Betrachtungszeitraum gestiegene Kassenhaltungsbedarf der nicht finanziellen Sektoren zu nennen. Der Kassenhaltung dienen in erster Linie die Bestände an Bargeld, Sichteinlagen und Termingeldem. Nur sie weisen einen hohen Liquiditätsgrad auf und können von den Wirtschaftssubjekten kurzfristig zu Güterkäufen und zur Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen eingesetzt werden. Abbildung 28 zeigt das Verhältnis aus der Kassenhaltung der nichtfinanziellen Sektoren in Form von Bargeld, Sicht- und Termineinlagen einerseits und dem Bruttosozialprodukt als Indikator für das abgewickelte Transaktionsvolumen andererseits. Aus der Abbildung geht hervor, daß die Kassenbestände bezogen auf das Sozialprodukt während der ersten beiden Perioden des Betrachtungszeitraumes zunächst von durchschnittlich 22,3 % auf 20,5 % leicht zurückgingen, um anschließend relativ kontinuierlich um das 1,8fache auf einen Anteil von 36,7% anzusteigen. der 80er Jahre auf Werte um 1% des verfügbaren Einkommens ein. Vgl. Frietsch, H. (1990), S. 69. 57 Die Abbildung basiert auf den Angaben der Finanzierungsrechnung der Bundesbank. Vgl. Deutsche Bundesbank (1983), (1990), (1991). 58 BMF (1991), S. 180 ff.

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

91

In Mrd. DM

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Abb. 27: Kreditjinanzierung staatlicher Konsumausgaben

Aufgrund einer Geldvermögensbildung in Bargeld, Sicht- und Termineinlagen, die in den verschiedenen Zyklen von durchschnittlich 3,42 Mrd. DM über 6,85 Mrd. DM, 23,98 Mrd. DM und 38,22 Mrd. DM auf 49,41 Mrd. DM jährlich anstieg, erhöhten sich die Kassenbestände der nicht finanziellen Sektoren von 23,5 Mrd. DM im Jahr 1950 auf 983,2 Mrd. DM im Jahr 1990 um das 42fache. Auch dieser Geldvermögensbildung zur Erhöhung der Kassenbestände stehen keine entsprechenden Realinvestitionen gegenüber. Sie bietet somit ebenfalls

92

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In

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Abb. 28: Verhältnis der Kassenhaltung der inländischen nichtjinanziellen Sektoren zum BSPm

Ansatzpunkte zur Erklärung eines überproportionalen Anstiegs der Geldvennögensbildung. Die Zunahme der Kasssenhaltung erfolgte in den einzelnen Sektoren jedoch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Daher wird im folgenden die Entwicklung der Kassenhaltung der privaten Haushalte, der Unternehmen und des Staates gesondert untersucht.

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

93

Die jährliche Geldvennögensbildung der privaten Haushalte in Bargeld, Sichtund Tennineinlagen betrug im Durchschnitt der ersten Periode 1,4 Mrd. DM. Dieser Betrag entspricht einem Anteil von 13,5 % der oben angesprochenen überproportionalen Geldvennögensbildung in der ersten Periode. 59 Die Anlage in Bargeld, Sicht- und Tennineinlagen stieg in den folgenden Perioden von durchschnittlich 2,62 Mrd. DM, 7,5 Mrd. DM und 18,07 Mrd. DM auf 21,74 Mrd. DM im letzten Zyklus an. Dies entspricht Anteilen von 14,0%, 19,8%, 20,4 % und 29,8 % der durchschnittlichen überproportionalen Geldvennögensbildung des zweiten bis fünften Zyklus. Durch diese Zugänge wuchs der Bestand an Zahlungsmitteln, der von privaten Haushalten gehalten wurde, von 7,7 Mrd. DM im Jahre 1950 auf 406,6 Mrd. DM im Jahre 1990 an. Bevor aus dem Zuwachs der Kassenhaltung Rückschlüsse auf Verhaltensänderungen bei den privaten Haushalten gezogen werden können, muß der Einfluß demographischer Faktoren berücksichtigt werden. Die Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland stieg von 1950 bis zum Jahr 1973 mit einer relativ konstanten jährlichen Zuwachsrate von 1 % von 47 Mio. auf 62 Mio. an. 60 Aufgrund dieses Bevölkerungswachstums kann eine Zunahme der Kassenhaltung nicht mit einem (im Durchschnitt) entsprechenden Anstieg der Pro-Kopf-Kassenhaltung gleichgesetzt werden, die auf eine Verhaltensänderung der Wirtschaftssubjekte hinweisen würde. Das gleiche gilt für das Wachstum des aggregierten Einkommens, das ebenfalls demographischen Einflüssen unterworfen ist. Die Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens sowie der Pro- Kopf-Kassenhaltung lagen aufgrund des oben angesprochenen Bevölkerungswachstums um einen entsprechenden Prozentsatz unter dem Wachstum der aggregierten Größen. Seit Mitte der 70er Jahre spielt dieser Einfluß jedoch keine bedeutende Rolle mehr, da die Bevölkerung auf einem Niveau von 61 Mio. - 62 Mio. Einwohner stagniert und die Wachstumsraten der aggregierten Größen nur noch unwesentlich von denen des Einkommens und der Kassenhaltung je Einwohner abweichen. Setzt man die Zunahme der Zahlungsmittelbestände ins Verhältnis zum Sozialprodukt, so zeigt sich, daß die privaten Haushalte während des Betrachtungszeitraums im Trend einen zunehmenden Anteil des Einkommens in Fonn von Bargeld, Sicht- und Tennineinlagen hielten. Der prozentuale Anteil des Geldvennögens der privaten Haushalte (in den oben angesprochenen Anlagefonnen) bezogen auf das jeweilige Sozialprodukt wird in Abbildung 29 dargestellt.

59 i. e. des Teils der Geldvennögensbildung, der sich aus der Differenz von gesamter Kreditnahme und Außenfinanzierungsbedarf für Realinvestitionen der inländischen nicht finanziellen Sektoren im Periodendurchschnitt ergab. 60 Eine Ausnahme hiervon stellt lediglich das Jahr 1960 dar, als das Saarland und West-Berlin dem Bundesgebiet zugeschlagen wurden und die Bevölkerung einmalig um 3,3 Mio. Einwohner anstieg. Zu den Angaben über die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik vgl. Frietsch, H. (1990), S. 59 f.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In ..

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Abb. 29: Verhältnis der Kassenhaltung der privaten Haushalte in Bargeld. Sicht- und Termineinlagen zum BSPm

Abbildung 29 zeigt, daß der Bestand an Zahlungsmittel bezogen auf das Bruttosozialprodukt in den 50er Jahren lediglich einen durchschnittlichen Anteil von 7,8 % ausmachte. Dieser Anteil erhöhte sich jedoch in den Folgeperioden über 8,4%, 10,1 % und 12,0% auf 14,4% im fünften Zyklus und erreichte damit das 1,8fache seines Ausgangswertes. Das prozentuale Wachstum der Kassenhaltung der privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahr übertraf hierbei das Wachstum des Sozialprodukts in den ersten beiden Perioden im Durchschnitt etwa um

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

95

das l,lfache. In den darauf folgenden Perioden beschleunigte sich der Zuwachs der Kassenhaltung gegenüber dem Sozialproduktswachstum. Er betrug während des dritten Zyklus das 1,2fache des Sozialprodukts wachstums und beschleunigte sich im vierten Zyklus sogar auf das 1,9fache. Auch während des letzten Zyklus war ein um den Faktor 1,4 im Vergleich deutlich stärkeres Wachstum zu verzeichnen. Der im Trend zunehmende Anteil der Kassenhaltung der privaten Haushalte an der gesamten Kassenhaltung der inländischen nichtfinanziellen Sektoren, der um 4 Prozentpunkte von 35,4 % im ersten Wachstumszyklus auf 39,4 % im letzten Zyklus anstieg, deutet daraufhin, daß ein Wandel der Kassenhaltungsgewohnheiten der privaten Haushalte eine wesentliche Determinante für die im Aggregat überproportional zunehmende Geldvermögensbildung in liquiden Anlageformen darstellt. Diese langfristige Zunahme des Anteils der Kassenhaltung am Sozialprodukt kann auf eine mit steigendem Einkommen zunehmende Präferenz der Haushalte für Zahlungsmittel zurückgeführt werden. Diese säkulare Zunahme der Kassenbestände im Verhältnis zum Einkommen wurde von Friedman in Anlehnung an die Konsumtheorie mit der Luxusgeldhypothese begründet. Friedman stellte bei zunehmendem Einkommen einen Anstieg der realen Kassenhaltung und eine entsprechende Verminderung der Einkommensumlaufgeschwindigkeit der Geldmenge fest, die er als Zunahme der Geldnachfrage der Wirtschaftssubjekte entlang einer stabilen Nachfragekurve interpretierte. Geld sei ein Gut, das die Wirtschaftssubjekte bei einer Zunahme ihres Einkommens stärker präferieren; es hätte insofern Eigenschaften eines Luxusgutes. 61 Auch die erhöhte Kassenhaltung der Unternehmen trugen während des Betrachtungszeitraumes zu einer überproportionalen Entwicklung der Geldvermögensbildung bei. Abbildung 30 zeigt, daß der Anteil der Kassenhaltung der Unternehmen am Sozialprodukt insgesamt sowohl im Niveau als auch in seinem Zuwachs erheblich über dem der privaten Haushalte lag. Er erhöhte sich von einem durchschnittlichen Anteil von 9,77% im ersten Zyklus über 9,74%, 15,69% und 18,01 % auf 19,56% im letzten Zyklus und stieg somit auf das 2fache seines ursprünglichen Wertes. Das prozentuale Wachstum der Kassenhaltung der Unternehmen gegenüber dem Vorjahr erreichte hierbei zunächst nur das 0,85fache des Sozialproduktswachstums im Durchschnitt der ersten Periode. In den darauf folgenden Perioden beschleunigte sich der Zuwachs der Kassenhaltung gegenüber dem Sozialproduktswachsturn. Er betrug während des zweiten Zyklus das 2,7fache des Sozialproduktswachstums und verringerte sich im dritten und vierten Zyklus auf das 1,6 bzw. 1,5fache. Auch während des letzten Zylus lag der Zuwachs der Kassenhaltung noch um den Faktor 1,07 über dem des Sozialproduktswachstum. 61

Vgl. Friedrnan, M. (1970), S. 159 f.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In ,.

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Abb. 30: Verhältnis der Kassenhaltung der Unternehmen in Bargeld, Sicht- und Termineinlagen zum BSPm

Darüber hinaus stieg der durchschnittliche Anteil der Kassenhaltung der Unternehmen an der gesamten Kassenhaltung der inländischen nicht finanziellen Sektoren im Trend deutlich um 9,5 Prozentpunkte von 43,48% im ersten Zyklus auf 52,94 % im fünften Zyklus an. Der Unternehmenssektor war somit in erheblich stärkerem Maße als die privaten Haushalte am Zuwachs der Kassenhaltung der nicht finanziellen Sektoren beteiligt.

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

97

Ein wesentlicher Grund für die überproportionale Zunahme der Nachfrage nach liquiden Aktiva im Unternehmenssektor kann - bei zunehmender Integration bundesdeutscher Unternehmen in den Welthandel- in der Notwendigkeit zur Abdeckung der mit Wechselkursinstabilitäten verbundenen Finanzierungsrisiken gesehen werden. Um die Risiken aus dem beständig zunehmenden Auslandsgeschäft abdecken zu können, waren die Unternehmen gezwungen, ihre Finanzbeziehungen beständig auszuweiten und ihre Bestände liquider Aktiva aufzustokken. 62 Darüber hinaus kann bei den Unternehmen 63 eine zunehmende Internationalisierung im Anlageverhalten beobachtet werden. Die Unternehmen halten einen zunehmenden Teil ihres Portfolios in liquiden Anlagefonnen, um flexibel internationale Ertragsdifferenzen ausnutzen und auf Änderungen der Währungsparitäten reagieren zu können. Dieser Wandel im Anlageverhalten trägt ebenfalls zu einer überproportionalen Ausweitung der Kassenhaltung im Unternehmenssektor bei. Neben der überproportional zunehmenden Kassenhaltung ist bei den Unternehmen ein solcher Trend auch hinsichtlich längerfristiger finanzieller Anlagen festzustellen. 64 Dieses überproportionale Wachstum des Anteils der finanziellen Aktiva insgesamt am Portfolio der Unternehmen wurde durch einen Rückgang der Erträge des Sachvennögens forciert. Nach den hohen Wachstumsraten der 50er und 60er Jahre nahmen die Erträge des Sachvennögens zu Beginn der 70er Jahre deutlich ab, wodurch Realinvestitionen zunehmend an Attraktivität für die Unternehmen verloren. 65 Bei vergleichsweise hohen Zinsen auf Geldvennögensanlagen war es für viele Unternehmen stattdessen lohnenswerter, in finanzielle Aktiva zu investieren. Größere Unternehmen wurden hierbei selbst wie Finanzintennediäre tätig. 66 Auch wenn die Unternehmen ihr Kapital mittelfristig zur Realisierung weiterer Realinvestition einsetzen wollen, kann ein Rückgang lohnenswerter Realinvestitionsmöglichkeiten eine längere durchschnittliche Anlagedauer der Ertragsrückflüsse aus dem Leistungsprozeß in Fonn finanziellen Aktiva erforderlich machen. Dies kann zu einer weiteren Zunahme finanzieller Aktiva am Gesamtportfolio des Unternehmens sektors führen. Im Gegensatz zur Kassenhaltung der privaten Haushalte und der Unternehmen wies die Kassenhaltung des Staates bezogen auf das Sozialprodukt eine fallende Tendenz auf. Wie aus Abbildung 31 hervorgeht, wies der Anteil der Kassenhaltung des Staates am Sozialprodukt eine sehr wechselhafte Entwicklung auf. Er Vgl. Schlesinger, H. (1987), S. 23. und z. T. auch bei den privaten Haushalten. 64 Längerfristig bedeutet in diesem Zusammenhang, daß die Laufzeit der Forderungen und Verbindlichkeit mehr als ein Jahr beträgt. Vgl: Deutsche Bundesbank (1990), S. 146. 65 Vgl. Ehrlicher, W. (1988), S. 173ff. 66 Vgl. Ehrlicher, W. / Francke, H. H. (1988), S. 406. 62 63

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

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Abb. 31: Verhältnis der Kassenhaltung öffentlicher Hauhalte zum BSPm

betrug im Durchschnitt des ersten Zyklus 4,72 % und fiel dann im zweiten Zyklus auf 2,66 % ab, um anschließend wieder auf 4,52 % anzusteigen. Im vierten und fünften Zyklus zeigte er im Durchschnitt hingegen wieder eine leicht fallende Tendenz mit 3,18% bzw. 3,16% des Bruttosozialprodukts zu Marktpreisen. Betrachtet man den Anteil der staatlichen Kassenhaltung an der gesamten Kassenhaltung der nicht finanziellen Sektoren, so wird die im Vergleich zu den übrigen Sektoren verhaltene durchschnittliche Entwicklung der staatlichen Kas-

D. Gründe für die überproportionale Geldkapitalbildung

99

senhaltung noch deutlicher. Der Anteil sank von 21,1 % während des ersten Zyklus um 8,2 Prozentpunkte auf 12,9% im zweiten Zyklus. Im Verlauf der folgenden Perioden stieg er vorübergehend im dritten Zyklus erneut auf 15,2% an, um anschließend wieder deutlich um 5,6 Prozentpunkte auf 9,6% im vierten bzw. 8,7% im fünften Zyklus abzunehmen. Der Rückgang der Kassenhaltung des Staatssektors in den 50er und beginnenden 60er Jahren dürfte hierbei in erster Linie auf die schrittweise Rückführung der Überschußbildung im öffentlichen Sektor zurückzuführen sein. Aufgrund des Anstiegs der öffentlichen Verschuldung und der damit einhergehenden Zunahme der Staatsquote Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre stieg die öffentliche Kassenhaltung erneut an. Da die stabilitätspolitischen Bemühungen des Staates während dieses Zeitraumes den finanzpolitischen Handlungsspielraum sukzessiv reduzierten, mußte die Finanzpolitik gegen Ende der 70er Jahre jedoch zu einer Konsolidierungsstrategie übergehen. Die Konsolidierungsbemühungen führten anschließend zu einer Rückführung bzw. Begrenzung des Ausgabenwachstums und gleichzeitig aufgrund einer Verknappung der verfügbaren Mittel zu einem Abbau der Kassen- und sonstigen Reserven der öffentlichen Haushalte. Dadurch wurde in den beiden letzten Wachstumszyklen lediglich ein im Vergleich zur Vorperiode deutlich geringeres Niveau der staatlichen Kassenhaltung realisiert. Hinsichtlich der Kassenhaltung der inländischen nichtfinanziellen Sektoren kann somit festgehalten werden, daß sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen im Zeitablauf eine deutlich zunehmende Präferenz für liquide (z. T. auch längerfristige) finanzielle Aktiva zeigten, während die Kassenhaltung des Staates bezogen auf das Einkommen längerfristig eine leicht abnehmende Tendenz aufwies.

3. Kreditfinanzierte Vermögensumschichtungen Ein erheblicher Teil der Kreditnahme der inländischen nichtfinanziellen Sektoren dient der Finanzierung von Umschichtungen des Vermögensbestandes. Solchen Bestandsumschichtungen steht gesamtwirtschaftlich keine Realvermögensbildung gegenüber, auch wenn es sich aus einzelwirtschaftlicher Sicht um den Erwerb von Realvermögen handelt. 67 Somit trägt auch die Kreditnahme der nicht finanziellen Sektoren zum Erwerb bereits vorhandener Vermögensobjekte zu einem höheren Finanzierungsbedarf und einem weiteren Anstieg des monetären Überbaus bei. Die Bedeutung dieses Faktors für das überproportionale Wachstum des monetären Überbaus läßt sich jedoch nur schwer quantifizieren, da Umschichtungen des Vermögensbestandes bei dem gesamten Sachvermögen nicht gesondert berücksichtigt werden. 67 Der Investition des Käufers steht die Desinvestition des Verkäufers gegenüber, die sich in gesamtwirtschaftiicher Sicht zu Null saldieren.

7*

100

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Im Bereich des nicht reproduzierbaren Sachvermögens handelt es sich bei diesen Vermögensumschichtungen in erster Linie um den kreditfinanzierten Erwerb von Grund und Boden. Geht man davon aus, daß längerfristig stets für einen relativ konstanten Anteil der Bauinvestitionen der zur Realisierung des Bauvorhabens erforderliche Grund und Boden durch den Investor erst erworben werden muß, dann könnte hieraus ein im Vergleich zur Realvermögensbildung überproportionaler Finanzierungsbedarf entstehen, zumal der verfügbare Grund und Boden in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Wertsteigerungen erfuhr. Solche Wertsteigerungen können zum einen auf inflationsbedingte Ursachen und zum anderen auf eine Verschiebung der Knappheitsrelationen zurückgeführt werden. Die rein inflationsbedingten (nominellen) Wertsteigerungen des Grundvermögens in Höhe der Inflationsrate führen hierbei lediglich zu einem Anstieg der Grundstückspreise, der sich zur allgemeinen Preisniveauentwicklung proportional verhält. Darüber hinaus stiegen die Grundstückspreise in der Bundesrepublik Deutschland jedoch auch in erheblichem Umfang aufgrund einer Verknappung des Angebots an Bauland in Relation zur Nachfrage erheblich an. Dies zeigt Abbildung 32, in der die Änderung des Preisindex für das Bruttosozialprodukt, als Indikator für die allgemeine Preisentwicklung, und die Änderung des Index der Preise für baureifes Land abgetragen sind. Wie aus Abbildung 32 hervorgeht, lagen die Wertsteigerungen beim Grundvermögen in der Mehrzahl der Jahre des Betrachtungszeitraumes 68 erheblich über dem Anstieg des Preisniveaus. Dieser überproportionale Anstieg der Grundstückspreise führte zu einer entsprechenden Zunahme des Finanzierungbedarfs zum Erwerb von Grund und Boden. In diesem zusätzlichen Finanzierungsbedarf kann ein weiterer Grund für eine überproportionale Zunahme des monetären Überbaus gesehen werden, da solche (realen) Wertsteigerungen nicht als Vermögenszugänge erfaßt werden. 69 Ähnliches dürfte auch bei dem reproduzierbaren Sachvermögen zutreffen. Preis steigerungen des Kapitalbestandes führen im Zusammenspiel mit einer andauernden Konzentrationstendenz in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls zu einem überproprotionalen Anstieg des Finanzierungsbedarf zum Erwerb bereits bestehender Unternehmen. Da es sich auch bei diesen Transaktionen um Umschichtungen des Vermögensbestandes handelt, denen keine Realvermögensbildung gegenüber steht, tragen auch sie - soweit sie ganz oder teilweise über eine zusätzliche Kreditnahme finanziert werden - zu einer im Vergleich zur Realvermögensbildung überproportionalen Zunahme der Geldvermögensbildung bei. 68 Die Abbildung bezieht sich lediglich auf den Zeitraum nach 1962, da in diesem Jahr eine Umstellung in der Baulandstatistik stattfand und eine Vergleichbarkeit der Werte aus den 50er Jahren mit späteren Werten nur mit Einschränkungen gewährleistet ist. 69 Wie im ersten Kapitel bereits angedeutet wurde, wird das Grundvermögen bei der Quantifizierung des Realkapitalbestandes meist ausgeklammert.

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

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Abb. 32: Änderungen des Preisindex gegenüber dem Vorjahr (1980 = 100)

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung für die Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland Im Hinblick auf die Laufzeit der Kredite für Investitionsvorhaben wird von den Investoren -- gemäß der "goldenen Finanzierungsregel" -- eine Fristigkeit der Finanzierung angestrebt, die der Fristigkeit der Kapitalbindung entspricht.

102

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

Aufgrund dieser angestrebten Fristenkongruenz und der meist langen Lebensdauer von Anlageinvestitionen stellt sich hinsichtlich der Außenfinanzierung von Realinvestitionen die Frage, in welchen Umfang die Realisierung der Investitionen vom Angebot längerfristiger Kreditmittel abhängt und ob die in der Bundesrepublik Deutschland beobachtete überproportionale Geldvermögensbildung die Investitionsmöglichkeiten von der Finanzierungsseite her verbessert hat. In diesem Zusammenhang wäre zunächst zu klären, wie sich die Fristenstruktur des Angebots und der Nachfrage nach investierbaren Mitteln entwickelt hat und in welchem Umfang Änderungen im Anlegerverhalten - wie z. B. ein Wandel der Anlegerpräferenzen zugunsten liquiderer Aktiva - auf die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen und damit auf die Realvermögensbildung des privaten Sektors durchschlagen. Dazu werden zunächst die Globalgrößen der Geldvermögensbildung und der Kreditnachfrage der investierenden Sektoren unter besonderer Berücksichtigung ihrer Fristenstruktur einander gegenübergestellt.

1. Verhältnis zwischen längerfristiger Geldvermögensbildung und Realvermögensbildung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene Die Analyse der Fristenstruktur der Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren ermöglicht eine Aussage darüber, welchen Beitrag diese Sektoren durch ihre Geldvermögensbildung zum Aufkommen an investierbaren Mitteln leisten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem direkten Beitrag, den die einzelnen Sektoren über ihre längerfristige Geldvermögensbildung bereitstellen und ihrem indirekten Beitrag, der daraus resultiert, daß der finanzielle Sektor kurzfristige Einlagen in längerfristige Kredite transformiert. Während der Umfang der längerfristigen Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren in erster Linie durch die Liquiditätspräferenz der Anleger bestimmt wird, hängt das Angebot längerfristiger Mittel durch den finanziellen Sektor - neben dem Mittelaufkommen - von dessen Neigung und Fähigkeit zur Fristentransformation ab. Ein Wandel im Anlegerverhalten wird insbesondere dann Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen haben, wenn der finanzielle Sektor Divergenzen im Angebot und der Nachfrage nach investierbaren Mitteln durch die nicht finanziellen Sektoren nicht auszugleichen vermag. Daher wird im folgenden Abschnitt untersucht, welche Fristenstruktur die Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren während des Betrachtungszeitraums aufwies und wie stark die längerfristige Geldvermögensbildung dieser Sektoren von ihrer längerfristigen Kreditnahme abwich. Das Ausmaß dieser Abweichung und ihre Änderung wird dabei als Indikator für den Umfang und die Entwicklung der Fristentransformation durch den finanziellen Sektor herangezogen.

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

l03

Die oben angesprochene Gegenüberstellung der längerfristigen Geldvennögens bildung und Kreditnahme läßt jedoch zunächst die Frage offen, in welchem Umfang das Angebot längerfristiger Kredite für das Niveau der Realvennögensbildung ausschlaggebend war. Zur Untersuchung dieses Zusammenhanges ist daher in einem weiteren Schritt die längerfristige Geldvennögensbildung der nicht finanziellen Sektoren ihrer Realvennögensbildung gegenüberzustellen. Wie oben bereits dargestellt wurde, ist eine mehr oder weniger große Abweichung beider Größen aufgrund der Selbstfinanzierung von Realinvestitionen einerseits sowie kreditfinanzierten Vennögensumschichtungen andererseits zu erwarten. Insofern richtet sich das Hauptinteresse bei den folgenden Überlegungen weniger auf die absolute Niveauspanne zwischen beiden Größen als vielmehr auf deren Änderung im Zeitablauf. Bei dem Vergleich beider Globalgrößen geht es zunächst nur darum festzustellen, ob sich die Bedeutung der längerfristigen Kreditnahme für die Realinvestitionen insgesamt während des Betrachtungszeitraumes gewandelt hat. Auf die Ursachen für eine Änderung des Grades der Kreditabhängigkeit von Realinvestitionen wird später in einer disaggregierten Betrachtung der verschiedenen investierenden Sektoren ausführlicher eingegangen.

a) Fristenstruktur der Geldvermögensbildung und Kreditnahme der nicht finanziellen Sektoren

In den 50er Jahren verlief die Entwicklung der längerfristigen Geldvennögensbildung 70 der nicht finanziellen Sektoren weitgehend parallel zur Entwicklung der längerfristigen Verpflichtungen 71 dieser Sektoren. Mit dem Beginn der 60er Jahre nimmt die Divergenz der beiden Reihen - wie Abbildung 33 zeigt - bis zum Ende des vierten Zyklus beständig zu. Dabei überstiegen die längerfristigen Verpflichtungen der inländischen nicht finanziellen Sektoren deren längerfristige Geldvennögensbildung in zunehmendem Maße, woraus sich eine zunehmende Notwendigkeit zur Fristentransfonnation durch den finanziellen Sektor ergab. Erst im Verlauf des fünften Zyklus näherten sich beide Reihen wieder einander an. Noch deutlicher wird diese Entwicklung bei der Gegenüberstellung der jeweiligen Relationen, d. h. wenn man die Entwicklung der Anteile der längerfristigen Geldvennögensbildung und Kreditnahme an der gesamten Geldvennögensbildung und Kreditnahme der nicht finanziellen Sektoren vergleicht, wie sie in 70 Hierzu zählen die längerfristigen Geldanlagen bei Banken, Bausparkassen und Versicherungen, der Erwerb von längerfristigen Wertpapieren und Aktien sowie die Entstehung sonstiger Forderungen. 71 Hierunter fallen die längerfristigen Bankkredite, Darlehen von Bausparkassen und Versicherungen sowie der Absatz festverzinslicher Wertpapiere, die Emission von Aktien und sonstige längerfristige Verpflichtungen.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

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Abb. 33: Längerfristige Geldvermögensbildung und Kreditnahme der nichtjinanziellen Sektoren

Abbildung 34 wiedergegeben wird. Wie aus Abbildung 34 hervorgeht, nahm der Anteil der längerfristigen Geldvermögensbildung an der gesamten Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren im zweiten Zyklus von über 84 % im Jahre 1959 auf 53% in den beiden folgenden Jahren stark ab und schwankte anschließend um einen Anteil von 60%. Der Anteil der längerfristigen Verpflichtungen an den gesamten Verpflichtungen der nicht finanziellen Sektoren behielt im Trend sein um 20 Prozentpunkte höheres Niveau bei und zeigte - mit Ausnahme des dritten Zyklus - eine steigende Tendenz.

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

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Abb. 34: Anteile der längerfristigen Geldvermögensbildung und Verpflichtungen der nichtjinanziellen Sektoren an der gesamten Geldvermögensbildung bzw. den gesamten Verpflichtungen der nichtjinanziellen Sektoren

Obwohl beide Reihen im Periodendurchschnitt ab dem dritten Zyklus wieder einen ähnlichen Kurvenverlauf -- allerdings auf unterschiedlichem Niveau -aufweisen, erhöht sich die Divergenz zwischen beiden Reihen kontinuierlich über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg. 72 Dies zeigt der Verlauf der beiden Kurven in Abbildung 35. 72 Die Abweichung in der Entwicklung der beiden durchschnittlichen Anteile steigt hierbei von 0,3 Prozentpunkten im ersten Zyklus über 18,9, 23,2 und 25,1 auf 27,8 Prozentpunkte im letzten Zyklus an.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 in

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Abb. 35: Anteile der längerfristigen Geldvermögensbildung und Kreditnahme an der gesamten Geldvermögensbildung und Kreditnahme der nichtjinanziellen Sektoren

Der durchschnittliche Anteil der längerfristigen Verpflichtungen steigt von 74,3 % und 80,8 % in den ersten beiden Zyklen -- nach einem geringfügigen Rückgang auf 78,8% im dritten Zyklus -- weiter auf 81,9% und 88,7% in den letzten beiden Zyklen an. Dies entspricht im zweiten Zyklus einem Zuwachs gegenüber der Vorperiode von 8,7%, im dritten Zyklus einem geringfügigen Rückgang von 2,5 % und im vierten und fünften Zyklus einem erneuten Anstieg des Durchschnittsanteils von 3,8 % bzw. 8,4 % gegenüber der Vorperiode. 73

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

107

Der Anteil der längerfristigen Geldvermögensbildung nimmt hingegen von 74% im ersten Zyklus zunächst auf61,9% und 55,6% in den beiden Folgezyklen ab, um in den letzten Zyklen wieder auf 56,8% bzw. 60,9% zuzunehmen, ohne dabei jedoch sein ursprüngliches Ausgangsniveau der 50er Jahre wieder zu erreichen. Er sinkt damit im zweiten und dritten Zyklus jeweils um 16,5 % bzw. 10% gegenüber dem Durchschnittsanteil der Vorperiode, um in den letzten beiden Periode um 2 % bzw. 7,4 % wieder anzusteigen. Die oben angesprochene Konvergenz der Absolutwerte von längerfristiger Geldvermögensbildung und Kreditnahme der nicht finanziellen Sektoren 74 während des fünften Zyklus beruht demnach nicht auf einer Zunahme des Anteils längerfristiger Aktiva am Gesamtportefeuille der Anleger aus den nicht finanziellen Sektoren, sondern einer annähernd proportionalen Aufstockung der längerfristigen Geldvermögensbildung bei einer im Vergleich zur längerfristigen Kreditnahme überproportional zunehmenden Gesamtgeldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren. Hier kann zunächst festgehalten werden, daß die in der Bundesrepublik Deutschland beobachtete überproportionale Geldvermögensbildung nicht mit einem entsprechend überproportionalen Anstieg der längerfristigen Geldvermögensbildung einherging. Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit den Ergebnissen des Abschnitts D. Hier wurde bereits darauf hingewiesen, daß ein großer Teil der überproportionalen Geldvermögensbildung auf kurzfristige Anlageformen entfällt. Ob dieser Teil der überproportionalen Geldvermögensbildung überhaupt oder nur in geringerem Maße - über die Bereitschaft des finanziellen Sektors zur Kredittransformation - zu einer Verbesserung der Investitionsmöglichkeit beiträgt, wird noch zu prüfen sein. Eine Verbesserung der Investitionsmöglichkeit im Inland kann sich jedoch unabhängig von einer Verschiebung der Anteile zwischen kurzfristiger und längerfristiger Geldvermögensbildung durch die oben angesprochene relative Zunahme der längerfristigen Geldvermögensbildung im Vergleich zu den längerfristigen Verpflichtungen der nicht finanziellen Sektoren ergeben, sofern dieser Zuwachs nicht zu einem überwiegenden Teil der Finanzierung der im fünften Zyklus stark zunehmenden Nachfrage des Auslands diente. Zur Klärung dieser Frage ist eine Analyse der Struktur der längerfristigen Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren erforderlich. Betrachtet man die prozentualen Anteile der Anlagearten an der längerfristigen Geldvermögensbildung 75 der nicht finanziellen Sektoren, die in Abbildung 36 dargestellt werden, so fällt auf, daß zwischen den einzelnen Anlageformen erheb73 Die prozentuale Änderung der durchschnittlichen Anteile gegenüber der Vorperiode werden durch die Säulen in Abbildung 35 wiedergegeben. 74 Siehe Abbildung 33. 75 Siehe zur Abgrenzung Kapitel l.AA.

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 In '"

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Abb. 36: Struktur der durchschnittlichen längerfristigen Geldvermögensbildung der nichtjinanziellen Sektoren

liehe Anteilsverschiebungen stattgefunden haben. Während der Anteil der längerfristigen Geldvermögensbildung bei Banken eine rückläufige Tendenz aufweist, nehmen die Anteile der Geldvermögensbildung bei Versicherungen und des Erwerbs festverzinslicher Wertpapiere relativ kontinuierlich zu. Der Anteil der Geldvermögensbildung bei Bausparkassen weist zwar bis Mitte der siebziger Jahre eine steigende Tendenz auf, aber verliert in der zweiten Hälfte der 70er und in den 80er Jahren zunehmend an Gewicht. Der Anteil des Aktienerwerbs

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

109

liegt nach einem Aufschwung in den 50er seit den 60er Jahren relativ konstant bei einem Wert zwischen 5 % und 6 % der längerfristen Geldvermögensbildung. Für die Analyse des Einflusses der Geldvermögensbildung auf die Realvermögensbildung ist von besonderem Interesse, daß es sich bei den oben angesprochenen Anteilsverschiebungen zum größten Teil um Gewichtsverlagerungen zwischen den einzelnen inländischen Anlagefonnen handelt. Der Anteil der sonstigen Forderungen, die in erster Linie gegenüber dem Ausland bestehen, lag jedoch - nach einem Rückgang in den ersten drei Perioden - in der vierten und fünften Periode annähernd konstant bei einem Wert von 20%. Da dem Ausland trotz der zunehmenden Leistungsbilanzüberschüsse im fünften Zyklus lediglich ein prozentual unveränderter Teil der längerfristigen Geldvermögensbildung zukam, kann davon ausgegangen werden, daß die übrigen inländischen Anlageformen insgesamt ebenfalls proportional von dem zunehmenden Angebot längerfristiger Mittel durch die nicht finanziellen Sektoren profitiert haben. Insgesamt kann somit von einer Verbesserung der Investitionsmöglichkeit durch ein zunehmendes Angebot längerfristiger Mittel durch die nichtfinanziellen Sektoren ausgegangen werden. Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen läßt sich noch keine Aussage darüber machen, ob die überproportionale Geldvermögensbildung eine anregende Wirkung auf die Realvermögensbildung in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Eine Verbesserung der Investitionsmöglichkeit durch eine Ausweitung des Angebots längerfristiger Mittel durch die nicht finanziellen Sektoren kann ohne spürbare Auswirkungen auf das Niveau der Realvermögensbildung bleiben, wenn die Realinvestitionen entweder nur in geringem Maße vom Angebot investierbarer Mittel abhängig sind oder wenn absatzseitige Restriktionen die Investitionsnachfrage und damit auch die Nachfrage nach investierbaren Mitteln begrenzen. Zur Klärung dieser Frage wird anschließend die Entwicklung der Realvermögensbildung und der längerfristigen Kreditnahme der investierenden Sektoren eingehender untersucht.

b) Längerfristige Kreditnahme und Realvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren Eine Gegenüberstellung der längerfristigen Kreditnahme und Aktienemission mit der Realvermögensbildung erfolgt in Abbildung 37. Die Säulen in Abbildung 37 zeigen die Struktur der längerfristigen Kreditnahme und Aktienemission der nicht finanziellen Sektoren nach Art der Verpflichtungen. Die Graphen in Abbildung 37 geben jeweils das zugehörige Niveau der Realvermögensbildung und der Außenfinanzierung für die einzelnen Jahre des Betrachtungszeitraumes an. Bis Mitte der 70er Jahre zeigte die Änderung der längerfristigen Verpflichtungen einen hohen Grad an Übereinstimmung mit der Entwicklung der Außenfinanzierung von Realinvestitionen. Das in diesem Zeitraum geringfügige Zurückblei-

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2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990 in Mrd. DM

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Abb. 37: Längerfristige Kreditnahrne, Aktienemission und Realvermögensbildung der nichtjinanziellen Sektoren

ben der Außenfinanzierung hinter dem Niveau der Kreditnahme und Aktienemission kann darauf zurückgeführt werden, daß neben der Kreditnahme zur Finanzierung von Realinvestitionen stets eine gewisser Bedarf an zusätzlichen längerfristigen Krediten für Konsumzwecke und Umschichtungen des Vermögensbestandes besteht. 76 Die verbleibende Differenz zwischen Außenfinanzie76

Siehe dazu die Ausführungen der Kapitel 2.D.1. und 2.D.3.

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

111

rung und Realinvestition wird durch die Eigenmittel der investierenden Sektoren gedeckt. Die Änderungen der Niveauspanne zwischen der Außenfinanzierung und den Realinvestitionen 1960 - 62, 1964 - 66 und 1969 - 74 deuten darauf hin, daß die kurzfristigen Schwankungen der Realinvestitionen im Konjunkturverlauf nur in geringerem Umfang von dem Aufkommen längerfristiger Mittel abhängig ist. Im längerfristigen Trend zeigt sich ein höherer Grad an Übereinstimmung in der Entwicklung beider Reihen. Die generelle Frage nach der Kreditabhängigkeit der Realinvestitionen muß folglich differenzierter untersucht werden. Sie wird daher im folgenden in zwei Teilfragestellungen untergliedert. Zum einen ist zu klären, welche Umstände kurzfristig einen im Vergleich zur längerfristigen Kreditnahme überproportionalen Anstieg der Realinvestitionen erlauben. Zum anderen ist zu untersuchen, welche Faktoren längerfristig auf eine Konvergenz beider Größen hinwirken. Auf beide Fragen wird in der disaggregierten Betrachtung des Kapitels 2.E.2. näher eingegangen. Betrachtet man die Struktur der Verpflichtungen der nicht finanziellen Sektoren, so kann mit Ausnahme der Jahre 1975 -77 bis zum Jahr 1981 eine ausgesprochene Dominanz der längerfristigen Kredite (einschließlich der sonstigen längerfristigen Verpflichtungen) im Bereich der längerfristigen Verpflichtungen konstatiert werden. Während des letzten Zyklus nimmt der auf den Absatz festverzinslicher Wertpapiere entfallende Anteil beständig zu. Von dem Absatz festverzinslicher Wertpapiere durch die nicht finanziellen Sektoren entfällt ein Anteil von über 90 % auf die öffentlichen Haushalte. Somit fand insbesondere bei dem Staatssektor im Bereich der längerfristigen Verpflichtungen eine Substitition der längerfristigen Kreditnahme bei Banken, Versicherungen und Bausparkassen durch eine unmittelbare Verschuldung am Kapitalmarkt statt. Bei den übrigen Sektoren kommt der Finanzierung über Aktien und festverzinsliche Wertpapiere jedoch unverändert eine quantitativ geringeres Gewicht zu.

2. Bedeutung des Aufkommens längerfristiger Kredite für die sektorale Realvermögensbildung Die Kreditabhängigkeit der Realinvestitionen ist in den einzelnen Wirtschaftsbereichen unterschiedlich stark ausgeprägt. Erste Hinweise über den Grad dieser Abhängigkeit erhält man, wenn man die jeweiligen Anteile der investierenden Sektoren an der Realvermögensbildung mit deren Anteilen an der längerfristigen Kreditnahme vergleicht. 77 Weicht der Anteil eines Sektors an der Realvermögens77 Von der gesamten längerfristigen Kreditnahme der nicht fmanziellen Sektoren wird hier der auf die privaten Haushalte entfallende Teil der längerfristigen Kreditnahme abgezogen, da sie nicht der Realvermögensbildung dienen. Der längerfristigen Kreditnahme des Staates wird hingegen aus den oben genannten Gründen sein Absatz an längerfristigen festverzinslichen Wertpapieren zugeschlagen und der auf die Finanzierung von

112

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

bildung deutlich von seinem Anteil an der Kreditnahme ab, so bedeutet dies, daß der betrachtete Sektor - je nach Vorzeichen der Abweichung - in überbzw. unterproportionalem Umfang zur Realisierung seiner Realvermögensbildung längerfristige Kredite in Anspruch genommen hat. Diese Abweichung soll bei regelmäßigem Auftreten im folgenden als Indikator für die Kreditabhängigkeit der sektoralen Realvermögensbildung dienen.

a) Anteile der Sektoren an der längerfristigen Kreditnahme Zur Analyse der Abweichungen in der Struktur der inländischen Realvermögensbildung und der längerfristigen Kreditnahme werden beide Größen nach Sektoren aufgegliedert. Die Abbildungen 38 und 39 geben zunächst einen Überblick über die absoluten Beiträge der Sektoren zur gesamten Realvermögensbildung und Kreditnahme der investierenden Sektoren. In den Abbildungen 40 bis 42 ist die globale Darstellung nach Sektoren aufgeschlüsselt. Die gravierendste Abweichung zwischen den Anteilen an der längerfristigen Kreditnahme und der Realvermögensbildung ist bei den Produktionsunternehmen zu verzeichnen. Dies zeigt die folgende Gegenüberstellung der durchschnittlichen Anteile dieses Sektors in den einzelnen Zyklen: RVB

If.Kreditnahme

1. Zyklus 2. Zyklus

58,8% 47,9%

42,3%

3. Zyklus

38,9%

4. Zyklus

34,8% 43,4%

34,3% 21,2% 29,0%

5. Zyklus

31,5%

Den hohen Anteilen der Produktionsunternehmen an der Realvermögensbildung von durchschnittlich 58,8% im ersten Zyklus und 47,9%, 38,9%, 34,8% und 43,4 % in den folgenden Zyklen stehen deutlich geringere Anteile dieses Sektors an der längerfristigen Kreditnahme der investierenden Sektoren von durchschnittlich 42,3 %, 31,5 %, 34,3 %, 21,2 % und 29,0 % gegenüber. Der durchschnittliche Anteil der Produktionsunternehmen an der Realvermögensbildung lag demnach - mit Ausnahme der dritten Periode - stets zwischen 13,6 und 16,5 Prozentpunkten deutlich über ihrem Anteil an der längerfristigen Kreditnahme. Eine in ihrem Vorzeichen entgegengesetzte, aber im Umfang wesentlich geringere Abweichung ist bei der Wohnungswirtschaft zu verzeichnen, was die folgende Aufstellung zeigt. allgemeinen Staatsausgaben entfallende (also nicht investiv verwendete) Teil der Außenfinanzierung des Staates abgezogen. Siehe hierzu auch die Erläuterungen zu Abb. 27.

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung RYB

If.Kreditnahme

I. Zyklus

28,9%

40,8%

2. Zyklus

32,4%

49,3%

3. Zyklus

34,9%

39,9%

4. Zyklus

38,8%

41,3%

5. Zyklus

35,3%

28,3%

113

In Mrd. DM 260 rl--------------------------------------------------~

I I

II I

200

~

I

150

II i

I ••

~

50 1--------

1950

1957

D

RVe Produktlon.u .

_

RVe Staat

1967

1975

o

1982

RVe Wohnung.wlrt.eh .

Abb. 38: Struktur der inländischen Realvermögensbildung 8 Ehrlicher I Braun

1990

114

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

in Mrd. DM 200 . - - - - -

:1

I

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150

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100

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50

o

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1950

1957

_

If .Kred.d.Produntern

:=J

If.Kredite d.Staates

1967

1975

=

1982

1990

If.Kred.d.Whgewlrta.

Abb. 39: Struktur der längerfristigen Kreditnahme der investierenden Sektoren

Die durchschnittlichen Anteile der Wohnungs wirtschaft an der Realvennögensbildung lagen mit durchschnittlich 28,9 %,32,4 %,34,9 %,38,8 % und 35,3 % in den ersten vier Zyklen stets unter den entsprechenden Anteilen des Sektors an der längerfristigen Kreditnahme der investierenden Sektoren, die durchschnittlich 40,8%, 49,3%, 39,9%, 41,3% und 28,3% betrugen. Hier lagen die Anteile des Sektors an der längerfristigen Kreditnahme im Periodendurchschnitt zwischen 16,9 und 2,5 Prozentpunkten über den Anteilen an Realvennögensbildung. Die Wohnungs wirtschaft nahm somit - im Vergleich zu ihrer Realvennögensbildung

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

115

- in deutlich stärkerem Maße längerfristige Kredite in Anspruch als die Produktionsunternehmen. Auch bei den öffentlichen Haushalten lagen die Anteile an der längerfristigen Kreditnahme in drei von fünf Zyklen über den Anteilen des Sektors an der Realvermögensbildung:

RVB

If.Kreditnahme 17,0%

1. Zyklus

12,3%

2. Zyklus

19,7%

19,2%

3. Zyklus

26,1%

25,8%

4. Zyklus

27,2%

37,5%

5. Zyklus

21,3%

42,7%

Der Anteil der öffentlichen Haushalte an der Realvermögensbildung betrug im ersten Zyklus durchschnittlich 12,3 % und erhöhte sich in den Folgeperioden auf 19,7%, 26,1 % und 27,2%, um im fünften Zyklus wieder auf 21,3% zu sinken. Die Anteile des Staates an der längerfristigen Kreditnahme stiegen hingegen ständig an. Sie betrugen in der ersten Periode durchschnittlich 17 % und erhöhten sich über 19,2%,25,8% und 37,5% auf 42,7% während des letzten Zyklus. Der Anteil an der längerfristigen Kreditnahme lag somit im ersten Zyklus um 4,7 Prozentpunkte über dem Anteil dieses Sektors an der Realvermögensbildung. Während des zweiten und dritten Zyklus entsprachen sich beide Anteile annähernd. Dies änderte sich in den beiden letzten Zyklen. Hier überstiegen die Anteile der öffentlichen Haushalte an der Kreditnahme deren Anteile an der Realvermögensbildung wieder deutlich um 10,3 bzw. 21,4 Prozentpunkte. Bei den vorangegangenen Überlegungen zeigte sich, daß die investierenden Sektoren bezogen auf ihren Anteil an Realvermögensbildung in sehr unterschiedlichem Umfang längerfristige Kredite aufnahmen. Aufgrund der Niveauunterschiede zwischen Realvermögensbildung und längerfristiger Kreditnahme liefern die oben aufgeführten Prozentsätze jedoch noch keine befriedigenden Informationen über das Ausmaß der Divergenz beider Reihen für die einzelnen investierenden Sektoren. Daher werden in den folgenden Abbildungen 40-42 die Absolutwerte der sektoralen Realvermögensbildung und längerfristigen Kreditnahme einander gegenüber gestellt. Wie aus Abbildung 40 ersichtlich ist, zeigt das Niveau der Realinvestitionen und der längerfristigen Kreditnahme bei den Produktionsunternehmen einen hohen Grad von Unabhängigkeit. In den ersten beiden Zyklen werden hohe Zuwächse im Bereich der Realvermögensbildung lediglich von geringfügigen Änderungen im Bereich der Kreditnahme begleitet. Für diese beiden Perioden kann kaum von einer Abhängigkeit der Realinvestitionen vom Aufkommen an längerfristigen Krediten gesprochen werden. Dieses Bild ändert sich jedoch im Verlaufe des 8*

116

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

In Mrd. DM 140.---------------------------------------------------------,

120~-------------------------------------------------->H

100~--------------------------------------------·------~-4

80~--------------------------------------------~~~

80

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40

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---

LL_L~_L~~_L~LL_L~_L~~_L~LL_L~_L~~_L~LL_L~_L~

1960

1967

1987

--- If.Kred.d.Produntern

1976

1982

1990

""* RVB ProduktIonau.

Abb. 40: Längerfristige Kreditnahme und Realvermögensbildung der Produktionsunternehmen

dritten Zyklus. Hier folgt die längerfristige Kreditnahme der Produktionsunternehmen zwar mit zeitlicher Verzögerung dem Niveau der Realinvestitionen, jedoch mit einem deutlich geringeren Zuwachs. Auch im vierten Zyklus steigen die Realinvestitionen der Produktionsunternehmen wieder stark an, ohne daß die längerfristige Kreditnahme auch nur in einem annähernd vergleichbaren Maße zunimmt. Ähnliches gilt auch für den fünften Zyklus. Hier erhöht sich die Divergenz zwischen beiden Reihen -- nach einer kurzen Parallelentwicklung zu Beginn der 80er Jahre -- wieder erheblich. Die längerfristige Kreditnahme ist gegen

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

117

Ende der 80er Jahre vorübergehend sogar rückläufig, während die Realinvestitionen des Sektor weiter ansteigen. Diese Entwicklung deutet auf einen hohen Grad der Unabhängigkeit zwischen den Realinvestitionen der Produktionsunternehmen und der längerfristigen Kreditnahme dieses Sektors hin. Eine ganz andere Konstellation ergibt sich hingegen bei der Wohnungswirtschaft, was aus Abbildung 41 hervorgeht. Die Entwicklung der längerfristigen Kreditnahme und der Realvermögensbildung zeigen - abgesehen von einem gewissen Niveauunterschied - einen außerordentlich hohen Grad der Übereinstimmung. Eine Zunahme der Realvermögensbildung wird stets von einem ähnlich ausgeprägten Anstieg der längerfristigen Kreditnahme b!!gleitet, wobei die Differenz zwischen beiden Reihen gewissen Schwankungen unterworfen ist. Trotz dieser Schwankungen, auf deren Ursachen in KapiteI2.C.2.b. ausführlicher eingegangen wurde, kann hier jedoch festgehalten werden, daß die längerfristige Kreditnahme und Realvermögensbildung der Wohnungswirtschaft - im Vergleich zu den Produktionsunternehmen - in ihrer Tendenz eine weitgehend synchrone Entwicklung aufweisen. Bei den öffentlichen Haushalten zeigt sich eine wechselhaftere Entwicklung beider Größen. Wie aus Abbildung 42 hervorgeht, lag die Realvermögensbildung der öffentlichen Haushalte seit Mitte der 50er Jahre bis zum Beginn der 70er Jahre deutlich über der längerfristigen Kreditnahme dieses Sektors. Während dieses Zeitraumes steigt die längerfristige Kreditnahme der öffentlichen Haushalte mit der kontinuierlich zunehmenden Realvermögensbildung des Sektors an. Im vierten und fünften Zyklus nimmt sie jedoch überproportional zu und übertrifft in ihrem Niveau seit diesem Zeitpunkt - mit Ausnahme der beginnenden 80er Jahre und dem Jahr 1989 - die Realvermögensbildung der öffentlichen Haushalte. Aufgrund der im Trend beständigen Zunahme beider Reihen liegt auch beim Staatssektor die Vermutung einer engeren Beziehung zwischen längerfristiger Kreditnahme und Realvermögensbildung nahe. Das Überschießen der längerfristigen Kredite zeigt jedoch, daß neben der Entwicklung der Realvermögensbildung noch andere Faktoren, wie z. B. der in KapiteI2.C.2. angesprochene Wandel im Finanzierungsverhalten der öffentlichen Haushalte auf das Niveau der längerfristigen Kreditnahme einwirken. Insgesamt kann somit für die einzelnen investierenden Sektoren ein sehr unterschiedlicher Grad der Übereinstimmung zwischen der Entwicklung der Realvermögensbildung und der längerfristigen Kreditnahme festgestellt werden. Während die längerfristige Kreditnahme der Produktionsunternehmen nur in geringem Umfang auf Änderungen der Realvermögensbildung dieses Sektors reagiert, kann beim Staat und der Wohnungswirtschaft eine relativ synchrone Entwicklung beider Reihen konstatiert werden. Auf die Ursachen dieser sektoral unterschiedlichen Entwicklung im Verhältnis zwischen Kreditnahme und Realvermögensbildung wird im folgenden näher eingegangen.

118

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

In Mrd. DM

70r----------------------------------------------------.

60r------------------------------------..~~~~----~

50r-------------------------

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30

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- - - _._- - -

r-----------------,..-#-:L-----

10 f--------"""A:M F

O~~~~-L~~~~LLJ_LL~_L~_L~~LL~LL~_L~_L~

1950

1957

+

1967

If.Kred.d.Whg.wlrt..

1975

+

1982

1990

RVB Wohnung.wlrt.eh.

Abb. 41: Längerfristige Kreditnahme und Realvermögensbildung der WohnungswirtschaJt b) Gründe für Abweichungen im Ausmaß der Kreditabhängigkeit der Realinvestitionen verschiedener Wirtschaftsbereiche 78 Die Nachfrage der investierenden Sektoren nach längerfristigen Krediten zur Finanzierung ihrer Realvennögensbildung wird unter dem Gesichtspunkt der 78 Die Theorie der ,,konjunktur-" und ,.kreditabhängigen" Investitionen wurde von W. Ehrlicher in Geldkapital und Realkapitalbildung - Ehrlicher, W. (1956) - auf der

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung 80

119

in Mrd. DM I~--------------------------------------------------------'

O ~~~~~~~~~~~~--~~~-L~-L~~~~--~~~

1950

1957

1967

-B-lf.Kred.St.f.lnveat.

1975

1982

1990

...;;.... RVB Staat

Abb. 42: Längerfristige Kreditnahme und Realvermögensbildung des Staates

Investitionsmöglichkeit einerseits durch die Besonderheiten des sektoralen Bedarfs an Finanzierungsmitteln und unter dem Gesichtspunkt der Investitionsneigung andererseits durch die Abhängigkeit der sektoralen Investitionstätigkeit von Grundlage des Datenmaterials der Jahre 1924-38 und 1949-53 entwickelt. Vgl. dazu auch Ehrlicher, W. (1957), S. 143 ff. Das hier untersuchte Datenmaterial von 1950 - 1990 bestätigt weitgehend diese Theorie einer disaggregierten Investitionsfunktion.

120

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

der Entwicklung der Endnachfrage bestimmt. Diese Kriterien liefern bereits erste Ansatzpunkte zur Klassifizierung der investierenden Sektoren und zur Begründung der Unterschiede ihres Bedarfs an längerfristigen Krediten zur Finanzierung von Realinvestitionen. Bei einem großen Teil der Produktionsunternehmen steht die Investitionsbereitschaft in einem sehr engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Konsumgüternachfrage im Konjunkturverlauf. Sie können somit in ihrer Abhängigkeit von der Endnachfrage als konjunkturabhängig klassifiziert werden. Der Begriff Konsumnachfrage ist hierbei nicht auf die Konsumnachfrage der Arbeitnehmer und Unternehmerhaushalte sowie des Staates i. e. S. begrenzt, sondern umfaßt auch die Änderungen der Nachfrage des Handels, die sich im Konjunkturverlauf aus einem Wandel der Lagerhaltungspolitik ergeben. Die Investitionsvorhaben in konjunkturabhängigen Sektoren sind häufig so ausgelegt, daß eine weitgehende Amortisation der Realinvestitionen innerhalb eines Zyklus erfolgt. Sie sind durch eine relativ kurze Kapitalbindungsdauer gekennzeichnet, d. h. es kann kurzfristig mit der Freisetzung eines relativ großen Anteils der investiv gebundenen Mittel durch die Erlöse aus dem Absatzprozeß gerechnet werden. Die vergleichsweise hohe Kapitalumschlagsgeschwindigkeit hat einen erheblichen Einfluß auf den Bedarf längerfristiger Kredite zur Finanzierung der Realvermögensbildung. Sie erlaubt es den Unternehmen, einen relativ hohen Anteil der zur Realvermögensbildung aufgenommenen Kredite zügig aus Gewinnen und Abschreibungsbeträgen zu tilgen. Die rasche Freisetzung der gebundenen Mittel ermöglicht es diesen Unternehmen, bei der Anlagenfinanzierung auch auf kurzfristige Kredite auszuweichen, falls es zu einer Verknappung des Angebots längerfristiger Kredite kommen sollte. Eine geringere Abhängigkeit der Unternehmen aus konjunkturabhängigen Wirtschafts bereichen vom Aufkommen längerfristiger Kredite resultiert darüber hinaus aus der Tatsache, daß diese Unternehmen typischerweise über weitreichendere Möglichkeiten verfügen, sich durch produktionstechnische und absatzpolitische Maßnahmen an Schwankungen der Nachfrage sowie der Liquiditätssituation anzupassen. Im Vergleich zu den unten noch ausführlicher zu behandelnden kreditabhängigen Wirtschaftsbereichen können sie u. a. relativ kurzfristig im Zuge einer forcierten Auflösung von Lagerbeständen eine Erhöhung der Absatzerlöse herbeiführen, die anschließend zur Tilgung kurzfristiger Kredite herangezogen werden können. Zudem kann in diesen Wirtschaftsbereichen auch der Kapitalbedarf durch geeignete Variationen der Ausbringungsmenge flexibler an liquiditätsmäßige Restriktionen angepaßt werden. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß in den konjunkturabhängigen Wirtschaftsbereichen das Umlaufskapital, dessen Höhe eng mit dem realisierten Ausbringungsniveau zusammen hängt, einen vergleichsweise hohen Anteil am Gesamtkapital der Unternehmung ausmacht. Bei konjunkturellen Rückschlägen und damit verbundenen Liquiditätsengpässen kann der Kapitalbedarf der Unternehmung durch Produktionseinschrän-

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

121

kungen binnen kürzerer Zeit zurückgeführt werden. Dies erleichtert den Unternehmen die Anpassung an eine sich im Konjunkturverlauf verändernde Bereitschaft zur Kreditvergabe durch das Bankensystem und konstituiert einen geringeren Grad der Abhängigkeit der Realvermögensbildung in konjunkturabhängigen Wirtschaftsbereichen von der Verfügbarkeit längerfristiger Kredite. Die Realinvestition der Produktionsunternehmen ist dennoch, sofern sie auf eine Außenfinanzierung angewiesen ist, nicht völlig unabhängig vom Aufkommen längerfristiger Kredite. Bei normaler Wirtschaftsentwicklung wird eine Außenfinanzierung der Realvermögensbildung stets auch zu einer Zunahme des Bedarfs an längerfristigen Mitteln führen. Im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung kann jedoch festgehaIten werden, daß die oben angesprochenen (bei Bedarf grundsätzlich vorhandenen) Möglichkeiten zu einem schnelleren Kreditabbau in den konjunkturabhängigen Wirtschaftsbereichen prinzipiell eine kurzfristige Anlagenfinanzierung erlauben. Diese Möglichkeit zur kurzfristigen Anlagenfinanzierung bei entsprechender Nachfrageentwicklung muß - zusammen mit der im Aufschwung stark zunehmenden Eigenmittelausstattung der Produktionsunternehmen - als wesentlicher Bestimmungsgrund dafür angesehen werden, daß der Zuwachs der Realinvestitionen zeitweise nahezu unabhängig von einer Ausweitung der längerfristigen Kreditnahme dieses Sektors erfolgen konnte. 79 Der schnelle Kapitalumschlag in diesen Bereichen bewirkt zudem einen niedrigen Anteil der Zinskosten an den Gesamtkosten der Produktion. Bei einem mehrmaligen Kapitalumschlag wirken sich während des Investitionszeitraumes auftretende Zinsvariationen nur mit einem Bruchteil ihrer Änderungsrate auf die Stückkosten der Produktion aus, weshalb die Zinsreagibilität der Realinvestitionen in den konjunkturabhängigen Bereichen als relativ gering veranschlagt werden kann. Obwohl der Sektor Produktionsuntarnehmen keineswegs eine vollständig homogene Gruppe darstellt, dürften die hier getroffenen Aussagen zumindest in ihrer Tendenz auf die Mehrzahl der Industrieunternehmen, den Handel und Unternehmen aus dem Bereich Kraftverkehr zutreffen. Insgesamt kann somit davon ausgegangen werden, daß die Realinvestitionen der Produktionsunternehmen weder auf quantitative Beschränkungen noch auf Preiserhöhungen des Angebots an längerfristigen Krediten besonders elastisch reagieren. Hinzu kommt, daß bei den Produktionsunternehmen im Aufschwung besonders ausgeprägte Gewinnsteigerungen zu verzeichnen sind. Die geringe Zinsempfindlichkeit und die bei entsprechender Nachfrageentwicklung vergleichweise reichliche Ausstattung mit Eigenmiueln sind ausschlaggebend für die oben konstatierte Unabhängigkeit der Realinvestitionen der Produktionsunternehmen vom Aufkommen an längerfristigen Krediten. Die im Zusammenhang mit Abbildung 37 oben festgestellte phasen'79

Siehe Abbildung 40.

122

2. Kapitel: Geld- und Realkapitalbildung zwischen 1950 und 1990

weise Unabhängigkeit der Gesamtrealvennögensbildung der investierenden Sektoren vom Aufkommen längerfristiger Mittel dürfte somit zum größten Teil auf die hier angesprochenen Besonderheiten der Investitionstätigkeit des Sektors Produktionsunternehmen zurückzuführen sein. Den konjunkturabhängigen Wirtschaftsbereichen steht eine Gruppe von Unternehmen gegenüber, deren Investitionsbereitschaft entweder von der (kurzfristigen) Nachfrageentwicklung unabhängig oder zumindest nur von ihrem längerfristigen Trend abhängig ist und die bei der Finanzierung ihrer Realinvestitionen in stärkerem Maße auf die Bereitstellung längerfristiger Kredite angewiesen ist. Die Realinvestitionen dieser Wirtschaftsbereiche können daher als ,,kreditabhängig" klassifiziert werden. Hierunter fallen die Realinvestitionen der Wohnungswirtschaft und ein großer Teil der Realinvestitionen der öffentlichen Haushalte sowie der Versorgungswirtschaft (i. e. Elektrizität, Gas, Wasser) und der Verkehrswirtschaft (mit Ausnahme des Kraftverkehrs), deren Anteil an der Realvermögensbildung während der ersten vier Perioden des Betrachtungszeitraumes beständig zunahm. 80 Die vergleichsweise geringe Reagibilität dieser Investitionen auf Schwankungen im Niveau der effektiven Nachfrage ist darauf zurückzuführen, daß sie entweder - wie im Falle eines Teils der Realinvestitionen öffentlicher Haushalte - vorwiegend politisch bedingt sind (z. B~ Rüstungsinvestitionen) oder daß sie von besonders langlebiger Natur sind, weshalb kurzfristige Nachfrageschwankungen für die Investitionsentscheidung nur geringe Bedeutung haben (Wohnungsbauinvestitionen und Beschaffung relativ großer Aggregate im Bereich der Versorgungsunternehmen). Die Langlebigkeit der hier angesprochenen Realinvestitionen bedingt auch ihre weitgehendere Abhängigkeit vom Aufkommen längerfristiger Kredite. Die Kapitalfreisetzung durch die Erlöse aus dem Absatzprozeß verteilt sich bei diesen Investitionen auf eine lange Reihe von Jahren. Dies hat zur Folge, daß die jährlich anfallenden Amortisationsbeträge im Vergleich zum gesamten gebundenen Kapital relativ gering sind. Aufgrund des hohen Fixkostenanteils in diesen Wirtschaftsbereichen ist auch bei Liquiditätsengpässen durch eine Einschränkung der Ausbringung und eine damit verbundene Reduzierung des Umlaufskapitals keine wesentliche Einschränkung des Gesamtkapitalbedarfs zu erreichen. Im Gegenteil besteht in diesen Bereichen sogar die Gefahr, daß die durch die Reduzierung der Ausbringungsmenge induzierten Erlösminderungen die mit der Beschäftigungseinschränkung einhergehenden Kosteneinsparungen übertreffen und daß somit gar keine Verringerung, sondern unter Umständen sogar eine Zunahme des Kapitalbedarfs eintritt. Die in den konjunkturabhängigen Bereichen vorhandenen Möglichkeiten zur flexiblen Rückzahlung der zur Anlagenfinanzierung verwendeten Kredite bestehen in den hier betrachteten Wirtschaftsbereichen nicht, 80

Siehe dazu die Abbildungen 6 und 7.

E. Konsequenzen der überproportionalen Geldkapitalbildung

123

weshalb auf eine kurzfristige Anlagenfinanzierung weitgehend verzichtet werden muß. Aufgrund der niedrigen Kapitalumschlagshäufigkeit in den oben angesprochenen Sektoren muß der Zinssatz für längerfristige Kredite als wesentliche Determinante der Kostenentwicklung angesehen werden. Änderungen des Zinsatzes schlagen in starkem Maße auf die Entwicklung der Zinskosten und der gesamten Produktionskosten durch, da die Außenfinanzierungsquote in den kreditabhängigen Wirtschaftsbereichen deutlich höher liegt als bei den Produktionsunternehmen. Die Zinsentwicklung hat daher einen stärkeren Einfluß auf den Umfang der rentierlichen Investitionsmöglichkeiten. Da die Nachfrage nach längerfristigen Krediten während des Betrachtungszeitraumes einen beständig steigenden Trend aufwies, was in den zunehmenden Anteilen der kreditabhängigen Sektoren an der gesamten Realvermögensbildung zum Ausdruck kommt, hängt die Höhe des Zinssatzes für längerfristige Kredite und damit auch das Niveau der Realinvestitionen in den kreditabhängigen Sektoren in starkem Maße vom Aufkommen längerfristiger Kredite ab. Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen kann der Zusammenhang zwischen längerfristiger Kreditnahme und Realvermögensbildung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, wie er für die Bundesrepublik Deutschland in Abbildung 37 dargestellt wurde, folgendermaßen gedeutet werden: Die im längerfristigen Trend weitgehende Übereinstimmung in der Entwicklung von längerfristiger Kreditnahme und Realvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren beruht auf dem hohen Anteil der Realinvestitionen kreditabhängiger Sektoren an der gesamten inländischen Realvermögensbildung. Die darüber hinaus auftretenden Divergenzen in der Entwicklung beider Reihen sind hingegen auf die im Konjunkturverlauf stark schwankenden und vom Aufkommen längerfristiger Kredite relativ unabhängigen Änderungen der Realinvestitionen konjunkturabhängiger Sektoren zurückzuführen, die weitgehend dem Sektor Produktionsunternehmen zugeordnet werden können. Während die oben konstatierte überproportionale Zunahme des Angebots längerfristiger Mittel für die Realvermögensbildung im Bereich der Produktionsunternehmen von untergeordneter Bedeutung war, dürfte sie die Investitionstätigkeit in den kreditabhängigen Bereichen begünstigt und die Finanzierung des Grundstocks der inländischen Realvermögensbildung erleichtert haben.

Drittes Kapitel

Ergebnisse und allokationspolitische Schlußfolgerungen Zur Untersuchung der Zusammenhänge zwischen der Geldvermögensbildung und der Realvermögensbildung in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1950 und 1990 wurden in der vorliegenden Analyse zunächst die Bestimmungsgründe für die Entwicklung beider Größen während des Betrachtungszeitraumes eingehender erläutert. Als Ergebnis einer Gegenüberstellung der globalen Entwicklung der Geld- und Realvermögensbildung in Kapitel 2.A. und 2.B. wurde eine überproportionale Zunahme der Geldvermögensbildung festgestellt, die in einem beständig zunehmenden Geld-Realvermögensquotienten zum Ausdruck kam. Während der überproportionale Anstieg des monetären Überbaus zu Beginn der 50er Jahre in erster Linie auf die besondere Situation der Bundesrepublik Deutschland in der unmittelbaren Nachkriegszeit zurückgeführt werden konnte, lagen ähnlich eindeutige Ursachen für die anschließenden Änderungen in den Zuwachsraten des Quotienten im Verlauf des zweiten bis fünften Wachstumszyklus nicht vor. Dies machte eine Untersuchung der sektoralen Struktur beider Größen erforderlich, die einen Überblick über die Träger der Geld- und Realvermögensbildung bot und dadurch erste Ansatzpunkte zur Erklärung der Entwicklung der Globalgrößen lieferte. Die Analyse der Struktur beider Größen zeigte, daß während der ersten vier Zyklen der Anteil der Realinvestitionen des Staates und der Wohnungswirtschaft an der gesamten Realvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren beständig zunahm, während der Anteil der Realinvestitionen der Produktionsunternehmen einen rückläufigen Trend aufwies. Diese Entwicklung kehrte sich jedoch im fünften Zyklus um, als der Anteil der Produktionsunternehmen an der Realvermögensbildung zu Lasten der Anteile des Staates und der Wohnungswirtschaft wieder deutlich zunahm. Auch bei der Geldvermögensbildung der inländischen Sektoren konnten erhebliche Strukturverschiebungen festgestellt werden. Der größte Teil der Zunahme der Geldvermögensbildung in der Bundesrepublik Deutschland entfiel auf die privaten Haushalte, deren Anteil an der gesamten Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren im Verlaufe der ersten vier Perioden beständig zunahm. Darüber hinaus waren auch die Produktionsunternehmen mit einem bestän-

3. Kapitel: Ergebnisse und aIlokationspoIitische Schlußfolgerungen

125

dig zunehmendem Anteil an der steigenden Geldvermögensbildung beteiligt, während der Anteil des Staates kontinuierlich abnahm. Die gravierenden Strukturverschiebungen bei der Realvermögensbildung zugunsten der öffentlichen Haushalte und der Wohnungswirtschaft, die in einem späteren Kapitel als kreditabhängige Wirtschaftsbereiche klassifiziert wurden, legten die Vermutung nahe, daß sektorale Unterschiede oder Änderungen im Finanzierungsverhalten der investierenden Sektoren wesentliche Bestimmungsgründe für Entwicklung der Geldvermögensbildung gewesen sein könnten. Das Kriterium der Kreditabhängigkeit und einer niedrigen Kapitalumschlagshäufigkeit erlaubt allerdings weder unmittelbare Rückschlüsse auf die Rentabilität der Realinvestitionen und damit zusammenhängende Eigenmittelausstattung der Unternehmen noch auf die Außenfinanzierungsquote in den einzelnen investierenden Sektoren, die für das Verhältnis von Geld- und Realvermögensbildung von erheblicher Bedeutung ist. Die Rentabilität des eingesetzten Kapitals und die Eigenmittelausstattung der Unternehmen zur Finanzierung von Realinvestitionen ergibt sich aus dem Produkt der Umsatzgewinnrate und der Kapitalumschlagshäufigkeit. Die im Vergleich zu den konjunkturabhängigen Sektoren niedrigere Kapitalumschlagshäufigkeit in den kreditabhängigen Sektoren kann im Hinblick auf die Rentabilität der Realinvestitionen durch eine entsprechend höhere Umsatzgewinnrate ausgeglichen werden, so daß in beiden Wirtschaftsbereichen prinzipiell eine gleich hohe Rentabilität der Realinvestitionen erreicht werden kann. Zur Erklärung der Auswirkungen des oben angesprochenen Strukturwandels auf die divergierende Entwicklung der Geld- und Realvermögensbildung war daher zunächst zu untersuchen, welche Unterschiede zwischen den Außenfinanzierungsquoten in den investierenden Sektoren bestehen und welchen Änderungen diese Quoten während des Betrachtungszeitraumes unterworfen waren. Die eingehendere Untersuchung des Wandels der Selbstfinanzierungsquote in den einzelnen investierenden Sektoren zeigte, daß die während der 50er und 60er Jahre zunächst relativ langsam abnehmende glob~le Selbstfinanzierungsquote (bzw. das allmählich zunehmende Gewicht der Außenfinanzierung) mit dem ebenfalls, im Vergleich zu den Folgeperioden, relativ geringen Anstieg des GeldRealvermögenskoeffizienten während dieser Zeitspanne korrespondiert. Als sich der Rückgang der Selbstfinanzierungsquote (resp. die Zunahme des Gewichts der Außenfinanzierung) während des dritten und vierten Zyklus tendenziell verschärfte, beschleunigte sich gleichzeitig auch der Anstieg des Geld-Realvermögenskoeffizienten. Als die Selbstfinanzierungsquote im fünften Zyklus wieder anstieg, flachte auch der Anstieg des Geld-Realvermögensquotienten wieder ab. Die Parallelität beider Zeitreihen kann als Indiz dafür gewertet werden, daß der Wandel im Finanzierungsverhalten (bzw. der Finanzierungsmöglichkeiten) einen maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der Relation zwischen Geld- und Realvermögensbildung hatte.

126

3. Kapitel: Ergebnisse und allokationspolitische Schlußfolgerungen

Die Zunahme des Geld-Realvermögensquotienten während der ersten vier Perioden ging mit einer ausgeprägten Zunahme des Anteils der privaten Haushalte und einer entsprechenden Abnahme des Anteil der investierenden Sektoren an der Ersparnisbildung einher. Der damit verbundene Wandel in der Finanzierungsstruktur der Realinvestitionen - von einer hohen Selbstfinanzierungsquote zu Beginn der 50er Jahre zu einer hohen Außenfinanzierungsquote Ende der 70er und zu Beginn der 80er Jahre - wurde in seiner säkularen Entwicklung einerseits mit einem Umschwung in der Zielsetzung der Finanzpolitik und andererseits mit Änderungen im Sparverhalten der privaten Haushalte erklärt. Zu Beginn der 50er Jahre konnten die investierenden Sektoren einen großen Teil ihrer Realvermögensbildung unmittelbar aus Eigenmitteln finanzieren. Hierbei mußten sie im Vergleich zu den folgenden Perioden in wesentlich geringerem Maße auf die Geldvermögensbildung anderer Sektoren zugreifen. Während der 60er und 70er Jahre bildete sich die heute noch vorherrschende Finanzierungsstruktur heraus, bei der die privaten Haushalte aufgrund ihrer gestiegenen Sparfähigkeit und Sparwilligkeit einen erheblichen Teil der Ersparnisbildung leisten und über den finanziellen Sektor den investierenden Sektoren zur Verfügung stellen. Diese Änderung der Finanzierungströme führte zu einem Anstieg der Bruttogeldvermögensbildung bei den privaten Haushalten und dem finanziellen Sektor und einer entsprechenden Zunahme der Geldvermögensbildung im Vergleich zur Realvermögensbildung der jeweiligen Periode. Da die privaten Haushalte während des fünften Zyklus ein relativ stabiles Sparverhalten zeigten, kann die Abnahme ihres Anteils an der privaten Vermögensbildung als Reflex des steigenden Anteils der Unternehmergewinne am Sozialprodukt und der damit einhergehenden Zunahme der Eigenmittel bei der Finanzierung der Realvermögensbildung interpretiert werden. Dementsprechend führte der Anstieg der Eigenmittel bei den investierenden Sektoren zu einer Abnahme der Außenfinanzierungsquote, was als wesentliche Ursache für die weitgehende Stabilität des Geld-Realvermögensquotienten im letzten Zyklus angesehen werden kann. Darüber hinaus zeigte eine Gegenüberstellung der Geldkapitalbildung und der zur Investitionsfinanzierung erforderlichen Beträge jedoch, daß neben dem zunehmenden Kreditbedarf für Realinvestitionen weitere Faktoren aus dem realwirtschaftlichen wie auch monetären Bereich auf das Niveau der Geldvermögensbildung Einfluß hatten. Als weitere Determinanten für die überproportionale Entwicklung der Geldvermögensbildung konnten eine in zunehmendem Maße kreditfinanzierte Konsumnachfrage, ein säkularer Anstieg der Kassenhaltung sowie der Geldkapitalbedarf für kreditfinanzierte Umschichtungen des Vermögensbestandes ermittelt werden. Der Anstieg der kreditfinanzierten Konsumnachfrage wurde in erster Linie von den privaten und öffentlichen Haushalten getragen. Die Verschuldungsbereit-

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schaft der privaten Haushalte stieg ab Ende der 60er Jahre erheblich an. Dabei stieg das Volumen der Konsumentenkredite - bei ausgeprägten jährlichen Schwankungen - im Trend sowohl absolut als auch als Anteil an der überproportionalen Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren stark an. Somit kann eine geänderte Zeitpräferenz bei den privaten Haushalten, die in einer zunächst gestiegenen und anschließend auf höherem Niveau verweilenden Verschuldungsquote der privaten Haushalte zum Ausdruck kommt, als eine Bestimmungsgröße für die überproportionale Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren angesehen werden. Darüber hinaus griffen auch die öffentlichen Haushalte insbesondere in den letzten beiden Zyklen in zunehmendem Umfang zur Finanzierung allgemeiner Staatsausgaben auf Kredite zurück. Hierbei ging ihre Kreditnahme erheblich über den Finanzierungsbedarf für Realinvestitionen hinaus. In diesem Umfang erhöht die staatliche Kreditnahme die Divergenz zwischen Geld- und Realvermögensbildung. Zudem wird auch ein Teil der staatlichen Geldvermögensbildung der konsumtiven Verwendung zugeführt und für Entwicklungshilfe, BaföG etc. verausgabt. Auch dies trägt dazu bei, die Divergenz zwischen Geld- und Realkapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland zu erhöhen. Neben derartigen Änderungen der Konsumnachfrage ist als weiterer gewichtiger Grund für die überproportionale Zunahme der Geldvermögensbildung der gestiegene Kassenhaltungsbedarf der nicht finanziellen Sektoren zu nennen. Dieser zunehmenden Geldvermögensbildung in Bargeld, Sicht- und Termineinlagen zur Erhöhung der Kassenbestände steht keine entsprechende Realvermögensbildung gegenüber. Der Anstieg des Kassenhaltungsbedarfs in der Bundesrepublik Deutschland ging auf die Unternehmen und die Haushalte zurück, während der Anteil der Kassenhaltung der öffentlichen Haushalte bezogen auf die gesamte Kassenhaltung der nicht finanziellen Sektoren wie auch bezogen auf das Sozialprodukt rückläufig war. Den stärksten Impuls erfuhr der Anstieg der Kassenhaltung durch das geänderte Finanzierungsverhalten der Unternehmen. Bei zunehmender Integration bundesdeutscher Unternehmen in den Welthandel entstand ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf zur Abdeckung der mit Wechselkursinstabilitäten verbundenen Finanzierungsrisiken, den die Unternehmen durch eine Aufstockung ihrer Bestände an liquiden Aktiva deckten. Hinzu kam eine Tendenz zur Internationalisierung des Anlageverhaltens, die die Unternehmen veranlaßte, einen zunehmenden Teil ihres Portfolios in liquiden Anlageformen zu halten, um flexibel internationale Ertragsdifferenzen auszunutzen und auf Änderungen der Währungsparitäten reagieren zu können. Ein überproportionales Wachstum des Anteils der finanziellen Aktiva insgesamt am Portfolio der Unternehmen wurde außerdem durch einen Rückgang der Erträge des Sachvermögens forciert. Nach den hohen Wachstumsraten der 50er und 60er Jahre nahmen die Erträge des Sachvermögens zu Beginn der 70er Jahre deutlich ab. Dadurch verlor die Realvermögensbildung zunehmend an Attraktivi-

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tät für die Unternehmen. Bei vergleichsweise hohen Zinsen auf Geldvennögensanlagen war es für viele Unternehmen stattdessen lohnenswerter, in finanzielle Aktiva zu investieren. Größere Unternehmen wurden hierbei selbst wie Finanzintennediäre tätig. Dadurch kam es seit Beginn der 70er Jahre auch zu einer deutlichen ,Zunahme der Nachfrage nach längerfristigen finanziellen Anlagen und zu einer weiteren Zunahme finanzieller Aktiva am Gesamtportfolio des Unternehmenssektors. Auch bei den privaten Haushalten konnte eine säkulare Änderung der Kassenhaltungsgewohnheiten beobachtet werden. Der Anteil der Kassenhaltung der privaten Haushalte an der gesamten Kassenhaltung der nicht finanziellen Sektoren nahm - wenn auch in quantitativ wesentlich geringerem Ausmaß als bei den Unternehmen - im Trend beständig zu. Dies deutet auf eine bei steigendem Einkommen zunehmende Präferenz der Haushalte für liquide Aktiva hin, weshalb Geld ein Luxusgutcharakter zugesprochen werden kann. Somit leisteten die geänderten Kassenhaltungsgewohnheiten der privaten Haushalte ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zu der im Aggregat überproportional zunehmenden Geldvermögensbildung in liquiden Anlagefonnen. Schließlich ist noch auf den quantitativ bedeutenden, wenn auch empirisch schwer faßbaren Einfluß kreditfinanzierter Umschichtungen des Vennögensbestandes auf die Divergenz von Geld- und Realvennögensbildung hinzuweisen. Bei Umschichtungen des Vennögensbestandes steht der Investition des Käufers von Realvennögensbeständen die Desinvestition des Verkäufers gegenüber, so daß gesamtwirtschaftlich keine Vennögensbildung zustande kommt. Soweit diese Umschichtungen zu einer zusätzlichen Kreditnahme führen, muß ein im Vergleich zur Realvennögensbildung überproportionaler Anstieg des monetären Überbaus vorliegen. Als Ursachen für einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf bei Umschichtungen des Vennögensbestandes konnten reale Wertsteigerungen des reproduzierbaren wie auch des nicht reproduzierbaren Sachvennögens ennittelt werden. Im Gegensatz zu rein inflationsbedingten (nominellen) Wertsteigerungen der Vennögensobjekte in Höhe der Inflationsrate, die sich zur allgemeinen Preisniveauentwicklung proportional verhalten, führen darüber hinausgehende reale Wertsteigerungen zu einem überproportionalen Anstieg des Finanzierungsbedarfs bei dem Erwerb von Vennögensobjekten. Im Bereich des nicht reproduzierbaren Sachvermögens konnten solche Wertsteigerungen anhand des überproportionalen Anstiegs der Grundstückspreise festgestellt werden, die zu einer entsprechenden Zunahme des Finanzierungbedarfs zum Erwerb Von Grund und Boden führten. Dieser zusätzliche Finanzierungsbedarf kann als ein weiterer Grund für eine überproportionale Zunahme des monetären Überbaus gesehen werden, da solche (realen) Wertsteigerungen nicht als Vennögenszugänge erfaßt werden.

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Ähnliche Wertsteigerungen konnten auch bei dem reproduzierbaren Sachvermögen festgestellt werden. Diese Preis steigerungen des Kapitalbestandes führen im Zusammenspiel mit einer andauernden Konzentrationstendenz in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls zu einem überproportionalen Anstieg des Finanzierungsbedarf zum Erwerb bereits bestehender Unternehmen. Da es sich auch bei diesen Transaktionen um Umschichtungen des Vermögensbestandes handelt, denen keine Realvermögensbildung gegenüber steht, tragen auch sie - soweit sie ganz oder teilweise über eine zusätzliche Kreditnahme finanziert werden, zu einer im Vergleich zur Realvermögensbildung überproportionalen Zunahme der Geldvermögensbildung bei. Nach der Analyse der Ursachen für die überproportionale Geldvermögensbildung in der Bundesrepublik wurde in KapiteI2.E. schließlich die Frage aufgegriffen, welchen Einfluß diese Geldvermögensbildung auf die Realkapitalbildung während des Betrachtungszeitraumes hatte. Hinsichtlich der Außenfinanzierung von Realinvestitionen stellte sich hierbei zunächst die Frage, in welchen Umfang die Realisierung der Investitionen vom Angebot längerfristiger Kreditmittel abhängt und ob die in der Bundesrepublik Deutschland beobachtete überproportionale Geldvermögensbildung die Investitionsmöglichkeiten von der Finanzierungsseite her verbessert hat. Hierbei wurde zunächst eine Analyse der Fristenstruktur der Geldvermögensbildung vorgenommen. Die Analyse zeigte, daß ein zunehmender Teil der Geldvermögensbildung auf kurzfristige Anlageformen entfällt, die zur Anlagenfinanzierung lediglich in den konjunkturabhängigen Bereichen herangezogen werden können. Trotz dieses zunehmenden Anteils der kurzfristigen Geldvermögensbildung (und der damit einhergehenden Abnahme der längerfristigen Geldvermögensbildung) an der gesamten Geldvermögensbildung der nicht finanziellen Sektoren konnte eine Verbesserung der Investitionsmöglichkeit im Inland aufgrund einer relativen Zunahme der längerfristigen Geldvermögensbildung im Vergleich zur längerfristigen Kreditnahme der nicht finanziellen Sektoren festgestellt werden. Insgesamt kann somit sowohl für konjunktur- als auch für die kreditabhängigen Sektoren von einer Verbesserung der Investitionsmöglichkeit aufgrund der überproportionalen Geldvermögensbildung ausgegangen werden. Im Anschluß an die Analyse der Investitionsmöglichkeit war zu klären, wie sich der Wandel des Mittelaufkommens auf die Realinvestitionen in der Bundesrepublik Deutschland auswirkte. Dazu wurde die Entwicklung der Realinvestitionen der längerfristigen Kreditnahme der investierenden Sektoren gegenüber gestellt. Diese Gegenüberstellung zeigte, daß einerseits zwischen den beiden Reihen der Realvermögensbildung und der Kreditnahme im längerfristigen Trend ein hohes Maß an Übereinstimmung besteht und daß anderseits kurzfristig im Konjunkturverlauf erhebliche Änderungen der Niveauspanne zwischen beiden Größen auftraten. Diese Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der langfristigen und der kurzfri9 Ehrlicher I Braun

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stigen Betrachtung machte eine eingehendere Untersuchung der Bedeutung längerfristiger Kredite für die Realinvestition auf der Grundlage einer disaggregierten Anaylse erforderlich. Im Rahmen dieser Analyse konnten zunächst erhebliche Unterschiede in der Struktur der längerfristigen Kreditnahme und der Struktur der inländischen Realvermögensbildung festgestellt werden. Bei einem Vergleich der Kreditnahme und der Realvermögensbildung der einzelnen investierenden Sektoren zeigte sich, daß beide Größen bei dem Sektor Produktions unternehmen den größten Grad von Unabhängigkeit aufwiesen, während bei der Wohnungswirtschaft und den öffentlichen Haushalten ein höherer Grad an Übereinstimmung zu konstatieren war. Zur Erklärung dieser Unterschiede im Ausmaß der Kreditabhängigkeit der sektoralen Realvermögensbildung konnten einerseits unter dem Gesichtspunkt der Investitionsmöglichkeit Unterschiede im sektoralen Bedarf an Finanzierungsmitteln und andererseits unter dem Gesichtspunkt der Investitionsneigung Unterschiede in der Abhängigkeit der sektoralen Investitionstätigkeit von der Entwicklung der Endnachfrage aufgezeigt werden, die eine Klassifizierung der Investitionen in konjunkturabhängige und kreditabhängige Investitionen erlaubte. Während der konjunkturabhängige Teil der Realinvestitionen, der im wesentlichen mit den Investitionen des Sektors Produktionsunternehmen übereinstimmt, in stärkerem Maße von der Entwicklung der Endnachfrage und in geringerem Maße vom Aufkommen längerfristiger Kredite abhängig war, konnte für den kreditabhängigen Teil der Investitionen, die im wesentlichen auf die Sektoren Wohnungswirtschaft und öffentliche Haushalte entfallen, eine geringe Abhängigkeit von konjunkturellen Entwicklungen der Endnachfrage und eine ausgeprägtere Abhängigkeit vom Aufkommen längerfristiger Kredite festgestellt werden. Diese Unterscheidung ermöglicht die Erklärung der Zusammenhänge zwischen langfristiger Kreditnahme und Realvermögensbildung in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage einer disaggregierten Investitionsfunktion. Die im längerfristigen Trend hohe Übereinstimmung zwischen dem Niveau der Realinvestition und der längerfristigen Kreditnahme können auf den im Betrachtungszeitraum kontinuierlich gestiegenen Anteil der kreditabhängigen Investitionen an der gesamten Realvermögensbildung zurückgeführt werden, zu deren Finanzierung stets in größerem Umfang längerfristige Kredite in Anspruch genommen werden. Kurzfristig kann eine Zunahme der Realinvestitionen bei den Produktionsunternehmen, die weitgehend aus den im Aufschwung stark zunehmenden Gewinnen der Unternehmen und dem daraus resultierenden Anstieg der Eigenmittel finanziert werden, zu größeren Abweichungen der gesamtwirtschaftlichen Realinvestitionen von der längerfristigen Kreditnahme führen. Während die überproportionale Zunahme des Angebots längerfristiger Mittel für die Realvermögensbildung im Bereich der Produktionsunternehmen von un-

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tergeordneter Bedeutung war, dürfte sie die Investitionstätigkeit in den kreditabhängigen Bereichen begünstigt und die Finanzierung des Grundstocks der inländischen Realvennögensbildung erleichtert haben.

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