Der Bär. Berlinische Blätter für vaterländische Geschichte und Altertumskunde [6]

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Der Aär. Illustrtrte Berliner Wochenschrift eine Chroms

für's Haus.

Unter Mitwirkung von

L. Alfieri, Dr. Larl Bolle, Friedrich Brunold in Ioachimsthah Professor Dr. Georg Büchmann, Professor I>. Paulus Lasiel, Stadtarchivar Lidicin, Theodor Fontane, Qldovica Ibcfcficl, Ad. Leyden, Dr. Georg Horn, Dr. Hermann Klette, Ferdinand Meyer, Dr. Lerd. pttug, Dr. H. Pröhle, £. Rudolph, R. Schillmann, Gvmnasialdirektor Professor Dr. will). Schwach in Posen, Archidiakonus Schwebet in Lüstrin, Stadtrath Adolf Streckfuß, W. p. Tuckermann, Kais. Postbaurath, Heinrich lvagener in Potsdam rc. rc. herausgegeben von

Lrnst Friedet

und

Emil Dominik.

Sechster Jahrgang.

Berlin 1880. Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin W.

1.

.

III

Inhalt.

Wornane, WoveLken rrnö GrzäHkurrgerr. Seite

hundert

Novelle.

2.

.244 Berlin.228

433 469

Berlin.300 Zieten-Husaren.107 Dichter.73

125

Berlins.155

326

Prof. Alex. Müller, Beiträge zur Hydrognosie Hans von Nippern, Das zweihundertjährige Jubiläum Magdeburgs 216 Ferd. Pflug, 353 Ludw. Rudolph, Zum 19. Juli 1880 58 L. Schneider, Die Tänzerin Barbarina... 10. 25. 36. 47.

Spreewald.135 418

289

Schulenburg, Wendischer Fischfang im Prof. Wilhelm Schwartz, Aus dem Berlin des Jahres 1799 . . Oskar Schwebet, Die Ordensritter iin Oderlande (Quartschen) . . L. Siegfried, Der Storch von C. Sonnenberg, Pfahlbauten im Schwarzen See bei Zechlin. . . Jul. Stettenheim, Albert Gust. Stimming, Der Mönch und die weiße Danie auf dem Rietzersee Felix Telge, Die geschichtliche Bedeutung eines Granitblocks. . . W. P. Tuckcrmann, Kais. Postdaurath, Die öffentlichen Parkanlagen 181. — Der Berliner Wohnungsgrundriß nach seiner historischen Ent¬ 449. wicklung in den letzten zwei Jahrhunderten Dr. Th. Unruh, Herzogin Margarethe von — Berliner Studentenbriefe aus dem Jahre Heinrich 32eigener, Die Berliner Gerichtslaube auf Babelsberg bei

340 247

Beeskow.

Berlins.171. ....

— Ist — — —

— — — —

— -—

— -—

— —

23

.

290

.119 .218. .71 .46

bevölkerter und wohlhabender gewesen als 1748? Eine Kremferfahrt nach dem Das Kriegerdenkmal auf dem Marienberge zu Brandenburg a. £>. Kunkel von Ueber den Ursprung der Landräthe im Königreich Preußen

Gertrud Elisabeth Mara, geb. Schmehling, eine Berliner

Moabit

— Die — Die

243



380

wendische Spree, oder von Köpenick

.

.

den

74 442

.441 Zwölften.. .

.

.

118 367

7

Stadtmauer.317

K. E. O. Fritsch, Ueber die Richtung des nördlichen Theils der ehemaligen kölnischen

461

.389 Berlin.116

Das Palmenhaus aus der Die Tragödin Rachel aus der Das „Schrippenfest"

347: 312

4. ILLuftvutronen.

bis Teupitz an Bord

Aus der Geschichte des Preußischen Obertribunals Der Runenstein von Drcilinden, Kreis Teltow

194

Der richtige Berliner 27. — Brunold, Askanierburg Werbellin 64. — Eine Derfflinger Biographie 307. — Schneiders Memoiren II. 48. — Schneiders Memoiren 111. Bd. 135. — Schulenburg, Wendische Volks¬ sagen im Spreewald 84. — W. Schwartz, Wolken und Wind, Blitz und Donner 64. — Sternbeck, Beiträge zur Geschichte Strausbergs 86. — Märkische Sagen von W. A. Wegener 27. — Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde 420. —

Berliner

.

167

3. (-Siterafur.

12

Weißbierstube.123 Witzes.87 Komödianten.313 ... Peteri). Wilhelm.185 Havclschwäne.400 .... Geschichte des

222

Potsdam.104 Pfaueninsel. Pfaueninsel.437

Konrad Wernicke, Zur Erinnerung an Adalbert von Chamisso . . Die Wiederherstellung der alten Kapelle im Königl. Schlosse zu

'.413 .132

Ernst Friedet, Ein Gedenkblatt von Scharnhorst's Hand

In

— —

Peteri.166

. Feldmarschall Graf Moltke , Noch etwas vom General Der Potsdamer Platz und der Berlin-Potsdamer Bahnhof Das Königliche Schloß von Berlin nach einem Bilde vom Jahre 1592 Etwas vom Soldatenkönige Eine hochinteressante Berliner

Zur

466

Lotterie.330

Heinr. Dorn, Alte R. F-, Auch Einer (General Theodor Fontane, An die Gmealogen des Hauses Bredow — Kronprinz Friedrich

— — —

1834.

88

Löwenstern.60

Gräfin Lea Die Berliner

6

430

Pommern.72 304

.... Grunewald.436

die Mark Brandenburg vor dem dreißigjährigen Kriege

Primadonnengeschichte

— —

424

.

472

Hofmann.197

Bahnhof.277 Werbellin.193

Emil Dominik, Der neue Anhalter — Die Askanierburg — Die Bittschriftenlinde vor dem Stadtschloffe in Potsdam — Friedrich Wilhelm Viktor Albert, Prinz von Preußen .

240

Dr. M. Jordan, Eduard Knövenagel, Ein Knoop, Zu den Teufelssagen H. Lange, Sitten und Gebräuche der Altmärker . . . 68. 205. 354 Mächtig, städt. Gartendirektor, Der neue Viktoriapark auf dem Kreuzberge in Dr. Markfreund, Nikolaus Leutingcr als Ferdinand Meyer, Der ehemalige Kirchhof um die Nikolaikirche in

.392 Biographie.35 414.

92 417

Meyerheiin.108 Zwölftenlied.158

349 149

Fische.293 402.

. ....

Prinzessinnen.448

53

Abbanö Lungen.

M. Adler, Denkschrift, betreffend die Verlängerung der Georgenstraße Alfieri, Berliner — Ein Berliner Patrizierhaus aus dem 18. Jahrhundert . . . Blankenstein, Stadtbaurath, Die neue Irrenanstalt zu Dalldorf Dr. Carl Bolle, Ideen zum Projekt einer Spreeuferbepflanzung zwischen dm Zelten und Bellevue Friedrich Brunold, Eine Prof. Dr. Paulus Cassel, Jron und Isolde von Brandenburg

.476

80. Grose, Beschreibung der Rohrpostanlage in Berlin Ludov. Hesekiel, Elisabeth Christine, Königin von Preußen . . . — Zwei Geburtstage Preußischer Ad. Heyden, Der Bebauungsplan von Berlin, seine projektirte Aus¬ dehnung und der fehlende Erweiterungsplan im Westen 232.

...erzählt.445

G. H., Wie Meister Gerardo zu Berlin das Pulver erfunden haben soll, nach einer alten Mönchsschrift 1. 17. 29. 41. L. Hesekiel, Löwe und Löwin, Novelle Georg Horn, Die Pomona von Sanssouci, nach einer wahren Be¬ 321. 337. gebenheit 127. 138. T. L. M., Aus alter Zeit, — Aus der Kaffeeriecherzeit, Novelle 361. 373. 385. 397. 409. 421. Max Ring, Lehrstand und Wehrstand, geschichtl. Novelle . . 457. Adolf Streckfuß, Joachim I., Roman 20. 32. 44. 56. 65. 77. 89. 101. 113. — Kurfürst Joachim I. (Zweiter Theil), Roman 161. 177. 249. 261. 273. 285. 189. 201. 213. 225. 237. 297. 309.

Seite

A. Gaede, Das Werbesystein und die persönliche Freiheit im 18. Jahr¬

i i

!

Albrecht, Prinz von Preußen 225. — Der neue Anhalter Bahnhof, 2 Ansichten 278. 279. — Das astrophysikalische Observatorium bei Pots¬ dam 291. — Aussichtsthurm am Werbellinsee 195. — Skizze für die Anlage eines Ausstellungsgebäudcs auf dem Äreuzberge 371. — Der Potsdamer Bahnhof vom Jahre 1838 13. — Der Potsdamer Bahnhof in

Berlin, von Theuerkauf 4 und 5. — Barbarina, Tänzerin, nach dem Gemälde von Pesne gezeichnet von Wilberg 9. — Die Tänzerin Barbarina

j

IV (auf der Bühne) 49. — Bittschriftenlinde vor dem Stadtschlossc in Pots¬ dam 21. — Platz vor dem Brandenburger Thor (1818) 177. — Das „Brandenburger Thor" zu Berlin (1764) 271. — Friedrich Brunold von M, Wilberg 33. — Prinz Carl von Preußen 309. — Adalbert von Chamisso 312. — Prinzessin Charlotte von Preußen 367. — Elisabeth Christine, Königin von Preußen 409. — Copie eines der 1831 in Berlin erschiene¬ nen Witzblatter 109. — Dr. Emil Du Bois-Reymond 469. — Bildhauer Erdmann Encke 349. — Plan der internationalen Fischerciausstellung 183. — Frauentracht des 16. Jahrhunderts 57. — Friedrich der Große, Flöte blasend, von Adolf Menzel 379. — Philipp Galen 129. — Verlängerung der Georgenstraße 295. — Die restanrirte Berliner Gerichtslaube 105. — Schapers Göthedenkmal in Berlin 303. — Grundriß der Beiden Churs. Residentzstädte Berlin und Cöln a. d. Spree 249. — Zwei Copien von Handschriften Friedrich Wilhelms I. 132.133. — George Hesekiel 69. — Arthur Hobrccht 153. — Albert Hofmann 189. — Die Jerusalemkirche 391. — Portrait Joachims I. von Burger 207. — Joachim und Herr von Lindenberg 73. — Die neue Irrenanstalt in Dalldorf 237. — Judenverbrennung auf dem Neuen Markte zu Berlin 325. — Der Julius¬ thurm in Spandau 427. — Das künftige deutsche Kaiserpaar 342 u. 343. — Kammergerichtsgebäudc und die Jerusalemkirche im Jahre 1832 361. — Kanzel und Altar der Jerusalemkirche 395. — Die erste Kartoffelernte im Lustgarten zu Berlin 1649, 475. — Eine Kremscrfahrt nach dem Grunewald 438. — Das Kriegerdenkmal auf dem Marienbergc zu Bran¬ denburg a. H. 457. — Kunkel von Löwenstern 61. — Ans Gräfin Lea 117. — Dr. Lepsius 165. — Die Straße unter den Linden (1690) 261. — Preußische Lotterieziehung 328 u. 329. — Denkmal der Königin Luise für Berlin 141. — Luise, Königin von Preußen 355. — Prinzeß Luise Margarethe von Preußen 366. — Der Lustgarten beim Berliner Schlosse (1690) 297. — Gcdächtnißmiinze von Magdeburg 283. — Gertrud Eli¬ sabeth Mara, geb. Schmchling 213. — Dr. Franz Eberhard Marggrass 243. — Marie, Prinzeß von Preußen 373. — Marie, Prinzeß der Niederlande 451. — Marie Anna, Prinzeß von Preußen 445. — Der „Markgraf enstcin" aus den Rauenschcn Bergen bei Fürstenwaldc 173. — Generalfeldmarschall Gras Moltke 45. — Gustav von Moser 255. — Der Mühlcndamm vom Moikenmarkte aus gesehen 479. — Der Neptunsbrunnen auf der inter¬ nationalen Fischereiausstellung 267. — Palais Friedrich Wilhelms III. in Berlin (1818) 201. — Das ehemalige Palmenhaus auf der Pfauen¬ insel 337. — Eine Parade vor Friedrich dem Großen 168. — Illustra¬ tionen zu Horns Erzählung „Pomona von Sanssouci" 321. — Das Potsdamer Thor in Berlin 431. — Das Potsdamer Thor in Berlin nach einem Bilde vom Jahre 1775, 421. — Nohrpostnetz von Berlin 84 und Rohrpostapparat 85. — Die Rohrpost in Berlin 92 u. 93. — Der Runenstein vor Jagdschloß Dreilinden 442 u. 443. — Schafgrabenbrücke jetzige Potsdamerbrückc in Berlin im Jahre 1775, 397. — Ein Gedenk¬ blatt von Scharnhorsts Hand 121. — Das König!. Schloß von Berlin nach einem Bilde vom Jahre 1592 415. — Schloß, Schloßplatz und Dom von Berlin (1690) 285. — Das Schwanenrupfen am Schildhorn an der Havel 403. — Dr. Werner Siemens 385. — Friedrich Spielhagen 433. — Joh. Heinrich Strack 219. — Dr. Heinrich Karl Ludolf von Sybel 97. — Thürträger, Wallstraße 25, 235. — Treppe im Ermelerschen Hause 340. — Illustrationen zum Tuckermannschen Aufsatz 455 und 463. — Der neue Viktoriapark auf dem Kreuzberge in Berlin 231. — Rudolph Virchow 273. — Berliner Weißbierstube 124. — Der Werbellin-See 81. — E. Werner. 333. — Kaiser Wilhelm 137. —

5.

Kleinere AbbanöLungen und Wiscelterr.

Prinz Albrecht von Preußen 230; Alte Nachricht über Urnen bei Berlin 63; Altmärkische Ueberlebsel 50; Die Frage der Asphaltstraßen 281. 308; Das astrophvsikalische Observatorium bei Potsdam 288; Aus dem Jahresbericht für Hypotheken und Grundbesitz 210; Aus dem Millio¬ närdorf 295; Zu den Ausgrabungen ans dem Schloßplätze 443; Aus¬ stellung von Alterthümern aus der Priegnitz 175; Ausstellung Lessingscher Gemälde 396; Ein Ausstellungsgebäude zwischen dem Kreuzberge und dem Außenbahnhofe der Anhalter Bahn 370; Barbarina-Cmnpanini 148; Durch¬ schnitt der Bauarbeitslöhne in Berlin 319; Bauernregeln für Januar, Februar 135, für März-April 148,175; Der Bebauungsplan von Berlin 198; Berlins Kohlenverbrauch 209; Berlins Lob 147; Berliner Wahrzeichen 200; Bill», der Mensch 27; Bittschriftenlinde 64; Blaue Briefe 147; Berliner Börse 223; Berliner Börsengeschäft (1869—1880) 188; Professor Du Bois-Reymond 474; Vor dem Brandenburger Thore 187; Ein Brief Nikolais 318; Georg Büchmann, Dazu hat Buchholz kein Geld 212; Elisabeth Bürsten¬ binder 334; Die Canalisationsarbeiten auf dem Schloßplatz 281; Carl,

Prinz von Preußen 316; Charlotte, Erbprinzesfin von Sachsen-Meiningen 368; Ein Chuchenzettel anno ckomini 1880, 259; Clerh, Exerciermeister des Kaisers 39; Cohn red' Du! 137; Colaz 455; Conservator der Kunstdenkmäler 75; Da kennen Sie Buchholzen schlecht 175; Dies Büchlein ist mir lieb 14; Ueber alte Dockenhäuser oder Modellhäuser 51; Dom zu Halbcrstadt 175; Edikt, daß bei Leibstrafe re. der Wein von den Predigern selber beschafft werden soll 383; Bildhauer Professor Erdmann Encke 358; Woher Engelufer 76; Die Erhaltung unserer Kunstdenkmäler 143; Ernte¬ lieder 335; Die Etats der höheren Lehranstalten der Stadt Berlin 199; Etwas von Berliner Zeitungen 122; Etwas vom Zeitungswesen 358; Universität Frankfurt a. O. 145; Hist. Verein zu Frankfurt a. O. 39; Ein apokryphes Testament Friedrichs des Großen 282; Frische Wurst — weiße Schürze 88, 136, 235; Die Fürsorge des preußischen Staates für feine Kunstdenkmale 111; Philipp Galen 130; Gebrüder Bcnekens 348; Gemälde aus dem Dom zu Cöln a. Spree in Hohenziethen 245; Ge¬ schichtliches über das Geweih von 66 Enden 351; Grabdenkmal der Familie Krause 16; Grundriß der Beyden Churfürst!. Residenzstädte 258; Die Berliner Gymnasien 223; Das Gymnasium zu Charlottenburg 280; Handtmann, Colaz 200; Handtmann, Brennessel — Brühnessel 143; Handtmann, ein Vorschlag 159; Auf den Handtmannschen Vorschlag 187; Handtmann, Ich bete an die Macht der Liebe; Kanne; Toabel; Strohwittwer 454; Das Haus Pariser Platz Nr. 3, 248; Hazardspiele 318, 358; Georg Hesekiel von G. Fr. 67; König Hiskias 360; Arthur Hobrecht 159; Hochzeitsgebrauch in der Mark 454; Geschichte der deutschen Holzschneide¬ kunst 88; Hufeisen am Kronprinzlichen Palais 15, 75; Inschriften für die Geburtshäuser Ticks und Gutzkows 479; Inschrift des Jnvalidenhauses 247, 348; Kurfürst Joachim I. 211; Das fünfzigjährige Jubiläum des älteren Königl. Museums in Berlin 379; Der Juliusthurm in Spandau 430; Kanne 64, 371; Die erste Kartoffelernte im alten Lust¬ garten 123; Die erste Kartoffelernte im Lustgarten zu Berlin 478; Kinder Israels schlachteten Opfer den Bäumen 146; Die Kirchenmarken und ^erlvandter Aberglauben in der Kurmark 40; DaS Kremfersche Fuhrwesen 479; Goldene Kugel der Buttergeschäfte 234,247; Küchenzettel Friedrichs des Großen 456; Berliner Kunstaukionen 1879 86; Deutsch-österreichische Kunstgewerbeausstellung 88; Professor Dr. Lepsius 174; Luise Margarethe, Herzogin von Connaught 369; Luisenkirche 284; Der Lustgarten beim Berliner Schlosse 307; Die 400 jährige Säkularfeier des Geburtstags Martin Luthers 211; Der Magdeburger Dom 209; Der alte Marggraf 245; Marie, Prinzeß von Preußen 379; Material für einen historischen Atlas von Berlin 269; Meerwunder nicht Märwunder 52; Menu des Chancelier de l’Empire 188; Mittlere Sonnenzeit 319; Gustav von Moser 257; Der Mühlendamm, vom Molkenmarkte aus gesehen 478; Berliner Königl. Mlseen 432; Neujahrsgebräuche 63; Noch einmal Treskow 123; Ohmgaffe 14, 52, 234; Die Ohrfeige, welche Frl. von Pannewitz gab 187; Das Palais Friedrich Wilhelms 111. 211; Das Tragen von Pantinen lvar 1755 verboten 454; Parade Friedrichs des Großen 174; Plan der internationalen Fischerciausstellung 184; Die Königliche Porzellamnanufaktur 369; Die Potsdamer Brücke (1775) 407; Das Potsdamer Thor nach Bildern vom Jahre 1775 und 1832 421 u. 431; Projektirte Parkanlagen auf dem Kreuzberge 246; Das geht über die Puppen 64; Die Querstraßen der Friedrichstraße 210; Qui vive? — Lavaehe! 51; Für das Rathhaus in Guben 360; Künstlerische Ausstattung der Reichskassenscheine 223; Rcnovirung der Spittelkolonnaden 271; General von Rodich, die Grena¬ diermützen und das Haus Pariscrplatz 3, 280; Rixdorf — Richardsdorf 282, 319; Roch er von Bronze 187; L. Rudolph, die Aussprache des g 383; Schapers Göthedenkmal 222, 306; Schloßplatz, Dom (1690) 294; Ein Schneider Friedrich Wilhelms I. 16; Dr. Schöne, Generaldirektor der Königl. Museen 335; Schraubenthaler 295; Schreiben Markgraf Friedrich des Aeltern 372; Schulcnburg, Kola; 187; Schwarzer Adlerorden 359; Schwetschke, Gruß an den Fürsten Bismarck 199; Servetius über Norddeutschland 319; Ernst Werner Siemens 388; Friedrich Spielhagen 443; Geheimer Odcrhofbaurath Strack 221; Su„,n cuique auf preußischen Me¬ daillen und Münzen 99; von Sybel 96; Kein Tiffot 359; Türkischer Botschafter am Berliner Hofe 147; Projekte zum Umbau der neuen Kirche in Berlin 208; Umbau der Jerusalemkirche 395; Umgestaltung des Pariser Platzes 283; Versteigerung des Rittergutes Kloster Lehnin 199; Berliner Viehhof 160; Professor Rudolph Virchow 276; Vor hundert Jahren 245; Wallstraße Nr. 25 230; Wandmalereien im PrämonstratenserKloster zu Brandenburg 28; Welche Kirche in der Mark zuerst evangelisch wurde 319; Wie und wo man vor 100 Jahren in Berlin Bockbier trank 271; Wiese — Wische 147; Prinz Wilhelm und Braut 346; Zu Kaiser Wilhelms Geburtstag 137; Wilhelmsplatz und Cadettenhaus Lichterfelde 175; Zapfenstreich 371; Das Berliner Zeughaus 76; Zur Geschichte des Berliner Witzes 15; Zur Erinnerung an König Friedrich Wilhelm IV, 61, 122.

C. Alfleri, F. Lrunold, lSeorg Siichmami, Prof. vr. Paulus Lasset, Studtarchivar Lidicin, Theodor Hermann Melke, Ferd. Meyer, Baurath Orth, vr. Fcrd. Pflug, vr. (). pröhle, H. Schillman», D Pose», ArchidiarouuS Schmedel iuMistri«, Stadtrath Adolf Ktrcckfuil, Heinrich wagenrr iu Potsdam

VI. Jahrgang. Nr. 1.

herausgegeben von Ernst Friedet und

Berlin, den 3.

Januar

1880.

Emil Dominik.

2 Mark, und ist durch alle Buchhandlungen , Zeitungsspedltionen und Postämter, sowie durch 13 zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Nicolaische Verlags-Buchhandlung, R. Stricker in Berlin zu senden. — Inserate, pro 2gesp. Petitzeile 40 Psg., werden von alle» Annoucenerpeditione» sowie von der Verlags-Buchhandlung eutgegengeuomme».

Die Zeitschrift erscheint wöchentlich regelmäßig am Sonnabend. Preis vierteljährlich die Expedition, C.

Brüderstr.

Lowe und Löwin. Novelle von £iuCouica KeseKicl.

Erstes Kapitel. Wie Churfürst Friedrich III. ein Fest feierte und was dem Kammerjunker von Vippach nachher begegnete.

Das war ein unvergeßlicher Tag für Alle, die ihn mit¬ erlebt hatten, jener letzte Mai des Jahres 1700. Berlin hatte in den Tagen vorher eine kaum geahnte Pracht ent¬ faltet gesehen, als der junge Erbprinz von Hessen-Cassel ein¬ zog, uin Herrn Friedrich's einzige Tochter heimzuführen. Aber das Alles war nur das Vorspiel dessen gewesen, was am letzten Mai sich im churfürstlichen Schlosse selbst begab, und wovon die guten Berliner fteilich nur wenig zu schauen bekamen. Unter einem Thronhimmel von rothem Sammet, beim Schimmer unzähliger Wachskerze^ auf silbernen Girandolen, war die Trauung vollzogen worden, und die liebliche Prinzeß Dorothea trug hoffentlich nicht so schwer an ihrem neuen Glück, wie an ihrem Brautkleide von Silberbrokat und dem sieben Ellen langen Mantel von goldenen xoints d’Espagne, den die sechs Kammerfräuleins nicht allein zu heben vermochten, sodaß zu diesem Zweck noch zwei besondere Brautpagen hatten Dabei war der Anzug der angenommen werden müssen. Prinzessin so mit Brillanten übersäet, daß dessen Werth nicht nur auf vier Millionen Reichsthaler geschätzt wurde, sondern daß er auch, nach Versicherungen der Chronisten, einen vollen

Centner gewogen haben soll. Fünfhundert Schüsseln hatte der

Der Lieutenant von Vippach war keine Schönheit, aber Haar und einen Mund, von dem selbst die Kammerfräuleins unter¬ er hatte ein paar gute blaue Augen, reiches braunes

einander flüsterten, daß er reizend sei. Leo gebrauchte diesen Mund sonst redlich zum Reden, Trinken und Küssen; deshalb mußte es um so mehr auffallen, daß er sich so gar keine Mühe gab, die Dame zu unterhalten, deren feine Hand jetzt auf seinem Arm lag, besonders da sie in der That eine Schönheit ersten Ranges war! Doch Leo führte die schöne große Blondine mit den leuchtenden blauen Augen auf ihren Platz zurück, verneigte sich und trat dann zu einer Gruppe junger Leute, die ihn leise, wie es die Gegenwart des Hofes forderte, aber heiter anredeten. „Leo, Mensch, plagt Dich der Teufel?" flüsterte der Lieutenant von Erlach, „kalt wie ein Stein gegen diese

Venus!"

„Ist doch sonst nicht Deine Art," warf der Hofjunker von Meysenbug ein. „Wer ist sie eigentlich?" forschte der Baron von Göritz. „Fräulein Erdmuth von Strauß, eine Bruderstochter des tapferen Generals, der beim Sturm auf Ofen den Heldentod starb." „Sie ist wunderschön," betheuerte der Hofjunker von Einsiedel.

„Mir

churfürstliche Küchen¬

meister beim Hochzeitsmahle aufgestellt, Lob- und Festgedichte

waren den hohen Herrschaften während desselben überreicht worden, und der geheime Kämmerer, Herr Stossius, hatte die Medaillen vertheilt, die auf dies Fest geschlagen worden, so¬ dann aber hatte der Tanz begonnen. Wie es Prinzeß Dorothea angefangen, in ihrem centnerschweren Brautkleide daran Theil zu nehmen, steht nirgends geschrieben, doch ist's beglaubigt, daß sie es gethan. Ihrem Beispiel folgte der ganze Hof, — also auch der Lieutenant und Kammerjunker Leo von Vippach, ein lustiges junges Blut, überall gern gesehen bei Hofe.

gefällt

sie

nicht," erklärte Leo.

Meysenbug machte eine Geberde des Entsetzens ob dieser Rede, Vippach aber fuhr fort: „Es ist etwas in ihr, was mich fast unheimlich berührt, auch hat ihre Schönheit etwas Frauenhaftes, und ich ziehe die Knospe der erblühten Rose

vor." Er trat aus dem Kreise und tanzte im nächsten Augen¬ mit einem jungen Mädchen, das allerdings noch ganz Knospe war. „Die Jugenheim," murmelte Göritz, „was der Junge für Glück hat." blick

2

„Was ist sie gegen die Strauß," erwiederte Einsiedel, sich ebenfalls entfernend. Es gelang ihm zwar auch, die reizende Erdmuth zum Tanz zu führen, da er als Freund ihres Vetters,

Der Lieuteilant ivollte sich zurückziehen, da erblickte ihil Erdimlth. Ein Schrei und der Knieende sprang empor. „Mardefeld!" rief Leo, überrascht in die zürnenden braunen Augeil des Andern blickend; dieser griff nach dem Degen ail seiner Seite — da trat Erdmuth zwischen Beide. Sie hatte einen Ring voin Finger gezogen und drückte ihil auf die

Hauptmanns von Strauß, sie schvn kennen gelernt, doch überraschte ihn die Schweigsamkeit lind offenbare Zerstreutheit des schöneil Mädchens, dessen glänzeiider Geistsonst berühmt ivar. des

„Sollte

sie

sich

über Vippach geärgert haben?"

Lippen des Kannnerjunkers: „Mit meinem adligen Wappen verschließe ich Euren Mund über das, was Ihr heute hier gesehen; Weh' Euch, wenn Ihr so niedrig dächtet, eine un-

dachte

der Hofjunker, „wie schmeichelhaft für ihn!" Es war gegeii drei Uhr Morgens. Um diese Zeit — versichert der Hof-Ceremonienmeister Besser sehr naiv — war die hohe Braut vom vielen Tanzen sowohl, als von der Last

!

—"

den Weg

Ihr nicht weiter," entgegnete Erdmuth „Mardefeld lvird Euch führeil, tretet zurück, in einer Minute wird er bei Euch sein — unb Ihr gelobt mir „Hier könnt

gewesen sein.

Also Prinzeß Dorothea war „tu etwas ermüdet" und unter neuen Ceremonien, die sic wohl auch nicht ermunterten, geleitete man sie nun in das Brautgeinach. Hier wurden ihr die Augen verblinden und die Gesellschaft taugte um sie herum. Dreimal lnußte sie ihre Brautkroile einem der Tanzenden auf¬ setzen, llild großer Jubel entstaub, als sie beim drittcil Mal das schöne Haiipt des Fräuleins von Straiiß traf. Nur Leo von Vippach's scharfes Auge sah, daß Erdmuth erbleichte, aber Viele hörteil ihren Vater sagen: „Diesmal ivird's cintreffcn, daß die mit der Brautkroile Gezierten iwch dasselbige Jahr ehelichen werden; dcnil meine Tochter heirathet in drei Monaten ihren Vetter." Manch junger Herr feufgte bei diesen Worten, aber tiefer noch seufzte Erdmuth, lind Leo sah, wie eine Thräne lailgsam alls ihrem Auge rollte. „Sic liebt einen Andern, die Arme", dachte er uild tiefes Mitleid begann sich in seiner Seele zu regen für das schöne Mädchen.

BrautstrilinpfbandcS zogen die Gäste sich zurück. „Auf Wiedersehen," rief ihnen der Chur¬ fürst nach, denn das Fest hatte noch kein Ende, obivvhl es bereits drei Tage dauerte. Lieutenant von Vippach, der ein von seinem Vater er¬ erbtes Haus in der Georgenstraße beivohnte, machte sich, in den Mantel gehüllt, zu Fuß auf den Heimweg. Im Gedränge des allgemeinen Aufbruchs war er von seineil Kameraden ge¬ trennt worden, und obgleich er als Kammcrjllnker Bescheid avußtc im churfürstlichen Schlosse gu Cöln an der Spree, passirte ihin jetzt doch etwas, ivaS vor unb nach ihm Manchem auch passirt ist: er verirrte sich in den Gängen nild Zimmern deS iveiten Gebäudes. Aergerlich öffnete er eben ivieder eure Thür, als er plötzlich erschrocken stehen blieb. In einem Sessel lag Erdmuth von Strauß und zu ihren Füßen kiriete ein Mann, das Gesicht an ihrer Brust verborgen; seine zuckenden Bewegllngen verriethen, daß er heftig lvcinte. Eiil Schauer zog durch Leo's Seele, als er in das Gesicht der Schönen blickte: es ivar kalt unb bleich, wie Marmor, und ihre Augen schienen erstorben. Die Häilde lagen gefaltet im Nacken des Kniecndcn, aber keine Thräne floß über ihre Wange, so bitterlich Jener auch schllichzte. Leo von Vippach wunderte sich darüber — er kannte die Frauen doch nicht ganz. Wer erinißt den »vahnfinnigen Schiller;, der durch die Seele eines Weibes zieht, wenn der Mann ihrer Liebe weint! Solcher Schmerz hat keine Thräilcil mehr; die Thränen des Mannes fallen wie Feuertropfen in vcs Weibes Herz und saugen die ihrigen auf.

Vertheilung

zu

denke nicht

ihres Kleides, „in etwas ermüdet". In etwas! Die fürst¬ lichen Damen von Anno 1700 müsseil sehr gesund und kräftig

Nach

Frau

verrathen!" niedrig, Fräulein von Strauß," sagte „Ich Leo stolz, „und Mardefeld ist mein Freund! — Wüßte ich glückliche

rasch,

Schweigen?

„Ihr

habt selbst meinen Mund geschlossen," erwiderte Vippach, beinahe geblendet von der trauervvllcn Schönheit des Mädchens, die ihm nun auch so gewaltig erschien, wie feinen Kameraden. Mit tiefer Verneigung zog er die Hand der Dame an feine Lippen und wendete seine Schritte dem Ausgang gu. Er ivollte nicht lauschen, aber doch entgingen ihm die Worte der Beiden nicht. Herz!

„Axel," flehte Erdmuth's Stimine, „Du brichst mir das Wir müssen scheiden — o, wenn ich nur das Eine

wüßte!"

'

des

j

„Es wäre Dein Trost," sprach Jener, „arme Dulderin!" Weiter vernahiri Vippach Nichts, nach einer Minute trat Mardefeld zu ihm, zog seinen Arm in den seinigen und schritt rasch über spärlich erleuchtete Gänge beut Hofe zu. Endlich die Straße. auf sie gelangten Vippach hatte es nicht versucht, den Freund anzureden,

„Du hast mich heut in meineni tiefsteil Weh gesehen lind gern möcht' ich Dir volles Vertrauen Was da oben vorging, war schenken, aber ich darf nicht. ein Abschied für alle Zeit, sic reist noch heute Nacht, ich über¬

jetzt begann dieser selbst:

morgen meinem Vater voraus nach Cassel. Aber, wenn Du in die Lage kommen solltest, ihr hilfreich werben zu können, so thue es und sei versichert, daß Du dem cdelsteil, reinsten je

Weibe gedient. Leb' wohl." Er inachte sich los unb schritt in den Morgen hineiil, Leo sah ihlil erstaunt nach. Er ivar mit dem Sohne des aus Schiveden stammenden eaffelschen Geheimenraths Gustav von Mardefeld seit Jahren befreundet, er kannte ihn als einen der schönsten

lind feinsten Cavaliere des dem brandenburgischen

so

nahe verwandten casseler Hofes, ben er selbst oft besuchte, weil er daselbst Verwandte hatte. Axel galt allerdings für einen

j

feurigen uild etivas excentrischen Kopf, auf der andern Seite aber ivar die Sprödigkeit der stolzen Erdmuth von Strauß allbckarint. Ihre Tante lebte als Hofdanle in Cassel, bei einem Bestich dort mußten sie sich kennen gelernt haben; so hielt Leo einen Faden in der Hand und spanil ihn langsam fort. „Mardefeld wird Erdmuth's Vater um der Tochter Hand gebeten haben, der alte Strauß ist unbändig stolz auf seinen bis in graue Zeiten hiilabreichenden Stamiilbaum, er hat dem Freiherrn von 1677 die Tochter verweigert, die er denl Vetter bestimmte. Uebrigens mußten sie es schlau anfangcn, sich noch einmal zu sehen."

3

war zufrieden gestellt, er wußte jetzt Alles ganz genau und brauchte sich nicht länger den Kopf zu zerbrechen. Hier draußen übte auch Erdmuth's Schönheit ihren Zauber nicht länger aus ihn aus, und so dachte der Leo von Vippach

leichtsinnige zwanzigjährige Offizier bald an alles Mögliche, die runden Schultern des Fräuleins von Jugenheim, das lange Hochzeitscarmen des Herrn von Besser, die fünfhundert

Schüsieln des Meister Christian, das prachtvolle Ballet: Festa del Himeneo, welches am nächsten Abend zu Ehren des jungen

fürstlichen Paares sollte getanzt werden, und worin er selbst einen Part auszuführen hatte, kurz, Leo dachte an Alles, nur nicht weiter an Axel von Mardefeld und Erdmuth von

Strauß. Fast mechanisch war er den bekannten Weg zu seinem als er plötzlich aufhorchend stehen blieb. Es war ihm, als habe er leises Weinen, wie von einem müden Kinde, vernommen. Leo horchte schärker und sah sich genauer um. Da, nahe auf einer Thürschwelle, lag ein etwa Hause gegangen,

einjähriges Mägdelein mit dünnen Löckchen, den Mund zum Weinen verzogen. Der Lieutenant, ein Freund von Kindern und außerdem unendlich gutmüthig, beugte sich nieder und nahm die Kleine auf den Arm. Er ahnte nicht, daß er sein Schicksal in den Arin genommen! Ob das Kind erschrak, oder ob die blanke Uniform ihm auffiel, genug, es hörte auf zu weinen, starrte ihn mit großen Augen an und lächelte freundlich, während noch Thränen in seinen Wimpern hingen. Wem gehörte das Kind? Leo sah sich um: Niemand zu sehen und zu hören. Da trat eine Frau aus dem Hause, vor dem das Kind gelegen; aber auf Leo's Fragen schüttelte sie den Kopf. „Hierhinein gehört's nicht. Daß es armer Leute Kind, sieht man an den dünnen Lumpen; wer weiß, wer's ausge¬

hat." „Was soll aber aus ihm werden?" „Weiß ich nicht, geht mich auch Nichts an, hab' selbst sieben Kinder." Und damit verschwand sie um die Ecke und ließ den Lieutenant in höchster Verlegenheit, das Kind auf

setzt

dem Arme, stehen.

Im

wollte Leo die Laune verlieren, dann siegte seine angeborene Heiterkeit und er entschloß sich kurz und gut, das Kind mit nach Hause zu nehmen. Am andern Tage wollte er dann schon Schritte thun, die Ange¬ hörigen oder Eltern ausfindig zu machen. Der Diener staunte nicht wenig, als sein Herr mit einem Kinde heim kam, aber er wagte keine Bemerkung, sondern meldete: „Herr Capitain von Vippach und Herr Kammerjunker von Erlach warten schon seit einer Stunde auf den Herrn Lieutenant!" Der Capitain, Leo's älterer Bruder, kain ihm entgegen; er prallte zurück, als er das Kind erblickte. „Was soll das, was ist das?" fragte er fast erschrocken. „Ein Kind, wie Du siehst, und ein recht hübsches Kind," ersten Augenblick

lachte Leo.

„Hübsches Kind," rief Erlach nun luftig aus, „doch etwas älter liebst Du die hübschen Kinder sonst, dies ist wohl gar zu sehr Knospe, selbst für Dich." „Schweig," mahnte Leo, „sie fürchtet sich vor Deiner lauten Stimme. Sei füll, Liebchen."

!

Die beiden Andern brachen in helles Gelächter aus, als sie sahen, wie Leo das Kind durch Herumtragen zu beruhigen suchte. „Komm," ries Erlach nach einer Weile, „er hat so mit. seinem hübschen Kinde zu thun, daß wir nicht darauf rechnen körmen, niit ihm vom Feste zu plaudern. Jetzt weiß ich, warum er rrns hier eine Strnrde ivarten ließ." „Nichts weißt Du," rief Leo arrfbrausend. Sein Brrrder

„Gut, dann wisien wir Nichts; komm Erlach, laß ihn allein mit seinem hübscher: Kinde. Wie heißt es denn?" „Kann ich's wissen?" rvar Leo's kurze Antwort, aber seine Augerr flarnrnten. „Leo, Deine Augen rnachen Deinem Namen Ehre, Du siehst wie eir: wüthender Löwe aus, und die kleine Lcaena da hat auch eir: paar Augerr im Kopfe, vor deneir mar: sich fürchten könnte." „Leaena," wiederholte Erlach, „das wäre ja gleich eir: lachte von Neuem:

Name."

„Lev urrd Leaerra, Löwe und Löwin," lachte der Capitain und zog den Frernrd mit sich fort. Leo hatte das Kind in einen Sessel gelegt, es rvar eingeschlafen.

Mit

zusarnmengepreßten

über der Brrrst gekreuzten Armen urrd Lippen blickte er irr das helle Kindcs-

antlitz.

„Du

scheinst mir kein Glück ins Haus zu brirrgen," „aber ich will Dich nicht eher wieder hinaustragen in die Welt, als bis ich sicher weiß, wem Du gehörst."

dachte er,

Irr

demselben Augenblick erwachte die Kleine und begann Leo blickte seinen alten Dierrer, der schüchtern

zu schreien.

eingetreten rvar, fragerrd an.

„Sie wird Hunger haben," sagte lakonisch der Alte. Leo blickte rathlos umher, der alte Hans schüttelte den Kopf, Beide sahen nur eine zur Hälfte geleerte Flasche Wein. Plötz¬ lich sagte der Alte: „Milch und weißes Brot, wir haben Beides in: Hause!" So schnell ihn seine Füße tragen konnten, lief er davon und kam mit den genannten Dingen zurück.

„Sie

ist zu

fein, die Kleine," sagte er und streichelte das

Kinderhändchen. „So soll ich

sie

nicht forttragen, Hans?"

fragte der

Lieutenant.

„Forttragen,

zu wem, gehört sie Euch denn nicht?" Vippach seufzte: „Nein, ich habe sie auf der Straße

ge¬

funden." „Gesunden," sagte der Alte und wiegte nachdenklich sein graues Haupt, „dann behaltet sie ja, Herr, Kinder bringen Segen." Wer wenige Augenblicke später einen Blick in jenes Haus auf der Georgenstraße hätte thun können, dem würde sich ein seltsames, halb komisches, halb rührendes Bild dargeboten haben. Da saß der churfürstliche Kammerjunker und Lieutenant Herr Leo voi: Vippach, noch in seinen Festkleidern, hatte ein klein Mägdlein auf dem Schooß und fütterte es, zwar etwas ungeschickt, aber sehr vorsichtig. Neben ihm stand der alte Hans und sah mit leuchtenden Augen, wie sehr das der Kleinen schmeckte. „Wie mag sie nur heißen?" bemerkte Hans. „Mein Bruder hat ihr schon einen Namen gegeben," erwiederte Leo, „mag sie Leaena heißen, bis ich ihren wahren Namen erfahre, und so lange sie also heißt, will ich für sie

■mmtWi

Oer Potsdamer Qahichof m Orrliir. (Siehe

Origmalzeichnung von G.

S-ite 12.)

Theuerkauf.

J

6

sorgen und

sie

schützen,

mögen die Andern sagen, was

andere — und nach den gesetzlichen vier Wochen schlüpften fünf

sie

schöne,

wollen." (Fortsetzung folgt

Zur Notiz:

in

Der Roman Joachim I. von erscheint von Nr. 2 ab.

Eine wahre Geschichte von £. Siejfrifit.

Da steht, wenn man zum Thore hereinkommt, linker Hand ein alter Thurm, ein Ucberrest der Befestigungen, mit denen die drei Bibersteine die Stadt gegen die Quitzows und Jtzenplitze verwahrt haben. Die Zeiten haben sich geändert, seit mehr als hundert Jahren gehört er allein den Dohlen, welche alljährlich in den Höhlungen der Mauersteine nisten und Junge ziehen. Da kam im Jahre des Heils 1872, zur Zeit der großen Wohitungsnoth, ein Storchenpaar angereist. Papiere hatten sie nicht, doch ging die Vermuthung, daß sic irgendwo ausgewiesen und deswegen zeitweilig ohne Obdach wären. Das Paar besah sich dcit Thurm genau und fand ihn ganz geeignet, ein Hauswesen daraus einzurichten. Alan übersieht von oben die halbe Nieder¬ lausitz; Seen und Sümpfe giebts der Spree entlang genug, um zwanzig Storchfamilien zu ernähren, und dann liegt in der stumpfen Kegelform des Thurmdachs so etwas pyramidal-anheimelndes, das Einen halbwegs glauben macht, man befinde sich in dem geseg¬ neten Lande Aegypten. — Kurz, die Störche fangen an zu bauen, und in nicht langer Zeit kann der Brutplatz fertig sein. Aber aller Anfang ist schwer, und ein Storchnest ist nicht an einem Tage erbaut. Ueber Nacht kommt ein Wind, der fegt die lose aufgehäuften Reiser wieder hinunter, und ebenso gehts ein zweites und drittes Mal. Da konnte man aber sehen, was ein Charakter ist, denn je mehr die Widerwärtigkeiten wuchsen, desto mehr wuchs auch der Fleiß des Ehepaares, und er überdauerte die Zeit der Frühjahrsstürme. Doch schon drohte dein Bau eine neue Gefahr. Die Dohlen hatten schon von Anbeginn ihre schwarzen Köpfe zusammengesteckt uitd das Werft bekrittelt rmd verklatscht,. denn es machte ihnen wenig Freude, daß Jemand höher hinaus bauen sollte, als sie selbst. — „Gefräßige Eindringlinge" nannten sie unter sich die fleißigen Storche, den Sturm, der das Reisig hinabwarf , den „Finger Gottes", und führten noch mehr dergleichen lose Reden,

herrschte große Freude, denn da die Beeskower

werden.-Sapienti

das beste Lob.

die doch, seit die Welt steht, schon so manchen Schaden gestiftet haben rmd noch manchen stiften tvcrden. Denn dem Einen sind sie ein Aergerniß und ein Stachel für das Gemüth, dem Andern aber, denen sie lieblich klingen, sind sie ein Gift, das das Herz verhärtet

*) Nachdruck verboten.

Stadt

und Augenweide gewesen, und es gab sogar theilnehmcnde Seelen, die sich's zur Pflicht gemacht hatten, ihre Mitmenschen durch täg¬ liche Biilletins über den Stand der Angelegenheit auf dem Laufenden zu erhalten. — Versuchten es doch einzelne tiefer Blickende sogar, der Sache ein Relief zu geben, welches dieselbe aus dem Rahmen der communalen Interessen hinaus in das Bereich der höhern Po¬ litik zu erheben, unter Umständen Wohl geeignet gewesen wäre. Denn die Schwesterstadt Storckow, welche vier Meilen spreeabwärts gelegen ist, führt zwar den Storch im Wappen, kann sich jedoch dessen nicht rühmen, daß der heraldische Vogel bislang sich herabgelassen hätte, anders als in effigie Bürger und Insasse ihres sät. Weichbildes zu Der politisch geschulte Leser weiß sich schon allein aus den beregten Thatsachen, die dazumal am Horizonte der Niederlausitz auftauchende Eventualität eines Schwesterzwistes zusammenzureimen, und der Erzähler möchte sich mit der Erörterung von Thatsachen, die ihrer Natur nach vor ein höheres Forum gehören, den Mund nicht gern verbrennen; darum wollen wir lieber kurzweg von dem Neste und seinen Insassen weiter berichten. Nach solchergestalt ausgestandenen Fährlichkeiten schien es wirk¬ lich, daß Fortuna einmal ehrlich handeln und die wackern Störche für die erlittene Mühsal entschädigen wollte. Die Jungen gedieheit und die Erziehung ging ihren Gang, ohne daß etwas Besonderes davon zu berichten wäre, und das ist für ein ehrsames Hauswesen

Der Storch von üeeskow.*)

dorben. Doch auch dafür ward ein Mittel gefunden. Flog ein Theil aur die Froschjagd aus, so blieb der Andre daheim und hielt Wache, und so sah man endlich — endlich das Nest langsam, aber sicher, seiner Vollendung sich nahen. — Noch im Rohbau ward es bezogen, das Bett zurecht gemacht, Frau Störchin legte ein Ei ums

der

Kinder vor Andern schon von klein auf angehalten werden, um sich zu blicken und auf die Dinge der Natur ein Augenmerk zu richten, so war der Bau des Nestes von Anbeginn den Bürgern, allemal wenn sie Nachmittags ins Schützenhaus gingen, ein Schauspiel

Adolf Streckfuß

rind den Sinn zu thörichten Thaten treibt. So war's auch hier; wie die Alten sungen, so zwitscherten die Jungen und wurden als¬ bald thätlich; sie benutzten die jeweilige Abwesenheit des arbeitsauren Paares, um ihnen den Bau zu zerreißen, und die Armen fanden, so oft sie von der Wiese heimkehrten, ihr mühsam angeleg¬ tes Werk von der niederträchtigen Bosheit verunstaltet und ver¬

grauwollige-Kinder aus.

In

der nächsten Nummer.)

j

Die Alten hatten schier Tag und Nacht zu schaffen, um die fünf nimmersatten Mägen zu stillen, dafür quoll es aber auch bald über den Rand des Nestes empor, weiß, wie frisch gefallener Schnee; fünf schwärzliche Schnäbel sperrten sich girrend auf, wenn Einer der Alten angeflogen kam- oder ragten unklug hinaus in die schöne Welt, die sich weit und breit ringsum aufthat. Die Zeit der ersten Flugübungen war gekommen. Wie Menschenkinder schwimmen lernen, so lernen Storchenkinder fliegen: Eins — zwei drei, eins — zwei drei; immer den Tact innegehalten, das ist die Hauptsache. Und es ging gut vorwärts. Was wir nennen: von der Stange, das waren sie schon; das heißt, sic durften sich vom Nestrande empor in die Luft schwingen, wohl ein Meter hoch, und kamen dann mit gleichen Füßen wieder zu Boden. Doch auch dazu gehörte Vorsicht, und es geschah nur im Beisein der Alten, denn ringsherum war Tiefe und nichts, das vor dem Herabfallen schützte. — Aber Jugend hat keine Tugend. Eines schönen Tages schwang sich ein junger Vorwitz empor in die freie Lust und schwebte — oh wie das ging — vom Neste weg, hin¬ über nach dem Schornstein von — sagen wir — Neumanns Fabrik, der ein wenig landeinwärts sich erhebt und an Höhe den: Storchenthurme nicht viel nachsteht. — Wie man's treibt so geht's, hinüber kam er wohl — aber wie? — Konnte er fliegen, so konnte er doch noch nicht den

'

Flug steuern, denn die Steuersedern, ohne die

es nun einmal auf die Dauer nicht geht, sahen eben erst mit der Fahne zum Kiel heraus. Da taumelte er denn, anstatt stille zu halten, vorwärts, und siel mitten hinein in die rußige Oeffnung des Schornsteins, tiefer und immer tiefer, bis er Boden fand, in Nacht und Graus. Da war die große schöne Welt, die ihn hin¬ ausgelockt, für ihn verschwunden und verloren, bis auf ein kleines Stück blauen Himmels, das auf ihn herabsah, wie ein Auge. Der alte Storch, der gerade herzuflog, sah es mit an und war gleich hinter ihm her, aber da war cs schon zu spät und

7

Hülfe mehr möglich. Da stand er auf dem Rande des Schornsteins, der arme Narr, und guckte hinunter in die Finsterniß, in der sein Kind verschmachtend saß, jeder Hülfe fern. So hat er gestanden und ausgeharrt, einen Tag lang und eine ganze Nacht, und als es wiederum Tag wurde, stand er noch da; lind was er dabei gedacht hat und gelitten, das hat er Niemandem erzählt. — Aber es giebt eine Sprache in der Natur, die bedarf keiner Worte und wird doch weit und breit gesprochen und verstan¬ den; das ist die Sprache der Herzen. Davon weiß jede Mutter ein Lied zu singen. Welches Herz auf dem rechten Flecke sitzt, das versteht sie, und solche Herzen giebts heutzutage, Gott sei Dank, in deutschen Landen noch überall, und nicht zuletzt in Beeskow. Der Herr Rittmeister von den Beeskower Ulanen, der ist's gewesen. — Als er an jenem Morgen zum Fenster hinaus seine Pfeife rauchte, da sah er den jungen Storch von» Neste fliegen, doch wo er geblieben, das hat er nicht gesehen, und auch kein Anderer. Wie nun die Leute auf der Straße sich u>n den alten Storch die Hälse ausreckten, der weder Tag noch Nacht von seinem Platze wich, da kam ihm in den Sinn, daß, wie in der Welt einer jeden Folge ihre Ursache vorherzugehen pflegt, so gemeiniglich das Heute ein Kind des Gestern ist: und urplötzlich wie ein Blitz, stand vor seiner Seele die Wahrheit. In jeder echten Kricgerbrust hat neben der todesmuthigen Tapferkeit das Mitleid mit dem Hülsslosen eine Heimath, darum hat auch ihn, der im Kainpf dem Erbfeind ein Schrecken war, das Leid des Storches erbarmt; und so schritt er, als ein rechter Rcitersmann, sofort zur That. Zwei Mann von seiner Escadron, die haben in die Grundmauer des Schornsteins ein Loch geschlagen, mit Brecheisen und Spitzhacke, und sind hineingcdrungcn. Denn der Schornstein stand schon seit Monaten kalt, und seine Krönung hatte der Wind herabgeworfen; Neumann aber war den Weg aller Gründer gegangen. Und sic fanden ihn noch lebend und zogen ihn heraus. Wie sie ihn aber dem Tageslichte wiedergaben und zusahen, ob er keinen Schaden genommen hätte, da gab es ein großes Erstaunen, denn inan mochte ihn kaum erkennen. Wie der Jabiru sah er aus;

In

keine

rabenschwarz, von der Schnabelspitze bis zur Fußzehe. Aber ein Soldat weiß sich in jeder Lage zu helfen. Ein Eimer voll Wasser war zur Hand, nebst Seife und einer Kartätsch¬ bürste, uird seine Befreier ließen nicht nach mit Waschen lind Strie¬

geln, bis er wiederum dastand, weiß - schwarz glänzend, wie der berühmte Paukenscheck. Sodann haben sie ihn mittelst einer Leiter auf das Dach des Rathhauses hinaufgehoben, wo schon die Alten Beide standen und mit freudigem Geklapper ihr geliebtes Kind und seine edelmüthigcn Erretter begrüßten.

Der Jubel im Städtchen war allgemein; er entsprach der Theilnahme, welche die wackern Beeskower für ihre Störche alle¬ zeit zwar empfunden, die an dem Tage jedoch ihre schönsten Blüten getrieben hatte. Und manches Herz dort schlägt heute noch stärker, wenn es der Begebenheit gedenkt. Zum Schluffe noch die Nachricht, daß die Störche, nachdem sie die Erziehung ihrer Kinder ohne weitere Fährlichkeiten vollendet haben, zur rechten Zeit abgezogen und im nächsten Frühjahre wiedergekehrt sind, ohne vom Schicksal fernerhin behelligt zu werden. Ein Bürger der Stadt erzählte mir, als ich ein Jahr darauf vor dem Thurme stand und dein Storchenpaarc zuschaute, das gerade sein Nest für die neue Brut zurecht machte, die Geschichte, wie ich sie hier wiedergegeben; und — ich konnte nicht anders — ich er¬ griff seine Hand und rief: „Wahrlich, ihr Beeskower, wäre ich König, ich würde auch Euch den Storch ins Wappen geben!" —

den Zwölften.

Von (find .frifisft. „Das ewig Licht geht da herein, „Giebt der Welt ei» neuen Schein; „Es leuchll wohl mitten in der Nacht „Und uns des Lichtes Kinder macht." Martin Luther.

Um die Wintersonnenwende beginnt für uns Alle, für Alt und Jung eine festliche und feierliche Zeit, die bis ins neue Jahr hinein dauert und von der Jeder bei uns ergriffen tvird, auch wenn er nicht den christlichen Glauben theilt. Abhängig wie wir Menschen alle uns von, leuchtenden Himmelsrade fühlen, empfinden wir mit gehobener Stimmung, daß es nicht mehr abwärts dreht und in der frühen Nachmittagsstunde schon im Nebelheim verschwindet; der Himmelswagen hält plötzlich, er dreht, und seine rastlosen Rosse streben wieder den: Lichte hin: die Tage nehmen zu, eine Vorahnung des Frühjahrs, des einstigen Wiedererwachens der Natur im Lenze, überkomnlt uns »ritten in Schnee und Eis. Gern machen wir's uns hell in der Dunkelheit unsers Hauses, freuen uns deS strahlenden Lichterbaums, geben unserer Fröhlichkeit durch Gaben an Verwandte, Gefreundete und Dürftige Ausdruck. Willig beugen lvir uns, wie in unserer Kinderzeit vor der Krippe des Christkindleins, dessen Ankunft auch in diesen: Jahre wieder von Millionen deutscher Zungen mit Gellert's Lied begrüßt wird:

„Dies ist der Tag, den Gott gemacht, „Sein werd' in aller Welt gedacht;

Das

j !

!

sind

„Ihn Preise was durch Jesum Christ „Im Himmel und auf Erden ist." die Weihnachtstage. Aber wir kommen

auch nach

ihnen nicht zur Ruh, die Arbeit will. im alten Jahr nicht »ichr recht schmecken. Besuche machen. Besuch empfangen, Tanz, Schnraus und allerlei Lustbarkeit lösen sich ab. Sylvester und Neujahr »rüssen ja auch begrüßt werden, so geht es fort bis in die ersten Tage des Jairuar, von wo ab die geregelte Arbeit endlich den Fest- und Feiertaunrel allnrählig zurückdrängt. diese Tage, die eigentlich mehr als Nächte gelten, weil jene weit länger dunkel als hell sind und weil das eigentliche Leben iir dieser Zeit beim Lichterglanz Abends und Nachts pulsirt,

In

fallen die Zwölften.

Schon lange vor Bonifaz und seinen Sendboten war die Weihnachtszeit bei unseren Vorfahren eine heilige; heilig er¬

zwölf Nächte von der ersten Nacht nach der längsten bis ins neue Jahr hinein gezählt. Die christlichen Bekehrer haben es aber geschickt verstanden, die Adventszeit und das Christfest rnit der Sonnwendfeier zu verknüpfen, was ihnen unr so mehr erleichtert ward, als das nach Erlösung ringende rrord- rmd südgcrnranische Hcidcnthum nanrcntlich in seinen letzten Phasen so mancherlei Anklänge an die christliche Symbolik aufweist. Lange zuvor mögen drei Gött erg estalten gewesen sein, die in der heiligen Zeit um die Jahreswende Umgang aus Erden pflogen, dein unrechtfertigen Frevler zur Strafe, sonst aber Ver¬ heißung und Segen dem Gau und den: Hause, dem Wald und dem Feld spendend. Cäsar (Gallischer Krieg VI, 21) nennt uns Sol, Vulcanus und Luna, Tacitus (Germania, 9) nennt uns Mercurius, Hercules und Isis. Aus Sol und Mcrcurius konstruiren wir uns leicht verschiedene Beziehungen des Wodan (mundartlich Wode, Gode, Gaudc), aus Vulcanus und Hercules schienen besonders die

Donar (Donner); schwerer zu vereinigen sind Luna Diana als Mondgöttin) und Isis; schon Tacitus bezieht die Isis nur auf einen besonders abgegrenzten Theil der Sueven, und geographisch in Deutschland getrennt sind noch heutigen Tages die verschiedenen Göttinnen, welche in den Zwölften segnend und strafend umgehen. Jakob Grimm deutet die Isis auf die Holda, die in solche des

(auch

an manchen Stellen hervorschaut. Offenbar ein heidnischer Zug ist es, daß diese Bettellieder keineswegs, wie man erwarten sollte, am Christabend oder am 1. Feiertag, wo die eigentliche Bescheerung üblich ist, sondern überhaupt in den Zwölften, meist sogar erst nach Weihnachten odervorher am 21. beziehentlich 22.Dezember,dem Tag der unbesiegten Sonne, dies invicti Solis, gesungen werden. Leider sind diese Lieder dem Erlöschen nahe. Der Lehrer Kuhn in Hemschlar theilte vor etwa 25 Jahren seinem berühmten Namens¬ vetter dem Mythologen Adalbert Kuhn über die in den Zwölften umsingenden Kinder Folgendes mit: „den Inhalt ihrer Lieder kann ich mit aller Mühe nicht erfahren; als Kind von zehn Jahren habe ich die letzten gesehen und erinnere mich noch, daß sie vom Morgenlande und Sorgenlande, vom Herodes u. s. w. sangen." In den Märkischen Sagen theilt Kuhn Bruchstücke eines solchen Zwölften-Liedes aus der Gegend von Pichelsdorf bei Berlin, aber auch nur unvollständig und theilweise offenbar verstümmelt mit. Um so mehr erfreute es mich, von meiner aus Greifswald gebürtigen Frau die vollständigste Lesart des Zwölften-Liedes, welche mir bisher vorgekommen, wie folgt zu hören.

Zwölften vorzugsweise in Hessen, Franken und Thüringen fortlebt. Unter Luna in Verbindung zu Sol ist in erster Linie Frigg (Frikke) zu verstehen, wie Luna gewissermaßen die Gattin des Sol, so Frikke die Gemahlin des Wodan, oft verwechselt oft verschmolzen mit Frey«, im nordgermanischen sowohl wie im südgcrden

manischen Volksgeist, gleichwie unser „Freitag" an beide Göttergestalten

Freya ist die frohe, erfreuende, liebe, gnädige Göttin, Frikke die freie, schöne, liebenswürdige, an jene schließt sich der allgemeine Begriff von Frau (Herrin), an diese der von Fri (Weib). Frigg wird daher von den Mythologen mit Here oder Juno, namentlich Juno Pronuba, Freya mit Luna, Venus, aber auch der nach Osiris suchenden Isis auf eine Linie gestellt. Beide spielten in den Zwölften die größte Nolle. So in der Uckermark, daneben tritt in der Priegnitz Frau Harke auf, ebenso in der Gegend um

anklingt.

Frau Harke, angelsächsisch Eorthon Modor, Erden¬ mutter, die Nerthus oder terra inater des Tacitus

Berlin.

(Germania, 40), ist ebenfalls nur auf ein bestimmtes Gebiet begränzt. Die Verehrung des weiblichen Prinzips überwiegt in den Zwölften der Art, daß schließlich hier und da Wodan (Wode, Gode, Gaudc) geradezu als Frau Gode, Frau Gaude erscheint. Noch haben wir als des dritten männlichen Hauptgottes des Mars (Germania, 9) in den Zwölften zugedenken, es ist der Schwcrtgott Ziu oder Saxnot. Mannigfaltig ist nun der Aberglaube, welcher sich an diese heidnischen Göttergestalten anknüpfend, während der Zwölften in

1.

Guten Abend, guten Abend, Eine fröhliche Zeit, eine fröhliche Zeit Hat unser lieber Herrgott Uns wieder bereit'. —

2.

Wir

unserer Gegend lebendig zeigt. den Zwölften darf weder Wagen noch Karren bewegt

In

Ein' gebratenen Fisch.

werden, die Räder müssen ruhen wie das Sonnenrad ruht, um neuen Aufschwung zu nehmen (— Sonne — Licht — Feuer — Sol und Vulcanus — Wode und Donar). Man darf nicht dreschen, nicht säen, nicht backen, nicht spinnen, nicht freien, nicht waschen, nicht das Gesinde wechseln u. s. w. Symbole der schlummernden Fruchtbar¬ keit, des Segens, der Wirthschaftlichkcit (— Luna — Diana mit der Mondsichel — Isis — Juno Pronuba — Frikke — Freya — Holda (Holle) — Harke (Nerthus) — denn die Natur, die zeugenden

3.

In

der

Mitte soll

sein

Eine Kanne mit Wein, eine Kanne mit Wein Und unseres lieben Hausherrn Seine Gesundheit darein. — 4.

Wir

wünschen der Hausfrau

Eine güldene Krön', eine güldene Krön', Und zukünftig Neujahr Einen jungen Sohn. —

Kräfte der Erde, ruhen im winterlichen Schlaf. Berlin gilt in den Zwölften als besonders ver¬ pönt das Wäschewaschen und Wäschetrocknen — rvsr den tun bekledt, rriiitt den kerkhof bekleden — wer den Zaun be¬ kleidet, muß den Kirchhof bekleiden — oder in Berlin: in dem Hause, wo in den Zwölften gewaschen wird, stirbt einer im nächsten Jahr. Meiner Mutter, die in den Zwölften in dem Hause Dorotheen¬ straße Nr. 62 vor einigen Jahren in der heiligen Zeit waschen ließ, wurde dies von mehren Hausbewohnern sehr verdacht und als im nächsten Jahr in der That in dem Hause eine Frau (freilich 84 Jahr alt!) starb, ward ihr das Waschen in den Zwölften in

In

Wir

5.

wünschen dem Sohn Ein gesatteltes Pferd, ein gesatteltes Pferd, An der rechten Seit' zwei Pistolen, An der Linken ein Schwerdt. —

6.

Wir

wünschen dem

Fräulein

Einen güldenen Wagen, einen güldenen Wagen, Damit sie kann künftig Neujahr Zum Bräutigam fahren. — 7.

Wir

wünschen dem Stubenmädchen Einen güldenen Besen, einen güldenen Besen,

Damit

erregter Weise nochmals zum heftigen Vorwurf gemacht. Manche Mägde find deshalb auch in keiner Weise in den Zwölften zum Waschen zu bringen, sie schützen wunde Finger, Gliederreißen und

8.

dergleichen vor.

sie kann

Die

Ecken

Wir

wünschen der Köchin

rein fegen.

Einen güldenen Tisch, einen güldenen Tisch, An allen vier Ecken Einen Scheuerwisch. —

Die Zwölften sind nicht blos eine Frist der Feier, sondern Wohlthätigkeit, der Opfer, der Spenden. So mögen schon in der heidnischen Zeit die armen Kinder maskirt als Göttergestalten mit Sternen (Sol, Luna, VenuS) herumgezogen auch der Freude, der

9.

Wir

wünschen dem Hausknecht

Eine güldene Aex, eine güldene Aex, Und zukünftig' Neujahr Eine krummbucklige Hex'.

sein und milde Gaben eingesammelt haben.

Wie die christliche Kirche nun die Zeit der Zwölften und der Wintersonnenwende mit dem Weihnachtssest uin die Zeit von Advent und Epiphanias klüglich übernahm, so hat sie auch die löbliche Sitte, den Armen von der Begüterten Tische in dieser ftöhlichen Zeit Geschenke zukommen zu lassen, gern überkommen. Konventio¬ nelle, formelhafte Sprüche auf den behäbigen Hausherrn, die HauSftau, die Kinder und das Ingesinde, die bei dergleichen Umgang üblich ivaren, wurden, wenn ich so sagen darf, ins Christliche übertragen, freilich oft nothdürftig genug, so daß der alte Heidenglnube

wünschen dem Hausherrn Einen güldenen Tisch, einen güldenen Tiich, An allen vier Ecken

10.

Wir

wünschen die Hexe

Zum Fenster hinaus, zum Fenster hinaus, Herodes sieht (Herodias fliegt) Zum Fenster hinaus.

I !

11. Lieben Sternlein, lieben Sternlein Bleibt stille nur steh'», bleibt stille nur steh'n. Wir müssen heut' Abend Noch weiter geh'n.



9

Begriff

Wie deutet nun die christliche Mystik die Sache? Die drei Knaben, welche das Lied singen, die wir uns ehedem als Wode, Donner und Saxnot aufgeputzt denken, erscheinen als die Heiligen drei Könige aus dem Morgenlande (d. h. vom Osten) herkommend, von wo die neugeborene Sonne neti aufgeht, in lichtes Weiß gekleidet und drehen ein Rad, in dem sich

sie sind

beweg¬

Sterne

sSäfcS5^

\.

ihr Gedächtniß mit unnützein Wortkram beschweren? In verschiedenen Theilen der Mark und Pommern wird aber noch Her ödes

(Donar), der Feuergott. Sie verehren die Heilige Jungfrau in der Nacht,

oder

wie die Zwölften-Verehrung ein

Nacht- Kultus ist,

die

Herodias

er¬

wähnt.

Herodes sieht zum Fenster hinaus, weil er aus die Magier (a. a. O. Vers 8) wartet, das; sic

denn

unter den Zwölften versteht man die heiligen zwölf Nächte. So singt Nachtenhöfer (geb. 1624, ff 1685): „Dies ist di« Nacht, da mir

ihm des Kindleins Wohn¬

ort verkünden. Der Stern

erschienen

bleibt über der Geburtsstätte

„Des großen Gottes Freund¬

stehen, sie aber ziehen weiter

lichkeit;

„Das Kind,

in vorragendem Sinn

Maria konnte die Göttcrmuttcr

ersetzen und die Göttin der Schönheit". Aeußerlich liegt dem Zwölftcn-Licde die Geburt Christi, wie sie am Ausführlichsten im Evangelium St. Matthäi Kapitel 2 ge¬ schildert ivird, zu Grunde. — Weiter als bis zu der krumm bucklige» Hex' kommen die Kinder gewöhnlich nicht, sie ziehen sich bei diesem Verse meist schon vor die Hausthür und lausen aus Furcht vor Schlägen von Seiten des Knechts eiligst davon. Offenbar hängt es damit zusammen, daß das Lied von da ab dunkel wird und an vielen Orten nicht weiter bekannt ist. Die Kinder haben selten Gele¬ ,l genheit, noch weiter abzu¬ leiern — warum sollen sic

befinden, Anspielungen, welche wir nach dem Vor¬ gesagten leicht verstehen, die hier aber den Geleitstern der Magier nach Bethlehem andeuten sollen. Keineswegs sind es aber immer drei Knaben, wie die katholische Kirche will, sondern es können auch Mädchen dabei sein, die Vertreter der Göttinnen in den Zwölften. Der Tag der Heiligen drei Könige Kaspar, Melchior, Balthasar, der 6. Januar, fällt knapp hinter das Ende der Zwölften. Melchior wird gern geschwärzt dargestellt, wie Vulkan liche

höchster Schönheit über, sie hieß auch

Frau, domina, donna.

— die Kinder zum nächsten Hause, um dort weiter zu verkünden lind anzusingen.

dem alle Engel

dienen,

„Bringt Licht in meine

Oder die Hexe, die

Du nkelheit; „Und dieses Welt- und

Herodias, fliegt zum Fenster hinaus. — Die

Himmelslicht „Weicht hunderttausend Sonnen nicht." Es triumphirt das

Kapitel

Licht des Christenthums über das Julfest und den heid¬

Mutter vom Vater das Haupt Johannis des Täu¬

nischen

Tochter des Herodes, welche nach Evangelium St. Marci

Sonnen- und Ge¬

Befehl ihrer

fers aus einer Schüssel ver¬

V

stirnsdienst.

6 auf

langte, war nach der

Die Götter beugen sich

gende,

vor der Frikke, der Gemah¬ lin des höchsten Gottes, vor der Juno Pronuba, der Eorthon Modor, der Erdenmutter, der Nerthus, der

von

Liebe

Le¬

gegen

Vorläufer Christi entzündet, die er nicht er¬ widerte; als sie das auf dem Teller getragene Haupt mit Thränen und Kiissen diesen

Die Tänzerin Barbarinn. allmächtigen, fruchtspenden¬ bedecken will, weicht es zu¬ Nach dem im Berliner Königlichen Schlosse befindlichen Originalgemälde von den Frau Harke; so de¬ rück und hebt heftig zu blasen Ant. Pesne für den Bär gezeichnet von M. Wilberg. müthigen die Heiligen drei an; die Unselige wird in die Könige sich vor der Maria, denn: Lust gehoben und treibt daselbst in der wilden Jagd herum, dort treffen wir sie mit der Diana, der Holda, der Perchta, und anderen Göttinnen. „Den aller Weltkreis nie beschloß „Der liegt in Marias Schooß," (Luther.) Sie ist an der Spitze des wüthenden Heers, sie wird mit unseren wie in der Heiligen Nacht nach christlicher Mystik das Erdenheil besprochenen Göttinnen geradezu identifizirt und diese werden wieder

in der Person

mit

fleckten Schooß

Vergleichen wir nun die Verse am Schluß unsers ZwölftenLiedes so sind sie lose angefügt und bedeuten eine abronunoiatio, eine Absage der heidnischen Göttinnen. Es genügte den vorsich¬ tigen Priestern des neuen Glaubens nicht, das Zwölften-Lied ein¬ fach durch Einschiebung biblischer Beziehungen zu verchristlichen, sie fügten gegen den Schluß noch eine Abschwörungs- und Ver¬ fluchungs-Formel vorsorglich hinzu.

des Christkindes alljährlich aus dem unbe¬ der Jungfrau Maria, so wird in der heiligen Sonnwendnacht aus dem Schooß der Mutter Erde nach heidnischer Mystik das Weltall alljährlich rein und strahlend neu geboren.

Hiermit übereinstimmend

«sagt

Jakob Grimm:

„Die

spätere

Göttin (Frikke)

durch

Maria;

christliche Ansicht ersetzt die heidnische

Gestirns- und Pslanzennamen zeigen, wie man Venus durch Frigg, Und aus Maria ging nicht nur der

Freyja und Maria übersetzte.

;

den Hexen verglichen, so

fliegt

sie

als Unholdin Fenster hinaus.

10

Erinnert uns die Kette unsers Zwölsten-Liedes an den Glauben unserer Altvorderen, so gemahnt uns der später symbolische Einschlag an die harmonische Verwebung christlich-germanischerWeltanschauung;

nun verstehen wir die für uns Germanen doppelsinnige Pro¬ phetie des Zacharias (Evangelium St. Lucae, Cap. 1. Vers 79). „Uns hat besucht der Aufgang aus der Höhe, auf daß er erschiene denen, die da sitzen in Finsterniß und Schatten des Todes." — So mögen die Zwölften allerwege und immerdar für uns bedeuten die selige fröhliche Weihnachtszeit. —

Bon i’onis Sifiiiriiset.*)

Am 12. Mai 1744 erschien die berühmte Tänzerin Barbarina zuerst hier auf dem Schloßtheater vor Friedrich dem Großen und begann damit ihre merkwürdige Laufbahn, in deren Verfolg sie bald die erklärte Favoritin des Königs, dann durch heim¬ liche Heirat Gattin des Geheimenraths von Cocceji, endlich zur Gräfin Campanini ernannt wurde und als Aebtissin eines Fräuleinstiftes in Schlesien starb. Die Geschichte dieser außer¬ ordentlichen, ebenso schönen als geistreichen Frau, ist eine so reiche Verkettung der sonderbarsten und ungewöhnlichsten Begebenheiten, daß bis auf einen Fall, welcher leider der neuesten Zeit angehört, kaum etwas Aehnliches in der, sonst an sonderbaren und aben¬ teuerlichen Begebenheiten so reichen Literatur der theatralischen Biographie gefunden werden dürfte. Der Zufall führte mir, als ich die mir zum Behufe meiner Geschichte der Berliner Oper wohl¬ wollend gewährte Erlaubniß benutzte, auf das Theater bezügliche

Manuscripte des Geheimen Staatsarchivs zu durchsehen, das Ma¬ terial in die Hände, aus dem ich zunächst für jenes Werk eine Ge¬

Barbarina zusammenstellte,

welche zuin ersten

Male eine

auf Dokumente begründete Darstellung der Verhältnisse giebt, unter denen diese Tänzerin, Favoritin, Geheimräthin, Gräfin und Aebtissin hier in Berlin lebte. Alle bisher bekannt gewordenen Angaben über die Barbarina sind entweder ganz, jedenfalls aber theilweise auf irrthümliche Vor¬ aussetzungen gegründet, ja selbst bestimmter angegebene Daten er¬ weisen sich nach dem Zeugniß der im Geheimen Staatsarchiv auf¬ bewahrten eigenhändigen Briefe der betreffenden Personen als un¬ richtig und willkürlich, so daß es mir vergönnt war, zum ersten Male einen klaren U eberblick über die eigenthümlichen Schicksale der Barbarina durch Mittheilung des größten Theils der darauf bezüglichen Schriftstücke zu geben. Voraus sei geschickt, daß die später einzuschaltenden Briese theils in französischer, englischer und italienischer Sprache geschrieben

sind, es aber wünschenswerth sein dürfte, sie gleich in der Ilebersetzung zu lesen.

Im

Jahre 1743 entließ Friedrich der Große plötzlich den seit Eröffnung der italienischen Oper engagirten Balletmeister Poitier — auch unter so ungewöhnlichen Umständen, daß wir nachher be¬ sonders darauf zurückkommen werden, denn der König nahm so lebhaften Theil an dieser Entlastung, daß er selbst Zeitungsartikel und zwar sehr leidenschaftliche deshalb schrieb. — Für den Ent¬ lassenen und namentlich für die mit ihm abgehende Mlle. Roland bedurfte es des Ersatzes, und der preußische Gesandte in Paris engagirtc den Ballctineistcr Lany, der sich auch sehr dienstfertig erbot, gleich eine erste Tänzerin von Paris mit nach Berlin zu bringen, was sich aber der König ganz entschieden verbat, da er fürchtete, daß sich wieder ein zu vertrauliches Verhältniß zwischen

*) Anmerkung. Mit ausdrücklicher Bewilligung der Frau Geheimrath Schneider.

Der Befehl, sich nach einer guten ersten Tänzerin umzusehen, war gleichzeitig an die preußischen Gesandten in Paris, London und an den Residenten und Agenten in Venedig, Grasen Cataneo ergangen, welcher letztere auch im Herbst 1743 nach Berlin be¬ richtete, daß die in ganz Italien berühmte und fast vergötterte

Barbara Campanini,

gewöhnlich 1a Laobaikna genannt, nicht abgeneigt sei, in die Dienste des jungen Königs von Preußen zu treten, von dessen Neigung zur Oper und dem Bau seines präch¬ tigen Opernhauses damals eben so viel als von seinen ersten schlesischen Siegen gesprochen wurde.

Die

Die Tänzerin Snrtiarina.

schichte der

dem Balletmeister und der ersten Tänzerin gestalten könne, ivie dies bei Poitier und der Mlle. Roland der Fall gewesen.

Barbarina

war damals

schon

in England gewesen

und galt zur Zeit für die beste lebende Tänzerin, was der König wußte und sofort das Engagement derselben unter sehr günstigen, ja für Deutschland unerhörten Bedingungen befahl. Herr Cataneo, der in dieser Angelegenheit möglichst vorsichtig handeln wollte, entwarf, nach dem aus Berlin erhaltenen Kabinetschreibcn, einen Kontrakt, legte ihn der Barbarina und ihrer Mutter vor, und

erlangte Beider Unterschrift. Demgemäß war der Kontrakt für die Engagirte bindend, hatte aber, wie dies auch jetzt noch bei den Kontrakten der Kgl. Schauspiele der Fall ist, erst dann die voll¬ kommene Gültigkeit, wenn der König ihn vollzogen hatte. Diese Vollziehung des Kontrakts verzögerte sich einige Zeit und traf erst in Venedig ein, als Signora Barbarina die Bekannt¬ schaft des jungen Lords Stuart de Mackenzie gemacht hatte, wodurch sie veranlaßt wurde, plötzlich zu erklären, daß sie keine Lust mehr habe, nach Berlin zu gehen, sondern nach Paris und von dort nach London wolle. Vergebens stellte ihr Graf Cataneo vor, daß sein Herr, der König, in dergleichen Dingen keinen Scherz verstehe, und er möglicherweise wohl die Lust bekommen könne, sie mit Gewalt zur Erfüllung ihres Kontraktes zu zwingen — die Signora versteckte sich hinter die Ungewißheit, in welcher das Nichtcintreffen der König!. Ratifikation sic gelassen, und als Ca¬ taneo versicherte, daß diese schon unterweges sei, also keine Aus¬ flucht mehr blieb, erklärte sie, mit dem Lord Stuart verhcirathet zu sein, und ohne den Consens ihres Gatten überhaupt keinen Kontrakt schließen zu dürfen. Sofort ging ein Bericht nach Berlin an den Minister von Podewils, der außer seinen Staatsgeschäften auch das Engagement von Tänzerinnen besorgt zu haben scheint. „Da die Allerhöchsten Befehle Sr. Majestät vom 31. Dezember mir zur Pflicht machen, mich durch die vorhandenen Schwierigkeiten nicht von dem Engagement der Barbarina abschrecken zu lassen, so bitte ich Ew. Excell., Se. Majestät in Kenntniß zu setzen, daß ich das Venetianische Gouvernement durchaus nicht disponirt ge¬ funden habe, sich in diese Sache zu mischen, und daß ich mich daher an den französischen und spanischen Gesandten gewandt habe. Der erstere hat die Barbarina am nächsten Sonntag zu Tische eingeladen, und ich werde auch anwesend sein, um ihr mit Güte zuzureden. Wenn ihr Engländer darauf besteht, sich wider¬ setzen zu wollen, so werde ich sie entführen, zu einem der Gesandten bringen und unter guter Escorte nach Berlin transportiren lassen, denn ich habe das Papier, in welchem sie sich bereit erklärt, in die Dienste des Königs zu treten, in meinen Händen und die

Mutter ist

eine sehr bestimmte, feste Frau, welche durchaus will, Tochter Wort hält. So haben wir denn nicht allein das daß ihre Recht, sondern auch die Schicklichkeit für uns, denn das arme Mädchen würde mit dem Engländer gradezu in ihr Unglück rennen. Aber es ist nun durchaus nöthig, daß Se. Majestät mir so¬ fort einen von Allerhochstdemselben unterschriebenen Kontrakt über¬ sendet, welcher alle Bedingungen enthält, die ich in meiner Depesche Nr. 223 vom 13. November angedeutet, und ich glaube dafür stehen zu können, daß, wenn dieses Mädchen nur erst in Berlin ist.

11

wird,

sie für ihre ganze Lebens¬ Venedig, 22. Januar 1744. Der König erhielt diesen Bericht unmittelbar nach Beendigung des Karnevals, bei dem er den Mangel einer guten ersten Tänzerin lebhaft empfunden. Die Weigerung der kleinen Person scheint ihn sehr geärgert zu haben, denn er ließ sofort dem Grafen Dohna, preußischen Gesandten in Wien, schreiben, er solle dem dortigen venetianischcn Gesandten Contarini andeuten, daß der König alles Ernstes von der Republik Venedig die Auslieferung der widerspenstigen Tänzerin verlange. Dieser Befehl an den Grafen Dohna erklärt sich daher, weil der Graf Cataneo in Venedig keinen officiellen Charakter hatte, also auch nicht direkt mit dem Senate der Republik verhandelte. Contarini berichtete natürlich nach Venedig, der Senat aber wies die ganze Angelegenheit sehr kühl von der Hand, indem er es unter seiner Würde hielt, sich mit den Engagements-Angelegenheiten 'einer Tänzerin abzugeben. Als diese Antwort nach Berlin kam, gerieth der König in einen so heftigen Zorn daß er zu einem in jetziger Zeit unglaublich klingenden Gewaltstreich griff, und da eben ein venetianischcr Gesandter, Capello, von London über Hamburg durch die preußischen Staaten nach Venedig reisen wollte, so ließ er die Equipagen desselben bei dem Eintritt in die preußische Grenze mit Beschlag belegen. Natürlich machte dieser ungewöhnliche Vorgang außerordentliches Aufsehen in der ganzen diplomatischen Welt, besonders da der preußische Gesandte confidentiell angewiesen wurde, zu sagen, daß der König die Republik schon zwingen.wolle, ihm zu seiner Tänzerin zu verhelfen. Wien beschwerte sich Contarini zunächst Beim Grafen Dohna über dies unerhört gewalt¬ same Verfahren, erhielt aber ausweichende Antwort und allerlei Winke, die Republik möge dem König seinen Willen thun und ihn nicht weiter reizen, da er in den wenigen Jahren seiner Regierung bereits Proben eines festen und unbeugsamen Charakters gegeben, man also gar nicht wissen könne, wohin eine fortgesetzte Weigerung führen könne. Wahrscheinlich berichtete dies Contarini nach Venedig und der Senat mag sich allerdings in Verlegenheit befunden haben, ob er nachgeben oder in seiner Würde beharren solle. In¬ dessen scheint er sich doch zu Ziele gelegt zu haben, wie folgende eigenhändige Ordre des Königs an den Grasen Dohna vermuthen läßt. „Das Gerücht, von dem Ihr in Eurer Depesche vom 7. März sprecht, daß Ich die Equipagen des venetianischen Ge¬ sandten Capello hätte anhalten lassen, ist durchaus falsch, und sind diese Equipagen sogar durch Meine Staaten passirt, ohne irgend eine Abgabe zu bezahlen. Ich hatte zwar Befehl gegeben, der¬ gleichen zu erheben, diesen Befehl aber sofort zurückgenommen, als Ich vernommen, daß die Republik Venedig Mich in der Angelegenheit mit der Tänzerin Barbarina contentiren will. Ich hoffe nur, daß sie ihr Versprechen nicht vergeffen werde, und bitte Gott, daß er Euch in seinen heiligen Schutz nehme. Breslau, en 17. März 1744. Friedrich. Aus diesem Schreiben geht deutlich hervor, daß die Beschlag¬ nahme trotz der anfänglichen Versicherung des Königs, doch statt¬ gefunden, und nur erst aufgehoben wurde, als die Republik sich geneigt zeigte, den Willen des Königs zu thun. Es giebt also jedenfalls in der Diplomatie zweierlei Wahr¬ heiten: eine, die nicht wahr ist, und eine, die wahr sein könnte, was aus der vorliegenden Tänzer-Engagement- und EquipagenBeschlagnahme-Angelegenheit deutlich hervorgeht. Gleichzeitig mit dieser „erklärenden" Antwort ging auch noch eine Instruktion des Königs an den Grafen Dohna, unter welche der König eigenhändig

Sr. Majestät ein Leichtes sein zeit zu engagiren."

es

In

noch die

Worte hinzufügte:

„Der Graf. Dohna hat zu berathen

über

Berlin Man sieht,

sicher nach

sich mit dem Venetianischen Gesandten die zweckmäßigsten Mittel, wie diese Kreatur

zu schaffen ist." daß nicht allein der Abgang einer Tänzerin

wichtige Verhandlungen veranlassen kann, sondern auch das Engage¬ ment einer solchen, und daß das corps diplomatique auch schon vor hundert Jahren lebhaften Antheil an berühmten Tänzerinnen genommen.

Die vom Könige befohlenen Unterhandlungen des Preußischen und Venetianischen Gesandten in Wien ergaben nur als Resultat, daß die Republik unsere Barbarina verhaften und bei Nachtzeit aus Venedig fortschaffen lassen wollte — und zwar unter militärischer Bedeckung einer Compagnie Kavallerie. Dagegen wurde nur die Bedingung gestellt, daß die Barbarina keinen Augenblick länger in

Berlin zurückgehalten werden solle, als ihr Kontrakt dauere. Dies berichtete Graf Dohna an den König und erhielt als Antwort folgende Kabinctsordre: „Aus Euren Bericht vom 24. vorigen Monats gebe ich Euch durch Gegenwärtiges meine Intentionen in Bezug auf die Barbarina

ju

erkennen.

Ich wünsche nehmlich, daß der Senat von Venedig dieses Mädchen durch ein paar Leute, die für sie verantwortlich sind, bis nach Wien bringen lasse. Von dort könnt ihr sie über Schlesien nach Berlin bringen lassen, müßt aber Sorge tragen, daß dies auf die sicherste Weise geschehe. Ihr werdet nicht verfehlen, dies Alles dem Venetianischen Gesandten zu insinuiren, und ich hoffe, daß die Republik Mir diesen Beweis ihrer Aufmerksamkeit, den ich von ihr verlange, geben wird. Berlin, den 4. April 1744. Friedrich. An den Grafen Dohna in Wien. Das, was er dem Venetianischen Gesandten wegen der Barbarina erklären soll." Gras Dohna ersah aus dem Allen, wie ernstlich der König diese ganze Angelegenheit

betrieb, und glaubte seinerseits nichts um dem so bestimmt ausgesprochenen Willen des Königs nachzukommen. Er beauftragte daher seinen Haus¬ hofmeister, einen gewissen Mayer, welcher früher mit dem preußischen General der Infanterie v. Wurmb fast ganz Europa durchreist hatte, und dem er, als einem entschlossenen Manne, einen so kitzlichen Auftrag wohl anvertrauen konnte. Dieser erhielt zunächst eine Vollmacht des Gesandten Contarini, welche sich ebenfalls im verabsäumen zu dürfen,

Originale noch unter den Aktenstücken des Geh. Kahinetsarchivs befindet, 50 Dukaten Reisegeld und eine ausführliche Instruktion, nach welcher er zu verfahren hatte.

Sie lautet: „1) wird der Mayer allen Fleiß anwenden, um seine Hinreise nach Palma zu beschleunigen, zumalen das Frauentzimmer heut über acht Tage dort eintreffen wird; 2) Daselbst des hiesigen Venetianischen Hrn. Botschafters Exzellenz Schreiben nebst anliegendem Kästchen sogleich an des GeneralProveditores Exzellenz in Palma überreichen und von ihm seine

Nachricht erwarten, was er zu thun hat. 3) Ferner denjenigen Herrn Offizier von der Republik, welcher ihm die Tänzerin Barbarina aus der K. Hungarischen und Böheimb'schen Gränitz in Friaul richtig überweisen wird, den habenden Schein über den richtigen Empfang extradiren. 4) Wann er auch etwa Postpferde bedürffen sollte, wird er des Herrn Botschafters Exzellenz Schreiben an den Postmeister in Palma überreichen können. 5) Wird Herr Mayer alle Sorge anwenden, daß die Tänzerin ihm nicht weggenommen oder entführt werde oder heimlich weggehe, auch benöthigten Falles, von den König!. Hungarischen und Böheimbschen Gouverneurs oder Commandanten oder Magistraten der Städte und Dörffer, im Falle etwas zu befürchten, um eine kleine Eskorte von Ort zu Ort ersuchen, wobei ihm der Paß von der Königin Majestät helfen wird.

6) Seine Rückreise hin nach Wien, soviel es ohne die Tänzerin geschehen kann, zu beschleunigen.

Barbarina zu sehr zu fatiguiren

12 7) Das ihr zur Reise mitgegebene Geld richtig zu berechnen und soviel thunlich zu menagiren." Zu dieser gewiß ausführlichen Instruktion ist von des Grasen Dohna eigener Hand noch folgender Zusatz gemacht: „Als welche Barbarina er auf alle Weise zu flattiren, ihr die Reise bequem machen und sie in guten Humeur zu setzen suchen, auch ihr versichern wird, daß sic in eine schöne Stadt, an einen großen Hof und in eines gnädigen Königs Dienste käme, worin sie alle Ursache vergnügt und zufrieden zu sein haben wird." So ausgerüstet trat Mäher seine Reise nach Friaul an, während gleichzeitig Cataneo in Venedig die Verhaftung der Barbarinn betrieb und sie unter militärischer Bedeckung nach der Oesterreichischen Grenze schickte.

Man mag



wie das arme Mädchen sich geberdete, als die Vcnctianischcn Sbirrcn sie abholten und jede Verbindung mit dem Lord Stuart verhinderten. In Italien war Preußen und Berlin damals nur von der Rcgierungsperiode Friedrich Wilhelms 1. bekannt und gefürchtet. Man glaubte, daß dort aus¬ schließlich der Stock regiere und hatte einen solchen Respekt vor der „Sandbüchse des heiligen Römischen Reichs", wie man heutzutage vor Sibirien hat. Die Art und Weise, wie das Engagement durchgesetzt und die Steife beschleunigt wurde, war auch eben nicht geeignet, besondere Liebe und Hochachtung für Preußen bei ihr zu erwecken, es wird also Thränen genug gegeben haben, wenn man sich denken,

die Herzensangelegenheit mit dem angeblichen

„Gatten"

auch noch

gar nicht einmal mit in Anschlag bringt. Ueber das, was bei der Ablieferung Venetianischer und Ueber¬ nahme Preußischer Seits geschehen, giebt der Bericht des Haus¬ hofmeisters Mäher interessante Auskunft. Auch er befindet sich noch bei den Akten und erinnert an jenen Etappen-Zettel eines französischen Gensdarmerie-Offiziers, der zur Zeit der Napolcvnischen Herrschaft den Papst bis zur nächsten französischen Grenzstadt eskortirt hatte. Er nahm dazu dasselbe Schema, welches für jeden Gensdarmerie-Transport gebräuchlich war und füllte es folgendermaßen aus: „Abgeliefert unter heutigem Datum, einen Papst, in guten Gesundheitsumständen." (Fortsetzung folgt.)

Der Potsdamerplatz und der Derlin- PotsdamMagdeburger Dahnhof.

2, 3, 4, bis zur Lennöstraße und Königgrätzerstraße), und weiter hinaus, linker Hand neben dem Thiergarten die Richardschen, Michaelischcn, Tackermannischen und Taronischen Kaffeegärten. Aus dem „Wege nach Potsdam" befindet sich noch linker Hand das Seidel'sche Wirthshaus „zur Stadt Leipzig", auch gehl über den Floß- oder Landwehrgrabcn die Schafbrücke, welche 1785 neu gebaut wurde. So sah die Gegend „am Potsdamer Thore" vor 100 Jahren aus. Statt des von König Friedrich Wilhelm 1. erbauten Potsdamerthors und der beiden grünen Plätze an beiden Seiten des Achtecks wurde ein neues „Potsdamerthor" errichtet und dasselbe am 3. August 1824 eingeweiht. Es sind das die heute noch stehenden zwei Gebäude mit Säulen, welche anfänglich mit einem eisernen Gitterthor verbunden waren. Auch der Leipziger Platz erhielt in diesem Jahre seine heutige Gestalt, er wurde mit eisernem Gitter eingeschlossen, mit Gebüschen und Blumensträuchern bepflanzt und ferner mit steinernen Bildsäulen versehen, welche einstens Laternen trugen und in ihren jungen Jahren die „Opernbrücke" oder „Neustädterbrücke" geschmückt haben.*) Ein Jahrzehnt später wurde vor dem Potsdamerthor linker Hand das ältere „Geheimrathsviertel" geboren. Das neue liegt bekanntlich heute so in der Gegend des Magdeburger Platzes, und ist noch nicht 10 Jahre alt. Aus dem Potsdamerthore nun heraus fuhr man natürlich nach Potsdam, der schöneren Gegend Berlins, und zwar seit 1754 mit der sogenannten „Journaliere", einer Potsdamer Postkütscheneinrichtung, welche anfänglich einmal und dann zweimal (Morgens Der 7 Uhr und Mittags 12 Uhr) von beiden Städten abging. Fahrpreis betrug 15 Sgr., und diese „bequeme Gelegenheit", die Herrlichkeiten Potsdams kennen zu lernen, wurde gehörig ausge¬ nutzt.

1820 ftlhr bereits die Schnellpost und diese sechsmal täglich hin und her, das erste Mal um 0 Uhr Morgens, das letzte Mal um 10 Uhr Abends von beiden Orten ab. Neun Jahre später, am 29. Oktober 1838, wurde die erste Preußische Eisenbahn**) Berlin—Zehlendorf — P otsdam eröffnet. (Siehe Illustration.) Die königlichen Prinzen, der Ju¬ stizminister Wühler und der Staatsminister v. Ladenberg, die Räthe des Gencralpostamts und andere höhere Beamte nahmen an der Eröffnungsfahrt Theil; der Minister des Innern v. Rochow und der Finanzminister v. Alvensleben waren nur auf dem Bahnhöfe, während der Generalpostmeister, Staatsminister v. Nagler — ein

(Hierzu zwei Illustrationen Seite 4 und 5 ferner Seite 13.)

Dieselbe Gegend, welche

wir

heute unseren verehrten Lesern

in zwei charakteristischen Illustrationen vorführen, beschrieb Friedrich vor 100 Jahren etwa so: Das „Achteck" (der heutige Leipzigerplatz) liegt ain Ende der Leipzigerstraße uttd ist mit an¬

Nicolai

Jenseits desselben ist das Potsdamer¬ thor. Von diesen gehen zwei große Alleen von Weiden und Linden ab, die eine rechts nach dem Thiergarten (die heutige Bellevucstraße) und die andere links auf den Weg nach Potsdam (das ist die heutige Potsdaincrsftaße). An beiden liegen Garten¬ häuser und Gärten, welche zum Theil zu Brunnenkuren vermiethet werden. Noch liegt auf dein Wege itach dein Thiergarten rechter Hand nahe an der Stadtmauer der „botanische Garten der Realschule" (der spätere Schulgarten*) Bellevuestraße

sehnlichen Häusern besetzt.

*) Anmerk. der Redaktion: Derselbe wurde 1750 von dem Oberconsistorialrath Hecker auf einem Platze angelegt, welcher ihm von Friedrich dem Großen geschenkt worden war, und worauf ehemals die auf dem königl. anatomischen Theater anatomirten Leichen begraben wurden.

Brücke führte über den Festungsgraben (zwischen der Königs-

*) Die

ioache und dem Denkmale Blüchers) nach der Dorotheenstadt. Zur Zeit der Befestigung Berlins stand hier innerhalb das neue oder Neustädtische

Thor. Die baut.

Auf

Brücke war 1774 auf königliche Kosten von Boumann

ge¬

den Postamenten des steinernen Geländers standen die heute

in den Anlagen des Leipziger Platzes befindlichen acht Gruppen, welche Laternen trugen und in mehr als Lebensgröße von Meyer dem Aelteren geschaffen waren. **) Die ersten sogenannten „Dampfkraft-Eisenbahnen" entstanden zwischen Liverpool und Manchester, in Frankreich von St. Ctienne nach Lyon, in Nordamerika von Boston nach Providence, von New Pork nach Philadelphia re. In Oestreich-Deutschland wurde zuerst zwischen Budwcis und Linz eine 1837 bis nach G münden fortgesetzte Eisenbahn angelegt. Dieser folgte die Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth und die 1838 ebenfalls geschaffene Bahn Dresden-Leipzig. In Berlin wurde nach der Potsdamer Bahn 1841 die Anhaltische Bahn eröffnet und bei dieser Gelegenheit die Anhaltstraße durchgebrochen. Dieser folgten 1842 die Niederschlesisch-Märkische, 1843 die Stettiner, 1848 die Hamburger, 1857 die Ostbahn, 1865 die Görlitzer, 1871 die Lehrter, 1875 die Dresdener, 1878 die Nord¬ bahn und in diesem Jahre die Wetzlarer Bahn. Im Bau begriffen ist die

Stadtbahn.

13

'

kurzsichtiger Gegner der Eisenbahnen — sich hatte entschuldigen lassen, weil er sich „schonen" müsse, und dafür seinen Sohn abge¬ ordnet hatte. Daß Nagler die Eisenbahnen für einen Schwindel hielt, hat er selber wiederholt erwähnt. Außerdem aber behauptet man, daß er für sein Leben fürchtete, wenn er sich diesen Wagen anvertrauen sollte, die so viel schneller durch die Welt fuhren, als

'

Ich will im folgenden die weitere Geschichte der Berlin Pots¬ damer Bahn kurz skizziren, zunächst hier erwähnen, welche Personen anfänglich an der Spitze des Unternehmens gestanden haben. DaS unbesoldete Ehrenamt der Direktoren und Stellvertreter verwalteten als Direktoren: der Banquier Carl W. Schulze, der Kaufmann A. Meyer, der Oberstlieutenant von Ziegler, der Kauf¬ mann und Stadtrath Keibel und der Oberstlieutenant von Kräwell. Und als Stellvertreter die Kaufleute C. Treu, H. Brendcl lind C. E. Richter. Die gleichfalls unbesoldeten Repräsentanten der Gesell¬ schaft und deren Stellvertreter waren: Stadtrath G. Reimer, C. A. Heckmann, S. A. Benda, F. L. Gelpcke, S. Bleichröder, Emil Ebeling, Ferd. Simon, S. A. Licbcrt, S. Freytag und Baron von Puttkammer. Die Stellvertreter waren Georg Hossauer, Professor Julius Schoppe, Banquier H. und A. Wolfs und Haupt¬ mann von Salviati. Der Andrang des noch etwas mißtrauischen und skeptischen

I.

seine Postkutschen.

Es war ein großes Fest für die Berliner, als sie zum ersten dem Dampswagen fahren konnten. Freilich ganz zu¬ frieden waren sie mit der neuen Einrichtung doch nicht, sic hatten sich die Schnelligkeit des Fahrens noch viel größer gedacht. Bald nach der Eröffnung der Eisenbahn wendete sich ein bos¬ hafter Anonymus mit der scherzhaften Bitte an die Behörden, man möge doch Sorge tragen, daß die Passagiere nicht zu sehr durch das Betteln belästigt würden, besonders daß nicht Invaliden mit Stelzfüßen neben dein Zuge herlaufen sollten, um eine milde Gabe zu fordern.

Male mit

I.

I.

Der Potsdamer Üahnhos in Serlin vom Äahre 1838 auf Holz photographirt und geschnitten.

nach einem alten Kupferstich

Weiln ein Theil des Publikums der bei beit ersten Fahrten ziemlich hielt dagegen ein anderer Theil diese lich, daß gar manche wohlbedächtige

nun nicht zufrieden war mit gemäßigten Schnelligkeit, so

für

so bedeutend und gefähr¬ und vorsichtige Bürger sich

vermaßen, niemals mit der Eisenbahn zu fahren. Auch „die werthe Geistlichkeit" nahm in dem Eisenbahnstreit, der damals die Ber¬ liner viel beschäftigte, Partei. Die Idee zur Anlegung einer „Eisenbahn zwischen Berlin

und Potsdam durch eine zu diesem Zwecke zu bildende Aktiengesellschaft" wurde im Jahre 1835 von dem Justizcommissar Robert, der sich zur Beförderung des Unternehmens mit dem Geheimen Oberbaurath Grelle und dem Rechnungs¬ rath Doussi» vereinigt hatte, gefaßt. Auf Grund des von

Ereile technisch entworfenen Planes, zu welchem der Baukonduk¬ teur Loof 8ön. die Messungen und Nivellements gefertigt hatte, war im Jahre 1836 die vorläufige allerhöchste Genehmigung er¬ folgt und am 23. September 1837 die Bestätigung der Aktienge¬ als Corporation, ferner die Verleihung des Expropriations¬ rechtes, zu dessen Gebrauch jedoch nur in einem einzigen Falle Veranlassung gegeben wurde. sellschaft

8ÄL8M

Publikums war Ansangs durchaus nicht bedeutend, und als bald Bahn der damalige Stadtrath (spätere Stadtälteste) Wilhelm Keibel — ein um die Stadtverwaltung hoch¬ verdienter Bürger — den Waisenkindern die Freude einer freien Hin- und Rückfahrt nach Potsdam auf seine Kosten bereitete, er¬ hielt er von dem Magistrat eine gelinde Zurechtweisung! So waren damals, also vor 41 Jahren, die Ansichten über die Eisenbahnfährten. Nagler, der auch für das weitere Gedeihen der Posten fürchtete, schreibt am 7. November 1838 (an Kelchner) „die Eisen¬ bahn ist hier im Flor, aber auch etwas Geklimper. Die Direktion muß, um 4 pCt. Zinsen zu ziehen, täglich 2000 Personen fahren. Selbst jetzt hat sie nicht so viel, in einer Woche gegen 800, in der anderen gegen 1800 und das Jahr hat 365 Tage." Daß die Eisenbahn den Verkehr machen und gestalten werde, hatte Nagler übersehen. — Der Weiterbau nach Magdeburg wurde erst nach dem Regierungsantritte König Friedrich Wilhelms IV. gestattet und es macht heut einen mehr als komischen Eindruck, wenn man die vor 40 Jahren erschienenen Streitschriften liest, welche den Be¬ weis führen sollten, daß man zwischen Potsdam und Brandenburg gar nicht bauen könne. Den Eingeweihten war die Polemik klar: nach der Eröffnung der

j

14 der Minister Nother begünstigte die Verbindung zwischen Berlin und Leipzig aber über Luckenwalde, Wittenberg, Dessau und Köthen! So entstand die Berlin -Anhaltische Bahn, die erst vor zwanzig Jahren den Umweg über Dessau und Lothen verlassen hatte. Anfänglich besaß die Berlin-Potsdamer Bahn 6 Lokomotiven, 2 Staatswagcn, 5 Wagen erster, 9 zweiter und 28 Wagen dritter Klasse, mit denen sic 1170 Personen aus einmal befördern konnte.

Das

erste

zusammen

Empfangsgebäude vom Baumeister Winkelmann mit

dem Maurermeister Hecker und den Zimmermeistern

(s. Illustration Seite 13) hatte 3 Stockwerke und eine verdeckte Bahnhalle, daran schloß sich ein Die erste Dampfwagenschüppen und der Bahnwagenschuppen. Dammherstellung der Potsdamer Bahn war dem Oberjäger

Gebr. Kncib in Potsdam erbaut,

Entreprise gegeben, die Schienen waren durch Jacob Raveim Söhne aus England besorgt und die 126000 Bolzen zum Anschrauben der Schienenstühle hatte der Postschmiedemeister Friedrich in Potsdam geliefert. Noch gab es in Berlin keine Lokomotivfabrik und so wurden

Misrellen.

Irren j !

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!

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j

Wagner in

*

denn die Dampfwagen aus der Fabrik des Robert Stephenson in Newcastle beschafft, wohingegen die Personen- und Transport-

ist menschlich.

j

Wer's behält, der ist ein Dieb, Wer's findt, ich hab's gekauft, N. N. bin ich getauft, N. N. bin ich geboren Wer's findt, ich hab's verloren.

Eine

sächsische

Dvebner, Sillich

und dem Oberinjenieur Schmid ausge¬ arbeitet und ausgeführt. Das neue Empsangsgebäude ist ein stattlicher, in reicher Re¬ naissance-Architektur durchgebildeter Ziegelrohbau aus Grcppiner Steinen in Verbindung mit Werksteinen (Hclmstedter Sandstein) für die Fenstereinfassungen, Gesimse und Pfeiler. Die Anordnung

Die hohe Perronhalle wird gegen den Potsdamer Platz durch einen Kopfbau abgeschlossen, in dessen Mitte das Vestibül mit 2 gcschossigcm Hallenbau und vorderer Freitreppe dem Verkehr für Extrazüge und als Ausgang für Passagiere ohne Gepäck dient. An der Abfahrtseite', der Westseite der Halle, liegen die Räume für den durchgehenden Reiseverkehr, durch besondere Trcppenanlagen aus dem Abfahrtsvcstibül zugäng¬ des Empfangsgebäudes

In

Schiebebühne angelegt.

Nun ist die Bahn bekanntlich nahe daran, in die Hand des Staates überzugehen. Ich möchte mir am Schluffe dieses kleinen Begleitartikels zu unseren Illustrationen den Wunsch auszusprechen erlauben, daß einmal die künftige staatliche Verwaltung die durch¬ weg nur zu lobenden Einrichtungen für den Verkehr zwischen Berlin

Potsdam

beibehalten und weiter ausbilden möchte, und daß für den Verkehr nach Brandenburg und den weiteren Stationen bis Magdeburg eine größere Berücksichtigung derjenigen Wünsche

und

-

Variante lautet:

L. H. Eine zweite freundliche Einsendung lautet: Die Magdeburger Schulkinder schreiben: Dies Buch ist mir lieb, Wer's stiehlt, der ist ein Dieb Wen ich dabei ertappe, Den schlag' ich auf die Kappe.

In

Berlin aber: Dies Buch hab ich gekauft Anna bin ich getauft

ist bekannt.

lich, während auf der östlichen, der Ankunstsseite die direkten Aus¬ der Halle selbst liegen gänge zu dem Droschkenhalteplatz liegen. 5 Geleise, am Ende der drei Ankunftsgeleise ist eine hydraulische

(Rufname) (Vatersname)

Dieses Büchlein ist inir lieb, Wer es maust, der ist ein Dieb, Wenn ich ihn ertappe Mit der schwarzen Kappe Will ich ihm die Kolbe l . . n, Wird er mir's nicht wieder mausen.

geben.

Im Jahre 1861 bereits war zur besseren Bewältigung des Verkehrs ein Umbau des alten Bahnhofs vorgenommen worden. Doch genügte dieser Umbau dem immer größer werdenden Nachdem 1869 ein vollständiges NeubauVerkehre nicht mehr, Projekt ausgestellt war, wurde dasselbe 1870—72 unter der Ober¬ leitung des Bauraths Quassowsty von den Bauisteistern Weise,

zu müssen, die Ohmgasse

Dies Much lein ist mir lieb. Als Kinder pflegten wir hier in Berlin in unsere Schulbücher zu schreiben: Dieses Büchlein ist mir lieb,

wagen vom Berliner Sattlermcister Naufs angefertigt wurden. Im Jahre 1845 löste sich die Begründungsgescllschaft

auf und verkaufte die Bahn an die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschast, welche die Bahn bis Magdeburg verlängerte Die und diese Strecke bereits am 7. August 1846 eröffnete. Wann sec-Bahn wurde am 1. Juni 1874 dem Verkehr über¬

Sehr geehrter Herr! Bedaure lebhaft

hat nicht von einem Kunstgärtner des Namens ihre Bezeichnung einpfangen, sondern von dem früheren Professor der Mathematik an der Königl. Universität Ohm, der daselbst Haus und Garten besaß (wo jetzt, wie ich einmal gehört, Restauration und Gartenlocal ist). In dem Bezirksverein der Köpnickerstr. (in den 50er Jahren) kam einmal zufällig auf mathematische und Wahrscheinlichkeitsbeweise die Rede, da meinte der betr. Herr zur Klarlegung des Unterschieds vor dem Publicum u. A. „Mathematisch beweisen, daß die Ohmgaffe von mir den Namen hat, kann ich es nicht; es ist mir aber wahrscheinlich, da, als sie so getauft wurde, ich der einzige des Namens war, der in der Gasse wohnte." Besten Gruß Ihr ergebener W. Schwartz (Posen).

Ihnen widersprechen

!

Schultze bin ich geboren

Wer's findt, ich hab's verloren.

Emma R.

Im Halberstädtischen schrieb man vor 40 Jahren auf Dörfern in die Bücher weltlichen Inhalts: Dieses Buch ist mir lieb; Wer's mir stiehlt, ist ein Dieb; Wer's mir aber wieder bringt, den hab'

ich

den

lieb.

Dieser Reim ist einem Kinderspiele mit Tanz nachgebildet^ das also lautet: Wer mir die Gans gestohlen hat, der ist ein Dieb; Wer mir sie aber wieder bringt, den hab' ich lieb. Da steht der Gänsedieb! da steht der Gänsedieb!

Durch die Prediger und Bibelgesellschaften ist eine Inschrift Bibeln verbreitet, die also beginnt: die in Wo keine Bibel ist im Haus, Da sieht's gar öd und traurig aus; Da kehrt der böse Feind gern ein, Da mag der liebe Gott nicht sein.

des Publikums stattfinden möchte, welche die bisherige Verwaltung Emil Dominik. bisher übersehen hat.

H. Pr.

Variante: „Dieses Buch hab' ich verloren: bin ich geboren; Felix

...

auch umgestellt.

15

Mitwirkung

Wer nür's bringt, der ist mir lieb, Wers behält, der ist ein Dieb:

Er sey Herre oder Knecht So ist ihm doch der Galgen gerecht."

Dr.

I.

Guben.

Aus Zellin a. D., meiner Heimath, erinnere ich mich des Verses, welchen einer meiner Mitschüler auf dem Deckel eines sehr alten Gebetbuches hatte und den Viele unter uns in ihre Schul¬ bücher schrieben; derselbe lautete:

Ihm ist der Galgen schon recht. Dieselbe Inschrift fand ich vielfach in jenem Theil der Neu¬ mark; und dort namentlich auf der inneren Seite der Gesang¬ buchdeckel, welche in ihren älteren Exemplaren vielfach in den Kirchen liegen gelassen wurden. Zum Schluß noch eine Erinnerung aus dem Senior'schen Bier haus, Französische

Dort fand sich Anfangs der 60 er Jahre auf Zeitungen Zeitschriften stets der Sicherheits-Vermerk: „Gestohlen bei und — Senior." E. Handtmann. Straße.

Im

Jahre 1861 erschien im Lüderitz'schen Verlage hier der I. Band von Julius Mebes, Beiträge zur Geschichte des Brandenburgischen Staates undHeeres. Der II. Band desselben Werkes erschien im Selbstverläge des Ver¬ Der III. und sagers, Georgenstraße 43 im Jahre 1867. IV. Band sind nicht erschienen. Doch hatte der inzwischen gestorbene Oberst

Mebes das

Manuscript dieser beiden Schlußbände, von denen der III. die Geschichte der Jahre 1807—1840 und der IV. Band die Geschichte des Zeitraums von 1840—61 behandeln sollte, fertig gestellt. Wir fragen: Ist einer unserer werthen Leser in der Lage, der Redaktion d. BI. mitzutheilen, in wessen Besitz sich das Manuscript dieser beiden Bände befindet?

In

die historischen vereine der

provin; Brandenburg,

Sachsen, der Lausitz und von Pommern, Posen und

Mtlilcndurg. Wir werden durch uns wiederholt ausgesprochene» Wunsch unserer Leser aufgefordert, regelmäßig Sitzungsberichte aller „historischen Ver¬ eine in oben angeführten Landrstheilen" aufzunehmen. Wir erkläre», diese Wünsche gern berücksichtigen zu wollen, wenn wir durch ocrehrlichc Mitglieder der betreffenden Vereine hierzu in den Stand gesetzt werden. Diese Berichte müffen — darin würde ihr Hauptwcrth liegen — uns von allen Vereine» regelmäßig geliefert werden und müßten sich be¬ schränken ans die Angabe der Vortragsthcmata und auf wichtige Pcrsonalvcrändcrungcn in den Vorständen der betreffenden Vereine. Es würde auch von Werth sein, den Inhalt der bezüglichen Zeit¬ schriften und der sonstigen Publikationen dieser Vereine regelmäßig mitzutheilen. Nur dies zu ermöglichen, müßten uns diese Publikationen entweder in natura eingesandt werden — und wir würden als Ge¬ gengabe dcn^betreffendeu Vereinen unsere Zeitschrift gratis übersenden — oder aber es müßten uns ebenfalls von Mitgliedern der betreffen¬ den Vereine regelmäßig kurze Uebersichten der Vereins-Publikationen eingesandt werden. Wir bitten unsere Freunde in den betreffenden Vereine«, das an¬ regen zu wollen und uns bald Mittheilung zu geben.

Die Herausgeber.

Zur

Geschichte -es

Berliner Witzes.

„Mir ist nicht erinnerlich, jener Berliner Witze gedacht hätte, die Gropius in den dreißiger Jahren unter

Herr Georg Büchmann schreibt uns: daß der

Ihre Zeitschrift jemals

Dekorationsmaler

Schad ow herausgab.

Diese

Bilder

Güte des Herrn Professor Gropius (Gcorgenstraße) einst in Händen gehabt. Ueber, die Mitwirkung Schadow's an denselben be¬ findet sich Einiges in der Lebensbeschreibung Schadows. Auch glaube ich mich zu erinnern, einige von Schadow herrührende auf der Bibliothek der Kunstakademie in der Universitätsstraße gesehen zu haben.

Dieses Büchlein ist mir lieb, Wer mir's stiehlt, er ist ein Dieb. Er sei gleich Herr oder Knecht,

Hine Krage.

des berühmten

befinden sich heute in einer originellen Bildergallerie, näm¬ 'sch en Wein Handlung, unter lich in der Hinterstube der Habel den Linden. Außerdem habe ich eine Anzahl derselben durch die

Ich füge hier hinzu, was Dr. Friedländer in seinem Buche „Gottfried Schadow" darüber vermerkt hat: Unter den „Berliner Witzen", welche in den zwanziger Jahren in der Gropius'schcn Kunsthandlung erschienen, stellt ein Blatt einen französischen Gre¬ nadier vor, welcher im Dunkeln bei der Bildsäule des alten Dessauers im Lustgarten Schildwachc stehend, das Gewehr fällt und ruft: Qui vive? Eine alte Waschfrau erwiedert: Hab' er sich man — la vaclie! Die Zeichnung hierzu, von Schadow, befindet nick) sich in der Bibliothek der Königlichen Akademie. Ebenso sind aus¬ geführte Studien nach der Natur zu einem anderen Blatte dieser Reihe vorhanden: In einem Speisehause ruft ein Gast: „Künftig

bringen Sic mir Bouletten apart und Haare apart!" Herr Georg Büchmann fügt diesem hinzu. Die obige erste Er¬ zählung ist keine Erfindung, sie ist wirklich passirt. Die resolute Waschfrau des Königlichen Waschhauses zwischen Dom und Börse, welche diese

Antwort ertheilte, hieß

Wilbatius,

ich habe sie selbst

gekannt." Zunächst auch an dieser Stelle unsern Dank für die freundliche Anregung. lind dann eine Frage. Wer besitzt ein Exemplar dieses Werkes könnte uns dasselbe leihweise zur Verfügung stellen? Auf wer und der hiesigen Königlichen Bibliothek befindet sich seltsamer Weise D. kein Exemplar dieses Werkes.

Das Hufeisen am Branprinslichen Palais ;n Berlin. Herr von Normann, K. Kammerherr, richtete am 3. Dezem¬ ber 1879 folgende Zeilen an mich: „In der Nr. 28 des „Bär" von 1879 befindet

sich

auf Seite 263 eine kurze Notiz über ein

Kronprinzlichen Palais

eingemauertes Hufeisen, welches nach der Angabe des Einsenders beim Umbau entfernt worden sei. Ich erlaube mir ergebenst mitzutheilen, daß Sc. Kaiserliche Ho¬ am

heit der Kronprinz der obigen Notiz Höchstselbst die Bemerkung hinzugefügt hat: „„Das Hufeisen befindet sich nach wie vor an derselben Stelle"" und gebe anheim, hiervon vielleicht in einer der nächsten Nummern des Blattes den Ihnen geeignet erscheinenden Gebrauch zu machen."

Ueber denselben Gegenstand erhielten

wir

noch zwei weitere

Einsendungen.

Herr von M. in P. schreibt uns: Bekanntlich erlöschen Ein¬ Wahrnehmungen, die in der Jugend aufgenominen werden, nicht leicht, besonders wenn etwas Seltsames oder Wunderbares damit in Verbindung steht. So ist das in Stehe stehende Hufeisen dem Einsender, dainals noch Knabe, zuerst im Jahre 1827 als eine Merkwürdigkeit gezeigt ivorden. Es be¬ fand sich an der oberen Seite einer Fenstereinfassung der Bel-Etage, links von dem jetzigen Balcon, mit der offenen Seite der Wall¬ straße zugekehrt. Von durchaus glaubwürdiger, (belehrender) Seite wurde dem Einsender die in jener Zeit in Berlin ganz bekannte Thatsache mitgetheilt, daß der Kutscher eines Königlichen Wagens bei der Auffahrt auf die Rampe des Palais, die Pferde so plötzlich parirt hat, daß dem einen derselben das Hufeisen abgesprungen und an die Stelle geflogen ist, an der es befestigt worden ist. Den älteren Bewohnern Berlins wird diese Begebenheit gewiß wieder ins Gedächtniß gerufen werden. drücke und

16

Herr Dr. gendem

I.

Guben

|3lui die Anfrage in

schreibt uns hierüber noch das Fol¬ Dir. 28 des Bär, S. 263 kann ich

'Notiz aus dem in der hiesigen Ghmnas.-Bibliothek befindlichen Buche: „Berlin und seine vorzüglichsten MerkwürEin Buch für die Jugend. Berlin 1823. Madigkeiten". gazin für Kunst re. S. 233 mittheilen: „Der Palast des Königs". ■— Eine Merkwürdigkeit eigener Art zeigt das eine Fenster im zweiten Geschosse an dem hier als Wahrzeichen befestigten Hufeisen, welches vor einigen Jahren an einem Tage des Februars, als der Herzog Karl von Mecklenburg etwas schnell nach dem Palaste ritt, dem Pferde vom Hinterhufe ab und zum Fenster des zweiten Geschosses hinein gerade auf den Tisch flog, an dem Se. Majestät der König mit anderen hohen Personen

nachstehende

eben gegenwärtig

^

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Ist

bau aus Sandstein mit Säulen aus polirtem schwedischen Granit. Unter der mittleren Halle, die mit einer Flachkuppel überwölbt gu,

größerer Höhe

sich

erhebt, steht eine vom Bildhauer

I.

Moser iw

carrarischem Marmor ausgeführte überlebensgroße Christus-Figur; ihr zur Seite sind 2 niedrige, zur Aufnahme von Blumen einge¬ richtete Sarkophage, hinter ihr die Jnschristwand angeordnet. Die innere Kuppelsläche und die Zwickel sind mit Mosaik-Bildern auf

Goldgrund (von Salviati hergestellt), die seitlichen Bogenfelder mit Gemälden —. beide von Prof. Pfannschmidt — geschmückt. — Die Herstellungskosten haben etwa 300,000 Mark betragen. D. Bz.

waren."

Ein „Schneider" König Friedrich Wilhelms I.

besitzt. Auf einer Grabstelle von etwa 6,5 Meter Tiefe und 25 Meter Länge, deren beide durch eiserne Gitter eingestiedigte Seitentheile als Vorgärten ausgebildet sind, erhebt sich in der Mitte ein offener dreitheiliger Hallenbau, zu dem von den Vorgärten aus. Freitreppen empor führen — der Unterbau aus Granit, der Ober¬

diese

Geschichte beglaubigt?

Förster erzählt nachfolgende Geschichte: „Einst führte den König Friedrich Wilhelm l. sein Spaziergang und vielleicht Neugier nach dem sogenannten düstern Keller, der chemaligen Tabagie vor dem Hall eschen Thore, der damals eine Einsiedelei war. Ein frommer Clausncr, der unter dem großen Kurfürsten Hofbedientcr gewesen war und seinen deutschen Namen „Schneider" mit dem lateinischen „SurlorituE vertauscht hatte, wohnte dort in einer Höhle, die er sich in den waldbewachsenen Hügel gegraben und lebte von milden Gaben. Der König hatte von ihm gehört und hielt an seiner Höhle an, als er einst des Weges kam, der von Tempelhof nach der Hasenheide führt. „Ich habe deinen Namen vergessen, Alter!" rief ihm der König zu. „Ich heiße Sartorius." „Heißt das nicht Schuster auf deutsch?" „Nein, cs heißt Schneider." „Aber warum wählst du eine so wunderliche Lebensart, du mußt eine besondere Religion haben." „Laß er mich nur" — gab Sartorius, der Jedermann Er nannte, zur Antwort — „bei meiner Lebensart, ich werde damit niemand Anstoß geben, und übrigens bin ich ein guter reformirtcr Christ." „Aber mit deinem Glauben scheint es mir doch nicht recht richtig zu sein?" „Ei" — sagte der Alte — „ich glaube noch immer dasselbe, was ich glaubte, als ich Seinem Großvater die Psalmen vorlas." „Dann habe ich allen Respekt vor deinem Glauben, hier hast du einen Gulden!" „Das Geldstück ist zu groß für mich", sagte der Klausner, der nie anderes Geld, als kleine Kupfermünze annahm und zog sich in seine Höhle zurück. Der König aber ritt weiter." Grat 8. auch die

Das KraVdcnkmak der Familie von Krause auf dem Dreifaltigkeits-Kirchhofe in Berlin, nach F. Hitzigs Entwurf her¬

=

gestellt und kürzlich vollendet, gehört seinem Umfange nach zu den bedeutendsten Werken dieser

Art,

welche die deutsche Hauptstadt

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:

Ein Denkmal zur Erinnerung an die askanischen Herrscher der Mark Brandenburg, in Form eines aus Granitsteinen hergestellten Äusllchtsthurms am WerbeMn-Sec, ist auf Kosten des Prinzen Carl von Preußen auf der Stelle, wo im 13. und 14. Jahrhundert der Licblingssitz der askanischen Markgrafen, die Burg Werbellin, stand, errichtet, und am 2. Oktober eingeweiht worden. Wir bringen von tüchtiger Feder hierüber demnächst Ausführliches. —

^

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Briefkasten.

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1

S. L. Waüstrastc.

Ihren Zwecken würde dienen: „Das. Grundbuch der Stadtgemeinde Berlin oder historische Darstellung des Grundvermögens der Stadtgemeinde Berlin. 1872. Mit 20 Karten." Dr. H. Pröhle hier. Ich bin in der Lage, Ihnen Ihre Frage aus Nr. 23 selber zu beantworten. Der Verfasser von „Vertraute Briefe über Preußens Hauptstadt, Stuttgart und Leipzig 1837" ist Ed. Beurmann. Dr. Guben. Ich kann diejenige Notiz Ihrer Postkarte nicht entziffern, welche von einer „Geburtsangabc vom Jahre 1560" handelt. Jedenfalls steht Ihnen unser Blatt zur Verfügung. Dem freundlichen Einsender der Tutitrcgcdichtc zur Nach¬ richt, daß wir aus Gründen, die brieflich — sobald wir Ihre Adresse erfahren — ausführlich zur Verfügung stehen, diese Dutitre-

I.

anckdoten

Ihnen

nicht veröffentlichen

besten

möchten. Jedenfalls Dank für Ihre steundliche Einsendung.

sagen

wir

Inhalt.

Löwe und Löwin. Novelle von Ludovica Hesekiel. — Der Storch von Beeskow. Eine wahre Geschichte von L. Siegfried. — den Zwölften. Von E. Friede!. — Die Tänzerin Barbarina. Von L. Schneider. — Der Potsdamerplatz und der Berlin-Potsdam-Magdeburger Bahnhof. Von E. Dominik. — Miscellen. — Briefkasten.

In

Abonnements-Aufforderung.

Um in der regelmässigen weiteren Zusendung unserer Zeitschrift keine Unterbrechung eintreten zu lassen, ersuchen wir unsere verehrliehen Leser um baldiges Abonnement für das erste Quartal 1880. Das Abonnement kann, bei jeder Buch¬ handlung, jeder Zeitungsspedition und jeder Postexpedition aufgegeben werden, und beträgt pro Quartal 2 Mark.

recht

SCllOll

tflll

(I(;S El*SCll©lHCHS Um das Eintreffen unserer Zeitschrift lim Bestimmungsorte wir gern bereit, die direkte Zusendung jeder einzelnen Nummer unter Kreuzband zu übernehmen. Das vierteljähr¬ liche Abonnement beträgt alsdann einschliesslich des Postporto’s 2 Mark 40 Pfennig, welches Quartals- oder semesterweise oder auch'ganzjährlich durch Postanweisung eingesendet werden müsste. Wir bitten wiederholt um recht baldiges Abonnement, damit nicht inzwischen, wie das mit dem vorigen vierten Quartale des Jahr¬ gangs 1870 geschehen ist, einzelne Nummern total vergriffen werden. zu ermöglichen, sind

Berlin, 0., Brüderstrasse Für

die Redaction verantwortlich:

Emil Dominik

13.

Expedition des „Bür" Xicolaische Verlaf/sSuchliatidlunff JB. Stricker.

in Berlin.— Verlag der Nicolai schen Verlags-Buchhandlung, R. Stricker, in Berlin. D. Moeser Hofbuchdruckcrei in Berlin.

Druck:

)

YI. Jalh'slrtUsl. ^ J

£

^

Unter Mitwirkung von: C. Alfieri, f. örunolb, Georg öüdjmnnn, Prof. Dr. Paulus Cassel, Stadtarchivar Fibicin, Theodor Fontane, kudovica beschiel, Dr. Hermann filctke, ferb. Meyer, Banrath Crth, Dr. Ferb. Pflug, Dr. H. pröhle, N. SchUlmann, Direktor ' Wilhelm Schwarij in Posen, Archidiakonus Schwebel in Cüftrin, Stadtraty Adolf Streckfuß, Heinrich Wagener in Potsdam :c. ?

^

herausgegeben von Enrst Friedet und

Emil Dominik.

^

-warfst* z^erNN, den 10.

Januar

1880.

Die Zeitschrift erscheint wöchentlich regelmäßig am Sonnabend. Preis vierteljährlich 2 Mark, und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsspeditionen und Postämter, sowie durch die Expedition, 6. Brüderstr. 13 zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Nieolaijche V er la gs--Bn ch han d l n n g. R. Stricker in Berlin zu jenbeu. — Inserate, pro 2gesp. Petitzeile 40 Pfg., werden von alten Annoncenexpeditionen sowie von der Verlags-Buchhandlung entgegengenommen.

Löwe und Löwin. Novelle von £mfouua

/Jcscsiict.

Zweites Kapitel.

sie zu und bemerkte, daß helle Thränen an den langen Wimpern glänzten.

Wie der Kammerjunker von Vippach sehr trübe Erfahrungen machte und gegen die Franzosen zog.

Am ersten Juiki Nachmiltags vier Uhr schritt Lev dein auf dein Stallplatz erbauten Theater des Meisters Ginsti zu; als er dvrt ankam, wurde er mit allgemeinem Jubel empfangen, die meisten der anwesenden Damen und. H erren vom Hofe tvarcn schon im Costünr ihrer Rollen, und auch Vippach säumte nicht, das seinige so schitcll als möglich anzulegen, denn um fünf Uhr sollte das Ballet beginnen. Als er mit seiner Toilette fertig tvar, gesellten sich die beiden Markgrafen Albrecht tuid Christian Ludwig zu ihm, um rasch noch einen Tanz mit dem Junker zu probircn, dtirch den sic den Hof besonders zu erfreuen dachten. Vippach war gaitz beim Tanze, als ihn Markgraf Albrecht plötzlich fragte: „Was ist denn Wahres, Vippach, an der mehr als ver¬ wunderlichen Geschichte, so mir Erlach heut in aller Frühe mit¬ theilte?" „Darf ich mir gestatten zu fragen, welche Geschichte, gnädigster Herr?" „Nun, daß Ihr ein Kindlcin in Eurem Hause aufziehen wolltet, dessen Abkunft Ihr nicht zu kennen behauptet?" Leo wechselte die Farbe. Er ahikte jetzt, warum Hedwig Jngenheim ihm heute so ckalt begegnet war; der Markgraf kvartetc übrigens die Ailtwort auf feine Frage nicht ab, dcnil in dcinsclbcn Augenblick ward die Ankunft des Hofes geineldet, den er begrüßen mußte, ehe er ain Tanze Theil nahin. Vippach entdeckte jetzt seinen Bruder und Herrn von Erlach, die mitten in einer Gruppe von Herren sehr eifrig sprachen; das Blut stieg Lev ins Gesicht, er wußte, von wem sie redeten, und wem das schallende Gelächter galt, das plötz¬ lich aus dieser Gruppe zu ihm herübertöntc. Er wandte sich ab, und sein Blick siel auf das Fräulein von Jugenheim, die gedankenlos vor sich hin schauend an einer Säule lehnte, das zierliche Haupt mit den dunkeln Locken etwas geneigt. Nasch ■

(Fortsetzung.)

trat Leo auf

„Hedwig", flüsterte er, „was habe ich Euch gethan?" Sie hob ihre stillen dunkeln Augen zu ihm empor und Sprechen konnte sic nichtschüttelte den Kopf. Er ergriff ihre Hand; als er sic aber an den Mund — den Mund, den Hedwig Jngenheim sonst so liebte — ziehen wollte, entriß sie ihm dieselbe und trat zu Ihren Gefährtinnen, indem sie ihm zuflüsterte: „Laßt mich, ich will Nichts mehr von Euch wissen." Der sonst so Leichtsinnige fühlte ein tiefes Weh; er liebte diese reizende Jngenheim so sehr, er glaubte sich wiedergeliebt und mußte nun erfahren, welche Macht die Verleumdung auch über ein liebendes Mädchenherz hat. Das Ballet begann. Der Capellmeister der Churfürstin

\

Sophie Charlotte, Attilio Ariosti, dirigirte, unb der ganze Hof staunte über die Schönheit der Decorativnen und Aufzüge, bewunderte die Musik und die Tänze. Die einzelnen Tänzer und Tänzerinnen waren ganz in ihren Aufgaben aufgegangen, nur Leo von Vippach zeigte sich zerstreut, denn cs gelang ihm nicht, einen freundlichen Blick von Hedwig zu erringen, und das ewige Flüstern und Lächeln in seiner Nähe während der Pausen machte ihn vollends verwirrt. Als aber Erlach bos¬ haft bemerkte: „Vippach hat häusliche Sorge," da raunte er ihm zu: „Ich werde Dir Deine Klatscherei gedenken!" „Wann, mein Herr von Vippach?" fragte Erlach, eben¬ falls roth vor Zorn. „Gleich nach den Festlichkeiten." „Gut, das Uebrige wird sich finden." Nach dem Ballet kehrte der Hof ins Schloß zurück, nicht ohne sich huldreichst bei allen Ausführenden bedankt zu haben. Sophie Charlotte hatte den Kaminerjunker von Vippach zu sich gewinkt und ihm halb in ihrer gutmüthigen, halb in spöttischer Weise gesagt: „Macht, daß Ihr das Kind ans Eurem Hause bringt, Ihr macht Euch lächerlich, das rathe ich Euch in aller Huld und Gnade."

18 Also mich die Churfürstin wußte schon darum. Herr von Vippach war heute gar nicht der alte lustige Leo, wohl lachte und scherzte er, aber sein Lachen klang ge¬ zwungen und sein Scherzen matt. Die Aussicht auf ein Duell mit seinem Freunde Erlach erheiterte ihn auch nicht, und die fortgesetzte Kälte des Fräuleins von Jugenheim beim Er hörte kaum Abschied steigerte seinen Grimm aufs höchste. das Bedauern über die Abreise des Fräuleins von Strauß, er redete Mardefeld nicht an, der ein paar Mal an ihm vorüberstreiste und ihn mit seinen großen braunen Augen wie fragend ansah.

Der Hof

speiste

Serviette", für hatten, und für

eine

doch eine gastliche

ging

in tiefer Zurückgezogenheit „von der Ballet mitgewirkt Menge anderer Gäste war im Schlosse

die Offiziere aber, die im

Tafel

gedeckt

worden, und lustig genug

es daselbst zu.

Wieder war es Leo, der den Hauptanlaß zu Spott und Lachen gab, aber nicht lange; er lvars den Spötter» so zornige, beleidigende Worte ins Gesicht, daß er binnen einer halben Stunde wenigstens ein halbes Dutzend Forderungen erhielt. Mit grimmigem Lachen nahm er eine nach der andern an, so daß sein Bruder es tief bereute, in gewissem Sinne doch eine Mitschuld daran zu haben.

Die heitere Festesstimmung war in eine sehr unerquickliche umgeschlagen, scharfe Worte flogen hin und her, die preußischen

!

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das

sie

Tag zu Tag beobachtete Er lachte und jubelte mit

gesprochen hatte, und von

er die Entwicklung des Kindes.

seinem kleinen Mädchen, und bei Hofe begann man sich zu

beruhigen.

Da überraschte ihn eines Tages

sein

Bruder, mjt dein

er sich ausgesöhnt hatte aufs schmerzlichste durch die Nachricht ;

j

von dem Verlöbnis; der schönen Hedwig Jugenheim mit einem hessischen Junker. Aii diesem Abend zürnte Leo selbst auf sein kleines Mädchen; er batte Hedwig so sehr geliebt und noch immer gehofft, sie werde ihm ihre Giinst wieder zuwenden, nun war's ' vorbei. In seinem Liebesweh kain ihm sogar noch einmal der Gedanke, Leaena fortzugeben; „aber nein," sagte er sich,

„nun hilft es doch Nichts mehr, und was kann sie dafür!" Bald genug wurde er innc, daß er sehr klug gehandelt, die Kleine bei sich zu behalten, denn sie ward

in den trüben Stunden, welche ihin Hedwig's Verlobung brachte, sein bester Trost. Die Nachforschungen nach ihren Eltern setzte er zwar noch fort, aber sie waren und blieben fruchtlos. Der neue Glanz seines Vaterlandes half ihm nicht über die Schwermuth fort; im Gegentheil, dem brandenburgischen Junker kam es wie eine Beleidigung vor, daß das neue Königreich Preußen heißen, daß er selbst den Namen Brandenburger nicht länger führen sollte. Bei Hofe erschien Vippach nur, wenn es sein Dienst erforderte, und er war sehr froh, daß er die Krönung in Königsberg nicht mitzufeiern brauchte, denn dort hätte er

Junker, die Churfürst Friedrich gern an seinen Hof zog, geriethcn in Streit mit den Brandenburgern, die Namen Dohna die schöne Ungetreue wiedersehen müssen, ein Wiedersehen, vor Die Brandenburger dem ihm bangte. An das Fräulein von Strauß hatte Leo und Danckelmann wurden genannt. öfter gedacht, besonders da keine Heirath mit ihrem Vetter schalten auf den preußischen Grafen, die Preußen spöttelten über den gestürzten Danckelmann, den Freund der Branden¬ stattfand, und Axel von Mardefeld seit jenen Hochzeitsfeierburger. Der Lärm wurde lauter, als es sich für den Ort lichkeiten verschwunden tvar. geziemte. Da trat ein Herr ein mit mildem, klugem Gesicht, Während Vippach also seinem Liebesgrame nachhing, den die Brust gelegt, und Leaena sein bester Trost war, ging's draußen in der den einen Flügel der Perrücke auf Welt ziemlich unruhig her. Oesterreich rüstete gegen Frank¬ andern über die Schulter geschlagen, ganz wie es am französischen reich, und der neue König von Preußen wurde sein BundesHofe Sitte, im sanniictnen, goldgestickten Justaucorps, in seidenen Zwickelstrümpfen, mit weißem Halstuch, ein Herr, der bei gcnvstc. Da erging auch an Leo der Beseht, ins Feld zu Gelegenheiten, wie die vorliegende, allmächtig war bei Hofe, rücken, ein Befehl, der mit Jubel ausgenommen wurde, wie das bei einem jungen Offizier denn auch nicht anders zu er¬ nämlich der Cercmonicnmeister von Bester. Es tvard stille an der Tafel, die Preußen waren in der warten ist. Leaena war Lev's einzige Sorge; es fehlte ihm iticht an Minderzahl und wußten, daß Herr von Besser kein beleidigendes Wort gegen seinen großen Gönner Danckelmann gestatten Anerbietungen für die Unterkunft des Kindes, aber er entschied würde. Der kluge Cercmonienmcister und für seine Zeit getviß sich endlich dafür, es einer Freundin seiner seligen Mutter, die an den Oberhofmeister v. Dobrzenski vcrheirathet tvar riud treffliche Dichter war in der That gekommen, um Frieden zu stiften und in Folge seiner weisen Rede tvurde der Streit keine Kinder hatte, anzuvertrauen. Ein Jahr vorher noch hätte der Kammerjnnker Lieutenant auch tvirklich geschlichtet. Leo freilich focht so manchen Zwei¬ von Vippach es sich kaum träumen lasten, daß ihm der Ab¬ Klinge schien gefetzt. seine unverwundct, aber aus, blieb kampf schied von einein kleinen Mädchen so schtver werden könite. bei der schönen wieder Dagegen gelang es ihm nicht, sich tvieder drückte er Leaena an seine Brust, Wieder und immer Jugenheim in Gunst zu setzen. und das Kind war vor Schmerz fast außer sich, daß es mit Leaena, welchen Namen das kleine heimathlose Mägdlein behielt, machte dem armen Vippach schwere Sorge. So viel der fremden Frau gehen solle. Eine von Leaena's seidenen Ai übe er sich gab, es gelang ihm nicht, auch nur die leiseste Locken hatte Leo abgeschnitten, um sie als Andenken mitzuSpur ihrer Herkuitft zu entdecken. Sie tvar noch immer in nehmen. Endlich aber tnußte er seinen Schützling doch Frau von Dobrzenski überlasten, mit der Bitte: „Sorgt dafür, edle seinem Hanse, unter der Pflege des alten Hans, obgleich Frau, daß sie mein nicht ganz vergeste". Ein Capital für Pippacb sich mehr als ein Mal vorgenommen hatte, das Kind anderswo unterzrlbringen. Wenn er aber heimkehrte, Leaena hatte er hinterlassen, trotz des Widerspruchs seiner Ver¬ und die braunen Augen ihn so freundlich anlachten, die wandten, aber Leo tvar schon vor Jahr und Tag bei einer Erbtheilung durch besonderen Befehl des Churfürsten für Ärmchen sich um seinen Hals schlangen, und die weichen ' Kinderlippen „Leo" flüsterten, dann vermochte er es nicht, sie majorenn erklärt worden, und so ließ sich Nichts machen. Frau von Dobrzenski hatte aus Leo's Alande Leaena's von sich zu lasten. Sein Raine war das erste Wort gewesen.

19

gelebt, der ihr Wohlthäter war- Leo hatte aus dem Felde ein paar Rial Briefe nach Ruhlcben gesandt, in denen er sich nach seinem Schützling erkundigte; diese Briefe und ein goldenes Kettchen, das Leo ihr beim Abschied geschenkt, waren Leaena's

Dame war sofort entschlossen gewesen, das Kind zn sich zn nehmen, und ihr Gemahl, der ein großer Kindersreund war, hatte Nichts

Geschichte vernommen; die sanfte, leicht gerührte

dagegen.

Herr von Dobrzenski wohnte in dem Schlößchen Ruhlebcn Spandau und Berlin. Dort sollte Leaena ihre Kind¬ heit verleben. Sic hatte sich in den Armen ihrer Pflegemutter Schlafs in den geweint und kam schlafend in Ruhlebcn an, wie einst in Leo's Hause auf der Georgenstraße, das jetzt ver¬ schlossen war; denn der alte Hans wollte seinen jungen Herrn auch nicht verlassen, da er nun in den Krieg zog. Für Leaena war gesorgt, der Schmerz um Hedwig durch die Aufregung, in die ein erster Feldzug immer versetzt, in den Hintergrund gedrängt, und so zog Leo freudig dem Kampf, dem Sieg entgegen.

höchste Schätze.

So blühte für

zwischen

einen Ersatz

Drittes Kapitel. Zwischen Berlin und Spandau liegt noch heute hart an der Landstraße ein einsames Gehöft, das allen Berlinern und

Spandauern unter den: Namen Ruhlcben sehr ivohl bekannt ist. Churfürst Friedrich III. hatte cs von dem Oberhofmeister von Dobrzenski gekauft und der großen Sophie Charlotte ge¬ schenkt. Dobrzenski aber blieb in Ruhlebcn wohnen, um die Anlegung von Garten und Menagerie, die Sophie Charlotte

Wipfeln der.Kiefern verborgen lag.

In

diesen: einsamen Schlößchen nun wuchs Leaena auf,

so recht ein

Kind von Wald und Haide; ihre einzige

Gesell¬

schaft waren ihre Pflegeeltcrn, die Töchter des Försters liitb

Der alte Godeau war eine wichtige Person Frankreich refügirt, hatte er sich dem Ruhlcben; aus für Gärtncrhandwerk gewidmet und genoß die besondere Gunst der neuen Königin, die ihm dci: Garten von Ruhlcben an¬ vertraut hatte. Eigentlich war der alte Godeau hauptsächlich Leaeira's Erzieher, dein: Frau von Dobrzenski war viel kränk¬ lich, und ihr Gemahl häufig in Berlin, Godeau aber war der alte Godeau.

immer da, und Leaena lernte spielend französisch, die einzige Sprache, welche der Alte verstand; sie half ihn: seine Blumen pflegen und warten, sic lauschte feinen Erzählungen aus dem alten Frankreich rurd lernte französische Lieder von ihm singen. Ein Thema' aber gab es, das sie nicht mit Godeau be¬ sprechen konnte, mit dem sie allein ans ihre Pflegemutter an¬ gewiesen war, nämlich Leo von Vippach, den ja Godeau nicht gekannt hatte. Frau von Dobrzenski hatte Leaena frühzeitig mitgetheilt, warum sie so heiße, und die lebendige Kinderseele hatte sich in einen förmlichen Cultus für den Mann hinein¬

den ihnen versagten Kindersegen fanden und

im Herzen den Kaunncrjunker von Vippach segneten, daß er ihnen diesen Schatz anvertraute. Leaena liebte ihre Pflegeeltern aufs zärtlichste, aber mit noch größerer Dankbarkeit hing sic an dem Entfernten, dessen Bild freilich ihrem Ge¬ dächtniß entschwunden rvar, das sie sich aber mit den leuchtend¬ Sie lernte von ihrer Pflegemutter, sten Farben ausmalte. tvas einem Mädchen damaliger Zeit zu missen nöthig war, also nicht cbcir viel, aber sie lernte es mit Eifer. „Wenn Leo zurückkommt, soll er sich über mich freuen," sagte sie und überlegte, wann das wohl sein könne. Sic war tütn schon ein ziemlich großes Mädchen, sie mußte ja, so weit sich das bestimmen ließ, über zwölf Jahre sein, und Leo hatte so lange Nichts von sich hören lassen. „An: Ende hat er sein kleines Mädchen ganz vergessen," seufzte sie leise; sic hätte ihn so

Wie Leaena aufwuchs und die Gunst eines alten Herrn gewann.

befohlen, zu überwachen. Reben dem hübschen Hanse, das Dobrzenski gebaut, befand sich damals auch das Forsthaus des Försters der Teltowschen Haide in Ruhlcbeu, so daß es in jenen Tagen lebendiger dort zuging, als heute- Auch die Umgebung war eine wesentlich andere; wenn jetzt an der einen Seite erst ain fernsten Ende des Horizontes die Wipfel des sogenannten Selbclang — eines meilcnwcitcn Forstes — als duftige vcrschwimmcnde Linie auftauchen, und auf der andern nur schwache Ausläufer der Haide sich bis zu dem einsamen Gehöft hinziehen, so traten zu Ansang des vorigen Jahr¬ hunderts Wald und Haide noch dicht heran an die Mauern von Ruhlcben, das still und friedlich in den immergrünen

zur Freude der Pflegeeltern, die in ihr

sic ans

gern wiedergesehen. Solchen Gedanken

hing sic auch eines Morgci:s nach, als sie neben den: alten Godeau stand, der einen Nelkenstock aufbai:d und stützte. Die Sommcrsonne schien hell auf ihr goldenes Haar, das, nur durch eii: buntes Band zusammen¬

!

gehalten, über den weißen Hals und die noch etwas spitzen Schultern floß; auch ihre Arme waren noch mager und eckig, das Gesicht dagegei: r:u:d und freundlich. Es tvar noch ein Kind, das da dem alten Franzosen so eifrig zusah, aber dieses Kind hatte schon die Augen eines Weibes, große, braune, von Diese hellen, goldigen hellen Wimpern verschleierte Augen. Wimper«: über den dunkeln Sternen gaben den: Gesicht einen eigenthümliche«: Reiz.

„So still hellt, mignonne," fragte der alte Godeau, „wollen wir ein Lied mitsammen singen?" „Aber keins von den traurigen, Vater Leaena nickte. Godeau, eins aus dem lustigen Frankreich!" Etwas schell sah Godeau um sich. „Als «vir die ver¬ besserte Religion annahmen, verstummten die Lieder, aber mir haben sie nicht vergessen, und hier zn Lande gilt's ilicht für Sünde, sie zu singen." „Rein, i:ein," drängte Leaena, „geschwind, Vater Godeau." Der Alte nahm das Käppchci: ab; „mein Licblingslied," sagte er ui:d begani: mit zitternder, aber reiner Stiiiliire: „Viens, snrore, Je timplore, Je suis gai quand je te vois; La bergere Qui m'est obere, Est verweilte comme toi!“

Und dann fiel Leaena in hellen klarei: Töne«: ein: „Elle est blonde Sans seconde,

Elle

a

la taille ä la main,

Sa prunelle

Etincelle Comuie l’astre du matin.“

Sie klangen so «vunderbar mit einander, diese beiden Stimmen, durchaus nicht schön, aber es lag etlvas Rührendes darin, und tapfer sangen sie meitcr:

„Les trois graces

Als Lindenberg der „Here", wie er sagte, den Mund zu halten befahl, da drohte Mutter Barbe und warf dem vornehmen Ritter diese Mahnung an den Kops: „Ihr sterbt mal nicht im Bette, mein feiner Herr, ihr habt eins von den Gesichtern, denen man's aus der Stirn ablesen kann, daß der Teufel allezeit bereit ist, sie zu holen. Wenn Ihr einen Widerwillen gegen das Hangen habt, dann bleibt der Landstraße fern!" Der Neffe von Mutter Barbe, Peter Linden, wie ihn der Kurfürst, der ihn in seine Dienste genommen hatte, getauft hatte,

Snr ces traces Font naitre im essaim d’amour,

La sagesse, La justesse

*•

Aeeompagnent ses discours.“

„Das war

ein Sieb aus dem lustigen Frankreich vom

lustigen König Heinrich," flüsterte der Alte, und die dunkeln Franzoscnaugcn blitzten auf.

„Hub

ihr

doch weinst

Du,"

sagte Leaena leise imb schmiegte

war mit nach Berlin gezogen und befand sich in der Leibwache Auf dem Wege nach Spandau hatte er einmal

lichtes Köpfchen an seine Schulter.

des Kurfürsten.

„Das denke

macht das Heimweh," entgegnete er saust, „ich immer an die Heimath, wenn ich cs singe, und an

Dvonnc." (Fortsetzung folgt.)

Joachim I.

Adolf Streckfuß. Vorbemerkung.

Roma» in historischen Bildern voy

Für diejenigen Werthen Leser, welche noch nicht Abonnenten Jahrgangs 1879 waren, gebe ich zum bessern Verständniß des Folgenden eine kurze Skizze dessen, was die ersten Kapitel ent¬ des

hielten. Joachim

Vater

eben

I,

der jugendliche

16jährige Kurfürst war seinem Aus dem Sterbebette hatte

in der Regierung gefolgt.

er die goldene Lehre empfangen, die Unterdrückten zu beschützen, die Schmeichler zu fürchten, den Adel im Zaum zu halten und sein

Volk in Kunst ttnd Wissenschaft einzuführen. Int Kloster zu Lehnin, in der dortigen Fürstengruft, war die Leiche des Kurfürsten Johann beigesetzt worden, dann hatte Joachim I ntit fester Hand die Zügel der Regierung Brandenburgs ergriffen, Aber der Adel des Landes glaubte nicht an die „feste Hand" des sechszehnjährigen Knaben, er dachte die jugendlichen Jahre des Regenten für sich auszunutzen, die alte Rohheit des Straßenraubes wurde wieder lebendig, kurz die Straßen wurden unsicherer wie je zuvor.

Vom Begräbniß des Kurfürsten weg hatten Adlige einen Berliner Kaufmann geplündert, und der Vertraute des jungen Fürsten, ein Herr von Linden der g hatte — trotz aller ange¬ wandten Mühe — nicht vermocht, die Schuldigen zu entdecken. Und von da ab kamen täglich Berichte an den Kurfürsten, welche von neuen Raubanfällen auf der Landstraße erzählten. Mit Sammctinasken machten sich die Thäter unkenntlich und es gelang in keinem einzigen Falle, die Schuldigen festzunehmen. Als der junge Fürst seinem Freunde von Lindenberg darüber Vorwürfe machte, wußte dieser durch allerlei Scheingründe das Herz des Kurfürsten zu bestricken und ihm den Glauben beizu¬ bringen, daß Alles geschehe, um eine Entdeckung der Schuldigen zu bewirken. Auf einer Jagd int Spandauer Walde war ein Wolf aufge¬

stört worden und Kurfürst Joachim nebst Lindenberg hatten den¬ selben so eitrig verfolgt, daß sie ihren Weg verloren und in einer Köhlcrhütte Auftiahme suchen muhten. Eine Frau und deren Neffe bewohnten dieselbe. Die Frau — Mutter Barbe — bewillkommnete die Verirrten nicht eben

freundlich, denn sic hielt sie für Straßenränder. Als aber der Kurfürst versicherte, daß er, wenn er könnte, die Straßen schützen würde aber nicht berauben, da lehrte ihn Mutter Barbe das „Kaufmannsgcbet", das der geängstigtc Kaufmann damals betete, wenn er die sicheren Mauern der Stadt verließ. Es lautete: „Behüt' uns lieber Herre Gott Vor Kracht und Jtzcnplitz Vor Köckeritz und Lüderitz!"

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I

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!

dem Kurfürsten das Leben gerettet, als ein wüthender, halbver¬ wundeter Bär bereits seine Tatze in die Schulter Joachims einge¬ hauen chatte, und das machte, daß er dem Kurfürsten näher stand, als sonst wohl Männer aus der Leibwache. So begleitete er Nachts den Kurfürsten auch, als dieser, den Neigungen seiner Zeit Rechnung tragend, den in Berlin anwesenden Doctor Faust aufsuchte, der in der Brüderstraße logirte. Er wollte von dem berühmtesten Alchymisten und Astrologen seiner Zeit, dem Abenteurer aus dem Städtchen Knittlingen (zwischen Maulbronn und Bruchsal an der Stuttgart-Heidelberger Bahn) die Namen der Männer erfahren, welche ungestraft ihn verhöhnten, welche in seiner Nähe lebten, von ihm besoldet wurden und — hinter seinem Rücken die Landstraßen beraubten. Der berühmte Doctor nannte ihm natürlich die Namen nicht, denn er wußte sie nicht, machte ihin dafür aber einen Hokuspokus vor, der Joachim derartig erschreckte, daß er ohnmächtig wurde und halb verstört, mit Peter Linden in's Schloß zurückkehrte. Als am darauf folgenden Tage Joachim den Ritter Linden¬ berg nach dem Hause der Brüderstraße schickte, um den Doctor Faust aufs Schloß zu bescheiden, stand das kleine Haus öde und leer, Doctor Faust war abgereist. Es war im November, der Kurfürst hatte bei Beelitz eine große Jagd abgehalten. In den Nachmittagsstunden hatte er von einem reisenden Krämer einige kostbare Bücher gekauft, dann war er nach einer kurzen Berathung ntit seinem Rathe, dem Ritter Eitelwolf von Stein und dem Rath von Schlicken ftühzeitig in sein Zimmer gegangen und hatte sein Jagdgefolge entlassen. Die adligen Herrn ergötzten sich am Beelitzer Bier und mit dein Würfelbecher und der Edle von Lindcnberg verlor und verlor, und all sein Geld wanderte in die Tasche des langen Jtzcnplitz. Lindenberg schlug die Faust auf den Tisch und wetterte : „Seit die verfluchte Hexe im Spandauer Walde mir's angethan hat, ist mein Glücksstern dahin! das Satansweib hatte den bösen Blick." „Es ist eine Hexe, die Muhme Peter Lindens!" riefen die Freunde des Ritters, und „Ja wenn's Hexen gäbe!" hatteHerr vonLindenberg gerufen. — Hören wir nun, was uns Adolf Streckfuß weiter erzählt.

v.

„Ihr

Zweifler, Herr von Lindenberg," entgegnete Herr von Jtzcnplitz, „ich fürchte. Euch wird die Strafe des Zlveifels treffen. Wagt es nicht, dem Kurfürsten mit Euren freigeistigen Anschauungen zu kommen; dieser möchte wahrlich dieselben ungnädig aufnehmen, er ist ohnehin seit einiger Zeit merkwürdig verändert. — So blaß, so schweigsam, wie in den letzten Wochen habe ich ihn nie gesehen, selbst sein Lieblingsgcspräch, seine Drohungen gegen diejenigen Adligen, die auf die Landstraße reiten, stößt er nicht mehr aus." „Vielleicht ist er es müde, taubes Stroh zu dreschen," sagte Heinrich von Kracht spöttisch, „Drohungen, denen die Ausführung fehlt, haben keinen besonderen Werth und unser gnädigster Kurfürst hat zwar bisher viel gedroht, aber noch seid ein böser

-

21

von uns ein Haar gekrümmt. — Aber Scherz bei Seite, es ist nicht mit ihm zu spielen. — So lange er drohte, schien er mir nicht gefährlich, jetzt aber, wo er so ernst und still vor sich hin blickt, möchte ich nichts mit ihm zu thun bekommen; Ihr seid ja sein liebster Freund, Herr von Lindcnberg, könnt Ihr uns nicht sagen, welchen Grund die seltsame mit.dem Kurfürsten vorgegangene Ver¬ änderung hat." „Auch mir," sagte der Ritter von Lindenberg, „ist es aufgefallen, daß der Kurfürst seit etwa 14 Tagen ein anderer Mensch geworden ist. Während er früher häufig lachte und

keinem

blickt

scherzte,

was eigentlich mit dein Kurfürsten vorgegangen ist. Ich selbst ahne cs zwar, aber doch weiß ich nichts Bestimmtes." „Erzählt, Freund, erzählt!" riefen die adligen Herren, und rückten näher zusammen, mit der gespanntesten Aufmerk¬ samkeit den Hauptmann von Otterstedt anhörend. „Ich kann Euch nur wenig mittheilen," fuhr dieser fort, „und wie gesagt, nichts Bestimmtes. Vor etwa 14 Tagen erschien tief in der Nacht der Peter Linden am Schloßthor und verlangte, indem er das Jnsiegcl des Kurfürsten als Be¬ weis vorzeigte, mit einem Fremden auf ausdrücklichen Befehl Joachün's aus dem Schlosse gclafien zu werden, der Linden

er

,

jetzt ernst und trau¬

__

gerade

hatte

vor

Wache

die den

Joa-

rig vor sich hin und

Zimmern

spricht wenig; er scheint sein einziges

chiin's, so blieb denn dein Wachtmeister

Vergnügen in alten Büchern zu finden, die er aus allen Sammlungen zu¬ sammenholen läßt.

nichts anders übrig, als dem Befehle zu gehorchen. Linden

In

seinem

verließ, vo>i einem

in einen dichten Mantel gehüllten

Ge¬

zu

Kölln,

gefolgt,

Fremden

mache, im Schlosse

das Schloß. Nach etwa zwei Stunden kehrte er zurück unb

sieht es

aus, wie im Stueines dirzimmer Schriftgelehrten;

Fremde

derselbe

ihm;

der

Wachtmeister

will

alte Folianten lie¬ gen auf allen Ses¬

folgte

und Tischen, seltsame Bilder¬ werke mit merkwür¬ digen Zeichnungen in griechischer und

behaupten, es», sei kein fremder Mann

Spra¬

Kurfürsten selbst erkannt. Am folgen¬ den Tage wurde ich beauftragt, ben berühmten Doktor Faust, der damals

seln

lateinischer che.

In

gewesen,

er

habe

am Gange nnb an der Haltung den

diesen stu-

dirt der Kurfürst oft bis tief in die Nacht hinein. Ich wagte es, ihn zu fragen, was er denn in diesen selt¬ samen alten Hand¬

in Berlin ailfhielt, zum Kurfürsten zu be¬

schriften suche, da

scheiden, aber Dok¬

gerade sich

tor

mir

erwiderte

er

mit einem

so spöt¬

Oir Üittschristrnliiide vor drin Ktadtschtoffr in Potsdam. Orrginalzeichmmg von G. The »erkauf.

Faust

hatte

bereits am vergan¬ die genen Tage

und vor¬ (Text Seite 23.) verlassen. Stadt Lächeln, wie ich es nie an ihm gesehen: Das verstehst Du nicht, Seit jener Zeit ist das Wesen Joachün's so gänzlich verändert. Lindcnberg, Du bist ein trefflicher Ritter, ein feiner Hofmann, Ich war natürlich neugierig, von dem Linden etwas Näheres über den seltsamen nächtlichen Spaziergang zu erfahren; ich aber um die edle Wissenschaft kümmere Dich nicht, die Tiefen derselben sind Dir verschlofien. Er entließ mich mit diesen fragte ihn, aber Ihr kennt ja den naseweise» Burschen, er Worten, um weiter in den alten vermoderten Bänden zu for¬ antwortete mir mit kurzen Worten: „Kurfürstliche Gnaden haben mir Stillschweigen empfohlen, ich darf daher Erirc Frage schen. Den Peter Linden hat er in sein besonderes Vertrauen nicht beantworten, gestrenger Herr Hauptmann." Vergeblich gezogen, diesen schickt er bei allen möglichen Priestern umher, und läßt durch ihn die Bücher zusammenholen, wo er sie nur waren alle ineine Bemühungen, mehr zu erfahren, ich ging so

tischen

nehmen

irgendwie auftreiben kann."

„Der

Köhlerbursche könnte überhaupt," fiel der Ritter

von Otterstedt ein, „uns die

beste

Auskunft darüber geben,

weit, daß ich dem Köhlerburschen ein paar Goldguldcn in die Hand drückte und sagte: mir, seinein Hauptmann, habe er vor allen Diiigen die Pflicht, die reine Wahrheit mitzutheilen, da

22

als Hauptmann der Leibwache für das Leben meines Fürsten verantwortlich sei, aber spöttisch erwiderte Peter Linden, ich werde seine kurfürstliche Gnaden darum befragen; wenn der Kurfürst es mir erlaubt, bin ich gern bereit, dem gestrengen

gangen, einer der Herren nach dein anderen hatte

ich

ließ nicht mit

sich scherzen. Es war spät geworden und zuletzt nur noch die Ritter von Otterstedt und Lindenberg beim Bierkrug. Heinrich von Kracht wollte sich eben als der letzten Einer entfernen, da winkte ihm der Lindenberg und bat ihn, noch eine kurze Zeit in' traulicher Unterhaltung zu bleiben. Als die drei allein waren, blickte der Lindenberg lang¬

saßen

Herrn Alles zu sagen, was er will. Ich hatte Blühe genug, ihn zu bewegen, daß er mich nicht verriethe. Jedenfalls hat in jener Nacht sich irgend ei» seltsames Ereigniß zugetragen, wahrscheinlich ist Joachim selbst beim Doktor Faust gewesen, was er aber bei diesem gesehen oder gehört, das weiß ich nicht." —

auf, schaute aus der Thür, ob and; kein Lauscher hinter derselben verborgen wäre und schloß dieselbe. Erst nachdem er sich überzeugt hatte, daß er mit den beiden vertrauten Freunden ganz allein sei, setzte er sich zu ihnen und begann mit leiser Stimme: „Der Krämer, welcher hellt dein Kurfürsten die wcrthvollen Bücher verkauft hat, sam um sich, dann stand er

wurde über die seltsame Begebenheit im Kreise der adligen Herren gesprochen, viel Muthmaßungen tvurde» geäußert, manche seltsame Geschichte von dem be¬ rühmten Doktor Johannes Faust, dessen Name damals durch ganz Deutschland al§ der des berühmtesten Astrologen und Alchymisten tönte, erzählt. Die Einen wußten mit voller Be¬ stimmtheit, Doktor Faust habe seine Seele dein Teufel ver¬ kauft, Satanas sei in einer Nacht, als Doktor Faust gerade mit Goldmachcn sich beschäftigt habe, in seinem Studirzimmer erschienen, er habe sich als ein schöner Kavalier, mit einer herrlichen Halskette und schwarzem Wamse geschmückt und einer wallenden rothen Feder aus dem altcrthümlichcn Barette, ge¬ zeigt. Der berühmte Doktor, der an den Umgang mit Geistern gewöhnt sei, habe den Höllenfürsten freundlich und ohne Scheu empfangen, sie hätten vieles hin- und hergesprochen, Satanas habe dem Doktor Faust alle Schätze der Welt zugesagt, wen» dieser ihm seine Seele verschreiben wolle, aber lachend habe der gelehrte Herr erwidert, Schätze könnten ihm nichts nützen, denn das Gold mache er sich nach Belieben selbst, so viel als er nur irgend wolle; da habe ihm Satanas die höchsten Ehren der Welt versprochen, auch dieses Versprechen wäre nicht lockend genug für den Doktor gewesen, denn alle Ehren Noch Vieles

lvollte, lvenll

Als nun Satan nicht mehr geivußt habe, lvas

versprechen solle, da habe er sich endlich dazu verstanden,

Doktors diesem die Gewalt über alle Erd-, Lust- und Wassergeister auf eine lange Reihe von Jahren ein¬ die Seele

des

zuräumen.

Einem solchen Versprechen habe Faust nicht wider¬ stehen können, mit einem spitzen Meffcrchen habe er sich eine Ader geöffnet und mit seinem eigenen Blut einen Kontrakt

mit

dem Teufel

wozu ihm Letzterer eine Hahnenfeder geborgt habe. Seitdem herrsche Doktor Faust ebensotvvhl lvic der Höllenfürst selbst über alle bösen Geister, er könne im Augenblick von einem Orte der Welt zum an¬ deren sich begeben, denn er brauche nur auf seinen schwarzen

Mantel

niedergeschrieben,

sich zu setzen,

lustigen

Ihr

Ritt?"

„Ei! Ei! Herr Ritter lachend,

„wollt Ihr

von Lindenberg," entgegnete Kracht vielleicht auch in das berühmte Morgen-

mit eingeschlossen werden?" „Spottet nicht, Herr Heinrich von Kracht, Ihr wißt,

gebet der Kaufleute

daß

Eller treuer Freund und Bundesgenosse bleiben lverdc. Ich habe hellt an den langen Jtzenplitz meiilen letzten Goldgulden verloren, und was das Schlimmste ist, das Gold ist nicht mein Eigenthum, es gehört dem Kllrfürsten! Joachim hat mir eine Summe vertraut, die ich für ihn zahlen soll, und diese habe ich verloren, ich lvürde um Amt und Ehren kommen, lvcnn ich sic ilicht ersetze. Borgen kann uild tvill ich sie nicht, so soll sic denn der schliftige Krämer mir liefern, der ohnehin unseren gnädigen Herrn ans das Schändlichste betrogen hat, denn wer in aller Welt mag wohl für ein paar lumpige Schriften 50 Goldgulden zahlen?" „Ich streite mit Euch nicht, Herr von Lindenberg, und ich

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denke nicht darail, Elicr zu spotten; wollt Ihr den Ritt machen, in Gottes Namen, ich wünsche, daß er Euch wohl bekomme, ich aber kann nicht dabei seill." „Ihr wollt ilicht, Herr von Kracht und ich glaubte, solche

Abenteuer kämen Euch immer gelegen!" „Sonst immer, hellt aber nicht. Der Krämer würde mich augenblicklich lvieder erkennen, denn ich habe während

dann flöge er auf diesem durch die Lust,

Jnqusition könne ihm nichts anhaben, denn so lange bis sein Kontrakt mit dem Teufel um sei, so lange lebe er in höchsten Ehren, dann aber lvcrde Satanas selbst ihm in einer Nacht das Genick brechen und ihn mit sich nach der Hölle hinabführen. Dieser Erzählung tvidcrsprachen Andere und behaupteten, Doktor Faust habe keineswegs der schwarzen verbotenen Magie sich ergeben; allerdings sei ihm die Geistcrwelt untcrthänig, aber nur, weil er durch seine Kunst und Gelehrsamkeit sich habe beherrschen lernen, er habe den Stein der Weisen ge¬ funden und dieser gebe ihm seine Macht und seine Kraft, da¬ gegen könne Satanas selbst nichts machen. — Unter solchen Unterhaltungen war der Abend schnell ver¬

irre, von hier aus nach Potsdam ziehen;

Freunde, unsere Pferde sind schnell, in wenigen Stunden holen mir ihn ein und ehe der Kurfürst erwacht, sind wir zurück, so daß der Verdacht auf uns nicht fallen kailn. Der spitzbübische Krämer hat für seine eleilden Bücher dem Kurfürstcil 50 Gulden abgenommen; als er die¬ selben in seinen Beutel warf, da sah ich, daß derselbe bis an das Bund gefüllt war! Was denkt Ihr Freunde über einen

er

für

ich nicht

die Nacht ist dunkel,

der Welt könne er mit seinen unendlichen Goldschätzen sich er¬

kaufen.

mit Bier

sich

schwerem Kopfe zurückgezogen, denn das starke Beelitzer

des ganzen Handels dicht neben ihm gestanden, habe mit ihm gesprochen, außerdem kennt er mich schon seit längerer Zeit."

selbst die heilige

„Es giebt !

ein

Mittel,"

sagte der Lindenberg finster,

„daß

er nichts ausplaudert, wenn er Euch erkennen sollte."

„Ihr

wollt ihn still machen, Herr Ritter von Lindenberg, das," entgegnete der Kracht ernst, „aber ich liebe begreife ich Im ehrlichen Kampf mag solche Unternehmungen gar nicht. man einen Todtschlag begehen, aber mit kaltem Blute um seiner Goldguldcn willen kann ich einem Menschen nicht das Leben nehmen."

rief der Ritter von Lin¬ denberg verächtlich, „solch Gesindel ist ja nur wie das Ge¬ schmeiß in der Welt, um dem Adel zu dienen."

„Was liegt an

dem Burschen,"

23

Art, Herr Ritter, Ihr nach der enrigcn, mcinigen; manchen Ritt habe ich auf die Land¬ straße gemacht und bin mit reicher Beute zurückgekehrt, aber ich hab's mir einmal zum Grundsatz gemacht, Blut dabei nicht zu vergießen, wenn's nicht im Kampfe wäre. Mein guter Stern würde von mir weichen, wenn ich es anders machteIhr glaubt nicht daran und ich will Euch nicht zu meiner Ansicht überreden, aber ich bleibe meinem Grundsätze getreu; außerdem möchte ich nicht gerade jetzt neuen Verdacht auf mich laden; seitdem das verfluchte Kaufmannsgebet dem Kurfürsten zu Ohren gekommen ist, schaut er mich jedesmal, wenn er von einem Raubanfall hört, mit so großen strengen Augen an, daß ich denke, er möchte mir in die Seele hineingucken, ich habe aus seine Drohungen nie viel gegeben, jetzt aber, wo er nicht mehr droht, ist mir die Sache bedenklicher." „Wie Ihr wollt, Herr von Kracht," cntgegnetc der Lin¬ denberg ärgerlich, „Ihr, Otterstedt, werdet mich aber sicherlich nicht verlassen, Ihr seid ausgeplündert heut Abend wie ich, der Krämer allein kann uns retten." „Ich ziehe mit Euch, Lindenberg," entgegnete Otterstedt und schlug in die hingereichte Hanv ein. „Dann wünsche ich Euch viel Glück auf die Reise, Ihr Herren," sagte Heinrich von Kracht, aufstehend, „daß Ihr von mir einen Verrath nicht zu erwarten habt, brauche ich wohl kaum zu sagen; noch Eins, einen Rath will ich Euch aber auf den Weg geben, verfolgt den Krämer nicht auf falscher Fährte, er hat öffentlich geäußert, er »volle nach Potsdam ziehen, um so sicherer wird er den entgegengesetzten Weg nehmen. Ich gestehe Euch, auch ich fühlte, als ich den ge¬ spickten Geldbeutel des Burschen sah, die brennendste Lust, ihm zu folgen; ich ritt deshalb, als der Kramer die Stadt verlassen hatte, ihm nach, um mich zu überzeugen, welchen Weg er einschlagen würde, da sah ich, wie er, nachdem er den Weg nach Potsdam eine kurze Strecke verfolgt hatte, aus¬ bog und einen Feldweg einschlug, von diesem aus wird er sicherlich um Beelitz herum sich nach Treucnbrietzcn zu wenden. Wollt Ihr ihm also nacheilen, so sucht ihn aus dein Wege nach Treuenbrietzen, dort findet Ihr ihn sicher. Gute Nacht, Ihr Herren, glückliche Verrichtung." Heinrich von Kracht schüttelte bei diesen Worten jedem der Ritter freundlich die Hand und entfernte sich dann. Die beiden edlen Freunde hatten nicht viel mehr zu über¬ legen, sie waren zu der Unternehmung entschlossen- Nach einer Viertelstunde finden »vir sic schon auf dem sandige»» von „Jeder

nach seiner

ich nach der

Beelitz nach Treuenbrietzen führenden Wege. Sie ritten schnell vortvärts und »varcn nach kurzer Zeit bei dem Dorfe Elshvlz angelangt. Alles schlief in den niederen

Hütten, in jener Zeit legte man sich früh zu Bett, das Dorf »var todt und still. Die Reiter hielten ihre Pferde an und berathschlagtenDaß der Krämer nicht seinen Weg, wie er gesagt, »»ach Potsdam, sondern »vie Hei»»rich von Kracht an¬ gegeben hatte, nach Treuenbrietzen nehmen werde, »var »»»ehr als wahrscheinlich, ein Krämer, der mit »vohlgefüllter Börse auf der Landstraße reitet, thut sicherlich nicht gut, »venu er den »vahren Weg, de»» Adligen im Gefolge des Kurfürsten den zu reisen er beabsichtigte, angab; er hatte sicherlich andere Plane, als er offen erzählte, er »volle nach Potsdam reisen; trotzdein aber »var es höchst ungewiß, ob er auf der geraden Straße nach Treuenbrietzen oder auf Schleich- und Wald¬

wegen reisen würde;

das Letztere erschien sogar viel wahr-

scheinlicher, denn die Landstraße

war für einen

»»»»beschützten

Krämer der gefahrvollste Weg. A»»f den Schleich- und Waldtvegen den Krämer z»> erreichen »var schwierig genug, denn die Ritter konnten nicht mit Sicherheit wissen, welche Rich¬ tung er einschlagen würde. Sic »varcn noch in eifriger Be¬ rathung, ohne zu einem Ziel kommen zu können, als sie von fern in» Hellen Mondenschein einen einsamen Wanderer nahe»» sahen ; sch»»ell ritten sie ihn» entgegen, und holten bald einen Bauern eii», der vergeblich sich bemühte,

vor

den

Rittern zu fliehen.

(Fortsetzung folgt.)

Die Dittschriftenlinde vor dem L'tadtschlosse in Potsdam. (Hierzu Illustration S. 21.)

Einen noch lebenden Zeitgenossen Friedrichs des Großen soll inan ehren, zumal wenn derselbe dem großen Könige so nahe gestanden hat, wie der oder richtiger wie die nunmehr 135 Jahre alte sogenannte Bittschristenlinde vor dem Arbeitskabinet des „alten Fritzen." Das Potsdamer Stadtschloß ist bekanntlich noch mehrere Jahrzehnte älter als das Berliner. Der große Böhmenkönig Karl, einer der besten Herrscher der Mark, schuf auf der Stelle, ivo heute der Um- und Neubau des Potsdamer Stadtschlosses steht, eine Burg*). Dieses Haus hat zu verschiedenen Zeiten sich die tiescinschneidendsten Umbauten gefallen lassen müssen, so besonders zu Joachiins I. Zeitei», dann in den Jahren 1660 und 1673, darauf von 1683—1701 und endlich bei Antritt der Regierung Friedrichs II. durch den

Freiherrn von Knobelsdorfs.

Ich führe das hier an, weil man mit den Umbauten rechnen muß, tvill man das Lebensalter der Bittschristenlinde bestimmen. Es können nur 2 Zahlen in Betracht kommen, 1695 oder 1745. die erstere Zahl ist der Baum zu jung — so sagen die Fach-' leute und ich mag solchen nicht widersprechen —, freilich »vciß ich, daß in diesen Jahren bis cttva 1701 Linden vor dem Schlosse gepflanzt wurden; für die Geburtszahl 1745 spricht die „Geschichte

Für

der Schloßstraße", auf deren Terrain heute noch unsere Linde grünt und blüht. Die Häuser der Schloßstraße sind nämlich von 1745 ab neu und massiv gebaut, auch die Straße selbst nebst einem Theile des Marktes, »veil dieselben gegen das Schloß zu hoch gelegen waren, tvurden in diesem Jahre um 3—4 Fuß abgetragen und neu gepflastert, — ob mit Bäumen versehen, das finde ich nirgends. Mag nun unsere Linde bald ziv ei hundertjährig sein oder im rüstigen Greisenalter von 135 Jahren Wind und Wetter trotzen, »vir »vollen ihre Geschichte hören. Der Baun» steht vor dem Garten des Grundstücks am Schloß Nr. 1 und damit unmittelbar vor dem Fenster des Arbeitskabinets König Friedrichs des Großen. Es »var natürlich, daß diejenigen Bittsteller aus der Nähe ui»d Ferne, ivelche ihr Gesuch dem Könige woinöglich persönlich vortragen wollten, sich bei derselben aufstellten u»»d dann die Bitt¬ schriften in die Höhe hielten, uin die Aufmerksamkeit des Monarchen au» sich zu ziehen. Der Baum spiegelt sich nämlich noch beute in dem Spiegel, welcher sich neben dem „Drachenköpfe" und rechts voin Arbeitstische Friedrichs des Großen befindet. Wer an der Linde staub, mußte vom Könige — vorausgesetzt natürlich, daß dieser am Tische arbeitete — beinerkt werden. Die Leute *) Anmerkung der Redaktion:

Zwei ausgezeichnete Special¬ Potsdamer Stadtschlosse eristiren. Die eine schrieb der Potsdamer Polizeipräsident von Engelken, die andere in neuerer Zeit Herr Dr. Cello. geschichten vom

24 also gar nicht das Erscheinen des Königs am Fenster oder beim Ausreiten abzuwarten und die Bittschriften in die Höhe zu halten, wenn sic die Aufmerksamkeit des Monarchen auf sich ziehen wollten — wie das in den Potsd. geschichtl. Mittheilungen an-

brauchten

geführt wird —

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Noch ein Tisch, dessen

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hatten eben nur nöthig, sich an diesem Baum, der vermöge seines Standpunktes sich immer dem Könige preisensie

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tirte, aufzustellen. Bemerkte der große König die Leute am Baume,

so

sandte

er einen Heiducken hinunter, um die Suppliken abzunehmen. Ich möchte hier einschalten, daß wir Berliner gegenwärtig so ein Pen¬

dant zur Bittschristenlinde besitzen, ein „Bittschriftcnmonument". Am Denkmal Friedrichs des Großen, dem Arbeitszimmer unseres verehrten Kaisers gegenüber stellen sich heute die Suppli¬ kanten auf, halten ihre Briefe in die Höhe, bis Seine Majestät einen Jäger oder Lakaien dorthin sendet und das Schriftstück einfordern läßt.

Das

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letztere soll wöchentlich vorkommen.

■ihm selbe

wollte man die Linde noch historischer machen, als diebereits ist, man bezeichnete sie zugleich als denjenigen Baum,

an welchem jenes bekannte Pasquill angeschlagen war, das der König zur Bequemlichkeit der Lesenden tiefer hängen ließ. Das beruht jedenfalls aus einer Verwechselung, denn jenes Pas¬ quill war — meines Wissens — am Fürsten hau sc in Berlin angeschlagen.

Die Bittschriftenlinde verkümmerte bereits seit vielen Jahren, und im Anfang der 60 er Jahre machte die Potsdamer Polizei¬ behörde wiederholt darauf aufmerksam, daß ihr Zusammenbrechen und Umstürzen leicht gefährliche Folgen haben könne, und dabei war sie so unansehnlich geworden, daß sic Jedermann gerade an dieser Stelle ausfallen mußte. Der Gcncral-Gartendircktor

Lenne nahm daher Gelegenheit, Seine Majestät den König um Befehl für Wcgschaffung oder Erhaltung des ehrwürdigen im Munde des Volkes lebenden Baumes zu bitten, und Seine Majestät der König befahl die Erhaltung desselben. durch künstliche Mittel so lange als irgend möglich. Der damalige Hofgärtncr Meyer vom Neuen Garten, der spätere Berliner Gartendircktor, wurde in Folge dessen beauftragt, 4 Stützen von Akazienholz, durch eiserne Reifen verbunden, um den brüchigen Stamm der Linde anzubringen und denselben so wenigstens vor Windbruch und Umsturz zu sichern. Bei der Arbeit fand sich, daß der gesunde Theil des Baums eine neue Wurzel getrieben und die Erhaltung desselben somit noch für viele Jahre möglich war. Es wurden dann ferner durch Ausschmieren mit Lehm und durch Anbringen von eisernen Stützen alle Vorkehrun¬ gen getroffen, um der Linde, dem rüstigen Veteranen aus des alten Fritzen Zeit, ein so sorgenfreies Alter zu verschaffen wie nur möglich. Erzählt wurde mir, daß man im Braunschweigschen, irre ich mich nicht, in Wolsenbüttel, eine uralte Lindenallee dadurch Jahr¬ zehnte lang über die allen Linden gewährte Erdenzeit hin erhalten bat, daß man an jedem Baum in der Tiefe von 5 Fuß

etwa ein abgehäutetes gefallenes Stück Vieh vergrub. DaS soll ein Prachtessen, eine Kraftbrühe für alte Bäume sein und soll dieselben so verjüngen, daß ich die Bitte aussprechen möchte. Seine Majestät möge zu einem solchen Versuch Befehl ertheilen.

Ich

möchte noch des

„Schrcibkabincts Friedrichs"

Er¬

wähnung thun, weil ohne deffcn Existenz unsere heut abkonterfeite Linde eine ganz gewöhnliche Linde geblieben wäre und seit langem schon ihre'Seele in Rauch aufgelöst hätte. Das Cabinet hat 1 Fenster nach der Schloßstraßc und 2 Fenster nach dem Lustgarten zu, hat weißlackirte Täfelung, Ge¬ hänge von geschnitzten Blumen an den Decken und Wänden, nach ihren natürlichen Farben ausgemalt, die Zierrathen und Leisten vergoldet, der Raum über den Thüren mit Spiegeln ausgelegt. Stühle, Kanapee und Gardinen waren ehedem von blauem Sammet mit goldenen Treffen eingefaßt. Der Schreibtisch wie auch ein

mit vergoldeten Zierrathen von Bronze. 6 Zoll lang, 3 Fuß breit und 3 Zoll dick, befand oder befindet (?) sich in diesem Kabinet. Der¬ selbe wurde 1776 von Kambly aus einem großen Feldsteine von Eckschrank, von Schildkröte

j

!

Kieseln und Achat

Blatt 4 Fuß

von einem sogenannten

Puddingstein

ver¬

fertigt, der im Teltower Kreise beim Dorfe Buckow gesunden war. Aus diesem Cabinct führt eine Spiegelglasthürc in des Königs Schlafgemach (3 Fenster nach der Schloßstraßc zu) und an dieses

Zimmer stößt ein Alkoven, vor welchem ein Brustgeländer von ge¬ gossenem Silber sich befindet, woraus tanzende Kinder sind. Hier steht heute noch die wohlgeordnete Handb ibli othek des Königs. Und der junge Mann, der so im Anfang der Fünfziger Jahre dieses Jahrhunderts, sobald der Garnisondienst ihm hierzu Zeit ließ, mit dem Eifer des jüngsten Studenten die hinterlassenen Gcistessreunde Friedrichs des Großen durchwühlte und sic neu ordnete, — und oft geschah das, weil jede fremde Hülfe abgelehnt wurde, mit ausgezogenem Waffenrock am Fußboden des Zimmers — war ein Urenkel und ein Geistesverwandter des großen Preußenkönigs, war Kronprinz Friedrich Wilhelm. Ich nenne unsern Kronprinzen einen Geistesverwandten, denn so wie etwa der große Kurfürst, Friedrich Wilhelm l., Friedrich Wilhelm lll. und unser verehrter Kaiser verwandten Geistes sind, so etwa sind' wiederum unter sich ähnlich Friedrich I., Friedrich der Große, Friedrich Wilhelm IV. und unser Kronprinz, wenn ich zuverlässigen Be¬ obachtern glauben darf. Diejenigen Zimmer, deren Fenster aus unserer Illustration ebenfalls sichtbar, die Eckzimmer deS Erdgeschosses bewohnte ehedem auch ein großer Geist, „die Hofftmng des Menschengeschlechts" — so nannte ihn 1736 der vierundzwanzigjährige Kronprinz Friedrich. In der ersten Woche des September im Jahre 1743 erschien Voltaire zum ersten Male in Potsdam — drei Jähre vorher hatte

Berlin besucht — und wohnte in dem Stadtschlosse, in demselben „vilaine maison“, in dem erbärmlichen Hause, wie er dasselbe bei Leb¬ zeiten Friedrich Wilhelms I. zu nennen beliebte, und er erschien, wie man sagt, als geheimer Agent aus den Boudoirs von Versailles. er

Auch später bewohnte er

dieselben Räume an der Ecke des

Lustgartens unter den Zimmern des Königs — eine besondere Wendeltreppe verband die beiden Wohnungen — und hier arbeitete er täglich mehrere Stunden zusammen mit Friedrich; damr saherr sie sich des Abends beim Souper in dem kleinen, nach denr Alten Markte hinaussehenden Eckgemache in der ersten Etage des Pavillons, welchen der König und er bewohnte.

Während seiner Anwesenheit, das ist vom 10. Juli 1750 bis zum 26. März 1753 schuf Voltaire das „Siede de Louis XIV“, das Trauerspiel „L’orphelin de Chine“, den vierzehnten Gesang der Pucellc, und hier entstanden die Entwürfe zu dem vortrefflichen Gedichte „8ur la loi naturelle, Dictiouaire philosophique und dem Essai sur les moeurs et l’esprit des nations“, und dieses Alles trotz der Wirbel der Tambours und der Kolbenschläge der Grenadiere, die vor seinem Fenster exercirtcn. Es dauerte bekanntlich nicht lange, und das geistige Scheide-

in der Natur Voltaires zersetzte die Freundschaft dieser beiden Fürsten, die Freundschaft des philosophischen Königs und wasser

Friedrich schrieb „er wolle Frieden in seinem Hause, er liebe sanfte und friedfertige Menschen, nicht aber solche, die cäbaliren und intriguiren." Am 26. März sahen sich Beide zum letzten Male. Dann kam die Gefangcnnahine Voltaires in Frankfurt a/M. und damit der vollständige Bruch. Voltaire bezog seine „Zelle im Potsdamer Kloster" nicht wieder, und Friedrich schrieb von ihm: „Voltaire ist seinem Geiste nach ein Gott, seiner Ge¬

des Königlichen Philosophen.

sinnung nach ein Schuft",

die Wege zwischen dem Genfer Sec und der klaren blauen Havel waren für immer verschüttet. Das sind alte Geschichten, welche unsere Potsdamer Linde

25 aufgerührt hat, doch noch andere Bäume erinnern au den Aufent¬ halt Voltaires in Potsdam. Man sagt, daß die grünen Linden, die jetzt zum Theil vor der Friedenskirche bei Sanssouci, zum Theil auf Schloß Babelsberg stehen, nach der Tradition von Voltaires eigner Hand gepflanzt sein sollen. —

Emil Dominik. Die Tänzerin Sarbarina. Von £ouis Sdineiifet.

(Fortsetzung.)

Ungefähr eben so mag, nach dem Style des Mayer'schen Be¬ richtes wohl auch die Quittung über den richtigen Empfang einer „betrübten Däntzerin" gelautet haben. Dian urtheile über diesen Styl! —

:

Reichshochgeborncr Graf! Gnädiger und hochgebietender Herr!

Ew. Excellenz habe nach meiner schuldigkeit unterthänigst zu berichten sollen wegen meiner Reise, wie das den löten dieses zu

Palmanova glücklich angelanget, auch selbten Tag wiederum mit meinem betrübten Fraucntzimmer zurück nach Goritzia und bei dem schwarzen Adler allda einlogiret, allwo zu meiner größten Bestürtzung unter einem fingirten Namen und anderen angegebenen Landes, als St. Andrea, der Lord schon in die 5 Tage allda logirt, mithin bei meiner Zurückkunft von Palma mir ein Billet, wie die Copia hierbei lautet, zugeschickt, daß ich ihm erlauben möchte, mit ihr zu reden. Allein ich gäbe kein Gehör, so bittet der Mylord noch einmal, er wollte sich Hände und Füße binden lassen und mir ein schönes Recompens geben, ich möchte ihin ein Viertelstunde erlauben mit ihr zu reden, es konnte abermals nicht geschehen, alsdann ist es auf das Todtschießen meiner und des Kutschers ausgebrochen, mithin habe die Pferde ihnen arretiren lassen, bis ich ihn bezwungen und der änderte Mylord mir schrift¬ lich mit Hand und Pettschaft gegeben, daß er mir sambt seiner Suite nicht in den Weg legen wollte, bis ich zu Wien sey:. —

Der Andere aber hat seinen Weg nachher Wenedig nehmen müssen und gehet der Mylord mir auf der Straße vor. — Das Fraucnt¬ zimmer und ihre Mutter sambt einem Domestiquen, welcher vermeinter Domestique aber des Mylords sein Kammcrdiner war. Ich werde also Uebermorgen, wenn kein Unglück begegnet, zu Gratz seyn. Meine Däntzerin ist etliche Tage vor Liebe und Chagrin krank gewesen. Nun habe ich zu besorgen, und mich in Acht zu glücklich mit ihr durchzukommen. Ew. Excellenz haben wohl die Gnade, und thun sich bei dem englischen Gesandten Mylord Robinson befragen, nach der Ankunft des Stuarts, denn er ist völlig Rabiat, womit ich mich zu Ew. Excellenz hohe Gnaden

nehmen,

unterthänigst empfehle. Granitz, den 21. April 1744. E. L. Mayer. Der in diesem Bericht erwähnte Änderte Mylord war ein junger Graf v. Calenberg, ein Freund Lord Stuarts und Verehrer der Barbariua. Beide junge Edelleute hatten erst in Venedig alles Mögliche versucht, um den Grafen Cataneo zur Herausgabe der verhafteten Künstlerin zu vermögen, und waren ihr vorausge¬ eilt, um vielleicht in Oesterreich ihre Befteiung zu versuchen, da die starke Kavallerie-Escorte von Venedig bis zur Grenze, einen Versuch dieser Art auf Venctianischem Gebiet unmöglich machte. Aber auch hier scheiterte ihr Plan an der Festigkeit des Preußi¬ Beide schen Envoye extraordinaire in Ballet-Angelegenheiten. mochten wohl merken, daß Oesterreich nicht der geeignete Boden für etwaige Befteiungsvcrsuche sei, und nicht dort, sondern in Berlin, die Sache sich eigentlich entscheiden müsie. Graf Calenberg trennte sich daher von dem Freunde und ging nach Venedig zurück, während Lord Stuart voraus nach Wien eilte, um bei dem Grafen

Dohna sein Heil zu versuchen. Uebrigens verfehlte Hr. Mayer nicht, später auf eine besondere

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Belohnung für sein heldenmüthiges Ausschlagen jenes „Recompens“ anzutragen, welches Lord Stuart ihm für eine Viertelstunde der Unterhaltung mit seiner „geliebten Däntzerin" geboten. Graf Dohna bevorwortete dieses unmaßgebliche Gesuch seines Haushof¬ meisters bei dem Könige.' Dieser aber ließ sich also vernehmen: „Kriegt nichts! hat nur seine verfluchte Schuldigkeit gethan!" womit die Sache beigelegt war, und nur insofern bei dem Hrn. Haushofmeister eine Nachwirkung hinterließ, als er, aller Wahrscheinlichkeit nach, bereute, jene viertelstündige Unterhaltung nicht gewährt und den erwähnten Recompens nicht angenommen zu haben, um so mehr, als er über die Verwendung der 50 Du¬ Ein von katen Reisekosten auch noch Rechnung ablegen mußte. dem Standpunkte eines Envoye extraordinaire vollständig unge¬ rechtfertigt erscheinendes Verlangen. Vor Wien angekommen, fuhr der Wagen mit der „vor Liebe und Chagrin kranken Däntzerin", ihrer Mutter, einer nach Aus¬ sage Cataneos resoluten Frau und dem Lordschaftlichen Kammerdiener unter der Ehren-Escorte Mayers und des Kutschers nicht in das Hotel des Grasen Dohna ein, wo Lort Stuart schon harrte, Dokumentiren läßt sich dieses Harren nicht, aber cs liegt keinesWeges außer den Grenzen der Wahrscheinlichkeit, wenn man die

übrigen unzweifelhaft leidenschaftlichen Schritte des verliebten jungen Nobleman’s bedenkt. Gras Dohna, der die Anwesenheit des Lords fürchtete, sandte dem Wagen einen Boten entgegen und ließ seinem Haushofmeister sagen, er solle sofort nach Preßburg fahren, dort über die Donau gehen und über Ratibor und Neustadt nach

Berlin eilen. Was dort in Wien

geschehen, läßt sich aus zwei Depeschen Dohna an den Biinistcr von Podewils und an den König selbst ersehen. Die erstere lautet: „Da Ew. Excellenz über die Voxgänge bei der Verhaftung und dem Engagement der Barbarina iiberhaupt durä) meine Rap¬ porte und die Verhaltungsbefehle, welche mir deswegen zugegangen, vollständig unterichtct sind, so halte ich cs für überflüssig, Ew. Ex¬ cellenz durch Aufzählung aller Details zu ermüden. Ick) schreibe auch nur um den: Lord de Makcnzie, seiner Bitte gemäß, Zutritt bei Ew. Excellenz zu verschaffen, was ich um so weniger versagen konnte, als ich den jungen Mann von Hochachtung für Ew. Ex¬ cellenz erfüllt finde, seine Rechtlichkeit, Höflichkeit und Sanftmuth, sowie seine Verehrung für Se. Majestät den König unseren er¬ habenen Herrn mir das Vertrauen giebt, daß er trotz der außer¬ ordentlichen Heftigkeit feiner Leidenschaft doch mrr zrrr Mäßigung disponirt ist, und er keinen anderen Zweck hat, als die Gnade Sr. Majestät, oder wie er es nennt, Allerhöchstdessen Erbarmen anzurufen, damit der König seine Liebe kröne (pour couronner'sa

des Grafen

I

flamme). auch

Ich bin überzeugt, daß wenn er seinen Wunsch erreicht, er bereit sein wird, eine andere Tänzerin anzuschaffen und die

Kosten

werde.

zu

bezahlen, deren Berechnung

ich

demnächst

einsenden

Es bleibt mir nur noch übrig, Ew. Excellenz zu bitten,

daß meinem Haushofmeister Mayer eine verhältnitzmäßige Be¬ lohnung bewilligt werde, da dieser die Barbarina von der Grenze abgeholt und nicht ohne Mühe und Schwierigkeit hierher ge¬

bracht hat.

Wien, 25. April 1744. Die zweite Depesche an den König

Gras v. selbst

Dohna.

lautet:

„Obgleich der Mensch, den ich abgeschickt, um die Barbarina in Empfang zu nehmen, sich mit Klugheit und Festigkeit in Göritz benommen, den Beistand des Kommandanten kraft seines Kaiser!. Passes verlangt und erhalten, ja selbst ein bedeutendes Geschenk des verliebten englischen Lords zurückgewiesen, der sich dafür nur eine Viertelstunde mit ihr, und zwar in dessen Gegenwart unter¬ halten wollte, so habe ich es doch für zweckmäßig gehalten, sie nicht nach Wien kommen, sondern bei Preßburg die Donau passi-

26 ren und dann über Natibor und Neustadt nach Berlin reisen zu lassen. Ich habe daher die Gelegenheit benutzt, daß Hr. v. Hammerstein ebenfalls dorthin reist, und ihn gebeten, zusammen mit mei¬ nem Commissarius die Barbarina nach Berlin zu begleiten.

Der Engländer hat mich zweimal besucht, und scheint mir ein Mensch von ganz eigenthümlichem Charakter. Er ist sehr sanft, höflich, voll Lebensart und Kenntnisse, hat noble Manieren, und spricht sehr gut französisch. Sein Urtheil ist gesund und treffend; so lange man nicht auf seine extravagante Liebesgeschichte kommt, und wenn man überhaupt annehmen könnte, daß Jemand über eine Extravaganz vernünftig sprechen kann, so muß man ihm die Gerechtigkeit zugestehen, daß er es über seine Verliebtheit thut. Er wünscht lebhaft, sich Etv. Majestät zu Füßen werfen zu önnen, und seine Braut (promise) von der Allerhöchsten Gnade zu erbitten. Er will sich für die Tugend derselben verbürgen und bietet 100,000 Thaler Kaution, wenn er sie selbst nach Berlin bringen und von der Gnade Ew. Majestät sein Leben oder seinen Tod erwarten dürfte. Er hat auch den Hrn. v. Cataneo so zu seinen Gunsten zu stimmen und zu rühren gewußt, daß dieser sich sehr lebhaft für ihn bei mir verwendet. Er sagt, daß sein ältester Bruder ganz einverstanden mit dieser vorgeblichen Heirath, daß er vollkommen Herr seiner Handlungen und seines Vermögens, daß dergleichen Heirathen sehr gebräuchlich in seinem Vaterlande seien, und daß Lord Hyndfort, sein weitläufiger Anverwandter, ihn bei Euer Majestät vcrläumdct haben müsse. Wien, 29. April 1744. Graf Dohna." sehr

Während diese gcsandtschaftlichcn Berichte aus der einen Land¬ Berlin gelangten, fuhr aus einer anderen die Barbarina niit ihrer Ehrcn-Eskortc langsam von Nachtquartier zu Nachtquartier und empfing die Eindrücke märkischer Gegenden so recht eo» amore. Die wunderbar alle Abwechselung vermeidende Gegend zwischen Frankfurt und Berlin muß sie, namentlich bei Müncheberg, nur in geringem Grade erfreut haben, denn wenn man von Venedig durch Oesterreich und Schlesien nach Berlin kommt, so wäre es anmaßend, wenn man von einer Steigerung landschaftlicher Gcnüsie sprechen wollte. Ob Lord Stuart voraus, oder hinterdrein gefahren, ob er gewußt, auf welchem Wege sein Gegenstand der Erfüllung ihres Kontraktes entgegeneilte, kann ich nicht sagen, gewiß ist nur, daß unsere Barbarina am 8. Mai in straße schnell nach

Berlin ankam. Lord Hyndfort, damals englischer Gesandter allerdings ein Vetter des jungen Lords, aber als dcffelben, da dieser zu der Oppositionspartei des hörte. Diese Feindlichkeit war außerdem auch noch vcrhältnisse straffer gespannt, und

so

erklärt

sich

in Berlin, war Tory ein Feind Parlaments ge¬ durch Familiendenn, daß der

König sehr aufgebracht über den jungen Lord Stuart, den Be¬ schützer seiner „widerspenstigen Täntzerin", war. Wahrscheinlich hatte Hyndfort den König gebeten, die Familie der Makenzie vor der beabsichtigten Heirath zu schützen, und den jungen Mann selbst von einer Unbesonnenheit abzuhalten. Daher blieb wohl auch ein Brief Lord Stuarts hier aus Berlin vom 9. Mai an den König unbeantwortet. Dieser Brief ist mit großem Feuer geschrieben, voller Komplimente für den König, aber zu lang, um hier voll¬ ständig mitgetheilt zu werden. Er sagt darin, daß zwischen ihm und der Barbarina „des engagements de mariage“ bestehen, daß er nicht zugeben könne, sic, nachdem er dies erklärt, noch auf dem Theater erscheinen zu sehen, und daß er in der ungünstigen Mei¬

nung, welche Se. Majestät von ihm zu haben scheine, den Einfluß seines Vetters, des Lord Hyndfort erkenne, deni er im Parlament stets oppvnirt.

Der König scheint, wie gesagt, keine Notiz von dieser langen und dringenden Epistel genommen zu haben, sondern befahl im Gegentheil, das Auftreten der Barbarinn zu beschleunigen. Da

der Earneval vorüber und die italienischen Sänger nicht zusammen waren, so wurde am 13. Mai französische Komödie auf dem Schloßtheater angesagt und in den Zwischenakten sollte sie tanzen. In fünf Tagen mußte sie sich von der anstrengenden .Reise erholt haben und vor dem so gefürchteten Könige erscheinen. Man hatte viel von ihr erwartet, aber die Erwartungen wurden alle noch übertroffen. Sie erschien und siegte vollständig. — Nach den, noch in den Königl. Schlössern vorhandenen Bildnissen von ihr, muß sie in der That außerordentlich schön gewesen sein. Eines dieser Bilder hängt im zweiten Stockwerk des Berliner Schlosses, neben dem sogenannten Elisabethsaal, über dem zweiten Portale, gegen¬ über der breiten Straße, und zeigt nicht allein ein regelmäßig schönes, ausdrucksvolles Gesicht, sondern läßt auch Geist und Scharffinn erkennen. Nach beendetem Tanze unterhielt sich der König mit ihr und von diesem Augenblick an war sie sein erklärter Liebling. Natürlich erschöpfte sich nach so unzweideutigen Zeichen der königlichen Gunst auch der ganze Hof in Lobeserhebungen über ihre Schönheit, Talente, und einige Tage nachher erschien sogar folgendes lateinische Gedicht in der Spener'schen Zeitung: „In Domiam Barberinam! —*) In Te naturae ramm est certamen et artis: Dotibus ista suis se probat, illa suis, Hic Phrigius, tribuat judex cui praemia palmae, Haeret, et arbitrii defugit usque caput,

Juno gradu plaeuit, specie Venus, arte Minerva! Barbara divarum singula soia teuet Perpetua Superi servent Tibi lege juventam Nil Te nobilius vel Venus ipsa dabit“. Aber auch an deutschen und französischen Gedichten fehlte es nicht, und die gleichsam eroberte Tänzerin war plötzlich der Mittel¬ punkt des seinen gesellschaftlichen Lebens in Berlin geworden. Natürlich fehlte es auch an Anbetern nicht, denn die Garnison war damals sehr stark, und die vor Kurzem noch „betrübte und chagrinirte Däntzerin" hielt einen förmlichen kleinen Hof in ihrer Wohnung in der Behrenstraße, zu dem sich Alles drängte, was sich gern in den Strahlen der königlichen Gunst gesonnt hätte, und schon glaubte man die künftige mächtige Favoritin des Königs in ihr zu sehen, denn sie wurde in der That ganz offenkundig von ihm ausgezeichnet und glänzend beschenkt. Aus der gewaltsam nach Berlin transportirten Tänzerin war also schnell eine wichtige und einflußreiche Person geworden. Der König scheint absichtlich seine Zuneigung zur Barbarina afsichirt zu haben, denn er ließ sic wiederholt nach Charlottenburg kommen und cs sollen eigenhändige Brieschen vorhanden sein, welche sich in den „herablassendsten" Formen bewegen. Was während dieser ersten Zeit mit den: jungen Lord Stuart vorging, darüber schwebt leider ein undurchdringliches Dunkel. Bis zum Ende des Monats scheint er in Berlin geblieben zu sein, auch die Gunstbczeugungen des Königs gegen seine Frau, Braut oder Geliebte ihn durchaus nicht irre gemacht zu haben. Wie aber die Trennung der Lieben¬ den geschehen — auf welche Art Lord Stuart Berlin verlassen? darüber habe ich bis jetzt, aller angelvandten Mühe zum Trotz,

nichts ermitteln können.

so

Fast scheint es, daß diese Trennung

ge¬

*) Anmerkung der Redaktion: Deutsch würde dieser Vers etwa lauten: Wie bist du schön, du gottbegnadigt Weib! Es stritten sich Natur und Kunst Und schmückten dich mit ihrer höchsten Gunst. Drum würde Paris heute nimmer zagen, Siegreichen Urtheilsspruch nur dir zu sagen. Schön, trotz der Juno herrlicher Gestalt, Schön, trotz Minervas geistiger Gewalt, Kann dich an Anmuth Venus nicht erreichen. O möge deine Schönheit nimmer bleichen! Wie bist du schön, du gottbegnadigt Weib!

27 waltsam gewesen, und zwar läßt sich dies aus einem Bericht des damaligen Polizei-Präsidenten b. Kircheysen schließen, welcher untern, 4. Juli 1744 dem Könige Folgendes meldet. „Es ist der Lohn-Laquay, ivelcher den Makinzie mit sich von hier genommen, gestern Abend aus Hanrburg zurückgekommen. Ich habe ihm sofort die ihin an die Barbarina anvertrauten Briefe, unter welchen er den ohne Auffchrift in derselben eigene Hände zu geben befehligt gewesen, abgefordert, und Ew. K. Mas. solche sämmtlich unterthänigst einsenden sollen. Der Makinzie hat sich von Hamburg nach London embarquirt. v. Kircheysen." Da die in diesem Polizeibericht erwähnten drei Briefe noch jetzt im Geh. Kabinets-Archiv liegen, so ist es wenigstens klar, daß sie nie an ihre Adresse gelangt sind, und ebenso klar ist es wohl, daß der Lohn-Laquay, welcher sich sofort nach seiner Rück¬ kehr bei dem Polizei-Präsidenten meldet und die anvertrauten Briese ausgeliefert, nicht allein von dem Lord aus Berlin mitge¬ nommen, sondern ihm aus polizeilich entsprechende Weise mit¬ gegeben worden ist, wobei man wahrscheinlich die Vorsicht ge¬ braucht hat, ihn diese geeignete und zweckdienliche Maßregel nicht merken zu lassen, weil er sonst schwerlich dem Verräther die Briefe zur Besorgung anvertraut haben würde. — (Fortsetzung folgt.)

Misltlleu. Man schreibt uns: Wie Sie Näheres über Madame du Titre gebracht haben, so würde ich Sie ersuchen, auch über Musk (oder Büsst), der Mensch etwas zu bringen; ich selbst weiß wenig über ihn und erinnere mich nur, ihn oft in meiner Kindheit unter den Linden gesehen zu haben, wie er bis zum Anfang der Mittel¬ promenade schritt und dort unverwandten Auges eine halbe Stunde lang zur Viktoria emporschaute. Aeltere Berliner wissen gewiß

Original gu erzählen. Der Konsistoriaftwußte viel von ihm zu erzählen.

noch mehr über dieses

rath Fo u rnier

G. Büchmann.

Ich hatte das Obige bereits zum Satz gegeben, als mir ein¬ fiel, über dieses Berliner Original selber einmal etwas gelesen zu haben. Meine Erinnerung täuschte mich nicht, Fr. Tictz erzählt über denselben Folgendes: „Auch Biüst, der Mensch wandert nicht mehr im blauen Frack mit gelben Knöpfen, schwarzer Militairkravatte und hohen steifen Stiefeln, an welchen ein paar große silberne Anschnallsporen blitzten, die Linden hinab bis zum Brandenburger Thore, wo er plötzlich und mit militairischem Takt Halt machte und zu der Vik¬ toria ärgerlich hinaufmurmelte: „Wie es doch vom Kriegsminister

ihn, der die Schlacht bei Ligny entschieden, als Hauptmann und nicht als Obrist herumgehen zu lassen". In lebhafter Erinnerung steht der seltsame „Märtyrer der Undankbarkeit des Kriegsministers" — wie er sich selbst gern nannte ■— vor uns, mit den Augen von der Farbe eines „in Milch gekochten Vergißmeinnichts", mit der aristokratischen Nase, dem stark hervortretenden runden Kinne und der keineswegs militairischen bartlosen Oberlippe. So wenig an dieser Stelle eine Haar¬ sehr undankbar sei,

noch immer

Literatur, Der richtige Berliner in Wörtern und Redensarten. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin 1880. H. S. Hermann, Beuthstraße 8. ausgestattete Buch ist um 31 Seiten gewachsen. Es ist das beste Buch über den Berliner Dialect, welches wir be¬ Nur wenige Anmerkungen, die zur Verbesserung dienen sitzen. könnten, habe ich zu machen. — Bei „So mußt kommen! sagt Neumann, sieben Häuser un kene Schlafstelle!" wird in Parenthese fragend hinzugefügt: (Posse?) Diese Frage ist zu verneinen. Es ist vielmehr die Unterschrift unter einem der in den dreißiger Jahren erschienenen „Berliner Witze", auf welchem ein feiner, beleibter Herr, der betrunken ist, in der Nacht beim Nachhauseschreiten in einen Rinnstein fällt und in die besagten Worte ausbricht. — Aus dieselbe Bilderfolge wäre auch bei „Verfrieren" hinzuweisen, wo die Redensart: „Js meinen Vater janz recht, wenn ick mcr de Fingern versickere; warum sooft er mir kene Handschuh?" auf¬ genommen ist. Im Hinterzimmer der Habelschen Weinstube unter den Linden Nr. 30 befinden sich diese „Berliner Witze", wie ich bereits in voriger Nummer mittheilte, welche Gropius unter Mitwirkung des berühmten Bildhauers Schadow herausgab. Dem Buche dienen zwei kleine Aufsätze „Zur Orthographie und Aussprache" und „Zur Grammatik" zur Einleitung. Die Schrift ist eine Errungenschaft, welche nie zu Grunde gehen wird. Georg Büchmann. Märkische Sagen und chedichle von Wilhelm Anton Wegener. Berlin 1880 L. Schleiermacher. — Einen Strauß, den die Heimathsliebe gebunden, nennt der Dichter seine Lieder, und er bietet ihn allen denen an, die gleich ihm ein Herz haben für Mark Brandenburg, deren scharfer Kiefer¬ duft durch seine Liederbüchlein weht. Liebe alte Bekannte, in das Gewand der Poesie gehüllt, schauen uns aus den Blättern ent¬ gegen; da ist die Prinzessin vom Teuselssee bei Köpenik, der Schusterjunge von Bernau, die Maus und die Ratte von Ruppin, Frobcn und Uhle, das Lichterfelder Schlvß ohne Treppe, das klingende Fließ und vieles Andere, was einem märkischen Herzen lieb und vertraut ist. Dieser kleine Kuhn und Schwarz in Versen wird unsere Leser vielfach erfteuen, die wir hiermit auf das an¬ spruchslose Heft — anspruchslos wie unsere märkische Heide —

Das

hübsch

aufmerksam machen.

L. H.

kultur sichtbar, um so mehr gewahrte man eine sorgsame Behand¬ lung derselben auf dem Haupte. Blonde Haare waren zur Seite beider Schläfen glatt angebürstet, während sie sich an: Hintcrkopfe nach Art der ftüheren russischen Garden aufwärts sträubten. Diese Art, das Haar zu tragen, nannte man vor dem Jahre 1820 „eine russische Tolle", wohl beliebt beim ergrauten Feldherr, wie bis zum kleinen Cadet hinab. — Dreierlei Pantalons waren es, die als Wahrzeichen dieses Originals abwechselnd oben aus der Weste hervoäamen und sich in die blankgewichsten Stiefeln verloren: gelbe Nankinghoscn, wenn sommerliche Gluth in Berlin herrschte, schwarze für den Winter, die aber auch im Sonnner an gewissen Tagen erschienen, woraus man dann entnehmen konnte, daß der Träger an diesem Tage eine düstere Erinnerung begehe — und dann Hosen von weißem Casimir, die als Ausdruck reinster Freude für die Tage galten, an welchen im Befreiungskriege irgend eine siegreiche Schlacht geschlagen, in welcher „Billy der Mensch" als Artillerieofficier mitgekämpft. Obschon seine Vermögensverhältnisse nicht die glänzendsten waren — und dennoch hatte er, so weit ging

Groll gegen den Kriegsminister, der ihn zurückgesetzt, eine Pension zurückgewiesen — unterließ unser Original nie, an Tagen, wo die weißen Jnexpressibles paradirten, diese in stiller Fröhlichkeit bei Jagor — dem Alpha und Omega aller damaligen Gour¬ mands — zu begehen. Dann aß und trank er das Beste, saß dabei aber ganz allein an einem kleinen Tische, wo er laut für sein

sich

die üblichen patriotischen Toaste ausbrachte und den anderen

Tag den Wenigen, die sich überhaupt eines Zwiegesprächs mit dem seltsamen Manne rühmen konnten, versicherte, daß er sich „hoch, höchst" amüsirt habe. Dies „hoch, höchst" waren die stereo¬ typen Steigerungsgrade des Originals. Wie „Billy der Mensch" Es mögen ungefähr 15 Jahre gestorben, wissen wir nicht. her sein, daß er nicht mehr gesehen wurde, schreibt Tietz im Jahre 1850."

In

demselben Aufsatze

erzählt Tietz auch noch von einem

anderm Berliner Original, einem Oberstlieutenant von Hreskoiv,

28

Eine Anfrage. Gestatten Sie freundlichst einem Ihrer Abon¬ Woher kommt die im Volksmunde gebräuch¬

einem Habitue des Schauspielhauses, der stets in grünlich grauen

Pantalons einherging. Diese waren gewissermaßen zu einem Ber¬ liner Wahrzeichen geworden, und es soll keine Erfindung sein, wenn wir erwähnen, wie Friedrich Wilhelm III., als ihn Jemand

nenten eine Frage:

liche Bezeichnung Karinen für Flößholz, wie solches am Ober¬ baum lagert? Schwerlich dürfte das lateinische Wort carina, der Kiel, zur Bildung dieser nur im Volke gebräuchlichen Bezeichnung herangezogen werden. Vielleicht kann einer der Herren Mitarbeiter resp. der Leser Auskunft ertheilen. O. St.

aus seiner Umgebung fragte, in welcher Farbe er während seiner Abwesenheit in Tcplitz sein Palais in Berlin abgeputzt zu sehen wünsche, in gewohnter lakonischer Kürze antwortete: „Wie Treskow's Hosen". — Der Oberstlieutenant hat sei» weißes Haupt und seine, selbst im Alter noch jugendlich gewandten Glieder längst zur Ruhe gelegt und ist ein „stiller Mann" geworden, was er im Leben nicht war. Ein drittes Berliner Original war der Herr „Kosthcatcrfrifciir Warn icke". Er war es, der Jfsland srisirt hatte, der der Beth mann, der schalkhaften Personage oft „den Kops zurecht gesetzt", und der der Crelinger, der gewesenen Mamsell Dü¬ ringer „den ersten Zopf gemacht", den sie bei ihrem Debüt als Margarethe in den „Hagestolzen" getragen. Maler Krüger hat dieses Berliner Original im Bilde fest¬ gehalten , das Kaiser Nikolaus bei ihm bestellt hatte. Dasselbe stellt eine Preußische Parade dar und schmückt noch heute den Palast der Eremitage in Petersburg. 6.

Wandmalereien im H'rämonüratcnserlrkostcr zu Branden¬ burg a. K. Unter diesem Titel druckt Alwin Schultz in dem eben erschienenen Jahrbuch der K. Preuß. Kunstsammlungen. Bd. I. Heft l Berlin 1880 folio, S. 35 fkg. die weitläustige lateinische Beschreibung von Wandgemälden ab, von denen es am Schlüsse heißt: Et onmia prescripta ita sunt ordinata in liberaria brandenburgensi in niarchia extra urbem, vbi sunt premonstratenses. Der Künstler, die Beranlassung k. dieser: Pieture nobiles septem areiuin liberalium et nieelmniearum, Theologie et mediciue cum puleerriniis senteneiis pbilosopboruin , sind nicht genannt. Die Erhaltung der Beschreibung verdanken wir dem bekannten Humanisten lind schreiblustigen Dr. Hartmann Schedel (geb. zu Nürnberg 1440, daselbst 1514). Die Münchener Miscellen - Handschrift: Cod. lat. 418 (Fol. 289a bis 293a) enthält die Reinschrift, ein andres derselben Bibliothek angehöriges Manuscript: Cod. lat. 650 (Fol. 277a bis 285a) das Concept. Die Mundirung fällt wohl in die Jahre 1462—64. Da aus dem Mittelalter in Deutschland, zumal der Mark, nur wenige Wandgemälde erhalten sind, so ist die Mittheilung hoch interessant. Also nicht blos in Italien, sondern auch bei uns waren Darstellungen der Theologie, Philosophie, Poesie und Jurisprudenz zur Ausschmückung von Bibliotheken, und zwar schon um die Bütte des 15. Jahrh, beliebt. Die ganze Angelegenheit möge hiermit dem Ge schichtsverein zu Branden¬ burg a./H. behufs weiterer Verfolgung bestens empfohlen sein.

f

E.

de»

Autographen von Brandenburg-Preußischen Regenten, Feldherrn, Gelehrten, auch sonstige Curiosa wie Briefe des Verräthers Warkotch, des Attentäters Tschech, einen Ordinationsbrief Die Autographen des Märkischen Reformators Musculus re. stammen meist aus dem Nachlaße von L. Bechstein, Jos. von Eichen¬ dorff tmd de la Motte Fouquö re. — teressante

Briefkasten.

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auch

wurs

anderwärts? ebenda die Ameise Omaße, der Maulwurf (Mul Hügel).

Dr.

Molt-

I.

Martiuigebräncke. In der West-Priegnitzer Elbniedcrung ist Martinitag der Ziehtag für Dienstboten und zwar der Abziehtag. In Zellin Regierungsbez. Frankfurt a./O., dessen erinnere ich mich aus meiner Knabenzeit her, machten wir uns für den

M. X. Engelufer betreffend, nächstens Genaueres. Wahrscheinlich von der daranliegenden Michaelkirche. Nach anderer Meinung hätte in dortiger Gegend ein großes Fabriketablissement (Wachstuche tc.) von Engel gestanden. Man schreibt uns: die Angabe, x. 289, den Körper des Ritters Kraft von Lentersheim betreffend, ist effektiv falsch, denn Kraft von Lentersheim ist zu Berlin (gr. Kloster, vor dem Altar) begraben. Der noch vorhandene Leichenstein zeigt das Wappen des Kraft von Lentersheim. Ergebenst O. S. von La. Potsdam. Das Kavalicrhaus auf der Pfaueninsel wird deßhalb auch „Danziger Haus" genannt, weil ein Theil dieses Ge¬ bäudes

ehemals

in Danzig stand, wo

dessen

im Mittelalter erbaute

Fa-zade sorgfältig abgetragen und nach der Pfaueninsel gebracht wurde.

Das Kavalierhaus selbst ist bekanntlich eine Schöpfung Schinkels. „Clcmentine Helm" halten Sie mit Recht für ein Pseudonym, mit Unrecht für ein Fräulein. Vielleicht hat Sie dazu das neulich« über¬ schwängliche Lob der „Wiener Presse" verleitet, welche bei Besprechung i

In

3. 3. Spandauerstraßc. Ihre Klage ist nur zu berechtigt. Unsere Weihnachtsbäuine werden zu früh geschlagen und sind in Folge dessen zum Christfest trocken. „Sic streuen" schon am ersten Festtage und werden in Folge dessen früher entfernt, als althergebrachte Sitte bis dahin wollte, als am Sylvestertage. Am Anhalter Bahnhof konnten Sie bereits Bäume waggonweise zu Ende November erblicken. Unsere könig¬ lichen wie städtischen Forstverwaltungen, die Christbauin-Grossisten sollten nicht vor dem 12. December etwa die Bäume schlagen lassen, diese würden dann immer noch früh genug ankommen und dann „jung und grün" unseren Weihnachtstisch zieren. Ich bitte die Forstmänner unter unseren werthen Lesern, sich darüber gutachtlich zu äußern.

Friede!.

der Gegend von Grossen, Wellmitz bei Neuzellc, Sommer¬ feld, Calau heißt die Brennesiel Brühnessel im Bolksmund. Ob

Für Sammler möchte der Teplic'sche Auctiouaiiatalog für Derselbe enthält in¬ 16. Januar 1880 von Interesse sein.

der neuesten Jugendschriften unserer beliebten Verfasserin der letztem gern einen Monthyonschen Tugendpreis zukommen lassen wollte. Ins Alltägliche übersetzt ist Clementine Helm die liebenswürdige

Gattin

des Geheimen

Bergraths, BiitglicdS der Akademie der Wissenschaften und Professors der Geologie und Paläontologie an der Berliner Universität Dr. E. Beyrich, Französische Str. 29 wohnhaft. S. V. F. Das „Directorium montis pietatis“ ist eine Stiftung zur Unterstützung reformirter Prediger und Schullehrer, und wurde im Jahre 1696 errichtet. Es ressortirt vom Cultusministerium. —

der

Martiniabend Kürbislaternen zurecht, ohne daß uns ein Grund für solche Spielerei bekannt war. — E. H. Für die Redaction verantworllich:

— Verlag der Ricolaischen Verlags-Buchhandlung, R. Stricker, in Berlin. Mörser Hcfbnchtrnckerei in Berlin.

Emil Dominik in Berlin. Truck: W.

Zuhakt. Löwe und Löwiit. 'Novelle von Ludovica Hesekiel (Fortsetzung). — Joachim I. Roman von. Adolf Streckfuß. — Die Bittschriftenlinde vor dem Stadtschlosse in Potsdam, mit Illustration. Von E. Dominik. — Die Tänzerin Barbarina. Von L. Schneider (Fortsetzung). — Literatur. — Miseellen. — Briefkasten. —

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VI. Jahrgang. Nr. 3.

-ns»rsin !) Unter.Mitivirkunu von: £'. Alsicri, f. Srunotd, Georg Süchmann, Prof. vr. Paulus Lasset, Stadtarchivar fiöuitt, Theodor Foiitaae, [ 5®Willij o Ludovira HefeKiei, vr. Hermann fUctlie, Fcrd. Mcper, Baurath (Orth, vr. Fcrd. Pflug, vr. H. pröhlc, N. Achillmann, Direktor beit 17. ^CUIUCU’ Wilhelm Achwarh in Posen, Archidiakonus Achwebel in Cüstrin, Stadtrath Adolf Atreckfuß, Heinrich kvagencr in Potsdam k. herausgegeben von Ernst Friede! und

Emil Dominik.

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Kennzeichen.

erforscht werden."

„Das ist wichtig!" rief der Kurfürst freudig aus, zwei Anhaltepunkte; Wolf wurde der Räuber genannt? Welcher unsrer Edlen am Hofe heißt mit dem Bornamen Wolf?" (Fortsetzung folgt.)

Lkl-marschall Graf Msttlre, in seiner Häuslichkeit in Berlin und auf seinem Gute Kreisau*). (Mit einer Illustration, Seite 45.)

schlesischen

Die Hauptdatcn aus dem Leben des Feldmarschalls Grafen von Moltie setze ich als bekannt voraus. Holstein lebte eine mit dem Engländer John Heytiger vermählte Schwester Moltke's und in deren Hause Esg. Burt Stiestochcr Mary von Burt (geb. 1825 zu Kiel), welche eine von der Gedankentiefe und edlen Denkweise des ihr persönlich nicht bekannten Oheims — (Moltke war von 1835—1839 in der Türkei, und schrieb damals an seine Schwester die später herausgegebenen Briefe über Zustände und Begebenheiten ans der Tiirkei) — derart gefesselt wurde, daß sie demselben bald ihre ganze Neigung zu¬ wendete, nachdem sic den vielgereisten, bedeutenden Mann kurz nach seiner Rückehr aus der Türkei im Hause ihres Vaters kennen gelernt hatte. Moltke verlobte sich mit seiner Stiefnichtc und ver¬ mählte sich am 20. April 1842, nachdem er am 12. April desselben Jahres zum Major befördert war. Die Ehe war eine überaus glückliche, niemals durch den leisesten Mißton getrübte; sie wurde durch den Tod der Gattin am Weihnachtsabend des Jahres 1868 gelöst. Im Andenken an die Dahingeschiedene, mit welcher der große Schlachtendcnker ein Vierteljahrhundcrt in innigster Gemeinschaft verlebte, verweilt der¬ selbe auch jetzt noch während der Anwesenheit auf seinem Gute Kr ei sau lange und oft in dem Mausoleum, welches nahe am Park auf dem Gipfel eines ziemlich steil ansteigenden Hügels ininittcn sorgsam gepflegter Ziersträucher nach seinem eigenen Entwurf errichtet worden ist, und welches der Gencralseldmarschall stets zu¬ erst betritt, wenn er von Berlin nach Kreisau kommt. Der Bau ist einfach und prunklos aus Ziegeln mit Sandsteineinfassungen ausgeführt; hvchaufgcrichtct steht als einziger Schmuck des Innern über der Gruft die Gestalt des Erlösers, die Arme scgenspcndend erhoben, darüber die Worte der Schrift: „Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung". Während der gesammten Dauer der Ehe, sowohl in Magde¬ burg, wie späterhin in Rom und in Berlin, sah man den Freiherrn von Moltke aus seinen vielen Ausflügen, in der stiege! zu Pferde, fast stets in Begleitung seiner Gemahlin, welche der so vielseitigen

In

*) Slum. d. Red. Mit Bewilligung des Herrn Verfassers der soeben Schrift entnommen: „Der Generalstab von A. Freiherr von FirckS, Berlin, Verlagsbuchhandlung Militaria", welche von uns kürzlich erschienenen

besprochen worden ist.

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Thätigkeit des Gatten volles Verständniß und Interesse entgegen brachte. Man kann daher leicht ermessen, tvie vereinsamt der Ge¬ neral sich nach Auflösung dieser glücklichen Gemeinschaft gefühlt

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haben muß. Seit dem Tode seiner

Gattin waltet seine einzig übrig geblie¬ Frau von Burt, in seinem Hause, deren einziger Sohn ihm gleichzeitig als zweiter Adjutant bcigegeben wurde. Hierdurch wurde, soweit dies überhaupt möglich ist, einigermaßen bene Schwester,

Ersatz geschaffen, so daß der Gencralseldmarschall an seinem Lebens¬ abend nicht ganz vereinsamt dasteht.

Graf Moltke lvohnt in

dem gewaltigen neuen Gencralstabs-

Gebäude am Königsplatz, seine Zimmer liegen nach der Südftont hinaus und gewähren die Aussicht auf die Siegessäule, welche dem Andenken an die drei großen Kriege gewidmet ist, in denen ihm vergönnt war, dem Batcrlande so hervorragende Dienste zu leisten. Während des Sonnners lebt der Gencralseldmarschall auf seinem Gute Kreisau bei Schweidnitz in Schlesien. Seine Lebensweise ist äußerst regelmäßig und einfach, die Zeiteintheilung eine streng ge¬

regelte, welche zugleich durch zweckmäßige Abwechselung in der Art der Thätigkeit dem vielbeschäftigten Generalstabschef die Möglichkeit gclvährt, allen Pflichten seines hohen Amtes dauernd gerecht zu werden.

Während des Winterhalbjahrs, in Berlin, pflegt Graf Moltke ftüh im Morgenrock, das Haupt mit einem Käppchen bedeckt, das sehr einfach eingerichtete Arbeitszimnrer zu betreten, wo er um 7 Uhr den Morgenkaffee nimmt und dazu eine Cigarre raucht. Dann geht er an sein Tagewerk und arbeitet bis 9 Uhr; er schreibt schnell und regelmäßig und ändert häufig nachträglich einzelne Stellen im Manuscripte. Seine Handschrift ist flüssig und gut lesbar, fast ohne Haarstriche, in gleich starken kräftigen Zügen. Um 9 Uhr werden die eingegangenen Dienstbriefe vorgelegt, welche er genau durchsieht und daraus die Uniform anlegt. Um 11 Uhr beginnt der Bortrag der Adjutanten, worauf der General ein höchst einfaches zweites Frühstück einnimmt und bis gegen 2 Uhr hin schriftliche Arbeiten erledigt. Um 2 Uhr beginnt der Vortrag der Abtheilungschefs des großen Gencralstabs, dessen Dauer von den Umständen abhängt, worauf Gras Moltke in der Regel einen Spaziergang unternimmt und nach der Heimkehr im Kreise seiner Familie speist. Sein Lieblingsgetränk bei Tisch ist Moselwein. Hierauf wird der Kaffee im Arbeitszimmer eingenommen, bei zwangloser heiterer Unterhaltung mit den Seinen, die Zeit von 5 bis 7 Uhr jedoch wieder schriftlichen Arbeiten gewidmet, woran sich von 7 bis 8 Uhr die Durchsicht der inzwischen eingegangenen Zeitungen schließt. Unr 8 Uhr folgt der Thee im Familienkreise und hierauf eine Parthie Whist, ein Spiel, in welchem Graf Moltke Meister ist, dann zum Beschluß gewöhnlich eine kurze musikalische Unterhaltung, und um 11 Uhr begiebt sich der General-Feldmarschall zur Ruhe, um sich am folgenden Morgen gegen 6 '/,> Uhr zum neuen Tagewerke zu erheben. Bekanntlich verwendete Graf Moltke die ihm vom Kaiser und Reichstag gewährte Dotation von 300,000 Thaler zur Erweiterung eines bereits am 17. Februar 1868 begründeten Familienfidei¬ kommisses. Dasselbe besteht aus den Rittergütern Kreisau, Nieder-Gräditz und Wierischau im Kreise Schweidnitz, sowie aus einem Pekunial-Fidcikommiß von 150,000 Thaler. Hier in Kreisau verbringt der greise Feldmarschall den Sommer zu seiner Erholung von den geistigen Anstrengungen, und hier lebt er vor allem der Erinnerung an seine dahingeschiedene Gemahlin. In fruchtbarer Gegend zwischen Schweidnitz und Reichcnbach, inmitten mächtiger Ulmen und Linden, ist das schiefergedeckte Dach des stattlichen Schloffes, in welchem der Feldherr sein wohlverdientes otiurn cum dignitate genießt, weithin sichtbar. Den Eingang des Schloßhofes zieren die Bildsäulen zweier griechischer Fechter, unweit derselben stehen auf riesigen Steinplatten zwei erschon

47 oberte französische Geschütze, Ehrengeschenke des Kaisers Wilhelm

Sohn des Großkanzlers v. Cocceji betreffend, melden Worauf ich Euch denn hierdurch die Antwort ertheile, daß Ich allemal lieber sehen werde, wenn es nicht nöthig sehn wird, daß gedachter junger Cocceji arretirt und weggebracht wer¬ den ältesten

an seinen siegreichen Generalstabs-Chef. Während seines Landauf¬ enthalts erhebt sich Graf Moltke ebenfalls früh am Tage und durchwandert von 6 Uhr ab, nachdem er den Morgen-Kaffee ein¬ genommen, die Wirthschaftsräume und den wohlgepflegten Garten, worauf er das zweite Frühstück, meist Bouillon oder ein Glas

wollen.

den dürffe, um den davon nicht zu vermeydcnden eolat und der

Familie den Chagrin zu evitiren. Sollte aber derselbe so unsinnig sein und echappiren wollen, um sich mit der Barbarina zu verheirathen, tvovon Ihr doch mit einiger Zuverlässigkeit informirt sein müsset, so ist alsdann nichts anderes zu thun, als daß Ihr denselben ganz in der Stille arretiren und verbergen lasset, auch welchen Falles ich alsdann das Schloß zu Alten-Landsberg am convenablesten finde, um ihn da¬ selbst verwahren zu lassen, bis er sich die Thorheit aus dem Kopfe

Wein nebst Butterbrod, verzehrt und die eingegangenen Zeitungen durchsieht. Dann wird bis gegen Mittag schriftlich gearbeitet, ain Sonntag dagegen fast immer die nahegelegene Dorfkirche von Grädnitz besucht. Von 12 bis 2 Uhr ruht der Marschall in seinem Schlafzimmer und speist unr 2 Uhr im Kreise der Familie zu Mittag, erledigt sodann eingegangene Briefe und ergeht sich danach im Park. Sein Lieblingsplatz, den er häufig aufsucht, ist eine Ruhebank inmitten einer Rasenfläche, überwölbt von dem

wird; zu dem Ende ich Euch die verlangte Ordre Capit. v. Dämbke von des Prinzen von Preußen Rcgian den hierbei unter einem Cache! volant übersende, Infanterie, mcnt nicht eher Gebrauch machen sollet, bis Ihr welcher Ihr aber von versichert seid, daß es die unumgängliche Nothwendigkeit erfordert, mehrgedachten v. Cocceji dahin zu schicken. Ihr habt also in der geschlagen haben

schattigen Blätterdache einer herrlichen Eiche, welche eine Aussicht auf das Eulengebirge gewährt. Am späteren Nachmittage

wird in der Regel

eine Spazierfahrt unternommen. Um 8 UhrAbends versammelt sich die Familie, welche in Kreisau häufig durch auswärtige Verwandte des Generalfeldmarschalls verstärkt ist, am Theetisch zu traulichein Gespräch, und bald nach 10 Uhrsucht Graf Moltke sein Lager auf, nachdem er an milden Abenden vorher noch einen Gang der Trauer und Erinnerung nach dem im Park gelegenen Mausoleunr unternommen, welches die sterbliche Hülle seiner vorangegangenen Gemahlin birgt. — D.

Sache mit sehr guter Ueberlegung zu Werke zu gehen. Friedrich". Potsdam, den 6. August 1749. Da es heut zu Tage auch interessant sein dürste, einen solchen „Lettre de Cachet“ kennen zu lernen, wie er vor 100 Jahren aussah, so möge die Ordre hier folgen, die der König ebenfalls unterm 6. August an den Kapitain v. Dämbke erließ und zu even¬ tuellem Gebrauch in die Hände des General-Lieutenants v. Hacke legte.

Wann Euch der Gen.-Lieut. v. Hacke mit Sohn des Groß-Kanzlers v. Cocceji zusenden wird, so ist es mein Wille, daß Ihr denselben als einen Arrestanten annehmen, und ihn aus das Schloß zu Alt-Landsberg

„Mein lieber

Die Tänzerin Barbarinn. Von Louis Sdinciitcr.

(Fortsetzung.)

Nach der Zeit zu schließen, die ich gebraucht, unr diese Kabinetsordre nur abzuschreiben, muh nian bewundern, wie der in so

vielen Richtungen thätige Friedrich der Große für entschiedene privatissima noch so viel Zeit übrig hatte. Freilich mag ihn die ganze Angelegenheit persönlich mehr interessirt haben, als manche andere, und erscheint auch das wiederholt gebrauchte Epitheton verführerische Kreatur nicht sowohl aus Unwillen, als aus Er¬ fahrung hervorgegangen zu sein, auch fällt es auf, daß die Leidenschaft des jungen Cocceji eine ohnvernünftige und un¬ anständige genannt wird, da auch Andere, wenigstens ähnliche, wenn auch nicht gleich heftige gefühlt haben. — General-Lieute¬ nant v. Hacke machte sich, der Kabinetsordre zufolge, sofort an das Werk, und ließ den jungen Cocceji auf Tritt und Schritt be¬ obachten, damit er Berlin nicht vor Angedeihung der Verhaftung verlasse und setzte dann die Mutter von Allem in Kenntniß, was zunächst geschehen solle. Diese war hocherfreut und dankerfüllt für die gnädige Familien-Einmengung des Königs, sprach aber doch die Besorgniß aus, daß ihr Haus wohl schwerlich im Stande sein würde, den arretirten Sohn genügend zu verwahren, um ihm so¬ wohl das eohappiren, als die Korrespondenz mit der verführeri¬ schen Creatur unmöglich zu machen. Es mußte also an einen an¬ dern bequemeren Ort gedacht werden und der Gen.-Lieut. v. Hacke schlug dem König schon am Tage darauf das hiesige Jnvalidenhaus und das Schloß in Alt-Landsbcrg vor, wo er unter Aufsicht des Kapitains v. Dämbke wohl sicher aufgehoben sein würde. — Gleichzeitig berichtet er aber auch, daß nach sorgfältig eingezogenen Erkundigungen die Barbarina noch gar nicht daran dächte, Berlin zu verlassen, oder die königlichen Lande zu quittiren, sondern im Gegentheil gesonnen sei, den ganzen nächsten Winter hier zuzu¬ bringen und an denen Karnevals-Lustbarkeiten nicht als tanzen¬ der, sondern als zusehender Theil theilnehmcn zu wollen. Auf diesen Bericht antwortete der König umgehend. „Mein Lieber rc. Ich habe mit Mehreren ersehen, was Ihr unter dem 4. d. Ai. bei Gelegenheit der Euch zugesandten Ordre,

rc.

dieser meiner Ordre den ältesten

in eine verschlossene, aber dennoch gute und gesunde Kammer brin¬ gen und ihn dergestalt halten lassen sollet, wie Euch gcdachtcr G. L. v. H. solches schreiben und Euch deshalb nach Meiner ihm bekannt

gemachten

Intention mit umständlicher Instruktion ver¬ Ihr dann in allen Stücken ein exaktes Genüge

sehen wird, welcher thun müßt. Ich befehle Euch alsdann aus das Angelegentlichste, daß Ihr sowohl selbst von diesem Arrestanten Niemanden aus der Welt, er sei wer er wolle, etwas sagen, zugleich aber auch Eure Anstalten dergestalt machen müßt, daß aller Eelat auf das Menschenmöglichste verhütet werde. Ihr habt Euch hiernach aus

das Genaueste zu richten.

Friedrich".

Mit

einem solchen Briefe wurde auch Trenk dem Weltgewühle enthoben, und obgleich ich keinen Beweis dafür beibringen kann, daß Hr. v. Cocceji wirklich arretirt, wirklich in der guten, gesunden,

aber verschlossenen Kammer zu Alt-Landsberg gewohnt, so läßt aus dem Diensteifer des Gen.-Lieut. v. Hacke, der Leiden¬

sich doch

schaft des verliebten Geheimenraths,

der Strenge seiner

Mutter

und der unbefangenen Absicht der Barbarina, noch sehr lange in Berlin bleiben zu wollen, schließen, daß es zur Exekution der landesväterlichen Absicht * gekommen ist. — Wenigstens schweigen von nun an zwei Jahre lang alle Nachrichten über Hrn. v. Cocceji — es war ihm also aller Wahrscheinlichkeit nach Gelegenheit ge¬

-

geben,

„Fern von Berlin darüber nachzudenken"! — Erst im November 1751 finden sich wieder Spuren über diese romanhafte Liebesgeschichte, und zwar ein Schreiben der beiden Staatsminister v.. Bismark und Dankelmann, an den General-

Fiscal Uhden, in welchem

„mit

diesem befohlen

welcher Befugniß

sich

wird, zu ermitteln:

die hier

aufhaltende

ehemalige Tänzerin Barbarina unterstehe, sowohl öffentlich in der Stadt, als in ihren Briefen den Name j

v. Cocceji zu

führen".

48 Auch Uhden soll keinen Eclat machen, die „sich hier Aus¬ haltende" Nor sich fordern, und aus ihrer Vernehmung an den Minister v. Bismark zu eigenhändiger Erbrechung berichten. Die Bombe war also geplatzt, und heimlich geschehen, was öffentlich nicht geschehen sollte. — Diesmal hatte sich die Signora

Barbarina nicht mit einer soi-äisunt-Heirath begnügt, wie 7 Jahre vorher in Venedig, sondern sie wollte ihr Licht auch vor der Welt leuchten lassen und Frau Geheime Räthin sein. Daß sie ein un¬ bestrittenes Recht dazu hatte, wird der später folgende Brief be¬ weisen; wo die Heirath aber geschehen, wie lange Hr. v. Cocceji gesessen, che er

aus Landsberg wieder loskam, was

sich

überhaupt

in der Zwischenzeit eigentlich zugetragen, das kann ich aus dem einfachen Grunde nicht erzählen, weil ich es nicht weiß, und trotz alles Suchens in alten Zeitungen, Briefen und Büchern, nicht er¬ fahren konnte. Wären unsere Berlinischen Nachrichten FeuilletonArtikel, im Detail ausverkaufte Romane oder dergleichen, so ließen sich für diese zwei Jahre allerlei vortreffliche und höchst spannende Situationen erfinden, denn einen lohnenderen Stofs als ein Gefängniß aus Liebe, einen lettre de cachet, einen erzürnten Vater, eine besorgte Mutter, ein König, zwei Minister, die keinen Eclat machen wollen, und ein Generalfiscal, das Neben-Personal noch gar nicht einmal gerechnet, läßt sich wohl kaum wünschen, und ich habe (unter uns gesagt) schon den dritten Theil des ersten Bandes eines Romans fertig, der das ganze Leben der Barbarina umfaßt: aber so lockend es anch ist, die Impsus tsmxoris durch allerlei Phantasmata auszufüllen, so würde dergleichen doch die Berlini¬ schen Nachrichten um den historischen Kredit bringen, den sie bis

langer Zeit.

Seine Treue im Dienste Ew. Majestät, als Hoch-

deren Unterthan er geboren ist, läßt den Gedanken nicht in ihm aufkommen, diese Dienste zu verlassen; auf der anderen Seite bin i ch keinen Augenblick angestanden, wieder nach Berlin zu kommen,

da ich Ew. Majestät unvergleichliche Güte kannte. Dieser Rück¬ Berlin folgte jene Heirath, die mir schon so viele Widerwärtigkeiten zugezogen hat, daß ich nun glücklich sein werde,

kehr nun nach

wenn meine jetzige Lage mir nicht Ew. Majestät Zone zuzieht. Meine Absicht war es, inich ganz in den Staaten Ew. Majestät niederzulassen, und ich stand deswegen bereits im Handel mit dem Geheimenrath Buchholz, dessen Haus ich kaufen wollte. Da wir aber nicht handelseinig geworden sind, so denke ich eben jetzt an einen anderen Kauf. Schon glaubte ich, daß die zwei ruhig ver¬ lebten Jahre mich vor jeder weitern Unannehmlichkeit schützen würden. Schließen daher Ew. Majestät auf meinen neuen Kum¬ mer, da ich das Gegentheil erfahre, um so mehr, als ich bald den

Staaten Ew. Majestät einen neuen

Unterthan zur Welt

bringen werde. Diese

beängstigenden Umstände

mögen

mich

entschuldigen,

wenn ich mir von der Gnade Ew. Majestät einen Befehl für den General-Fiscal erbitte, in Folge dessen derselbe jede Verfolgung, sowohl wegen meiner Heirath, als wegen eines Aufenthalts hier unterläßt. . Die väterlichen Intentionen Ew. Majestät, der Sie jeden Zwang des Herzens hassen, lassen mich hoffen, daß eine gnädige und meiner unterthänigsten Bitte entsprechende Ordre, der Betrübniß derjenigen ein Ziel setzen wird, welche die Ehre hat

mit der tiefsten Ehrfurcht zu

sein

Ew. Majestät unterthänigste Dienerin

jetzt genossen.

Der General-Fiscal Uhden schrieb auf diese ministerielle In¬ sinuation ein höfliches, aber doch auch bestimmtes Billet an die, der Anmaßung ehelicher Prätensionen bezüchtigte Barbarina, und lud sic sehr freundlich zu sich ein, „was ihr doch gewiß ange¬ nehmer sein würde, als wenn er sie gerichtlich citiren müßte, da Das Billet strotzt zwar es sich um einen König!. Befehl handle". — Verständniß liest sich aber das von mangelhaftem Französisch,

Barbarina de Cocceji. Berlin, den 16. Novbr. 1751". (Schluß folgt.)

Louis Schneiders Memoiren.

doch heraus, namentlich wenn das eigene Gewisien den Dolmet¬

essant ist,

und aus dem sich der günstige Leser das Für oder Wider herauslesen mag, ob nämlich die Angaben Dcnina's, Zimmermanns, die geheimen Nachrichten aus dem Leben des Hrn. v. Voltaire über das frühere Verhältniß Friedrich des Großen zur Barbarina begründet sind oder nicht. Das Datum des Uhdenschen Billets tind des Brieses der Barbarina an den König ist

Die rührige Verlagshandlung hat vor wenigen Wochen be¬ reits den zweiten Band*) herausgegeben, der um ein bedeutendes interessanter ist als der erste Band, wenngleich auch hier noch dann und wann eine ermüdende Breite Platz greift, so unter anderem in der Charakteristik Alexander von Humboldts, einem entsetzlichen Hvsgeschwätze. Der vorliegende enthält: „Ein Revolutions-Repertoire 1848, Katzenmusiken 1848, Der letzte Abend auf der Bühne 1848, Der Feldzug in Schleswig 1848, Am Hoflager König Friedrich Wilhelms IV., Als Vorleser 1848—1857, Mademoiselle Rachel 1850 und 1852 (dieser Aufsatz ist merkwürdiger Weise in dem

der 16. November 1751, der letztere also im ersten Schreck vor

kleinen Register nicht

der drohenden Verantwortung geschrieben.

nissen

wohl bei der verehelichten v. Cocceji, separirten Makenzie und gebornen Campanini, der Fall gewesen sein; denn gleich nach Empfang dieser siscalischen Einladung schrieb sic folgenden Brief an den König, der in vieler Beziehung inter¬ scher macht.

So muß

es auch

Sire! Die neuen Verfolgungen, welche meine Feinde, wie ich fürchte, mir bereiten, geben mir die Kühnheit, mich Ew. Majestät zu Füßen und Allerhöchst Ihren mächtigen Schutz zu erflehen. Ew. Majestät allein können mich anstecht erhalten. Wie unglück¬ lich würde ich sein, wenn der König mir die Gnade nicht mehr gewähren wollte, die mich bisher so glücklich machte. Der General-Fiscal Uhden hat mich auf morgen vor sich citiren lassen. Da ich mir keinen Vorwurf zu machen habe, weder zu

tvcrfen

was die geheiligte Person Ew. Majestät, noch den Staat oder die Unterthanen betrifft, so können nur die Verbindungen, die ich hier eingegangen, Ursache dieser Vorladung sein. Erlauben mir Ew. Majestät, daß ich Ihnen in Bezug hierauf mein Herz öffne, und inich mit ehrfurchtsvollem Vertrauen an Ihre unendliche Gnade wende. Eine unbezwingliche Leidenschaft verbindet uns, den Gcheimenrath Cocceji und mich, schon seit

1851". Der

mit aufgeführt). Eine Kurierreise mit Hinder¬ allem das Kapitel:

dritte Band, in welchem vor

„Der Feldzug von 1866 und der von 1870/71, beide im Haupt¬ quartier Sr. Majestät des Königs Wilhelm" von größtem Jnteresie sein

dürste, erscheint, wie die Verlagshandlung mittheilt, bald

nach Neujahr 1880.

Ich will aus dem vorliegenden zweiten Bande einige Proben mittheilen. Die ersten Kapitel übergehe ich. Dieselben waren im Leben Schneiders keine Annehmlichkeiten und sind's auch nicht beim Lesen. Nur kurz möchte ich erwähnen, daß Schneider den letzten Abend auf der Bühne in Hamburg verlebte und zwar als Doctor Wespe am 9. Juni 1848. An diesem Abend zwangen ihm Berliner Revolutionäre und Hamburger Pöbel „Sprecplebs und Seeplebs" den Entschluß auf, dem Theater zu *) Anmerkung. Aus meinem Leben von Louis Schneider. Berlin Mittler und Sohn, königl. Hofbuchhandlung, Oktav

1879, Ernst Siegstied 485 Seiten.

49 entsagen. Es war das nicht zum Vortheil der deutschen Bühne, die in Louis Schneider einen tüchtigen Darsteller und einen höchst gewandten Schriststeller verlor; aber jedenfalls zum Vortheil für Schneider selbst. —

Im Jahre 1835 war Schneider zum ersten Mal mit dem nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV. in persönliche Berührung gekommen, dann häufiger bei Theatervorstellungen, so unter an¬ derem als Regisseur der Oper, als eine vom Könige gewünschte Oper wegen einer Erkrankung der ersten Sängerin nicht gegeben

werden konnte.

Dem König, der bekanntlich kein großer Theaterliebhaber war, war die Sache sehr gleichgültig, er benutzte aber diese Gelegen¬ heit, Schneider für dessen „Ber¬

linische Nachrichten" einige Liebenswürdigkeiten zu sagen und ihn aufzufordern, mehr zu bringen.

„Wo bekommen Sie nur alle die Stoffe her, Schneider?" meinte der König. „Was ich aus Gedrucktem zusammenstellen konnte, ist bei¬ nahe erschöpft und zu den Archiven

Zutritt. Selbst Bibliothek hätte zwar noch größere Schätze in ihrer Manuskriptensammlung, aber ich bekomme sie nicht, weil ich kein Recht zur Benutzung derselben in meiner Wohnung habe." „Und was gehört dazu, um

Als Schneider im Jahre 1855 im Oktober eine militairische Biographie des Königs demselben in den Corrckturbogen zur Durch¬ sicht gegeben hatte, da erhielt er am nächsten Morgen Befehl, zum Könige nach Sanssouci zu kommen. „Ich fand ihn," schreibt Schneider, „ganz allein in seinem Arbeitszimmer. Mit seinem so liebenswürdigen Lächeln gab er mir die Bogen mit nur wenigen, ganz unbedeutenden Aenderungen zurück, und sagte:

„Sie sind ja ein sehr gewissenhafter Biograph und habeil alles mögliche zusammengesucht, um Mich zum Soldaten zu machen. Das bringen Sie aber doch nicht zu Stande. Ein Feldherr könnte ich vielleicht einmal werden, wenn die Umstände Mich zwingen sollten, den Degen an der Spitze Meiner Armee zu ziehen; aber zum Soldaten bin Ich verdorben. Wo haben Sie denn all die Daten herausge¬ sucht? Ich selbst habe viele da¬ von nicht mehr so genau ge¬ kannt."

„Ich

sammle

schon

längst

Daten für die vaterländische Ge¬

habe ich keinen

schichte."

die

„Da muß man sich ja vor Ihnen in Acht nehmen! Ich habe gar nicht geahnt, daß Ich Meinen

königliche

solches Recht zu erwerben?"

„Wenn ein Professor der Uni¬ versität für mich kaviren wollte." „Kann Ich denn nicht Kavent sein? Freilich ein Professor bin Ich nicht, aber vielleicht machen die Herren auch einmal eine Aus¬ nahme. Schreiben Sie gleich hier einen Schein, wie er nöthig ist. Ich will ihn dann sofort unter¬

schreiben." —

Rhadamanthus

Mir

Selbst am

eigenen Theetische erziehe.

Was

wollen Sie denn mit dem Mate¬

riale machen?"

„Ich hatte die Absicht, den Stoff zu einer Biographie Eurer Majestät zusammenzutragen." Mit ungewöhnlich ernstem Blicke sah mich der König an, das so fteundliche, zum Scherz anregende Lächeln hatte plötzlich einem tiefen Sinnen Platz ge¬ macht:

„Sie wollen Meine Bio¬ graphie schreiben? Thun Sie das nicht, Schneider! Sie sind Mir persönlich zu gut, als daß sie

Als Schneider nach seinem Mr Tänzerin üartmrina Abgänge von der Bühne aus (auf der Bühne.) Schleswig zurückkehrte, wurde gerecht sein könnten. Sie müssen er durch den Generaladjutanten Mir versprechen, das nicht zu v on Rauch beim Könige eingeführt. „Ich habe" — sagt Schneider— thun. Nun ich es weiß, darf Ich das nicht zugeben. Ich habe „die allerverschiedensten Gelegenheiten gehabt, den König zu hören Proben davon, daß Sie eine wirklich dankbare Gesinnung für und zu beobachten, immer war er geistreich, bedeutsamster Rede Mich haben; aber eben deswegen sollen Sie meine Biographie nicht schreiben. Man würde Ihnen doch nicht glauben. Die mächtig, wohlwollend, voll der besten Absichten, der blendendsten Entschlüsse, der edelsten Regungen. , Sein Wissen war allerdings Geschichte wird Mir nie verzeihen, daß Ich nicht den nur encyklopädisch, aber unendlich reich nach allen Richtungen hin, ersten, der es gewagt, in frecher Auflehnung die Hand nach Meiner Krone auszustrecken, auf den Sandhaufen und überall übte er eindringliche Kritik, die nur in seltenen Fällen niederknien und das Schwert auf ihn herabfallen ließ, nicht gleichzeitig eine wohlwollende war. War er heftig und auf¬ brausend gewesen, so fühlte man ihm das Herzensbedürfniß an, das der Allmächtige in meine Hand gelegt. Ich verlange auch wieder gut zu machen, wenn er wehe gethan. Ganz im Ge¬ ein strenges Urtheil. Sie würden viel zu milde sein!" — Schneider nennt als ihm nicht Wohlwollende am Hofe gensatze zu seinem Bruder Wilhelm, verlor der König leicht Friedrich Wilhelms IV. zunächst Alexander von Humboldt, das ruhige Gleichgewicht, enthusiasmirte sich schnell für einen Ge¬ dann Tieck und Maler Professor Kopisch, die sämmtlich aus danken, der ihm nachher in seinen praktischen Folgen unangenehm verschiedenen Gründen „futterneidisch" auf den gewandten, wurde und den er dann ebenso schnell wieder fallen ließ. Er war ehrlichen Vorleser waren. Auf Alexander von Humboldt ist durch, und durch eine poetische Natur und zwar in dem ganzen Ge¬ Schneider ganz besonders böse, er nennt ihn eine ,Fkatze", die gensatze, in welchem sie zu einer praktischen Natur steht. Eben weil er durchaus anders war als sein Vater und sein ältester Jeden gekratzt hat und die immer nach vorne Sammetpfötchen Bruder, mußte ihm natürlich praktisch vieles mißrathen, was seinem ausstreckte. Und das scheint nach allem Erzählten auf Wahrheit zu beruhen. — Die Urtheile Humboldts über Schneiders VvrVorgänger und seinem Nachfolger gelang."

50

lesungen

sind ja von Humboldts Standpunkt ganz verständlich, wenn man eben nicht an die Herrschaften denkt, welche von Beiden, Humboldt wie Schneider, unterhalten sein wollten. Mein Gott, der ewige Festbraten aus dem „mittlern Hochasien" und den übrigen sehr entfernten Gegenden wird den geistreichsten Leuten am die

Dauer auch langweilig und es mundet dann vorzüglich „die Ge¬ „Gärten von Sanssouci", die „Tänzerin Barbarina" oder auch Wohl Scherenbergs „Lcuthen" und die „Landparthie nach Sanssouci von Piefke und Bohmhammel". Alan tan» es ganz und gar verstehen, wenn die geborenen Berlinerinnen, die in Berlin einstens „in Schule" gegangen waren, die spätere verehelichte Kaiserin von Rußland und die Großherzogin von Mecklenburg, wenn diese bei einem Besuche ihrer Heimath sich köstlich über Glasbrenners „Landparthie" amüsirtcn, wie die Russische Kaiserin mehrere Male mit der Hand winkte, um eine Pause eintreten zu lassen, weil sie vor Lachen das Weitere nicht hören tonne. Wie sie sich mit dem größten Interesse die Berlinischen Ausdrücke erklären ließ, die ihr in der kalten Czarenstadt seit 1817 ctivas abhanden gekommen — ein echter Berliner würde sagen „cinjc froren" — waren. Und wie die Kaiserin Schneider bittet, ihr doch ebenfalls eine von den „Gespenstergeschichten" vorzulesen, die ihrer Schwester und Schwägerin so sehr gefallen hatten. Man kann das ganz und gar verstehen und braucht dazu gar nicht einmal oberflächlich zu sein.



Notiz für — mitausgenommen hat. So bin ich recht neugierig auf die „Mohren ge schichte" geworden, die, obgleich für Frauen nicht recht geeignet, dem Könige so gefiel, daß er Schneider aufforderte, dieselbe der Königin vorzulesen. Kann ich durch die Freundlichkeit eines verehrten Lesers für

j

schichte der

Mir

sind diese ewig von Geist triefenden Leute, die so ganzes Leben im „Bratenrock" verbringen, diese Leichenbitter jeden Humor und für die Harmlosigkeiten in

ihr für

unserem Leben ein

Gräuel. — Aus seinem Vorleserleben erzählt Schneider die nachfolgende

Königs: Am 24. Februar blieb der König auffallend lange aus, ehe er zum Thee kam. Die Erkundigung beim Kammerdiener ergab, daß er schon vor zwei Stunden in den Garten gegangen sei. So¬ gleich wurde nachgesandt, und man fand den König, von einer Schildwachc am Belvedere arretirt, in dem Schildcrhause derselben stehen, da er die Parole vergessen hatte. Es war ein Soldat vom 2. Infanterieregiment oder vom 2. Garderegiment zu Fuß, und der König kam endlich in überaus heiterer Laune über seine Verhaftung zur Königin. Der wachthabende Offizier war in größter Verlegenheit über die Ungeschicklichkeit des Soldaten; der König sagte aber: „der Mann hat nur seine Pflicht gethan: freilich hätte er sie etwas tveniger grob thun können. Warum vergeffe ich die Parole?" Am 15. Oktober 1850 erfolgte Schneiders Ernennung zum Hofrath. Es ist früher viel darüber gefabelt worden, wie Louis Schneider 1848 die prononcirte konservative Haltung „gespielt" habe, um sich bei Hofe liebes Kind zu machen. Aus dem vorlie¬ genden Buche geht deutlich hervor, wie nur das Zusammentreffen vieler- glücklicher Umstände, zrnrächst sein Talent, gut vortragen zu können, dann die Geschicklichkeit, für ein Publikum wie das die Umgebung des Königs war und für den König und dieKönigin selbst geeignete, meist stofflich interessante Dinge zu schreiben, zum dritten die Einführung durch General von Rauch und endlich die Weiterenrpfehlung der Prinzen Wilhelm und Karl; kurz wie erst die Tüchtigkeit Schneiders nach der Revolutionszeit ihm den Platz eroberte, den er in ehrenvoller Weise in der Umgebung zweier Könige Jahrzehnte hindurch ausgefüllt hat. Schneider erhielt nach seinem Abgänge von der Bühne nichts als die Pension als Hoffchauspielcr, und erwarb sich Weiteres durch die Redaktion des „Soldatenfteundcs" und der „Wehrzeitung", um damit in etwas das fehlende Spielhonorar ec. der früheren Jahre wieder einzubringen. hübsche Anekdote aus dem Leben des hochseligen

Schade ist, daß Schneider nicht einzelne der Geschichten, die dem Könige besonders gefallen haben,

gleich in seine Memoiren

ich nenne das Buch der Kürze wegen so, dies zur

einen bekannten Kurzsichtigen

unser

Blatt

diese

Mohrengeschichte erhalten, und vielleichtauch

die „Impre88ion8 ck'un voyage k

j

'

!

Treuenbrietzen?“

Eine hübsche Episode im Vorleserleben Schneiders ist die nachfolgende, die ich mit Schneiders eigenen Worten hier hersetze: „Bei Anwesenheit der Prinzessin Friedrich der Niederlande kam unter den nur ftanzösisch sprechenden Hofdamen derselben die böse Gewohnheit auf, sich an den Nebentischen ziemlich laut zu unterhalten, während ich vorlas. Da sonst der König immer darauf hielt, daß nicht die geringste Störung beim Lesen stattfand — mußte doch das ganze Theegeschirr erst hinausgetragen sein, ehe ich anfing, damit kein Klappern mit den Tassen oder Löffeln störte — so war mir dies laute Sprechen und Kichern ungewohnt. Vergebens warf die Oberhofmeisterin Gräfin Brandenburg mißbilligende Blicke dorthin, vergebens brummte der König vor sich hin, denn den fremden Hofdamen konnte er wohl nicht so strenge Worte zu¬ rufen, wie er es den Hofdamen der Königin bei ähnlicher Gelegen¬ heit in meiner Gegenwart gethan; kurz, die Lage wurde für mich peinlich. Ein guter Einfall half mir indessen darüber hinweg. Ich fing an leise und immer leiser zu lesen, wozu glücklcher Weise auch der Gegenstand, eine Geistergeschichte aufforderte, und brachte es

Mittel dahin, daß endlich die vollkommenste Der König erkannte die Kriegslist und sagte beim Stille herrschte. Weggehen: „Holde Flöte, durch dein Pianospielen, selbst wilde Thiere Freude fühlen!" Bekanntlich eine Stelle aus der „Zauber¬ flöte". — durch dieses einfache

Der 28. September 1857 war der letzte Vorleseabend. Schneider wurde weder in Potsdam noch in Charlottenburg weiter zum Vorlesen besohlen, noch auf den Reisen nach Meran und Rom mitgenommen. Jede geistige Auflegung, ja selbst Anregung sollte nach dem Rathe der Aerzte vermieden werden. — Bandes bildet „eine Kurier¬ Den Schluß des vorliegenden reise mit Hindernissen 1851", eine Erzählung von den Plagen, welche Schneider bei einer Einladung zum Besuche eines Russischen Manövers ausgestanden hat. Ich empfehle diese hübsche Lektüre, in der sogar russisches Ballet und Marie Taglioni vorkommen,

ll.

bestens.

Ebenso intereffant erzählt ist das Stückchen

„Mademoiselle

Rachel".

Die Besänftigung Schneiders nach der erregten Künst¬ lerin Ausruf „Comment en plein air? Me croyez — vous une saltimbanque?“ ist vorzüglich geschrieben. —

Dominik.

Altmärkische Ueberlebsel. Ich hielt mich längere Zeit in einer Prediger - Familie in der Altmark auf, und hatte dabei Gelegenheit, einige Gebräuche kennen zu lernen, die für manchen Leser vielleicht nicht ganz unintereffant sind, die ich aber auch deshalb mittheile, um mir vielleicht Auf¬ klärung zu verschaffen über dasjenige, was mir bei diesen Ge¬ bräuchen nicht klar geworden, und worüber man mir auch an Ort und Stelle nicht Auskunft geben konnte. —

Ich erwähne zunächst einiger Gebräuche bei der Hochzeit. — Die Braut, bei welcher ich zur Hochzeit eingeladen war, und von welcher ich nachstehende Sitten schildere, wohnte vom Heimathsdorfe ihres künftigen Mannes einige Meilen entfernt. Sie wurde von diesem und einigen jungen Bauernsöhnen, welche

51 zu Pferde waren, am Tage vor der Hochzeit abgeholt und zwar auf einem Wagen, dem ein anderer mit der Ausstattung, Bett, Spinnrad u. s. w. folgte. Ihre Begleiter, sowie die Fuhrleute hatten einen Strauß im Knopfloch und letztere an den Peitschen ein buntes Taschentuch. Als der Zug sich dem Dorfe näherte,

waren ihm Kinder entgegen gegangen, welche Stricke über den Weg spannten und diesen nicht eher frei gaben, bis sie Geldstücke erhielten. Den Dorfkindern wurden außerdem Kuchen und Aepfel zugeworfen. Am Hause ihres Zukünftigen wurde die Braut, so¬ wie später jeder eintreffende Hochzeitsgast mit Musik empfangen. Bei der Trauung herrschte die Sitte, daß zwei Brautjungfern, wohl die besten Freundinnen der Braut, zu jeder Seite des Braut¬ paares mit einem lichterswahlenden Christbäumchen standen. Diese Bäumchen hatte nach Beendigung des Hochzeitsmahles die Braut in den Händen, und tanzte damit mit jedem der geladenen Herren den Ehrentanz; wer nicht selbst tanzte, konnte sich vertreten lassen, mußte aber seinen Vettreter bezahlen. Die Mutter der Braut stand während der Trauung mit einer brennenden Laterne hinter den Trauzeugen, welche sich unmittelbar hinter dem Brautpaar aufgestellt hatten. Was diese Sitte für eine Bedeutung hatte konnte ich nicht erfahren.

Auch bei Beerdigungen spielten die Lichterbäume eine Rolle. Ich wohnte der Beerdigung eines Kindes in einem Filialdorfe des Predigers bei. Das Dorf hatte keine Kirche und deshalb mußte das sonst übliche Läuten der Glocken durch ein an¬ deres Zeichen ersetzt werden. Der Kantor bediente sich dazu einer Klapper von Eichenholz, wie man sie in manchen Gegenden zur Vertreibung der Vögel aus dem Getreide, benutzt. (Dieselbe Klapper gab auch jeden Morgen das Zeichen zum Beginn des Schulunterrichts.) Die Kinderleiche war in der Scheune der betteffenden Eltern aufbewahrt und hatte ein Geldstück im Munde, ein Gebrauch, der von vielen Gegenden bekannt ist. Während der Leichenrede standen ein paar kleine Mädchen mit brennenden Bäum¬ chen am Sarge, auf dem Wege zum Kirchhof trugen sie dieselben hinter den Sarg her, um sie nachher auf den ftisch aufgeschütteten Hügel zu stecken.

Die Weihnachtszeit erinnette

mich an einen Ausdruck, dessen

Bedeutung ich auch nicht kenne. Man nannte nämlich den Weih¬ nachtsbaum „Krazinboom". Vielleicht, so habe ich mir gedacht, soll dies eine Zusammenstellung von Christ- und Rosinen-Baum sein. Diese süße Frucht wird dort vielfach zur Ausschmückung des Christbaumes benutzt. Emma R. Bemerkt wird hierzu, daß die Benutzung von Bäumen für abergläubische Zwecke namentlich unter den wendischen Bewohnern der Altmark noch viel verbreiteter als jetzt war. Man richtete sonst z. B. am Abend vor Johannistag den „Kronenbaum" auf, d. h. eine bis auf eine kleine Krone von Aesten befreite Birke, die mit Kränzen und Gewinden geschmückt war. Man richtete ferner den „Kreuzbaum", eine Eiche auf, damit sich an dem heiligen Baum das Vieh scheuere; auch wurde der Baum mit Fett gesalbt, mit Bier und Branntwein begossen, in Löcher des Baumes Münzen als Opfer gesteckt, Preßhafte rieben ihre kranken Glied¬ maßen an dem Stamm. den Nothfeuerbäumen wurde durch Reiben mit Holz und Strick „wildes" Feuer, „ächtes" Feuer erzeugt, welches das Vieh vor Krankheit schützen sollte. Diese Sitten sind hier und da noch im Schwange. E. Fr.

In

Ileber alte Dockenhäuser oder Wodellhäuser.

Belehrung und Unterstützung. Im Berlin befindet

Bitte

um

Kunstgewerbemuseum zu

im 16. Jahrhundert zu Nürnberg angelegtes, später theilweise renovittes Puppen- oder Dockenhaus, welches die Aufmerksamkeit der Beschauer im höchsten Maaße erregt, da es die vollständige Einrichtung eines Pawizierhauses vom Keller bis zum Dach, mit den Wohnzimmern, der „guten" Stube, dem Eßzimmer, sich ein

der Kemenata, der Schlafstube, der Spinnstube, der Speiseküche der Waschküche, den Kammern rc. ec. aufs zierlichste und deutlichste gewisierinaßen in sauberster Diamantausgabe darstellt. Da fehlt neben Schränken, Tischen, Stühlen, Kommoden ec., die natürlich nicht mangeln, auch nicht die geringste Ausstattung bis auf das

Licht auf den Miniaturleuchtern, die Hauspostille mit der Brille daneben und den nützlichen Unvenneidlichkeitcn einer Schlafstube. Eine noch viel prächtigere städtische Dockenstube aus Süddeutschland befindet sich in dem Southkensington Museum, dem Allerweltsmuseum, in London. Der Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit beschreibt in Dir. 11 von 1879 das wunderbare ländliche Dockenhaus aus dem Inventarium, welches der herzogliche Hoftath Johann Baptist Fickler 1598 von der 1579 fertig gewordenen Kunsttammer Herzog Albrechts V. von Bayern aufnahm. Diese Puppenhäuser scheinen vorzüglich südlich des Mains üblich gewesen zu sein und gestatten wir uns die Frage,

für Großmüttcrchen

ob dergleichen aus Norddeutschland bekannt und viel¬ leicht noch erhalten sind? Hiermit verbinden wir folgende Anregung und Bitte. Es müßte für die Kulturgeschichte Berlins und der Mark höchst interessant sein, dergl. Dockenhäuser, sowohl

von Patrizier-

häusern wie von adeligen Landsitzen womöglich aus altem Spiel¬ zeug zu rekonstruiren und die unvermeidlichen Lücken mit Nach¬ ahmungen auszufüllen. Wie anregend würde z. B. ein Modell eines Märkischen Bürgerhauses um 1500, um 1600, um 1700 in

der Weise des im Kunstgewerbe-Museumausgestellten sein? Sollte es nicht möglich sein, wenigstens solche Häuser im Rococcostile des vorigen Jahrhunderts uud in dem steifen Stile des Ende des 18. und des Anfangs des 19. Jahrhunderts herzustellen? Selbst aus

späteren Jahrzehnten unseres Jahrhunderts würden Modellstuben¬ einrichtungen schon jetzt von erheblichem Wetth sein. Auch Rekonsttuktionen von Bauernhäusern im Stile der verschiedenen Theile der Mark (Churmark, Uckermark, Niederlausitz u. s. f.) wären sehr belehrend und höchlichst erwünscht. Vertrauend auf die Liebens¬ würdigkeit und den Patriotismus unserer Mitbürger und Mit¬

bürgerinnen in Stadt und Land, an welche unser vaterländisches und gemeinnütziges Institut noch niemals eine Fehlbitte gerichtet

hat, gestatten wir uns das Anliegen vorzubringen, uns behufs Herstellung ähnlicher genau im Stil einer bestimmten Epoche aus¬ gestatteter Modellhäuser mit Rath und That freundlichst unterstützen, namentlich „der Urväter Hausrath" darauf hin prüfen zu wollen, ob sich nicht an altem Spielzeug oder an alten Nippsachen

oder Jenes erhalten wendet werden kann.

hat, was für

Dies

den geschilderten Zweck mitver¬

Berlin, den 2. Januar 1880. Direktion des Märkischen provinstat-Muscums. Friede!.

M i s t c 11 c n. Qui vive? — La vache! In der Vossischen Zeitung vom 3. Januar wird erwähnt, daß die Geschichte von der Berliner Waschfrau, welche im Bär vom 3. Januar erzählt wird, dem Ein¬ sender durch ein Gedicht bereits seit vierzig Jahren bekannt sei. Die Schadow-Gropiusschen „Berliner Witze" sind jedoch schon vor vierzig Jahren im Anfange der dreißiger Jahre erschienen. Das Gedicht wird also nach diesem Schadowschen Bildchen angefertigt Worden sein.

Vielleicht vermag der Einsender anzugeben, wann und wo das betteffende Gedicht herausgekommen ist. Aus welchem Grunde angenommen wird, daß die Geschichte etwa nach Magde¬ burg zu verlegen sei, weiß ich mir nicht zu erklären. Die Frau hieß übrigens, wie mein jüngerer Bruder berichtigt, nicht Wilbatius,

sondern

Wilbatus.

Georg Büch mann.

52

Qui vive? — La vache!

Im

Anschluß

an die Notiz des

Herrn Prof. Dr. Büchmann auf pag. 15 der Nr. 1 des „Bär" und an eine Bemerkung der Boss. Ztg. vom heutigen Tage (Beibl. I pag. 3) erlaube ich mir. Ihnen folgenden Auszug aus der bekannten Schulgrammatik v. Dr. Carl Plötz zuzustellen, in der Meinung, daß Ihnen qu. Buch — ein Schulbuch — vielleicht nicht sogleich zur Disposition steht: pag. 150 franz. Uebungsstück Satz 27: Du tslnps que les Frau^ais occupaient Berlin, une kein ms du peuple s’approchant un soir d’une sentinelle, le Soldat lui cria: Qui vivc? — La vache, repondit intrepidement la bonne f'eninie, qui croyait savoir le fran^ais, et qui etait blanchineuse

Georg H. N.

de son metier.

stud.

jur.

Königk. National - Haler». Zum Gedächtniß Eduard Meyerheim's wird eine Ausstellung der Werke desselben in der königl. Nationalgalerie vorbereitet. Ich richte daher an alle Kunst¬ freunde, welche Originalgemälde oder Zeichnungen besitzen, die ergebene Bitte, dieselben der königl. zu genanntem Zweck auf einige Wochen gütigst wollen, indem ich bemerke, daß die Ausstellung

beginnen soll. getragen.

dieses Meisters

Natioitalgaleric

anvertrauen zu ain 1. Februar Entstehende Kosten werden von dem Unterzeichneten

„Wiese, Das ist Und die Das ist

Frl. Th.

v.

Wasser,

Sand, Land;

des Märkers

grüne Haide, seine

Freude".

M. in P. Ihre

Frage überschreitet fast die Grenzpfähle des „Bärenreiches". Das wunderbare Veilchenpapier aber läßt mich antworten. Sie erzählen von einer Shlvesterwctte, in welcher be¬ hauptet wäre, daß das siebente Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts am 31. December 1880, und nicht am 31. December 1879 schlösse. Es handelt sich um „eine selbstgekauste Stickerei" gegen ein „Paar 16knöpstge Ballhandschuhe" und Ihre „Adjektiven" lassen mich vermuthen, daß Sie Sich — verzeihen Sie das harte Wort — für den jüngsten Sylvestertag verwettet haben. Sie haben verloren. Ich stelle mir lebhaft die Situation vor: Ihr Herr Onkel oder eine andere Respekts¬ person hatte seine Sylvesterrede damit begonnen, daß wir am Rande eines größeren Zeitabschnitts uns befänden, daß nach wenigen Augenblicken ein

Jahrzehnt schließen würde, das rc. — und da hatte Ihr Cousin — der immer widerspricht — behauptet, das siebente Jahrzehnt.schlösse

erst am nächsten Sylvestcrabend. Ihr Herr Cousin —der vielleicht niemals Recht bat — hat in diesem Falle Recht. Nehmen Sie Ihre kleinen Händchen zu Hülfe: das erste Jahr des ersten Jahrzehnts

sonst

unserer Zeitrechnnng schloß am 31. December 1 und das zehnte Jahr des ersten Jahrzehnts schloß am 31. December des Jahres 10. Der Rest ist Schweigen.

Berlin, den 14. Januar 1880. Der Director der Königl. National-Galerie. Dr. M. Jordan.

A. W. hier.

Bär"

Mccrwundcr nicht Märwundcr. Weigand, Wörterbuch sagt: „Das Meerwunder: Meerungeheuer, Ungetüm des Meeres;

In

jener ersten seltsame, aufs höchste angestaunte Erscheinung. Bedeutung bei Luther Jac. 3, 7 Mittelhochdeutsch und mitteldeutsch das merwunder-wunderbares Seeticr-wescn (Myst. I, 4, 10. Gries¬

habers Predigten I, 152; auch wunderbares, halb tierisch gestaltetes Meerweib oder ein so gestalteter Meermann (Gudrun 75,3.112,3.)" Wenn Auerbach Märwunder schreibt, so hat er offenbar diese Etymologie nicht gewußt und eigenmächtig Meerwunder als

G. Büchmann.

Wundcrmährc gedeutet.

V. T. Voßstraße. Das für Ihre Zwecke geeignete Buch ist „Vo߬ berg, die Siegel der Mark Brandenburg", Verlag von Stargardt Berlin: — Der betreffende Vers lautet:

folgt

Ich

sage

der liebenswürdigen „neuen Verehrerin des

meinen ergebensten Dank Berlin. Besten Dank später.

für für

die freundlichen Zeilen. die „Martinigebräuche", Abdruck er¬

H. B. Potsdam. Besten Dank für die freundliche Berichtigung. Danach heißt also seit 1870 die Straße, aus deren Terrain die Bitt¬ schriftenlinde steht, „Hnmboldstraße", und zwar zum Andenken an A. von Humboldt, der viele Jahre' hindurch im östlichen Flügel des Königlichen Stadtschloffes gewohnt hat. A. L. hier Roßstraße. Ich weiß nicht, ob das ehemalige Schnittwaarengeschäft von König & Hertzog hier, Mühlendamm 19, das Muttergeschäft des großen Handlungshauses von Rudolph Hertzog ist.

Ein Abonnent Potsdam. Besten Dank für Ihre die Bittschriftenlinde bezügliche Notiz, die ich in einer der nächsten Nummern abdruckeit werde.

W. v. Sch. Ch. Besten Dank für die freundliche Sendung. W. W. Brandenburg a./H. Herzlichen Gegengruß und

Briefkasten. Proscffor Schw. P. Herr Rentier B. Stülerstraße schreibt mir, daß die Ohmgasse dennoch von einem Gärtner Ohm ihrem Namen hätte. Die jetzige Ohmgasse befände sich dort, wo ehedem der Spielberg'jche Garten gelegen, der dann einem Gärtner Ohm gehört habe, dm die Berliner Adreßbücher von 1812 und 1816 als „Gärtner und Samenhändler, Der Köpnickerstraße 10 und Holzmarktstraße 3 und 4" aufführen. Professor Martin Ohm, geboren 1792, wäre erst seit 1821 in Berlin ge¬ wesen, seit 1824 Priuatdocent und bis 1839 außerordentlicher Professor von da ab ordentlicher Profeffor gewesen. Meine „Unpartheilichkeit" kann nicht weiter gehen, als daß ich Ihnen diese Angaben eines Mannes, der in der Nähe der Ohmgaffe angesessen war, und der mit den Berliner Verhältnissen sehr vertraut, mit freund¬

Inserate.

Berlin,

kann.

historisch und topographisch

dar¬

vvn E. Fidicin. 2. wohlfeile Ausgabe gr. 8°. 206 Seiten. Mit einer äußerst interessanten Doppelkarte: Berlin im Jahre 1640 und im Jahre 1842. Preis: 2 Mark. Berlin 1852 bei E. H. Schrocder, Wilhelmstraße 91. gestellt

Eine Sammlung gut erhaltener Aschenkrüge,

lichem Gruße ganz ergebenst unterbreite.

Geheimrath Z. hier. Sobald Raum vorhanden, drucke ich ab. M. F. Die Wachstuchfabrik von Engel, der ein geborener Mecklen¬ burger war, besand sich Köpnickerstraße, etwa 148 und gelangte später an einen Herrn Päch. General von R. in Wa. Vergleichen Sie „Bär" 1878 Seite 117, 127, 139, 164, 175, 184. Verfasser Postsekretair Otto Runck Hierselbst, Mitglied des V. f. d. Geschichte Berlins. — Wegen „Generale" würden die Listen der Commandantur die beste Auskunft ertheilen. H. W. Kleine Kurstraßc. Die Straße hieß vor 100 Jahren noch die Schustergasse. Ich will sehen, ob ich über Nr. 5 etwas erfahren

besten

Dank.

worunter viele schw. Mäander-Urnen, mit Beigaben von Silber, Bronze, Eisen, Knochen, ist zu verkaufen. Adressen i. d. Exp. d.

Bl.

Inhalt. Löwe ttnd Löwin. Novelle von Ludovica Hesekiel (Fortsetzung). — Joachim I. Roman von Adolf Streckfuh (Fortsetznng). — Feldmarschall Graf Moltke. — Die Tänzerin Barbarina. Von L. Schneider (Fort¬ setzung). — Louis Schneiders Memoiren. — Altmarkische Ueberlebsel. — Ueber alte Dockenhäuser oder Modellhäuser. — Mscellen. — Briefkasten. —

Inserate. —

Für die Redaction verantwortlich: Emil Dominik in Berlin. — Verlag der Nicolaischen Verlags-Buchhandlung, R. Stricker, in Berlin. Druck: W.

Mörser Hosbu chtruckcrei in Brrtüi.

VI. Jahrgang. Nr. 5.

Unter Mitwirkung von: £. Alfieri, £. Öruuolö, Georg Lüchmann, Prof. Dr. Paulus Cassel, Stadtarckivar Fidicin, Theodor Fontane, Ludovira Hefekiel, Dr. Hermann ülctke, Ferd. Alcyer, Banrath Vrth, Dr. Ferd. Püug, Dr. H. prahle, U. Achillmann, Direktor Wilhelm Achwartz in Posen, Archidiakonus Schwrbel in Cüstrin, Stadtrath Adolf Streckfuß, Heinrich Wagener in Potsdam k.

Emil Dominik.

herausgegeben von Ernst Friede! und

f :

Telegra>ikmsecreialrs Gross

Berlins.

Der hohe Adel aus den alten schloßgesessenen Familien hielt sich für bei Weitem vornehmer als der geringe Landadel. Die Putlitz, die Alvensleben, die Schulenburg u. s. w. schauten aus den kleinen Edelmann

mit Ver¬ achtung, wie auf den Bürger herab ; heut diesem

sie

also 22400 Briefe rc. Beförderung erhalten können. Bei vollständiger Aus¬ nutzung der RohrpostEinrichtungen erzieht dies unter gleichzeitiger Annahme, das; ein Theil

sammen

nichts Stütze

blicken, heut verkehrten

mit den rauhen Männern, wie mit ihresgleichen. — sie

Ein

Geschichte

7 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends — würden in jedem der Rohrkreise täglich 14x4 —56 Züge mit je 400 Briefen, zu¬

fast ebenso

von

im Verein für die

(Schluß.)

Ein Rohrpostzug kann, wie erwähnt, bis zu 20 Büchsen ent¬ halten. Da jede Büchse 20 Briefe, Telegramme oder Postkarten aufzunehmen vermag, so können mit jedem einzelnen Rohrpostzuge bis zu 400 Sendungen befördert werden. Bei der Betriebszeit von 14 Stunden —

verkehrt haben.

aber ließen

in Serlin.

Sendungen

der

gemeinsamer

aus

in

Zweck hatte den hohen

einem

und den niedern Adel

andern übergehen, für die ganze Rohrpostan¬ lage eine Beförderungs¬ leistung von mehr als 40,000 Telegrammen, Rohrpostbriefen oder Postkarten fürjeden Tag.

in

der

Haideschenkc

vereinigt, da durfte von Stolz und Standesvvrurtheil denn freilich keine Rede sein. Der guteWein hatte die

Gesellschaft

schwindigkeit der Züge beträgt 1000 Meter in

der Minute.

gesprochen wor¬

den über den eigent¬ lichen Zweck des

Zusammenseins, nur, wenn sich zwei alte

den

Die Durchschnittsge¬

er-

wärmt und belebt. noch war kein lautes

Wort

Kreise

Oie Rohrpost in

Serlin:

Sessel zur Ansammlung der verdichteten und verdünnten Lust.

Originalzeichnung von C. Nechlin.

giebt uns einen Auszug aus Michaels Schrift: „Verzeichniß der ausgebrannten Wasser." Augsburg 1483: „Der geprannt wein ist gut für das gicht damit bestrichen." „Wer heyser sey, der bestreiche sich mit geprannten wein umb den Halb und trinke in drey morgen nüchtern." „Auch wer alle morgen trinkle in halben Löffel voll gepranntes Weins, der wird nimmer krank." „Item wenn eins sterben soll, so giesse man im ein wenig gepranntes Weins in den mund, so Wirt er reden vor seinem Tod." „Welcher Mensch den Stein in der blasen hat, der trink sein alle morgen ein wenig, das zerbricht den stein und kombt von im und wird auch gesund." „Auch wer geprannten Wein trinket alle Atonat eynest, so stirbt der Wurm, so da wächst dem menschen bey dem herzen oder an den lungen oder ledere." „Der geprannte Wein ist auch gut den menschen, den daS Haubt wee thut. Wer auch fein Haubt damit zwahet, der ist allweg schön und lang jung und macht gut gedächtnis, wann geprannter Wein steckt dem Menschen sin und wie;. Wer sein antlicz damit zwahet, der grät nit er töttet auch die milden und nyß und wem der atem stinket, der bestreych sich damit und trinke ein wenig mit anderm wein, so Wirt im ein süßer atem."

Die Beförderung der Züge findet in folgender Weise statt:

Im Südkreis 1) vom Rohrpostamt

Nr. 2 mit verdünnter Luft — von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 3, — 2) vom R. A. Nr. 2 nach dem R. A. Nr. 3 mit verdünnter Luft der Maschinen-Anlage R. A. Nr. 3, 3) vom R. A. Nr. 3 nach dem R. A. Nr. 4 mit verdichteter Luft — Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 3, 4) vom R. A. Nr. 4 nach dem R. A. Nr. 16 mit verdichteter Lust — Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 3, 5) vom R. A. Nr. 16 nach dem R. A. Nr. 5 mit verdünnter Luft von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 5, 6) vom R. A. Nr. 5 nach dem R. A. Nr. 6 mit verdichteter Lust von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 5, 7) vom R. A. Nr. 6 nach dem R. A. Nr. 7 mit verdichteter Luft — aus den beim Amte Nr. 6 aufgestellten, von der MaschinenAnlage beim Amte Nr. 5 gespeisten Luftbehältern, — 8) vom R. A. Nr. 7 nach dem R. A. Nr. 1 zurück mit Nr.

!

1

nach dem Rohrpostamt

93 verdichteter Luft — aus den beim Amte Nr. 6 augestellten Lust¬ behältern — 9) die Zweigleitung vom R. A. Nr. 6 nach dem R. A. Nr. 17 bezw. nach dem R. A. Nr. 8 wird vom R. A. Nr. 6 bis R. A. Nr. 17 bezw. Nr. 8 mit verdichteter, in umgekehrter Richtung

mit verdünnter Luft betrieben.

Im Nordkreis 1) vom R. A. Nr.

1 nach dem R. A. Nr. 9 und vom R. A. Nr. 9 nach dem R. A. Nr. 10 mit verdünnter Luft von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 10. 2) vom R. A. Nr. 10 nach dem R. A. Nr. 20 und vom R. A. Nr. 20 nach dem N. A. Nr. 11 mit verdichteter Luft von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 10. 3) vom R. A. Nr. 11 nach dem R. A. Nr. 12 mit verdünnter Luft — von der Maschinen-Anlage in der Pallisadenstr. unter Bei¬

hülfe

Nr.

-

22 — nach dem R. A. Nr. 21 R. A. Nr. 15 und R. A. Nr. 12 mit verdichteter bezw. verdünnter von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 22 unter Zuhülfenahme von der Maschinen-An¬ lage beim R. A. Nr. 3 und der beim Amte Nr. 12 aufgestellten Behälter für verdichtete bezw. verdünnte Lust und ferner die Strecke vom R. A. illr. 6 nach R. A. Nr. 18 wird mit verdünnter Luft und die Strecken vom R. A. Nr. 18 nach dem R. A. Nr. 19 bezw. weiter nach dem R. A. Nr. 4 lverdcn mit verdichteter Luft von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 18 betrieben. Die Beförderung der Telegraminbüchsen von einein Aintc zun: andern erfolgt, wie schon angegeben, mittelst verdichteter oder ver¬

dünnter Luft.

Bei der Beförderung mit verdichteter Luft hat der Lustwechsel¬ hahn A eine Stellung, bei der das Rohr 8 durch das Rohr X mit dein Behälter mit verdichteter Luft in Verbindung ist. Darauf werden in die Absende-Oeffnung die mit den Lederhülsen ver¬

beim Amte

der

Büchsen

schlossenen

so

von der genannten Ma¬

eingelegt, daß der Bo¬ der Metallbüchse den

schine gespeisten Luftbe¬

nach hinten

12

aufgestellten,

hälter —, 4) vom R. A. Nr. 12

letzt

Ledcrmanschcttc

R. A. Nr. 13 und weiter nach dem R. A. Nr. 9 mit verdich¬ teter Luft — von der Maschinen-Anlage in nach dem

legt , die

Nachdem

die

Ab-

sende-Oeffnung wie¬ der geschlossen und die Einlegcklappe bl durch

Ueberwürfe bcsestigt ist, der Scheibenwird vcrschluß durch Hinauf¬ der Scheibenziehen

5) vom R. A. Nr. 9

R. A. Nr.

daß gleichfalls nach Manschette

hinten liegt.

Nr. 12 aufgestellten Luitbehälter —, nach dem

ver¬

sehene Büchse so einge¬

der Pallisadenstr. unter Beihülfe der beim Amte

in

liegt. Zu¬ wird die mit einer

1

dem

zweiten der zwischen diesen Aemtern vorhandenen beiden Rohrstränge mit ver¬ dichteter Luft — von der Maschinen-Anlage

Darauf wird der Anlaßhahn D geöffnet, und läßt so verdichtete Luft durch das Rohr T hinter die

beim Amte Nr. 10 mit Hülfeder zudiesemZweck

durch

zwischen

den

stangc geöffnet.

Büchsen

Aemtern

Nr. 10 und Nr.

treten;

hier¬

wird die Man¬

schette der Schlußbüchse

9 an¬

fest

gelegten besonderen Luft¬

gegen

die

Wan¬

Rohres des dungen gepreßt und gleichzeitig der ganze Zug lang¬

rohrleitung.

Dir Rohrpost in Berlin: Erpeditionslmrran mit den Apparaten zur Beförderung der Briefe. Durch dieses Rohr ist Originalzeichnung von C. Rechlin. es So¬ ermöglicht, neben sam fortbewegt. den in Zwischenräumen dann wird dem nächsten von je 15 Minuten laufenden Zügen vom R. A. Nr. 9 im Amte ein telegraphisches Zeichen gegeben, welches bedeutet, daß der Zug abgegangen ist. Börsengebäude nach Nr. 1 im Haupt-Telegraphenamt besondere Sobald die Büchsen bei der Abzweigung des Rohres O vorüber sind, wird dem Haupt¬ Züge abzulassen. Ferner können, wenn das Beförderungsrohr beförderungshahn B eine solche Stellung gegeben, daß die ver¬ zwischen R. A. Nr. 9 und Nr. 10 wieder ftei ist, mit Hülfe der dichtete Luft mit voller Kraft durch das Rohr O M und somit Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 10 gelieferten verdünnten Luft besondere Züge vom R. A. Nr. 1 nach dem R. A. Nr. 9 beför¬ auf den zu befördernden Zug wirken kann. Hierauf wird der dert werden. Anlaßhahn wieder geschloffen. Empfangen bereiten Apparat des nächsten Bei dem den zum zwischen den Verkehr R. Mit Rücksicht auf sehr lebhaften A. Nr. 9 und Nr. 1 während der Börsenzeit erfolgt daher auch Amtes ist der Hauptbeförderungshahn B so gestellt, daß die Rohr¬ leitung M einerseits mit dem freien Raume unter dem Fußboden die Beförderung besonderer Züge. durch die Rohre 0 und Q, andererseits sowohl durch das Rohr X 14 die Zweigleitung 10 und Nr. zwischen den A. Nr. R. 6) wird in der Richtung vom N. A. Nr. 10 nach Nr. 14 mit ver¬ als auch durch das Rohr P mit der Empfangskammer K in Ver¬

v

dichteter, in umgekehrter Richtung mit verdünnter Luft — von der Maschinen-Anlage beim R. A. Nr. 10 betrieben.

In

ähnlicher Weise werden die Strecken vom R. A. Nr. 3 nach dem R. A. Nr. 23 — vom R. A. Nr. 3 nach R. A. Nr.

bindung steht.

Die Luft, welche vor dem mittelst verdichteter Luft abgeschickten Zuge in dem Rohrstrange sich befindet, hat fteien Ausgang durch das Rohr Q und können deshalb die Büchsen mit voller Ge-

94 schwindigkeit bis zu dem betreffenden Amte gelangen. Sobald die Büchsen über die Stelle, an welcher das Rohr 0 abgezweigt ist, hinausgegangen und in das Rohr ft gelangt sind, wird ihre G e schwindigkeit durch den Gegendruck, welchen die mittelst des Rohres P in die Empfangskammer eintretende verdichtete Luft erzeugt, sofort ermäßigt und bleiben in Folge dessen die Büchsen in der Regel

in dem gekrümmten Theile des Rohres bl liegen. Sobald dies geschehen, was an dem veränderten Staude des Manometers und auch an dem veränderten Tone der aus dem Rohr Q ausströmen¬ den Luft wahrzunehmen ist, ist der Hauptbeförderungshahn so zu stellen, daß die Verbindung nach dem Rohre Q aufgehoben ist, demnächst wird der Pufferhahn E geschlossen. Läßt man jetzt durch den Anlaßhahn I) die vor den Büchsen befindliche Lust in das Zimmer entweichen, dann werden die Büchsen durch den auf sic wirkenden Luftdruck aus dem Rohre N in die Empsangskammer X geschoben. Die Geschwindigkeit, mit welcher dies geschieht, kann durch weiteres bezw. geringeres Ocffnen des Anlaßhahnes O geregelt werden. Nachdem die Büchsen in die Empsangskammer gelangt, wird der Anlaßhahn D und die Druckklappe

6

geschlossen.

Demnächst

etwa noch vorhandene verdichtete Luft durch das Rohr Q ent¬ weichen kann. Sobald der Ueberdruck ausgeglichen ist, was am Stande des Manometers — der Zeiger desselben muß senkrecht stehen — beobachtet werden kann, wird dem Lustwechselhahn A des Empfangsamtes eine solche Stellung gegeben, daß der Behälter für verdünnte Lust init dem Rohre 8 in Verbindung ist. Dem¬ nächst erhält der Hauptbeförderungshahn eine Stellung, bei welcher die verdünnte Luft durch das Rohr O und weiter bis zum nächsten

Amte gelangen kann.

Bei dem

so

zum Empfangen bereit gestellten Apparate ist noch

der Pufferhahn E geschlossen, dagegen die Scheibenstange

F

hoch¬

gezogen und die Druckklappe G offen. Sind nun die ankommenden Büchsen bei der Abzweigung des

Rohres 0 vorüber, was der iosortige Rückgang des Manometer¬ zeigers angiebt, dann wird der Hauptbefördcrungshahn so gestellt, daß keine verdünnte Luft durch das Rohr 0 in den Rohrstrang gelangen bezw. das Rohr T kann, dagegen wird durch den Anlaßhahn

v

K

und der Rohrtheil bl vor den Büchsen mit dem Behälter für verdünnte Luft in Verbindung gebracht und so die daselbst befindliche Lust verdünnt; die Büchsen werden die Empfangskammer

wird die Empfangskammer geöffnet und die Büchsen daraus entSind sämmtliche Büchsen angelangt, dann wird das nommen. absendende Amt durch ein telegraphisches Zeichen von dem Ein¬ treffen des Zuges sofort in Kenntniß gesetzt. Dieses schließt dann den Hauptbeförderungshahn B und hebt damit die Verbindung des Rohrstranges mit dem Behälter für verdichtete Luft auf. Bei dem Empfangsamte wird dann die verdichtete Lust, Falls

dann durch die hinter denselben befindliche atmosphärische Lust in die Empfangskammer befördert. Ist dies geschehen, so wird durch atmosphärische Lust eingelassen, damit die den Anlaßhahn Empfangskammer geöffnet und die Büchsen herausgenommen werden

dieselbe nicht zum Weitcrbefördern des Zuges nach dem nächstfol¬

zcichen gegeben.

v

können.

Sind sämmtliche Büchsen, also auch die Schlußbüchse mit der Lcdcrinanschette, angelangt, dann wird das electrische Empfangs-

genden Amte benutzt werden sollte, bei entsprechender Stellung des

Störungen im Rohrpostbetriebe können auf verschiedene Weise

Hauptbeförderungshahnes B durch das Rohr Q in den unter dem Apparat befindlichen Kellerraum abgelassen.

herbeigeführt werden: 1) durch Fehler an den Dampfmaschinen und Luftpumpen, 2) durch Fehler an den Absende- bezw. Empfangs-Apparaten, 3) durch Betriebsstörungen der telegraphischen Meldevorrichtung, 4) durch festgefahrene Rohrpostzüge. Sobald Störungen nicht sofort gehoben und die Rohrpostzüge nicht in gewöhnlicher Weise befördert werden können, erfolgt die

Bei der Absenkung« eines Zuges mit verdünnter

Luft

muß die Lust in dem ganzen Rohrstrange bis zu dem Ab— etwa auf 3/< Atmosphäre Unterdrück bezw. 18 zm Quecksilbersäule — verdünnt sein, was bei diesem Amte am Manometer beobachtet werden kann, ehe mit der Beför¬ derung des Zuges begonnen wird. sendeamte hin genügend

Hierzu wird der Apparat zunächst von der Rohrleitung mit Hülfe des Schcibenvcrschluffcs 1 abgesperrt — die Scheibenstange F wird hinabgcdrückt — die Einlegeklappc H geöffnet, darauf werden die mit den Lederhülsen verschlossenen Büchsen in die Absendc-Ocffnung so eingelegt, daß der Boden der Mctallbüchse und die Ledcrmanschettc der Schlußbüchse nach hinten — also nach der Empfangskammer hinliegt. "Nachdem die Msendc-Oeffnung wieder geschlossen ist, wird der Schcibenverschluß durch Hinausziehen der Schcibenstange ge¬ öffnet.

Daraus wird durch den Anlaßhahn I) atmosphärische Luft hinter den Zug geleitet. Sobald in Folge des Drucks der hinter die Büchsen eintre¬ tenden atniosphärischcn Lnft bezw. durch die Einwirkung der vor denselben befindlichen verdünnten Luft die Büchsen bis über die Abzweigung des Rohres 0 getrieben sind, wird der Hauptbeför¬ derungshahn B, nachdem auf electrischcn Wege mit der Morsetaste das Abgangszeichen gegeben worden ist, in eine solche Stellung gebracht, daß die atmof härische Luft durch die Rohre Q und 0 ungehindert hinter den zu befördernden Zug treten und denselben

Weiterbeförderung der

D

und der Puffer¬ hahn E geöffnet. diesem Zustande ist dann der Apparat wieder zum Empfangen bereit. Sofort nach dem Eintreffen des electrischen Zeichens ftir die Ankunft des Zuges aus dem entfernten Amte erhält der Haupt¬ beförderungshahn eine solche Stellung, daß die in der Rohrleitung

In

geschlossen,

Endpunkte der nicht gestörten Strecke

förderung möglich ist. Tritt ein Fehler bei einer Dampfinaschine oder einer Luft¬ pumpe auf, welcher auf beii regelmäßigen Gang derselben Einfluß hat, dann wird die als Aushülse vorhandene zweite Dampfmaschine bezw. das zweite Luftpumpenpaar in Betrieb gesetzt. Ist der Dampfieffel schadhaft oder der Reinigung bedürftig, so

wird der Aushülfedampfkessel benutzt.

Zur Verhinderung

bezw. zur schnellen Beseitigung von Fehlern,

welche das Absenden oder den Empfang der Rohrpostzüge unmöglich

machen, werden die Apparate täglich gründlich untersucht. Bei Störung der electrischen Meldevorrichtungen, d. h. wenn die regelmäßigen Meldungen der Züge ausbleiben, sind, um den Rohrpostbetrieb trotzdem anstecht erhalten zu können, die betreffenden

Rohrpost-Empfangs-Apparate zum Empfangen bereit zu stellen, bis der nächste Zug eingetroffen ist. Das Absendeamt läßt den Apparat eine Minute über die gewöhnliche Beförderungszeit in der

Stellung,

welche der Absendeapparat

während

des Laufes

des

Zuges hatte.

schneller fortbewegen kann.

Demnächst wird der Anlaßhahn

a>n

angekonnncnen Rohrpostsendungen durch Boten bezw. Kariole nach dem Rohrpostamte, von weichern aus die regelmäßige Weiterbe¬

nach

Erhält bei functionirenden Meldevorrichtungen das Abscndeaint Verlauf des Doppelten der gewöhnlichen Laufzeit eines Zuges

nicht die vorgeschriebene telegraphische Meldung über die Ankunft eines abgeschickten Zuges, dann wird bei dem Empfangsamte unter Angabe der Rümmer des Zuges telegraphisch angestagt, ob der betreffende Zug eingetroffen ist. Ergiebt sich, daß der Zug nicht angekommen ist, so liegt derselbe entweder im Absende- oder im

95 Empfangs-Apparat oder auf der Strecke zwischen beiden Aemtern. Ist durch die bei dem Absende- bezw. Empfangs-Amt angestellten Versuche festgestellt, daß der Zug im Rohrstrange zwischen den beiden Aemtern liegt, und sind die angestellten Versuche, den Zug durch verstärkten Druck weiter zum Empfangsamte zu treiben, resultatlos, so erfolgt die Feststellung des Fehlerortes. Bei der älteren pneumatischen Rohrpostanlagc in Berlin war im Jahre 1866 ein Zug stecken geblieben, und da es nicht gelang, durch Umkehrung des Luststromes den festgefahrenen Zug nach seinem Ausgangsorte zurückzutreiben, von welchem Mittel damals zunächst Gebrauch gemacht wurde, so mußte die Stelle, wo der Zug festsaß, ermittelt werden, um dort den Röhrenstrang aufzunehmen. Hierzu benutzte man eine cylindrische

Bürste,

deren äußerer

Durchmesser die lichte Weite der Röhren etwas übertraf und deren

hinteres Ende mit einer Ledermanschette versehen war. Dieselbe diente auch dazu, um die Röhren von dem, allerdings nur in sehr geringem Maße sich bildenden, Roste zu befreien. Diese das Rohr wasserdicht abschließende Bürste mit Leder¬ manschette wurde an das Ende

des Rohrstranges

dieser dann unter Einschaltung eines Wassermessers

gebracht und

mit der

Wasser¬

leitung in Verbindung gebracht. Das hinter die Bürste in das Rohr tretende Wasser schob dieselbe bis zu dem festgefahrenen Zuge vor sich her. Da der innere Rohrdurchmesser genau bekannt war, so konnte man aus der Menge des in das Röhr getretenen Wassers die Rohr¬ länge vom Versuchsamt bis zum festsitzenden Zuge berechnen. Die Aufnahme des Rohres an der betreffenden Stelle, die ziemlich genau ermittelt war, ergab, daß Arbeiter, welche mit einer Reparatur von Gas- oder Wasscrleitungsrohren an der staglichen Stelle am Tage vorher beschäftigt waren, das pneuma¬ tische Rohr aus Unachtsamkeit beschädigt, nämlich den Querschnitt des Rohres durch Hammerschläge verringert und so zum Festfahren des Zuges Veranlassung gegeben hatten. Das beschädigte Rohrstück mußte dann herausgenommen und durch ein neues fehlersteies ersetzt werden.

Dieses Verfahren zur Ermittelung des Fehlerortes war sehr umständlich, zeitraubend und in Folge der Anwendung des Wassers wegen der Rostbildung für die Röhren schädlich. Bei der neuen seit dem Jahre 1876 bestehenden Rohrpost¬

anlage in Berlin erfolgt die Feststellung des Fehlerortes bei dem Fesffitzen eines Zuges auf höchst einfache, aber sinnreiche Weise durch genaue Messung der Zeit, welche eine durch Stoß u. s. w. erzeugte Luftwelle gebraucht, um den Weg vom Anfange der Rohrleitung bis zu dem in derselben festgefahrenen Zuge und von dort wieder bis zum Anfange zurückzulegen. Die Entfernung des Zuges vom Beobachtungsamte in Metern ergiebt sich aus der er¬ mittelten Zeit, in Secunden, wenn man die Zeit mit 314 bezw. 316, — der Geschwindigkeit der Luftwelle im Rohre —, multiplicirt und dann das Product, da der Luftstrom den Weg vom Beobach¬ tungsamte bis zum festsitzenden Zuge und von dort bis zum An¬ sänge zurück zu machen hat, durch zwei dividirt, oder wenn man die Zeit, in Secunden ausgedrückt, mit 157 bezw. mit 158 multiplicirt.

ist so getheilt,

daß '/, Secunden noch durch Striche bezeichnet Der Zeiger hat am Ende eine kleine unten mit einer feinen Oeffnung versehene Vertiefung zur Aufnahme von schwarzer Farbe. Die rechtwinklig umgebogene Spitze eines zweiten Zeigers ragt von oben in diese Vertiefung, derselbe liegt unmittelbar über dem ersteren Zeiger und ist mit einem an der Uhr befindlichen Druckknopf so verbunden, daß bei einem Druck auf diesen Knopf die Spitze des zweiten Zeigers einen farbigen Punkt auf dem Zifferblatte erzeugt und dadurch der Stand des in Bewegung be¬ findlichen Uhrzeigers zur Zeit des Druckes auf den Knopf bezeichnet wird. Zur Beobachtung der Rückkehr der Luftwelle dient das nach¬ stehend gezeichnete Instrument. Das Rohr A B ist bei B mit einem sind.

Mundstück und bei A mit einer Schrau¬

benmutter versehen, mit Hülse deren das

Instrument mit dem Rohrpostapparat verbunden

werden

kann.

Mit A B

dem

Rohre

ist ein heber¬

förmiges Glasrohr E verbunden, wel¬ ches

C

mit einer far¬

bigen Flüssigkeit gefüllt lvird. befindet sich ein so eingerich¬ An der Abzweigungsstelle bei teter Drainweghahn, daß bei einer Stellung der Apparat bezw.

v

mit der Zimmerluft in Verbindung steht, während bei der zweiten Stellung der Apparat bezw. der Rohrstrang mit dem Rohrtheil A D und dem Glasheber 0 verbunden ist. Zur Anstellung einer Messung wird die Druckklappe 6 des Rohrpost¬ apparats geschlossen und an der Stelle das nebengezeichnete In¬ strument befestigt, wo die Absendekammer II mit dem Manometer der Rohrswang

durch ein Kupferrohr verbunden ist. Nachdem nun der Hahn des Instruments so gestellt ist, daß der Rohrstrang mit der Zimmerlust in Verbindung ist, wird in

das Mundstück sehr stark hineingehaucht und gleichzeitig der an der betreffenden Uhr befindliche Knopf niedergedrückt und dadurch ein farbiger Punkt auf dem Zifferblatte hervorgebracht. Nach deni Hineinhauchen ist dann sofort der Hahn des Instruments so zu drehen, daß der Rohrstrang mit dem Glasheber C in Verbindung steht. Die hineingesandte Lustwelle wird nun im Rohre bis zu dem sesffitzenden Zuge und nach einem Anprall von dort nach dem

obachtungszahlen ist dann das arithmetische Mittel zu nehmen. Zur genauen Messung der Zeit dient eine Uhr, deren Zeiger

Die zurückgekommene Lustwelle setzt dann die in dem Glasheber befindliche Flüssigkeit in Bewegung. Sobald dies bemerkt wird, ist der Knopf an der Uhr wieder nie¬ derzudrücken, um einen zweiten Punkt auf dem Zifferblatt zu machen. Die Entfernung dep beiden Punkte aus dem Zifferblatte von einander giebt die Zeit, welche die Luftwelle zur Zurücklegung des Weges vom Beobachtungsamte bis zum festsitzenden Zuge und von dort zurück gebraucht hat; dieselbe kann bis auf Viertelsekun¬ den genau und annähernd auf Achtelsekunden abgelesen werden. Wie schon erwähnt, sind diese Messungen der größeren Sicher¬ beiden Enden der gestörten Sttecke mindestens dreimal an heit hintereinander zu machen und das Mittel der gefundenen Zeilen der Berechnung zu Grunde zu legen. In Paris spannt man ein Membran über die betreffende Oeffnung des Apparats, schießt eine Pistole ab und bezeichnet die Zeit zwischen deren Eintritt und Ausstößen der Lustwelle aus dem

Das Zifferblatt

Rohre auch hier mittelst der Uhr in der vorbeschriebenen Weise.

Secunden wird der Bei einer Zeitdauer' von mehr als 6 Factor — 157 —, bei kürzerer Zeitdauer der letztere — 158 — benutzt. Würde also die Luftwelle für den Hin- und Herweg z. B4'/- Secunden gebrauchen, so wäre der festsitzende Zug 4'/,xl58=711 Meter vom Beobachtungsamte entfernt. erstere

Diese Messung ist der größeren Sicherheit wegen von jedem der beiden Aemter, zwischen welchen der Zug liegt, mindestens 3 mal hinter einander zu machen und aus den gewonnenen 3 Be¬

das Zifferblatt in einer Minute ganz durchläuft.

Absendeamte zurückgelangen.

96

In Berlin wird aber

dem Mittel ohne Knalleffect der Vor¬ mehr als sich dasselbe bei einer einzigen Stö¬ rung, welche in den drei Jahren des Bestehens der Rohrpost vor¬ gekommen ist, vorzüglich bewährt hat. Diese Störung, bei welcher ein Zug im Rohre festsaß, trat kurz vor Dienstschluß ein, es wurde mit Hülse des betreffenden Instruments und der Uhr die Fehler¬ stelle ermittelt und während der Nacht beseitigt, so daß der Nohrpostbetrieb nicht darunter zu leiden hatte. Es spricht entschieden für die Vorzüglichkeit der Einrichtung der Nvhrpostanlagen und für die Aufmerksamkeit und Umsicht der betreffenden Beamten, daß bisher außer der erwähnten nicht öfter Störungen vorgekommen sind. Es sei mir erlaubt noch hervorzuheben, daß die Gebühr für die Beförderung eines Stadtbriefes mit der Rohrpost und Be¬ stellung durch Eilboten 30 Pfennig und einer Rohrpostkarte 25 Pfen¬ nig beträgt; eine Gebühr, welche geringer ist, als die der bisherigen Stadttelegrammc; weshalb letztere fast gar nicht mehr vorkommen. In Paris giebt es offene und geschlossene Rohrpostbriefe. Die Gebühr für einen offenen Brief — Karte — beträgt 50 Cen¬ times — 40 Pfennig und die für einen geschlossenen 75 Centi¬ mes — 60 Pfennig. In Wien dagegen wird für einen Rohrpostbrief 20 Kreuzer — 40 Pfennig erhoben. Mit Rücksicht auf die durch die Rohrposteinrichtungen dem Publikum gewährten Vortheile und auch im Hinblick aus das in Wien und Paris übliche Porto muß die in Berlin erhobene Gebühr als sehr niedrig bezeichnet werden. Das finanzielle Ergebniß der Rohrpostanlage ist in Folge der großen Ersparniß an Botenkräften für die Verwaltung ein sehr zug gegeben, um

so

günstiges. Schließlich

will ich nur noch bemerken, daß auch in München 1878 Jahre eine Rohrpostanlagc, welche gleichfalls durch seit dem Crespin erbaut ist, besteht und daran die Hoff¬ Felbinger und v. nung knüpfen, daß recht bald auch anderen großen Städten des Reichs der gleiche Vorzug für den Stadtverkehr zu Theil werden möge, denn bei der Rohrpostanlagc vereinigen Post und Telegragraphie ihre Kräfte, um dieselbe deni Vortheile des Publikums möglichst nutzbar zu machen. —

Ist die Mark Brandenburg vor

dem dreißigjährigen

Kriege bevölkerter und wohlhabender gewesen als 1748, 100 Jahre nach dem Westfälischen Frieden? All das, was die goldene Jugendzeit unserer Mark, was die tüchtigen Anhaltinischen Herrscher geschaffen, alles das, was die Zwischenzeit der' Baiern und der schwächeren Luxem¬ burger der Mark nicht hatte rauben können, und endlich all das Gute, was die ersten Hohenzollern bis auf Johann Sigismund in der Mark geschaffen, zerstörte der dreißigjährige Krieg. Ganz Deutschland litt während der Schreckenszeit des deutschen Krieges, aber kein Land wie unsere Heinrat. Kamen die Schreckniffe des Krieges über eine deutsche Provinz, so war es der Feind, der diese brachte und dann hieß es eben ä la guerre comme a la unserem Lande hauste aber Feind und Freund gleich guerre. schlimm und noch ein dritter, die eigene Soldateska. Daß die Mark nichts, gar nichts mehr im Jahre 1640 besaß, daß unsere Heimat aber ein blühendes Land vor dem

In

Ich gebe diese höchst wichtige Abhandlung im Auszug wieder. Möhsen schrieb also etwa: Die zunächst auszuwerfende Frage besteht darin: „Ist die

Mark Brandenburg vor dem dreißigjährigen Kriege mehr bevölkert und wohlhabender gewesen, als 100 Jahre nach dem Westphälischen Frieden, und wenn dieses zu be¬ weisen, was ist wohl die Ursache, daß dieses Land zu der Zeit nach und nach so volkreich geworden und daß die Einwohner ohne ausgebreiteten Handel und äuße¬ ren Zufluß gleich in den ersten Jahren dieses Krieges so viel Millionen an Feinde und Freunde, obgleich mit dem gänzlichen Ruin des Landes, haben bezahlen

können?"

I. Ueber die Bevölkerung. Zu Untersuchungen über die Be¬ völkerung der Mark Brandenburg vor dem 30jährigen Kriege gab Friedrich der Große die erste Gelegenheit. Er schrieb im Mai 1746 während der Brunnenkur zu Pyrmont an die Churmärkische Kammer:

„Sie sollte ihm zuverlässig berichten, ob vor Anfang des 30jährigen Krieges mehr oder weniger Dörfer in der Churmark gewesen, als jetzt, auch solle Sie auf die Zahl der Häuser und Unterthanen Bedacht nehmen und deshalb die alten Oataotra auf¬ suchen, indem es sein könnte, daß vor und zu Anfang des dreißig¬ jährigen Krieges viele aber sehr kleine Dörfer gewesen wären, deren verschiedene nach dem dreißigjährigen Kriege in ein Dorf zusammengebaut und dadurch solches um so viel größer, hingegen der Namen der Dörfer um so viel weniger geworden." lautet dahin: Der Kammerbericht vom 2. November d. Daß ungeachtet des Abganges der drei an Braunschweig abgetretenen Dörfer, Capern, Gommern und Holttorf und des an Mecklenburg überlassenen Dorfes Münchow, ingleichen der Dörfer, welche nach dem dreißigjährigen Kriege in Städte ver¬ wandelt worden, dazu Brüssow in der Ukermark gehöre, dennoch jetzt in der Churmark 94 Dörfer mehr vorhanden wären, als Es wären zwar jetzt in nach den alten Eatastern sein sollten. Allem zusammen nicht mehr so viel Bauern und Cossäten, als die alten Oatastra angegeben, denn man zähle jetzt in der Churmark 1,962 Bauern und 935 Coffäten, also überhaupt 2,807 Acker¬ leute weniger, als vor dem dreißigjährigen Kriege, hingegen wären desto mehr andere Einwohner und Hausleute angesetzt wor¬ den, so daß man jetzt 15,792 Hausleute mehr als vor dem dreißig¬ jährigen Kriege antreffe." Es wäre zu wünschen, sagt Möhsen, daß man einige nähere Nachrichten hätte, was für einen Maßstab die Kammer ange¬ nommen, nach welchem sie ihre Berechnung eingerichtet hat. Die Seelen- und Vasallen-Tabellen waren damals noch nicht gebräuch¬ lich. Die Kirchenbücher waren im Kriege theils verloren gegangen, theils unvollständig. In den Schoos-Büchern, deren ich eins von der Mittelmark von Anno 1624 bei der Hand habe, sind die Namen der Dörfer, die Hufenzahl der Herrschaften, der Pfarrer und Kirchen, der Hufner und Bauern, der Cossäten, die Pacht des Wehres der Mühlen, Schmiede und Laufschmiede, der Fischer, Hirten, Schäfer und der Hausleute angeführt, ohne daß man von der Zahl der Weiber und Kinder Nachricht findet. Der Bericht ist eben nicht richtig abgefaßt. Denn nach des Ministers von Herzberg, der Kaiser Carl IV. Bemerkungen den herausgab, fehlen in der Mittelmark, Uker- und Landbuch

I.

30jährigen Krieg gewesen, wie nur irgend eines sein mochte in unserem deutschen Vaterlande, das wißen wir ebenfalls. Der be¬ rühmte Möhsen hat nun einmal in einer zu seinen Lebzeiten nie gedruckten Abhandlung — 1770 wahrscheinlich in der Königlichen Akademie der Wiffenschasten vorgelesen — die oben kurz zusammen¬

97 Dörfer, die theils wüste, theils jetzt gänzlich sind. Außer diesen hat noch Büjchiug ein Verzeich¬ 37 beigebracht, die blos (Topographie pag. 51) von Dörfern niß und allein in der Grafschaft Ruppi» wüste geworden sind, von welchen nur drei 1686 mit Schweizern besetzt worden, dieses zusammen macht die Summe von 131 wüst gewordenen

gefaßte Frage behandelt: was zerstörte uns der 30jährige Krieg?

Dörfern.

Altmark

unbekannt

97 Also — den Kammerbericht zugegeben — sind immer noch. 37 Dörfer weniger in der Mark als vor dem 30jährigen Kriege. Büsching bemerkt dann außerdem noch, daß 14 Städte zu dieser Zeit in Dörfer geworden. Hätte man das Landbuch Karl IV. von der Priegnitz und Neumark, so würde sich die Zahl der ver¬ loren gegangenen Dörfer vermehrt haben. Von der Neumark sagt Büsching, daß er eine Tabelle hätte, die unter dem Großen Kurfürsten geinacht worden, und an¬ zeigte, wie viel Einwohner ehedem und bei Aufnahme gewesen.

Die ehemalige Anzahl belief sich auf 6,963, die spätere aus 3,835. Aus alledem geht her¬ vor, daß die Bevöl¬ kerung vor dem 30jährigen Kriege in der

Mark beträchtlicher

ge¬

wesen, als noch 100

Jahre nachher. man nun noch die neu hinzugeColonicn, kommcnen wie die Schweizer Colonien, die 1685 ins Land gekommen, von welcher 11 Dörfer (Borgstede pag. 298) angelegt worden, ferner Rechnet

die

französische Re-

fugivs,

die Ancillon

mit 12,297

setzt, des¬

unter Frie¬ drich I. anno 1700 die 14,844 aus der Schweiz wieder aus¬ gleichen

gewanderten

Franzo¬

diese, sowie die dänischen

Völker schrieben

Contributionen

Gleich die erste Lieferung bestand in 233 Mispel Roggen, 800 Mispel Hafer und Gerste, 540 Tonnen Bier, 5000 Ochsen, 300 Hammel, ohne was an Geld gegeben wurde. Das Jahr 1626 war das aimus normalis des Unglücks in der Mark, denn von diesem Jahre an bis 1632, folglich in 7 Jahren, hatten nur allein die Kaiserlichen aus ganzen

der

vom Kaiser die Erstattungverlangtc. Die Summen, wel¬ che

nachher noch

so¬

wohl die Kaiserlichen als die Schweden und Sachsen nahmen, wa¬

ren nicht geringer, da letztere bald als Feinde

mit

den Kaiserlichen verbunden, bald als Freunde des Königs von Schweden das Land verheeren halfen. Die Städte der Alt¬ mark waren reich ge¬ wesen.

Wir wollen Stadt Ostcrburg erst nehmen,

Orange wie auch Pfälzer und Man¬

Stadtarchiv

heim er. Von diesen allen sind Colonisten auf dem platten Lande untergebracht worden. Außerdem legte Frie¬

Mark

20 Millionen gezogen, wovon der Kurfürst auf dem Vcrsammlungstage zu Tor¬ gau die ausführliche Rechnung übergab und

sen, 2000 Flüchtlinge

aus

aus.

Man rechnete, daß die dänischen Völker der Altmark nicht völlig in Zeit von zwei Jahren 16 Tonnen Goldes an baarem Gelde, Lieferungen und Unterhalt für die Soldaten gekostet hatten.

die zu¬

in deren

genaue Nachrichten über die Ausgaben in dieser

Zeit

gesunden wurden. Den Kaiserlichen, die 1626 vom 16. Oktoberbis 1. November vr. Heinrich Karl Ludolf von Kybrl. daselbst zur Besatzung drich Wilhelm 1.35 neue Direktor der Staatsarchive. (S. 99.) waren, muhte sie Dörfer und Vorwerke 50,000 Thlr. geben. an und zog böhmische Jeder Soldat erhielt Colonisten ins Land. Alles dieses wird hoffentlich hinreichend sein, zu wöchentlich 8 bis 10 Thaler, jeder Offizier 50 bis 60 Thaler, beweisen, daß 100 Jahre mit gewaltigem Zuschuß von jeder Oberstlieutenant 600 Thaler und 13 Ohm Rheinwein! Der Herzog Georg von Lüneburg, der 1626 vom 7. No¬ draußen nicht hingereicht haben, auch nur die Zahl der Dörfer und Menschen vor dem 30 jährigen Kriege vember bis Januar 1627 im Quartier lag, kostete der Stadt 120,000 Thaler. Wie er abzog, kam den 1. Januar 1627 das zu ersetzen. — Was nun den zweiten Punkt betrifft, ob die Mark Branden¬ Kaiserlich Hausmannsche Regiment, nahm überhaupt binnen 23 Wochen 17,965 Thaler und wöchentlich 700 Thaler ein. Dem burg und deren Einwohner vor dem 30 jährigen Kriege wohl¬ Pappenheimschen Regiment, das am 1. November einrückte habender gewesen als in anderen Zeiten, so läßt sich solches aus und bis zum 2. Advent 1628 blieb, mußten außer der Natural¬ den Landescinkünften nicht erweisen, Wohl aber aus den vielen Millionen baaren Geldes, welche sowohl alliirte als feindliche Kriegs¬ verpflegung wöchentlich 311 Thaler und 6 Mispel Roggen ge¬ geben werden. völker aus dem Lande gezogen haben. In den folgenden Jahren wechselten die Kaiserlichen und Markgraf Christian Wilhelm, Administrator zu Magde¬ Schweden ab, plünderten, wie es am Gelde fehlte, vielmal die burg, war zu Anfang des Jahres 1626 von Wallenstein bei aus und der ganze Verlust, den die Stadt erlitten, betrug Stadt hatte zurück¬ sich nach der Altmark Jüterbogk geschlagen, und 1644 und also in 18 Jahren 392,880 Thaler. bis Mans¬ Christian schickte ihm Grasen den gezogen. Der König Salzwedel kostete die Kaiserliche Armee von Der Stadt Kaiserlichen Hülfe. Die feld und General Fuchs zu folgten.

98 1626 bis 27 116,681 Thaler, 1627 79,144 Thaler, bis 1631, alsv in 6 Jahren überhaupt 212,226 Thaler. Gardclcgcn mußte 1626 wöchentlich 800 Thaler geben und 1628 wöchentlich 400 Thaler. der Mittcliuark war es nicht besser. Der Stadt Ruppin kostete das Kaiserlich Fahrenbeck'sche Regiment wöchentlich 2000 Thlr. und Kyritz, welches fast gänzlich abgebrannt war, gab wöchentlich 400 Thaler. Andere Städte mußten nach Verhältniß ebensoviel geben, z. B. Berlin monatlich 10,000 Florän. In manchen Kreisen betrug die Contribution 20,000 Gulden, Brandenburg, Pcrlcbcrg und Havclbcrg mußten 1627 monatlich an Tilly's Völker 8079 Thaler an Gelde und 1054 Ochsen, 158 Mispel Roggen, 3185 Tonnen Bier abliefern. Wie Wallenstein Herzog von Mecklenburg geworden war, ließ er, um das neue Herzogthum zu schonen, das Regiment St. Julien, das bei ihm war, von den Aemtern um Berlin verpflegen und hatte in 16 Monaten 300,000 Thaler gezogen, daher, wie der Churfürst 1630 den zu Regensburg ausgeschriebenen Reichstag besuchen sollte, entschuldigte er sich mit dem Geldmangel, indem ihm sein Unterhalt, den er zu seiner Rothdurft aus diesen Aemtern nehmen mußte, dadurch entzogen worden. Wie Wallenstcin 1627 im November mit 12 Kaiserlichen Regimentern die Winterquartiere in der Priegnitz, Mittel-,

In

Ucker- und Neumark bezog, so mußten nach seinem Befehl jedem Musketier monatlich 7 Florän, jedem Reiter 12 Florän, jedem Kürassier 15 Florän gegeben werden, ohne, was die Offiziere bekamen.

Brandenburg, Rathenow monatlich 7700 Florän contribuiren. In der Ncnmark ging Montecuculi noch Die Dörfer um

und

Nauen

mußten

weiter. Er¬ forderte für die 12 Compagnien und den Stab seines Regiments monatlich 29,520 Florän, für seine Tafel allein 1200 Florän, für die Tafel eines jeden Oberstlieutenant 600 Florän, (der „Florän" galt nach damaliger Währung 21 Gr.), für die Putlitzer Com¬ pagnie, die er außerdem bei sich hatte, 1940 und an Wartcgeldern 4800 Florän, welches in zwei Monaten 72,882 Florän machte. Man mußte ihm, wo er speiste, 30—60 Schüsseln vorsetzen und

der geringste Offizicrsjunge mußte 6—12 Gerichte haben. Dem General Portia allein, welcher in Drossen lag, mußte diese verhältnißmäßig kleine Stadt 30,000 Gulden schwer Geld und ein Zeugniß geben, daß er sich wohl und sehr billig ver¬

Wohlleben, daß fast ein jeder Churfürst Gesetze dagegen ergehen ließ, die auch die übermäßige Kleiderpracht betrafen. Die Abgaben waren sehr mäßig und konnte sie der Bauer entweder in Gelde oder im Korn der Obrigkeit abliefern. Letzteres war sehr wohl¬ thätig für den Bauer. Er brauchte nicht ängstlich zu suchen Geld zu schaffen, und die Amtskammern konnten es brauchen, weil die Besoldungen zum Theil in Deputaten bestanden. Es gab kein stehendes Heer. Die 9 Trabanten, die Churfürst Johann Sigismund hielt, konnten das Land nicht drücken. Und die Obristen, die man in den Militairlisten des 16. und im Anfange des 17. Jahrhunderts findet, waren auf Wartegeld gesetzt, um sie im Nothfall zu gebrauchen, ohne daß sie Regi¬ menter hatten. Selbst die Contingente, welche zu den Zeiten der Türkenkriege von den Ständen gestellt wurden, waren dem Lande nützlich, da sie Faullenzer, Müßiggänger, verlaufenes und lüderlichcs Gesindel aufrafften und fortschickten. Nun kam noch der Zufluß von brauchbaren Menschen. Dahin gehören die Oldenländer, die sich in der Altmark an¬ setzten, sie kamen aus Bremen, wo die Wurstländer oder Wursaten von ihrem Bischof Christoph verjagt wurden. Die Grausamkeiten des Herzogs von Alba trieben eine große Menge von Fabrikanten nach der Mark. Durch den Schmalkaldischen Bundeskrieg — der Sachsen und Hessen verheerte — durch den Bauernkrieg, wodurch Thüringen, Franken und die Grafschaft Mansfeld verwüstet worden, zog eine Menge Flüchtlinge nach der ruhigen, wohlfeilen und ftiedfertigen Mark, die sich überall anbaueten und die Dörferzahl und deren Einwohner vermehrten.

Wie der Handel und die Gewerbe der Städte in dieser Zeit geblüht haben, ist in „Möhsen's Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg" ausge¬

führt worden. Die Churfürsten

selbst

— außer Johann Georg — waren

arm, sammelten keine Schätze und ihre Einkünfte waren sehr mäßig, berichtet Möhsen am Schluffe. Es wäre eine dankbare Aufgabe für einen brandenburgischen Statistiker, wenn diese Möhscn'schcn Daten und Thatsachen einen solchen veranlassen würden, zu untersuchen, ob im Jahre des Heils 1880, 232 Jahre nach dem Schluß des dreißigjährigen Krieges, die Wunden endlich vernarbt wären, welche dieser deutsche Krieg vomiuiL. dem Lande Brandenburg angethan hat.

halten hätte. Wie sehr nun auch die Neumark von den Kaiserlichen von allem Gelde entblößt worden, so mußte sie doch 1630 dem König von Schweden 10,000 Scheffel Korn und 7,000 Thaler geben und nach dem Vergleich vom 11. Juni mußte die Mark Branden¬ burg monatlich 30,000 Thaler zur Unterhaltung seiner Armee aufbringen. Außerdem mußte Berlin 60,000 Thaler Brand¬ schatzung geben und den 30. Oktober noch 31,000 Thaler ferner 15,000 Thaler Tuch, 3,000 Paar Schuhe und ebensoviel Paar

Dr. Heinrich Kart Ludolf von ZlM, Geheimer Oberrcgierungsrath, Direktor der Staatsarchive. (Siehe Illustration Seite 97).

Sämintliche

Staatsarchive des

Staates und Disciplinargewalt

Preußischen

Strümpfe.

deren Beamte stehen unter der Oberaufficht und

Als das Dorf Güssefeld 1635 ganz ausgeleeret und von Einwohnern beinahe entblößt war, da kamen noch plündernde Sachsen und nahmen bis Weihnachten 1,494 Thaler Geld und 700 Thaler Vieh, Kleidung re., welches folgendes Chronodiction veranlaßte: Hans Georg OhVrfVrst Von Sachsen THVt Vns AOMärOker WaClcr pLaCfcn

des Präsidenten des Staatsministeriums und

(CVVVCVVLMCVVCLC oder MCCCCCLLVVVVVVV MDCXXXV. 1635).

gehört gewiß der gegenwärtige Direktor der Staatsarchive. von Sybel ist am 2. December 1817 in Düffeldorf geboren, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, dann die Berliner Universität, wo er im Jahre 1838 mit einer Abhandlung de tootidus libri Jordanis etc. die philosophische Doktorwürde erwarb. Eine kritische Geschichte des ersten Kreuzzugs veröffentlichte er 1841

oder

Untersucht man, wie die Mark Brandenburg zu der Volks¬ Das Land war fruchtbar und in vielen Ge¬ genden nicht so sandig wie 1750, wovon Beweise können gegeben werden. Es war im Lande wohlfeil und ein solches Freß- und

menge gekommen.

des Direktors der Staatsarchive.

zugleich

unter der Leitung

Das Geheime Staatsarchiv ist

Archiv für die Provinz Brandenburg

wärtig mit

dem ftüher besonders verwalteten Geheimen

und gegen¬

Ministerial-

Wir haben uns vorgenommen, die hervorragenden Männer Berlins und der Provinz Brandenburg im Bild und in Archiv vereinigt.

der Lebensbeschreibung unseren Lesern vorzuführen und zu denen

99 und habilitirte sich als Privatdocent der Geschichte in BonnIm Jahre 1844 gab er eine rechtshiftorische Abhandlung über die Entstehung des Deutschen Königthums, und gemeinschaftlich mit Gildemeister eine archäologisch-kritische Untersuchung über den heiligen ungenähten Rock zu Trier und die zwanzig anderen heiligen ungenähten Röcke heraus. Er wurde in jenem Jahre außerordentlicher und 1846 an der damals kurhessischen Universität Marburg ordentlicher Professor, wo er in demselben Jahre eine Abhandlung über die politischen Parteien im Rheinlande publicirte. (Für Erlaß einer Preußischen Verfassung gegen die klerikalen Ten¬ denzen.) 1848 wurde Sybcl Mitglied der Hessischen Stände-Versammlung sür die Universität Marburg, wurde 1850 von dem Landtage zum Mitglieds des Staatenhauses in's Erfurter Par¬ lamente erwählt, und trat dort der Enblok-Partci bei. 1856

I.

wurde er an die Universität München als Professor berufen, veranlaßte dort die Gründung des ersten historischen Seminars in Deutschland, dessen Direktor er wurde; wurde Mitglied der dortigen Akademie der Wissenschaften und Sekretair der historischen Kom¬ mission derselben, bei der er die Herausgabe der Deutschen Reichsakten veranlaßte und mehrere Jahre hindurch leitete. 1851 begann er die Herausgabe der „Historischen Zeitschrift", welche bis heute in 40 Bänden erschienen ist. Im Jahre 1861 nahm er einen Ruf an die Universität Bonn als Professor der Geschichte, Direktor des historischen Seminars und Mitglied (später Direktor) der wissenschaftlichen Prüfungskommission an. In Bonn war er längere Zeit Mitglied des Stadtraths und zugleich Mitglied des Verwaltungsraths der Rheinischen Eisenbahn. In das Preußische Abgeordnetenhaus wurde er zuerst im Jahre 1861 von der Stadt Krefeld gewählt, und trat damals der Partei des „linken Centrums" bei; wegen Krankheit mußte er 1864 sein Mandat niederlegen. Im Jahre 1867 wurde er in Lennep zum Mitgliede des konstituirenden Reichstags des Norddeutschen Bundes gewählt, wo er zur nationalliberalen Partei trat, lehnte jedoch nach dem Ab¬

Wiederwahl ab. In Bonn gründete er 1874 den „Deutschen Verein der Rheinprovinz" und wurde dessen Präsident. Während dieser Jahre publicirte er eine größere Zahl von Vorträgen und Aufsätzen (gesammelt in drei Bänden, viele übersetzt ins Französische, Englische, Schwedische, Holländische, Italienische); 1871 „die Deutsche Nation und das Kaiserreich"; „der Friede zwischen Frankreich und Deutschland"; 1873 Na¬ poleon III."; 1874 „Klerikale Politik im 19. Jahrhundert". Sein Hauptwerk ist die „Geschichte der Revolutionszeit 1789—1800", fünf Bände, welches auch in französischer und englischer Uebersetzung schlüsse desselben jede

erschienen ist.

An Stelle des verstorbenen Abgeordneten Zuckschwerdt wurde Sybel 1874 im 4. Wahlbezirke des Regierungsbezirks Magdeburg (Stadt Magdeburg mit Neustadt und Sudenburg) wieder in das Abgeordnetenhaus gewählt, und dies Mandat 1875, 1876 und 1879 durch Wiederwahl erneuert. Die Wiederwahl 1875 wurde durch den Umstand herbeigeführt, daß er in diesem Jahre zum Direktor der Staatsarchive ernannt wurde. Im Jahre 1876 wurde er zum Mitglieds der Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt; er ist außerdem Mitglied der Akademien von Brüssel, Rom und Stockholm. — Fritz Ellguth.

Misrcllrn. Merkmer Hefchichlsverei«.

Am 28. Februar findet im Bürgersaale des Rathhauses Abends 7 Uhr die „Ordentliche Hauptversammlung des Vereins" statt. Aus der Tagesordnung stehen: 1. Geschäftl. Mitth. über die Hauptvers. vom 24. Januar;

2. Wahl des Ausschusses zur Entlastung der Rechnungen für das 3. Feststellung des Vereinshaushalts das laufende Jahr; 4. Vortrag des Herr» Johannes Bloch: Louis Schneider im Lichte seiner Memoiren. Diese ordentliche Versammlung ist nach § 15 des Statuts ohne Rücksicht aus die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig. Nach der letzten Vereinsmittheilung sind 6 neue Mitglieder dem Verein beigctretcn, und zwar: Herr Hofphotograph und abgelaufene Geschäftsjahr;

fahr

Kunsthändler H. Hartmann, Linkstraße 11. W. Herr PrivatDozent an der technischen Hochschule I)r. Paul Lehscld, Matthäikirchstraße 3. W. Herr Generallieutenant z. D. Freiherr v on Puttkamer, Moltkestraße 4. W. Herr Kaufmann Heinrich Jacoby, Heiligcgciststraßc 21. 0. Herr Stud. der technischen Herr Hochschule Paul Hentschel, Neue Grünstraße 17. '6. haben Kaufmann Paul Neumann, Zimmerstraße 42. SW.; und 8 Herren sich zum Eintritt in den Verein angemeldet, es sind dies: Herr pract. Arzt, Privat-Dozent an der König!. Universität und etatsmäßigcr Hülfsarbeiter am König!, statistischen Bureau, Dr. weck. A. Guttstadt, Alte Jacobstraße 128. SW. Herr Hoflieferant Herr Färbereibesitzer C. Wulfert, Mauerstraßc 28/29. W. Ernst Matterne, Neu-Kölln a. W. 20. 8. Herr Kaufmann Goldschmidt, Leipzigerstrabe 49. SW. Herr Geheimer Kriegs¬ rath Paul Scheurich, Potsdamerstraße 132. W. Herr PostDireetor Schultze, Alte Jacobstraße 126. SW. Herr Buch¬ händler und Schiedsmann Thiele, Große Frankfurterstraße 78. NO. An jedem Sonnabend, an welchem weder eine öffentliche, noch eine Arbeitssitzung stattfindet, treffen die Mitglieder im Vercinslokale im Deutschen Dom auf dem Gensdarmenmarkte, Nachmittags

5—7 Uhr gesellig zusammen. — Als Geschenkgeber haben sich neuer¬ dings um den Verein wohl verdient gemacht: Herr Geistl. Rath Müller, Herr Feldmesser Vogt, mein verehrter Herr Mitherausgeber und Herr Architekt Müller. — D. Suum cuique auf preußischen Medaillen und Münzen. (Vergl. „Bär" 1879 S. 262.) Auf dem königlichen Münzkabinet in Berlin befinden sich zwei Medaillen mit „8uu,u cuique", die eine von 1673 mit dem Bilde des Markgrafen Friedrich, die an¬ dere, ovale, von 1677, ebenfalls mit seinem Bilde. Wahrscheinlich stehen diese Medaillen mit dem im Jahre 1667 gestifteten „Ordre de la Generosite“ in Verbindung. Aus einem Brief des Herrn Münzwardein Brinkmann an mich erlaube ich mir mitzutheilen, daß 8uuin cuique ferner vorkommt aus: Doppelducaten von 1712 Ducaten von 1705, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 ’A Dukaten von 1712 Thaler von 1691, 92, 93, 95 und 1701—1713 2 A Thaler 1701—1713 '/* Thaler von 1692 V* Thaler von 1701—1712 ’A oder Doppelgroschen von 1692, 93, 98, 99, 1700—1713; auf den Provinzialmünzen für Preußen: 18 Gröscher von 1702 6 Gröscher von 1704 u. 1709 3 Gröscher von 1703, 4, 5, 6, 9, 10, 11, 13. (Auf den Thalern von 1702 und 3 ist 8uum cuique nicht nur Aufschrift sondern auch Randschrift.) Für das von 1707 —1806 und 1814 — 56 unter preußischer Herrschaft befindlich gewesene NeuchLtel und unter der Regierung von Friedrich Wilhelm

Valengin wurden II. und III. Halb¬

kreuzer, Kreuzer, Halbbatzen und Batzen, 4 und 8 fache Piccettcn

etwa von 1789—1818 mit suum cuique geprägt. Auch die Goldpistole für Ncuenburg vom Jahre 1713, sowie die Halb- und Viertelthaler von diesem Jahre führen diese Auf¬ schrift. Ferner giebt es zwei sehr seltene Halbstüber sür Ostfries¬

1

100

Kanne heißt außerdem in Hinterpommern auch ein Floß oder Anzahl Hölzer in einem Floß.

land unter der Regierung Friedrichs des Großen mit suum cuique vom Jahre 1781 und 1782. Auf dem Krönungsthaler des Königs Wilhelm vom Jahre 1861 befindet sich ebenfalls diese Inschrift. Sachkenner werden um Vermehrung dieses Verzeichnisses ersucht.

auch eine bestimmte

Stettin.

Nokiairelinden. Ich hatte in Nr. 2 der Linden Erwähnung gethan, welche in Potsdam von Vcltairc gepflanzt, noch heute grünen und blühen, und erfahre darüber Näheres. Die Linden hatte Voltaire in Potsdam vor dem Brandenburger Thore linker Hand auf dem ehemaligen Grundstücke des Stcinmetzmeisters Trippcl gepflanzt. Dort hatte Voltaire gewohnt. Von hier sind die Linden nach Babelsberg verpflanzt worden und stehen daselbst D. in der Nähe des Schlosses.

G. B.

Eine Krage.

Autor

'stammt

die

Aus

welcher

Posse, oder von welchem

bekannte renommistische Erzählung von einer

wie der Kerl bet sagt, da hol' ick aus — un ick nt dt faul — un da haut er mir wieder eene — un da reißt er aus, un ick immer voruf, un er immer hinterdrinn — un da krieg' ick ihn, un da haut er mir — und da schmeiß' ick ihn — un bald lag er oben, un denn lag ick unten k. re. Schluß: „Aber den hab' ick jemacht!" Also wer von unseren werthen Lesern kennt den Autor und 11. wie war die erste Lesart?

Prügelei:

„Un

so

da haut er mir eene —

tauben.

Bei Gelegenheit

bestehenden Seitenmaucr

des Ersatzes

Briefkasten. A. v. B. Wegen „Karine"-Floßholz haben Sie, glaube ich, die Be¬ merkung im Bär pag. 28 übersehen. Dr. M. Baldcnburg. Die Wette ist nun doch noch gewonnen und

einer aus Fachwerk wurde am

will auch ich reumüthig meinen Irrthum verzeichnen. Also das achte Jahrzehnt schließt mit dem 31. Dezember 1880. „Häßlichkeit schimpfiret immer L. F. hier. Selbst das schönste Frauenzimmer," Sie hätten immerhin etwas höflicher schreiben können, zumal Sie im Unrecht sind. „Berliner Originale" giebt es auch heute noch, und gab es in dem letzten Jahrzehnt noch eine ganze Menge. Ich erinnere Sie an „Papa Wrangel", an „Mutter Gräbert" rc. re. Noch heute besitzt Berlin einen Theaterleiter, dessen Originalität sich voll und ganz mit den berühmtesten Berliner Originalen meffen kann. Ich kann Ihnen den Namen nicht nennen, in seinem Theater aber wurde noch niemals ein Stück ausgepfiffen. Das lag weniger in der geschickten Leitung, die nur gute Stücke wählte, als vielmehr in dem „schönen Garten", der so be¬

darum

des Hauses Königstraße 66

M. in

mehr als Manneshöhe die neue schmale Lücke zwischen Nr. 65 bloß gelegt. Dieselbe war mit Spreu und feinem Schutt bis oben gefüllt; eingebettet in diese dichte Masse aber fanden sich die vertrockneten Körper von

25. v.

diesem und dem Nachbargebäude

1) vier Hühnern, hochaufgerichtet, 2) einem Wiesel, 3) einer Ratte dicht neben einander vor, ferner zwei Eier. Nach dem Befunde ist ein zufälliges Hineingerathen der Thiere in den Raum so gut wie ausgeschlossen, absichtliche Einbringung aber mehr als wahrscheinlich. Es liegt also vermuthlich ein Ziest abergläubischen Brauches vor.

Wiesel haben hier, wie ich von mehreren Seiten höre, für glück¬ bringend gegolten und sind deshalb auch lebend in den Häusern geduldet worden; der Einlegung eines Ungeziefers aber dürste die¬ selbe Auffassung von Sympathie zu Grunde liegen, gemäß deren noch jetzt zur Vertreibung z. B. von Wanzen eine ungerade Zahl Der Brauch berührt sich mit derselben lebend vermauert wird. den von „Wutke, der deutsche Aberglaube, §. 426 ff." erwähnten. Die Gegenstände sind vom Besitzer, Tabagist Nobel, einer dortigen

sänftigend während der Zwischenpausen selbst des unsinnigsten Stückes wirkt, und der alle Opposition mit seinen hohen Baumkronen weglächelt. Ein Berliner in Wien. Ja, über die „Spittelcarhedrale" ist noch nichts beschlossen lverden. Sobald ich etwas über das verkehrstörende

Bauwerk höre, schreibe ich Ihnen. Freund des Blattes. Schildbürger wird von dem Städtchen Schilda (zwischen Torgau und Eilenburg) hergeleitet. Als man einst einen Schildaer Bürger fragte, was eigentlich Schildbürgerstreiche seien, gab er zur Ant¬ wort: „Das sind alberne Streiche, die man an anderen Orten macht und nach unserm Städtchen benennt." An Fra» M. G. Cothcncrstraße. In aller Herzlichkeit soll dich mein Sang begrüßen, Soll danken dir für jenes süße Lied, Das deine Hand dem Bärenherrn beschied. Ich sag' es stei: Wir liegen dir zu Füßen.

Sammlung überwiesen worden.

Eine Anfrage. kürzung in einer

wird durch folgende Ab¬ von 1604 bezeichnet: Liosu. Misu. —h. in©. Rosn. Misu.

Welche Ortschaft

Grabschrift

Pen verschiedenen Kragcrn zur gefälligen Nachricht, daß Herr Oberst Mebes, wie er uns selbst mittheilt, binnen Jahres¬ frist den 111. Band (und zwar als Schlußband) seiner „Beiträge zur Geschichte des Brandenburgisch-PreußischenStaates und Heeres" herausgeben wird. Mit diesem 111. Bande würde ein Werk vollständig werden, das wir aus bester Kenntniß weitesten Kreisen zur Anschaffung empfehlen wollen.

für die Heimlichkeit mußt du noch büßen Für all die Wirrniß, die dein herzig Lied, Weil's anonym ein Dienstmann uns beschied.

Doch

Ließ über unsre Häupter

Karinc,

sich

ergießen.

Dafiir

bestraft dich dieser böse Sang. Der- poltenid, schlechten Verse grausen Klang Send', schöne Frau, ich dir mit diesem „Bären".

Sonst sag' ich nichts als tausend herz'gen Dank Für all die Freude, die dein süßer Sang Dem Vierunddreißigjähr'gen*) that gewähren.

Nochmals tzlcmcntine Kelm. Vergl. S. 28. Nachträglich erfahren wir noch, daß dies die Geburtsnamen der Frau Geheim¬ rath Beyrich sind, daß sich die beliebte Verfasserin erst als Ehe¬ frau der Schriftstellerei zuwandte und hierbei ihren Geburtsnamen

als Autornamcn zu

v. Bülow.

Dir.

*) Anmerk. d. Red. d. M. P. M.

benutzen sich entschloß.

Nach den genauen Untersuchungen

Seitens der

I

Kalite, nennt man in Hinterpommern den kleinen Kober, ohne den kein Tagelöhner zur Arbeit, keine Landstau zum Markte geht. Manchmal wird auch die Kiepe, der aus dem Rücken befestigte Korb, so genannt.

n lj a 11. Roman von Ad. Streckfuß (Fortsetzung). — Die Rohr¬ — Ist die postanlage in Berlin, von Grose, mit vier Illustrationen. Mark Brandenburg vor dem 30jährigen Kriege bevölkerter gewesen? von — Dominik. — Dr. von Sybel, mit Illustration von Fritz Ellguth. Miscellen. — Briefkasten. — Joachim

auch

I

I.

Für die Redaction verantwortlich: Emil Dominik in Berlin.— Verlag der Nicolaischen Verlags-Buchhandlung, R. Stricker, in Berlin. Druck: W.

Wocser H cftuchdruckerei in Berlin.

VI. Jahrgang. Nr. 9.

Unter Mitwirkung von: C. Alfierr, £. Srunoid, Proieffor vr. Georg Süchmann, Stadtarckivar Fidicin, Theodor Fontane, tudovica HeseKiel, vr. Hermann üietke, Ferd. Meyer, Baurath Orth, I)r. Ferd. Pflug, vr. H. pröhie, L. ZchiUmann, Direktor Wilhelm Schwartz in Posen, Archidiakonns Schwebet in Cüstrin, Stadtrath Adolf Atreckfuß, Heinrich Wagener in Potsdam rc.

herausgegeben von Ernst Friede! und

Emil Dominik.

Merlin.

:■ (

den 28.

Februar

1880.

$

Die Zeitschrift erscheint wöchentlich regelmäßig am Sonnabend, Preis vierteljährlich 2 Mark, und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsspeditionen und Postämter^ sowie durch die Expedition, C. Brüderstr. 13 zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Nicolaische VerlagS-Bnchhandlung, R. Stricker in Berlin zu senden. — Jttserate, pro 2gesp. Petitzeile 40 Pfg., werden von allen Annoncenexpeditionen sowie von der Verlags-Buchhandlung entgegengenommen.

Joachim I. Roman in historischen Bildern von stisosf StteAfojj.

Es war schon ziemlich spät am Abend, als ein schwer gepanzerter Ritter ins Gastzimmer trat.

wachen, daß keiner der Knechte die Versammlung behorche.

„Laßt uns zur Sache kommen. Freunde,

als möglich, denn ich muß unmittelbar nach unserer Berathung wieder nach Berlin; der Kurfürst hegt schweren Verdacht gegen mich, er beschuldigt mich fast offen, daß ich der Theilnehmer so schnell

des Lindenberg an dem Ueberfall bei Elzholz gewesen sei, er

Tritt und Schritt und ich muß fürchten, daß, so wie der geringste Verdachtsgrund sich gegen mich regt, mein Schicksal das unseres Freundes Lindenberg sein wird. Schon längst hätte ich den kurfürstlichen Dienst verlaffen, tväre zu meinen Vettern den Minkwitzen nach der sächsischen Grenze geeilt, wenn ich es nicht dem Andenken unseres gemordeten Freundes schuldig wäre, auszuharren, bis läßt mir nachspähen auf

an dem Mörder des Gerichteten ge¬ — Ich habe Euch hierher beschieden, meine Freunde, um mit Euch zu berathen,.uvie wir das gefährdete die Stunde

kommen

„Seid mir gegrüßt, Ihr Herren!" rief er aus, „habt Dank, daß Ihr meiner Einladung gefolgt seid und verzeiht mir, daß ich so spät komme, der Dienst beim Kurfürsten hielt mich bis zu diesem Augenblicke zurück. Ich konnte ohne Ver¬ dacht zu erregen unmöglich früher von Köln ausreiten; jetzt aber bin ich bei Euch und stehe mit Leib und Leben zu Diensten." „Willkommen, Ritter von Otterstedt," riefen ihm die Versammelten entgegen, sie sprangen von den Bänken auf und drückten ihm freudig die Hand. „Wir warteten lange auf Euch, nicht früher, als bis Ihr in unserer Mitte wäret, wollten wir die wichtige Berathung beginnen, schon fürchteten wir, Ihr würdet nicht kommen und unsere ganze Versammlung würde fruchtlos sein." Der Ritter begrüßte mit kräftigem Händedruck alle die alten Bekannten, selbst den unbedeutsamen Edelmann, den er sonst wohl kaum eines Blickes, viel weniger eines Händedrucks gewürdigt hätte, redete er heut wie einen nahen Freund an. — Er warf den schweren nasien Mantel von sich, ließ sich einen tüchtigen Humpen Klarett vom Wirthe besorgen, dann befahl er diesem, das Zimmer zu verlaffen und draußen zu

(Fortsetzung.)

der Rache

ist.

Recht des Adels retten, wie

wir

Rache nehmen

für

den schänd¬

Mord unseres theuren Freundes lind Genossen, des edlen Lindenberg; ehe wir aber unsere Berathung beginnen, laßt uns schwören, meine Freunde, daß, was hier auch gesprochen werden möge, ein tiefes Geheimniß bleibe unter uns! Wer kann in die Zukunft schauen, wer von uns kann wissen, ob nicht ein Verräther ihn auf Tritt und Schritt belauscht hat, ihm gefolgt ist bis in die Nähe der Haideschenke, vielleicht ist schon in diesem Augenblick Kurfürst Joachim von unserer Versammlung benachrichtigt. Mit argwöhnisch mißtrauischen Augen schaut er auf den Adel, überall sieht er Verrath; seit der Lindenberg todt ist, ist er ein anderer Mensch geworden, aller jugendliche Freimuth ist von ihm gewichen, er glaubt sich in der Mitte von Feinden, umgeben von Verrath." „Er hat nicht Unrecht!" rief einer aus der Gesellschaft lichen

hämisch lachend.

„Freilich," fuhr der Otterstedt fort, „aber

es ist seine

eigene Schuld, denn er selbst hat den Adel, der überall sonst

treu beim Fürsten stand, zu seinem Feind gemacht, wir aber müssen deshalb um so vorsichtiger sein, wenn wir nicht fürchten

wollen, daß durch die schwatzhafte Zunge Eines unter uns, der vielleicht zur Untersuchung gezogen wird, wir Alle ver¬ rathen werden sollen. Laßt uns deshalb einen heiligen Eid ablegen. Freunde, laßt uns schwören auf unsere adlige Ehre und bei den Wunden unseres Herrn Christi, daß wir niemals, gegen Niemanden, ein Wort von dem verrathen ivollen, was heut hier gesprochen und beschlossen

Wie Ein Mann erhoben

wird!"

Ritter von ihren Sitzen und schworen einen furchtbaren Eid, das tiefste Geheimniß walten zu lassen über die Versammlung, niemals ein Wort über dieselbe zu sprechen. Nachdem die Ruhe sich wiederher¬ gestellt hatte, fuhr der Ritter von Otterstedt fort: sich die

102

„Mit freudigem Stolze blicke ich um mich in dieser Versammlung, der Adel der Mark ist in derselben vertreten durch seine tüchtigsteil Kämpen, seine edelsten Glieder. Jeder von den Anwesenden hat Einfluß aus viele unserer Standesgenosscn, wenn wir also einig sind, wenn wir den Beschluß fassen, uns aufzulehnen gegen die uilgercchte und bedrängende Gewalt, dann wird der gesammtc Adel des Landes mit uns stehen, danil wird es uns leicht werden, den Sieg zu erkämpfen. Ich erinnere Euch, Ihr Freunde an die glorreiche Zeit, welche der Adel der Mark Braildenburg früher durchlebt hat, au die Zeiten, in bcncn Eure Ahnen, Ihr Herren von Putlitz, von Alvensleben, von Quitzow, fürstcngleich geherrscht haben in der Mark. Ein fremdes Geschlecht ist gekommen, ein Geschlecht von Krämern,, es hat unser Vaterland gekauft um elende Goldgüldcn; mit den Städten hat es sich verbunden, mit dem gemeinen Bürgerpack, um uns zll berauben, linser Recht zu kränken, den Adel zu unterdrücken. Eure Vorfahrcil haben mächtig widerstanden, aber der Sieg war aus Seiten der Fürsten! Jener Friedrich 1. hat den märkischen Adel unterdrückt, die Fürstengewalt zur allcinherrschenden in unserem Vaterlande ge¬ macht, freilich war er ein starker, mächtiger, tapferer Mann, ihm konnte sich der Adel mit Ehre unterwerfen, jetzt aber herrscht mit despotischer Gewalt ein 17 jähriger Knabe in den Marken, er wagt cS, das edelste Blut, eines gemeinen Krämers wegen, aus dem Schaffot fließen zu lassen, bedroht uns Alle mit gleichem Schicksal, wenn wir ihm nicht widerstehen. Laßt uns deshalb zusammenhalten. Freunde, wenn wir einmüthig aufstehen, dann sind wir wie früher die Herren des Landes, dann ist es an uns, dem Fürsten Gesetze vorzuschreiben. Die Zeiten haben sich in den letzten hundert Jahren gewaltig ge¬ ändert, die Nachkommen Friedrichs von Hohcnzollern haben die Macht der Städte beschränkt imb dadurch ihre treuesten Bundesgenossen entkräftet. Wenn heute der Adel die Waffen ergreift in einem großen gewaltigen Bündnisse gegen den Kur¬ fürsten, dann ist dieser außer Stande, uns zu widerstehen, denn die Städte werden nicht wie damals ihr Gut und Blut opfern, um mit ihm zu kämpfen, manches alte Recht werden nur uns u'icder erobern, die frcinde Fürstenlinie aus dem Lande jagen und den Würdigsten unter uns erwählen, daß er

fortan

herrsche

in der Mark!"

Eine tiefe Stille folgte den Worten des Otterstedt, mit bedenklichen Mienen schauten die Ritter zu Boden, besonders die vornehmsten, Wider von Quitzow, Buffo von Alvensleben

und Otto von der Schulenburg. Vergeblich erwartete der Otterstedt, daß einer dieser Herren das Wort nehmen solle — sie erwiderten nichts.

Er fuhr endlich fort: „Herr Lüder von Quitzow, Ihr als der Rachkomine jener tapferen Ritter Dietrich und Johann von Quitzow, die am kräftigsten der Fürstengewalt widerstanden haben, von denen heilt noch die Sage hundert tapfere Thaten erzählt, Ihr vor Allen seid berufen, an die Spitze des Adels in der Mark zu treten im Widerstand gegen

den Kurfürsten. Ich bitte Wort uild sagt uns Elire Ansicht!" Lüder von Quitzow, ein kräftiger, schöner, junger Mann, konnte, so gedrängt, nicht umhin, seine Meinling kund zu ge¬

Euch, nehmt das

ben, obwohl er lieber geschwiegen hätte.

„Ich

befinde mich tu einer seltsamen Verlegenheit", sagte

er, „ich bin der Einladung des Ritters von Otterstedt gefolgt.

!

j

aber ich gestehe Euch, Ihr Herren, ich bin noch unentschlossen darüber, ob Euer Vorhaben wirklich für den Adel uild für das Land selbst voir ersprießlichen Folgen sein könne. Der Adel, so sagt der Herr Ritter von Otterstedt, soll einmüthig sich verbinden, um den Tod des Ritters von Lindenberg zu rächen, um den Kurfürsten zu stürzen nnd ein neues Regi¬ ment iil der Mark Brandenburg ;u schaffen — das ist ein

gewaltiges, ein großartiges Unternehmen, fragen wir uns da¬ her wohl und reiflich: sind unsere Kräfte auch einem solchen Unternehmen gewachsen?" „Sic sind es!" rief der Otterstedt aufgeregt aus, und stimmten Viele alls dein niederen Adel mit tumultuarischem ihm Geschrei bei.

„Ruhig, Ihr Herren!" fuhr Lüder v. Quitzow fort, „Ihr habt inich aufgefordert, das Wort zu nehmen, wohl, so hört allch meine Meinung. Freilich ruft Ihr aus, wir seien mächtig genug, den Kampf zu beginnen, wir aber sind hier nur unserer dreißig, wir wissen nicht, ob der gesammte Adel des Landes zu lins stehe, ob nicht vielleicht ein großer Theil, selbst unsere Freunde und Verwandten, mit dem Kurfürsten vereint die Waffeil gegen uns kehren wird. Ihr habt mir das Bei¬ spiel lneiner ebten Vorfahreil ins Gedächtniß zurückgerlifen, auch ich denke an dieselben,

aber ich habe nicht vergessen, lveil die ilächsten Freunde

daß Schloß Friesack gefallen ist,

Verlvandten Dietrich von Quitzows an der Seite des Burggrafen dasselbe belagerten. Würde es heut anders fein? Schaut um Euch, in unserer Mitte befindet sich von der großen Fainilie der Bredow nicht ein Glied, unter uns fehlen gerade die Repräsentanten alls ben edelsten und mächtigsten Familien des Landes. Wie tief entrüstet ich selbst über die Hinrichtllilg des Lindenberg gewesen bin und noch heute bin, das habe ich kaum nöthig. Euch zu sagen; Ihr werdet Euch erinnern, daß ich einer der Wenigen war, die dem Kurfürsten kühn entgegen¬ traten, daß ich ihn um die Begnadigung des Lindenberg an¬ ging, aber trotzdem mliß ich Euch sagen, Ihr Herren, unsere Interessen sind gewaltig verschiedene! Niemals zogen die Quitzows, Schulenburgs, Alvenslebens auf die Landstraße, wie es der Lindenberg gethan hat." Ein tiefes Murren ließ sich unter den Versammelten hören, die Meisten fühlten sich durch die Worte Lüders tief verletzt, welche sie alls sich selbst bezogen. Der niedere Adel war so allgemein bem Straßenraub ergeben, daß vielleicht mit Ausnahme des Lüder v. Quitzow, Bllsso v. Alvensleben mld Otto v. d. Schuleilburg kaum Eiirer in der Versammlung war, der nicht seit Jahreil ein Staßeirräuberlebeir geführt hätte. „Ihr beleidigt uns, Herr Lüder von Quitzow!" rief Herr v. Zarnekow, ein wild aussehender Mann, einer der berüch¬ tigtsten adligeil Straßeilräuber, wüthend aus, „wer will es wagen, dem inärkischeil Adel das Fehderecht zu bestreiten? Die Kaufleute, welche, ohne uns Zoll zu geben, ohne unser fteies Geleit zu bezahlen, unsere Straßen einherziehen, wenn wir sie in ritterlicher Fehde überfallen und ihnen ihr Geld und ihre Waare abnehmen; das ist unser gutes altes Recht und

soll uns dasselbe rauben. Wollt Ihr vorEuren reichen Schlössern in weichlicher Ruhe thun, wir aber wollen nicht auf der Bären¬ rvollen unser gutes Recht gebrauchen und wehe dem, der es uns anzutasten wagt, gleichviel, ob es ein Kurfürst oder ein Quitzow ist!"

und kein Joachim nehmen Herren in sitzen, Ihr mögt es haut liegen, wir

103

„Kein Streit, stedt begütigend.

Ihr „Ihr

den Kampf gilt gegen den Kurfürsten, oder wollt Ihr uns verlaffen aus eitler Selbstsucht?" Lüder von Quitzow stand auf, warf den Mantel um und sagte ernst: „Ich vcrlaffe Euch, Ihr Herren, ich habe nichts mehr in Eurer Mitte zu thun, rechnet nicht auf mich! Wir haben mit einander geschworen, das tiefste Geheimniß über unsere heu¬ tige Versainmlung walten zu lassen, Ihr dürft daher versichert sein, daß keine Macht der Welt mich züm Verräther an Euch machen soll, aber Euer Theilnehmcr, Euer Bundesgenosse kann und will ich nicht sein!" Er verließ nach diesen Worten mit einem stolzen Gruß die Versammlung, Busso von Alvensleben und Otto von der Schulenburg folgten ihm. Ein wildes, wirres Dnrchcinandersprechcn, wüthende Ent¬ rüstung, zorniges Schimpfen ertönte, nachdem die drei vor¬ nehmen adligen Herren das Gemach verlassen hatten, unter den Zurückbleibenden. Diese gehörten sämmtlich dem niedern

Herren", sagte der Ritter von Otter¬ seid zn aufbrausend, Hans Zarnekow,

der Ritter von Quitzow hat Euch sicherlich nicht beleidigen wollen! Wie sollen wir zum gedeihlichen Ziele kommen, wenn

wir unter einander uneinig sind und streiten und zanken? be¬ denkt cs wohl, wir bediirfen aller unserer Kraft, der höchsten Einigkeit, um gegen unseren geineinschaftlichcn Feind zu kämpfen

ihn

zn besiegen."

„Wohl habt

Ihr

Recht", fuhr Luder von Quitzow fort, Streit mag Euch zeigen, daß wir eben nicht einig sind- Unsere Interessen gehen aus¬ einander; der Adel im Lande ist in zwei große Parteien ge¬ spalten, niemals werden wir die Wedcll, die Bredow, Schlieben, und unzählig viele Andere dazu bewegen, daß sie mit uns gegen den Kurfürsten anfstehn; die großen adligen Grundbe¬ sitzer tvcrden durch einen Hochvcrrath nun und nimmermehr ihr ganzes Besitzthmn durch einen ungewissen Kampf gefähr¬ den. Wer nichts zu verlieren hat, mag leichter bereit sein zur Rebellion, als wer einen großen Namen, einen gewaltigen

„aber gerade der

schnell entbrannte

Laßt uns aus dem Landtage einmüthig, und kräftig bei einander stehen, dort wollen wir dem Kurfürsten zeigen, daß der Adel des Landes noch unerschütterlich fest auf seinen Rechten beharrt, dann wird

„Ihr

vergeht, daß der Kurfürst ein Knabe von 17 Jah¬ ren ist", entgegncte der Ritter von Otterstedt. „Seinem kna¬ benhaften Eigensinn hat er den theuersten Freund, den edlen

Ritter von Lindcnberg, geopfert.

gewagt hat, hierdurch dein gcsainmten Adel die Spitze zu bieten, tvird er es auch ferner wagen." „Lüder von Quitzow hat Recht", sagte Busso von Alvensleben, „auch ich kann nicht umhin, Euch zu warnen, vor¬ eilig, ehe es die höchste Roth erfordert, gewaltsame Schritte zu wagen; wir haben dies außerdein nicht nöthig, noch giebt es in Deutschland ein Gericht, welches über dem Fürsten selbst steht, laßt uns den Kurfürsten verklagen über den Mord des Lindenbcrg bei der heiligen Vchme! Dreißig adlige Männer

Wenn er

es

zusannnen, unter uns weilt sicherlich ein Freischöffc, mag er die Anklage bringen vor den heimlichen Richterstuhl, dann wird Joachiin gerichtet werden." sind

wir hier

soll geschehen!" ertönte eine dumpfe Stimme; wo¬ kam, wer die Worte gesprochen. Niemand wußte es. Die Ritter schauten sich erstaunt und halb erschreckt einander an, aber Keiner konnte sagen, wer das verhängnißvolle Wort gesprochen. Eine lautlose Stille erfolgte, dann aber rief der Ritter von Otterstedt: „Fern sei es von mir, die heilige Vehme zu lästern und ich steue mich, daß der Kurfürst vor den Rich¬ terstuhl gezogen werden soll, aber vergeht nicht, Ihr Herren, daß die Vehme nicht wie vor hundert Jahren allgewaltig ist! Früher forderte sie auch wohl die mächtigsten Fürsten und Herren vor ihren Stuhl, jetzt ist dies längst vorüber; das Vehmgericht wird Joachim um so weniger strafen, als dieser ja den Lindenberg vor öffentlich besetzter Gerichtsbank hat

„Es

her

sie

richten und dem Richtcrspruch gemäß enthaupten lassen. Wir uns Hülfe werden soll, und so frage ich Euch noch einmal, gerade Euch, Herr Lüder von Quitzow, Euch, Herr Buffo von Alvensleben und Otto von selbst müffen uns helfen, wenn

der Schulenburg,

wollt

Ihr

treu bei uns stehen, wenn es

sic

sich

weisung Liiders von Quitzow. verbunden mit dem Vorschlage

ob er dadurch gewinnt oder verliert.

er es nicht wagen, dieselben zu kränken."

fühlten

tief verletzt durch die stolze Zurück¬ Ihre Interessen waren eng des Ritters von Otterstedt; hatte ja der Kurfürst Lindenberg durch die Hinrichtung des bewiesen, daß er keine Gnade, keine Schonung üben werde und wolle gegen alle diejenigen, die das Gesetz verletzten; alle die Anwesenden mußten befürchten, daß auch gegen sie Unter¬ suchungen gleicher Art herbeigeführt werden würden, ihre Existenz war zum größten Theil sogar auf ein abenteuerliches

Adel an;

Grundbesitz dabei in die Schanze schlägt, ohne noch zu wissen,

!

Räuberleben begründet. seinen halbverwüsteten Burgen konnte der niedere Adel kamn leben, tvenn er nicht durch Raubzüge sich die Mittel dazu verschaffte; arbeiten konnten und ivollten diese Herren nicht; dagegen lehnte sich ihr adliger Stolz auf, Hofstellcn gab

In

wenig, als daß sie ans diese hätten rechnen können, ihr roher Sinn nicht für das weichliche Hoflebcn, so blieb ihnen denn nur der Dienst der Kirche, tvenn sie nicht rauben und stehlen wollten. Nach langent wirren Durcheinandersprechen schaffte end¬ lich der Ritter von Otterstedt tvieder Ruhe. „Laßt sie hinziehn, die stolzen Herren," sagte er höhnisch, „sie möchten zu uns treten, sobald der Sieg auf unserer Seite ist, aber sie sind zu furchtsam, uns beim Kampf für Es ist gut, daß die Ausgeschiedenen dieselben zu helfen. es

zu

auch paßte

sich

aus unserer Mitte entfernt haben, jetzt werdeit wir zu

energischen und bestimmten Entschlüsselt koinnien!

Ein offener

Kampf freilich ist nicht nröglich, wenn uns die großcir Namen fehlen, trotzdem aber soll dennoch der Sieg unser sein. Wir bilden mit unsereit Kitechten eine gcnügcitde Macht, um den Kurfürsten bei einer Jagdpartie zu überfallen und ge¬ fangen zu nehmen, haben wir ihn erst in unserer Gewalt, daitn

wahrlich soll er nach unserer Pfeife tanzen. Ich habe in Berlin und Köln treue und geheime Verbündete, diese sollen uns genaue Nachrichten mittheilen über jeden Jagdausflug Joachim's. Der Kurfürst reitet gewöhnlich nur mit geringem Gefolge in die Wälder, dort überfallen wir ihn, nehmeit ihn gefangen und wagt er es, unserem Willen zu widerstehen, dann wehe ihm! Mit seinem unmündigen Bruder, dein Knaben Albrecht, der nach ihm den Kurfürstenhut erbt, werden wir eher fertig werden, als mit dem jähzornigen, eigensinnigen Joachinl! Seid Ihr mit diesem Plane einverstanden, Ihr Herren?"

104

Mit wildem Jubelruf

'

wurden von den sämmtlichen AnWorte des Otterstedt begrüßt. Hans Zarnekow drückte dem Ritter freudig die Hand und rief aus: „Mit Gut und Blut, mit Leib und Seele stehn wir zu Euch, Ritter von Otterstedt, laßt uns auf der Stelle uns schrift¬ lich verbünde», daß wir wie ein Mann Euren Befehlen ge¬ horchen, uns einfinden wollen, wohin Ihr uns ruft! Hier ist Papier, laßt uns mit unserer Namensunterschrift unseren Eid bekräftigen!" „.steine Schreiberei," entgegnete Wolf Zitzewitz, indem er das Papier ergriff und es mitten auseinander riß. „Ge¬ schriebenes kann uns verrathen, unser mannhaftes adliges Wort genügt. Laßt uns jetzt aufbrechen, Ihr Herren, wir haben genug berathen, der Otterstedt wird uns rufen, wenn es wiederum Zeit ist." Noch einmal gelobten sich die Versammelten mit heiligem Schwur fest bei einander zu stehn, dem Rufe des Ritters von Otterstedt zu folgen, dann aber trennten sie sich; nur wenige blieben noch beim glühende» Wein in der Haideschcnke zurück, wesenden die

die Nebrigcu zerstreuten sich nach allen Richtungen, der Ritter von Otterstedt ritt nach Köln. Es war schon gegen Morgen, als er im kurfürstlichen Schlosse wieder anlangte. Auf dem ganzen Wege von der Haideschcnke bis nach Köln hatte er nachgedacht über die Schritte, welche zunächst wohl gethan werden könnten, um den gemordeten Lindcnberg zu rächeu. Otterstedt haßte den jungen Kurfürsten mit der ganzen Gluth seines ungezügelten Charakters. Der Lindenberg war ihm ein treuer Freund ge¬ wesen, daß er gestorben, ohne den Mitschuldigen zu verrathen, seine Treue bis zum Tode, hatte diese Freundschaft noch erhöht, das Rachcgcfühl noch glühender gemacht. Der Schmerz, welcher Joachim um den gctödtctcn Liebling erfüllte, war eine heim¬ liche Freude für den Otterstedt, mit wahrem inneren Vergnügen sah er, wie der junge Kurfürst sich in Mißtrauen gegen seine ganze Umgebung verzehrte. Als er im Schloß angekommen war und nun durch die langen Gänge dahinschritt, da durchblitzte ihn plötzlich ein

„Er soll sich nicht länger sicher fühlen in seinem eigenen Schloß," sagte der Ritter frohlockend zu sich selbst. Auf den Zehen schlich er den Gang entlang, der nach dem Gemach des Kurfürsten führte und mit Kreide schrieb er die Worte: Joachimken, Joachimken hüte Dh, Wenn wy Dh kriegen, dann henken wy Dh! Thür; dann entfernte

nach.

Der Ritter eilte sofort in den Schloßhof, setzte sich auf sein noch nicht abgesatteltes Pferd, und schon nach wenigen Minuten sprengte er auf der Landstraße in eiliger Flucht da¬ hin, denn er war sich wohl bewußt, daß es sich um seinen Kopf handelte. Als am folgenden Morgen Joachim aus seinem Gemach trat, da fiel sein Blick auf die mit Kreide geschriebenen Worte. Er las sie und eine wilde Wuth erfüllte ihn über die unver¬ Die Leibwache und das Hofgesinde mußte schämte Drohung. zusammenkommen, Joachim selbst forschte auf das Strengste nach, wer wohl den nichtswürdigen Vers an die Thür ge¬ schrieben haben könnte; da trat Peter Linden vor und erzählte, daß er dem Ritter von Otterstedt in später Nacht allein auf Augen¬ dem Gange vor der kurfürstlichen Thür begegnet sei. zum Hofe ausgesendet, Ritter blicklich wurden Boten um den — — zu entbieten, aber vergeblich er war verschwunden! (Fortsetzung folgt.)

Die berliner Gerichtslaubc auf Sabelsberg bei Potsdam. (Mit Illustration Seite 105.) in Potsdam. dabei waren, Uns, die wir als die alte Berliner Gerichtslaube von der Königs- und Spandauerstraßen-Ecke in Berlin, wo heute der fiele Platz vor dem stolzen Monumentalbau des Berliner Von Lcmrilli Wagcner

Rathhauses sich ausbreitet, nach dem Parke Babelsberg bei Pots¬ dam geschafft wurde, ist dies Gebäude im stillen, einsamen Garten auf sanftem Rasenhügel am Ufer der breiten Havelseen kein Räthsel, wohl aber kommenden Geschlechtern, ja vielleicht schon in unserem schnelltreibenden Zeitstrudel vielen Zeitgenossen.

Bewundernd horcht der Fremde auf, wenn ihm der erklärende so ganz der Wohnlichkeit entbehrende röthlich schim¬ mernde Gebäude als die alte Berliner Gerichtslaube bezeichnet. Unwillkürlich drängt sich ihm die Frage auf, wie kommt die alte Gcrichtsstätte von Berlin nach diesem fiiedlichen Tusculum unseres Kaisers? Oder wurde hier an dieser Stelle Recht gesprochen? Und wenn dies nicht der Fall war, warum nennt man diesen unserer Zeit so fremdartigen, räthselhaften Bau „alte Berliner Gerichtslaube"? Freilich den Lesern des „Bär" drängen sich diese Fragen hoffentlich nicht auf, gewiß aber in künftigen Jahren unsern Nach¬ Cicerone das

leuchtender Gedanke.

an die

trabanten mit vornehmer Herablassung und schritt dann an demselben vorüber. Verwundert blickte ihm Peter Linden, der nicht begriff, was der Ritter von Otterstedt so spät in der Nacht allein in den Gängen des Schlosses zu thun habe,

er sich eben so leise, wie er ge¬

kommen.

Als der Ritter von Otterstedt

dem Kitzel des Augenblicks nachgab, da hatte er geglaubt, daß Niemand in der stillen, bimsten Nacht ihn bemerken werde. Joachim sollte nicht ahnen, von welcher Hand die drohenden Worte an seiner Stubenthür herrührten, wenn er dieselben am folgenden Morgen lesen würde, mitten im eignen Schlöffe sollte er sich von Vcrräthcrn und Feinden umringt wissen, keine Stunde der Iiuhe und Sicherheit mehr haben, — dies war die Absicht des Ritters von Otterstedt, zu seinem höchsten Schrecken sah er aber die¬ selbe vereitelt, denn ihm entgegen trat plötzlich Peter Linden, der getreue Diener Joachims. Im ersten Augenblick war der Ritter erstarrt vor Schrecken, aber schon im nächsten Moment faßte er sich, grüßte den Leib¬

kommen.

Wir alle kmnen noch aus unserer Erinnerung das alte Ber¬ liner Rathhaus in seinem unscheinbaren Aeußern mit dem eigen¬ thümlichen Vorbau an der Ecke der Spandauer- und Königsstraße. Hunderttausende hatten sich im Laufe der Jahre auf schmalem Trottoir um das die Straße verengende, vortretende Eckgebäude gewunden, und mit berechtigtem Beifall mußte der Beschluß der städtischen Behörden

begrüßt werden, das Rachhaus abbrechen und ein neues, größeres der künftigen Weltstadt würdiges auf¬ führen zu lassen. Da erst lenkten Männer wie Stadt-Archivar Fidicin, Professor Adler u. A. die Aufmerksamkeit der Fachmänner und Behörden auf jenes unscheinbare, alterthümliche Eckgebäude mit seinen Rumpel¬ kammern; in der Tagespresse erhob sich ein lebhafter Streit für

105 und gegen Erhaltung der ehemaligen Gerichtsstätte, und der Ber¬ liner sprach nur mit behaglicher Selbstgefälligkeit und mit gutem Recht von seiner alten Gerichtslaube als einer sehr werthvollen Reliquie aus der Zeit der altgermanischen Rechte und der einstigen selbstständigen Macht seiner Vaterstadt. Das Interesse an dem architectonisch so einfachen, im Laufe der Zeit so sehr vernachlässigten Vorbau des alten Stadthauses wuchs von Tag zu Tag, und der dadurch hervorgerufene Wunsch, das merkwürdige Denkmal erhalten zu sehen, bemächtigte sich aller Kreise. Diesem eonservativen

mußte, gab diesem Denkmal freien Bürgerthums der Fürst des Vaterlandes eine bleibende Statt auf seinem Besitzthum. So redet das alte Gemäuer zu uns von der seltenen Hochherzigkeit des Monarchen, und von den herrlichen Tagen des ungezwungenen

freien Bürgerthums. Ehe man zum Abbruch der Gcrichtslaube schritt, erhielt der

Stadtbaurath Blankenstein

den

Auftrag,

nach

den noch

vorhandenen architektonischen Resten derselben, soweit sie auf den charakteristischen Bau und die ehemalige Form Schlüsse zuließen.

Dir rrsiaurirte Ürrlmrr Grrichtslaubr aus Sabrlsberg brr Potsdam. Nach einer Zeichnung von Jul. Geißler.

So

kam die alte

die Laube

der Abbruch

eben zu retten und zu erhalten

ihre

die

Stadt

selbst

nach dem Parke von Babelsberg

die letzten Reste der Erinnerung an

einstige selbstständige Gerichtsbarkeit

und Macht zerstören

war.

Das Material wurde nun mittelst eines großen Havelkahnes

Berliner Gerichtslaube mit ihren Erinnerungen

und ihrer Geschichte auf den fteien Landsitz des Monarchen.

Als

in der Zeichnung

zu rekonstruiren. Dann erst erfolgte und auf Grund dieser Zeichnung die sorgfältigste Schonung der architektonisch wichtigsten Bestandtheile. Selbst von den großen brandenburgischcn Ziegelsteinen aus dem 13. Jahr¬ hundert suchte man mit hingebender Sorgfalt zu erhalten, was

Wunsche setzte der überaus lebhafte Verkehr auf der Straße ge¬ rade in dieser Gegend ein unbedingtes Non possumus entgegen. Da war es unser Kaiser, der, nachdem er das deutsche Reich in Macht und Herrlichkeit wie nie zuvor hatte erstehen lasten, diesem Denkmal untergegangener Städteherrlichkeit und Gerechtsame in seinem Parke ein neues Heim anwies.

I

geschafft, wo es unter Leitung

Königlichen Hofbauraths und Schloßbau-Direktors Persius durch den Königlichen Hof-Maurermeister Hasen-

des

106 Hetzer

zu

Potsdam

zu

einer

neuen stattlichen

Gerichtslaube

Halle, welche freilich jetzt, um Unbefugten den Eintritt zu wehren, mit einem Stabeisengitter, das in seiner Zeichnung dem Charakter des Baues entspricht, verschlossen ist, ohne den freien Einblick zu verhindern. Noch ist zu bemerken, daß in der unteren Halle die meisten Grathsteinc, sowie die Schlußsteine mit Blattverzierung aus dem alten Bau stammen. Zu dem oberen Geschoß führt an der Südseite des Gebäudes eine freistehende, massive sandsteinerne Wendeltreppe. Eines der acht Spitzbogenfenstcr dient als Thür. Wir betreten den oberen Raum, der mit vier Sterngewölben überdeckt ist, die wieder in der Mitte auf einer sandsteinernen Säule ruhen. Diese im Durch¬ messer schwächere Säule als die im untern Geschoß von Ziegel¬ steinen gemauerte trägt am grüngestrichenen Schaft in lateinischen Initialen die Inschrift: „Seclig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen!" Ueber diesem Spruch finden sich

!

erstand.

Der erste Spatenstich zuni Neubau geschah ain Schlachttagc von Wcißcnburg, am 4. August 1871. Der Verein für die Geschichte Berlins bewies ein besonders lebhaftes Interesse für den Aufbau dieser baulichen Reliquie aus der Zeit der Unabhängigkeit Berlins und gab diesem Interesse den lebhaftesten Ausdruck in einer an des Kaisers und Königs Majestät gerichteten Dank-Adresse, welche mit Allerhöchster Ge¬ nehmigung am Svntag, den 12. November 1871, in den Grund¬ stein der mittelsten Tragsäule versenkt wurde. Zu dieser feierlichen Handlung waren die Mitglieder des Vereins von Berlin nach Potsdam gekommen, und cs gestaltete sich der Akt zu einer ritual¬ mäßigen Grundsteinlegung, die in ihrer Würde und sinnigen An¬ ordnung dem bedeutungsreichen Bauwerk entsprach. Nachdem am 27. April 1872 das letzte Gewölbe geschlossen tvar, wurde das Ganze am 15. Juli desselben Jahres als beendet übergeben und abgenommen. Das Gebäude selbst, wie es das beifolgende Bild zeigt, ist ein quadratischer, zweigeschossiger Bau im Rohstyl. Es steht auf einem quadratischen zweistufigen Podium. Die Laube selbst ist 0,70 n> im Quadrat. Die acht Strebepfeiler springen über das Quadrat hinaus. Vier von ihnen stützen die Ecken, wogegen die andern vier an der Mitte der Seitcnwändc aufsteigen. Diese Pfeiler sind ganz von dem alten ZiegelsteinMaterial aufgeführt, wogegen zu den Seitenwänden der Laube neue Ziegelsteine aus Rathcnower Ziegeleien verwendet wurden, welche in Färbung und Größe genau den alten Steinen entsprechen. Die in der Mitte abgesetzten, oben weniger vorspringenden Strebe¬ pfeiler sind oben wie in der Mitte beim Absatz mit dunkelgrün glasirten steil abwässernden Dccksteinen abgedeckt. Das untere Geschoß ist eine offene Halle von vier Kreuzge¬ wölben überspannt, welche in der Mitte aus einem gemauerten Pfeiler ruhen. Dieser Pfeiler, welcher ebenfalls aus alten Steinen besteht und in dessen Fundament die oben erwähnte Dank-Adresse ruht, ist durch sein altes Sandstein -Kapitäl sehr merkwürdig. Noch recht wohlerhalten zeigt das Relief dieses Kapitells die mensch¬ lichen Thorheiten in sinnbildlichen Darstellungen: Hochmuth und Hoffahrt unter dem Bilde weiblicher Figuren mit Pfauenfedern, Sinnenlust wird durch den Affen personificirt, Genußsucht und niederer Sinn durch zwei Schweine. Blattwerk bildet den Hintergrund, und das Ganze wird am Kopfende von einem Seil umschnürt, welches hinweist auf das Seil, womit im Mittelalter die Gerichtsstätte umgrenzt wurde, und bis zu welchem das Volk bei der öffentlichen Verhandlung zugelassen wurde. Man kann in der Auslegung unschwer erkennen, daß der Pfeiler, von dem die vier Kreuzge¬ wölbe ausgehen, die Linde oder Eiche darstellt, unter dem ursprüng¬ lich die öffentlichen Gerichte stattfanden. Die Unsicherheit und das Fchdewesen des Mittelalters be¬ dingte des gegenseitigen Schutzes halber in den Städten enge Straßen und kleine Plätze. Daher schrumpfte mit dem Erstehen der Städte der' Gerichtsplatz in denselben zusammen, so daß man endlich eine offene Halle, wie unsere Gerichtslaubc ist, erbaute und ihr den alten Namen „Laube" zur Erinnerung an den ehemaligen laubbcdeckten Raum unter der weitverzweigten alten Linde oder Eiche ließ. Als das römische Recht immer mehr und mehr Eingang bei unsern Vätern fand rnrd damit das öffentliche Verfahren in Gegen¬ wart des Volkes nach und nach verdrängt wurde, verloren die „Gerichtslauben" als solche ihre Bedeutung. Man mauerte die vier Spitzbogenwölbungen zu und verlegte die Verhandlungen hinter geschlossene Thüren in die erste Etage. So erhielt wahr¬ scheinlich auch unsere Laube ihren Aufbau. Die rekonstruirte Gerichtslaubc zeigt wieder die untere offene

!

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Relicfwappen in Farben: Auf dem einen ein springender Ziegen¬ bock; das andere senkrecht getheilt, zeigt auf der einen Seite drei Sparren auf der anderen ein Einhorn; das dritte führt einen Hirsch im Felde. Das vierte Reliefbild, das den Scharftichter zeigt, darf man wohl nicht als ein Wappen ansprechen. Die acht gothischen Spitzbogenfenster mit Maßwerk zeigen oben im Spitzbogentheil in der Mitte den preußischen Adler und zu seiner Seite je zweimal den „Berliner Bär" in farbigem Glase. Eine eiserne Wendeltreppe führt im Innern des Gebäudes von diesem geschlossenen Raume aus auf die Platsorm der Laube.

j

Der Ausblick von dem Dache gehört zu den

!

deutschland.

schönsten

Unten die seeartig sich ausdehnende Havel

in Nordmit ihrem

tiefen Himmelsblau; drüben die Stadt Potsdam mit der maje¬ stätischen Kuppel der Nicolaikirche; der reiche Villenkranz am Haveluser jenseits und des Pfingstbergs weitschauende Thürnrc; links das wiesenreiche Nuthethal, der Bahnhof und im Hinter¬ grund der dunkelbewaldete Brauhausberg mit den Thürmen und Kuppeln der Sonnenwarte. Dazwischen windet sich, im glühenden

!

der Sonne gebadet, das glitzernde Silberband der Havel Im Norden spannt die Glinikcr Brücke mit ihrem röthlichen Gemäuer eine anmuthige Linie über das blaue Seebecken, dahinter begrenzt der dunkle Forst von Sacrow und

Strahl

gen Westen.

\

.

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Krampnitz den Horizont, und rückwärts schweift der Blick über das grüne Blättcrmecr des Parks! Die Platsorm der Laube ist von einer Brustwehr gesichert, die aus dunkelgrünglasirten gebrannten Fayonsteinen besteht. der Verlängerung der Strebepfeiler unterbrechen, bezw. flankiren acht gothische Thürmchcn die Brustwehr. Das Hauptgesims unter der Gallerte ist gleichfalls grün glasirt, wie auch die rosettenartigen

In

In

derselben Tönung Formsteine des Frieses unter dem Gesims. sind abwechselnd die Ziegelsteine um die Fcnsterwölbungcn gehalten. Das ganze Gebäude hat eine Höhe von 10,40 m; mit den Thürmchcn 11,80 m. Der Fußboden in beiden Geschoffen ist parquetartig nrit braunen Marmorfliesen belegt. Ein sehr charakteristisches Merkzeichen an der Gerichtslaubc ist der am südwestlichen Strebepfeiler in einer Höhe von 3 m über dem

„Kaak." Es ist eine vogelartige Gestalt mit einem Menschenkopfc, dcffen höhnende Gesichtszüge eine ausdrucks¬ vollere Geltung durch die auftcchtstehenden spitzen Eselsohren er¬ halten. Das Bildwerk, so alt wie das Gemäuer selbst, ist in den

Fußboden angebrachte

gehört zu den werthvollsten Reliquien unserer Mark. Die Deckplatte auf dein Kopfe des Vogels trug wahrscheinlich in jener Zeit, als die Gerichtslaube nur aus einem Geschoß bestand, eine größere konsolenartige Platte, die Platz für einen Menschen bot. Auf diesem so erhöhten Platze wurde der Verbrecher vom Stadtbüttel nach verkündetem Urtheil dem Hohne und Gespötte der unten stehenden Menge ausgesetzt. Die sym¬ bolische Bedeutung des eulenartigcn Vogels mit dem durch Esels¬

Pfeiler

eingelassen^ und

107 ohren entstellten menschlichen Antlitz liegt nahe genug, ohne einer nähern Erklärung zu bedürfen. Als die Gerichtslaube das zweite Geschoß erhielt und jener muthmaßliche konsolenartige Vorbau wegfiel, stellte man den Ver¬ brecher unter den Kaak, welche Behauptung durch die beiden Hals¬ eisen an Ketten bewiesen wird, die noch bis zum Abbruch der Laube vorhanden waren, aber leider beim Abbruch oder Transport verloren gingen. Jetzt schaut das grinsende Gebilde in den stiedlichen Park! Vorüber sind die Zeiten des grausamen Gerichtsverfahrens des Mittelalters und der hochnothpeinlichen Halsordnung Karl V. Die alte Berliner Gerichtsstätte steht heute iin stiedlichen Haus¬ garten des Deutschen Kaisers! Zum Schluß dieser Mittheilung sei noch der schönen Festseier am 15. Juni 1872 erwähnt, die zu Ehren des städtischen Archivars Fidicin an dieser Stelle stattfand. Der Verein für die Geschichte Berlins hatte bei Gelegenheit der Feier des Jubiläums der fünfzigjährigen Dienstzeit dieses Forschers berlinischer und mär¬ kischer Geschichte

die Prägung

Jubilar

einer Fidicin-Medaille beschlossen,

genannten Tage bei herrlichstem Juniwetter unmittelbar vor der Laube im Beisein der Mitglieder der Geschichtsvcreine von Berlin, Potsdam, Brandenburg, Magde¬ welche dem

an

dem

burg, Frankfurt a. O. und Salzwedel durch Sr. Majestät den Kaiser Wilhelm überreicht wurde. Der überaus leutselige und freundliche Monarch sagte unter Andern: zu Fidicin: „Sic haben auch über die Berliner Gerichtslaube geschrieben! Es ist mir schwer genug geworden, dieselbe vor gänzlicher Zerstörung zu be¬ wahren. Endlich wollte ich sie kaufen; aber da hat man sie mir geschenkt. Hier wird sic sich recht gut ausnehmen; auch ein schöner Aussichtspunkt ist durch sie gewonnen. Freilich, Recht wird nun

nicht mehr in der Gerichtslaube gesprochen werden! Mit diesem Worte unseres geliebten Kaisers wollen wir nun Ab¬ schied

von der „Laube" nehmen. —

Zieten-Husaren. Die erste dauernd erhalten gebliebene Brandenburgische Trup¬ penbildung ist durch den von dem Prediger Stuler in der Charwoche des Jahres 1615 zu Berlin angestifteten Straßenauflauf und die demselben sich anschließenden Unruhen veranlaßt worden. Schon unterm 8. Juni desselben Jahres ertheilte der Kurfürst Jo¬ hann Sigismund dem Hauptmann Wilhelm Kalchun von Lohhauscn ein Patent „etzliche Soldatten zu werben", für welche da¬ mals aufgerichtete Truppe 1617 zum ersten Mal die Benennung: „Churfürstliche Leib-Guardy-Compagnier" gebraucht wird, und aus der die spätere Brandenburgische Fußgarde hervorgegangen ist, die

als Infanterie-Regiment Nr. 1 bis 1806 (damals Regiment von Kunheim) einen Theil der Garnison von Berlin gebildet hat. Ein gleicher oder auch nur ähnlicher Anlaß zu Truppenbildungen hat seitdem hier allerdings nicht mehr stattgefunden, wohl ist Berlin jedoch mehrfach noch der Ausgangspunkt für neue Truppensormationen geworden, und einer der berühmtesten der in unserer Stadt errichteten Truppenkörper, das ehemalige Leib-Husaren-Regiment Nr. 2 und gegenwärtige Zieten-Husaren-Rcgiment Nr. 3, das ebenfalls von seiner Errichtung im Jahre 1730 bis 1806 der Garnison von Berlin angehört hat, ist mit diesem Jahr in einen 150 jährigen Bestand eingetreten. Bon den beiden Kavallerie-Regimentern, welche das eine vom Ausgang des siebzehnten Jahrhunderts, das andere von 1730 ab bis 1806 die Kavallerie-Garnison von Berlin gebildet haben, finden sich die Spuren in der gegenwärtigen Deutschen Reichs¬ hauptstadt noch heute enthalten. Wie der Gensdarmen-Markt von den stüher dort gelegenen Ställen des alten Leib-Reiter-Reai•

ments Geusd’annes nach diesem letzteren den Namen erhalten hat, führte die jetzige Hollmanns-Straßc nach den zum Abschluß derselben gelegenen und noch heute vorhandenen Ställen des Re¬ giments Zieten-Husaren bis vor einigen Jahrzehnten die Benen¬ nung Husaren-Straßc. Auch das Wohnhaus des langjährigen be¬ rühmten Chefs dieses letzten Regiments, Kochstraße Nr. 61 und 62, in welchem Hans Joachim von Zielen in der Nacht vom 25. bis 26. Januar 1785 sanft in das bessere Jenseits hinüberge¬ schlummert ist, hat, obgleich gegenwärtig in zwei Häuser getheilt, und mehrfach umgebaut, sich seinen ursprünglichen Baucharakter noch ziemlich unverändert bewahrt. Dem Denkmal Zielens auf dem Wilhelmsplatz endlich sind unter den drei Figurendarstellun¬ gen am Fußgestell desselben die Gefechte von Nothschloß, und Ka¬ tholisch Hennersdorf eingefügt, durch welche die Zieten-Husaren in den ersten beiden schlesischen Kriegen vorzugsweise ihren Ruf be¬ gründet haben. Den Namen des Regiments bildete eine 1730, wie die Stammliste der Armee ausdrücklich erwähnt, in Berlin errichtete Compagnie Husaren. Nom 24. Mai 1731 ab erhielt diese neue Husaren-Truppe seine dauernde Garnison in der preußischen Hauptstadt angewiesen, Noch in demselben Jahre trat dazu eine zweite und 1732 die dritte Compagnie, welche drei Compagnien 1733 zu drei Escadrons verstärkt wurden. Die erste Uniform dieser Husaren bestand, wie sich aus einem Bilde Zielens vom Jahre 1732 ergiebt, in Pelz und Dollmann weiß, mit gelben, resp. bei den Offizieren goldenen Schnüren und blauen: Kragen und Auf¬ schlägen, dazu eine hohe, ungarische Filzmütze mit weißem Feder¬ 1730 ernannte Friedrich Wilhcln: 1. diese 3 Husaren-Esbusch. cadrons zu seinem Leibhusarencorps. Schon vorausgehend war die Uniform desselben in scharlachrothe. Dollmanns mit dunkelblauen Pelzen, beide mit weißen Schnüren umgeändert worden, wie die¬ selben sich noch heute in den gleichen Farben bei dem Regiment erhalten findet. An Stelle der Filzmützc trat dazu eine Bären¬ 'Friedrich Wil¬ mütze. Die Königin Sophie Dorothea, Gemahlin helms I., schenkte dem Corps 12 Tigerdecken, welche als Auszeich¬ nung von den Offizieren desselben bei Galagelegcnheiten, und namentlich während der ersten Revuetage an Stelle der Pelze ge¬ tragen wurden, wozu für die Rittmeister noch ein goldener Adler¬ flügel auf der Bären- oder für diese Zobelmütze hinzutrat. Schon 1741 erfolgte die Erweiterung des Corps uni drei fernere Esca¬ drons, und im nächsten Winter die Regimentsformation zu 10 Es¬ cadrons in zwei Bataillonen k 5 Escadrons. Bei der Reorgani¬ sation des Regiments 1808 wurde dasselbe, wie alle übrigen preu¬ ßischen Cavallerie-Regimenter, auf 4 Escadrons gesetzt, zu welchem mit der Reorganisation der Armee im Jahre 1861 eine fünfte Es¬ cadron hinzugetreten ist. Eine kombinirte preußische Husaren-Eskadron, wovon die Hälfte vom Leibhusarenkorps, befand sich 1734 den: von Preußen gestell¬ ten Hülfskorps am Rhein zugetheilt. Bei der Schlacht von Mollwitz waren 6 Escadrons Husaren gegenwärtig, über deren Verhalten jedoch genaue Mittheilungen nicht vorliegen. Ihr erstes glückliches Gefecht war das von Rothschloß am 17. Mai 1741, wobei eine große Zahl von Gefangenen und Beutepserden von ihnen einge¬ In Anlaß dieses Gefechts wurde Zielen zum bracht wurden. Commandeur des neu zusammengestellten Husarenregiments ernannt, Glänzend bewährte sich das von hierab seinen Namen führte. dasselbe 1744 in dem Gefecht bei Moldau-Tein, bei dem berühmten Zieten-Ritt, durch welchen vor der Schlacht bei Hohenstiedberg dem getrennt operirenden Markgraf Carl noch rechtzeitig der Befehl zuin Anschluß an die preußische Hauptarmee übermittelt wurde, in der vorgenannten Schlacht selbst, und vorausgehend in dem Treffen In den: Treffen bei katholisch Hennersdorf 1745 bei Neustadt. Wurden von den Zieten-Husaren dem sächsischen Kürassir-Regiment O'Bvrn die noch heute als besondere Auszeichnung geführten

so

108 gehört dasselbe doch nahezu während des gleichen Zeitraumes zu denjenigen Regimentern, welche sich vorzugsweise mit aus Berlin rckrutiren, und muß somit, trotz aller Wandlung der Zeiten, auch heute noch zwischen denselben und unserer Stadt eine unmittelbare Wechselbeziehung als fortbestehend erachtet werden. Ferd. Pflug.

Pauken entrissen. Einen der glänzendsten Nuhmestage des Regi¬ ments bildet die Schlacht bei Leuthen, wo mit Einschluß der Ver¬ folgung des Feindes mehr als 5000 (gefangene und gegen 2000 feindliche Fuhrwerke von demselben eingebracht wurden. Zu den ruhmvollsten Tagen desselben zählen ferner im unmittelbaren An¬ Bei schluß hieran die Schlachten von Zorndorf und Hochkirch. 40 Husaren Rittmeister von Prittwitz mit rettete der Kunersdorf des Regiments den König gerade noch im letzten Moment vor Tod oder Gefangenschaft. Bei Liegnitz erkundete der Major von Hundt von Zieten-Husaren noch rechtzeitig das nächtliche Anrücken des Feindes, der ohnedies die preußische Armee noch völlig unvor¬ Bei Torgau bereitet in ihrem Lager überfallen haben würde. nahm das Regiment noch auf dem Marsche zur Schlacht nahezu ein ganzes feindliches Dragoner-Regiment gefangen und warf zuletzt eine ganze feindliche Kavallerie-Colonne über den Hausen. Ueber die von denselben bei all diesen Aktionen erbeuteten Siegeszeichen liegen spezielle Nachrichten nicht vor. Dagegen wurden dem Re¬ giment 1761 in den Treffen bei Langensalza, Saalfeld und Hohen¬ eiche 4 und nach anderen Nachrichten 9 Fahnen und 16 Geschütze der holländischen Campagne von 1787 hatte zur Siegesbeute. das Regiment das außergewöhnliche Glück, eine holländische Fre¬ gatte zur Ergebung zu zwingen. Wieder an einem seiner ruhm¬ vollsten Tage, in der zweiten Schlacht vor Kaiserslautern, am 13. Mai 1794, wurden von denselben 2 Fahnen und 14 Geschütze

so

Eduard Meyerhnm*) Direktor der National-Galerie.

von Dr. Kt. Tor,lau,

Wenn Göthe beim Dichter als solchem „eine gewiffe in's Reale verliebte Beschränktheit" voraussetzt, so ist es dieselbe Sinnesweisc, die den Maler zur Darstellung der stillen, ganz mit sich selbst übereinstimmenden Welt rein menschlichen Daseins be¬ fähigt. Die Genremalerei, wie sic sich bei uns Deutschen ent¬ wickelt hat, darf man nach ihrem zeitlichen Auftreten wie nach ihrem Wesen die jüngste Tochter der Romantik nennen. Hatte diese die Einbildungskraft unseres Volkes beflügelt zu hohem Geistesschwung, den Thatendrang gestählt zum Heldenthum, so erweckte sie endlich das Herz zum seligen Bewußtsein unverlierbarer Güter. Dieselbe Muse, die Leier und Schwert gehandhabt, tritt als schlichte Magd in's deutsche Haus und entschleiert dem Auge

In

den Reiz des idyllischen Daseins.

In deutschen

erbeutet.

Am 6. November 1806 sah sich das Regiment, nachdem es in dem Gefecht bei Gadebusch dem Feinde die Schärfe seiner Klingen hatte fühlen lassen, in die Kapitulation Zum Glück des Blücher'schen Korps bei Rattkau eingeschlossen. nach Depot-Eskadron gelungen, Preußen zu war es jedoch seiner an dieselbe noch im Verlauf Anschluß entkommen, und konnten im des Feldzugs von 1807 aus den zahlreich ebendort eingetroffenen Ranzionirten bereits drei Escadrons wieder formirt werden. Auch erfolgte die Neueinrichtung des Regiments unter Zutheilung der schwachen Reste des Husaren-Bataillons von Bila, ausschließlich

noch am Tage zuvor

aus den Mannschaften derselben. Dennoch wurde bei der Reor¬ ganisation der Armee auf seinen so faktisch gewahrt gebliebenen unmittelbaren Zusammenhang mit dem alten Leib-Husaren-Regiment Nr. 2 keine Rücksicht genommen, und erst unter Friedrich Wil¬ helm IV. ist durch die Erneuerung seiner einstigen Benennung: „Zieten-Husaren" sein Anrecht hierauf wiederhergestellt worden. Den glänzendsten Tag seiner neuen Kriegsgeschichte bildet die Schlacht bei Möckern, am 16. Oktober 1813, wo im Verein mit dem brandenburgischcn Ulanen-Regiment Nr. 3 thatsächlich von ihm die nahezu schon verlorene Schlacht zum Siege gewendet wurde. Zu seinen neuesten Ehrentagen zählen die Schlachten von Königgrätz nnd Vionville, und giebt es überhaupt keinen Tag der neuen, wie der alten preußischen Kriegsgeschichte, an welchen es betheiligt gewesen ist, wo dasselbe nicht voll und ganz seine Pflicht, und mehr als seine Pflicht gethan hätte. Ein besonders günstiger Stern hat über die Trophäen des Regiments gewaltet. Warscheinlich dürfen unter den wenigen noch im hiesigen Zeughause enthaltenen Siegeszeichen des siebenjährigen Krieges zwei sächsische und ebenso viele reichsländischc Fahnen als zu seiner in den vorgenannten Gefechten des Jahres 1761 ge¬ wonnenen Siegcsbeute gehörig angenommen ivcrden. Auch die Flagge der 1787 von ihist genommenen holländischen Fregatte ist neuerdings wieder aufgefunden worden. Sie bildete in irgend einer Dorfiirche den Grabschmuck am Grabe des ehemaligen Regimentschefs, des General-Lieutenants Baron von Eben und Brunnen, und befindet sich seit einigen Jahren ebenfalls dem Trophäenschmuck hinzugefügt, welcher die künftige preußische Ruhmeshalle zieren soll. Wenn jene ftühere Beziehung des Regi¬ ments zu Berlin nun aber auch schon seit 74 Jahren gestört ist,

des

Ludwig Richter der mittel- und süd¬ Volksnatur den Zauberspiegel vorhielt, ist den Nord-

derselben Zeit, da

*) Anmerkung. Ich. entnehme diese Biographie mit Bewilligung Herr» Verlegers einem soeben erschienenen Prachtwerke, das der

kunstsinnige Direktor der Nationalgalerie in Verbindung mit dem Besitzer der bedeutendsten Berliner Kunstverlagshandlung herausgegeben und Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin gewidmet hat.

Der Titel lautet:

Stammbuch der National-Galerie, Radirungen von Ernst Forberg. Hans Meyer u. A. herausgegeben von Dr. M. Jordan. Berlin Rud. Schuster (C. G. Lüderitz, Kunst¬ Der Verfasser, welcher sich um das Zeit seiner hiesigen Wirksamkeit (Dr. Jordan war vordem Direktor des Kunstmuseums der Stadt Leipzig) wahre Verdienste erworben hat, charakterisirt sein Buch in der Einleitung mit diesen Worten: In jedem deutschen Hause war es ehe¬ dem Brauch, im Stammbuch Namen, Wappen und Sinnspruch der In¬ Auch sassen aufzunehmen, um fernen Geschlechtern Kunde zu vermitteln. dem stolzen Tempel, ivelcher der Deutschen Kunst unseres Jahrhunderts

verlag)

1880. eleg. geb. 50 Mk.

Kunstleben unserer

Stadt in

der kurzen

in der Reichshauptstadt errichtet ist, soll ein solches Schaubuch nicht fehlen, dessen Blätter Jahr um Jahr durch Bild und Wort von der in seinen Mauern sich sammelnden Künstlerfamilie erzählen. Kein Kunstwerk wird ohne Kenntniß der Persönlichkeit seines Urhebers ganz verstanden werden können, denn Schöpfer und Erzeugniß in unlösbarer Verbindung. Aus diesem Grunde bringt unser Stammbuch zu den einzelnen, in vollständiger oder theilweiser Wiedergabe vorgefühtten, der Nationalgalerie angehörigen Werken die Bildnisse der Künstler nebst kurzer Charakteristik. Das Titelblatt ist von Professor Wanderer gezeichnet. Es folgen dann — immer in derselben Reihen¬ folge — Portrait, Biographie und die Wiedergabe eines bedeutenden Werkes von: Knaus (Katzentischchen), Preller (Odysseus und Leukothea), Wittig (Hagar und Jsmael), Menzel (König Friedrich II. stehen

beim Flötenconcert), Kröner (Herbstlandschaft mit Hochwild), Eduard Meherheim (Auf der Bleiche), Dücker (Landschaft von Rügen), Steffeck (Stute mit Füllen), Harrer (Marcellus-Theater), B lcibtreu (König Wilhelm bei Königgrätz), A. von Heyden (Festmorgen) und R. Begas (Merkur und Psyche). Es ist kein „sogenanntes" Prachtwerk, wie leider der deutsche Buchhandel so manches Hohle in schönem Bande den letzten Jahren gebracht hat, es ist ein wirkliches Kunst- und Prachtwerk, das hier geschaffen ist und das ich denjenigen unserer ver¬ ehrten Abonnenten, welche wohlhabend genug sind, und welche zugleich wahres Kunstgefühl besitzen, um einen für alle Zeiten werthvollen Kunst¬ schatz ihrer Bibliothek einverleiben zu können, zur Anschaffung bestens . D. empfehle.

in

|

109 deutschen

gestorben

vor allen Eduard Meyerheim (geb. in Danzig 1808, in Berlin 1879) der treue Hausfreund gewesen, der

durch die Jahrzehnte politischer Oede uns den Glauben an die unverwüstliche Schönheit der Volksseele bewahrt hat. Hart an der Grenze deutscher Zunge, am Nordsaum unseres Vaterlandes hat seine Wiege gestanden und aus dem goldenen Boden des Handwerks ist er herausgewachsen. Die drei Genera¬ tionen der Meyerheim, die wir vor Augen haben, kennzeichnen so recht anschaulich den gesunden Fortschritt aus der Zunft zur freien Kunst. Während die Enkel, besonders der reichbegabtc Paul Meyerheim, auf der Höhe virtuoser künstlerischer Selbstbestimmung schaffen, stand der Großvater als Meister-Aeltermann dem ehrsamen

Gewerke der Stubenmaler

in Danzig vor. Er hat den Sohn noch mit der hartenHand des Lehrherrn alten Stils, wohl unge¬ fragt, wie's Sitte war,

liche Gewand des sauber-fleißigen Vortrags, erregen uns heute ein Gefühl von Heimweh nach entschwundener Jugend. Verklären¬ der Schein ist über sie ausgegossen, wehmüthig empfinden wir, wie es so gar anders geworden ist um uns her. Und doch, sehen wir näher zu, so finden wir: der wackere Meister schildert unser

_

Volk zwar nicht wie es überall ist oder war, Wohl aber, wie es immer sein kann. Die Freuden des Hauses, die Wohlthat des Familienthums, die reinen naturgegebenen Beziehungen von Mensch zu Mensch; dieses unveräußerliche Erbe unseres Geschlechts bringt er uns treuherzig zum Bewußtsein, so daß es uns so wohlig zu Muthe wird, als legte sich die gute heilende Hand der Mutter auf das Herz.

in's Metier eingewiesen; in dessen feineren Fingern

Der Lebens gang Meycrheim's war der einfachste von der Welt. Der Geist der

Zufticdenheit,

den

seine Werke wiedcrstrahlen,

lagerte über seinen Erden¬ tagen, bis ihn in den Altcrsjahren, die da

Thätigkeit

aber verwandelten sich Schablone, Richtscheit und Bürste zu Pinsel und Pa¬ lette, und den Freispruch, den er nach abgelegten

dem jahrelangen Schlum¬

Probestücken erlangt, er¬

mer,

künstlerische

ohnehin zu stocken pflegt, Lähmung befiel. Er er¬ wachte noch einmal aus

um wieder zum Pinsel zu greisen und fteudig zu empfinden, wie

öffnete ihm die Wander¬ schaft nach höheren Zielen.

1830 kam er, unterstützt

lieb und theuer er seinen Freunden und dem Volke geworden, für das er in der Stille gewirkt. Mit diesem Bewußtsein ist er bald darauf heimgegan¬

durch die Danziger Frie¬ densgesellschaft, nach Ber¬

lin,

und ein glücklicher führte ihn mit

Stern

Franz Kugler und mit Strack, dem nachmaligen

gen.

Erbauer der NationalGalerie zusammen, mit welch' letzterem er zum Zweck architektonischer

Aufnahmen

die Mark

durchstreifte. dene

Beschei¬

_—j

Staffagefiguren

waren es, an denen die Eindringlichkeit seiner Be¬ obachtung, sein liebevoller Blick für das Charakteri¬ stische volksthümlicher Er¬ scheinungen hervorzuleuch¬

Loprr eines der 1831 in ürrlin rrsthirnrnrn Witzblätter. ick die Ehre haben, mein Freilein?" „Doch nicht ohne Handschuh?" „Det schadt nischt, ick wasche mir hernach schonst Widder."

ten begann. Bald glückte ihm ein selbstständiges Bildchen bescheiden idyllischen Inhalts. Er wagte zu malen, was bis dahin als gar nicht malbar ge-

goltm,

weil

Herz und Augen gefehlt hatten, es in Gehalte zu erkennen: Scenen des Bauern¬ lebens und des Kleiabürgerthums. Bedachtsam und anspruchslos wie der Stoff, den er gestaltete, ging er ohne Meistervorschrift, einzig der Natur und seinem Triebe folgend, die gerade Straße weiter. Der stramme Märker, der nervige Harzer, die charakter¬ vollen Kinder der rothen Erde und das ftöhliche Volk des Rheinlandes vertrautem dem wohlgelittenen Gast, der in der wunder¬ lichen burschikos-philisterhaften Tracht fahrender Maler jener Tage unter sie trat, ihre schlichten Geheimnisse. Er erzählt sie uns wieder mit der Treue des Psychologen und der Diskretion des Dichters. Die erquickliche Anmuth seiner Bilder, ihre schlichte Wahrheit, ihr behaglicher Humor, erhöht noch durch das sonntäg¬

seinem

eben

poetischen

seiner

Wesen des unvergeßlichen

LHa.os,Aejn. „Kann

Bild

Das

liebenswürdigen Persön¬ lichkeit aber hat der Sohn in treuer Pietät festge¬ halten als Denkmal für die Vaterstadt Danzig, ein Werk, das Sinn und

Mannes uns näher bringt als alles preisende Wort. —

Ich

mache

Strich, um

hier einen

auch äußerlich

meine sehr einfache Prosa von dieser glänzenden Sprache Jordans zu trennen. Bekanntlich findet seit dem 15. Februar zum Gedächtniß Eduard Meyerheims in den Räumen der National-Galerie eine

Ausstellung der Werke desselben statt. Unsere Zeitschrift wird in Zeit, falls wir hierzu von maßgebender Seite die Ge¬ nehmigung erhalten, ein fast vergessenes Blatt Meyerheims reproduciren, welches zu dem Besten gehört, das dieser liebens¬ würdige Künstler geschaffen, und das zugleich ein Stückchen Ber¬ liner Lebens aus den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts, „einen Sonntag in Temp'lo" könnt' ich's nennen, wiedergiebt. Wir werden auch in einer der nächsten Nummern eine Be¬ sprechung der „Meyerheimausstelluna" bringen und einen nächster

Auszug aus der für dieselbe geschriebenen Festschrift geben. —

D.

110

Bei' verein für -ic Geschichte Berlins im Jahre 1879. Bericht des 2. Vorsitzenden, Stadtrath JririM, erstattet auf dem Vereinsstiftungsfest am 28. Januar 1880.

Der Verein für die Geschichte Berlins besteht jetzt fünfzehn Jahre, hat also sein halbes Mannesalter erreicht; von den ur¬ sprünglichen 29 Stiftern gehören noch 14 dem Verein an. Die Zahl der Mitglieder betrug zu Anfang des Jahres 1879 fünfhundert,

zu

Ende desselben

vierhundert und sechsundsechzig

Mitglieder. Vierzehn Mitglieder sind im Vereinsjahr uns durch den Tod entrissen worden. Aus meiner Aufstellung erhellt, daß eine Verminderung der Vereinsmitglieder eingetreten ist, und es fragt sich, ob hierin ein ungünstiges Symptom zu erblicken sei? Ich glaube diese Frage mit Bestimmtheit verneinen zu sollen, und zwar aus einem der Statistik unseres Vereins direkt entnommenen Grunde, und aus einer allgemeinen Beobachtung, wie sie bei allen ähnlichen größeren Vereinen mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit zu Tage tritt. Während nämlich vom Jahre 1867 ab eine stetige und ruhige Mitgliederzunahmc stattgefunden hat, welche nur durch das Kriegsjahr 1870 u. 71 eine selbstverständliche Stockung erlitt, hat die Mitglicderzahl zu Anfang 1876, 425, zu Ende des Jahres aber 496 betragen, cs ist das eine urplötzliche Zunahme, ein exorbitanter Sprung gewesen, wie er niemals zuvor, auch niemals nachher wieder beobachtet worden ist. Welchen Ursachen diese einmalige außerordentliche Vermehrung zuzuschreiben sei, vermag ich nicht anzugeben und nur als eine rein persönliche Vermuthung wage ich hinzustellen, daß eine wohlgelungcne Wandewersammlung, welche den allgemeinsten Beifall fand und weithin von sich reden machte, unserm Verein mit einem Male eine große Schaar von Amateurs

zuführte.

Ein

solch momentanes, nicht organisch gcrechtfertiges Empor¬

hat immer etwas Treibhausartiges und hält nicht vor. Das beweisen die Zahlen der folgenden Jahre; 1877 verminderte sich die Zahl, 1878 kamen nur 8 neue Mitglieder hinzu und jetzt, nachdem inzwischen das Ableben unsers liebenswürdigen und ge¬ feierten ersten Vorsitzenden, Louis Schneider, eingetreten, welchem letzteren zu Liebe noch Mancher Stand gehalten haben mag, ist der Die Bewunderung bis unvermeidliche Rückschlag eingetreten. aus 466 Mtglicder hat also nach statistischer Prüfung nicht nur nichts Bedenkliches, sic entspricht vielmehr der ruhigen und stetigen Entwickelung, wie sie bis zu den bcregtcn Jahren bei uns die blühen

Regel war. Außerdem ist wohl zu beherzigen, daß das Sprichwort „die Menge muß es bringen" für das Vcrcinslcbcn durchaus nicht paßt; im Gegentheil hat die Erfahrung aller Orten gelehrt, wie ein starkes Zudrängen zu einem Verein einem solchem mehr schadet

Daß die wissenschaftliche Thätigkeit von Vereinen durch sehr große Mitgliederzahl nicht gefördert wird, braucht wohl kaum ausgeführt zu werden, aber auch die Kollegialität und Geselligkeit, die zu einem ächten deutschen Vereinsleben nun einmal gehört, leidet unter einer großen Mitglicderzahl, die alten Mitglieder werden sich dort leicht fremd und die neuen gewöhnen sich nicht ei»; eine gewisse Zersplitterung, welche die Abwickelung der Ge¬ schäfte außerordentlich erschwert und noch manche andere Gefahr im Schooße birgt, tritt alsdann nur zu leicht ein. Vor diesen Uebelständen ist der Verein für die Geschichte Berlins bislang bewahrt worden und wird es mit Gottes Hülfe auch fernerhin werden. Interessant wird cs Ihnen sein, etwas über die PersonalienZusammensetzung unseres Vereins zu vernehmen. Unter uns sind fast alle Ständegruppen in der wünschenswerthestcn Weise ver¬

als nützt.

treten. Zuerst nenne ich, wie gebührend, den Erlauchten Bruder unsers Kaisers und Königs. Der Zahl nach überwiegen bei uns

die Geschäfts- und Gewerbetreibenden, 231 im Ganzen, also fast die Hälfte der Mitglieder, ein höchst erfteuliches Zeichen, da es bekundet, wie unsere hiesigen Industriellen, welche auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung von 1879 einen so herrlichen materiellen Er¬ folg zum Besten Berlins und des Gesammtvaterlandes errangen, auch für ideales Streben, für Wissenschaftlichkeit, für die Erkundung und Erforschung der Vaterstadt und der Heimath ein empfängliches offenes Auge und Ohr haben. 66 Hof- und Staats- und 29 StadtBedienstete bilden unsere Beamtenhierarchie, 26 Offiziere stehen für unsere Vertheidigung ein, 5 Professoren und 15 Lehrer — es könnten mehr sein! — sind bereit, uns zu belehren, 3 Prediger übernehmen unsere Seelsorge, 14 Aerzte unsere körperliche Pflege. Jetzt wo unser alter guter Rechtszustand auf den Kopf gestellt ist,

sind 7 Rechtsanwälte beflissen, uns durch die Gesetzgebung ohne Gefährde zu geleiten.

Irrwege der neuen

6 Baumeister stehen da,

14 Künstler, es Dichter, es zu besingen, und, sollte es uns bei dieser Gründung an dem nöthigen Klein¬ geld fehlen, so werden hoffentlich unsere 34 Banquiers und 32 Rentiers so großmüthig sein, das Fehlende — ihre Mittel er¬ lauben ihnen ja das — aus ihrer Tasche zuzulegen. Verrathen darf ich, daß im klebrigen unsere Finanzen besser sind, als die der meisten europäischen Großmächte, daß wir nicht nur kein Defizit, sondern Ueberschüsse haben, daß auch unsere

um

uns ein eigenes Vereinshaus

zu bauen,

ästhetisch auszuschmücken, 10 Schriftsteller und

„Louis-Schneider-Stistung" wieder erftculich angewachsen ist. Nicht vernachlässigt worden ist vor Allem die eigentliche wissenschaftliche Vereinsthätigkeit.. Unsere Hauptpublikation „Berlinische Urkunden", welche die Grundlage unserer Chronik, man darf sagen, überhaupt unserer Studien bildet, ist durch Ver¬ öffentlichung der Bogen 87 bis 103 seitens unseres wackern Ehren¬ präsidenten Fidicin vermehrt worden, ebenso die Folioschrist „Berlinische Bauwerke" durch 2 Tafeln mit Text. In dem Großoctav - Format werden demnächst als Heft XVI der Vercinsschriften das Berliner Handelsrecht im 13. und 14. Jahrhundert aus geschätzter Feder erscheinen, desgleichen sollen 20 weitere Foliobogen des „Urkundenbuchs" und der „Berlinischen Chronik" vertheilt werden. So hoffen wir beide fundamentale Sammelwerke bis zur Einführung der Reformation, also bis zum wichtigsten geschichtlichen Abschnitt, zu fördern und durch Beigabe von Sach- und "Namensregistern der allgemeinsten Benutzung binnen Kurzem zu übergeben.

Ein wissenschaftlicher Beirath aus hervorragenden Autoritäten, welcher vor Kurzem eingesetzt worden ist, bürgt für die Wissenschaft¬ lichkeit unserer Publikationen, die angebahnte Verbindung mit dem Märkischen Provinzial-Museum unserer Stadt sorgt dafür, daß die

Mitglieder von allen historischen Funden und Entdeckungen, in Bezug auf Berlin und Umgegend, welche an die Centralstelle gelangen, in Kenntniß gesetzt und auf dem Laufenden erhalten werden. 1879 statt, 12 Arbeits-, 8 öffent¬ 20 Sitzungen fanden i. liche Sitzungen, 5 der ersten waren mit Wanderversammlungen verbunden, die stattfanden nach Potsdam zum Grabe unsers Louis Schneider, nach Jagdschloß Grunewald, nach Freienwalde a./O., nach Jüterbog und Kloster Zinna und nach Schlößchen Tegel. So dürfen wir mit gutem Muth und Befticdigung auf das

I.

verstoßene Vercinsjahr zurückblicken und wollen nicht von demselben scheiden, ohne unseren Erlauchten und unseren geehrten Gönnern

und Freunden, unseren ehrerbietigsten und unseren wärmsten Dank auszusprechen.

Eine Erlüärung.

In schen

Nr. 6 (pag. 75) hatte

Antrags

ich bei Besprechung des

die kurze Anmerkung hinzugefügt:

Ouast'-

„Wir

haben

111 wiederholt auf einzelne solcher Fälle aufmerksam gemacht. über

Wie z. B. Schloß Grimnitz ein Steinschläger als Konservator-

gesetzt

wird, wenn der Fink schlägt und der Grimnitzsee laues Wasser hat. Schloß

wir

wurde."

Ich habe damit eine bekannte Thatsache kurz und ein wenig ironisch genannt, habe dabei aber unbewußt einem Manne wehe gethan, der sich in dieser dummen Angelegenheit sehr wissend, sehr taktvoll und sehr uneigennützig erwiesen hat. Diese Ehrenerklärung bin ich ihm schuldig.

Details. Ich

kenne aber nicht den

oder welche die

althistorische

ein kräftig

Unter diesem Titel bespricht die „Deutsche Bauzeitung" den Antrag des Abgeordneten von Quast, dessen wir auf Seite 75 bereits Erwähnung thaten. Die genannte Zeitung schreibt:

Mann oder die Behörde, welcher Stätte der Askanier und der

statt sie zu erhalten und, wenn möglich, wieder setzen — welche Schloß Grimnitz, in welchem einst am 24. August 1529 „zu der neuen Kemnade an der Grimnitz" die Pommersche Erbfolge geregelt wurde, die alte „Brandenburgische Grenzseste gegen die Uckermark" verkaufte, um aus vorhandenen Ueberresten des alten brandenburgischen Schlosses Steine für die Pflasterung zu gewinnen. Das geschah natürlich aus Dummheit, aus Unkenntniß der Preußischen Herzensgeschichte, denn Brandenburg ist das Herz Preußens. Ich möchte zunächst dieselbe Stelle darauf aufmerksam machen, daß sowohl in Berlin wie namentlich in Potsdam aber auch in Brandenburg, Bernau, Belzig, Stendal, Tangermünde, Oranien¬ burg k. sich alte historische Stätten befinden, meist aus Ziegelsteinen gebaut, welche sich weniger als Pflastersteine verwerthen lassen als Schloß Grimnitz. So dürfte kaum bei einem Abbruch von Sans¬ souci oder von Schloß Monbijou oder auch vom Dom zu Branden¬ burg und der Kaiscrstätte zu Tangcrmünde viel an dem Stein¬ material verdient werden können. Es ist auch kaum anzu¬ nehmen, daß der Abbruch von Chorin und Lehnin besonders lohnend sein möchte. Der „grüne Hut" aber im Schlosse zu

Nachdem die durch 6 Jahre verfolgten Bemühungen des Ver¬ bandes deutscher Architekten und Ingenieur-Vereine — die Sorge

für Erforschung und Erhaltung der gemeinsamen

Bau- und Kunst-Denkmale naturgemäß dahin richten, innerhalb der einzelnen deutschen Staaten für ihre Zwecke zu wirken. Für den preußischen Staat, der hierbei vornehmlich in Be¬ tracht kommt — nicht nur weil seine Bedeutung allen andern weit voran steht, sondern auch weil die Verhältnisse des betreffenden Gebiets hier zur Zeit am meisten vernachlässigt sind — ist die Frage in unerwarteter Weise durch eine aus dem Abgeordneten¬ hause ausgehende Anregung

aus die Tagesordnunng gesetzt wor¬ Unterstützt von 142 Mitgliedern der konservativen, nationalliberalen und Centrums-Partei, an deren Spitze der Staats-Mi nister, Ober-Präsident Dr. Achenbach unterzeichnet ist, hat der Ab¬

den.

von Quast (ein Sohn des 1877 verstorbenen Konser¬ vators der Kunst-Denkmäler, F. von Quast) zum Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Mcdizinal-Angclegcnheiten folgenden Antrag eingebracht. Es folgt dann der bereits von uns abgedruckte Antrag mit den ebenfalls von uns schon abgedruckten Motiven und dann fährt die Zeitung fort: Mit auftichtigcr Genugthuung begrüßen wir diesen Schritt, der — aus edler Pietät entsprungen — den erfreulichen Beweis dafür liefert, daß das Jntereffe für unsere Baudenkmale in der deutschen Nation doch nicht blos auf die Kreise der Architekten und geordnete

ist zum Theil aus guten Märkischen Feldsteinen gebaut, auf diese mache ich die betreffende Stelle aufmerksam; derselbe ist übrigens auch so alt, daß er verkauft werden kann. Dann aber bitte ich unsere sämmtlichen einflußreichen Leser, vor allem den Mann, der gegenwärtig in Italien weilt, und von dem ich weiß, daß er ein warmes Herz hat für die Stätten der Geschichte seines Hauses und derer, die vordem hier waren, sich der Sache ein wenig anzunehmen, und ein kräftig Wörtlein zu

reden.

Archäologen

hin" die Zerstörung inwieder gutmachen, was ge¬

unsere Anmerkungen sich

noch

sich

beschränkt, sondern, trotz so mancher entgegenge¬

Erfahrung,

noch in vielen Herzen eine Stätte hat. Nach der Unterstützung, welche der Antrag bereits erlangt hat, ist nicht daran zu zweifeln, daß derselbe die Genehmigung des Hauses

setzten

schehen.

In der ganzen Angelegenheit hat sich nun der Mann, dem man das Brandenburgische Schloß für die Devastirung verkaufte, vorzüglich benommen. Es ist dies Herr Stein-Großhändler Lehder in Berlin, Jnvalidenstraße. Dieser Mann ging schonen¬ der mit dem Abbruch zu Werke, als er verpflichtet war und Ge¬ schäftsleute gewöhnlich thun. Er hatte für die historische Stätte das Verständniß, welches den Verkäufern und denen, die die Ver¬ käufer zu kontroliren haben, abging. Herr Lehder machte zunächst von allen merkwürdigen Funden Anzeige und übergab diese theils Seiner Majestät dem Kaiser (eine Eisenplatte mit Inschrift), theils dem Märkischen Museum uneigennützig als Geschenk. Sehr viele der gut erhaltenen, intereffanten Stücke sind im Herbst 1879 im Berliner Geschichts¬ verein vorgelegt worden. Daß sich die Provinz Brandenburg nicht um ihre Denk¬ mäler bekümmerte, ist sicherlich nicht seine Schuld. Herr Lehder hat sich als wahrhaftiger Conscrvator Märkischer Kunstdenkmale erwiesen, und darum sage ich ihm an dieser Stelle auftichtigen Dank. Ich werde die Sache übrigens im Auge behalten. Ein ganzer Entdeckungszug, mir befteundete tüchtige Maler und Kunstfreunde,

deutschen Baudcnkniale zu einer

deutschen Angelegenheit zu

machen und dieser die Unterstützung des Reiches zu gewinnen — als endgültig gescheitert zu betrachten sind, muß sich das Streben aller Freunde unserer

Berlin

„auf

pereat

Die Fürsorge des preußischen Staates für feine üunstDenlunalc.

Weiter unten die

in ihren alten Stand zu

Schon ist

aufsuchen, in seinen Trümmern werden und zu vorkommende Geschichtsunkenntniß trinken, vielleicht wirkt das für die Zukunft.

ab

Emil Dominik.

Hohenzollern —

hibirt, und vielleicht läßt

Grimnitz

aus die noch

finden wird und ebenso dürste es außer Frage stehen, daß die Re¬ gierung bereitwilligst auf die Tendenz desselben eingehen wird. Auf seine Tendenz, nicht auf seinen Wortlaut, der in diesem Falle auch nur von nebensächlicher, forinaler Bedeutung ist. Denn handelte es sich lediglich darum, den im Etat offen gehaltenen Posten eines Konservators der preußischen Kunst-Denk¬ mäler wieder zu besetzen, so würde die Regierung — trotz der Schwierigkeit, welcher ihr die Wahl einer geeigneten Persönlichkeit ge¬ macht hätte — doch kaum 3 Jahre lang damit gezögert haben. Wenn es jedoch nahezu unmöglich erscheint, einen Konservator zu finden, der die gediegene Sachkenntniß, die unermüdliche Arbeitskraft und den aufopferungswilligen Pflichteifer des verstorbenen Herrn von Quast in sich vereinigte, so verbietet es sich nach den Erfahrungen, welche letzterer in seiner Stellung machen mußte, geradezu, eine solche wiederum ins Leben zu rufen, ohne ihr in einer nach weiteren Ge¬ sichtspunkten angelegten Organisation des ganzen fraglichen Gebiets I

j

eine feste Grundlage gegeben zu haben.

Die Motive des vorliegenden Antrages weisen ja zum Schluffe gleichfalls auf die Nothwendigkeit einer solchen Organisation hin — freilich in der Auffassung, als sei letztere nur die Nebensache,

112 die Person des an der Spitze stehenden Konservators aber die Hauptsache, während jeder, der mit der Frage der Fürsorge für unsere Bau- und Kunst-Denkmale eingehender sich beschäftigt und die bezüglichen Einrichtungen anderer Länder studirt hat, gewiß

das umgekehrte Verhältniß für natürlicher und zweckentsprechender halten wird. Ohne frühere Ausführungen zu wiederholen, wollen wir hier doch vor allem die Nothwendigkeit betonen, daß die Maßregel des Staates zur Erhaltung unserer Kunst-Denkmale sich auf eine planmäßige Thätigkeit zur Erforschung derselben stützen und im Zusammenhange mit dieser betrieben werden müssen. Es ist zu¬ gleich erforderlich, die Resultate dieser Forschung in Publikatio¬ nen (Zeitschriften und Monographien) zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, weil auf diesem Wege allein jenes Verständniß und jener nachhaltige Eifer für den Schutz unserer Kunst-Denkmale im Volke sich erwecken lassen, ohne den alle Bestrebungen zur Erhal¬ tung derselben doch fortdauernd in der Luft schweben. — Hierzu reicht die Kraft eines einzelnen Mannes, dem lediglich unbesoldete im Ehrenamt sungirende Mitarbeiter zur Seite stehen, unmöglich aus: es bedarf für diese Zwecke einer selbstständigen Behörde, welche zugleich mit so viel Machtvollkommenheit ausgerüstet wer¬ den muß, daß sie gegebenen Falls mit der nöthigen Autorität für die Erhaltung eines Baudenkmals eintreten kann. Für die Thätigkeit freiwilliger Hülfskräfte wird trotzdem ein unbegrenztes Feld verbleiben. — Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Erwägungen der StaatsRegierung zu ähnlichen Ergebnissen geführt haben, bis jetzt jedoch zu einem endgültigen Abschlüsse noch nicht geführt worden sind, weil man es zur Zeit für unthunlich hielt, die Geldmittel, welche eine solche Organisation erfordern würde, im Etat vorzusehen. Selbst wenn dieselben in bescheidenen Grenzen bemessen werden und hinter den Summen, welche Frankreich und Oesterreich für gleiche Zwecke aufwenden, weit zurückbleiben, müßten sie den bisher für die Einrichtungen zum Schutze unserer Baudenkmale ausgeworfenen Betrag von jährlich 4,200 Mark (!) doch immerhin so vielfach übersteigen, daß jenes Bedenken wohl erklärlich wäre. Die mündliche Verhandlung des durch Herrn von Quast ge¬ stellten Antrages im Abgeordnetcnhause tvird ohne Zweifel hierüber klaren Aufschluß geben. Ist es der Majorität ernstlicher Wille, den Bau- und Kunst-Denkmalen unseres Landes diejenige Fürsorge angedeihen zu lassen, die eine Kultur-Nation diesem Besitzthum schuldig ist, so wird sic nicht anstehen, über die Tragweite jenes Antrages hinauszugehen und es durch ihre Initiative der Re¬ gierung ermöglichen, die zur Erreichung jenes Ziels erforder¬ lichen Maßregeln in Vorschlag zu bringen. Hoffen wir guten Muths auf einen solchen Ausgang! — Inzwischen ist der verdienstvolle Antrag des Abgeordneten von Quast angenommen worden. —

Misrr trn.

müssen, Asphalt zum Ausrutschen, und dort Granit für den Lärm legen zu lassen, wo die Räder der Wagen laufen müssen. Ich bin ganz und gar dafür, daß entweder Asphalt oder Granit in den Straßen Berlins gelegt werde, aber nicht, daß die „Schlechtigkeiten" dieser Beiden in schön durchdachter Mischung weitere Straßen Berlins verschimpfiren möchten. Es sollte auch angeordnet werden, daß die in dem ersten Theile der Potsdamerstraße zu den Seiten der Pferdebahnschienen liegenden Granitsteine sofort 1'/- Zoll tiefer gelegt und ebenfalls 1). mit Asphalt bedeckt werden möchten.

Seydlih und Gemahlin. Herr Lieutenant Burbaum, München Theresienstr. Nr. 45, schreibt an einer Biographie unsers Reitergenerals Friedrich Wilhelm von Seydlitz und erbittet dringend eine Notiz über sämmtliche Denkmäler und bedeutendere Bildnisse des kühnen Feldherrn. An Bildsäulen sind uns nur bekannt die frühere Statue auf dem Wilhelmsplatz zu Berlin, jetzt im Kadetten¬ hause zu Lichtcrfelde in römischem Kostüme, die jetzige Statue auf dem genannten Platz in zeitgenössischem Kostüm und sein Stand¬ bild auf dem Unterbau des Denkmals Friedrichs des Großen am Ende der Straße Unter den Linden. S.s Grab (er starb am

7. November 1773) ist im Garten seines Landguts Minkowski bei Namslau in Schlesien mit einem einfachen Denkmal bezeichnet. Auch von Sehdlitz's Gemahlin, einer gebornen Gräfin Albertine von Hacke, möchte Herr B. ein Porträt nachgewiesen haben. Wer vermag unserm bayrischen Biographen zu helfen? P. R.

Briefkasten. „Ueber die wahrscheinliche Lebensdauer in der Mark" mir die neueren Unterlagen. Ich glaube auch kaum, daß unsere „Statistischen Büreaus" hierfür Materialien gcsammelr haben. Seitdem wir deutsche Reichsleute geworden find, werden wir Märker etwas stiefmütterlich behandelt und ich will nicht sagen — von wem. Aeltere Mittheilungen über die wahrscheinliche Lebensdauer in der Mark besitze ich und will mit einem Auszüge daraus gelegentlich

L. L. Str.

zu berichten, dafür fehlen

Ihnen dienen. R. B. Die „Neue Welt" war

eine Wirthschaft links auf der Frankfurter Chaussee, dieser gegenüber lag das „Schlößchen". v. N. Bellcvuestraßc. Ich kann Ihnen die folgende Auskunft geben, will aber dahin gestellt sein lasten, ob die Anekdote ganz richtig wieder¬ gegeben ist. Ort der Handlung ist der Mewes'sche Blumengarten in der Potsdamerstraße vom Thor aus links etwa da, wo heute die Eich¬ hornstraße liegt. Hier spielten zwei alte Herren jeden Nachmittag wohl an die zwanzig Jahre ihre Parthie Schach. Und zwanzig Jahre hindurch hatten sie denselben alten Herrn zum Zuschauer und aufmerksamen Be¬ obachter ihres Spiels. Und niemals entstand ein Streit. Punkt 3 Uhr kamen sie und Punkt 5 Uhr packten sie die Figuren ein und immer nahm der dritte alte Herr gleichmäßigen Antheil an ihrem Spiel. Da geschah das Wunderbare, sie zankten sich doch einmal über das edle Spiel A. wollte einen Zug nicht zurücknehmen lassen, der B. in seinen Consequenzen zum

1

Pas schkechtelle Mcrkiner Pflaster ist zugleich das jüngste, nämlich dasjenige in der Potsdamerstraße von dem Potsdamer Platz nach der Brücke. Man mag über die Güte des Asphalt¬ pflasters denken, wie man will, aus jeden Fall ist das eine an ihm, und zwar das ganz allein an diesem Pflaster auszusetzen, daß es den Pferden ungenügenden Halt bietet ; und man mag über das Granitpflaster denken wie man will, auf jeden Fall ist das nerventödtendc Geräusch, was dieses schöne Pflaster mit der harten Schüttungs-Unterlage verursacht, keine Annehmlichkeit. Die Weisheit dessen nun, dem das Pflaster der Potsdamerstraße zu verdanken, hat eS verstanden, dort wo die Pferde laufen

Matt

gebracht haben würde.

Der, welcher 20 Jahre lang in immer freundlicher Weise zugeschaut hatte, sollte Schiedsrichter sein. Und dieser nun antwortete: „Ja, meine Herren, ich verstehe das Spiel gar nicht, das Sie da spielen."

Inhalt. Joachim I. Roman von Adolf Streckfuß (Fortsetzung). — Die Berliner Gerichtslaube aus Babelsberg bei Potsdam (mit Illustration) — Eduard Meyervon H. Wagner. — Zieten-Husaren von Ferd. Pflug. heim von Dr. M. Jordan. — Der Verein für die Geschichte Berlins im Jahre I87i>. — Eine Erklärung, von Dominik. — Die Fürsorge des — Brief¬ preußischen Staats für seine Kunstdenkmale. — Miscellen. kasten.



Für die Redaction verantwortlich: Emil Dominik in Berlin. — Verlag der Ricolaischen Verlags-Buchhandlung, R. Stricker, in Berlin. Druck: W.

Moesrr HosiuchLruckrrei i» Bkrlin.

ILLUSTRIRTE-BERLINEa WOCHENSCHRIFT

iS

VI. Jahrgang. Nr. IO.

I

Unter Mitwirkung von: L.AIsierl, F.Srunotd, Prof.vr. Ecorg Lüchmann, Prof. Dr. pauius Lalsci, Stadtarchivar Fidicin, Theodor Fontane, cudaviea Hefehiel, Dr. Hermann üictkc, j-crb. Mcner, Baurath Vrth, Dr. Fcrd. pliug, Dr. tj. piihlc, ll. Schillmann, Direktor Wilhelm Schwartz tu Posen, ArchidiakouuS Schwedcl in Cüstrin, Startrath Adolf Sircckfuß, Heinrich wagencr in Potsdam rc.

herausgegeben von Ernst Friede! und

Emil Dominik.

!

Merlin. den 6. März

1880 .

Die Zeitschrift erscheint wöchentlich regelmäßig am Sonnabend. Preis vierteljährlich 2 Mark, und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsjpeditionen und Postämter, sowie durch die Expedition, O. Brüdcrstr. 13 zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Ricoiaische Verlags-Buchhandlung, R. Stricker in Berlin zu senden. — Inserate, pro Lgesp. Petitzeile 40 Pfg., werden von allen Annoncenexpeditionen sowie von der Verlags-Buchhandlung entgegengenommen.

Joilchrnr

I.

Roman in historischen Bildern von flisotf 8ireLf»K.

Elftes Kapitel.

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Peter Linden kehrte an einem der letzten Tage des De¬ zember von einer kleinen Reise zurück, welche er im Aufträge des Kurfürsten zur Ueberbringung von Botschaften nach Frank¬ furt a. O- gemacht hatte. Es ivar schon spät am Abende, als er von Köpenick ausritt; sein Pferd war von der Reise so ermüdet, daß Peter schon Lust hatte, in Köpenick zu übernachten, um so mehr, da ein dicker Nebel die ganze Gegend bedeckte und die häßliche naßkalte Witterung den späten Ritt höchst unangenehm machte. Peter hoffte indessen in kurzer Zeit in Berlin zu fein und glaubte sich die Zufriedenheit seines Herrn zu erwerben, wenn er trotz Wind und Wetter sobald als möglich mit den empfangenen Briefen zurückkehrte. Er ritt deshalb von Köpe¬ nick aus, aber konnte nur im langsamen Schritte vorwärts kommen, denn das im höchsten Grade ermüdete Thier wollte nicht schneller vorwärts.

Der Nebel war so dicht geworden, daß Peter kaum im Stande war, den Weg zu verfolgen. Er war ctlva eine halbe Stunde geritten, da bemerkte er, daß er sich im Walde ver¬ irrt habe. Wie dies möglich sein konnte, blieb ihm vollkommen unbegreiflich, denn er glaubte jeden Schritt und Tritt, jeden Baum auf dem oft zurückgelegten Wege zu kennen, aber die Thatsache war nicht zu bezweifeln, denn er befand sich ans einem Holzwege, der mit jedem Schritte weiter vorwärts enger und beschwerlicher wurde. Plötzlich strauchelte das Pferd und stürzte — ein gefällter Baum lag quer über dem Weg fort, welchen Peter im Dunkeln nicht gesehen hatte. — Ver¬ geblich bemühte er sich, das ermüdete Thier ivieder in die Höhe zu bringen, er ergriff es beim Zügel, suchte es aufzu¬ ziehen, er wendete alle

Sorgfalt, alle Kunstgriffe an,

aber

(Fortsetzung.)

Stunden zurückzulegen, am Klügsten war es daher, daß er zu Fuß sich auf den Weg inachtc und am folgenden Morgen einen Boten schickte, um das Pferd zu holen. Ein Marsch in voller Rüstung in der naßkalten Winter¬ nacht auf dem durchweichten Wege war kein Vergnügen, aber noch weniger angenehm war cs bei dem kranken Pferde zurückzubleiben und die Nacht im Walde zuzubringen; Peter nahm deshalb aus der Satteltasche die empfangenen Brieffchaften, steckte sie zu sich, hüllte sich eng in den dicken Wolfspelz, den er über der Rüstnng trug und schritt wacker vorwärts in der Richtung nach Berlin, wie er glaubte. Es war ein beschwerlicher Weg, denn der Nebel ivar so dicht geivordcn, daß der Wanderer oft gegen die Bäume, welche unmittelbar vor ihm standen, rannte, er konnte deshalb nur höchst langsam vorwärts schreiten. Stunden vergingen und wieder Stunden, die halbe Nacht war bereits verronnen, und immer noch war Berlin nicht erreicht, der Holzweg hatte längst aufgehört, Peter befand sich mitten in der Haide, ohne Weg und Steg, vollkoinmen verirrt, selbst die Züchtung, der er folgen mußte, hatte er im Hin- und Herkreuzen gänzlich verloren, jeder Anhaltepunkt fehlte ihm, wohin er sich zu wenden hatte. jenen Zeiten,

In

in denen nicht wie heut die Wohn¬ stätten dicht bei einander lagen, konnte man oft lange in der Forst uinhcrirren, ohne auf eine inenschliche Wohnung zu stoßen; ein in der Nacht im Walde verirrter Wanderer that deshalb stets am besten, nicht weiter vorwärts zu gehen, son¬ dern sich zu lagern und den Tag abzuwarten, denn jeder Schritt auf's Ungewisse vorivürts gethan, konnte ihn vielleicht

voin Ziele weiter ablenken. Dies überlegte auch Peter Linden. er in der Richtung auf Berlin vorgeschritten, so mußte

War

Stadt erreicht

seine Bemühungen waren vergeblich.

er längst die

sich, daß

hinter Köpenick befinden, und hatte am folgenden Morgen noch eine weitere beschwerlichere Wanderung, wenn er die eingeschlagene Richtung fortsetzte; eben so konnte es ihm

Endlich überzeugte er ihm nichts übrig bleibe, als das Pferd liegen zu laffen. Berlin konnte nicht mehr weit sein, höchstens eine Meile, und diese war er im Stande in etwa fünf Viertel

schon ivieder

haben, er konnte sich jetzt vielleicht

114 andern Seite hin wendete, da er gar keine Ahnung hatte, wo er sich eigentlich befand. ergehen,

mich

wenn er

Er beschloß,

so

sich

nach

einer

unangenehm dies auch

war, im Walde

übernachten; hinter einem dicht verwachsenen Gebüsch scharrte er das abgefallene Laub zusammen und bereitete sich daraus eine einigermaßen erträgliche Lagerstätte, wie er dies

zu

in früheren Jahren, als er noch Köhlerbursch

gewesen

war,

häufig gethan hatte, dann hüllte er sich dichter in seinen warmen Pelz uiib legte sich nieder, um einige Stunden der Ruhe zu suchen. Peter war jung und kräftig, er hatte ein gutes Gewisien, bald fand er daher die Ruhe, welche er gehofft hatte, in kurzer Zeit war er eingeschlummert und tviegte sich auf dein Lanblagcr im kalten, öden Walde in den süßesten Träumen. Er schlummerte so sanft und schön, wie selten auf den weichen Kissen im kurfürstlichen Schlosse zu Berlin, und viele Stunden mochte er so gelegen haben, als ihn plötzlich lautes

Rufen, nahender Hufschlag einer beträchtlichen Reiterschaar erweckte.

kehren, und dennoch, wie konnte der Geächtete es wagen, dicht

in der Nähe Berlins an der Spitze einer Truppenschaar zu erscheinen, wenn er nicht ein großes Unternehmen im Sinne hatte.

Die der Nähe

höchste

Gefahr bedrohte den entflohenen Ritter in

der kurfürstlichen

in der Nähe sei. Einige Minuten vergingen in tiefer Stille, nur hin und wieder hörte Peter das Klirren der Waffen bei einer unwillkührlichcn Bewegung des Herrn von Otterstedt; so sehr er sein Auge anstrengte den Nebel zu durchdringen, war es ihm doch nicht möglich, den Ritter zu sehen, obgleich derselbe nur wenige Schritte von ihm halten konnte. Ein Reiter nahte im schnellen Trabe. „Die Leute sind aufgestellt, Herr Ritter!" ertönte eine rauhe Stimme, „ich er-'

von höchster Wichtigkeit. Die Männer sollen absitzen, jeder sein Pferd an der Hand halten, daß er es auf den ersten Befehl wieder besteigen kann, kein Wort wird gesprochen, die tiefste Stille muß herrschen, damit die Nahenden keine Ahnung von dem Hinterhalt haben- Wenn Ihr die Leute geordnet habt, dann bitt' ich Euch, Haus Zarnckow, zu mir zu kommen, damit »vir die weiteren Maßregeln verabreden." Hans Zarnckow gab sofort seinen Leuten den Befehl,

warte Eure Befehle!"

augenblickliche

Die Kriegertruppe entfernte sich, eine

Stille trat

ein.

Staunen hatte Peter Linden dem Kommando zugehört, er kannte die Stimme, die gesprochen, aufs Genaueste, wie oft hatte er sic gehört im kurfürstlichen Schlosse; es war kein Zweifel, der Ritter von Otterstedt, der Entflohene, wegen Hochverraths und Treubruchs Verfolgte, war ganz in der Nähe Berlins, mit einer bedeutenden Truppenabtheilung legte er sich in einen Hinterhalt! Was sollte dies bedeuten? Wem lauerte der Ritter auf? Gegen wen tvaren seine Waffen ge¬ richtet im tiefsten Frieden? Wohl erinnerte sich Peter des selt¬ samen Verses, den der Ritter von Otterstedt an die Thür des Kurfürsten Joachim geschrieben hatte:

Mit

höchstem

Joachimken, Joachimken hüte Dy, Wenn wy Dy kriegen, daun henken wy Dy? jene Drohung, wegen der er flüchtig geworden war. Hatte er jetzt vielleicht die Absicht, die Drohung zur That zu machen? Hatte er sich in einen Hinterhalt gelegt, um den Kurft'irsten selbst zu überfallen, an ihm Rache zu nehmen wegen der

Hinrichtung des Lindenberg? Dies schien unmöglich, denn Peter Linden konnte nicht glauben, der Ritter werde kühn genug sein, gegen den Fürsten des Landes die Waffen zu¬

war aus

wieder um sich versammeln, welche den Einzelnen leicht über¬ wältigt und getödtet haben würden. Er beschloß deshalb, ruhig liegen zu bleiben und abzuwarten, was geschehen ivürde. Er blieb aufgerichtet sitzen, kein Glied regend, um nicht durch das Rascheln des Laubes den Ritter von Otterstedt aufmerksam zu machen, daß ein Lauscher

links abzuschwenken.

ein Preis

seine»! Kopf gesetzt; nur höchst bedeutsame Gründe konnten ihn sicherlich veranlassen, sich in solche Gefahr zu begeben. Der erste Antrieb Peters war, aufzuspringen, sich kübn Er dem Ritter gegenüberzustellen im mannhaften Kampf. aber entfernt, hatte sich traf ihn allein, denn die Reiterschaar eine ruhige Ueberzeugung zeigte dem jungen Mann sofort, daß solches Unternehmen von keinem Erfolge gekrönt sein könne. Der Ritter war zu Pferde, Peter zu Fuß, mit einem lauten Rufe konnte der Herr von Otterstedt seine Begleiter

Peter richtete sich schlaftrunken halb von seinem Lager in die Höhe und schaute um sich, aber der Nebel war so dicht, daß er nichts erkennen konnte, obgleich die Reiter ganz in seiner Nähe halten mußten, denn er hörte deutlich jede Regung der Pferde und das Klirren der Waffen. Eine laute gebieterische Stimme rief: „Stellt Eure Mannen hinter dem dicken Erlengebüsch am Wege auf, Herr Hans Zarnekotv, aber achtet darauf, daß sie gut versteckt sind, es tvird dies im Nebel nicht ganz leicht sein, dennoch aber ist es

Residenz,

Euch, Hans Zarnckow, für Eure Bereit-D Willigkeit, wir haben der höchsten Wahrscheinlichkeit nach noch eine gute Stunde vor uns; ich habe sichere Nachrichten aus

„Ich

Köln,

danke

daß der Kurfürst erst gegen 9 Uhr von

Berlin

nach

Köpenick ausreiten wird, er kann daher frühestens um halb zehn Uhr hier sein und jetzt ist es kaum 8 Uhr. Seine ganze Begleitung tvird aus fünf oder sechs bewaffneten Männern bestehen, die wir bald überwältigt haben werden, das Gelingen unseres Ueberfalls ist daher so sicher als gefahrlos." „Gefahrlos, Ritter von Otterstedt? Das möchte ich eben

nicht sagen. Wer kann wiffen, ob der Kurfürst seine Absicht nicht ändert, ob ihn nicht vielleicht seilt ganzes Jagdgefolge begleiten wird. Wir kämpfen um einen hohen Preis, gelingt unser Unternehmen, wohl, dann haben wir bald ein anderes Regiment in der Mark, mißlingt es aber, dann gilt es unsern Kopf, Ritter von Otterstedt, denn da Joachim den Lindenberg, seinen theuersten Freund iticht geschönt hat, so wird er wahr¬ lich mit uns kein Mitleiden haben!"

„Mitleiden, Gnade, sucht Ihr vergebens bei Joachim," rief der Ritter von Otterstedt wild aus, „das Tigerherz dieses Knaben kennt keine Gnade! Die Brückeit sind hinter uns ab¬ gebrochen, wir inüsscn vorwärts, denit wahrlich, das versichere ich Euch, eher läßt Joachim von Hohenzollern den gesammten Adel der Mark auf dem Schaffet verbluten, che er sich ent¬ schließt, einem von uns Gnade zu gewähren. Da wir das Werk einmal begonnen haben, müssen wir es vollenden, keil, Rückzug steht uns mehr offeil, wir sind zu viele, als daß nicht

unter uns ein Vcrräthcr sein sollte, der über lang oder kurz, von Furcht oder Gewinnsucht getrieben, dem Kurfürsten mit-

115

theilt, daß der Adel aber möchte ich

sich

verschworen habe; nicht einen Pfennig

für unser

Leben gebe», wenn Joachim unsere

Verschwörung entdeckt. Einzeln wird er uns aufgreifen und hinrichten lassen, deshalb bleibt uns nichts übrig, als die heutige günstige Gelegenheit zu benutzen. Wir überfallen ihn, machen sein Gefolge nieder und nehmen ihn gefangen!" „Und was dann, Herr Ritter von Otterstedt?" Der Ritter schwieg einen Augenblick, dann erwiderte er

Stimme: „Eine schwere Frage, Hans Zarnckow, leichter gethan als beantwortet; wir befinden uns in einer seltsamen Verlegenheit,

mit

leiser', fast bebender

der vornehme Adel hat sich zurückgezogen von unserem Unter¬

nehmen, aber freilich nur zum Schein, denn er wünscht uns das Gelingen, aber er ist zu furchtsam, um selbst dazu beizu¬ tragen- Ich habe mit Otto von Alvensleben noch eine persön¬ liche Zusammenkunft gehabt, ich habe Alles aufgeboten, um ihn für uns zu gewinnen, konnte aber nichts ans ihm heraus¬ bekommen, als allgemeine Redensarten. Die Redern, die Schulcnbnrgs, Putlitzc, Brcdows, Arnims, und alle die

vom schloßgesesscnen reichen Adel hassen den Kur¬ wir, sie wünschen wie wir, daß die Macht des Adels wieder zu ihrem früheren Glanz erhoben werde, sie sind, U'ie wir, tief entrüstet über die Gewaltsamkeit Joachims, aber sie wagen es nicht, ihm im offenen Kampfe entgegen zu treten. — Haben wir gesiegt, haben wir Joachim gefangen genommen oder getödtet, dann werden sie sich wie ein Mann erheben; aber nicht früher, denn sie wollen nicht ihr Alles auf einen anderen

fürsten wie

Wurf im Würfelspiel

setzen!"

„Ihr habt immer noch meine Frage nicht beantwortet, Herr Ritter von Otterstedt, was machen wir mit dem Kur¬ fürsten, wenn wir ihn gefangen haben?" „Das größte Glück wäre wohl," cntgcgncte der Ritter, wenn der Kurfürst iin Kampfe getödtet würde; dann wird der junge Markgraf Albrecht Kurfürst von Brandenburg, eine Vormundschaft muß für den Knaben eingesetzt werden, sein natürlicher Vormund aber weilt fern von uns in Franken und kann sich um die Regierung des Landes wenig kümmern. Wie in früheren Zeiten wird auch jetzt wieder der Adel die Macht des Regiments in die Hand bekommen, er wird gelernt haben, daß er sie nicht wieder aus der Hand geben darf. Wenn wir den Kurfürsten gefangen nehmen, so nützt uns das

wenig, denn endlich müssen wir ihn doch frei lassen; als Ge¬ fangener wird er uns Versprechungen machen, als freier Fürst wird er sie wieder brechen, weil sie ihm abgezwungen worden sind; bei Kaiser und Reich wird er uns verklagen, wir werden geächtet, und die einzige Frucht unsrer Unternehmung wird vielleicht die sein, daß wir den vornehmen Adel zu größerem Rechte verhelfen, während grade wir, die wir die Gefahr auf uns genommen, keinen Nutzen von unsrer Unternehmung haben. — Joachim muß sterben! bedenkt das wohl, Herr von

Zarnekow."

„Aber unsere Leute?" „Dürfen nicht erfahren, daß Joachim's Tod vorher beSie überfallen den Kurfürsten mit seinem schlosien war. kleinen Gefolge, ein Kampf findet statt, denn Joachim ist zu jähzornig, als daß er ohne Widerstand sich ergeben sollte, ich dringe auf ihn ein, Ihr folgt und helft. Im Kamps muß er fallen von unsern Schwertern, liegt er dann, eine Leiche vor uns, dann bedauern wir das unvorhergesehene Unglück,

wir rufen

unsere Leute zusammen, sagen ihnen, daß das tiefste Geheimniß über den Unglücksfall walten müsse. Die Begleitung des Kurfürsten wird niedergemetzelt, wir lasten die Leichen im Wege liegen und zerstreuen uns so schnell wie möglich, damit auf keinen von uns der Verdacht der That falle. Unsere Männer müssen einen heiligen Eid schwören, niemals ein Wort

von dem Vorfall des heutigen Morgens zu verrathen, sie müssen es thun um ihrer selbst willen, denn Jeder, der an dem Vorfall Theil genommen, wird für denselben verantwort¬ lich sein. Das Leben aller Theilnehmer ist verfallen, wenn jemals ein Wort davon verlautet!" „Das ist ein gefährliches Spiel, Ritter von Otterstedt! Der Knabe Albrecht wird ein Mann werden und er wird sich wohl erinnern, daß sein Bruder gefallen ist unter unseren Streichen. Wo gegen 70 Mitwisser eines Geheimnisses sind, da kann es auf Jahre lang nicht verborgen bleiben." „Sticht ans Jahre, Zarnckow, aber ans Monate! Ist Joachim erst todt, dann wird man freilich eifrig im Anfang nach denen forschen, die ihn getödtet haben, später aber wird Unter dem Regiment des Kindes die That vergessen sein. werden tvir bald die Macht in Händen haben und dann tvchc denen, die es wagen »vollen, noch ferner zu forschen. Doch genug jetzt, laßt uns zu unseren Leuten reiten, wir sind ja einig, ich habe dem Lindenberg geschworen, ihn zu rächen und wahrlich, ich will meinen Schwur auf furchtbare Weise

erfüllen!" Die Reiter entfernten sich. — Mit tiefem Grauen hatte Peter Linden ihrer Unterhaltung zugehorcht; wie er geahnt, so war cs: Ein Ueberfall, ein Mordanschlag gegen beii Kur¬ fürsten war im Werke! Was konnte der Einzelne thun, um denselben zu verhindern? Die Hufschläge waren in der Ferne verhallt, Peter Linden war allein, er stand im dichten Nebel rathlos, und von dem einen Gefühl beseelt, den schändlichen Anschlag zu vereiteln unter jeder Bedingung, und wenn er Grunde gehen sollte. Er mußte nach Berlin, um den Kurfürsten zu warnen, aber tvie wollte er den Weg dahin finden? — da überlegte er, daß die Reiter sicherlich nicht von Berlin gezogen seien; in der Richtung also, von der aus sich die Reiterschaar ge¬ naht habe, konnte Berlin nicht liegen; sie waren nach einem Gebüsch geritten, welches nahe an der Straße lag und hinter dein sie sich versteckt hatten. Nach dieser Richtung hin also selbst dabei zu

mußte er seinen Weg nehmen, mußte die Reiterschaar umgehen, dann fanb er vielleicht die Landstraße. Nachdem er sich dies klar gemacht hatte,

trat

er seine

als Wanderung an. Mit vorsichtigen Schritten, möglich, ging er vorwärts, da hörte er ein leises Geflüster von Stimmen. Hierdurch wurde ihm die Stelle angezeichnet, in welcher die Reiter im Hinterhalt lägen. Er umging die¬ selbe, nach einer Viertelstunde hatte er die Freude, sich plötzlich auf der Landstraße zu sehen, auf gutes Glück hin folgte er so

derselben.

Er

leise

mochte etwa ein halbes Stündchen rüstig vor¬

wärts geschritten sein, da hörte er vor sich Stimmen und mit freudiger Genugthuung erkannte er in einer derselben die des Kurfürsten.



Kurfürst Joachim hatte am Morgen das Schloß zu Kölln verlassen, um sich mit einem kleinen Gefolge, aus wenigen Edelleuten bestehend, nach Köpenick zu begeben; von dort aus wollte er in den Forsten jagen. Unter seinen Begleitern be-

116

Geheimrath, der Ritter Eitclwolf vom Stein, mit dein er wegen mehrerer wichtiger StaatsangelegenDer Kurfürst ritt mit heite» Rücksprache zu nehmcu hatte. dem Geheimrath dem übrigen Gefolge um etwa 20 Schritte vorauf. Als die letzten Häuser der Stadt verlassen waren, begann Joachim das Gespräch. „Ihr werdet nun nicht ferner meinen Ansichten wider¬ stehen wollen, Herr Ritter", sagte er, „auch Euer Zweifel an der Wahrheit der mir gemachten Prophezeihung muß wohl fand

sich

auch sein

endlich beseitigt sein.

Als wir das

letzte

Mal über

die Zu¬

kunft meines Bruders sprächen, da lächeltet Ihr über meinen Glauben an die aus den Sternen geschöpften Vorhersagungen, heut werdet Ihr wohl nicht mehr lächeln können, denn wört¬ lich und in entsetzlicher Weise ist Alles eingetroffen, wie es prophezeit worden war. Erinnert Euch, Herr Ritter, jener furchtbaren Weissagung, mein liebster Wunsch solle erfüllt werden, aber ich dabei auf das Schmerzlichste leiden! Mein höchster Wunsch war der. Recht und Gerechtigkeit üben zu können, die Uebelthäter zu entdecken und zu bestrafen, welche die Straßen meines Landes so lange Zeit unsicher gemacht haben. — Endlich wurde — auch Ihr werdet der furchtbaren Stunde eingedenk bleiben — dieser mein höchster Wunsch er¬ füllt, ich konnte, ich mußte Gerechtigkeit üben, aber das Richtfchwcrt traf den Manu, den ich von allen meinen Unterthanen am meisten liebte. Der Lindenberg ist gefallen, ein Opfer des Gesetzes, aber Nacht für Nacht steht er blutend an meinem Lager, in meinen Träumen höre ich seine freundliche, schmei¬ chelnde Stimme und dann wieder sehe ich einen kopflosen Leichnam auf dem Blutgerüst! Er ist gefallen und mit ihm meine Ruhe, mein Glück! Der Frohsinn der Jugend ist von mir gewichen, seit ich den Freund dem Henker übergeben mußte, und doch mußte ich cs, doch war cs eine heilige Fttrstcnpflicht, die zu erfüllen ich mich nicht weigern durfte! So entsetzlich ist es eingetroffen, was die Sterne geweissagt haben, ebenso sicher aber wird auch eintreffen, was noch in denselben gelesen worden ist. Mein Bruder wird die höchsten Ehren und Würden der Kirche erlangen und durch den Schritt, den ich zu thun beabsichtige, werde ich die Macht meines Hauses, meines Stammes begründen auf immerdar. Ich bin dazu auf's Festeste entschloffcn und ich hoffe, Ihr werdet nicht ferner mir abrathen wollen." „Wenn Ihr entschloffcn seid, gnädigster Herr, bedürft Ihr meines Rathes nicht?" „Richt so, Herr Ritter vom Stein, mein eigener Wille soll freilich der entscheidende bleiben, aber wohl wünsche ich, daß meine treuen Rätbe mir mit voller Wahrheit ihre Ansichten kund geben. Ich hoffte, auch Ihr würdet jetzt anderer Ansicht geworden sein. Könnt Ihr noch ferner »vagen, an der Richtig¬ keit dessen zu zweifeln, was gelehrte Männer in den Sternen gelesen haben?" „Verzeiht, kurfürstliche Gnaden, wenn ich auch heut noch zweifle, tvie damals, denn die Prophezeihungen aus den Sternen sind in so allgemeine Worte gefaßt, daß ein Eintreffen eines Theiles mich nicht zu überzeugen vermag; jeder andere Eurer Wünsche, der erfüllt würde, aber nicht vollständig, so daß ein Bedauern in Eurer Brust zurückblieb, würde ebenso die Prophezeihung bestätigt haben. Bei einer so hochwichtigen Angelegenheit, bei der es sich vielleicht um die ganze Zukunft eines Fürstenhauses handelt, wünschte ich größere Vorsicht.

j

!

Ihr entschlossen, gnädigster Kurfürst, den Markgrafen Albrecht zum Priester weihen zu lassen, nun wohl, so laßt es geschehen, aber erst dann, wenn Ihr Euren erstgcbornen Prinzen auf den Armen wiegen werdet; laßt bis dahin Euren Herrn Bruder nur zum Diakonus weihen, aber nicht ihn die eigentliche Priesterweihe annehmen. Hat das Schicksal be¬ schlossen, Euch Leibeserben zu versagen, dann kann der Mark¬ graf immer noch den geistlichen Stand wieder verlassen, wieder eintreten in seine Fürstenrechte, selbst in den Bund der Ehe, und die Fortpflanzung des Fürstenstammes der Hohenzollcrn ist nicht gefährdet. Hat er aber die Priesterweihe empfangen, dann ist er verurtheilt zur ewigen Ehelosigkeit, und wenn auch Ihr ohne Leibeserben stürbet, würde das Kurfürstenthuin Brandenburg an die fränkische Linie Eures hohen Hauses Seid

fallen!" Der Kurfürst schüttelte lächelnd mit dem Kopfe. „Ihr seid ungläubig wie Thomas, aber Ihr sollt mich in meiner Meinung nicht erschüttern; nicht vergeblich habe ich es in den Sternen gelesen, daß die höchsten geistlichen und weltlichen Ehren meinem Hause aufgeschlossen sind — der päpstliche Stuhl und vielleicht dereinst die Kaiserkrone Deutsch¬ lands! — Mein Entschluß ist gefaßt, Albrecht wird ein Fürst der Kirche!"

Der Ritter Eitelwolf vom «Stein wollte noch Einiges entgegnen, da wurde das Gespräch plötzlich unterbrochen durch Peter Linden, der auf dem Wege dem Kurfürsten entgegentrat

und fast athemlos ihm zurief: „Gott sei Dank, daß ich Euch treffe, kurfürstliche Gnaden, schon zweifelte ich, ob ich auf dem richtigen Wege sei, aber Gott selbst hat mich geführt zu Eurer Rettung! Reitet nicht weiter, denn kaum eine Viertelmeile vor Euch liegt der Ritter von Otterstedt mit vielen Mannen im Gebüsch versteckt, um Euch zu überfallen und zu ermorden!" Joachim hielt jäh sein Pferd an und schaute höchst er¬ staunt auf den athemlosen Boten.

„und

„Wahrhaftig, Du bist's, Peter Linden!" rief er aus, zu Fuß, was ist geschehen? erzähle mir schnell!" (Schluß folgt.)

Die Wiederherstellung der ulten Kapelle im Königlichen Schlosse ;n Kerlin.-) Die alte Kapelle unseres Königsschlosfes — d. h. nicht die zum

Schloßbau

der ersten Hohenzollcrn gehörige Kapelle sondern der seit Einrichtung der neuen Kapelle im Kuppelbau außer Benutzung gesetzte, einst zu kirchlichen Zwecken bestimmte Raum im Bau König Friedrich's I. — ist nach einer im Laufe des vorigen Jahres bewirkten Restauration seiner neuen

St. Erasmus,

Bestimmung als

Adler"

„Kapitel-Saaldes Ordens vom Schwarzen

Januar durch ein Ordens-Kapitel hierzu eingeweiht worden. Der an der (nördlichen) Lustgarten-Seite des Schlosses belegene, etwa 13m im messende Raum — bemerkt die „Deutsche überwiesen und am 17.

Bauzeitung",



wir diese Zeilen entnehmen, gehört zu den sogenannten Parade-Kammern des zweiten Stockwerks und wird auf der einen Seite von der Rothen Sammetkammer, auf der der

anderen Seite von der

Bilder-Galerie begrenzt.

Nach der

Dis-

*) Anmerkung. Der „deutschen Bauzeitung" entnommen, erscheint Preis pro Quartal 3 Mark. Verlag von Ernst Töche, Berlin 8.1V. wöchentlich 2 Mal.

117 Position des ersten Schlütcr'schen Entwurfs würde er die nord¬ westliche Ecke des Schlosses gebildet haben und aus dieser Lage

erklärt sich auch seine Bestimmung zur Schloß-Kapelle, die nach Ausführung des großen Erweiterungs-Baues nur als eine provi¬ sorische betrachtet werden konnte. Mit diesen während des Baues eingetretenen Aenderungen hängt es offenbar zusammen, daß die Säulenstellung, welche auf 3 Seiten des Raumes durchgeführt ist, auf der vierten (an den neuen Theil grenzenden) Seite fehlt und daß hier bis jetzt lediglich eine auf die Wand ge¬ malte Architektur vorhanden war. Die Anordnung ist im übrigen die,

dungen der unteren Wandflächen, die (in provisorischer Weise) durch Reste alter Berliner Gobelins und Stoffmalerei bewirkt worden ist. Die Gebälke der Säulen- bezw. Pilaster-Stellungen zeigen Weißen Stuck mit Gold-Ornament und in gleicher Weise ist die reiche Flach-Skulptur der Decke und der Laierne gehalten, unterbrochen jedoch durch einzelne farbige Bilder allegorischen Inhalts. Purpurrothe Sammet-Draperien mit goldenen Franzen hängen von den vergoldeten Brüstungen der Logen herab; eben solche, in Verbin¬ dung mit Wap¬ pen-Stickerei, bil¬ den

chin

den Balda¬ die und

Hinterwand

des

an der Westseite angeordneten

daß über dem Ge¬

Im

bälk der bezügli¬ chen Säulenstel¬ lung ein zweites

Thronsitzes.

durch Pilaster ge¬

die

theiltes

SchwarzcnAdlerange¬ ordcns bracht; an den Außenwänden zieht sich unter

folgt,

Friese des unte¬ ren Gebälks ist

Geschoß

in

dem

inmitten jeder Wand eine große, rundbogig über¬ wölbte Loge nach sich

Kette

des

der Galerie-Decke eine Reihe von

der schmalen, von jenen Säulen ge¬

Wappenschildern welche die

tragenen Galerie

hin,

Die in öffnet. flacher Wölbung

Wappen der ge¬ genwärtigen Or¬ ent¬ densritter Dem halten.

geschwungene

kleine

enthält eine Laterne,

deren

spärliches

Decke

Thron gegenüber, über dem Kamin, hat ein aus dem

Licht im Verein

mit dem durch die beiden

Vorder¬

fenster

gespende¬

Schlo-

Schlosse

bitten

stammen¬

ten nur eben hin¬ reicht, um dem

des Bild des Or¬ densstifters, Frie¬ drich I. im Or-

Raun: eine

dcns-Ornat,Platz

ge¬

gefunden,

dämpfte feierliche Beleuchtung zu¬ zuführen.

Der Zustand deffelben vor sei¬ ner jetzigen Wie¬ derherstellung — der ersten, die ihm seit

Ende

des

wäh¬

rend das Mittel-

feld der HauptErich Gral Lrcggc (Likdike). I)r. jnr. roll Dockers (Ludwig). Lca Gräfin Lrcggc Keßler). Eomtclic Paula Lrcggc (,fri. Abich).

HI. Akt, 5 Scene, im Arbeitszimmer (Originalzeichnung von H. Luders.)

Aus „Gräfin Lea", Schauspiel von Paul Lindau. des Advokaten von Deckers.

Lea: Ich komme Dir mit freundlichen und versöhnlichen Gesinnungen entgegen, Paula, mit dem heißen verlangen, zwischen uns zunächst eine Verständigung anzubahnen. Glaubst Du mir? (Da Paula nichts erwiedert, fährt Lea fort.) Ich bitte Dich, antworte. Paula: Laß mich schweigen! Ich will Dich nicht kränken, und ich kann nicht lügen. Lea: Ich begreife, daß Du zögerst, in die Hand, die ich Dir darreiche, einzuschlagen. Du kennst mich nicht. Begegne mir wie einer fremden, aber tritt mir nicht feindlich entgegen. Paula: Du verlangst mehr, als ich vermag.

vorigen Jahr¬ hunderts wider¬ fahren ist — war ein wenig erfteulicher. Kaum, daß der rothe Marmor-Stuck der Säulen und Pilaster noch zur Geltung kam; die oberen Theile waren in eintöniges Grau gehüllt, das von der ehemaligen Wirkung der Dekoration nichts mehr erkennen ließ. Um so überraschender ist der Eindruck, den die Kapelle gegen¬ wärtig gewährt. Der neu abgeschliffene und polirte rothe Stuck, zu dem sich eine entsprechende Architektur der westlichen Wand gesellt hat, leuchtet wiederum in frischer lebhafter Farbe — trefflich paffend zu den reichen Vergoldungen und den Beklei¬

wand für eine bildliche Darstel¬ lung der Ordens¬ stiftung selbst be¬ stimmt ist. Andie ehemalige

kirch¬

Benutzung der Kapelle zu Vermähden lungs- und TausFeierlichkeiten des Königshauses (von 1706—1842) erinnern dagegen Inschriften auf marmornen Tafeln in den mit reicher Holzschnitzerei versehenen, liche

tiefen Fenster-Laibungen. — Der Eindruck des Ganzen ist nicht nur ein ungemein präch¬ tiger, der Bedeutung des Raumes künstlerisch würdiger, sondern vor allem ein durchaus echter, dem Geiste der Schlüter'schcn Periode entsprechender. Die architektonische Gestaltung und, zuin

weitaus größeren Theile auch der Schmuck des Raumes, ist ja

in der That eine einfache Wiederherstellung des ehemaligen, von Schlüter geschaffenen Zustandes. Wo Ergänzungen und Zu¬ thaten nothwendig waren, sind dieselben mit direkter Anlehnung an andere im Schlosse vorhandene Original-Details aus jener Periode — und, wo solche fehlten, möglichst im Sinne derselben gestaltet worden. Als selbständige neue Kompositionen können in Folge dessen nur jener Fries mit der Ordenskette und die neuen (von Professer E. Ewald gemalten) Deckenbildcr gelten, wozu aus der vorletzten Restauration noch einige Rohde'sche SopraPorten kommen, alles andere wurzelt in der Zeit Friedrich's I. Wir heben diesen Umstand hervor und haben aus gleichem Grunde der Besprechung dieses Herstellungs-Baues überhaupt einen verhältnißmäßig so großen Raum gewidmet, weil sich in ihm auf das unzweideutigste das neue Programm ausspricht welches seit Eintritt des gegenwärtigen Vorstandes der SchloßBaudirektion, Hofbaurath R. Persius, für die RestaurationsArbeiten am Berliner Schlosse maßgebend geworden ist und hoffentlich für immer maßgebend bleiben wird. Es liegt uns fern, den verstorbenen letzten Schloß-Baudirektoren Hesse und Stiller, welche den umfangreichen, von König Friedrich Wilhelm kV. begonnenen, neuen Ausbau des Schlosses bisher geleitet und in dieser Stellung so große Verdienste sich erworben haben, das zum persönlichen Vorwurf zu machen, was doch mehr im Sinne ihrer ganzen, in das Wesen historischen Stilcharakters nur ober¬ flächlich eindringenden Zeit lag. Trotzdem muß es gesagt werden, daß die von ihnen bei Herstellung der alten Prunkräume des Schluffes geübte Praxis, ihre eigenen den modernen Ursprung nicht verleugnenden Kompositionen mit denen der alten Meister zu vermischen, bczw. letztere verbessern zu wollen, das historische Gepräge des ehrwürdigen Baues in kaum heilbarer Weise geschädigt hat. Gewiß beruht ein großer Reiz derartiger Fürstensitze darin, daß jede Zeit und jeder Fürst charakteristische Proben ihres künstlerischen Könnens und ihrer GeschmacksRichtung in demselben zurück lassen; aber inan wird wünschen müssen, daß sie dieselben dem Alten entweder neu hinzufügen oder sich auf den Ausbau vormals untergeordneter Räume be¬

Ein Gtdcnlrblatt von Schornhorst's Hand.

auch

schränken, deren in unserem Schlosse noch genug

für die Thätig¬

In

keit mehrer Generationen vorhanden sind. jenem Sinne ist die neue Schloß-Kapelle von König Friedrich Wilhelm IV. erbaut

tvordcn — in letzterem wurden noch während der beiden Vor¬ jahre die Räume im zweiten Stockwerk des „Grünen Huts" und iit „der Herzogin Haus" völlig neu hergerichtet. Allenfalls wird man es auch entschuldigen, wenn eine alte künstlerische Aus¬ stattung zu Gunsten einer neuen kassirt wird, wenigstens wenn die letztere in ihrer Art so schön und charakteristisch ist, wie diejenige, 1824 in den ehemals von Knobelsdorff welche Schinkel i. dckorirtcn Zimmern Friedrich's des Großen geschaffen hat. Niemals dagegen wird man es künstlerich rechtfertigen und mit der Pietät gegen die Werke der Väter vereinigen können, wenn man diesen statt einer Herstellung eine Zustutzung in modernem Sinne zu Theil werden läßt, mag diese an sich auch immerhin so interessant und an sich künstlerisch geschickt durchgeführt sein, wie es z. B. der von Stiller bewirkte Ausbau der neben der alten Kapelle liegenden Rothen Sammet-Kammer zeigt. Und eine solche Modernisirung haben sich leider fast sämmtliche, seit 30 Jahren restaurirtcn Räume des Schlaffes gefallen lassen müssen — sei es auch nur durch die Wahl moderner, unpassender Tapeten und eines unpassenden FarbcnAnstrichs für die alten Stuckdecken. — Je mehr man hoffen darf, daß demnächst wiederum eine Periode lebhafterer Thätigkcil im Ausbau des alten preußischen Königschloffes eintreten wird, desto größere Genugthuung darf man in dem Bewußsein hegen, daß für die betreffenden Arbeiten nunmehr die richtigen Grundsätze zur Geltung gelangt sind. —

I.

Von E. £.

„In

dem wilden Kriegestanze Brach die schönste Heldenlanze Preußen, euer General. Lustig auf dem Feld bei Lützen Sah er Freiheitswaffen blitzen;

Doch ihn

traf

des Todes

Strahl." —

Max von Schenkendorf.

Das Löwendenkmal auf dem Jnvalidenkirchhof Berlins an der früheren Kirschallee, jetzt Schornhorststraße nach dem Helden genannt, der unter dem marmornen Grabmal ruht, weckt manche altberlinische Erinnerung auf. Gebhard David von Scharnhorst hatte die Idee der allgemeinen Volksbewaffnung und Volkser¬ hebung wider die französische Zwingherrschaft durch Organisation der Landwehr und des Landsturms verwirklicht. Er ttahm an der

i

Schlacht bei Lützen oder richtiger Großgörschen Theil, bei welcher gerade die Berliner sich besonders hervorthaten, empfing dort die tödtliche Wunde, und fand endlich die ewige Ruhestätte auf dem Friedhof nahe dem Jnvalidenhausc, dessen Front Friedrich der Große mit der bedeutungsvollen Inschrift „Laeso sed invicto militi“ geschmückt hatte. Im Nachfolgenden drucken wir auf diese Ereignisse bezüglich zwei bisher noch nicht veröffentliche Schreiben ab, welche wir der gütigen Mittheilung des Herrn Rechtskandidat Richard Das erste ist von dem berühmten Göschen Hierselbst vcrdaickcn. Geschichtsforscher Barthold Georg Niebuhr (geb. zu Kopenhagen

j

!

am 2. Januar 1831), der sich im Ge¬ am 27. August 1776, folge des Königs von Preußen befand, an Dr. Göschen (geb. zu Königsberg i. Pr. 1778, ch 1837 als Hofrath und ordentlicher Professor der Rechte zu Göttingcn) gerichtet. Göschen, beiläufig der erste Doktor sder Rechtes, welcher an der Berliner Universität promovirte, war damals Professor an der letzteren und Hauptmann im Landsturm.

-

Das Schreiben ist datirt: „Dresden, den 2ten May 1813", zeigt die Stellung der Kriegsführenden, ist offenbar in fliegender Eile verfaßt und lautet: „Hierbey, bester Göschen, Zeitungsfutter. Haben Sie nur die Güte die Sprache etwas zu bessern. Nach einem Schreiben von der Armee von gestern früh, Isten May, 5 Uhr Morgens, war das Hauptquartier von Blücher zu Rotha (meine gestrige Nachricht falsch) Jork zu Zwanka, Wittgenstein zu Leipzig: Armee vor¬ wärts, Kleist und Bülow rechts von dieser Stadt. Napoleon debouchirte über Weißcnsels. Man erwartete die Schlacht gestern oder heute. Ein Bataillon von unserer Armee hat zu Merseburg, bei unzweckmäßiger Vertheidigung einer Brücke 200 Mann an Todten,

Verwundeten und Vermißten verloren. Gott steh uns bey — von der Armee ist alles mögliche zu erwarten. — Man muß Kops oben behalten, welches hier nicht ganz leicht ist.

Leben

Sic Wohl und grüßen Ihre Frau.

Ihr Niebuhr."

In

dem Treffen selbst zeichneten sich,

-

'

wie. angedeutet, die

Berliner Freiwilligen besonders aus. Das Garde Jäger-Bataillon bestand nach Streckfuß (500 Jahre Berliner Geschichte, 2. Aust., Berlin 1880, S. 701) zum größten Theil aus Berliner Kindern; die Studenten hatten sich mit Vorliebe zu diesem Bataillon ge¬

Als es während der Schlacht galt, Groß-Görschen, vom Feinde genommen war, wieder zu erobern, ritt Blücher zu den Gardejägcrn heran und rief ihnen zu: „Kinder, jetzt gilt's die Ohren steif zu halten; brav druff losgehen, wenn's auch nicht gehauen und gestochen ist! Die Hauptsache ist, die

wendet. welches

119

war die Antwort der Berliner Jungens und wie ein Donnerwetter warfen sie sich auf die französischen Batterien. An 500 Todte und Verwundete Rackers todtzuschlagen!" Ein brausendes Hurrah

kostete die Wiedernahme von Groß-Görschen, gar viele Söhne reicher Berliner Bürger, Viele, die kaum das 16. Lebensjahr zu¬ rückgelegt hatten, Kaufleute, Studenten, junge Männer aus den

Ständen. Am 2. Mai fand die Schlacht statt, am 8. wurde der Sieg in Berlin proklamirt; bei Sonnenuntergang läuteten alle Glocken. Am 9. ward ein Tedeum in allen Kirchen gefeiert. Die Ressource der jüdischen Kaufleute zeichnete sich bei dieser Gelegenheit beson¬ ders durch Freigebigkeit aus, sie schenkte 700 Thaler zur Pflege der verwundeten Krieger. , Der herbste Verlust für Preußen war in dieser Schlacht der Scharnhorst's, den eine Kugel im Schenkel traf. Der nachfolgende Brief an Göschen, dessen Facsimile (Siche Seite 121) unseren Lesern die Handschrift des Helden getreulich vorführt, erzählt das Nähere: (Hier eine traurige Nachricht, wir haben gesiegt, aber unsere unglückliche Aufstellung bringt uns bei der Uebermacht des Feindes und der Besetzung Leipzigs zu einem traurigen Rückzug. Alles rathen und bitten hat nichts geholfen. Unsere Leute haben brav geschlagen, unsere Infanterie Wunder der Tapferkeit gethan, unsere Freiwilligen haben es den ältesten ans Feuer gewohnten und abgehärtesten Soldaten gleich gethan und überall sich gut be¬ besten

nommen.

Wir haben am Tage der Schlacht einen Theil der großen Armee und das Miloradowizsche Corps nicht gehabt. Ich bin am Ende der Schlacht ins Bein blessirt, eben ist mir die Kugel herausgeschnitten, man giebt mir die Hoffnung, in 4 Wochen wieder dienen zu können. Ihr Sie herzlich liebender Freund Altenburg, den 3ten May Mittags. Scharnhorst.) Scharnhorst Leider verhängte die Vorsehung es anders. wollte über Prag nach Wien gehen, um den Anschluß der Oester¬ reicher an die Verbündeten einzuleiten: „Kugel raffst mich doch nicht nieder! Dien' euch blutend werthe Brüder, Führt in Eile mich nach Prag, Will mit Blut um Oestreich werben, beschlossen, will ich sterben,

Solches hat er dort verkündet. Und wir alle stehn verbündet. Daß dies Wort nicht Lüge sei. Heer aus seinem Geist geboren,

Jäger, die sein Muth erkoren. Wählet ihn zum Feldgeschrei!" Wie das Lied des Skalden, der einen in der BravallaSchlacht gefallenen Helden besingt, muthen diese Verse an. Streift man die leichte christliche Hülle ab, so steht das heidnische Ger¬ manenthum klar erkennbar vor uns. Die Engel sind die Wal¬ küren, welche den gefallenen Recken mit einem Kusse weihen und gen Walhall führen zum Mahle der Seligen, als Karl der Große

und seine Paladine ist der Göttervater Odin, der an der Tafel¬ runde auf dem Hochsitz thront mit dem Todesspeer Gungnis, dem „Todes-Strahl" zu denken, ihm zur Seite die Einherier. Die den Strohtodt gestorbenen Männer dürfen dem Schlachtengott nicht nahen, so weist sich der gefallene Recke durch die „Sühnungs¬ wunden aus der heil'gen Opferschlacht" als künftiger Genosse aus. Die Freiheitskämpfer aber wählen des Helden Namen nach nor¬ discher Sitte zum Feldgeschrei.

„Zu

den höchsten Bergesforsten, Wo die freien Adler horsten, Hat sich früh sein Blick gewandt: Nur dem Höchsten galt sein Streben, Nur in Freiheit konnt' er leben: Scharnhorst ist er drum genannt." Als sinnender Kriegesheld steht er, von Rauch in Marmor ausgeführt, zwischen Wache und Zeughaus, an einen grünenden Lorbeerbaum gelehnt, den Kopf nachdenklich gesenkt, den rechten

Zeigefinger gegen das Gesicht gehoben, in der Linken eine Stolle haltend?) Ebenso trefflich ist sein Grabdenkmal, doch bedarf es dieser äußeren Zeichen nicht, um den Helden im Herzen der Nach¬ welt lebendig zu erhalten. Wir schließen mit dein Endverse Schenkendorfs: „Keiner war wohl treuer, reiner, Näher stand dem König keiner, Doch dem Volke schlug sein Herz!

Ewig aus den Lippen schweben Wird er, wird im Volke leben, Besser als in Stein und Erz!"

*

Jst's

Wo Schwerin im Blute lag."

Die Strapazen der Reise, die geistige Aufregung verschlim¬ merten die Wunde. Am 28. Juni ereilte ihn der Tod in Prag, von welchem Ort der Dichter singt: „Arge Stadt, wo Helden kranken, Heilge von den Brücken sanken. Reißest alle Blüthen ab. Nennen dich mit leisen Schauern, Heilge Stadt nach deinen Mauern Zieht uns manches theure Grab." Die hierauf unmittelbar nachfolgenden Verse des edlen Max von Schenkendorf sind nicht blos als Ausdruck ungefälschter na¬ tionaler Begeisterung, sondern auch kulturgeschichtlich überaus denk¬

Gräfin Lea. (Hierzu die Illustration Seite 117.)

Alles, was Berlin interessirt. Gewesenes und Gegenwärtiges, gehört in unser Blatt. Nun hat wohl nichts mehr in den letzten Wochen das Berliner Leben erregt, als das neueste Lindau'sche Stück. Den neuesten „Lindauer" sagen die Nichtfreunde des tüchtigen Redakteurs der Gegenwart, ein bedeutendes literarisches Ereigniß nennen es die Freunde.

Die sämmtlichen Glaubensgenossen Moses Brändels aus Frankfurt a/M. loben das Stück seiner Tendenz wegen; die

würdig.

„Aus

dem irdischen Getümmel

Haben Engel in dm Himmel Seine Seele sanft geführt, Zn dem alten deutschen Rathe,. Den im ritterlichen Staate Ewig Kaiser Karl regiert.

Grüß Kann

euch euch

Gott, ihr theuren Helden! ftohe Zeitung melden:

Unser Volk ist aufgewacht! Deutschland hat fein Recht gefunden!

Schaut, ich trage Sühnungswundm Aus der heil'gen Opferschlacht.

*) Nach Mila's Berlin, 1829, S. 458 ist das Postament 10, die Bildsäule 8 Fuß hoch. An der Vorderseite die Inschrift: Friedrich Wil¬ helm 111. dem General von Scharnhorst im Jahre 1822, darunter ein Adler. Die Reliefs beziehen sich auf Scharnhorst's Thätigkeit als Gründer eines neuen Kriegsshstems. An der rechten Seite Minerva, eine Fackel und ein offenes Buch in den Händen, worin die Namen Montecueuli, Vauban, Graf von Schaumburg-Lippe, Graf Moritz von Sachsen, Frie¬ Das Relief an der dritten Seite deutet auf drich II. und Scharnhorst. Minerva sitzend, befestigt einem Krieger an Truppen: der Bewaffnung die seiner Lanze eine eiserne Spitze; ein zweiter fällt Bäume, um Lanzen daraus zu schneiden; auf dem vierten Relief ist Minerva, die Krieger

zum Kampfe führend.

-

120

Stammesgenossen der Grafen Fregge finden, daß der kleine Gott, Welt", Gräfin Lea genannt, geschaffen hat, ein Gesinnungsgenosse Moses Brändel's aus Frankfurt a/M. ist, daß im übrigen — abgesehen von Tendenz und von dem Jargon, in dem die Figuren des Stückes ihr Deutsch in's Orientalische über¬

man den Urtheilsspruch des Ge¬ richts kaum begreift."

welcher die „kleine

„Im letzten Act klingt der Conflikt harmonisch aus und ."

— ein ganz passables, packendes Theaterstück geschaffen wurde, welches besonders in seinen ersten vier Akten von echt dra¬

so

matischer Kraft

Keßler in

Der geistreiche Stcttenheim hat diese verschiedenartigen Kri¬ tiken in wahrhaft witziger Weise behandelt. Weil wir nicht nur alte Scherze in unserer „Berlinischen Wochenschrift" sammeln wollen, sondern auch gute neue, so folge hier zunächst die Stcttenhcim'sche Kritik aus den „Berliner Wespen". Er schreibt also: Ein Abonnent zweier Zeitungen, der sich aus den Kritiken über Lindau's „Gräfin Lea" ein Urtheil über den Werth dieses Schauspiels und der Darstellung bilden wollte, wobei es ihm Passirte, daß er häufig von einem Feuilleton in das andere hinüberlas, sendet uns das Resultat seines Studiums:

Ans dem einen Blatt:

Aus dem andern:

„Der großeVorzug desSchauspiels von P a u l L i n d a u ist, daß

es.ein

von jeder einseitigen Ten¬ denz fern hält und auf rein menschliche Motive aufgebaut ist, da

Art

ist, welches in

einer parteiischen Glorification des Judenthums und in der Verun¬ glimpfung der Aristokraten das

Mögliche leistet." und knapper Form die interessante

Exposition,

„Schnell und sicher schreitet die Handlung im zweiten Act fort, in welchem

in ihrer Breitspurigkeit und „ Verworrenheit von einer tödtlichen Langweile ist." . . .



. . . vollkommen stockt und auch nicht einen einzigen Schritt vor¬

wärts rückt." dritten Act erreicht sie den Höhepunkt in der von wahrer scene,

die." durchdrungenen

„Sehr

Liebes¬

ein¬

Allen Fräulein

jedem

Punkte

Intentionen des Dichters indem

den

gerecht,

dieselbe." „

. . . das wahre

Zerrbild dichte¬

rischer Composition hinstellte und den Dichter

auf das Empfind¬

lichste schädigte."

„FräuleinAb ich (Paula) war in ihrer Trauer tief, wahr und

unmuthig."



. . .

von falscher Weinerlich¬

keit und einer betäubenden Farb¬

losigkeit."

„Unter den Damen dürfte indessen Fräulein Mariot die

welche." des

Abends

gebühren,

„ . . . eine Leistung bot, die in ihrer Unfcrtigkeit und Dilettantenhastigkeit das Mögliche that."

und

vornehm." „

er."

„Und Herr Liedtke hatte mit Glanzrolle seinen besten Tag, da

seiner

plebejisch . . . nüchtern und bis zur Unerträglichkeit."



.

. . sich

diesmal vollkommen

vergriff und die Carricatur des Charakters noch überbot."

Ich habe das Lindau'sche Stück*) zweimal gesehen und nach der Vorstellung vorurtheilslos gelesen. Dramatisch wirksam sind die 4 ersten Akte, die beiden ersten Die Zeichnung der Charaktere und die Sprache Mittelgut. Nicht nur die Gräfin Lea Fregge ist eine geborene Brändel, all die anderen Personen sind, was auch der Theaterzettel drucken mag, nach ihrer Sprache, nach ihrem gesellschaftlichen Gebühren Abkömmlinge dieses Frankfurter sind die besten.

des Stückes sind

„Im

Poesie

wurde vor

Act bringt in klarer

die." sie."

erste

Act hätte

„Herr Ludwig war feurig Tendenzstück der aus¬

gesprochensten

„Der

dieser letzte

„Was das Spiel anbetrifft,

Palme

es sich

. . .

fach gestrichen werden können."

setzen

ist.



...

in ihrer falschen Senti¬ „ mentalität an die larmoyante Rührseligkeit der seligen BirchPfeiffer erinnert."

hat Lindau im vierten Act den einheitlichen Gang der Handlung durch Einstreuung lustiger Episoden unterbrochen, geschickt

welche.an

dem doppelten Fehler vvllkoinnren überflüssig und störend zu sein, und zweitens an die traurigsten Berliner Possenfiguren gemahnen."

leiden,

„Die langeVertheidigungsrede von Deckers ist ein wahres

denn.sie

übt auf jeden Zuhörer eine tiefe Wirkung aus, Meisterstück und

ist voll von Banali¬ täten und hohlen Phrasen und so seicht und stümperhaft, daß

Ehrenmanns. Ich will keine Beispiele hervorsuchen, die auf jeder Seite schwirren. So wenig ich von dem Deutsch unserer Advo¬ katen halte, die so gerühmte Vertheidigungsrede des Freiherrn von Deckers wird Keiner von ihnen an Kindesstatt annehmen wollen. Die Charakterzeichnung ist nicht viel besser. Da ist der sonder¬ bare Freiherr von Deckers, „den gerade seine aristokratischen Neigungen bei der Wahl seines Advokatenberufs bestimmt haben", wie er das selber erzählt. Ja mein Gott, man kann ja schon aus Neigung „geruchloser Closetfabrikant", Advokat oder meinetwegen Patentanwalt werden, ich bekümmere mich um keines Menschen Berus, wie man aber aus aristokratischen Nei-

*) Anmerkung. Gräfin Lea, Schauspiel in fünf Aufzügen von Paul Lindau, zweite Auslage, Berlin 1880. Verlag von Freund und Jeckel. 2, 50. Meinem lieben Freunde Freiherrn Ernst Teschenberg in freudiger Erinnerung an die zusammen verbrachten Biußestunden während des Congresses in herzlicher Zuneigung gewidmet P. L. — Direktor Pollini in Hamburg hat das Recht, das Schauspiel „Gräfin Lea" aufführen und in fremde Sprachen überfetzen zu lassen, für alle Bühnen In demselben Verlage erschienen deffelben Verfassers „Ma¬ erworben. rion", „In diplomatischer Sendung", „Maria und Magdalena", „Diana", „Ein Erfolg", „Tante Therese", „Der Zankapfel" und „Johannis¬ trieb", ferner Paul Lindau's „Gesammelte Auffätze", welche er Beiträge zur Literaturgeschichte der Gegenwart nennt.

121

gütigen Advokat einreden.

werden kann, das soll mir selbst Lindau nicht

Deckers war der Haussreund eines gestorbenen Fregge,

Paula Fregge, er ist der Freund — nur der Freund — „was Sie denken, ist er nicht, Madame" — von dessen Wittwe, das wird stempelbogenmäßig von und vor allen Damen im Stücke behandelt. Deckers ist aber auch der Liebhaber von Comtesse Paula Fregge. Diese Paula, die aus England mit dem Schlafwagen ankommt, sich sofort an den Theetisch ihrer des Vaters von

außerdem Leben Jesu von Strauß auch der neuesteDroschkentarif—daß Bischofshofen erster Klasse fährt und dadurch in Geldverlegenheiten gerathen ist. Aber wie hübsch ordnet sie das. „Momentane Verlegenheiten giebt es nicht. Wenn Sie heute ihr Monatsgehalt erheben, so sind Sie in vier Wochen genau auf dem Standpunkte wie heute und wieder einmal in momentaner Verlegenheit. Setzen Sie also eine vollständige Liste Ihrer Gläubiger auf und addiren Sie zu der Summe 25 Prozent für diejenigen, die Sie vergessen

Lin Gedenlrblatt von Kcharichorst's Hand (Facsimile-Druck.)

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Tante setzt, als läge England gleich hinter Schöneberg und die dann dem Advokaten in besten Schreibstube um den Hals fällt —

Paula sollte zu Wallner in den „jüng¬ Lieutenant" gehen, da fällt das schmucke Fräulein Hellbronn dem turnenden Engels viel hübscher, viel motivirter und in viel anständigerer Umgebung um den Hals. Die geborene Brändel kennt Lindau am besten. Sie denkt, spricht wie die geborene Brändel: „Nehmen Sie denn jetzt Droschken, Bischofshosen? Da sind zwei Mark für Droschken auf¬ geschrieben?" sagt sie und sie weiß — aus ihrem Tisch liegt diese unwahrscheinliche sten

.

haben und nicht sagen wollen. Geben Sie die Liste dann dem Freiherrn von Deckers, der die Sache ordnen wird. Ueber die Rückerstattung in Ratenzahlungen können Sie sich gleichfalls mit ihm verständigen." Ist das nicht edel und praktisch zugleich? Hübsch

durchgeführt

ist

der Charakter

Erich's, Grafen

von Fregge. Es giebt schon derartige Aristokraten. Und wenn in dem ganzes Stücke ein echter Aristokrat der ganzen Juden¬ gesellschaft entgegengestellt wäre, dann wollte ich mir schon diesen Grafen Erich ohne jedes „Wenn" gefallen lasten. Aber schon wieder Julie, Freifrau von Leesen, geb. Comtesse

122 Fregge, benimmt sich, wie wenn sie aus Frankfurt wäre — aus

Frankreich am Main, wie Fürst Bismarck einmal sagte—;

die

„Salonschlange" sucht ihre Schwägerin Lea in deren Wohnung auf, sie ist anfangs allein im Salon und hat zunächst nichts Eiligeres zu thun, als den Tapezier der Lea Brändel zu loben: „Was das liebe Geld nicht thut! Entschieden großer Stil. Ein stilles vornehmes Haus." Wunderbarerweise gar kein Trara! „Gute Bilder! Gute Bronzen!" Gleichviel! Irgendwo wird sich die geborene Brändel schon verrathen! Die Lektüre! voyons! (Sie nimmt von dem Tische einzelne Bände und liest die Titel). Ich frage ganz ergebenst, thut das wirklich eine Freifrau von Leesen? Thut das eine vornehme Dame? Thut das überhaupt eine Dame? Der Verfasser geht entschieden zu viel mit Brändel's um. Von den Nebenpersonen behauptet Stettenheim rechts, daß sie an die traurigsten Berliner Possensiguren mahnen, Lindau ist bekanntlich der Schwiegersohn von David Kalisch. Der getaufte Jude Lcndheim, der Sachverwalter der Fregge, sagt am Schluffe seiner Rede: „Da empört sich in mir der Christ und Germane re." Das ist geschmacklos und wird in keinem Vorstadttheater geduldet.

Ich wollte erst noch die Rede des Talmi-Freiherrn von Deckers Ich war bereits beim Abschreiben. Sie ist aber so

hierhersetzen.

mittelmäßig, daß ich's wieder aufgegeben habe. Der fünfte Akt hätte einfach gestrichen werden können, sagt Stcttenhcim rechts. Aber schön ist er doch. Da sagt noch Frei¬ frau Julie in wirklich vornehmer Weise: „Ich habe ja die Rede schon einmal genossen" und dann noch, als sie die Verlobung Paula's erfährt, aber das sagt sie nur für sich: „Die Schiebung ist wirklich köstlich!" Solches Börscndeutsch haben einzelne Kritiker einen geistvollen Dialog genannt! In Wien an der Hofburg zögert man bekanntlich, dieses aristokratenfeindliche Tendenzstück aufführen zu lassen, in Berlin kehrt man sich nicht an die Gefühle der guten Gesellschaft. Warum? Darum! Darüber ein andermal.

Dominik.

Zm Erinnerung im König Friedrich Wilhelm IV. Als Vervollständigung der in Nr. 5 begonnenen Biblio¬

Namhafte Berliner im Anschluffe an die Berlinische Chronik und an das Urkundenbuch, herausgegeben von dem Verein für die

Berlins. enthält: Glaubensschild, Pathengeschenk Friedrich Wilhelm an den Prinzen von Wales. Geschichte

IV.

V. Berlin. Ferner sandte man uns den nachfolgenden Beitrag: 11 .

Der Zuruf unseres Volkes nach Errettung des Königlichen Lebens aus meuchlerischer Gefahr. Predigt am 9. Sonntage nach Trinitatis 1844, vor der Landgemeinde zu Hornhausen gehalten von Heinrich Andreas Pröhle, Pastor daselbst. Oschersleben Druck und in Commission bei C. H. Häniche. 1844. (8. 16 S. Biographische Notizen über H. A. Pröhle in Haindl's Pädagogenund in Brümmer's Dichterlexikon.) 2. Charakterzüge aus dem Leben Friedrich Wilhelms IV. (Anonym von Freiherrn v. Seid in Potsdam, welcher viel Neues über Friedrich Wilhelm, dem er nicht fern stand, mittheilen In Unser Vaterland herausgegeben von H. Pröhle konnte.) 1. Band S. 21—29 bei Gelegenheit von Friedrich Wilhelms IV. 1.

Tode. 3.

Friedrich Wilhelm

Vaterland

1

S. 30—40.

Von Adolf Lasson. Unser (So wie der Auffatz von Seid mit

IV.

Portrait Friedrich Wilhelms IV.,

so ist Lassons Auffatz ein Bild „Paradeausstellung der Leiche Friedrich Wilhelms IV." beige¬

geben.) 4.

Unser Vaterland I S. 54 — 62 findet sich dann ein ano¬ nymer Aufsatz des Professor Gosche „König Wilhelm von Preußen", dem auf S. 62 von Pröhle in einer Redaktionsnote ein Charakter¬ zug für Friedrich Wilhelm IV. hinzugefügt ist, welcher dessen Ver¬

hältniß zu seinem Bruder Wilhelm sehr gut bezeichnet. 5. Der verhängnißvolle Doppelschuß am 18. März 1848 von W. S. (Wilhelm Schwartz) unser Vaterland S. 63—66. 6. Mordanfälle auf Preußens Könige: Unser Vaterland 1 S. 233—237. 1860. Rohdmann, F., Friedrich Wilhelm IV. 156 Seiten. (30 Pf. Preis) Mohrungen. Volksthüml. Darstellung.

I

I.

graphie

empfangen wir die nachstehenden freundlichen Mittheilungen aus unserem Leserkreise.

Etwas von Scrtincr Zeitungen.

1.

1843. Braß, Aug., Chronik von Berlin, Potsdam und Char¬

lottenburg enthält S. 482 u. folg, den Huldigungseinzug Friedrich Wilhelms IV. Gropius, Jllustt. Chronik der Kgl. Haupt- und Residenzstadt Berlin auf das Jahr 1837 enthält das Verzeichniß aller Hoffcstlichkeitcn und sonstige auf Friedrich Wilhelm IV. bezügliche Notizen. 1849. Gedenkbuch an die silberne Jubcl-Hochzeitfeier Fried¬ rich Wilhelm IV. und Elisabeth von Preußen, Berlin 1849. 1851. Die Friedrichsfeier in Berlin am 31. Mai 1851. Ein Gcdenkbuch für alle Preußen. Berlin. A. W. Hayn. 1851. broch. 1851. Sommer, Dr. Andreas, Gedenkbuch, enthaltend die Geschichte und Beschreibung des Friedricksdcnkmals in Berlin Mit Abbildung. 1824. Förster, Fr., Beschreibung aller Feste und Huldigungen, welche zur Vermählnngsfeier Friedrich Wilhelms IV. mit Elisa Ludowika von Baiern K. H. stattgefunden haben. Mit Kupfern.

Das wohlunterrichtete Z. derVossischenZeitung berichtete vor wenigen Wochen das Folgende: „Eine conservative Berliner Zeitung hat sich an den Magistrat mit dem Ersuchen gewendet, sie ebenfalls zu seinem amtlichen Publikationsorgane zu machen, die Zeitung gründet ihren Anspruch daraus, daß die beiden Publikationsorgane des Ma¬ gistrats, die „Vossische Zeitung" und die „National-Zeitung", der liberalen Partei angehören und daß hierin eine Begünstigung dieser Partei liege. Obgleich bei der Wahl seiner Publikationsorgane der Magistrat nicht im entferntesten politische Rücksicht gehabt hat, sondern lediglich durch praktische Rücksichten geleitet worden ist, wird er dennoch das Jnseratenwesen der Stadt einer nochmaligen Prüfung unterziehen und hat die Angelegenheit einer Subkommission zur Vorberathung übergeben." Ich bin gewiß auch der Meinung, daß nur praktische Rück¬ sichten die Wahl der Publikationsorgane bestimmen können und das kann — in offenes Deutsch übersetzt — eigentlich nur heißen, daß die Größe der

Berlin 1824.

Leserkreis

1860. Dr. Jul. Lasker, Friedrich Wilhelm Ludwig, Prinz von Preußen und seine Zeit. Berlin 1860. enthält eine Masse biographischer Notizen über Friedrich Wil¬

bezeichnen werden, welche

helm

IV.

der

Zeitungen

Auflage und in etwas der zusammen

als amtliche

diejenigen

Blätter

Publikationsorgane

dienen sollen.

Ich

gebe

im Nachstehenden eine kleine Uebersicht, die im Von den Berliner Zeitungen hat

Wesentlichen richtig sein wird.

123

Das

Berliner Tageblatt

70—75,000 Auflage, von denen

Die Vossische Zeitung 24,000 Auflage, von denen etwa 18,000 in Berlin selbst gelesen werden. Die Berliner Zeitung 22,000. Die Tribüne 14,000. Die Post 12,000. Die Kreuzzeitung 10,000. Die Norddeutsche Allgemeine 9000 (glaube ich, es können aber auch 10,000 sein).

Die Berliner Börsenzeitung 14,000. Der Berliner Börsenkourier 10,000. Die Nationalzeitung 8000, das „kleine Journal" 6000. Die Auflagen der „Bank- und Handclszeitung", der „Bürgerzeitung", „Staatsbürgerzeitung", Neuen

Börsenzeitung",

„Germania"

und

„Fremdenblatt", „Reichsbotc", der „Volkszeitung", unter denen besonders des

die letztere seit der tüchtigen Redaktion von Philipps einen Auf¬ schwung gewonnen hat, kenne ich nicht genau genug, um Zahlen nennen zu können.

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Will man nach dieser Aufftellung, die im wesentlichen richtig ist und nach der anderweiten Bedeutung der Zeitungen 2 Organe wählen, so kann man eigent¬ lich nur Tageblatt und Vossische herausgreifen. Diese beiden Zeitungen werden wohl unter allen Umständen Berücksichtigung finden müssen. Will man noch ein drittes Blatt dazu nehmen, so kann das, wenn man nur Zahlen gelten lassen will, nur sein ent¬ weder die Berliner Zeitung, die Tribüne, oder in besonderer Berücksichtigung des Leserkreises der Zeitungen, die Post und die

Kreuzzeitung.

Dr. S. in Ch.

M i s c t 11 e n. Koch einmal Fresko«,. Ohne die Farbe der Winterbein¬ kleider des Oberstlieutenants von Treskow in Frage stellen zu wollen, bemerkt der Einsender, daß Jener im Sommer in Nankinbeinkleidern mit untergeknöpften Kamaschen und Schuhen ging, dazu einen blauen Frack mit blanken Knöpfen und auf der Brust den Johanniterorden trug. Das ü la herisson frisirte weiße Haar bedeckte ein schwarzer Cylinderhut, gegen den die Haare des Hinter¬ kopfes steif in die Höhe gestrichen waren. Die Farbe des Nankin entsprach auch dem Anstriche des Palais Friedrich Wilhelms III., das bekanntlich eine gelbe Farbe trug. Der alte Herr war stets im Opernhause, im zweiten Range zunächst dem Proscenium zu sehen, von wo aus er mit dem Opernglase den Zuschauerraum in

mit großer Aufmerksamkeit beobachtete. Er war eine ebenso bekannte'Person, wie er eine ausgebreitete

den Zwischenakten

in Berlin

anderen Wassersahrt, bei dem Verlassen des Kahns in's Wasser gefallen. der kurz darauf erfolgenden Aufführung der Posse: der Stralauer Fischzug", von Julius von Voh, parodirtc der

In

etwa 40,000 in Berlin bleiben.

Kenntniß von Personalverhältnissen besaß, und häufig wurde er wie der Wohnungsanzeiger benutzt und über Personalangelegen¬ heiten beftagt. Auch König Friedrich Wilhelm III. soll, wenn ihm im Theater in Berlin durch irgend einen Umstand Jemand aufgefallen war, und er von seiner Umgebung über den Unbekannten keine nähere Auskunft erhalten konnte, dann den Auftrag gegeben haben: „Treskow fragen", und immer sollen ausführliche Angaben erfolgt sein. — Bei irgend einer öffentlichen Gelegenheit, — so wurde damals erzählt, — befand sich der Oberstlieutenant in der Nähe des Königs, als diesem ein Herr ausfiel, dessen Namen er zu wissen wünschte, und deshalb Treskow heranwinkte und ihn danach ftagte. Der. Oberstlieutenant sah den Bezeichneten an, und antwortete: „Majestät, den kenne ich nicht, das muß ein Potsdamer sein". „Kein Potsdamer" erwiderte der König lächelnd, „in Potsdam bin ich Treskow". Der alte Herr war bei dem Stralauer Fischzuge, oder einer

Schauspieler Gern (damals nach Gern Sohn) „Treskow ist in's Wasser gefallen u. s. w. Diesen soll es belustigt haben, daß sein Unfall zum Gegenstand eines Scherzes benutzt worden ist, nicht so heiter aber sollen die Folgen gewesen sei, die der Rollenzusatz v. M. für Gern gehabt hat.

Die erste Kartoffelernte im alten Lustgarten zu Werkln 1649. Nach dem gleichnamigen Gemälde von Albert Schwarz im Verlage der „Photographischen Gesellschaft" zum .Preise von 3 Mark erschienen. Ich habe schon im vergangenen Jahre, während dieses prachtvolle Bild entstand, unsere Leser aus das Erscheinen des Pho¬ tographischen Kunstblattes aufmerksam gemacht, welches in wahr¬ haft künstlerischer Weise das Original wiedergiebt. Der Künstler erhielt die erste Anregung zu dem Bilde von dem verstorbenen

Geheimrath Schneider.

Die

edle Frucht der

Kartoffeln wurde auf

direkte Veranlassung der Kurfürstin Luise Henriette durch Michael Hauff, dem Lustgärtner des Großen Kurfürsten aus Hol¬ land bezogen und im Lustgarten, dort, wo heute das Neue Mu¬

Ich selbst habe im „Bär 1879 Nr. 7" in dem Artikel: „Wer führte den Kartoffelbau in die Mark Brandenburg ein?" den Gegenstand ausführlich behandelt und — zur Zeit des Schreibens unbewußt — dem Künstler einiges Ma¬ terial an die Hand gegeben. Schon zu Ende des 16. Jahrhunderts hatte in Holland ein päpstlicher Gesandter die Kartoffel bekannt gemacht, im Jahre 1649 kam sie aus Holland nach Berlin. Der Kurfürstliche Leib¬

seum steht, probeweise gepflanzt.

arzt Dr. Elßholz, welcher 1657 eine Beschreibung der in dem Lust¬ garten seit 6 Jahren gezogenen Pflanzen anfertigte, nennt darunter: Tartuffeln aus Holland. Solanum tuberosum esculentum. Unterm 1. Februar 1649 erging der Befehl, dem Burkhardt Friedrich, Gardinier zu Ryßwick in Holland 80 Gulden zu bezahlen

für etliche bulbische Gewächse.

Zunächst waren es nur die rothen Kartoffeln, welche in Brandenburg — also auch in Preußen eingeführt wurden. Albert Schwartz zeichnet uns den Lustgarten im Herbst des Jahres 1649. Der Große Kurfürst an der Seite seiner edlen Ge¬

mahlin, empfängt aus dem Korbe eines echten märkischen Jungen durch den Gärtner Michael Hauff die erste gewonnene Frucht. Dem Kurfürstlichen Paare folgen Feldmarschall Derfflinger mit einer Hofdame. Wir erhalten zugleich ein hübsches Bild von dem da¬ maligen Aussehen des Lustgartens und des nach diesem zu ge¬ legenen Schloßflügels. Ich empfehle bestens das hübsche Bild zur Anschaffung.*)

Kine

hoch

interessante Weistvierstuve,

mit

künstlerischem

Bilderschmuck nach den Entwürfen des Professors L. Burger, erhält Berlin in den nächsten Monaten. Im „Kurfürstenhause" in der Poststraße Nr. 5 läßt gegenwärtig der Besitzer Herr

F. W. Richter von der

Hand des tüchtigen Künstlers noch nicht gehabt hat. Wir werden bei Gelegenheit der Eröffnung ausführlicher darauf zurückkommen, handelt es sich doch darum, von einer lieblichen, geschickten

eine Zechstube schmücken,

wie

sie

Berlin

Specialität, unserer edlen Weißen, dann zu erzählen, die heute noch herrscht in der deutschen Kaiserstadt, wie ehedem, als noch „Braunbier", „Mannheimer" und „Kufenbier" und später, als noch „die Werdersche", „Grünthaler" und die goldenen Berliner

*) Anmerkung. Wir erklären uns gern bereit, dieses Kunstblatt unsern Lesern zu besorgen. Bei Einsendung von 3 Mark und genauer Angabe der Adreffe versenden wir das Blatt portofrei unseren hiesigen wie auswärtigen Abonnenten.

Nicolaische Verlagshandlung.

124 „JostY'sche" ihre Concurrenzmächte waren. Heute theilt sic ihre Hcrrsä-aft mit allerhand möglichen und unmöglichen echten und unechten Bieren, mit Hoff und Klosterbräu, mit den ungerathenen Aktienbieren, von denen es einige bis zur Berwahrlosung, bis zum Giftmord mit Kokelskörnern gebracht haben, mit Pilsener, Nürn¬ berger und Erlanger, mit Porter, Ale und echtem Spatenbräu, ja selbst mit dem edelsten deutschen Getränk, das Münchens altehrwürdiges Hofbräuhaus als goldenen, männerberückenden Trunk in Landvogts schöne Hallen sendet. Aber immer noch sitzt die „Weiße" im eigentlichen Berlin, und bald sind's 300 Jahre her — um 1590 braute man in Berlin das erste Weißbier, wie ich das einmal in der ehrwürdigen „Vossischen" nach Quellenschriften dargelegt habe —, daß ihre Herrschaft hier gegründet wurde, daß der erste Korken und die erste Strippe ihre Kindheit vor überschäumendem Uebermuth bewahrten. Es ist gewiß, daß die „Weiße", unsere heute noch lebende „Weiße", die über Hamburg, Hannover und Halberstadt aus England zu uns gekommene Schöne, die Schrecken miterlebt hat, welche der unselige deutsche Krieg über Berlin brachte. Sic sah das Empor¬ steigen von Brandenburgs großem Kurfürsten Friedrich Wilhelm, das Werden der dann Königlichen Residenz, das Stvckregiment des Soldatenkönigs, und sie ließ ihr Viktoria mitknallen, als Friedrichs des Einzigen Ruhm erscholl. Sie sah das alte Europa zusammenbrechen. Throne schwanken und zu Grunde gehen, und sie wurde sauer, als der Corsc unsere Stadt betrat. Sie war eben und blieb und wird bleiben eine fest etablirte Macht

im Leben

Berlins.

Jetzt erhält das Berliner Nationalgetränk im „KurfürstenHause" seine Ruhmeshalle. Und wie diese ausschaut, werden wir ein andermal erzählen und wenn möglich illustriren. Denke

Niemand zu gering vom edelsten Biere. „Die Völker des Alter¬ sagte der Abgeordnete Meyer — Breslau — „gingen zu Grunde, weil sie kein ordentliches Bier tranken." Die Vorzüge des Berliners aber sind die Vorzüge seiner „Weihen", und um¬ gekehrt. Herb und scharf, süß und liebenswürdig, immer mit etwas „Spiritus" genossen, goldklaren Charakters, ohne hinterrückigen Satz, leicht gegen die Decke fahrend und wild schäumend und doch zu zähmen mit einer kleinen vernünftigen „Strippe", seinen edlen Gehalt in unscheinbarstem Gewände bewahrend, gesund und Schlechtigkeiten bis in den Ocean abführend, in der Fremde ver¬ kannt, so ist der Berliner und seine Weiße. Darum loben wir sie. Denn — sagt schon Dr. Knaustius anno 1575 „anstatt des Weins in den Oertcrn, da kein Wein wächst, ist's eine edle Gabe Gottes

thums" —

„gut Bier". —

Dominik.

Briefkasten. Pseudonymer Dr. Böget. Sie senden mir eine kleine boshafte Kritik über „Holtze, Berliner Handelsrecht im 13. und 14. Jahrhundert" und schreiben. Sie seien jederzeit erbötig, Ihren Namen zu nennen, falls Herr Dr. Holtze es verlangt. Ich bitte um Ihren Namen. Ei» Leser. Verfasser des hübschen Bonmots soll Geheimrath Derselbe erwiderte, als ihm ein Prahlhans sagte: „Was Sch. sein. denken Sic, Herr Geheimrath, was ich diesen Ultiino verdient habe?"

„Die Halste!" A. von B.

Gewiß.

Das Portrait Moltke's,

das eine unserer

in Holzschnitt nach der OriginalZeichnung Direktor von Werncr's. Das Blatt gehört zur Sammlung von Studienköpfen, welche im Verlage von Paul Bette in Berlin er¬ letzten Nummem brachte, ist eine Copie

Wir bringen

demnächst eine ausführliche Besprechung dieses

wirklichen Prachtwcrks. Georg R. Be,Ithstraße.

Können keinen Gebrauch von dem Gesandten

schienen sind.

machen.

von Al. C. fragt an, ob unter den jetzt bestehenden InfanterieRegimentern die Regimenter von Schwerin und von Manteuffel aus der Zeit des siebenjährigen Krieges nachzuweisen und in welchen? In Nr. 14 des vorigen Jahres ist in dem Artikel „Ordensritter im Oderlande" ein den Templern gehöriges, längst entschwundenes Dorf

Colaz genannt. Was bedeutet „Colaz"? O. W. Möckcrnstraße. Die „Geschichte des Berliner ZeitungswesenS" erscheint, so Gott will und mir Zeit giebt, im nächsten Quartal. M. von O. Berlin. Für den Augenblick sind wir mit Beiträgen so versehen, daß unsere ganze Sorge darin besteht, alle Wünsche unserer verehrlichen Mitarbeiter nach baldigem Abdruck zu befriedigen.

In

bunt gemischten Schaar der Eilsmalhunderttauscnd, die heute Berlin bewohnen, und von denen die volle Hälfte seit dem Böhmischen Kriege aus allen Landestheilen Preußens und Deutschlands zu uns kamen, gilt's als die Taufe zum echten Berliner, wenn der zugezogene Fremdling alle die Vorzüge der Weißen voll verstanden, wenn sein Herz zittert beim Schauen der nickelfarbenen, blauemaillirten „Kruke", wenn er alle Unterschiede der „Edlen", von der „Budikcrweißen" bis zur „März"und „Champagncrwcißeir" bei Elausing und in der „Jeheimraths¬ kneipe" von Päpke, bei Haasc und Weimar, bei Rothacker und Hübner, bei Kothe und Lipke, bei Stüdemann und Möves, bei Kortwich und wo sonst immer noch begriffen hat. Wenn er den „richtigen Verstehste — mir" gewonnen, mit einem Wort, wenn cr's „kapirt" hat, was das Herz — nicht Aphroditc's — aber doch des echten Berliners bewegt. der ettvas

Für die Redaction verantwortlich: "

Emil Dominik in

Nachforschungen über die auch in Berlin Familie Blesendorf unterstützen, können Ihnen aber bei der Schwierigkeit von dergleichen .genealogischen Ermittelungen ein bestimmtes

Pyritz.

Wir wollen Ihre

ansässig gewesene

Resultat nicht versprechen.' Baumeister L. Steglitzerstraße. Von der Bauakademie sagte man in Berlin bald nach ihrer Erbauung: Sie ist mit italienischem Ge¬ schmack und mit „Rathenower Streuen" gebaut.

Inhalt. Joachim I. Roman von Ad. Streckfuß (Fortsetzung). Die Wiederher¬ stellung der alten Kapelle im Königl. Schlosse zu Berlin. Ein Gedenkblatt von Schamhorst's Hand von E. Friedet (mit dem Facsimiledruck von Schamhorst's Brief). Gräfin Lea von Dominik (init Illustration). Zur Erinnerung an Friedrich Wilhelm IV. Etwas von Berliner Zeitungen. Miscellen: Noch einnial Treskow, eine ^hochinteressante Weißbierstube *' mit Illustration. Briefkasten. —

Berlin. — Verlag der Nicolaischcn Verlags-Buchhandlung, R. Stricker, in Berlin.

Druck: W.

Mörser Hofbuchdruckerei iu Berlin.

((

VI. Jahrgang. Nr. 11.

|

Unter Mitwirkung von: F.Alfieri, f.Öruuolti, Proi. Dr. Georg Süchmann, Prof. Dr. Paulus Cassel, Stadtarchivar Fidicin, Theodor Fontaue, tudovica HefeKiel, Dr. Hermann ületke, Ferd. Meyer, Baurath Grth, Dr. Ferd. Pflug, Dr. H. pröhle, ß. Schillmann, Direktor Wilhelm Schwarlr in Posen, Archidiakonus Schwebcl in Cüstrin, Stadtrath Adolf Strechfuh, Heinrich wagener in Potsdam k.

herausgegeben von Ernst Friede! und

Emil Dominik.

Merlin. den 13.

März

1880.

Die Zeitschrift erscheint wöchentlich regelmäßig am Sonnabend, Preis vierteljährlich 2 Mark, und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsspeditionen und Postämter, sowie durch die Expedition, 0. Brüderstr. 13 zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Nicolais che Verlags-Buchhandlung, R. Stricker in Berlin zu senden. — Inserate, pro 2gesp. Petitzeile 40 Pfg., werden von allen Annoncenexpeditionen sowie von der Verlags-Buchhandlung entgegengenommen.

Joachim I. Roman in historischen Bildern von stitosf Sfcralifulj.

Mit fliegenden Worten erstattete Peter Bericht über das, was er gehört. Als er geendet, da erhob sich Joachim stolz im Sattel und mit blitzendem Auge rief er den Herren seines Gefolges zu: „Näher zu mir, Ihr Herren/ hört, was uns bedroht! Vor uns auf der Landstraße liegt der Ritter von Otterstedt, mein treuer Hauptmann, der Freund des Lindenberg, mit etwa 60 Mann, bereit, mir den Weg abzuschneiden, mich zu über¬ fallen, zu ermorden, damit der hohe Adel in den Marken künftig ein leichteres Spiel habe. Aber wahrlich, das Stückchen soll ihm schlecht bekonnnen, unnachsichtlich will ich ihn strafen, den ehrvergesienen Ritter, ihn und Alle, die sich mit ihm ver¬ bunden haben! Reitet zurück, Herr Kaspar von Köckeritz, Ihr allein. Euch will ich meine Sicherheit anvertrauen, ruft mir die Leibwache, so schnell als möglich soll sie hier am Orte er¬ scheinen! Beeilt Euch so viel als möglich ist, in einem halben Stündchen müssen wir die Verräther gebunden zwischen uns nach Berlin führen. — Ihr zögert, Herr Kaspar von Köcke¬ ritz? — Seid Ihr vielleicht auch im Bunde mit jenen Elen¬ den? Nun wohl, Herr Werner von Schulenburg mag Euch begleiten, damit Ihr nicht säumt, meinen Befehl zu erfüllen." Eine dunkle Nöthe flog über das Gesicht des Kaspar von Köckeritz:

„Wenn

Ihr mir mißtraut, gnädiger Herr, so sendet mich Ihr mir vertraut, so sendet mich allein!"

nicht, wenn „Ich vertraue Euch, Herr Kaspar von Köckeritz, mögt Ihr auch manche kleine Schuld auf Eurem Gewissen tragen, die große. Euren Fürsten zu verrathen, würdet Ihr nimmer begehen! Reitet also und kehrt auf's Schleunigste an der Spitze der gesammten Wache zurück! Ich bleibe hier, um die Ver¬

räther zu erwarten, wenn Sie es wagen sollten, mich vor den Thoren Berlins anzugreifen." Kaspar von Köckeritz stieß seinem Pferde die Sporen in die Seiten und ritt so schnell, als das Roß ihn zu tragen vermochte, nach der

Stadt

zurück.

(Schluß des I. Theils.)

Wohl eine halbe Stunde und darüber verging in tief gespannter Erwartung; noch einmal mußte Peter Linden dem Kurfürsten Wort für Wort, so lveit er sich entsinnen konnte. Alles wiederholen, was er gehört. „Ein kluges Plänchen, Herr Ritter Eitelwolf vom Stein," sagte Joachim höhnisch, „also meinen Bruder Albrecht möchten sie zum Kurfürsten haben, die edlen Herren, und meinen Oheim, Herrn Friedrich den Aelteren in Franken zum Vormunde und Regenten. Wie seltsam hätten sie sich verrechnet! Wenn mein Oheim die Regentschaft über die Mark geführt hätte, sie würden wahrlich aus dem Regen in die Traufe gekommen sein, denn mit eiserner Hand hat er ja noch vor wenig Jahren, seine widerspenstigen fränkischen Vasallen gezüchtigt, ihre Raubschlösscr zerstört und die adligen Räuber ohne Gnade aufgehängt. Er¬ innert Ihr Euch nicht, wie er den Guttenstein nach harter Belagerung erobert und das Raubgesindel bestraft hat? Selt¬ same Verirrung dieser Menschen! Mich wollen sic ermorden, weil ich das Recht und das Gesetz aufrecht zu erhallen trachte und sie bedenken nicht, daß ein noch schärferes Regiment die Folge meines Todes sein würde! Wollen Sic denn die furcht¬ barste unnachsichtliche Strenge herausfordern durch ineinen Tod, wohl — sie sollen sie haben durch mein Leben. Keine Gnade also mit diesen adligen Räubern, mit dem Mordgesindel,

nur Gerechtigkeit und strengste Strafe des Gesetzes, das schwöre ich Euch!" Die adligen Herren vom Jagdgefolge, welche den Kur¬ fürsten umringt hatten, blickten sckieu zu Boden- Vielleicht !var mancher von ihnen nicht unbetheiligt bei dem Verrathe des Otterstedt, vielleicht fürchteten sie auch für ihr eignes schuldiges Haupt, vielleicht besorgten sic nur, daß Freunde und Ver¬ wandte unter den Vcrräthern sich befänden und die entsetzliche Strafe dafür erhalten würden. — Wer kann heut diese Fragen

beantworten! Endlich nach langer Erwartung erschallte von fern der Hufschlag einer bedeutenden Neiterschaar; an der Spitze von

126

Ritters von Otterstedt, eine entsetzliche Warnung für alle Verräther und Straßenräuber. — Der Ritter war mit seinen gesaitgcnen Genossen den Gerichten übergeben lvordcn und diese hatten mit ihm kurzen Prozeß gemacht, denil seine Verbrecheil waren ja offenkundig, er wagte cs nicht, dieselben zu leugnen. — Trotzdem wurde weder ihm ilvch seinen Gefährten, der grausamen Rechtspflege der Zeit

gegen 200 Berittenen erschien Kaspar von Kvckeritz nnd sagte,

tief

des

vor dem Knrsürstcn verbeugend: sind Eure Mannen, gnädigster Herr, ich erbitte mir bei Euch als eine Gnade, daß ich sie gegen die Verräthcr führen darf! Sollten selbst meine Blutsvcttern sich unter denen befinden, die Euch auf der Landstraße auflauem, so schwöre sich

„Hier

ich Euch doch, unnachsichtlich

will

ich sic dem gerechten Rich¬

strenges Gericht

denn, übernehmt den Befehl! Theilt Eure Truppe» so, daß die Bcrräthcr umzingeln. Nehmt sie gefangen und bringt Hier tvill ich Euch erwarten, beim sic gebunden nach Berlin. ein Fürst soll nicht selbst bei einem solchen Nichtcrwerk thätig sein. Peter Linden mag Euch begleiten, er kennt den Ort, wo die Verräther im Hinterhalt liegen." Die nöthigen Befehle wurden sofort gegeben, die Reiter theilten sich in verschiedene Corps, und ehe eine Stunde ver¬ gangen war, kehrte Kaspar von Köckeritz zum Kurfürsten zu¬ In Mitten seiner Schaar ritten mit auf den Rücken rück. gebundenen Armen gegen 30 größtentheils verwundete Männer. Der Kurfürst ließ den Zug an sich vorbei reiten. „Siehe da, Ritter von Otterstedt," sagte er ernst, „Euer Schicksal hat sie

aber der furchtbare Schmerz der zerrissenen Glieder sie zu wüthend peinigte, dailn gestanden sie, um sich von der Folter zu befreien; gar Manche sollen die Namen ihrer Feinde ge¬ nannt haben, und diese fielen dann der rachsüchtigen Justiz jener Tage zum Opfer. Auf alle die Straßenraubthaten der vergangenen Jahre wlirde bei der peinlichen Untersuchung zurückgegangen, die von den Gefolterten Angeklagteil wurden ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen gefänglich eingezogen, man leitete gegen sie die Uilterslichuilg ein, unterwarf sie der Tortur lnrd erpreßte vvil ihnen neue Geständnisse, neue Namen adliger Räuber.

Euch erreicht!"

gegen seinen angestammten Fürsten."

Der Ritter von Otterstedt erwiderte die Worte Joachims nur mit einem wilden, wüthenden Blicke. Er war schwer verwundet; nur nach dem heftigsten Kampfe, nachdem er vom Roß gehauen, hatte er sich ergeben müssen, weil er nicht länger widerstehen konnte.

Zwölftes Kapitel. Die blutigen Kreuze, welche sich den Menschen auf die Kleider legten, welche sogar bis in die Wäschekisten eindrangen und das feine weiße Leinen besudelten, die Sterne, welche in nie gekannter Zahl vom Himmel fielen, wunderbare Feuer¬ zeichen, welche in dunkler Nacht plötzlich den Horizont erhellten nnd ebenso schnell verschwanden wie sie erschienen waren, hatten schon seit längerer Zeit schweres Unheil für die Mark Brandenburg prophezeit. — Jedes Kind in den Marken wußte, daß dem Lande irgend ein erschreckendes Ereigniß be¬ vorstehe. Und als nun plötzlich ein gewaltiges Trauerspiel sich entwickelte, da war die abergläubige Menge fest überzeugt davon, daß dasselbe durch die wunderbaren Himmelzeichen längst vorher prophezeit worden sei. Joachim hatte furchtbare Gerechtigkeit geübt. — Vom Köpeuicker*)

Thor herab grinzte

*) Da» Köpnickcr Thor

der kahle fleischlose Schädel

stand i» der Nähe unserer heutigen Roßbildete einen befestigten Eingang zur Stadt Köln. Es war eine Sitte der Zeit, die Köpfe besonders berüchtigter Verbrecher an eiserne» Stangen gespießt auf die Stadtthore zu pflanzen. Man wendete gewöhnlich das Gesicht dem Schauplatze ihrer Verbrechen zu.

strasten-Brücke,

eS

Tortur erspart,

denn Joachim hatte befohlen, daß Räuber und Missethäter ge¬ über alle ein halten werde, und die Folter wurde daher gegen die adligen Wegelagerer fleißig gebraucht, um von diesen die Rainen der etwa noch verborgen gebliebeneil Mitschuldigen zu erpressen. Mancher Unschuldige ist wohl in jenen Tagen dem Richtschivert verfallen! — Die Gemarterten sträubten sich zwar anfangs, Namen zu nennen, ihre Freunde zu verrathen, wenn gemäß, die

terspruch übergeben." Der Kurfürst lächelte dem jungen Mann freundlich zu; ich vertraue Euch gern, Herr Kaspar von Kvckeritz, vorwärts

„Joachimken, Jvachimkcn hüte dy, Wenn wy dh kriegen, da henken wh dh!" schriebt Ihr mir an die Kammerthür, heut wolltet Ihr die Drohung verwirklichen. Ihr habt gespielt um Euren Kopf, Ihr habt das Spiel verloren, Recht und Gesetz soll Euch werden! Euer Schicksal soll Jeden gräßlich abschrecken, der jemals wieder es wagen möchte, den Arm frevelnd zu erheben

geviertheilten

!

Jahre vergingen, ehe diese furchtbaren Untersuchungen beeildct waren. Joachim hatte geschworen, das Schwert nicht eher rasten zli lassen, bis er die zahllosen Frevel des Naubadels bestraft habe, bis die Straßen in der Mark vollkominen von den adligen Räubern gesäubert seien; er hielt seineil Schwur mit unbeugsamer Strenge. — Jahrelailg ließ er das Land durch Truppenabtheilungen durchstreifen, welche die Räuber in ihren geheimsten Schlupflviilkeln aussuchten lind sie dein Gerichte überantworteten. Mehr als siebenzig Männer, darlinter vierzig und einige Adlige wurdeil in jener Zeit lvegen Straßcilraub hillgerichtet. .Der Adel der Mark war von einem tiefen Grauen über diese furchtbare, ungeahnte Strenge ergriffen. — Anfangs murrte mancher der vornehmen Herren, aber die Erinnerung an das Loos des Otterstedt machte sie bald verstummen. — Die Gnade des Kurfürsten blieb ihre einzige Hoffnung, .sie lvarfen sich dem jungen Herrscher 31t Füßen, sie flehten ihil um Mitleiden an, baten ihn, Rücksicht, zu nehmen auf die vielen vornehmen Familien, welche dlirch die Urtheile der Bllitgerichte, durch den schmachvollen Verbrechertod ihrer An¬ gehörigen schwer betroffen wurden, aber alle diese Bitten waren vergeblich. —

„Ihr

fordert Gnade," rief Joachim mit strengem kalten Blick aus, „für diese Mörder und Uebelthäter, sür diese Pest llnd Geißel meines Landes, für diese Männer, welche selbst niemals Gnade kannten, lvenn es galt, den Unschuldigen, den Wehrlosen zu berauben und ;» morden! — Ihr fordert Gnade, weil sie den ältesten Adelsgeschlechtern angehören, das aber ist ein Grund mehr, ihnen unbarmherzige Gerechtigkeit angedeihen zu lassen, denn ihr Adel hätte sie abhalten sollen, Sie haben den Namen Schelme und Mörder zu werden. und Ruf ihrer Ahnen durch so lasterhaftes Leben geschändet, um so iveniger verdienen

sie

Gnade. —

127

Und dabei blieb es! Selbst die innigsten Fürbitten der jungen Kurfürstin Elisabeth konnten Joachim nicht bewegen, von der fürchterlichen Strenge abzustehen, mit welcher er unablässig die Raubritter verfolgte.

liebreizenden

Noch einen letzten Versuch inachten die vornehmsten

Ritter

aus des Kurfürsten Gefolge, um ihre Freunde und Verwandten vor ferneren Verfolgungen zu retten. Sie wendeten sich klagend und bittend an den Markgrafen Friedrich den Aclteren in Franken, den Vetter und früheren Vormund Joachims; diesen flehten sie an, seinen Einfluß zum Schutze des märkischen Adels geltend zu machen, sie schilderten ihm die Zustünde der Mark, die Verfolgungen, welche der Adel unschuldiger Weise zu erleiden habe, in so grellen entsetzlichen Farben, daß Mark¬ graf Friedrich sich in der That bewogen fühlte, seinen jungen Vetter in einem Briefe zu warnen. — Joachim, — so bat er, — möge doch nicht ferner so grauenhaft unter dem Adel des Landes wüthen, sondern bedenken, daß er selbst adligen Herkommens sei und

daher

gegen sein eigenes Fleisch und

Blut Krieg führe. — Ein Fürst

könne ohne den Adel nicht

herrschen und deshalb dürfe Joachim diesen nicht durch zahl¬ lose Hinrichtungen vernichten.

Joachim befand sich inmitten seines Jagdgefvlges, als er des Verwandten empfing, er las das Schreiben, ein spöttisches Lächeln umspielte dabei seine Lippen; — als er geendet, wendete er sich an die adligen Herren, welche ihn umgaben, er schaute sie mit so blitzenden Augen au, daß keiner dem stolzen, strahlenden Blick zu begegnen vermochte. „Ihr habt Euch bei meinem Vetter beklagt, Ihr edlen Herren!" sagte er höhnisch, „Ihr glaubt mich einschüchtern, von dem Wege des Rechts abbringen zu können: aber Ihr täuscht Euch, mein Wille steht unerschütterlich fest. — Viele Köpfe sind bereits gefallen, aber sollten auch noch drei Mal so viele vom Henkerschwerte getroffen werden, ich will nicht eher rasten und ruhen, bis ich die Straßen meines Landes von dem Raubgesindel gesäubert, bis ich dem Bürger und Bauer den ruhigen, friedlichen Genuß seines Lebens und Eigenthums gesichert habe." — An Friedrich den Aeltercir schrieb Joachim eine Antwort, in welcher er sagte: „Ich habe kein adliges Geblüt vergoffen, sondern das von Schelmen, Räubern und Mördern, wären sic redlich von Adel gewesen, so hätten sie die bösen Thaten nicht gethan." den

Brief

Wir zählung*). jenes

hiermit den ersten Theil unserer Er¬ Sie sollte im Gewände der Novelle ein Bild

schließen

bedeutungsvollen Kampfes geben, welchen der junge

Kurfürst mit den: räuberischen Adel der Mark Brandenburg zu bestehen hatte, eines Kampfes, der eine bedeutsame historische Tragweite hatte. — Der erste Hohenzoller mußte sich den Besitz seines Landes von den Vorfahren der Männer erkämpfen, welche erst ein Jahrhundert später die Adels¬ macht wieder über die der Fürsten erheben wollten; Joachim hatte die Aufgabe, den Kampf zwischen Adels- und Fürstenhcrrschaft zum entscheidenden Austrage zu bringen, er löste dieselbe trotz seiner Jugend in glänzender Weise und seit *) Anmerkung der Redaktion: Der zweite Theil des intereffan„Die Judenhatz", oder „Kurfürst Joachim I. (Zweiter Theil)" beginnt mit Nr. 14 unserer Zeitschrift. — ten Strclkfuß'schcn Romans,

Zeit hat der märkische Adel den Versuch, sich durch Waffengewalt die höchste Macht im Staate zu erringen, nicht wieder gewagt. seiner

„Äus aller Zeit" Eine Erzählung von