Der Betrieb als Ort der Moderne: Zur Geschichte von Industriearbeit, Ordnungsdenken und Social Engineering im 20. Jahrhundert [1. Aufl.] 9783839414286

Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert wurde der Industriebetrieb zu einem paradigmatischen Ort der Moderne. Von der Gestal

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Der Betrieb als Ort der Moderne: Zur Geschichte von Industriearbeit, Ordnungsdenken und Social Engineering im 20. Jahrhundert [1. Aufl.]
 9783839414286

Table of contents :
Inhalt
I. INDUSTRIEBETRIEBLICHES ORDNUNGSDENKEN IN ACTU
II. VORHABEN
1. Begriffe, Fragestellung, Gegenstand
2. Material und Forschungsstand
III. SOZIALÖKOLOGISCHER INDUSTRIALISMUS
1. Der Industriebetrieb in seiner Umwelt
Industrielandschaften
Totale Institutionen
Diff erenzierte Räume
Betrieb, Gesellschaft, Ordnung
2. Der Industriebetrieb als Umwelt
Fabrikarchitektur und das Layout der Produktion
Umweltbedingungen
Verräumlichung und Subjektivierung
IV. KONKRETISIERTE ORDNUNG
1. Die Nachbarschaft von Mensch und Maschine
Maschinenparadigma und entgrenztes »engineering«
Der Mensch als Maschinenteil
Die Entdeckung des Menschen als Problem- und Interventionsfeld
2. Die Ordnung der Gemeinschaften
Tönnies and beyond
Arbeitsgemeinschaft, Betriebsgemeinschaft, Werksgemeinschaft
Die »Ordnung der nationalen Arbeit«
Von der Betriebsgemeinschaft zur betrieblichen Partnerschaft?
3. Ordnung als Gruppierung
Figuren sozialer Ordnung
Produktionsgruppe und Gruppenfabrikation
Die soziale Realität des Betriebs
Das Ende der Gruppenromantik?
V. FLIESSENDE ORDNUNG
1. Fließband und Automatisierung
Eine neue Produktionsordnung
Soziale Folgen
2. Kontrolle und Kommunikation
Die Welt der Kontrollen
Wer kontrolliert wen?
Einfach nur mal drüber reden?
3. Reibungslosigkeit und Verkettung
Störfaktoren
Integrationsmedien
4. Kanalisierung und Taktung
Gebaute Bewegung
Wege in die Welt
Das Metronom
Ein bekanntes Beispiel
VI. SICHTBARE ORDNUNG
1. Die Opazität des Industriebetriebs
Beobachtungen
Fingerzeige
2. Die Klarheit der Produktionsorganisation
Ordnendes Sehen
Verkettendes Sehen
VII. ORDNUNGSDENKEN UND SOCIAL ENGINEERING, VOM ENDE HER BETRACHTET
VIII. VERZEICHNISSE
1. Abkürzungen
2. Abbildungen
3. Archive
4. Quellen und Literatur
5. Register
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Timo Luks Der Betrieb als Ort der Moderne

Histoire | Band 14

Timo Luks (Dr. phil.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europäische Geschichte der Technischen Universität Chemnitz. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Geschichte der Industriegesellschaft und die Geschichte politisch-sozialer Ordnungsvorstellungen seit dem 19. Jahrhundert.

Timo Luks

Der Betrieb als Ort der Moderne Zur Geschichte von Industriearbeit, Ordnungsdenken und Social Engineering im 20. Jahrhundert

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Von der Fakultät Human- und Gesellschaftswissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg genehmigte Dissertation

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus Umschlagabbildung: Frank Mäckbach: Fliessarbeit. Beiträge zu ihrer Einführung, Berlin 1926, S. 192 Lektorat & Satz: Jan Wenke Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1428-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt I. I NDUSTRIEBETRIEBLICHES O RDNUNGSDENKEN IN II. V ORHABEN

ACTU | 9

| 31

1. Begriffe, Fragestellung, Gegenstand | 31 2. Material und Forschungsstand | 46

III. S OZIALÖKOLOGISCHER I NDUSTRIALISMUS

| 51

1. Der Industriebetrieb in seiner Umwelt | 56 Industrielandschaften | 57 Totale Institutionen | 63 Differenzierte Räume | 81 Betrieb, Gesellschaft, Ordnung | 89

2. Der Industriebetrieb als Umwelt | 106 Fabrikarchitektur und das Layout der Produktion | 107 Umweltbedingungen | 114 Verräumlichung und Subjektivierung | 123

IV. K ONKRETISIERTE O RDNUNG

| 135

1. Die Nachbarschaft von Mensch und Maschine | 136 Maschinenparadigma und entgrenztes »engineering« | 138 Der Mensch als Maschinenteil | 140 Die Entdeckung des Menschen als Problem- und Interventionsfeld | 146 2. Die Ordnung der Gemeinschaften | 155 Tönnies and beyond | 158 Arbeitsgemeinschaft, Betriebsgemeinschaft, Werksgemeinschaft | 162 Die »Ordnung der nationalen Arbeit« | 169 Von der Betriebsgemeinschaft zur betrieblichen Partnerschaft? | 177

3. Ordnung als Gruppierung | 179 Figuren sozialer Ordnung | 179 Produktionsgruppe und Gruppenfabrikation | 183 Die soziale Realität des Betriebs | 187 Das Ende der Gruppenromantik? | 192

V. F LIESSENDE O RDNUNG

| 195

1. Fließband und Automatisierung | 196 Eine neue Produktionsordnung | 196 Soziale Folgen | 199

2. Kontrolle und Kommunikation | 205 Die Welt der Kontrollen | 206 Wer kontrolliert wen? | 209 Einfach nur mal drüber reden? | 212 3. Reibungslosigkeit und Verkettung | 218 Störfaktoren | 218 Integrationsmedien | 221

4. Kanalisierung und Taktung | 227 Gebaute Bewegung | 228 Wege in die Welt | 232 Das Metronom | 233 Ein bekanntes Beispiel | 234

VI. S ICHTBARE O RDNUNG

| 239

1. Die Opazität des Industriebetriebs | 241 Beobachtungen | 241 Fingerzeige | 244

2. Die Klarheit der Produktionsorganisation | 251 Ordnendes Sehen | 252 Verkettendes Sehen | 257

VII. O RDNUNGSDENKEN UND S OCIAL E NGINEERING , VOM E NDE HER BETRACHTET | 265 VIII. V ERZEICHNISSE

| 281

1. Abkürzungen | 281 2. Abbildungen | 282 3. Archive | 282 4. Quellen und Literatur | 283 5. Register | 326

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»Ich ging wieder hinauf und saß in meinem Sessel und dachte an Harry Jones und seine Geschichte. Sie schien mir ein bißchen zu glatt. Sie hatte eher die strenge Einfachheit von Dichtung als das wirre Gestrüpp von Wahrheit.« R AYMOND CHANDLER /DER GROSSE S CHLAF, 1939

I. Industriebetriebliches Ordnungsdenken in actu

Industriebetriebliches Ordnungsdenken in actu, anekdotisch1 verdichtet: Daimler-Motoren-Gesellschaft, Stuttgart-Untertürkheim, 1918 bis 1922. Revolution und Umstellung auf Friedensproduktion fordern all jene heraus, denen an so oder so geordneten Verhältnissen liegt; die guten alten Zeiten sozial integrierter und harmonischer Arbeitsverhältnisse verabschieden sich; die Suche nach einer neuen Ordnung führt zu manchem Reformversuch; man gründet eine Werkszeitung, experimentiert mit Gruppenfabrikation und imaginiert die Werkstattaussiedlung. Dieses wie jenes soll ein konkretes Problem in einer konkreten Situation lösen. Alles zusammen verkettet sich zu einer Formation, die als industriebetriebliches Ordnungsdenken wirksam wird. Es geht um Dynamiken und Widersprüche, um Verflechtungen und Überkreuzungen. Diese sichtbar zu machen, heißt: einen bestimmten Modus der Be- und Verarbeitung der Moderne sichtbar machen. »Der einzelne Mensch«, so schreibt Eugen Rosenstock-Huessy 1919 in seiner Denkschrift Über die geistige Sanierung des Daimlerwerks, »kann sich nur dann wohlfühlen, wenn sein leibliches, wirtschaftliches Dasein und sein geistiges Selbstbewußtsein irgendwie zueinander stimmen. Darum muß auch jeder wirtschaftliche Körper, der mehrere solche einzelne umfaßt, seinerseits zugleich eine geistige Einheit darstellen, d.h. er muß eine Sprachgemeinschaft sein, die ihren eigenen Dialekt, ihre Haussprache spricht. Eine solche Haussprache verbindet die sonst in Arbeitsteilung auseinandersplitternden Obern und Niedern, Alte und Junge, Männer und Weiber.« Gegenwärtig fehle diese sprachliche Einheit jedoch, und da helfe weder der »Appell an das Pflichtgefühl oder die Anstachelung des Eigennutzes« noch »[p]oetische Sentimentalität, Kunstgenuß, Religion oder Lebensmittel«, weder »Einflüsse aus dem allgemeinen öffentlichen

1 | Vgl. konzeptionell Greenblatt, Auerbach [2000]; Gallagher/Greenblatt, Counterhistory [2000].

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Leben, die in die Fabrik hineinstrahlen« noch der »Zuspruch eines Gliedes zum anderen«. Um »die Krankheit des sprachlos gewordenen Körpers« zu heilen, bedürfe es stattdessen eines »gemeinsamen Sprechers«, der »zu nichts anderem da ist, als diese Übersetzung der Parteien ineinander, die gemeinsame Werksprache, zu sprechen, dessen Beruf eben das und nur das, auch wirtschaftlich, ist. Er maskiert sich weder als Arbeiter noch als Beamter. Er saniert die geistige Einheit des Werks, indem er anfängt, aus ihr heraus zu sprechen. […] Ich erbiete mich, als Sprecher für die Werkeinheit Daimler nach Untertürkheim zu ziehen.«2 RosenstockHuessy zeigt hier an, wofür er Sprache hält: für ein Beziehungsgeflecht, mit dessen Hilfe nicht nur auf soziale Wirklichkeit zugegriffen wird, sondern sich der Mensch vollendet.3 Die Kopplung der Sprach- mit der Getriebemetapher (das Übersetzen ineinander) lässt verschiedene Ordnungsvorstellungen konvergieren und ermöglicht, dass sich derjenige, der wie Rosenstock-Huessy betriebs-soziale Ordnung herstellen will, aus dem Gewühl herausnimmt, sich als Sprecher (in) der Sprache invisibilisiert. Eugen Rosenstock-Huessys Denkschrift kann als paradigmatische Verdichtung eines gesellschaftsgeschichtlich wirkmächtigen Ordnungsdenkens gelten, das Thema der vorliegenden Studie ist. Präziser: Sie geht einem Modus der Be- und Verarbeitung der Moderne nach, der den Industriebetrieb zu einem sozialen Interventionsfeld macht, das es zu ordnen gilt, um die Gesellschaft zu ordnen. Rosenstock-Huessys Intervention ist diesbezüglich in vielerlei Hinsicht aufschlussreich. Sie lässt ein Denken erkennen, das im Industriebetrieb Bedrohung und Herausforderung sah. Der Betrieb wurde als Brennpunkt und Katalysator jener politischen, sozialen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen identifiziert, die mit dem inzwischen eindrucksvoll etablierten Industriekapitalismus verbunden waren. Soziale Implikationen und Effekte der Produktionsverhältnisse wurden lange Zeit vornehmlich als ordnungspolizeiliches oder fabrikdisziplinarisches Problem behandelt.4 Betriebsverfassungen und Fabrikordnungen etablierten einen relativ eigenständigen Bereich, »der dem Zugriff öffentlicher Kritik und Reglementierung entzogen blieb.«5 Die Gestaltungsautonomie der Unternehmer blieb relativ hoch.6 Das änderte sich erst im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert. Nun boten sich Anknüpfungspunkte für sozialpolitische Interventionen, die nicht zuletzt damit zusammenhingen, dass die Gewerkschaften begannen, sich neue innerbetriebliche Tätigkeitsfelder zu erschließen. Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden die Produktionsverhältnisse zu einem 2 | Rosenstock-Huessy, Denkschrift [1919], S. XXXVIIf. 3 | Ausführlicher: Richter, Kreuz [2007], S. 37-49. 4 | Vgl. Farge, Leben [1989]. 5 | Machtan, Innenleben [1981], S. 180; vgl. auch Ders., Arbeiter [1982]. 6 | Vgl. zum Beispiel mit Blick auf Disziplinierungsvorgänge Flohr, Arbeiter [1981].

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IN ACTU

betriebs-sozialen und von dort aus zu einem Problem der gesamten Sozialordnung. Der Betrieb wurde zu jenem Ort, den es zu gestalten galt, um die kapitalistische und industrielle Hochmoderne einzuhegen, eine allerorten diagnostizierte Krise zu überwinden und zu einer neuen Ordnung vorzustoßen. Seit dem Ersten Weltkrieg lässt sich eine Restrukturierung industrieller Beziehungen erkennen, die auf die Herausbildung eines neuen Interventionsfelds hinweist. Der Krieg und seine Folgen etablierten ein Setting, in dem Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Staat die industriellen Beziehungen zu gestalten trachteten. Vor einigen Jahren ist diese Entwicklung in der historischen Forschung als organisierter Kapitalismus diskutiert worden.7 Unter anderem wurde dabei auf eine zunehmend bürokratisierte Organisation kollektiver Interessenkonflikte sowie die zunehmende Verschränkung der sozialökonomischen mit der staatlichen und politischen Sphäre hingewiesen. Ohne erneut in diese Diskussion einsteigen zu wollen, lässt sich der Tendenz nach festhalten, dass die Beziehungen zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft und damit die Problematisierung industrieller Arbeitsverhältnisse sich während des Ersten Weltkriegs und danach merklich veränderten. Die Wahrnehmung industrieller Beziehungen und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft wurde eine andere.8 Es bildete sich ein Verständnis industrieller Beziehungen heraus, das die Koexistenz von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden, von Arbeitern und Unternehmern innerhalb eines organisierten Verhandlungsrahmens ebenso zur Grundlage hatte wie die Einbeziehung staatlicher Interventionen. Die Opazität der individuellen und lokalen Arbeitsverhältnisse – zeitgenössisch untrennbar mit Debatten um die Folgen des modernen Industriekapitalismus für die Gesellschaftsordnung verbunden – evozierte Diskurse, die den Industriebetrieb zu begreifen und in eine harmonische, organische und gemeinschaftliche Ordnung zu verwandeln trachteten. Industriebetriebliches Ordnungsdenken stellt den Versuch dar, die Herausforderungen des modernen, kapitalistischen Industriebetriebs für Gesellschaftsordnung und Expertenwissen anzunehmen und gleichzeitig ein professionelles Betätigungsfeld für die Produzenten eines spezifischen Wissens über den Betrieb zu etablieren. Die Problematisierung industrieller Arbeits- und Sozialverhältnisse zielte auf die Hinausdrängung der kapitalistischen Merkmale und Determinanten (oder besser: sie setzte sich von konkurrierenden Problematisierungen ab, die den Kapitalismus in die Verantwortung nahmen). Sie etablierte eine industrialistische, gleich7 | Vgl. nur Puhle, Konzepte [1984]; sowie die Beiträge in Winkler, Kapitalismus [1974]. 8 | Vgl. allgemein Adams, Market [1997]; Blank, Industry [1973]; Charles, Development [1973]; Cronin, Politics [1991]; Crouch, Relations [1993]; Howell, Unions [2007]; Lowe, Erosion [1978]; Ders., Government [1987]; Ritschel, Economy [1991]; Tomlinson, Managing [2005]; Wischermann/ Nieberding, Revolution [2004].

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sam sozialökologische Perspektive, die sich im Bestreben manifestierte, die soziale Umwelt des Betriebs zu kultivieren.9 Ordnungsdenken und Social Engineering etablierte sich in jenem Moment, als mit dem betriebszentrierten, sozialökologischen Industrialismus eine wirkmächtige Alternativerzählung zum nicht länger praktizierbaren Paternalismus wie auch zum offen revolutionären Anti-Kapitalismus benötigt wurde. Rosenstock-Huessys Denkschrift markiert vor dem skizzierten Hintergrund das typische Sich-ins-Spiel-Bringen eines Experten, der in kritischer Lage – von ihm selbst diagnostiziert, beschworen und zu therapieren versprochen – auftritt. Nachgerade klassisch erscheint in dieser Hinsicht der in der Gliederung seines Texts explizierte Dreischritt: Krankheitsdiagnose; Untaugliche Heilmittel; Vorschlag. Rosenstock-Huessys Interventionismus gab sich die Form philosophischer Beratung und stellt damit eine recht eigenwillige Variante industriebetrieblichen Ordnungsdenkens dar. Entscheidend ist aber der Umstand, dass er sich von allgemeinem Räsonieren ebenso abgrenzte wie von stereotypen, reflexhaften Reaktionen auf die diagnostizierte Krise, dass er (für sich) ein konkretes Betätigungsfeld benannte, durch dessen Bearbeitung er zur Lösung einer allgemeinen Krise vordringen zu können glaubte. Die Diagnose einer fragmentierten betriebs-sozialen Realität führte ihn zum Topos vergemeinschaftender Integration.10 Die »Sprachgemeinschaft« war ein Weg dahin. Eugen Rosenstock-Huessys Bewerbung als »Sprecher für die Werkeinheit Daimler« ist erfolgreich. Er zieht nach Untertürkheim. Daimler richtet eine ambitionierte Werkszeitung ein. Beides hat zunächst wesentlich damit zu tun, dass die Situation in den Daimlerwerken unter dem Eindruck von Kriegsende und Revolution höchst brisant ist.11 Auch bei Daimler kommt es zu einem Wandel in den Einstellungen der Arbeiter. Das resultiert vor allem aus dem konfliktgeladenen Übergang zur Friedenswirtschaft, aus der damit einhergehenden Verkleinerung der Belegschaften auf der einen, dem kontroversen Kurs der Gewerkschaften – zum Ausdruck gebracht im Stinnes-Legien-Abkommen12 – auf der anderen Seite. Den Arbeitern geht es um radikale sozialistische Politik mittels Revolution und um eine Transformation des konkreten »factory regime«. Ziele, Forderungen und Vorgehen der Arbeiterschaft bewegen sich auf verschiedenen Ebenen: die Verbesserung von Löhnen und Arbeitsbedingungen bei gleichzeitiger gesamtgesellschaftlicher Umgestaltung. Für die Unternehmensleitungen heißt das, nicht nur mit den Herausforderungen einer revolutionären Situation, sondern auch damit umgehen zu müssen, dass es ihnen kaum noch möglich ist, verlässliche Einschätzungen der Lage 9 | Vgl. Kap. III. 10 | Vgl. Kap. IV.2. 11 | Vgl. Bellon, Mercedes [1990], S. 137-214, sowie als allgemeinen Überblick Feldman, Disorder [1997]; Geyer, Welt [1998]; Maier, Recasting [1988]. 12 | Vgl. Feldman, Unternehmertum [1984].

I NDUSTRIEBETRIEBLICHES O RDNUNGSDENKEN

IN ACTU

abzugeben. Die brieflichen Berichte, die Daimlers Vorstandsvorsitzender Ernst Berge zwischen Dezember 1918 und Februar 1919 an den Aufsichtsratsvorsitzenden Alfred von Kaulla sendet, legen beredtes Zeugnis von dieser Unsicherheit ab. Die Beurteilungen der Lage schwanken mal in diese, mal in jene Richtung, fokussieren mal diesen, mal jenen (flüchtigen) Eindruck. Heute und morgen glaubt Berge, angesichts ruhiger Lage »weiterhin gut durchzukommen«,13 sieht berechtigte Existenzängste unter den »Anhänger[n] der Spartakusgruppe« sich abzeichnen,14 eine Woche später gewinnt »die Spartakus-Richtung bei geistig Minderwertigen immer mehr Terrain«, und er glaubt, »ohne Bürgerkrieg nicht durch[zukommen]«.15 Dennoch zeigt er sich überrascht, dass der neue Arbeiter-Ausschuss »eine Blütenlese der ärgsten Spartakus-Elemente« ist.16 Auseinandersetzungen und Verschiebungen innerhalb der Arbeiterschaft sind kaum zu durchschauen und noch weniger vorherzusehen. Die bei Daimler durch Vorstandsmitglied Paul Riebensahm und Eugen Rosenstock-Huessy realisierte Werkszeitung, zu deren Autorenkreis auch der Sozialpsychologe Willy Hellpach zählte, reagiert auf die Situation 1918/19.17 Die Wahlen zum Arbeiterausschuss lassen einen Linksruck manifest werden, der der Unternehmensleitung vor Augen führt, dass Teile der Daimlerarbeiterschaft auf Umsturz, Machtübernahme und Enteignung zielen. Auf diese Herausforderung glaubt man nicht länger mit althergebrachten Abwehrmaßnahmen reagieren zu können. Einen Ausweg scheint die im Stinnes-Legien-Abkommen entwickelte Linie der Arbeitsgemeinschaft zu bieten. Industrie und Gewerkschaften schienen mit diesem Abkommen enger zusammenzurücken und als Reaktion auf einen wahrgenommenen Autoritätsverlusts der Regierung nach dem Krieg alternative Formen der kollektiven Interessenorganisation zu etablieren. Dabei rückten drei Problemkomplexe in den Mittelpunkt: die soziale und Wirtschaftsordnung im Allgemeinen, die Sicherung der Selbstverantwortung der Interessengruppen unter Umgehung staatlicher Bürokratie sowie die langfristige Institutionalisierung der Verhandlungswege. Am Bedeutendsten und bereits zeitgenössisch intensiv diskutiert war die Akzeptanz der Gewerkschaften als Verhandlungspartner einerseits, die Anerken-

13 | Ernst Berge: Brief an Alfred von Kaulla, 6.12.1918, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 84. 14 | Ernst Berge: Brief an Alfred von Kaulla, 7.12.1918, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 84. 15 | Ernst Berge: Brief an Alfred von Kaulla, 18.12.1918, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 84. 16 | Ernst Berge: Brief an Alfred von Kaulla, 2.5.1919, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 84. 17 | Dazu und zum Folgenden: Huppuch, Rosenstock-Huessy [2004], S. 27-51; Michel, Fabrikzeitung [1997], S. 168-184; Nübel, Riebensahm [o.J.].

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nung des Privateigentums und der Arbeitgeberverbände andererseits.18 Das Abkommen kann insgesamt als ein Versuch angesehen werden, »die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu entschärfen, indem einerseits die schlimmsten Ausschreitungen der Industrie und andererseits die Verfolgung extremer klassenkämpferischer Forderungen der sozialistischen Gewerkschaften verhindert werden sollten.«19 Die Einrichtung einer Werkszeitung, aber auch – und diese Verbindung ist nicht unwichtig – die spätere Einführung der Gruppenfabrikation werden bei Daimler als Maßnahmen in diesem Sinn in Stellung gebracht. Gerade die Werkszeitung soll den Interessenausgleich fördern, soll eine starke Plattform sein, von der aus sich politische Agitation und Entfremdung überwinden lassen. Die Daimler Werkzeitung reiht sich in die vielfältigen Versuche unternehmerischer, oder besser: unternehmensinterner Öffentlichkeitsarbeit ein. Wie andere neue Werkszeitungen betreibt sie Bildungs- und Erziehungspolitik, politische Überzeugungsarbeit, (interpretatorische) Bewältigung der für die Gegenwart diagnostizierten Krise – wird sie integraler Bestandteil einer umfassenden Werkspolitik.20 Die erste Nummer der Daimler Werkzeitung wird dem Arbeiter-Ausschuss seitens der Werksleitung vor Erscheinen überreicht und durch ein Begleitschreiben eingeführt, um den Ausschuss »in die Lage [zu] versetzen, Ihre Kollegen aufzuklären, wenn sie vor dem Werbeblatt stehen werden, das am Tage vor dem ersten Verkauf in den Werkstätten ausgehängt werden wird. Wir stellen Ihnen anheim, für die Zeitung zu werben, wenn sie Ihnen gefällt und wenn Sie glauben, etwas von den Erwartungen teilen zu können, die wir an sie knüpfen.«21 Man habe versucht, »die Ausstattung der Zeitung […] auf ein hohes künstlerisches Niveau zu heben«. Aufgabe des in die Gestaltung von Layout und Schrifttype einbezogenen Künstlers sei jedoch gewesen, »kein übermodernes oder eigenartiges Bild zu schaffen, sondern eine dem Inhalt angepasste schwere Zeichnung des Titels, welche besonders in Erscheinung treten lässt den Namen Daimler, der für das Werk und unser ganzes Streben charakteristisch ist«22 (vgl. Abb. 1). Die Abgrenzung ist klar: Ein moderner Automobilhersteller will weder mit avantgardistischen Experimenten noch rückwärtsgewandter Designnostalgie in Fraktur und Ornament in Verbindung gebracht werden, sondern überall Geradlinigkeit, Realismus und zukunftweisenden Pragmatismus demonstrieren. Auf diesem Boden sollte wechselseitiges Verständnis wachsen.

18 | Vgl. Feldman/Steinisch, Industrie [1985]; Ders., Unternehmertum [1984]; Schönhoven, Gründung [1990].

19 | Feldman, Unternehmertum [1984], S. 100. 20 | Vgl. Michel, Fabrikzeitung [1997], S. 111-274. 21 | Schreiben vom 3.6.1919 an den Arbeiter-Ausschuß, Betr. DaimlerWerkszeitung, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 87.

22 | Ebd.

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IN ACTU

Abbildung 1: »Eine dem Inhalt angepasste schwere Zeichnung des Titels«.

Innerhalb eines also keineswegs neutralen gestalterischen Rahmens entfaltet sich das Programm der Werkszeitung. Als Paul Riebensahm, Mitglied im Daimlervorstand, späterer Professor für mechanische Technologie, neben Goetz Briefs einer der Mitbegründer des Berliner Instituts für Betriebssoziologie und soziale Betriebslehre sowie treibende Kraft bei der Realisierung der Werkszeitung, im ersten Artikel der Daimler Werkzeitung deren Ziel zu bestimmen sucht, bezieht er Stellung zum Problem betriebs-sozialer Ordnung. Ausgangspunkt ist eine profunde Krisendiagnose, die die Notwendigkeit ordnender und gestaltender Interventionen legitimierte. »Während die schwere innere Krise und die Erfüllung eines unheilvollen äußeren Geschickes das deutsche Land und die deutsche Industrie so sehr erschüttern, daß der Zusammenbruch fast unvermeidlich erscheint; während durch dieses Geschehen auch die Werke, die den Namen Gottlieb Daimlers tragen, hart an die Grenze ihrer Widerstandskraft

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gebracht sind: wagt die Leitung dieser Werke ein neues Unternehmen, die Herausgabe einer Werkzeitung, und beansprucht dafür das Interesse ihrer Arbeiter und Beamten und ihre Mitarbeit.«23 Das Werk leistet Widerstand, es ist  –  zumindest für Leute wie Paul Riebensahm  –  nicht selbst für soziale Probleme verantwortlich. Die Bedrohung bricht von außen herein. Dass sie aus Strukturmerkmalen des kapitalistischen Betriebs selbst resultieren, dass sie im Inneren entstehen und sich dort nicht nur manifestieren kann, wird ignoriert – und genau das konstituiert industriebetriebliches Ordnungsdenken zu einem wesentlichen Teil mit. Kapitalismus und industrielle Produktion, das wird hier suggeriert, sind zweierlei. Der Kapitalismus im Betrieb oder die kapitalistischen Elemente des Unternehmens sind nicht für die drängenden Probleme der Zeit verantwortlich. Nicht der Kapitalismus oder das ihn tragende Bürgertum stellen bei Riebensahm eine Gefahr dar, sondern die »unverhüllte Kampfansage des Proletariats«, die »verbitterte Feindschaft des Arbeiterproletariats gegen den Kapitalismus«.24 Auch die Maschinisierung industrieller Arbeit sowie die Herausbildung von Großbetrieben sei nur insofern verantwortlich, als dass der »Siegeslauf der deutschen Technik« Begeisterung hervorgerufen habe und »schließlich den Ingenieur beim Erdenken der Spezialmaschinen vergessen [machte], in die Rechnung den Arbeiter einzusetzen […]; er ließ ihn über der Maschine den Menschen vergessen.«25 Auch diejenigen, die im Gegensatz zu Riebensahm den Betrieb etwas stärker in die Verantwortung nahmen, das heißt ihn nicht von vornherein als Problemerzeuger ausschlossen, vertraten nach dem Ersten Weltkrieg in der Regel nicht mehr die Ansicht, man könne hinter den Betrieb zurück. Der moderne Industriebtrieb musste zukünftig gestaltet und nicht mehr bekämpft werden. Diese Gestaltung sollte auf die Stabilisierung der betriebs-sozialen Ordnung zielen – auf die Abschirmung gegen äußere Störfaktoren. Vor diesem Hintergrund ist die Aufgabe der Werkszeitung ebenso klar wie gewaltig und in gewissem Sinn waghalsig. Schließlich habe sie nichts Geringeres als den Nachweis zu erbringen, dass es »noch etwas Gemeinsames zwischen Werksleitung und Werksarbeitern [gibt], worüber der Leiter dem Arbeiter etwas zu sagen hätte und was der Arbeiter anzuhören Anlaß und Lust hätte. […] [D]ie Welt der Arbeit muß wieder aufgebaut werden. […] Die inneren Verhältnisse in der Welt der Arbeit müssen besser gefügt werden.«26 Die Werkszeitung, so Riebensahms Resümee, »soll nicht die ›soziale Frage lösen‹. Aber sie soll durch ihren geistigen Inhalt […] Verständigung anbahnen. Sie soll immer daran erinnern, daß in der Arbeit, die gerade uns in der nächsten Zukunft ganz einfach ein brutales Muß sein wird, wir alle Kameraden sind; soll zeigen, daß diese Arbeit, sei sie geistig oder körperlich und noch so verschieden, nur gelingen kann, 23 | Riebensahm, Welt [1919], S. 1. 24 | Ebd., S. 1f. 25 | Ebd., S. 2. 26 | Ebd., S. 1f.

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IN ACTU

wenn der Mensch, der sie tut, sie geistig durchdringt; soll schließlich den, der Anderen vorgesetzt ist, erinnern, immer daran zu denken, daß der Mensch nicht um der Arbeit willen da ist, sondern die Arbeit um des Menschen willen: um ihm einen Lebensinhalt zu geben und alle Fähigkeiten, die in ihm liegen, herauszubringen, zu entwickeln und zu steigern zur höchsten und edelsten Vollendung. Denn auch in der Welt der Arbeit ist ›der Mensch das Maß aller Dinge‹.«27 Riebensahms Artikel versammelt wesentliche Topoi industriebetrieblichen Ordnungsdenkens: die Entökonomisierung des Industriebetriebs; seine Hypostasierung als Arbeitsgemeinschaft, als abgeschlossene, von betriebsäußerlichen Mächten und Einflüssen abgegrenzte soziale Einheit; schließlich die Beteuerung und Beschwörung, dass der Mensch im Mittelpunkt zu stehen habe. Die Konturen industriebetrieblichen Ordnungsdenkens kommen im Zusammenhang von Krisendiagnose, konstatiertem Handlungs- und Gestaltungsbedarf, einer Kluft zwischen ›realen‹ Entwicklungen und dem ›Wesen‹ konkreter Sozialordnungen, der Identifizierung konkreter Handlungs- und Interventionsbereiche sowie der Skizze möglicher Mittel und Wege betriebs-sozialer und gesamtgesellschaftlicher Reintegration zum Ausdruck. Die Daimler Werkzeitung stellte ihr Erscheinen im August 1920 bereits wieder ein – auf dem Höhepunkt der arbeitskämpferischen Auseinandersetzungen bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft, am Vortag der Aussperrung vom 25. August 1920.28 Die paradoxe Situation, in der die Werkszeitung und weitere industriebetriebliche Ordnungsinstrumente insgesamt gefangen waren, bestand darin, dass sie voraussetzten, was sie zu beenden oder zu verhindern versprachen. Sie provozierten Widerspruch und forderten zur Positionierung heraus. Dass der Raum für Verständigung, den sie herstellen wollten, genutzt wurde, um Differenzen zu markieren, sahen sie nicht voraus. Man konnte sich eben, seitens der Arbeiter mit guten Gründen, auch darauf verständigen, dass Positionen und Perspektiven sich nachhaltig unterschieden. Zu oft erwies sich ein vermeintlich neutraler, gemeinsamer Standpunkt als parteiischer Standpunkt. Die Neutralitätsbehauptung selbst wurde suspekt. Zugleich öffnete sich aber ein Möglichkeitsraum für alternative Strategien betriebs-sozialen Ordnens. Die Unternehmensleitung ging daran, die Produktion zu reorganisieren und akzentuierte das einerseits als Rationalisierungsmaßnahme, andererseits als betriebs-soziale Reintegration. Nicht nur bei Daimler verbanden sich in der Zwischenkriegszeit technische Rationalisierung und soziale Betriebspolitik, um den politischen, sozialen, ökonomischen und technischen Herausforderungen gleichermaßen zu begegnen.29

27 | Ebd., S. 3. 28 | Vgl. Bellon, Mercedes [1990], S. 137-213. 29 | Vgl. Fiedler, Sozialpolitik [1996], S. 367-374; Kleinschmidt, Sozialpolitik [1992].

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Bei Daimler hatte sich vor dem Ersten Weltkrieg die klassische Werkstattproduktion voll ausgebildet.30 Dieses Produktionsregime unterteilte die Fabrik in zumeist auch räumlich getrennte Abteilungen und diese wiederum in verschiedene Arbeitsstätten. Maschinen ebenso wie die verschiedenen Arbeiten wurden nach ihrer Art, nicht bezogen auf ihre Funktion im Produktionsablauf zusammengefasst. Dabei bildete jede Werkstatt »in der Regel eine Haupt-Kostenstelle und einen Verantwortungsbereich – vom Daimler-Werk wird erzählt, daß die Macht seiner Werkstattleiter ausgangs der Kaiserzeit so groß war, daß der Betrieb damals so etwas wie eine Föderation selbständiger Meisterrepubliken war.«31 Der Hauptvorteil dieser Produktionsorganisation lag darin, dass man mit einem relativ kleinen Maschinenbestand auskommen konnte und aufgrund der Dominanz von Universalmaschinen in der Wahl des Produktionsprogramms flexibel blieb. Als nachteilig erwiesen sich die langen Wege, die die Werkstücke im Betrieb zurücklegen mussten, die notwendigen Zwischenlager sowie die organisationsbedingten »unproduktiven Zeiten«. Nach dem Ersten Weltkrieg führte Daimler die Gruppenfabrikation ein. Dieser Schritt war zwar schon während des Kriegs geplant worden, »konnte aber wegen der dazu nötigen Umstellung vieler Maschinen und der damit verbundenen Störung des Betriebs, sowie wegen Platzmangels damals nicht durchgeführt werden. In der Übergangszeit dagegen, wo sich die Umstellung teilweise als willkommene Notstandsarbeit ausführen ließ und auch mehr Raum zur Verfügung stand, wurde mit der Ausführung des Planes umgehend begonnen.«32 In der Gruppenfabrikation, so der verantwortliche Produktionsingenieur und Vorstandsmitglied Richard Lang, »werden, fußend auf der Aufbauart der kleinen mechanischen Werkstätte, Fabrikationsgruppen gebildet, die sich aus allen Arten von Werkzeugmaschinen zusammensetzen und außer Maschinenarbeitern noch Schlosser und andere Arbeiter umfassen. Die Fabrikationsaufgabe einer solchen Gruppe ist die Fertigbearbeitung einer gewissen Anzahl verschiedener zusammengehöriger Teile, die miteinander einen in sich abgeschlossenen wesentlichen Bestandteil des Gesamterzeugnisses bilden. […] Die zum Gehäuse gehörigen Einzelteile wandern statt innerhalb des ganzes Werkes von Werkstatt zu Werkstatt, nur innerhalb der Gruppe, als Rohteile […] die Werkstatt betretend, von einer Maschine zur anderen, oder von einer Maschine zum Schlosser, von diesem zu den nächsten Maschinen, die der Arbeitsgangfolge entsprechend im Raume angeordnet sind.«33 Die einzelne Gruppe sollte die Produktion im Kleinen repräsentieren, sie sollte das Ganze auf überschaubarem Raum sinnfällig machen. Motiv und primärer Zweck der 30 | Zur Geschichte der Produktionsorganisation bei Daimler: Bellon, Mercedes [1990], S. 25-81; Flik, Ford [2001], S. 111-123; Kugler, Werkstatt [1987], S. 310-316, 329-332; Stahlmann, Revolution [1993], S. 89-143. 31 | Flik, Ford [2001], S. 112. 32 | Lang, Gruppenfabrikation [1919], S. 5. 33 | Lang, Gruppenfabrikation [1922], S. 2f.

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Gruppenfabrikation wurden technisch und organisatorisch gekennzeichnet; Kontrolle, Übersichtlichkeit und Transparenz technisch und organisatorisch codiert. Zugleich aber – und damit berührten sich Werkszeitung und Produktionsreorganisation in ihren Zielsetzungen  –  wies man den Arbeiter auf die Möglichkeit hin, »zu beobachten, wie auf dem von ihm geleisteten Arbeitsgang weitergebaut, oder wie das von ihm hergestellte Einzelstück weiter verwendet wird, was auf seine Arbeitslust doch wieder anregend wirken, sein Verantwortlichkeitsgefühl stärken kann«.34 Es sei nicht auszuschließen, dass »diese engere Umgrenzung des Arbeitsgebietes innerhalb einer Gruppe jedem daran Beteiligten die Möglichkeit [gibt], dasselbe zu überblicken und geistig zu verarbeiten, also zu vermeiden, daß er infolge mangelnden Überblicks die geistige Fühlungnahme mit seiner Arbeit verliert.«35 Die »geistige Durchdringung« der Arbeit, daran sei erinnert, hatte auch Paul Riebensahm im ersten Heft der Daimler Werkzeitung als Voraussetzung des Gelingens gemeinsamer Arbeit benannt, die zu schaffen sich auch die Werkszeitung anschickte. Kurze Zeit nach ihrer Einführung tritt Willy Hellpach, er hatte auf Einladung Rosenstock-Huessys die Daimlerwerke besichtigt,36 als sozialpsychologischer Evaluator der Gruppenfabrikation auf. Hellpach rückt Richard Langs Bemühungen in den Kontext des sozialpsychologisch zu durchdringenden »Fabrikproblems«.37 Vor dem Hintergrund einer diagnostizierten »Atomisierung der Fabrikarbeitsleistung« stellt er fest, dass »dieser betriebstechnische Weg […] nicht bloß von Werkraumkleinheit zu Werkraumgröße, nicht bloß von Werkraumeinheit zu Werkraumvielfalt«, sondern, »was die Ausfüllung der Werkräume belangt, von der räumlichen Zusammenfassung des Verschiedenen, einander Ergänzenden, zur werkräumlichen Zusammenfassung des Gleichartigen, nebeneinander Herlaufenden« führe.38 Evident ist der Zusammenhang, der zwischen Raum und Sozialordnung hergestellt wird. In der Konfrontation der Gruppenfabrikation mit allgemeinen sozialpsychologischen Bestimmungen widmet sich Hellpach der Frage, ob die Betriebsumstellung »außer den betriebstechnischen Vorzügen, die sie haben mag, auf einen Weg [weist], oder […] wenigstens einen Ausgangspunkt [bildet], um den Fabrikarbeiter aus der menschlichen und sachlichen Atomisierung herauszuführen und ihn wieder stärker mit sachlichen Gehalten und menschlichen Werten seiner Arbeit zu verknüpfen, ihm das Bewußtsein eines Sinns, eines Ergebnisses seiner Leistung, einer zu lösenden und gelösten Aufgabe wiederzugeben? und [sic!] ihm damit auch die Arbeitsfreuden zu 34 | Ebd., S. 3f. 35 | Lang, Gruppenfabrikation [1919], S. 4. 36 | Rabus, Gruppenfabrikation [1999], S. 60 – mit Verweis auf einen Brief Rosenstock-Huessys an Hellpach vom 2.12.1919. 37 | Vgl. Hinrichs, Seele [1981], S. 170-179; Pfanzer, Begründung [1995], S. 85-114. 38 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 21f.

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schaffen, die an gehaltvoller und sinnvoller Leistung, an Aufgabestellung und Aufgabelösung, und nur daran hängen?«39 Existieren also die (von Lang als Vermutung angedeuteten) nicht intendierten psychologischen Folgen der Gruppenfabrikation wirklich? Das ist es, was Hellpach interessiert. Ohne über »Wirkungstatsachen« abschließend Auskunft geben zu können, stattdessen »Wirkungsmöglichkeiten« ausleuchtend, verweist er auf die in der Gruppenfabrikation »liegenden wirklichen Integrationskeime«. Die Gruppenfabrikation zeige »den Weg, nein einen Weg, auf dem Differenzierung und Spezialisierung der Arbeit nicht in sachliche und menschliche Atomisierung des Arbeiters und seiner Arbeit ausmünden muß. Sie schafft die Tatsachen einer organischen Verbundenheit der Arbeitenden – ob sich daraus echte organische Gemeinschaftsgebilde entfalten, muß abgewartet werden – und eines organischen Zusammenhangs des natürlichen Fertigungsprozesses  –  ob sich daraus eine organische Einstellung der Gruppenglieder zu ihrem speziellen Arbeitsabschnitt, zum Arbeitsganzen entfaltet, muß ebenfalls abgewartet werden.«40 Sieht man von Hellpachs wenig ›sachlicher‹ Sprache ab, so sind seine Äußerungen durchaus typisch für ein spezifisches Ordnungsdenken: Betonung des Organischen; Betonung gemeinschaftlicher Verbundenheit; Kritik an Individualisierung, Fragmentierung und Atomisierung. Auch die Gruppenfabrikation erweist sich rückblickend als Bestandteil einer Suchbewegung in unmittelbarer Folge von Weltkrieg und Revolution. Vieles war in dieser Umbruchsituation denkbar, und so verwundert es nicht, dass Eugen Rosenstock-Huessy, nachdem sein Werkszeitungsprojekt beendet war, sich bald zurückmeldet – mit der Idee der Werkstattaussiedlung. Rosenstock-Huessy versteht die Bemerkung, die in sich geschlossenen, von anderen Bearbeitungsabteilungen unabhängigen Fabrikationsgruppen ließen »hinsichtlich des Raumes für ihre Unterbringung großen Spielraum«,41 wörtlich und als Aufforderung, deren räumliche Ausgliederung voranzutreiben. Fluchtpunkt seiner Überlegungen ist die Feststellung, dass der »Ort«, an dem der »Lebensraum des Arbeiters« gesucht werden könne, »durch den politischen Kampf zwischen Kapital und Arbeit so heimgesucht worden [ist], daß die Parteien selbst über seine genaue Lage im ungewissen zu sein scheinen. […] In einem solchen Zustand der Dinge, der Gefühle und der Beurteilung liegt der Lebensraum des Arbeiters nicht innerhalb der Fabrik.«42 Rosenstock-Huessy konstatiert ein Auseinandertreten von »Arbeitsraum« und »Lebensraum«. Ein Weg aus diesem Dilemma soll die Dezentralisierung industrieller Produktion sein: die »Werkstattaussiedlung«, das heißt die »Zerlegung« von Großbetrieben in »Filialen«. Damit sei nicht die Zerschlagung des Großbetriebs »vom grünen Tisch aus« gemeint, da dieser 39 | Ebd., S. 49. 40 | Ebd., S. 92. 41 | Lang, Gruppenfabrikation [1919], S. 4. 42 | Rosenstock-Huessy, Werkstattaussiedlung [1922], S. 5-7.

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»die Stoßkraft einen inneren Entwicklungstriebes, der aus dem Zustand des Großbetriebes selbst heraus kommt«43 fehle. Mit der Werkstattaussiedlung »schraubt« sich die »Arbeitsgruppe« aus dem Fabrikganzen heraus. Auf dem Stand der technischen Möglichkeiten »schnürt« sie sich als »eigenes Glied allmählich ab« und wird zu einer »beschränkt selbständigen Rechtsorganisationen«.44 Die Diagnose eines Auseinanderfallens von Arbeits- und Lebensraum, das Beharren auf ihrer Zusammengehörigkeit sowie das Bestreben, sie neuerlich zu integrieren, sind keine Besonderheiten des Rosenstock-Huessy’schen Denkens, sondern charakteristisch für industriebetriebliches Ordnungsdenken insgesamt.45 Das Wirken Eugen Rosenstock-Huessys und Willy Hellpachs im Umfeld Daimlers, ihr Engagement in Fragen industriebetrieblicher Produktionsorganisation und damit der betriebs-sozialen Ordnung weist sie als Akteure innerhalb eines bestimmten Modus der Problematisierung des Sozialen aus. Beider Engagement verweist auf einige Spezifika von Ordnungsdenken zu Beginn der zwanziger Jahre. Diese Situation war zunächst durch die Abwesenheit eines kohärenten Wirkungsfelds für betriebliche Humanexperten gekennzeichnet. Aus unterschiedlichen Richtungen setzten daher Versuche ein, einen Bereich zu etablieren, in dem ein Expertenwissen wirken konnte. Innerbetriebliche Verwissenschaftlichungsprozesse verliefen zunächst fast ausschließlich über technisch orientierte Rationalisierungsexperten. Erst langsam wurden Forderungen erhoben, die technische durch eine soziale Rationalisierung zu ergänzen.46 Hier setzte nicht zuletzt die im Entstehen begriffene Betriebssoziologie an. Ludwig Heinrich Adolph Geck, gleichermaßen Akteur wie erster Historiograph der Betriebssoziologie, bemerkte, dass Eugen RosenstockHuessys und Willy Hellpachs Schriften »im Grunde vom Streben nach Sozialreform, vorzüglich nach Sozialreform des Betriebes, getragen und insofern nicht als soziologisch zu vermerken [seien], entsprechend unserem modernen Begriff von Soziologie, der rein seinswissenschaftlich orientiert ist«.47 Die Verankerung in den Diskussionen um betriebliche Sozialreform führte dennoch zur Soziologie, denn von dieser wurde nach dem Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution erwartet, in die Gestaltung der industriellen Verhältnisse einzugreifen, allgemeiner: in einen neu sichtbar gewordenen sozialen Gestaltungsraum hineinzuwirken. Gecks Kritik und Würdigung Rosenstock-Huessys und Hellpachs aus der Perspektive »seinswissenschaftlicher« Soziologie ist im Grunde selbst ein typisches Vorgehen von Ordnungsdenken im hier gemeinten Sinn, denn diesem geht es nicht um eine Zurückweisung sozialreformerischer An43 | Ebd., S. 162. 44 | Ebd., S. 170. 45 | Vgl. Kap. III.1. 46 | Vgl. Rosenberger, Experten [2008], S. 41-90. 47 | Geck, Entstehungsgeschichte [1951], S. 110f.; vgl. auch Schuster, Betriebssoziologie [1986].

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sätze, sondern um deren Rückbindung an diagnostizierte Wirklichkeiten. »Seinswissenschaft« und »eingreifende Soziologie« sind hier eben kein Widerspruch. Der unangefochtene Pate derartiger Soziologie war Hans Freyer. Freyer bescheinigte der »deutschen Soziologie« einen »tapferen Realismus«, wies zugleich aber darauf hin, dass die »realistische Haltung« nicht bedeute, die bürgerliche Gesellschaft des neunzehnten Jahrhunderts hinzunehmen »als die naturgesetzliche Ordnung des menschlichen Gemeinschaftslebens und sie wird nicht anerkannt als endgültige Struktur. […] Bei all ihrem Realismus verzichtet die deutsche Soziologie nie darauf, dem Zeitalter Normen und Ziele entgegenzuhalten; und diese Normen und Ziele sind nicht einem abstrakten System der Moral oder des Rechtsdenkens entnommen, sondern sie werden aus einem geschichtlich vertieften Wissen um den Sinn des Volkslebens geschöpft.«48 Freyers Konzeption einer Soziologie als »Wirklichkeitswissenschaft« kann exemplarisch für eine Debatte stehen, die in Deutschland seit der Jahrhundertwende geführt wurde und den Versuch darstellte, die »Antinomie zwischen nomothetischen Wissenschaftsauffassungen einerseits und den historischen Schulen andererseits mit einer Synthese von Theorie und Geschichte zu überwinden. […] Ihr Anliegen war wissenschaftliche Zeitdiagnostik, um zu einer Überwindung der Gegenwartskrise beizutragen.«49 Gerade letzteres wurde nach dem Ersten Weltkrieg besonders dringlich und verlor erst mit dem Glauben an eine unbegrenzte sozialtechnische Gestaltbarkeit der Gesellschaft in den sechziger Jahren an Bedeutung.50 Diese Perspektive realisierte sich in unterschiedlichen Feldern der Sozialwissenschaft, auch innerhalb der entstehenden Betriebssoziologie. In dem Maß, wie sich die einzelnen Betriebe stärker in außerbetriebliche Kreisläufe neuen Wissens, neuer Determinanten der Produktivkraftsteigerung und Verwertungsmaximierung eingebunden sahen, öffnete sich ein Reflektionsraum, in dem soziologisches Wissen relevant werden konnte.51 Industriebetriebliches Ordnungsdenken stellt nun aber nicht lediglich die Vorgeschichte betriebssoziologischer Disziplinierung oder verwissenschaftlichter Personalpolitik, sondern den Horizont dar, von dem aus auch diese verständlich werden. Rosenstock-Huessy war nicht in erster Linie betrieblicher Sozialexperte, sondern Sozialreformer, der Erwachsenenbildung, Industriereform und Sozialpolitik zu integrieren suchte.52 Auch Hellpachs Tätigkeitsfeld erstreckte sich in viele Richtungen, die arbeitswissenschaftlich und sozialpsychologisch geprägt waren, ohne sich nach-

48 | Freyer, Gegenwartsaufgaben [1934/35], S. 119f. Zum darin mitschwingenden Objektivitätsbegriff vgl. mit Blick auf die deutsche Geschichtswissenschaft Etzemüller, Geschichte [2004]. 49 | Kruse, Sozialphilosophie [1999], S. 13. 50 | Vgl. ebd., S. 71-85. 51 | Vgl. Schuster, Industrie [1987], S. 110-120, 268-368. 52 | Vgl. Huppuch, Rosenstock-Huessy [2004].

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haltig zu einem identifizierbaren Betriebsexpertenwissen zu verdichten.53 Gerade dieser Umstand illustriert die Problematik industriebetrieblichen Ordnungsdenkens. Es liegt quer zu vorhandenen Wissensbeständen und Akteurskonstellationen. Was Eugen Rosenstock-Huessy und Willy Hellpach fasziniert, sind sporadische, episodische, fragmentarische Berührungen mit der beschworenen betrieblichen Praxis, die Verbindung mit ›den Praktikern‹. Beide inszenieren eine Komplementarität von sozialpsychologischer Forschung und betriebspraktischem Wissen. Das Anwendungspostulat durchzog die gesamte Entstehungsphase der Betriebssoziologie, in der verschiedene Themen zusammenliefen und sich unterschiedliche Akteure trafen: Praktiker aus dem gewerkschaftlichen Umfeld, aus den sozialpolitischen Abteilungen industrieller Großunternehmen sowie Meister und Ingenieure.54 Hellpach gibt sich Mühe, zwischen seiner sozialpsychologischen und der betriebstechnischen Fragestellung Richard Langs zunächst einmal zu differenzieren. Er selbst will der Frage nachgehen, ob die Lang’sche Betriebsumstellung über ihre betriebstechnischen Vorzüge hinaus einen Ansatz biete, »um den Fabrikarbeiter aus der menschlichen und sachlichen Atomisierung herauszuführen«, während er sogleich feststellt, dass »solche Perspektiven […] nicht das Motiv des Erprobers der Gruppenfabrikation gebildet [haben]; sie haben seine Probe nicht einmal mitbestimmt. […] Sachliche Mißstände wurden bemerkt und sachliche Mißstände sollten beseitigt werden: dies leitete unseren Experimentator.«55 Während Lang  –  aus guten Gründen, wie ihm zugestanden wird  –  »menschenseelische« Wirkungen lediglich als »Epiphänomene« mitreflektiere, gilt es seitens der Sozialpsychologie »die psychologischen Nebenwirkungen aufzudecken, an ihrer Demonstration selber wieder die werdenden Betriebstechniker zu schulen und so, gleichsam nach einem erzieherischen Dynamoprinzip, aus ersten Spuren menschenseelischer Effekte des betriebstechnischen Wirkens mittels des Wechselspiels von probierender Praxis und wissenschaftlicher Beobachtung eine stetig steigende, stetig bewußtere fabrikpsychologische Energieentfaltung zu erzielen.«56 Auch Rosenstock-Huessy hat seinen Praktiker. Er hat den Dreher Eugen May, dessen Lebenslauf er sich ausführlich erzählen lässt und seiner Abhandlung zur Werkstattaussiedlung als »echtes Material im Sinne von Mutterboden, also im Ursinne des Wortes« voranstellt.57 »Der Bericht des Herrn May und die Antwort an ihn«, so Rosenstock-Huessy in der methodischen Vorbemerkung, »soll die abstrakte Diskussion mit einem abstrakt vorge-

53 | Vgl. Engstrom, Dimensionen [1997], S. 178-187; Pfanzer, Begründung [1995]. 54 | Vgl. Schuster, Betriebssoziologie [1986], S. 39-52. 55 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 49f. 56 | Ebd., S. 58. 57 | Rosenstock-Huessy, Werkstattaussiedlung [1922], S. 15.

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stellten Publikum verhindern.«58 Die »Mitarbeiterschaft des Herrn May« zwinge »dem Verfasser und dem Leser die volle geistige Mitanwesenheit und Mitgegenwart des Objekts, von dem die Rede ist, des Arbeiters«, auf. Freilich: »Nicht die eigenen Urteile und Standpunkte des Herrn May an sich sind wichtig, die könnten auch entgegengesetzt lauten; sondern der Leser hat die Kontrolle dafür, ob in den zahlreichen Tatsachen seiner Erzählung als Erzählung dieselben Fragen und Antworten drinstecken, die meine Untersuchung aufwirft. Soweit sich seine Biographie und mein Problem nicht decken, bleibt die Lebenswichtigkeit meines Problems zweifelhaft. Denn dann ist eben nicht nachgewiesen, ob die von mir erteilten Fragen wirklich die Arbeiterschaft in ihrer Lebenserfahrung treffen. Es kann auch dann noch alles wahr sein, was ich sage. Aber es fehlt dann der Boden, auf dem man diese Wahrheit kann erwachsen sehen.«59 Willy Hellpach ist als Herausgeber der Sozialpsychologischen Forschungen und Autor ihres ersten Bands mit dem Manuskript der Werkstattaussiedlung vertraut. Er kündigt die Arbeit als zweiten Band der Reihe bereits an und greift Rosenstock-Huessys Umgang mit der Lebenserzählung Eugen Mays auf, um zu betonen, dass nicht nur Betriebsingenieure, sondern auch Arbeiter in der Lage seien, »sachliche Mißstände« zu erkennen und Kritik mit »keinerlei menschlichem Ressentiment«, »stichhaltig und von allem bloßen Nörgeln, Besser-wissen-wollen, Kritteln aus persönlicher Verstimmung oder Verletztheit heraus weit entfernt« zu leisten.60 Hellpach und Rosenstock-Huessy führen in ihren Studien vor, wie sie sich ihre Rolle als Experten für Fragen industriebetrieblicher Ordnung vorstellen – im ›Dialog‹ mit der ›Praxis‹, aber dennoch innerhalb einer spezifischen Hierarchie des Wissens: Die Praktiker wissen Bescheid über ihr (begrenztes) Tätigkeitsfeld, sie kennen Abläufe, Notwendigkeiten und Erfordernisse der Produktion vor Ort, ohne Zweifel sind es doch aber andere Fragen, die die Menschheit umtreiben. Hellpach und Rosenstock-Huessy, nicht Lang und May, sind fähig und berufen, die entscheidenden Probleme aus den konkretistischen und lokalistischen Erzählungen zu destillieren; sie sind es, die die notwendige Übersetzungsarbeit leisten. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich zum Beispiel die in Rosenstock-Huessys »Antwort« an Eugen May entworfene Beziehung von Lebenslauferzählung und sozialpsychologischer Abhandlung verstehen: »Keiner der Fragen, die in den Kapiteln gestellt und zu beantworten versucht werden, gedenkt Ihre Erzählung ausdrücklich. Dennoch stecken alle diese Fragen in Ihren Ausführungen stillschweigend mit darin.«61 Die Innenperspektive der Arbeiter ist es also gerade nicht, die Rosenstock-Huessy einzunehmen trachten. Ihm geht es nicht um eine infinitesimale Annäherung an ein ›authentisches‹ Erleben der im Betrieb lebens- und arbeitsweltlich Situ58 | Ebd., S. 9. 59 | Ebd., S. 14. 60 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 50-52. 61 | Ebd., S. 81.

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ierten, auch nicht um Aufwertung und Legitimation einer wissenschaftlichen Außenperspektive. Einer solchen Außenperspektive, das hätte er jederzeit bestätigt, wäre jede Innenperspektive unendlich überlegen. Das programmatische Sprechen-Machen der Praktiker, die Übersetzung ihrer Perspektive zielt auf eine Transformation des akademischen Blicks in etwas Drittes, in einen eigentümlichen Zwischenraum. Erprobt mit dieser Art von Praxisnähe sind Eugen Rosenstock-Huessy und Willy Hellpach seit ihren Erfahrungen mit der Daimler Werkzeitung. Diese war schließlich mit einer Aufforderung zu Mitarbeit gestartet, die sich nach einiger Anlaufzeit auch einstellte – mit einer Kritischen Betrachtung von Modellschreiner Z., der das Abweichen der Modelle von den Maßen der Zeichnungen (als Folge eigenmächtiger Korrektur) bemängelt und »das Fremdsein unserer Techniker mit dem tatsächlichen Arbeitsgang« dafür verantwortlich macht. Um Abhilfe zu schaffen, schlägt er vor, »allen vom ›Reißbrett‹ einen Bummeltag zu geben, wo sie ohne Verpflichtung in den Werkstätten den Arbeitsgang beobachten können.«62 Nachdem eine Reaktion auf die Kritik auszubleiben scheint, fordert ein Modellschreiner (derselbe?) diese mit Nachdruck ein. Nur wenn die Betriebsleitung auf »berechtigte Kritiken das Bessermachen folgen lasse«, sei zu erwarten, »daß die Arbeiterschaft das bis jetzt noch bestehende Mißtrauen ablegt und freudig an der Weiterentwicklung der Daimlerwerke mitarbeitet.«63 Paul Riebensahm reagiert persönlich auf die vorangegangenen Artikel. Elegant gibt er den Kritikern Recht, wirbt aber zugleich für den Standpunkt der Kritisierten und bezieht damit die so geliebte vermittelnde Position. Kann es wirklich sein, dass bisher niemand das Problem bemerkt hat – in einem »großen, gut organisierten Betrieb«? Kann es wirklich sein, dass den Konstrukteuren die tatsächlichen Arbeitsgänge fremd sind? Nicht zuletzt die durch die Kritik angestoßene Prüfung des Sachverhalts habe schließlich ergeben, dass es sich bei den Berechnungen und Zeichnungen der Konstrukteure um »Erfahrungswerte aus den Werkstätten« handle. Wenn dennoch etwas nicht passe, dürfe allerdings »die Werkstätte nicht nach eigenem Ermessen Änderungen vornehmen, ohne sie mit dem Konstrukteur zu besprechen oder ihm wenigstens Mitteilung zu machen. Erfährt der Konstrukteur nicht, daß sich Anstände ergeben haben, so muß er annehmen, daß alles in Ordnung ist, und kommt nicht dazu, Erfahrungen zu sammeln und zu verarbeiten. Besprechen aber Werkstätte und Konstrukteur solche Erfahrungen, so wird das Konstruktionsbüro das nächste Mal Zeichnungen liefern, nach denen die Werkstätte arbeiten kann.«64 Zufrieden schlussfolgert Riebensahm, die Art der Lösung des »Falles« zeige, dass »die Mitarbeit aller Angehörigen 62 | Anonym, Völliger [1919], S. 153. 63 | Anonym, Erwartungen [1920], S. 197; vgl. mit gleicher Stoßrichtung Anonym, Anregungen [1920], S. 218f. 64 | Riebensahm, Werkzeichnung [1920], S. 227. Diese Art des kommunikativen Rücklaufs, später soll das Feedback heißen, ist ein wichtiges

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des Werks dann gelingen kann, wenn alle zu der Stelle, die diese Arbeit zusammenfassend zu leiten hat, das Vertrauen haben, daß sie sachlich und unparteiisch dabei vorgeht.«65 Bei Willy Hellpach geht die Sache anders aus. Die Arbeitshaltung des Formers habe ihm, so Hellpach in einem Werkszeitungsartikel über seine Eindrücke beim Werksrundgang, unwillkürlich ein »angedeutetes Kreuzweh und Müdigkeit« bereitet und ihn zu der Überlegung provoziert, ob diese Haltung sein müsse. In die Rolle des naiven Professors schlüpfend, meldet Hellpach Zweifel an (»obwohl ich noch nie geformt habe«, wie er anmerkt). Freilich könne es sein, dass sich in der irritierenden Weise am besten arbeiten ließe, »obwohl es für uns Nichtformer so aussieht, als müsse ihn gerade diese Stellung ungeheuer ermüden.« Schon möglich, dass er »da recht einfältiges Zeug« rede. In diesem Fall wolle er sich »gerne eines Gescheiteren belehren lassen, am liebsten von einem Former selbst. […] Was sagen die Former wohl selbst dazu? Vielleicht lachen sie über den fachfremden Professor, der nichts von ihrer Arbeit versteht und nun doch darüber klug reden, ihnen guten Rat erteilen will. Haben die Former eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, ob ihre Arbeit so getan werden muß? und warum? oder ob sie bloß so getan wird, weil sie eben seit urdenkbarer Zeit so getan wird!«66 Bei aller Bescheidenheit und allem Praxisvorbehalt reklamiert Hellpach, ein Nachdenken in Gang zu setzen, den Arbeitern mithin etwas bieten zu können, zu dem sie allein bisher nicht in der Lage gewesen seien. In der Replik auf Hellpach  –  ausgewiesen als »Bemerkungen auf Grund eigener praktischer Tätigkeit und Erfahrung«  –  geschieht dann jedoch etwas, das Hellpach überrascht haben muss: Nicht seine Schlussfolgerung wird durch die Praxis revidiert, nicht seine praktische Wissenslücke geschlossen (das freilich auch), sondern seine Beobachtung als unzutreffend zurückgewiesen. Entgegen der Hellpach’schen Beschreibungen betont Fritz Wurzmann, dass »der Former einen beträchtlichen Teil der Arbeitszeit nicht in der als ungesund bezeichneten Rumpfbeuge verbringt. […] [D]ie gesundheitlichen Bedenken, die Prof. Hellpach befürchtet, [sind] nicht so groß.«67 Hellpach und Wurzmann lassen jederzeit und auf allen Ebenen erkennen, dass es sich bei ihren Beiträgen um eine Suchbewegung handelt. Ihnen fehlt demonstrativ die Bedeutungsschwere des Endgültigen. Immer wieder relativieren sie Aussagen in ihren Texten, schränken ein, fragen demonstrativ vorsichtig nach, schlagen vor, regen an. In ihren Tonfall ähneln sich die Texte. Hellpach und Wurzmann versehen ihre Beiträge mit kleinen Zeichnungen, die das unterstreichen – Zeichnungen, denen man eine gewisse

Instrument zur Herstellung stabiler Ordnung, auf das Ordnungsdenken immer wieder verweist (vgl. Kap. V.2). 65 | Ebd., S. 230. 66 | Hellpach, Arbeitshaltung [1920], S. 231f. 67 | Wurzmann, Arbeitshaltung [1920], S. 15.

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Leichtigkeit ansieht, die beiläufig, skizziert und improvisiert wirken (vgl. Abb. 2, 3). Abbildung 2: Willy Hellpachs Former: skizzierte Beobachtung.

Abbildung 3: Fritz Wurzmanns Former: skizzierte Kritik.

Die Profilierung von Werkszeitung, Gruppenfabrikation und Werkstattaussiedlung als Mittel der Handhabung einer ›krisenhaften‹ betriebssozialen und gesellschaftlichen Realität lässt eine übergreifende Struktur sichtbar werden. Was das heißen kann, haben die vorangegangenen Überlegungen exemplarisch vorgeführt. Verfolgt man den Weg, den die Gruppenfabrikation (bzw. in einem engeren und präziseren Sinn: der Entwurf dieser neuartigen Werkstatteinteilung sowie die Berichte darüber) bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft zwischen 1919 und 1922 nahm, lassen sich einige Punkte noch einmal von anderer Seite in den Blick nehmen, und es kommt ein weiteres zentrales Charakteristikum industriebetrieblichen Ordnungsdenkens zum Vorschein: eine mehrere Ebenen übergreifende Medialität. Ideen und Argumentationen wurden an verschiedenen Orten aufgegriffen und aktualisiert. So entstand eine Verkettung, die einerseits Stabilität und Wirkmächtigkeit einer diskursiven Formation schuf und andererseits immer wieder neue Referenzpunkte erschloss. Nicht zuletzt dadurch konnte das »Betriebsproblem« zu einer gesellschaftlichen Realität werden. Verfolgt man Medienwechsel und Medieneinsatz, so wird deutlich, wie sich im Detail Verkettungen realisierten und eine Ausweitungslogik in Gang kommt. Zunächst ist da der Entwurf einer neuen Werkstätteneinteilung.68 Dieser Entwurf bewegt sich im Kontext einer vorstandsinternen Diskussion und verweist die Gruppenfabrikation dementsprechend auf die Produktionsorganisation der Daimlerwerke. Nicht der Entwurf, wohl aber seine Erläuterung durch Richard Lang erscheint kurze Zeit darauf im ersten 68 | Vgl. Entwurf einer neuen Werkstätteneinteilung, 20.6.1919, Daimler Werksarchiv, Bestand UT 82.

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Heft der Daimler Werkzeitung. Dort wird die Gruppenfabrikation von Bemerkungen zur Massenfabrikation gerahmt und dadurch in einen nicht mehr ausschließlich betriebsinterne Organisationsfragen fokussierenden Kontext gestellt. »Die Gefühle, die das Wort Massenfabrikation im allgemeinen in Arbeitskreisen auslöst«, so beginnt Lang seinen Text, »pflegen keine besonders freundlichen zu sein und finden hauptsächlich in den Einwänden Ausdruck, daß Massenfabrikation infolge ihrer Eintönigkeit eine sehr schädliche, abstumpfende Wirkung ausübe, daß sie den Arbeiter zur Maschine herabdrücke u. dgl. mehr. Es ist nicht die Aufgabe dieses kurzen Artikels, solche Einwände zu prüfen und zu widerlegen, es soll nur das eine gesagt werden, daß Massenfabrikation […] [es] allein ermöglicht […], bei schonendster Ausnützung der Arbeitskraft Höchstleistung zu erzielen und aus Material, Maschinen, Werkzeugen und sonstigen Einrichtungen volle Ergiebigkeit herauszuholen; dabei bietet sie gerade in der Aufgabe, Maschine und Werkzeug zu vollster Leistung zu entwickeln, auch für jeden mit Interesse arbeitenden Arbeiter eine Fülle geistiger Anregung.«69 Dem folgt die Schilderung von Gruppenfabrikation und Fabrikationsgruppe, um am Ende den Kreis zu schließen, das heißt darauf hinzuweisen, dass auf diesem Weg die eingangs genannten Ziele realisiert werden können. Damit ist implizit der Nachweis geführt, dass die Einwände gegenüber der Massenfabrikation angesichts der reorganisierten Produktion bei Daimler hinfällig seien. In Willy Hellpachs Studie zur Daimler’schen Gruppenfabrikation kehrt Langs Beschreibung in doppelter Weise wieder. Erstens ist sie der Abhandlung in überarbeiteter Form vorangestellt. Dieser Text Langs verzichtet gegenüber der ersten Fassung auf die einleitenden Bemerkungen zur Massenfabrikation. Aus der Bezugnahme auf die Massenfabrikation wird eine Auskunftsunwilligkeit gegenüber größeren Zusammenhängen und weitergehenden Wirkungen. Lang deutet zwar sozialpsychologische Wirkungen der Gruppenfabrikation an, bemerkt aber auch, dass er letztlich die Vor- und Nachteile auf diesem Gebiet nicht beurteilen könne. In diese Lücke stößt Hellpach. Er nimmt mit den ersten Sätzen seiner Abhandlung unmittelbar auf den vorangegangenen Text Bezug. »Die vorstehende Mitteilung«, so Hellpach, »wird manchem Leser sehr knapp vorkommen. Es war die Absicht ihres Verfassers, sie so zu halten, und er bestand auf dieser Absicht. Denn er wollte weiter nichts als reine Tatsächlichkeit geben: seine Beweggründe für die Betriebsumstellung  –  den Tatbestand der Umstellung in seinen wesentlichen Merkmalen  –,  seine Erwartungen. Die Verteidigung der Beweggründe und die Rechtfertigung der Erwartungen wünschte er den Tatsachen selber zu überlassen. Es ist die vollkommene Sachlichkeit des technischen Denkens, die aus dieser Mitteilung spricht: jene Eigenart, die aller humanistischen Dialektik, ob sie an platonischen Dialogen oder an ciceronianschen Reden geschult sein mag, wie eine andere Welt gegenübersteht – eine Welt, deren Werte vermutlich noch nicht ausgeschöpft, 69 | Lang, Gruppenfabrikation [1919], S. 4.

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vermutlich noch nicht einmal in ihrem Kern ergriffen sind. Diese letzte äußerste Sachlichkeit ist spezifisch deutsches Geistesgut.«70 Langs Text ist nun nicht mehr auf die Arbeiter gerichtete Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, sondern die Mitteilung eines vor Ort wirkenden, betrieblichen Experten für Fragen der Produktionsorganisation; die Mitteilung eines durch »vollkommene Sachlichkeit des technischen Denkens« ausgezeichneten Praktikers; die Mitteilung an einen in Fragen praktischer Betriebsorganisation weniger sachkundigen Beobachter und Deuter. Hellpach legitimiert und inszeniert sich durch diesen selbst hergestellten Bezug als sozialpsychologischer Experte ›mit offenem Ohr‹ für Fragen betriebs-sozialer Realität, dialogbereit und ohne besserwisserische Akademiker-Attitüde. Davon abgesehen steckt er zugleich die jeweiligen Horizonte und Verfügungsbereiche ab. »Herr Lang hat ein Fabrikexperiment unternommen; aber aus diesem steigt das ganze Fabrikproblem auf!«71 Der Einbau der Überlegungen Langs ermöglicht auf der Ebene des Textes und seiner Komposition die Bekräftigung verschiedener Expertenrollen. Langs Beschreibung der Gruppenfabrikation erscheint jedoch noch ein zweites Mal – diesmal als ursprünglicher, in der Daimler Werkzeitung veröffentlichter Text; komplett und im Wortlaut abgedruckt in Hellpachs erster Fußnote.72 Der unterschiedliche Kontext und damit die unterschiedliche Funktion dieser beiden Texte im Buch – einmal als Tatsachenlieferant, Auftakt und Forderung nach sozialpsychologischer Durcharbeitung eines Problems, dann als dokumentierte Quelle und Beleg dafür, dass das verhandelte Thema ein wirkliches Betriebsproblem berührt und im Betrieb selbst Stoff für Diskussionen bietet – bringen noch einmal die Vielschichtigkeit industriebetrieblichen Ordnungsdenkens zum Ausdruck. Die Heterogenität potentieller Akteure, ihre vielfältigen Beziehungen, die sich ausdifferenzierenden Rollen und Funktionen lassen sich bereits in den skizzierten textuellen Bezügen erahnen. Diese Fäden gilt es aufzugreifen und zu verfolgen. Es gilt sie zu verbinden mit dem sozial-räumlichen Verständnis des Betriebs, der geforderten Integration von Arbeits- und Lebensraum, den Vergemeinschaftungs- ebenso wie den Gruppierungsbemühungen, die sich auf die betrieblichen Arbeits- und Sozialverhältnisse und die Nachbarschaft von Mensch und Maschine in der Produktion richten. Die vorangegangene, gleichsam ethnologische Beschreibung einer konkreten betrieblichen Situation sollte exemplarisch vorführen, welches Bild Industriebetriebe bieten, wenn man sie als Spielfeld von Ordnungsdenken und Social Engineering analysiert. Einzelne Aspekte betrieblicher Realität lassen sich dann nämlich in einer neuen Weise interpretieren und in Beziehung zueinander setzen. Im Folgenden geht es nicht um die Rekonstruktion einzelner Betriebsgeschichten, sondern um die Matrix, die 70 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 5. 71 | Ebd., S. 6. 72 | Vgl. ebd., S. 94-96.

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dem betrieblichen Geschehen seine Bedeutung gab. Es geht um die Rekonstruktion einer diskursiven Formation, deren Kenntnis dazu beiträgt, die gesellschaftsgeschichtlichen Implikationen des Industriebetriebs als einer sozialen Institution sowie eines diskursiven Gegenstands sichtbar zu machen, ohne die zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren unternommene Formatierung des Blicks auf den Industriebetrieb schlichtweg als Industriegeschichte oder Industriesoziologie zu wiederholen.

II. Vorhaben

1. B EGRIFFE , F R AGESTELLUNG , G EGENSTAND Die vorliegende Studie analysiert industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering in Deutschland und Großbritannien zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Sichtbar gemacht werden soll ein Modus der Problematisierung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse. Problematisierung bedeutet in diesem Zusammenhang »nicht die Darstellung eines zuvor existierenden Objekts, genauso wenig aber auch die Erschaffung eines nicht existierenden Objekts durch den Diskurs. Die Gesamtheit der diskursiven oder nicht-diskursiven Praktiken lässt etwas in das Spiel des Wahren und des Falschen eintreten und konstituiert es als Objekt für das Denken (sei es in der Form der moralischen Reflexion, der wissenschaftlichen Erkenntnis, der politischen Analyse usw.).«1 Der Industriebetrieb, um Michel Foucaults theoretische Bemerkung hier rückzuübersetzen, ist ein solches »Objekt für das Denken«. Er in der vorliegenden Studie weder einfach gegebenes Produktionsarrangement noch lediglich Imaginationsort der Moderne, sondern er bewegt sich zwischen diesen Ebenen. Als Objekt für das Denken bezieht sich der Industriebetrieb immer auch auf spezifische Produktionsarrangements, weist jedoch über diese hinaus und inkorporiert Dimensionen, die nicht originär in diesem oder jenen Produktionsarrangement gründen oder ausschließlich auf diesen oder jenen Betrieb zielen. Der Industriebetrieb der vorliegenden Studie ist ›Industriebetrieb‹, er ist der Industriebetrieb als Problem, das einer Lösung harrt. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering ›bewirkt‹ den Industriebetrieb; etabliert ihn als soziales Interventionsfeld – problematisiert ihn. Der hier vorgeschlagenen Analyse ist an der Konstituierung historischer Gegenstände gelegen; daran, diese als Effekt einer angebbaren diskursiven Formation zu beschreiben und umgekehrt zu zeigen, wie diese For-

1 | Foucault, Sorge [2005], S. 826; vgl. auch Bohlender, Foucault [2006]; Castel, Problematization [1994].

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mation sich durch die Formulierung spezifischer Gegenstände realisiert.2 Diese analytische Perspektive bedeutet, wie Paul Veyne3 eindrücklich betont, eine Negation natürlicher Gegenstände; in den Worten Gilles Deleuze‹ eine Verwerfung der Universalien: »Das Eine, das Ganze, das Wahre, das Objekt, das Subjekt sind keine Universalien, sondern einem bestimmten Dispositiv innewohnende singuläre Prozesse der Vereinheitlichung, Totalisierung, Verifizierung, Objektivierung, Subjektivierung.«4 In den Blick gerät  –  und dem wird methodisch Rechnung getragen  –  ein Ordnungsdispositiv, das an der Hervorbringung des Industriebetriebs als Sozialgefüge arbeitet. Als »entschieden heterogene Gesamtheit« (M. Foucault) und »multilineares Ensemble« (G. Deleuze) besteht ein Dispositiv aus »Diskursen, Institutionen, architektonischen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen, administrativen Maßnahmen, wissenschaftlichen Aussagen, philosophischen, moralischen und philanthropischen Lehrsätzen« und umfasst »Gesagtes ebenso wie Ungesagtes«.5 Unter diesen Vorzeichen analysiert die vorliegende Arbeit ein historisch spezifisches Ensemble, das die Konstituierung konkreter Realitätsbereiche reguliert. Entscheidend wird dabei sein, die konkreten Formen der Konstituierung des Industriebetriebs als soziales Problem- und Interventionsfeld sichtbar zu machen. Damit dies gelingt, muss gezeigt werden, wie sich der Industriebetrieb innerhalb einer angebbaren historischen Situation, wie er sich innerhalb einer bestimmten diskursiven Formation realisiert. Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit steht in einem Spannungsverhältnis zur klassischen Industrie- und Unternehmensgeschichte. Beide müssen sich die Frage stellen, was ein Industriebetrieb oder ein Unternehmen ist. Die Antwortmöglichkeiten bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen. Einerseits rückt auf heuristischer Ebene die Suche nach einem theoretisch reflektierten Betriebs- und Unternehmenskonzept in den Mittelpunkt, das unter anderem eine vergleichende Geschichte moderner Industriegesellschaften ermöglichen soll.6 Andererseits wird die Aufmerksamkeit auf Ideen, Werte und kulturelle Normen gelenkt, die betriebliches und unternehmerisches Handeln in einer bestimmten Weise ermöglichen, strukturieren und begrenzen, mithin zur (kulturellen) Konstruktion von Betrieben und Unternehmen sowie deren Grenzen entscheidend beitragen.7 Ich möchte mit der vorliegenden Arbeit für eine stärkere Profilierung und Weiterentwicklung der zweiten Möglichkeit plädieren. Es soll um die Möglichkeiten einer diskursgeschichtlichen Analyse historischer Problematisierungen des Industriebetriebs gehen. Die Analyseebene unter2 | Vgl. Foucault, Archäologie [1992], S. 61-74. 3 | Vgl. Veyne, Foucault [1992]. 4 | Deleuze, Dispositiv [2005], S. 326. 5 | Foucault, Spiel [2002], S. 392f.; vgl. auch Bührmann/Schneider, Diskurs [2008]. 6 | Vgl. Welskopp, Betrieb [1996]. 7 | Vgl. Lipartito, Culture [1995].

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scheidet sich dabei ebenso von industrie- und unternehmensgeschichtlichen Fallstudien wie von akteurszentrierten, (kollektiv-)biographischen Studien, deren Erklärungskraft vornehmlich in andere Richtungen und auf die Beantwortung anderer Fragen zielt. In der Darstellung verzichte ich weitgehend auf eine Rekonstruktion der zahlreichen und diffusen Beispiele betrieblicher und sozialpolitischer Praxis, der Beschreibungen und Vorschläge vielfältiger Maßnahmen und Instrumente, die sich in den Quellen finden. Vieles von dem ist nicht zuletzt durch die industrie- und unternehmensgeschichtliche Forschung der letzten Jahrzehnte im Detail bekannt und braucht nicht ein weiteres Mal wiederholt werden. Mein Anliegen besteht vielmehr darin, jene Topoi herauszuarbeiten, die den in den Quellen präsentierten Fallbeispielen, der Art ihrer Präsentation sowie dem Wirken einzelner Akteure zugrunde lagen. Es geht dementsprechend nicht darum, die Sichtweise der Soziologen, Sozialpolitiker oder Ingenieure auf den Industriebetrieb mit einer betriebs-sozialen Realität abzugleichen oder die Beschreibungen der betriebs-sozialen Realität als analytischen Schlüssel zu dieser Realität zu behandeln, sondern um die Frage, was die jeweiligen Beschreibungen konkreter betriebspolitischer, technischer, organisatorischer oder sozialer Bespiele und Instrumente möglich gemacht hat, präziser: Wie und wodurch wurde es möglich, heterogene Fälle und Maßnahmen aufeinander, auf die Ordnung des Betriebs und auf die Ordnung der Gesellschaft zu beziehen. Mein Argument lautet, dass all das durch das Wirken einer klar bestimmbaren diskursiven Formation  –  Ordnungsdenken und Social Engineering  –  ermöglicht wurde. Die Arbeit widmet sich der Analyse und Präzisierung dieser Formation, nicht der Beschreibung der Themen und Gegenstände, die innerhalb dieser Formation verhandelt werden. In der Konsequenz heißt das: Gegenüber diesen Themen und Gegenständen (die in den Quellen kleinteilig und diffus diskutiert werden), muss man sich auf ein gewisses Abstraktionsniveau begeben, das gegenüber der diskursiven Formation Ordnungsdenken und Social Engineering jedoch sehr konkret deren Dimensionen zu präzisieren erlaubt. Wenn man wissen will, wie sich Ordnungsdenken und Social Engineering auf betrieblicher Ebene realisiert oder das Handeln von Experten strukturiert, muss man eine präzise Vorstellung dieser Formation, ihrer Elemente, Funktionsweise und Effekte haben. Die Aufmerksamkeit soll auf eine gesellschaftsgeschichtliche Formation gelenkt werden, die zunächst lediglich eine Reihe heterogener Phänomene zu bündeln scheint. Moderne, industriekapitalistische Massengesellschaften schienen allerorten den Beweis ihrer Desintegration anzutreten. Zumindest setzte eine derartige Krisendiagnosen einen nicht zuletzt auf den Industriebetrieb gerichteten sozialen Interventionismus in Gang, der mit den wissenschaftlichen und technischen Mitteln der Moderne eben diese überwinden oder zumindest in einer neuen, harmonischen, gemeinschaftlichen und organischen Ordnung aufheben wollte. Das Soziale wurde von Experten aller Art zu einem Problem erklärt. Auf diese Weise öffneten sich Interventionsfelder und Gestaltungsmöglich-

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keiten. Versucht man sich an einer Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings, wird man also eher ein Bündel von Instrumenten, Metaphern, Themen und Topoi begegnen, deren Kohärenz sich durch je spezifische Verdichtungen und Verknüpfungen herstellt. Die entscheidende Herausforderung liegt darin, Verbindungen und Knotenpunkte sichtbar zu machen. Als begriffliches Doppel ist Ordnungsdenken und Social Engineering, ohne präzise gegeneinander abgegrenzt worden zu sein, im Kontext soziologischer Bestimmungen der Moderne prominent geworden. Zygmunt Bauman hat argumentiert, dass Ordnung in der Moderne »ein Gegenstand des Nachdenkens, des Interesses, einer Praxis [wird], die sich ihrer selbst bewußt ist, bewußt, eine bewußte Praxis zu sein und auf der Hut vor der Leere, die sie zurücklassen würde, wenn sie innehalten oder auch nur nachlassen würde. […] Um es noch grober auszudrücken, Ordnung als Problem tauchte erst im Kielwasser der Beunruhigung über Ordnung auf, als eine Reflexion auf die ordnenden Praktiken«.8 Die Moderne sei durch eine bürokratische Kultur gekennzeichnet, die die Gesellschaft als administratives Objekt, als Ansammlung zu lösender Problemen begreift. »Die Problemstellungen, deren Lösung das ›Social Engineering‹ in Angriff nimmt, entsprechen einer ›Natur‹, die ›beherrscht‹, ›gebändigt‹, und ›gebessert‹ oder ›umgestaltet‹ werden muss, wie ein Garten, dessen Planung notfalls gewaltsam durchzusetzen und zu sichern ist (in der Terminologie des Gärtners besteht eine strenge Trennung zwischen ›Kulturpflanzen‹ und ›Unkraut‹, das ausgemerzt werden muß).«9 In dieser Interpretation gehen Moderne, Ambivalenz und Ordnung eine systematische Verbindung ein und beschreiben eine umfassende Formation, die die historische Entwicklung strukturiert, ohne die Vielzahl verschiedener Realisierungsmöglichkeiten über Gebühr einzuschränken. Baumans Überlegungen zeigen die Blickrichtung an. Über Ausgangspunkt und Ausgestaltung von Ordnungsdenken und Social Engineering sagen sie jedoch noch nicht viel aus. In dieser Hinsicht bedürfen sie einer Präzisierung. Seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts gerieten Weltdeutungskategorien wie Fortschritt oder Entwicklung in die Kritik. Es kam zu einem Paradigmenwechsel im Verständnis der die Gesellschaft strukturierenden Ordnungskategorien und Grundauffassungen.10 Die Zwischenkriegszeit lässt sich europaweit als Übergangsphase interpretieren, in der die Tradition noch einmal gegen die Moderne mobilisiert wurde: »Die Weigerung, die Auflösung einer jahrhundertealten Ordnung zu akzeptieren, mündete in den Versuch, der unkontrollierbaren Eigendynamik dieses Prozesses wenn schon kein konkret benennbares Entwicklungsziel entgegenzusetzen, so doch wenigsten den Kern der alten Ordnung zu retten: die über8 | Bauman, Moderne [1991], S. 17-19. 9 | Bauman, Dialektik [1992], S. 26-32. 10 | Vgl. Doering-Manteuffel, Mensch [2004].

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zeitlichen Werte, die diese repräsentierende ›Kultur‹ und die Hegemonie der beide tragenden Eliten. Aus der fundamentalen Verlusterfahrung entsprang die Sehnsucht nach Versöhnung der Gegensätze in einer ›alternativen Moderne‹.«11 Die vielfältigen Umbrüche wurden im Modus der Krise wahrgenommen, ausgedrückt und verarbeitet. Dieser Modus begründete jedoch Gestaltungsoptimismus und Handlungsimperative. Krise war Krisis, war der Punkt der Entscheidung – einer Entscheidung, die im Wortsinn notwendig und gerade noch möglich war.12 Im Umgang mit der Krise etablierten sich verschiedene Strategien. Beim Versuch, die Frage nach der Rolle von Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftlern bei der Organisation totalitärer Herrschaft zu beantworten, hat Lutz Raphael eine dieser Strategien als »radikales Ordnungsdenken« konturiert. Diese Kategorie öffnet den Blick auf jene Akteure (und ihren Denkstil), die während der zwanziger und dreißiger Jahre »ein Expertenwissen über Menschen, ihre Konstitution, ihre Gesellschaft, Geschichte und Kultur erhalten hatten und damit als Berater, Planer und Ideologen nationalsozialistischer Eingriffe in die Lebensverhältnisse der unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen in Frage kamen.«13 Raphaels radikales Ordnungsdenken bezeichnet einen spezifischen Deutungsmodus der sozialen Wirklichkeit, in dem Unterschiedliches ineinander greift: der Bedeutungsgewinn anwendungsorientierter Human- und Sozialwissenschaften, ein enges Kooperationsnetz von Verwaltung und Wissenschaft, der Zuschnitt von Untersuchungsgegenständen entlang spezifischer Verwaltungsaufgaben, die Nutzung sozialtechnokratischen Expertentums, die wechselseitige Entsprechung sich radikalisierender »Endsiegphantasien der Politiker« mit »Allmachtsphantasien und Ordnungsutopien der Humanwissenschaftler«, die Dominanz des sozialtechnokratischen Musters administrativer Klassifikation als Vorbedingung von Gestaltung oder Vernichtung, das Konzept einer integrativ und schutzbedürftig gedachten Volksgemeinschaft auf Basis radikalen Ausgrenzungs- und Ausschlussdenkens, biologistische und medizinische Pathologiediagnosen als Legitimation selbst radikalster Eingriffe. Vermittelt über Oliver Lepsius‘ Analyse der Methodenentwicklung der Rechtswissenschaft der Weimarer Republik14 gerät auf diese Weise eine relativ spezifische ideen- und begriffsgeschichtliche Konstellation in den Blick. Exemplarisch verdichtet findet sich das in Carl Schmitts »konkretem Ordnungsdenken«.15 Geht man im Anschluss an Raphael und Lepsius einen Schritt weiter, lassen sich zeitgenössische Adaptionen dieses Denkens analysieren, das durch eine Hinwendung zum Wesen konkreter 11 | Mai, Transition [2006], S. 7; vgl. auch Rohkrämer, Moderne [1999]. 12 | Vgl. Föllmer/Graf, Krise [2005]; Graf, Zukunft [2008]; Hardtwig, Ordnungen [2007].

13 | Raphael, Ordnungsdenken [2001], S. 9. 14 | Lepsius, Begriffsbildung [1994]. 15 | Vgl. Schmitt, Arten [1934], S. 10-20.

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Ordnungen gekennzeichnet ist. Der Fokus auf Adaptionen und Variationen Schmitt’schen Ordnungsdenkens ermöglicht eine relationierende Analyse verschiedener wissenschaftlicher Bestandsaufnahmen mit dem Ziel einer Umgestaltung der erfassten und beschriebenen Wirklichkeiten, eine Rekonstruktion verschiedener »konkreter Ordnungen«. Das ist die eine Seite des begrifflichen Doppels, das Ordnungsdenken. Mit stärker technisch-praktischer Ausrichtung realisiert sich Ordnungsdenken als Social Engineering  –  die zweite Seite des Doppelbegriffs. Damit wird der Blick auf die vielfältigen Anwendungsformen humanwissenschaftlichen Wissens gelenkt, »die jene Abgründe rational zu ergründen suchten, die sich zwischen der sozialen Wirklichkeit und den Grundannahmen der bürgerlichen Gesellschaftsmodelle des 19. Jahrhunderts auftaten.«16 Seit der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert zeigt sich länderübergreifend eine Entwicklung weg von einer sozialethischen und sozialphilosophischen und hin zu einer sozialtechnologischen Ausrichtung der Humanwissenschaften. In den Vordergrund traten zunehmend von Sozialingenieuren entworfene Szenarien, die auf die Gestaltung des ›Volksmaterials‹ zielten. So differenzierte sich die Position des professionellen Experten aus, der sich auf die Identifizierung und Isolation derjenigen konkreten Probleme konzentrierte, die als mit den Mitteln der jeweiligen Wissenschaft plausibel lösbar erschienen. »Wissenschaftlich fundierte Expertise, auf empirische Sozialforschung gestützte Politikberatung dieser ›Experten‹, markierte im Selbstverständnis der Beteiligten, aber auch im Alltagsverständnis von Politikern oder Betroffenen, das Gegenteil ›utopischer‹ Gestaltungsräume und ›pauschaler‹ Gegenentwürfe zu einer kritisierten Gesellschaft.«17 Ordnungsdenken und Social Engineering lässt sich in groben Linien dem gegenüber abgrenzen, was mit Kulturkritik, Avantgarde, Utopismus oder Lebensreform in Verbindung gebracht wird. Man hat es hier mit verschiedenen Ensembles zu tun, die eigentümliche Verdichtungen, Schwerpunkte und Zentren aufweisen. Was sie vergleichbar macht und aufeinander bezieht, ist ein – wenn man so will – geteiltes konstitutives Außen; ihre Konstituierung gegen bestimmte Entwicklungen der Moderne; die Annahme der Herausforderungen moderner Industriegesellschaften. Mit der Kulturkritik etablierte sich ein Reflexionsmodus der Moderne, aus dem »im Namen einer ›geglückten Identität‹, eines ›geglückten Lebens‹, oder einer ›wahren Form menschlicher Praxis‹« immer neue Einsprüche gegen die Moderne hervorgingen.18 Kulturkritisches Denken 16 | Raphael, Verwissenschaftlichung [1996], S. 165f. 17 | Raphael, Sozialexperten [2003], S. 328; vgl. auch Brint, Age [1994]; Bruch, Sozialethik [1997]; Harwood, Rise [2000]; Hübinger, Bewegung [1997]; Perkin, Rise [1989]; Raphael, Sozialphilosophen [1997]; Searle, Quest [1971]; Szöllösi-Janze, Wissenschaftler [2004]. 18 | Bollenbeck, Geschichte [2007], S. 9; vgl. auch Konersmann, Kulturkritik [2008].

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entstand in Auseinandersetzung mit der aufklärerischen Anthropologie und Geschichtsphilosophie, vor allem mit deren Fortschritts- und Perfektionierungsvorstellungen. Ihr Duktus war und ist derjenige der Verlustgeschichte. In spannungsreicher Nähe zum kulturkritischen Denken stand ein »philosophischer Extremismus« zwischen den Weltkriegen.19 Von Ordnungsdenken und Social Engineering unterscheidet sich Kulturkritik durch die normative Hypostasierung einer vergangenen Ordnung, ein Zurücktreten von Gestaltungsimpulsen hinter Verlustklagen sowie vor allem durch die Inszenierung einer Distanz zu (akademisch) professionalisierter und disziplinierter Wissenschaft(lichkeit). Avantgarde und Lebensreform postulierten den Neuen Menschen und reagierten so auf säkulare Menschenbilder und als krisenhaft wahrgenommene Entwicklungen der Moderne. Dabei ging es um eine Inventarisierung des Menschen und die Frage, wie Mensch, Natur und Maschinen voneinander abgegrenzt werden konnten.20 Die Lebensreformbewegung thematisierte Fragen der Ernährung sowie der Körperpflege und körperlichen Ertüchtigung. Beides zielte auf Verbesserung der Gesundheit des Einzelnen und zugleich aller.21 Mit Ordnungsdenken und Social Engineering teilt die Lebensreformbewegung vor allem den Handlungsimperativ, der unter anderem an einen Gesundheitsbegriff gekoppelt war, der Gesundheit als eine »Grauzone fließender Übergänge« (F. Fritzen) begriff, die gerade aufgrund dieser Struktur überhaupt erst Optimierungschancen bot. Die Natur- und Körperzentrierung der Lebensreformbewegung ebenso wie ihre Versuche, vom individuellen Körper zu einem gesünderen Leben insgesamt vorzustoßen, unterscheiden sich freilich von Ordnungsdenken und Social Engineering und dessen Interesse an politisch-sozialer Ordnung in einem umfassenden Sinn, das gerade nicht individuelle Körper ins Zentrum rückte, sondern diese unter dem Gesichtspunkt ihrer (An-) Ordnung thematisierte. Es wird in der vorliegenden Studie um eine der Strategien im Umgang mit der Moderne (in ihrer Überwindung oder Durcharbeitung) gehen. Dabei wird sichtbar, dass sich im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts intellektuelle und politische Bewegungen konstituierten, die verschiedene Konzepte historischer Kontingenz entwickelten. Nicht ohne Grund ist zum Beispiel eine ideengeschichtliche Nähe von Pragmatismus und Faschismus behauptet worden.22 Ähnliches gilt auch für die wechselseitige Adaption – zumindest Beobachtung – sozial- und wirtschaftspolitischer Ordnungsentwürfe mit korporatistischem Einschlag, wie Wolfgang Schivelbusch sie für italienischen Faschismus, National-

19 | Vgl. Bolz, Auszug [1989]; Megill, Prophets [1985]. 20 | Vgl. Gerstner u.a., Mensch [2006]; Hepp, Avantgarde [1987]; Lepp u.a., Mensch [1999]. 21 | Vgl. Fritzen, Lebensreformbewegung [2006]. 22 | Vogt, Pragmatismus [2002], S. 14.

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sozialismus und New Deal herausgearbeitet hat.23 In jüngerer Zeit ist auch der Nationalsozialismus zunehmend als Versuch analysiert worden, Strategien im Umgang mit der Ambivalenz der Moderne bereitzustellen. In zahlreichen Studien wurde inzwischen auf die nationalsozialistischen Bestrebungen hingewiesen, einerseits »das allgemeine Unbehagen an der Moderne [zu] beseitigen«, andererseits »in vielen Bereichen die säkularen Modernisierungstrends voran[zutreiben]«.24 Der Nationalsozialismus, wie andere Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts auch, setzte auf Ambivalenzüberwindung durch Vernichtung und repressive Integration. Die Realisierung dieses eliminatorischen Denkens zeigte sich besonders in der Bearbeitung imperialer Räume, in der Durchdringung der ›Ränder‹ des nationalsozialistischen oder sowjetischen Imperiums als eine »Ordnung durch Terror«.25 Damit gerät ein Extremfall in den Blick. Die Suspendierung bürgerlich-staatlicher Ordnung wird zur Voraussetzung eines entgrenzten Ordnungsdenkens, die Löschung von Ambivalenz durch Vernichtung zum dominanten Referenzpunkt. Die normalisierende Normalität alltäglicher (immer wieder auch gewaltsamer) Ordnungspraktiken bleibt dagegen ebenso außen vor wie eine detaillierte Analyse alternativer Strategien im Umgang mit Ambivalenz.26 Erst die Fokussierung verschiedener Strategien macht sichtbar, dass es sich um vergleichbare Reaktionen auf die Herausforderungen der Moderne handelt – vergleichbar als Reaktionen auf die Herausforderungen der Moderne. In geschichtswissenschaftlichen Arbeiten zu verschiedenen Dimensionen der Moderne wird seit einiger Zeit zwar gern auf Überlegungen Baumans Bezug genommen. Entsprechend der disziplinären Gepflogenheiten dient Bauman in der Regel aber lediglich als Stichwortgeber, von dem einzelne Interpretamente übernommen und für die Forschung produktiv gemacht werden. Baumans Versuch einer umfassenden, makrosoziologischen Bestimmung der Moderne wird dagegen eher mit Skepsis begegnet, relativiert und differenziert. Baumans doppelter Zielsetzung – die Suche nach allgemeinen Merkmalen der Moderne auf der einen, die Einordnung des offenkundigen Extremfalls des Nationalsozialismus auf der anderen Seite – haftet eine eigentümliche Unentschlossenheit an, die für weiterführende Analysen nicht unproblematisch ist. Es bleibt unklar, ob die Ana23 | Vgl. Schivelbusch, Verwandtschaft [2005]. 24 | Bavaj, Ambivalenz [2003], S. 57. 25 | Vgl. Baberowski/Doering-Manteuffel, Ordnung [2006]. Ein anderes Beispiel ist die Erschließung kolonialer Räume. Vgl. Geulen, Gouverneure [2007], S. 129, der ein sich im kolonialen Raum entfaltendes Verständnis von Politik skizziert, dem »[a]llein die kolonialisierende Praxis, das spontane Handeln und Entscheiden, die persönliche Bindung, Intervention und konkrete Gestaltung der Verhältnisse vor Ort […] als legitime Kriterien erfolgreicher Kolonialpolitik« galten. 26 | Programmatisch gegenteilig: Krasmann/Martschukat, Rationalitäten [2007].

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lyse sich eher auf die modernen Elemente im Nationalsozialismus oder auf die im weiteren Sinn nationalsozialistischen Elemente der Moderne konzentrieren sollte. Als problematisch an einigen der bisherigen Analysen des Verhältnisses von Ordnung und Moderne erweist sich vor diesem Hintergrund die Konzentration auf die vermeintlichen Extremfälle der Moderne, Nationalsozialismus und Stalinismus. In der von Bauman ins Spiel gebrachten Terminologie des Gärtnerns lässt sich für weite Teile der Geschichtswissenschaften behaupten, dass das Interesse an einer Erklärung des »Ausmerzens« von »Unkraut« im Mittelpunkt steht. Die Mehrzahl der Analysen beschäftigt sich vornehmlich mit der Moderne im Ausnahmezustand. Giorgio Agamben hat im Rahmen seiner eigenwilligen Mischung aus politischer Philosophie und historischer Dispositivanalyse den Ausnahmezustand als Paradigma des Regierens in modernen, biopolitisch verfassten Gesellschaften rekonstruiert, als »ursprüngliches Dispositiv«, durch das »sich das Recht auf das Leben bezieht«.27 Den modernen Totalitarismus definierte Agamben vor diesem Hintergrund als »die Einsetzung eines legalen Bürgerkriegs, der mittels des Ausnahmezustands die physische Eliminierung nicht zur des politischen Gegners, sondern ganzer Kategorien von Bürgern gestattet, die, aus welchen Gründen auch immer, als ins politische System nicht integrierbar betrachtet werden. Seither ist es für die Staaten der Gegenwart zu einer wesentlichen Praxis geworden, willentlich einen permanenten Notzustand zu schaffen.«28 In der Moderne werde also der »Notzustand« in die Rechtsordnung integriert. Not wird von einer besonderen Situation, in der das Recht seine verbindliche und verpflichtende Gültigkeit verliert, selbst zu einem Rechts- und Gesetzesgrund. Diese interpretatorische Linie verdeckt jedoch, dass gewichtige Teile der Moderne gerade nicht in der Aufhebung von Ordnung, in Exzess und heroischem Überschreiten von Grenzen bestanden, sondern in der Restabilisierung politisch-sozialer Ordnungen, institutioneller Gefüge und klarer sozial-räumlicher Grenzen. Jenseits des vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren in intellektuellen Kreisen offenkundig attraktiven Flirtens mit dem Ausnahmezustand und seinen Implikationen für politisches Handeln blieb für viele doch die Bedrohung des ›Normalzustands‹, die drohende Auflösung politisch-sozialer Ordnung das entscheidende Problem. In der vorliegenden Studie geht es daher auch um eine Kritik des immer wieder implizit entworfenen Bilds einer Moderne, die sich permanent im Ausnahmezustand befindet, in der Ausnahmezustand auf Ausnahmezustand folgt. Beim Versuch, bedrohte Ordnungen zu restabilisieren trat zudem ein Akteurstypus hervor, der sich signifikant von Heroismus und Avantgardismus unterschied: der Sozialingenieur und Experte, der den Kontakt zur Praxis suchte, der praktisches – und das heißt: ordnungsrelevantes  –  Wissen bereitzustellen trachtete. Diese um Ordnung bemühten Akteure agierten in Sozialverwaltungen, Forschungs27 | Agamben, Ausnahmenzustand [2004], S. 7. 28 | Ebd., S. 8.

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einrichtungen und Planungskommissionen; ihre Interventionen zielten auf Betriebe, Wohnraum, Verkehr, Familie usw., mithin auf die alltäglichen, ganz ›normalen‹ Bereiche sozialen Lebens. Mir geht es folgerichtig um den Versuch, die Moderne im Normalzustand zu porträtieren, indem ich einen wirkmächtigen Modus der Be- und Verarbeitung dieser Moderne skizziere, der als Ordnungsdenken und Social Engineering bezeichnet werden kann. Jenseits seiner eliminatorischen und repressiven Variante etabliert sich Ordnungsdenken und Social Engineering als transnationale Formation. Eng verbunden mit einer Verwissenschaftlichung des Sozialen, findet es sich in der Sowjetunion ebenso wie in Schweden, den USA, Deutschland, Großbritannien und darüber hinaus. Freilich, Topoi, Metaphern und Diskurse unterscheiden sich; ebenso konkrete Realisierungen innerhalb politischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Kontexte.29 So ist beispielsweise die sowjetische Variante durch einen eigentümlichen Gigantismus, die Bevorzugung terroristischer Methoden, durch heroische Pose und die Privilegierung einer Aufbau- gegenüber einer Ordnungssemantik gekennzeichnet.30 In Schweden traten dagegen vielfältige Überlagerungen von Social Engineering und demokratischem »folkhem« hervor, die die Sozialingenieure in die Rolle von »Architekten einer Normalisierungsgesellschaft« (T. Etzemüller) brachten.31 In den USA etablierte sich Social Engineering innerhalb eines Strangs des reformistisch-progressiven Liberalismus.32 Die vorliegende Arbeit diskutiert industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering am Beispiel der deutschen und britischen Industrie, der deutschen und britischen Industrie- und Betriebssoziologie, der deutschen und britischen Personalpolitik, der deutschen und britischen (betrieblichen) Sozialpolitik. Die vorliegende Arbeit diskutiert industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering also vorwiegend unter Rückgriff auf britisches und deutsches Material sowie einige ausgewählte Betriebe, sie tut dies aber explizit, um die Konturen einer transnationalen Formation herauszuarbeiten. Das bedeutet auch, dass bewusst keine national vergleichende Betriebsgeschichte in Angriff genommen wird. Es wird nicht um die Konstruktion eines Idealtypus gehen, um dann einen deutschen und britischen Anwendungsfall nebeneinander zu stellen. Nicht also die Distanzbestimmung zweier nationaler Realtypen von einem transnationalen Idealtypus (und damit voneinander) steht im Vordergrund, sondern die Analyse einer transnationalen Formation, in die nationale Spezifika hineinwirken. Ordnungsdenken und Social Engineering ist nicht ausschließlich dadurch ein transnationales Phänomen, dass es auf diese oder jene Weise in unterschiedlichen nationalgeschicht29 | Für die Vielfalt von Ordnungsdenken und Social Engineering vgl. die Beiträge in Etzemüller, Ordnung [2009].

30 | Vgl. Gestwa, Engineering [2009]. 31 | Vgl. Etzemüller, Romantik [2010]; Hirdman, Planning [1997]. 32 | Vgl. Hochgeschwender, Philosophy [2009]; Jordan, Ideology [1994].

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lichen Kontexten wirksam wird, sondern vor allem auch dadurch, dass bereits in den Prozess der Formierung Topoi eingehen, die unterschiedliche nationale Bezüge aufweisen, zu denen es nicht immer symmetrische Entsprechungen geben muss. Im Spiel von Adaption, Angleichung und Anpassung bildeten sich ein gemeinsamer Rahmen und ein gesteigertes Differenzbewusstsein heraus – freilich in der paradoxen Form, dass, um eine von Christopher Bayly in anderem Kontext gebrauchte Formulierung aufzugreifen, die Differenzen auf die gleiche Art und Weise zum Ausdruck gebracht wurden.33 Exemplarisch wird im Folgenden immer wieder auf die Automobilindustrie Bezug genommen. Bevorzugt, aber nicht ausschließlich, werden Diskurse rekonstruiert, die sich um diese moderne Industrie par excellence herausbildeten. Gerade für die Automobilindustrie lassen sich zahlreiche Adaptionsprozesse und Verflechtungen aufzeigen. Die amerikanische Herausforderung34 der zwanziger Jahre setzte in den europäischen Industrien Modernisierungsbestrebungen in Gang, die einerseits auf eine Überbrückung des Rückstands zielten, andererseits die Eigenheit nationaler Stile zu ergründen und zu verteidigen suchten. Überall kam es zu selektiven Rezeptionsprozessen des Ford’schen Produktionsmodells. Unternehmer und Produktionsingenieure bereisten die USA, brachten Anregungen mit, zielten aber auch auf Abgrenzung. Die Adaptionen waren durch die Wahrnehmung unterschiedlicher Bedingungen und Voraussetzungen geprägt.35 Was hier als vielschichtiger Prozess der Herausbildung eines transnationalen Produktionssystems in den Blick gerät, deutet zugleich in Richtung eines Zusammenhangs von Produktionssystemen und industriebetrieblichem Ordnungsdenken und Social Engineering. Im Umgang mit technisch-organisatorischen Fragen zeigt sich, dass diese immer auch hinsichtlich ihrer sozialen Implikationen und Effekte zum Thema wurden. Indem die vorliegende Studie Ordnungsdenken und Social Engineering als transnationale, zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts relativ stabile Formation analysiert, rückt sie in einen Zusammenhang mit jüngeren Versuchen, eine tragfähige Periodisierung der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts zu entwickeln, die sich nicht primär oder gar ausschließlich an politische Zäsuren und nationalgeschichtlichen Entwicklungen orientiert. Auch die periodisierungstheoretischen Großkategorien des langen neunzehn33 | Vgl. Bayly, Birth [2004], S. 2. 34 | Vgl. Foreman-Peck, Challenge [1982]. 35 | Vgl. Church, Rise [1995], S. 23-41; Dienel, Vorbehalte [1993]; Fridenson, Ford [2003]; Ders., Fordism [1995]; Klautke, Möglichkeiten [2003], S. 61-86, 183-238; Kümmel, Wirtschaftskooperation [1995], S. 103-140; Kugler, Werkstatt [1987]; Lewchuk, Technology [1987], S. 152-184; Tolliday, Managament [1992]; Ders., Transplanting [2000]; Zeitlin, Flexibility [1997].

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ten und kurzen zwanzigsten Jahrhunderts bieten insgesamt keine ausreichenden Orientierungspunkte.36 Vielmehr deutet einiges darauf hin, dass sich eine relative Epocheneinheit vom letzten Drittel des neunzehnten bis weit ins zwanzigste Jahrhundert feststellen lässt. Lutz Raphael hat gegenüber zum Beispiel Ulrich Herberts Versuch, die Industriegesellschaften der Hochmoderne über ihren Umgang mit einer krisenhaften Herausforderung der etablierten politischen, sozialen und kulturellen Ordnung zu konturieren,37 darauf hingewiesen, dass ein einfaches Challenge-Response-Modell allein nicht ausreiche, um Strukturmerkmale und Dynamik der Hochmoderne zu beschreiben. Die Situation um 1900 sei nicht so sehr durch eine Beschleunigung sozialen Wandels an sich gekennzeichnet gewesen, sondern dadurch, dass dieser Wandel permanent reflektiert wurde. »Spätestens seit den 1880er Jahren erscheint gerade die unaufhaltsame Modernität der Gegenwart als Chance, die unterschiedlichsten alternativen Ordnungsentwürfe zu realisieren. […] Gerade die Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts kommt nicht umhin, den strukturellen Wandel nach 1880 in der Vielfalt der Ordnungsentwürfe zu suchen, die auf Realisierungen drängen.«38 Die europäischen Gesellschaften des zwanzigsten Jahrhunderts, so Raphael, seien »in besonders eklatanter Weise aus der Wechselwirkung zwischen Ordnungsentwürfen und richtungs- und gestaltungsoffenen anonymen Veränderungsdynamiken zu verstehen«.39 Präzisiert man die skizzierten Periodisierungsversuche, tritt ein spezifischer Ordnungs- und Gestaltungsimpuls hervor. So hat Charles Maier bei seinem Vorschlag eines »age of territories« auf die Bedeutung territorialer Grenzziehungen sowie der Durchdringung abgegrenzter Territorien aufmerksam gemacht.40 In eine ähnliche Richtung weist James C. Scotts Rekonstruktion eines »seeing like a state«, das heißt eines Erkenntnis- und Praxismodus, der die Lesbarkeit mit Techniken schematischabstrahierender Visualisierung und der Manipulation von Natur und Gesellschaft verband.41 Lesbarkeit, Gestaltbarkeit und Ordnung stehen im Zusammenhang mit Verwissenschaftlichungsprozessen, die zwischen dem letzten Drittel des neunzehnten und den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gewichtige Effekte entfalteten. Die formative Phase einer Verwissenschaftlichungsgeschichte lässt sich in diesem Kontext über eine zunehmende Dominanz anwendungsbezogener Humanwissenschaften kennzeichnen, »die am Modell der Sozialtechnik, des ›Social

36 | Vgl. Hettling, Mythos [1998]. 37 | Vgl. Herbert, Europe [2007]. 38 | Raphael, Ordnungsmuster [2008], S. 85f. 39 | Ebd., S. 86. 40 | Vgl. Maier, Consigning [2000]. 41 | Scott, Seeing [1998].

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Engineering‹, ihrem Selbstverständnis nach ›naturwissenschaftlich‹« orientiert waren.42 Anselm Doering-Manteuffel hat unlängst vorgeschlagen, drei Zeitschichten zu unterscheiden: erstens eine durch Erschöpfung des klassisch-liberalen Fortschrittsverständnisses, gleichsam anti-historistisch grundierte Phase vom letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts bis in die vierziger Jahre; zweitens eine Phase geplanten Fortschritts unter modernisierungstheoretisch-strukturalistischen, nationalstaatlichen Vorzeichen von der Mitte der dreißiger bis in die siebziger Jahre; drittens eine Phase, in der Netzwerke den Platz der Strukturen einzunehmen scheinen und Flexibilität zu den Insignien gesellschaftlicher, selbst regulierender Ordnung wird.43 Ordnungsdenken und Social Engineering tritt im Moment der Überlappung der ersten beiden Phasen hervor. Erst die sechziger Jahre stellen eine Zäsur dar. Versuche einer kybernetischen Reorganisation der »technischen Seite des politischen Prozesses« postulierten das »Ende aller Krisen«, das Ende all jener Schwierigkeiten, die Ordnungsdenken und Social Engineering, aber auch Kulturkritik, Avantgarden und Lebensreformbewegung in der ›klassischen Moderne‹ umtrieben.44 In den siebziger und achtziger Jahren, nach dem Ende aller Krisen, das als solches natürlich ausgeblieben war, kehrte nicht das klassische Ordnungsdenken und Social Engineering wieder, sondern eine neue neoliberale Marktorthodoxie. Das keynesianisch-fordistische Gesellschaftsmodell hatte an Plausibilität verloren.45 Residuen von Ordnungsdenken und Social Engineering finden sich freilich noch in den siebziger Jahren, nun jedoch bei neuen Akteuren, in veränderten Krisendiagnosen und Lösungsvorschlägen.46 Ordnungsdenken und Social Engineering, das lässt sich hier in aller Kürze festhalten, speist sich aus ökonomischen, sozialen, politischen, kulturellen, wissenschaftlichen und technischen Umbrüchen seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts. Es erfährt mit dem Ersten Weltkrieg eine entscheidende Beschleunigung. Zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren stellt es die vielleicht wirkmächtigste politische Rationalität moderner Gesellschaften dar. Sein Verschwinden seit den sechziger Jahren geht einher mit einer neuerlichen strukturellen Umwälzung moderner Gesellschaften. Gegenüber der Stabilität dieser Formation über weite Teile der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hinweg treten in der vorliegenden Arbeit die inneren Transformationen in den Hintergrund. Das außergewöhnliche Faktum ist schließlich nicht, dass sich in 42 | Raphael, Verwissenschaftlichung [1996], S. 173; vgl. auch Ders., Ende [2006]; Szöllösi-Janze, Wissensgesellschaft [2004]. 43 | Vgl. Doering-Manteuffel, Konturen [2009]. 44 | Vgl. Metzler, Ende [2002]. 45 | Vgl. Doering-Manteuffel/Raphael, Boom [2008]; sowie Werding, Wende [2008]. 46 | Vgl. Dworog/Mende, Residuen [2009].

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modernen Industriegesellschaften oder einem so komplexen Gebilde wie dem Industriebetrieb im Lauf der Zeit stets und ständig etwas ändert, sondern dass es offensichtlich eine Ebene gibt, die erstaunlich stabil ist. Innere Verschiebungen treten in meiner Arbeit deshalb in den Hintergrund, weil eine extrem hohe Adaptionsfähigkeit zu den wesentlichen Kennzeichen von Ordnungsdenken und Social Engineering gehört. Im Folgenden wird Ordnungsdenken und Social Engineering stabiler und statischer erscheinen, als es vielleicht ist. Es wird als Formation zwischen zwei Grenzscheiden, nicht als Prozess oder Entwicklung beschrieben werden. Für die vorliegende Studie ist vor dem Hintergrund der bisher skizzierten Entwicklungen eine grundlegende Frage markiert: Wie wurde der Industriebetrieb als soziales Problem- und Interventionsfeld etabliert? Das heißt: Wie wurde der Industriebetrieb einerseits gegen innere und äußere Gefahren als geordnetes Sozialgefüge zu stabilisieren und wie wurde dieses Sozialgefüge andererseits als Aktivposten bei der Ordnung des Sozialen zu positionieren versucht? Nicht die Analyse innerbetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse steht im Zentrum  –  das wäre die industrie- und unternehmensgeschichtliche Perspektive –, sondern diejenige unterschiedlicher Problematisierungsweisen des Industriebetriebs; betriebssoziologische, personalpolitische, sozialpolitische und andere Versuche, den materiellen und sozialen Kern des Industriebetriebs über alle Widerstände, die dieser selbst für derartige Bemühungen darstellt, hinweg zu erfassen und zu ordnen. Die vorliegende Arbeit ist mit dieser Ausrichtung Teil eines umfangreicheren Forschungsprojekts, das Ordnungsdenken und Social Engineering auf unterschiedlichen Feldern untersucht. Ordnung und Gestaltung industriebetrieblicher Verhältnisse treten neben eine Reihe weiterer Interventionen, die sich zum Beispiel auf Stadt- und Wohn- oder den Verkehrsraum bezogen.47 Charakteristisch ist gerade die Verkettung verschiedener Topoi, die in unterschiedlichen sozialen Interventionsfeldern wiederkehren und je spezifische Beziehungen eingehen. Das zeigt sich sowohl in den vielfältigen Adaptionen und Überlagerungen ordnender und gestaltender Zugriffe auf den Industriebetrieb, auf den Stadt- und Wohnraum, auf den Verkehrsraum, als auch innerhalb des hier analysierten industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings. Dementsprechend ist die vorliegende Arbeit problemgeschichtlich organisiert. Ein wesentlicher Teil ist der Analyse dessen gewidmet, was ich sozialökologischen Industrialismus nennen möchte: des Versuchs also, den Industriebetrieb als soziale und räumliche Umwelt zu problematisieren (Kapitel III). Die zeitgenössischen Zugriffe auf den – und der Bindestrich ist wichtig  –  betrieblichen Sozial-Raum konkretisierten sich, indem auf die Ordnungsimplikationen und -effekte eines nachbarschaftlich gedachten Verhältnisses von Mensch und Maschine sowie diejenigen von Ge47 | Vgl. Kuchenbuch, Gemeinschaft [2010]; Schlimm, Verkehrsraum [2011].

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meinschaften und Gruppen rekurriert wurde (Kapitel IV). Die betriebssoziale Ordnung wurde im Untersuchungszeitraum immer wieder in Beziehung zu Dynamik und Bewegung gesetzt. Es ging um deren Kanalisierung und Taktung innerhalb eines Paradigmas fließender Ordnung (Kapitel V). Schließlich wiesen Ordnungsdenken und Social Engineering eine spezifische Bildlichkeit auf, das heißt in der Analyse gilt es, Strategien und Techniken der Visualisierung nicht als vermittelnden surplus, sondern integralen, gleichsam konstitutiven Bestandteil zu diskutieren (Kapitel VI). Ordnungsdenken und Social Engineering erzählt eine eigene Geschichte des Industriebetriebs. Mit der Dominanz des Industriebetriebs kommt es zu einem Zerfall der Einheit von Arbeits- und Lebensraum im traditionellen Sinn. Das ist die Geschichte einer Krise und Herausforderung. Darauf muss reagiert werden. Der Betrieb kann auch soziale Ordnung verbürgen, diese gilt es mit soziologischem Blick nüchtern zu erkennen, sozialpolitisch zu stärken und für die Ordnung der Gesellschaft nutzbar zu machen. Das ist die Geschichte einer Hoffnung. Wenn der Einzelne früher Geborgenheit in der arbeits- und lebensräumlichen Einheit von Heim und Werkstatt fand, wenn dieses sozial-räumliche Gebilde dafür sorgen konnte, dass jeder wusste, wo sein Platz war – konnte dann der Betrieb nicht auch zu einer ordnenden Umwelt werden? Das spricht für eine bewusste Gestaltung der Fabrikgebäude und des Produktionslayouts, freilich unter Suspendierung eines rein technischen Blicks. Der Betrieb war doch schließlich eine soziale Ordnung eigener Art, die man gestalten konnte. Er war doch schließlich nicht bloße Ansammlung von Maschinen. Man musste doch nur erkennen, dass die Menschen im Betrieb nicht einfach nur Maschinenteile waren. Man konnte sich dann doch im Detail den Menschen widmen, ihr Verhältnis zu den Maschinen gestalten und ihnen dadurch einen Platz zuweisen, der sie nicht deformierte, sondern harmonisch in eine Ordnung integrierte. Gemeinschaftliche Verhältnisse im Betrieb waren doch nicht ausgeschlossen. Wo sie nicht existierten, konnte man sie herstellen. Man konnte doch Fabrikationsgruppen einrichten, um die gewünschte Vergemeinschaftung und Gruppierung zu erreichen. Das ist die Geschichte einer Entdeckung und Konkretisierung. Ordnungsdenken und Social Engineering erkennt im Betrieb ganz neue Möglichkeiten sozialer Ordnung. Er nimmt der Bewegung und Dynamik ihre Bedrohlichkeit, integriert sie und macht sie zu Ordnungsfaktoren. Die kanalisierten Bewegungen im Betrieb lösen dessen Ordnung nicht auf oder zerreißen seine Einheit, sondern sie bewirken das Gegenteil. Sie steigern die Kontrolle, sind durch eine atemberaubende Reibungslosigkeit gekennzeichnet und verketten jedes einzelne Element miteinander. Das ist die Geschichte einer Bekehrung und Bekräftigung des Ordnungspostulats.

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2. M ATERIAL UND F ORSCHUNGSSTAND Die vorliegende Studie rekurriert zunächst auf eine Reihe unternehmensgeschichtlicher Archivbestände – Materialen zu Daimler und Opel auf der deutschen, Austin, Morris, Rover und Standard auf der britischen Seite. Die Schwierigkeit mit derartigem Material besteht darin, dass es sich zwar um mitunter umfangreiche Bestände handelt, diese jedoch eine sehr begrenzte Sicht freigeben. Die Archivalien, die moderne Industrieunternehmen in der Regel produzieren, bilden diese als ökonomische Akteure ab. Das kommt unternehmensgeschichtlichen Forschungen entgegen, stellt für die gesellschaftsgeschichtliche Fragestellung der vorliegenden Studie jedoch eine Herausforderung dar, denn wesentliche Punkte industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings lassen sich aus den umfangreichen Unternehmensbeständen heraus nicht unmittelbar bearbeiten. Das archivalische Material bietet Anknüpfungspunkte für Fragen betrieblicher Sozialpolitik, der Produktionsorganisation oder personalpolitischen Expertise, deren Zusammenspiel für die Realisierung von Ordnungsdenken und Social Engineering nicht unwesentlich ist, die dafür aber in einen anderen Kontext gestellt werden müssen. Anstelle der Bearbeitung eines klassisch unternehmensgeschichtlichen Quellenkorpus galt es, Unterlagen von betrieblichen Personal- und Sozialabteilungen, von Betriebs- und Produktionsingenieuren, Werkszeitschriften, Gewerkschaftspublikationen, betriebssoziologische und sozialpolitische Veröffentlichungen dergestalt aufeinander zu beziehen, dass sich insgesamt eine hinreichend kohärente und plausible Materialbasis für eine neue Fragestellung ergab. Unternehmensgeschichtliche Archivalien wurden systematisch mit zeitgenössischen Veröffentlichungen zu Industriearbeit und Industriebetrieb verbunden, um so zu industriebetrieblichem Ordnungsdenken und Social Engineering, das heißt nicht zum konkreten Betrieb selbst, sondern zu einer spezifischen Problematisierung desselben vorzudringen. Auswahl und Bearbeitung des Quellenmaterials folgen einer problemgeschichtlichen Kombinatorik, die dem Umstand Rechnung trägt, dass es einen klar definierbaren, abgegrenzten und homogenen Quellenkorpus mit der Signatur ›industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering‹ nicht gibt, gleichwohl aber der Nachweis geführt werden kann, dass von einer solchen gesellschaftsgeschichtlich wirkmächtigen Formation zu sprechen sehr wohl seine Berechtigung hat. Nur erfordert die Sichtbarmachung eben eine Relationierung unterschiedlicher Quellen, die sich aus unternehmensgeschichtlicher Perspektive nicht unmittelbar aufdrängen muss. Ordnungsdenken und Social Engineering (im hier akzentuierten Sinn als Modus der Be- und Verarbeitung der Moderne) ist bisher nicht Gegenstand der Forschung geworden. Einerseits wurde Ordnung in ideengeschichtlichen Arbeiten thematisiert, dort aber zumeist in Form eines abstrakt gehaltenen Ordnungsbegriffs. Dabei zeigt sich ein Umgang mit ›Ordnung‹, der diese nicht als Fluchtpunkt einer gesellschafts-

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geschichtlichen Formation versteht  –  wie es in der vorliegenden Studie geschieht  –,  sondern allgemein als »menschliche[n] Versuch, in einer komplexen, heterogenen, kaum zu verstehenden Umgebung Strukturen oder Regelhaftigkeiten zu erkennen, welche die Wahrnehmung der Umwelt erleichtern«.48 In dieser Perspektive kann dann zum Beispiel eine zweitausendjährige Kontinuität des Rechts behauptet werden, sei dieses doch »ein spezifisches Mittel […], das menschliche Zusammenleben zu ordnen und so die Voraussetzungen menschlichen Miteinanders und stabile Strukturen der Gesellschaft herzustellen.«49 In die gleiche Richtung zielen Versuche, politische Zentralbegriffe als Ordnungsbegriffe zu bestimmen, »die ihrerseits auf Prozesse der Entstehung und des Verfalls von politischen und sozialen Ordnungen reagierten«.50 Eine differenzierte, historisierende Auseinandersetzung mit dem Ordnungsbegriff steht nach wie vor aus. Andererseits ist Ordnungsdenken und Social Engineering im weiteren Sinn in einer Reihe geschichtswissenschaftlicher Arbeiten diskutiert worden, die sich der Analyse eines »authoritarian high modernism«, einer umfangreichen »politics of techno-science« oder der Rekonstruktion einer »professional society« und eines »age of experts« widmen.51 Forschungen, die in diese Richtung zielen, wurden in der letzten Zeit intensiviert. Im Mittelpunkt standen die Rekonstruktion von Professionalisierungsbemühungen verschiedener Gruppen, der Herausbildung von Expertenkulturen sowie die theoretischen und praktischen Verschiebungen innerhalb der Sozialwissenschaften, der Planung oder Politikberatung.52 Die geschichtswissenschaftliche Forschung hat sich in jüngerer Zeit zudem mit Blick auf die Zwischenkriegszeit den »Ordnungen in der Krise«53 sowie der nationalsozialistischen und stalinistischen »Ordnung durch Terror«54 gewidmet. Im Zusammenhang damit steht eine Aufmerksamkeit für Krisenwahrnehmungen und -semantiken. Dabei wurde nicht zuletzt von Rüdiger Graf herausgearbeitet, wie sich im Reden über Krisen Gestaltungsoptimismus und Handlungsimperative realisierten.55 Die Frage, wie sich Vorstellungen sozialer Ordnung in den Betrieb einschrieben und auf die Gesellschaft zurückwirkten, wie die als krisenhaft 48 | Schmoeckel, Suche [2005], S. 3. 49 | Ebd. 50 | Anter, Macht [2004], S. 1. 51 | Vgl. Brint, Age [1994]; Mitchell, Rule [2002]; Perkin, Rise [1989]; Scott, Seeing [1998]. 52 | Vgl. Hascher, Politikberatung [2006]; Haupt/Requate, Aufbruch [2004]; Heinemann, Wissenschaft [2006]; Leendertz, Ordnung [2008]; Nützenadel, Stunde [2005]; O’Hara, Dreams [2006]; Stears, Progressives [2006]; Walter-Busch, Faktor [2006]; Whyte, Future [2007]. 53 | Vgl. Hardtwig, Ordnungen [2007]. 54 | Vgl. Baberowski/Doering-Manteuffel, Ordnung [2006]. 55 | Vgl. Föllmer/Graf, Krise [2005]; Graf, Zukunft [2008].

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wahrgenommene Moderne im Betrieb zu be- und verarbeiten versucht wurde, wie sich mithin ein spezifisch industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering realisiert, wurde bestenfalls implizit und punktuell berührt. Die vorliegende Arbeit kann jedoch an verschiedene Forschungszusammenhänge anknüpfen. Da sich industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering in Auseinandersetzung mit industriellen Arbeits- und Sozialverhältnissen realisiert, sind zunächst industrie- und unternehmensgeschichtliche Forschungen von Interesse. Im engeren Sinn wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen, die einen nicht unwesentlichen Teil der Forschung ausmachen, können an dieser Stelle vernachlässigt werden. Eine Ausnahme bilden vereinzelte Überlegungen zu Öffentlichkeitsarbeit, Unternehmenskommunikation und Unternehmenskultur.56 Dabei kommt eine kommunikative und mediale Realisierungspraxis von Betrieb und Unternehmen zum Vorschein, in der diese als effiziente und gleichermaßen wohlwollende, dem Ganzen wie jedem seiner Teile dienende soziale Institutionen zur Schau gestellt wurden. Es zeigt sich, wie Kommunikation als Instrument zur Erreichung von Management- und Unternehmenszielen, als Weg der Beurteilung, Bewertung, Kontrolle der Individuen in Stellung gebracht wurde. Daran lässt sich produktiv anknüpfen, wenn industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering im Kontext ihrer kommunikativen und medialen Realisierung, im Zusammenhang verschiedener Öffentlichkeits- und Repräsentationspolitiken analysiert wird. Die vorliegende Arbeit kann an die große Zahl detaillierter Rekonstruktionen der betrieblichen Arbeits- und Sozialbeziehungen sowie der Produktionsorganisation anschließen. Für die Automobilindustrie und ihre führenden Unternehmen sind die wesentlichen Entwicklungen bekannt.57 Derartige Arbeiten bieten wertvolle Einsichten in das soziale Beziehungsgeflecht moderner Betriebe, die verschiedenen sozialen Positionen und ihre Beziehungen, die in vielerlei Hinsicht für die Analyse 56 | Vgl. Marchand, Corporation [1991]; Ders., Creating [1998]; Michel, Fabrikzeitung [1997]; Neugebauer, Etablierung [1997]; Nye, Image [1985]; Tedlow, Keeping [1979]; Wischermann u.a., Unternehmenskommunikation [2000]; Ders.u.a., Unternehmenskommunikation [2003]; Wolbring, Krupp [2000]; Yates, Control [1989]. 57 | Vgl. Adeney, Motor [1989]; Ders., Nuffield [1993]; Bardou u.a., Revolution [1982]; Bellon, Mercedes [1990]; Boch, Geschichte [2001]; Buschmann, Unternehmenspolitik [1998]; Church, Rise [1995]; Ders., Austin [1979]; Flik, Ford [2001]; Foreman-Peck u.a., Industry [1995]; Gartman, Slavery [1986]; Heyl/Neugebauer, Opel [1997]; Holden, Vauxhall [2003]; Kugler Arbeitsorganisation [1985]; Dies., Werkstatt [1987]; Laux, Industry [1992]; Lewchuk, Technology [1987]; Lichtenstein/Meyer, Line [1989]; Overy, Morris [1976]; Richardson, Industry [1977]; Stahlmann, Revolution [1993]; Tessner, Automobilindustrie [1994]; Donelley/Thoms, Industry [1985]; Tolliday/Zeitlin, Fordism [1992]; Wood, Wheels [1988].

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von industriebetrieblichem Ordnungsdenken und Social Engineering unentbehrlich sind. Gerade die Instrumente der Gestaltung betriebs-sozialer Realität wie Arbeitsmanagement, Personal- und betriebliche Sozialpolitik lassen sich so diskutieren. Auch die Geschichte industriellen Managements ist inzwischen relativ breit erforscht. Dabei rücken drei Dimensionen in den Blick: Erstens die Herausbildung spezifischer Organisationsstrukturen innerhalb von Unternehmen, das heißt – in den Bahnen der Pionierarbeit Alfred D. Chandlers  –  der Aufstieg des Managements im Kontext organisatorischer Neuerungen im Sinn einer Begrenzung der Koordinationsfunktion des Marktes auf den Bereich der Nachfrage, während die Koordination von Rohmaterialien und Gütern sowie die Produktions- und Distributionsfluss in die Unternehmen verlagert wurde. Ein in diesem Sinne modernes Management bildete sich erst im Zuge der Massenproduktion heraus.58 Zweitens die Geschichte verschiedener Managementkonzepte, das heißt die ideengeschichtliche Rekonstruktion verschiedener Denkfiguren und Modelle. Dabei wurde für verschiedene Kontexte herausgearbeitet, wie für den hier interessierenden Zeitraum Betrieb und Unternehmen zunehmend über die Arbeits- und Sozialbeziehungen zu gestalten versucht wurden. Zugleich wurden die Aufgaben des Managements innerhalb eines Verantwortlichkeitsdiskurses gegenüber der Gesellschaft situiert.59 Drittens schließlich sind die Praktiken von Arbeits- und Personalmanagement untersucht worden, das heißt neben der Gestaltung der betrieblichen Arbeits- und Sozialbeziehungen auch die Etablierung personalpolitischer Abteilungen in den Unternehmen.60 Die Analysen zum Arbeits- und Personalmanagement stehen in Verbindung mit Forschungen zum Bereich betrieblicher Sozialpolitik. Art, Funktion und Umfang betrieblicher Sozialpolitik sind vor dem Hintergrund des Konzepts des Paternalismus,61 hinsichtlich ihrer zunehmenden Systematisierung und Integration in die Unternehmensstruktur und mit Blick auf zugrunde liegende soziale Ideen und Ordnungsvorstellungen diskutiert worden. Immer wieder sind dabei Fragen nach den disziplinierenden Effekten sowie integrationistischen Anliegen betrieblicher Sozialpolitik ver-

58 | Grundlegend: Chandler, Strategy [1962]; vgl. auch Jacoby, Masters [1991]; Keeble, Ability [1992]; Pollard, Genesis [1965]; Thurley/Wood, Relations [1983]; Tolliday/Zeitlin, Power [1991]. 59 | Vgl. Child, Thought [1969]; Englander/Kaufman, End [2004]; Guillén, Models [1994]; Kaufman/Zacharias, Trust [1992]; Kocka, Management [1969]; Maier, Factory [1984]; Shenav, Manufacturing [1999]; Wren, Evolution [1987]. 60 | Vgl. Gospel, Markets [1992]; Niven, Management [1967]; Rosenberger, Experten [2008]. 61 | Vgl. Berghoff, Unternehmenskultur [1997]; Fiedler, Sozialpolitik [1996]; Melling, Welfare [1983]; Welskopp, Sozialpolitik [1994].

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handelt worden.62 Derartige Studien tragen dazu bei, die Konturen einer betrieblichen Sozialsphäre und deren Gestaltung sichtbar zu machen. Damit wird, wenn auch eher implizit, ein Teilbereich industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings fokussiert und für eine weitergehende Analyse erschlossen. Dabei geht es um die Gestaltung sozialer und kommunikativer Beziehungen am Arbeitsplatz, die Transformation von Herrschafts- und Kontrollverhältnissen, die Etablierung kooperativer Bereiche innerhalb einer konfliktgeladenen Umwelt, den Zugriff auf ›den Menschen‹ im Industriebetrieb. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering wirkt nicht zuletzt mittels einer eigentümlichen Verschmelzung von betrieblicher Sozialpolitik und betriebs- und industriesoziologischer Forschung. Letztere ist wissenschaftsgeschichtlich verschiedentlich bearbeitet worden.63 Im Mittelpunkt stand und steht dabei die Frage nach der institutionellen und professionellen Entwicklung einer soziologischen Teildisziplin sowie nach den Praxisbezügen einer angewandten Wissenschaft, nach der Stellung der Betriebs- und Industriesoziologie innerhalb industrieller und betrieblicher Interessenskonflikte, ihre Rolle bei der Unterwerfung, Disziplinierung, Kontrolle und Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft, aber auch hinsichtlich verschiedener Rationalisierungsfortschritte. In diese Forschungslandschaft schreibt sich die vorliegende Arbeit ein. Sie kann an verschiedene Forschungsergebnisse anschließen, auf ihnen aufbauen, ist aber immer wieder zu neuen Kontextualisierungen gezwungen, um ihre Fragestellung konturieren und beantworten zu können.

62 | Vgl. Edwards, Terrain [1979]; Fitzgerald, Management [1988]; Gospel, Markets [1992]; Hilger, Sozialpolitik [1996]; Mandell, Corporation [2002]; Meyer, Day [1981]; Pohl, Sozialpolitik [1978]; Sachse, Siemens [1990]; Dies., Sozialpolitik [1987]; Wupper-Tewes, Rationalisierung [1995]. 63 | Vgl. Düll, Industriesoziologie [1975]; Hinrichs, Seele [1981]; Hoffmann, Wissenschaft [1985]; Rose, Sociology [1987]; Rummler, Entstehungsgeschichte [1984]; Schmidt, Entwicklung [1974]; Schuster, Industrie [1987]; Wachtler, Humanisierung [1979]; Walter-Busch, Faktor [2006]; Weyrather, Frau [2003]; Wupper-Tewes, Rationalisierung [1995].

III. Sozialökologischer Industrialismus

»Die Betriebe der Großindustrie sind weder akute Krisenherde noch in sich gefestigte Arbeits- und Lebensräume, die lediglich einer etwas besseren Inneneinrichtung bedürfen, um als stabile Ordnungen gelten zu können.« M AX H ORKHEIMER /M ENSCHEN IM G ROSSBETRIEB , 1955

Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering wird im Folgenden als sozialökologischer Industrialismus akzentuiert. Damit ist ein Modus der Problematisierung gemeint, der einerseits die Orte industrieller Produktion ins Zentrum gesellschaftlicher Ordnung rückt (Industrialismus) und andererseits durch eine Verschmelzung sozialer und physikalischer Räume zu Umwelten (Sozialökologie) gekennzeichnet ist. Es geht darum, Diskurse zu rekonstruieren, die den Industriebetrieb als sozial-räumliche Ordnung behandelten und in Beziehung zu derjenigen der Gesellschaft setzten. Im Zeitalter des Industrialismus, so Thomas Welskopp, war der Körperschaftscharakter von Unternehmen außerordentlich ausgeprägt. »Unternehmen erfüllten wichtige Funktionen im Leben der Städte; sie prägten komplette Regionen und spielten nicht zuletzt eine zentrale Rolle als institutionelle Kristallisationskerne von nahezu öffentlich-rechtlichem Rang.«1 Dieses Verständnis des Industriebetriebs weist Nähen zu den grundlegenden Ideen der Sozialökologie auf, deren klassische Phase mit dem Höhepunkt des Industrialismus ineinander fällt. Die sozialökologische Perspektive wurde im Kontext der Chicagoer Stadtforschung seit den zwanziger Jahren formuliert, erlangte aber auch für den Industriebetrieb Bedeutung. Robert Ezra Parks Definition der Stadt lässt sich in dieser Hinsicht exemplarischer Charakter auch für den Industriebetrieb zusprechen: »The city […] is something more than a congeries of individual men and of social conveniences  –  streets, buildings, electric 1 | Welskopp, Unternehmen [2004], S. 207.

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lights, tramways, and telephones etc.; something more, also, than a mere constellation of institutions and administrative devices – courts, hospitals, schools, police, and civil functionaries of various sorts. The city is, rather, a state of mind, a body of customs and traditions, and a lot of organized attitudes and sentiments that inhere in these customs and are transmitted with this tradition. The city is not, in other words, merely a physical mechanism and an artificial construction. It is involved in the vital processes of the people who compose it; it is a product of nature, and particularly of human nature. […] The city is, finally, the natural habitat of civilized man.«2 Dieser Ökologismus ist übertragbar. Ersetzt man Stadt durch Industriebetrieb, hat man die wesentlichen Dimensionen des sozialökologischen Industrialismus beisammen: Menschen, die in vielfältigen sozialen Beziehungen stehen, die füreinander in gewissem Sinn soziale Umwelt sind, die auf materielle Gegebenheiten reagieren (müssen). Es geht um dichte, mit Materiellem, Sozialem und Symbolischem gefüllte Räume. In der Analyse wird sich zeigen, wie der Industriebetrieb zu dem wurde, was Park der Stadt attestierte – ein natürliches Habitat vergesellschafteter, industriemoderner Menschen. Diese Perspektive ist untrennbar mit der Annahme verbunden, dass man den Menschen verändern könne, indem man seine Umwelt gestaltet. Der sozialökologische Industrialismus bietet einen Mantel für die konkrete Betriebspraxis. Gegenüber der Anordnung von Maschinen in den Werkstätten, Arbeitszeit- und Pausenregelungen, der Gestaltung von Arbeits-, Aufenthalts- oder Sanitärräumen und dergleichen bleibt er weitgehend auf einer vergleichsweise abstrakten Ebene. Seine Funktion besteht darin, einen Bedeutungsrahmen bereitzustellen. Die Details betrieblichen Handelns werden systematisch aufeinander und auf eine umfassende Idee sozial-räumlicher Ordnung bezogen. Wo eine Maschine zu stehen hatte und welche Handgriffe an dieser Maschine zu verrichten waren, berührte zunächst einmal organisatorische und technische Fragen innerhalb der Produktion. Wie die Fabrikgebäude gestaltet wurden, reflektierte ebenfalls zunächst funktionelle Erfordernisse der Produktion. Auch die Gestaltung der Arbeitsräume folgte diesem Muster bis zu einem bestimmten Punkt. Damit endet die Geschichte jedoch nicht. Vielmehr ist entscheidend, innerhalb welchen Rahmens derartige Probleme verhandelt wurden. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering nimmt explizit Abstand von rein organisatorischen und technischen Fragen. Ein wesentliches Merkmal besteht vielmehr darin, dass nahezu jedes betriebliche Detail im Lichte seiner Relevanz für die betriebliche Sozial- und die Ordnung der Gesellschaft interpretiert wird. Um diese Verschiebung nachvollziehen zu können, bedarf es der Rekonstruktion des

2 | Park, City [1925], S. 1f. Zum Sozialökologismus der Chicago School vgl. Bulmer, School [1984]; Carey, Sociology [1977]; Faris, Sociology [1970]; Lindner, Entdeckung [1990]; Ders., Walks [2004]; Smith, School [1988].

S OZIALÖKOLOGISCHER I NDUSTRIALISMUS

sozialökologischen Industrialismus. Die Rekonstruktion und Beschreibung betrieblicher Einzelfragen tritt demgegenüber zurück. Ordnungsdenken und Social Engineering ist mit der Konstituierung des Sozialen als eines neuen Erkenntnisbereichs verwoben.3 Der soziologische Diskurs der Moderne lässt sich mit Armin Nassehi als »eine Denkbewegung« auffassen, »die auf neue Probleme stößt, die es ohne den Diskurs nicht gegeben hätte, die aber zugleich in einem gesellschaftlichen Kontext in Form von Sagbarkeiten, Publika und anschlussfähigen Problemkonstellationen steht. […] Die soziologische Begriffsarbeit muss als eine Praxis begriffen werden, die sich selbst stabilisiert und die Probleme löst, die sie sich zumutet.«4 Der soziologische Blick richtet sich auf unterschiedliche Bereiche (Familie, Wohnen, Jugend, Verkehr, Industriearbeit und dergleichen), die als soziale Probleme verstanden werden. Auch der Betrieb wird im Zug dieser Entwicklung zu einem Sozialgebilde eigener Art, das sich stets mit aus der Gesellschaft in ihn hineinwirkenden Gefahren und Bedrohungen konfrontiert sieht, dem es zugleich aber obliegt, stabilisierend auf die Sozialordnung zurückzuwirken. In Anlehnung an Lutz Raphaels These der »Verwissenschaftlichung des Sozialen«5 lässt sich für weite Teile des zwanzigsten Jahrhunderts eine Versozialwissenschaftlichung des Betriebs konstatieren. Das meint einen Diskurs, der den Betrieb als Sozialordnung beschreibt und in ein Gefüge soziologischen Wissens integriert. Darüber hinaus geht es jedoch auch um sozialpolitische Zugriffe, um die Verankerung eines Personalmanagements in den Betrieben sowie die Veränderung des Aufgabenfelds von Produktionsingenieuren. Ruth Rosenberger hat argumentiert, dass es erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer breiten und nachhaltigen Etablierung innerbetrieblicher Personal- und Sozialabteilungen kam. Aus einer Professionalisierungs- und Verwissenschaftlichungsperspektive trifft das sicher zu. In der Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings zeigt sich jedoch, dass bereits die zwanziger Jahre für die Ausformulierung eines bestimmten Problematisierungsmodus entscheidend waren. Hier wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Industriebetrieb als eigenlogisches Sozialgebilde beschreib- und gestaltbar wurde. Dieser Modus stand in den zwanziger Jahren zur Verfügung, und er bot Antworten auf die Frage, was denn dieser Betrieb, in den man sich als Experte einschreiben konnte, eigentlich war und wofür man Experte sein musste, um ordnende Interventionen fordern oder gar umsetzen zu können. Damit verschiebt sich die Perspektive vom Betrieb als Schauplatz von Professionalisierung und Verwissenschaftlichung zum Betrieb als Gegenstand der Wissensproduktion. Der Analyse geht es hier 3 | Grundlegend: Foucault, Verteidigung [1999]; sowie Castel, Metamorphosen [2000]; Ders., Ordnung [1983]; Donzelot, Ordnung [1979]; Ewald, Vorsorgestaat [1993]. 4 | Nassehi, Diskurs [2006], S. 67f. 5 | Vgl. Raphael, Verwissenschaftlichung [1996].

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um eine Kontextualisierung und kritische Historisierung dessen, was ›Betrieb‹ jeweils meint. Damit ist die Erkenntnis verbunden, dass der Betrieb das keineswegs selbstverständliche Ergebnis einer ganz bestimmten Perspektive auf das Soziale, auf Arbeit und Produktion ist. Neben der sozialen weist Ordnungsdenken und Social Engineering eine räumliche Dimension auf, das heißt es realisiert sich über bestimmte Zugriffe auf den Raum. Das Soziale wurde räumlich, Räume wurden sozial gedacht. Die Art des Umgangs mit Raum rekurriert nicht auf Modelle einer souveränen Gestaltung leerer Räume, sondern stützt sich auf die jeweiligen materiellen Gegebenheiten. Es etabliert sich eine politische Technik, »die sich an das Milieu richtet«.6 Die Problematisierung des Raums als soziales Interventionsfeld lässt sich neben dem Feld der Industriearbeit in Architektur und Stadtplanung7 oder im Verkehrsdiskurs beobachten.8 Überall verbanden sich Gesellschafts- und Raumordnung. Eine Gesellschaft galt als in Ordnung, wenn Wohn- und Arbeitsräume harmonisch, gemeinschaftlich und organisch gestaltet waren, wenn Bewegung und Dynamik in ›geordneten Bahnen‹ verliefen. Sozialökologischer Industrialismus umfasst zwei Dimensionen, deren Analyse die folgenden Kapitel gewidmet sind: die Verortung des Industriebetriebs in seiner Umwelt und die Beschreibung des Industriebetriebs als Umwelt. Erstens. Ordnungsdenken und Social Engineering sieht sich früh mit der Existenz von Industrielandschaften konfrontiert, muss damit umgehen, dass Industriebetriebe sich bereits untrennbar in die sie umgebenden Raum- und Sozialstrukturen eingeschrieben und diese Strukturen sich dadurch bereits merklich verändert hatten. Dieser Umstand war während der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ins Bewusstsein getreten. Der unternehmerische Paternalismus dieser Zeit stellte eine erste Reaktion darauf dar, indem er versuchte, eine Verselbständigung des Industriebetriebs zu verhindern und stattdessen die Arbeit und Produktion in einer andere, unternehmerisch-familiäre Logik zu integrieren trachtete. Immer wieder wurde die Frage gestellt, wie die betrieblich verfasste Produktion, der Alltag und das Leben der Arbeiter sowie die den Betrieb umgebenden Regionen integriert werden könnten. Bei der Beantwortung dieser Frage kamen Modellstädte, Modellfabriken, Industrieansiedlungen, Werkswohnungen und betriebliche Sozialpolitik ins Spiel. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering gründet in erheblichem Maß in der Annahme, dass das Fabrikproblem Teil eines umfassenden »Lebensraumproblems« sei. Mit der Herausbildung der industriellen Produktionsweise schien sich die Einheit dieses Lebensraums aufzulösen. Leben, Wohnen und Arbeiten schienen auseinander zu treten, das Verhältnis von Arbeits- und Wohnstätte schien in Unordnung 6 | Foucault, Geschichte [2004], S. 38-44 (Zitat, S. 44). 7 | Vgl. Kuchenbuch, Gemeinschaft [2010]; Ders., Moderne [2009]. 8 | Vgl. Schlimm, Verkehrsraum [2011]; Dies., Harmonie [2009].

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geraten zu sein. Ordnungsdenken und Social Engineering sucht dagegen nach Möglichkeiten einer Reintegration der fragmentierten Räume. Das war deshalb so wichtig, weil Ordnungsprobleme, die im Betrieb auftraten, früher oder später auch die Familie, die Stadt, die Gesellschaft betrafen oder von dort herrührten. Zweitens. Ordnungsdenken und Social Engineering zielte nicht nur auf die Klärung der Stellung des Betriebs in seiner gesellschaftlichen Umwelt, sondern zugleich auf eine Behandlung des Betriebs selbst als einer umfassenden sozial-räumlichen Umwelt. Sie widmeten sich der architektonischen Gestaltung von Fabrikgebäuden und verhandelten die organisatorische und technische Struktur der Produktionsräume – beides unter dem Gesichtspunkt der Strukturierung von Beziehungen und Bewegungen im Betrieb. Innerhalb dieser über Fabrikarchitektur und Produktionslayout vermittelten Thematisierung des Betriebsraums forciert Ordnungsdenken und Social Engineering eine Ausweitung des Umweltbegriffs: Der Betrieb als Umwelt, als Milieu oder als Werkraum umfasste materielle ebenso wie soziale und psychologische Dimensionen. In dieser komplexen Verkettung wurde die betriebliche Umwelt zu einem Feld sozialpolitischer Interventionen, von dessen Bearbeitung man sich positive Wirkungen auf Charakter und Verhalten der Arbeiter versprach. Vor dem Hintergrund der skizzieren Überlegungen lässt sich auch der historische Ausgangspunkt industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings genauer konturieren. Dieser ist sicher nicht in der Tatsache allein zu suchen, dass die Arbeits- und Produktionsverhältnisse als solche Gegenstand gestaltender Interventionen wurden. Ebenso wenig kann er allein in der Entstehung und Präsenz moderner Industriebetriebe gesucht werden. Auch diese existierten bereits lange bevor sich industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering etablierte. Sozialpolitiker, Soziologen, Produktionsingenieure oder Gewerkschafter, deren Äußerungen sich als Bestandteil industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings identifizieren lassen, fanden keine Tabula rasa vor, als sie sich einer Gestaltung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse verschrieben. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering entstand, als sich die Ansicht durchsetzte, dass der Betrieb einen eigenständigen Realitätsbereich darstellt, der nach eigenen Gesetzen funktioniert und eigene Probleme hervorbringt. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde immer offensichtlicher, dass industriebetrieblichen Arbeits- und Sozialverhältnissen ein eigenes Gewicht zukam und sie nicht länger als quasi privates Problem betrachtet werden konnten. Im Kontext industrieller Massenproduktion, des Bedeutungsgewinns der Arbeiterbewegung sowie der Herausbildung der Strukturen einer korporativen Marktwirtschaft lösten sich Fragen der Arbeit und der Produktion aus ihrem bisherigen Kontext. Statt weiterhin ›individuell‹ innerhalb eines sozialharmonischen Mikrokosmos verortet zu werden, wurden nun die übergreifenden Gemeinsamkeiten und Merkmale der industriebetrieblichen Produktionsverhältnisse hervorgehoben.

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Der Betrieb wurde nun zum eigentlichen politischen und sozialen Problem, die Aufmerksamkeit galt zukünftig den konkreten Produktionsorten. Ordnungsdenken und Social Engineering etabliert sich im Bereich der Industriearbeit in jenem Moment, als mit dem betriebszentrierten Industrialismus eine wirkmächtige Alternativerzählung zum Paternalismus wie auch zum Anti-Kapitalismus akut und benötigt wurde. Im Krieg wurden Politik, Verwaltung und konkrete Produktion kurzgeschlossen. Kartellbildung, zentrale Planung und die dadurch eingeschränkte oder zumindest verdeckte Ebene der Unternehmenskonkurrenz (und damit eines Grundprinzips des Kapitalismus) lenkten die Aufmerksamkeit auf eine andere, die betriebs-soziale Ebene. Ordnungsdenken und Social Engineering meint entsprechend die Übersetzung der vorgelagerten, bereits so oder so existierenden betrieblichen Organisation von Arbeitsprozessen in ein Problem konkreter Sozialordnung.

1. D ER I NDUSTRIEBE TRIEB IN SEINER U MWELT Ein Blick auf die Situierung der Orte industrieller Produktion in ihren Umwelten lässt eine Transformation in der Problematisierung betrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse erkennen. Zunächst bildeten sich industrielle Räume mit zum Teil eigener regionaler Identität heraus. Der Paternalismus suchte nicht zuletzt mit Modellfabriken und Modellstädten eine von einem Unternehmen (besser: von einem Unternehmer) her gedachte Ordnung zu etablieren, die einer Verselbständigung betrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse entgegen wirken sollte. Diese Perspektive nahm einiges vorweg, was mit Ordnungsdenken und Social Engineering ins Zentrum rücken sollte. Bedeutsamer war freilich die mit dem Ende paternalistischer Verschmelzungsträume aufkommende Frage nach den Grenzen des Industriebetriebs und seinem Verhältnis zu anderen sozialen Institutionen. Dieses Problem wurde nicht mehr innerhalb des paternalistischen Diskurses, sondern in den Begrifflichkeiten von betrieblicher Sozialpolitik und Betriebssoziologie verhandelt, die nun eine Anerkennung des Betriebs als eigenständiger Sozialordnung anzeigten. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering vollzog eine stete Grenzziehungsarbeit.9 In deren Folge wurden Betrieb und Gesellschaft als unterscheidbare, nicht aber isolierte  –  sozial-räumliche  –  Gebilde wahrgenommen. Der Raumbezug ist es, der die Wahrnehmung und Diskussion neuer Industrielandschaften ebenso kennzeichnet wie die vor9 | Dieser Begriff wurde in wissenssoziologischem Kontext geprägt und hebt dort auf die Konstituierung professioneller Autonomie und Ressourcenallokation ab (vgl. Gieryn, Boundary-Work [1983]). Ich verwende ihn im Folgenden, um den dynamischen und hinsichtlich der Identität und Kohärenz sozialer Institutionen performativen Charakter der wechselseitigen Bezugnahmen von Betrieb und Gesellschaft zu fassen.

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nehmlich soziologischen Debatten um ein räumliches (und damit immer mehr auch soziales) Auseinandertreten von Leben, Wohnen und Arbeiten und schließlich das Insistieren auf einer Vorstellung gesellschaftlicher Ordnung, die auf dem Miteinander und Ineinandergreifen verschiedener sozialer Institutionen beruhte. Damit ist eine Reihe thematischer Stränge bezeichnet, die teilweise einer zeitlichen Logik folgen, nicht zwingend aber eine lineare Abfolge bilden. Die Herausbildung erster Industrielandschaften folgte unmittelbar der Industrialisierung; Feststellungen, dass der Betrieb als Teilordnung der Gesellschaft in der Mitverantwortung für deren Ordnungsaufgaben und -probleme stehe, finden sich in Ausläufern noch in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Dazwischen zeigen sich eine Reihe von Überlagerungen und Transformationen. Einige Annahmen des Paternalismus diffundierten in jüngere Bestrebungen betrieblicher Sozialpolitik; das frühe Problem der Industrielandschaften kehrte in veränderter Form in Diskussionen sozial-räumlicher Ausdifferenzierung sowie einer Politik räumlicher Abstände und Ordnungen wieder.

Industrielandschaften Mit der Industrialisierung veränderten sich Siedlungsgefüge und soziale Raumstrukturen. Es bildeten sich industrielle Räume, das heißt Wirtschafts- und Soziallandschaften, die über ihren regionalen Zuschnitt hinaus eine strukturierende Wirkung entfalteten.10 Das gilt nicht nur – wenngleich dort in besonders augenfälliger Weise – für schwerindustrielle Landschaften wie das Ruhrgebiet oder das südwalisische Kohlerevier.11 Jenseits der Herausbildung ganzer Landschaften strukturierten einzelne Industrieunternehmen ihre Umgebung. Sie forcierten Industrialisierung und Urbanisierung vor Ort und trieben den Wandel von handwerklichen zu industriekapitalistischen Strukturen voran. Verschränkung und Zusammenspiel von Industrie und Stadt können am Beispiel der Automobilindustrie illustriert werden. Ohne hier eine detaillierte industrie- und regionalgeschichtliche Rekonstruktion leisten zu können, sollen doch zumindest grundlegende Prinzipien einiger moderner Industrielandschaften skizziert werden. An Beispielen wie Flint/Michigan, Coventry, Cowley/Oxford, Sindelfingen oder Rüsselsheim zeigt sich, wie sich soziale und kulturelle Normen und Praktiken mit den Erfordernissen der industriellen Massenproduktion verbanden, wie Stadt und Umland näher zusammen rückten und durch die ansässigen Betriebe strukturiert wurden. Das wurde aufmerksam beobachtet. Am spektakulärsten lässt sich das vielleicht mit Blick auf Flint/Michigan, den berühmten General Motors-Standort, veranschaulichen. 10 | Vgl. Tenfelde, Raumbildung [2008]. 11 | Vgl. jüngst Berger, Landschaften [2008]; Goch, Selbstwahrnehmung [2008].

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Ronald Edsforth hat gezeigt, wie die zweite industrielle Revolution und die Entstehung moderner Konsumgesellschaften, wie Produktions- und Arbeitsorganisation mit sozialen Praktiken und kulturellen Normen zusammenhingen, wie ein konsumorientierter Kapitalismus zunehmend als Kompensation für die klassischen »demands of work« (Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen, Entlohnung) wirkte und das paternalistische durch ein konsumkapitalistisches Wohlstandsmodell ersetzt wurde.12 Damit ist eine in dieser Deutlichkeit nicht typische Konstellation markiert, das grundlegende Problem zeigte sich freilich auch andernorts. In Coventry, einem Zentrum der britischen Automobilindustrie, war bereits am Vorabend des Ersten Weltkriegs ein ökonomischer und sozialer Wandel erkennbar. Coventry war zu einer modernen, kapitalistischen Industriestadt geworden. Die Ansiedlung und Expansion der neuen Industrien, hier: der Produktion von Fahrrädern und Motoren, zogen ein schnelles Wachstum der Stadt und eine umfassende Veränderung ihrer ökonomischen und sozialen Struktur nach sich. Die neuen Industrien wurden schnell zum größten Arbeitgeber der Stadt. In der Zwischenkriegszeit verdoppelte sich die Bevölkerung nicht zuletzt durch eine anhaltende Arbeitsmigration. Die Spannungen, die aus dem Wandel resultierten, manifestierten sich in Wohnungs- und Bildungsfragen. Zudem intensivierten sich Debatten um die gesundheitlichen, hygienischen und moralischen Zustände sowie die Schwierigkeiten, die mit der An- und Einpassung der Migranten und der rapide vergrößerten Arbeiterschaft insgesamt verbunden waren. In den zwanziger Jahren wuchsen Umfang und Komplexität industrieller Produktion kontinuierlich an. Die Automobilindustrie prägte die Stadt. Die traditionellen Werkstätten, die die industrielle Produktion bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts dominierten, lösten sich nun nahezu vollständig auf.13 Als die Automobilindustrie in den siebziger Jahren fast über Nacht verschwand, schuf das eine Atmosphäre, in der man die »boom town« der Nachkriegszeit als »ghost town« besingen konnte. Mit dem Ende der Automobilindustrie war nicht nur ein ökonomischer und sozialer Strukturwandel, sondern auch ein Bruch im kulturellen Leben verbunden. Noch in den sechziger Jahren galt Coventry als paradigmatische Heimat des »affluent worker«, dem ein hoher Lebensstandard, ausgeprägte Konsumchancen sowie politisches und kulturelles Selbstbewusstsein bescheinigt wurden; der zugleich ein instrumentelles Verhältnis zur Labour Party und den Gewerkschaften pflegte und auf diese Weise eine stete Verbesserung seiner Lebensumstände erreicht hatte.14 In Coventry hatte sich in der Nachkriegszeit ein weithin erkennbares Modell industrieller Beziehungen etabliert, das den Arbei12 | Vgl. Edsforth, Conflict [1987]. 13 | Vgl. Carr, Workers [1978]; Donnelly/Thoms, Industry [1985]; Dies., Unions [1989]; Lancaster/Mason, Life [1986]; Tolliday, Tide [1986]; bereits zeitgenössisch: Thomas, Effect [1927]. 14 | Vgl. Goldthorpe u.a., Worker [1968].

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tern Wohlstand und soziales wie kulturelles Fortkommen versprach. Dieses Modell war durch eine starke Position der »shop stewards« sowie ein stabiles und einflussreiches »gang system« in den Werkstätten gekennzeichnet. Um damit umzugehen, adaptierten die Unternehmen vielfach eine ausgedehnte »welfare strategy«.15 Coventry stand für eine integrierte und integrative soziale Ordnung unter den Bedingungen des florierenden Industriekapitalismus. Von diesen Voraussetzungen profitierte nicht zuletzt die Jugend, die in dieses Setting hinein sozialisiert wurde. Umso größer war der Schock, als sich das alles änderte. Die Entwicklung Coventrys war nicht singulär. Verschiedene Phänomene kehrten immer wieder, die Entwicklungsrichtung blieb erkennbar, wenngleich die Bedingungen und Gegebenheiten anderswo eigene Probleme hervorriefen. Mit der Ansiedlung von Morris in den zwanziger Jahren in Cowley/ Oxford wurde aus einer kleinen, vorindustriellen Universitätsstadt ein Ort, in dem man sich mit der Existenz sozialer Klassen auseinanderzusetzen hatte, in dem man erstmals in größerer Zahl Arbeiter samt ihrer Lebensweisen und Kultur zu Gesicht bekam. Vor dem Ersten Weltkrieg verfügte Oxford lediglich über eine relativ kleine Arbeiterklasse, die wesentlich aus überschaubaren Gruppen qualifizierter und angelernter Arbeiter in kleineren Betrieben bestand. Diese waren nicht übermäßig von anderen Gruppen der Bevölkerung getrennt. Im Umfeld der Universität hatten sich bürgerliche Wohlfahrtsaktivitäten herausgebildet, die auf die Integration der städtischen Arbeiter zielten. Auch die Gewerkschaften wirkten primär als Unterstützungseinrichtungen, weniger als politische Kampforganisationen. Als sich Morris in den zwanziger Jahren in Cowley ansiedelte, zogen die relativ hohen Löhne sowie die mangelnde Konkurrenz in der Region Arbeiter aus dem Umland an. In größerer Zahl wechselten Landarbeiter in die Industrie, und zugewanderte Industriearbeiter siedelten sich im Umland der Stadt an. Dadurch gewannen die Bindungen von Stadt und Umland eine neue Qualität. Beide rückten zusammen. Formen besonderer Solidarität, sozialer Kohäsion oder klassengesellschaftlich strukturierte Kultur- und Freizeitaktivitäten bildeten sich allerdings kaum aus. Vielmehr schrieb sich die bisher relativ spannungsarme Verschränkung alter und neuer Organisationen und Institutionen fort.16 Deutsche Beispiele für die wesentlichen Entwicklungstrends industrieller Sozial-Räume lassen sich ebenso problemlos finden. Vieles ähnelte sich in der Tendenz, auch wenn sich im Konkreten Unterschiede zeigen. Wichtig ist die vergleichbare Problemlage. Wie man diese Lage beurteilte, war entscheidend für die Ausbildung verschiedener Ordnungsinstrumente. Dass sich das Maßnahmenbündel in Deutschland und Großbritannien gleichermaßen als relativ kohärente Formation, als Ordnungsdenken und Social Engineering, darstellte, verweist auf verwandte Herausforderungen und Diagnosen. In Sindelfingen schuf die Automobilindustrie, nament15 | Vgl. Donnelly/Thoms, Unions [1989]; Tolliday, Tide [1986]. 16 | Vgl. Whiting, View [1983].

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lich Daimler, einen neuen Kleinstadttypus. Die Automobilindustrie trug nicht unerheblich zu einer inneren Urbanisierung bei, wirkte also in gewissem Sinn als ›Städtebildnerin‹ im Prozess der Modernisierung von Verhaltensmustern und Denkhaltungen. Bäuerlich-ländliche, aber auch traditionell handwerkliche Werthaltungen schrieben sich fort, wurden aber immer stärker durch die Einbindung in industrielle Arbeitsverhältnisse überlagert und neue Orientierungen wie zum Beispiel eine Differenzierung von Arbeit und Freizeit gewannen an Bedeutung.17 Abbildung 4: Blühende Industrielandschaften: Heinrich Hauser dokumentiert, dass zwischen Industrie und Natur Harmonie herrschen kann.

17 | Vgl. Merkel, Daimler-Familie [1996].

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Opel und Rüsselsheim wurden in zeitgenössischen Diskussionen gern herangezogen, wenn gezeigt werden sollte, dass industrielle Massenproduktion und die ländliche Prägung einer Region harmonisch koexistieren konnten. In populären Reportagen, wie denjenigen Heinrich Hausers, wurde regelmäßig auf diese Harmonie hingewiesen. »So stark das Werk und die Siedlungen seiner Gefolgschaft das Gesicht der kleinen Stadt bestimmen, so unzerstörbar hat ein ländlicher Grundcharakter sich erhalten. Man braucht nicht sehr viele Schritte zu machen, um diese Mauern hinter sich zu lassen, um mitten im Wald, in Weinhügeln oder auf den großen Mainwiesen zu sein.«18 Werksgelände und Werksgebäude fügten sich ein, störten weder das ländliche Bild noch die landwirtschaftliche Betätigung. Im Gegenteil: »Aus den Wogen der Garben ragt die Automobilfabrik wie eine Insel auf«.19 Heinrich Hauser illustrierte seine Hymnen auf die gelungene Einbettung des Opelwerks mit einigen Photographien, die veranschaulichen sollen, wie Natur und Industrie sich gleichsam organisch zu einer harmonischen landschaftlichen Einheit fügen können. Die Bilder sollen zeigen, dass eine organische Einbettung von Fabrikgebäuden in die Natur möglich ist – und wie das aussehen kann. Das Ziel, das Hauser mit seinen Abbildungen verfolgt, ist zunächst ein Loblied Opels, dann aber auch die Etablierung eines ästhetischen Maßstabs. Die Perspektive der Bilder inszeniert das Fabrikgelände nicht als erratischen Block innerhalb einer ansonsten harmonischen Landschaft, sondern als Teil dieser Landschaft. Der Opelturm steht »natürlich« inmitten blühender Bäume (vgl. Abb. 4); das Werksgelände ist der »natürliche« Horizont, in den die ruhige Feldarbeit ohne Bruch übergeht – es wird ebenso inszeniert, wie zum Beispiel ein Alpenpanorama (vgl. Abb. 5). Wer von der Feldarbeit zurückblickt oder eine wohlverdiente Pause einlegt, das suggeriert das Bild, kann den Blick schweifen lassen, sich erholen und neue Kraft schöpfen. Hausers Abbildungen kehren damit den klassischen Blick insofern in gewisser Weise um, als dass ansonsten zumeist der Blick aus industriellurbanen Räumen in die Landschaft hinaus gelenkt wurde. Mit Blick auf Rüsselsheim sprach Karl Weigand 1956 in einer Studie zur Pendelwanderung davon, dass die Stadt zu einem Industriezentrum mit bedeutendem Einfluss »auf die Gestaltung der Kulturlandschaft im Rhein-Main-Gebiet« geworden sei. Die Adam Opel AG präge »das Bild ihrer Betriebsgemeinde, die durch dieses Unternehmen ihre heutige Größe und ihren städtischen Charakter erlangte. Zugleich aber wurde diese Industriestätte, die durch ein sprunghaftes Wachsen ihren großen Arbeiterbedarf in der engeren Umgebung nicht mehr decken konnte, zu einem wichtigen Faktor auf dem Arbeitsmarkt im gesamten rhein-mainischen Industrieraum.«20 Gegenüber anderen Industriestädten und -zentren wie dem Ruhrgebiet sei Rüsselsheim durch eine Besonderheit gekenn18 | Hauser, Band [1936], S. 10. 19 | Ebd., S. 13. 20 | Weigand, Rüsselsheim [1956], S. 10.

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Abbildung 5: Das Fabrikgebäude am Horizont wird zur natürlichen Grenze einer harmonischen Landschaft.

zeichnet: Es blieb »Arbeiterdorf«, »das sich von den Nachbardörfern nur dadurch unterschied, daß unmittelbar neben seinen Wohnhäusern auf einem weiten Werksgelände eine eigene ›Fabrikstadt‹ stand, die im Grunde ohne die Betriebsgemeinde gewachsen war und ihre Beschäftigten meist von anderen Orten erhielt. […] Dieser dörfliche Charakter änderte sich, als die großen Siedlungen gebaut wurden, die, gleich der ›Opelkolonie‹, einen breiten Raum außerhalb des geschlossenen Wohngürtels einnahmen. […] Eine entscheidende innere Wandlung vollzog sich jedoch erst nach dem Kriege. Erst jetzt erhielt Rüsselsheim eine eigene Geschäftswelt, die ihm trotz seiner Vergrößerung auch in den dreißiger Jahren noch versagt geblieben war.«21 Die Präsenz der Opelwerke stellte als solche – wie das auch andernorts der Fall war  –  für die Region kein grundsätzliches Problem dar. Die Herausforderung bestand vielmehr in der Integration zunächst einmal verschiedener Logiken und Ordnungen. »[D]er ländliche Friede, der über der Mainspitze liegt, bildet einen auffallenden Kontrast zu dem Fluidum der industriellen Regsamkeit innerhalb der Opel’schen Fabrikanlagen.«22 Dieser Kontrast war aber, so muss man hinzufügen, weder schroffer Gegensatz noch harter Konflikt. Vielmehr schien das Miteinander zweier Welten, wie Opel und Rüsselsheim es vorführten, einen Idealzustand zu beschreiben, der nur deshalb irritierte, weil man nicht genau wusste, ob es sich um ein utopisches Versprechen oder eine nostalgische Erinnerung handelte. Die faktische Präsenz von Fabriken in Städten und Regionen schuf ausreichend Anschauungsmaterial, um sich eine misslungene Integration ausmalen, zugleich aber das Ziel integrierter Industrielandschaften verfolgen zu können. 21 | Ebd., S. 42f. 22 | Anonym, Besuch [1950], S. 4.

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Totale Institutionen Es lag nahe, vom Zentrum aus – vom Betrieb – eine Gestaltung der Landschaften in Angriff zu nehmen, das heißt innerbetriebliche Strukturierungsleistungen nach außen zu verlängern. Das begründete eine sozialökologisch-industrialistische Perspektive. Industrielandschaften ließen sich nur dauerhaft in den Griff bekommen, wenn man auch an den Industriebetrieben selbst ansetzte. Aufgrund der vielfach zu beobachtenden Verschränkung von Industrien und Regionen schien es erforderlich, die Betriebe in die Verantwortung zu nehmen. Deren Bearbeitung versprach, weitgehende Effekte auf ihre Umgebung zu haben. Ordnungsdenken und Social Engineering imaginiert eine Gesamtumwelt aus Betrieb, Stadt und Region samt der Idee einer umfassenden sozialen Verantwortung der Unternehmen. Modellstädte und Werkswohnungen zeugen von dieser Aufmerksamkeit für die inner- und außerbetriebliche Umwelt der Betriebe. Es war diese Perspektive, die in unzähligen Varianten wiederkehrte. Die Übersetzung in einzelne Maßnahmen wie beispielsweise die Ausgestaltung von Werkswohnungen, die Gewährung von Wohnkrediten, die Unterstützung von Arbeitersparprogrammen, betriebliche Altersvorsorge, Unfallverhütung am Arbeitsplatz oder aber auch die Versicherung gegenüber den Folgen von Arbeitsunfällen – all das und vieles andere gibt ein schillerndes Mosaik ab, das immer wieder beschrieben und in unzähligen Fallstudien individuell gewürdigt worden ist. Gerade das soll hier aber nicht erneut versucht werden. Vielmehr rückt die Frage in den Mittelpunkt, was diesem Mosaik seine Bedeutung und Kohärenz gibt, warum die in verschiedenen Unternehmen ganz unterschiedlich praktizierten Maßnahmen aufeinander bezogen werden konnten. Den Ausgangspunkt des sozialökologischen Industrialismus bildete die paternalistische Idee der Durchdringung von Fabrik- und Alltagsleben – eine Idee, die die Fabrik zu einer »totalen Institution im buchstäblichen Sinne [machen wollte], ein einziger Ort, an dem der Mensch die Totalität seiner Bedürfnisse befriedigt, wo er lebt, arbeitet, wohnt, sich ernährt, sich vermehrt, stirbt.«23 Als Ordnungsprogramm repräsentierte der Paternalismus das unternehmerische Streben nach sozialer Hegemonie in den Fabriken und den sie umgebenden Gemeinden. Er gründete in Idee und Wirklichkeit eines von Arbeit durchdrungenen Milieus, in dem alles und jeder seinen Platz hatte. Spätestens seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts lässt sich eine intensive Durchdringung von städtischem und Fabrikleben beobachten. Sozial-räumliche Milieus, die wesentlich durch die jeweiligen Fabrikherren strukturiert wurden, verfestigten sich auf diese Weise. Unternehmer investierten gezielt in das städtische Milieu und unterstrichen damit ihre Bedeutung und Stellung. 23 | Castel, Metamorphosen [2000], S. 216-228 (Zitat S. 225f.). Zum Paternalismus vgl. auch Berghoff, Unternehmenskultur [1997]; Melling, Welfare [1983].

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Sie förderten Schulen und das kulturelle Leben, leisteten Unterstützung in sozialen Notlagen, feierten ihre Jubiläen und Feste als mehr oder weniger öffentliche Ereignisse.24 Industrielle Unternehmen wurden zu sozialen Institutionen, denen die Aufgabe zukam, wesentliche Entwicklungen modernen Lebens aufzufangen und das Verhältnis von Individuum und Gruppe in einer sozialen Umwelt zu strukturieren. Diese Thematisierung industrieller Produktion gründete, durchaus in Anknüpfung an ältere utopische Traditionen, in der Idee ordnender Inkorporierung individueller Verhaltensweisen. »The corporation also carried forward the impulse to sculpt ordered social relations from the raw freedom and individuality found in the creative, but distressingly competitive, market. […] In America in particular the tendency to turn to the large scale, private corporation reflects enthusiasm for voluntary institutions unencumbered by tradition that can impose human will on nature and check the potential for social anarchy. Such institutions were meant to find freedom and democracy in a hierarchical bureaucracy. They were to liberate by rationalizing and systematizing. It was a project that only true utopians could have imagined.«25 Diese Ausweitungslogik zeigt sich in den Grundlinien auch in der Geschichte des Managementdenkens. Managementkonzepte hoben seit dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hervor, dass eine Fabrikordnung im umfassenden Sinn nur dann zu erreichen sei, wenn die politische und ökonomische Umgebung (die den Betrieb umgebende Gesellschaft) ihrerseits gestaltet würde. Entsprechend lässt sich der Versuch einer steten Erweiterung der Zuständigkeiten, einer kontinuierlichen Eroberung neuer Felder beobachten, die es im Interesse des Unternehmens zu bearbeiten galt. Die bis etwa 1930 dominante Orientierung an technisch-organisatorischen Fragen wissenschaftlicher Betriebsführung (vor allem: Effizienzsteigerung) wich einem seit den späten zwanziger bis in die fünfziger Jahre ausgeprägten Psychologismus, der den Betrieb als umfassendes soziopsychologisches Setting begriff. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus dieser betrieblichen Innerlichkeit ein politökonomischer Kontextualismus.26 Sozialreformerische Impulse und personalpolitische Versatzstücke verbanden sich, und diese Verbindung führte in den frühen zwanziger Jahren zur Herausbildung eines kohärenten Wissenskorpus, der seinerseits um die Idee der öffentlichen Verantwortung von Unternehmen kreiste und Management als »service to the community« begriff.27

24 | Vgl. für Großbritannien Joyce, Work [1980]; Pollard, Genesis [1965], S. 197-206.

25 | Lipartito, Corporation [2004], S. 111. 26 | Vgl. Kocka, Management [1969]; Maier, Factory [1984]; aber auch Englander/Kaufman, End [2004]; Kaufman/Zacharias, Trust [1992].

27 | Vgl. Child, Thought [1969], S. 33-34, 70-109; Guillén, Models [1994], S. 205-265.

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Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering gründet in der Annahme, dass es nötig und möglich sei, mittels einer Gestaltung der inner- und außerbetrieblichen Umwelt die negativen Folgen der Industriearbeit für den einzelnen Arbeiter und die Gesellschaft aufzufangen. Unternehmer, so stellte der Betriebssoziologe Ludwig Heinrich Adolph Geck in einem frühen Zwischenfazit fest, versuchten seit Beginn des industriellen Zeitalters, »die Sozialordnung des Betriebs nach grundlegenden Anschauungen zu gestalten und selbst auf die betrieblich beeinflußte außerbetriebliche Sozialordnung einzuwirken«.28 Aus dieser Situation heraus haben sie »eine Sozialpolitik vom Betrieb aus bzw. des Betriebs, eine betriebliche Sozialpolitik verfolgt« – nicht nur in dem Sinn, »daß die Leitungen von Betrieben wie die Führer anderer Sozialgebilde Maßnahmen trafen, welche die Wirksamkeit des Sozialgebildes, des Betriebs, naturnotwendig verlangt, oder Maßnahmen, welche geeignet erscheinen, das erstrebte wirtschaftliche Ziel mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen«, sondern auch »Maßnahmen, die sich auf die Wohlfahrt der unmittelbaren und mittelbaren Betriebsangehörigen sowie auf das arbeitliche Zusammenwirken der im Betrieb Tätigen erstrecken«.29 In den Vordergrund rücken hier explizit die Erfordernisse eines Sozialgebildes. Da diese nicht von den sozialen Beziehungen der Beteiligten zu trennen sind, sind aus unternehmerischer Sicht alle diejenigen Maßnahmen gerechtfertigt, die das »Wohlbefinden« der »Betriebsangehörigen« betreffen. »Betriebsangehörige« verlassen auch dann den Verantwortungsbereich des Unternehmens nicht, wenn sie sich außerhalb des Betriebs in anderen sozialen Sphären aufhalten – sie bleiben immer und überall »Betriebsangehörige«, auch wenn das nicht zwingend ihr einziges Persönlichkeitsmerkmal sein muss. Orte und soziale Beziehungen werden immer dann und genau deshalb zum Bestandteil der betriebssozialen Ordnung, wenn »Betriebsangehörige« beteiligt sind. »Certain firms«, so blickte der britische Soziologe J. Henry Richardson schon 1933 zurück, »appear to aim at the creation of a model community in which the workpeople shall find full scope for their physical, mental and moral development. Not only are the best possible arrangements made for the comfort of the workpeople inside the factory, and the work organised so as to involve the least possible strain, but all such matters are being considered in consultation with the representatives of the employees. Outside the factory facilities are provided for a wide variety of social, educational and recreational activities.«30 In Großbritannien hätten Unternehmer noch vor einigen Jahren einen sehr engen Standpunkt gegenüber »industrial welfare« eingenommen. Sie begriffen sie als eine Ansammlung streng limitierter Mittel, um das Wohlbefinden der Arbeiter ein wenig zu heben. Dem habe ein paternalistischer und philanthropischer Impuls zugrunde 28 | Geck, Sozialpolitik [1931], S. 313. 29 | Ebd. 30 | Richardson, Relations [1933], S. 179.

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gelegen. In jüngerer Zeit habe mal allerdings erkannt, dass zwischen Arbeitsbedingungen und Effizienz eine starke Beziehung bestehe. »Welfare work« sei vielerorts aufgewertet worden und werde nun als integraler Bestandteil des Unternehmensmanagements betrachtet.31 Die Frage nach den Grenzen des Industriebetriebs und der Abgrenzung verschiedener Verantwortungsbereiche blieb bis in die fünfziger Jahre prägend. »[W]ir können hier nicht unsere Seele salvieren mit der abschließenden Feststellung«, so Heinrich Nordhoff 1952, »daß wir Automobile bauen und darin unsere vollständige Zweckerfüllung sehen – unser Verantwortungsbereich, so wie wir ihn sehen, geht weiter.«32 Ausufernde Verantwortung also; Verantwortung für den Betrieb und die umgebende Gesellschaft; Verantwortung, deren Ausübung von Betrieb und Unternehmen ausging. Neben der Gestaltung der innerbetrieblichen Umwelt, die weiter unter diskutiert wird,33 geht es an dieser Stelle vor allem um Modellstädte, Industrieansiedlungen und Werkswohnungen. Dabei zeigen sich Versuche einer zunehmenden Integration des Lebensund Wohnbereichs in die Einflusssphäre der Betriebe und Unternehmen mit dem Ziel, die Stabilität und Moralität sozial-räumlicher Milieus auch unter den Bedingungen der Industriegesellschaft zu gewährleisten. Nachdem in der frühen Phase der Industrialisierung sichtbar geworden war, dass die moderne Industrie zur Bedrohung für etablierte Formen sozialen Zusammenhalts wurde, zeigt sich nun ein Bemühen um den Nachweis, dass industrielle Massenproduktion auch innerhalb der gegebenen Ordnung funktionieren könne.34 Modellstädte und Modellfabriken, Werkswohnungen und betriebliche Sozialpolitik insgesamt wurden innerhalb dieser Koordinaten diskutiert. Aus dem Umfeld des Institute of Personnel Management hieß es 1952, Unternehmer sollten berücksichtigen, wo ein Werk stehe, welche Strukturen es vor Ort gebe, ob die Arbeiter mit dem industriellen Leben vertraut seien. All das sei relevant für die Beantwortung der Frage, wo die Grenze zwischen individueller Selbsthilfe, kommunalen Diensten und Leistungen des Unternehmens zu ziehen sei.35 Die physischen Arbeitsbedingungen gehörten wohl fraglos in die Verantwortung des Unternehmers, aber auch die persönlichen Probleme der Arbeiter, ihre soziale Sicherheit, medizinische Versorgung, Wohnung, Ernährung und Bildung der Kinder? In verschiedenen Ländern gebe es darauf verschiedene Antworten.36 Wie diese Antworten aussehen konnten, wie 31 | Vgl. ebd., S. 171f. 32 | Nordhoff, Ansprache [1952], S. 120. 33 | Vgl. Kap. III.2. 34 | Vgl. Heald, Responsibilities [1988]; Kasson, Civilizing [1999], S. 53-106.

35 | Vgl. Sharp, Welfare [1952], S. 135. 36 | Während man in Großbritannien Hilfe bei der Lösung persönlicher Probleme in die Verantwortung der Unternehmer einschlösse – so wie eigentlich alles, von dem man annehme, dass es zufriedene und damit pro-

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die Verantwortungsbereiche jeweils abgesteckt wurden, soll mit Blick auf exemplarische Projekte skizziert werden. Ein berühmtes Beispiel für den sozialökologisch-industrialistischen Gestaltungswillen über die Fabriktore hinaus ist die Modellstadt der Pullman Palace Car Company in Chicago um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert: »The model town was an experiment in transferring business experience and technology to a community.«37 Von Anfang an zeigte sich eine Verschränkung der physischen Raumordnung mit Vorstellungen sozialer Kontrolle. »It was expected that the town would engender values which Pullman referred to as ›habits of respectability‹. By this, he meant ›propriety good manners‹, cleanliness and neatness of appearance, industriousness and sobriety, and self-improvement through education and savings. He believed the community would develop a superior type of American workingman. […] The physical planning of the town was for social ends. Not only were the needs of the inhabitants to be anticipated and met, but they were to be directed and shaped.«38 Um das zu erreichen, bediente man sich verschiedener Methoden moderner Stadtplanung. Man erwarb Land südlich von Chicago, zog Architekten und Landschaftsgestalter heran, die man mit den Plänen für eine Modellstadt beauftragte. Die Häuser und Wohnungen waren durchweg mit hohen Decken und großen Fenstern ausgestattet, folgten damit einer spezifischen Idee gesunden Wohnens, das wiederum als Voraussetzung angesehen wurde, um gesündere, glücklichere und damit produktivere Arbeiter herzustellen. Der Grundriss der Modellstadt sollte Wege effizienter gestalten und somit im Zusammenspiel von Stadt und Fabrik eine merkliche Zeitersparnis bedeuten. Unüblich für eine kleine Stadt war das Ausmaß sozialer und kultureller Infrastruktur. Theater und Bibliothek sollten nun aber explizit nicht der Unterhaltung, sondern der moralischen und intellektuellen Bildung dienen. Ford experimentierte seit Beginn der zwanziger Jahre mit der Einrichtung dezentraler »village industries«, um auf diese Weise die vermeintlichen Verwerfungen des städtischen und industriellen Lebens zu bewältigen. Das ging über eine bloße Bekräftigung der Tugenden des Landlebens (Ganzheitlichkeit, Verwurzelung, Sauberkeit und dergleichen) hinaus. duktivere Arbeiter schaffe – kritisiere man vieles davon in den USA als britischen Paternalismus (vgl. Sharp, Welfare [1952], S. 135f.). Frank Woollard, Produktionsingenieur bei Austin, bemerkte allerdings bereits 1925, dass er von einer allzu ausgedehnten Wohlfahrtsarbeit mit paternalistischem Einschlag nicht viel hielt. Menschen seien vernünftige Wesen und als solche in der Lage, für sich und ihre Belange zu sorgen. »The factory is the means of enabling them to earn a decent living, and they are better citizens if they control their own activities outside the factory« (Woollard, Notes [1925], S. 424). 37 | Buder, Pullman [1967], S. 229. 38 | Ebd., S. 60, 70.

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Zwischen 1918 und 1944 richtete Ford neunzehn »village industries« im südlichen Michigan ein  –  als Experimente dezentraler Produktion und überschaubare Gegenentwürfe zu den industriell-technischen Systemen der Großstädte, in Teilen also zum Prinzip Ford selbst. Die in einem Umkreis von sechzig Meilen um das Dearborner Hauptquartier Fords angesiedelten Fabriken verbanden ein ländliches Setting mit traditionellen Werten und das wiederum mit modernster Produktionstechnik, Werkzeugen, Maschinen und Fließbändern. Es ging nicht um die Flucht aus der industriellen Gesellschaft, sondern um organisatorische Alternativen. Ford verstand das als nachahmenswerten Weg, um der urbanen und industriellen Konzentration zu begegnen. Neben dem Einsatz kleinerer Maschinen sowie der Idee eines Netzwerks der Industriedörfer war es Ford wichtig, Farm- und Fabrikarbeit zu verzahnen: Ford wollte Farmer und Handwerker aus der jeweiligen ländlichen Region einstellen, nicht städtische Arbeiter zur Umsiedlung bewegen. Die Fabrikgebäude folgten in kleinerem Maßstab den von Fords großen Werken Highland Park und River Rouge bekannten Prinzipien. Sie sollten Sauberkeit und Effizienz ausstrahlen, wohlproportioniert sein und angenehme Arbeitsbedingungen (Wärme, Licht, Luft) gewährleisten. Die Industriedörfer waren keine konventionellen »company towns«, das Land gehörte nicht Ford, und sie waren relativ frei von den Zugriffen zum Beispiel des Sociological Departments. Werkswohnungen und Warenhäuser errichtete Ford nicht.39 Ganz ähnlich verhielt es sich mit Cadburys »factory in the garden« nahe Birmingham. Vor dem Hintergrund der Arbeitsethik und Wirtschaftsauffassung der Quäker wurde Cadbury neben Rowntree im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert führend in Fragen industrieller und sozialpolitischer Reformen. Die Überzeugungen der Quäker gründeten unter anderem in der Annahme einer Einheit des Lebens, die auch im Unternehmen zu gelten habe. Der Arbeiter sollte als ganzer Mensch, nicht als Werkzeug, Mittel zum Zweck, bloße Arbeitskraft oder Ware behandelt werden. Die Umsiedlung der Fabrik auf das Land erfolgte mit dem proklamierten Ziel, den Arbeitern eine bessere Lebensgrundlage zu bieten. Im neunzehnten Jahrhundert war Birmingham zwar ein schon bedeutsamer Ort industrieller Produktion, hatte aber noch kaum große Fabriken, sondern unzählige kleine Werkstätten. Ende des neunzehnten Jahrhunderts änderte sich das und damit auch die räumliche Struktur der Stadt. Die Wohnsituation verschlechterte sich und mit der Kritik an den Wohnumständen der Arbeiter sowie derjenigen einer industriellen Stadt im Allgemeinen gewann das Ideal ländlich-dörflichen Lebens neuerlich an Kraft. Ästhetische Einwände gegen städtische Industriewohnquartiere überlagerten sich vielfach mit der Idee gesunden und sozial harmonischen, integrierten Lebens im Einklang mit der Natur. Derartige Überlegungen und Entwicklungen standen im Hintergrund der Bestrebungen Cadburys. Die »factory in the garden« sollte so angelegt sein, dass ein 39 | Vgl. Segal, Recasting [2005].

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ländlicher Charakter der Lebensweise dauerhaft erhalten blieb. Cadbury hielt, wie viele mit ihm, das Landleben für moralisch und physisch überlegen. Die Planer und Architekten von Bournville – Alfred Pickard Walker, William Alexander Harvey, Henry Bedford Tyler – sahen sich mit der Herausforderung konfrontiert, finanzierbare und dennoch qualitativ höherwertige Häuser zu bauen. Gebäudeformen, Layout der Wohnungen sowie ein umfassendes Landschaftsgestaltungsprogramm griffen ineinander. Trotz der umfassenden Bemühungen, das Leben der Arbeiter besser zu machen, legte Cadbury Wert darauf, dass das keineswegs ein paternalistisches Vorhaben sei.40 Die Grenze der Verantwortungsbereiche verschob man dennoch. Edward Cadbury wies 1912 darauf hin, dass »[t]he efficiency of the Firm and the employees does not end in the Firm itself; it has a wider civic value in so far as the Firm is a unit of the national industrial organization and the employee plays his part as an intelligent and capable citizen.«41 Ist es wünschenswert, eine Fabrik zum Zentrum des sozialen Lebens der Arbeiter zu machen? Einer Fabrik, die in einer größeren Stadt situiert ist, so Cadbury, sei das ohnehin nicht möglich. »But in the case of a factory that is in a village, or on the outskirts of a large town, the circumstances seem to be somewhat different. In such places, as a rule, there is very little opportunity for social recreation, and since a considerable part, if not the majority, of the community are dependent for their livelihood directly or indirectly on the large Works situated in their midst, it seems natural that their social life should focus round this centre.«42 Zieht man den Umstand in Betracht, dass Cadbury mit der skizzierten Verlagerung der Produktion den Schritt aus einer großen Stadt in das ländliche Umland vollzog, so wird deutlich, dass man genau jene Bedingungen schaffen wollte, unter denen eine bedeutendere Rolle des Unternehmens auch für die Lebensumstände der Arbeiter als gerechtfertigt und praktikabel galt. Ein viertes Beispiel, das in Bezug auf Pullman und Cadbury die Spannweite der Möglichkeiten auszuloten hilft, ist die nationalsozialistische Industrieansiedlungspolitik. Reagrarisierung, Dezentralisierung und Kleinsiedlungsbau, wie sie Mitte der dreißiger Jahre unter anderem von Gottfried Feder, dem prominenten ideologischen Kopf des National40 | Vgl. Dellheim, Creation [1987]; Harrison, Bournville [1999]. 41 | Cadbury, Experiments [1912], S. XX; vgl. auch B. Seebohm Rowntrees Insistieren darauf, dass welfare work in den Betrieben dazu beitragen könne, aus den Arbeitern bessere Bürger, bessere Nachbarn, bessere Freunde zu machen (Rowntree, Aims [1920], S. 5). Gelänge es, durch eine Reihe betriebspolitischer Maßnahmen, so auch Christopher Salmon noch 1954, Kooperationserfahrung im Betrieb zu stärken, dann wäre damit der ganzen Fabriknachbarschaft gedient (Salmon, Christopher: Industrialisation and the Human Being, 1954, Industrial Welfare Society New Thinking Series, Nr. 1, MRC, Bestand MSS. 303/AP/A, S. 6). 42 | Cadbury, Experiments [1912], S. 259.

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sozialismus in Stadt- und Raumfragen, propagiert wurden,43 markieren zwar den ideologischen Ausgangspunkt, traten politisch jedoch bald in den Hintergrund. Industrieumsiedlungen und -neugründungen, beispielsweise das spätere Wolfsburg und Salzgitter, stellten gerade keine Umsetzung des Feder’schen Kleinsiedlungsmodells dar, sondern es standen von Anfang an die Erfordernisse der jeweiligen Industrieunternehmen im Mittelpunkt. Zum Hauptkriterium wurden die projizierten Bedürfnisse der Bewohner sowie die aus den Erfordernissen des Industrieunternehmens resultierende soziale Zusammensetzung und Größe der Stadt. In diesem Kontext zeigt sich die nationalsozialistische Akzeptanz von Großstädten als Zentren industrieller Produktion.44 Die besondere Bedeutung der Stadt des KdF-Wagens lag zum Beispiel darin, so Marie-Luise Recker, dass hier »ein städtisches Gegenmodell zum ländlichen Siedlungsideal deutlich [wurde], das der (Groß-)Stadt als Wohn- und Lebensraum auch im Nationalsozialismus eine wichtige und zukunftsweisende Rolle zumaß.«45 In diesem Kontext war nicht mehr, wie in demjenigen von Handwerk und Kleinstadt, die Zusammenführung von Lebens- und Arbeitsraum das Ziel, sondern es galt nun gerade zu verhindern, dass Wohn- und Industriegebiete ineinander fielen.46 Die Stadt des KdF-Wagens wurde einerseits als Zukunftsmodell gedacht und sollte andererseits durch vorbildliche wohnungspolitische Maßnahmen auf die Arbeiterschaft des geplanten Werks sozial befriedend wirken. Die antizipierte Herkunft der späteren Arbeiterschaft aus allen Reichsteilen schien dies ebenso notwendig zu machen wie der erwartete Umstand, dass diese wohl nicht zum »besten Stamm der deutschen Arbeiterschaft gehören« würden. Man erwartete eine gewisse Unruhe, die zu beseitigen von Anfang an ein Planungsziel war. Die Eingewöhnung in die neue Stadt sollte erleichtert, die potentiell den Produktionsprozess im Werk störende Fluktuation der Arbeitskräfte durch attraktive Wohnangebote verringert werden. Es wurde versucht, die mutmaßliche Zusammensetzung der Bevölkerung nach Alter, Geschlecht, Beruf, Familienstand, Kinderzahl zu berechnen, mit idealen diesbezüglichen Vorstellung in Beziehung zu setzen und entsprechend eine ›maßgeschneiderte‹ Stadt zu bauen.47 Insgesamt sahen sich alle Maßnahmen mit den erwarteten Gefahren einer soziolo43 | Vgl. Schenk/Bromley, Mass-Producing [2003], Schubert, Feder [1986].

44 | Vgl. Forndran, Industriegründungen [1984], S. 57-64, 183-187; Mattausch, Siedlungsbau [1981], S. 43-56, 131-134, 151-183; Recker, Großstadt [1981], S. 8-17, 28-38, 78-85; Walz, Industriesiedlungspolitik [1979], S. 86-100. 45 | Recker, Großstadt [1981], S. 82. 46 | Vgl. ebd., S. 29f. Mattausch, Siedlungsbau [1981], S. 169-171, verweist auf die bereits zeitgenössisch immer wieder konstatierte Polarität von Stadt und Werk. 47 | Vgl. Recker, Großstadt [1981], S. 29f.

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gisch einseitig besetzten Stadt konfrontiert, und man war sich sicher, dass der erwartete schwierige Integrationsprozess durch Wohnungsbau und intensive Fürsorge aufzufangen sei, dass eine schnelle Identifikation mit der neuen Heimat zu gewährleisten und ein reges Gemeinschaftsleben zu initiieren, dass eine schnelle Verwurzelung zu ermöglichen sei.48 Die zentrale Bedeutung für Ordnungsdenken und Social Engineering bestand in der Verteilung, Verortung und (An-)Ordnung von Menschen in Stadt und Werk gemäß einer soziologischen Ordnungsidee, die über Analogie, Homologie und Repräsentation funktionierte. Mit den skizzierten Modellstadt- und Siedlungsprojekten wird in gewisser Weise der Rahmen des sozialökologischen Industrialismus vollständig auszuschöpfen versucht. In einzelnen Planungen zeigen sich natürlich mitunter erhebliche Unterschiede. Die Vielfältigkeit der herangezogenen Beispiele sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, worum es in der vorliegenden Analyse geht: die Rekonstruktion eines Problematisierungsmodus, der sich gerade dadurch auszeichnet, dass er heterogene Bereiche aufeinander bezog. Große Modellstadtentwürfe rücken dadurch in einen Zusammenhang mit kleinen Interventionen in die Wohnumwelten, wobei hier nicht in erster Linie von Interesse ist, wie sich die Städte im Detail gestalten sollten, wie Wohnungen und Grundrisse im Einzelnen aussahen, sondern wie bestimmte Ausschnitte der Wohnungsfrage zum Bestandteil des Fabrikproblems wurden. Die Großprojekte allein waren nicht entscheidend. Begrenzter, aber wohl auch präziser und nachhaltiger waren Maßnahmen der Verbesserung von Wohnungen und Nachbarschaften. Durch die sozialpolitischen Aktivitäten wurde auch den Unternehmern bewusst, dass die Grenzen zwischen dem Arbeitsplatz und den Wohnbereichen der Arbeiter durchlässig waren. Es gehörte zu den breit akzeptierten Grundtatbeständen der Wohlfahrtsarbeit, dass die Umgebung der Arbeiter deren Verhalten und Leistungsfähigkeit strukturierte und diese Umwelt wiederum gestaltbar war – durch gezieltes Social Engineering.49 Nicki Mandell hat darauf hingewiesen, dass das verschiedentlich mittels Familienmetaphern geschah: Indem Arbeiter gleichzeitig als Mitglieder der Unternehmensfamilie und Mitglieder ihrer privaten Familien angesprochen wurden, konnte eine Interdependenz beider Bereiche erzeugt werden.50 »The workers‘ home influences«, so brachte E. Dorothea Proud diesen Komplex 1916 auf den Punkt, »are often felt to be of such vital importance to an industry that the employer feels justified in attempting to ascertain that they are comfortably and suitably housed, even if he does not himself provide the accommodation. The extent to which an inquiry into home surroundings of workers may safely be prosecuted by a Welfare Department depends upon the spirit in which it is conducted, upon the personality of the officers, and especially upon their tact. […] An English48 | Vgl. ebd., S. 37-47. 49 | Vgl. Tone, Business [1997], S. 70-98. 50 | Vgl. Mandell, Corporation [2002], S. 49-55.

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man’s house is his castle, and no one who is merely an official sent by an employer has the right to enter it. But if a Welfare Secretary can become a friend of the workers, he or she will be gladly welcomed by them, even in their homes.«51 Betriebliche Sozialsekretäre sollten also besondere Beziehungen zu den Arbeitern aufbauen, die instrumentell einem bestimmten Ziel zugeordnet wurden: dem andernfalls verwehrten Zugang zum häuslichen Umfeld, dessen Gestaltung wiederum als unternehmerische Aufgabe identifiziert wurde. Quasi private, eben freundschaftliche Sozialbeziehungen wurden in das Repertoire unternehmerisch-ökonomischen Handelns aufgenommen. Auffällig ist hierbei die Identifizierung bestimmter Räume mit bestimmten sozialen Umfangsformen und Beziehungen. Die heimische Umgebung ist zunächst offenkundig etwas anderes als die betriebliche Umwelt im engeren Sinn. Private Räume der Freundschaft sind etwas anderes als die beruflichen Räume der Arbeit und Produktion. Da diese beiden Räume also nicht per se identisch sind, sich sehr wohl aber gegenseitig beeinflussen, bedarf es der Sozialsekretäre als vermittelnder Instanz. Effizienzsteigerung in Fragen der Technik und maschineller Abläufe gingen einher mit sozialen und Wohlfahrtsprogrammen. Diese wiederum zielten nicht nur auf die Gestaltung der Beziehungen im Betrieb, sondern auch auf diejenige der Lebensumstände der Arbeiter insgesamt. Am prominentesten wurde ein derartiges Programm sicher bei Ford mit dem Five Dollar Day sowie dem berühmt-berüchtigten Sociological Department umzusetzen versucht.52 Dem lag die Einschätzung zugrunde, dass schlechte Wohnbedingungen eine der wesentlichen Quellen von Unzufriedenheit und damit Ineffizienz der Arbeiter seien. Wohlfahrtsprogramme und höhere Löhne sollten dem entgegen wirken und wurden daher an bestimmte Bedingungen gekoppelt. Ein zeitgenössischer, von Stephen Meyer angeführter Kommentator erklärte dieses System wie folgt: Den Lohn gibt es für die Arbeitsleistung, den Bonus dafür, dass man lebt, wie Ford es will. Entsprechend hatte das Sociological Department die Aufgabe, die Lebensumstände der Arbeiter zu erfragen, um so die Entscheidung darüber, wer bonuswürdig war, zu fundieren. Dabei galt die Aufmerksamkeit nicht mehr ausschließlich der individuellen Moral einzelner Arbeiter, sondern zunehmend sozialen und Umweltfaktoren als Ursachen für Fehlverhalten. Das Sociological Department hielt soziale und biographische Informationen, Informationen über ökonomische und finanzielle Umstände der Arbeiter und ihrer Familien sowie deren Lebensgewohnheiten fest. Das umfasste Daten über den Eintritt ins Werk, die Dauer der Werkszugehörigkeit, frühere Tätigkeiten, aber auch die Daten der Begegnung mit Fords Sozialfahndern, zudem Auskünfte über Geburtsdatum, Religionszugehörigkeit, Muttersprache, Familienstand und dergleichen. Die Karteien umfassten auch detaillierte Ausführungen zur Haushaltsführung und 51 | Proud, Work [1916], S. 211f. 52 | Vgl. Meyer, Day [1981].

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zu Ausgaben aller Art. Schließlich sollte herausgefunden werden, wie die Arbeiter und ihre Familien das Geld ausgaben, das sie von Ford erhielten. Die Versuche, Arbeits- und Wohnräume zu relationieren und zu gestalten gaben auch Werkswohnungen und -siedlungen ihre Bedeutung. Entsprechende Bauprojekte, teilweise von den Unternehmen selbst, teilweise mit deren Unterstützung realisiert, fügten sich der Idee einer vorgestellten Gesamtumwelt aus Betrieb und Wohnbereichen. Wohnungs- und Siedlungsbau erleichterten die Zugriffe auf den Wohnraum der Arbeiter, schufen zumindest die Möglichkeit, auf die Auswahl der Bewohner Einfluss zu nehmen. Zugleich ließ sich der Anspruch verstärken, dass Arbeiten und Wohnen zusammengehörten. Ein kleiner chronologischer Durchgang durch die Bemühungen vor allem Daimlers und Opels kann verdeutlichen, wie entlang der Wohnfrage der Betrieb in seine Umwelt verlängert wurde. Daimler engagierte sich bei der genossenschaftlich initiierten Gartenstadt Luginsland. Im Rückblick war die Rede von einem zunehmenden Engagement Daimlers, vor allem durch Ernst Berge, der seit 1905 Vorstandsmitglied und zwischen 1918 und 1924 Vorstandsvorsitzender der Daimler-Motoren-Gesellschaft war: »Wer seine Sache im Betrieb gut machte, konnte jederzeit mit den besonderen Anliegen der Genossenschaft zu ihm kommen.«53 Berge berichtete in einer Aufsichtsratssitzung im Oktober 1912 über die Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft durch einige Arbeiter und den Beschluss des Vorstands, ein größeres Darlehen zur Verfügung zu stellen.54 »Da die Sesshaftmachung der Arbeiter uns als das beste Mittel erscheint, einen guten Arbeiterstand zu gewinnen«, so Berge in der Aufsichtsratssitzung vom 28.4.1919, »halten wir es für geboten, dass unsere Gesellschaft grössere Mittel für das Arbeitersiedlungswesen aufwendet«.55 Der Verweis auf die Sesshaftmachung der Arbeiter determinierte die Diskussionen um den Werkswohnungsbau nachhaltig. Unter Konzentration auf die »Stammarbeiter« ging es in den Planungen und im Bau von Werkswohnungen um Verortung und »Verwurzelung«.56 Analog zur bäuerlichen Bodenständigkeit war während 53 | Gartenstadt Luginsland. Festschrift zum 50jährigen Bestehen 1911 bis 1961, Stuttgart 1961, Daimler Werksarchiv, Bestand Werk UT 101, S. 14. 54 | Vgl. Berge, Ernst: Bericht über Soziale Leistungen in Sitzungen des Aufsichtsrats, 25.10.1912, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 86. Ein weiteres Darlehen wurde im März 1915 gewährt (vgl. Berge, Ernst: Bericht über Soziale Leistungen in Sitzungen des Aufsichtsrats, 31.3.1915, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 86). 55 | Vgl. Berge, Ernst: Bericht über Soziale Leistungen in Sitzungen des Aufsichtsrats, 28.4.1919, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG, 86. 56 | Vgl. zum Beispiel für die Zeit des Nationalsozialismus Hachtmann, Industriearbeit [1989], S. 282-296; Mattausch, Siedlungsbau [1981], S. 3842, 83-86; Walz, Industriesiedlungspolitik [1979].

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des Nationalsozialismus die Rede von einer »Betriebsständigkeit«. Die materielle und ideelle Bindung der Arbeiter an den Betrieb sollte durch die Siedlungspolitik gestützt werden. Gerade das bäuerliche im Gegensatz zum Leben des Industriearbeiters diente als Modell – nicht nur im Nationalsozialismus, sondern zum Beispiel auch bei Ford, dessen »village industries« Farm- und Fabrikarbeit verzahnen sollten.57 Das ließ sich unterschiedlich visualisieren. In der NS-Version (vgl. Abb. 6) werden bildlich eine Gleichwertigkeit und volksgemeinschaftliche Verbundenheit inszeniert: »Erbhofbauer« und »Stammarbeiter« reichen sich die Hand, sie erkennen ihre Verbundenheit (an). Inszeniert werden durch den symmetrischen Aufbau des Bildes zwei Welten, die sich spiegeln. Jedes Bildelement der einen Seite hat eine Entsprechung auf der anderen Seite. Das Bild kommt ohne ersichtliche innere Hierarchien aus. Der Handschlag von Bauer und Arbeiter weist jede Assoziation einer unüberwindbaren Grenze zwischen beiden Welten zurück. In Fords Version (vgl. Abb.7), die durch den Begleittext als Zukunftsvision ausgegeben wird (»I see the time soon coming … «), werden Industrie und Landwirtschaft in Personalunion betrieben. Es wird weiterhin den Farmer geben, aber er wird zukünftig auf beiden Beinen stehen (»one feet on the soil for his livelihood, and the other foot in industry for the cash he needs«, wie der Begleittext informiert). Fords Land- und Industriearbeiter wird auf dem Bild entsprechend in Szene gesetzt. Er trägt die Kleidung des stereotypisierten »blue collar worker«, der zusätzlich einen Korb mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen unter dem Arm hält. Damit schleicht sich bildlich eine Asymmetrie Abbildung 6: Der Handschlag von Bauer und Arbeiter überwindet die Gegensätze von Industrie und Landwirtschaft.

57 | Vgl. Segal, Recasting [2005], S. 27-34, sowie die Ausführungen weiter oben.

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ein, die der Text eigentlich vermeiden will. Die Abbildung sagt, dass der zukünftige Arbeiter ein Industriearbeiter sein wird, der auch landwirtschaftlich tätig ist, während der Text eine Verschmelzung beider Tätigkeiten prophezeit, die sich aus beiden Richtungen speist, also auch den Farmer im Blick hat, der neben der Landwirtschaft auch in der Industrie arbeitet. Abbildung 7: Industrie und Landwirtschaft in Personalunion.

In derartigen Bemühungen um Brückenschläge zeigt sich eine Möglichkeit, das bereits eingangs für die Daimler’sche Wohnungsbaugenossenschaft identifizierte Problem der Sesshaftmachung in den Griff zu bekommen. Der Werkswohnungsbau beschränkte sich jedoch nicht auf diese Funktion. 1936, als das 25jährige Gründungsjubiläum der Baugenossenschaft Luginsland anstand, wies man in nationalsozialistischer Übersetzung bekannter Topoi darauf hin, dass eine »gesunde Wohnung […] die unerläßliche Voraussetzung eines geordneten Familienlebens, von Sitte und Sittlichkeit und damit der wichtigsten Grundlage staatlicher Ordnung und völkischen Bestands« sei.58 Die Genossenschaft ziele darauf, gesunde 58 | Gartenstadt Luginsland. Gemeinnützige Baugenossenschaft Stuttgart-Untertürkheim 1911-1936, Stuttgart 1936, Daimler Werksarchiv, Bestand Werk UT 101, S. 3.

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und billige Wohnungen für ihre Mitglieder bereitzustellen und dadurch deren geistiges und körperliches Wohl zu fördern. »Die Gartenstadt ›Luginsland‹, die schon seit 25 Jahren mit sichtbarem Erfolg bestrebt ist, den schaffenden Volksgenossen ein gesundes, naturverbundenes Wohnen im Eigenheim, dann aber auch in Mietwohnungen, zu ermöglichen, wird auch fernerhin bemüht sein, zu ihrem Teil an der Lösung der Wohnungsund Siedlungsfrage mitzuhelfen.«59 Siedlungsbemühungen zeigten sich auch bei Opel. 1935 feierte man das Richtfest der neuen Opel-Siedlung.60 Einige Jahre später berichtete der Opel-Kamerad über den aktuellen Stand der Dinge und die Eindrücke beim Siedlungsrundgang: »Im Bereich der Siedlungshäuschen überkommt mich immer ein Gefühl der Weihe. Denn hier herrscht ein fröhlicher Ernst. Hier wird nicht in den Tag hineingelebt, sondern in wohlüberlegter Absicht weitergeschafft, bis sich der Abend oder gar die Nacht herniedersenkt.«61 Die Idee von Ordnung, die in der Siedlung verkörpert sein sollte, wird bildlich vor Augen geführt. In den nebeneinander gereihten Abbildungen im Opel-Kamerad (vgl. Abb. 8) werden Ähnlichkeit und Erkennbarkeit der einzelnen Häuser in der Siedlung inszeniert. Die Siedlungsreihenhäuser mit ihren angegliederten Gärten gleichen sich außerordentlich. Eines nach dem anderen bilden sie eine lange Kette. Straße 59 | Ebd., S. 15. Während des Nationalsozialismus scheint das finanzielle Engagement Daimlers im Wohnungsbau allerdings zurückgegangen zu sein (vgl. Pohl u.a. Daimler-Benz [1986], S. 176-178). Man könne sich am Wohnungsbau für »minderbemittelte Schichten« leider nicht beteiligen, so Wilhelm Kissel in einem Brief an den Stuttgarter Oberbürgermeister. Das Vorhaben selbst begrüße man natürlich (Kissel, Wilhelm: Betr. Arbeiterwohnstättenbau, Brief an den OB Stuttgart vom 15.3.1937, Daimler Werksarchiv, Bestand Kissel 13.1). Im gleichen Jahr beschied man – mit Verweis auf die gegenwärtige finanzielle Situation – eine Bitte um Beteiligung am Bau von Wohnstätten der Gemeinnützigen Baugenossenschaft ablehnend, auch wenn man zugab, bisher nicht viel für die Verbesserung der Wohnsituation der Arbeiter getan zu haben (Kissel, Wilhelm: Betr. Siedlungshäuser, Brief an die Gemeinnützige Baugenossenschaft vom 11.12.1937, Daimler Werksarchiv, Bestand Kissel 13.1). 1938 unterstütze man aber doch den Siedlungsbau zugunsten von Werksangehörigen in Gaggenau, weil an »massgebender Stelle« gewünscht (Kissel, Wilhelm: Betr. Siedlungshäuser in Gaggenau, Brief an Arnold Frhr. Gedult von Jungenfeld vom 17.3.1938, Daimler Werksarchiv, Bestand Kissel 13.2). Ein später nachgefragter Zinserlass für die Siedlungsdarlehen seitens der Siedler wurde freilich »aus grundsätzlichen Erwägungen heraus« abgelehnt (Kissel, Wilhelm: Betr. Zinserlass von Siedlungsdarlehen, Brief an Arnold Frhr. Gedult von Jungenfeld vom 17.1.1939, Daimler Werksarchiv, Bestand Kissel 13.2). 60 | Vgl. Anonym, Opelstadt [1935], S. 4; Otto, Opel-Wohnbaugesellschaft [1939]. 61 | Anonym, Schönes [1939], S. 77.

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und Zaunfront betonen die Geradlinigkeit dieser Ordnung. Gleichzeitig werden jedoch die Unterschiede durch verschiedene Blickwinkel und Bildausschnitte zu inszenieren versucht. Innerhalb der seriellen Ordnung sind Variationen möglich. Sichtbar sind die Unterschiede jedoch kaum. Daher werden sie postuliert: »Der Spielraum, der der Auswirkung des jeweiligen Geschmacks trotz der Einheitlichkeit geblieben ist, wird – auch zu Gunsten des Gesamtbildes der Siedlung – sehr vorteilhaft ausgenutzt. […] Die mehr oder weniger erkennbare Ordnung, von der hier alles bestimmt ist, läßt einer ungehemmten Willkür natürlich keine Zügel schießen. Das wirkt aber keineswegs drückend oder beengend.«62 Abbildung 8: Dieser Blick auf die Werkssiedlung soll Ordnung erkennen lassen – das Gegenteil von Willkür darstellen, zugleich aber jeden Eindruck von Enge vermeiden.

Und dann die Gesundheit: »Ich habe bei dem Rundgang durch die Siedlung frohe Menschen und vor allen Dingen gesunde Kinder mit Pausbacken angetroffen. […] Jeder Siedler konnte mir bestätigen, daß seine Lebenslage eine ganz andere gegenüber früher ist und die einseitige Ernährung durch eine vollkommenere abgelöst wurde. […] Die Gesundheit der Familien ist insbesondere durch das gesunde Wohnen in einer Siedlerstelle in hervorragender Weise sichergestellt und das Wohnen in behaglichen, gesunden und hellen Räumen, die gediegen eingerichtet sind, hervorragend gelöst.«63 Dass Werkswohnungen »frohe Menschen« hervorbrachten, war ein wiederkehrender Topos.64 Charakter und Gestaltung der Räume – hier war zunächst von Wohnräumen die Rede, das gleiche galt aber auch für die Arbeitsräume – wirkten sich auf die Bewohner aus. Gesundheit und Helligkeit übertrugen sich ebenso wie andere Raumeigenschaften. In den betrieblichen Wohnungsbaubemühungen 62 | Ebd., S. 78. 63 | Anonym, Leistungen [1940], S. 234. 64 | Vgl. Kleim, Gedanken [1951], S. 21f.

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Opels (oder: deren Interpretation) liefen mindestens drei Dinge zusammen: das »Weiterschaffen« in »wohlüberlegter Absicht«, Überlegungen zum Verhältnis von Individualität und Gemeinschaft und zum Problem der Gesundheit. 1961, anlässlich des 50jährigen Jubiläums von Luginsland, nun unter erneut veränderten politischen Bedingungen, wurde festgestellt, dass es »für die Vorkämpfer von Luginsland wirklich ein befreiendes Gefühl [war], in den geräumigen, zweckmäßig eingerichteten und sonnigen Wohnungen mit dem ansprechenden Gartenteil einem gesünderen Leben entgegen gehen zu können.«65 Früh habe sich der »lebendige Gemeinsinn« bewährt und es kam zu »innerer Festigung der Gartenstadt«, zu »innerer Geschlossenheit«.66 In der Zwischenkriegszeit, so blickte man zurück, »gewann ›Luginsland‹ in wachsendem Maße den Charakter eines eigenen, in den großen Schoß der Stadt Stuttgart eingebetteten Gemeinwesens. […] So wuchs allmählich nach der unruhigen Kriegs- und Inflationszeit Luginsland zu einem Gemeinwesen mit allen einem solchen eigentümlichen Einrichtungen heran.«67 Durch den Nationalsozialismus sei die Genossenschaft vereinnahmt worden und in Folge dessen hätten sich viele Genossenschaftler zurückgezogen. Nicht der Topos Gemeinschaft selbst und dessen Überhöhung im Nationalsozialismus wurden kritisiert, sondern im Gegenteil, dass der Nationalsozialismus das vorher bestehende Gemeinschaftsleben zerstört habe und man es nach dem Zweiten Weltkrieg mühevoll wieder aufbauen musste. »Das Leben innerhalb der Genossenschaft war unter dem Druck der Kriegsereignisse fast ganz erstorben. […] Es wäre aber verfehlt, daraus zu folgern, daß das Interesse der Mitglieder an den Dingen der Gartenstadt nachgelassen habe. Es war lebendig wie je. Das zeigte sich sehr schnell, als nach dem Schock des totalen Zusammenbruchs und der Kapitulation an die Ingangsetzung des Alltags gedacht wurde. […] Man gab sich Rechenschaft über manches, was in den ›1000 Jahren‹ und nachher geschehen war. Man tat es in einer Form, die der Gemeinschaft Ehre machte. Eindeutig ging der Wunsch der Mitglieder dahin, so stark als möglich den alten Genossenschaftsgeist wieder zu beleben und aus ihm heraus die weitere Zukunft von Luginsland zu gestalten. […] Das seit 1933 erstorbene kulturelle Leben in der Siedlung solle wieder belebt werden, damit die nachwachsende Jugend mit Freude und innerem Gewinn in die genossenschaftliche Arbeit hineinstrebe.« 68

65 | Gartenstadt Luginsland. Festschrift zum 50jährigen Bestehen 1911 bis 1961, S. 11. 66 | Ebd., 67 | Ebd., 68 | Ebd.,

Stuttgart 1961, Daimler Werksarchiv, Bestand Werk UT 101, S. 12, 14f. S. 16. S. 18-20.

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Daimler engagierte sich in der Nachkriegszeit weiterhin im Wohnungsbau.69 Im November 1949 berichtete die Sozialabteilung an das Vorstandsmitglied Karl C. Müller von einer Besprechung mit der Baugenossenschaft Luginsland. In Zusammenarbeit mit der Sozialabteilung sollten geeignete Bewerber für die zur Verfügung stehenden Wohnungen vorgeschlagen werden. Die Sozialabteilung, so der Bericht, lasse sich bei ihren Vorschlägen vom Gesichtspunkt der Dauer der Werkszugehörigkeit leiten, »da dadurch einigermassen die Gewähr dafür gegeben ist, dass der Vorgeschlagene auch weiterhin in der Firma bleibt.«70 Zu Beginn der fünfziger Jahre war es fast schon sozialpsychologische Banalität, auf die Steigerung der Betriebsbindung mittels Werkswohnungen hinzuweisen. Die Bemerkungen der Daimler’schen Sozialabteilung bewegten sich in diesem Diskurs wie ein Fisch im Wasser. »Wenn moderne Unternehmer Siedlungen, Arbeiterhäuser, Werkwohnungen, Heime für Arbeiter, Ledigenheime, Lehrlingsheime errichten oder, wenn der Betrieb sich solche Bauten nicht leisten kann, Wohnungszulagen gewährt, so beseitigen solche Maßnahmen nicht nur viele seelische und familiäre Konflikte bei den Angestellten und Arbeitern, sondern stärken auch deren Verbundenheit mit dem Betrieb.«71 Die Baugenossenschaft Luginsland präsentierte in ihrer Festschrift 1961 eine reich bebilderte Rückschau und Dokumentation ihrer Leistungen im Siedlungsbau. Dabei tritt zutage, wie Unterschiede, die in architektonischer Hinsicht kaum zu überbrücken gewesen wären, aus sozialpolitischer und genossenschaftlicher Perspektive an Bedeutung verloren. Ungeachtet der architektonischen Unterschiede zwischen den Siedlungen legte die Baugenossenschaft den Akzent auf Klarheit, Übersichtlichkeit und eine ›saubere‹ Modernität. In einer Bilderserie wurden eine Kontinuität und Einheit verschiedener Bau- und Siedlungstypen hergestellt, die in architektonischen Debatten so nicht bestand.72 Vielmehr sollte die 69 | Daimlers Bemühungen sind ein Beispiel unter vielen. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte man sich auch bei Rover an der Einrichtung einer Housing Association, freilich mit weniger Erfolg als er der inzwischen traditionsreichen Variante bei Daimler beschieden war. Bei Rover waren knapper Wohnraum und damit einhergehende hohe Beförderungskosten ausschlaggebend (vgl. Board Meeting vom 01.5.1947, MRC, Bestand MSS. 226/RO 1.1.7). Man gab das Vorhaben einer Housing Association aber rasch wieder auf, denn es stellten sich im Hinblick auf die erforderlichen Baugenehmigungen Schwierigkeiten ein (vgl. Board Meeting vom 16.10.1947 und 21.7. 1948, MRC, Bestand MSS. 226/RO 1.1.7). 70 | Daimler-Benz AG Sozialabteilung: Betr. Wohnungen in der WallmerSiedlung Untertürkheim, 2.11.1949, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.7. 71 | Mayer, Rationalisierung [1951], S. 156. 72 | Zu verschiedenen Bildtypen, ihrer Bedeutung und Funktion in architektonischen Publikationen vgl. Kuchenbuch, Gemeinschaft [2010].

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Tätigkeit der Baugenossenschaft dokumentiert, das heißt vor allem das inzwischen seit fünfzig Jahren kontinuierliche Engagement auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus demonstriert werden. Man erzählte die bekannte Geschichte der Industrialisierung, die in ein kleines Weingärtnerdorf wie Untertürkheim hinein brach, und die zunächst Elend und Wohnungsnot mit sich brachte. Die Gründung der Baugenossenschaft war eine Reaktion darauf. Es sind Engagement und Selbstverständnis der Genossenschaft, die alle durchgeführten und nun dokumentierten Bauten vergleichbar machen. Sie alle sind Bestandteil einer sozialpolitischen Perspektive auf Leben und Wohnen der Arbeiter. Was die einzelnen Siedlungen eint, ist nicht ihre konkrete Bauform, sondern diese Rahmung. Die einzelnen Siedlungen wurden von unterschiedlichen Architekten geplant, haben einen unterschiedlichen Umfang, repräsentieren verschiedene Bautypen (Mehrfamilienmiethäuser, mehrgeschossige Mietwohnhäuser, Zweifamiliendoppelhäuser und dergleichen), jede für sich und alle zusammen werden jedoch präsentiert als Beitrag zur Lösung ein und desselben Problems. In der Broschüre der Siedlungsbaugenossenschaft erscheinen Abbildungen nicht, um bestimmte Siedlungs- und Wohntypen nebeneinander zu stellen und in pädagogischer Absicht richtiges und falsches Wohnen zu erläutern – dafür sind die Siedlungen, die man gebaut hat und nun abbildet, zu unterschiedlich. Im Kontext der Broschüre der Siedlungsgenossenschaft scheint es egal zu sein, was die Siedlungen architektonisch und wohnpädagogisch im Einzelnen auszeichnet und unterscheidet. Die Botschaft ist hier vielmehr: All diese Siedlungen wurden durch die Genossenschaft realisiert, sie dienen alle einem sozialen Zweck (der Verbesserung der Wohnbedingungen der Arbeiter), und sie sind Ergebnis des Bemühens der Arbeiter selbst. In diesem Kontext ist es selbstverständlich, dass jede einzelne Siedlung ein besseres Wohnen ermöglicht; warum oder wie die eine oder andere Siedlung dies so oder so ermöglicht, spielt im Rahmen dieser Problematisierung keine Rolle. Entscheidend ist der gemeinsame Punkt der Abgrenzung: die dunklen, beengten Wohnverhältnisse in den Industriestädten und Arbeitersiedlungen früherer Tage. Jede Siedlungen war hell und nicht dunkel, Neubau und nicht zerfallende Mietskaserne mit dunklen Hinterhöfen, großzügig in die Landschaft eingefügt und nicht auf kleinstem Raum zusammen geschoben. Die Wohnfrage war nur der sichtbarste Ausdruck einer Verlängerung und Erweiterung des betrieblichen Sozial-Raums in seine Umwelt. Der Topos des räumlich erweiterten, mit größerer Verantwortung versehenen Unternehmens blieb bis in die fünfziger Jahre stabil. Wie wollte man auch entscheiden, ob diese oder jene Lebensäußerung in der Industriegesellschaft zum Betrieb gehörte oder nicht?

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Differenzierte Räume Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering begegnet der Herausforderung differenzierter, gleichwohl aber aufeinander bezogener und sich durchdringender Räume. Es realisiert sich, indem es Abgrenzung und Reintegration verschiedener Räume immer wieder gegeneinander abwägt und ein Gleichgewicht herzustellen sucht. Das »Fabrikproblem« war bei Willy Hellpach unter Rekurs auf Friedrich Ratzel zu einem Teil des »Lebensraumproblems« geworden.73 Hier etablierte sich eine Perspektive, die den Betrieb historisch als Folge eines Differenzierungsprozesses von Arbeits- und Lebensraum beschrieb. Diese Erzählung verband die Entwicklung der industriellen Produktionsweise mit derjenigen des Verkehrs sowie des sozialen und räumlichen Wandels.74 Unter diesen Bedingungen stellte sich die Aufgabe einer erneuten Harmonisierung von Arbeits- und Lebensraum. Eugen Rosenstock-Huessy formulierte das eindringlich. Er schilderte einen notwendigen, wünschenswerten und bereits einsetzenden Prozess der Reintegration, den er als neuartiges Sich-Einbringen der Arbeiter in den Betrieb beschrieb. »[D]er Arbeiter muß jetzt Kräfte seines Lebens in den ›Betrieb‹ einströmen lassen, die er dem Unternehmer und dessen Fabrik grundsätzlich vorenthielt. Kräfte seines Lebens sagen wir, zum Unterschied von der bloßen Kraft seiner Arbeit, von der nackten Arbeitskraft, die er bisher allein in den Arbeitsraum hineinzuliefern wünschte. Durch den Einstrom seiner Lebenskräfte muß also der Arbeitsraum zu einem Teil seines Lebensraumes werden.«75 Diese Forderung impliziert eine Reihe von Annahmen: Es gibt einen Ar73 | Vgl. Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 8-16. 74 | Zum Versuch, die Entwicklung und folgen der industriellen Gesellschaft durch Verkehr zu ordnen vgl. Schlimm, Verkehrsraum [2011]. 75 | Rosenstock-Huessy, Werkstattaussiedlung [1922], S. 7f. Der Volkswirtschaftler Emil Wehrle stimmte Rosenstock-Huessys Diagnose eines Auseinandertretens von Arbeits- und Lebensraum in seiner Rektoratsrede an der Handelshochschule Nürnberg zwar zu, stellte jedoch in Frage, ob ein neuerliches Zusammenfinden von Arbeits- und Lebensraum wirklich erforderlich sei. Wehrle formulierte diesen Vorbehalt unter Berufung auf betriebswirtschaftliche Grundlagen, die nicht angetastet werden könnten. Um diese zu erhalten, forderte er – gegen Rosenstock-Huessy –, den »Schwerpunkt der Beseelung der Arbeit nach außen zu verlegen, mit anderen Worten, de[n] Lebensraum des Arbeiters nicht in die Fabrik zu verlegen, sondern in der Familie zu belassen. Der Betrieb hat seine Pflicht getan, wenn er die materielle Sicherung dieses Lebensraumes in ausreichendem Maße gewährt« (Wehrle, Betriebsreform [1927], S. 14). Diese Kritik steckt das Feld ab, auf dem Ordnungsdenken und Social Engineering es mit differenzierten Räumen zu tun hat. Entscheidend ist, dass der Betrieb als Arbeitsraum verstanden und in eine wie auch immer geartete Beziehung zum Lebensraum gerückt wurde.

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beits- und einen Lebensraum. Beide sind nicht identisch, aber auch keine bloßen Parallelräume oder unversöhnliche Gegensätze. Der Betrieb, so der Mitbegründer der deutschen Betriebssoziologie Goetz Briefs, »kann eng […] mit dem Lebensraum verbunden sein, mit ihm zu einer unlöslichen Einheit verschmolzen sein; und er kann eine Stufenfolge der Ablösung aus dem Lebensraum aufweisen, bis zur völligen Entleerung des Lebensraumes von allen Elementen des Betriebsraumes, bis zur völligen Verzweckung des Betriebsraumes.«76 Mit der in Folge der industriellen Produktionsweise eingetretenen »Eigentums- und Arbeitsverfremdung« sei es inzwischen aber auch zu einer »Verfremdung des Arbeitsraumes« gekommen. Auch wenn man das nicht immer leicht erkennen und in seinem Gewicht abschätzen könne, sei eines doch klar: »Auf jeden Fall ist die Beziehung zwischen Arbeitsraum und Lebensraum gelöst. Der Arbeiter hat seinen Arbeitsraum nicht mehr in seiner Wohnung, wo er ihn nach Belieben gestalten und seine Enge durch Verlassen der Arbeit unterbrechen kann, sondern in einer fremden Fabrik, die in erster Linie für Maschinen und nicht für Menschen gebaut ist.«77 Allerdings: die historische Entwicklung bedeutete nicht, dass der Betrieb seinem Wesen nach ein entfremdeter Raum war und bleiben musste. Theoretisch, so argumentierte mit Walter Jost ein Betriebssoziologe aus dem Umfeld von Briefs, könne man sich eine »Trennung zwischen betrieblicher und außerbetrieblicher Lebenssphäre des Arbeiters« vorstellen. Der Betrieb wäre dann »als reiner Werkraum ausschließlich der Durchsetzung solcher menschlich-sozialer Belange gewidmet […], die an die Arbeitsverrichtung und -bewirtschaftung geknüpft sind«. Alles andere (»Erziehung, Bildung, Belehrung, Gesellung, Sicherung, Pflege und Förderung der materiellen und kulturellen Wohlfahrt«) würde sich dann in der außerbetrieblichen Lebenssphäre abspielen. Faktisch komme eine solche Trennung allerdings nicht vor. Der Betrieb sei eben kein »reiner Werkraum in diesem Sinne«, sondern »begreift darüber hinaus weitere Stücke der Lebensräumlichkeit des Arbeiters in sich ein und wird in gewissem Rahmen zu einem allgemeinen materiellen und kulturellen Belangen dienenden Erziehungs-, Bildungs-, Gesellungs- und Wohlfahrtsraum schlechthin.«78 Die skizzierten Überlegungen stehen exemplarisch für eine Perspektive, die Leben, Wohnen und Arbeiten in ein Kontinuum rückte. Das lässt sich an den Diskussionen um das Verhältnis von Arbeits- und Wohnstätte verfolgen. Die Überwindung der Entfernung zwischen Wohnund Arbeitsstätte, so Gottfried Feder, der auch auf diesem Themenfeld wesentliche Pfade austrat, gehöre zu den wichtigsten und schwierigsten Großstadtproblemen. Im »liberalistischen Zeitalter« sei man davon ausgegangen, dass jeder die Freiheit genieße, zu wohnen und zu arbeiten, wo er wolle. Daraus hätten sich dramatische Fehlentwicklungen ergeben, 76 | Briefs, Betriebsführung [1934], S. 3. 77 | Ebd., S. 24f. 78 | Jost, Sozialleben [1932], S. 30.

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die dem Einzelnen letztlich den Zwang auferlegten, täglich weite Strekken zu absolvieren. Diese »schlechte Zuordnung der Wohnstätte zur Arbeitsstätte« erweise sich nicht nur als »schwere persönliche Belastung für den einzelnen und als ein große Aufwendungen notwendig machendes verkehrstechnisches Problem, sondern als eine unerwartet tiefgreifende und gefährliche Schädigung der großstädtischen Bevölkerung in gesundheitlicher, vor allem biologischer Hinsicht.«79 Aus der schlechten Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätten entstehe ein »ungerechtfertigter Zeitverbrauch, sozusagen im Leerlauf«,80 den es zu vermeiden gelte. Dazu sei es nicht notwendig, die Industrialisierung als solche rückgängig zu machen: »Wichtig dagegen ist zu erkennen, daß zwar die fortschreitende Industrialisierung und Technisierung des gesamten Lebens vielfach eine saubere Scheidung zwischen Arbeitsstätte und Wohnstätte nötig machte, keineswegs aber die Schuld tragen kann an der bestehenden Desorganisation und grotesken Umkehrung aller vernunftgemäßen Erfordernisse.«81 Nicht eine schicksalhafte Entwicklung war also für gegenwärtige Missstände verantwortlich, sondern falsches Handeln in der Vergangenheit  –  liberalistisches Nicht-Handeln. Dem laissez faire, so stellte Feder fest, sei »der unersetzliche Wert der Bodenständigkeit und Naturverbundenheit als wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung der Volkskraft« entgangen, und die so entstandenen Wohnstätten blieben »ohne jede seelische Beziehung zu der Herkunft ihrer Bewohner«.82 Als Lösung schwebte ihm ein Modell autonomer Siedlungen vor, in denen sich auf überschaubarem Raum Arbeiten, Wohnen und Freizeit vereinen: »Das Problem Arbeitsstätte  –  Wohnstätte ist nur dann gelöst, wenn die Wohnstätte wirklich zum Heim der Bewohner wird, in dessen nächster Nähe sich ihre Lebensfunktionen größtenteils abwickeln können.«83 Feder determinierte sicher nicht die gesamte Folgedebatte zum Thema, lieferte aber wichtige Stichworte und forderte Bezugnahmen her-

79 | Feder, Arbeitsstätte [1939], S. 2. 80 | Ebd., S. 3. 81 | Ebd., S. 4. 82 | Ebd., S. 9-11. 83 | Ebd., S. 81. Den umfassenden Charakter des Problems hatte Emil Uebler bereits zwei Jahre vor Feder klar herausgestellt: Man dürfe nicht »in den alten Fehler verfallen […], das Gesamtproblem nur von der verkehrstechnischen Seite aus zu sehen. Es muß vielmehr unsere Aufgabe sein, alle die inneren Beziehungen herauszustellen, die sich für das Leben des Einzelnen, der Familie und der Gemeinschaft in sozialer, kultureller und politischer Hinsicht ergeben. Wir werden zu dieser Art der Betrachtung um so mehr gezwungen sein, als wir die gesamte Fragestellung im Rahmen der Raumordnung betrachten wollen und infolgedessen unter dem Zwang des Totalitätsanspruchs der Raumordnung stehen« (Uebler, Arbeitsstätte [1937], S. 480).

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aus.84 Dieter Pradel veröffentlichte 1957 eine empirische Studie zum Problem der Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätte. Pradel arbeitete darin zunächst eine Reihe mitunter gravierender methodischer Mängel der bisherigen Forschung heraus und nahm nicht zuletzt zu Feders Buch Stellung. Feder habe »kaum nennenswerte Ergebnisse veröffentlicht« und beschränke sich »auf Allgemeinplätze, die jedoch auch nur aus der nationalsozialistischen Weltanschauung heraus verständlich« seien.85 Diese Abgrenzungsbemühungen – immer wieder durch beiläufig eingestreute polemische Seitenhiebe zum Ausdruck gebracht86 – vermögen aber nicht recht zu überzeugen. Auch wenn Pradel im Namen einer methodisch strengen und elaborierten empirischen Sozialwissenschaft argumentierte und vor diesem Hintergrund frühere Forschungen kritisierte, so machte er doch ausgiebig auch von der nationalsozialistischen Raum- und Siedlungsforschung vor allem der dreißiger Jahre Gebrauch. Unterhalb einer methodischen Abgrenzung (die im Übrigen dazu beiträgt, den Zusammenhang und die Entwicklung wissenschaftlicher Diskussionen zu stärken), tritt eine Problemkontinuität hervor. Trotz aller Kritik macht Pradel deutlich, dass er mit den gleichen Problemen befasst ist, die auch nationalsozialistische Autoren wie Gottfried Feder, Robert von Keller oder Johannes Wilhelm Ludowici beschäftigten und die in den dreißiger Jahren in Zeitschriften wie Reichsplanung oder Raumforschung und Raumordnung verhandelt wurden.87 Auch Pradel mochte es grundsätzlich: »Arbeitsstätte und Wohnstätte sind die wesentlichen Standorte der beiden Bereiche im Lebenslauf des Menschen, Arbeit und Ruhe. Wohn- und Arbeitsstätte einander zuordnen heißt deshalb, die Standorte der menschlichen Daseinsäußerungen in ein Verhältnis zueinander bringen.«88 Pradel erzählte die Geschichte des Problematischwerdens eines Verhältnisses. Früher begrenzten der geringe Stand der Arbeitsteilung, geringe Betriebsgrößen und Verkehrstechnik 84 | Auf den Spuren Feders bewegen sich zum Beispiel Hoffmann, Zuordnung [1957]; Rechenberg, Verkehr [1957].

85 | Pradel, Wohnstätte [1957], S. 38. 86 | So zum Beispiel bei der Diskussion des Zusammenhangs von Kinderzahl und Länge der Arbeitswege: »Dieses Problem soll nicht in der Weise angeschnitten werden, wie das etwa bei Gottfried Feder geschehen ist, der nachzuweisen suchte, daß geringe Kinderzahlen auf weite Arbeitswege zurückzuführen seien. Diese Ergebnisse dürften keinen größeren Aussagewert haben als etwa die Ergebnisse der Korrelation zwischen der Anzahl der Störche und der Kinderzahl in einem Gebiet. Worauf es vielmehr ankommt, ist, daß zahlreiche Erwerbstätige ihrer Kinder wegen dezentralisiert liegende Siedlungsformen bevorzugen und, wenn notwendig deshalb weite Arbeitswege auf sich nehmen« (ebd., S. 102). 87 | Zu Konturen und Kontinuitäten der deutschen Raumplanung vgl. Leendertz, Ordnung [2008]. 88 | Pradel, Wohnstätte [1957], S. 9.

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die mögliche Entfernung. »Qualitativ waren Arbeits- und Wohnstätte insofern einander zugeordnet, als sich in ihnen die Lebensformen viel natürlicher äußerten als heute. Erst die Industrialisierung der Produktionsprozesse, das Entstehen von Großbetrieben und insbesondere der Fortschritt im Verkehrswesen schufen die Voraussetzungen dafür, daß sowohl die räumliche, zeitliche und kostenmäßige Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätte als auch die Zuordnung von Wohnform und Arbeitsform zum Problem wurden. […] Die Ablösung der handwerklichen Produktionsweise durch die industrielle führte zur Auflösung der räumlichen Einheit von Wohn- und Arbeitsstätte.«89 Diese historische (Krisen-)Diagnose stimmt in der Grundorientierung mit derjenigen von Feder, Hoffmann, Rechenberg oder den früheren Überlegungen von Rosenstock-Huessy, Hellpach, Briefs oder Jost überein. Es ist also durchaus berechtigt, von einer in dieser Hinsicht ausgeprägten Kontinuität der deutschen Raumforschung zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren zu sprechen – eine Kontinuität, die hier vor allem hinsichtlich der Situierung des Industriebetriebs innerhalb einer umfassenden Raumordnung relevant ist. Begriffe wie Zuordnung sowie die Konzentration auf die Beziehungen zwischen einzelnen Bereichen funktionierten nur vor der Hintergrundannahme einer strukturierten und geordneten (oder: einer zu strukturierenden und zu ordnenden) räumlichen Einheit. »In einem gegenwärtigen Zustand, in dem als nahezu selbstverständlich gilt, daß Wohnen, Arbeiten, Erholen und Verkehr in den Städten ein chaotisches Gemenge bilden, müssen wir die Frage stellen, was ›Zuordnung‹ überhaupt heißt. […] Richtige Zuordnung bedeutet: Die Herstellung eines sinnvollen räumlichen Zusammenhanges zwischen Wohn- und Arbeitsstätte mit kürzester Verkehrsverbindung unter Wahrung der Erholung und eines störungsfreien Wohnens.«90 Auch ein ehemaliger Mitarbeiter Feders, Fritz Rechenberg, konstatierte 1957, es gelte nach wie vor, »eine weiter zunehmende Pendelei einzuschränken« und einen »nahräumlichen intensiven Wirtschaftszusammenhang« zu erreichen. Auch in Fragen des (Berufs-)Verkehrs gelte das »Gesetz der zellenhaften Aufgliederung der Siedlungskörper«.91 Um das zu unterstreichen, stellte Rechenberg die beiden Möglichkeiten einander bildlich gegenüber: zellenhafte Gliederung und vermiedener Verkehr auf der einen, unkontrolliertes Wachstum und »verkehrte[r] Verkehr« auf der anderen Seite (vgl. Abb. 9, 10). Beide Abbildungen zeigen dieselbe, klar umrissene räumliche Einheit. Wohn- und Arbeitsstätten befinden sich in beiden Abbildungen am selben Ort. Der klar inszenierte Unterschied besteht in den eingezeichneten Verbindungslinien  –  dem Verkehr.92 In der ersten Abbildung werden innerhalb des Raums jedoch 89 | Ebd., S. 25f. 90 | Hoffmann, Zuordnung [1957], S. 250. 91 | Rechenberg, Verkehr [1957], S. 243, 250. 92 | Wie dieser neue und eigenlogische Realitätsbereich argumentativ und visuell hervorgebracht wird, zeigt Schlimm, Verkehrsraum [2011].

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zwei Teilräume, zwei in sich wiederum homogene Raumordnungen suggeriert, die ein innerer Verkehr verbindet und die sich durch eine verkehrsbedingte Bildung von Teilzentren auszeichnen. Dass eine solche Raumbildung zustande kommt, liegt – gerade beim vergleichenden Blick auf die zweite Abbildung – daran, dass bestimmter Verkehr nicht stattfindet. Die zellenhafte Gliederung, von der hier die Rede war, meinte jene Nachbarschaftseinheit, die bei Architekten und Stadtplanern der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland, Großbritannien, Schweden und den USA gleichermaßen zu einiger Berühmtheit gelangte.93 Ihre Entsprechung in Sachen Industriearbeit und Industriebetrieb hatte dieses Modell in Varianten zum Beispiel der Gruppenfabrikation oder der Betonung der »Werkraumeinheit«. Abbildungen 9 und 10: »Zellenhaft gegliederter Verkehr«; »Verkehrter Verkehr«.

Einig war man sich auch lange Zeit nach 1945 in der Kritik am Liberalismus. Diese kannte man von Feder und sie ließ sich nun mit der Sozialen Marktwirtschaft als positivem Bezugspunkt wiederholen. »Die soziale Marktwirtschaft«, so noch einmal Dieter Pradel, »ist nicht mehr dem Gedanken der [sic!] laissez faire verfallen, sondern sie bemüht sich aktiv um die Legung soziologischer Fundamente. Hier nimmt die sinnvolle Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätte auf Grund ihrer Bedeutung im menschlichen Lebenslauf eine zentrale Stellung ein. Auf Grund der sozialen Komponente unserer Wirtschaftsordnung bleibt das Zuordnungsproblem auch nicht auf die räumliche Fragestellung beschränkt.«94 Im 93 | Vgl. Kuchenbuch, Gemeinschaft [2010]. 94 | Pradel, Wohnstätte [1957], S. 10. Die Raumfixierung als solche scheint andernorts geringer ausgeprägt gewesen zu sein. In Großbritannien spielte diese Art des Raumbezugs in Sachen Industriearbeit und Industriebetrieb eine bescheidenere Rolle. Der britische Betriebssoziologe G. Duncan Mitchell sah es mit Blick auf seine Disziplin in den fünfziger Jahren

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Bewusstsein derartiger Zusammenhänge ließ sich eine entsprechende Kommunalplanung fordern. Die Mittel, die in den fünfziger Jahren hierfür ins Spiel gebracht wurden, glichen sich in Deutschland und Großbritannien, und sie wiesen Ähnlichkeiten zu früheren Instrumenten auf. Standort- und Industrieansiedlungspolitik scheint in ihrer Grundausrichtung ein stabiles und kohärentes Projekt zu sein. Es ging um die Beeinflussung des Wohnungsbaus mittels Subventionslenkung oder Bebauungsplänen, um koordinierte Wohnungstauschprogramme, Pendlertausch, Investitionslenkung, aber auch eine Verbesserung der Verkehrsmittel und dergleichen.95 Die Verschmelzungsideale früherer Tage verschoben sich immer mehr in Richtung einer Politik des rechten Abstands. Ein gewisser Abstand sollte nun durchaus gewahrt werden. Die Trennung der Wohn- und Arbeitsbereiche könne unter bestimmten Umständen durchaus positive Effekte haben und sollte daher nicht zur Gänze aufgehoben werden. »Es handelt sich hierbei darum, daß der in dem ›arbeitsteiligen und hochtechnisierten Arbeitsprozeß‘ tätige Mensch zunächst einen Abstand von der Arbeitsstätte gewinnt. Das bedeutet vor allen eine räumliche Trennung des Lebensbereiches ›Ruhe‹ vom Lebensbereich ›Arbeit‹. Diese Trennung beinhaltet aber mehr als nur ein psychologisches Problem. Sie umfaßt auch die Forderung nach Trennung der Wohnstätte von Lärm, Rauch, Abwässern und anderen nachteiligen Erscheinungen der Arbeitsstätten.«96 Daraus ergaben sich unterschiedliche Zielsetzungen. Forderungen an die Gestaltung des Arbeitswegs waren nicht ohne weiteres mit Forderungen an die Wohnform zu vereinbaren. Die daraus resultierenden Spannungen gelte es auszuhalten und immer wieder auszutarieren. Grundsätzlich und vollends aufzulösen seien sie nicht. »Zweifellos ist es möglich, bei kleinindustriellen Erzeugungszweigen diese unterschiedlichen Zielsetzungen zu erfüllen, etwa in klein- oder mittelstädtischen Siedlungsstrukturen. Hingegen wird das Verhältnis der Ziele zueinander problematisch, sobald es um das Zuordnungsverhältnis von großindustriellen Betrieben und den Wohnstätten der hier beschäftigten Arbeitskräfte geht. Die hierbei auftretenden Ballungen von Wohn- und Arals ein Fernziel an, »den Arbeitsplatz zu dem Wohnsitz in Beziehung zu setzen. Zu diesem Zwecke scheint die auf die Untersuchung von Industriegemeinden als Gesamteinheiten gerichtete Forschung die logische Folge der jetzt im Gange befindlichen Arbeit zu sein« (Mitchell u.a., Forschung [1950/51], S. 173). Den deutschen Kollegen, denen Mitchell diese Forderung in der Zeitschrift Soziale Welt vorstellte, dürfte das kaum neu gewesen sein. Eher hat man wohl befriedigt zur Kenntnis genommen, dass ihre fundamentale Einsicht nun auch andernorts geteilt wurde. 95 | Vgl. Feder, Wohnstätte [1939], S. 74-84; Fogarty, Personality [1956], S. 310-316; Pradel, Wohnstätte [1957], S. 128-140. 96 | Pradel, Wohnstätte [1957], S. 111.

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beitsstätten können eine Zuordnung von dezentralisierten Wohnstätten zu den Arbeitsstätten innerhalb der höchstzulässigen Dauer des Arbeitsweges und ohne das Entstehen von volkswirtschaftlichen Kosten bei Gewährleistung des ›Abstandes‹ verhindern. Die bestehende Antinomie kann man nur durch wenigstens teilweisen Verzicht auf dezentralisierte Wohnformen und/oder die Hinnahme länger dauernder Arbeitswege und/oder volkswirtschaftliche Kosten aufgelöst werden.« 97

Aus derartigen, eher realistisch-resignativen Überlegungen wurden in den sechziger Jahren offensive Stellungnahmen zugunsten einer Trennung von Lebens- und Arbeitsraum und einer flexiblen Handhabung ihres Verhältnisses. Eine früher übliche »vorschnelle Entscheidung«, wonach »Wohnstätten möglichst in unmittelbarer Nähe von Arbeitsstätten angelegt werden sollen«, könne man, so Fritz Voigt mit Bezug auf die deutsche verkehrs- und raumpolitische Debatte, heute nicht mehr treffen, denn das hebe »bei schlechten Verkehrswegen zu anderen Arbeitsstätten eine Errungenschaft auf, die im vorigen Jahrhundert erreicht wurde, vor allem dann, wenn auch noch die Wohngebäude der im Betrieb arbeitenden von dem Unternehmen als Eigentümer errichtet werden: die Freizügigkeit der Arbeitsplatzwahl.«98 Auf der Relevanzskala rückten Kategorien freier Persönlichkeitsentfaltung nach oben – auch wenn das zunächst nicht viel mehr heißen musste als freie Wahl des Wohnorts. Angesichts der Bedeutung, die dem Raum bis dato freilich in Deutschland für die Gesellschaftsordnung zugeschrieben wurde, war das allerdings eine Freiheit, die für Ordnungsdenken und Social Engineering den Anfang vom Ende bedeuten musste. Erstmals zeigte sich nicht nur ein Bekenntnis zur ohne Einschränkung freien Arbeitsplatzwahl (weil eben nicht mehr jeder glaubte, individuelle Freiheit zugunsten sozialer Ordnung einschränken zu dürfen), sondern auch die Feststellung, dass Pluralität sozialer Lebensbereiche nicht zwingend ein Problem sei, dass eine Gesellschaft sehr wohl und sehr gut mit dieser Pluralität leben könne. Fritz Voigt, der deutsche Raum- und Verkehrsplaner, der soeben zitiert wurde, trug solche Überlegungen 1968 vor und blieb damit in seiner Disziplin eher noch ein Außenseiter. Die britische Debatte war hier schon weiter, oder besser: hatte früher eingesetzt. Eine Reihe von Studien habe gezeigt, dass eine Trennung von Fabrik und Gemeinde sinnvoll sei. Das ermögliche die Teilhabe an zwei sozialen Zusammenhängen, zweierlei Arten von Erfahrungen, die das jeweils andere Sozialsystem bereicherten. »In general, experience suggests that in communities which traditionally have been tightly closed in on themselves, centring usually round one occupation or range of occupations, most people welcome the chance to break away from this narrow environment and build up a wider range of social contacts and of work experience; once at any rate they are not merely offered the possibility but 97 | Ebd., S. 120. 98 | Voigt, Arbeitsstätte [1968], S. 15.

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have become familiar with it.«99 Das letzte Zitat zeigt, dass Liberalismusund Pluralismuspostulate auch in Großbritannien nicht immer schon die Debatte beherrschten, sondern ebenfalls entdeckt und in kritischer Absicht gegen frühere Ordnungspostulate in Stellung gebracht werden mussten.

Betrieb, Gesellschaft, Ordnung Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering ist dadurch gekennzeichnet, dass es den Betrieb als soziales Problem- und Interventionsfeld etabliert. Wesentliche Bedeutung erlangten dabei betriebliche Sozialpolitik und Betriebssoziologie. Beide griffen zwischen den zwanziger und späten fünfziger Jahren immer wieder ineinander. Drei Punkte sind dabei wesentlich: erstens die Etablierung eines Begriffs vom Betrieb als Sozialgebilde eigener Art, zweitens eine spezifische Krisendiagnose und drittens eine Verschränkung betrieblicher und gesellschaftlicher Ordnung. Kennzeichnend ist der gleichzeitige Verweis auf von außen in den Betrieb eindringende Gefahren sowie die Wirkungen des Betriebs nach außen. Soziologische und sozialpolitische Beschreibungen, die innerhalb dieses Rahmens funktionierten, führten zu der Frage, wo es anzusetzen galt, um die Verhältnisse in Betrieb und Gesellschaft zu stabilisieren oder gegebenenfalls zu ändern. Betriebliche Sozialpolitik bezeichnet Zugriffe auf den Industriebetrieb, die nicht mehr vornehmlich technisch, allerdings auch nicht zwingend mit der paternalistischen Durchdringung industrieller Räume identisch sind.100 Die Systematisierung vielfältiger sozialpolitischer Einzelmaßnahmen bereits seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts, massiv dann jedoch in der Zwischenkriegszeit, trug dazu bei, den Betrieb als gesonderten gesellschaftlichen Machtbereich und zugleich primären »Bezugsrahmen für die Lebensumstände der Beschäftigten« (G. Schulz) zu etablieren. Betriebliche Sozialpolitik trat immer wieder in ein Komplementär-, öfter noch in ein Konkurrenzverhältnis zu staatlicher Sozialpolitik. Betriebliche Sozialpolitik wies seit der Zwischenkriegszeit eine ökonomische Logik auf, verband betriebspolitische Strategien und ideologische Leitbilder der Unternehmensführung und betrieb eine »Integration betrieblicher Sozialleistungen in eine systematische, zentralisierte und professionalisierte Belegschaftspolitik«.101 Damit etablierte sich ein Beschreibungsmodus, der wie kaum ein anderer den Betrieb als soziales Problem- und Interventionsfeld begriff. Industriebetriebliches Ordnungs99 | Fogarty, Personality [1956], S. 316-318. 100 | Zum Folgenden vgl. Claydon, Unions [1987]; Fiedler, Sozialpolitik [1996]; Fitzgerald, Management [1988]; Kleinschmidt, Sozialpolitik [1992]; Lewchuk, Technology [1987], S. 131-184; Schulz, Sozialpolitik [1991]; Welskopp, Sozialpolitik [1994]; Whiteside, Welfare [1983]. 101 | Fiedler, Sozialpolitik [1996], S. 373f.

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denken und Social Engineering verschränkt sich nachhaltig mit dem sozialpolitischen Bemühen um die »Kultivierung des sozialen Umfelds« (T. Welskopp) des Betriebs. Die sich nach dem Ersten Weltkrieg etablierende Betriebssoziologie versuchte, die Dimensionen des modernen Industriebetriebs als Sozialgebilde sowie seinen konstitutiven Bezug zur Ordnung der Gesellschaft herauszuarbeiten. Der Ansatz einer expliziten Betriebssoziologie ist eine deutsche Erfindung. Im Englischen (wie auch im Französischen102) gibt es dazu keine direkte Entsprechung. Fragen, die in Deutschland seit der Weimarer Republik unter dem Label Betriebssoziologie gebündelt und verhandelt werden,103 begegnen in Großbritannien in unterschiedlichen Kontexten mit je eigenen Bezügen: im Rahmen von Industriesoziologie, »industrial relations« und »personnel management«.104 Auch wenn sich die disziplinären und institutionellen Kontexte unterschieden, lassen sich ähnliche Problemlagen identifizieren, die es rechtfertigen, von einem relativ kohärenten Modus sozialwissenschaftlicher Behandlung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse zu sprechen. Die Herausbildung dieses Modus hängt wesentlich mit der Diagnose sich in Folge der Industrialisierung auflösender traditioneller Sozialbindungen zusammen. Das setzte sozialreformerische Bestrebungen in Gang, die den Ausgangspunkt für industriesoziologische Fragestellungen bildeten.105 Bezugspunkt waren die vielfältigen Auseinandersetzungen um die soziale Frage, sich wandelnde Arbeitsverhältnisse und der Umstand, dass staatliche Sozialpolitik in der Wahrnehmung der Zeitgenossen nicht mehr in der Lage war, zentrale Konfliktfelder im Spannungsverhältnis von Wirtschaft und Politik zu lösen. Ungeachtet der verschiedenen Schwerpunkte war den einzelnen Zugriffen auf den Betrieb gemein, dass auch sie in102 | Zur französischen »sociologie du travail«, deren thematischer Rahmen außerordentlich weit gesteckt war und die Untersuchung derjenigen menschlichen Gemeinschaften in all ihren Aspekten umfassen sollte, die sich über Arbeit konstituieren, vgl. Düll, Industriesoziologie [1975]. 103 | Vgl. Hinrichs, Seele [1981]; Oetterli, Betriebssoziologie [1971]; Rummler, Entstehungsgeschichte [1984]; Schuster, Industrie [1987]; Walter-Busch, Faktor [2006]. 104 | Das betonte bereits Geck, Entstehungsgeschichte [1951], S. 118, aus deutscher Perspektive. Eine Betriebssoziologie im engeren Sinn entstand in Großbritannien erst relativ spät. Sie entwickelte sich, so G. Duncan Mitchell, erstens aus der »breite[n] Tradition der historischen, ökonomischen und soziologischen Forschung, die in das akademische Feld des nationalen Lebens eingebettet ist«, zweitens aus der Arbeit von Sozialreformern wie Charles Booth oder B. Seebohm Rowntree und drittens aus Versuchen, medizinische Forschung auf das Gebiet industriellen Lebens anzuwenden (Mitchell u.a., Forschung [1950/51], S. 164f.). 105 | Vgl. Fürstenberg, Einleitung [1966], S. 15-21; Miller, Rise [1951]; Walter-Busch, Faktor [2006], S. 119-140, 178-224.

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ner- und außerbetriebliche Fragen und Probleme in ein je spezifisches Verhältnis setzten, dass sie mal diese, mal jene Seite der Unterscheidung betonten. Der Übergang von betriebssoziologischer Diagnose zu betriebs- und sozialpolitischer Praxis war im Untersuchungszeitraum fließend. René König kritisierte in den fünfziger Jahren, dass eine Reihe deutscher Betriebssoziologen, deren »Herkunft aus den zwanziger Jahren datiert«, sich »noch regelmäßig dadurch aus[zeichnet], daß sie die behandelten betriebswirtschaftlichen Probleme mit Sozialkritik und sozialpolitischen Reformplänen verquickt, was die an und für sich schon unklare Situation nur noch mehr verwirrt. […] Damit flossen dann Industrie- und Betriebssoziologie, Sozialpolitik, betriebliche Sozialpolitik, soziale Betriebspolitik, Gruppenpflege im Betrieb und eine Unmenge anderer Dinge ganz hemmungslos durcheinander.«106 Als Beobachtung ist das sicher richtig. Bemerkt werden muss jedoch, dass dies in besagter Tradition gerade kein Defizit, sondern Ausdruck industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings war. Es ist kein Zufall oder Unvermögen, dass sozialreformerische Impulse in verschiedenen Kontexten griffen. Während des Nationalsozialismus wirkte beispielsweise das Arbeitswissenschaftliche Institut der Deutschen Arbeitsfront in Richtung einer sozialwissenschaftlich unterfütterten Sozialplanung; in Richtung einer spezifischen Strategie sozialer Rationalisierung, die auf Basis wissenschaftlicher Sozialdaten funktionierte. Das Institut fungierte, wie es zeitgenössisch hieß, als eine Experteninstanz »zur Lösung sozialpolitischer und sozialwissenschaftlicher Fragen, wie sie zwischen Wirtschaft und Arbeit auftauchen«.107 Wichtig ist hier nur die Kopplung von Sozialwissenschaft und Sozialplanung. Dass das im Nationalsozialismus an rassistische Gesellschaftsmodelle gekoppelt wurde und eliminatorische Effekte zeitigte, muss nicht eigens hervorgehoben werden. Klar ist, dass sich das von Entwicklungen in der Weimarer Republik oder in Großbritannien unterschied. Die Gemeinsamkeit, vielleicht die einzige, besteht im Modus der Problematisierung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse sowie des Verhältnisses betrieblicher und gesellschaftlicher Ordnung. Der britische Industrial-Relations-Ansatz108 hatte in dieser Hinsicht ähnliche Implikationen, wie die von König ins Feld geführte deutsche betriebssoziologische Tradition. Auch hierbei handelte es sich um eine im Kern anwendungsorientierte Sozialwissenschaft. Das schlug vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg durch. »In the shared political spirit of the post-war welfarism and Social Engineering these were the industrial troubleshoot-

106 | König, Bemerkungen [1956], S. 242. 107 | Vgl. Roth, Intelligenz [1993]. 108 | Vgl. Ackers, Basics [1994]; Ackers/Wilkinson, Paradigm [2005]; Dabscheck, Mountains [1983]; McCarthy, Involvement [1994]; Morris, Uses [1987]; Niland, Research [1981].

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ers, close cousins to the expanding social work professions.«109 Experten engagierten sich meist nicht in den Betrieben selbst. Entsprechend ihrer Konzentration auf die Institutionen kollektiven Verhandelns und des propagierten Tripartismus, fanden sie ihre Wirkfelder in ministeriellen Kommissionen oder Institutionen, die oft mit dem Ziel gegründet worden waren, die dem Staat zugeschriebenen Funktionen (zum Beispiel »conciliation« oder »arbitration«) zu erfüllen. Vor allem den regelmäßig auch zu Fragen industrieller Beziehungen eingesetzten »Royal Commissions« kam hier eine herausragende Bedeutung zu. Diese ad hoc eingesetzten Kommissionen boten und bieten in Großbritannien eine nahezu einzigartige Möglichkeit der öffentlichen Beteiligung an der Arbeit der Regierung. Sie hatten ihre Hochphase im neunzehnten Jahrhundert. Wenngleich sie seither weniger wurden, genießen sie doch nach wie vor ein außerordentlich hohes Prestige und werden mit der Regierung insgesamt identifiziert, weshalb sie ein attraktives Betätigungsfeld für die verschiedenen Experten bieten. Die Aufgabe der Kommissionen besteht dann in der Regel darin, einen Sachverhalt zu untersuchen und konkrete Handlungsoptionen zu unterbreiten.110 In Sachen industrieller Beziehungen wurde vor allem die Royal Commission on Trade Unions and Employers‘ Associations (1965-68), die Donovan-Kommission, berühmt, in der einige der wichtigsten britischen Experten dieser Zeit mitwirkten.111 Durch die Überlagerungen von betrieblicher Sozialpolitik und Betriebssoziologie wurde der Betrieb etabliert. Er wurde begrifflich als eigenlogisches Sozialgebilde bestimmt. »At the risk of repetition«, so Eleanor Kelly vom Institute of Welfare Workers, »it must be emphasized that every factory has its own peculiar character. Just as individuals, though living under similar conditions and with similar histories, differ to an extraordinary degree, so factories, though alike to all outward appearance, will be found to have totally distinct ›souls‹.«112 Man müsse sich den Betrieb als planmäßige Zusammenfassung wirtschaftlicher Kräfte denken, »über den Einzelnen hinausgehoben und als eine selbständige Größe«, als »durchaus lebendig«. Warum soll diese »kleine Welt nicht als ein Lebewesen, als ein Subjekt gedacht, warum soll ihr nicht […] die zweckgebundene Rechtspersönlichkeit zugesprochen werden?«113 Dass Sozialpolitiker, Soziologen, Produktionsingenieure oder Gewerkschafter vom Betrieb redeten, ist keine banale Feststellung. Vielmehr sind mit der Rede vom Betrieb ganz bestimmte Implikationen und Effekte verbunden. Der Arbeiter wurde zum »Betriebsangehörigen«, von dem man erwartete, dass er »Kräfte seines Lebens« in den Betrieb einströmen ließ, »die er dem Unternehmer und dessen Fabrik grundsätzlich 109 | Ackers, Basics [1994], S. 32. 110 | Vgl. Rass, Commissions. 111 | Vgl. ebd., S. 96-132; sowie Howell, Unions, S. 86-130. 112 | Kelly, Welfare [1925], S. 20f. 113 | Hedemann, Betriebsgemeinschaft [1925], S. 28f.

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vorenthielt«.114 Bereits die verschiedenen Bezeichnungen sollten reflektieren, dass die Eigenart des Betriebs etwas mit seiner sozialen Realität zu tun hatte: »Ein Haus der Industrie führt auch bezeichnender Weise einen anderen Namen, je nachdem, ob man es auf das Produkt oder auf die Arbeit oder auf die Menschen in ihm ansieht. Als Fabrikationsort heißt es Fabrik, als Produktionsstätte für den Weltmarkt Unternehmen, als Aufenthaltsort der Arbeiter Betrieb.«115 Der Betrieb war also nicht nur ein ökonomisches, sondern zugleich ein soziales Phänomen, da er menschliche Arbeit zusammenfasse, das heißt »die Arbeit vieler Gruppen zu einem Ganzen« vereinige.116 Auf die Frage, was der Betrieb denn sei, ließ sich von soziologischer und sozialpolitischer Seite her in ähnlicher Weise antworten. Das änderte sich bis in die sechziger Jahre kaum. Der Betrieb war und blieb ein Sozialgebilde – »a social world in miniature«, so schrieb J. Henry Richardson 1954.117 Der Betrieb galt als soziale Ordnung – strukturiert, reguliert und angeleitet durch ein normatives Netz, durch das Zusammenspiel von betrieblicher Sozialstruktur, kultureller Ordnung und Fragen der Persönlichkeit.118 Der Betrieb galt als funktionsfähig, »wenn in ihm eine Daseins- und Lebens-Ordnung besteht, die zum allermindesten das gesellschaftliche Zusammenwirken aller Beteiligten so weit in geordnete Bahnen lenkt, daß die bezweckte Leistungserstellung überhaupt möglich ist; es ist umso funktionsfähiger, je mehr diese seine innere Ordnung dieses gesellschaftliche Zusammenwirken sich für alle Beteiligten menschlich befriedigend gestaltet.«119 Nicht jede Position, die in dieser Weise zu einer sozialen Problematisierung des Industriebetriebs fand, kann als Ordnungsdenken und Social Engineering bezeichnet werden. Umgekehrt aber funktionierte dieses nicht ohne ein Verständnis des Betriebs als konkreter Sozialordnung. Das Augenmerk galt der Identifizierung und Stabilisierung derartiger Ordnungen, die zum Ausgangspunkt für die soziale Ordnung insgesamt gemacht werden sollten. Der Betrieb war eine Sozialordnung eigener Art, aber er war stets auch gefährdet, oder, um hier nicht zu früh den Blick nur in eine Richtung zu lenken: Er wurde innerhalb vielschichtiger Krisendiagnosen situiert. Der Rekurs auf eine vermeintliche Krisenhaftigkeit der industriellen Arbeitsbeziehungen war gemeinsamer Bezugspunkt betrieblicher Sozialpolitiker und Betriebssoziologen. Es hatte einen Grund, dass René König 1961 etwas genervt resümierte: »Wir haben mehr als genug höchst allgemeine Krisenanalysen, so daß man ihrer seit hundert Jahren nachgerade überdrüssig geworden ist. Was wir dagegen benötigen, sind konkrete und präzise Analysen, wie sich diese Krisen und Konflikte im Einzelfall 114 | Rosenstock-Huessy, Werkstattaussiedlung [1922], S. 7f. 115 | Ebd., S. 96f. 116 | Lechtape, Arbeit [1929], S. 23. 117 | Richardson, Introduction [1954], S. 428. 118 | Vgl. Clegg, System [1954], S. 3; Jacqes, Culture [1951], S. 249-253. 119 | Nell-Breuning, Sozialpolitik [1966], S. 17.

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innerhalb des Betriebs darstellen.«120 Der Industriebetrieb ließ sich innerhalb eines nahezu allumfassenden Krisenszenarios situieren. War er Opfer oder Herd der Krise? Mussten die Verhältnisse zwangsläufig in die Krise führen? Ließ sich ein neues Gleichgewicht herstellen?121 Der Industriebetrieb hatte sich mit einer allgemeinen Krise auseinanderzusetzen, die von außen hereinbrach, deren Wirkungen aber mit Beseitigung der äußeren Störfaktoren verschwinden konnten, und es stellte sich zugleich die Frage, inwiefern die Ursachen der Krise nicht in der Industrie selbst lägen. Das »soziale Betriebsproblem« liege einerseits »in der innerbetrieblichen Gefährdung der Realisierung des sozialen Betriebszweckes«, die »Gefährdung der sozialen Bestgestaltung« erwachse »also hier aus dem Betrieb, aus der Verschiebung der abgestimmten Ordnung im Betrieb«. Andererseits gebe es aber auch »Störungen in der sozialen Umwelt«, die »eine Menge neu hinzukommender Komplikationen, Spannungen und Konflikte« bewirkten. »Sie haben aber nicht ihren Ursprung und ihre Ursache im Betrieb selbst, sondern in einer betriebsfremden Welt«.122 In derartigen Krisendiagnosen schwang zweierlei mit: die explizite Relationierung von Betrieb und Gesellschaft unter Ordnungsgesichtspunkten und die behauptete Notwendigkeit, gestaltend auf den Betrieb einwirken zu müssen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass mit der betrieblichen auch die Gesellschaftsordnung stehe und falle (und umgekehrt). »[D]er Betrieb ist gleichzeitig Flamm- und Schnittpunkt solcher sozialen Beziehungen, sozialen Gebilde und Prozesse, die bei der Kooperation von Menschen an der technischen Apparatur, dem organisierten Werksvorgang und unter der raum-zeitlichen Einheit des Betriebs entstehen. […] [Dem Betrieb] eignet im höchsten Maße Organplastizität, an die soziale Rückwirkungen anschließen; andererseits hat ihm gegenüber auch die Gesellschaft Organplastizität […]. Ebenso wie der Betrieb für das Gesellschaftsgefüge in einem Akt zerstörendes und neuaufbauendes Gefüge sein mag, so kann die Gesellschaft durch Regeln und Normen für ihn Hemmung, Begrenzung und Förderung sein. […] Dort wo Gesellschaft autonomes, ihr Leben durch Normen und Regeln umfassendes und ordnendes Gebilde ist, steht auch der Betrieb unter diesem Normensystem und seinen geltenden Werten. […] Dort aber, wo die Gesellschaft individualistisch verflüchtigt, ihre Autonomie der Autonomie der Individuen geopfert ist, da kann der Betrieb […] geradezu das Kristallisationszentrum einer echten gesellschaftlichen, von der Wirtschaft her bestimmten Gliederung werden.«123

Die Dopplung der Bezugspunkte, Ordnung des Betriebs und Ordnung der Gesellschaft, war konstitutiv für die Betriebssoziologie und warf zudem 120 | König, Gruppen [1961], S. 260. 121 | Vgl. Koch, Krise [1933], S. 5. 122 | Schwenger, Frage [1931], S. 293. 123 | Briefs, Betriebssoziologie [1931], S. 34.

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die entscheidende Frage auf, wo sozialpolitische Interventionen anzusetzen hatten. Die Bemühungen beschränkten sich nicht nur auf die bloße Feststellung, dass es verschiedene sozial-räumliche Bereiche gab, deren Verhältnis man gestalten müsse, sondern sie gründeten in umfassenden Ordnungsvorstellungen, die sich gleichzeitig auf Betrieb und Gesellschaft bezogen. Betrieb und Gesellschaft durchdrangen sich gegenseitig. »Die menschliche oder soziale Betriebsproblematik ist zunächst eine im Betrieb selbst gegebene oder innerbetriebliche Problematik, dann aber auch eine außerbetriebliche oder gesellschaftliche Problematik, insofern der Betrieb in das außerbetriebliche gesellschaftliche Leben hineinwirkt, wie umgekehrt das außerbetriebliche gesellschaftliche Leben in das Betriebsleben hineinwirkt. Auch diese außerbetriebliche Betriebsproblematik ist für die soziale Betriebsführung von Bedeutung.«124 Die Betriebssoziologie nahm es in Angriff, »den Industriebetrieb als eine soziale Seinsordnung eigener Art und als gliedhaften Teil einer größeren sozialen Seinsordnung, die ihn beeinflußt und von ihm beeinflußt wird, dem sozialtheoretischen und sozialpolitischen Interesse weiter Kreise näher zu rücken.«125 Aufgabe sei die Formulierung einer »wirklichkeitsnähere[n] soziale[n] Betriebsauffassung«, die im Betrieb »ein einheitliches Sozialgebilde von durchgängiger Bedeutung für den Aufbau der Gesellschafts- bzw. Volksordnung sieht.«126 Sozialer Betriebspolitik gehe es unter diesen Voraussetzungen »im eigentlichen Sinn um Nöte und Aufgaben, von ›sozialer‹ Art und gesellschaftlicher Bedeutung, die im Betrieb ihren Ursprung und ihre primäre Wirkungsstätte haben und deren Lösung auf soziale Betriebsund Arbeitsgestaltung – und zwar ebenfalls von gesellschaftlicher Bedeutung – hindrängt.«127 Gerhard Albrecht formulierte in einem Rezensionsaufsatz aus dem Jahr 1935 mit Blick auf die nun in Buchform auf dem Tisch liegenden Positionen wichtiger Vertreter der Betriebssoziologie und sozialen Betriebspolitik die entscheidende Herausforderung: Neben der Untersuchung der innerbetrieblichen Sozialbeziehungen sei es notwendig, die »Bedingtheit der betriebssoziologischen Phänomene aus der sozialen Umwelt« und die »Rückwirkungen der sozialen Betriebsverhältnisse auf die gesellschaftliche Umwelt« gleichrangig in den Blick zu nehmen. »[N]ichts wäre verkehrter, als nun den Schwerpunkt der sozialen Betrachtung in Reaktion auf frühere Versäumnisse wiederum allzu einseitig auf die Tatsachen und sozialpolitischen Möglichkeiten innerhalb des Betriebs zu verlagern, wie früher allzu einseitig die soziale Problematik unter fast vollständiger Vernachlässigung der Betrachtung vom Betriebe her un124 | Geck, Betriebsführung [1966], S. 22. Betriebe, so Geck, wirken »sozial über ihren eigenen Raum hinaus« und veranlassten »auch im außerbetrieblichen Leben soziale Gestaltung« (Ders., Entstehungsgeschichte [1951], S. 113). 125 | Geck, Sozialpolitik [1931], S. 312f. 126 | Michel, Arbeitsordnung [1932], S. 13. 127 | Ebd., S. 15.

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ter dem Gesichtspunkte der überbetrieblichen Frontenbildung der Unternehmerschaft und der Arbeitnehmerschaft behandelt wurde.«128 Die Diskussionen der Zwischenkriegszeit resümierend stellte Roland Reichwein 1965 im Umfeld der Dortmunder Sozialforschungsstelle fest, dass der »soziologische Ort der betrieblichen Sozialpolitik […] sich im präzisen Sinn des Wortes zwischen Betrieb und Gesellschaft« befinde. Sie sei »ein konkreter Ausdruck der gesamtgesellschaftlichen Verflechtung des Industriebetriebes«.129 Der Horizont industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings zeichnet sich geradezu paradigmatisch in der Auseinandersetzung ab, die in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren unter anderem zwischen Mitarbeitern des Berliner Instituts für Betriebssoziologie und soziale Betriebslehre130 und gewerkschaftsnahen Autoren um Sinn und Unsinn sozialer Betriebspolitik, mithin die Schnittstelle von Betriebssoziologie und Betriebspolitik, von Betrieb und Gesellschaft geführt wurde.131 Das fragwürdige Verhältnis betrieblicher und gesellschaftlicher Probleme und Lösungen zeigt sich in der Relationierung verschiedener Einrichtungen kollektiver Interessenvertretung zu denjenigen sozialer Betriebspolitik. Das betraf die Rolle der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände sowie des Staates. Alle drei, so der Tenor, kämen »an gewisse, das individuelle Betriebsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffende Dinge«132 nicht heran, da sie notwendig einen gewissen Schematismus aufwiesen. Dabei blieben zentrale Bereiche unbearbeitet – Bereiche, in denen dann eine »betrieblich-autonome Sozialpolitik« sich etablieren müsse, »wenn das Ziel einer organischen Neuordnung der sozialen Verhältnisse erreicht werden soll.«133 Die Schwäche staatlicher Sozialpolitik liege darin, dass sie »an den Betrieb als soziales Gebilde und Erregungszentrum von Spannungen, Reibungen und Konflikten, gege128 | Albrecht, Betriebssoziologie,1935 S. 738. 129 | Reichwein, Funktionswandlungen [1965], S. 26f. 130 | Das Institut wurde unter anderem von Goetz Briefs und dem früheren Daimler-Vorstandsmitglied Paul Riebensahm gegründet. Es zielte auf eine Integration ingenieurs- und sozialwissenschaftlicher Perspektiven sowie die Analyse des Betriebs als eines technisch-sozialen Gebildes eigener Art ab (vgl. Klein-Zirbes, Beitrag [2004]; Wilke, Briefs [1979]). Die Namen der Mitarbeiter des Instituts – neben Briefs und Riebensahm vor allem Heinrich Ludwig Adolph Geck, Walter Jost, Rudolf Schwenger und Richard Woldt – begegneten und begegnen in der vorliegenden Arbeit nicht ohne Grund in schöner Regelmäßigkeit. Es ist die von ihnen etablierte Perspektive auf den Betrieb, die in vielen Punkten deckungsgleich mit industriebetrieblichem Ordnungsdenken und Social Engineering ist. 131 | Vgl. Kleinschmidt, Sozialpolitik [1992]. 132 | Briefs, Problemstellung [1930], S. 8; vgl. auch Brauweiler, Arbeitgeberverbände [1930]. 133 | Thalheim, Grundfragen [1932], S. 127.

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ben mit dem Zusammensein und Zusammenhandeln von Menschen verschiedener Herkunft, Lebensanschauung und Geltung«134 nicht heranreiche. In dieser oder jener Weise bestand das Problem stets darin, dass überbetriebliche Einrichtungen in den Betrieb hineinwirkten und ihn zu überformen, das heißt seine eigene Sozialordnung zu verschütten drohten. »Wir sehen, die Verbandsfronten marschieren gegeneinander auf, saugen aus den Betrieben soziale Initiative und Selbständigkeit von beiden Seiten – vom Arbeiter und Unternehmer – und machen den Verkehr zwischen beiden Lagern ganz mittelbar. […] Aus den überbetrieblichen sozialen Fronten muß wieder soziale Initiative und soziale Freiheit zurückfließen in den Betrieb, der zwischen diesen Fronten steht.«135 Die letzten hundert Jahre, so Rudolf Schwenger 1931, standen »unter dem Zeichen des Kampfes gegen jede seinsmäßig begründete, natürliche Ordnung, gegen den Anspruch einer von zufälliger Willkür der Einzelnen unabhängigen objektiven Institution, die vor den Individuen besteht und sich gegen den Einzelwillen durchzusetzen vermag. […] Neuerdings und insbesondere in den Nachkriegsjahren ist die betriebliche Ordnung in ihrer Eigenständigkeit ebenfalls in Frage gestellt worden.«136 Gegenüber den »Bestrebungen zur Veröffentlichung des Betriebs«, so Schwengers Schlussfolgerung, müsse man »die Eigenberechtigung der betrieblichen Ordnung und die Regelung der sozialen Beziehungen vom Betrieb her betonen«.137 Zeitgenössische Kritiker – genannt sei hier nur Theodor Geiger – bezweifelten von Anfang an, dass es möglich sei, eine soziale Bestgestaltung des Betriebs zu erreichen, ohne die Gesellschaft zu reformieren. Er glaube nicht, so Geiger, »dass der wirtschaftsgrundsätzliche Gegensatz: Kapitalismus – Sozialismus, wenn er einmal zu einem bestimmten Grad der Schärfe gediehen ist, mit diesen innerbetrieblichen Mitteln abgedämmt werden könne.«138 Derartiges wies nun wieder Rudolf Schwenger als »marxistische Deduktion« zurück. Schwenger verwahrte sich gegen die Annahme, wonach der Betrieb ausschließlich als »Funktion der Gesamtwirtschaft« zu betrachten sei. Es liege falsch, wer behaupte, die »Schwierigkeiten innerhalb der sozialen Beziehungen können […] nicht vom Betrieb aus geregelt werden«, da sie »überbetrieblich bestimmt« seien. Es liege falsch, wer glaube, die »Beziehungen zwischen den sozialen Gruppen des Betriebes lassen sich nicht aus einem immanenten Betriebszweck heraus ordnen«, da »der Einfluss der Gesamtwirtschaft, deren Ausstrahlungen sich im Betrieb auswirken und gegenüber einer etwaigen sozialen Betriebspolitik unbedingt den Vorrang haben«, ausschlaggebend sei. Es liege falsch, wer 134 | Briefs, Betriebsführung [1934], S. IXf. 135 | Winschuh, Gedanken [1930], S. 146. 136 | Schwenger, Frage [1931], S. 291. 137 | Schwenger, Frage [1931], S. 303. 138 | Geiger, Sozialpolitik [1930], S. 836-838; vgl. auch Fricke, Gewerkschaften [1930].

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glaube, die »Entscheidung über die Lösung der Schwierigkeiten in den sozialen Beziehungen fällt […] ausserhalb des Betriebes.«139 Schwengers Verweis auf die zu verteidigende Eigenständigkeit des Betriebs, der mit der Betonung seines »überhistorischen« Charakters einherging, wurde von Gewerkschaftsvertretern als Versuch interpretiert, historische Formen der betrieblichen Autoritätsverhältnisse zu verabsolutieren. Schwengers Idee einer »autonomen Betriebsherrschaft« liefe auf die Behauptung hinaus, dass der Betrieb »an und für sich mit der kapitalistischen Wirtschaft gar nichts zu tun« habe.140 »Der Begriff des Betriebes«, so auch Theodor Geiger, »ist eine neutrale Grösse; seine Struktur ist es nicht. […] [D]er Betrieb ist als neutrale Grösse niemals verwirklicht, sondern als Produktionseinheit in einem irgendwie gearteten Wirtschaftsleben trägt er dessen Züge. […] Der konkrete Betrieb steht nicht im luftleeren Raum, sondern ist Zelle oder Einheit im Produktionsleben einer bestimmt gearteten Wirtschaftsgesellschaft«.141 In dieser Kontroverse zeigt sich ein wichtiges Merkmal industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings: die Ausblendung jedweder Assoziation der Produktion mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Auch das ist ein Effekt des Insistierens auf dem Begriff des Betriebs (gegenüber zum Beispiel demjenigen des Unternehmens). Ordnungsdenken und Social Engineering fokussiert den Betrieb (und nicht das Unternehmen), weil so die zeitgenössisch heftig diskutierte Systemfrage ausgeklammert werden konnte. Kapitalismus und industrielle Produktion, das wurde suggeriert, seien zweierlei. Interessenkonflikte zwischen Akteuren, die sich außerhalb der betrieblichen Sphäre artikulierten, Konflikte im Betrieb und innerbetriebliche Hierarchien ließen sich so neutralisieren oder als dem Betrieb wesensfremd beschreiben. Schwengers Orientierung am Betrieb als konkreter Ordnung, sein Beharren auf der Überlegenheit einer vom Betrieb her betriebenen und auf diesen sich konzentrierenden Sozialpolitik war nicht nur unter Gewerkschaftern umstritten, sondern auch bei jenen, die nach 1933 das Verhältnis von Sozialpolitik und Betriebsgemeinschaft ausloteten. Holger Jahn argumentierte 1937, dass man von einer »enge[n] Verbundenheit der betrieblichen Sozialpolitik mit der allgemeinen Sozialpolitik« auszugehen habe. Er stellte fest, dass man sich mit Definitionen der betrieblichen Sozialpolitik und sozialen Betriebspolitik, wie sie zum Beispiel Schwenger vornahm, nicht einverstanden erklären könne, da betriebliche Sozialpolitik »nicht vordringlich der Selbsterhaltung des Betriebes«, sondern vor allem »der Erhaltung und Förderung der in ihm arbeitenden Menschen« mittels Gemeinschaftspflege diene. Zudem sei der Begriff zu eng, »da er nur jene 139 | Schwenger, Gewerkschaften [1930], S. 742f. Schwenger reagierte explizit auf Fricke, Gewerkschaften [1930].

140 | Mertens, Feudalherrschaft [1932], S. 77-79; vgl. auch Schwenger, Erwiderung [1932]; sowie Mertens, Betrieb [1932].

141 | Geiger, Soziologie [1929], S. 673f.

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Maßnahmen und Einrichtungen umfaßt, die vom Betrieb selbst ausgehen und die von außen kommenden, auf den Betrieb gerichteten ausschließt. Damit aber würde die betriebliche Sozialpolitik wiederum isoliert sein.«142 Wo Schwenger den Betrieb gegenüber »Veröffentlichung« und äußeren Einflüssen abschirmen und sozialpolitisch einhegen wollte und sich von einer stabilen Betriebsordnung wiederum Ordnungseffekte für die Gesellschaft versprach, da zog Jahn den Schluss, dass man – weil diese Ordnungseffekte ja das eigentlich Bedeutsame seien – den Betrieb nicht sozialpolitisch isolieren dürfe. Der heiklen Aufgabe, zu bestimmen, wie Betrieb und Gesellschaft im Verhältnis stünden, stellte sich, unter Rekurs auf eine Reihe der zitierten Weimarer Betriebssoziologen, auch Elisabeth Mieder. Sie unternahm 1939 den Versuch, die Frage der Verwirklichung der Betriebsgemeinschaft im Kontext der sozialen Aufgaben des Unternehmers zu beantworten. Auch sie diskutierte vor allem die Frage, wo eine sozialpolitische Ordnung des Betriebs anzusetzen habe. Sie unterschied innere und äußere Problemdimensionen, denen mit je eigenen Instrumenten zu begegnen sei. »Wenn die staatliche Sozialpolitik der Vergangenheit sich fast ausschließlich auf die Sicherung des Existenzminimums und die Festlegung arbeitshygienischer Mindestbedingungen zugunsten des abhängigen Lohn- und Gehaltsempfängers beschränkte, so handelte es sich hier nur […] um einen Angriff auf die rein äußerlich wesentlichsten Erscheinungsformen des sozialen Problems. Seine inneren, im eigentlichen Sinn sozialen Grundlagen konnte und wollte diese staatliche Sozialpolitik nicht erfassen, – nämlich die immer wachsende Verunselbständigung des Arbeitsverhältnisses, die Entpersönlichung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitsgeber bezw. Betrieb, die Rationalisierung und Entseelung des ganzen Arbeitslebens. […] Erst der Nationalsozialismus hat erkannt, daß die bislang […] geübte staatliche Sozialpolitik die eigentlichen Entstehungsursachen sozialer Unruhe nicht bekämpfen konnte, – hat erkannt, daß und warum der Staat selbst als Ausführungsorgan sozialpolitischer Maßnahmen nur dort in Erscheinung treten kann, wo es sich um die Beseitigung krasser Mißstände im Sozialleben der Wirtschaft handelt, die von außen zu erfassen und zu regeln sind […]. Bei der sozialen Problematik des Betriebes aber geht es nicht um solche von außen erfaßbaren Tatbestände, sondern um seelische Dinge. Die betriebliche Sozialpolitik richtet sich auf die Erfüllung sozialer Aufgaben, die weder vom Staat geregelt, noch auch nur von ihm erkannt werden können, weil sie entweder derart in der Sphäre des Persönlichen liegen, daß eine gesetzliche Ordnung sie nicht erfassen kann, oder weil eine Lösung von der besonderen Eigenart der einzelnen Betriebe abhängt.«143

142 | Jahn, Sozialpolitik [1937], S. 11. 143 | Mieder, Betriebsgemeinschaft [1939], S. 28f.

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In diesen Diskussionen wurden Fragen der Grenzziehung aktualisiert und erneut verhandelt, was überhaupt zum Betrieb gehört und seiner Verantwortung unterlag. Diese Problemstellung zieht sich durch den gesamten Untersuchungszeitraum. Das Verhältnis von betrieblicher und allgemeiner Sozialpolitik war und blieb problematisch. Seitens der Gewerkschaften ging es dabei auch darum, soziale Betriebspolitik nicht als Argument gegen allgemeine Sozialpolitik zu akzeptieren. Soziale Betriebspolitik könne schließlich bestenfalls, »als Ergänzung dieser allgemeinen sozialen Maßnahmen auf der Ebene des Betriebes« wirken, und daher immer nur »Stückwerk« sein, mitunter freilich »sehr wertvolles Stückwerk«, wenn es um konkrete betriebliche Fragen und deren Lösung geht.144 Diese Begrenzungs- und Einhegungsversuche finden sich auch auf unternehmerischer Seite, wenn beispielsweise Mitte der fünfziger Jahre in der Opel-Post festgestellt wurde, dass der Betrieb kein »Mädchen für alles« sei. In dieser Hinsicht seien viele Menschen mit »falschen Vorstellungen über die Fürsorgepflicht eines Werkes belastet«: »Kurzum, die betriebliche Sozialfürsorge hat nicht in Bereiche hineinzuwirken, die dem einzelnen oder staatlichen, kommunalen oder privaten Institutionen vorbehalten sind. Der Betrieb ist dazu da, Güter herzustellen und zu angemessenen Preisen zu verkaufen. Er ist kein Fürsorgeinstitut, was nicht ausschließt, daß seine innere Gestaltung menschlich und sozial sein soll.«145 Diese Perspektive, die den Betrieb einerseits unter dem Gesichtspunkt sozialer Ordnung mit der Gesamtgesellschaft verband, andererseits aber auf seinem autonomen Charakter beharrte und außerbetriebliche Einflüsse hinausdrängen wollte, spannte den Rahmen auf, der bis in die fünfziger Jahre stabil blieb. Nach wie vor ging man davon aus, »daß die betriebliche Ordnung in einem bestimmten Beziehungsverhältnis zur gesellschaftlichen Gesamtordnung steht«.146 Carl Jantke wies Anfang der fünfziger Jahre darauf hin, dass industrielle Soziologie ebenso wenig eine begrenzte Teildisziplin der Sozialwissenschaften sei, »wie der industrielle Betrieb einen von der Gesellschaft abgesonderten Bereich darstellt.« Ihre Fragestellungen führten vielmehr »am tiefsten in die Lebenszusammenhänge des sozialen Ganzen« hinein. Industrielle Soziologie überschreite damit »die Grenzen der reinen Betriebsforschung und wird zur echten Sozialforschung, deren Ziel das Verständnis der modernen Daseinsordnung, ihrer historisch-soziologischen Voraussetzungen und ihrer Entwicklungstendenzen ist.«147 Helmut Schelsky sprach von einer »Front der betriebssoziologischen Probleme und der sozialen Betriebspraxis«, die er darin zu identifizieren glaubte, dass »der Betrieb nicht umhin kommt, in sich die Strukturen, Spannungen und Schwierigkeiten der Gesamtgesellschaft zu

144 | Buschmann, Betriebsprobleme [1949], S. 5. 145 | Mai, Betrieb [1955], S. 3. 146 | Potthoff, Theorie [1953], S. 30. 147 | Jantke, Industriebetriebsforschung [1950/51], S. 21.

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verkörpern und zu lösen.«148 Die entscheidenden Probleme des betrieblichen Lebens resultieren aus Kräften, Spannungen, Strukturwandlungen und sozialen Zielsetzungen »der außerbetrieblichen Gesamtgesellschaft, die in den Betrieb hineinwirken und dort ihre grundsätzlichen Lösungen erwarten.«149 Schelsky gehörte dem konservativ-realsoziologischen Zweig der bundesrepublikanischen Soziologie an. Seine Überlegungen sind nicht ohne weiteres verallgemeinerbar. Diese seiner Feststellungen kann aber als Klassiker in der Beschäftigung mit dem Industriebetrieb gelten, denn auch aus dem Umfeld des Frankfurter Instituts für Sozialforschung hieß es noch 1963, dass innerbetriebliche Spannungen »nicht nur aus den Problemen der industriellen Arbeit in der Fabrik selbst [entstehen]. Gegen die Antagonismen der Gesellschaft, zu deren Reproduktion er beiträgt und von der er abhängt, kann der Betrieb sich nicht abdichten.«150 Die wiederkehrenden Feststellungen eines zumindest komplexen Verhältnisses von Betrieb und Gesellschaft mögen banal klingen, schufen jedoch die Voraussetzungen dafür, dass der Betrieb real mehr wurde als bloßer Produktionsort. Ohne den skizzierten Schritt wäre die Intensität der Auseinandersetzungen um die Gestaltung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse kaum erklärbar. Der Betrieb wurde deshalb ein prominentes Spielfeld von Ordnungsdenken und Social Engineering, weil seine »soziale Neuordnung […] kein isolierter Vorgang, keine Ordnungsaufgabe für sich, sondern ein Teil der gesamtgesellschaftlichen Ordnung« ist.151 Aufgabe der Wissenschaft im Allgemeinen und der Industriesoziologie im Besonderen sei die »theoretische Grundlegung einer neuen sozialen Ordnung im deutschen Betriebsleben«.152 »Alle Teilordnungen der Gesellschaft […] stehen in Wechselwirkung zueinander. Sie bilden eine Interdependenz der Ordnungen, die ein wesentlicher Tatbestand des gesellschaftlichen Lebens ist. Auf der anderen Seite sind die Teilordnungen nicht nur eine Funktion der Gesellschaftsordnungen, sondern zugleich ihre Faktoren. Jeder Ordnungsbereich hat innerhalb der Gesellschaftsordnung eine passive und eine aktive Aufgabe. […] Der moderne Industriebetrieb ist so sehr ein Faktor des gesellschaftlichen Ordnungszusammenhanges geworden, daß seine Probleme dem soziologischen Denken den eigentlichen Anstoß gegeben haben und deshalb seit vielen Jahrzehnten zu den Hauptaufgaben der Soziologie gehören. Im industriellen Betrieb erlebt der Mensch Ordnung und Unordnung der Gesamtgesellschaft und ihre Folgen.« 153

148 | Schelsky, Aufgaben [1954], S. 27. 149 | Ebd., S. 27f. 150 | Friedeburg, Soziologie [1963], S. 54. 151 | Neuloh, Betriebsstil [1960], S. 5. 152 | Neuloh, Bedeutung [1953], S. 110. 153 | Neuloh, Betriebsstil [1960], S. 5.

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»Das Industrieunternehmen«, so auch der einflussreiche amerikanische Managementguru Peter F. Drucker 1949, »ist also das vollkommene Muster unserer Gesellschaftsordnung. Seine innere Ordnung und seine inneren Probleme werden als die charakteristische Ordnung und die Probleme der industrialisierten Gesellschaft angesehen […]. [I]m Industrieunternehmen werden die geltenden Ordnungsgesetze unserer Gesellschaftsordnung vollkommen deutlich. Und darum können auch nur dort die Probleme unserer industriellen Gesellschaft einer echten Lösung zugeführt werden. Was im Großunternehmen bezüglich der Lösungen dieser Probleme geschieht, wird daher entscheidend sein für die gesamte Gesellschaft und ihre Ordnung.«154

Ordnung und ihre Komposita überwuchern hier einen Text in besonders illustrativer Weise. Ordnung ist die Botschaft, und es fällt schwer, in Passagen wie dieser und der folgenden überhaupt etwas außer Ordnung zu lesen. Im Betrieb schienen sich dem einzelnen Menschen die grundlegenden Ordnungsprinzipien der Gesellschaft in einem überschaubaren Bereich zu zeigen. Die im Betrieb wirkenden Ordnungsprinzipien sollten dazu beitragen, das Ordnungsbewusstsein der Menschen zu formen. »Im Betriebe steht der Mensch in gewissen, für diesen Teil seines Lebens charakteristischen Ordnungszusammenhängen, die durch ihre Intensität und ihre Kontinuität sein Ordnungsbewußtsein entscheidend beeinflussen. Seine Vorstellungen davon, was Ordnung überhaupt ist, wodurch sie verursacht wird und in welchen Formen sie in Erscheinung tritt, und sein willensmäßiges Verhältnis zu der Tatsache, daß es in der Wirklichkeit eine Geordnetheit des Lebens gibt, in die er sich durch sein Handeln einfügen muß, werden sehr erheblich durch sein Ordnungserlebnis im Betriebe geprägt. […] Der Einfluß dieser Erziehung ist gegenwärtig besonders groß, weil der moderne Mensch in den übrigen Bereichen seinen Lebens, z.B. in dem familiären, dem politischen und dem religiösen, häufig in einem Zustande lebt, der nicht die gleiche Festigkeit und Klarheit der Ordnung aufweist wie sein betriebliches Leben und von dem daher nicht die gleiche erzieherische Kraft ausgeht. In der weithin heute vorhandenen Unordnung des Lebens ist der betriebliche Sektor oft derjenige, der relativ die größte Geordnetheit besitzt.«155

Betrieb, Gesellschaft und Ordnung gingen immer wieder Verbindungen ein. Dabei wucherten die Ordnungssemantiken, und es stellten sich Analogien und Homologien her. Natürlich müsse in einem Betrieb Ordnung herrschen. »Der Ablauf der Vorgänge muß bis ins kleinste vorgeschrieben und geplant sein; sonst wäre nichts als Chaos das Resultat, und alle noch 154 | Drucker, Gesellschaft [1949], S. 54f. 155 | Abraham, Betrieb [1957], S. 126f.

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so gute Leistung würde sich in der Überwindung der inneren Reibung erschöpfen. […] Es liegt in der Natur, nicht einmal in der Natur des hier behandelten Themas, sondern in der Natur überhaupt, daß im allgemeinen nicht a priori die Tendenz besteht, sich nach oben zu entwickeln – im Gegenteil: das Unkraut überwuchert die Nutzpflanzen, die Unordnung überwältigt die Ordnung, beinahe möchte ich sagen, das Böse das Gute, wenn nicht die ordnende Hand immer wieder eingriffe und zum Guten lenkte, was gar nicht von allein dahin strebt.«156 Ordnung folgte dabei einer Ausweitungslogik. »Ordnung im Leben, in der Gesellschaft, Ordnung in der Werkarbeit und in der Arbeit des einzelnen verleiht erst die rechte Sicherheit im Handeln und Fühlen, die jedem zum Herrscher seines Lebens und seiner Arbeit setzt. Und nur beherrschte Arbeit kann Freude bringen. Ordnung ist der Weg zu ihr!«157 Guido Fischer bringt mit dieser Reihung verschiedener sozialer und Lebensbereiche, mit ihrer Analogisierung und Kopplung unter dem Gesichtspunkt einer abstrakten, allgemeinen und allgemeingültigen Ordnung Grundlage und Ziel der Bemühungen von Ordnungsdenken und Social Engineering auf den Punkt. Der Verweis auf die (un/geordneten) Verhältnisse in Betrieb und Industrie begründete Gestaltungsimpulse und Handlungsimperative. Die Gestaltung des Arbeitslebens könne Beispiele liefern für die Gestaltung anderer gesellschaftlicher Institutionen.158 Der Betrieb müsse »als eine Institution, als ein Organismus oder ein Organ der menschlichen Gesellschaftsordnung« anerkannt werden.159 Betrieb und Gesellschaft erscheinen bei Guido Fischer noch einmal in voller Blüte als ineinander gefügte soziale Institutionen – bei Fischer nahm das in einer Reihe von Visualisierungsversuchen mitunter die Form einer sozialen Mengenlehre an. Die Abbildungen suggerieren klare Grenzen zwischen den »Organen der menschlichen Gesellschaft«, die sich zu einem Ganzen fügen (vgl. Abb. 11, 12). Überlegungen, wie sie Guido Fischer noch 1975 anstellte, sind allerdings mehr Finale eines vergangenen denn Ouvertüre eines zukünftigen Modus der Problematisierung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse. Ein derartiger Umgang mit Betrieb und Gesellschaft setzte einen bestimmten Blick auf das Soziale voraus, eine Fokussierung sozialer Institutionen, sozialer Probleme und sozialer Ordnung. René König sprach seinerseits bereits 1956 davon, dass es eine »ungewöhnlich naive Idee« sei zu glauben, »man könne die Gesellschaft im ganzen vom Betrieb her reformieren«.160 Für Ordnungsdenken und Social Engineering ist gerade das freilich ein unumstößlicher Glaubenssatz. Vor diesem Hin-

156 | Nordhoff, Mensch [1956], S. 208. 157 | Fischer, Mensch [1929], S. 54. 158 | Vgl. Fischer, Betrieb [1975], S. 7f., 43. 159 | Ebd., S. 12. 160 | König, Bemerkungen [1956], S. 242.

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Abbildung 11: Eine Mengenlehre institutionaler Sozial-Gefüge I.

tergrund muss man dann auch das Resümee eines selbsternannten soziologischen Skeptikers lesen: „Diese Hoffnung, von der konstituierenden Zelle der industriellen Arbeitswelt, dem Betrieb her, reformierend auf die Gesamtgesellschaft einwirken, von der ›Betriebsgemeinschaft‹ her die ›Volksordnung‹ erneuern zu können, muß man als die vornehmlichste Absicht dieser ersten Phase der Betriebssoziologie ansehen. Bei dieser Wendung auf die innerbetriebliche soziale Gestaltung wurde der Betrieb als eigenartiges und selbständiges soziales Gebilde recht eigentlich erst entdeckt. […] Die Erkenntnis dieser sozialen Verfassung des Betriebes wurde zur notwendigen Voraussetzung einer Sozialpolitik, die die sozialen Verhältnisse innerhalb des Betriebes von seiner eigenen Gesetzlichkeit her gerecht und optimal gestalten wollte. […] Es kann heute schon gesagt werden, daß die Hoffnung dieser Betriebssozio-

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Abbildung 12: Eine Mengenlehre institutionaler Sozial-Gefüge II.

logen und Betriebspolitiker, die Gesellschaft von der Zelle des Betriebes her, sozusagen die industrielle Arbeitswelt von unten her zu reformieren, getrogen haben.« 161

Einige Stränge dieses Denkens schrieben sich zwar fort – zum Beispiel im Rahmen kybernetischen und systemtheoretischen Denkens –, deren Neueinpassung führte sie jedoch immer weiter weg vom klassischen Ordnungsdenken und Social Engineering. Zwar betonten auch systemtheoretische Organisationstheorien zunächst noch den Charakter von Organisationen als lebende Organismen und rückten die Austauschverhältnisse zwischen Unternehmen und Umwelt in den Blick, kritisierten damit also Annahmen, wonach organisatorische Probleme eines Unternehmens ausschließlich mittels Bezug auf dessen innere Gegebenheiten gelöst werden können,162 das wies aber schon über den klassischen sozialökologischen 161 | Schelsky, Aufgaben [1954], S. 8f. 162 | Vgl. Rice, Enterprise [1963], S. 183.

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Industrialismus und dessen Art der Situierung des Betriebs in seiner Umwelt hinaus. Bei Stafford Beer, einem der wichtigsten Vertreter der frühen britischen Kybernetik, wurden zwar nach wie vor Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen und Umwelt diskutiert, Beer betonte dabei allerdings – klassisch kybernetisch – den kontingenten und nicht determinierbaren Charakter des Informationsaustauschs zwischen Unternehmen und Umwelt.163 Genau das lief in der Konsequenz simplizistischen Ordnungsbestrebungen entgegen.

2. D ER I NDUSTRIEBE TRIEB ALS U MWELT »Well you started here to earn your pay/Clean neck and ears on your first day/Well we tap one another as you walk in the gate/And we’d build a canteen but we haven’t got much space. Yeah, Yeah, Industrial Estate/And the crap in the air will fuck up your face/ Yeah, Yeah, Industrial Estate/Boss can bloody take most of your wage/ And if you get a bit of depression/Ask the doctor for some valium.« THE FALL /I NDUSTRIAL E STATE , 1979

Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering ist ohne die Idee betriebs-sozialer als räumlicher Ordnung nicht denkbar. Ordnung war Ordnung im Raum: Verortung, Platzierung, Verkettung. Fabrikarchitektur, Produktionsorganisation und Sozialordnung wurden in immer stärkerem Maße aufeinander bezogen, und auf diese Weise konnte sich ein spezifisches Ordnungsmodell materialisieren. Es entstanden Sozial-Räume, die sich als Umwelt oder Milieu begreifen und als solche auf Sozialverhalten und Persönlichkeit der Menschen im Betrieb beziehen ließen. Der sozialökologische Industrialismus gab industriebetrieblichem Ordnungsdenken und Social Engineering seine dauerhaften Konturen. Als Aufgabe und Herausforderung zeichnete sich die Gestaltung von Umweltbedingungen ab. Diese Umweltbedingungen bestanden aus Mauern ebenso wie aus Luft und Licht. Sie charakterisierten den Betrieb als eine überschaubare und bewältigbare ›Heimat‹ im Sinn einer Ordnung mittlerer Reichweite. Der Umweltbegriff zieht hier alle relevanten, das Verhalten beeinflussenden Faktoren zu einer Einheit zusammen, die den Einzelnen umschließt und seinen Gesichtskreis bestimmt. 163 | Beer, Factory [1962], S. 199. Zu Beer vgl. Pickering, Cybernetics [2002]. Zur Kybernetik im Verhältnis zu Ordnungsdenken und Social Engineering vgl. Kap. V.2.

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Fabrikarchitektur und das Layout der Produktion Im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts bildeten sich klar identifizierbare architektonische Formen der Fabrik heraus. Es entwickelten sich Vorstellungen davon, wie eine Fabrik auszusehen habe und welche Designstandards anzulegen seien.164 Die signifikante physische Präsenz der Fabriken signalisierte Beobachtern und Beschäftigten, dass sich die industrielle Produktion verändert hatte.165 Rechtwinklige Anlage, parallel angeordnete Produktionshallen, »saw tooth«-Dach waren weithin sichtbare Merkmale. Rationaler Gliederung und Ordnung wurde bei Bedarf auch schon einmal zeichnerisch nachgeholfen. Auf den gezeichneten Ansichten des Opelwerks wurden die Gebäudeachsen streng parallel dargestellt, obwohl das Werk diese Parallelität damals faktisch nicht besaß (vgl. Abb. 13). Diese Korrektur, so Peter Schirmbeck, deutet darauf hin, dass eine Schräglage »den tief verwurzelten, allgemeinen Vorstellungen [widersprach], nach denen in einer modernen, großen Fabrik alles streng rational gegliedert und geordnet sein müsse.«166 Die Fabrikanlagen, von denen hier die Rede ist, betonten nicht zuletzt Einheit und Geschlossenheit und markierten Grenzen – so zum Beispiel die Südfassade des Opelwerks (vgl. Abb. 14). Mitunter nahmen die Fassaden neoklassizistische Elemente auf und kombinierten diese mit Merkmalen des modernen Fabrikbaus.167 Fabrikarchitektur und Fabrikgebäude erlangten in zweierlei Hinsicht Bedeutung. Einerseits wurde ihre Werbewirksamkeit thematisiert. In Werbekampagnen und Öffentlichkeitsarbeit, die sich in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zunächst in den USA systematisch zu entwickeln begannen, dominierte eine Zeit lang die stolze Präsentation des Fabrikgebäudes, das Unternehmern als Verkörperung und Personifizierung des Unternehmens galt. Das führte unter anderem dazu, dass immer wieder Modelle, Miniaturen und Nachbauten der Fabrikgebäude ausgestellt wurden.168 In Deutschland stimmten Architekten unterschiedlicher Richtung ebenfalls im Glauben an die »werbende Kraft« angemessener Fabrikgebäude überein.169 Die den Fabrikbau leitenden Prinzipien galten als vorbildhaft. Sie umfassten Klarheit, Sauberkeit, Übersichtlichkeit und dergleichen. Gegen die Umsetzung dieser Prinzipien konnte man doch nirgends etwas einzuwenden haben – weder im Fabrik- noch im Wohnungsbau. Eine gelungene Gestaltung der Arbeits164 | Zur Geschichte der Fabrikarchitektur vgl. Ackermann, Industriebau [1985]; Banham, Atlantis [1990]. 165 | Vgl. Nelson, Managers [1995], S. 11-34. 166 | Schirmbeck, Fabrikstadt [2001], S. 17. 167 | Vgl. ebd., S. 55f. 168 | Vgl. Marchand, Creating [1998], S. 28-32, 255-262. Später wurden Modelle von Produktionsingenieuren als Mittel der Sichtbarmachung der Produktionsabläufe entdeckt (vgl. Kap. IV.2.). 169 | Vgl. Mende, Kunst [1996], S. 223f.

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Abbildung 13: Die Opelwerke – parallel zur Straße gezeichnet (Fabrikansicht um 1898).

Abbildung 14: Opels Südfassade, erbaut zwischen 1916 und 1929.

stätten galt einem Industriearchitekten wie Rudolf Lodders als Vorbild auch für den Wohnungsbau. »[E]s wäre schön, wenn wir aus der Klarheit der industriellen Gestaltungsprinzipien das grundsätzlich Richtige hinüberzutragen verstünden in diesen Wohnbereich. Daß wir aus den betrieblichen Vorgängen unseres Wohnens auch zu baulichen Organismen von gleicher Sauberkeit der Gestaltung kämen, wie man es vom Industriebau heute behaupten kann. In ihm haben wir zweifellos so etwas wie den Stil dieses Jahrhunderts entwickelt, das eben als Zeitalter der Technik trotz der Diskrepanz zu unseren anderen Lebensäußerungen

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darin seinen eigentlichen zwangsläufigen Ausdruck gefunden hat.«170 Andererseits wurden Fragen der Gebäudegestaltung zunächst erneut in den USA und dort speziell bei Ford verstärkt auf die Produktion bezogen. Produktionsingenieure begannen, die Gebäude als wichtigen Bestandteil der Produktionsabläufe zu betrachten. Fabrikgebäude wurden von einer passiven räumlichen Hülle, in der die Produktion sich vollzog, zu einem produktiven Faktor. Diese Entwicklung ist verwoben mit dem Aufstieg des »industrial engineer«, der nicht mehr nur Produkte und Maschinen, sondern Fabriken und Produktionssysteme gestaltete. Produktionsingenieure diskutierten Fabrikgebäude als »master machine«.171 Was hier entwickelt wurde, fand wiederum Eingang in die moderne Architektur. In der architektonischen Adaption von wissenschaftlicher Betriebsführung und Taylorismus wurde das Mechanische zur Metapher für Schönheit, Funktionalität und Ordnung.172 Im Konkreten versuchten Architekten und Produktionsingenieure, durch Fabrikdesign das Ideal einer rationalen Fabrik zu verwirklichen. Fords Werk Highland Park  –  Ergebnis einer Zusammenarbeit von Produktionsingenieuren mit dem Architekten Albert Kahn173 – markierte seit 1910 den Beginn neuer räumlicher Sozialbeziehungen in der Fabrik.174 Die Entwicklungen, die Ford damit in Gang gesetzt hatte, die Idee der Fabrik als architektonisch realisierter Maschine, kamen mit dem legendären Werk River Rouge, errichtet, erweitert und stetig angepasst zwischen 1919 und 1935, zu einem viel beachteten Abschluss. River Rouge stand für ein neues Prinzip, für eine Umkehrung bisheriger Vorgehensweisen: Man entwickelte zuerst einen vollständigen Produktionsplan, man konzipierte also die Produktion als Ganzes, und die Gebäude waren Bestandteil dieses Produktionsganzen.175 In Deutschland und Großbritannien verliefen die Diskussionen um die Industriearchitektur in ähnlichen Bahnen. Mit Blick auf die Produktionsabläufe, vor allem die Gewährleistung eines steten Produktionsflusses, wurde 1928 in einem britischen Handbuch zur Betriebsorganisation festgestellt: »It is obvious that the arrangement of a plant and of its machinery is determined by the nature of the process to be carried on. In fact, the ideal plant would be that which is built round the process. Too often do we find an arrangement of the plant layout to fit the building, rather than the adaptation of the building to fit the process and machinery.«176 Wesentlich sind der Primat des Produktionsprozesses gegenüber der archi170 | Lodders, Industriebau [1946], S. 53. 171 | Grundlegend: Biggs, Factory [1996]. 172 | Vgl. Guillén, Beauty [2006]. 173 | Zu Kahn vgl. Banham, Atlantis [1990], S. 56-60; Hildebrand, Designing [1974]. 174 | Vgl. Biggs, Factory [1996], S. 95-136. 175 | Ebd., S. 137-160. 176 | Wardropper, Organization [1928], S. 92f.

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tektonischen Gestaltung und der Umstand, dass es sich bei der Produktion um einen Prozess handelt. Entscheidend ist dabei, dass sich die Dynamik der Produktion im Gebäude wiederfinden muss, dass Bewegungen nicht durch den statischen Charakter des Baus eingeschränkt oder behindert werden. Man hat es hier also mit dem Versuch einer Dynamisierung und Flexibilisierung von Gebäuden zu tun.177 Auch die nationalsozialistischen Organiker hoben lobend hervor, dass ein Werk von den Produktionserfordernissen her gedacht und »auf dem Reißbrett« unter vorab formulierten Prämissen geplant worden sei. Als Opel 1936 ein neues Werk in Brandenburg eröffnete, bot das der Zeitschrift Opel-Kamerad die Möglichkeit, die neuen architektonischen Prinzipien explizit hervorzuheben, nicht zuletzt durch einen Vergleich mit dem alten Stammwerk in Rüsselsheim. »Rüsselsheim war einmal klein, wurde erweitert, Hallen wurden gebaut, verlängert – kurz, zwangsläufig und organisch vergrößerte sich das Rüsselsheimer Werk. Werk Brandenburg dagegen stand so, wie es heute aussieht, schon auf dem Reißbrett des Architekten, der es erbaute. Es ist ein Werk aus einem Guß, bei dessen Planung von vornherein spätere Ausdehnungsnotwendigkeiten berücksichtigt wurden und dessen gesamte Anlage dank höchster Zweckmäßigkeit jeden unnötigen Aufwand von Raum, Zeit und Material überflüssig macht.«178 Es sind diese Charakteristika, die das Werk zu einer »organischen« Einheit machen – organisch freilich in einem ›modernen‹ Sinn, der nicht mehr auf willkürliches natürliches Wachstum, sondern einer planerisch ermöglichten, sanft regulierten Ausdehnung beruht. Die Produktion im Inneren sowie der äußere Anblick des Werks sollen sich wechselseitig spiegeln. Geradlinige, durchgezogene Fensterfronten des Gebäudes und die in Produktionslinie kolonnenförmig gereihten Wagen im Innern folgen denselben ästhetischen Prinzipien. Fabrikarchitektur und Produktionslayout greifen in genau dieser Weise immer wieder ineinander: indem sie bestimmte Prinzipien wiederholen und mit unterschiedlichen Mitteln, aber dennoch gleichermaßen zum Ausdruck bringen (vgl. Abb. 15, 16).179 Die spezifische Beziehung zwischen Produktion und Architektur durchzog auch die Planungen und Umsetzung des Volkswagenwerks, das früh als »deutsches River Rouge« konzipiert und inszeniert wurde (vgl. Abb. 17).180 Das Volkswagenwerk sollte hinsichtlich Produktionskapazitäten und Erscheinung mit Fords beeindruckendem Komplex konkurrieren, wies dann aber auch erkennbar Züge auf, die an eine Festung erinnern. Das betrifft vor allem – wie auch im Fall des Brandenburger Opelwerks (vgl. Abb. 15) – die hervor ragenden Treppenhäuser, die in der Außenan-

177 | Vgl. Kap. V.4. 178 | Anonym, Brandenburger [1936], S. 216. 179 | Vgl. allgemein Mende, Kunst [1996]. 180 | Vgl. Grieger, Mittellandkanal [1995]; Mommsen/Grieger, Volkswagenwerk [1996], S. 250-268.

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Abbildung 15: Das Brandenburger Opelwerk – ein Blick von außen.

Abbildung 16: Das Brandenburger Opelwerk – ein Blick nach innen.

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sicht fast den Anschein erwecken, als dienten sie der Verteidigung von Arbeit und Produktion im Inneren der Bastion. Abbildung 17: Das »deutsche River Rouge«.

Die Kopplung von Fabrikarchitektur, Produktionsorganisation und betrieblicher Sozialordnung erschöpfte sich nicht in der Anpassung der Fabrikgebäude an die Produktion. Vielmehr wurde auch und gerade das Layout der Produktion zu einer zentralen Herausforderung. Der mit der Auflösung des Werkstattprinzips und der Einführung des Fließbands verbundene Umstellungsprozess der Maschinen kann als Leitmotiv einer Suche nach neuen räumlichen Ordnungsprinzipien gelten. Man darf es also wörtlich nehmen, das heißt die räumlich-plastischen Konnotationen zur Geltung bringen, wenn Betriebs- und Produktionsingenieure vom Layout der Produktion sprechen, denn es handelt sich hier in der Tat um ein Auslegen betriebs-sozialer Ordnung im Raum.181 »Dem Betrieb«, so heißt es im Jahr- und Handbuch des Deutschen Metallarbeiter-Verbands 1928, »ist eine mehr oder weniger organische Einheit von Raum und Ausnützung gegeben. Die Einrichtung geeigneter Gebäude, die günstigere Anordnung derselben, die Aufstellung rationell aufeinander abgestimmter leistungsfähiger Maschinen, günstige Rohstoff- und Verkehrsbasis usw., gestalten die Betriebsführung erfolgversprechender gegenüber einem in diesen Dingen zurückgebliebenen Betrieb. Systematische Untersuchungen über rationelle Betriebsführung decken die Schwächen der räumlichen Anordnung und der technischen Ausrüstung auf und geben damit den entscheidenden Anstoß zur planvollen Organisation und zur Ueberwindung der ›toten‹ Produktionsfaktoren.«182

181 | Dass es immer auch darum ging, Ordnung sichtbar zu machen, wird in Kap. VI. diskutiert.

182 | Deutscher Metallarbeiter-Verband, Handbuch [1929], S. 85f.

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Veränderte Formen der Produktionsorganisation zogen zumeist Veränderungen des Produktionsraums nach sich. Morris bezog 1914 ein Gebäude, dessen Layout der Idee der »line production« folgte, und 1923 etablierte Produktionsingenieur Frank Woollard ein Werk, das explizit und konsequent für die von ihm forcierte »continuous production« ausgelegt war.183 Charles Engelbach, zwischen 1921 und 1938 Works Director bei Austin, betonte in einem Bericht über die 1928 unter seiner Leitung durchgeführte Reorganisation der Produktion, dass er der Idee der Gruppierung verschiedener Werkstätten zu mehr oder weniger eigenständigen Fabriken gefolgt sei, dass das produktionsorganisatorische Prinzip der Gruppierung weitgehend zur Geltung gebracht wurde.184 Produktionsabläufe, Produktionsorganisation und die Gestaltung der Produktionsräume wurden aufeinander bezogen. Als Herbert Austin seinem Vorstand 1922 über eine Amerikareise berichtete, kam er unter anderem auf die räumliche Gestaltung amerikanischer Betriebe zu sprechen. Die Dodgewerke beeindruckten mit ihrer Sauberkeit, Ordnung und Qualität der Ausstattung, und das interpretierte Austin als Grund dafür, dass die Arbeit »really sound and well controlled« ablaufe. Die Beschaffenheit der Gebäude, so fügte er hinzu, könne insgesamt aber nicht mit derjenigen der Austinwerke in Longbridge konkurrieren.185 Deutlich zeigen sich hier die Bewertungsmaßstäbe für moderne, industrielle Produktion, denn Austin bringt zum Ausdruck, was er für wichtig hält: Kontrollierbarkeit der Arbeit und Beschaffenheit der Produktionsgebäude. Die räumliche Umstellung der Maschinen innerhalb der Produktion berührte die Frage betrieblicher Ordnung insgesamt, schließlich war die Situation, in der unter anderem Richard Lang mit der Gruppenfabrikation experimentierte, durch den Umstand gekennzeichnet, dass man seitens der Unternehmensleitung schlichtweg nicht immer so genau wusste, wo sich diese oder jene Maschine überhaupt befand. Umstellungen, so eine Bekanntmachung im Jahr 1920, müssten stets gemeldet, nicht inventarisierte Maschinen inventarisiert werden.186 Wer stellte die Maschinen eigentlich um, und was hieß das für die betriebliche Ordnung, wenn die Fabrikationsabteilung um die entsprechenden Informationen ersuchen musste? Klar war, dass ein Wissen um die Standorte nicht nur (aber natürlich auch) deshalb relevant war, weil es allgemein postulierten Transparenz-, Überblicks- und Überwachungsnotwendigkeiten entsprach, sondern weil vom ›richtigen‹ Standort der Maschinen abhing, wie sich Produktion und soziale Beziehungen gestalteten. Das Fließband, so Friedrich Alt 1926, veränderte »die Stellung und die Bedeutung der Ma183 | Vgl. Overy, Morris [1976], S. 19, 84-88. 184 | Vgl. Engelbach, Notes [1928], S. 496-505. 185 | Austin, Herbert: Visit of the General and E.L. Payton to the U.S.A, September 1922, MRC, Bestand MSS. 226/AU 1.1.1.ii. 186 | Umstellung von Maschinen, Bekanntmachung vom 10.11.1920, Daimler Werksarchiv, Bestand DMG 36.

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schine innerhalb der Fertigung und damit das Verhältnis von Maschine und Mensch.«187 Das bedeutete das Ende der traditionellen Werkstattproduktion: »Die trennenden Mauern, die bis jetzt die verschiedenen Werkstätten, in denen beispielsweise geformt, gegossen, vorgewärmt oder gewalzt wurde, trennten, werden niedergerissen und fallen.« Aus einer »Umstellung, die im wahrsten Sinne des Wortes eine Umstellung der Maschine ist«, in deren Folge sich »nur der Stand der Maschine verändert zu haben« schien, sei ein völlig neues Verhältnis von »von Maschine und Mensch« geworden.188 Ordnungsvorstellungen, die aus organisatorischen und technischen Überlegungen abgeleitet wurden, wurden schrittweise zu einer umfassenden sozial-räumlichen Ordnung erweitert. Diese Erweiterung vollzog sich auf mehreren Ebenen: Erstens geriet der Betrieb als räumliches Gebilde in den Blick, und das hieß, dass sich materielle, organisatorische, technische und soziale Dimensionen gleichermaßen zu einer betrieblichen Umwelt verbanden. Zweitens realisierte sich der Betrieb als sozialer wie auch als Produktionsraum mittels (an)ordnender Zugriffe auf Menschen und Maschinen.189 Drittens wurde die Gestaltung des Raums im Betrieb zum Instrument der Veränderung sozialer Beziehungen.

Umweltbedingungen Die Gestaltung der betrieblichen Umweltbedingungen ist ein wichtiges Spielfeld industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings. Hier zeigt sich in besonders deutlicher Weise der Übergang von organisatorisch-technischen zu sozialen Problemen innerhalb der Raumthematik. Dieser Übergang zeichnet sich prominent in den Experimenten ab, die zwischen 1924 und 1932 in den Hawthornewerken von Western Electric stattfanden und eng mit dem Wirken George Elton Mayos, aber auch William J. Dicksons, Fritz J. Roethlisbergers und Thomas N. Whiteheads verbunden sind.190 Die Hawthornestudien markieren einen wichtigen Referenzpunkt in der Geschichte von Betriebspolitik und Managementpraxis. Sie gelten zudem als Auftakt betriebssoziologischer Forschung in praktischer Hinsicht. Die Berichte und Überlegungen von Mayo sowie seinen Mitarbeitern und Nachfolgern bildeten einen stabilisierenden Anker für die Herausbildung eines spezifischen Wissens über den Industriebetrieb. Die Experimentatoren traten mit der klassischen Frage nach den Auswirkungen der materiellen Arbeitsumgebung auf die Arbeitsleistung an. Konkret untersuchte man zunächst die Auswirkungen veränderter Beleuchtung am Arbeitsplatz. Man beobachtete, dass 187 | Alt, Maschine [1926], S. 65. 188 | Ebd. 189 | Vgl. Kap. IV.1. 190 | Vgl. Gillespie, Knowledge [1991]; Schmidt, Entwicklung [1974], S. 37-43, 106-118; Walter-Busch, Auge [1989].

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zwischen Arbeitsleistung und Umweltbedingungen keine feststellbare Korrelation existierte. Vielmehr entdeckte man zwischenmenschliche Beziehungen, man entdeckte Gruppenstrukturen, und man entdeckte, dass diese von viel größerer Bedeutung für die Entfaltung der Arbeitsleistung waren. Die Hawthornestudien relativierten den Einfluss der physischen Umwelt auf Arbeitsleistung und Produktivität zugunsten sozialer Beziehungen und psychischer Dispositionen. Diese Umorientierung lässt sich als Rekonfiguration dessen interpretieren, was als betriebliche Umwelt galt. Der Umweltbegriff wurde in seiner Anwendung auf den Betrieb, in der Problematisierung des Betriebs als Umwelt um soziale und psychologische Dimensionen erweitert. J.K. Chadwick-Jones, Direktor der Occupational Psychology Research Unit am University College in Cardiff, legte 1969 eine sozialpsychologische Studie vor, in der er mittels Feldforschungen und Interviews aus den Jahren 1956/57 und 1962/63 einen Vergleich der Einstellungen und des Verhaltens derjenigen Arbeiter unternahm, die einen einschneidenden Wandel der Produktionsorganisation von qualifizierter Handarbeit zu automatisierter Fertigung erlebt hatten. Mit Blick auf den Ausgangszustand in den untersuchten Betrieben wies er darauf hin, dass dort Umweltbedingungen herrschten, die durch hohe Temperaturen und Strahlungshitze, vor allem aber durch besondere soziale Faktoren gekennzeichnet seien. »[T]here was more to it than the physical activity alone […]. [A]bove all, the work environment was socially complex, in its alternations and exchanges of jobs between individuals and in the procedures formulated among the workers for their coordination.«191 Der Zeitpunkt der Feldforschungen sowie der Veröffentlichung seiner Arbeit rücken die Überlegungen Chadwick-Jones‘ an das Ende des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Studie. In der zitierten Passage kommt jedoch etwas zum Ausdruck, das eine lange Tradition hatte und erst seit den sechziger Jahren zögerlich begann sich aufzulösen: die Charakterisierung betrieblicher Abläufe als physischen und sozialen Umwelt. Im Bemühen um eine Beschreibung betrieblicher Umwelten wird die Gleichzeitigkeit physischer und sozialer Gegebenheiten hervorgehoben. Das war ein typisches Vorgehen. Die räumliche Dimension ist hier in der Tat ernst zu nehmen. Es ging nicht darum, einmal die Produktionsräume und ein andermal die sozialen Beziehungen im Betrieb zu untersuchen. Der Clou bestand vielmehr in der Verschränkung beider zu einer einzigen betrieblichen Umwelt. Unterhalb der Fabrikarchitektur und Maschinenanordnung im engeren Sinn etablierte sich eine vielschichtige, zum Teil metaphorische Perspektive auf den Betrieb als Umwelt. Die Rede von der betrieblichen Umwelt, von Werkräumen, vom Milieu des Betriebs scheint bereits in den späten zwanziger Jahren zur Mode geworden zu sein. Es blieb Theodor Geiger vorbehalten, auf diesen Sachverhalt hinzuweisen. Er komme im Rahmen soziologischer Über191 | Chadwick-Jones, Automation [1969], S. 11.

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legungen zur Industriearbeit nicht umhin, »einige Anmerkungen über den Betrieb als Lebensraum und Werkmilieu des Arbeiters« zu machen. »Der Betrieb als Raumbereich, innerhalb dessen sich ein grosser Teil des Arbeiterlebens abspielt, ist ein in der Sozialpolitik vielberedetes Thema. Man wird nicht müde, nach Mitteln zu suchen, wie die Bindung des Arbeiters an den Betrieb verstärkt werden könnte, und man glaubt vielfach auf diese Weise das fördern zu können, was man ›Arbeitsgesinnung‹ nennt, seit man den Traum der Klassenversöhnung aufgegeben hat.«192 Geigers Bemerkungen weisen auf den Versuch hin, die Frage, wie sich soziale Beziehungen im Betrieb gestalten, wie man gestaltend auf sie einwirken, wie man sie ordnen könne, über die Idee des Betriebs als sozialräumlicher Umwelt zu beantworten. Die Fabrik galt vielen Zeitgenossen Geigers als »eine höchst eindrucksvolle Form des menschlichen Lebensraums«, »eine der intensivsten Verdichtungsformen menschlichen Lebensraumes  –  und zwar menschlichen Werkraumes«; die Werkstatt als »feste Raumeinschließung menschlichen Daseins überhaupt« und damit zugleich als »eine unerhörte Raumveredelung«.193 Es konkretisierten sich räumliche Vorstellungen des Betriebs, der nicht mehr nur produzierendes Treiben war, sondern durch den verräumlichenden Beschreibungsmodus überhöht und mit neuen Bedeutungen aufgeladen wurde. Der Betrieb galt als eine Ordnung, in der räumliche, technische und soziale Dimensionen zusammenfielen und sich zu einem Ganzen verbanden. »Damit ist gesagt, daß der Betrieb zunächst eine räumliche Gegebenheit ist; die Kooperation mehrerer Menschen an einem Zweckmittelsystem setzt den Raum voraus. […] Aber der Betriebsraum unterliegt auch sozialen, kulturellen und hygienischen Bedingungen, die historisch wandelbar sind.«194 Diese Gleichzeitigkeit und Verkettung verschiedener Elemente macht den Betrieb zu einer sozial-räumlichen Ordnung mit erheblichen Auswirkungen auf all diejenigen, die sich in ihm bewegten: »Die Verknüpfung der Einzelnen im Betrieb ist besonders eng und besonders wirksam, weil die Einzelnen nicht nur räumlich zusammengeschlossen sind, sondern weil jeder auch bei der Durchführung seiner Arbeit vom anderen abhängig ist. Jeder, der in den Betrieb als Mitarbeiter eintritt, kommt also in eine Umwelt ganz besonderer Art; in Verhältnisse, die nur durch das geordnete Zusammenstehen Aller verwirklicht gedacht werden können.«195 Der Betrieb galt als ein Lebensraum, »worin der schaffende Mensch Zeit seines Lebens wirkt. Weil er ein Lebensraum ist, ist er zugleich auch der geistespolitische Raum für die Menschen, die er umschließt.«196 Freilich, der betriebliche Sozial-Raum war kein Paradies. Einerseits galt es, den »Massencharakter der Fabrik«, die Fabrik als Bestandteil ei192 | Geiger, Soziologie [1929], S. 775. 193 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 8f., 11. 194 | Briefs, Betriebssoziologie [1931], S. 32. 195 | Fischer, Betrieb [1925], S. 302. 196 | Arnhold, Gestaltung [1938], S. 18.

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ner vermassenden Reihung zu erkennen: »Diese dreifältige Massierung der Fabrikarbeiterschaft in Fabrik, Mietskaserne und Versammlung – in Werk, Dasein und Muße, ist eine wesentliche Basis des ›proletarischen Klassenbewußtseins‹ geworden. […] Die Arbeiterklasse als Klasse ist jedenfalls tatbeständlich und auch bewußtseinsmäßig durch den räumlich wachsenden Werkraum, die Fabrik, den Fabriksaal, mitgeschaffen worden.«197 Vermassung und Nivellierung, so auch Richard Woldt, wirkten in der Arbeiterschaft gewaltsamer als in anderen Schichten: »Die natürliche und individuelle Note wird verwischt, […] die ›Verhältnisse‹, das ›Milieu‹, die ›Umgebung‹ sind stärker wie der einzelne.«198 Wolle man die psychologischen und sozialen Folgen der Produktionsorganisation wissenschaftlich untersuchen, müsse das »im Werkraum erfolgen, um die Wirkungen, die der Fabriksaal als massenansammelndes Moment auf den Arbeiter ausübt, mitzuerfassen.«199 Andererseits  –  neben der Vermassungsgefahr  –  drohte der betriebliche Raum auseinander zu fallen, drohten »Zweckraum« und »lebensräumliche Elemente« sich zu entfernen.200 Die drohende oder bereits reale Fragmentierung der Räume im Betrieb gelte es betriebssoziologisch zu erkennen und zu überwinden. Letzteres sei Aufgabe der betrieblichen Sozialpolitik und ihrer Träger. »Erst durch die Spezialisierung der Arbeitspolitik werden die verschiedenen räumlich (Werkstätten) und persönlich (die Leiter) getrennten Sphären der Arbeitspolitik lebendig zu einem Arbeitsfeld zusammengefaßt, das ein Fachmann hingebend bearbeitet«.201 Josef Winschuh sah hier also den Sozialarbeiter oder denjenigen, der im Betrieb für eine systematische Arbeitspolitik die Verantwortung trägt, als eine Art Raumintegrationsinstanz. Ganz ähnlich bestimmte Karl Arnhold Jahre später die Aufgaben der nationalsozialistischen Betriebsführung: auseinander fallende »Sachwelt der Materie« und »Lebenswelt des Menschen« neuerlich verschmelzen und die »unteilbare Einheit des Betriebes« wieder herstellen.202 Damit geriet vor dem Hintergrund dieser doppelten Gefahr – räumlich-soziale Vermassung auf der einen, Fragmentierung des betrieblichen Sozial-Raums auf der anderen Seite  –  die Gestaltung der betrieblichen Umwelt in den Blick. Seebohm Rowntree verwendete in diesem Zusammenhang explizit die Metapher des Hausbauens: Ökonomische Sicherheit, Arbeitszeit, Löhne und dergleichen stellen das Fundament dar, »on which the industrial life of the workers is built, and all other matters are secondary to them. Unless the foundations are sound, no satisfactory building can be erected upon them. […] Well-designed factory buildings, a

197 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 15f. 198 | Woldt, Lebenswelt [1926], S. 25. 199 | Lorenz, Psychologie [1933], S. 4. 200 | Briefs, Betriebssoziologie [1931], S. 32. 201 | Winschuh, Werkspolitik [1923], S. 36. 202 | Arnhold, Betrieb [1939], S. 27f.

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good canteen, ample playing fields, efficient medical service, educational facilities, and recreational clubs are all excellent in themselves, but they represent the equipment, and decoration of the house of industry. If its foundations are insecure, they will not count for much. But given the sound foundation, the refinements of welfare work, if I may so describe them, are of real importance. An unfurnished house, no matter how grand or spacious is very unsatisfying – and would not be comfortable to live in!«203

Das »house of industry« verweist als Metapher auf sozial-räumliche Ordnung. Es evoziert Wohnlichkeit, Behaglichkeit, familiäre Beziehungen und dergleichen. Dadurch wird eine Neucodierung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse erreicht. Die von Rowntree aufgefahrenen Assoziationen treten an die Stelle anderer, zunächst vielleicht unmittelbar einleuchtender Assoziationen zum Thema Industriebetrieb – an die Stelle von Anonymität innerhalb des Getriebes der Massenproduktion, an die Stelle von Hetze und Unterwerfung in der Produktion, an die Stelle von Ausbeutung und Konflikten. Im Bestreben, Stabilität und Harmonie in die betrieblichen Sozialbeziehungen zu bringen, richtete sich die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Arbeitsumgebung, die es vor allem deshalb hygienisch und sauber zu gestalten gelte, weil sie neben religiösen Überzeugungen und der häuslichen Atmosphäre die wahrscheinlich stärkste Kraft im Leben der Arbeiter sei.204 Es waren die vielfältigen Maßnahmen betrieblicher Sozialpolitik, die sich dieser Aufgabe widmeten. »[A]ll varieties of this attempt deal directly with the environment of the workers or with the workers themselves, or are concerned with the relation of one to the other. The adaption of the human element in production to its environment is of the utmost importance to a nation, whether wellbeing or material wealth be taken as the criterion of prosperity.«205 In der Vergangenheit seien Fabriken lediglich als Gebäude betrachtet worden, in denen mechanische Prozesse abliefen. Das müsse sich ändern, denn Fabriken seien Orte, an denen Menschen arbeiteten – Menschen, deren Wohlbefinden und Leistung von der Gestaltung ihrer Umwelt abhingen. »Welfare work«, so Seebohm Rowntree, lasse sich als Bereitstellung eines Arbeitsumfelds definieren, das jeden im Betrieb in die Lage versetzte, sein Bestes zu leisten. »[I]n a factory we must see that the material environment of the men is satisfactory.«206 Gebäude und ihre Umgebung seien ein wichtiger Faktor idealer Arbeitsbeziehungen, schließlich können ungünstige Gebäude das Erreichen eines Idealzustands der Beziehungen entscheidend verhindern. »Foremost among ideal conditions of factory 203 | Rowntree, Factor [1921] 204 | Vgl. Cadbury, Experiments [1912], S. 247; Shadwell, Efficiency [1906], S. 321.

205 | Proud, Work [1916], S. 74. 206 | Rowntree, zit.n. Briggs, Thought [1961], S. 128-133; vgl. auch Rowntree, Factor [1921], S. 27-53.

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labour are the buildings occupied and their surroundings. […] No conditions of labour, however ideal, can attain their highest development in confined quarters hemmed in by buildings, each of which shuts out the light and air of heaven from the others«.207 Die Arbeiter verbringen einen Großteil ihres Lebens in Fabriken und werden von den Bedingungen, die dort herrschen, beeinflusst. Daher müssen Bemühungen unternommen werden, diese so angenehm wie möglich zu gestalten: »reasonable brightness and attractiveness in place of the drab depression so often found in factory buildings.«208 Die Gestaltung der Arbeitsräume ist ein wichtiger Bestandteil industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings. Dabei kommt ein Denken in sozial-räumlichen Kategorien zum Ausdruck, das vor allem die Auswirkung räumlicher und sozialer Umwelten auf den Menschen sowie die Beziehungen zwischen materieller Umgebung, Sozialverhalten und Persönlichkeit in das Blickfeld rückt. Wenn man wisse, dass der Mensch im Betrieb von besonderer Bedeutung sei, sollte man dann nicht mehr darüber in Erfahrung bringen, wie der Mensch auf Umweltbedingungen reagiert?209 Gefordert sei eine psychologische Betrachtung der physischen Umwelt, die ohne Umschweife die Vorteile von zum Beispiel Verschönerungsmaßnahmen hervortreten ließe: Verbesserung der Einstellung der Arbeiter, ihres Sinns für Selbstachtung, ihre sozialen und ästhetischen Maßstäbe. Nicht zuletzt betrafen die Vorteile auch den Ordnungssinn der Arbeiter sowie ihre Fähigkeiten, Ordnung, Kausalität und Prozessualität kognitiv zu fassen. »If at the same time the factory is so constructed internally that jobs pass from place to place in a smoothly-planned succession, the workers will gain both a sense of order reaching almost to the level of the concept of causality, and an appreciation of the relationship of one process group to another.«210 Die Umweltbedingungen im oder besser: des Betriebs, die in einer bestimmten Richtung gestaltet werden sollten, umfassten nicht nur saubere Werkhallen, aufgeräumte Werkbänke und Arbeitsplätze, nicht nur hübsche Oberflächendekorationen, sondern zugleich die ›klimatischen‹ Bedingungen. Ordnungsdenken und Social Engineering betreibt Klimapolitik, die ausgehend von Luft und Licht211 ein Gesamtpaket schnürt: »It is the adjustment of all the conditions which is of practical importance. 207 | Meakin, Factories [1905], S. 67. 208 | Richardson, Relations [1933], S. 180. 209 | Vgl. Tredgold, Relations [1949], S. 17. 210 | Northcott, Management [1945], S. 105. 211 | Zur Bedeutung dieser Topoi für einen die Erkenntnisse experimenteller Hygiene seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts einbeziehenden Städtebau vgl. Rodenstein, Licht [1988]. Alain Corbin hat darüber hinaus bereits vor einiger Zeit in einer nach wie vor anregenden Studie herausarbeiten können, wie die Kontrolle von Luftströmen sowie eine neue Aufmerksamkeit für die Verteilung von Menschen im Raum seit dem beginnenden neunzehnten Jahrhundert zum Leitmotiv im Kampf um die

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Cubic space, for example, must be considered in conjunction with means of ventilation – matters beyond the knowledge of the average employer. Experts must design the buildings and arrange the positions of machines and of workers.«212 Luft und Licht »durchfluteten« und »durchströmten« die Arbeitsräume; diese wiederum determinierten die Art und Weise, in der Luft (oder in der zeitgenössischen Diktion: »Lufträume«213 und »Luftquantum«214) und Licht zur Verfügung standen. Es ist eher die Ausnahme, dass Licht in kritisch-abwehrender Manier mit der voranschreitenden Versachlichung, Intellektualisierung und Mechanisierung der Arbeit in modernen Industriebetrieben parallelisiert wurde, wie es Hermann Mönch 1930 in der Betriebsräte-Zeitschrift tat, als er im durchaus auch übertragenen Sinn davon sprach, dass man heutzutage zwar mehr Luft, zugleich aber auch weniger Wärme im Betrieb habe.215 Der diskursive Kontext der Licht- und Luftmetaphorik war in der Regel jedoch ein anderer. »Genügend Raum, Luft, Licht und Reinlichkeit muß die erste Forderung für gewerbliche Betriebe sein. […] Es hängt also von der Menge und Reinheit der Luft in der Hauptsache Wohlbefinden und Gesundheit des Arbeiters ab. Soll die Luft in den Arbeitsräumen gesundheitlich einwandfrei bleiben, muß für jeden Arbeiter ein angemessener Luftraum vorhanden sein.«216 1936 wurde in der inzwischen nationalsozialistisch reorientierten Zeitschrift der Opelwerke über das neue Werk in Brandenburg berichtet: gläserne Wände, gläserne Dächer, von Licht durchflutet, Aluminiumanstrich der gesamten Stahlkonstruktion, durch Reflexion verstärkte Helligkeit, ein »ungewöhnlich ausgedehntes Durchlüftungssystem«, das dafür sorge, »daß die frische Luft der märkischen Landschaft alle Räume der Fabrik zugfrei durchdringen kann.«217 Ein Jahr später erklärte Heinrich Nordhoff, der damalige Leiter der technischen Abteilung des Kundendiensts,218 anlässlich des 75jährigen Opel-Jubiläums, man sei »stolz darauf, in allen unseren Werkstätten vorzügliche Arbeitsbedingungen, Luft, Licht und Raum zu haben. Sie finden bei uns keine von veralte-

Etablierung ›hygienischer‹ und ›gesunder‹ Räume wurden (vgl. Corbin, Pesthauch [1982], S. 121-136). 212 | Proud, Work [1916], S. 102; vgl. auch Shadwell, Efficiency [1906], S. 321-326. 213 | Hanauer, Hygiene [1928], S. 205. 214 | Linneweh, Gewerbehygiene [1932], S. 203. 215 | Vgl. Mönch, Intellektualisierung [1930], S. 345. Mit der Wärme und der Kälte ist es so eine Sache – man hätte auch Gemeinschaft und Gesellschaft sagen können (vgl. Lethen, Verhaltenslehren [1994]; sowie Kap. IV.1.). 216 | Lauterbach, Gewerbehygiene [1920/21], S. 568f.; vgl. Hanauer, Hygiene [1928], S. 204. 217 | Anonym, Werk [1936], S. 8. 218 | Vgl. Edelmann, Nordhoff [2003].

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ten Transmissionen verdunkelten Räume«.219 Licht, Luft und Sauberkeit galten als wesentliche Umweltbedingungen (nicht nur) im Betrieb, von deren Gestaltung man sich erhebliche Folgewirkungen versprach, schien es sich bei ihnen doch nicht nur um »die Hauptelemente jeder äußeren Hygiene« zu handeln, sondern waren sie doch auch »für die seelische Verfassung, den inneren Ansporn des arbeitenden Menschen von unschätzbarer Bedeutung. Nichts kann auf die Bereitschaft zum Handeln, auf die Arbeitsfreude und Unfallsicherheit günstiger einwirken als Helligkeit, Atemfreiheit und Reinlichkeit. […] Wie niederdrückend wirkt es sich auf das ganze Lebensniveau eines Menschen aus, wenn er in dunklen, dumpfen, schmutzigen Räumen arbeiten muß«.220 Noch 1968 wies C.S. Deverell darauf hin, dass die Umweltbedingungen eine signifikante Unfallursache seien, und er zerbrach sich den Kopf darüber, wie man den relativen Einfluss der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Belüftung gegenüber demjenigen anderer Faktoren messen könne.221 Die Einbeziehung von Luft und Licht baute hier und da Brücken zu einer weiterreichenden Fokussierung atmosphärischer Dimensionen. Metaphorische Übertragungen von Luft- und Lichträumen auf das Betriebsklima lagen nicht allzu fern. Leopold von Wiese, der Altmeister der sozialen Beziehungslehre, wies Anfang der fünfziger Jahre auf die Raumdimension des Sozialen hin und konkretisierte das mittels Rückgriff auf klimatisch-atmosphärische Topoi: »Ein Fluidum erfüllt den sozialen Raum, der seine örtlich verschiedene, zeitlich wechselnde Wetterlage, sein Klima, seine Temperatur, seine Niederschläge hat. Ich möchte diesen Kräftekomplex die soziale Atmosphäre nennen.«222 Das war ein relativ abstrakter Bestimmungsversuch, der aber rasch Entsprechungen in der Betriebsklimaforschung fand. Die soziologischen Versuche, das Betriebsklima sichtbar zu machen, setzten in den fünfziger Jahren mit hoher Intensität ein. Deutsche Soziologen diskutierten dabei auch die Arbeiten amerikanischer und britischer Kollegen. Wenn im Folgenden eine Konzentration auf deutsche Arbeiten erfolgt, so liegt das daran, dass die thematischen Entsprechungen zum Betriebsklima (»attitudes«, »morale«, »motivation«) ohne die an dieser Stelle wichtigen Raumbezüge und räumlichen Konnotationen auskamen. In der klassischen Studie des Frankfurter Instituts für Sozialforschung223 zum Betriebsklima hieß es 1955: »Der Begriff ›Betriebsklima‹ ist ein wenig vag. Das liegt aber an der Sache, die er ausdrücken soll; ja man hat ihn gewählt, eben um ein schwer Greif-

219 | Nordhoff, Heinrich: Die Opelwerke – wie sie arbeiten. Vortrag am Vortage des 75jährigen Opel-Jubiläums 1937, StAR, SO 2.9, S. 7. 220 | Mieder, Betriebsgemeinschaft [1939], S. 57. 221 | Vgl. Deverell, Management [1968], S. 140-155; aber auch Northcott, Management [1945], S. 382-386. 222 | Wiese, Atmosphäre [1952/53], S. 34. 223 | Vgl. Platz, Theorie [2002].

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bares, Schwebendes und dabei doch einigermaßen Regelmäßiges und Objektives zu bezeichnen, das dem einzelnen, der darin sich bewegt und selber dazu beiträgt, mit einer gewissen Selbständigkeit gegenübertritt. Das vorwissenschaftliche Bewußtsein versteht sehr wohl, was es sich unter dem in einer Institution herrschenden ›Klima‹, nach Analogie des meteorologischen zu denken hat. Redewendungen des populären Jargons wie ›hier herrscht dicke Luft‹ oder ›die Luft ist wieder rein‹ melden drastisch an, worum es geht: um die in einem menschlichen Verband herrschende ›Stimmung‹, soweit sie nicht momentan oder kurzfristig ist, sondern so viel Dauer und Kraft besitzt, daß keiner, der in ihrem Bereich sich bewegt, unberührt bliebe.« 224

Die soziologischen Klimaforscher waren immer wieder gezwungen, sich dem Begriff des Betriebsklimas und der darin zum Ausdruck gebrachten Analogien und Konnotationen zu widmen225 und auf deren Implikationen einzugehen: In der physischen Umwelt bezeichne der Klimabegriff die Lebensbedingungen, die die Umwelt den Lebewesen bietet, die begrenzend, beschränkend oder auch fördernd auf sie einwirken. Man hüte sich allerdings vor voreiligen »Analogisierungen zwischen physischem und sozialem Klima«, schließlich gebe es »grundsätzliche Unterschiede zwischen dem Verhältnis des Menschen zu seiner physischen und zu seiner sozialen Umwelt« – allerdings auch bemerkenswerte Gemeinsamkeiten. »Sie erst erlauben es uns, auch soziale Phänomene klimatisch zu nennen. So wirken sich Reize aus der Mitwelt zum Teil ähnlich wie Reize aus der physischen Umwelt aus, rufen vor allem ähnliche Reaktionen im Menschen hervor.«226 Ludwig von Friedeburg erklärte in den Frankfurter Beiträgen zur Soziologie, dass die »Übernahme meteorologischer Termini wie Atmosphäre und Klima […] recht gut die Verlegenheit [bezeichnet], in der Soziologen und Psychologen sich befinden, wenn sie die in einer Institution oder Gruppe herrschende Grundstimmung begrifflich zu fassen versuchen.«227 In den verschiedenen Bestimmungen des Betriebsklimas kommt zum Vorschein, wie sich mit Bezug auf den Industriebetrieb ein umfassender Umweltbegriff etablierte, der in neuer Weise eine Synthese verschiedener Faktoren zu ermöglichen versprach. »Die physische Umwelt und das physische Klima ist im Betrieb für das soziale Klima von besonders großer Bedeutung. Erinnert sei an die Wichtigkeit der Arbeitsplatzgestaltung und des Arbeitsraumes: seiner Sauberkeit, Beleuchtung, Temperatur und Lärmerfülltheit. Physisches und soziales Klima gestalten im Betriebe weitgehend miteinander das Erleben und Verhalten der Betroffenen. Daher verschwimmen die Grenzen zwischen ihnen so sehr, 224 | Frankfurter Institut für Sozialforschung, Betriebsklima [1955], S. 9. 225 | Vgl. zum Beispiel Paul, Begriff [1951/52], der sich nicht zuletzt der damit einhergehenden Notwendigkeit bildlicher Darstellung widmet.

226 | Götte, Betriebsklima [1962], S. 45f. 227 | Friedeburg, Soziologie [1963], S. 16.

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daß ›Betriebsklima‹ häufig als Begriff verstanden wird, der sie beide umfaßt.«228 Klimatische Argumentationen realisierten sich auch in den Betrieben selbst, verließen also die Ebene soziologischer Forschung im engeren Sinn. Wie auch in anderen Zusammenhängen, so zeigt sich hier eine Verschränkung, zumindest aber eine Homologie verschiedener Ebenen. In der firmenoffiziellen Opel-Post versuchte man Anfang der fünfziger Jahre, den Arbeitern und Angestellten Begriff und Realität des Betriebsklimas näherzubringen. »[D]es Wortes eigentlicher Sinn muß auf der psychologischen Ebene gesucht werden. Das Betriebsklima ist nicht immer klar erkenn- und greifbar, doch stellt es etwas konstantes, eine Realität dar, mit der man rechnen muss. […] Genau wie das Klima in der Natur ist das Betriebsklima Schwankungen ausgesetzt, es kann kalt, warm, gemäßigt, frostig usw. sein. Daß es möglichst gut, gesund und erträglich ist, hängt von mancherlei Faktoren ab.«229 Im betrieblichen Kontext dienten die Rekurse auf das Betriebsklima freilich immer auch einer Weichzeichnung des sozialen Faktors im Betrieb und des Umgangs damit. Institutionelle soziale Räume ließen sich so in atmosphärische soziale Räume transformieren. »Nicht allein die Zahl der sozialen Einrichtungen und die Höhe der für freiwillige soziale Leistungen aufgewandten Beträge, sondern in besonderem Maße der Betriebsgeist und das Betriebsklima werden die Faktoren sein, die zur Überwindung der Gegensätze und zur größeren Zufriedenheit aller Werktätigen führen.«230

Verräumlichung und Subjektivierung »Jeder Betriebsangehörige muß sich anpassen an die soziale Umgebung, an das Milieu des Betriebes, an die sozialen Richtmaße, an die sozialen Standards des Betriebes.«231 Soziale Umgebung und Milieu – damit beschrieb man den Betrieb als eine Raumordnung im Sinn der bereits skizzierten Ausweitung des Umweltbegriffs. Der Betrieb war ein Raum im konkreten ebenso wie im übertragenen Sinn und diejenigen, die sich darin bewegten, wurden eingepasst, wurden verortet, wurden angeordnet. Verräumlichung und Subjektivierung greifen ineinander. Michel Foucault hat in der individuierenden Platzierung ein wichtiges Kennzeichen der Disziplinargesellschaft identifiziert. Die Disziplin als neue Praxis der Machtausübung stütze sich auf eine »Kunst der Verteilungen« und bediene sich dazu einer Reihe von Techniken: der Klausur als »bauliche Abschließung eines Ortes von allen anderen Orten«, der Parzellierung als »Prinzip elementarer Lokalisierung«, der Zuweisung von Funktionsstellen als »Schaffung eines nutzbaren Raums« und schließlich des 228 | Götte, Betriebsklima [1962], S. 50. 229 | Anonym, Betriebsklima [1951], S. 14. 230 | Kleim, Sozialfürsorge [1952], S. 5. 231 | Lechtape, Probleme [1929], S. 297.

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Rangs als »Platz in einer Klassifizierung«. Das von Foucault beschriebene Spiel der Platzierungen funktionierte entlang der Vorgabe »Jedem Individuum seinen Platz und auf jeden Platz ein Individuum«.232 Eine derartige Kopplung lässt sich mit dem bereits vielfach verwendeten Begriff der (An-)Ordnung präzisieren. Der Begriff ist in raumsoziologischem Kontext von Martina Löw geprägt worden und »verweist auf zwei Aspekte gleichzeitig: erstens die Ordnung, die durch Räume geschaffen wird, und zweitens den Prozeß des Anordnens, die Handlungsdimension. Eine relationale (An-)Ordnung weist damit immanent neben der Handlungsdimension eine strukturierende Dimension.«233 Diese Perspektive verbindet nicht nur Körper und Raum, sondern ermöglicht es darüber hinaus, die Verschränkung verräumlichender (An-)Ordnung mit Praktiken der Subjektivierung zu analysieren. Letzteres meint, im Anschluss an Michel Foucault, Techniken, die eine »Spezifizierung der Individuen«234 forcieren, also »Objektivierungsformen«, »die den Menschen zum Subjekt machen.«235 Für eine Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings sind derartige Überlegungen außerordentlich produktiv. Es geht hier nicht um wie auch immer geartete Subjekte im Betrieb, ihre Autonomie, Unterwerfung oder Widerspenstigkeit, sondern darum, wie Menschen in sozialökologisch-industrialistischer Manier als Teil des Betriebsraums problematisiert werden: arbeitende Körper und hygienische Körper  –  Körper, die insofern relevant werden, als dass sie sich in der betrieblichen Umwelt bewegen und diese Bewegung in den Griff zu bekommen ist. Also nicht: Wer macht was, wie und warum, sondern: Warum ließen sich Akteure und Tätigkeiten in welcher Weise beschreiben und behandeln? Schließlich versteht es sich nicht von selbst, wer die Subjekte und Akteure des Industriebtriebs sind. Es macht einen Unterschied, ob man zu disziplinierende Faulenzer, revolutionäre Politaktivisten, Maschinenteile, Arbeitskräfte, arbeitende und hygienische Körper oder ›ganze Menschen‹ im Betrieb am Werk sieht. Eine Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings muss daher fragen, wie diese oder jene Sichtweise etabliert wurde, und welche Auswirkungen das auf die Vorstellungen betriebs-sozialer Ordnung hatte. Die Geschichte der Industriegesellschaft war von Anfang an eine Geschichte der Zugriffe auf den Körper. Seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert wurden die körperlichen Wirkungen der Industrie aufmerksam registriert. Das ging einher mit der Formierung bestimmter Wissensbe-

232 | Vgl. Foucault, Überwachen [1975], S. 181-191. 233 | Löw, Raumssoziologie [2001], S. 166. 234 | Foucault, Wille [1976], S. 58. Foucault hat sich diesem Problem in einer Reihe historischer Forschungen gewidmet (vgl. Ders., Gebrauch [1984]; Ders., Hermeneutik [2004]; Ders., Sorge [1984], Ders., Technologien [2005]). 235 | Foucault, Subjekt [2005], S. 269f.

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stände.236 In der Industriegesellschaft ließ sich der Körper vielfältig verhandeln: im Rahmen einer zunehmenden Verwissenschaftlichung, als Gegenstand und Instrument ökonomischer Auseinandersetzungen im Rahmen von Lohn- und Leistungspolitik, als gelehriger und geschulter Körper.237 Mit Blick auf den Körper im Industriebetrieb zeichnen sich verschiedene Möglichkeiten ab. Wo die Arbeitswissenschaft238 ausgehend vom Konzept der Arbeitskraft arbeitende Körper in Handgriffe zerlegte und isolierte Einheiten zu optimieren trachtete, um in der Addition die bestmögliche Entfaltung sozialer Energien zu gewährleisten, da setzte die Betriebssoziologie explizit an der sozialen Ordnung an – nicht als Abstraktum, sondern als Gesamtheit konkreter Sozialgebilde. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich eine wesentliche Schwäche der Arbeitswissenschaft: ihre vermeintliche Praxisferne, das heißt ihre gerade gegenüber dem Taylorismus deutlich werdende, mangelnde Verankerung in der betrieblichen und Werkstattebene. Obwohl sie ständig ihren Anwendungsbezug unter Beweis zu stellen suchte, blieb die Arbeitswissenschaft in den Augen der Zeitgenossen eine akademische Übung und Laborwissenschaft. Gerade die Verwissenschaftlichungsbemühungen  –  Abwendung von sozialreformerischen Ansätzen auf der einen Seite, verstärkte Orientierung am Paradigma exakter Naturwissenschaften auf der anderen Seite – hatten zur Folge, dass ein Graben zwischen der akademischen Arbeitswissenschaft und der betrieblichen Praxis entstand. Der Arbeitswissenschaft gelang es nicht, dauerhaft und plausibel Industriearbeit und Gesellschaftsordnung aufeinander zu beziehen und eine integrierte, harmonische, gemeinschaftliche betriebs-soziale Ordnung zu versprechen. Mit der Betriebssoziologie etablierte sich dagegen die Überzeugung, dass nicht das Studium von Ermüdung, Körperhaltungen und körperlicher Verrichtungen zur Lösung sozialer Probleme beitrage, sondern vielmehr auf fundamentaler Ebene eine Gestaltung der sozial-räumlichen Ordnung im Betrieb und darüber hinaus in Angriff genommen werden müsse. Körper wurden hier soziale Körper, wurden Körper in Sozial-Räumen. Der Betrieb war ein solcher Sozial-Raum, in dem es darum ging, die Nachbarschaft von Mensch und Maschine zu gestalten.239 Zunächst gilt es hier aber noch  –  um die Rekonstruktion des sozialökologischen Industrialismus abzuschließen – die dafür charakteristische Verschränkung von Zugriffen auf den Raum und die Körper in diesem Raum zu diskutieren. Die industriegesellschaftlichen Körper wurden im Kontext hygienischer Fragen verhandelt. Seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zeich236 | Vgl. Sarasin, Maschinen [2001]; Sarasin/Tanner, Physiologie [1998]. 237 | Vgl. Goes, Körper [1999], S. 272. 238 | Zum Folgenden: Campbell, Joy [1989], S. 70-106; Ebbinghaus, Arbeiter [1984]; Hinrichs, Seele [1981]; Hoffmann, Wissenschaft [1985]; Rabinbach, Motor [1992]; Raehlmann, Arbeitswissenschaft [1988]; Schneider, Study [1991]. 239 | Vgl. Kap. IV.1.

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nete sich unter bürgerlichen Sozialreformern das Projekt einer »hygienischen Zivilisierung der Arbeiterfamilie« (U. Frevert) ab  –  auch lesbar als sozialpolitischer Versuch einer Befriedung. Aufklärungs- und Erziehungskampagnen richteten sich auf städtische Arbeiterfrauen und Arbeitertöchter, mit deren Hilfe »bürgerliche Werte und Verhaltungsweisen auch in den sozialen Unterschichten Fuß fassen und die mentale Eingliederung der ›arbeitenden Volksklassen‹ in die kapitalistische Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung erleichtern« sollten.240 Der Haushalt als hygienischer Raum, ein durch hygienische Erfordernisse konstituierter Raum. Die Gestaltung innerhäuslicher Umwelten weitete sich im zwanzigsten Jahrhundert zu einem umfassenden Programm aus. Elizabeth Shove hat dem unter dem Titel Comfort, Cleanliness and Convenience eine aufschlussreiche Studie gewidmet.241 Shove rekonstruiert eine Reihe von Diskursen, in deren Folge sich ein natürliches Bedürfnis nach Komfort, Sauberkeit und Bequemlichkeit etablierte. Das setzte wiederum unzählige Bemühungen in Gang, die Merkmale einer dem Menschen und seinen Bedürfnissen angemessenen Umgebung zu eruieren und die materielle Umgebung entsprechend zu gestalten.242 Es ist diese Kopplung des Menschen an bestimmte Bedürfnisse und Umweltbedingungen sowie der daraus abgeleitete Impuls zur Gestaltung von Räumen im ganz konkreten Sinn, von denen auch mit Blick auf industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering zu reden sein wird. Analog zu diesem Programm lassen sich Hinweise für eine Hygienisierung des Arbeitsraums finden – Hinweise für die Etablierung des Betriebs oder einzelner seiner Teile als hygienische Räume, als Bedürfnisräume, als Komforträume. Gesundheit wurde als natürliche Größe begriffen, die in einzelnen empirischen Facetten erfassbar war und hinsichtlich eines Normalzustands gesteuert werden konnte. Diskurse um technisch-industrielle Normierung verbanden sich mit einer Auffassung von Norm und Normalität, die in der medizinischen Polarität von ›normal‹ und ›pathologisch‹ ihren Ausgangspunkt hatte.243 Arbeitskraft galt als wertvollstes Gut des Arbeiters, Gesundheit wiederum als »Vorbedingung höchster geistiger und körperlicher Arbeitsleistung, für Daseinsfreude und Lebensglück«. Die »möglichst lange Erhaltung dieses kostbaren Gutes« diene zudem »nicht nur der Wohlfahrt des Arbeiters selbst«, sondern sei »Grundlage für die Entwicklung und Zukunft des gesamten Volkes, denn der größte Reichtum und die Kraft eines Volkes besteht in seinen gesunden und leis-

240 | Frevert, Belagerung [1985], S. 421f. 241 | Shove, Comfort [2003]. 242 | Zur Problematisierung menschlicher Bedürfnisse im Kontext von Ordnungsdenken und Social Engineering vgl. Kuchenbuch, Gemeinschaft [2010]. 243 | Vgl. Wupper-Tewes, Rationalisierung [1995], S. 78-87.

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tungsfähigen Männern.«244 Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich bestimmte Aufgaben: »Die Betriebsräte müssen ihre ganze Kraft einsetzen, um bessere sanitäre und hygienische Zustände in den Betrieben zu schaffen. Sie müssen für Aufklärung der gefährdeten Arbeitskollegen sorgen und bestrebt sein, daß in allen Betrieben auf Beseitigung der die Gesundheit gefährdenden Schäden hingewirkt wird. […] Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen die Betriebsräte in allen diesen wichtigen Fragen Bescheid wissen. Sie müssen die Gewerbehygiene studieren, die Berufskrankheiten und ihre Ursachen kennen und in der Sozialtechnik beschlagen sein.« 245

Zentral ist die Kopplung des Gestaltungsimperativs mit der Notwendigkeit, sich ein bestimmtes Wissen anzueignen; die Kopplung eines Zugriffs auf den Einzelnen im Dienste des Ganzen mit der Aufmerksamkeit für konkrete Räume. Nicht zuletzt realisierten sich hier bestimmte Facetten des vielschichtigen Verhältnisses von Körper und Raum. In der wechselseitigen Durchdringung beider etablierte sich die Idee eines Gefährdetseins. Weil es natürlich auch im innerbetrieblichen Bereich galt, den Körper »vor einer großen Zahl von gefährlichen Feinden und Angriffen« zu schützen, verwies man auf diverse »Schutzorgane des Körpers«, aber – und das ist an dieser Stelle wichtig – auch auf die Kleidung und vor allem die Wohnung als »Schutzmittel«, deren Art und Einsatz angemessen zu gestalten waren.246 »Wie das Wohnhaus muß auch die Fabrik zunächst dem Arbeiter Schutz gegen die Unbilden der Witterung gewähren.«247 Die Gesundheit jedes Einzelnen, seine Arbeitsleistung und Produktivität hingen von der »Beschaffenheit der Arbeitsräume« ab.248 Hygiene und Beschaffenheit der vorhandenen Räume fielen diskursiv immer wieder ineinander. »Gerade in einem Betrieb, in dem sich mehr als 10000 Menschen auf verhältnismäßig kleinem Raum zusammenballen, ist Hygiene eine zwingende Notwendigkeit und die Nachlässigkeit Einzelner kann für alle schnell verhängnisvolle Folgen haben.«249 Immer wieder wurde eingefordert, sich den Arbeitsräumen zu widmen. »Überall dort, wo Menschen gezwungen waren, in einem Raume lange zu verweilen, wie Schlafräume und Krankensäle, legte man besonderen Wert auf hohe, luftige und geräumige Gestaltung solcher Räume. Anders in den Arbeitsräumen, die doch auch zu längerem Verweilen dienen. Hier

244 | Lauterbach, Gewerbehygiene [1920/21], S. 567. 245 | Ebd., S. 568. 246 | Neubert, Körperpflege [1931], S. 5. 247 | Hanauer, Hygiene [1928], S. 204. 248 | Linneweh, Gewerbehygiene [1932], S. 202. 249 | Anonym, Hygiene [1949], S. 9.

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läßt sich eine Vernachlässigung, ganz besonders mit Bezug auf hygienische Anforderungen feststellen.«250 Die Problematik der Hygiene sowie der Körper im betrieblichen Sozial-Raum verweist auf eine ganz bestimmte Ordnungsvorstellung. Ordnungsdenken und Social Engineering ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, gesellschaftliche Bereiche als konkrete Räume zu betrachten, Ordnung vom Raum her und Räume als Ordnungsfaktoren zu konzipieren. Die Gestaltung von Umweltbedingungen im weitesten Sinn richtete sich dabei stets auf die Körper und etablierte Subjekte, die wiederum durch die Räume, in denen sie sich bewegen, markiert und determiniert wurden. Die Ordnung des Betriebs war eine Ordnung der zunehmend ausgreifenden Verortung des Körpers, seiner Bedürfnisse und Tätigkeiten.251 Im Zusammenspiel beider Dimensionen ging es um individuierende Platzierung im Raum. Ordnung wurde dabei zur Charakterfrage. »Es ist ein Irrtum, zu glauben, wir produzierten in unseren auf vollen Touren laufenden Fabriken nichts als die Güter, die der Markt von uns erwartet. Wir erzeugen immer auch Nebenprodukte, nämlich Gesinnungen der Menschen, die wir zur Arbeit zusammenordnen.«252 Die bisher skizzierten Elemente finden sich in den Betrieben natürlich kaum säuberlich getrennt. Sie traten vielmehr stets gleichzeitig in Erscheinung – als Bestandteile je konkreter Räume. Sie wurden situativ bedeutsam. Das kann in einer exemplarisch dichten Beschreibung verdeutlicht werden. Zwischen 1948 und 1953 ereignete sich bei der DaimlerBenz AG in Stuttgart-Untertürkheim eine vielschichtige Auseinandersetzung um die Organisation der Werkskantine.253 Wilhelm Künkele, seit 1945 technischer Leiter des Daimlerwerks in Stuttgart-Untertürkheim, sprach die wesentlichen Dimensionen dieses Problems in einem Brief an seine Kollegen im Direktorium sowie das Baubüro im Mai 1948 an. In wenigen Zeilen schlug er einen Bogen von der gestiegenen Zahl der Essensteilnehmer über die daraus resultierenden organisatorischen Schwierigkeiten bis hin zu den sozialen Folgen und ökonomischen Kosten. Aufgrund des ungünstigen Verhältnisses von Speiseräumen und Belegschaft müsse in drei bis vier Schichten gegessen werden, und die Mittagszeit ziehe sich samt Pausen zwischen den Schichten weit über drei Stunden hin. »Unter den Folgen dieses Umstandes leidet der Betrieb ausserordentlich, da die Übersicht nur sehr schwer gehalten werden kann. Es ist daher eines der wichtigsten und dringendsten Erfordernisse, den Bau bezw. die Vergrößerung des heutigen Speisesaals fortzuführen. […] Da die Verhältnisse für das Mittagessen-Einnehmen ganz ausserordentlich beengt sind und für die Firma unübersehbare Kosten dadurch entstehen, dass die Einhaltung der Arbeitszeit schwer zu kontrollieren ist, stelle ich den Antrag, 250 | Bachert, Arbeitsraum [1923], S. 145. 251 | Vgl. Schroer, Körper [2001], S. 410. 252 | Stockburger, Jahresabschlußgedanken [1956], S. 3. 253 | Im Detail: Luks, Massengesellschaft [2009].

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dieses Bauvorhaben zu genehmigen.«254 Wenn es sich lediglich um ein Kapazitätsproblem und Bauvorhaben gehandelt hätte, wäre das an dieser Stelle sicher nicht von Interesse. Am Beispiel der Auseinandersetzung um die Daimler-Werkskantine lässt sich jedoch zeigen, wie Raum- und Sozialordnung verknüpft wurden. Die Problemdiagnose eines Betriebsratsmitglieds verwies auf die irrtümliche Ansicht einiger Belegschaftsmitglieder, möglicherweise keinen Platz in der Kantine zu bekommen und warten zu müssen, bis wieder neu gedeckt sei. Aus dieser irrigen Annahme resultiere eine nicht hinnehmbare stellvertretende Belegung der Plätze. Das sei unnötig, weil immer nur so viele Essenskarten ausgegeben würden, wie auch Plätze vorhanden seien.255 Eine effektive Festlegung der Plätze (getreu dem Motto »Jedem Individuum seinen Platz und auf jeden Platz ein Individuum«) galt hier als Garant geordneter Abläufe. Betriebsdirektor Müller reagierte auf die Beschwerden und Anregungen seitens der Belegschaft und übersetzte sie in eine entsprechende Anweisung an die Kantinenleitung: Man solle die Essensteilnehmer dadurch von der üblen Gewohnheit stellvertretender Platzbelegung sowie eines Wanderns zwischen den Tischen abbringen, dass die Tische in täglich wechselnder Reihenfolge bedient werden – damit »nicht diejenigen, die zuerst anstürmen, auch als erste mit dem Essen fertig sind.«256 Die Kantinenleitung entspricht diesem Wunsch,257 resigniert jedoch kurz darauf. Die abwechselnde Bedienung der Tische führt nicht zum gewünschten Erfolg. »Obwohl ich mittags verschiedene Male herausgegangen bin und belehrend auf die Essenteilnehmer einzuwirken versucht habe, ist immer noch eine Anzahl Unentwegter da, die sich nicht in die Ordnung fügen.«258 Der Betriebsrat, verantwortlich für die Weiterleitung der Idee alternierender Tischbedienung an die Direktion, hatte sich seinerzeit ja bereits unmittelbar nach Müllers Anweisung skeptisch gezeigt: »Den von Ihnen genannten Vorschlag, in unregelmässiger Reihenfolge die Tische bedienen zu lassen, haben wir ebenfalls schon mehrmals diskutiert und auch Versuche in dieser Hinsicht unternommen. Dabei mussten wir leider feststellen, dass durch diese unregelmässige Bedienung viel mehr Zeit verbraucht wurde als für die einzelnen Essenschichten zur Ver-

254 | Wilhelm Künkele an die Direktoren Haspel, Hoppe und Ob.-Ing. Braun, Brief vom 5.5.1948, Daimler Werksarchiv, Bestand Haspel II 1.1. 255 | Vgl. Betriebsversammlung vom 28.2.1951, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.3, S. 8. 256 | Vgl. Karl C. Müller an Deyhle, Brief vom 4.2.1952, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.9. 257 | Vgl. Deyhle an Karl C. Müller, Brief vom 4.2.1952, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.27. 258 | Deyhle an Karl C. Müller, Brief vom 21.2.1952, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.4.

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fügung standen, was aber noch schlimmer war, ist, dass die Kollegen in einer Art und Weise darauf reagierten, die nicht tragbar ist. Sobald festgestellt wurde, dass die Reihenfolge der Bedienung eine andere war, sind die Kollegen zum Teil von den bereits eingenommenen Plätzen wieder aufgestanden und dorthin gegangen, wo die Bedienung anfing. Dabei haben sie die bereits auf den Tischen gestandenen Suppen und teilweise auch den Nachtisch schon zu sich genommen, sodass dann für die nachfolgenden Kollegen nochmals nachserviert werden musste und ein Mehrverbrauch unvermeidlich war.« 259

Die alternierende Tischbedienung blieb Episode. Die erhofften Wirkungen stellten sich nicht ein. Die Praxis diskreditierte die Theorie: Konnte man, wie Betriebsdirektor Müller, beim Räsonieren am Schreibtisch noch eine Vorstellung geordneter Abläufe mit der Alternierung assoziieren, das heißt alternierende Tischbedienung als Ordnungsfaktor imaginieren, so drängten sich doch andere Schlüsse auf, wenn man sich persönlich – körperlich – ins Getümmel begab. Im Getümmel wird als Unordnung sichtund erfahrbar, was man sich als Ordnung ausgemalt hatte. Als Müller anlässlich des weihnachtlichen Jubiläumsessens die bei dieser Gelegenheit noch oder wieder praktizierte alternierende Bedienreihenfolge leibhaftig erlebte, veranlasste ihn das umgehend zu einem Beschwerdebrief an den Leiter des Verpflegungsbetriebs: Die »Organisation« habe »gar nicht geklappt; die Frauen haben an beliebigen Stellen angefangen zu servieren. Es kam vor, dass eine Tischreihe nahezu schon beim Kaffee war, während die andere, gegenüberliegende noch auf das Schnitzel wartete.«260 Neben Fragen der räumlichen (An-)Ordnung ist im vorliegenden Kontext auch der Umstand interessant, dass Ordnung zur Charakterfrage  –  bezogen auf Sozialverhalten und Persönlichkeit  –  stilisiert wurde. Es zeigt sich, wie eine bestimmte, mit den Arbeitern identifizierte Art sozialen Verhaltens als Bedrohung gängiger Ordnungsvorstellungen aufgefasst wurde. Die explizite Körperlichkeit von Ausdrucksweisen261 während der (Mittags-)Pause fand wenig Gnade. »[D]aß man«, so ein Mitglied des Kantinenausschusses auf einer Betriebsversammlung, »wenn man einen nicht mehr ganz sauberen Anzug hat, versucht, in den Treppenhäusern so ein kleines Gedränge hervorzuzaubern mit Kollegen, die vielleicht einen weißen Arbeitsmantel anhaben oder so ein schön geblümtes Sommerkleid und die dann leicht streift, sodaß es sogar Rippenbrüche gegeben hat in den letzten Wochen, das finde ich wirklich nicht sehr

259 | Betriebsrat an Karl C. Müller, Brief vom 5.2.1952, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.27.

260 | Karl C. Müller an Deyhle, Brief vom 23.12.1952, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller, 6.9.

261 | Vgl. Lüdtke, Qualitätsarbeit [1986]; Ders., Ordnung [1992].

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fein.«262 Über derartigen, in der Tat »nicht sehr feinen« Körpereinsatz hinaus lag das Hauptproblem darin, dass die Arbeiter im Angesicht des nahenden Mittagessens jedwede Ordnung vergaßen, dass sie Egoismus, Gier und Rücksichtslosigkeit zeigten. Die Aussicht auf das Mittagessen schien vergessen zu machen, dass  –  so zumindest die Beteuerung von Betriebsrat und Kantinenausschuss, die für die Vergabe der Platzkarten verantwortlich waren  –  ausreichend Plätze in der Kantine vorhanden waren; die stellvertretende Belegung von Plätzen mithin nicht Reaktion auf einen objektiven Mangel und platzökonomisch geboten, sondern Ausdruck eines bedenklichen Charakters sei: »Wer sich breiter hinsetzt, nimmt dem anderen den Platz weg. Der so denkt, ist ein Egoist und muss angeprangert werden.«263 Die wiederholten Bekundungen, dass »jeder seinen Platz« bekomme, zeitigten nicht die gewünschte Wirkung, solange es »Zugvögel« gab, »die genau darauf lauern, wo angefangen wird. Sie bringen es fertig, an einem Tisch 2 Teller Suppe und den Nachtisch zu essen und setzen sich an einen anderen Tisch und machen es wieder so.«264 Wie soll man in derartigen Problemdiagnosen nicht eine Reaktualisierung der traditionsreichen Klagen über den Materialismus der Arbeiter unter den Bedingungen der aufziehenden Massenkonsumgesellschaft identifizieren?265 Die Materialismusklage ließ sich beliebig aktualisieren. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde die Ernährungsfrage für viele zum »Fixpunkt persönlichen Denkens und Handeln« (G. Trittel). Die Werkskantinen sowie die seitens der Betriebsleitungen und Betriebsräte reichlich betriebenen Kompensationsgeschäfte gehörten in dieser Situation zu den wichtigsten Sozialleistungen auf betrieblicher Ebene.266 Im Umfeld und als Folge der Währungsreform entspannte sich die Versorgungslage seit 1948/49 langsam, die in der »Hungerkrise« eingeübten Verhaltensweisen und mentalen Prägungen – zum Beispiel penibles Kalorienzählen, Abwiegen und Vergleichen – schrieben sich aber fort, passten sich wechselnden Bedingungen an, und ihre konkreten Manifestationen gaben immer wieder Anlass zur Diskussion. Die Ernsthaftigkeit, mit der das wirkliche oder unterstellte »Untergewicht« einer Wurst diskutiert wurde, ist nur ein Beispiel. »Es darf natürlich nicht sein, daß, wenn zu einem Pärchen Wurst beispielsweise Normalmaß genommen ist und dann das Pärchen in einem Stück gegeben wird, daß dann einer glaubt, 262 | Betriebsversammlung vom 19.3.1952, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.4, S. 21. 263 | Betriebsversammlung vom 28.2.1951, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.3, S. 8. 264 | Betriebsversammlung vom 19.3.1952, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.4, S. 21f. 265 | Zu den Implikationen des Materialismusdiskurses vgl. Gallagher/ Greenblatt, Potato [2000]. 266 | Vgl. Andersen, Traum [1997], S. 35-37; Erker, Ernährungskrise [1990]; Gries, Rationen-Gesellschaft [1991]; Trittel, Hunger [1990].

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es sei das andere Stück zu dem Pärchen nicht mitgegeben worden, also die Länge vielleicht 2 Meter betragen muß.«267 Die Ansicht, beim Essen übervorteilt zu werden, rechtfertigte zwar Beschwerden, aber nicht jede Art von Benehmen. »In der Kantine kommt es immer wieder vor und ich weiß, daß mal eine Portion Wurst vielleicht Untergewicht hat oder an einem Käse mal etwas nicht ganz in Ordnung ist. Kolleginnen und Kollegen, bitte seid so freundlich und kommt, aber bitte schreit die Verkäuferin nicht an […], die kann nämlich nichts dafür, die verkauft nur. Wenn Ihr in einem freundlichen Ton kommt, dann hallt es freundlich zurück. Aber, wenn einer anders kommt, auf einen groben Klotz gehört auch ein grober Keil. Das ist eine ganz klare Sache.«268 Auch wenn der Betriebsrat »Kolleginnen und Kollegen« anspricht, so ist doch auffällig, dass ruppige Umgangsformen erst dann zum Problem zu werden scheinen, wenn sie beim Anblick einer untergewichtigen Wurst selbst gegenüber Frauen durchschlagen, also den Raum verlassen, an dem derartiges zu verschmerzen wäre. Erwartbare Umgangsformen werden geschlechtsspezifisch und nach Sozialräumen differenziert. Bestimmte Verhaltensweisen sind nicht grundsätzlich ein Problem, sondern eben nur in einer bestimmten Situation und an einem bestimmten Ort, im Umgang mit Frauen in der Kantine, während sie unter anderen Umständen durchaus angemessen sein können. Die Versuche, das skizzierte Verhalten zu unterbinden und die Abläufe in der Kantine unter Disziplinierung der Individuen neuerlich zu ordnen, stießen schnell an ihre Grenzen. Zunächst wurde durchaus versucht, Techniken der Überwachung zum Einsatz zu bringen. Auf die Klagen über Gedränge und zu frühes Beginnen der Mittagspause reagierte der Betriebsrat in einer Weise, die zwar einerseits an diesen Techniken festhielt, andererseits aber unverhohlen deren enge Spielräume aufzeigte. »Verschiedenemal sind Kollegen des Betriebsrats am Aufgang zum Speisesaal gestanden, um die Kollegen von der Besetzung dieses Aufgangs fernzuhalten. Diese Aktionen waren teils von Erfolg gekrönt, die Kollegen blieben an diesem Tage fern. Leider sind wir nicht in der Lage, täglich dort anzustehen über 3 Mittagszeiten hinweg, sodass auf diesem Wege keine Regelung von Dauer gewährleistet ist.«269 Deutlich treten die Schwierigkeiten einer Kantinenaufgangsüberwachung hervor, die von einer nicht leistbaren, steten und persönlichen Präsenz am Ort der Unordnung abhängt. Wenn überhaupt, dann könne nur ein koordiniertes, dezentrales Netz kleiner Überwachungspunkte etwas bewirken. »Es ist nach unserer Meinung nur möglich, unter den gegebenen Verhältnissen, Ordnung in diese Geschichte hereinzubringen, wenn die Kollegen in dem Betrieb und 267 | Betriebsversammlung vom 11.3.1952, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Könecke 12, S. 10.

268 | Ebd., S. 22. 269 | Betriebsrat an Karl C. Müller, Brief vom 5.2.1952, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.27.

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ganz besonders auch auf den Büros seitens ihrer Abteilungsleiter, Meister usw. dazu angehalten werden, nicht vor Beginn der vorgesehenen und festgelegten Pausen ihren Arbeitsplatz zu verlassen. Diese Aufgabe kann nur von den dazu berufenen Führungskräften durchgeführt werden.«270 Glaubte man wirklich, dass diese in ihren dauerhaft jenen Präsenzanforderungen nachkommen können, vor denen der Betriebsrat am Kantinenaufgang bereits kapituliert hatte? Schlussendlich musste der betriebsrätliche Kantinenausschuss feststellen, dass sich die gewünschte Ordnung selbst dann nur bedingt einstelle, wenn man »so ziemlich jeden Tag« am Ort des Geschehens »so mal ganz beiläufig vorbei gehe«.271 Die Kantinenepisode zeigt die Komplexität betrieblicher Sozial-Raum-Verhältnisse auf. Sie zeigt auf, wie sich eine Reihe von Ordnungsvorstellungen, sozialen Erwartungen und Praktiken mit Anforderungen an den Einzelnen sowie die räumlichen Gegebenheiten verbanden. Als Beispiel sollte der Kantinenstreit nicht überbewertet werden, wohl aber kann er Aufschluss darüber geben, wie die Verräumlichung sozialer Beziehungen zur Subjektivierung beitrug.

270 | Ebd. 271 | Betriebsversammlung vom 2.7.1952, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.4, S. 20.

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IV. Konkretisierte Ordnung

Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering gleicht einem Netz, das sich geschichtswissenschaftlich nur über seine Knotenpunkte dingfest machen lässt. An den Schnittstellen des sozialökologischen Industrialismus zeichnen sich Verdichtungen ab, die in Richtung einer Konkretisierung abstrakter Ordnungsvorstellungen wirkten. Einige dieser Verdichtungen werden im Folgenden analysiert. Dabei wird zunächst herausgearbeitet, wie die betriebliche Sozialordnung und von dort aus die soziale Ordnung insgesamt über das Verhältnis von Mensch und Maschine zu gestalten versucht wurde und welche Rolle dabei mechanistische und organizistische Metaphern spielten (1.). Anschließend gilt es Variationen in den zeitgenössischen Antworten auf die Frage zu analysieren, wie sich der Industriebetrieb gestaltete und gestalten sollte. Hier kommen eine Reihe von Topoi und Figuren ins Spiel, die in der Lage waren, betriebs-soziale Ordnung mit einem Grad an Anschaulichkeit, Unmittelbarkeit und Erfahrbarkeit auszustatten (oder das zumindest effektiv zu suggerieren), der abstrakten Ordnungsvorstellungen abgehen musste. Insbesondere in Deutschland wiesen Gemeinschaftsbezüge eine hohe Stabilität und Wirkmächtigkeit auf. Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg und bis in die späten fünfziger Jahren diagnostizierte man eine zunehmende Fragmentierung und Individualisierung industrieller Arbeits- und Sozialverhältnisse, wandte sich stereotyp gegen Formen des (institutionalisierten) Klassenkampfs und brachte Arbeits-, Betriebs- und Werksgemeinschaften als soziale Stabilisatoren und Instrumente der Befriedung ins Spiel. Dabei wurde betont, dass der Betrieb gegen Regulierungsversuche von außen zu verteidigen oder derartigen Versuchen eine innere Gemeinschaftsbildung zumindest vorzuziehen sei (2.). Daneben etablierte sich die Idee, dass Ordnung im Betrieb mittels Gruppierung – Gruppierung von Menschen und Gruppierung von Maschinen – zu erreichen sei. Die Sozialfigur der Gruppe wurde dabei nicht immer trennscharf auf diejenige der Gemeinschaft bezogen. Gruppenstrukturen wurden als eigentliche soziale Realität des Betriebs akzentuiert (3.). In jedem dieser Fälle ließ sich ein spezifisches semantisches Feld aufrufen, es ließen sich spezifische Bedeutungsschichten und Abgrenzungen aktivieren, die über die

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einzelnen Figuren hinweg Stabilität erlangten. Wer von Gemeinschaften und Gruppen redet, rückt soziale und eben nicht technisch-organisatorische Beziehungen in den Mittelpunkt; er grenzt sich von Individualisierung und Vermassung ab, indem er die Stabilität mittlerer sozialer Einheiten betont. Das geschieht oft implizit und gleichsam automatisch, weil Topoi wie Gemeinschaft und Gruppe – auch ohne dass das immer explizit gesagt werden muss  –  genau innerhalb solcher Abgrenzungen funktionieren. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering ist nicht unerheblich durch die Bemühungen gekennzeichnet, Ordnung als Gemeinschaft und/oder Gruppe zu denken, Vergemeinschaftung und/oder Gruppierung als Praktiken des Ordnens in Stellung zu bringen. Dabei trafen soziologische und psychologische Überlegungen auf produktionstechnische und -organisatorische Arrangements.

1. D IE N ACHBARSCHAF T VON M ENSCH UND M ASCHINE In der Auseinandersetzung mit Maschinen ließen sich Fragen nach der Modernität einer Gesellschaft, nach ihrem (kulturellen) Wert und demjenigen ihrer Menschen verhandeln. Es ließen sich die eigene Überlegenheit und daraus abgeleitete Herrschaftsansprüche begründen oder die Suche nach einer anderen Moderne in Gang setzen. Maschinenmetaphern wurden zudem Bestandteil vielfältiger Ordnungssemantiken. Neben den philosophischen Versuchen, unter Rückgriff auf eine Maschinenmetaphorik die Erkenn- und Gestaltbarkeit der Welt greifbar zu machen, etablierte sich seit dem achtzehnten Jahrhundert auch ein literarischer Umgang mit Maschinenmetaphern. Diese bezogen sich nicht nur auf den Bereich der Industrie, sondern konnten Zusammenhänge aus verschiedenen Lebensbereichen thematisieren: die Charakteristika des Menschen, diejenigen der Gesellschaft, der Natur, letztlich der Welt als ganzer. Die Thematisierung der Maschine wurde immer wieder an diejenige sozialer Probleme gekoppelt. Es ging um die drohende Maschinisierung des Einzelnen und der Gesellschaft, um die Herabdrückung des Einzelnen durch die Maschinen, um die Unterwerfung unter ihre Herrschaft und damit verbunden um die Frage der Beherrschbarkeit der Maschinen.1 Hinzu kam ein neues Problembewusstsein für den Menschen im Industriebetrieb. Es waren nicht mehr die Maschinen allein und als solche, die man zu zivilisieren hatte, sondern es galt, sie in ihrer Beziehung zu den Menschen in einem konkreten Sozial-Raum zu ordnen. Die Relatio1 | Vgl. Adas, Machines [1989]; Hädecke, Poeten [1993]; Hard/Jamison, Appropriation [1998]; Kasson, Civilizing [1999]; Korber, Technik [1998]; Lackner, Rationalisierung [1992]; Marx, Machine [1967]; Rieger, Technology [2005]; Rohkrämer, Moderne [1999]; Segeberg, Technikbilder [1987]; Sussman, Victorians [1968]; Tichi, Gears [1987]; Wagner, Technik [1996]; Wege, Buchstabe [2000].

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nierung von Mensch und Maschine schlug einen Bogen zur konkreten Ordnung des Betriebs. Wem an der Ordnung der modernen Industriegesellschaft gelegen war, der konnte nicht umhin, an genau jener Stelle ordnend einzugreifen, an der die Nachbarschaft von Mensch und Maschine zum Problem wurde. Das Metaphernfeld der Nachbarschaft2 bot sich für die Beschreibung der inneren Ordnung industrieller Betriebe sowie deren Beziehungen zur Gesellschaft an, weil sich damit Verbundenheit und harmonisches Eingebettetsein suggerieren ließen. Michel Foucault hat in anderem Kontext auf eine auch für die vorliegende Analyse wichtige Implikation des Nachbarschaftstopos hingewiesen. »Ein gemeinsames Regime stellt sich ein, der Ähnlichkeit als stummer Ursache der Nachbarschaft erlegt sich eine Ähnlichkeit auf, die die sichtbare Wirkung der Nähe ist. […] Die Ähnlichkeit erlegt Nachbarschaften auf, die ihrerseits Ähnlichkeiten garantieren. Ort und Ähnlichkeit verflechten sich.«3 Für die vorliegende Studie ist diese Bemerkung interessant, weil industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering sich gerade durch die gleichzeitige Anwesenheit von Menschen und Maschinen im Betrieb herausgefordert sieht und es als seine wesentliche Aufgabe begreift, eine menschliche Ordnung im Angesicht der Maschinen zu gewährleisten. Der Topos der Nachbarschaft lenkt die Aufmerksamkeit also auf Ähnlichkeit und Annäherung von Mensch und Maschine in der betrieblichen Ordnung vor Ort. Unter Rekurs auf Vorstellungen vom Betrieb als mechanisches Räderwerk und einzige große Maschine auf der einen, als lebendiger Organismus auf der anderen Seite, ließen sich Mensch und Maschine je spezifisch problematisieren. Einerseits konnten der menschliche Motor und die lebendigen Maschinen im Betriebsorganismus harmonieren, andererseits schien der Mensch als lebendiger Organismus von einer mechanischen Maschinenordnung überwältigt und selbst zum Maschinenteil geworden zu sein. Der erste Fall erforderte konsequentes »engineering of machines« und »engineering of men«; im zweiten Fall musste der Mensch in seinem Menschsein und seiner Lebendigkeit verteidigt werden. Im Spannungsfeld mechanischer und organischer Ordnungsvorstellungen ging es grundlegend um die Gestaltung des Verhältnisses von Mensch und Maschine. Der Betrieb wurde zu einer konkreten Ordnung, die sich dadurch realisierte, dass Menschen und Maschinen in ihm angeordnet wurden: »Der Einsatz der Produktionsmittel«, so die Opel-Post 1951, »bedarf einer Ordnung, eines Systems  –  das ist einzusehen. Sowohl die sachlichen Produktionsmittel als auch die menschliche Arbeitskraft, die ja allein der Wirtschaft zum Leben verhilft, müssen in gewisse Ordnungsprinzipien

2 | Dieser Topos steht nicht im Zentrum industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings. Anders stellt sich das mit Blick auf Stadt- und Wohnraum dar (vgl. Kuchenbuch, Gemeinschaft [2010]). 3 | Foucault, Ordnung [1966], S. 47.

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eingegliedert werden, die ihren Einsatz steuern.«4 Die entscheidende Frage war nun, ob es sich dabei um maschinelle oder menschliche, mechanische oder organische Ordnungsprinzipien handelte.

Maschinenparadigma und entgrenztes »engineering« Das Maschinenparadigma begründete einen spezifischen Handlungsmodus: denjenigen des »engineering«. Die Idee der Maschine als einer relationalen Funktionseinheit, als eines aus seinen Teilen integrierten Ganzen, das Bild perfekt ineinander greifender Rädchen im Getriebe oder passgenauer Einzelteile verwies auf ein Kompositions- und Konstruktionsparadigma, das in der »gear-and-girder world« attraktiv wirkte.5 In der Neuzeit wurde die antike »machina mundi« auf »das automatische, in der immanenten Perfektion verbürgte ›Funktionieren‹ der Welt ohne transzendente Zuschüsse« verlegt.6 Bereits vor der Industrialisierung, vor der massenhaften Präsenz technisch-industrieller Maschinen, waren metaphorische Bezüge auf die Maschine als »prägnantes Programmwort der Weltdeutung« (H. Blumenberg) etabliert. Wenngleich die konkreten technischen Maschinen immer einen Konstrukteur voraussetzten, so drängte die Maschinenmetapher doch auch in Richtung einer Vorstellung sich selbst steuernder Maschinen – einer Ordnung, die aufgrund ihres bloßen und steten Funktionierens Ordnung war.7 Die Maschinenmetapher transportierte die Idee einer »relativen Funktionsganzheit«, eines »funktionalisierten Relationsgefüges« und einer »distinktiven Relationalität«.8 Was im Kontext philosophischer Ordnungsmodelle relativ abstrakt blieb, gewann im Angesicht der Maschinen und ihres Ineinandergreifens im Industriebetrieb an Anschaulichkeit. Insgesamt boten sich Maschinen als ebenso anschauliches wie übertragbares Paradigma an, wenn es darum ging, die Frage nach der Ordnung des Ganzen und seiner Teile, der Ordnung des Ganzen aus seinen Teilen zu beantworten.9 Die Deutungspotentiale, die sich mit realen und metaphorischen Maschinen verbinden konnten, gewannen an Intensität und Plausibilität, als die Moderne zur Industriegesellschaft wurde, zu einer Gesellschaft, deren paradigmatischer Ort der Industriebetrieb war. Im Kontext der Automatisierungsdiskussion wurde vor allem unter Ingenieuren und Managern die Idee sich selbst steuernder Technik wirkmächtig; Imaginationen von Maschinen, die arbeiten, als 4 | Anonym, Zusammenarbeit [1951], S. 2. 5 | Vgl. Jordan, Ideology [1994]; Noble, Forces [1986], S. 42-56; Tichi, Gears [1987]. 6 | Blumenberg, Hintergrundmetaphorik [1960], S. 93; vgl. auch Baruzzi, Mensch [1973]; Meyer, Metaphorik [1969]; Remmele, Entstehung [2003]; Tripp, Entstehung [1987]. 7 | Vgl. Meyer, Metaphorik [1969], S. 131. 8 | Vgl. Baruzzi, Mensch [1973], S. 63-66. 9 | Grundlegend: Tichi, Gears [1987].

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hätten sie ein Eigenleben, als bedürfte es keiner Maschinisten. Das war in weiten Teilen ein soziales Ideal und eine soziale Ordnungsvorstellung, setzte aber nachhaltig technische Forschung und Entwicklung in Gang.10 Derartige Vorstellungen rekurrierten erneut auf die Ordnungspotentiale der Maschinenmetapher und den Appeal verschiedener Vorstellungen des Betriebs als technisch-maschineller Ordnung. Die Idee des Industriebetriebs als Maschine konnte das Versprechen seiner Handhabbarkeit und der Möglichkeit harmonisch funktionierender Ordnung bergen; das Versprechen von Rationalität, Vorhersagbarkeit, Kontrollierbarkeit, Systematisierbarkeit und Routinisierbarkeit ihrer Abläufe (und des Verhaltens ihrer Arbeiter). Maschinen wurden im Betrieb zu einem Ordnungs- und Integrations- und damit letztlich auch Kontrollmedium, zum Medium der Strukturierung der Arbeitsbeziehungen und (An-)Ordnung der Arbeiter.11 Derartige Ideen begründeten einen ingenieursmäßigen Zugriff auf den Industriebetrieb – auf Maschinen und Menschen. Ins Zentrum rückten der Ingenieur und seine Steuerungs- und Ordnungskompetenz. Vom neuen Sozialtypus des Ingenieurs ging das Versprechen aus, die Maschinen zu handhaben, sich ihrer zu bemächtigen, um die Ordnung des Sozialen nicht nur zu stabilisieren, sondern in einer bestimmten Weise zu gestalten. Schriftsteller wurden zu Wortkonstrukteuren und Ingenieure zu literarischen Helden, Politiker, Sozialreformer und Sozialwissenschaftler zu Sozialingenieuren; Hygieniker, Physiologen und Arbeitswissenschaftler zu Ingenieuren des »human motor«. Auch die Maschineningenieure selbst sahen sich plötzlich in der Verantwortung für Maschinen und Menschen, verstanden ihre Aufgabe als gleichermaßen maschinen- wie sozialtechnologische. Cecilia Tichi bemerkt dazu, wenn auch mit Blick auf die amerikanische Kulturgeschichte: »A masculine figure in a male profession, the spokesman for a gear-and-girder world, the engineer became a vital American symbol between the 1890s and 1920s. In popular fiction […] he signified stability in a changing world. He was technology’s human face, providing reassurance that the world of gears and girders combined rationality with humanity. And he represented the power of civilization in the contemporary moment. […] In an industrial era, in the gear-andgirder world, the engineer wears the mantle of civilizing power and ethical judgment.«12 Diese Idee des »engineering« wurde zu einer Blaupause für unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche, und sie begründete eine spezifische Subjektkultur, in der ein sozio-technischer Maschinen- und Steuerungscode wirkte: Der Einzelne wird zum regulierenden Administrator technischer wie sozialer Maschinen, der zudem die grundlegenden

10 | Vgl. Noble, Forces [1986], S. 79-105. 11 | Vgl. Biggs, Factory [1995], S. 179-188; Edwards, Terrain [1979], S. 111-129. 12 | Tichi, Gears [1987], S. 99; vgl. auch Maier, Taylorism [1970]; Rabinbach, Motor [1992]; Sarasin, Maschinen [2001].

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Funktionsregeln dieser sozio-technischen Maschinen weitgehend verinnerlicht.13 »Industrial engineering« etablierte sich entlang der Idee der Fabrik als Maschine. Gebäudegestaltung, »shop floor layout«, Maschinen, Materialhandhabung, Licht und Luft sowie Arbeitsorganisation rückten von dort aus in den Fokus ingenieursmäßiger Betrachtung und Behandlung. Produktionsingenieure gehörten in vorderster Front zu denen, die sich im Detail der Gestaltung der betrieblichen Umwelt widmete. Sie halfen die Lücke zwischen Unternehmensleitungen und Werkstätten zu schließen. Die Herausbildung modernen Managements, die Differenzierung und Spezialisierung von Managementstrukturen, die Etablierung distinkter Tätigkeitsbereiche für Arbeits- oder Produktionsmanager ging einher mit verschiedenen auf den Betrieb ebenso wie auf das Soziale bezogenen Ordnungsvorstellungen. Produktionsingenieure und von dort aus das Management trieben seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Idee voran, dass sich mittels Standardisierung und Systematisierung nicht nur mechanische, sondern auch politische, soziale und menschliche Probleme lösen ließen. Menschliche und nicht-menschliche Komponenten in Betrieb und Gesellschaft galten als austauschbar.14 In Folge dessen verwischten die Grenzen zwischen physischen, betrieblichen, menschlichen und sozialen Dimensionen. Wesentlich ist hier die Ausweitung und Rekonfiguration der Aufgaben des Ingenieurs im Industriebetrieb und darüber hinaus. »Narratives of management or reform often define themselves as active reshapers of social structures (especially when they treat management methods as reform techniques), yet they seek ›a state of equilibrium which can signal the end of narrative‹.«15

Der Mensch als Maschinenteil Von der sozialen Frage des neunzehnten Jahrhunderts, über die Betriebsund Industriesoziologie seit dem beginnenden zwanzigsten Jahrhundert, die Rationalisierungsdiskussionen der Zwischenkriegszeit, die kontinuierlichen sozialpolitischen Debatten, die Auseinandersetzungen um Taylorismus und wissenschaftliche Betriebsführung, bis hin zur Formierung der Human-Relations-Bewegung stellte sich, so Günther Wachtler, die Frage, »wie menschliche Ansprüche an ein befriedigendes Leben mit der Notwendigkeit von Arbeit in Einklang gebracht werden können, und wie Menschen auf die Tatsache reagiert haben, daß zwischen den Erfordernissen ökonomisch-rationeller Erstellung von Gütern und Dienstleistungen

13 | Vgl. Reckwitz, Subjekt [2006], S. 336-358. 14 | Vgl. Biggs, Factory [1996]; Lazonick, Advantage [1990], S. 183-269; Meyer, Day [1981], S. 11-15, 95; Nelson, Managers [1995], S. 35-55; Shenav, Manufacturing [1999]. 15 | Banta, Lives [1993], S. 15.

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und menschenwürdigem Dasein tendenzielle Spannungen bestehen.«16 Ausgangspunkt der ebenso steten wie vielfältigen Humanisierungsforderungen von Soziologen, Sozialpolitiker, Ingenieuren, Gewerkschaftern und Managern während des gesamten Untersuchungszeitraums war eine Kritik des Maschinenparadigmas. Das umfasste erstens die Zurückweisung mechanischer Vorstellungen, die den Betrieb als einzige große Maschine behandelten. Es umfasste zweitens ein Beharren darauf, dass der Mensch kein Maschinenteil sei und daher auch nicht so behandelt werden könne. Das konkretisierte sich drittens in einer Kritik an der vornehmlich tayloristischen Zerlegung des Menschen. Hier schlossen sich dann die vielfältigen Humanisierungsforderungen an, die in der Etablierung eines neuen Interventionsmodus mündeten: An die Stelle der Maschinisten traten Menschenführer. Menschenbehandlung und »human relations« zielten darauf, die Ordnung des Betriebs vom Menschen her zu reintegrieren. Der Betrieb als Organismus. Dass es zu einer Gleichsetzung von Mensch und Maschine gekommen war, galt spätestens nach dem Ersten Weltkrieg als Ausdruck einer mechanistischen Weltanschauung, die im Betrieb nichts anderes als ein Räderwerk zu erblicken vermochte. Aus dieser Perspektive war es folgerichtig, Mensch und Maschine gleichermaßen als Rädchen im Getriebe anzusehen. An die Stelle des »lebensgebundenen, seelsamen Betriebsorganismus«, so eine typische Diagnose, seien inzwischen »abstrakte, mechanische Betriebssysteme getreten, die Menschen und Sachen umschlingen und verbinden.«17 Die Technik brach in das soziale Gefüge des Betriebs ein und überformte die sozialen Beziehungen. Es hatte sich scheinbar ein technischer Determinismus herausgebildet, »der den Betrieb nicht mehr als Zusammenarbeit von Menschen, sondern nahezu als einen technischen Apparat erscheinen läßt, bei dem der Mensch nur eine subsidiäre, aber keine kooperative Stellung hat. Die soziale Fremdbestimmtheit wird durch die technische Fremdbestimmtheit ersetzt. Disziplin und Kommando, Über- und Unterordnung wie überhaupt sämtliche sozialen Beziehungen und Prozesse werden von der Zwangsordnung der technisch-rational koordinierten Maschinen her bestimmt. Die Sachverfassung setzt sich gegenüber der Personalverfassung durch und wird zum ausschließlichen Formprinzip.«18

Ordnungsdenken und Social Engineering grenzt sich von derartigen Ideen ab, weist mechanistische Konzeptionen des Betriebs zurück und bedient sich stattdessen organischer Ordnungsmodelle. Es sei notwendig, so Josef Winschuh, »sich sowohl den Betrieb als auch die Belegschaft als einen ganz lebendigen, von bestimmten Voraussetzungen und Gestaltungsbedingungen abhängigen, auf äußere Einflüsse und innere Strö16 | Wachtler, Humanisierung [1979], S. 19. 17 | Mönch, Intellektualisierung [1930], S. 344. 18 | Schwenger, Frage [1931], S. 294f.

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mungen stets irgendwie reagierenden Organismus vorzustellen. Diese plastische, gleichsam biologische Anschauungsweise, welche die Organismen des Betriebes und der Belegschaft zu einem Dualismus verbindet und stets mit der gegenseitigen Bedingtheit von Belegschaftsverfassung und Betriebswohlfahrt rechnet, ist die zur Grundlage einer praktischen Werkspolitik allein geeignete Anschauungsform.«19 Ein »wohlgeordneter Betrieb« – und um diesen ging es ja – sei mehr als die Summe seiner Teile. Er sei »ein höheres Ganzes, vergleichbar einem lebendigen Organismus, der die verschiedenartigen Leistungen einer Vielzahl von Organen zusammenfaßt und einem einheitlichen Ziel dienstbar macht. Er liegt daher besonders nahe, den Betrieb nach der Analogie eines lebenden Wesens, einer selbständigen Persönlichkeit zu betrachten und zu behandeln.«20 Der Betrieb sei »ein mit geistigen Kräften begabtes Lebewesen, und alle in den Betrieb irgendwie verflochtenen sind mehr oder weniger lebenswichtige Organe dieses Lebewesens.«21 Derartige Beschreibungen finden sich auch später noch. So bezeichnete es zum Beispiel Heinrich Nordhoff nach dem Zweiten Weltkrieg als seine Aufgabe, »das Lebendige« der jeweiligen Organisation zu sehen und zu fühlen, die Organisation nicht schematisch in ein Zahlen- und Nummernspiel zu verwandeln.22 Auch H.W. Locke, damals Education Officer bei Rowntree bestand darauf, dass der Betrieb, so man ihm gerecht werden wolle, nur als organische Ganzheit verstanden werden könne, »in which the parts are functionally grouped and related to one another.«23 Im letzten Zitat kommt nun allerdings auch zum Ausdruck, dass organische, organisatorische und mechanische Metaphern und Ordnungsvorstellungen sich auch überlagerten. Die unternehmerische Aufgabe bestünde daher, so wieder Nordhoff, nicht allein in der Gestaltung technischer und wirtschaftlicher Fragen, sondern »ganz stark in der Verantwortung gegenüber den Menschen, die ja einen Betrieb erst zu einem lebendigen Wesen machen.«24 Der Mensch als Lebewesen. Ein wohlgeordneter Betrieb stellt also einen lebendigen Organismus dar, und die in ihm Beschäftigten lassen sich 19 | Winschuh, Werkspolitik [1923], S. 17. 20 | Fischer, Betrieb [1925], S. 304. 21 | Ebd., S. 309. Innerhalb dieses Rahmens konnte man vom Maschinenhaus als »Herz eines Fabrikbetriebes« reden, da es »wie dieses Leben und Energien dem weit verzweigten Geäder der einzelnen Betriebe [vermittelt]. Steht es still, dann erstirbt auch das Leben in diesem« (Anonym, Blick [1930]). Die betriebseigene Energieversorgung konnte zum »Kraftnerv unseres Schaffens« (Bärsch, Kraftnerv [1951]) erklärt oder im Presswerk ein »lebenswichtiger Teil in dem feinen Organismus« erblickt werden, »den die einzelnen Produktionsstätten als Ganzes darstellen« (Jurischka, Reiche [1955], S. 10). 22 | Nordhoff, Bekenntnis [1948], S. 62. 23 | Locke, Fundamentals [1943], S. 8. 24 | Nordhoff, Ausführungen [1950], S. 101.

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als dessen Organe begreifen – jedenfalls ist diese Annahme ein wesentliches Merkmal von Ordnungsdenken und Social Engineering zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren. Faktisch trägt der Betrieb allerdings durchaus Züge einer einzigen großen Maschine, und der Mensch scheint im Zug dieser Entwicklung tatsächlich zum Maschinenteil geworden, die Nachbarschaft von Mensch und Maschine gestört zu sein. Ordnungsdenken und Social Engineering zielt nun auf eine neuerliche Harmonisierung dieses Verhältnisses. Das Insistieren darauf, dass der Mensch im Industriebetrieb ein lebendiges Wesen sei, brachte Ordnungsdenken und Social Engineering in einen Widerspruch zu jenem produktivistisch-energetischen Denken, das sich im neunzehnten Jahrhundert um die Metapher des »human motor« herum gebildet hatte. Diese Metapher wies in Richtung produktivistischer Vorstellungen sozialer Ordnung. Ausgehend von ihr entstand die Idee, dass die Gesellschaft die Energie des arbeitenden Körpers konservieren und vergrößern könne, wenn sie ihn und seine Bewegungen mit denen der Maschine harmonisierte. Im Kontext der Arbeitswissenschaft gerieten vor diesem Hintergrund Ermüdung und dergleichen in den Blick. Die Motorenmetapher wurde zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts zu einem neuen Modus einer Problematisierung der Realität. Der Körper wurde hier zu einer Maschine, die fähig ist, Kräfte hervorzubringen und eine innere Ökonomie zu halten, das heißt die produzierte Energie zum Wohle des Ganzen zielgerichtet und effektiv einzusetzen.25 Dieser energetisch-mechanistische Bias der Arbeitswissenschaft wurde vielfach kritisiert. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering gründet in genau dieser Kritik und ging demgegenüber davon aus, dass der Mensch als organisches Lebewesen im Betrieb nicht nur sichtbar zu machen, sondern vor allem zu bewahren sei. Die Verschiebungen im Verhältnis von Mensch und Maschine wurden angesichts neuer Produktionsweisen sehr deutlich registriert. Mit der Einführung des Fließbands sei es zu einer Veränderung im Verhältnis von Mensch und Maschine gekommen. Das »Miteinanderarbeiten von menschlicher und mechanischer Kraft« ordne sich neu. »Dieses Abhängigkeitsverhältnis von Muskel und Gehirn, von menschlicher Arbeitskraft, von der Maschinengruppe, schließlich von der Größe eines Zahnrades oder von seinem Antrieb bedeutet nichts anderes als eine Trennung, eine Halbierung der menschlichen Arbeitskraft, wenn man will, des Menschen.«26 Es sei »ein fürchterlicher Zustand, wenn der Geist die Materie bedient, während die Schöpfung es so gewollt hat, daß die Materie dient und der Geist herrscht. Nur aus dieser falschen Stellung des Menschen zur Maschine kam die Unbotmäßigkeit innerhalb der Betriebe, kam das Mißverständnis zwischen Mensch und Arbeit und all die Spannungen und Mißerfolge.«27

25 | Vgl. Rabinbach, Motor [1992]. 26 | Alt, Maschine [1926], S. 65, 71. 27 | Arnhold, Betrieb [1939], S. 8.

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»Der Mensch«, so stellte Christian Schmitz 1926 unter dem bezeichnenden Titel Die Nachbarschaft von Mensch und Maschine fest, »hat heute nur die Aufgabe, mechanisch den Gang einzurücken, Handgriffe einzustellen, Gang auszurücken, neu aufzuspannen und so in gleichem Tempo fort. Dies alles aber in auf Bruchteile von Minuten berechneter und kontrollierter Form. Die meisten Arbeiter werden dadurch der Initiative des eigenen Handelns entwöhnt. Kellner, Diener sind sie. Der Persönlichkeitsdrang erstickt. Als Person kann er sich in der mechanischen Betrieblichkeit nicht zeigen. Er ergänzt ja nur die Maschinenfunktion durch bestimmte, immer dieselben Handlungen, Handreichungen. Sonst geht die Maschine weiter ihren eigenmächtigen Gang, nur zeitweilig die Forderung nach Reinigung, Schmierung und Beschichtung erhebend. Der Mensch wird dadurch wider seine Eigenschaft als organisches Lebewesen zum Maschinenteil.« 28

Der Blick auf den Betrieb als Maschinen-Ordnung brachte zum Vorschein, dass »Mensch und Maschine, Arbeiter und Produktion […] im Tempo vollkommenster Produktion«29 zusammengewachsen schienen. Beim Blick in die Produktionshallen offenbarte sich eine Angleichung von Menschen und Maschinen: »Die Maschinen werden zu Arbeitern und die Arbeiter werden zu Maschinen. Eine Vielheit von Armen, Beinen: Masse Mensch!«30 Gerade der Gleichsetzung von Menschen und Maschinen und der Entstehung von Maschinenmenschen31 musste man entgegentreten. Die Vorstellung vom Menschen als »vollkommenste aller Maschinen« beherrsche zwar nach wie vor »die Köpfe der kapitalistischen Führer, weshalb sie in der rücksichtslosesten Weise aus dem arbeitenden Menschen möglichst viel Arbeitskraft herauszupumpen versuchen«, der Wirklichkeit entspreche das aber nicht. »In Wirklichkeit ist der Mensch gar keine Maschine, er ist ein lebendiges Wesen mit allerlei Kräften und Fähigkeiten, mit Gedanken, Gefühlen und Trieben, er ist kein Mechanismus, sondern ein lebensvoller Organismus.«32 Der ganze Mensch. Die Kritik der Zerlegung des Menschen setzte die Rekonfiguration tayloristisch geprägter Wissensbestände voraus. Bis in die zwanziger Jahre war nämlich in Managementkonzepten und darüber hinaus eine Perspektive prägend, die vor allem die minutiöse Zerlegung der Arbeitsabläufe und die disziplinierende Zurichtung der kleinen und kleinsten Handgriffe im Auge hatte. Im Bemühen um Zerlegung, Vereinfachung und Mechanisierung der Arbeit verschwand der arbeitende 28 | Schmitz, Nachbarschaft [1926], S. 159. 29 | Anonym, Rationalismus [1931]. 30 | Anonym, Banne [1927], S. 86. 31 | Zu diesem Topos vgl. Brammé u.a., Maschinen-Menschen [1983]; List, Körper [1994], S. 22-26; Mackenzie, Maschinenmenschen [2005]; Tietzel, L’homme machine [1984]; Wittig, Maschinenmenschen [1997]. 32 | Laufkötter, Betriebsführung [1929], S. 13.

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Mensch oder erschien gar nicht erst. Das war durchaus programmatisch und verdichtete sich in Taylors viel kritisierter Bemerkung, dass die einzelnen Arbeitsgänge nach ihrer Zerlegung von einem »trained gorilla« verrichtet werden könnten.33 Die britischen und deutschen Diskussionen sind durch eine Kritik dieser Dimension des Taylorismus gekennzeichnet. Gegen den vermeintlichen Technizismus wurde eine soziale, in Deutschland beispielsweise an gemeinwirtschaftliche und gemeinschaftliche Überlegungen angelehnte Perspektive entwickelt.34 In der betriebswissenschaftlichen Rezeption des Taylorismus, darauf hat Hans WupperTewes hingewiesen, ließen sich soziale Probleme des Produktionsflusses freilich diskutieren, ohne das Soziale selbst explizit zum Gegenstand zu machen.35 Diese Rezeption des Taylorismus wies einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen im Betrieb den Weg. In gewissem Sinn setzte das eine sukzessive Integration verschiedener Dimensionen, eine Entdeckung und Eroberung immer neuer Regionen in Gang. Wladimir Eliasberg rekonstruierte 1926 eine entsprechende Linie für die Arbeitswissenschaft. Aufgabe und Programm einer modernen Arbeitswissenschaft bestünden nicht in einer Zerlegung des Menschen und der Analyse einzelner Aspekte, seien sie nun ökonomischer, physiologischer oder psychologischer Natur. Gegenüber wissenschaftlich durchaus berechtigten Abstraktionen müsse es nun um eine Erforschung der »reale[n] Arbeit« gehen: »Eine Forschung, die das Antlitz der Arbeit kennenlernen will, darf nicht von Abstraktionen ausgehen, die ihren Grund nur in der methodischen Beherrschbarkeit haben, obgleich sie vielleicht einmal mit Erfolg zu einer methodisch einfachen Abstraktion wird zurückkehren können.«36 Vor diesem Hintergrund diskutierte Eliasberg auch die Psychotechnik als bis dato dominanten Zugriff auf den arbeitenden Menschen. Deren größtes Problem, so Eliasberg, sei der Mangel eines eigenen Menschenbilds. »Sie sieht den Menschen so, wie ihn die Wirtschaft sieht. Der wirtschaftliche Mensch ist ein Abstraktum, geformt durch den Begriff der Wirtschaft. […] Der Mensch der Psychotechnik ist ein Betriebsfaktor. Es erwies sich als notwendig, diesen Betriebsfaktor genau zu studieren, selbst Tiefenpsychologie zu treiben. Aber zunächst in keiner anderen Absicht, als man etwa die Lager einer Welle untersucht.«37 33 | Vgl. Sarasin, Rationalisierung [2003]; Yanorella/Reid, Gorilla [1996]. 34 | Vgl. Burchardt, Fortschritt [1977]; Homburg, Anfänge [1978]; Maier, Taylorism [1970]. 35 | Vgl. Wupper-Tewes, Rationalisierung [1995]. 36 | Eliasberg, Richtungen [1926], S. 72. 37 | Ebd., S. 80. Diese Kritik der Psychotechnik wurde auch für die wissenschaftliche Betriebsführung im Allgemeinen vorgetragen. Deren Schwäche, so stand es 1929 in der Betriebsräte-Zeitschrift zu lesen, sei »ihre Wesensfremdheit zum Menschen selbst. Sie läßt sich nun einmal nicht erleben, sie kann niemals den ganzen Menschen ausfüllen« (Luserke, Betriebsführung [1929], S. 176).

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Zusammengehalten würden die vielfältigen psychotechnischen Bestrebungen vom Prinzip, »die menschlichen Gegebenheiten als Betriebselemente rationell zu behandeln mit dem Ziel immer größerer Produktivität der Betriebselemente.«38 Diese Entdeckungserzählung wurde auch von anderen vorgetragen. So hob Franz Koelsch 1930 lobend hervor, dass sich seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts »allmählich die Erkenntnis Bahn [brach], daß nicht das Endprodukt der Arbeit, vielmehr der die Arbeit leistende Mensch im Zentrum des ökonomischen Denkens stehen müßte. Die Ökonomie des Menschenlebens und der menschlichen Arbeitskraft rückten langsam in den Vordergrund der Forschung.«39 Auch Karl Arnhold diagnostizierte in den nationalsozialistischen dreißiger Jahren ganz ähnlich, dass Betriebspraktiker, Ingenieure und Techniker sich bisher ausschließlich der »Sachwelt« zugewandt haben. Diese Sachgebundenheit habe nun aber dazu geführt, dass »wir in unserer Arbeit die entscheidende Größe und damit auch den entscheidenden Maßstab übersehen [haben]: den Menschen. Die Technik war Selbstzweck geworden, und nur aus dieser Selbstzwecklichkeit ist es zu verstehen, daß der arbeitende Mensch nicht mehr als eigenständische, eigengesetzliche Größe anerkannt wurde, sondern daß man den Versuch machte, ihn lediglich als ›Faktor‹ in die betriebliche Sachwelt einzubeziehen.«40 Der Mensch war so zu einem Betriebsfaktor unter vielen geworden, »war selber zur Sache geworden, zu einem Faktor, dessen Wirkungsgrad unter dem der Maschine lag.« Die Vernachlässigung der »Kräfte der Seele und des Gemüts, der Persönlichkeit und des kämpferischen Einsatzes« habe zur Übersteigerung des technischen Apparats geführt und die Entstehung einer »Menschenführung« verhindert.41

Die Entdeckung des Menschen als Problemund Inter ventionsfeld Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering lässt sich insgesamt interpretieren als Geschichte einer kontinuierlichen Entdeckung des Menschen im Industriebetrieb – innerhalb einer weiter reichenden sozialen Problematisierung des Industriebetriebs. Dabei, das wurde gezeigt, ging es um den ganzen und konkreten Menschen jenseits von Abstraktion und Zerlegung. Eine Reihe von Disziplinen, Strömungen und Akteuren bedienten sich einer Legitimationsstrategie, die die Aufmerksamkeit für den Menschen im Industriebetrieb zum konstitutiven 38 | Eliasberg, Richtungen [1926], S. 87. 39 | Koelsch, Gewerbehygiene [1930], S. 208. 40 | Arnhold, Sinn [1938], S. 9. Vgl. auch Paul Riebensahms in der Einleitung skizzierte Selbstkritik des Ingenieurs, der sich vom Siegeslauf der Technik habe blenden lassen und vor lauter Maschinenbegeisterung des Menschen vergaß. 41 | Arnhold, Gestaltung [1938], S. 16f.

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Merkmal erhob. Die Fokussierung des Menschen ist die Reaktion auf eine Reihe von Herausforderungen, die mit der industriellen Massenproduktion und dem modernen Industriebetrieb verbunden waren. Die skizzierten Kritikrichtungen  –  Kritik am auf Betrieb und Mensch bezogenen Maschinenmodell sowie der zerlegenden Zugriffe auf den Menschen  –  verbanden sich zu einer wirkmächtigen Strömung. Das betraf die Entstehung der Human-Relations-Bewegung, die Etablierung von »personnel management« in den Unternehmen sowie die Ausrichtung betrieblicher Sozialpolitik. Zwischen den 1870er und 1930er Jahren kam es zu einer Transformation des Umgangs mit dem Menschen im Betrieb. Diese Transformation war in den USA hauptsächlich durch den Aufstieg formalisierter, institutionalisierter und spezialisierter Human-Relations-Abteilungen in den Unternehmen gekennzeichnet. Es kam zu einer erheblichen Verbreiterung und Vertiefung der Praktiken des Arbeitsmanagements. In den USA erreichten die Versuche, entsprechende Abteilungen zu installieren, nach dem Ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt. Das sich etablierende »personnel management« nahm nachhaltig den »human factor« in den Blick. Wissenschaftliche Betriebsführung wurde durch sozial- und verhaltenswissenschaftliches Wissen erweitert, und nicht zuletzt die in diesem Kontext entstehende Industriepsychologie trug zur Schaffung eines Aufgabenfelds und einer Expertenrolle bei, die in Analogie zum Ingenieur und seiner Beschäftigung mit technischer Effizienz nun um die Idee der »human efficiency« organisiert war. Mittels einer eigentümlichen Verbindung von Wissenschaft und Humanismus wurde die Waren- und Maschinentheorie menschlicher Arbeit zunehmend suspendiert.42 In diesem Kontext sind dann auch die bereits skizzierten Hawthorne-Experimente zu situieren, die ingenieurswissenschaftliche Überlegungen zum Zusammenhang von Beleuchtung, Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsleistung mit soziologischen, psychologischen und organisatorisch-administrativen Überlegungen verbanden.43 Die Erkenntnis, mit der G. Elton Mayo berühmt wurde, und die als Quintessenz der Hawthorne-Experimente rasch und überall kursierte, lautete: Arbeitsleistung und Effizienz hängen mehr von den zwischenmenschlichen Beziehungen als von einer wissenschaftlichen Optimierung der Arbeitsabläufe im Sinne wissenschaftlicher Betriebsführung ab.44 Auch bei Mayo selbst kam es in diesem Zusammenhang zu einer Perspektivverschiebung. »An die Stelle des veralteten Therapiemodells ›psychopathologischer‹ Betriebspsychologie trat die Vorsorgemethode der Einbindung einzelner in eine gesunde, leistungs-

42 | Vgl. Guillén, Models [1994]; Kaufman, Managing [2008]; Wren, Evolution [1987]; Wunderlin, Visions [1992]. 43 | Vgl. Gillespie, Knowledge [1991]; Schmidt, Entwicklung [1974], S. 3743, 106-118; Walter-Busch, Auge [1989]. 44 | Vgl. Walter-Busch, Auge [1989], S. 152.

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freudige Gruppe«.45 Mit den informellen Gruppen rückte die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen in den Blick. Von beidem glaubten Mayo und seine Mitarbeiter, sie stellten einen eigenständigen Faktor im Betriebsleben dar – einen Faktor mit erkennbarem Einfluss auf die Produktivität. Die von den USA ausgehende Human-Relations-Bewegung fokussierte Fragen der Motivation der Arbeiter, ihrer Einstellungen, ihrer sozialen und emotionalen Bindungen und Vorbehalte und verortete die Aufgaben des Managements entsprechend in diesem Bereich. Gefordert wurden mit der neuen Aufmerksamkeit für die sozialpsychologischen Gegebenheiten im Betrieb neue Fähigkeiten seitens des Managements: die Fähigkeit, menschliches Verhalten zu verstehen; interpersonale Fähigkeiten, die auf Motivation, Beratung, Führung, Kommunikation mit Arbeitern abhoben. Hawthorne stellte, zumindest in der Wahrnehmung der Zeitgenossen, den Auftakt einer offensiv am Menschen orientierten Industriepsychologie und -soziologie dar, die gemäß des Designs der Studien die Prinzipien betrieblicher Sozialorganisation als quasi natürliche, universale Probleme menschlichen Zusammenlebens thematisierte.46 Vor allem Mayo setzte sich mit einigen der zentralen philosophischen Paradigma seiner Zeit auseinander und wies die utilitaristische Konzeption des »economic man« zurück. Er verwies auf vermeintlich wesenhaft gegebene Unangepasstheiten, auf Irrationalität und Sentimentalität, die als dem Arbeiter zugeschriebene Eigenschaften allesamt Korrektur- und Disziplinierungsmaßnahmen legitimierten.47 Er entwickelte auf dieser Grundlage eine Philosophie, die den modernen Manager zum »guardian of social order and Western civilization itself« machte.48 Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering rekurrierte auf eine diagnostizierte Vernachlässigung des Menschen im Industriebetrieb. Es gelte zu realisieren, dass es die Vernachlässigung des Menschen als menschliches Wesen war, die die gegenwärtige, als krisenhaft empfundene Situation im Umfeld des Ersten Weltkriegs herbeigeführt habe.49 Sidney Webb schrieb 1918: »It is true that we must not look upon the worker, man or woman, merely as a machine; but we ought at least to see to it that he or she is treated as well as a machine, in the sense of being provided with all the conditions necessary, on the one hand for personal comfort, and on the other for smoothest running and greatest output.«50 Auch G.D.H. Cole machte das Entgegenkommen menschlichen Bedürfnissen und Werten gegenüber zum Maßstab für das Wirtschafts- und Sozialsystem und verknüpfte dabei eine Krisendia45 | Ebd., S. 153. 46 | Vgl. Dyk, Wissenschaftstransfer [1975]; Guillén, Models [1994], S. 9-13, 58-80; Wren, Evolution [1987], S. 236-254.

47 | Vgl. O’Connor, Minding [1999], S. 224. 48 | Ebd., S. 229. 49 | Vgl. Kelly, Welfare [1925], S. 2. 50 | Webb, Manager [1918], S. 125f.

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gnose mit einer sozialpolitischen Aufgabe. Beides rückte den Menschen ins Zentrum der industriellen Arbeits- und Sozialverhältnisse. »Modern industry is built up on a denial – a denial to the mass of the workers of the attributes of humanity. In the factory of to-day, the workman counts not as a man, but as an employee; not as a human being, but as the material embodiment of so much labour power.«51 Entlang der Forderungen, den Menschen in die Mittelpunkt zu stellen, etablierte sich also auch in Deutschland und Großbritannien mit dem Ende des Ersten Weltkriegs ein Human-Relations-Denken, freilich nicht in Form eines kohärenten und distinkten Managementmodells, wie das in den USA der Fall war.52 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es zunehmend leichter, Unternehmer, Gewerkschaften und die Öffentlichkeit von einer Rationalisierungsnotwendigkeit zu überzeugen – als Heilmittels für ökonomische, soziale und politische Probleme. Das verband sich mit Humanisierungsforderungen und einer Betonung der sozialen Dimension industrieller Arbeit. In Großbritannien wurden die amerikanischen Ansätze wissenschaftlicher Betriebsführung distanziert rezipiert. »Industrial betterment«, Fabianismus, Humanismus und religiöse Motive wirkten nachhaltig zusammen. Zwischen dem Ersten Weltkrieg und den frühen sechziger Jahren etablierte sich ein Strang sozialwissenschaftlichen, aber auch psychologischklinischen Nachdenkens über zwischenmenschliche Beziehungen im Industriebetrieb. Die Rezeption Elton Mayos verstärkte diese Entwicklung, begründete sie aber nicht. Die humanen Dimensionen industrieller Arbeitsverhältnisse und die humanen Aufgaben des Managements überschatteten in den fünfziger Jahren zumindest teilweise andere Themen. Seebohm Rowntree beschrieb den betrieblichen Sozialarbeiter als »the human engineer who goes into the factory to see that all the human machines are working at their highest potential«.53 Das hatte noch etwas von jenem mechanischen Denken, das ja bereits seit einiger Zeit kritisiert wurde, rückte bei Rowntree aber in einen Humanisierungskontext. »Welfare Work is the systematic attempt to humanise industry.«54 Immer wieder wurde konstatiert, dass dem Menschen nicht die ihm zukommende Aufmerksamkeit gewidmet werde, dass den Maschinen mehr Fürsorge als den Arbeitern entgegengebracht werde.55 Während es für jeden Unternehmer eine Selbstverständlichkeit sei, »mit den Fabrikanlagen, Maschinen, Werkzeugen, Rohstoffen, das heißt mit allem, was für ihn Begriff der Wirtschaft ist, pfleglich und sparsam umzugehen«, so stellte der Deutsche Metallarbeiter-Verband fest, falle es den »großen Wirtschaftsführern« nicht ein, »[d]iesen Grundsatz auch auf den wich51 | Cole, Chaos [1920], S. 42. 52 | Dazu und zum Folgenden: Campbell, Joy [1989], S. 107-177, 243-275; Child, Thought [1987]; Guillén, Models [1994], S. 91-121, 227-253. 53 | Rowntree, zit.n. Briggs, Thought [1961], S. 131. 54 | Rowntree, Aims [1920], S. 5. 55 | Vgl. Anonym, Banne [1927], S. 86.

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tigsten Produktionsfaktor, die menschliche Arbeitskraft anzuwenden«.56 So ergaben sich Forderungen, die scheinbar im gleichen Moment die Reduzierung des Arbeiters auf eine technisch-maschinelle Perspektive zurückwiesen und Arbeiterrechte oder sozialpolitische Aufmerksamkeit im Namen genau dieser zurückgewiesenen Angleichung, wenn nicht gar Gleichheit zum Ausdruck brachten. »Es ist zu fordern, daß der menschlichen Arbeitskraft mindestens dieselbe sorgfältige Pflege und Aufmerksamkeit gewidmet wird, wie der toten Maschinenkraft. […] Die Forderung bedeutet eine Umkehr von der rein technischen Auffassung des Betriebes zu einer Anerkennung der physiologischen und psychologischen Probleme, die darin verflochten sind, bedeutet, daß die Alleinherrschaft des Technikers im Betriebe gebrochen wird durch die Heranziehung des Physiologen, des Psychologen und des Gewerbearztes, bedeutet den Kampf des Lebens gegen die Herrschaft der Technik.«57 Der Mensch im Betrieb wurde in diesen Diskussionen zu einem Problem- und Interventionsfeld, das es nicht zuletzt mit Blick auf die benachbarten Maschinen und die Betriebsordnung insgesamt zu gestalten galt. Die Aufmerksamkeit für den Menschen schuf Brücken zu den sozialpolitischen Diskussionen der Zeit. Heinrich Lechtape unternahm 1929 den Versuch, die menschliche Arbeit als Objekt wissenschaftlicher Sozialpolitik zu bestimmen. »[E]ine Produktion, welche auf die menschliche Arbeit nicht die notwendigen sozialen Rücksichten nimmt, gefährdet ihren eigenen Standard, kann damit aber auch gesellschaftsgefährdend wirken. Aus einem solchen Zusammenhang zwischen menschlicher Arbeit und Produktion ergibt sich ein sozialpolitischer Tatbestand.«58 Menschliche Arbeit im Betrieb werde insofern zu einem sozialpolitischen Problem, als dass aus den »integrierenden und differenzierenden sozialen Prozessen, die die sozialen Beziehungen im Betriebe kennzeichnen, ein zerstörender Prozeß wird, indem die Beziehungen im Betriebe sowohl zwischen den einzelnen sozialen Gruppen, als auch zwischen den einzelnen Menschen zerfasert und zer-

56 | Deutscher Metallarbeiter-Verband, Handbuch [1926], S. 20; vgl. in nahezu identischer Formulierung: Ders., Handbuch [1929], S. 142.

57 | Dünnebacke, Rationalisierungspraxis [1926], S. 507. Was hier als »Umkehr von der rein technischen Auffassung des Betriebes zu einer Anerkennung der physiologischen und psychologischen Probleme, die darin verflochten sind« beschrieben wird, erweist sich auf den zweiten Blick als Etablierung homologer, nicht konkurrierender Ordnungen. Maschine und Techniker auf der einen Seite entsprechen Mensch und Physiologe/Psychologe/Gewerbearzt auf der anderen. Zudem waren es doch gerade Hygieniker, Physiologen und Arbeitswissenschaftler, die bereits seit längerem im (arbeitenden) Körper eine »reizbare Maschine« sahen oder vom »menschlichen Motor« sprachen (vgl. Rabinbach, Motor [1992]; Sarasin, Maschinen [2001]; sowie die Beiträge in Sarasin/Tanner, Physiologie [1998]). 58 | Lechtape, Arbeit [1929], S. 12.

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setzt sind.«59 Auch Ludwig Heinrich Adolph Geck wies in seinem Text zur autonom-betrieblichen Sozialpolitik auf deren menschenökonomische Dimension hin. Die Maßnahmen der autonom-betrieblichen Sozialpolitik beziehen sich »1) auf die betriebliche Sachverfassung, d.h. die Ordnung der produktionstechnischen Elemente, 2) auf die betriebliche Arbeitsverfassung, d.h. die Ordnung der produktions-organisatorischen Umstände, der geteilten Arbeit zur Einheit, 3) auf die betriebliche Personalverfassung sowie die betrieblichen sozialen Prozesse und Beziehungen, d.h. die Menschenordnung und den Menschenverkehr im Betrieb.«60 Präzisierend, schrieb er, die Maßnahmen der autonom-betrieblichen Sozialpolitik ließen sich einteilen, »in solche, welche auf die Beziehungen von Mensch zu Mensch, und solche, welche auf die Beziehungen der Arbeitsnehmer zu ihrer Arbeit sowie zu ihrem Betrieb gerichtet sind.«61 In der Verbindung von Sozialpolitik, Betriebspolitik und Menschenbehandlung wurde das Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung einflussreich.62 Das Institut wurde 1925 auf Initiative rheinischer Schwerindustrieller gegründet und zielte programmatisch auf die Harmonisierung von Individualismus und Kollektivismus, das heißt eine Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen bei größtmöglicher Integration in den Betrieb. Das Institut betonte den Leistungsgedanken, hielt am Großbetrieb fest, versprach zugleich aber, die sozialen Folgen industrieller Produktion abzumildern und die großbetrieblichen Arbeitsverhältnisse »menschlich« zu gestalten. Mitbegründer und Leiter des Instituts war der bereits mehrfach zitierte Karl Arnhold. Arnhold hatte zuvor Erfahrungen in der beruflichen Bildung und Ingenieursausbildung, als Publizist und Redakteur im Umfeld verschiedener Unternehmerverbände gesammelt. Seine Positionen blieben bis weit in den Nationalsozialismus stabil, und er wurde mit seinen Überlegungen nach 1933 zu einem wichtigen Propagandisten der »nationalsozialistische Arbeitsidee«, die dem Menschen Vorrang einzuräumen versprach, freilich nicht jedem Menschen. »Für uns Ingenieure ergibt sich daraus eine vollkommene Aenderung der Blickrichtung: weg von der Sachwelt und hin zum Menschen, zur Erforschung seiner Veranlagung, seines Arbeitskönnens und seines Leistungswillens. Wir müssen, wenn wir der neuen Arbeitsidee gerecht werden wollen, die gesamte Betriebsführung vom Menschen her entwickeln.«63 »Wir wollen«, so Arnhold an anderer Stelle, »den Betrieb, also die Welt des Menschen und die Welt der Sache, zu einem Organismus formen, d.h. zu einer lebendigen Einheit.«64 Ausschließlich die »organische Gestaltung des Betriebes« könne eine neuerliche Synthese von Sach- und Lebenswelt im In59 | Ebd., S. 26. 60 | Geck, Sozialpolitik [1931], S. 326f. 61 | Ebd., S. 328f. 62 | Vgl. Campbell, Joy [1989], S. 243-275; Nolan, Institut [1993]. 63 | Arnhold, Sinn [1938], S. 12. 64 | Arnhold, Gestaltung [1938], S. 20.

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dustriebetrieb erreichen.65 Das Verhältnis von Mensch und Sachwelt sei »Kernpunkt der gesamten industriellen Arbeit«. Zwischen Mensch und Maschine müsse ein »natürliches und vernünftiges Verhältnis« geschaffen werden. Arnhold sah dieses Ziel als im Einklang mit »der Natur des Menschen und der nationalsozialistischen Arbeitsidee« an.66 Die grundlegenden Entwicklungslinien schrieben sich in der Nachkriegszeit fort. Es gelte, so schrieb die Opel-Post 1951, dem Menschen im Betrieb besondere Aufmerksamkeit zu widmen, das sei lange verkannt worden. Freilich, bei Opel habe man den Menschen längst entdeckt. Opel habe bereits früh soziale Einrichtungen geschaffen, und das sei richtig und wichtig gewesen, werde jedoch nicht überall gleichermaßen erkannt. »Doch leider betrachtete der größte Teil der Unternehmer den Arbeiter nach wie vor nur als Arbeitskraft, dem man für die geleistete Arbeit einen bestimmten Lohn zu zahlen hatte. Um den Menschen selbst, um sein persönliches Wohl und seine Sorgen kümmerte man sich in der Regel nicht oder nur in geringem Maße.«67 Erst nach dem Ersten Weltkrieg trat eine »bemerkenswerte Wandlung« ein, und es setzte sich die Idee durch, »daß der Mensch im Mittelpunkt aller betrieblichen Vorgänge stehen müsse und als wertvollstes Gut in besonderem Maße des Schutzes, der Pflege und Sorge bedürfe.«68 Die Anerkennung des Menschen im Betrieb sei allerdings auch keine Frage allein materieller Zuwendungen, sondern erweise sich als äußerst umfangreiche Aufgabe: »Doch zeigt sich schon bald, daß alle Anstrengungen und aufgewandten Kosten ohne den letzten Erfolg bleiben müssen, wenn nicht zusätzlich ein echtes menschliches Gefühl den arbeitenden Menschen als einen unentbehrlichen Teil des Betriebes anerkennt, dem die gleiche Achtung zukommt, wie dem Abteilungsleiter, Ingenieur oder Meister. Diese Seite, die menschliche, der betrieblichen Sozialpolitik steht in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg im Vordergrund aller Betrachtungen. Nicht allein die Zahl der sozialen Einrichtungen und die Höhe der für freiwillige soziale Leistungen aufgewandten Beträge, sondern in besonderem Maße der Betriebsgeist und das Betriebsklima werden die Faktoren sein, die zur Überwindung der Gegensätze und zur größeren Zufriedenheit aller Werktätigen führen.« 69

Deutlich zeigt sich hier eine Problemkontinuität, die auch die Rezeption der amerikanischen »human relations« berührte, das heißt konkret: eine relativ zurückhaltende Rezeption nach sich zog. Das rührte im Wesentlichen daher, dass bereits die etablierten Strategien im Umgang mit 65 | Vgl. Arnhold, Betrieb [1939], S. 32. 66 | Ebd., S. 8. 67 | Kleim, Sozialfürsorge [1951], S. 4. 68 | Ebd., S. 5. 69 | Ebd.

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industriellen Beziehungen durch ihre korporatistische Prägung sowie die soziale und humane Erweiterung der Rationalisierung viele Fragen und Probleme verhandelten, deren Lösung nun auch der Human-RelationsAnsatz versprach. Der Verweis auf letzteren diente in Deutschland einem legitimatorischen Zweck, denn auf diese Weise bot sich die Möglichkeit, betriebsgemeinschaftliches und wirtschaftsfriedliches Denken und Handeln fortzuschreiben, das heißt in gewissem Sinn auch politisch zu neutralisieren. In bundesdeutschen Unternehmen bildete sich erst allmählich zwischen den fünfziger und siebziger Jahren ein auf humanwissenschaftliche Expertise gestütztes Personalmanagement heraus. Erst jetzt wurde die bereits seit längerem immer wieder erhobene Forderung, den Menschen in den Mittelpunkt des industriellen Geschehens zu rücken, nachhaltig in den Betrieben zu realisieren versucht.70 Es kam zu einer anthropozentrischen Rekonfiguration innerbetrieblicher Expertenfelder. »Den stärker praktisch ausgerichteten Humanexperten ging es nicht darum, Rationalisierungsingenieuren ihr herkömmliches Hoheitsgebiet streitig zu machen. Personalexperten und Betriebspsychologen wollten weder neue Technologien entwickeln, geschweige denn Maschinen konstruieren oder optimieren. Sie wollten stattdessen Maßnahmen und Verfahren in den Unternehmen implementieren, die mit Hilfe humanwissenschaftlichen Wissens darauf abzielten, das Verhältnis zwischen den einzelnen Menschen und seiner Arbeitsumwelt zu verbessern.«71 Guido Fischer, einer der wichtigen Protagonisten der Debatte um soziale Betriebsführung und die Rolle des Menschen im Betrieb, stellte 1949 – in einer Neuauflage seines bereits 1929 erschienenen Buchs Mensch und Arbeit im Betrieb  –  fest, dass die »Sorge des Arbeitgebers um seine Mitarbeiter« zweifach sein müsse: »um dessen Person und um dessen Familie. Sorgen darf aber nicht mit Bezahlen verwechselt werden, wie es nur zu oft heute üblich ist. […] Die Sorge um den Menschen Arbeiter muß beim Menschen beginnen. Dieser steht im Mittelpunkt des sorgenden Denkens, nicht der Lohn oder Gehalt.«72 Fischer ging es hier um die Notwendigkeit, ein psychologisches Verständnis der Persönlichkeit zu entwickeln; darum, sich ernsthaft um die Erhaltung der Arbeitskraft zu sorgen, Arbeitsleitungen zu würdigen und Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten.73 Dass erwachsene Menschen vielleicht ganz gut für sich selbst sorgen können (sollten), spielte hier keine Rolle, ging Fischer doch wie selbstverständlich davon aus, dass Arbeiter verantwortungsvoller Führung bedurften, da sie ansonsten Gefahr liefen, die mittels Lohn und Gehalt bereitgestellten materiellen Voraussetzungen jedweder Lebensführung ›falsch‹ einzusetzen. 70 | Vgl. Campbell, Joy [1989], S. 312-375; Guillén, Models [1994], S. 121137; Kleinschmidt, Blick [2002], S. 173-203; Rosenberger, Experten [2009]; Wiesen, Coming [2001], S. 566-574. 71 | Rosenberger, Experten [2008], S. 166. 72 | Fischer, Mensch [1929], S. 26f. 73 | Vgl. ebd., S. 27f.

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Das stand völlig im Einklang mit der Idee sozialer Rationalisierung, die Arthur Mayer 1951 auf sozialpsychologischer Grundlage entfaltete. Dieser gehe es um die »Bestgestaltung der Subjekt-Subjekt-Beziehungen«. Sie beschäftige sich mit den »mitseelischen Wirkkräfte[n] zwischen Mensch und Mitmensch, soweit sie auch im Gemeinschaftsleben des Betriebes realisiert werden«.74 »Wenn das Leben des Betriebsorganismus reibungslos funktionieren soll, ist es notwendig, daß die einzelnen Betriebsorgane und die Beziehungssysteme zwischen ihnen im Gesamt des Betriebes optimal aufeinander abgestimmt und aneinander angepaßt werden. […] Soll durch die arbeitspsychologische Rationalisierung die Bestgestaltung des Verhältnisses zwischen Mensch und Arbeit erreicht werden, so stünden wir auch mit ihrer Verwirklichung noch nicht am Ende der zu leistenden Aufgabe. […] Das Problem der Anpassung des Menschen an den Mitmenschen, die Bestgestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen, die ›Soziale Rationalisierung‹, ist jetzt anzupacken.«75

In den fünfziger Jahren konstatierte man, dass der menschliche Faktor in den letzten Jahrzehnten immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt sei.76 Allerorten, so berichtete R.G. Stansfield 1956 den deutschen Kollegen in Soziale Welt, sei ein »wachsendes Interesse an der Erforschung der Menschenführung und der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Industrie« festzustellen.77 Die Folge sei nun aber auch eine wachsende begriffliche Unklarheit. Dabei verwischten die Grenzen zwischen Begriffen wie »zwischenmenschliche Beziehungen in der Industrie«, »gute zwischenmenschliche Beziehungen in der Industrie«, »Vermenschlichung der Arbeit«, »Einfluß der menschlichen Faktoren auf die Produktivität« – obwohl das doch letztlich »ganz verschiedene Dinge« seien.78 Im Gefolge der Industrialisierung und der damit einhergehenden »Komplizierung des sozialen Aufbaus und Gefüges«, so Arnold Gehlen 1957, sei »die Erhaltung des sozialen Gleichgewichtes im einzelnen zu einer schwer lösbaren Aufgabe geworden«.79 So setzten dann Versuche ein, »aus der Massenhaftigkeit des sozialen Beieinanderseins als solchen moralische Maßstäbe zu nehmen, also aus der bloßen Menschlichkeit Leitbilder zu entwickeln. […] Diesen Forderungen entspricht in der Tat die Welle eines neuen Humanitarismus mit ihren sehr zahlreichen Symptomen, die von der Bewegung der moralischen Aufrüstung bis zu welt-

74 | Mayer, Rationalisierung [1951], S. 18, 22. 75 | Ebd., S. 34. 76 | Vgl. Richardson, Introduction [1954], S. 17. 77 | Stansfield, Beziehungen [1956], S. 204. 78 | Ebd., S. 206. 79 | Gehlen, Seele [1957], S. 39.

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weiten ›human-relations-Studien‹ reichen.«80 Wenngleich Gehlen den Human-Relations-Studien das Verkennen ihres zugrunde liegenden Impulses vorwarf, sie eher als Symptom denn als Lösung der sozialpsychologischen Probleme der industriellen Gesellschaft betrachtete und statt kosmetischer Oberflächenbehandlung eine grundlegende Besinnung auf die ordnende Kraft sozialer Institutionen anmahnte, so präsentierte er doch, freilich in kulturkritischer Manier, eine für den Untersuchungszeitraum typische intellektuelle Bewegung.

2. D IE O RDNUNG DER G EMEINSCHAF TEN Der Betriebs- und Werksgemeinschaftsdiskurs, wie er in Deutschland spätestens seit Ende des Ersten Weltkriegs an Dynamik gewann, ist einer der wichtigsten Bestandteile industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings. Der deutsche Gemeinschaftsdiskurs war vielfältig, weist aber einen relativ kohärenten Zug hinsichtlich seiner ideengeschichtlichen Bezüge und argumentativen Linien auf. Für die britische Verwendung des Community-Begriffs gilt das nicht in gleicher Weise. »Community« ist nicht Gemeinschaft. Vieles von dem, was sich in Deutschland mittels gemeinschaftlicher Semantiken verhandeln ließ, tauchte in Großbritannien in den Bezügen auf Gruppen als Ordnung verbürgende Formationen auf. Natürlich, auch in Großbritannien gab es seit der Jahrhundertwende Versuche einer kommunitaristischen Rekonfiguration des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft; Versuche einer harmonischen Abstimmung zwischen Einzelnem und Ganzen. Das war allerdings kein klassisches Gemeinschaftsdenken. Es ging mehr um die Frage der Herausbildung sozialer Regeln und Institutionen, um deren Stabilität und die Einklammerung menschlich-individueller Irrationalitäten als um Gemeinschaften im Tönnies’schen Sinn.81 Hier und da finden sich auch in Großbritannien Bemerkungen, die auf eine gemeinschaftliche Problematisierung des Industriebetriebs hindeuten. Es findet sich ein Gegeneinanderausspielen von Gemeinschaft und Klassenkampf samt einer entsprechenden Funktionsbestimmung von Sozialpolitik. »The fact that Welfare Work is said to pay both the employer and the employee suggests the possible development of a contented community within a discontented state.«82 Die Wohlfahrtsprogramme galten auch hier als Indiz dafür, dass Unternehmer die Fabriken nicht länger ausschließlich als Arbeitsplatz, sondern zunehmend auch als Gemeinschaften begriffen. »In the most progressive firms, opportunities are given for the creation of a ›community in which the workpeople shall find full scope for 80 | Ebd., S. 43. 81 | Vgl. zum Beispiel Crowley, Self [1987]; Schnorr, Liberalismus [1990], S. 313-332. 82 | Proud, Work [1916], S. 52.

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their physical, mental, and moral development‹.«83 Mitunter sei es für das Management durchaus ratsam, eine aktive Rolle bei der Herstellung eines befriedigenden »community life« zu übernehmen.84 Vereinzelte Bezüge auf Gemeinschaften im Betrieb gab es auch innerhalb der Industriesoziologie. Joan Woodward berichtete den deutschen Kollegen 1950/51 über Forschungen an der Universität Liverpool. Die dortige Industriesoziologie befasse sich, so Woodward, mit den Bedürfnissen und dem Verhalten des Einzelmenschen in seinen Arbeitsverhältnissen und seiner Arbeitsumgebung. Man könne davon ausgehen, dass auch das betriebliche Leben mit dem Grundproblem aller Gemeinschaften – der Schaffung harmonischer menschlicher Beziehungen  –  befasst sei. »Bei der Untersuchung einer solchen Gemeinschaft sucht die Industriesoziologie die Bedingungen herauszufinden, unter welchen eine wirksame und spontane Bereitwilligkeit der Anerkennung der Befehlsgewalt erfolgt, und wie sämtliche persönlichen Bedürfnisse jedes einzelnen in der Arbeitssituation befriedigt werden können.«85 Es ließen sich weitere Belege anführen, diese behielten aber ihren sporadischen Charakter und entsprächen in ihrer Gesamtheit nicht dem deutschen Betriebs- und Werksgemeinschaftsdiskurs. Anders als in Deutschland blieb der Begriff der Gemeinschaft in Großbritannien gegenüber demjenigen der Gruppe unterbestimmt. In Deutschland fügte sich seit dem Ersten Weltkrieg nachhaltig ein besonderer Gemeinschaftsdiskurs in einen allgemeinen ein. Es gab nahezu nichts, das nicht mit dem Attribut des Gemeinschaftlichen versehen werden konnte. Es wimmelte vor Volksgemeinschaften, Erziehungsgemeinschaften, Schicksalsgemeinschaften, Werksgemeinschaften, Betriebsgemeinschaften, Verkehrsgemeinschaften, Arbeitsgemeinschaften. Die verschiedenen Gemeinschaften stützten sich wechselseitig. Der Gemeinschaftstopos wirkte als Faszinosum, »das unterschiedlichste Autoren, Konzepte, Themen und Motive miteinander verbindet. Gegen ein reduziertes Verständnis des Sozialen generierte die Sehnsucht nach Gemeinschaft Bilder, Diskurse und neue kulturelle Praktiken.«86 Er strukturierte die Suche nach politisch-sozialer, rechtlicher, wirtschaftlicher, betrieblicher und sonstiger Ordnung; er prägte Arbeitsrechtskulturen und Berufsausbildung, Körperkulturen, Literatur, Konsumvorstellungen, wissenschaftliche Disziplinen.87 Die unterschiedlichen Gemeinschaften konnten zwar in Konkurrenz treten, waren allerdings keineswegs als sich ausschließende 83 | Richardson, Introduction [1954], S. 39. 84 | Vgl. Fogarty, Personality [1956], S. 328f. 85 | Woodward, Forschung [1950/51], S. 24. 86 | Baxmann, Mythos [2000], S. 7. 87 | Vgl. Boukrif u.a., Geschlechtergeschichte [2002]; Gutjahr u.a., Attraktion [2001]; Hardt, Körper [2004]; Hochstetter, Motorisierung [2005]; König, Volkswagen [2004]; Kott, Gemeinschaft [1996]; Krell, Personalpolitik [1995]; Mückenberger/Supiot, Ordre [2000]; Nolte, Ordnung [2000]; Stolleis, Gemeinschaft [1972].

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Ordnungen konzipiert. Vielmehr zeigen sich aufsteigende und absteigende, teilweise sich kreuzende Linien zwischen Werks-, Betriebs-, Arbeits-, Volks- und sonstigen Gemeinschaften. Der deutsche Gemeinschaftsdiskurs bewegte sich lange Zeit auf den von Ferdinand Tönnies gelegten Gleisen. Vor allem biologistische und entwicklungslogische Lesarten der Tönnies’schen Überlegungen erwiesen sich als anschlussfähig. Die Dynamik des Gemeinschaftsdenkens verdankt viel dem Ersten Weltkrieg. Die »Erfindung der Volksgemeinschaft« (J. Verhey) resultierte aus einer Transformation des beschworenen »Augusterlebnisses«. Die Vorkriegszeit wurde als Zeit sozialer, politischer, religiöser und auch nationaler Zerrissenheit imaginiert. Damit korrespondierte eine intensive Debatte um die Erneuerung der politischen Ordnung. Mit der Polarisierung der Kriegsgesellschaft seit 1916 löste sich die Gegenüberstellung von Vorkriegszeit und Augusterlebnis zugunsten einer neuen Gegenüberstellung von Fronterlebnis und Heimat auf. Der verschwunden geglaubte »innere Feind« kehrte zurück.88 Nach dem Ende des Kriegs wurde der Topos der Gemeinschaft entlang der vorstrukturierten Linien in unterschiedlichen Bereichen als Ordnungsmodell in Stellung gebracht und gerann zum »Herzstück einer politischen Sprache […], die alle diejenigen sprechen mussten, die politisch gestalten wollten«.89 Gemeinschaftsdenken findet sich in nahezu allen politischen Lagern, ließ sich scheinbar mühelos in die unterschiedlichsten politischen Programme und Gesellschaftsanalysen einbetten, etablierte den Bezugsrahmen für eine Vielzahl politischer Themen und schrieb sich in politische Erwartungsstrukturen ein.90 In der Weimarer Republik zog das Versuche nach sich, gemeinschaftliche Bezüge im Arbeitsrecht zu verankern, das Eigenrecht betrieblicher Gemeinschaftsordnung zu wahren und werksgemeinschaftliche Strategien an die Lösung der sozialen Frage zu koppeln. Die Hauptlinien dieser Diskussionen setzten sich im Nationalsozialismus fort. Arbeitsrechtlich und sozialpolitisch galt der Betrieb weiterhin als zentraler Ort des Ausgleichs sozialer Konflikte. Konflikte sollten auf betrieblicher Ebene eingehegt und dort nachhaltig gelöst werden. In modernisierter Form wirkten Gemeinschaftstheoreme – nun zum Teil mit neuem Etikett – auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiter, strukturierten zumindest teilweise die betriebliche Praxis vor Ort sowie die betriebs- und sozialpolitischen Debatten. Der folgende Durchgang variiert wiederkehrende Themen. Er skizziert Diskussionen der Frage, ob der Gemeinschaftsbegriff auf den Industriebetrieb anwendbar sei, ob Betriebe gemeinschaftlich verfasst waren oder zumindest sein konnten. Es geht um Entwicklungen im Arbeitsrecht, in soziologischen Analysen und sozialpolitischen Positionen. Mit der Frage nach den Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen 88 | Vgl. Bruendel, Volksgemeinschaft [2003]; Verhey, Geist [2000]. 89 | Heinsohn, Volksgemeinschaft [2002], S. 85. 90 | Vgl. Mergel, Führer [2005], S. 97-101; Thamer, Nation [1990]; Ders., Volksgemeinschaft [1998], S. 368-379.

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der Gemeinschaft im Industriebetrieb rückte erneut die Frage nach dessen Verhältnis zu seiner Umgebung in den Blick. Erneut ging es um das Verhältnis betrieblicher und überbetrieblicher Perspektiven.

Tönnies and beyond Das spätere Wuchern der Gemeinschaftsdiskurse fand rückblickend in Ferdinand Tönnies‘ Gemeinschaft und Gesellschaft seinen stabilisierenden Bezugspunkt.91 Tönnies unternahm darin den Versuch, zwei Grundbegriffe der Soziologie zu bestimmen. »Alles vertraute, heimliche, ausschließliche Zusammenleben (so finden wir) wird als Leben in Gemeinschaft verstanden. Gesellschaft ist die Öffentlichkeit, ist die Welt. In Gemeinschaft mit den Seinen befindet man sich, von der Geburt an, mit allem Wohl und Wehe daran gebunden. Man geht in die Gesellschaft wie in die Fremde. […] Gemeinschaft der Sprache, der Sitte, des Glaubens; aber Gesellschaft des Erwerbes, der Reise, der Wissenschaften.«92 Tönnies zielte mit seiner Begriffsarbeit darauf, einen Betrag zur Begründung der modernen Soziologie zu leisten, das heißt in Abgrenzung zur Biologie das Soziale als Natur des Menschen zu bestimmen. Das schützte die Begriffsbildung nicht vor einer organizistisch-biologistischen Lesart und diese wiederum nötigte Tönnies in der Vorrede zur zweiten Auflage von 1912 zu einer Klarstellung: Dass zwischen biologischen und soziologischen Phänomenen Analogien bestünden, wolle er nicht leugnen, dabei müsse aber bedacht werden, dass es sich um Analogien handle, die »in den allgemeinen und gemeinsamen Erscheinungen des Lebens als einer Einheit des Mannigfachen, einer Wechselwirkung von Teilen mit einander und dadurch mit dem Ganzen, dessen Teile sie sind, in den Tendenzen, die wir bald als Differenzierung von Organen und Funktionen, bald (auch in der Physiologie) als Teilung der Arbeit erkennen und bezeichnen«, beruhten. Jenseits dessen vermochte er »nicht einen guten Sinn in der Behauptung zu erkennen, der Staat, die Gemeinde oder irgendeine menschliche Genossenschaft ›sei‹ ein Organismus.«93 Das diskursive Wuchern der Gemeinschaften zeigt sich auch in einer mit der zweiten Auflage von 1912 massiv einsetzenden Rezeption von Gemeinschaft und Gesellschaft. Bis 1935 folgten in rascher Folge sechs wei91 | Vgl. Bickel, Tönnies [1991]; Bond, Sociology [1991]; Carstens, Tönnies [2005]; Clausen, Jahre [1991]; Ders., Tönnies [1985]; Ders./Schlüter, Ausdauer [1991]; Dies., Renaissance [1990]; Clausen/Pappi, Ankunft [1981]; Jacoby, Gesellschaft [1971]; Merz-Benz, Tiefsinn [1995]; Osterkamp, Gemeinschaft [2005]. 92 | Tönnies, Gemeinschaft [1887], S. 3f. 93 | Ebd., S. XXXXIf. Zu Tönnies‘ Auseinandersetzung mit den Spielarten naturwissenschaftlicher Gesellschaftslehre sowie seiner Kritik am Sozialdarwinismus vgl. Bickel, Tönnies [1991], S. 175-203; Jacoby, Gesellschaft [1971], S. 141-169.

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tere Auflagen. Erst jetzt setzte eine »schwer abschätzbare in die Breite gehende Wirkung des Werkes ein, die in dem kriegerischen und kulturrevolutionären zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Grenzen wissenschaftlicher Fachöffentlichkeit überspringt.«94 Tönnies‘ Buch wurde in den zwanziger Jahren einerseits zum Ausgangspunkt soziologischer Forschungen, andererseits zum Bezugspunkt einer diffusen und wirkmächtigen öffentlichen Debatte. Mit Karl Dunkmann meldete sich natürlich auch einer der prominentesten Werksgemeinschaftsdenker der Weimarer Republik zu Wort. Dunkmann, der als Soziologe unter anderem an der Technischen Hochschule Berlin, als Publizist und nicht zuletzt im Auftrag der Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände vielfältig tätig war, diskutierte in den Bezügen auf Tönnies zudem die Frage der Anwendbarkeit soziologischer Begriffs- und Theoriebildung. Es war insbesondere Dunkmann, der Tönnies‘ Kategorien in eine »eingreifende Soziologie« zu transformieren und in die Betriebe hineinzutragen trachtete.95 Als Propagandist einer »angewandten Soziologie«, bemerkte er, dass mit Tönnies‘ Buch »die deutsche Soziologie […] erst recht eigentlich« beginne: »Eine 94 | Osterkamp, Gemeinschaft [2005], S. 3. Nach wie vor umstritten ist die Frage, ob es sich bei dieser folgenreichen Tönnies-Rezeption um eine ›Fehlinterpretation‹ oder ein ›Missverständnis‹ handelte. So betont Bickel, Tönnies [1991], S. 23, dass Tönnies‘ Gemeinschaftsbegriff sich deutlich von demjenigen konservativer Zivilisationskritik unterscheide und sich – darin durchaus in der Nähe von Plessners Kritik des Gemeinschaftsradikalismus – gegen den politischen Irrationalismus wende. »Plessner opponierte gegen die antidemokratischen Konsequenzen aus der Entgegensetzung von Kultur und Zivilisation – Tönnies gegen sozialharmonistische Ansichten, die den krisenhaften Charakter der (kapitalistischen) Gesellschaft nicht wahrhaben wollten, das heißt, sowohl gegen eine Verschleierung sozialer Konflikte durch Gemeinschaftsideologen wie auch eine Hypostasierung der ›gesellschaftlichen‹ zur ›natürlichen‹ Lebensform.« Osterkamp, Gemeinschaft [2005], S. IX, argumentiert in eine ähnliche Richtung und bemerkt, Gemeinschaft und Gesellschaft sei »in mißverstehender Weise zum Kultbuch einer utopisch-kulturrevolutionären Jugendbewegung« und diese Rezeption dann wiederum verantwortlich »für ein Vierteljahrhundert erfolgreiche Traditionsexkommunikation nach dem Kulturbruch von Nazi-Herrschaft und Zweitem Weltkrieg durch René König« geworden. Überzeugender ist allerdings Dirk Käslers Einspruch gegen eine exkulpatorische Trennung von Werk und Rezeption, die verdecke, dass Tönnies‘ voller (sprachlicher) Färbungen, Konnotationen und Wertungen sei, die die vermeintlichen »Missverständnisse« und »Fehlinterpretationen« begünstigen (vgl. Käsler, Erfolg [1991]). René König hatte in der Tat bereits 1955 ähnliches gezeigt – nicht als diskursiver Polizist der Nachkriegssoziologie, sondern mit dem Mut zu genauem Hinsehen (vgl. König, Begriffe [1955], insbes. S. 377f., 383f.). 95 | Vgl. Schuster, Industrie [1987], S. 110-120, 131-146.

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neue Phase der Geisteswissenschaften steigt empor, die soziologische, und Tönnies wird ihr Führer sein. Dem alten Idealismus folgt der neue, der bodenwüchsige, realistische, der seinen Weg geht zwischen den sterilen Gegensätzen von Idealismus und Materialismus, Realismus und Nominalismus, Romantik und Rationalismus. Und auch in die Praxis deutet sein Finger: In die Praxis einer auf Gemeinschaft und Genossenschaftswesen drängenden Sozialpolitik.«96 Theodor Geiger äußerte sich mit Blick auf die öffentliche Diskussion der Tönnies’schen Kategorien, in der der Begriff der Gemeinschaft »eine bedeutende, nicht immer glückliche Rolle« spiele, kritischer. In pragmatischer Umprägung des Begriffspaars von Gemeinschaft und Gesellschaft sei der Begriff der Gemeinschaft durch Jugendbewegung, bürgerliche Kulturkritik und »neuromantischen Zivilisationspessimismus« zum »Ur- und Endtypus« avanciert und »Tönnies Werk in einem dem durchaus unromantischen Urheber fremden Sinne aktuell« geworden.97 Es war vor allem die entwicklungslogische Dimension des Tönnies’schen Begriffspaars, die es ermöglichte, die Begriffsdichotomie in eine Interpretation eines deutschen (Sonder-)Wegs in die Moderne als Verlust- und Verfallsgeschichte zu integrieren.98 Nicht so sehr die begrifflichsystematische Ebene, sondern Tönnies‘ Rekonstruktion der Grundstrukturen der europäischen Geschichte in Mittelalter und Neuzeit, die ihn unmittelbar zu einer Kritik der Gegenwart führte, wurde wirkmächtig.99 Und das lag durchaus nahe, wenn man sich zum Beispiel Tönnies‘ Darstellung der Geschichte des Rechts vergegenwärtigt. Was sich zunächst als »Fortschritt, Verfeinerung, Veredlung, Erleichterung, […] Billigkeit, Vernunft, Aufklärung« zeige und die »Emanzipation der Individuen von allen Banden der Familie, des Landes und der Stadt, des Aberglaubens und Glaubens, der angeerbten und überlieferten Formen, der Gewohnheit und Pflicht« sowie eine »der beschauliche, klare, nüchterne Bewußtheit« bedeute, »mit welcher Gebildete und Gelehrte den göttlichen und menschlichen Dingen gegenüberzustehen wagen«, sei doch zugleich der »Sieg des Egoismus, der Frechheit, der Lüge und Künstelei, der Geldgier, der Genußsucht, des Ehrgeizes« und befördere den »Untergang des schaffenden und genießenden gemeinschaftlichen Haushalts«. Dem Recht der Gemeinschaft würde so die Wurzel abgeschnitten. »Hiermit sind einige der wichtigsten Linien dieser in zunehmendem Fortschritte unaufhaltbaren Disintegration bezeichnet.«100 96 | Dunkmann, Bedeutung [1925/26], S. 49f. 97 | Geiger, Gemeinschaft [1931], S. 175f. 98 | Zur Begriffsdiskussion vgl. Gangl, Historismus, [1996] S. 111-115; sowie Bickel, Tönnies [1991], S. 55-81; Jacoby, Gesellschaft [1971], S. 5292; Merz-Benz, Architektonik [1991]; Ders., Tiefsinn [1995], S. 305-348; Osterkamp, Gemeinschaft [2005], S. 261-325. 99 | Vgl. Bickel, Tönnies [1991], S. 176-184; sowie Käsler, Erfolg [1991]. 100 | Vgl. Tönnies, Gemeinschaft [1887], S. 176-184.

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Die vergemeinschaftende Problematisierung des Industriebetriebs erfolgte im Spannungsfeld konkurrierender Begriffe von Gemeinschaft.101 Bereits der Bezug auf Tönnies war umkämpft, fanden dessen Überlegungen doch überall Resonanz, während er selbst als Sympathisant der Arbeiterbewegung galt. Wem gehörte Tönnies? Annemarie Hermberg unternahm 1925 in der Gewerkschaftszeitschrift Die Arbeit den Versuch, Tönnies vor einer Vereinnahmung durch Karl Dunkmanns gemeinschaftlich gefärbte »Arbeitsgeberideologie« in Schutz zu nehmen. Hermberg argumentierte, dass für Tönnies »die Veränderung des sozialen Lebens« das Kernproblem sei, während es Dunkmann »um seine Veränderung nur insoweit zu tun [sei], als es sich dadurch dem Idealzustand nähert, in dem sich Gemeinschaft und Gesellschaft ›gegenseitig die Waage halten‹. Davon ist bei Tönnies keine Rede.«102 Tönnies‘ Bekenntnis zur Arbeiterbewegung wurde hier zum Gradmesser seines Realismus. Umgekehrt zeige sich in der Geringschätzung der Arbeiterbewegung durch Dunkmann dessen mangelnder Realitätsbezug und Utopismus, seine theologische und eben nicht soziologische Betrachtungsweise. »Dunkmann will Gemeinschaft, und weil er sie will, analysiert er die heutige Wirklichkeit in einem Sinne, als ob Gemeinschaft in ihr oder jedenfalls möglich sei.« Dunkmann gieße »gleichsam alle sozialen Erscheinungen sehr willkürlich in die Tönniesschen Formen: der richtige Guss stellt dann einen sozialen Idealzustand dar.«103 Mit dem Begriff der Gemeinschaft werde »ein im Grunde unerhörter Unfug getrieben« Die propagierte Werksgemeinschaft könne eben so lange keine Gemeinschaft im Tönnies’schen Sinn sein, wie nicht auch die Unternehmer seelisch vollends in ihr aufgingen.104 Dagegen müsse anerkannt werden, dass die Formen gemein101 | Die Ironie der Geschichte: Die unterschiedlichen Interpretationen reproduzierten jenen Klassenantagonismus, der doch mit der Evokation von Gemeinschaft geleugnet oder überwunden werden sollte. 102 | Hermberg, Gemeinschaftsideologie [1925], S. 621f. 103 | Ebd., S. 629f. 104 | Vgl. Fricke, Seele [1927], S. 12f. Rückbezüge auf Tönnies waren vielfältig präsent, wenn es darum ging, die betriebs-soziale Realität zu beurteilen und Handlungsperspektiven für deren Gestaltung zu entwickeln. Die von Kritikern wiederholt vorgetragene Feststellung, dass Werksgemeinschaft durchaus nichts mit dem soziologischen Gemeinschaftsbegriff zu tun habe, griffen auch die Propagandisten der Werksgemeinschaft zumindest auf. »Soziologisch betrachtet ist nach Tönnies das Kennzeichen der Gemeinschaft das Gefühl ›wesenhafter Verbundenheit‹. Das Wort Werksgemeinschaft dürften wir somit gegenwärtig im soziologischen Sinne kaum gebrauchen, wenn wir das Arbeitsverhältnis im Betrieb bezeichnen wollen. Ich glaube jedoch, daß eben die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten eine Grundstimmung erzeugen können, die die Vorbedingung für das Erwachen eines Gefühls der ›wesenhaften Verbundenheit‹ sein kann« (Vorwerck, Beleuchtung [1928], S. 20).

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schaftlichen Zusammenlebens, die auch die Arbeiterbewegung wolle, aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit heraus und auf gesellschaftlichem, nicht auf dem Weg der Werksgemeinschaft zu erreichen seien. Tönnies selbst hatte in den zwanziger Jahren gegen die Werksgemeinschaftsidee Stellung bezogen und dagegen genossenschaftliche Selbstversorgung in einen Zusammenhang mit Möglichkeiten der Vergemeinschaftung gestellt – einen Weg, den er im Einklang mit seinem Engagement für die Arbeiterbewegung sah. Die Werksgemeinschaft sei nicht in der Lage, dies zu leisten, nicht zuletzt aufgrund ihrer einseitig unternehmerfreundlichen und anti-gewerkschaftlichen Stoßrichtung. Unter den Bedingungen des industriellen Großbetriebs sei es unmöglich, die gemeinschaftlichen Formen des handwerklichen Betriebs zu reaktivieren. Wo solche noch anzutreffen seien, handle es sich um Restbestände. Nötig seien neue Formen der Gemeinschaft, und diese ließen sich ohne Gewerkschaften, die den Arbeiter im industriellen Großbetrieb überhaupt erst zum wirklichen Vertragspartner und damit potentiellen Gemeinschaftsangehörigem machten, nicht denken.105

Arbeitsgemeinschaft, Betriebsgemeinschaft, Werksgemeinschaft Die Beschwörung des gemeinschaftlichen Charakters industrieller Arbeits- und Sozialverhältnisse hatte in der Weimarer Republik bereits Tradition. Sie richtete sich gegen Vertrags- und Klassenkampfdenken und zielte auf die Etablierung einer der betrieb-sozialen Realität ›angemesseneren‹ Sicht auf den Industriebetrieb. Richard Ehrenberg, Ökonomieprofessor an der Universität Rostock,106 verwandte beachtliche Energie darauf, die Idee der Arbeitsgemeinschaft empirisch zu unterfüttern, statt sie lediglich als sozialreformerische Forderung in den Raum zu stellen. Es sei ein schwerer Irrtum, verstünde man das Arbeitsverhältnis ausschließlich »als Vertrag, als Kampf oder auch als Herrschafts-Verhältnis«.107 Es sei beklagenswert, dass das Arbeitsverhältnis kaum noch als Arbeitsgemeinschaft erkannt werde. »Vieles ist geschehen, wodurch die Arbeitsgemeinschaft geschwächt worden ist: vor allem die Entwicklung des neuzeitlichen Großbetriebs, der sozialistische ›Klassenkampf‹ und die ›liberale‹ Anschauung, welche die Arbeit wie eine ›Ware‹ behandelt. Wer das Arbeitsverhältnis als einen Kampf oder auch nur als einen Vertrag ansieht, wirkt für die Zerstörung jenes organischen Zusammenhangs der ›Arbeiter‹ mit der Unternehmung, für die Zerstörung der Arbeitsgemeinschaften, auf denen unsere ganze Produktionsordnung beruht. Nicht nur der sozialistische ›Klassenkampf‹, sondern

105 | Vgl. Tönnies, Gemeinschaft [1928]. 106 | Vgl. Campbell, Joy [1989], S. 100-102. 107 | Ehrenberg, Arbeitsverhältnis [1909], S. 176.

K ONKRETISIERTE O RDNUNG auch die ›liberale‹ Vertragstheorie muß, wenn und soweit eine von ihnen zur ausschließlichen Herrschaft gelangt, unsere Produktionsordnung zerstören. Aber dauernde Arbeitsgemeinschaften sind so unentbehrlich für das Gedeihen des wirtschaftlichen Körpers, daß das Bedürfnis nach solchen Arbeitsgemeinschaften sich immer wieder Bahn bricht.«108

Die Verteidigung einer von Zerstörung bedrohten Produktionsordnung, die gemeinschaftliche Ordnung betriebs-sozialer Verhältnisse rückte in der Weimarer Republik immer stärker in den Mittelpunkt. Gemeinschaft wurde zum Gradmesser für Organisationen und Institutionen. Die Werksgemeinschaft wurde als Lösung für die als brennend wahrgenommene Frage des sozialen wie auch des Wirtschafts- und Arbeitsfriedens propagiert. Interessenunterschiede mussten dafür nicht in Gänze geleugnet, sondern lediglich rekonfiguriert werden. Sie durften nicht länger als konstitutiv für die Gesellschaftsordnung begriffen werden und sich nicht in gegeneinander kämpfenden Organisationen realisieren.109 In exemplarischer Bündelung kommen die skizzierten Entwicklungen in einem durch seine entwicklungslogische Brillanz gekennzeichneten Artikel Hermann Meissingers zum Ausdruck. Unmittelbar nach der Novemberrevolution, so Meissinger, habe sich eine Idee durchgesetzt, wonach Interessenorganisationen und Staat die Wirtschaft zu gestalten und zu beherrschen hätten. Gegenwärtig, 1926, komme das Gegenstück zum Tragen, wonach der Betrieb als »Wurzel eines Wirtschaftskörpers« wieder zu seinem Recht und größerer Geltung verholfen werden solle. Aus diesem Gegensatz leitet Meissinger nun die ›angemessene‹ Perspektive auf den Betrieb und seine Gestaltung ab: »Zwischen die bisherige These der Organisationspolitik und die Antithese reiner Betriebspolitik ist die für uns allein gangbare und nutzbringende Synthese der Betriebsgemeinschaft mit eigenen Betriebsaufgaben als gleichberechtigter Faktor unserer Arbeits- und Wirtschaftsverfassung neben die Organisation zu stellen.«110 Einen ersten Versuch, gemeinschaftliche Formen auf höherer Ebene zu institutionalisieren, stellte die Zentral-Arbeitsgemeinschaft der Industriellen und Gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands dar.111 Deren Stellenwert war freilich umstritten. Lothar Erdmann wies in der Gewerkschaftszeitschrift Die Arbeit darauf hin, dass die neue Form des Interessenausgleichs und der Verfolgung gemeinsamer Interessen keineswegs die Aufhebung aller Interessengegensätze oder gar die Verwirk-

108 | Ehrenberg, Schwäche [1911], S. 431. 109 | Vgl. Campbell, Joy [1989], S. 158-177; Frese, Betriebspolitik [1991], S. 10-35; Krell, Personalpolitik [1995], S. 85-120. 110 | Meissinger, Betriebsgemeinschaft [1925], S. 253. 111 | Vgl. Feldman/Steinisch, Industrie [1985]; Schönhoven, Gründung [1990].

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lichung einer Gesinnungsgemeinschaft bedeute.112 Man interpretierte die Arbeitsgemeinschaft als Schritt von der individuellen zur kollektiven Interessenvertretung, der zwar wegweisend im Sinn eines sozialen Ausgleichs sei, nicht aber als »Erfüllung der Gemeinschaftsideen« missverstanden werden dürfe. Dem widerspräche nicht zuletzt der Klassenkampfcharakter der beteiligten Organisation.113 Ebenso wie die Zentral-Arbeitsgemeinschaft ist auch das Betriebsrätegesetz vom Februar 1920 Indiz einer neuen Aufmerksamkeit für die Gestaltung industrieller Arbeitsbeziehungen. Die zeitgenössischen Debatten um Mitbestimmung kreisten um die Frage nach der neuerlichen Etablierung einer betrieblichen Arbeitsorganisation. Dabei sollten nicht nur funktional-organisatorische Erfordernisse angegangen, sondern zugleich mit integrationistischer Stoßrichtung die Folgen zunehmender Arbeitsteilung, Maschinisierung und dergleichen aufgefangen werden. »Das Betriebsrätegesetz«, so Werner Plumpe, stellte »gleichzeitig ein Angebot und eine Vorgabe dar, die Neuordnung der betrieblichen Arbeitsbeziehungen bei Wahrung der bestehenden Eigentumsverhältnisse auf der Ebene der Kooperation vorzunehmen, Konflikte frei zu artikulieren und berechenbar und geregelt auszutragen. Es sollte die Betriebe zugleich demokratisieren und effektiver machen und damit einen Ausweg aus der Leistungskrise weisen. Es änderte nicht die Tatsache, daß Betriebe Funktions- und ›Herrschafts‹-Systeme zugleich waren und blieben, versuchte aber beides in einen rationaleren Zusammenhang zu setzen.«114 Die arbeitsrechtlichen Neuordnungsversuche gerieten rasch in gemeinschaftliches Fahrwasser. Auch hier zeichneten sich Konturen einer nicht zuletzt rechtlich gerahmten Betriebsgemeinschaft ab, die wiederum die Idee einer zusammenhängenden, dem Ideal nach einheitlichen Sozialverfassung des Betriebs transportierte. So integrierte beispielsweise das Reichsarbeitsgericht Bezugnahmen auf soziale Arbeits- und Betriebsgemeinschaften in die Rechtsprechung. Die Arbeits- und Betriebsgemeinschaft wurde zu einer dritten Rechtsquelle – neben der Gesetzgebung und dem individuellen Arbeitsvertrag.115 Vorreiter war die Rechtsprechung freilich nicht, vielmehr reflektierte sie eine bestimmte Diskussion, die 112 | Vgl. Erdmann, Problem [1926]. Seitens des Deutschen Metallarbeiter-Verbands wurde argumentiert, dass die Arbeitsgemeinschaft eine organisatorische Form der Zusammenarbeit von Kapital und Arbeit »zu dem Zweck der Hebung unseres Wirtschaftslebens überhaupt« sei und sich als solche »durchaus bewährt« habe (vgl. Deutscher Metallarbeiter-Verband, Handbuch [1919], S. 7-16). Diese Position wies unmittelbar nach der Revolution zudem eine entschieden gegen das Rätesystem gerichtete Stoßrichtung auf. 113 | Vgl. Albrecht, Arbeitsgemeinschaft [1928], S. 530-535. 114 | Plumpe, Mitbestimmung [1999], S. 10; vgl. auch Dukes, Origins [2005]. 115 | Vgl. Becker, Arbeitsvertrag [2004], S. 117-126, 316-333.

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sich unmittelbar um das Betriebsrätegesetz herum entwickelt hatte. Mit dem Betriebsrätegesetz, so Heinz Potthoff, der als Mitherausgeber der Zeitschrift Arbeitsrecht, Referent im Bayrischen Ministerium für soziale Fragen (1918-1920) sowie Regierungsrat im Reichsarbeitsministerium (1928-1933) einer der wichtigen Arbeitsrechtler der Weimarer Republik war,116 komme eine recht junge Haltung zum Ausdruck, die davon ausgehe, dass der Betrieb zur Grundlage der Organisation der Gesellschaft und der Wirtschaft geworden sei. Zum ersten Mal werde »die Verbundenheit der in einem Betriebe tätigen Menschen zu einer Arbeitsgemeinschaft« anerkannt.117 Das Betriebsrätegesetz wahre die Gemeinsamkeit aller Interessen, verhüte, »daß sie zum bloßen Betriebsinstrument werden« und bilde »damit auch einen Damm gegen übertriebenen Betriebsegoismus des Unternehmers.«118 Problematisch hieran war jedoch aus Perspektive einiger Gemeinschaftsdenker der Versuch, den Betrieb von außen mittels Gesetzgebung zu reglementieren. Dem müssten enge Grenzen gesetzt werden. Wenngleich das Betriebsrätegesetz die Möglichkeiten geboten habe, Formen von Gemeinschaft zu entwickeln, seien staatlich-gesetzliche Reglementierungen im Allgemeinen doch hinderlich.119 Die betriebliche wie jede andere Gemeinschaft auch, so Alfred Striemer, beruhe nicht auf »irgendwelchen Rechtsverhältnissen«, sondern entstehe »durch das Vorhandensein eines Zusammengehörigkeitsgefühls, durch natürliche Triebkräfte, die die Parteien zueinander drängen, weil sie fühlen, daß sie, miteinander verbunden, ein Mehr an Lebenswerten gewinnen.«120 Derartige Bestimmungen führten zu der Frage, was die einer betrieblichen Gemeinschaft angemessene Verfassung sei. Striemer hob hervor, dass nicht nur eine Werksgemeinschaft denkbar sei, die »den alten obrigkeitlichen, patriarchalischen Geist zur Geltung« bringe und »den sich heute den Weg suchenden demokratischen Geist« vernichte, sondern auch eine »Werksgemeinschaft der freien und gleichen Kontrahenten, die die Gemeinschaft erstreben, weil sie über die Leistung der einzelnen hinausgehende, qualitativ höhere Werte schafft, indem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer etwa wie gleichberechtigte Gesellschafter vereinigen.«121 Diese irgendwie demokratisch-gesellschaftlich gedachte Werksgemeinschaft stellt eine Variation des Themas dar. Sie deutet die Vielfältigkeit und Ambivalenz möglicher Realisierungen des Gemeinschaftsdenkens an, ohne deren Mainstream zu bezeichnen. Dieser wies eine anti-demokratische Stoßrichtung auf. Die Werksgemeinschaft sei gerade »keine Demokratie, geleitet von einem Ausschuß zweier gleichberechtigter Parteien«, sondern sie könne

116 | Vgl. ebd., S. 193-208, 440-444. 117 | Potthoff, Probleme [1925], S. 10f. 118 | Schneider, Werksgemeinschaft [1925], S. 282. 119 | Vgl. Winschuh, Grundlagen [1925], S. 259-262. 120 | Striemer, Werksgemeinschaft [1925], S. 285f. 121 | Ebd., S. 286.

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»nur eine konstitutionelle Monarchie sein«.122 Die Werksgemeinschaft müsse die Struktur »einer ganz bestimmten und durchaus geregelten und gegliederten Zusammenarbeit« widerspiegeln. »Daraus folgt, daß es eine konkrete Werksarbeitsgemeinschaft mit schematisch verstandener Gleichberechtigung, also mit gleicher Geltung und Wertung beider Teile, nicht geben kann. […] Die Gleichberechtigung kann – wie übrigens in jeder Demokratie – nur theoretisch gegeben sein im Sinne der Schaffung gewisser allgemeiner und gleicher rechtlicher Bedingungen und gewisser gleicher Möglichkeiten. Darüber hinaus wird aber sofort diese abstrakte Gleichberechtigung ausgefüllt, gegliedert und verwandelt durch das konkrete Kraft- und Wertverhältnis der theoretisch Gleichgestellten, durch das Verhältnis von Aufgabe, Fähigkeit und Macht […]. Erst beides, jene Gleichheit und diese Verschiedenheit, harmonisch vereint und durchdrungen, gibt das wahre schöpferische Bewußtsein der Werksgemeinschaft.«123

Grundsätzlich zeigte sich im Werksgemeinschaftsdiskurs eine Praxis der Grenzziehung betrieblicher und überbetrieblicher Ordnung. »Im Wirtschaftsleben kann aber ein Gemeinschaftsgefühl nicht aufkommen, wenn dieses Gefühl nicht zunächst in den Zellen vorhanden ist.«124 Die Gewerkschaften reagierten kritisch. Zwar ließe sich in den Rufen nach einer Volksgemeinschaft auch der Ausdruck einer Einsicht in die Notwendigkeit sozialer Verständigung sehen, vor allem aber handle es sich um die Verschleierung des Versagens der Unternehmer, die ihrer Verantwortung nicht nach- und nun mit Appellen an die Arbeiter daherkämen. Das Gerede von Werksgemeinschaft stehe in der Tradition »krampfhafte[r] Versuche der kapitalistischen Soldschreiber, die wirtschaftlichen Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit zu verdunkeln, aber die Berührungspunkte zwischen diesen beiden Seiten unseres Wirtschaftslebens ins beste Licht zu rücken.«125 Da der Gegensatz unvereinbarer Interessen jedoch im Wesen des Kapitalismus selbst verankert sei, mussten auch die »Vertreter des Harmoniegedankens […] im Laufe der Zeit zu ihrem Schaden erkennen, daß dieser Gedanke in der Praxis jedesmal Schiffbruch litt und daß auch sie kämpfen mußten, wenn sie beim Unternehmertum ihre Forderungen 122 | Winschuh, Grundlagen [1925], S. 268. Auch die Metallarbeiter-Zeitung veröffentlichte bereits 1919 einen Artikel, der argumentierte, dass die Arbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeiter »keine parlamentarische Institution, keine Instanz zum Austragen von Streitigkeiten, sondern eine praktische Tatsache« werden solle – »aufgebaut auf das Verstehen und Erkennen beiderseitiger Bedürfnisse und Forderungen im Interesse gegenseitiger Existenzmöglichkeit« (Michel, Beitrag [1919], S. 147). 123 | Winschuh, Grundlagen [1925], S. 265-267. 124 | Vorwerck, Beleuchtung [1928], S. 24. 125 | Anonym, Werksgemeinschaft [1924], S. 30.

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durchsetzen wollten.«126 Klar wurde erkannt, dass es sich bei der Werksgemeinschaftsidee um den Versuch handelte, die Gewerkschaften auszuschalten und den überkommen geglaubten »Herr-im-Hause«-Standpunkt zu reetablieren. Das Problem der Werksgemeinschaftsidee sei ihre völlig unangemessene Sicht auf die betriebliche Realität unter kapitalistischen Bedingungen. »Dieser in der geschichtlichen Situation gegebene sachliche Gegensatz [von Arbeitern und Unternehmern] wird nicht durch wohlgemeinte Sentimentalitäten über den Fluch des Klassenkampfes aus der Welt geredet. Es gilt seine Ursachen zu beseitigen, um seiner Wirkungen Herr zu werden.«127 Zudem könne nicht verneint werden, dass der sozialistischen Idee selbst »gemeinschaftsbildende Kraft« innewohne und sich historisch nicht der Betrieb, sondern vor allem die Gewerkschaften als jene Kräfte erwiesen, die das Schicksal der Arbeiter umzugestalten in der Lage seien. Historisch habe sich erwiesen, dass der Betrieb zwar Lebenssphäre, nicht aber Lebensinhalt der Arbeiter sei. Aufgabe der Gewerkschaften sei es, die Verarmung des gesamten Lebens der Arbeiter durch den Betrieb zu bekämpfen. »Der Betrieb ist zwar Schicksal des Arbeiters  –  gewiss, aber deswegen ist die Betriebsgemeinschaft noch nicht das Mittel, dieses Schicksal im Sinne der Arbeiterbewegung zu beeinflussen.«128 Die Werksgemeinschaftsideologie verwechsle Kameradschaft unter Arbeitskollegen, die unabhängig von jeder Werksgemeinschaft bestehe, mit »Beriebspatriotismus«. Es sei eben kein Zufall, dass der Betrieb historisch nicht als Gemeinschaftsbildner fungiert, sondern die Erfahrung des gemeinsamen Berufs zu Berufsgemeinschaften im Sinne gewerkschaftlicher Organisation geführt habe.129 Auf dieser Ebene verkörperten die Gewerkschaften eine »gesamtwirtschaftliche« Verantwortung und würden zudem auch Unternehmerverbände und Staat in Richtung der Übernahme einer solchen Verantwortung drängen. Das die Gewerkschaften tragende Prinzip gesamtwirtschaftlicher Solidarität habe schon so manches Mal den Sieg errungen über den »Individualismus ihrer Gegner«.130 Auch dem gewerkschaftlichen, über den Begriff der Solidarität präzisierten Gemeinschaftsgedanken war mithin ein strenger Anti-Individualismus eingeschrieben. Dabei handelte es sich um einen Abgrenzungs- und Bezugspunkt jedweden Gemeinschaftsdenkens – egal ob es sich innerhalb einer solidarischen oder völkischen Tradition verortete. Die jeweilige Tradition bestimmte dann aber weitgehend die politische Praxis und Folgen des Gemeinschaftsdenkens. Hier traten dann

126 | Ebd.; vgl. auch Anonym, Volksgemeinschaft [1922], S. 170; Anonym, Volksgemeinschaft [1925], S. 185; Anonym, Trick [1931], S. 236.

127 | Erdmann, Gewerkschaften [1925], S. 134. 128 | Ebd., S. 135. 129 | Vgl. ebd., S. 136f. 130 | Erdmann, Arbeitsgemeinschaft [1926], S. 646.

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enorme Unterschiede auf. Die Abgrenzung vom Individualismus wies in unterschiedliche Richtungen.131 In den Auseinandersetzungen um die Grenzen des Betriebs, um die Verteidigung seines Inneren gegen ein hineindrängendes Außen spielten die Instanzen kollektiver Interessenvertretung eine wichtige Rolle. Dem Werksgemeinschaftsgedanken, so Gustav Schneider, sei ein »Betriebsegoismus« eigen, der ihn letztlich als anti-sozial ausweise. Dies könne lediglich über eine Einbindung der Werksgemeinschaft in den Gesamtorganismus verhindert werden. »Eine vernünftige Werksgemeinschaft ohne inneren Zusammenhang mit der Neuformung wirtschaftlich-sozialer Vertretungskörperschaften ist eben unmöglich.«132 Von werksgemeinschaftlicher und unternehmerischer Seite stellte sich das Problem gerade andersherum dar. Nach dem Zusammenbruch der Zentral-Arbeitsgemeinschaft 1924 versuchten die Unternehmer, die Gewerkschaften als »betriebsfremd« zu charakterisieren; als Organisationen, die den direkten Kontakt zwischen Betriebsführung und Beschäftigten zerstörten. Die Verfechter der Werksgemeinschaftsidee spielten die Gewerkschaften gegen überbetriebliche Regelungen, Organisationen und Institutionen aus. Karl Vorwerck brachte die Werksgemeinschaft in einen entschiedenen Gegensatz zur kollektiven Interessenvertretung und betonte, dass vor allem die Gewerkschaften und überbetriebliche Tarifverträge vergemeinschaftende Tendenzen und Bestrebungen im Betrieb untergrüben.133 Josef Winschuh sprach von einer »Überfremdung der Betriebsgemeinschaftsformen durch Tarifvertrag und Gewerkschaft«.134 Vorausgesetzt wurde, dass es sich bei Gewerkschaften ebenso wie bei Unternehmerverbänden (was freilich nie in gleichem Maß entwickelt wurde) um Formen gesellschaftlicher Interessenorganisation handelte, die einer gemeinschaftlichen Ordnung nicht förderlich seien, sondern dieser im Weg stünden. So eindeutig war das freilich nicht, wie zum Beispiel Julius Wilhelm Hedemann 1925 darlegte. Hedemann behauptete, dass die organisierte Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft nicht nur nötig sei, sondern diese mit dem dichotomisch gedachten Begriffspaar Gemeinschaft und Gesellschaft nicht vollständig beschrieben werden könne, da den Gewerkschaften Tendenzen in beide Richtungen innewohnten. Es sei mithin offen, ob »in Zukunft der verstandesmäßige Gesellschaftsgeist oder der gefühlsmäßige Gemeinschaftsgeist die Oberhand bekommen wird.«135 Die gegenwärtigen Tendenzen, Gewerkschaften ausschließlich am Gesellschaftspol zu verorten, seien in jedem Fall zu kurz gedacht. Wie 131 | Vgl. Vogt, Sozialismus [2006]. 132 | Schneider, Werksgemeinschaft [1925], S. 284. 133 | Vgl. Vorwerck, Werksgemeinschaft [1928], S. 148-150. 134 | Winschuh, Grundlagen [1925], S. 261f. 135 | Hedemann, Betriebsgemeinschaft [1925], S. 19f. Zum Doppelcharakter der Gewerkschaften – sowohl Gemeinschaft als auch Gesellschaft – vgl. auch Anonym, Gesellschaft [1922], S. 150.

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auch immer man sich zu deren grundsätzlichen Legitimität stellen mochte, so dominierten doch außerhalb der Gewerkschaften Vorstellungen, wonach man sie zumindest von jenen Bereichen fernzuhalten habe, die unmittelbar oder ausschließlich das persönliche Verhältnis von Arbeiter und Unternehmer beträfen. Schließlich sei es allein der Betrieb, der das »organische Verhältnis von leitender und ausführender Arbeit, auf der alle Produktion beruht«, als »lebendige Wirklichkeit« bewahren könne. All das, was »dem Wesen nach seinen Sitz im Betriebe hat«, dürfe nicht zu einer Klassen- oder Interessengruppenangelegenheit, das heißt aus dem Betrieb ausgelagert werden. Ziel der Werksgemeinschaft müsse es daher sein, für die Arbeiter eine Art »Heimatsberechtigung am Betriebe« zu gewinnen, damit sie »Glieder mit besonderen Funktionen zu Mitträgern des Gesamtproduktionsvorganges« werden.136 Gegenwärtig verkörperten die (nicht nur sozialistischen) Gewerkschaften sowie die Unternehmerverbände freilich das Prinzip der Zerreißung: »der Zerreißung nämlich dessen, was seinem Wesen nach zusammengehört, der durch die einander ergänzenden Wirtschaftsfunktionen verbundenen Arbeiter und Unternehmer. […] Alles das kann nur so überwunden […] werden, indem in den Betrieb zurückverlegt wird, was ursprünglich und dem Wesen der wirtschaftlichen Produktion nach dort seinen Sitz hat. […] Nur die Verlegung alles dessen, was allein im Betriebe lebendige Wirklichkeit ist, in diesen, ist die Wirtschaft wieder auf der Kraft der Persönlichkeit auszurichten, statt daß ›Masse Mensch ringend der Masse Mensch gegenübersteht‹ und in diesem Gegeneinanderwirken die Wirtschaft entpersönlicht wird.«137

Die »Ordnung der nationalen Arbeit« Das nationalsozialistische Gemeinschaftsdenken zielte auf eine Ersetzung klassenkämpferischer Vorstellungen der Sozialordnung durch die Idee und Realität einer sozialharmonischen Volksgemeinschaft. Der Betriebsgemeinschaft kam innerhalb dieser gemeinschaftlichen Ordnung zentrale Bedeutung zu.138 »Die Stelle, an der für den Einzelnen Gemeinschaftsleben und Gemeinschaftsstreben ihren sinnfälligsten und unmittelbarsten Ausdruck finden«, so Elisabeth Mieder 1939, »ist die Stätte der alltäglichen Arbeit, der Betrieb. Das ständig wiederkehrende Zusammenwirken der in ihm Tätigen zwingt sie, ein bestimmtes Verhältnis zu seiner Ordnung, seiner sozialen Gestalt und seiner Zwecksetzung innerhalb des sozialen Ganzen zu finden; und so muß der Betrieb zum Ansatzpunkt der Erziehung zur Gemeinschaftshaltung gemacht werden.«139 Als Ge136 | Vgl. Albrecht, Arbeitsgemeinschaft [1928], S. 526-538. 137 | Ebd., S. 539f. 138 | Vgl. als Überblick Campbell, Joy [1989], S. 337-375. 139 | Mieder, Betriebsgemeinschaft [1939], S. V.

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meinschaftsordnung war der Betrieb aufgrund seiner Bedeutung für das Leben der Menschen also außerordentlich hoch zu gewichten – in unmittelbarer Nähe zur Familie. In der »Weite und Vielgestaltigkeit seiner Gemeinschaftserlebnisse, die jedes seiner Gefolgschaftsmitglieder gewollt oder ungewollt hinnimmt«, sei der Betrieb »die wichtigste Quelle für die Erkenntnis dieses volksgemeinschaftlichen Sinnes. Darum muß in jedem Mitglied des Betriebes ständig das Empfinden der Unmittelbarkeit und Lebendigkeit, der dauernden Fühlbarkeit der Bindung an die Gliedgemeinschaft Betrieb wachgehalten werden.«140 Im nationalsozialistischen »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit«, dem Arbeits-Ordnungsgesetz vom Januar 1934, fanden die verschiedenen Gemeinschaftsideologeme auf dem Gebiet der Arbeitsbeziehungen eine rechtliche Kodifizierung.141 Dieses Gesetz, von Timothy Mason als »eines der umfassendsten, konsequentesten und am stärksten ideologisch geprägten Produkte nationalsozialistischer Gesetzgebung«142 bezeichnet, unternahm den Versuch, verbindliche Formen betrieblicher Ordnung zu umreißen, innerhalb derer die Zusammenarbeit von Unternehmern und Mitarbeitern gehandhabt werden sollte. Entsprechend erfolgten einige Veränderungen im Arbeitsrecht, das heißt die Etablierung neuer Rechtskonstruktionen (Gefolgschaft, Fürsorgepflicht, Treuepflicht), die in einem mehr oder weniger diffusen Konzept von Betriebsgemeinschaft wurzelten. Das Gesetz regelte die Einrichtung verschiedener Institutionen, die teils betrieblicher, teils überbetrieblicher Natur waren. Dazu zählten die Ernennung eines Betriebsführers, der Erlass neuer Betriebsordnungen, die Bildung von Vertrauensräten, die Installation von Treuhändern der Arbeit sowie die Etablierung einer sozialen Ehrgerichtsbarkeit.143 Das Gesetz, so Werner Mansfeld, der seit 1933 Ministerialdirektor im Reicharbeitsministerium und dort einer der federführenden Autoren des Arbeits-Ordnungsgesetzes war,144 »ist inhaltlich nämlich nichts anderes als die Uebertragung der Weltanschauung unseres Reiches auf das wichtige Gebiet des sozialen Lebens.«145 Kern und Grundlage des Gesetzes war die Idee der Betriebsgemeinschaft, die samt ihren Organisationen an die Stelle der bisherigen Träger der sozial- und arbeitspolitischen Verfassung treten sollte. Das ArbeitsOrdnungsgesetz war Ausdruck eines Bestrebens, die Betriebsgemein140 | Ebd., S. 141. 141 | Vgl. Becker, Arbeitsvertrag [2004], S. 387-401; Engelhardt, Volksgemeinschaft [1994]; Frese, Betriebspolitik [1991], S. 93-113; Kranig, Gesetz [1984]; Ders., Lockung [1983]; Mason, Entstehung [1974]; Spohn, Betriebsgemeinschaft [1987], S. 9-43. 142 | Mason, Entstehung [1974], S. 325. 143 | Vgl. Frese, Betriebspolitik [1991], S. 114-250; Spohn, Betriebsgemeinschaft [1987], S. 43-125, 274-351. 144 | Vgl. Becker, Arbeitsvertrag [2004], S. 455-463. 145 | Mansfeld, Gesetz [1934], S. 34.

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schaft als konkrete Ordnung zu realisieren.146 Die Konzeption konkreten Ordnungsdenkens rekurrierte auf Carl Schmitt. Schmitt hatte dieses Denken in einer Auseinandersetzung mit Normativismus und Dezisionismus entwickelt. »Für das konkrete Ordnungsdenken ist ›Ordnung‹ auch juristisch nicht in erster Linie Regel oder eine Summe von Regeln, sondern umgekehrt, die Regel nur Bestandteil und ein Mittel der Ordnung. […] Die Norm oder Regel schafft nicht die Ordnung; sie hat vielmehr nur auf dem Boden und im Rahmen einer gegebenen Ordnung eine gewisse regulierende Funktion mit einem relativ kleinen Maß in sich selbständigen, von der Lage der Sache unabhängigen Geltens«.147 Wolfgang Siebert, wie Mansfeld prominenter nationalsozialistischer Arbeitsrechtler,148 verwies darauf, dass im Betrieb »diejenige lebendige Gemeinschaft begründet werden [solle], deren Verwirklichung der Kernpunkt der nationalsozialistischen Ordnung der Arbeit« sei. »Damit sind Betrieb und Betriebsgemeinschaft auch entscheidend für die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses als der konkreten Rechtsbeziehung zwischen dem Träger des Betriebes und dem Beschäftigten.«149 Die Betriebsgemeinschaft sei eine eigenständige, konkrete und lebendige Ordnung, sie stehe unter eigenen, aus ihrem Wesen entwickelten Gesetzen.150 Skepsis sei freilich dann geboten, wenn »die Anhänger der konkreten Ordnung als anspruchbegründender Rechtsquelle das gesamte Betriebsgeschehen zu materiell sehen und alles in Ansprüche auflösen wollen. Es gibt viele Dinge des Gemeinschaftslebens, die üblich sind, die aber nicht die Gestalt von Rechtsansprüchen haben.«151 Der Begriff der konkreten Ordnung müsse präzise verwendet werden, und gerade das geschehe seitens des Reichsarbeitsgerichts und im juristischen Schrifttum nicht immer. Diese verwendeten den Begriff »im Sinne der rein tatsächlichen Übung im Betriebe. Das bedeutet gegenüber den wissenschaftlichen Bemühungen um die konkrete Ordnung eine bedenkliche Verflachung, denn in ihrem Sinne ist konkrete Ordnung des Betriebes jedenfalls bestimmt nicht die rein sachliche Übung, sondern die den Aufgaben, der Art, den Kräften des Betriebes angemessene Verwirklichung der Betriebsgemeinschaft, nicht die tatsächliche Ordnung als solche, sondern die richtige, gerechte Ordnung des Betriebes. Damit bedeutet also die konkrete Ordnung des Betriebes im wissenschaftlichen Sinne nichts anderes als die Grundsätze der Betriebsgemeinschaft in ihren unmittelbaren Auswirkungen und Erscheinungsformen.«152

146 | Vgl. Spohn, Betriebsgemeinschaft [1987], S. 31-33. 147 | Schmitt, Arten [1934], S. 11. 148 | Vgl. Becker, Arbeitsvertrag [2004], S. 479-496. 149 | Siebert, Arbeitsverhältnis [1935], S. 13f. 150 | Vgl. ebd., S. 60. 151 | Reuß/Siebert, Ordnung [1943], S. 39. 152 | Ebd., S. 67.

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Die angestrebte Sozialverfassung, die auch auf dem Gebiet der Arbeitsverhältnisse und durch diese hindurch realisiert werden sollte, zielte nicht auf die Errichtung eines geschlossenen Systems, sondern hatte experimentellen Charakter.153 Diese Offenheit korrespondierte mit der angestrebten Konstituierung des Industriebetriebs als konkreter Ordnung. Statt detaillierter Vorgaben bot das Arbeits-Ordnungsgesetz Orientierungspunkte mit breitem Gestaltungsspielraum. Werner Mansfeld hob hervor, dass das Gesetz mit Bedacht auf jede »Kasuistik« verzichte, der Gesetzgeber »die Arbeit in das Leben des Volkes« stelle und »das ganze soziale Leben nur mit wenigen richtungweisenden Sätzen [ordne]. An die Stelle der Einzelregelung tritt die der Gesinnung.«154 Auch die Durchführungsbestimmungen, so Mansfeld, verzichteten konsequent auf Einzelregelungen und beschränkten sich auf technische Fragen. Der programmatische Verzicht auf eine Legaldefinition sowohl der Betriebsgemeinschaft als auch ihrer zentralen Institutionen ermöglichte nicht nur die betriebsspezifische Anpassung an außernormative Betriebszwecke, sondern setzte vor allem den Industriebetrieb als konkrete Ordnung. Die Betriebsordnungen sind ein Beispiel dafür, dass die im Gesetz vorgegebene Ordnung der Arbeitsbeziehungen gestaltungsoffen und konkretisierungsbedürftig war. In den Betriebsordnungen zeigt sich zugleich das komplexe Verhältnis von Kontinuität, Adaption und Bruch mit dem Gemeinschaftsdenken der Weimarer Republik. Die Betriebsordnungen waren weder im Allgemeinen noch im Besonderen eine Neuerfindung. Die neuen (nationalsozialistischen) Ordnungen knüpften zumeist an diejenigen der Weimarer Republik an. Ihnen wurden in der Regel nationalsozialistische Leitsätze vorangestellt oder in die einzelnen Artikel eingearbeitet. Die rechtliche Kodifizierung der Betriebsgemeinschaft sollte in den Betriebsordnungen erfolgen, die explizit den »nivellierenden« Tarifordnungen gegenübergestellt wurden. Über die verschiedenen Institutionen und Organisationen hinweg bestand ein mehr oder weniger klares Einverständnis darin, dass die konkrete Gestalt der Betriebsordnungen sowie ihre praktische Handhabung eine Frage der (betrieblichen) Erprobung und kaum vorher im Detail festzulegen seien.155 Die Betriebsordnung galt als »autonome genossenschaftliche Satzung«, als objektives Recht. Wenngleich sie nicht staatliche Verordnung war, so besaß sie doch ihrem Wesen nach normative Kraft qua staatlich verliehener Autonomie.156 Ähnlich wurde auch in den Betrieben selbst argumentiert, wenn zum Beispiel in der Opel-Werksgemeinschaft anlässlich der Erlassung einer neuen, auf das Arbeits-Ordnungsgesetz reagierenden Betriebsordnung darauf verwiesen wurde, dass es »nicht so sehr auf Formen und Paragraphen an[komme], 153 | Vgl. Siegel, Leistung [1989], S. 85f. 154 | Mansfeld, Durchführung [1934], S. 99. 155 | Vgl. Frese, Betriebspolitik [1991], S. 138-168; Spohn, Betriebsgemeinschaft [1987], S. 43-58. 156 | Vgl. Huber, Betriebsordnung [1934].

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als auf den lebendigen Geist«.157 »Wichtig und maßgebend«, so auch Daimlervorstandsmitglied Wilhelm Kissel, »bleibt für uns […] nicht der tote Buchstabe, sondern die lebendige Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens, also der Geist und die Zielsetzung.«158 Die Doppellogik von Betriebs- und Volksgemeinschaftsbezug manifestierte sich im Betrieb zumindest in den formalen, organisatorisch-institutionellen Strukturen von Betriebsverwaltung und Betriebsführung. Während diese für die politische und weltanschauliche Schulung der Gefolgschaftsmitglieder zuständig sein sollte, trüge ausschließlich jene die Entscheidungsgewalt und Verantwortung bei »reinen Betriebsfragen«. Zumindest sah man dies bei Opel so.159 Präsent waren in der Regel jedoch beide Perspektiven. Der Betrieb wurde einerseits als Einheit gedacht, die mit anderen Betrieben auf einem ihm äußerlichen Terrain zu konkurrieren hatte. Die Betriebsgemeinschaft war hier ein Werkzeug der Erhöhung der Schlagkraft des einzelnen Betriebs im (Konkurrenz-)Kampf.160 Andererseits konnte es dabei nicht bleiben. Die Betriebsgemeinschaft wurde in ein bestimmtes Verhältnis zur Volksgemeinschaft gerückt und bezog aus diesem Verhältnis Plausibilität und Legitimität, ohne dass die genaue Struktur dieses Verhältnisses immer sehr klar war: »Alle Betriebsangehörigen müssen sich als Kameraden betrachten, deren Schicksal auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet ist. Alle müssen sich als Mitglieder einer Gemeinschaft fühlen, an der unermüdlich gearbeitet werden muß aus ehrlicher, anständiger Gesinnung und Überzeugung heraus. […] Darüber hinaus muß jeder […] durchdrungen sein von der wichtigen Aufgabe, über den Betrieb hinaus mitzuarbeiten an der großen deutschen Volksgemeinschaft und am Wiederaufbau unseres Vaterlandes. Dann erst erfüllt jeder, ohne Rücksicht auf seine Stellung im Betrieb, wirklich seinen Platz als deutscher Arbeiter im Dritten Reich und stattet seinen Dank ab dem ersten, treuesten und unermüdlichen Arbeiter des deutschen Volkes – unserem Führer!«161

Interessenkonflikte waren betrieblich auszugleichen und zu lösen. Konflikte und Störfaktoren wurden auf Betriebsebene einzuhegen versucht, um sie ihres politischen und sozialen Konfliktpotentials zu entkleiden. Wirtschaftliche Gegensätze wurden mit dem Ziel, die Annahme einer grundsätzlich und umfassend antagonistischen Gesellschaftsstruktur zurückzuweisen, als partikulare Gegensätze rekonfiguriert und in den 157 | Anonym, Betriebsordnung [1934], S. 3. 158 | Kissel, Wilhelm: Betr. Neufassung der Betriebsordnung; Brief vom 17.2.1942 an Arnold Frhr. Gedult von Jungenfeld, Daimler Werksarchiv, Bestand Kissel 13.2. 159 | Vgl. Anonym, Verhältnis [1934]. 160 | Vgl. Anonym, Gemeinschaft [1936]. 161 | Anonym, Gebote [1936], S. 114f.

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Bereich der Wirtschaft zurückverwiesen. Nicht mehr Arbeitgeber und Arbeitnehmer stünden sich in Verbänden und Gewerkschaften organisiert gegenüber. Die neue Arbeitsverfassung baue vielmehr auf der Verantwortung gegenüber dem Volksganzen auf. Unternehmer und Gefolgschaft bilden eine Gemeinschaft. Jeder sei zugleich verantwortlich gegenüber Volk und Staat, gegenüber der Betriebsgemeinschaft sowie den Werkskameraden.162 Das schloss einen verantwortlichen Umgang mit Konfliktsituationen ein. »Auf dem Boden dieser Gemeinschaft können dann sehr wohl Spannungen zwischen den Gliedern der Gemeinschaft bestehen. Diese Spannungen schaden der Gemeinschaft nicht, vielmehr setzt die Gemeinschaft sie zu ihrem inneren Leben, zu ihrer Kraftentfaltung und als Quelle von Leistungen vielfach geradezu voraus. Nur – und das ist eben der grundsätzliche Unterschied zum sozialen Ausgleichsdenken: diese Spannungen sind nicht das Wesentliche des Arbeitsverhältnisses, sie sind nicht der notwendige Ausgangspunkt, sie werden durch den Gemeinschaftsgedanken nicht zurückgedrängt und gebändigt, sondern sie werden von vornherein nur auf dem Boden einer echten konkreten und lebendigen Gemeinschaft rechtlich anerkannt und verstanden. Der Ausgleich ist dann also nur praktische Folge, nicht wesensmäßiges Grundprinzip.«163

Timothy Mason verweist darauf, dass Theoretiker und Praktiker der betrieblichen Sozialpolitik den Standpunkt vertraten, »daß die Probleme der antagonistischen Gesellschaftsordnung vor allem dort angepackt und gelöst werden konnten, wo sie am schärfsten zum Ausdruck kamen: nämlich im Betrieb.« Der Betrieb wurde auf diese Weise zur »Urzelle des sozialpolitischen Aufbaus« und »Grundvoraussetzung der Sozialordnung schlechthin«.164 Wenngleich die Nationalsozialisten in Sachen betrieblicher Sozialpolitik verschiedentlich einen Neubeginn oder neuen Aufbruch behaupteten, so wurde konzeptionell, theoretisch und ideologisch doch an jene Grundlagen angeknüpft, die bereits während der Weimarer Republik im Umfeld des Berliner Instituts für Betriebssoziologie und soziale Betriebspolitik, vor allem aber des Deutschen Instituts für Technische Arbeitsschulung entwickelt wurden.165 Das grundlegende Problem lag darin, wie betriebliche und überbetriebliche Sozialpolitik zu relationieren waren, welche Bezugspunkte und Wirkungsrichtungen primär in den Blick genommen werden sollten. Hier kam dann die Gemeinschaft ins Spiel. Bisher, so Holger Jahn 1937, wurde Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik 162 | Vgl. Anonym, Betriebsordnung [1934], S. 3. 163 | Siebert, Arbeitsverhältnis [1935], S. 14. 164 | Mason, Entstehung [1974], S. 339f.; vgl. auch Hachtmann, Industriearbeit [1989], S. 30-36; Krell, Personalpolitik [1995], S. 121-167; Spohn, Betriebsgemeinschaft [1987], S. 9-43. 165 | Vgl. Hachtmann, Industriearbeit [1989], S. 254-301.

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gefasst, nunmehr gelte es, sie als Gemeinschaftspolitik zu konzipieren. Mit der Abkehr vom Individualismus ziele Sozialpolitik nicht mehr auf einen Interessenausgleich zwischen Individuen und Klassen, sondern ihre Aufgabe sei Gemeinschaftsbildung, Gemeinschaftsgestaltung, Gemeinschaftspflege. Gleiches gelte für betriebliche Sozialpolitik: »Ihre erste Aufgabe ist es, die Betriebsgemeinschaft neu zu bilden, aus der zufälligen, untereinander nur lose und rein materiell verbundenen Belegschaft eine fest ineinandergefügte, unzertrennliche Einheit zu formen. Die zweite Aufgabe besteht darin, diese so geschaffene Gemeinschaft nach innen und außen zu gestalten, ihr Leben und Inhalt zu geben. Die dritte Aufgabe ist die beständige Pflege der Gemeinschaft. Einmal bedarf die Gemeinschaft als solche einer Pflege, um sie immer fester und inniger werden zu lassen, zum anderen bezieht sich die Pflege auf die Betriebsgemeinschaftsmitglieder, die einzelnen Menschen innerhalb der Betriebsgemeinschaft.«166

Einerseits wurde eine abstrakte überbetriebliche Reglementierung zusätzlicher Sozialleistungen abgelehnt, andererseits wurde die betriebliche Sozialpolitik an Vorstellungen völkischen Gemeinschaftslebens gekoppelt, der Betrieb also wieder geöffnet. Die Opel-Werksgemeinschaft diskutierte derartiges am Beispiel der Betriebskrankenkasse: »Die Betriebskrankenkasse ist eine Aufgabe der Betriebsgemeinschaft. […] Betrieb und Betriebskrankenkasse sind eine sozialpolitische Einheit. […] Die Betriebskrankenkasse ist gleichsam Organ der betrieblichen Sozialpolitik. […] Reiner Sozialzweck, d.h. die Sicherung der Gesundheit der Kassenmitglieder, und Betriebszweck im Sinne der Erhaltung einer körperlich leistungsfähigen Arbeiterschaft sind miteinander verknüpft. Die Betriebskrankenkasse ist keine leblose Zahlstelle, sondern ist in das lebendige Gefüge des Betriebes eingeordnet.«167 Die Betriebskrankenkasse war aus dieser Perspektive der »sichtbarste Ausdruck der Betriebsgemeinschaft«.168 Sie stand im Zentrum des Betriebs, aktivierte vielfältige inner- und außerbetriebliche Beziehungen und wurde so als ein der Idee der Betriebsgemeinschaft dienendes Netz beschreibbar, das die Verbindung des Betriebs mit einem umfassenden sozialen Zusammenhang herzustellen und den Betriebsangehörigen entsprechend zu verorten versprach. »Aus der Fabrikkrankenkasse als einer Einrichtung lediglich der betrieblichen Sozialpolitik entstand die heutige Betriebskrankenkasse als Trägerin einer gesunden Verbindung von betrieblicher und staatlicher Sozialpolitik.«169 Die Betriebsgemeinschaft war im Nationalsozialismus, wie auch zuvor, keineswegs ein ausschließlich arbeitsrechtliches, sondern auch ein 166 | Jahn, Sozialpolitik [1937], S. 10. 167 | Anonym, Betriebskrankenkasse [1939], S. 64. 168 | Anonym, Betriebsgemeinschaft [1934], S. 2. 169 | Ebd.

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soziologisches und betriebsorganisatorisches Problem. Die Betriebssoziologie beschäftigte sich in Folge dessen intensiver mit der Umsetzung des Arbeits-Ordnungsgesetzes in einzelne Betriebsordnungen, und sie versuchte, betriebliche Sozialpolitik als Gegenstand betriebssoziologischer Forschung zu profilieren. Die soziologischen Gemeinschaftsdenker der Weimarer Republik setzten ihr Wirken mehrheitlich im Nationalsozialismus fort. Sie diskutierten die Frage, ob es sich bei den mit dem ArbeitsOrdnungsgesetz etablierten betriebs-sozialen Verhältnissen um eine Betriebsgemeinschaft im soziologischen Sinn handelte. Das hatte man sich auch während der Weimarer Zeit gefragt. Der stark im soziologischen Gemeinschaftsdenken verankerte Gerhard Albrecht schrieb 1936 in der Festgabe für Ferdinand Tönnies mit kritischem Unterton, dass im Betrieb gerade kein »Treueverhältnis zwischen Führer und Gefolgschaft« vorliege. »Das hierfür im Leben gebräuchliche Wort ›Betriebsgemeinschaft‹ hat mit der soziologischen, das engste und lebenswärmste Verhältnis von Menschen bezeichnenden Kategorie der Gemeinschaft nichts zu tun.«170 Ganz anders sah das natürlich Karl Arnhold. Der Betrieb als ein Ganzes sei ohne Frage eine »geschlossene Gemeinschaft«, die es auch gegen Widerstände zu wahren gelte. Der Topos der Gemeinschaft rückt hier zugleich in einen Zusammenhang mit einer gestaltungsambitionierten Aufmerksamkeit für den Menschen sowie die Betriebsorganisation. Ziel könne nicht sein, die funktionale Aufgliederung des Betriebs weiter voranzutreiben und damit die natürlichen Bindungen im Betrieb und seinen organischen Aufbau zu zerstören. »Der werdende neue Betrieb ist nicht mehr ein technisch-organisatorisches Gebilde, er ist etwas Lebendiges, das seinen Ausdruck in der Arbeitsgemeinschaft, Leistungsgemeinschaft und in der Führungseinheit findet. Wie sich alles Leben aus Zellen entfaltet, wie die Urzelle des Staates die Familie, die Urzelle der Politik die Gemeinde ist, so ist die Urzelle der Wirtschaft der Betrieb.«171 Der Betrieb sei eine »organische Form der Gemeinschaftsarbeit«172 und als solche außerordentlich leistungsfähig. Die Betriebsgemeinschaft müsse als eigenständiges Gebilde verstanden werden. »Die Betriebsgemeinschaft bedeutet mehr als das reibungslose Zusammenspiel aller betrieblichen Faktoren. Das unerforschliche Geheimnis gemeinschaftlichen Wollens unter einheitlicher Führung offenbart sich darin, daß die Einzelkräfte [sich] nicht nur addieren, sondern multiplizieren. Hier versagt der Rechenstift und fängt das Wirken jener geheimen Kräfte an, von denen wir im Kriege oft einen lebendigen Hauch verspürten.«173 Warum nun gerade angesichts der Multiplikation der Rechenstift versagen soll, bleibt Arnhold Geheimnis.

170 | Albrecht, Wirtschaftsbetrieb, S 187f. 171 | Arnhold, Betrieb [1939], S. 27. 172 | Ebd., S. 28. 173 | Ebd., S. 57.

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Von der Betriebsgemeinschaft zur betrieblichen Partnerschaft? Der nationalsozialistische Betriebsgemeinschaftsdiskurs ist Bestandteil einer vergemeinschaftenden Betriebs- und Personalpolitik, die sich mindestens von der Weimarer Republik bis in die frühen sechziger Jahre erstreckte. Gemeinschaftsdiskurse formatierten das soziale und betriebliche Zusammenleben. Im betrieblichen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wirkten betriebsgemeinschaftliche Prägungen fort. Nur selten kam es auf betrieblicher Ebene zu einer scharfen Konfrontation zwischen Belegschaften und Gewerkschaften auf der einen und Unternehmensleitungen auf der anderen Seite. Im Bewusstsein gegenseitigen Aufeinanderangewiesenseins etablierte sich eine Kompromiss- und Konsensgrundlage, die manchem Betrachter als nun endlich verwirklichte Betriebsgemeinschaft erscheinen konnte. Wesentliches Kennzeichen des betrieblichen Wiederaufbaus war ein demonstrativ partnerschaftliches Zusammenarbeiten auf betrieblicher Ebene, verstärkt durch eine Konzentration auf pragmatische Fragen und die vielerorts wirkende, traditionelle Identifikation von »Stammbelegschaften« mit »ihrem« Werk.174 In der Nachkriegszeit schrieb sich also aus verschiedenen Gründen eine betriebszentrierte Haltung großer Teile der Arbeiterschaft fort.175 Auch die Arbeit betrieblicher Human- und Sozialexperten war durch ein Bemühen geprägt, jenseits der großen ordnungspolitischen Debatten »Maßnahmen zur Entspannung betrieblicher Sozialbeziehungen vor Ort« in pragmatischer Hinsicht zu entwickeln. Die betriebliche Sozialordnung hatte sich mit dem Kriegsende mehr oder weniger aufgelöst, und die betrieblichen Akteure begannen, sich neu zu positionieren.176 In Betriebsversammlungen, wie beispielsweise bei Daimler, redeten Belegschaftsangehörige noch Mitte der fünfziger Jahre wie selbstverständlich von der Betriebsgemeinschaft. Der Betriebsrat begrüßte Neuankömmlinge »mit der Bitte, sich in unserer Gemeinschaft wohlzufühlen und sich der Gemeinschaft anzuschließen.«177 Bei Streitigkeiten kam es vor, dass eine Kollegin es »außerordentlich« bedauerte, dass »ein solcher Ton hier hereingekommen ist. Ich finde, daß es einen sehr häßlichen Eindruck auf unsere Betriebsgemeinschaft macht, wenn solche massiven Angriffe kommen«.178 Gemeinschaft war hier offenkundig kein programmatischer oder gar Kampfbegriff mehr, sondern das mehr oder weniger selbstverständlich gewählte Wort, um der betrieblichen Sozialordnung und den 174 | Vgl. für den Stuttgarter Raum Fichter, Volksgemeinschaft [1990]. 175 | Vgl. Kössler, Ordnung [2006]. 176 | Vgl. Rosenberger, Experten [2008], S. 91-112. 177 | Betriebsversammlung vom 19.8.1953, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller, 6.4. 178 | Betriebsversammlung vom 25.11.1953, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller, 6.4, S. 29.

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betrieblichen Sozialbeziehungen einen Namen zu geben. Adam Opel höchstpersönlich habe »aus einer Handvoll Männer eine Betriebsgemeinschaft [geformt], die Erstaunliches leistete.«179 Die Entwicklung schritt voran, und mit ihr ergaben sich soziale Spannungen, an deren Lösung man immer wieder arbeiten müsse. »Zusammenarbeit ist das Gebot der Stunde, heute mehr denn je […]. Jeder von uns, ob Werksleiter oder Betriebsrat, Mitarbeiter an der Werkbank oder im Büro, weiß, daß nur durch Zusammenarbeit aller das große Schiff unseres Werkes seinen Kurs halten kann.«180 Seit etwa 1947, so Ruth Rosenberger, intensivierten sich überbetriebliche Bemühungen um eine Gestaltung der Arbeitsbeziehungen. Als Leitideen wirkten »betriebliche Harmonie«, »überbetrieblicher Interessensausgleich« und »Sozialpartnerschaft«. Vor allem der Begriff der Partnerschaft wurde für unternehmerische Neuorientierungen und Selbstdeutungen wichtig. Unter Einbeziehung sozialintegrativer Aspekte entwickelte sich ausgehend davon die Konzeption des sozial verantwortlichen Unternehmers.181 Derartige Konzepte trugen nach wie vor Züge des Gemeinschaftsdenkens der Zwischenkriegszeit. In den eigentümlich vermischten Bezügen auf amerikanische Managementmethoden sowie Entwicklungen der Zwischenkriegszeit zeigt sich der Versuch, die Tradition betriebsgemeinschaftlichen Denkens unter Herauslösung aus seinem eben auch nationalsozialistischen Kontext fortzuschreiben.182 Peter F. Drucker, seines Zeichens Managementguru, ließ die Gemeinschaft in seiner Gesellschaft am Fließband 1949 noch einmal hochleben. Es müsse darum gehen, den Einzelnen zum »Glied« des Unternehmens zu machen, »Zugehörigkeit« und damit »klare harmonische Verhältnisse« zu schaffen. Von Industrieunternehmen müsse gefordert werden, eine Organisation zu finden, die der Würde den Menschen entspreche und »Verantwortung des Einzelnen für das Ganze« ausdrücke. »Das Problem des Unternehmens als gesellschaftliche Institution ist grundverschieden von seinem Problem als eine wirtschaftliche oder politische Körperschaft. Es gibt keinen Konflikt auf der gesellschaftlichen Ebene. Im Gegenteil, die objektiven Bedürfnisse und Zwecke der Unternehmung, des Einzelnen und der Gesellschaft stehen im Einklang miteinander. Die unternehmerische Haltung, die eine industrielle Gesellschaft von ihren Gliedern fordern muß, ist im Einklang mit der Forderung, daß der Einzelne zu jener ›Würde der Person‹ gelange, an die die westliche Gesellschaft glaubt. Die Forderung nach einer maximalen Nutzbarmachung menschlicher Fähigkeiten läuft parallel mit dem Anspruch des Individuums nach gesell179 | Anonym, Zusammenarbeit [1951], S. 2. 180 | Ebd., S. 2. 181 | Vgl. Rosenberger, Experten [2008], S. 227-264; vgl. als Fallstudie auch Rauh-Kühne, Paulssen [1999].

182 | Vgl. Kleinschmidt, Blick [2002], S. 173-203; Krell, Personalpolitik [1995]; S. 168-205; Schneider, Sozialpartner [1977]; Spurk, Volksgemeinschaft [1988]; Wiesen, Coming [2001].

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schaftlichem Stand und mit der Verheißung gleicher Aufstiegschancen, die die Gesellschaft gegeben hat.«183 Auch in den fünfziger Jahren gab es also noch Gemeinschaftsbezüge, die auf betrieblicher Ebene ebenso funktionierten wie in Teilen der Managementliteratur und Betriebssoziologie. Eine der Aufgaben der Betriebssoziologie, so Helmut Schelsky 1954, sei die Analyse von Gruppen- und Gemeinschaftsbeziehungen im Betrieb. Vom Begriff der Werksgemeinschaft solle und müsse man aufgrund der ideologischen Verfälschungen und Wandlungen, die er vollzogen habe, allerdings Abstand nehmen.184 Hier zeigen sich die zum Teil diffizilen Versuche, bestimmte Denkfiguren und soziale Ideale zu entnazifizieren, die für viele Bereiche der deutschen Nachkriegszeit kennzeichnend sind. Gemeinschaften waren aus dieser Perspektive nicht nationalsozialistisch, sondern ›nazifiziert‹ worden, und dieser Prozess sollte nun umgekehrt werden.

3. O RDNUNG ALS G RUPPIERUNG In Deutschland war Gemeinschaft lange Zeit die dominierende Figur sozialer Ordnung. Sie bezeichnete mehr oder weniger klar und abgrenzbar eine bestimmte Art sozialer Beziehungen. Wollte man eine spezifische Ordnung sozialer Beziehungen im Industriebetrieb forcieren, so musste das allerdings nicht unbedingt über Gemeinschaftsbezüge vonstattengehen. Vielmehr bot sich mit der Gruppe ein zweiter Bezugspunkt an. Im Nachhinein mag das als ›modernere‹, empirisch validere Lösung erscheinen. Zeitgenössisch wies die Gruppe jedoch durchaus vergleichbare Charakteristika wie die Gemeinschaft auf: Sie war ein Versuch, eine soziale Realität im Betrieb ebenso zu beschreiben wie herzustellen; sie galt als mögliche Antwort auf Vereinzelung wie Vermassung. In den Diskussionen betrieblicher Sozialordnung kam die Gruppe in dreierlei Hinsicht ins Spiel: erstens als Figur sozialer Ordnung, die soziologisch in Beziehung zu Gemeinschaft und Gesellschaft gesetzt wurde; zweitens bezüglich der Ausgestaltung der Produktion im engeren Sinn als Produktionsgruppe und ihm Umfeld der Gruppenfabrikation; drittens auf der Ebene der sozialen Beziehungen im Betrieb.

Figuren sozialer Ordnung Theodor Geiger hat 1927 unter dem Titel Die Gruppe und die Kategorien Gemeinschaft und Gesellschaft auf den engen Zusammenhang sozialer Formgebilde hingewiesen. Erst Gemeinschaft und Gesellschaft zusammen konstituierten eine »Samtschaft« und »diese, ein Seinszusammenhang,

183 | Drucker, Gesellschaft [1949], S. 223. 184 | Vgl. Schelsky, Aufgaben [1954], S. 19.

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ist am Menschen zu Gestalt der Gruppe konkretisiert.«185 Wie Geiger, so rückte auch Alfred Vierkandt Gruppe und Gemeinschaft in ein Nahverhältnis. Bei ihm lief das fast auf eine Identifizierung beider Kategorien hinaus und unterschied sich damit von Geigers skeptischer Relativierung von Gemeinschaft. Gegenüber dem Vertragsindividualismus früherer Tage fange man seit der Jahrhundertwende wieder an, sich auf die grundlegend gesellige Natur des Menschen zu besinnen. »Genauer betrachtet, bekundet sich die gesellige Natur nicht nur als Geselligkeitstrieb schlechtweg […], sondern vor allem an Verlangen nach Gemeinschaft. Statt von einem Geselligkeitstrieb im allgemeinen spricht man daher besser von einem Gemeinschaftsdrang des Menschen. Und noch tiefer wiederum greift man, wenn man von einem Gruppendrang des Menschen als einer angeborenen Anlage redet: der Mensch hat das angeborene Bedürfnis, in Gruppen zu leben und sich gegebenenfalls an Gruppen anzuschließen.«186 Das Wesen einer Gruppe lasse sich vergleichen mit einem Stamm, mit einer Sippe, mit Männerbünden oder mit der Familie, »also den Gebilden, die man wohl als Lebensgemeinschaften bezeichnet und die sich von anderen Vereinigungen durch ihr tägliches enges Zusammenleben und den umfassenden Charakter ihrer Gemeinschaftsangelegenheiten unterscheiden.«187 Gruppen wurden in den soziologischen Diskussionen der Zwischenkriegszeit zu Faktoren sozialer Ordnung. Sie wurden unablässig mit Gemeinschaft und Gesellschaft in Beziehung gesetzt. Über Sozialordnung zu reden hieß hier: das Verhältnis von Gruppen, Gemeinschaften und Gesellschaft zu analysieren und auszutarieren. »Wendet man die beiden von Tönnies geschaffenen Begriffe der Gemeinschaft und der Gesellschaft an«, so der bereits zitierte Alfred Vierkandt, »kann man sagen: innerhalb der Gruppe herrscht eine Gemeinschaftsmoral, die Achtung des Mitmenschen als eines gleichwertigen Geschöpfes und unter gewissen Umständen gegenseitige Hilfsbereitschaft verlangt; außerhalb der Gruppe aber herrscht entweder eine bloße Gesellschaftsmoral mit stark vermindertem Inhalt; oder es besteht gar kein moralisches Verhältnis, und der Mensch wird als eine bloße Sache behandelt.«188 Vierkandt formulierte diese Überlegungen 1928 im ersten Jahrgang des Archivs für angewandte Soziologie, das von Karl Dunkmann herausgegeben wurde. Auch Dunkmann selbst widmete sich dem Begriff der Gruppe, in dem seiner Ansicht nach das Zentralproblem der modernen Gesellschaftslehre steckte. Gesellschaft sei demnach ein »zum Ganzen hinstrebendes System von Gruppen, die allesamt in sich selbst als Teilganzheiten miteinander und selbst gegeneinander zur ›Ordnung‹ drängen.«189 Die Gruppe sei nicht Summe einzelner Personen, sondern ein Ganzes: 185 | Geiger, Gruppe [1927], S. 348. 186 | Vierkandt, Grundeigenschaften [1928], S. 1. 187 | Ebd., S. 2. 188 | Ebd., S. 6f. 189 | Dunkmann, Bedeutung [1928], S. 8, 10.

K ONKRETISIERTE O RDNUNG »Aber dieses ›Ganze‹ ist […] nicht das allgemeine universale Ganze der Gesellschaft überhaupt, sondern es ist vielmehr nur ein Teilganzes, ein Ausschnitt gleichsam aus der allgemeinen Gesellschaft innerhalb der großen. Somit können wir die Gruppe bestimmen als ein Ganzes in eigentümlicher Begrenzung. Diese Begrenzung dürfen wir nicht räumlich fassen, oder irgendwie quantitativ, als ob eine Gruppe zu einem bestimmten Prozentsatz etwa ein Ganzes wäre, zu einem anderen Prozentsatz dagegen von Individuen willkürlich bestimmt, sondern wir müssen diese Betrachtung vielmehr qualitativ auffassen in dem Sinne, daß jede Gruppe ein Ganzes darstellt in eigentümlicher Gestalt. Eine Gruppe ist also sowohl durch und durch individuell wie durch und durch ganzheitlich. Solche Gruppe gleicht durchaus der Zelle im biologischen Aufbau eines Organismus. Wie nun dieser aus zahllosen Zellen besteht, so die Gesellschaft aus zahllosen Gruppen.« 190

Zusammen mit Karl Vorwerck veröffentlichte Dunkmann 1928 eine Arbeit zur Werksgemeinschaft in historischer und soziologischer Beleuchtung, in der auch dieser Punkt aufgegriffen wurde. Es war Vorwerck, der auf das Verhältnis von Gruppe und Gemeinschaft in einer Weise einging, in der erstere stärker auf Teilungen und Fragmentierungen verwies, gleichwohl aber gemeinschaftlich eingefasst werden konnte. Auch ein Werk sei eine Gruppe im soziologischen Sinn. Die Werksangehörigen hätten freilich noch andere Bindungen als diejenigen zu ihrem Werk. »Wesentlich für den Werksgemeinschaftsgedanken ist nun aber, daß alle diese Gruppen zusammengehalten werden durch das Gefühl der gemeinsamen Zugehörigkeit zu den großen Gruppen Volk und Staat.«191 Mit Blick auf die bisher skizzierten soziologischen Überlegungen zur Gruppe ist wichtig, dass Gruppen als konkrete, empirisch beschreibbare soziale Realitäten verstanden wurden. Was die Realität der Gruppen begründe, sei ihr Sachund Wirklichkeitsbezug, sei der Umstand, dass es objektive Gegebenheiten waren, die zur Gruppenbildung zwängen – zum Beispiel im Betrieb. Dort fänden sich Menschen zusammen, um gemeinsam eine Arbeit zu verrichten. Die Realität dieser Gruppe bestehe nicht nur in der Vorstellung, sondern in der Sache. »Die Gruppe hat so viel Realität als sie diese sachliche Zwangsläufigkeit einschließt. […] Allen echten Gruppen  –  im Unterschied von den unechten, eingebildeten – liegt demnach eine vorgestellte Gemeinsamkeit objektiver Wirklichkeit zugrunde. Was in ihnen die Individuen verbindet, sind diese Tatbestände, die für alle irgendwie bindend und verbindend sind.«192 Theodor Geiger gehörte in den zwanziger Jahren zu den entschiedenen Gegnern derartiger Gemeinschaftsund Gruppenmetaphysik, für die er immer wieder und vor allem Dunkmann kritisierte. Problematisch bei Dunkmann sei, dass fundamental unklar bleibe, was das beschworene Ganze überhaupt sein solle. Indem 190 | Ebd., S. 8. 191 | Vorwerck, Beleuchtung [1928], S. 25. 192 | Dunkmann, Realität [1929], S. 5f.

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Dunkmann sein »Ganzes« a priori setze, begebe er sich von der Erfahrungswissenschaft zur Sozialphilosophie und Sozialethik. »[W]er will empirisch aufzeigen, daß dies Ganze das staatlich organisierte Volk ist? […] Die in ihrem Da-sein normative Vollgruppe des staatlich organisierten Volkes ist Dunkmanns eigene Glaubenserfahrung. Sie ist nicht von ihm ›gefunden‹ (empirisch), sondern ihm geschenkt. Er hat nicht Wissen erfahren, ihm ist Heilsoffenbarung widerfahren. Er bindet sie in wissenschaftliche Formen – ein Gnostiker religiöser Soziologie. […] Der soziale Eros eines im Grunde ganz einsamen Menschen wird zum Prediger in der Wüste der Gruppenrivalitäten und des Klassenkampfes, weil er nicht ertragen kann, daß die Erde kein Eden ist.«193 Gruppen gerieten einerseits als vermeintlich adäquatere Sicht auf das Soziale, andererseits als Rezept gegen diagnostizierte Vermassungs- ebenso wie Vereinzelungstendenzen in den Blick. »Gewiß nimmt man sehr oft soziale Gebilde dort an, wo gar keine sind, wie etwa bei den sog. ›Massen‹, selbst bei Ständen und Klassen, die bei näherem Zusehen vielmehr auseinander fallen, wenigstens heutzutage immer mehr. Dagegen wäre es völlig irreführend, anzunehmen, daß es überhaupt keine ›Gruppen‹, d.h. wirkliche Zusammenhänge, gäbe, sondern daß alle Menschen im Grunde neben einander herlaufen.«194 Der »große Vorzug der Soziologie« bestehe gerade darin, Anleitungen zu geben, wie die Menschen »ihr grupplich-soziales Zusammenleben nach der ›Wahrheit‹ gestalten und nicht nach ›Ideologien‹.«195 Der Versuch zu gruppieren war zugleich ein Versuch, auf diagnostizierte Auflösungserscheinungen zu reagieren. Praktiken der Gruppierung ließen sich als konkrete Form des Ordnens verstehen. Gruppen galten als betriebs-soziale Realität, Realismus als Gebot. Die skizzierten Bestimmungen der Gruppe waren und blieben keine Spezialität der deutschen Zwischenkriegszeit. Die Gruppe, ihre Voraussetzungen und Folgen wurden bis in die fünfziger und sechziger Jahre auch in Großbritannien oder den USA diskutiert – immer wieder und vor allem in soziologischen und psychologischen Kontexten. Mit Verve beschwor Peter R. Hofstätter 1957 die ordnende »Bestimmungs-Leistung« von Gruppen. »Die Gruppe trägt, wie man auch sagen könnte, eine neue Ordnungstatsache in das Bild ihrer Welt.«196 Hofstätter trug sein Lob der Gruppe im Rahmen einer angriffslustigen Kritik der Massenpsychologie vor, der er eine Verkennung der »Realität menschlichen Gemeinschaftslebens« vorwarf. »Spricht man von Massen auf der einen Seite und von dem einzelnen auf der anderen, so bleibt die Aufzählung der menschlichen Daseinsweisen durchaus unvollständig. Wir leben in Familien und Gruppen. Wir erleiden eine sehr bedeutsame Einbuße an menschlicher Fülle, wenn wir des Haltes in diesen

193 | Geiger, Soziosophie [1929], S. 223-225. 194 | Dunkmann, Realität [1929], S. 1. 195 | Ebd., S. 7. 196 | Hofstätter, Gruppendynamik [1957], S. 59.

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strukturierten Gebilden verlustig gehen, sei es in der beziehungslosen Vereinsamung oder in der massenhaften Desorganisation.«197

Produktionsgruppe und Gruppenfabrikation Seit dem neunzehnten Jahrhundert war es üblich, die Produktion in distinkten und aufeinander bezogenen Einheiten zu organisieren. Mit der Massenproduktion kam es zu einem Bedeutungsgewinn von Koordinations- und Diagnosewissen. »Still, cooperation and teamwork among workers was necessary to coordinate sequentially integrated production processes. Mass production technologies integrated standardized operations into a continuous-flow process.«198 Thomas Welskopp hat in seiner Studie Arbeit und Macht im Hüttenwerk dargelegt, wie sich Arbeits- und Sozialbeziehungen im Zusammenspiel mit Produktionsmethoden und Produktionstechnik formen. Zwischen den 1860er und 1880er Jahren dominierte ein Modus team- und kolonnenförmiger Kooperation. Komplexe Fertigungsabschnitte wurden relativ autonom von einzelnen Arbeitsgruppen durchgeführt. Die Produktion war als sequentielle Reihung einzelner Arbeitsgruppen organisiert, die jeweils für eine Produktionsstufe verantwortlich waren und die jeweils notwendigen Tätigkeiten gruppenintern organisierten. Die Arbeitsorganisation gründete auf den einzelnen Teams als fundamentalen Einheiten. »Das ›teamförmige‹ Muster der Zusammenarbeit wird bei solchen qualifizierten Handarbeiten erzwungen, die nicht in Einzelarbeit verrichtet werden können, sondern das arbeitsteilige Zusammenwirken mehrerer qualifizierter Arbeitskräfte erfordern. ›Kolonnenartige‹ Kooperationsformen dagegen prägen die Art der Zusammenarbeit ›primär bei einfachen Handarbeiten‹. ›Kolonnenarbeit‹ ist in der Regel vor allem physische, wenig qualifizierte Arbeit. Eine ›Kolonne‹ besteht aus einer Reihe von Arbeitern, die weitgehend identische, wenig differenzierte Tätigkeiten ausüben. Eines hohen internen Koordinationsaufwandes bedarf Kolonnenarbeit nicht«.199 Seit den 1880er Jahren löste sich das Teamsystem auf, und es etablierten sich neue, ihrerseits bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert stabile Kooperationsformen. Vor dem Hintergrund der Vergrößerung der technischen Anlagen sowie der gesteigerten Anforderungen an die Produktions- und damit Arbeitsgeschwindigkeit setzte sich ein Modus unmittelbarer Kontrolle durch. Die Fortschreibung der Trends zur Anlagenvergrößerung brachte ab einem gewissen Grad auch einen qualitativen Wandel mit sich, der seit den 1910er und bis in die dreißiger Jahre das Crewsystem hervorbrachte. Es kam zu einer Reduktion der mannstarken Kolonnen auf einen qualifizierten Kern, zu einer Verkleinerung der Arbeitsgruppen bei gleichzeitiger Transformation zu komplexen Arbeitskräftegefügen, in denen die Verantwortung für den 197 | Ebd., S. 21. 198 | Nuwer, Batch [1988], S. 811. 199 | Welskopp, Arbeit [1994], S. 113f.

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Gesamtprozess zur kollektiven Verantwortung wurde. Die Dispositionsspielräume der spezialisierten Crews erweiterten sich, und es entstand ein Bereich eigenverantwortlicher Kontrolle und mitarbeiterkontrollierter Entscheidungen. »Diese ›organischen‹ Kooperationsstrukturen bestanden nicht nur innerhalb, sondern auch zwischen den Anlagebesatzungen bzw. zwischen den ›Crews‹ und verbindenden Positionen. Gerade diese Einbindung von eigenverantwortlich und frei von direkter Aufsicht und Anleitung arbeitenden Gruppen in das komplexe Abhängigkeitsgefüge des Gesamtbetriebs mit seinem schnellen, gegen Störungen anfälligen Produktionsfluß unterschied die ›Crews‹ des 20. Jahrhunderts von den ›Teams‹ des 19. Jahrhunderts.«200 Auf der konkreten Produktionsebene, das sollte diese Skizze verdeutlichen, bildeten sich verschiedene soziale Formationen heraus; als Reaktion und in Auseinandersetzung mit der Produktionsorganisation und -technik  –  soziale Formationen, die ihrerseits zunehmend als Produktionsfaktor entdeckt wurden. Die organisatorischen und technischen Prinzipien  –  Arbeits- und Produktionsgruppen  –,  die die Ordnung der Produktion verbürgten, wurden übertragen und erweitert, um die betriebs-soziale Ordnung in einem umfassenden Sinn herzustellen. In der britischen und deutschen Automobilindustrie erlangten Maschinengruppen und Gruppenarbeit zunächst Bedeutung im Kontext einer umfangreicheren Diskussion um die Reorganisation der Produktion angesichts der Ford’schen Herausforderungen. Daimler unternahm 1919/20 den Versuch, mittels Einführung der Gruppenfabrikation den Graben zwischen traditioneller Werkstatt- und fordistischer Fließbandproduktion zu überbrücken, das heißt einerseits die Produktion zu modernisieren, andererseits der befürchteten Auflösung der betriebs-sozialen Ordnung zu begegnen.201 Mit dem Übergang von Bearbeitungs- zu Sonderwerkstätten wurden die Wanderwege des Werkstücks deutlich reduziert, da Maschinen und Arbeiter derart gruppiert wurden, dass eine Gruppe einen bestimmten Bestandteil von Anfang bis Ende fertigen konnte. In der Gruppenfabrikation, daran sei erinnert, ging es um die Bildung sogenannter Fabrikationsgruppen, die alle zur Herstellung zum Beispiel der Karosserie notwendigen Maschinen und Arbeiter (Maschinenarbeiter, Schlosser usw.) an einem Ort räumlich zusammenfassten. Derartige Gruppen bildeten in sich geschlossene, relativ autonome Bearbeitungsabteilungen. Einzelteile bewegen sich bis zu ihrer Fertigstellung nicht mehr von Werkstatt zu Werkstatt, sondern innerhalb einer Gruppe. Auch bei Opel zeigen sich vergleichbare Entwicklungen. Gruppenund Kolonnenarbeit gab es schon im Werkstattsystem, sie veränderte sich nun aber entscheidend. »Vor 1914 waren die Mitglieder einer Gruppe, auch ›Eigengruppe‹ genannt, rechtlich miteinander verbunden gewesen, sie hatten als ›Personaleinheit‹ den Vertrag mit dem Unternehmer ge200 | Ebd., S. 501. 201 | Vgl. Kap. I.

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schlossen. […] Unterbunden war in diesem System die Möglichkeit für den Unternehmer, Mitglieder einer Eigengruppe für andere Arbeiten zu verwenden. Nach der Umstellung auf die ›neuzeitliche Fertigungsorganisation‹ gab es keine Eigengruppen mehr, sondern nur noch ›Betriebsgruppen‹. […] Diese Betriebsgruppen  –  und das war der entscheidende Unterschied zu den Eigengruppen  –  wurden vom Unternehmer zur Leistung einer gemeinsamen Arbeit zusammengestellt, konnten aber jederzeit zu anderen Arbeiten abberufen werden. Sie schlossen nicht als Personeneinheit einen Vertrag, sondern als Individuen. Sie waren vertraglich voneinander isoliert, erhielten unterschiedliche Löhne.«202 Ab 1927 wurde ausschließlich im Gruppenakkordsystem gearbeitet und der ganze Betrieb war planmäßig als eine einzige Betriebsgruppe organisiert. Dementsprechend konnte die Werkszeitschrift der Opel AG 1931 apodiktisch feststellen: »Gruppenarbeit ist Gemeinschaftsarbeit! […] [J]eder Gruppenarbeiter hat die Pflicht, sein Bestes zu tun, damit die Gruppe und er selbst durch seine gesteigerte Arbeitsleistung einen höheren Verdienst erzielen. Falls ein Gruppenmitglied nicht seine volle Arbeitskraft hergibt, wird nicht allein sein eigener Verdienst, sondern auch der der ganzen Gruppe geschmälert.«203 Produktionsorganisation und betriebs-soziale Ordnung fallen hier bereits ineinander. Gruppen sind bereits zu einem ordnenden, stabilisierenden Faktor geworden. Gruppen als Produktionseinheiten werden in einen gemeinschaftlichen Rahmen gestellt, der über organisatorische und technische Fragen hinausgeht. Auch wenn es in den Betrieben viele Gruppen gab, musste die betriebliche Sozialordnung insgesamt nicht fragmentiert sein, schließlich ließen sich die Gruppen in die Gemeinschaft des Ganzen einbinden. Die Daimler’sche Gruppenfabrikation ist gegenüber parallelen Entwicklungen in anderen Betrieben nicht zuletzt deshalb bekannter, weil Willy Hellpach sie einer umfangreichen sozialpsychologischen Evaluation unterzog. Er kam mit Blick auf die Frage betriebs-sozialer Ordnung zu interessanten Ergebnissen. Die Gruppenfabrikation zeige einen Weg, »auf dem Differenzierung und Spezialisierung der Arbeit nicht in sachliche und menschliche Atomisierung des Arbeiters und seiner Arbeit ausmünden muß. Sie schafft die Tatsachen einer organischen Verbundenheit der Arbeitenden«.204 Ganz in den von Hellpach breiteten Bahnen bewegte sich knappe fünfzehn Jahre später Eduard Lorenz mit seinen auf Gruppenexperimenten beruhenden Überlegungen Zur Psychologie der industriellen Gruppenarbeit. Lorenz ging es darum, auf experimentellem Weg die Auswirkungen von Homogenität und Heterogenität in der Zusammensetzung der Gruppen auf die Arbeitsleistung festzustellen. Er bestimmte zunächst die Gruppenarbeit als solche: »Hier soll der Ausdruck Gruppenarbeit verwendet werden; er soll andeuten, daß mehrere Individuen an 202 | Kugler, Arbeitsorganisation [1985], S. 80f. 203 | Anonym, Gruppenarbeit [1931], S. 5. 204 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 92.

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einem Werkstück Teilarbeiten verrichten, das, von Hand zu Hand wandernd, schrittweise vollendet wird. Die Mitglieder der Gruppe wirken bewußt oder unbewußt in Wahrnehmung und Erinnerung, Gefühl, Affekt und Willenshandlung aufeinander ein. Die Einzelnen sehen einander, und jeder hört den Rhythmus der ganzen Gruppe; kein Mitglied kann sich der Einwirkung des anderen entziehen; es liegt ein dynamisches Nebeneinander vor.«205 Auch Lorenz hob hervor, dass die Gruppenarbeit zumindest dem Beobachter den Eindruck eines geordneten Werdens vermittle: »Das Werkstück wandert so, von der ersten Person angefangen, von Hand zu Hand weiter bis zur Vollendung durch die sechste. Es liegt also eine Fließarbeit […] vor, d.h. eine örtlich fortschreitende, zeitlich gleiche, lückenlose Folge von Arbeitsgängen. […] Bei näherer Betrachtung sieht der Beobachter das Werkstück unaufhörlich von Arbeiterin zu Arbeiterin wandern, bis es für alle Gruppenmitglieder sichtbar fertiggestellt ist.«206 Insbesondere der Topos des Wanderns von Hand zu Hand – eine verkettende, verbindende, gruppierende, vergemeinschaftende Operation  –  kehrte immer wieder und wurde geradezu als fundamentales Strukturprinzip (idealer/ idealisierter) menschlicher Arbeit und Produktion beschrieben. Zudem wirkten Gruppen als Kollektive, versuchten sich gegeneinander abzugrenzen, auch dann, wenn die menschlichen Beziehungen im Innern gar nicht zum Besten stünden. Als eigenständiges Gebilde leisteten Gruppen aus dieser Perspektive offensichtlich einen Beitrag zur sozialen Integration und zur Überwindung von Konflikten und Fragmentierungen. Im Umfeld der Einführung der Gruppenfabrikation bei Daimler sowie der soziologischen und sozialpsychologischen Analysen der Gruppe als Produktionseinheit wird deutlich, wie industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering auf den Topos der Gruppe zurückgreift: Die Gruppe verweist auf geordnetes Werden, auf organische Verbundenheit und dergleichen. Gruppenarbeit wird zu einem umfassenden Gebilde, das den Raum der Produktion, Organisation und Technik sowie soziale Beziehungen aufeinander bezieht. Zudem deuten sich die Grundlinien einer Vorstellung industriebetrieblicher Ordnung an, die Dynamik nicht zurückzudrängen, sondern zu kanalisieren trachtet. Das Prinzip der Gruppierung, wie es pointiert im Modell der Gruppenfabrikation ausgedrückt wurde, verband sich in der Zwischenkriegszeit immer deutlicher mir demjenigen fließender Produktion,207 das heißt zwei Prinzipien wurden aufeinander bezogen, die je für sich eine bestimmte Ordnungsidee verkörperten und in ihrer Verkettung die betriebs-soziale Ordnung insgesamt symbolisierten. Charles Engelbach berichtete den Kollegen Automobilingenieuren 1928 über die von ihm durchgeführte Reorganisation des Produktionsprozesses bei Austin. Er betonte die Bedeutung der Einrichtung von Fabrikationsgruppen, die als produktives, aufeinander abge205 | Lorenz, Psychologie [1933], S. 2. 206 | Ebd., S. 4f. 207 | Vgl. Kap. V.

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stimmtes Ganzes konzipiert waren. Engelbach wies darauf hin, dass mit Einführung des Fließbands einzelne Maschinen gruppiert und verkettet worden seien. »The central idea on which the re-organisation was pivoted was to group the various shops into more or less complete factories of their own, where such details as could be assembled into main units should be machined and assembled before being delivered as such to the erecting shop. […] The principle of grouping […] was adopted, and this governed the entire re-arrangement of the works.«208 Bereits zwei Jahre zuvor hatte Friedrich Alt in der Metallarbeiter-Zeitung das Thema in ähnlicher Weise angepackt: »Bänder befördern das Arbeitsstück von einer Maschine zur andern und stellen eine feste Verbindung her, die sich durchaus nach der Fertigung richtet: die Maschinengruppe. Das bedeutet vorerst eine Auflösung der alten Werkstätten, wie wir sie bisher gekannt haben. Die trennenden Mauern, die bis jetzt die verschiedenen Werkstätten, in denen beispielsweise geformt, gegossen, vorgewärmt oder gewalzt wurde, trennten, werden niedergerissen und fallen. […] Die neue Fertigung ist zugleich eine neue Gliederung der Werkstätten. Die Fließarbeit kennt keine Werkstatt mehr, in der nur geformt, nur gegossen oder nur die Oberflächenbehandlung vollzogen wird.« 209

Die soziale Realität des Betriebs Fließende Produktion als Neugruppierung von Maschine und Mensch, als organisatorische und technische Neuerung mit erheblichen sozialen Implikationen – dieser Modus sozialer Problematisierung des Industriebetriebs ist bereits hinlänglich bekannt. Hier rückte der Mensch nicht nur als solcher, sondern als Teil sozialer Gruppen in den Blick. Gruppen wurden zu einer betriebs-sozialen Realität. Dorothea Proud stellte das 1916 fest: »Industry has, at least to some extent, passed through the phase in which a group of workers was looked upon as a mere multiple of a single worker. It is recognised that its members have duties, rights, and desires as a group and as individuals.«210 Im Verlauf der dreißiger Jahre setzte sich die Annahme durch, dass, so der damalige Education Officer bei Rowntree H.W. Locke 1943, die Aufgabe des »personnel management« darin bestehe, einen kooperativen Geist zu etablieren. Zu diesem Zweck müsse man sich dem Einzelnen in der Gruppe widmen: »The field of personnel management is organized industry. Its raw material may be regarded as the various grades of individual workers, but from the necessities of production the large majority of employees are organized into working-groups so that in most cases the unit of operation in a firm is 208 | Engelbach, Notes [1928], S. 499-502. 209 | Alt, Maschine [1926], S. 65, 71. 210 | Proud, Work [1916], S. 68.

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the group.«211 Die moderne Industrie insgesamt, und das war der Grund für diese spezifische Ausrichtung betrieblicher Personalpolitik, sei »an aggregation of groups of workers in more or less close contact with one another. The right ordering of the activities of individuals within these groups necessarily calls for a highly complex organization, but this organization itself depends for its effective performance on co-operation between individuals and between groups.«212 Hier ging es um Anerkennung und Nutzung der Gruppen und ihrer Möglichkeiten. Diese Art der gruppenbezogenen Personalpolitik unterschied sich inzwischen deutlich von früheren, vornehmlich tayloristischen Bemühungen, die im Umgang mit Gruppenbeziehungen im Betrieb noch darauf gezielt hatten, diese zu brechen und stattdessen auf die Zerlegung und Individuierung der Arbeiter und Arbeitsabläufe setzten.213 Betriebssoziologie und Industriepsychologie, die im Untersuchungszeitraum einen Boom erlebten, fokussierten Gruppen, um die soziale Realität industrieller Betriebe zu beschreiben und um einen Ansatzpunkt für ordnende Interventionen zu gewinnen. Das gestaltete sich mitunter außerordentlich schwierig, denn Gruppen als soziale Grundtatsache der betrieblichen Realität waren nicht unmittelbar sichtbar, und um diesem Umstand abzuhelfen, bedurfte es immer wieder aufwändiger Visualisierungsprogramme.214 Die Rezeption der bereits skizzierten HawthorneExperimente spielte hinsichtlich der vielschichtigen Gruppenproblematik eine nicht zu unterschätzende Rolle. Für die deutsche Soziologie gilt das vor allem mit Blick auf die nach 1945 sich häufenden emphatischen Bezüge auf die amerikanische empirische Sozialforschung. Die Erzählung, die nicht zuletzt im Umfeld René Königs etabliert wurde, hob darauf ab, dass es bereits in der Zwischenkriegszeit einen Mangel an empirischer Forschung gegeben, dass man sich spekulativ auf Ganzheiten eingelassen habe, statt empirische Größen zu erforschen. In der deutschen Rezeption der Hawthornestudien, so René König, schrieb sich das fort. Hier »treten plötzlich ganz andere Probleme in den Vordergrund: nicht so sehr die Analytik der informellen Gruppen im Betrieb als vielmehr die ›Gruppenpflege‹ […]. Damit werden in Deutschland Fäden aus den zwanziger Jahren mit ihren sozialreformerischen Programmen der ›Gruppenfabrikation‹ und wie sie alle hießen (J. Winschuh, Walter Jost, Heinrich Lechtape, Eugen Rosenstock, Willy Hellpach, der Franzose Hyacinthe Dubreuil u.a.) wieder aufgenommen, die zu der Illusion führten, der Begriff der informellen Gruppen im Betrieb sei in Deutschland entstanden. […] Statt Betriebssoziologie rücken Fragen der Sozialpolitik in den Vordergrund: betriebliche Sozialpolitik, soziale Betriebspolitik, soziale Betriebsführung, Gruppenpflege im Betrieb u.ä. verdrängen die auf Erkenntnis ausgerich211 | Locke, Fundamentals [1943], S. 3. 212 | Ebd., S. 8. 213 | Vgl. Littler, Understanding [1978], S. 195f. 214 | Vgl. Kap. VI.

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tete Forschung.«215 Der Gruppenbegriff sei bei Hellpach, Rosenstock-Huessy, Dunkmann und anderen sozialpolitisch verwendet worden, um als »Therapie gegen unterstellte Missstände« zu wirken.216 Man zielte auf die Bestimmung des Betriebs als Ganzheit, scheiterte aber daran, die einzelnen Dimensionen dieser Ganzheit sauber zu benennen und empirisch handhabbar zu machen. Aus diesem Grund, so der König-Schüler Horst Hußmann, konnte im Gegensatz zur amerikanischen Soziologie die »informelle Gruppe« hier gerade nicht entdeckt werden: »Der Kardinalfehler aller dieser Beispiele liegt in der Überbetonung formeller Zusammenhänge, welche nur auf Grund des ökonomischen Perspektivismus und […] der sozialpolitischen Anliegen verständlich werden. Die Gruppe im Betrieb wird selbst da als funktionales Gebilde betrachtet, wo man ihr soziale Inhalte konzediert«.217 Der Betriebssoziologe Hans Stirn versuchte sich in den frühen und mittleren fünfziger Jahren an einer betriebs- und gruppensoziologischen »invention of tradition«, die darauf zielte, amerikanische und deutsche Entwicklungen aufeinander zu beziehen. In Deutschland, so konstatierte er, wurde das Problem der informellen Gruppen früh erkannt, rückte aber aufgrund der theoretisch-spekulativen und formalen Ausrichtung der deutschen Soziologie nicht in den Mittelpunkt »der praktischen Erwägungen für das soziale Leben in der Industrie«.218 Tönnies und Vierkandt zum Beispiel hätten den Weg zur informellen Gruppe nicht gefunden, weil sie sich an einer allgemeinen Theorie von Gemeinschaft und Gruppe versuchten, ohne von konkreten Phänomenen auszugehen. »Gegenüber dem Phänomen der modernen Industrie versagen jedoch alle diese Systeme der deutschen Soziologie, weil sie nicht den Versuch unternehmen, den Industriebetrieb als besondere soziale Einheit zu sehen und dabei von empirischen Gegebenheiten auszugehen.«219 Natürlich, die moderne Betriebssoziologie zum Beispiel von Goetz Briefs habe wichtige Voraussetzungen für eine Analyse von Gruppen im Betrieb geschaffen, schließlich sei es ihr Verdienst, den Betrieb als »besondere Gestalt sozialer Einheiten« dargestellt zu haben.220 Zur Entdeckung der informellen Gruppe habe das allerdings auch nicht geführt. Nicht zuletzt die makrosoziologische Perspektive habe das verhindert und damit durchaus auch dafür gesorgt, dass die industrielle Sozialforschung auch nach 1945 in diese Richtung orientiert gewesen sei. »Dies zeigt insbesondere die Behandlung des Problems der sogenannten ›informellen Gruppe‹. Wobei für die deutsche Soziologie charakteristisch ist, daß sie zum eigentlichen Problem der informellen Gruppe nicht durchgestoßen ist, wohl aber in der normati215 | König, Gruppen [1961], S. 263f. 216 | Hußmann, Studien [1958], S. 11f. 217 | Ebd., S. 71. 218 | Stirn, Arbeitsgruppe [1952], S. 15. 219 | Stirn, Gruppe [1955], S. 542. 220 | Ebd., S. 548.

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ven Zielsetzung die Verwirklichung eines sozialen Gebildes anstrebt, das dem der informellen Gruppe zugrundeliegenden Sachverhalt Rechnung trägt.«221 Die Orientierung am Problem der Gruppe im Industriebetrieb wurde insgesamt zu einer Frage der Sichtbarmachung und Stabilisierung der sozialen Ordnung des Betriebs. Die Fähigkeit, Gruppen zu sehen, wurde auf das Engste mit dem Problem sozialer Ordnung im Betrieb verbunden. Elton Mayos Arbeiten wurden nicht zuletzt deshalb empfohlen, weil sie »zeigten, daß die sog. ›Arbeiterarmee‹ in der Industrie keine ungeordnete, anonyme Masse darstellt, sondern daß die Arbeiter, die an der Werkbank und im Betrieb zusammenarbeiten, differenzierte Gruppen bilden. […] Mayos Leistung ist daher vergleichbar mit den Leistungen derjenigen Soziologen, die vom Begriff der ›Klasse‹ durchstießen zu den differenzierteren Schichtungen und Gruppen, die erst unter gewissen Voraussetzungen eine Klasse zu bilden vermögen.«222 Das entscheidende und in jedem Fall rezeptionswürdige Ergebnis der Hawthorne-Experimente, so auch Otto Neuloh, sei »die Erkenntnis, daß die Arbeit und ihr Erfolg nicht durch einzel-, sondern durch Gruppenaktivität geleistet und garantiert wird und daß diese Gruppenaktivität nicht durch Arbeitsordnung, Betriebshierarchie und Laufzettel geregelt werden kann, sondern abhängig ist von den bindenden oder störenden Kräften innerhalb und außerhalb der Arbeitsgruppen, von ihrem Integrationsgrad. […] Das wichtigste Ergebnis für die Industriesoziologie und für die Betriebspraxis ist die ›Entdeckung‹ der informalen Organisation des industriebetrieblichen Lebens, die sich aus der Beobachtung der informalen Gruppenbeziehungen in den Experimentiergruppen wie auch im ganzen Betrieb ergeben hat.« 223

Auch in Großbritannien diskutierte man die Bedeutung sozialer Gruppen für den Industriebetrieb, und auch hier bezog man sich auf Hawthorne. Lyndall Urwick  –  in den Worten Elton Mayos »the first person to take public notice of the successive studies of human relations in industry undertaken by the Western Electric Company«224 – legte 1949 zusammen mit E.F.L. Brech und als dritten Teil des mehrbändigen The Making of Scientific Management einen umfangreichen Kommentar der Hawthornestudien vor. Diese hätten nichts weniger unternommen als »a study of man in his informal natural state within the unfettered social environment of his working group.«225 In Großbritannien sei dies unter Soziologen und Industriellen nicht genügend zur Kenntnis genommen worden. Nicht Veränderungen der Arbeitsumgebung, sondern solche der sozialen 221 | Ebd., S. 552f. 222 | Stirn, Arbeitsgruppe [1952], S. 74. 223 | Neuloh, Bedeutung [1953], S. 99f. 224 | Mayo, Foreword [1949], S. IX. 225 | Urwick/Brech, Making [1949], S. 2.

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und Gruppenbeziehungen hätten sich als zentraler Faktor für Veränderungen der Arbeitsleistungen erwiesen.226 Entsprechend zeichnete sich ein neues Arbeitsfeld für das Management ab: »All the findings and conclusions along these lines emphasised the significance of the social factor in industrial management, demonstrating its character as the leadership or motivation of a working group.«227 Management, so eine praktische Schlussfolgerung, bedürfe eines »fundamental principle of mutual consultation at the group level«.228 J.A.C. Brown, einer der führenden britischen Industriepsychologen, schrieb 1954, dass durch die Hawthornestudien inadäquate Annahmen der frühen Industriepsychologie aufgedeckt worden seien, vor allem die Betrachtung des Arbeiters als isolierter Einheit. Bedeutsam sei die Entdeckung des Einflusses sozialer Gruppen als eines formativen Faktors im Betrieb. »The primary group is the instrument of society through which in large measure the individual acquires his attitudes, opinions, goals, and ideals; it is also one of the fundamental sources of discipline and social controls. […] It is important that the manager should realize that the informal working group is the main source of social control, that he should endeavour to exercise legitimate control through such groups, and that he should avoid breaking them up.«229 Der bei Brown anklingende Bezug auf Primärgruppen macht ein weiteres Element der zeitgenössischen Diskussionen um die Gruppe sichtbar: eine eigentümliche Naturalisierung von Gruppen. »A worker needs, then, a satisfactory role, status, and degree of security. But in what sort of organisation? First and foremost, in a primary group of four to a dozen or fifteen people. Put people together in one place for any length of time, and they will in any way tend to form groups and cliques of this size. Each with its own small social system.«230 Diese Gruppen fänden sich überall im sozialen Leben, mithin auch im Betrieb. Das Interesse der Industriesoziologie an Gruppen setzte an der Frage an, wie sich allgemeine Gruppenbildungsprozesse in den Industriebetrieb einschrieben, sich dort in eigentümlicher Weise realisierten und ihre Wirkungen entfalteten. »Men and women form groups at work, as they do outside it, for all matter of purposes. They chat together, take tea-breaks and meal breaks together, exchange cigarettes and newspapers, lend each other money and help each other with their work. If work groups have no other objectives but these they are of no direct interest to the student of industrial relations. It is when they act together to make or to influence rules governing their employment that work groups enter into the field of industrial 226 | Natürlich lässt sich auch argumentieren, dass die Hawthorne-Studien zu einer sozialen und psychologischen Erweiterung des Umweltbegriffs beitrugen (vgl. Kap. III.2.). 227 | Urwick/Brech, Making [1949], S. 165. 228 | Ebd., S. 181. 229 | Brown, Psychology [1954], S. 126f. 230 | Fogarty, Personality [1956], S. 120.

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relations.«231 Im Hinblick auf den Umgang mit innerbetrieblichen Gruppen waren die Studien des Tavistock Institute of Human Relations bei den Glacier Metal Works zwischen April 1948 und November 1950 einschlägig und einflussreich. Man wollte in diesem Projekt die psychologischen und sozialen Kräfte studieren, die das Gruppenleben, die Einstellung und Moral sowie die Produktivität der Arbeiter berührten und dabei Wege entwickeln, um eventuelle Spannungen zwischen Gruppen zu lösen.232 Mit einem umfangreichen Programm der Gruppendiskussion sowie der sozialen Beratung der einzelnen Gruppen im Unternehmen stellte das den Versuch dar, solche Bedingungen zu schaffen, unter denen alle Gruppen der betrieblichen »community« gleichermaßen mit den Sozialberatern interagieren und am Programm teilhaben konnten.233 Unter Rückgriff auf psychoanalytische und -therapeutische Überlegungen ging es Elliott Jaques und seinen Kollegen darum, die Gruppen dabei zu unterstützen, die Komplexität umstrittener und kritisierter Dinge und der zugrunde liegenden Probleme deutlicher zu erkennen sowie die Widerstände für eine Lösung durch Reflexion und Sichtbarmachung abzubauen.

Das Ende der Gruppenromantik? Vereinzelt in den fünfziger Jahren, immer deutlicher in den Sechzigern und Siebzigern geriet der Topos der Gruppe in die Kritik. Es war Helmut Schelsky, der 1954 als wesentliche Leistung der amerikanischen Betriebssoziologie die Einsicht hervorhob, »daß den betrieblich organisierten Arbeitseinheiten private Gruppierungen von Cliquen oder sonstigen Gemeinschaftsbeziehungen unterliegen, die großen Einfluß auf das Betriebsklima und die Einstellung des einzelnen zu seiner Arbeit haben«,234 Helmut Schelsky, der zugleich »übertriebenen« Forderungen nach »Gruppenbildung« mit einem interessanten Argument entgegentrat: »In der deutschen Industrie sind die außerbetrieblichen Gruppenbildungen und tradierten Verhaltenssicherheiten, sei es der Stammeszugehörigkeit, der lokalen, politischen, beruflichen, konfessionellen oder verwandtschaftlichen Zusammengehörigkeiten und Gebilde, viel wirksamer als in dem Völker- und Abstammungsgemisch der amerikanischen Arbeiterschaft. […] So spielen bei uns die rein persönlichen Kontakt- und Gemeinschaftsbeziehungen im Betrieb keineswegs die bedeutsame Rolle der einzigen Sozialbindung, auf die sich die soziale Verhaltenssicherheit aufbaut, sondern es gibt auf Grund der stärkeren außerbetrieblichen Bindungssicherheiten eine viel mehr versachlichte […] Einstellung zur Arbeit im Werk. […] Wahr-

231 | Clegg, System [1954], S. 6f. 232 | Vgl. Jaques, Studies [1950], S. 223; sowie Brown/Jaques, Papers [1965]; Jaques, Culture [1951].

233 | Vgl. Jaques, Group [1948], S. 533. 234 | Schelsky, Aufgaben [1954], S. 19.

K ONKRETISIERTE O RDNUNG scheinlich werden wir hinter der Romantik der Gruppenbildung sehr bald wieder den Wert und die Bedürfnisse der einzelnen Person auf allen Ebenen des betrieblichen Geschehens entdecken müssen.« 235

Derartige Kritik setzte sich fest. Hans Stirn schrieb 1955, dass es in den USA und auch Deutschland »zeitweilig so etwas wie eine ›Ideologie der kleinen Gruppe‹« gab, dass ihre Vertreter »übertriebene Hoffnungen sowohl in die Erforschung der Gruppe als auch in die Anwendung ihrer Ergebnisse auf soziale Gebilde« setzten. Inzwischen sei aber »der Enthusiasmus einer vorsichtigeren Beurteilung gewichen.«236 Otto Neuloh konnte 1960 dann nicht mehr nur von einer Beschäftigung mit Gruppen oder einer grassierenden Gruppenideologie, sondern bereits von der in jüngerer Zeit modischen Kritik an einer vermeintlichen Gruppenromantik berichten und feststellen, dass »die Gruppenpflege unter Beeinflussung der informalen Gruppenbildung für den industriellen Betrieb das Allheilmittel der großindustriellen Pathologie und der einzige Gegenstand der Human-Relations-Propaganda zu werden« schien.237 Auch in Großbritannien wurden Zweifel gegenüber der gruppensoziologischen Perspektive laut. Ein genauer Blick zeige, wie unklar das Konzept der Gruppe eigentlich sei. »It may refer to a friendship clique whose members are bound by purely expressive ties in that they gain certain intrinsic satisfaction from their interactions within the group. Second, it may mean a subordinate group, defined by having a common supervisor. Third, there is the task group of employees (who may be geographically dispersed throughout the organization) who share common work interests and objectives. The interest group is a solidary group whose bounds are primarily instrumental in nature.«238 Stephen Hill bot, über diese Kritik hinausgehend, noch 1974 eine als endgültige Verabschiedung wirkende Abrechnung mit dem Mainstream der industriesoziologischen Forschung bis in die jüngere Zeit. Er bot vor allem eine Kritik der gruppensoziologisch daherkommenden Industrial-Relations-Studien und deren Neigung, jedwede Veränderung in Betrieben und Produktion auf die im Dunkeln bleibenden Aktivitäten informeller Gruppen zurückzuführen. Die Bedeutung der »work groups« werde massiv überschätzt und falsch bewertet. Das Konzept könne nicht 235 | Ebd., S. 21-23. René König sah in dieser Interpretation Schelskys geradezu paradigmatisch jenes Missverständnis der Arbeiten amerikanischer Betriebssoziologen verkörpert, das seiner Ansicht nach weite Teile der deutschen Rezeption prägte. »Damit wären wir wieder bei Schelskys ›Gemeinschafts- und Kontaktbedürfnissen‹ angelangt, von denen wir aber schon erwähnten, daß sie einer Verwechslung der analytischen mit einer sozialreformerischen Einstellung entspringen« (König, Gruppen [1961], S. 278f.). 236 | Stirn, Gruppe [1955], S. 554. 237 | Neuloh, Betriebsstil [1960], S. 232. 238 | Fox, Sociology [1971], S. 112f.

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leisten, was man ihm aufbürde. Vielmehr habe auch die Analyse von Gruppen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass diese lediglich eine mögliche soziale Institution unter vielen seien und zudem innerhalb normativer Regeln operierten, für die sie selbst nicht verantwortlich seien.239

239 | Hill, Norms [1974], S. 215f.

V. Fließende Ordnung

Ordnungsdenken und Social Engineering ist historisch nicht ohne den Topos fließender Ordnung denkbar. Dem unterlag ein längerer kulturund gesellschaftsgeschichtlicher Beschleunigungstrend, der immer wieder auch Fragen industrieller Produktion und ihrer Wirkungen umfasste. Im industrialistischen neunzehnten Jahrhundert wirkten Produktionserfordernisse einerseits in außerbetriebliche Bereiche hinein, andererseits wurde in den Betrieben die Kluft »zwischen der Schnelligkeit der Maschinen und der Langsamkeit der Arbeiter« (P. Borscheid) diskutiert.1 Beschleunigung, Tempo und Taktung strukturierten eine spezifisch moderne Zeitwahrnehmung; gekennzeichnet, so Hartmut Rosa, durch eine eigentümliche Paradoxie – stete Beschleunigung oder ›Verflüssigung‹ bei gleichzeitiger ›Erstarrung‹.2 Bewegung wurde zu einem Synonym für Leben. Dieses Denken wurde im Ersten Weltkrieg grausam veranschaulicht: Der Krieg war real gewordener Albtraum still gestellter Bewegung. Er zeigte in aller Brutalität, was passiert, wenn Bewegung erlahmt oder verunmöglicht wird. Die Überhöhung des Bewegungsmotivs und dessen Rückübersetzung in Politik und Produktion, Kultur und Gesellschaft nach dem Krieg speisten sich aus dieser Wahrnehmung.3 Die Ordnungsideale, die sich um Fließband und fließende Produktion herum ausbildeten, gingen über organisatorische und technische Fragen hinaus. Zwar diskutierten Produktionsingenieure nach wie vor derartige Fragen, das bildete oft aber auch den Auftakt, um umfassendere betriebs-soziale Ordnungsmodelle bereitzustellen, die vielfach adaptier- und übertragbar waren. Entlang der Frage, wie industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering sich realisiert, gerät ein Paradigma fließender Ordnung in den Blick, das sich in den Produktionsräumen materialisierte, vor allem aber auch eine metaphorische Ebene auf1 | Als impressionistische Beschreibung vielfältiger Beschleunigungsphänomene vgl. Borscheid, Tempo-Virus [2004]; als gesellschaftstheoretischen Entwurf vgl. Rosa, Beschleunigung [2005]. 2 | Vgl. Rosa, Beschleunigung [2005], S. 39-50. 3 | Vgl. Meschnig, Wille [2008].

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wies, auf der reibungsloses Fließen zum Sinnbild von Ordnung wurde. Bezüge auf organisatorische und technische Probleme verbürgten dabei Ordnungsmodelle, die sich scheinbar von allen konkreten Problemen in Betrieb und Produktion gelöst hatten. Betriebs-soziale Ordnung rekurrierte auf eine bestimmte Art von Bewegung. Referenzpunkt war die Idee fließender Ordnung. Fließband und Automatisierung wurden zunächst als Herausforderung der bestehenden Produktionsordnung wahrgenommen, dann jedoch immer stärker als Schrittmacher und Garanten einer neuen, nun allerdings dynamischen Ordnung (1.). Wenn bisher herausgearbeitet werden konnte, dass das Spezifikum industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings darin besteht, den Industriebetrieb als sozial-räumliches Problem hervorzubringen und in diesem Sinn zu bearbeiten, so verdeutlicht eine Analyse von Fließband und Automatisierung, dass damit kein statisches Ordnungsverständnis verbunden ist. Der Betrieb ließ sich  –  seit den fünfziger Jahren nicht zuletzt unter dem Einfluss kybernetischen Denkens  –  als eine Ordnung problematisieren, die sich über Kontrolle und Kommunikation realisierte (2.) und auf Topoi wie Reibungslosigkeit und Verkettung rekurrierte (3.). Es galt, Bewegungen zu kanalisieren und zeitliche Abläufe zu takten (4.).

1. F LIESSBAND UND A UTOMATISIERUNG Bei Fließband und Automatisierung handelte es sich zunächst um produktionsorganisatorische und -technische Neuerungen, die zunehmend in den Sog einer sozialen Problematisierung des Industriebetriebs gerieten. Das schrieb jemand wie Frank Woollard dem Fließband und seinen Wirkungen selbst zu. »Nevertheless, there is a moral force about flow-line production which, if properly understood, and rightly used, should make for better order and for more equity and justice in works administration.«4 Die Aufgaben und Themen von Produktionsingenieuren und Managern fügten sich auf diese Weise in Ordnungsdenken und Social Engineering. Die Diskussionen um die sozialen Folgen von Fließband und Automatisierung öffneten eine derartige Perspektive, und Fragen der Sozialordnung drangen umgekehrt in die Produktionsordnung ein. Diese Entwicklung, bei der es sich um eine wichtige Dimension der Geschichte industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings handelt, wird im Folgenden skizziert.

Eine neue Produktionsordnung Klagen über organisatorische Unordnung im Innern der Betriebe häuften sich seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Die etablierte Form 4 | Woollard, Principles [1954], S. 88.

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der horizontalen und vertikalen Integration der Arbeitsvorgänge erwies sich zunehmend als dysfunktional. Mit der modernen Massenproduktion entstanden neue Anforderungen an Koordination und Kontrolle im und über den Produktionsprozess. Der Aufstieg der »visible hand« (A. Chandler) verweist auf organisatorische und strukturelle Neuerungen im Unternehmensbereich, vor allem die Formierung der großen »corporations«. Alfred Chandler beschrieb diesen Prozess als Begrenzung der Koordinationsfunktion des Marktes auf den Bereich der Nachfrage, während die Koordination von Rohmaterialien, Gütern sowie deren »flow« durch Produktion und Distribution in die Unternehmen geholt wurde.5 Mit der Etablierung fließender Produktion, das heißt der sequentiellen Integration spezialisierter Operationen in einen Produktionsprozess, wurden also »diagnostic skills«, Teamarbeit, Koordination, Kooperation, Kommunikation und Kontrolle wichtiger.6 Die betriebs-soziale Realität der Produktion hatte sich entscheidend verändert. Gerade die Fabriken der Automobilindustrie schienen jene Orte zu sein, an denen sich neue Probleme aber auch neue Muster betriebs-sozialer Ordnung am deutlichsten zeigten. Diese Fabriken spielten beim Transfer und der Diffusion des Fließbands eine wichtige Rolle. Die Einführung des Fließbands brachte eine neue Regelmäßigkeit in den Produktionsgang und reagierte auf Probleme der klassischen Werkstattorganisation: den erhöhten Bedarf an Facharbeitern, die langen Transportwege und notwendigen Zwischenlager sowie die aus Managementsicht unzureichende Beaufsichtigung der in der Fabrik zirkulierenden Arbeiter. Neben technischen Neuerungen zog das auch eine Transformation des institutionellen Rahmens nach sich – in Richtung reduzierter Abhängigkeit des Kapitals von qualifizierten Arbeitern und einer Verlagerung der Kontrolle über den Produktionsprozess.7 In Europa setzte nach dem Ersten Weltkrieg und bis in die späten zwanziger Jahre eine produktionsorganisatorische und -technische Experimentierphase ein. »In this atmosphere, all automobile manufacturers were fascinated by the assembly line and, more generally, by mechanical handling. Such devices were physically and obviously imposing; they embodied movement and flow – they were mass

5 | Vgl. Chandler, Hand [1977]; aber auch Child, Thought [1969]; Guillén, Models [1994]; Keeble, Ability [1992]; Litterer, Management [1961]; Pollard, Genesis [1965]; Wren, Evolution [1987]. 6 | Vgl. für verschiedene industriegeschichtliche Kontexte: Hounshell, System [1985]; Nuwer, Batch [1988]; Scranton, Diversity [1991]; Welskopp, Arbeit [1994]. 7 | Vgl. Adeney, Motor [1989], S. 159-162; Bardou u.a., Revolution [1982], S. 51-76; Holden, Vauxhall [1981]; Hounshell, System [1985], S. 217-261; Lewchuk, Technology [1987], S. 33-65; Stahlmann, Revolution [1993], S. 22-59. Zum Fließband im Allgemeinen vgl. Bönig, Einführung [1993]; Fridenson, Coming [1978].

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production.«8 Während in den USA ausgehend von der Idee des ›faulen Arbeiters‹ Techniken direkter Kontrolle entwickelt wurden, dominierte in Großbritannien eine Sicht auf die Arbeiter als sich organisierende, potentiell umstürzlerische Gruppe. Das führte eher zu kooperativen und integrativen Strategien. Britischen Arbeitern, so argumentierten eine Reihe von Unternehmern und Managern, müsse man schlichtweg einen größeren Grad an Freiheit und Kontrolle über den Arbeitsprozess auf Werkstattebene einräumen. In amerikanischen Betrieben wurden nach wie vor die Maschinen und deren Anordnung als zentraler Ansatzpunkt der Verbesserung der Produktivität angesehen, in Großbritannien waren es die »menschlichen Faktoren«. Im Einzelnen variierte das natürlich. Vauxhall setzte vergleichsweise ausgeprägt auf direkte Kontrolle. Werkstattorganisation und Maschinenanordnung folgten dieser Entwicklung seit der Eingliederung in den General Motors-Konzern im Jahr 1925. Auch Morris schritt mit der Restrukturierung der Produktions- und Maschinenordnung weit in Richtung amerikanischer Prinzipien voran. Austin ging den Weg fließender Produktion dagegen sehr viel langsamer und viel stärker gerahmt durch paternalistische Wohlfahrtsprogramme.9 In Deutschland trieb Opel die Einführung fließender Fertigung nach den Ersten Weltkrieg voran, bereits vor der Übernahme durch General Motors. Opel etablierte mit der Reorganisation der Produktion seit 1920 ein Mischsystem aus fließender und Fließbandarbeit. »An die Stelle der Arbeitsteilung durch Bearbeitungsarten, wie es für das Werkstattsystem typisch gewesen war, trat nun das organisierte Maschinensystem, d.h. die arbeitsteilige Kombination verschiedenartiger Maschinen, deren Auslastung in einem Gesamtplan aufeinander abgestimmt wurde. Die Produktion sollte fließen, von Abteilung zu Abteilung, von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. Anders als in den Werkstätten alter Art wurde nicht mehr gleichzeitig eine größere Menge von gleichen Teilen in verschiedenen Räumen hergestellt und in Zwischenmagazinen bis zum nächsten Arbeitsgang aufgestapelt, sondern bei der Fließarbeit wurden unterschiedliche Teile in der Reihenfolge ihrer Zusammensetzung hergestellt.«10 Versuche, die Fließbandproduktion in Richtung Automatisierung weiterzuentwickeln, gab es bereits in den zwanziger Jahren. Seit Ende der Dreißiger setzte jene Dynamik ein, in deren Folge die in Frage stehenden Techniken großflächig umzusetzen versucht wurden. Im Zweiten Weltkrieg bildeten sich vor allem in den USA enge und nachhaltige Kooperationsverhältnisse zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Militär heraus, die für die Geschichte industrieller Automatisierung bedeutsam 8 | Cohen, Modernization [1991], S. 760. 9 | Vgl. Lewchuk, Technology [1987], S. 152-184; Ders., Fordism [1989]; Ders., Fordism [1983]. 10 | Kugler, Werkstatt [1987], S. 333-338 (Zitat, S. 335); vgl. Dies, Arbeitsorganisation [1985]; sowie Bönig, Einführung [1993], S. 426-484; Stahlmann, Revolution [1993], S. 71-80.

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wurden.11 Automatische Transfermaschinen wurden zwischen 1945 und 1955 zunächst vor allem in der Automobilindustrie eingeführt. Ihre Hochphase lag zwischen den fünfziger und achtziger Jahren.12 In Deutschland war in dieser Hinsicht Volkswagen wichtig. Zwar ging hier auch die Umstellung auf das fordistische Modell der Fließfertigung erst in frühen fünfziger Jahren vonstatten, 1954 erfolgte dann aber eine umfassende Reorganisation des Produktionsprozesses. »Diese Reform kombinierte den konsequenten Einstieg in die fordistische Fließfertigung mit einer fortschreitenden Automatisierung«.13 In Großbritannien kam es bei Austin zwischen 1946 und 1951 zu entscheidenden Veränderungen der Produktionsorganisation. Das neue System, das »kit marshalling«, etablierte den Fluss des Materials von Station zu Station und ermöglichte die mehr oder weniger gleichzeitige Herstellung verschiedener Modelle an/auf einem Band. Dieses System war durch eine spezifische Adaption der amerikanischen Massenproduktion bei Betonung größerer Flexibilität gekennzeichnet. Am Ende der ersten Nachkriegsdekade hatten britische Unternehmen insgesamt verschiedene Wege entwickelt, um Flexibilität mit Automatisierung und anderen »high volume«-Methoden zu verbinden. Derartige Methoden hingen von vorsichtiger und genauer Planung der Arbeitsabläufe ab, von Zeitstudien und der Synchronisation des komplexen »flow«. Gruppenbonussysteme spielten eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung der notwendigen funktionalen Flexibilität und Kooperation unter den Arbeitsgruppen.14

Soziale Folgen Damalige Automatisierungsnarrative waren durch die Idee einer kontinuierlichen Geschichte der Produktionsorganisation geprägt. In den Argumenten bildete sich die Suche nach einer Balance zwischen Kontinuität und Wandel ab. Organisatorischer und technischer Wandel in der Produktion war nirgends als solcher ein Problem, sondern erst dann, wenn er in stabile soziale Formationen und Arbeitsbeziehungen eingriff. Verschiedentlich wurde hervorgehoben, dass Automatisierung eine Fortschreibung bisheriger Modelle fließender Produktion, deren Weiterentwicklung oder logische Schlussfolgerung sei. Das brachte zum Beispiel D.J. Davis, Vice President for Manufacturing der Ford Motor Company, in einer Stellungnahme 1956 zum Ausdruck. »We do not believe that automation, as we use it, is a revolutionary development in production technique; rather, it is just another evolutionary phase of our advancing production technology.«15 11 | Vgl. Noble, Forces [1986]. 12 | Vgl. Hounshell, Automation [2000]; Ders., Planning [1995]. 13 | Vgl. Wellhöner, Wirtschaftswunder [1996], S. 69-77, 109-135 (Zitat S. 104). 14 | Vgl. Zeitlin, Reconciling [2000]. 15 | Davis, Automation [1956].

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Gerade unter Produktionsingenieuren und in den Stellungnahmen der Unternehmen dominierte ein derartiger Produktionsevolutionismus, das heißt vor allem die stete Behauptung, die Automatisierung sei keine revolutionäre Neuerung. »It must be remembered that automatic transfer machines and mechanisms are the flowering of the flow production system – that handmaiden of mass production – which has done so much to provide and increase the amenities of civilised life. […] The automatic transfer machine – as we know it – grew out of the flow production techniques which have been current for rather more than thirty years past.«16 Fließband und automatische Fabrik seien »Höhepunkte einer geradlinigen technischen Entwicklung, die im vorigen Jahrhundert begann und im nächsten Jahrhundert die menschenarme Fabrik verwirklichen dürfte.«17 Helmut Schelsky zählte es zu den ideologischen Elementen der Automatisierungsdiskussion, von einer zweiten industriellen Revolution zu reden. Technisch mochten einzelne Entwicklungen zwar revolutionierende Effekte haben, die untrennbar mit dem Begriff der industriellen Revolution verbundene soziale Umwälzung zeichne sich aber nirgends ab.18 Evolution und Revolution wirkten in dieser Konstellation als »asymmetrische Gegenbegriffe«. In Übertragung der Überlegungen Reinhart Kosellecks zu derartigen Begriffskonstellationen19 ließe sich vielleicht behaupten, dass Evolution und Revolution im hier relevanten Verwendungskontext durchaus »auf ungleiche Weise konträre Zuordnungen« sozialen Wandels darstellten. Das Begriffspaar beschreibt hier nicht nur zwei Modi von Wandel, sondern es wird bereits in Benennung und Gegenüberstellung einer der beiden privilegiert, indem er als vereinbar mit sozialer Stabilität vorgestellt wird. Ein Stück weit vielleicht in Umkehrung der Universalisierungstendenz des neuzeitlichen Revolutionsbegriffs  –  die Koselleck interessanterweise zunächst einmal mit Verweis auf die ihm zeitgenössische Diskussion um eine »zweite industrielle Revolution« als Folge des Bedeutungsgewinns der Kybernetik illustriert20 – scheint die Revolution hier erneut zum Ausnahmezustand und Sonderfall zu werden. Produktionsorganisatorische und -technische Neuerungen wurden stets auf ihre sozialen Folgen hin befragt. Bereits in der Phase der Frühindustrialisierung war deutlich geworden, dass nicht nur die Entstehung relativ geschlossener Fabriksysteme, sondern auch und gerade die Maschinisierung der industriellen Produktion einschneidende Folgen für die politische und soziale Ordnung hatte.21 Die Maschine drängte nicht nur in die Fabriken, sondern mit Wucht auch in die soziale Ordnung und deren Wahrnehmung. Sie suchte dort ihren Platz und drohte dadurch, 16 | Woollard, Advent [1953], S. 18f. 17 | Gross, Logik [1956], S. 3. 18 | Vgl. Schelsky, Folgen [1957], S. 36-38. 19 | Vgl Koselleck, Semantik [1979]. 20 | Vgl. Koselleck, Kriterien [1979], S. 67f. 21 | Vgl. die Analyse dieses Komplexes bei Berg, Question [1980].

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die bisherige Ordnung fundamental umzuwandeln. Die Maschinenstürmer der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts kündigten die neue Dringlichkeit dieses Problems auf ihre Weise an. In der Rezeption des Maschinensturms (nicht nur) seitens der sich organisierenden Arbeiterbewegung setzte sich jedoch rasch die Ansicht durch, dass die Zeit der Maschinenstürmerei vorbei sei. In den Vordergrund rückten Möglichkeit und Notwendigkeit einer Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen des Maschineneinsatzes. In Abgrenzung von den Maschinenstürmern früherer Tage ging es nicht mehr um die Zerstörung der Maschinen, sondern um das Problem ihrer kapitalistischen Aneignung und proletarischen Wiederaneignung.22 Wenn die Maschine, wie Fritz Kummer 1929 in der Metallarbeiter-Zeitung behauptete, einen Januskopf habe, »dessen eine Seite verzweifelnd grinst, dessen andere Seite verheißungsvoll lächelt«; wenn die Maschine »[n]eben dem Schatten […] für den Arbeiter auch Licht« habe;23 wenn der moderne Arbeiter, wie es an anderer Stelle hieß, »[u]nter Maschinen groß geworden« sei und »anders als der Arbeiter des vorigen Jahrhunderts, sie als Befreierin aus der Not der schwersten körperlichen Arbeit schätzen gelernt«24 habe, dann werden entschiedenes Handeln und verantwortungsvolle Nutzung der Maschinen im Industriebetrieb wichtig. Die Grundlinien dieser Argumentation blieben vor allem dann stabil, wenn nach den Folgen produktionstechnischer Neuerungen für die Arbeiter gefragt wurde; wenn gefragt wurde, ob es sich bei der Automatisierung (aber auch zuvor dem Fließband) um Fluch oder Segen, um Freund oder Feind handle.25 Inzwischen waren alle Elemente einer automatischen Fabrik verfügbar, bei deren Realisierung galt es nun aber, auch andere als technisch-ökonomische Fragen im engeren Sinn zu berücksichtigen: Wer durch diese oder jene vereinzelt zum Einsatz kommende automatische Maschine seinen Arbeitsplatz verliert, kann sicher an anderer Stelle im Unternehmen unterkommen. Aber dabei bleibt es nicht. Automatisierung bleibt nicht auf den Einsatz einzelner Maschinen beschränkt, nicht alle Probleme sind rasch zu lösen. »The re-deployment of the whole personnel on a change over to a completely automatic factory is something quite different; moreover, the assembling of the mechanic force for the building, maintenance and service of such a factory is a formidable problem. […] What will be the social effect of the

22 | Vgl. Henkel/Taubert, Maschinenstürmer [1979]; Herzig, Reaktion [1988]; Hobsbawm, Machine Breakers [1952]; Rancière/Vauday, Weg [1980], S. 11-20; Randall, Luddites [1991]; Sieferle, Mythos [1983]; Spehr, Maschinensturm [2000], S. 165-173; Thomis, Luddites [1970]; Wengenroth, Technisierung [1984]; Wulf, Maschinenstürmer [1988], S. 19-59. 23 | Kummer, Maschinenmenschen [1929], S. 163. 24 | Dünnebacke, Rationalisierungspraxis [1926], S. 507. 25 | Vgl. Allaun, Frank: Automation – Blessing or Curse?, London 1956, MRC, Bestand MSS. 309/U/5/1/3; Campbell, Automation [1955].

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adoption of automatic transfer machines and mechanisms? It appears to be generally agreed that in the short term the use of machinery is liable to cause unemployment, but that in the long term it increases rather than diminishes employment. […] Nevertheless, the short term is all-important to those involved in ›technological displacement‹ and, emphatically, they must not be sacrificed.« 26

Helmut Schelsky unternahm 1957 den Versuch, die sozialen Folgen der Automatisierung und deren Einschätzungen aufzufächern. Dabei stellte er fest, dass die mit der Automatisierung verbundenen Entwicklungen grundsätzlich von allen Seiten bejaht würden, dass niemand darauf ziele, sie aufzuhalten oder rückgängig zu machen. »Es gibt keine der ›Maschinenstürmerei‹ gleichwertige ›Automatenstürmerei‹ zu Beginn dieser ›zweiten industriellen Revolution‹, es gibt keinen Traditionalismus der technischen Methoden.«27 Freilich gebe es pessimistische und optimistische Einschätzungen, gemeinsam sei beiden allerdings ein pragmatischer Zug, der dazu führe, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bewältigung der sozialen Folgen der Automatisierung sich oft glichen.28 Friedrich Pollock, als Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung politisch-ideologischer Affinitäten mit Schelsky unverdächtig, hatte bereits ein Jahr zuvor eine ähnliche Auflistung der die Automatisierungsfolgen betreffenden Argumente geboten. Auch bei Pollock tummeln sich Optimisten, Skeptiker und Pessimisten, und es werden die gleichen Fragen diskutiert: (drohende) Arbeitslosigkeit, Auswirkungen auf Arbeitszeit und Freizeit, auf Arbeitsanforderungen und Qualifikation. Im Gegensatz zu Schelsky verwies Pollock dann aber nicht auf einen alle Positionen verbindenden Pragmatismus, sondern schloss mit der Feststellung, die Argumente der Optimisten seien »weder theoretisch fundiert […] noch durch die Erfahrungen gerechtfertigt«.29 In der Identifizierung der zentralen Problemfelder und diskussionswürdigen Fragen zeigen sich auch mit Blick auf Großbritannien in den fünfziger Jahren kaum Unterschiede. So skizzierte B.R. Williams in seinem Vortrag auf der wichtigen MargateKonferenz der Institution of Production Engineers im Jahr 1955 ein fast identisches Panorama in einem nahezu identischen, abwägenden Stil.30 In einer den Problemen der Automobilindustrie gewidmeten Ausgabe des International Bulletin of Workers in the Metal and Engineering Industries hieß es 1957: »The labour world realises that these wonderful discoveries represent powerful factors of progress, which could lead to profound changes in the means of production and in the social field, but which could also give rise to harmful economic disturbances if they were used to increase still 26 | Woollard, Advent [1953], S. 31. 27 | Schelsky, Folgen [1957], S. 25. 28 | Vgl. ebd., S. 25f. 29 | Pollock, Automation [1956], S. 69-80 (Zitat S. 80). 30 | Vgl. Williams, Factory [1955].

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further the fabulous profits of the monopolies.«31 Diese, aber auch Schelskys, Pollocks oder Williams‘ Beobachtungen zur Automatisierungsdebatte bekräftigen den ambivalenten Charakter des Umgangs mit Maschinen im Produktionsprozess. Regelmäßig wurde anerkannt, was Maschinen zu leisten in der Lage waren – auch für die Arbeiter. Zugleich stand jedoch drohende Arbeitslosigkeit im Raum. Diese Spannung begründete die Notwendigkeit gestaltender Interventionen ebenso wie die Forderung nach einer angemessenen Rahmung der industriellen Produktion. Das wurde nicht zuletzt seitens der Gewerkschaften immer wieder betont.32 Im Umgang mit der Automatisierung kristallisierten sich zwei Lösungswege heraus. Dauerhaft funktioniere das nur, so Frank Allaun 1956, wenn eine effektive öffentliche Kontrolle durch » social ownership« gewährleistet sei.33 Hier ging es um den großen politisch-sozialen Rahmen, um die effektive Einhegung neuer Produktionstechniken. Die »benefits« technischer Neuerungen folgten schließlich nicht notwendig schon mit deren Einführung. »In short, if automation is to be comparatively painless it must be accompanied by economic planning, and that involves the social ownership of the decisive industries.«34 Schelsky bezeichnete derartige Forderungen nach einem »Umbruch oder eine[r] Neuformung der gesamten Wirtschaftsordnung zur Planwirtschaft« als »schroffste Form« der »pessimistischen Ansicht« – zumal faktisch »in den bisherigen Kräftefreisetzungen durch Automatisierung […] die Firmen keine Arbeiter entlassen haben«.35 Der deutsche Soziologe hatte natürlich nicht die konkreten Diskussionen in Großbritannien vor Augen. Ihm entging aber nicht, dass seine Aussage zu ausbleibenden Entlassungen nur »mit Ausnahme des unglücklichen Falles ›Coventry‹« galt.36 Was als soziale und ökonomische Folgen der Automatisierung diskutiert wurde, bezog sich zunächst auf das Problem der Ersetzung menschlicher durch maschinelle Arbeit und damit auf das Problem von Arbeitslosigkeit. Automatisierung liefe schließlich, wie auch immer man sie genau definiere, in letzter Instanz auf die Eliminierung menschlicher Arbeit im Produktionsprozess hinaus, sie sei ein »move towards production without human labour. It is a step in

31 | Anonym: Automation. Its Perspectives and Social Consequences, in: Today’s Problems in the Automobile Industry (International Bulletin of Workers in the Metal and Engineering Industries), 1957, S. 16-25, MRC, Bestand MSS. 202/CP/64, S. 16. 32 | Vgl. National Union of Vehicle Builders: Automation, 1956, MRC, Bestand MSS. 126/VB/3/1/1, S. 1. 33 | Vgl. Allaun, Frank: Automation – Blessing or Curse?, London 1956, MRC, Bestand MSS. 309/U/5/1/3, S. 8. 34 | Campbell, Automation [1955], S. 12 – erschienen in der Communist Library. 35 | Schelsky, Folgen [1957], S. 27. 36 | Ebd.

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the direction of the factory without workers.«37 Umstritten war allerdings, ob das zu einer strukturellen, technisch bedingten Arbeitslosigkeit in großem Maß oder zu einer Schaffung neuer Arbeitsplätze führen werde. Unternehmensoffiziell bestritt man, dass das Problem entstehender Arbeitslosigkeit überhaupt größere Ausmaße annehmen werde. Bei Ford, so einer der Vizepräsidenten, habe die Automatisierung zu einer Befreiung von manueller Arbeit geführt, die Produktionskosten gesenkt und damit eine beeindruckende Nachfrage mit bemerkenswerten Beschäftigungseffekten geschaffen. Wer durch Automatisierung ersetzt worden war, sei an anderer Stelle im Werk untergekommen.38 »Nach dem ersten Weltkrieg erfand man das Fließband; nach dem letzten die menschenleere Fabrik. […] Arbeitslosigkeit wird hieraus nicht befürchtet, weil man sieht, wie durch diese neuen Stöße der Massenproduktion gewaltige Aufgaben des Vertriebes, der Reparatur und des Kundendienstes erwachsen, die Tausende von Fachkräften in den nachgeordneten Stufen, also jenseits der eigentlichen Fabriken neu ansetzen. Es handelt sich letztlich nur um eine Umschichtung, einen Arbeitsplatzwechsel.«39 Das mochte man glauben. Zumindest seitens der Gewerkschaften galt es, so oder so, den Übergang zur automatisierten Produktion zu gestalten. Man müsse, so der Trades Union Congress 1956, Qualifikationsmaßnahmen in die Wege leiten und für eine gerechte Verteilung der »benefits« sorgen. Insgesamt seien Ruhe und Geduld bei der Einführung und im Übergang gefragt.40 Einen behutsamen, graduellen Übergang könne man, so auch die National Union of Vehicle Builders im gleichen Jahr, durchaus meistern, wirklich problematisch wäre nur eine plötzliche Einführung der Automatisierung in weiten Bereichen der Industrie.41 Der organisatorische und technische Evolutionismus, der bereits die Versuche der Manager, Produktionsingenieure und Unternehmer kennzeichnete, die Automatisierung historisch einzuordnen und einzuhegen, schlug auch bei den Gewerkschaften durch. Produktionsorganisatorische und -technische Evolution war aus dieser Perspektive keine selbstverständliche Gegebenheit, sondern Aufgabe und Herausforderung (nicht nur) gewerkschaftlichen Handelns, dessen Gelingen fortgesetzte soziale Stabilität versprach.

37 | Allaun, Frank: Automation – Blessing or Curse?, London 1956, MRC, Bestand MSS. 309/U/5/1/3, S. 4.

38 | Vgl. Davis, Automation [1956]. 39 | Gross, Fabrik [1954], S. 3. 40 | Vgl. Trades Union Congress: Automation and the Trade Unions, o.O. 1956, MRC, Bestand MSS. 126/TG/457/1/1.

41 | Vgl. National Union of Vehicle Builders: Automation, 1956, MRC, Bestand MSS. 126/VB/3/1/1.

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2. K ONTROLLE UND K OMMUNIK ATION Ordnungsdenken und Social Engineering behandelt den Industriebetrieb als ein Ensemble geregelter Bewegungen, realisiert durch Kontroll- und Kommunikationsflüsse. Hier etablierte sich eine argumentative Linie, deren Fäden in den fünfziger Jahren in einem kybernetischen Blick zusammenliefen. Die Einführung kybernetischen Denkens in Management und Produktionsorganisation konnte an Argumente und Topoi anknüpfen, die bereits angesichts des Fließbands diskutiert worden waren. Mit Kontrollund Kommunikationsfragen, die im Zug der Automatisierungsdebatte oder den Diskussionen um die Kybernetik seit den fünfziger Jahren verhandelt wurden, waren Betriebssoziologen und Produktionsingenieure bereits in den zwanziger Jahren angesichts des Fließbands beschäftigt. Hier wie dort ging es auf basaler Ebene darum, welche Bedeutung der Kontrolle der Arbeit und der Arbeiter, der Maschinen und ihrer (An-) Ordnung für den Produktionsprozess und die betriebs-soziale Ordnung zukam. Hinzu kamen Fragen nach der kommunikativen Ordnung im Betrieb, nach Kommunikations- und Informationsflüssen. Entlang der Topoi Kontrolle und Kommunikation lassen sich Fließband und Automatisierung und in gewissen Grenzen auch die Kybernetik daher nicht nur vergleichen, sondern es wird ebenso möglich, Kontinuitäten herauszuarbeiten. Die Kybernetik der fünfziger und frühen sechziger Jahre, oder eher noch: ihr Einfluss auf Diskussionen um Betriebs- und Produktionsorganisation nimmt eine besondere Stellung ein. Sie markiert einen Übergang; ist nicht mehr ganz Ordnungsdenken und Social Engineering, aber auch noch nicht etwas ganz Neues. Eine Zeit lang liefen Kybernetik und industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering einvernehmlich nebeneinander her, und das bedeutete zunächst eine Stärkung und Erneuerung der sozialen Problematisierung des Industriebetriebs mittels Adaption kybernetischer Versatzstücke. Die Kybernetik war unter bestimmten Umständen kompatibel mit weiten Teilen des sozialökologischen Industrialismus, sie war aber nicht mit ihm identisch. Sie wies über ihn hinaus und trug letztlich zu seinem Bedeutungsverlust bei. Das alles spielte sich, was die kybernetische Seite betraf, auf der Ebene abstrakter Ordnungsmodelle und Organisationsvorstellungen ab. Produktionsingenieure, Management, Gewerkschaften oder Betriebs- und Industriesoziologie richteten den Blick dagegen konkreter in das Innere dieser Ordnung. Vor Ort stellten sich einige relativ klare Fragen: Drohten Fabriken ohne Menschen? Hatte man mit einem Heer von Robotern zu rechnen? Würden die Arbeiter durch die automatischen Maschinen entwürdigt, unterworfen oder doch eher befreit? Wer genoss Autonomie, und wer kontrollierte wen?

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Die Welt der Kontrollen Im Zuge der »labor process«-Debatte der siebziger Jahre ist diskutiert worden, welche Zusammenhänge zwischen Mehrwertproduktion, Mehrwertabschöpfung und der Kontrolle über den Arbeitsprozess bestehen.42 Die Art der Organisation des Produktions- und Arbeitsprozesses, so David Gartman, sei ein politisches Instrument  –  eingebunden in die Versuche kapitalistischer Unternehmer, Kontrolle auszuüben.43 Dieser Ansatz hat, nicht zuletzt aufgrund seiner entschieden marxistischen Ausrichtung, heftige Kritik provoziert.44 Dennoch hat er das Augenmerk auf eine bis dahin vernachlässigte Dimension  –  die sozialen (Kontroll-) Funktionen neuer Produktionstechniken und Organisationsweisen der Arbeit – industriebetrieblicher Verhältnisse gelenkt. Eine Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings kann hier anknüpfen, denn es ging zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren in der Tat um den Betrieb als eine Sozialordnung, die nicht zuletzt mittels (an)ordnender Zugriffe zu gestalten war. Diese Zugriffe bedienten sich zumindest teilweise auch jener Instrumente, Techniken und Strategien, die im Kontext der »labor process«-Debatte unter dem Aspekt sozialer Kontrolle am Arbeitsplatz verhandelt werden. Ordnungsdenken und Social Engineering weist erkennbare Schnittmengen mit Anliegen und Vorgehen von Unternehmern und Managern auf. Entscheidend für die vorliegende Analyse ist, dass der Kontrollbegriff nicht nur – wie in Teilen der Industriegeschichte – als ein heuristisches Instrument zum Einsatz kommt, um eine Neuinterpretation industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse vorzunehmen, sondern Kontrolle zugleich Gegenstand zeitgenössischer Reflektionen war. Es geht also nicht lediglich darum, organisatorische und technische Neuerungen in den Betrieben (Wohlfahrtsprogramme, Lohnpolitik, wissenschaftliche Betriebsführung, Fließband, Automatisierung, Gruppenarbeitsmodelle, Bürokratisierung und Systematisierung von Verwaltungsabläufen, Ausbildung und Karrierewegen, Differenzierung und Hierarchisierung der Tätigkeiten) nachträglich als mehr oder weniger verdeckte Versuche zu interpretieren, die Autonomie der Arbeiter im Arbeitsprozess zu beschneiden, sondern vor allem um die Beantwortung der Frage, welche Vorstellungen von Kontrolle bereits zeitgenössisch ins Spiel gebracht wurden und vor allem: wie der Topos der Kontrolle selbst zur Voraussetzung und zum Garanten betriebs-sozialer Ordnung aufstieg. Die »labor-process«-Debatte rückte nicht zuletzt organisatorisch-technische Entwicklungen in der Produktion in ein Kontrollkontinuum. Kon42 | Startpunkt dieser Debatte war Harry Bravermans Labor and Monopoly Capital aus dem Jahr 1974.

43 | Vgl. Gartman, Marx [1999]. 44 | Als Überblick: Knights/Willmott, Labor [1990]; Spencer, Braverman [2000]; Tinker, Spectres [2002].

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trolle, das lässt sich zeigen, wurde zu einem wesentlichen und vielschichtigen Topos im Kontext der Automatisierung. David F. Noble hat in seiner Geschichte der industriellen Automatisierung auf die Bedeutung der Kooperationen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Militär während des Zweiten Weltkriegs hingewiesen. Nicht zuletzt militärische Zielvorgaben hätten zu einer nachhaltigen Orientierung an Fragen der Kontrolle und Kommunikation, weniger an Betriebs- und Produktionskosten geführt.45 Kontrolle und Kommunikation waren gleichermaßen Bezugspunkte von Automatisierung und Kybernetik. Kybernetische Anleihen eigneten sich eine Zeit lang als regulative Idee einer betriebs-sozialen Ordnung, die sich unter erheblichen Veränderungen der Produktion zu bewähren hatte. Die Kybernetik machte bereits während des Zweiten Weltkriegs, vor allem aber in der Nachkriegszeit eine beeindruckende Karriere. Das gelang ihr durch die Bereitstellung einer vermeintlich universalen Sprache und eine Bevorzugung abstrakter Codierungen. Sie bot sich als neue Universalwissenschaft an, die versprach, Gräben zwischen Natur-, Technik- und Geisteswissenschaften zu überwinden. Die Kybernetik wurde zu einem vielfach adaptierbaren Beschreibungsmodell.46 Letzteres machte sie auch für Problematisierungen industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse interessant – für eine Problematisierung von Betrieb und Unternehmen als Kontroll- und Kommunikationssystem. »Any industrial company is, by these preliminary criteria, a cybernetic system.«47 Stafford Beer, der diese Bestimmung vornahm, gehörte zu den führenden britischen Kybernetikern der ersten Stunde. Er war intensiv mit dem Verhältnis von Management und Kybernetik beschäftigt, kritisierte dabei seit den fünfziger Jahren, dass kybernetisches Denken auf Computereinsatz reduziert und dieser in den meisten Unternehmen lediglich als eine Art der Papiervermeidung betrachtet werde, soziale Strukturen jedoch unangetastet ließe.48 Walter Puckey, Präsident der Institution of Production Engineers, wies 1955 in seiner Eröffnung der Margate-Konferenz darauf hin, dass Kontrolle ein ebenso vielschichtiges wie wichtiges Thema sei: »›Control‹ has many alternative definitions, including check – restrain – govern – regulate  –  command  –  compare. It is, I believe, the most important single word in the Vocabulary of Automation and it is probable that it will be exercised more through the one word ›Electronics‹ than any other.«49 Diese Vielfältigkeit des Kontrollbegriff thematisierte man noch Anfang der

45 | Vgl. Noble, Forces [1986], S. 3-41; sowie Mindell, Human [2002]. 46 | Vgl. Bluma, Wiener [2005]; Bowker, Universal [1993]; Galison, Ontologie [2001]; Hagner/Hörl, Transformation [2008]; Heims, Constructing [1991]. 47 | Beer, Factory [1962], S. 163. 48 | Vgl. Pickering, Cybernetics [2002]. 49 | Puckey, Factory [1955], S. 13.

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siebziger Jahre.50 Ambivalenzen und Unklarheiten in der Begriffsbildung waren nun aber nicht zwingend ein Problem. Vielmehr ließ sich vor diesem Hintergrund ein expansives Tätigkeitsfeld konturieren, das ein vager Kontrollbegriff zusammenzuhalten versprach. R.H. Booth beschied den auf der Margate-Konferenz anwesenden Produktionsingenieuren, dass Kontrollfragen den wesentlichen Teil ihrer Arbeit ausmachten: »control of materials and control of processes, which in turn means control of timing, of temperature, of dimensions, of many other variables which only too often live up to this name. Control mechanisms of one sort or another are old and widely used, and electronics has long played its part in the process.«51 Industrielle Organisationen seien letztlich nichts anderes als Kontrollsysteme, die die Qualität, Quantität und Verteilung menschlicher Arbeit in der Produktion regelten.52 Kontrolle konnte innerhalb dieses Denkens nahezu alles sein. Kontrollmechanismen waren vielfältig und nicht auf ein bestimmtes Instrument beschränkt. Entscheidend waren nicht einzelne Eingriffe in die betrieblichen Abläufe, die dem Kontrollbereich zugeordnet und von anderen Eingriffen abgegrenzt werden konnten, sondern der Umstand, dass Produktionsingenieure die Gesamtheit ihrer Tätigkeiten  –  von der technische Anpassung einzelner Maschinen über die Entwürfe ganzer Produktionsabläufe bis hin zur Manipulation des »menschlichen Faktors«  –  als Kontrolle beschreiben konnten, dass der Topos der Kontrolle geeignet schien, die Gesamtheit des Betriebs auf einen Nenner zu bringen. Auch die immer wieder diskutierte Automatisierung nahm unter Kontrollaspekten keine Sonderstellung ein: »Automation exhibits one kind of control dynamic based on one kind of structure. It is a certain type of system, and one with some very valuable characteristics: such as its coupling mechanisms, its error-controlled feedback, its quick response rate when talking its own language. These advantages make it a useful model in some cases on which to draw and in other cases a useful manifestation of a cybernetic result ready to install. It has its drawbacks too. In a company where flexibility of product and process is vital, the automation structure is hopelessly unviable. […] The ›talkativeness‹ of automation is poor: it is too busy getting on with its own job. In many, many fields it is not automation that we require, either as structural model or as manifestation, but something more physiological. Cybernetics is about all manner of control, all kinds of structure, all sorts of system. Automation belongs here. But to the science of cybernetics as a thinking tool for solving the control problems that beset industry, automation is irrelevant.« 53

50 | Vgl. zum Beispiel Reeves/Woodward, Study [1970], S. 37. 51 | Booth, Computer [1955], S. 50. 52 | Vgl. Baldamus, Efficiency [1961], S. 1. 53 | Beer, Irrelevance [1958], S. 112.

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Stafford Beers soeben zitierte, kybernetische Perspektive ermöglicht eine direkte Verbindung zwischen Kommunikation und Kontrolle. Indem die Automatisierung in ein Kontrollarchipel eingefügt wird, statt selbst das umfassende Modell abzugeben, gelingt Beer ein entscheidender Landgewinn. Die engen Grenzen, die die Anwendung und Umsetzung einiger spezifischer Neuerungen in der Produktionstechnik faktisch bedeuten, werden überschritten. Zugleich wird klar, dass entgrenzte Kontrolle die Überwindung kommunikativer Barrieren erfordert. Handfester als kybernetische Ausblicke gestaltete sich das Kontrollproblem zunächst jedoch überall dort, wo es zu klären galt, wer die Maschinen in der Produktion kontrollierte.

Wer kontrolliert wen? Technisch-maschinelle Kontrollmechanismen gewannen mit und seit der Einführung des Fließbands enorm an Bedeutung für die Strukturierung der Arbeitsbeziehungen, die Anordnung der Arbeiter oder die Determination ihrer Kommunikation, die Geschwindigkeit der Arbeit und deren Abfolge.54 Auf Werkstattebene erwies sich allerdings, dass die Maschinen nicht von selbst liefen, dass praktisch weiterhin qualifizierte Interventionen seitens der Arbeiter möglich und nötig waren. Daher wurden immer wieder die Arbeiter als zukünftige Kontrolleure der Maschinen ins Spiel gebracht. Bereits in den zwanziger Jahren war im Kontext des Fließbands und angesichts der »schon ziemlich zahlreichen Familie Robot« eine argumentative Linie etabliert worden, die sich später reaktivieren ließ. »Wer über die trübe Stunde der Gegenwart hinwegzusehen vermag«, so Fritz Kummer 1929, »der wird bestimmt keine Zivilisation sehen, die von Robots oder robotenden Menschen getragen wird, wohl aber eine Zivilisation, wo die Maschinen und die mechanischen Robots die Bürde des Menschen tragen und er nur noch der Überwacher, der Ingenieur ist.«55 Beim Blick in den Betrieb zeigen sich nicht nur eindeutige Größenverhältnisse, sondern zum »überwältigenden Eindruck«, den die maschinellen »Riesen«, »Giganten« und »Kolosse« auf den Besucher machten, gesellte sich noch eine zweite Beobachtung: die Selbstverständlichkeit im Umgang mit den Maschinen seitens der Arbeiter.56 Auch wenn man als Besucher »andächtig vor der unbändigen Kraft dieser Giganten« stehe, müsse man fragen, was »diese Kraft ohne den Menschen, der sie zu nutzen versteht«, wäre.57 Dabei zeige sich, dass es »[t]rotz der laufenden Bänder und vieler maschineller Hilfsmittel […] auch hier wieder letztlich nur 54 | Vgl. Edwards, Terrain [1979], S. 111-129; Gartman, Slavery [1986], S. 83-129; Ders., Origins [1979]; sowie Noble, Forces [1986]; Winner, Technology [1977], S. 13-43. 55 | Kummer, Maschinenmenschen [1929], S. 163. 56 | Vgl. Anonym, Giganten [1949], S. 5. 57 | Anonym, Stahl [1949], S. 8.

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der Mensch [war], der das Werk schafft und vollendet«, dass der Mensch »auch im Zeitalter der Technik der entscheidende Faktor eines Werkes« bleibe.58 Die Handhabung der Maschinen durch den Menschen musste freilich nicht zwangsläufig auf die mechanische Dimension des Maschinenparadigmas verweisen. Fabrik und Maschine bedurften der Belebung. »Doch wäre dieser gewaltige Produktionsapparat […] trotz der ungeheuren Kräfte seiner gigantischen Maschinen und Anlagen und seiner modernsten technischen Hilfsmittel, zu denen die automatisch arbeitenden ›eisernen Hände‹ zählen, ohne die in ihm arbeitenden Menschen ein totes unnützes Gebilde. Erst der Mensch, seine organisatorischen Fähigkeiten, sein Wissen um die Materie und nicht zuletzt das Fachwissen und die Zuverlässigkeit der Pressenarbeiter lassen diesen Koloß zu sinnvollem Leben erwachen.«59 Auch wenn die Maschine ihr »Maul« aufreißt, sie hängt davon ab, dass ihr »von den winzig kleinen Menschen ein fetter Bissen zugeworfen« wird. Abbilden ließen sich diese Fütterungen, bei denen gleichzeitig die asymmetrischen Größenverhältnisse von Mensch und Maschine ins Bild gerückt wurden, unter anderem am Beispiel der Pressen – wie überhaupt die Presswerke oft zum Aushängeschild der Betriebe wurden, deren Anblick vor allem die Besucher in Erstaunen versetzen sollte.60 Heinrich Hauser machte in seinen Veröffentlichungen regen Gebrauch von Abbildungen, die genau das – die Größenverhältnisse und Beziehungen von Menschen und Maschinen – eindrucksvoll illustrieren sollten (vgl. Abb. 18). Das Bild wird vollständig von der Presse ausgefüllt; die Presse »reißt« ihr »Maul« erkennbar auf (jedenfalls wird klar sichtbar, wo und was das »Maul« der Maschine ist); die Arbeiter »füttern« die Maschine ebenso erkennbar mit einem Blech. Die Art der Beschreibung dieses Vorgangs durch Hauser leitet den Blick auf das Bild an – die Beschreibung wird im Bild sichtbar und durch das Bild ›verifiziert‹; das Bild wird mittels der Beschreibung interpretierbar. Entscheidend ist, dass das Bild in keiner Weise eine Bedrohung der Arbeiter durch die Maschine inszeniert. Die Arbeiter stehen ruhig, konzentriert und unbeeindruckt von der Größe der Maschine in deren unmittelbarer Nähe. Sie scheinen zu wissen, dass ihnen nichts passieren wird, sie scheinen zu wissen, dass die Maschine nicht sie, sondern Bleche verschlingen will, sie scheinen zu wissen, dass die Maschine davon abhängt, diese Bleche von ihnen zu bekommen. Zudem ist die Maschine fest im Boden verankert. Sie kann und

58 | Anonym, Karosseriebau [1949]. 59 | Jurischka, Reiche [1955], S. 11. 60 | Hauser, Riesen [1936], S. 56. »Da die eigentliche Arbeit von den Maschinen selbst geleistet wurde«, so Hauser, »bestand die Aufgabe der Arbeiter darin, die Maschinen möglichst ununterbrochen und möglichst schnell in Gang zu halten. War die Fabrik der Arbeitgeber für die Arbeiter, so waren die wiederum die Arbeitgeber der Maschinen. Was sie dabei an selbständiger organisatorischer Arbeit leisteten, war erstaunlich« (ebd., S. 28).

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wird sich nicht bewegen. Zur Bewegung fähig sind nur die Arbeiter und dadurch geraten sie gegenüber der Maschine in eine überlegene Position. Abbildung 18: Den Maschinen Arbeit geben: Ein ganz normaler Arbeitsschritt wird hier als »Fütterung« inszeniert.

Im Betrieb wurden Kontrollfragen zu Fragen der Stabilität und Ordnung schlechthin. Positionierungen im Betrieb erfolgten in Rückkopplung an die Fähigkeit zur und Ausübung von Kontrolle. »[A]m Ende der perfekten Fließbandtechnik steht nicht der automatisierte und robotisierte Mensch, sondern die automatisierte Maschine, die sich selbst bedient und die Menschen zugleich zu kontrollierenden und denkenden Arbeitern aufsteigen läßt.«61 In John Diebolds Klassiker Automation aus dem Jahr 1954 wird gefordert, die Rolle von Mensch und Maschine innerhalb der automatischen Produktion zu klären. Der Mensch, so Diebold, wirke in der automatischen Fabrik »als Gesamtkontrolle der Maschine«.62 Automatische 61 | Gross, Logik [1956], S. 3. 62 | Diebold, Automation [1954], S. 121f.

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Fabriken werden daher »durchaus nicht Fabriken ohne Arbeiter sein.«63 In den Diskussionen um die sozialen Folgen der Automatisierung geriet die Frage in den Blick, ob sich nicht gar ein neuer Arbeitertyp herausbilde, von dem »konzentrierte und hochverantwortliche Aufmerksamkeit, technisches Verständnis und Reaktionsgeschick« verlangt werden. »Kontrollfunktionen am Automatismus sind primär Intelligenzfunktionen, sie werden neue Wege der Ausbildung und Auslese der Arbeiterschaft, ein ganz neues Berufsinteresse und eine Reihe bisher nicht dem Arbeiter zuzuzählende Berufsqualifikationen erfordern.«64

Einfach nur mal drüber reden? Im Kontext von Kybernetik und Automatisierung wurde auch Kommunikationsproblemen eine gesteigerte Aufmerksamkeit geschenkt. Kybernetisch sind Kontroll- und Kommunikationsprobleme kaum zu trennen.65 Allerdings war innerbetriebliche Kommunikation, auch in Zusammenhang mit der Kontrolle des Produktionsprozesses, bereits seit längerem ein Thema, als Automatisierung und Kybernetik aktuell wurden. Neben der Etablierung systematischer Management- trug nämlich auch die Etablierung bestimmter Kommunikationsstrukturen zur praktischen Realisierung des Unternehmens als distinkter Einheit bei. JoAnne Yates hat diesen Prozess als Etablierung eines Organisationsgedächtnisses und Stärkung der Evaluationsfähigkeiten des Managements analysiert. Kommunikation wurde in den USA schon seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts als Werkzeug zur Erreichung von Management- und Unternehmenszielen betrachtet. Es ging um Kontrolle durch Kommunikation. Mittels neuer Kommunikationsgenres (Formulare, Tabellen, Graphen, Handbücher, Berichte, Memos, Werkszeitschriften) wurden die Kommunikationsflüsse systematisiert.66 Die historische Unternehmenskommunikationsforschung hat herausgearbeitet, wie interne Kommunikationsformen von Anfang an auf die Herstellung einer ›lückenlosen Kette‹ zwischen den einzelnen ›Gliedern‹ im Unternehmen zielten.67 Während die Unternehmenskommunikationsforschung wesentlich auf die Rekonstruktion innerbetrieblicher Kommunikationsstrukturen abhebt und unternehmensinterne Kommunikation »als weitgehend ungeplante Resultante gruppenspezifisch ›gebundener‹ Akteursrationalitäten und ihrer nichtintendierten Nebenfolgen«68 begreift, zielt meine Analyse auf die Beantwortung der Frage, wie Kommunikation auf die betriebs-soziale Ordnung 63 | Ebd., S. 225. 64 | Schelsky, Zukunftsaspekte [1953], S. 15. 65 | Vgl. grundlegend Mindell, Human [2002]. 66 | Vgl. Yates, Control [1989]. 67 | Vgl. Wischermann u.a., Unternehmenskommunikation [2000]; Ders.u.a., Unternehmenskommunikation [2003].

68 | Welskopp, Mißtrauen [2000], S. 200.

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bezogen wurde. Kommunikationsdefizite, Reibungsverluste und dergleichen waren bereits zeitgenössisch ein Thema, und ihre Thematisierung gründete einerseits im Topos fließender Ordnung, andererseits im Verständnis des Betriebs als kommunikativer Ordnung. Konzeptionen reibungsloser Produktionsabläufe samt der Unternehmenskommunikation verbanden sich mit kybernetischen Kommunikationsmodellen. Aus kybernetischer Perspektive bestimmte Stafford Beer die Aufgaben industriellen Managements als Gestaltung von Informationsflüssen. »The flow of information between an industrial concern and its environment, and within the concern as affecting its own behaviour, is to be considered as an analogue of the flow of information into the sensory receptors, through the neural network, and out of motor activities in the organism.«69 Die Abstraktionshöhen kybernetischer Kommunikations-, Management- und Organisationstheorie blieben in der Regel unerreicht. Bemerkenswert ist jedoch, dass Informationen hier genauso fließen, wie Bleche, Getriebe, Motoren, Räder oder Türen in der Produktion, dass dieser spezifische Umgang mit Kommunikation auch im Kleinen, zum Beispiel bei der Ausgestaltung innerbetrieblicher Mitbestimmung, prägend war. Auch in Fragen der »joint consultation« und der Einrichtung von »works committees« griff man auf diesen Topos zurück. »You are a member of a works committee«, stellte ein Handbuch der Industrial Welfare Society aus dem Jahr 1952 bereits im Vorwort fest: »That is to say, you are one of a large number of representative men and women who bring to industry the benefits of consultation – a freer flow of information to the employees about the intentions and activities of your concern; and a better understanding by management of the problems and difficulties of the employees, as well as a clearer appreciation of what they contribute.«70 Klare organisatorische Strukturen erleichterten den Informationsfluss.71 Elliott Jaques und Wilfred Brown, der eine federführender Sozialwissenschaftler des Glacier-Projekts, der andere Manager bei den Glacier Metal Works, wiesen geradezu exzessiv auf die Bedeutung kommunikativer Strukturen und Flüsse hin. »The social structure which fits its work task, and an effective system of communications«, so Jaques »are basic requirements for adaption and change.«72 Verschiedene Kommunikationskanäle und deren effektive Abstimmung trügen dazu bei, dass technische und Produktionsprobleme nachhaltig gelöst und die Lösungen überall im Werk zur Verfügung stehen würden.

69 | Beer, Factory [1962], S. 164; vgl. auch Pickering, Cybernetics [2002], S. 423f. 70 | Industrial Welfare Society: Works Committee Members‘ Handbook. A Guide to Joint Consultation for all Representatives, London 1952, MRC, Bestand MSS. 303/AP/H, Vorwort. 71 | Vgl. Bower, Foremanship [1953]. 72 | Jaques, Culture [1951], S. 306.

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»For years I have watched with dismay the repeated spectacle of a technical problem being solved in one part of the Company, followed by complete inability to transfer that solution to another part of the Company where an apparently similar problem exists. […] Fig. 25 [vgl. Abb. 19] depicts diagrammatically the technical channel of communication of one division. These channels are quite distinct from, and an addition to, operational manager-subordinate channels. They are needed […] to alleviate the pressure of traffic or communication of instruction, policy etc., that builds up in the operational lines of communication.«73

Browns Visualisierung der Kommunikationskanäle (vgl. Abb. 19), auf die er in seiner Beschreibung verweist, lässt keinen Zweifel daran, dass verschiedene Ebenen der innerbetrieblichen Abläufe kommunikativ miteinander verzahnt werden müssen. Die klassische hierarchische Ordnung im Sinn vertikaler Separierung blieb zwar auch hier noch erkennbar, ließ sich durch die graphisch eingezogene Kommunikationsebene nun aber mehrdimensional beschreiben. Neben den in klassischer Schichtung erkennbaren drei Stufen der Hierarchie zeigt die Graphik eine weitere Einheit, die aus den »staff officers« besteht und quer zur gestuften Hierarchie liegt. Deren Zusammengehörigkeit, das heißt der Umstand, dass sie eine organisatorische und soziale Einheit innerhalb des Betriebs bilden, wird freilich erst dadurch sichtbar, dass verbindende »lines of technical instruction« eingezeichnet werden. Ohne diese kommunikativen Kanäle bestehen zwischen den einzelnen »staff officers« keine sichtbaren direkten Verbindungen. Abbildung 19: Kommunikationskanäle als Produzent organisatorischer und sozialer Einheiten im Betrieb.

73 | Brown, Exploration [1960], S. 166f.

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Die Kybernetik fügte dem den Verweis auf die nahezu undurchschaubare Komplexität kommunikativer Verflechtungen und Wege hinzu. In gewissem Sinn, so kann man Überlegungen Stafford Beers interpretieren, stellen innerbetriebliche Instruktionen fast schon frei flottierende Informationseinheiten dar, deren Wege man nicht programmieren könne: Eine Anweisung wird ausgefertigt. Das Management hofft auf diese oder jene Wirkung. Aber es gibt viele Wege. Selbst in der effizientesten und sorgfältigst konstruierten Organisation kann niemand vorhersagen, welchen Weg die freigelassene Anweisung nehmen, durch wessen Hände sie gehen wird. Innerhalb einer begrenzten (für Vorhersagen aber zu großen) Zahl von Möglichkeiten regiert der Zufall.74 Martin Götte diskutierte 1962 in seiner sozialpsychologischen Studie zum Betriebsklima in beachtlichem Umfang auch Kommunikationsfragen und -probleme. Ihm ging es dabei, und hier hatte er explizit auch Verbindungen zur Kybernetik im Blick, um die Herstellung von Kommunikationskreisläufen im Betrieb. »Die Handlungen eines lernfähigen Lebewesens vollziehen sich nicht nur von der Wahrnehmung bis zur Aktion. Es vernimmt, sich selbst kontrollierend, die Auswirkungen der Aktion, um deren Fehler zu korrigieren und deren Erfolge zu nutzen. Durch diese Rückmeldung entstehen geschlossene Handlungskreise. Je mehr Entscheidungen während einer Handlung notwendig sind, um so wichtiger ist die laufende Rückmeldung, die laufende Erfolgskontrolle (feed-back). Das gilt besonders für die Gesamthandlung einer kooperativen Gruppe. Durch die Arbeitsteilung müssen hier jedoch die ausführenden Funktionen im wesentlichen den Untergebenden und die Entscheidungsfunktionen den Vorgesetzten zugeordnet werden. Wenn auch die Vorgesetzten den Arbeitserfolg im Großen besser überblicken und praktisch auswerten können, so haben sie doch nicht die detaillierten Erfahrungen, die nur die Ausführenden von Fall zu Fall machen können. Da Untergebene durch diese Erfahrungen auch zum Entwurf einschneidender Veränderungen kompetent werden können, die an sich nicht zu ihrer Befugnis gehören, wird eigens das Vorschlagswesen eingeführt. Jedoch zeigt das Versagen des Vorschlagswesens in vielen Betrieben, wie schwer es sein kann, das System der Befugnisse – wenn auch nur partiell und aus sachlicher Notwendigkeit – umzukehren, wie sehr die hierarchische Ordnung der Befugnisse die Rückläufigkeit der Handlungskreisläufe (feed-back) stören kann, wenn die peinliche Angst um die eigene Befugtheit beherrschend ist.«75

Hier werden kybernetische Anleihen genommen, um den Betrieb als kommunikative Ordnung zu beschreiben, die jedoch störanfällig, verschiedentlich bereits gestört, freilich nicht heillos dem Untergang geweiht ist. Ein Management, dem es an Feedback mangle, sei Verstimmungen, 74 | Vgl. Beer, Impact [1959], S. 76f. 75 | Götte, Betriebsklima [1962], S. 131f.

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Unmut und Widerständen gegenüber so lange blind, bis es plötzlich mit einem Streik oder einer anderen »damaging reaction« konfrontiert werde. Blockierte »channels of information« führten zu einer Situation, in der sich nicht-kommuniziertes Unbehagen immer weiter aufstaue, in der der emotionale Druck steige – bis es dann schließlich zu unerwarteten Ausbrüchen komme. Angesichts dieser Aussichten sei es besser, für einen steten Informations- und Kommunikationsfluss zu sorgen. »[A]s a result feelings were constantly being fed to appropriate levels of management, where they were receiving attention. In this latter situation, the manager might have the feeling that he was continually dealing with problems arising from the Representative System; but while he could not get free of them, at least major conflict was avoided«76 (vgl. Abb. 20). Stetige, kanalisierte Bewegungen werden gegenüber eruptiven eindeutig privilegiert. Kontinuierliche Problembearbeitung ist attraktiver als zum Beispiel die ja auch mögliche Theorie des ›reinigenden Gewitters‹ als Preis für Phasen fast völliger Reibungslosigkeit. Diese Entscheidung verweist auf eine bestimmte Ordnungsvorstellung, die als solche bereits bevorzugt wird, ohne dass sie das Argument reduzierten Gesamtausmaßes der Konflikte auf ihrer Seite haben musste. Abbildung 20: Eine ungleiche Verteilung der Konflikte auf der Zeitachse bei gleichbleibendem Gesamtkonfliktpotential: regelmäßige, dafür aber kleinere Ausschläge werden gegenüber seltenen, aber heftigen bevorzugt.

Störungsfreie Kommunikation und damit reibungslose Ordnung waren von funktionierenden Rückkopplungen oder Rückmeldungen abhängig. Erst dadurch werde gewährleistet, dass die Kommunikation nicht unterbrochen würde oder Informationen sich stauten. Feedback wurde zur 76 | Brown, Exploration [1960], S. 210f.

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»kommunikativen Schlüsseltechnologie« (U. Bröckling)  –  gerade dann, wenn es um die Beseitigung von Störungen ging. Als »ein überpersönliches Wirkgefüge« könne der Betrieb von einem »Störungssyndrom« befallen sein, dessen »Wirkzusammenhänge […] sich in ihrer Ganzheit von den bisherigen Begriffssystemen und theoretischen Grundlagen der Psychologie, Sozialpsychologie und Soziologie nur ungenügend bewältigen« lassen, zu deren »wissenschaftliche[r] Erfassung […] jedoch die Informationstheorie und die Kybernetik heute schon wichtige Vorarbeiten zu leisten« scheinen.77 Das allein reiche jedoch nicht aus. Vielmehr sei eine umfangreiche Arbeit nötig, »welche die heute noch zu formalen informationstheoretischen und kybernetischen Bestrebungen mit der Inhaltsfülle lebenswissenschaftlicher – in unserem Falle sozialpsychologischer – Tatbestände verbindet […]. Soweit diese Verbindung noch nicht geschaffen ist, besteht seitens der Kybernetik die Gefahr einer mathematisch-formalistischen und einer technizistischen Vergewaltigung der lebenswissenschaftlichen Tatbestände«.78 Wenige Jahre zuvor hatte Arnold Gehlen noch auf elegante Weise die automatischen Maschinen an den Menschen rückgebunden: Es sei der Mensch, der »mit fortschreitender Technik in die unbelebte Natur ein Organisationsprinzip hinein[trägt], das im Inneren des Organismus an zahlreichen Stellen bereits wirksam ist.«79 Automaten seien daher nichts anderes als eine Objektivierung menschlicher »Handlungskreise«. Entsprechend habe eine »eigene, selbständige Wissenschaft höherer Ordnung, die ›Kybernetik‹« die Soziologie zu integrieren, »weil die ›Rückmeldung‹ das Problem der ›Kommunikation‹ aufwirft, nämlich der Nachrichtenübermittlung überhaupt bei Geräten […] und Lebewesen.«80 Die vorauseilenden Kritiken, Absicherungen und Rückversicherungen hinsichtlich der Kybernetik, aber auch der neuen Kommunikationsfixierung deuten auf einen Wandel hin. Die soziale Problematisierung des Betriebs geriet in die Defensive. An ihre klassischen Instrumente musste beschwörend erinnert werden. Zu oft, so argumentierte T.M. Higham aus dem Rowntree-Umfeld 1953, würden neue Managementmethoden ungeprüft als Wundermittel für die Lösung aller Probleme übernommen. Man nähere sich gegenwärtig einem Zustand, in dem alle Probleme auf »poor communications« zurückgeführt und der Anschein erweckt würde, das außerordentlich komplexe und seit langer Zeit auf der Tagesordnung stehende »human problem« ließe sich allein »by verbal means« lösen.81 Außerdem würde in der ganzen Diskussion ein simplizistischer Kommunikationsbegriff verwandt, der diese lediglich als Informationsaustausch verstünde, als zu glättenden und reibungslos zu gestaltenden Informati77 | Götte, Betriebsklima [1962], S. 169. 78 | Ebd., S. 169. 79 | Gehlen, Seele [1957], S. 21. 80 | Ebd., S. 22. 81 | Higham, Communications [1953], S. 219f.

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onsfluss. Higham hielt gute persönliche Beziehungen für wichtiger, weil das die Voraussetzung dafür sei, dass das Gesagte verstanden werden wolle.82 Higham war nicht der einzige Kommunikationsskeptiker. »[T]he solution to the human problems of innovation are only partially found in programmes for improved downward communication which aim at attitude-change among employees. Although communication procedures seem to be particularly necessary in advance of the introduction of new production methods, yet it is more important that they should form part of a general plan for organizational change which includes a reformulation of job and social behaviour at all levels of the hierarchy.«83 Higham sah sich gezwungen, an »personnel management« und »welfare work« zu erinnern; Gehlen wies die anthropo-sozialen Fundamente automatischer Maschinen nach; Götte forderte eine lebenswissenschaftliche Rahmung. Gerade letzteres verkannte freilich, dass es die kritisierte Formalisierung war, die die Kybernetik zu einem attraktiven und adaptierbaren Modell machte, die es also überhaupt ermöglichte, von der Kybernetik Lösungen für gestörte Kommunikation und gestörtes Klima im Betrieb zu erhoffen. Dieses Merkmal der Kybernetik kollidierte nun aber offensichtlich mit der bis dahin dominierenden sozialen Problematisierung des Industriebetriebs. Die neuen kybernetischen Instrumente, mit denen soziale Probleme im Betrieb gelöst werden sollten, erschütterten nachhaltig den Problematisierungsmodus, der Ordnungsdenken und Social Engineering zugrunde lag.

3. R EIBUNGSLOSIGKEIT UND V ERKE T TUNG Das Problem der Kommunikation war eng verwoben mit dem Topos der Informationsflüsse sowie demjenigen der Reibungslosigkeit. Zudem zeichnen sich auf dieser Basis Konzeptionen des Betriebs als einer spezifisch verketteten Ordnung ab, die frei von Störungen sein sollte. Die Art der Reibungen und Störungen ebenso wie die Art dessen, was fließen sollte, war vielfältig.

Störfaktoren »In jedem Betrieb«, so Walter Josts betriebssoziologische Feststellung aus dem Jahr 1932, »ereignen sich innerhalb der Belegschaft, wie zwischen Vorgesetzten und Untergebenen Dinge, die eine einheitliche und möglichst wirkungsvolle Durchführung des Betriebszwecks aufhalten oder gar gefährden, Differenzen, Konflikte, Spannungen, Widerstände der Belegschaft gegenüber der Betriebsleitung, passive Resistenz, Sabotage, Streik, fehlerhafte Anordnungen seitens der Betriebsleitung oder der Vorgesetz82 | Vgl. ebd., S. 223. 83 | Chadwick-Jones, Automation [1969], S. 106.

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ten, mangelndes Nachkommen seitens der Untergebenen, feindselige Handlungen zwischen einzelnen Betriebsangehörigen oder Gruppen des Betriebs, wozu auch diejenigen zwischen Belegschaft und Betriebsleitung zu zählen sind. Wie der Ablauf der technischen Prozesse des Betriebs ins Stocken geraten kann, so nicht minder derjenige in der sozialen Sphäre des Betriebes.«84 Die Reibungslosigkeit als wesentliche Komponente betriebs-sozialer Ordnung gab als Aufgabe die Eliminierung von Störfaktoren vor. »Die Fließarbeit umschließt den Begriff störungsfreier Tätigkeit. Nun ist aber keine menschliche oder mechanische Tätigkeit so vollkommen, daß sie nicht gelegentlich Störungen unterworfen wäre. Nachsehen aller in den Fließarbeitsreihen vorgenommenen Tätigkeiten ist daher ein Erfordernis, ohne das eine Fließarbeit praktisch nicht durchführbar ist. […] Die Revision muß sich auf alle Störungsquellen erstrecken.«85 Die Eliminierung von Störfaktoren und die Gewährleistung reibungsloser Abläufe waren ein umfassendes Programm, das sich in die technischen, organisatorischen, sozialen und persönlichen Dimensionen des Betriebs einschrieb. Das zeigte sich regelmäßig in firmenoffiziellen Rekursen auf den Umgang miteinander. »Der Erfolg sämtlicher industrieller Unternehmungen und Werke beruht zwingend auf der reibungslosen und entgegenkommenden Zusammenarbeit sämtlicher Abteilungen und damit sämtlicher Mitarbeiter. Aus dieser Tatsache heraus ist es Grundbedingung nicht nur auf eine tadellose Ausgeglichenheit unter den zusammenarbeitenden Menschen höchste Sorgfalt zu verwenden, sondern auch darauf bedacht zu sein, daß diese Ausgeglichenheit auf den einzelnen Mitarbeiter übergeht und ihm die innere ausgeglichene Einstellung gibt.«86 Die um Fließband und Automatisierung herum entstandene Sprache bot sich an, den aufblühenden Management- und Organisationsdiskurs greifbar zu machen. Nach dem Krieg, so schrieb die Opel-Post, sei es zu einer »tiefgreifende[n] Änderung der Auffassung über die Führung großer Unternehmen« gekommen. Heute sei »neben einer umfassenden Kenntnis der gesamten Organisation und ihres Aufbaues auch die Kenntnis aller wichtigen Einzelheiten notwendig, durch die ein reibungsloser Ablauf der täglichen Arbeiten und eine harmonische Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen und mit allen Angehörigen des Werkes erreicht wird.«87 Natürlich sei das nicht immer möglich, bleibe aber doch die Leitidee. »Das ›unter einen Hut bringen‹ der Wünsche und Sorgen von 15000 Menschen kann deshalb nicht immer reibungslos vor sich gehen. Trotzdem sollten sich beide Sozialpartner stets mit dem notwendigen Vertrauen gegenüber treten, Faktoren, die nun einmal für Verhandlungen notwendig sind, denn nur wo Vertrauen herrscht, wird eine für beide Teile zufriedenstellende Lösung aller Probleme möglich sein – mit künstlich erzeugten 84 | Jost, Sozialleben [1932], S. 2. 85 | Kienzle, Revision [1926], S. 197. 86 | Bernauer, Zusammenarbeit [1931], S. 4. 87 | Anonym, Betriebskunde [1951], S. 4.

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Spaltungs- und hemmenden Entfremdungs-Tendenzen aber nicht.«88 Immer wieder: Reibungen, Störungen, fließende Ströme, Kanalisierung, Eindämmung, Gleichgewicht: »Jeder Betrieb ist ein Spannungsfeld. Soziale, menschliche und auch politische Spannungen konzentrieren sich hier auf engstem Raum. Bei uns im Werk reiben sich täglich 20000 Menschen. Diese Feststellung klingt zwar etwas dramatisch, sie ist aber eine Realität. […] Nun könnte dieser Hinweis zu der Feststellung verleiten, daß es unmöglich wäre, den stetig fließenden Strom der verschiedensten Reibungen und Störungen innerhalb einer großen Gemeinschaft zu kanalisieren, einzudämmen. Das stimmt keinesfalls. Bestimmte Spannungen sind zwar konstant vorhanden, sie müssen daher immer wieder neu untersucht, neu behandelt, neu bekämpft werden! […] Denn nur wo ein gesundes Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen und menschlichen Erfordernissen eines Betriebes hergestellt ist, wird die Atmosphäre erträglich sein, werden die stets in der Luft liegenden Spannungen den notwendigen Ausgleich erhalten.« 89

In den sozialen Beziehungen, im Umgang miteinander, gelte es, Maß zu halten. Auseinandersetzungen und Spannungen gebe es unter Menschen verschiedener Klassen und Anschauungen immer. »In solchen Fällen anpassungsfähig zu sein und ausgleichende Tendenzen aufkommen zu lassen, erscheint klug und zweckmäßig«.90 Wer »kein Maß halten« kann, wer »von einem Extrem ins andere« fällt, zeugt dagegen davon, dass er den Begriff der Freiheit missbraucht. »Uns will scheinen, daß in diesem Sinne alle, die an gesunden, geordneten Verhältnissen interessiert sind, trotz unterschiedlicher Temperamente und verschiedener Anschauungen über die jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Probleme und ihre Lösung, versuchen müßten, eine Plattform für das Gemeinsame zu finden, um nicht im ständigen Hin und Her der Meinungen die Arbeit, das friedliche Zusammenleben und die gerade heute so wichtige Einigkeit leiden zu lassen.«91 Ruhig und besonnen miteinander reden und vor allem zuhören92 – darum ging es in den fünfziger Jahren immer wieder. Innerhalb derartiger Bemühungen wurde auch der »menschliche« zu einem potentiellen Störfaktor. »The very presence of people on the factory floor«, so Martha Banta in ihrer Studie zu Managementnarrativen, »is enough to introduce questions of the troublesome relations among reform, conduct, and control. Yet determined efforts were made to close the gap between theories of efficient production and the effect of those

88 | Anonym, Management [1950], S. 10. 89 | Anonym, Spannungen [1952], S. 3. 90 | Anonym, Maßhalten [1951], S. 2. 91 | Anonym, Temperamente [1951], S. 2. 92 | Vgl. Anonym, Zuhören [1952], S. 3.

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practices upon the bodies involved.«93 Bereits das Fließband versprach die fortschreitende Eliminierung unkontrollierter Interventionen des Menschen,94 und mit der Automatisierung verhielt es sich nicht anders. »Automation als Produktionstechnik hat zum Ziel, die menschliche Arbeitskraft in den Funktionen der Bedienung, Steuerung und Überwachung von Maschinen sowie der Kontrolle der Produkte so weit durch Maschinen zu ersetzen, daß vom Beginn bis zur Beendigung des Arbeitsprozesses keine menschliche Hand das Produkt berührt.«95 Fließband und Automatisierung hingen auf fundamentaler Ebene zusammen mit der kapitalistischen Konzeption menschlicher Arbeit als eines zu kontrollierenden Produktionsfaktors.96 »The human factor should be given high, if not first priority when considering the establishment of flow production. The removal of physical obstacles to continuity is indeed important, but to obtain the whole-hearted support and co-operation of those who operate the plant is still more important. In fact, many of the physical obstacles will, on analysis, be found to be those that also provoke a mental or moral reluctance, or even resistance, to the performance of a task.«97 Ein Spätausläufer dieser Perspektive findet sich noch 1972 in einer Arbeit zu »production flow-line systems«: In modellhaften Annäherungen nimmt man aus heuristischen Gründen an, dass »the operators on our manual flow lines« ganz und gar berechenbar, verlässlich, gefügig, zugänglich und homogen seien; faktisch weiß man aber, dass dem nicht so ist – »and this major omission must be rectified. […] We shall examine those aspects of human behaviour, human characteristics etc. which might influence either the design or the method of operation of manual flow lines.«98

Integrationsmedien Organisation und Technik wirkten innerbetrieblich als Integrationsmedien, die dafür sorgten, dass sich überhaupt so etwas wie eine betriebs-soziale Ordnung herstellte und nicht bloß sozialharmonische Rhetorik blieb. John Lee argumentierte 1921, dass vor allem auch die zur Anwendung kommenden Managementprinzipien für die Integration des Ganzen bedeutsam seien. »Now management may be of two kinds. It may divide up into sections each like the other […] or it may divide up into sections each having differences […]. The former method is the territorial method of division. The latter method is the functional. With the functional method of dividing responsibilities there will be much more cohesion of the whole than with the merely territorial method, for the simple reason that 93 | Banta, Lives [1993], S. 26f. 94 | Vgl. Cohen, Modernization [1991], S. 760. 95 | Pollock, Automation [1956], S. 5. 96 | Vgl. Noble, Forces [1986], S. 58. 97 | Woollard, Principles [1954], S. 80. 98 | Wild, Mass-Production [1972], S. 183.

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functions can not be separated sharply and the very overlapping becomes a factor in cohesion.«99 Wenn es darum geht, die vielfältigen Beziehungen im Betrieb zu einem Ganzen zu formen, sind gerade die Überlappungen verschiedener Funktionen bedeutsam; gerade Nicht-Einheitlichkeit, Nicht-Gleichförmigkeit wirkt integrierend: »[T]he aim before us is to correlate the human machinery into one sensitive whole. For this purpose overlapping of functions or, more accurately, intertwining of functions, is necessary.«100 Diese organisatorische Perspektive ist kaum von der technischen zu trennen. Die betriebliche Ordnung ließ sich als Effekt organisatorischer und technischer Verkettungen begreifen. Auch das Fließband integrierte und verkettete. L. Stubenrecht hob diese Dimension – als einer von vielen – 1941 in einem Vortrag bei Opel hervor. »Die Maschinen werden hierbei so angeordnet und so dicht nebeneinander aufgestellt, daß jede Arbeitsoperation mit der nächstfolgenden auf das engste verkettet ist. […] Soll ein ganzes Aggregat im Fließverfahren hergestellt werden, so wird man die Fabrikation sämtlicher speziellen Teile dieses Aggregates zusammenlegen. Auf der einen Seite dieses Raumes wird das Rohmaterial angeliefert und auf der gegenüberliegenden erfolgt der Zusammenbau des Aggregates auf dem Montageband. Zwischen diesen Hauptlinien und eine Verbindung derselben darstellend, liegen parallel zueinander die Fließreihen für die mechanische Bearbeitung der Einzelteile. […] Die Fließfabrikation eines ganzen Automobils setzt sich zusammen aus einer ganzen Reihe solcher Aggregat-Werkstätten, deren Produkte dann auf Transportbändern in den Wagen-Fertigmontagen zusammenströmen.«101 Der Betrieb wurde hier auch bildlich zu einer verketteten Ordnung, in der Konstruktion, Materialbeschaffung, Produktion und Vertrieb ineinander griffen; in der Informationen, Materialien und Bearbeitungsschritte zusammenflossen (vgl. Abb. 21). Das Fließband – auch bildlich ins Zentrum gerückt – trug dazu bei, verschiedene ›Inseln‹ in eine Ordnung zu bringen und damit ein Werksensemble zu konstituieren. Auf einer ausklappbaren Schautafel aus einem Lehrbuch für die Einführung und Umsetzung von Fließarbeit (vgl. Abb. 22) lässt sich das besonders deutlich erkennen. Hier stehen einzelne Arbeiter nebeneinander, das vor ihnen ablaufende Band verkettet sie. Das Band sorgt auf dem Bild dafür, dass man nicht (oder nicht nur) Individuen sieht, sondern einen Prozess. Das bloße Nebeneinander der Arbeiter wird auf diese Weise zu einer seriellen Ordnung in Reih und Glied. Die einzelnen Arbeiter werden im Erläuterungstext unterhalb der Abbildung nummeriert und mit einem Arbeitsschritt identifiziert. Dadurch wird jedem einzelnen ein Platz in einem Produktionsprozess zugewiesen. Die Abbildung zeigt beides: die jeweilige (statische) Position des Arbeiters und 99 | Lee, Management [1921], S. 18. 100 | Ebd., S. 31f. 101 | Stubenrecht, L.: Erläuterungen zu einem Vortrag über Fließarbeit im Automobilbau, 1941, StAR, SO 4, S. 11.

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den (dynamischen) Prozess der Produktion, an dem jeder teilhat und der sich in Folge der verkettenden Wirkung des Fließbands einstellt. Es war Abbildung 21: Fließarbeit im Mittelpunkt: Kontrollstellen regeln den Fluss.

Abbildung 22: Serielle Ordnung: Der Produktionsprozess erscheint als dynamische Verkettung und Platzierung des Einzelnen in Reih und Glied.

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»das laufende Band, das wie ein Ariadnefaden in unterschiedlicher Form dieses neue Werk durchzieht und den Rhythmus der Arbeit bestimmt«.102 Bereits die Redaktion der sozialdemokratischen Betriebszeitung für die Opel-Belegschaft griff diese Dimension des Fließbands auf, visualisierte und materialisierte sie durch das Logo der Zeitung sowie ihre Erscheinung als ausklappbares Faltblatt  –  ein papiernes Band, durch das der Text fließen konnte (vgl. Abb. 23). In der ersten Ausgabe 1929 hieß es folgerichtig: »Wie im modernen Riesenbetrieb das laufende Band den neuen Fabrikationstyp darstellt, der die Arbeiter und Arbeiterinnen in seinen Rhythmus zwingt, so soll in unserer neuen Zeitung ›Am laufenden Band‹ alles abrollen, was inner- und außerhalb des Betriebes für die Interessen der Arbeiterschaft von entscheidender Bedeutung ist. Symbolisch soll, wie das laufende Band den ganzen Betrieb zu einer großen Werkstatt zusammenschweißt, in dieser Zeitung das geistige, politische und wirtschaftliche Band, das die Arbeiter im Betriebe verknüpft, aufgezeigt und die Wahrung der Interessen der Arbeiterschaft an erster Stelle stehen.«103

Opel-Generaldirektor Reuter kündigte seinerseits den Start des unternehmensoffiziellen Opelgeist mit Verweis auf die Notwendigkeit verständnisvoller Zusammenarbeit und gegenseitigen Vertrauens an.104 Die erste Nummer der Zeitschrift bekräftigte das: Man wolle »kein Kampfblatt sein«, sondern »Pionierarbeit leisten für die Förderung des gegenseitigen Vertrauens zwischen Werksleitung und Arbeitnehmerschaft«: »Mit der dadurch erreichten stärkeren Anteilnahme an der Entwicklung und dem Schicksal des Werkes wird das Verständnis der Belegschaft für die von der Werksleitung getroffenen Massnahmen wachsen, und sie wird erkennen, dass alle diese Massnahmen nur im Interesse des Werkes und damit aller Werksangehörigen erfolgen. Sie wird die wirtschaftlichen Bedingungen und Notwendigkeiten des Betriebes erkennen, und damit wird ein fruchtbarer Boden für die Überzeugung bereitet, dass die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgebergleichgerichtet sind, und dass beide ihr gemeinsames Ziel nur im Geiste vertrauensvoller und kameradschaftlicher Zusammenarbeit erreichen können. Aus dieser Auffassung erwächst ein

102 | De Wolff, Abschnitt [1956], S. 12; vgl. auch Müller, Wunder [1954]. 103 | Anonym, Band [1929], S. 1. 104 | Vgl. Reuter, I.J.: Der Opelgeist!, Bekanntmachung vom 14.02.1930, StAR, SO 2.3.1. Zur unmittelbaren Reaktion und Kritik vgl. Anonym, OpelGeist [1930]. Die von Reuter proklamierten Ziele werden hier mit der dahinter zurückbleibenden Realität konfrontiert. Das Gerede vom »OpelGeist« wird als Reklame abgetan: »Der Herr Generaldirektor hat mit der Herausgabe dieses Pamphlets bewiesen, daß er die amerikanischen Reklame- und Propagandamethoden aus dem ff beherrscht.«

F LIESSENDE O RDNUNG hohes Verantwortungsgefühl, das zu der Überzeugung führt, dass auch die scheinbar unbedeutendste Tätigkeit ein unentbehrliches Glied in der Gesamtorganisation bildet.«105

An Stelle eines verbindenden Bands glich das Logo freilich eher einer breiten Straße, die große (Produktions-)Geschwindigkeit nahe legt, aber auch nicht ganz den Eindruck ausschließt, man könne rechts und links herunterfallen (vgl. Abb. 24). Abbildung 23: Das Fließband wird zum Symbol für die Verbundenheit der Arbeiter.

Abbildung 24: Geradlinig, dynamisch, linearer Fortschritt: So sieht der Opelgeist den Geist der Opelwerke.

Reibungslosigkeit und das »verbindende Band« wurden zu einem Zielpunkt zentral für die Gestaltung der Sozialbeziehungen im Betrieb und darüber hinaus. Aus dieser Perspektive wurden die »Gräben«, die »eben einige Mitarbeiter um ihr ›Königreich‹ gezogen haben«, kritisierbar. »Machen Sie«, so ein Plädoyer in der Opel-Post, »wo diese einseitige Einstellung vorhanden sein sollte – die Türen und Fenster weit auf, damit ein echter Betriebsgeist einziehen kann.« Im Unternehmen gebe es schließlich ein »Band, das uns alle gemeinsam verbindet«.106 Ordnung wurde zur Einordnung, wurde zur Integration des Einzelnen in ein Ganzes, und 105 | Anonym, Opelgeist [1930], S. 1. 106 | Anonym, Frage [1950], S. 7; vgl. auch Müller, Strang [1954].

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dieses Ganze wurde in Analogie zur Produktionsordnung, wurde vom Band her gedacht. Die integrative Dimension fließender und Fließbandproduktion zeigte sich in verschiedenen Zusammenhängen. Was gerade noch in einer Gewerkschaftszeitung aufgegriffen wurde, konnte wenige Jahre später in einer nationalsozialistischen Werkszeitung wiederkehren. »Die Gefolgschaft«, so hieß es 1936 im Opel-Kamerad, »lebt sich ein auf ihren neuen Arbeitsplätzen, der Arbeitsstrom beginnt zu fließen, noch etwas zögernd, noch gehemmt. Wie jede Masse, so braucht auch ein Arbeitsstrom, der täglich 50 Lastautos erzeugen soll, eine Anlaufszeit, bis er seinen vollen Fluß erreicht hat.«107 Die Rede war hier vom neuen Werk der Adam Opel AG in Brandenburg, in dem der Blitz in kriegswichtiger Zahl produziert werden sollte. Dort stelle sich eine beachtliche »Kameradschaft am Fließband« ein: »Zuerst arbeitete jeder der drei Gesellen für sich allein. Jetzt arbeiten alle drei zusammen an einem Führerhaus und vollbringen dadurch die festgesetzte Arbeit von sechs Führerhäusern pro Stunde mit weniger Mühe, als jeder für sich vorher für seine zwei ›Häuser‹ pro Stunde aufwenden mußte. Sie haben sich das schön eingeteilt. […] Und sie sind gute Kameraden bei dieser Arbeit, unterhalten sich und erzählen, daß sie früher in ganz kleinen Buden beschäftigt waren und nun begeistert bei der neuen Arbeit sind. […] Ein Wort gibt das andere – die Arbeit leidet darunter nicht im Geringsten, aber die Kameradschaft wächst.« 108

Um Gleichsetzungen geht es hier nicht, wohl aber darum, dass zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren in unterschiedlichen politischen Kontexten verschiedene Antworten auf ähnliche Fragen angeboten wurden. Der nationalsozialistische Diskurs der Vergemeinschaftung am und durch das Fließband reagierte auf ein ähnliches Problem wie zum Beispiel Helmut Schelskys soziologische Ausführungen oder die »sozialistische Antwort«, die Michael Kidron 1956 auf die Herausforderung der Automatisierung gab. Schelsky bemerkte zu den Folgen der Automatisierung für die inneren Strukturen des Betriebslebens: »Die einen versprechen sich als Folge der körperlichen Arbeitsentlastung durch Automatisierung ein Wachsen der menschlichen Kontakte und damit der Kollegialität im Betrieb […]. Die Pessimisten malen dagegen das Bild eines isolierten, kontaktlosen Arbeiters, der in menschenleeren Hallen auf die Meßapparate starrt«.109 Michael Kidron argumentierte, dass automatische Produktion die Handlungsautonomie einzelner Werkstätten aufhebe – durch eine intensive Verkettung der einzelnen Produktionsschritte ebenso wie durch die bereits skizzierte Zentralisierung der Kontrollfunktion – und das wie-

107 | Anonym, Werk Brandenburg [1936], S. 6. 108 | Anonym, Brandenburger [1936], S. 217. 109 | Schelsky, Folgen [1957], S. 32.

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derum erfordere aus gewerkschaftlicher Sicht fabrikweite Koordinationsbemühungen. »First in importance is the change in physical structure of the plant and the change in the organization of production. As automation spreads and production becomes more and more a continuous process, the various divisions within a factory, each of which has a specific function, each of which forms a distinct oase in the production process, will tend to merge with one another. […] [T]he trend will be to full integration of production. This is important to the works organization. Previously each shop was faced by special problems of production […]. That were not an exact replica of the problems that arose in other shops in the same factory; now, after the elimination of production by stages, production in special divisions, by the integration of the whole plant into one line each section in the factory has to deal with very much the same type of problem as each other section.«110

Erst das Fließband und dann die Automatisierung: Beide Male ging es um die Integration einzelner Prozesse, um die Etablierung eines integrierten, fließenden Gesamtprozesses, in den Menschen und Maschinen eingebunden waren. Diese Ordnung war dynamisch, aber ihre Dynamik war kontinuierliche Bewegung.111

4. K ANALISIERUNG UND TAK TUNG Fließende und Fließbandarbeit standen für ein Ordnungsmodell, dessen Realisierung in den Produktionshallen anschaulich zu besichtigen war. Sie brachten Regel- und Gleichmäßigkeit in Abläufe, die zuvor verwirrend wirkten und kaum zu überblicken waren. Das reibungslose Fließen, der Durchlauf mauserte sich zu einem Ideal, das nachhaltig mit Ordnung assoziiert wurde. Fragen rein technischer Effizienz und Organisation der Produktion wurden in der gleichen Weise beschrieben wie innerbetriebliche Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering realisiert sich genau darin: in der Übertragung von Metaphern, in der Adaption von Beschreibungsmodi. Auch wenn einzelne Autoren ihre Argumente auf der Ebene konkreter Produktion ansiedelten und sich auf organisatorische und technische Fragen im engeren Sinn zu beschränken suchten, so war

110 | Kidron, Michael: Automation. The Socialist Answer, London 1956, MRC, Bestand MSS. 309/U/5/1/6, S. 32f. 111 | Pollock, Automation [1956], S. 6-8; vgl. auch Kidron, Michael: Automation. The Socialist Answer, London 1956, MRC, Bestand MSS. 309/U/ 5/1/6, S. 7: »Automation integrates the whole plant into one continuous process.«

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die Möglichkeit der Übertragbarkeit der entsprechenden Argumente der diskursiven Formation insgesamt doch eingeschrieben.

Gebaute Bewegung Produktionslayout und Fabrikarchitektur wurden der Idee der »flow production« untergeordnet und gaben dieser zugleich Gestalt.112 Sie sollten dem Produktionsgang folgen und ein durch die Produktionserfordernisse strukturiertes Ganzes materiell-architektonisch verkörpern. Paradigmatisch zeigte sich das an Fords Werken Highland Park und River Rouge. »By virtue of improved design and layout, the buildings themselves would aid in the organization and control of production. Space continued to be a constant concern to the growing enterprise, but movement soon became the overwhelming priority in designing the New Shop.«113 Fabrikarchitektur, so formulierte es in Deutschland zum Beispiel Walter Gropius, habe »endlich der lebendigen Lebensform der Zeit das natürliche Kleid [zu] erfinden«, das dem »schauenden Auge« das »entscheidende Motiv der Zeit«  –  das »Motiv der Bewegung«  –  mittels geeigneter Stoffe wie Glas und Eisen zu sehen geben solle.114 Dieses Bewegungsmotiv, so Michael Mende mit Blick auf das von Rudolf Lodders in den dreißiger Jahren realisierte Bremer Borgwardwerk, erlangte gerade für den Bau von Automobilfabriken Bedeutung. In herausgehobenem Maß galt es hier, die Gebäude auf einen möglichst kontinuierlich fließenden Ablauf hin auszulegen.115 Der Verweis auf fließende Bewegung diente als Anhaltspunkt für die grundlegende Zweckbestimmung von Industriebetrieben. Wesentlich war dabei die Kopplung von Fabrikräumen und Produktionsanlagen zu einem Ganzen, in dem eine Vielzahl notwendiger Bewegungen geordnet ablief. Zweck einer Fabrik sei es, zumindest in allgemeiner Bestimmung, Materialien während ihres Durchlaufs zu verwandeln.116 »The size and disposition of the building and its suitability for the product and for the output demanded or aimed at, will govern such other matters as the flow of production and the economy of internal transport. There is a growing tendency to choose sites for new buildings which permit of the factory of being one, or at most two, stories, so designed as to permit of the shortest and most economical routing of goods from their entry as raw material until they pass out as completed product. Moreover, much more attention is now being given to mechanical transport by means of conveyors, to facilitate the flow of production and to reduce the amount of labour effort expended.«117 Es galt als Aufgabe des Managements, den Arbeits- und Pro112 | Vgl. Kap. III.2. 113 | Biggs, Factory [1996], S. 119. 114 | Walter Gropius, zit.n. Mende, Kunst [1996], S. 223f. 115 | Vgl. Mende, Kunst [1996], S. 224. 116 | Vgl. Wardropper, Organization [1928], S. 62. 117 | Northcott, Introduction, S. 5.

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duktionsfluss zu gewährleisten.118 Diese durchaus triviale Bestimmung brachte in knapper Form zum Ausdruck, was noch über dreißig Jahre später reproduziert wurde: dass Betriebe und Unternehmen eine Art Drehscheibe oder besser: einen Verteiler darstellten. Die Gewährleistung reibungslosen Fließens stand im Zentrum der Aufmerksamkeit; ebenso die grundlegende Problematisierung des Betriebs als einer fließenden Ordnung. Und genau darum ging es: »Grob gesprochen: auf der einen Seite kommt das Material in die Halle, und auf der anderen Seite kommen die fertigen Lastwagen heraus.«119 Zur Verdeutlichung konnte man sich auch organischer Analogien und Metaphoriken bedienen: »Betrachtet man die Organisation, die Ursache, das Auslösen, das Leiten der erzeugenden Handlungen als die geistige Belebung, die Anlage selbst hingegen als den Körper, in dem dieses Leben pocht, so sagt uns die Überlegung, daß auch dieser Körper so einfach und übersichtlich wie nur irgend möglich gestaltet sein muß, damit keine Stauungen und Störungen eintreten. Das heißt also: Rohzeug und sonstige Teile haben die Werkstätten während der Bearbeitung derart zu durchlaufen, daß sie sich auf dem geradesten Wege zu dem fertigen Erzeugnis des betreffenden Unternehmens umwandeln lassen.«120

Reibungslosigkeit bei der Überwindung von Raum und Zeit wurden zur Leitidee, die Gestaltung der Wege im Betrieb zu einer wesentlichen Herausforderung. »Da wir es bei der Fließarbeit mit festen Arbeitsstellen zu tun haben, so können diese Stellen viel enger aneinandergereiht werden, als im gewöhnlichen Betriebe, so nahe nämlich, daß sich die Leute nicht gegenseitig in ihren Bewegungen behindern«121 (vgl. Abb. 25). In der Abbildung wird deutlich, dass Bewegung sich hier auf einen relativ begrenzten Bereich bezieht. Die durch Hocker angezeigten Arbeitsstellen liegen dicht beieinander. Bewegungsspielraum besteht hier kaum. Freie und ungehinderte Bewegungen im gesamten Raum sind offensichtlich nicht intendiert. Der Werkraum insgesamt ist mit Werkbänken und Säulen angefüllt, und diese stehen offenkundig jeder Bewegung im und durch den Raum buchstäblich im Weg. Mit einer Ausnahme: Die Bewegung der Werkstücke auf den Werktischen ist erwünscht und soll ermöglicht werden. Die Wege der Werkstücke sind daher auf dem Bild deutlich zu erkennen und das steht im Gegensatz zu den überhaupt nicht erkennbaren Wegen durch den Werkraum als Ganzes. Aber auch auf den Werktischen sind lediglich Kanäle zu sehen, in denen die Werkstücke sich bewegen können. Freie, ungeregelte Bewegung außerhalb dieser Kanäle ist auch für die Werkstücke nicht möglich. Das Bild inszeniert also in zweifacher 118 | Vgl. Lupton, Floor [1963], S. 23, 44. 119 | Anonym, Brandenburger [1936], S. 216. 120 | Voigtländer, Fabrikanlagen [1921], S. 180. 121 | Mäckbach, Zusammenbau [1926], S. 183f.

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Hinsicht eine Hierarchie denkbarer Bewegungstypen und damit insgesamt die Notwendigkeit, bestimmte Bewegungen zu verhindern und andere zu fördern. Abbildung 25: Dieser Werktisch soll die Behinderung bestimmter Bewegungen verhindern … und verhindert andere.

Bestimmte Bewegungen, die nicht behindert werden durften; die Transformation unerwünschter in erwünschte Bewegungen; eine Ausnutzung von Raum und Zeit »in rationellster Weise« – genau das sollte durch die Gestaltung des Raums erreicht werden. Wenn das gelingt, dann ist das Ideal verwirklicht: »Das Rohmaterial durchläuft von seinem Eintritt in die Werkstätten bis zum Fertigprodukt einen möglichst kurzen und reibungslosen Weg, der zugleich dem natürlichen Operationsgang entspricht.«122 Die bereits für das Fließband immer wieder betonten verkettenden Wirkungen spielten auch bei den automatischen Transferstraßen eine wichtige Rolle. »Dann kommen die Transferstraßen, die das Werkstück selbständig von Bearbeitungsgang zu Bearbeitungsgang führen, bei denen alle Bewegungen und Schaltvorgänge nach festgelegtem Schema automatisch aneinander gereiht sind.«123 H.J. Graves, Equipment Manager bei Austin, bekräftige ebenfalls die Bedeutung der Transfermaschinen. »Both in-line and rotary types of transfer machines fulfil that most important 122 | Stubenrecht, L.: Erläuterungen zu einem Vortrag über Fließarbeit im Automobilbau, 1941, StAR, SO 4, S. 11.

123 | Heinrich Nordhoff, zit.n. Wellhöner, Wirtschaftswunder [1996], S. 123; vgl. Nordhoff, Wirtschaftsführung [1955], S. 173f.

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production principle of making the machining process continuous. […] It is perhaps in the movement of material through the factory that the greatest benefit from the use of automatic devices will be obtained«.124 Die für Ordnungsdenken und Social Engineering charakteristische Weise, mit Bewegung umzugehen, zeigt sich deutlich im Selbstverständnis der Transportabteilungen und dem Stellenwert, der innerbetrieblichem Transport zugeschrieben wurde. »It is essential that there should be good general organization to save time in carrying the work through, so that production proceeds as a steady flow. There must also be an efficient system of internal transportation of materials.«125 Die Opel’sche Transportabteilung wurde den Lesern der Opel-Post 1953 unter der Überschrift Von selbst rollt nichts näher gebracht. »Dieses skizzenhafte Bild von den Funktionen der Transportabteilung lässt erkennen, daß der Materialfluß nur von einer zentralen Stelle im Werk geleitet werden kann. Andernfalls wäre heilloses Durcheinander die Folge. Im Falle des betrieblichen Transportes würde Dezentralisation, also Aufgabenteilung, die unbedingt erforderliche Übersicht über den Einsatz von Ausrüstung und Personal und die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes wesentlich erschweren, wenn nicht sogar ganz aufheben.«126 Innerbetrieblicher Transport und Produktion schienen in der geregelten Bewegung des »flow« zu verschmelzen.127 Ordnung und Stabilität resultierten aus dem gekonnten Zusammenspiel von Regulation und Zirkulation. Bewegungen verliefen geordnet und kanalisiert, solange die Materialien sich auf den vorgesehenen »travel paths«128 bewegten. Auch der innerbetriebliche Transport bei Opel war im »Liniensystem« organisiert, fügte sich damit also in das skizzierte dynamische, gleichwohl aber strukturierte Ordnungsgefüge: »Ein Fahrer fährt von einer festgelegten Ausgangsstation über bestimmte Zwischenstationen zu einer Endstation. […] Das Liniensystem kann erfahrungsgemäß nur auf wenigen Linien ohne nennenswerte ständige Änderungen beibehalten werden. Die anderen Linien sind dem Rhythmus der Produktion unterworfen und machen entsprechende Wandlungen mit.«129 Die Straßenmetaphorik diente, wie die wörtlich zu nehmende Flussmetapher, immer wieder dazu, das optische Wirrwarr des ersten Eindruck zu entwirren. Heinrich Hauser glitt virtuos durch die verschiedenen Metaphoriken, deren Gemeinsamkeit darin bestand, Ordnung und Bewegung zu integrieren. »Ich habe den Verlauf der Fabrikation geschildert als ein Flußsystem. Dies Bild ist genau so richtig und genau so falsch wie alle schematischen Darstellungen. Der Nebenfluß ›Karosseriebau‹ mündet nämlich nicht seitlich,

124 | Graves, Factory [1955], S. 30-32. 125 | Wardropper, Organization [1928], S. 90. 126 | Riebel, Organisation [1953], S. 4. 127 | Vgl. Riebel, Transport [1952]. 128 | Engelbach, Notes [1928], S. 502. 129 | Riebel, Organisation [1953], S. 7.

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sondern von oben in den Hauptstrom ein. Wir haben es hier mit einer großen, in sich geschlossenen Fabrik zu tun, einem vierstöckigen Bau, halb Glas, halb Beton. […] Der Fluß der Arbeit entspringt im obersten Geschoß. Wie ein Wasserfall stürzt sich das laufende Band dann in das zweite Stockwerk, durchläuft es von einem Ende bis zum anderen, fällt dann ins erste und endet über einer Luke. Hier ist der Ausgang für die fertige Karosserie, die Mündung des ›Nebenflusses‹. Wir blicken durch die Luke in die Tiefe und sehen: dort unten fließt der große Strom ›Fertig-Montageband‹.« 130

Zum Vorschein kamen »olivgrüne Alleen von Maschinen, durchströmt von Metall«. Die vielfältigen Ströme der Bewegung fügten sich in Hausers Kopf »zu einer gewissen Ordnung«. Die Maschinenstraßen waren nun als System von Haupt- und Nebenstraßen so klar zu erkennen, »wie die Luftaufnahme eines Stromdeltas«.131 Dieses Bild blieb in Erinnerung und wurde einige Jahre später erneut aufgerufen: »Heinrich Hauser schrieb einmal von seinen Eindrücken im Opelwerk, daß sich die Rinnsale der Arbeit zu Bächen vereinigen und aus diesen Flüsse und Ströme werden. Wie recht er damit hatte, werden Sie selbst erleben, wenn Sie selbst an den laufenden Bändern entlang gehen und sehen, wie sie gespeist werden mit den ebenfalls auf laufenden Bändern oder von Maschinenstraßen erzeugten und herangeführten Einzelteilen.«132

Wege in die Welt Integrierte industrielle Produktion transportierte Vorstellungen einer rund um die Uhr in ungeahntem Tempo produzierenden Fabrik. Am Horizont zeichneten sich manch euphorischem Zeitgenossen Fabriken ab, die von sich aus immer weiter und immer fort produzierten, die in die Gesellschaft und die Welt insgesamt hinauswirkten: »Die menschenleere Fabrik will ununterbrochen arbeiten, Tag und Nacht. Sie braucht ununterbrochen Absatz, also eine ununterbrochene Steigerung des Verbrauchs und des Lebensstandards. […] Es ergibt sich geradezu der Zwang für die Unternehmensleitungen und für die Männer der Wirtschaftspolitik, dafür zu sorgen, daß die Ströme der Produktion und der Kaufkraft unendlich fließen und sich dauernd weiten. […] Diese Maschinen und die neuen menschenleeren Fabriken werden unaufhörlich arbeiten, wie der Eimer in Goethes Märchen vom Zauberlehrling. Die Produktion wird ihren Absatz suchen, über die Landesgrenzen hinausströmen, und schließlich den ärmsten Völkern zu neuem Wohlstand und einem neuen Lebensstil verhelfen.«133 Auch hier scheinen Realität und Traum industriebetriebli130 | Hauser, Band [1936], S. 98. 131 | Hauser, Stahlherz [1951], S. 7f. 132 | De Wolff, Abschnitt [1956], S. 12. 133 | Gross, Fabrik [1954], S. 3.

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chen Ordnungsdenkens und Social Engineerings durch  –  Realität und Traum eines Verwachsens von Betrieb und Gesellschaft; Realität und Traum unbegrenzten Fließens; Realität und Traum des Betriebs als produktives Zentrum, das überall hin strahlt. Gleichgewicht, Harmonie und Reibungslosigkeit wiesen als prominente Topoi den Weg in Richtung einer Ordnung der Produktionsräume und damit auch der sozialen Beziehungen im Betrieb, die weder starr noch statisch, sondern in Bewegung war. Die Bewegungen galt es freilich zu kanalisieren und zu kontrollieren. Es ging um regulierte Zirkulation.134 Nicht zuletzt dehnte sich die fließende Produktion, oder besser: der »flow« der Bewegung über die Grenzen des Werks aus. »Die Automobile«, darauf war man stolz, »rollen direkt vom laufenden Band und der Einfahrbahn über in den Leerwaggon, der durch Verschiebeböcke vollkommen automatisch auf die elektromotorisch betriebene und zum ersten Male in der Welt verwendete Schiebebühne gezogen wird. Alsdann drücken die gleichen Verschiebeböcke die beladenen Waggons wieder automatisch auf die Anschlußgleise, auf denen die Güterzüge für alle Richtungen zusammengestellt werden. Die Lokomotiven des Opelwerks bringen diese Güterzüge sodann auf die Staatsgleise, von wo sie sogleich an ihre Bestimmungsorte abrollen. Auch hier wie in allen Organisationen der Opelwerke, die planmäßige Wiederholung eines Prinzips: Fließarbeit!«135 Um das Fließband herum sorgten Fahrer dafür, dass die Bewegungen nicht mit dem Bandablauf endeten: Die Fahrer, so erinnert sich ein Opelarbeiter, haben »die Autos abgefahren, vom Band runter nach dem Parkplatz und auch an den Hafen. Und die hatten, ich hab das mal beobachtet, einen ganz strengen Dienst, die mußten immer dabei sein, wenn die Autos vom Band gelaufen sind. Die mußten vom Band weggefahren werden, sonst sind sie zusammengeschoben worden.«136

Das Metronom Kanalisierte Bewegungen und fließende Ordnung waren stets auch eine Frage der zeitlichen Taktung von Abläufen. Fließarbeit, so Frank Mäckbach 1926 in grundlegender Bestimmung, lasse sich als Strukturierung der zeitlichen Abläufe in der Produktion charakterisieren. Diese Strukturierung ziele in Richtung einer völligen Eliminierung »unproduktiver« Zeiten. »Dabei ist jeder nicht dem Zwecke planmäßiger Arbeitsverrichtung dienende Aufenthalt eines Werkstückes zwischen der Stelle, wo es als Rohmaterial in die Fließarbeit eintritt, und der Annahmestelle für das fertige Erzeugnis grundsätzlich zu vermeiden. […] Das Werkstück soll die gesamte Fertigung in einem Fluß durchlaufen, wobei es gleichgültig ist, ob dieser Fluß sich aus einzelnen Schritten von der Dauer der Operati134 | Vgl. in anderem Kontext Scharfe, Circulation [1990]. 135 | Fließarbeit auch beim Verladen, Bericht, 3.3.1929, StAR, SO 1.1.1. 136 | Schirmbeck/Dresler, Amerika [1988], S. 85.

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onszeiten oder aus kontinuierlicher Bewegung, beispielsweise auf einem Förderbande, ergibt; nur darf keine Wartezeit entstehen.«137 Fließende Produktion gründet im Prinzip geordneter und geregelter Reihung; automatische Maschinen führen jene Bewegungen in rhythmischer Regelmäßigkeit aus, die früher die Arbeiter mit »all the irregularity characteristic of human diversity« vollzogen; mechanische Vorrichtungen bringen »a sense of order and precision into the workroom environment.«138 Dabei geht es um Timing: »[T]he virtue of flow line layout resides in the fact that it helps us to take control of the time incurred in the activities of men, in the functioning of machines and in the movement of material. Assembly lines are usually models of synchronized activity, especially when they are mechanically operated. […] Hence the final assembly line can be regarded as a factory metronome – beating out the time and marking the pace for all tributary lines.«139 Das Metronom im Betrieb  –  darin kommt in aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass Ordnung Bewegung im Takt war, dass betriebs-soziale Ordnung räumliche und zeitliche Dimensionen aufwies, die sich zudem in Bewegung befanden. Seitens der Arbeiter und Gewerkschaften gehörten die Wahrnehmung und Kritik dieser Taktung menschlicher Arbeitsabläufe durch die Maschine, die Diskussionen um das »Herabsinken« des Arbeiters zur Maschine, seit der Einführung des Fließbands zum Standardrepertoire. »Während du schaffst«, so berichtete ein Fordarbeiter 1927 den Lesern der Betriebsräte-Zeitschrift, »gleitet das Auto langsam vorbei. Nun hast du deinen Teil getan und gehst dem Neuankommenden schon einige Schritte entgegen, treibst ihm die Nieten in die Seiten oder schraubst ihm die schönen prallen Räder an. In einem bestimmten Rhythmus rollt, schiebt und gleitet alles an dir vorbei. Der Rhythmus erfasst dich, du schwingst selbst mit. Gleichwie der Takt der Schmiedehämmer am Amboß zwingt dich diese Arbeitsweise zu einer unbewußten Arbeitsweise.«140 Diese Grundmelodie erklang bald überall im Betrieb.

Ein bekanntes Beispiel Synchronisierung und Taktung waren nicht nur wesentliche Merkmale und Erfordernisse der Produktion im engeren Sinn, sondern es handelte sich um expansive Ordnungsprinzipien. Die Merkmale und Erfordernisse fließender Produktion ergriffen nach und nach alle Bereiche des Betriebs. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering evoziert nicht nur eine bestimmte Raum-, sondern ebenso eine bestimmte Zeitordnung und zudem eine bestimmte Art der Bewegung. In verdichteter

137 | Mäckbach, Fliessarbeit [1926], S. 5f. 138 | Northcott, Management [1945], S. 106. 139 | Woollard, Principles [1954], S. 85. 140 | Anonym, bei Ford [1927], S. 444f.

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Form zeigt sich das in den Diskussionen um die Werkskantinen.141 In diesen Diskussionen wurden pointiert Probleme industriebetrieblicher Zeitstrukturierung verhandelt.142 In dem Maß, wie die Verpflegung im Betrieb zur Regel wurde, zeigte sich die enge, vielfach konflikthafte Verzahnung von Arbeitszeiteinteilung und Mahlzeitenordnung.143 Die Ordnung industriebetrieblicher Zeit wirkte in Richtung einer Zerlegung und sequentiellen Reihung von Zeitspannen und -abläufen, deren Zusammenhang mit einer spezifischen Produktionsorganisation unverkennbar ist. Reibungsloser Produktionsfluss und reibungslose Verabreichung der Mahlzeiten folgen derselben Logik. Die Prinzipien fließender Produktion mussten auch in die Kantinen hinein verlängert werden. In beiden Fällen ging es darum, Wartezeiten und Stockungen zu vermeiden, alles und jeden zur richtigen Zeit an den richtigen Platz zu dirigieren. Ausgehend von diesen Überlegungen privilegierte die Industrial Welfare Society bereits 1925 ein Cafeteria-Modell mit Selbstbedienung und lieferte eine Beschreibung, die sich problemlos über analoge Beschreibungen der Produktionsorganisation hätte legen lassen: Aufrechterhaltung einer möglichst hohen Durchlaufgeschwindigkeit (»The main essential of good service is speed.«); Beseitigung physischer und organisatorischer Hindernisse; lineare Reihung der Essensteilnehmer; rechtzeitige Ausstattung der einzelnen Essensteilnehmer mit allem, was zur Durchführung ihrer ›Aufgabe‹ nötig ist (»Each diner on arrival is supplied with a tray and cutlery and tables his place in a queue which passes along the service counter. On this are placed at different points various foodstuffs […].«). Der »flow« (in) der Kantine setzte freilich voraus, dass diejenigen, die in der Reihe standen und sich stetig bewegen sollten, bereits »a good standard of orderliness« erlangt hatten.144 Diesen Standard zu erreichen – darum war man bereits seit langem in den Produktionshallen bemüht. Wer am laufenden Band arbeitete, wusste auch, wie man sich als Teil eines laufenden Bands mit dem Mittagessen versorgen musste. Wer es nicht wusste, dem ›halfen‹ die materiellen Gegebenheiten der Kantinen (zumindest im Idealfall): Das Cafeteria-Modell »usually confines the diner to a journey from one end of the counter to the other by means of a barrier rail running the whole length of the counter. It is expected that the diner will pick up a tray at commencement of the cafeteria journey and collect his or her complete meal«.145 141 | Im Detail: Luks, Massengesellschaft [2009]. 142 | Inzwischen klassisch Thompson, Time [1968]; sowie Glennie/Thrift, Reworking [1996].

143 | Vgl. Lüdtke, Arbeitsbeginn [1980], S. 101-107; Tanner, Fabrikmahlzeit [1999], S. 223-229, 245-253.

144 | Industrial Welfare Society: Works Canteens, London 1925, MRC, Bestand MSS. 303/AP/B, S. 17. 145 | Industrial Welfare Society: Canteens in Industry, 4. Aufl. London 1941, MRC, Bestand MSS. 303/AP/B, S. 28.

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Was der Betriebsrat bei Daimler im Februar 1951 für Kantine und Mittagspause bemerkte, hätte nahezu gleich lautend auch für den Produktionsprozess formuliert werden können. »Wir stehen auf dem Standpunkt, wenn ein jeder beim Beginn der Pause von seinem Arbeitsplatz weggeht, entsteht keine Stockung, denn wir haben die Treppen tatsächlich so breit gebaut erhalten, dass jeder ohne Berührung des anderen gemütlich heraufgehen kann.«146 Dass dies vorerst nicht funktionierte, lag an der herkömmlichen Organisation der Essensvergabe im Speiseraum, die sich nicht so recht in die Logik fließender Ordnung fügen wollte. Einmal am Tisch sitzend, galt es zu warten, bis einem das Essen gebracht wurde. Die in diesem System zurückzulegenden weiten Wege der »Anrichte- und Servierkräfte« und die daraus entstehenden »unproduktiven Wartezeiten« erinnern signifikant an das Werkstattprinzip in der Produktionsorganisation.147 Wo dort Maschinen gleicher Art zu Maschinengruppen und einzelnen Werkstätten zusammengestellt wurden, saßen hier gleichartige (hungrige) Arbeiter in Gruppen an einzelnen Tischen. Wo dort die verschiedenen Teile ständig zwischen einzelnen Werkstätten unterwegs waren und irgendwer immer auf irgendetwas warten musste, waren hier die Servierkräfte ständig zwischen den Tischen unterwegs, während die erforderlichen Portionen an einem anderen Ort lagerten. In der Produktion war man freilich bereits nach dem Ersten Weltkrieg daran gegangen, das Werkstattprinzip zu modifizieren und zu mehr oder weniger fließender Fertigung überzugehen. In der Kantinenorganisation bei Daimler vollzog sich dieser Übergang erst 1953. »Zur schnelleren und besseren Verabreichung von Mittagessen wurde eine vollkommen neue Einrichtung in Form einer Cafeteria mit Essensausgabe für Selbstbedienung gewählt, die eine reibungslose Essensausgabe ermöglicht und ein langes Anstehen und Warten erübrigt. Jeder einzelne kann nach Bedarf verschieden zusammengestellte Gerichte selbst auswählen. Der Speiseplan wird gesondert bekanntgegeben. Die Bezahlung erfolgt nach Empfang des Mittagessens an der Kasse; damit kommt die Ausgabe der bisher eingeführten Essenkarten in Wegfall.«148 Was es zu lernen galt, um diese Umstellung mitgehen und den damit verbundenen Erwartungen entsprechen zu können, konnte man zu diesem Zeitpunkt bereits gelernt haben, denn »[e]s ist uns gesagt worden, daß vor Neueröffnung des Speiseraums eine vorherige Besichtigung stattfinden kann, damit dann jeder ungefähr seinen Weg weiß, den er zu gehen hat und hier keine Störungen entstehen, wo

146 | Betriebsversammlung vom 28.2.1951, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.3, S. 8.

147 | Vgl. Bellon, Mercedes [1990]; Kugler, Werkstatt [1987]; Stahlmann, Revolution [1993]. 148 | Neueröffnung unserer Speiseräume, Bekanntmachung 7.4.1953, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.9.

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jeder weiß, wo er hingehen muß.«149 Erreicht wird  –  im Einklang mit dem Topos fließender Ordnung – eine Dynamisierung und Effektivierung des Durchlaufs der Arbeiter durch die Kantine sowie eine Straffung und Neutaktung der Zeitabläufe.150 Die Ordnungslogik des fließenden Bands, die nun auch in den Speiseräumen etabliert worden war, erschien als Lösung des Problems der Kantinenorganisation und -nutzung. Wo Motoren und Karosserien sich gleichmäßig, in schöner, geordneter (serieller) Reihung und ohne Stockung und Störung durch die Werkhallen bewegten, konnte man hoffen, dass sich derselbe Ordnungseffekt einstellte, wenn die Arbeiter an der Essensausgabe es in gleicher Weise taten. Was sich für die Massenproduktion bewährt hatte, lag für die Massenspeisung auf der Hand. Was mit der (ersten) Einführung des Fließbands mitunter noch heftig kritisiert worden war, wurde nun zur passablen Lösung für ein praktisches Problem. Inzwischen war es eine Selbstverständlichkeit, dass Ordnung nur heißen konnte: einer nach dem anderen in gleichmäßiger Bewegung. Im Bild serieller Reihung, im geregelten Fluss, wird Ordnung im Wortsinn sichtbar. Man konnte sehen, ob es geordnet zuging. Das gleiche gilt für Unordnung. Man konnte sie sehen, wenn Kollegen, »in den Treppenhäusern stehen und sitzen und dort rauchen«,151 wenn sie »promenieren, aber bitte, nicht nur in den letzten zwei oder drei Tagen, wo es so heiss ist, auch wenn’s mal regnet, bringen sie es fertig, so beiläufig so unter einem Vordächle zu stehen.«152 Geordnete Abläufe und Bewegungen bedeuteten eben: nicht »promenieren«, sondern »fließen«.

149 | Betriebsversammlung vom 11.3.1952, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Könecke 12, S. 10.

150 | Vgl. Neueröffnung unserer Speiseräume, Bekanntmachung vom 7.4.1953, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.9. 151 | Betriebsversammlung vom 19.3.1952, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.4, S. 20. 152 | Betriebsversammlung vom 2.7.1952, Protokoll, Daimler Werksarchiv, Bestand Müller 6.4, S. 20.

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VI. Sichtbare Ordnung

Thomas Etzemüller hat für den Bevölkerungsdiskurs des zwanzigsten Jahrhunderts auf die Bedeutung von Bildern, Graphiken, Karten, Statistiken und Symbolen hingewiesen. Er hat argumentiert, dass es immer auch darum ging, die Bevölkerung als etwas, nämlich als soziales Problem sichtbar zu machen, dass es darum ging, Bevölkerung in einer bestimmten Weise sehen zu lernen. »[I]n einem langen Prozeß«, so resümiert er, lernte man »zu sehen, was unsichtbar ist. Durch Bilder, durch die Masse aufeinander verweisender Photographien, Graphiken, Stammbäume, Metaphern, exemplarischer Geschichten, symbolischer Zahlen und Karten; durch die stetige Wiederholung; durch den Übergang von Abbildungen in Sprachbilder und Alltagserfahrungen in Abbildungen; durch Eindeutigkeit und Klarheit bekommt das Unsichtbare eine eigentümliche Form«.1 Sehen lernen und sichtbar machen fallen hier ineinander. Einerseits werden vorhandene Ordnungen, andererseits Ordnungsdefizite und noch zu realisierende Ordnungspotentiale herausdestilliert. Karten, Pläne oder Statistiken tragen wesentlich zur systematischen Herstellung les- und damit gestaltbarer Objektbereiche bei. James C. Scott hat darin ein Merkmal des von ihm rekonstruierten »authoritarian high modernism« gesehen.2 Auch Ordnungsdenken und Social Engineering ist eine Kunst des Sehens und ein Modus der Sichtbarmachung. Auch Ordnungsdenken und Social Engineering bringt les- und gestaltbare Objektbereiche hervor; zum Beispiel den Industriebetrieb – als eine problematische soziale Umwelt. Ordnungsdenken und Social Engineering bezeichnet auch einen Beobachtungsmodus, der es ermöglicht, die komplizierten betriebssozialen Verhältnisse strukturiert und geordnet wahrzunehmen, und das heißt grundsätzlich: die Opazität des Industriebetriebs zu überwinden. Betriebssoziologen und andere Beobachter des betrieblichen Geschehens schilderten detailliert die Eindrücke beim Eintritt in den Betrieb; Produktionsingenieure waren um Übersichtlichkeit (in) der Produktion bemüht. Gerade am Beispiel der Produktionsingenieure zeigt sich ein 1 | Etzemüller, Untergang [2007], S. 83-109 (Zitat S. 109). 2 | Vgl. Scott, Seeing [1998], S. 11-19.

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für Ordnungsdenken und Social Engineering typischer kartographischschematisierender Blick, der bestimmte Elemente des »Fliegerblicks« aufgriff: vor allem die Verwandlung der Welt in eine Fläche und die Tendenz verminderter Erkennbarkeit der Details.3 Auf allen Ebenen kamen Repräsentations- und Visualisierungstechniken zum Einsatz, die Ordnungsdenken und Social Engineering zu einer kohärenten Formation machten – vornehmlich schematisierende Graphiken, die die betriebliche Vielfalt und Unübersichtlichkeit auf wenige klar sichtbare Ordnungsprinzipien reduzieren sollen. Text-Bild-Montagen dienen dann ihrerseits dazu, die Verkettung einzelner Elemente zu einem betriebs-sozialen Ganzen sichtbar zu machen. Tabellen und Statistiken führen dagegen schon wieder etwas weg von diesen zentralen Fragen und bleiben daher – dort dann aber durchaus exzessiv – der Visualisierung von Produktions- und Produktivitätsziffern vorbehalten. Wie auch immer der Einsatz verschiedener Bildtypen und Visualisierungstechniken gewichtet gewesen sein mag, in ihrer Gesamtheit trugen sie zur Konstituierung verschiedener Ebenen des Betriebs als geordnete und zu ordnende soziale Gegenstände bei.4 Techniken der Visualisierung stehen zudem als Sichtbarmachung von Objekten in engem Zusammenhang mit Objektivitätspostulaten. Eine Objektivierung der Bildproduktion ist Voraussetzung und Mittel von Objektivität. Zur Debatte stand daher immer auch die Frage, wie Bilder beschaffen sein mussten, um Objektivität zu verbürgen.5 Das betraf die Objektivität der Beobachtung ebenso wie diejenige des Beobachteten. Auch im Betrieb zeigt sich, dass soziale Ordnung nicht zuletzt durch Repräsentationen hervorgebracht wird, dass soziale Ordnung sich erst in Beschreibungen und Visualisierungen als »übersichtliches, gegliedertes, sinnhaftes Gebilde [realisiert], in dem die Individuen bestimmte Plätze einnehmen können.«6 Sehen, darauf hat schon Ludwik Fleck hingewiesen, wird auf der Grundlage vorhandenen Wissens erlernt und eingeübt. Im Spiel von Ähnlichkeiten, Unterschieden und unwillkürlichen Ergänzungen des Gesehenen realisieren sich Ganzheiten. »Die Kenntnis einer Gestalt schafft die Disposition, sie wahrzunehmen«.7 Flecks Überlegungen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der sich damals etablierenden Gestaltpsychologie.8 Wahrnehmung und Wissen wurden von dieser als Prozesse der Strukturierung und Herstellung je spezifischer Gesamtheiten interpretiert. Die Gestaltpsychologie ist innerhalb jener grundlegenden 3 | Vgl. Asendorf, Super Constellation [1997]; Siegfried, Fliegerblick [2001], S. 81-84, 104-117. 4 | Zu verschiedenen Bildtypen vgl. Gerhard u.a. Infografiken [2001]; Nikolow, Kurven [2005]. 5 | Vgl. Daston/Galison, Image [1992]. 6 | Kreft, Risse [2001], S. 129. 7 | Fleck, Schauen [1947], S. 152. 8 | Dazu und zum Folgenden: Ash, Psychology [1995].

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Strömung wissenschaftlichen und politischen Denkens der Weimarer Republik zu verorten, die durch eine spezifische Krisensemantik sowie die Forderung gekennzeichnet war, angesichts eines wahrgenommenen Zerfalls der Wirklichkeit wie des Wissens Synthesen und einheitliche Weltbilder bereitzustellen. Dabei verschmolzen ideologische, kulturelle und politische Fragen mit originär wissenschaftlichen Problemen. Das gestaltpsychologische und Flecks Insistieren auf die Bedeutung von Gestalten stellt dieses in einen Kontext, in dem auch Ordnungsdenken und Social Engineering zu verorten ist. Dieser Diskurs ist jedoch ganz entschieden ein begrenzter, sich abgrenzender, konkurrierender Diskurs. Man konnte auch andere Modi des Sehens und Sichtbarmachen plausibilisieren. Verwiesen sei nur auf den flüchtig-fragmentierten Blick des großstädtischen Flaneurs, der in der gleichen Zeit diskutiert wurde.9 Wenn also Fleck behauptete, man sehe stets nur (in) Gestalten, wenn Ordnungsdenken und Social Engineering heterogene Eindrücke beim Blick in den Betrieb als eine soziale und Produktionsordnung sichtbar macht, dann sagt das in erster Linie etwas über die Wirkmächtigkeit eines Denkens in ganzheitlichen Ordnungen aus. Bei Fleck treten diese Zusammenhänge, bedingt durch seinen Distanz suggerierenden wissenssoziologischen Duktus, nicht unmittelbar hervor, wohl aber bei Ordnungsdenken und Social Engineering, das die Schwierigkeiten des Sehens selbst immer wieder sichtbar macht, reflektiert und von dort aus Techniken der Visualisierung betriebs-sozialer Ordnung entwickelt.

1. D IE O PA ZITÄT DES I NDUSTRIEBE TRIEBS Der Betrieb war von außen nur schwer zu durchschauen. Die individuellen und lokalen Arbeits- und Sozialverhältnisse erschlossen sich nicht unmittelbar. Das stellte eine Herausforderung für Ordnungsdenken und Social Engineering dar. Es begründete einen bestimmten Beobachtungsmodus, der das zum Teil nur fragmentarisch Gesehene mit bestimmten Ordnungsvorstellung in Einklang zu bringen suchte, der immer wieder darauf hinwies, was man beim Blick in den Betrieb sehe, sehen solle und sehen müsse. Ordnungsdenken und Social Engineering wirkt als Blickmanagement.

Beobachtungen Nachdem Willy Hellpach sich in seinem Buch zur Gruppenfabrikation bereits über das Fabrikproblem im Allgemeinen, die »Grundformen des Lebensraumes«, die Fabrik als »massenversammelnden Werkraum«, die »Atomisierung der Fabrikarbeitsleistung«, »Motivschwund und Motivrest 9 | Vgl. Frisby, Cityscapes [2001]; Hauser, Blick [1990]; Neumeyer, Flaneur [1999].

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in der Fabrikarbeit«, »Lohnmotiv und Lebensideal des Fabriklers« sowie die »psychologischen Wirkungsgrenzen betriebstechnischer Reformen« ausgelassen hatte, widmete er sich dem Eindruck der Fabrikationsgruppe. Er unternahm den Versuch einer typisierenden Rekonstruktion verschiedener Fabrikationssysteme auf der Grundlage des Anblicks, der sich ihm bot. Während sich der Besucher oder Laie, also Hellpach selbst, wie er betonte, in der traditionellen Werkstatt »mit Leichtigkeit […] in dem zurecht[findet], was gerade hergestellt wird«,10 sei das in der modernen Fabrik ganz anders: Hier überfalle einen nach erstem Staunen eine »grenzenlose Verwirrung, geradezu das Gefühl einer Fertigungsanarchie. [D] er anfängliche Eindruck der räumlichen Großartigkeit, der imposanten Vielheit und des akustisch Überwältigenden ermattet, und an seine Stelle tritt die Ratlosigkeit gegenüber einem chaotischen Getriebe, dessen Ziel und Sinn geglaubt sein will, ohne begriffen, ohne erschaut werden zu können.«11 Ganz anders die optischen Eindrücke wiederum beim »Gang durch eine Abteilung, die Herr Lang als Fabrikationsgruppe eingerichtet hatte«: »Raum, Maschinen- und Menschenzahl, Getöse nicht weniger eindrucksvoll als stets; aber statt des Chaos ein Kosmos der Fertigung! […] Auch wenn ich ein ahnungsloser Neuling gewesen wäre, hätte ich keiner Silbe einer Erklärung bedurft. […] [W]enige Augenblicke hätten genügt, um Anfang und Anschluß des hier sich abspielenden Fertigungsprozesses finden zu lassen. […] Der Enthusiasmus kam über den Betrachter erst mit dem sinnlichen Anblick natürlichen, zusammenhängenden, ›dynamischen‹ Werdens, das sich hier in der Gruppe […] seit langem zum ersten Male wieder innerhalb der Atmosphäre der Großfabrikation seinem Auge und seiner Seele darbot.«12 Heinrich Hauser beließ es in seinen Schilderungen der Produktion nicht bei einem anfänglichen Staunen, sondern versuchte mittels einer eigentümlichen Sprache einen ganzen Maschine-Mensch-Kosmos sichtbar zu machen. Aus dem »optischen Wirrwarr« traten nun zunächst farbige Eindrücke klar hervor: »das milchige Blau des gläsernen Himmels«, »kalkweiße Säulen aus Eisenbeton«, ein »Netz von Rohrleitungen mit den Hauptfarben rot, blau, grün und gelb«, »olivgrüne Alleen von Maschinen, durchströmt von Metall, das unter mir dunkelgrau, ja fast schwarz seinen Marsch begann und mit zunehmender Ferne immer silbriger wurde […]. Nach den Farben formten sich auch die vielfältigen Ströme der Bewegung zu einer gewissen Ordnung in meinem Kopf.«13 Betriebssoziologen und andere Beobachter schilderten immer wieder ihre Eindrücke beim Betreten der Betriebe. Sie schilderten überwältigen10 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 63. Zur Gruppenfabrikation bei Daimler vgl. Kap. I.

11 | Ebd., S. 64f. 12 | Ebd., S. 65f. 13 | Hauser, Stahlherz [1951], S. 7. Zum Zusammenhang von Ordnung und den »vielfältigen Strömen der Bewegung« vgl. Kap. V.4.

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de Eindrücke, zugleich aber auch, wie diese sich zu einer Ordnung fügten. Dabei tauchten immer wieder die gleichen Elemente auf: der Raum der Produktion, die einzelnen Maschinen und ihre Verkettung, die Menschen an den Maschinen und im Raum, schließlich Produktionsabläufe und Bewegungen, die als solche zunächst unsichtbar waren, dennoch aber von Maschinen und Menschen abgelesen werden konnten. Britische Gewerkschafter berichteten 1923 nach einer Werksbesichtigung, dass ihnen der Blick auf fließende Produktionsprozesse buchstäblich die Augen geöffnet habe. »The parts are dovetailed, and seem to proceed with smoothness that speaks of a high state of organisation. Mass output is to be the rule at Derby, judging by what one saw.«14 Urteile auf Basis dessen, was man sah, waren also möglich, konnten durchaus valide sein. Sehen spielte keine nachgeordnete Rolle zum Beispiel gegenüber dem Studium technischer Handbücher oder Produktionsziffern. Noch in den fünfziger Jahren löste der Anblick fließend-geordneter Produktion Aha-Erlebnisse aus – selbst unter denen, die wie die Gewerkschafter doch eigentlich mit dem Anblick industrieller Produktion vertraut sein sollten: »The final assembly line was a revelation. Three hundred men work on this line and it was fascinating to watch these shells being converted before our eyes into the completely finished body.«15 Aber so ungewöhnlich schien dieses Staunen dann auch wieder nicht zu sein, zumindest war es unserem Routinier Frank Woollard so vertraut, dass er gönnerhaft Verständnis für die Staunenden zeigte: »It is, for many, something of a shock to see an automobile cylinder block ›flowing‹ through all the many operations necessary to complete it for embodiment in a motor car, with the same apparent ease as the operation of filling and sealing bottles in a milk distribution centre.«16 Die Leichtigkeit und Ebenmäßigkeit der Bewegungen fesselte die Blicke. Was man hier auf der organisatorischen und technischen Seite der Produktion zu sehen, bekam, suchten die Blicke auch bezüglich der sozialen Dimension der betrieblichen Realität. Die Herausforderung bestand darin, dass nicht alles unmittelbar sichtbar war, dass bestimmte, für die betriebs-soziale Ordnung als zentral erachtete Dimensionen gar nicht oder nur mit großen Anstrengungen und methodischem Aufwand gesehen werden konnten. Ob es sich nämlich beim Gesehenen um eine wirkliche Ordnung handle, so schon Willy Hellpach, könne aus den optischen Eindrücken auf den Besucher allein nicht geschlossen werden. Vielmehr müsse die Frage gestellt werden, welche Wirkungen das jeweilige Fabrikationssystem auf den Arbeiter habe. Ein Analogieschluss reiche nicht aus, schließlich sei der Fabrikarbeiter »kein Zuschauer seiner Arbeit« und im Gegensatz zur Produktionsorganisation 14 | Anonym: The New Way, in: The National Union of Vehicle Builders Monthly Journal 1, 1923, S. 13-16, MRC, Bestand MRC, MSS. 126/VB/ 4/1,, S. 16. 15 | Sissons/Orford, Production [1951], S. 25. 16 | Woollard, Machines [1955], S. 199.

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selbst entzögen sich die Wirkungen der Produktion auf den Arbeiter dem Blick des Beobachters. »Festzustellen war: in den Mienen, der Haltung, dem Gehaben aller Werkbeteiligten war nichts Enthusiastisches sichtbar. In der Fabrikationsgruppe […] sahen die Leute genau so indifferent aus, wie es für den Fabrikarbeiter überhaupt charakteristisch ist. Denn dies ist sein mimisches Stigma: Indifferenz. […] Der durchschnittliche Gesichtsausdruck des Fabrikarbeiters ist ›nichtssagend‹, nichtssagender als der irgendeiner mir bekannt gewordenen Berufsgattung, selbst die fürstlichen Lakaienschaften nicht ausgenommen. […] Kurzum, eigentlich war nichts hervorgetreten, was erkennen ließe, daß die Arbeiter von einer grundsätzlichen Umstellung des Fertigungsprozesses auch nur etwas gemerkt haben, geschweige denn darauf reagiert hätten.«17

Die mimische Indifferenz begründe eine »psychognostische Schwierigkeit der Beobachtung«.18 Und darin lag das entscheidende Problem: Wenn man nicht sehen konnte, welche psychologischen Wirkungen Betriebsumstellungen haben, wenn man seelische Zustände, aber auch geplante Beeinflussungen der Arbeit (Sabotage, Verzögerungen und dergleichen) nicht an der Physiognomie des Arbeiters abzulesen vermochte, wie sollte man dann das Fabrikproblem einer Lösung zuführen?

Fingerzeige Prekäre Sichtbarkeit betraf vor allem sozialpsychologische Wirkungen, zwischenmenschliche und Gruppenbeziehungen sowie ganz grundlegend den Menschen in der Maschinenordnung. Seit den zwanziger Jahren nahmen Unternehmen in Werkszeitschriften und Außendarstellung zunehmend Photographien auf. Diese visuellen Präsentationen erhoben den Anspruch dokumentarischer Genauigkeit und verbanden diese mit dem »Reiz des momentanen Einblicks hinter Mauern und Tore […], die man sonst verschlossen fand«.19 Nach innen und außen wurde der Versuch unternommen, ein bestimmtes Bild industrieller Arbeit zu vermitteln, in dem funktionelle Kooperation, hierarchische Ein- und Unterordnung mit Humanitäts- und Fortschrittssymboliken sowie gesellschaftlichen und betrieblichen Ordnungsvorstellungen insgesamt verzahnt wurden. Das hieß im Konkreten vor allem auch: Menschen und Maschinen in einer bestimmten Weise ins Bild zu setzen. Maschinen wurden meist in ihren im Wortsinn überragenden Ausmaßen abgebildet, Arbeit realisierte sich meist im Topos der Handhabung und Beherrschung der

17 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 66-73 18 | Ebd., S. 71. 19 | Lüdtke, Industriebilder [1993], S. 396.

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Abbildung 26: Derartige Inszenierungen sind typisch. Sie sollten Staunen über die Größe der Maschinen sowie den Grad menschlicher Kontrolle hervorrufen. Man soll genau hinschauen, um den Menschen im Bild zu erkennen.

Technik.20 Wenn die Menschen im Betrieb ebenso wie der Blick in diesen in den »Bann der Maschine«21 gerieten, bedurfte es einer gesonderten Anstrengung, um den Menschen sichtbar zu machen. Wo man die Unterschiede von Mensch und Maschine nicht oder nur unzureichend sehen konnte, musste dem Sehen ein richtungweisender Fingerzeig vorgeschaltet werden, denn augenfällig22 waren in der industriebetrieblichen 20 | Vgl. ebd., S. 413f.; Stumberger, Klassen-Bilder [2007], S. 41-48; Tenfelde, Bilder [1994]. 21 | Anonym, Banne [1927], S. 86. 22 | Augenfällig – in der Weise, die Roland Barthes mit Blick auf die Photographie als punctum bezeichnet, als dasjenige, das »durchbricht«, »wie ein Pfeil aus seinem Zusammenhang hervor[schießt], um mich zu durchboh-

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Ordnung zunächst die Maschinen. »Es ist aber auch ein überwältigender Eindruck, wenn man die große Halle des Preßwerks betritt und vor den 10-15m hohen Pressen steht, Riesen gleich, vor denen der Mensch wie ein Zwerg, ein Spielzeug wirkt«23 (vgl. Abb. 26). Auf den Menschen musste hingewiesen werden. Er war nicht unmittelbar sichtbar. Er musste sichtbar gemacht werden. »Wenn man über die Entwicklung der Massenproduktion berichtet, ist man notwendiger Weise gezwungen, die Maschine in den Vordergrund der Betrachtung zu stellen; denn ohne sie wäre die industrielle Entwicklung und damit der Wohlstand der Menschheit niemals möglich geworden. Dieses zwangsläufige ›In-den-Vordergrund-schieben‹ eines toten Gegenstandes ist jedoch nicht so aufzufassen, daß man die menschliche Leistung und damit den Menschen schlechthin in den Hintergrund rücken möchte.«24 Dem Sehen also eine Richtung weisen – so unternahm es zum Beispiel Heinrich Nordhoff in einer Rede, mit der er wartende Journalisten anlässlich des 75jährigen Opel-Jubiläums (1937) ermahnte, nicht zu vergessen, dass hinter den sichtbaren Arbeitsvorgängen stets der Einsatz des Menschen am Werk sei.25 Heinrich Hauser beließ es nicht bei einem Fingerzeig oder mahnenden Wort, den Menschen nicht zu übersehen. Er schilderte vielmehr das schlagartige ›Hereinbrechen‹ der Menschen: »Kaum hatte ich die Organisation der Produktion einigermaßen erfaßt, da ertönte die Sirene zur Pause. Mit einem Schlag trat das menschliche Element hervor, das ich bisher überhaupt noch nicht beachtet hatte. In die Gassen zwischen den Maschinenreihen strömte eine blaue Masse Mensch; Hunderte drängten die Treppen zur Galerie empor nach den dahinterliegenden Wasch- und Aufenthaltsräumen, Aberhunderte suchten die fahle Wintersonne draußen auf dem Hof. Viele aber blieben auch auf ihren Arbeitsplätzen, und bei ihnen wurde eine seltsame Verknüpfung des Maschinellen mit dem Menschlichen offenbar: aus sauberen, zwischen den Stahlkolossen aufgestellten Regalen kamen Aktentaschen zum Vorschein, Kaffeeflaschen, Milchflaschen. Während der Automat, ruhig weiterlaufend, etwa an dem Stahl einer Nockenwelle knabberte, verzehrte sein Wärter still und friedlich nebenan sein Butterbrot. Überhaupt war es auffallend, daß bei aller dramatischen Bewegtheit der Produktion die Menschen keinerlei Hast oder Nervosität zeigten, weder bei der Arbeit noch beim Verlassen der Arbeit. […] Was immer geschah, geschah mit Selbstver-

ren«: »Das punctum einer Photographie, das ist jenes Zufällige an ihr, das mich besticht« (Barthes, Kammer [1980], S. 35f.). 23 | Anonym, Giganten [1949], S. 5; vgl. auch Hauser, Riesen [1936]. 24 | Anonym, Massenproduktion [1951], S. 21. 25 | Vgl. Nordhoff, Heinrich: Die Opelwerke – wie sie arbeiten. Vortrag am Vortage des 75jährigen Opel-Jubiläums 1937, StAR, SO 2.9.

S ICHTBARE O RDNUNG ständlichkeit, mit Könnerschaft, mit einer Sicherheit, als könne überhaupt nichts schiefgehen.« 26

Hausers Schilderung ist ein besonders eindrücklicher und plastischer Beleg für den Blick von Ordnungsdenken und Social Engineering auf den Menschen im Industriebetrieb. Dieser Blick ist gekennzeichnet durch eine eigentümliche Ambivalenz. Der Betrieb ist zunächst eine Maschinenordnung, in der der Mensch zurückgedrängt, vielleicht herabgedrückt, vor allem aber unsichtbar ist. Dann wieder tritt der Mensch hervor als derjenige, der die Maschinen im Griff hat, sie kontrolliert, lenkt und steuert.27 Ordnungsdenken und Social Engineering stellt sich vor diesem Hintergrund nicht zuletzt der Aufgabe, den Blick für die manchmal verborgene menschliche und soziale Dimension betrieblicher Ordnung zu schärfen – mitunter schlicht dadurch, dass man plastisch und anschaulich beschrieb, was man eigentlich gar nicht sah. »Imagine ourselves watching the workers at a factory entrance in the morning. Some of them come early as a regular practice and arrive singly. These are individuals who have their own distinctive times and arrangements for rising, breakfasting and travelling. A little later others arrive in numbers according to the means of transport which they have chosen or those which the community has provided. Among them will be groups of neighbours and friends, brought together by common interests and finding social satisfaction in travelling in company. Others will not form groups till they are inside the factory gate, their common bond being similar industrial skill or employment on same process. So far their actions are spontaneous and free from external control, much like those of persons going to a public gathering. They have a common objective, that of working together in the factory, but the steps they have taken towards this purpose arise from their own discretion and are dictated by their own interest. […] Once inside the factory entrance, however, we shall find evidence of deliberate arrangement. Workers‘ movements follow a course which is uniform and has been planned in advance.« 28

Mit dieser Passage eröffnete Clarence H. Northcott sein Handbuch für Personalmanagement. Er verbindet in seiner beschreibenden Imagination scheinbar mühelos die räumliche Abgrenzung eines Betriebs von seiner Umwelt und die Überlagerung räumlicher Gegebenheiten mit sozialen Beziehungen. Um die komplexen sozialen Beziehungen im Betrieb sichtbar zu machen, bedürfe es einer Reihe von Schritten: Zunächst müsse man die einzelnen Bewegungen und Operationen isolieren, aus denen sich die Arbeit zusammensetze; dann könne man von dort aus den Um26 | Hauser, Stahlherz [1951], S. 9. 27 | Vgl. Kap. IV.1., V.2. 28 | Northcott, Management [1945], S. 1.

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gang mit Werkzeugen und Maschinen sowie die körperlichen und mentalen Voraussetzungen und Belastungen der jeweiligen Arbeit genauer in den Blick nehmen; schließlich richte sich der Blick auf die Gruppenbeziehungen.29 Folgt man diesen Schritten, sieht man am Ende den Menschen als soziales Wesen in einer sozialen Umwelt agieren. Die sozialen Gruppen, die informellen Beziehungen waren nicht unmittelbar sichtbar. Man müsse schon genau hinsehen. »The official organization structure of the firm may not acknowledge the fact of the existence of primary groups, which will not be shown in any diagrams and other descriptions.«30 Betriebssoziologische Fallstudien, die forschungspraktisch in der Regel als eine Mischung aus Befragung, Beobachtung und Analyse verfügbarer Dokumente angelegt waren, stellten sich immer wieder die Aufgabe, die organisatorischen und sozialen Strukturen eines Betriebs sichtbar zu machen. Dabei stellten die Forscher immer wieder fest, dass die formale, in Plänen und Richtlinien dokumentierte Organisationsstruktur nicht mit den faktischen, durch Befragungen und Beobachtungen erhobenen Strukturen in Einklang stand. Man konnte beobachten und sich berichten lassen, dass Arbeitsgruppen nicht immer nach Plan funktionierten, dass die soziale Organisation einer Arbeitsgruppe sich aus formalen und informellen Beziehungen zusammensetzte. »Aber leider gibt es keine Stelle der Betriebsleitung, die uns einen Plan vorlegt, auf dem die informalen Beziehungen eingezeichnet sind. Wenn wir sie kennenlernen wollen, müssen wir die Arbeiter selbst fragen oder sie zumindest längere Zeit beobachten.«31 Eine wesentliche Aufgabe der Forschung bestand also darin, die unterschiedlichen Schichten der Organisation sowie die Diskrepanz verschiedener Perspektiven darzustellen. Die Realität der Arbeitsgruppen musste aus verschiedenen Quellen erschlossen, sie musste sichtbar gemacht werden, indem verschiedene Pläne erstellt und aufeinander bezogen wurden. Dazu boten sich schematische Darstellungen an, die man nebeneinander legen konnte, um die einzelnen Schichten miteinander zu vergleichen. Der Plan der formalen Organisation (vgl. Abb. 27) zeigt lediglich Positionen der einzelnen Arbeiter an und ordnet diese funktional einzelnen Stationen und Maschinen zu. Kolonnen werden hier entsprechend ihrer funktionalen Position zusammengefasst, zum Beispiel als Kolonne »Maßwalze«, Kolonne »Blockwalze« oder Kolonne »Pilgerwalze«. Darüber hinaus wird nichts sichtbar. Die schematische Darstellung der informalen Organisation (vgl. Abb. 28) variiert das schon merklich. Mittels neuer sowie verschieden großer Piktogramme werden hier Kategorien wie »große soziale Kontaktfähigkeit« oder »großer Anziehungskoeffizient« visualisiert  –  und damit Aspekte der betrieblichen Realität gezeigt, die im formalen Plan nicht vorkommen. Zudem verlaufen die Grenzen der eingezeichneten informalen Gruppen anders als die29 | Vgl. Fogarty, Personality [1956], S. 3. Zur Gruppe vgl. Kap. IV.3. 30 | Deverell, Management [1968], S. 174f. 31 | Stieber, Interaktion [1959], S. 76.

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jenigen der funktionalen Kolonnen. Die dritte Darstellung (vgl. Abb. 29) lenkt die Aufmerksamkeit auf »Interaktions-Zentren«. Dabei wird zweierlei augenfällig. Erstens gibt es im Betrieb relativ isolierte Positionen, die in formaler Hinsicht zwar zu einer Kolonne oder in informaler Hinsicht zu einer Gruppe gehören, dennoch aber kaum mit anderen Positionen interagieren. Zweitens wird durch die schraffierte Kennzeichnung der Interaktionszentren und im Vergleich mit den anderen Abbildungen deutlich, dass Interaktion sowohl funktionale als auch soziale Gründe hat. Die Interaktionszentren sind nicht identisch mit den formalen Kolonnen oder den informalen Gruppen, sondern markieren Überlappungsbereiche. In einem letzten Schritt lässt sich das alles zusammenführen (vgl. Abb. 30). Die Schichten lassen sich übereinander legen. Auf diese Weise werden einerseits unterschiedliche Dimensionen in ihrer Überschneidung und Abweichung voneinander sichtbar. Andererseits hat man nun das Ganze: eine betriebs-soziale Struktur, in der formale Kolonnen, informale Gruppen sowie Interaktionszentren gleichzeitig präsent sind. Ein Bestreben, kaum fassbare soziologische Tatbestände sichtbar zu machen, zeigte sich auch am Beispiel des Betriebsklimas. Die Schwierigkeiten, dieses zu veranschaulichen, wurden nicht zuletzt als Grund angeführt, weshalb man überhaupt auf die meteorologischen Metaphern zurückgreife. Man griff auf veranschaulichende Hypothesen zurück, die zum Beispiel aus Anatomie und Physik stammten, ohne die Probleme derartiger Analogisierungen völlig auszublenden. »Es soll dazu bemerkt werden, daß diese bildlichen Darstellungen, die in vieler Beziehung abzulehnen sind, hier nur aus Zweckmäßigkeitsgründen gewählt wurden, um ein verständliches Skelett für den immateriellen Stoff abzugeben. Es handelt sich einmal um den Betrieb als Organismus mit den Gruppen in Organstruktur, zweitens um das Klima als meteorologischen Begriff.«32 Die »Einstellung zum Werk« wurde fassbar gemacht, indem Faktoren aufgelistet, nummeriert, und nebeneinander gestellt werden (vgl. Abb. 31), indem statistische Kolonnen Zusammenhänge suggerieren, die sich in Spalten und Zeilen ablesen lassen (vgl. Abb. 32). Die betriebliche Sozialordnung existierte also, das sollte deutlich geworden sein, nicht unmittelbar. Sie war nicht mühelos erkennbar und zugänglich. Immer wieder mussten einzelne Faktoren isoliert, verschiedene Dimensionen mit teilweise großem Aufwand voneinander getrennt und dann wieder zusammengefügt werden. Die reale Ordnung bedurfte ebenso der Sichtbarmachung wie eventuelle Ordnungsdefizite. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering wirkt, indem es diffuse Vorgänge im Betrieb in eine sichtbare Ordnung bringt, indem es die Zusammenhänge von Menschen und Maschinen im Produktionsablauf beschreibt und soziale Beziehungen im Wortsinn veranschaulicht. Dieses spezifische Bildprogramm sorgte dafür, dass man betriebs-soziale Ordnung sehen und

32 | Paul, Begriff [1951/52], S. 133. Vgl. auch Kap. III.2.

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Abbildungen 27-30: Die Komposition betriebs-sozialer Ordnung als Schichtung verschiedener Pläne.

gleichzeitig das, was es zu sehen gab, als bedeutsam für betriebs-soziale Ordnung identifizieren konnte.

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Abbildung 31: Betriebsklima als Faktorenliste.

Abbildung 32: Betriebsklima als Zahlenkolonne.

2. D IE K L ARHEIT DER P RODUK TIONSORGANISATION Produktionsabläufe können unterschiedlich klar strukturiert, Probleme schwerer oder leichter identifizierbar sein. Voraussetzung für alles weitere – seien es sozialpolitische Interventionen oder produktionsorganisatorische Veränderungen – ist eine möglichst klare Erfassung der fundamentalen Prinzipien der Produktion. Was im Fall des sozialpsychologischen Beobachters Willy Hellpach noch eine Frage des Eindrucks oder eines tendenziell ästhetisch konnotierten Ordnungsempfindens war, wird in den Händen der Produktionsingenieure zu einer handfesten Frage der Produktivität, der Reibungslosigkeit und der Störungsfreiheit. Visualisierungsversuche sind hier nicht mehr lediglich Popularisierungsmittel, um dem Laien zu veranschaulichen, was der Experte auch ohne Hilfe sah. Was Horst Bredekamp mit Blick auf Darwins Bildprogramm bemerkt hat, kommt der Sache auch hier nahe: Visualisierungsversuche forcieren den gedanklichen Prozess.33 Wie in der Naturgeschichte Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, so suchten auch Produktionsingenieure seit dem ersten 33 | Vgl. Bredekamp, Korallen [2005].

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Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts nach Möglichkeiten systematischer Darstellung der Produktionsabläufe. Auf verschiedenen Ebenen ging es darum, Übersicht zu gewinnen und Übersichtlichkeit herzustellen.

Ordnendes Sehen Richard Lang pries die Gruppenfabrikation dafür, dass sie neben anderem auch ein »Versuch [sei], durch eine besondere Einteilung der Werkstätteneinrichtung und der Fabrikationsaufgaben größere Übersichtlichkeit zu erreichen«.34 Es liege »auf der Hand«, so Lang, dass »innerhalb einer solchen Gruppe die Übersicht und damit die Überwachung des Fortganges der Arbeit ganz unvergleichlich besser« sei.35 Lang verweist zwar auch auf Effekte gesteigerter Übersichtlichkeit für die Produktion selbst, führt im Verlauf seiner Argumentation dann aber doch nur eine Spekulation über mögliche, eher psychologische Wirkungen auf den Arbeiter an. Andere wurden in dieser Hinsicht deutlicher. Sie forderten und praktizierten eine Visualisierung fließender Produktionsabläufe, die mehr oder weniger unmittelbar einen Überblick bietet. Ihnen ging es darum, Abläufe und Prozesse, Aufenthaltsorte und Bewegungsrichtungen jedes Einzelteils sowie jedes Bearbeiters in eine schematische Ordnung zu bringen. »Die Beschreibung einer Fließarbeitsreihe geschieht zurzeit noch sehr verschiedenartig; es empfiehlt sich, hierfür eine gewisse Einheitlichkeit zu schaffen und ein Schema zu finden, welches alle notwendigen Aufgaben übersichtlich enthält«.36 In einer Tabelle ließ sich das eindrucksvoll vorführen, denn dieses Format suggeriert, dass alles und jeder an jeweils genau einer Position auffindbar ist (vgl. Abb. 33). Die dargestellte Fließarbeitsreihe suggeriert Gleichtakt und Synchronisation verschiedener Dimensionen (Fördertische, Maschinen, Arbeitsgänge, Arbeitsstücke, Arbeitsstellen, Arbeiter und dergleichen) als Idealbild. Die Felder eines Schachbretts suggerieren eine sozial-räumliche Produktionsordnung. Grundlegend ist die Idee, dass eine geordnete Produktion notwendig, und diese wiederum mittels entsprechender Visualisierungen zu erreichen sei. »The continuous flow of work«, so schrieb J.W. Wardropper 1928 in einem Werk zur Fabrikorganisation, »is most easily planned by establishing a ›flow sheet‹ for the whole plant. This is a diagram showing the buildings, the separate departments, and the routes of internal transport of the material, so that the operations and processes can be located. Then it is necessary to make a similar sheet, showing the start, route, and finishing point for each individual piece. A study of these flow sheets will indicate what arrangement will lead to the most economi-

34 | Lang, Gruppenfabrikation [1922], S. 1. 35 | Lang, Gruppenfabrikation [1919], S. 4. 36 | Kienzle, Hilfen [1926], S. 43f.

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cal production.«37 Auch Frank Woollard wies im gleichen Jahr auf den Zusammenhang von Effektivität und Sichtbarkeit in der Produktion hin. Abbildung 33: Systematisierte Sichtbarmachung fließender Produktion.

»[I]f there is trouble, it is what the author calls ›organised trouble‹, which is highly visible to the management, and consequently is more quickly remedied than sporadic trouble.«38 Was sichtbar ist, lässt sich in den Griff bekommen; »organised trouble« ist handhabbar, weil er sichtbar ist. Woollard führte diesen Punkt später im Detail aus. »Owing to the essential simplicity of the system there is a high visibility on material shortages, on the balance of manpower, on the balance of plant and on the suitability, or otherwise, of the fixtures, jigs, tools and gauges. If any of the items are at fault or inefficient, the flow production layout will throw them into high relief and, in this respect, diagnosis may be properly considered as more than half-way to cure.«39 Hier generiert die neue Produktionsorganisation Übersichtlichkeit, und diese wiederum gilt als Voraussetzung der effektiven Gestaltung der Produktion. Die Abläufe werden transparent, Probleme unmittelbar sicht- und damit behebbar. Die Gewährleistung eines reibungslosen Produktionsflusses, immer wieder das zentrale Anliegen von Produktionsingenieuren und wichtige Herausforderung für jede Fabrikorganisation, wird eng an Visualisierungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten gekoppelt. Die Organisation der Produktion in modernen Industriebetrieben ist außerordentlich komplex, nur schwer und nicht 37 | Wardropper, Organization [1928], S. 93. 38 | Woollard, Notes [1925], S. 434. 39 | Woollard, Principles [1954], S. 50-52.

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von jedem zu überblicken. Der »richtige Mann« kann natürlich mit dem richtigen Blick und der richtigen Technik der Visualisierung sehen, was vor sich geht und wie man das Ganze dann auch in den Griff bekommt. Entsprechend liege die Verantwortung bei demjenigen, der das Projekt als Ganzes visualisieren könne.40 In den Visualisierungen und Beschreibungen ging es um ein klares Herausarbeiten der Grundprinzipien der Produktion. Was beim Blick in die Produktionshallen vielleicht verwirrend und kaum überschaubar sein mochte, erlangte als schematische Abbildung auf dem Papier die wünschenswerte Klarheit. Willy Hellpach unterstützte seine sprachlichen Veranschaulichungen mit einer schematischen Abbildung verschiedener Produktionsordnungen. Da sei erstens die Werkstatt, in der das Erzeugnis linear von Hand zu Hand, von einem Fertigungsstadium zum nächsten gehe. Der Einzelne habe hier das Gefühl »mitten im Ganzen zu stehen. […] Schon für den unbeteiligten Zuschauer ist das ›Bild‹ solcher Werkstatt vielfarbig, höchst organisch, nur darf man mit solchen Benennungen keinerlei Romantik verbinden«.41 Zweitens sei da der Fabriksaal, in dem »Arbeiter neben Arbeiter« stehe, in dem das Erzeugnis lediglich eine Prozedur, nicht mehr alle zur Fertigstellung notwendigen, durchlaufe. Verbindung und »Ergänzung« bestehe hier nicht zwischen Arbeiter und Arbeiter, sondern zwischen Fabriksaal und Fabriksaal. Drittens schließlich: die Gruppenfabrikation, bei der man das Erzeugnis wachsen und »wandern« sehe, es auf seinem »Werdegang« begleiten könne.42 Hellpach hatte ja bereits eindrücklich seine optischen Eindrücke geschildert und er wies auch hier darauf hin, dass die Produktion ein bestimmtes Bild abgebe und dieses Bild wiederum Aufschlüsse über den jeweiligen Grad an betriebs-sozialer Ordnung böte. Dass er das abzubilden versuchte, überrascht daher nicht (vgl. Abb. 34). Laufrichtungen, Transportwege und Produktionsgänge ließen sich schematisierend und visualisierend klar überschauen. Das suggerierte, dass die Produktion in den jeweiligen Werken genau so abläuft, wie dargestellt, dass die gleiche Übersichtlichkeit, Klarheit und Gerichtetheit wie in den Darstellungen gegeben sei. Die Produktionsprinzipien selbst wurden sichtbar gemacht: das kontinuierliche, geradlinige Fließen von Produktionsabschnitt zu Produktionsabschnitt. »This phrase ›straight-line flow‹ must not, of course, be taken too literally. The shape of the factory may not permit long machine lines or assembly tracks, and it may be necessary for them to go round corners, to double back, on themselves in U formation or to go up and down or across the shop several times«.43 Die Abbildungen zeigen entsprechend nur wenige Linien, schraffierte Flächen, Richtungs- und Bewegungspfeile. Alle Details werden ausgelassen, um das Auge nicht von den Grundprinzipien 40 | Vgl. ebd., S. 57. 41 | Hellpach, Gruppenfabrikation [1922], S. 23. 42 | Vgl. ebd., S. 65. 43 | Woollard, Principles [1954], S. 77.

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und der ebenso behaupteten wie graphisch erzeugten Klarheit abzulenken (vgl. Abb. 35, 36). Abbildung 34: Produktionsmodelle – auf ihre Grundprinzipien reduziert.

Abbildung 35: Geradeaus und im Kreis herum – klare Prinzipien?

Mochte der Blick in die Produktionshallen selbst verwirrend sein, mochte die betriebs-soziale und Produktionsordnung dem Auge des Betrachters zunächst verborgen bleiben: Sie konnten doch visualisiert werden, und die Visualisierungen wiederum zeigten, wie man in den Betrieb zu sehen hatte, welchem Blick sich die Ordnung der Produktion offenbarte. Balken, Pfeile und schraffierte Flächen gaben ein klareres Bild der Produktion ab als realistische Photographien mit dokumentarischem Anspruch, auf denen unzählige Nuancen und Schattierungen, verschiedene Maschinen und Menschen, Gesichter, Körper und Körperhaltungen, Handgriffe, Kleidung, kurz: ein infinitesimaler Detailreichtum zu sehen waren. Derartige Abbildungen kamen natürlich auch zum Einsatz – vor allem in den Werkszeitschriften –, hatten aber andere Funktionen. Wieder

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Abbildung 36: »Straight-line flow« – nicht allzu wörtlich genommen.

anders war es mit dem Einsatz von Modellen. Modelle, so hat James C. Scott argumentiert, seien nicht zuletzt Ausdruck eines Scheiterns oder einer Unmöglichkeit, die Ordnung von Natur und Gesellschaft im Großen nachhaltig und effektiv zu strukturieren und zu kontrollieren. Begrenzung und Miniaturisierung führten zu einer Erhöhung der Disziplinierung- und Kontrollmöglichkeiten, die außerhalb des eng definierten Falls kaum zu erreichen wäre. »The visual aesthetic miniaturization seems significant as well. Just as the architectural drawing, the model, and the map are ways of dealing with a larger reality that is not easily grasped or manageable in its entirety, the miniaturization of high-modernist development offers a visually complete example of what the future looks like.«44 Scott hat hier vor allem Stadtplaner und avantgardistisch-utopische Modernisten im Blick. Auf dem Spielfeld von Ordnungsdenken und Social Engineering zeigen sich aber ähnliche Entwicklungen. Im Bereich des Industriebetriebs wurden Modellierungen und Visualisierungen selbst zu Gestaltungsinstrumenten, zum integralen Bestandteil der Produktionsorganisation. Modelle machten Layout und Funktionieren der Produktion vollständig und unmittelbar mit allen Schwächen sichtbar und damit erfolgreiche Planung möglich. »Nothing suggests the complete effectiveness of the model layout so well as the French phrase coup d’œil for, literally, all the information required is, by these means, conveyed in a ›blow of the eye‹«.45 Dieses unmittelbare Ins-Auge-Springen der Produktionsordnung und ihrer Schwächen präsentiert Produktionsingenieur Frank Woollard als selbstevidenten Vorzug von Modellen, die in gewisser Weise eine dreidimensionale Zeichnung seien. Woollard setzt dabei offenkundig das geschulte Auge des Produktionsingenieurs voraus. Dem Produktionsingenieur springt sofort ins Auge, ob und wie die Produktion hier effizient 44 | Scott, Seeing [1998], S. 258. 45 | Woollard, Principles [1954], S. 102f.

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gestaltet ist, während der erste Blick des Laien bestenfalls erkennt, dass hier offenkundig verschiedene Abteilungen in rechtwinkligen Gebäuden irgendwie miteinander verschachtelt sind (vgl. Abb. 37). Abbildung 37: Ordnung, die ins Auge springt?

Verkettendes Sehen Um die Produktion als Ordnung sichtbar zu machen, kamen immer wieder Text-Bild-Strecken zum Einsatz, die die Verkettung einzelner Elemente in Wort und Bild wiederholten und zum Teil überhaupt erst herstellten. In diesem Sinn ließen sich einzelne Abteilungen auflisten, beschreiben und ihr Ineinandergreifen graphisch darstellen. Man stellte fest, dass Betrieb und Produktion eine bestimmte Ordnung ausbildeten und belegte das mit einer Übersetzung dieser Feststellung in Graphiken oder Bildmontagen. In Text-Bild-Reportagen wurde zum Beispiel im Opel-Kamerad 1936 eine (bildliche) Erkundung des neuen Werks geboten: von der Außenansicht zu den einzelnen Werksteilen als miteinander verbundener ›Inseln‹, die als Teil eines Ganzen dargestellt wurden. Es ging um die bildliche Konstituierung eines Werksensembles, um die Relationierung verschiedener Abteilungen und Produktionsschritte durch parallele und lineare Abbildung (vgl. Abb. 38). Keines der einzelnen Bilder zeigt das Werk als Ganzes. Vielmehr sieht man neben- und untereinander die Zylinderbearbeitung, die Kurbelwellenbearbeitung, das Motorenmontageband, den Rahmenbau, das Hinterachsmontageband, das Ende des Karosseriemontagebands sowie das Fertigmontageband – und auch das nur in enger Kadrierung, freilich mit einer gewissen räumlichen Tiefe. Das

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Werks- und Produktionsganze entsteht aber dennoch: einerseits dadurch, dass die Bildfolge dem Produktionsprozess folgt und mit der Fertigmontage endet, genauer: mit der »Hochzeit«, jenem in der Automobilindustrie hoch symbolischen Akt der Vereinigung von Fahrgestell und Karosserie. Andererseits ist das Ganze durch das Medium selbst präsent. Die einzelnen Bilder zeigen Stationen – zum Ganzen werden sie dadurch, dass sie auf einer Doppelseite einer illustrierten Werkszeitschrift und durch die neuerliche Gesamtrahmung durch diese Zeitschrift zusammengefügt werden. Im Rahmen der Doppelseite des Magazins haben alle Bilder Platz; im Rahmen der Produktion haben alle Stationen Platz – diese Parallele ist der Abbildung eingeschrieben. Abbildung 38: Die Doppelseite einer Illustrierten gibt den Rahmen für die einzelnen Abteilungen der Produktion vor und verbindet sie auf diese Weise.

In einer zweiteiligen Reportage über den Karosseriebau, die 1954 in der Opel-Post erschien, tritt das Prinzip der Ordnung als Verkettung deutlich hervor. Menschen, Maschinen und Produkte in der Produktion werden relationiert, indem Weg und Werden der Karosserie in Text und Bild verdoppelt werden. Das Ganze diente der Etablierung einer kooperierenden, aufeinander angewiesenen, verketteten Gesamtheit. »Das Objektiv hat festgehalten wie die geübte Hand des Fachmannes aus den Elementen Stahl, Glas, Lack, Gummi und Stoff mit Hilfe von Vorrichtungen, Schweiß- und Spezialwerkzeugen aller Art, mit Hämmern, Feilen, Scheren und Schlüsseln das komfortable Wunderwerk schafft, das den Namen unserer Firma in die weite Welt trägt. […] Die Vielzahl der Einzel- und Besonderheiten in diesen Abteilungen ist verwirrend und Hunderte von Fotos wären nötig, um dem Außenstehenden einen genauen Überblick

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zu geben.«46 Hunderte Fotos wurden es nicht, aber immerhin 31 auf vier Doppelseiten. Diese dichte Bebilderung erzeugte zusammen mit der Nummerierung und Kommentierung der Bilder den Effekt verketteter Arbeitsabläufe und einer »wachsenden« Karosserie. »Wir erfuhren durch Bild und Text, wie in vielen Einzeloperationen in Spezialvorrichtungen als Unteraggregate die Säulen und Seitenteile, der Unterbau und die Vorderwand entstehen«47 (vgl. Abb. 39). Nicht auf die einzelnen Bilder kommt es hier an, nicht auf einzelne Maschinen und einzelne Arbeiter an diesen Maschinen,48 sondern auf die Herstellung eines Ensembles. Auffällig ist zudem die Wahlverwandtschaft moderner Zeitschriftenästhetik samt ihrer Montage- und Collagetechniken mit Vorstellungen der Produktion, die ja ebenfalls – in Betrieb und Werkszeitschrift – eine Montage war, in der sich einzelne Eindrücke zu einem Ganzen verketteten, in der aus Einzelteilen ein Automobil wurde. Abbildung 39: Collage – Montage – Ordnung. Die Stilmittel einer Illustrierten gleichen den Techniken der Produktion

Sichtbarkeit und Ordnung gingen nicht nur hinsichtlich der Produktion im engeren Sinn eine Koalition ein, sondern auch im Kontext organisatorischer Fragen. »Alle Abteilungen greifen vom ersten Entwurf eines neuen Modells bis zum Verkauf und darüber hinaus ineinander über. Aus ihrem Zusammenwirken entsteht nicht nur das Automobil, sondern ist auch die Opel-Organisation das geworden, was sie heute in Deutschland 46 | Reviol, Haus [1954], S. 10. 47 | Ebd., S. 12. 48 | Die Praxis der Werksphotographie, so Alf Lüdtke, orientierte sich insgesamt eher an Bildsequenzen als am einzelnen Moment (vgl. Lüdtke, Industriebilder [1993], S. 406f.).

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und in der Welt ist.«49 Mittels eines Organigramms ließ sich die Existenz hierarchisch geordneter und gewichteter Ebenen verdeutlichen, die ihrerseits stabile Säulen darstellten – Säulen, die aus wohl angeordneten Abteilungen und Unterabteilungen bestanden (vgl. Abb. 40). Abbildung 40: Die Säulen der Organisation und ein alles überblickender Vorstand.

Auf einer Konferenz der Industrial Welfare Society wurden im Juli 1947 Forderungen vorgetragen, die von einer Aufmerksamkeit für die graphische Visualisierung, für klar sichtbare Organisationsstrukturen zeugen: »To get effective control there must be a definite visual line on authority from top right down to the lowest positions. […] It is not possible to show the position of everyone in authority in a very large company, but each department must have a graph of those in charge and it is helpful if there is an abbreviated form of the main lines throughout the whole organization.«50 Organigramme, so auch die Opel-Post 1950, könnten dazu beitragen, den Umstand zu beseitigen, dass sich vor allem junge Werksangehörige »über die Gliederung der einzelnen Abteilungen und den Aufbau des Betriebes kein richtiges Bild machen können.« Organisationspläne als »abgebildete Karte« sollten dafür sorgen, dass Gliederung und Organisation »in einem klaren Bilde vor Augen stehen.51

49 | Wie entsteht ein Wagen, 1936, StAR, Sammlung Opel, 2.1. 50 | Lathey, R.G.: Management Structure, in: Industrial Welfare Society (Hg.): 24th Annual Conference. Kelby College, Oxford, July 5th to 18th, 1947, S. 27-39, MRC, Bestand MSS. 303/AP/D, S. 33f. 51 | Anonym, Organisationsplan [1950], S. 11.

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Wilfred Brown unternahm 1960 den Versuch, die Ergebnisse und Auswirkungen des umfangreichen, in der Nachkriegszeit bei Glacier von Elliott Jaques und anderen Mitarbeitern des Tavistock Institute of Human Relations durchgeführten sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekts einem breiteren Publikum dazustellen. Brown hob dabei vor allem auf die Bedeutung genauen Wissens über die faktische Sozial- und Organisationsstruktur im Unternehmen ab. Als eines der Probleme identifizierte er die Diskrepanz zwischen der realen Struktur und den gängigen Vorstellungen über diese Struktur. »The social structure of a company is the more or less recognizable organization pattern variously referred to as ›the authority chart‹, ›the hierarchy of positions‹ or ›the managerial tree‹.«52 Das Baummodell war innerhalb der Visualisierungsbemühungen unterschiedlicher Disziplinen fest etabliert. Es suggerierte hierarchische Ordnung und Regelmäßigkeit. Im Kontext der Naturgeschichte und Evolutionstheorie geriet es gerade deshalb in die Kritik,53 und auch im Management- und Organisationskontext, der von Wilfred Brown angesprochen wurde, war es nicht unproblematisch. Dass man mitunter falsche Vorstellungen habe, hänge nicht zuletzt mit den konventionellen und gängigen Schautafeln zusammen. »The way in which we used to look at our Executive System is illustrated in Fig. 17 [vgl. Abb. 41]. This diagram gives no guidance in understanding what the nature of the relationship is between those roles concerned with carrying out the ›operational‹ tasks of the company […] and those which are concerned with matters, for example, of manufacturing techniques or personnel. We tended to say that a specialist […] had no authority at all over the process of production; so far as he had any contract with operators or managers, it was to offer advice or to give services. When, however, we came to look at just how our system worked, we had found that these so-called advices or services that specialists gave were not only felt to be instructions by those who received them, but that they had in fact to be instructions if the Company was to get its work done efficiently. […] An impression of how this unrecognized authority worked, and of the relationships concealed in the organizational chart shown in Fig. 17, can be obtained from Fig. 18 [vgl. Abb. 42]. […] As a result of research these points became apparent to us. In order to attempt to deal with the confusion and inefficiency we experienced, we began slowly to develop a different kind of organization which recognized the underlying nature of what was observed to be, in fact, in existence«. 54

Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering realisiert sich in unzähligen Visualisierungen, die durch zwei Tendenzen gekenn52 | Brown, Exploration [1960], S. 17. 53 | Vgl. Bredekamp, Korallen [2005], S. 12-32. 54 | Brown, Exploration [1960], S. 152f.

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Abbildung 41: Der gewohnte Blick auf die Organisationsstruktur führt in die Irre, denn er isoliert Funktionen und Personen, indem er Verbindungslinien ausblendet.

zeichnet sind: eine zunehmende Loslösung von Einzelbildern und konkreten Ausschnitten sowie einen gesteigerten Grad an Abstraktion. Gerade in der Thematisierung von organisatorischen und Managementfragen zeigen sich deutliche Nähen zum Bildprogramm von »system engineering« und Kybernetik. Blockdiagramme dienten in diesem Zusammenhang der Bekräftigung einer synthetisch-ganzheitlichen Perspektive, die im Wesentlichen die Verkettung einzelner Systemkomponenten betonte. Maschinen, so unlängst Lars Bluma, blieben »auf den Bildern unsichtbar.«55 Michael Hagner hat diese Eigentümlichkeit für die Kybernetik bestätigt und darauf hingewiesen, dass es in diesem Programm so gut wie keine realistischen Abbildungen, sondern fast ausschließlich funktionale Modelle zu sehen gab. Die Kybernetik, so Hagner, »verfügt über keine Körperbilder, keine Photographien oder Zeichnungen, die einen Teil des Körpers zeigen«, und sie sei durch ein »gezieltes Desinteresse an morphologischer Struktur und Form« gekennzeichnet.56 Es dominierten Abstraktionen und Generalisierungen. Kybernetische Abbildungen »schließen nicht von der 55 | Vgl. Bluma, Blockdiagramm [2002], S. 255. 56 | Hagner, Bilder [2006], S. 198.

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Abbildung 42: Hier werden verborgene Einfluss- und Beziehungsmuster sichtbar gemacht.

Funktion auf die Struktur, sondern sie veranschaulichen Funktionen, um diese dann gegebenenfalls zu modellieren.«57 Die »authority charts« oder »managerial trees« von zum Beispiel Wilfred Brown sprachen eine derartige, kybernetische Bildsprache. Sie waren Visualisierungen betrieblicher Abläufe, aus denen aber immer undeutlicher hervorging, ob es soziale, kommunikative, administrative oder Produktionsabläufe waren. Immer deutlicher trat dagegen hervor, dass die einzelnen Entitäten aufeinander wirkten, dass sie eine dynamische Einheit darstellen, deren Prinzipien sich letztlich auf allen Ebenen glichen.

57 | Ebd., S. 201.

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VII. Ordnungsdenken und Social Engineering, vom Ende her betrachtet

Am Anfang stand der Rekurs auf die Krisenhaftigkeit der Arbeitsverhältnisse im industriellen Betrieb. Die Krisendiagnosen wurden vor allem im Rahmen sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Überlegungen vorgetragen. Sie bewegten sich zumeist in relativ stereotypen Bahnen und stellten vielfach lediglich Varianten wohlbekannter Kritik an der Moderne dar. Es ging um Entfremdungsprozesse am Arbeitsplatz, um die Trennung des Arbeiters vom Werkstück, um die Verunselbständigung der Arbeitsverhältnisse, um die Auflösung traditioneller Sozialbeziehungen, um die Desintegration des Arbeits- und Lebensraums. Derartige Krisendiagnosen begründeten Gestaltungsimperative und ein exzessives Wissenwollen, das sich zunächst einmal auf die Herstellung von Transparenz und Übersichtlichkeit einschoss. Wenn man die industriebetrieblichen Arbeits- und Sozialverhältnisse ordnen wollte, musste man sie schließlich erst einmal überblicken. Hatte man erst einmal erkannt, dass und warum die Arbeits- und Sozialverhältnisse fragmentiert waren, dann konnte man diese Herausforderung annehmen und eine Reintegration in Angriff nehmen. Die vorliegende Studie ging von der Annahme aus, dass sich zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren ein relativ kohärenter Modus der Beund Verarbeitung der Moderne etablierte, der als Ordnungsdenken und Social Engineering beschrieben werden kann. Dieser Modus ist durch Dynamiken und Widersprüche, Verflechtungen und Überkreuzungen gekennzeichnet. Er lässt sich als ein Netz mit einer Vielzahl von Knotenpunkten verstehen, in dem verschiedene Akteure, institutionelle Bezüge, disziplinäre Kontexte und Diskurse in einen neuen Zusammenhang gestellt werden. Hinzu kommt, dass Ordnungsdenken und Social Engineering auf verschiedenen Feldern unterschiedliche Ansatzpunkte findet.1 Es lässt sich zum Beispiel ausgehend von den privilegierten Instrumenten und Techniken des Ordnens, von transnationalen Expertenformatio1 | Vgl. die Beiträge in Etzemüller, Ordnung [2009].

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nen oder aber von seinen Effekten, das heißt dem jeweils etablierten Problem- und Interventionsfeld konturieren. Daher war es notwendig, auf den ersten Blick heterogen erscheinende Themenfelder in die Analyse einzubeziehen. Als wesentliches Ergebnis eines solchen Vorgehens stellte sich heraus, dass Betriebs- und Industriesoziologie, soziale Betriebs- und betriebliche Sozialpolitik, Arbeits- und Personalmanagement, Fabrikarchitektur, Produktionsorganisation und -technik sich überlagerten und Allianzen eingingen, dass Ordnungsdenken und Social Engineering sich dort realisiert, wo die einzelnen Felder sich berühren. Daraus ergibt sich eine Reihe von Charakteristika. Erstens. Im Zentrum industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings steht die Annahme, dass moderne Gesellschaften Industriegesellschaften sind, deren paradigmatischer Ort der Industriebetrieb ist. Der Betrieb wurde als Bedrohung und Herausforderung begriffen, als Brennpunkt und Katalysator der Entwicklungen und Verwerfungen der Industriemoderne. Von seiner Gestaltung versprach man sich nachhaltige Ordnungseffekte für die Gesellschaft insgesamt. In eine solche Rolle konnte auch anderes als der Betrieb geraten. Ordnungsdenken und Social Engineering kennt verschiedene Problem- und Interventionsfelder. Neben dem Betrieb ist vor allem an Stadt, Wohnraum und Verkehr zu denken. Kennzeichnend für industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering ist der Umstand, dass die industriellen Arbeitsund Sozialverhältnisse zu einer Herausforderung für die Gesellschaftsordnung schlechthin wurden. Weil der Betrieb als paradigmatischer Ort der Moderne galt, konnte seine Verfasstheit dramatisch und dramatisierend auf die Gesellschaft hochgerechnet werden. Zweitens. Die Diagnosen und Prognosen, Orientierungen und Perspektiven, Maßnahmen und Instrumente, die Ordnungsdenken und Social Engineering zusammenfügt, lassen sich gebündelt als sozialökologischer Industrialismus verstehen. Auf der Basis eines diagnostizierten Auseinanderfallens von Arbeits- und Lebensraum zielt Ordnungsdenken und Social Engineering auf deren Reintegration und etabliert einen umfassenden sozial-räumlichen Blick, der den Betrieb als sozial-räumliche Umwelt begreift, ihn zugleich aber in einer weiteren gesellschaftlichen Umwelt situiert. Die Durchdringung von Betrieb und Gesellschaft, betrieblicher und gesellschaftlicher Ordnung lässt die soziale Neuordnung des Betriebs mit derjenigen der Gesellschaft ineinander fallen. Industriebetriebe wurden hinsichtlich der Effekte auf die Regionen, in die sie eingebettet waren, diskutiert. Dabei gerieten die Veränderungen sozialer Strukturen, kultureller Muster und politischer Organisation, regionale Verflechtungen sowie die Trennung von Arbeits- und Wohnräumen durch Berufsverkehr und Werkswohnungen in den Blick. Raum und Soziales schoben sich ineinander. Mittels materieller und symbolischer Investitionen in den Raum der Betriebe wie der sie umgebenden Gesellschaft stellte sich eine Gesamtumwelt, ein sozial-räumliches Kontinuum von Betrieb und Gesellschaft her.

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Drittens. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering wirkt mittels einer verteilenden, verortenden (An-)Ordnung von Menschen und Maschinen im Betrieb – im Sozial-Raum des Betriebs, um genauer zu sein. Diagnosen einer Ein- und Unterordnung des Menschen begründeten zahlreiche Humanisierungsforderungen. Der Mensch sollte wieder in den Mittelpunkt rücken, sollte zum Maß aller Dinge werden. Die Thematisierung des Menschen erfolgte in Relation zu den Maschinen, unter Rekurs auf die Bedürfnisse des Menschen (aber auch die Forderungen der Maschine). Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering entdeckt die Nachbarschaft von Mensch und Maschine als soziales Problem- und Interventionsfeld. Auch hier verbanden sich Diskussionen des Produktionslayouts, der Fabrikarchitektur und der sozialen Beziehungen im Betrieb. Der Betrieb wurde zum materiellen, sozialen, organisatorischen und technischen Raum. Viertens. Betriebs-soziale und damit gesellschaftliche Ordnung blieb keine abstrakte Größe, sondern realisierte sich in konkreten Figuren – Gemeinschaft und Gruppe. Indem nach vorhandenen, verlorenen oder noch nicht (wieder) realisierten Gemeinschaften und Gruppen im Betrieb und darüber hinaus gesucht wurde, rückte der Grad sozialer Integration ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Organisatorische und technische Imperative des Betriebs wurden sozial gerahmt oder neu konfiguriert. Gemeinschaften und Gruppen galten als eigentliche Realität des Betriebs, auch wenn sie hier und da verschüttet oder zur Unkenntlichkeit entstellt schienen. Vergemeinschaftung und Gruppierung verhießen Ordnung, waren konkrete Formen des Ordnens. Gemeinschaft wie Gruppe verbanden bestimmte Formen der Produktionsorganisation mit den privilegierten Formen sozialer Beziehungen. Als konkrete Sozialformationen schoben sich Gemeinschaften und Gruppen zwischen Individuum und Masse und sollten auf diese Weise Vereinzelung wie Vermassung verhindern. Fünftens. Die Ordnung, um die herum sich Ordnungsdenken und Social Engineering stabilisiert, war dynamisch. Ausgehend von einer spezifischen Problematisierung des Industriebetriebs gewann der Topos fließender Ordnung an Bedeutung. Ordnung hieß: reibungsloses, störungsfreies Ineinandergreifen, eine lückenlose Verkettung kanalisierter Bewegungen, standardisierter Abläufe und dergleichen. Kritik an der Monotonie der Fließbandarbeit und ihren entmenschlichenden Effekten wurde transzendiert und in einer Ordnung aufgehoben, in der Dynamik und Bewegung nicht länger als drohende Auflösung stabiler Ordnung galten, sondern in gerahmter, kanalisierter Form zu Ordnungsfaktoren wurden. Regulation und Zirkulation konstituierten eine dynamische Ordnung, in der der Einzelne aufgehoben war, die Integration verbürgte. Fließband und Automatisierung gaben den Takt vor, dem Abläufe und Bewegungen folgten. Sechstens. Vorstellungen betriebs-sozialer wie gesellschaftlicher Ordnung realisierten sich durch eine mehrere Ebenen umfassende Medialität.

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Ordnungsdenken und Social Engineering greift unentwegt auf Bilder – reale wie metaphorische – zurück und setzt ein vielfältiges Bildprogramm in Gang. Ordnung musste sichtbar gemacht und durch spezifische Repräsentationen hervorgebracht werden. Transparenz und Übersichtlichkeit waren ebenso Voraussetzung wie Ziel industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings. Beobachter des betrieblichen Geschehens beschrieben im Detail ihre Eindrücke vom Betrieb, Produktionsingenieure schematisierten die betrieblichen Abläufe, Werkzeitungen zeigten Photographien von Menschen und Maschinen in konkreten Produktionssituationen. Im Verlauf der Analyse erwies sich industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering als kohärente historische Formation. Ihre Kohärenz stellt sich jedoch nicht durch institutionelle Zentren oder homogene Akteurskollektive her. Die berühmte Foucault’sche Frage, wer denn spreche, muss hier mit Verweis auf den Charakter des Betriebs als Ensemble heterogener Akteure beantwortet werden, mit Verweis darauf, dass das Reden über den Industriebetrieb in der Ordnung der Gesellschaft nicht zu monopolisieren war. Hinsichtlich ihrer Professionalisierungsgeschichte mögen sich Sprecherpositionen unterscheiden und nur unter Auflagen als kohärentes Feld analysierbar sein. Hinsichtlich der gesellschaftsgeschichtlichen Konturen industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings lässt sich über unterschiedliche Felder hinweg jedoch eine stabile Perspektive, eine spezifische Art und Weise des Zugriffs auf den Industriebetrieb identifizieren. Wenngleich Betriebs- und Industriesoziologen, betriebliche Sozialpolitiker, Betriebsingenieure, ein sich ausdifferenzierendes Management mitsamt allen ein- und angegliederten Human- und Sozialexperten eine wichtige Rolle spielten, so stand in der Analyse doch nicht die Konzentration auf ein privilegiertes Akteurskollektiv im Mittelpunkt, sondern der Dispositivcharakter des Industriebetriebs. Die Akteure, die im Verlauf der Arbeit zu Wort kamen, taten dies nicht in ihrer Funktion als Angehörige einer Profession, sondern aufgrund des Umstands, dass sie von ihrer jeweiligen Position aus Topoi aufgriffen, die Bestandteil eines umfassenden Problematisierungsmodus waren. Der Industriebetrieb rückte als Effekt eines Kräftefelds in den Blick, an dem unterschiedliche Akteure beteiligt sind.

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Mit ihrer methodisch angelegten Akteursdezentrierung versucht die vorliegende Studie jene auf die Akteurs- und Handlungslogik bezogene Beobachtung Zygmunt Baumans ernst zu nehmen, der zu Folge sich »[d]er Krieg gegen das Chaos« in eine »Vielzahl lokaler Kämpfe um Ordnung« zersplittert. »Solche Kämpfe werden von Guerilla-Einheiten geführt. Den größten Teil der modernen Geschichte über gab es keine Hauptquartiere, um die Schlachten zu koordinieren – gewiß keine Oberkommandierenden, die imstande gewesen wären, die ungeheure Weite des zu erobernden Universums zu kartographieren und lokales Blutvergießen in eine territoriale Eroberung umzuformen. Es gab nur die mobilen Propagandaeinheiten mit ihrem aufmunterndem Gerede, das darauf abzielte, den Kampfgeist wachzuhalten.«2 Indem die (diskursiven) Praktiken von Unternehmensleitungen, Personalabteilungen, Produktionsingenieuren, Gewerkschaftsfunktionären, Betriebsräten, Sozialpolitikern und Betriebssoziologen aufeinander bezogen werden, lässt sich  –  mit Blick auf die Frage nach der Wirkmächtigkeit und ›praktischen Umsetzung‹ industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings – eine Gegenüberstellung von Diskurs und Realisierung vermeiden. Die einen planten und bauten neue Werkshallen, setzten die Produktionsorganisation baulich, organisatorisch und technisch um, die anderen reflektierten den Betrieb als Sozial-Raum oder versuchten politisch zu gestalten. Alle zusammen trugen dazu bei, den Betrieb als soziales Problem- und Interventionsfeld zu etablieren. Vielmehr als das Projekt von Expertengruppen und Akteurskonstellationen ist Ordnungsdenken und Social Engineering ein Netz topischer Verdichtungen, sich überlagernder und überkreuzender Diskurse. Dennoch etablierte sich eine charakteristische Sprecherposition – als ebenso abstrakter wie konkreter Ort, von dem aus Ordnungsdenken und Social Engineering wirkt. Es ist die Position eines eigentümlichen Dazwischen; eine Position, in der sich konkrete Betätigungsfelder für Experten mit einer postulierten gesamtgesellschaftlichen Krisenlösungskompetenz verbanden. Beschwörungen der Praxis und Anwendungspostulate finden sich immer wieder, ebenso die Etablierung einer ganz eigentümlichen Hierarchie des Wissens. Ordnungsdenken und Social Engineering übersetzt praktische Probleme wie zum Bespiel den Standort einzelner Maschinen oder die Koordination einzelner Handgriffe und Arbeitsschritte in Probleme sozialer Ordnung. Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering ist in übertragenem Sinn das, was Helmut Schelsky von der Betriebssoziologie forderte: eine »Wissenschaft des optimalen Kompromisses« im Dienst einer »ständigen Versachlichung der Betriebsproblematik«.3

2 | Bauman, Moderne [1991], S. 28. 3 | Schelsky, Aufgaben [1954], S. 37.

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Als soziales Interaktionsfeld, als kulturell imaginierte Gemeinschaft, als kommunikative und Wissensordnung ist der Industriebetrieb kein a-historisches Gebilde mit vorgegebenen Merkmalen, sondern Effekt historisch spezifischer Problematisierungsweisen. Der Betrieb ist weder vollständig durch funktionale Erfordernisse determiniert, noch vollends geschlossen. Vielmehr sind seine Grenzen durchlässig und gestalten sich je nach Referenzsystem und Betrachtungsebene anders.4 Einem Hinweis Thomas Welskopps folgend, wonach das Unternehmen »als kooperatives wie konfrontatives Praxis- oder Handlungsfeld« nicht ohne Sinnbezüge denkbar ist, »Kultur« mithin nicht habe, sondern sei,5 ging es auch in der vorangegangenen Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings um eine analytische Verbindung von Außen- und Innenperspektive. Das bedeutete im Detail, nach jenen Versuchen zu fragen, denen an der Übersetzung beider Perspektiven ineinander gelegen war, die daran interessiert waren, individuelle und lokale Arbeitsverhältnisse im Zusammenhang umfassender gesellschaftlicher Ordnung zu verstehen und zu bearbeiten. Der Industriebetrieb erweist sich aus gesellschaftsgeschichtlicher Perspektive nicht nur als Ensemble vielfältiger sozialer Praktiken, sondern vor allem als Effekt heterogener Diskurse. Die analytische Herausforderung bestand und besteht daher darin, das »making of« des Betriebs sichtbar zu machen. Hier wird Ordnungsdenken und Social Engineering als Problematisierungsmodus bedeutsam, der in seiner industriebetrieblichen Variante dazu beitrug, den Industriebetrieb zu einer explizit sozialen Institution zu machen, in der sich soziale Probleme aller Art materialisierten. Der Industriebetrieb, wie ihn Ordnungsdenken und Social Engineering beschreibt, ist einerseits ein geordnetes Sozialgefüge, das es gegen innere und äußere Gefahren zu stabilisieren gilt. Dieses Sozialgebilde wurde andererseits effektiv als Aktivposten bei der Ordnung des Sozialen zu positionieren versucht. Ordnungsdenken und Social Engineering macht den Betrieb zu einer sozialen Tatsache und politischen Herausforderung. Durch die Rekonfiguration diffuser Wissensbestände ließen sich Ordnungsvorstellungen aus produktionstechnischen und -organisatorischen Kontexten sozial-räumlich erweitern. Durch die Kopplung von Architektur, Produktion und Sozialbeziehungen im Betrieb sowie diagnostizierter Entwicklungen und Probleme der Gesamtgesellschaft verschmolzen betriebliche Abläufe zu einer physischen und sozialen Umwelt oder bekamen zumindest eine andere Bedeutung. 4 | Vgl. Lipartito/Sicilia, Constructing [2004]; Marchand, Boundaries [1997]; Welskopp, Betrieb [1996]. 5 | Welskopp, Unternehmenskulturen [2004], S. 272f. Zur dieser Perspektive inhärenten Kritik am funktionalistischen, instrumentellen, holistischen und harmonistischen Bias des Kulturbegriffs der betriebswirtschaftlichen Unternehmenskulturforschung vgl. auch Brinkmann, Unternehmenskultur; Lipartito, Culture [1995]; Misa, Sociology [1996].

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Industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering ist konstitutiver Bestandteil der modernen Industriegesellschaft, vielleicht sogar eines ihrer wichtigen Formationsprinzipien. Jenseits einer bestimmten Wirtschafts- und Sozialstruktur ist die Industriegesellschaft eine diskursive Formation. Erstere ist in einer Vielzahl historischer, ökonomischer und soziologischer Analysen im Detail rekonstruiert worden. Als diskursive Formation ist die Industriegesellschaft dagegen nur wenig beachtet worden. Die vorangegangene Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings sollte ein Stück in diese Richtung gehen. Eine weitergehende Analyse der Industriegesellschaft als einer diskursiven Formation würde methodisch – mit Michel Foucault – bedeuten, nach der Einheit und spezifischen Gruppierung verstreuter Aussagen zu fragen. Genauer: nach dem Spiel der Regeln, das das Erscheinen und Funktionieren verschiedener Objekte, Äußerungsmodi, Begriffe und Themen ermöglicht und deren Verteilung regelt.6 Es ging mir darum, Ordnungsdenken und Social Engineering in diesem Sinn als Bestandteil einer diskursiven Formation herauszuarbeiten, die ›Moderne‹ und ›Industriearbeit‹ in spezifischer Weise in Beziehung zueinander setzt. In der Diktion Niklas Luhmanns geht es um das Verhältnis von Gesellschaftsstruktur und Semantik.7 Es geht darum, die Bedeutung von Selbstbeschreibungen für die Konstitution und das Funktionieren von Gesellschaft zu analysieren. Luhmanns Umgang mit diesem Problem, das hat Urs Stäheli überzeugend herausgearbeitet,8 weist jedoch sowohl in der Unterscheidung von Gesellschaftsstruktur und Semantik als auch der Theoretisierung des Semantikbegriffs einige Schwierigkeiten auf. Luhmann interessiert sich vor allem für die beschränkenden Effekte der Gesellschaftsstruktur, für den »Ausdruckswert« von Semantik, für ihre auf die Gesellschaftsstruktur bezogenen Visibilisierungsleistungen, bedient sich also einer mehr oder weniger dokumentarischen Methode. Semantik gerät dabei lediglich als vollzogene oder ausgebliebene, in jedem Fall aber linear nachträgliche Anpassung an gesellschaftsstrukturelle Transformationen in den Blick. »Gerade hier würde […] eine dekonstruktive Lektüre ansetzen: Anstelle einer ideologiekritisch anmutenden Konfrontation einer realitätsuntüchtigen Semantik mit der Realität von Entscheidungen interessierte diese sich für die paradoxe Verschränkung von Performativa und Konstativa in je spezifischen Ereignissen.«9 Dass Gesellschaftsstruktur und Semantik unterschieden würden, sei selbst Effekt semantischer Operationen, könne also nicht vorausgesetzt werden. Diese Unterscheidung ermögliche es Systemen, »von den ›realen‹ Problemen zu sprechen und entsprechende Entparadoxierungsstrategien zu entwerfen. Die Unterscheidung erzeugt so einen sozialstrukturellen Realitätseffekt, der es gleichzeitig erlaubt, be6 | Vgl. Foucault, Archäologie [1969], S. 48-60. 7 | Konzeptionell: Luhmann, Struktur [1980]. 8 | Vgl. Stäheli, Sinnzusammenbrüche [2000], S. 184-223. 9 | Ebd., S. 213.

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stimmte weniger ›reale‹ Bereiche der Semantik als Experimentierfelder abzugrenzen.«10 Mit Blick auf die Analyse von Ordnungsdenken und Social Engineering ist das kein ausschließlich theoretisches Problem, sondern beschreibt ziemlich präzise dessen Funktionsweise. Diskurse und Praktiken sind empirisch nicht zu trennen. Wenn Diskurse Gegenstände hervorbringen und Handlungsfelder formatieren  –  wo sollte dann eine Unterscheidung von zum Beispiel Ordnungsdenken und Ordnungspraktiken ansetzen? Wo sollte eine Grenze zwischen der wirtschafts- und sozialstrukturellen Dimension der Industriegesellschaft und ihrer Problematisierung gezogen werden? Die Geschichte der Industriegesellschaft wird nun freilich bereits seit einiger Zeit von ihrem Ende her erzählt. In dem, was vor einigen Jahren als postindustrielle Gesellschaft11 ins Spiel gebracht wurde, verflüchtigte sich industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering. Die sozial-räumliche Problematisierung war ebenso Ausdruck wie Garant einer bestimmten Gesellschaftsordnung. Sie löste sich auf, als es zu einer umfassenden Rekonfiguration des Sozialen und damit einer Neuvermessung des Verhältnisses industrieller Beziehungen und sozialer Ordnung kam. Das Ende industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings lässt sich freilich nicht als Bruch oder in einer strikt chronologischen und kausalen Weise erzählen. Einzelne Elemente wirkten noch einige Zeit fort, sie schrieben sich allerdings in neue Kontexte ein, bildeten neue Allianzen und veränderten sich dadurch allmählich. Der Bauplan löste sich auf, ohne dass deshalb alle Bausteine verschwanden. Ordnungsdenken und Social Engineering ragte weit in die fünfziger Jahre hinein und verschwand endgültig mit dem gesellschaftlichen Strukturbruch, der sich seit den siebziger Jahren ankündigte. Die bis dahin maßgeblichen politökonomischen Normen und kulturellen Orientierungsmuster verloren ihre Prägekraft und Ordnungskompetenz. Das Ordnungsmodell, das sich nun auflöste, ruhte auf einem keynesianischen Grundkonsens, war geprägt durch ein fordistisches Produktionsmodell, setzte auf Gesellschaftssteuerung durch expertengestützte Planung und dergleichen. Ordnungsdenken und Social Engineering war nicht identisch mit diesem Ordnungsmodell, beide wiesen aber Überlappungen auf und teilten eine Reihe von Voraussetzungen. Diese verschwanden mit der Etablierung und breiten Verankerung eines neuen, neoliberalen Ordnungsmodells.12 Der Thatcherismus – um nur dieses Beispiel zu wählen – drängte systematisch die Vorstellung zurück, dass es überhaupt so etwas wie eine zu ordnende Gesellschaft gab, und ohne eine solche Vorstellung fand Ordnungsdenken und Social Engineering kaum noch einen Anker, um den 10 | Ebd., S. 221. 11 | Zu den Implikationen dieser Diagnose sozialen Wandels vgl. DoeringManteuffel/Raphael, Boom [2008], S. 61-66.

12 | Vgl. ebd., S. 15-29, 45-52.

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Betrieb und andere Bereiche effektiv als soziale Problem- und Interventionsfelder zu stabilisieren.13 Damit ist dann das Ende einer Entwicklung markiert. Ordnungsdenken und Social Engineering hatten innerhalb des neuen Settings keinen Ort mehr. Im Rückblick treten deutlich die Konturen der Welt von Ordnungsdenken und Social Engineering hervor, und es lassen sich Einfallstore neuer Entwicklungen identifizieren. Der soeben grob angedeutete Transformationsprozess vollzog sich in einer Vielzahl von Bereichen, die für industriebetriebliches Ordnungsdenken und Social Engineering bedeutsam waren, in analoger Weise. Die Gesamtheit der Veränderungen der Produktionsorganisation und -technik, die Rekonfiguration des Sozialen samt der Bedeutung von Soziologie und Sozialpolitik, die Wandlungen gemeinschafts- und gruppenzentrierten Denkens und dergleichen bedeuteten eine Erosion der Grundlagen von Ordnungsdenken und Social Engineering. Das gilt es abschließend noch einmal zu präzisieren. Die einzelnen Entwicklungen lassen sich mit Blick auf das Ende von Ordnungsdenken und Social Engineering auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Die Räume industrieller Produktion entkoppeln sich von ihrer gewohnten sozialen Funktion und Bedeutung. Die sozial-räumliche Ordnung des Zeitalters des Industrialismus löst sich auf, weil und indem es zu einer Entkopplung von industriellen Produktionsräumen und sozialer Praxis kommt. Der Begriff der Umwelt wird entsozialisiert, das heißt zugleich individualisiert und naturalisiert. Begleitet wird das von einer neuen Form der Subjektivierung, die den Einzelnen nicht mehr über seine Stellung in einer fest gefügten Sozialordnung definiert, sondern als Produkt eines individuell-flexiblen Lebenslaufs. Unter produktionsorganisatorischen und -technischen Gesichtspunkten lässt sich das Zeitalter von Ordnungsdenken und Social Engineering mit Stichworten wie Fordismus oder »mass and flow production« beschreiben und begrenzen. Das Modell fordistisch-industrieller Massenproduktion blieb als soziales, ökonomisches, technisches und organisatorisches Arrangement außerordentlich stabil und anpassungsfähig – mindestens bis in die sechziger Jahre hinein.14 Auch wenn das wesentliche Merkmal der Geschichte des modernen Industriekapitalismus in der Fragilität und wechselseitigen Durchdringung verschiedener Formen der Produktion, im vorsichtigen und immer wieder neuen Abwägen der Vor- und Nachteile, Möglichkeiten und Grenzen von Massenproduktion und flexibler Spezialisierung besteht,15 so muss für Ordnungsdenken und Social Engineering doch eine Präferenz festgehalten werden: Die Problematisierung des Industriebetriebs verwies diesen eindeutig in den Kontext der fordi13 | Zur neoliberalen und thatcheristischen Problematisierung industrieller Beziehungen und Konflikte, die sich signifikant von der sozialen Problematisierung durch Ordnungsdenken und Social Engineering unterschied, vgl. Claydon, Tales [2001]; Hay, Narrating [1996]; Ders., Rethinking [1995]. 14 | Vgl. Meyer, Persistence [1989]. 15 | Vgl. Sabel/Zeitlin, World [1997].

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stischen Massenproduktion. Diese war es, die als Herausforderung wahrund angenommen wurde. Die sechziger und vor allem die siebziger Jahre sind dann jedoch gekennzeichnet durch die Herausforderung flexibler Massenproduktion, durch Postfordismus und »lean production«. Das bedeutete auch und gerade in der Automobilindustrie eine wesentliche Umstrukturierung der Produktionsorganisation sowie der betrieblichen Arbeits- und Sozialbeziehungen.16 Die skizzierten Entwicklungen sind Ausdruck einer umfangreichen – mit Schlagworten die Flexibilisierung und Individualisierung zu fassenden  –  Rekonfiguration des Sozialen. In der entwickelten Lohnarbeitsgesellschaft wirkten Verschiebungen innerhalb der industriellen Produktion über Betrieb und Unternehmen hinaus. Die Lohnarbeitsgesellschaft in ihrer fordistischen Prägung ruhte auf einer klaren und stabilen Trennung zwischen denen, die tatsächlich und regelmäßig arbeiten und den Nichterwerbstätigen; auf einer Bindung des Arbeiters an seinen Arbeitsplatz und einer steten Rationalisierung des Arbeitsprozesses, auf einer durch den Lohn ermöglichten Form der Teilhabe an »neuen Konsumnormen«, auf einer Teilhabe an Sozialeigentum und öffentlichen Dienstleistungen; schließlich auf einer Verankerung im Arbeitsrecht, die die Arbeiter als Teil eines Kollektivs anerkennt – mit einem sozialen Status jenseits des rein individuellen Arbeitsvertrags. Mit der Infragestellung der zentralen Rolle der Arbeit, gängiger Fortschrittsmodelle, der Idee des planenden und steuernden Sozialstaats bildeten sich neue Arbeitsformen und Formen sozialen Zusammenlebens heraus. Die »neue soziale Frage« (R. Castel) ist durch eine Bedeutungszunahme individueller Verantwortung gegenüber staatlich-bürokratischen Instanzen geprägt, deren Voraussetzung und Begleiterscheinung der Verlust der Identität durch Arbeit und komplementär dazu: der sozialen Integration sind.17 Es kam, so Castel, zu einer »Art Deinstitutionalisierung im Sinne einer Loslösung von den objektiven Rahmen, die das Leben der Subjekte strukturieren«. Damit löste sich eine soziale Formation auf, deren »fundamentale Errungenschaft« darin bestand, »ein Kontinuum von sozialen Stellungen zu schaffen, die nicht gleich, aber vergleichbar, also miteinander kompatibel und voneinander abhängig sind.«18 Die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen untergrub die integrative Funktion von Unternehmen im Sinn einer Strukturierung und Stabilisierung hierarchisch angeordneter,

16 | Vgl. Altshuler u.a., Future [1984]; Boyer/Freyssenet, Produktionsmodelle [2003]; Dankbaar u.a., Zukunft [1988]; Jürgens u.a., Zeiten [1989]; Lazonick, Advantage [1990], S. 270-298; Shiomi/Wada, Fordism [1995]; Tolliday/Zeitlin, Fordism [1992]; Womack u.a., Revolution [1991]. Zur konzeptionellen Debatte um ›neue‹ Produktionsmodelle vgl. Gahan, Forward [1991]. 17 | Vgl. Castel, Metamorphosen [2000], S. 286-297, 336-400. 18 | Ebd., S. 407f.

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voneinander abhängiger Gruppen und Gliederungen.19 Gerade letzteres war aber Kern industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings. Stabile, in sich integrierte und untereinander hierarchisch angeordnete Gemeinschaften und Gruppen galten diesem als Inbegriff betriebs-sozialer und gesellschaftlicher Ordnung. Die Flexibilisierer erblicken darin nunmehr nur noch Stillstand, Trägheit, Enge, mangelnde Innovationsfähigkeit – aber auch einen Mangel an individueller Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten im Arbeitsleben und darüber hinaus. Ordnungsdenken und Social Engineering realisierte sich in der Privilegierung bestimmter Figuren sozialer Ordnung wie Gruppe oder Gemeinschaft. Der Rekurs auf diese Figuren ist nun freilich kaum auf Ordnungsdenken und Social Engineering zu begrenzen  –  weder inhaltlich noch zeitlich. Das vergemeinschaftende Denken durchlief in den sechziger und siebziger Jahren einige Veränderungen, die es in Distanz zu seiner klassischen Variante brachten.20 Innerhalb der Problematisierung industriebetrieblicher Arbeits- und Sozialverhältnisse dominierten gemeinschaftliche Konzepte bis in die sechziger Jahre. Betriebszentriertes, sozialharmonisches Denken wirkte in den verschiedenen Partnerschaftsmodellen in unterschiedlichen Kombinationen fort. Ein Wandel in den betrieblichen Ordnungsvorstellungen und Kommunikationsstrukturen in Richtung Demokratisierung, eine »konsensliberale« Reinterpretation des Partnerschaftskonzepts fand endgültig erst in den siebziger Jahren statt. Versatzstücke vergemeinschaftender Personalpolitik finden sich zwar auch später noch, zum Beispiel im Konzept der Unternehmenskultur, lassen sich aber kaum mehr mit dem klassischen Betriebs- und Werksgemeinschaftsdiskurs identifizieren.21 Es kam, so formuliert es Roth Rosenberger, zu einem »Wandel vom kollektiven Sozialen zum individualisierenden Personalen«.22 Die Entwicklungen, in deren Verlauf wichtige Grundlagen und Bezugspunkte industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings verschwanden, zeigten sich auch hinsichtlich der Rolle, die Gruppen und Gruppenarbeit spielten. Zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren wurde Gruppierung immer wieder als konkrete Form der Ordnung in Stellung gebracht. Der Schwerpunkt lag auf den integrativen und verbindenden Effekten der Gruppierung, auf der Einordnung des Einzelnen. Diskussionen um Gruppenarbeit erlebten seit den siebziger Jahren (und bis heute anhaltend) eine Renaissance, die jedoch zugleich eine wesentliche Verschiebung markiert. Gruppenarbeit wurde nun innerhalb einer Restrukturierung der Fließbandarbeit diskutiert. Entlang 19 | Ebd., S. 351-355. 20 | Vgl. Dworog/Mende, Residuen [2009]. 21 | Vgl. Krell, Personalpolitik [1995], S. 248-281; Rosenberger, Experten [2008], S. 371-420; Saldern, Modell [2009]; Spurk, Modernisierung [1988]; Ders., Volksgemeinschaft [1988]. 22 | Rosenberger, Experten [2008], S. 381.

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des Fließbands wurden nun vermehrt unterschiedliche Arbeitsbereiche eingerichtet, die in die Verantwortung verschiedener Arbeitsgruppen gelegt wurden. Damit wurde die Praxis strikter Zerlegung und Platzierung einzelner Arbeiter an klar definierten Arbeitsplätzen ein Stück weit aufgebrochen. Zugleich etablierten sich eine neue Zeitökonomie und neue Formen der Kontrolle. Nicht mehr die exakte Überwachung und Festlegung jedes einzelnen Handgriffs und jeder Bewegung jedes einzelnen Arbeiters, sondern die Performance quasi autonomer Gruppen galt es zu strukturieren.23 Es wird nicht länger versucht, hinter der Fließbandordnung Gruppenbindungen aufzudecken, um so zu einer Neubewertung fordistischer Massenproduktion zu kommen, sondern Gruppenarbeit erlangt Bedeutung innerhalb der neuerlichen Diskussionen um eine »Humanisierung des Arbeitslebens« und vor allem als Konsequenz und Ausweg aus Kritik und Krise tayloristischer Strukturen.24 Gruppenarbeit wird an einen erhofften Zuwachs an Autonomie gekoppelt. Den Gruppen sollte, wie zum Beispiel im Rahmen eines Pilotprojekts bei Volkswagen, »für ihre eigene Arbeitsorganisation und Arbeitsteilung ein hohes Maß an Flexibilität möglich« gemacht werden.25 Im Rahmen des groß angelegten, von der Bundesregierung vorangetriebenen und geförderten Programms »Humanisierung des Arbeitslebens« (seit 1974) ging es darum, mit der »Entwicklung alternativer Arbeitsstrukturen« auch die »Persönlichkeitsentwicklung durch Qualifizierung und Selbstregulation« voranzutreiben.26 In den neunziger Jahren wurde die Gruppenarbeit erneut diskutiert. Sie galt als »ein organisatorisches Konzept zur Verbesserung von Effizienz und Effektivität. Außerdem versprach Gruppenarbeit qualifikations- und persönlichkeitsfördernde Arbeitsformen. Mit Gruppenarbeit verbanden sich Erwartungen auf Leistungssteigerung und Kostensenkung, höhere Flexibilität und effektivere Kommunikation, Steigerung von Qualität und Verkürzung von Durchlaufzeiten. Man spricht von der ›Abflachung der Hierarchie‹ und meint, daß Gruppenarbeit dauerhaft ein innovationsfreundliches Klima im Betrieb erzeuge.«27 Gruppenarbeit erschöpfe sich nicht mehr in bestimmten Formen der Produktionsorganisation, sondern erweise sich als spezifische Form der Sozialorganisation. Sie fokussiere Selbstregulation, den Abbau »hierarchischer Steue23 | Vgl. Coriot, Restructuring [1980]. 24 | Vgl. zum Beispiel Granel, Gruppenarbeit [1980]; Ramge, Gruppenarbeitskonzepte [1993]. Das Programm »Humanisierung des Arbeitslebens« wurde 1974 von der Bundesregierung aufgelegt und lief bis 1989. Es wurde wesentlich von Hans Matthöfer, dem damaligen Minister für Forschung und Technologie, vorangetrieben (vgl. Abelshauser, Wirtschaftswunder [2009], S. 288-297). 25 | Granel, Gruppenarbeit [1980], S. 27. 26 | Ulich, Bericht [1980], S. 101. 27 | Binkelmann u.a., Entwicklung [1993], S. 11.

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rungs- und Kontrollinstanzen«, neue Formen und eine neue Qualität von Kooperation, schließlich neue Formen qualifikatorischer Integration und Partizipation.28 Opel setzte in den neunziger Jahren ebenfalls wieder auf Gruppenarbeit. Semantischer Referenzpunkt war nun aber »teamwork« und dieser Referenzpunkt evozierte Vorstellungen von Flexibilität, Eigenverantwortlichkeit, Transparenz, Kreativität, Kommunikation. Der Referenzrahmen hatte sich inzwischen eindeutig in Richtung postmoderner »Technologien des Selbst« (M. Foucault) verschoben. Gruppenarbeit, so hieß es nun, ziele auf »Innovation, Transparenz, Gemeinsinn und Initiative. Um dies möglich zu machen, werde von einem Mitarbeiter Eigenverantwortung, Subsidiarität, Identifikation und Kommunikation verlangt. […] In der Gruppenarbeit werde dann nicht mehr der harte Kommandoton gebraucht, sondern ein Gemeinschaftsgefühl stehe an erster Stelle.«29 Diese Bestimmung stammt von Klaus Franz, dem Opel-Betriebsratsvorsitzenden. Darin zeigt sich, wie stark sich klassisch-gewerkschaftliche Emanzipationsdiskurse und ein neues, neoliberales Aktivierungsdenken überlagern konnten. »Selbstverständlich«, so äußerte sich Opel-Vorstandsmitglied Peter Enderle 1993, »ist Gruppenarbeit auch ein Schlüssel zu lean production und damit zu höherer Produktivität, die wir erreichen müssen, wenn wir künftig überhaupt noch Arbeit haben wollen. Aber natürlich profitieren auch – oder gerade – unsere Mitarbeiter von dem neuen Opel-Produktionssystem. Mehr Eigenverantwortung, mehr Mitsprachemöglichkeiten, komplexere Arbeitsinhalte, ein verbesserter Arbeitsplatz, mehr Teamgeist – all dies nützt doch jedem Mitarbeiter. Und über dieses verbesserte Umfeld ergibt sich auch eine Produktivitätssteigerung.«30 Flexibilisierung, Individualisierung, die Betonung von Eigenverantwortung und dergleichen deuten darauf hin, dass sich die Disziplinargesellschaft mit ihren Grenzen konfrontiert sah.31 Feststellende, platzierende und verortende (An-)Ordnungspraktiken erwiesen sich inzwischen als problematisch, setzten sie doch entweder stete Ermahnung und Überwachung voraus oder hingen von Einsicht und Mitwirken der Beteiligten ab. Die für Ordnungsdenken und Social Engineering typische disziplinierende (An-)Ordnung von Subjekten im Raum machte anderen Formen der Subjektivierung Platz. Die Beziehungen zwischen Arbeit, Vergesellschaftung und Persönlichkeitsentwicklung veränderten sich und es bildete sich ein neuer Sozialtypus heraus, für den das Bedürfnis kennzeichnend ist, seine Subjektivität in die Arbeit einzubringen, als ganze Person und nicht nur als ›Rollenspieler‹ behandelt zu werden.32 Der »neue Geist des Kapitalismus«, den Luc Boltanski und Ève Chiapello unlängst voluminös 28 | So jedenfalls Seltz, Gruppenarbeit [1993]. 29 | Anonym, Gemeinsinn [1991]. 30 | Enderle, Gruppenarbeit [1993], S. 162. 31 | Zur Erosion der Disziplinargesellschaft vgl. Deleuze, Postskriptum [1993]. 32 | Vgl. Baethge, Arbeit [1991].

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rekonstruiert haben,33 rekurriert eben nicht nur auf Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Projektorientierung (in) der Produktion, sondern ebenso auf entsprechende Subjektivierungsformen. Ulrich Bröckling spricht in diesem Zusammenhang von der Herausbildung des unternehmerischen Selbst. Das postmoderne Subjekt wird zum »unternehmerischen Kreativsubjekt« (A. Reckwitz), eingespannt in postbürokratische Arbeitspraktiken.34 An dieser Stelle konnten nur einige grobe Entwicklungen angedeutet werden. Dabei sollte deutlich geworden sein, wie Ordnungsdenken und Social Engineering zunehmend in den Hintergrund geblendet wurde, indem einzelne Elemente aus der Formation herausgebrochen und neu konfiguriert wurden. Eine Analyse von Ordnungsdenken und Social Engineering kann perspektivisch also auch dazu beitragen, die nachfolgenden Modi der Problematisierung moderner Gesellschaften zu konturieren. Die Dimensionen des Strukturbruchs der siebziger Jahre und damit die Frage, wie die Grundlagen der gegenwärtigen Gesellschaftsformation sich herausbildeten, können hier gewissermaßen von ihrem Ausgangspunkt und ihren Voraussetzungen her beleuchtet werden. Der vorangegangenen Analyse industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und Social Engineerings ging es also durchaus um eine Geschichte der Gegenwart im Foucault’schen Sinn.35 Es ging darum, die Bedingungen und Grenzen eines Problematisierungsmodus herauszuarbeiten, der einer abgeschlossenen historischen Epoche angehört, zugleich aber die Verfügungsmasse eines neuen Modus abgibt. Ordnungsdenken und Social Engineering verweist auf ein strukturiertes und fest gefügtes Soziales, das sich markant von seit geraumer Zeit diskutierten und kritisierten – als neoliberal oder jüngst als neosozial gekennzeichneten  –  Entwicklungen unterscheidet. Aus kritischer Perspektive hat Stephan Lessenich beobachtet, dass in unterschiedlichen Bereichen ein Umbau des Sozialen zu verzeichnen sei, in dessen Folge private und öffentliche Verantwortlichkeiten neu justiert, Bürgerrechte und Bürgerpflichten umgedeutet sowie Leistungs- und Produktivitätserwartungen umformuliert würden. Als sozial gelte neuerdings das eigenverantwortliche, pro-aktive, selbstsorgende Agieren des Einzelnen für die und im Dienste der Gesellschaft.36 Gerade aus der Perspektive 33 | Vgl. Boltanski/Chiapello, Geist [1999]. 34 | Vgl. Bröckling, Selbst [2007]; Reckwitz, Subjekt [2006]; sowie Veith, Selbstverständnis [2001].

35 | Vgl. Roth, Foucault [1981]. 36 | Vgl. Lessenich, Neuerfindung [2008]. »Neoliberal« und »neosozial« müssen freilich kein Gegensatz sein. Eine strikte Gegenüberstellung lässt sich schon dadurch unterlaufen, dass ein historischer Liberalismusbegriff, oder besser: Liberalismus als historische politische Rationalität in die Analyse einbezogen, Liberalismus also nicht primär normativ als Rückzug des Staats und Stärkung individueller Autonomie verstanden wird.

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einer kritischen Gesellschaftswissenschaft könnte es naheliegen, für eine neuerliche Stärkung des Sozialen jenseits individualisierender Vergesellschaftungsformen zu plädieren. Jede Idee einer Wiederbelebung der sozialen Vergesellschaftung oder Individualisierung mit sozialem Antlitz erscheint vor den Hintergrund der vorangegangenen Analyse von Ordnungsdenken und Social Engineering jedoch fragwürdig, denn es zeigte sich nicht zuletzt, dass die soziale Problematisierung verschiedener Phänomene mit der Idee fest gefügter, starrer und hierarchischer Einheiten verbunden ist, in denen alles und jeder lediglich als anzuordnendes und verortendes ›Problem‹ in den Blick gerät.

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VIII. Verzeichnisse

1. A BKÜRZUNGEN AfS AfSS AHR ASR BEH BH BHR BJIR BJS BRZ DMG DWZ GG HR HSIR HZ IWK JCH JEH JIR JMEH KZfSS MRC SO SozW StAR UT VfZ VSWG

Archiv für Sozialgeschichte Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik American Historical Review American Sociological Review Business and Economic History Business History Business History Review British Journal of Industrial Relations British Journal of Sociology Betriebsräte-Zeitschrift für die Funktionäre der Metallindustrie Daimler Motoren-Gesellschaft Daimler Werkzeitung Geschichte und Gesellschaft Human Relations Historical Studies in Industrial Relations Historische Zeitschrift Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Journal of Contemporary History Journal of Economic History Journal of Industrial Relations Journal of Modern European History Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Modern Records Center, University of Warwick Sammlung Opel, Stadtarchiv Rüsselsheim Soziale Welt Stadtarchiv Rüsselsheim Untertürkheim Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

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2. A BBILDUNGEN Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4-5 Abb. 6

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3. A RCHIVE Daimler Werksarchiv, Stuttgart-Untertürkheim: Bestand DMG 36, 84, 86, 87 Bestand Haspel II 1.1 Bestand Kissel 13.1, 13.2 Bestand Könecke 12 Bestand Müller 6.27, 6.3, 6.4, 6.7, 6.9 Bestand Werk UT 82, 101

V ERZEICHNISSE

Modern Records Center, University of Warwick: Bestand MSS. 97/4/2/1-12 Bestand MSS. 126/TG/457/1/1 Bestand MSS. 126/VB/3/1/1 Bestand MSS. 126/VB/4/1 Bestand MSS. 202/CP/64 Bestand MSS. 226/AU 1.11.ii Bestand MSS. 226/RO 1.17 Bestand MSS. 303/AP/A Bestand MSS. 303/AP/B Bestand MSS. 303/AP/D Bestand MSS. 303/AP/H Bestand MSS. 309/U/5/1/3 Bestand MSS. 309/U/5/1/6 Stadtarchiv Rüsselsheim: Bestand Sammlung Opel

4. Q UELLEN UND L ITER ATUR Abelshauser, Werner: Nach dem Wirtschaftswunder. Der Gewerkschafter, Politiker und Unternehmer Hans Matthöfer, Bonn 2009. Abraham, Karl: Der Betrieb als Erziehungsfaktor, Freiburg 1957. Ackermann, Kurt (Hg.): Industriebau, Stuttgart 1985. Ackers, Peter: Back to Basics. Industrial Relations and the Enterprise Culture, in: Employee Relations 16, 1994, H. 8, S. 32-47. Ackers, Peter/Wilkinson, Adrian: British Industrial Relations Paradigm. A Critical Outline History and Prognosis, in: JIR 47, 2005, S. 443-456. Adams, Tony: Market and Institutional Forces in Industrial Relations. The Development of National Collective Bargaining, 1910-1920, in: EcHR 50, 1997, S. 506-530. Adas, Michael: Machines as the Measure of Men. Science, Technology, and Ideologies of Western Dominance, Ithaca/NY u. London 1989. Adeney, Martin: The Motor Makers. The Turbulent History of Britain’s Car Industry, London 1989. Adeney, Martin: Nuffield. A Biography, London 1993. Agamben, Giorgio: Ausnahmenzustand (Homo sacer II.1), Frankfurt a.M. 2004. Albrecht, Gerhard: Arbeitsgemeinschaft, Betriebsgemeinschaft, Werksgemeinschaft, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 128, 1928, S. 530-562. Albrecht, Gerhard: Betriebssoziologie und soziale Betriebspolitik, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 141, 1935, S. 737-744.

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Betriebspolitik, s. Sozialpolitik Betriebsräte 127, 164, 165 Betriebssoziologie 21-3, 44, 46, 56, 86, 89-91, 93-5, 114, 117, 125, 176, 179, 188, 189, 193, 205, 239, 242, 269 Betriebsverfassung 10 Briefs, Goetz 15, 82, 85, 96, 189 Brown, Wilfred 213-6, 261, 263 Cadbury 68, 69 Chicago School 51, 52 Cole, G.D.H. 148, 149 Coventry 58, 59, 203 Cowley 57, 59 Daimler 9, 10, 12-5, 17-9, 21, 25, 27, 28, 46, 60, 73, 96, 128-33, 173, 177, 236, 237 Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung 151 Diebold, John 211 Drucker, Peter F. 102, 178, 179 Dunkmann, Karl 159, 160, 161, 180-2, 189 Ehrenberg, Richard 162, 163 Eliasberg, Wladimir 145, 146 Engelbach, Charles 113, 186, 187, 231 Erdmann, Lothar 163, 164, 167 Fabrikarchitektur 55, 67, 69. 79, 80, 106-10, 112, 115, 228, 256, 267, 270 Fabrikordnung, s. Betriebsverfassung Feder, Gottfried 69, 70, 82-7

V ERZEICHNISSE

Feed-back 25, 208, 211, 215, 216 Fischer, Guido 103, 153 Fließband 112, 113, 143, 184, 186, 187, 195-201, 204-6, 209, 211, 219-27, 229, 230, 233, 234, 237, 252, 254, 267, 275, 276 Ford 68, 72, 73, 109, 110, 112, 199, 228 Fragmentierung 12, 20, 55, 117, 135, 181, 185, 186, 265 Freyer, Hans 22 Friedeburg, Ludwig von 101, 122 Geck, Ludwig Heinrich Adolph 21, 65, 90, 95, 96, 151 Gehlen, Arnold 154, 155, 217, 218 Geiger, Theodor 97, 98, 115, 116, 160, 179-82 General Motors 57, 198 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 170-6 Gesundheit 26, 37, 58, 77, 78, 120, 126, 127, 175 Gewerkschaften 10-4, 23, 46, 58, 59, 92, 96, 98, 141, 149, 161, 162, 167-9, 174, 177, 203-5, 226, 227, 234, 243, 269, 277 Glacier Metal Works 192, 213, 261 Gruppenarbeit 9, 14, 18-20, 27-9, 86, 179, 184-6, 206, 252, 254, 275-7 Hauser, Heinrich 60, 61, 210, 231, 232, 242, 246, 247, Hawthorne 114, 115, 147, 148, 188, 190, 191 Hellpach, Willy 13, 19-29, 81, 85, 185, 188, 189, 241, 242, 251, 254 Hofstätter, Peter R. 182 Human Relations 140, 141, 147-9, 152, 153, 155, 190, 193 Humanisierung 28, 141, 147, 149, 154, 244, 267, 276 Hygiene 58, 99, 116, 118, 119, 121, 124-8, 139, 150

Individualismus 20, 78, 92, 94, 131, 135, 136, 151, 160, 165, 167, 168, 175, 180, 187, 188, 247, 2735, 277, 279 Industrial Relations 90, 91, 191, 193 Industrial Welfare Society 213, 260 Industrialismus 11, 12, 44, 51-5, 63, 67, 71, 106, 124, 135, 195, 205, 266, 273 Industrie(an)siedlungen 54, 56, 58, 59, 61-3, 66-8, 70, 71, 73-80 Industrielle Demokratie 164-6, 275 Industriesoziologie 50, 90, 101, 140, 156, 190, 191, 193, 205, 266 Institut für Betriebssoziologie und soziale Betriebslehre 15, 96, 174 Institut für Sozialforschung 101, 121, 122, 202 Institute of Personnel Management 66 Institute of Welfare Workers 92 Institution of Production Engineers 202, 207 Interessengruppen, Interessenkonflikte 11, 13, 14, 50, 96, 163, 164, 166, 168, 169, 173, 175, 178, 224 Jantke, Carl 100 Jaques, Elliott 192, 213, 261 Jost, Walter 82, 85, 96, 188, 218, 219 Kantine 128-33, 234-7 Kapitalismus 10-2, 16, 33, 56-9, 97, 98, 126, 144, 159, 166, 167, 201, 206, 221, 273, 277 Kelly, Eleonor 92, 148 Klassenkampf 135, 162, 167, 182 Kommunikation 48, 50, 148, 196, 197, 205, 207, 209, 212-8, 227, 263, 275 König, René 91, 93, 103, 159, 188, 189, 193 Kontrolle 19, 48, 50, 67, 113, 139, 183, 184, 191, 197, 198, 205-12, 221, 223, 226, 234, 245, 256, 260

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Körper 37, 76, 124-31, 143, 150, 175 Krise 11, 12, 15, 17, 22, 27, 33, 35, 37, 42, 43, 47, 51, 85, 89, 93, 94, 148, 159, 265, 269 Kybernetik 43, 105, 106, 200, 205, 207, 209, 212, 213, 215, 217, 218, 262, 263 Labor process 206 Lang, Richard 18, 19, 23, 24, 27-9, 113, 252 Lebensraum 20, 21, 29, 51, 54, 70, 81, 82, 116, 117, 241, 266 Lechtape, Heinrich 150, 188 Liberalismus 43, 82, 86, 89, 162, 163, 275 Locke, H.W. 142, 187 Management 49, 64, 140, 144, 148, 149, 178, 179, 191, 205, 207, 212, 213, 215-22, 228, 261, 262, 268 Mansfeld, Werner 170-2 Margate-Konferenz 202, 207, 208 Maschinen 16, 18, 28, 29, 52, 72, 82, 109, 112-5, 125, 135-47, 149, 150, 184, 187, 198, 200-11, 232, 234, 236, 242-9, 267 Mayo, George Elton 114, 147-9, 190 Milieu 54, 55, 63, 66, 106, 115-7, 123 Modellstädte, s. Industrie(an) siedlungen Morris Motors 46, 59, 113, 198 Neoliberalismus 43, 272, 273, 277, 278 Nordhoff, Heinrich 66, 120, 142, 246 Opel 46, 61, 62, 73, 76, 78, 107, 108, 110, 111, 152, 173, 178, 184, 185, 198, 222, 224, 225, 231-3, 259, 260, 277 Organizismus 11, 20, 33, 54, 61, 96, 103, 105, 110, 112, 135, 137, 138, 141-4, 151, 154, 158, 162, 169, 176, 181, 184-6, 217, 229, 249, 254 Paternalismus 12, 49, 54, 56-8, 63, 65, 67, 69, 89, 198

Personalmanagement 22, 40, 44, 49, 53, 64, 90, 147, 153, 177, 187, 188, 218, 247, 266, 275 Pluralismus 89 Pollock, Friedrich 202, 203 Pradel, Dieter 84-7 Proud, Dorothea 71, 187 Psychotechnik 145, 146 Public relations, s. Unternehmenskommunikation Pullman Palace Car Company 67, 69 Rationalisierung 17, 21, 50, 91, 99, 140, 149, 153, 154, 274 Rechenberg, Fritz 85 Reibung, Reibungslosigkeit 154, 176, 196, 213, 216-9, 225, 227, 229, 230, 233, 235, 236, 251, 253, 267 Richardson, J. Henry 65, 93 Riebensahm, Paul 13, 15-7, 19, 25, 96, 146 Rosenstock-Huessy, Eugen 9, 10, 12, 13, 19-25, 81, 85, 188, 189 Rowntree Cocoa Works 68, 142, 187, 217 Rowntree, Benjamin Seebohm 69, 90, 117, 118, 149 Rüsselsheim 57, 61, 62, 110 Salzgitter 70 Schelsky, Helmut 100, 101, 179, 192, 193, 200, 202, 203, 226, 269 Schmitt, Carl 35, 36, 171 Schwenger, Rudolf 96, 97-9 Seinswissenschaft, s. Wirklichkeitswissenschaft Siebert, Wolfgang 171 Sindelfingen 57, 59 Sozialforschungsstelle an der Universität Münster in Dortmund 96 Sozialismus 12, 14, 97, 162, 169

V ERZEICHNISSE

Sozialökologie 12, 29, 39, 44, 51-7, 59, 63, 66, 67, 71, 80, 95, 105, 106, 114, 116-9, 124, 125, 128, 133, 135, 136, 252, 266, 267, 269, 270, 273 Sozialpartnerschaft 177, 178, 275 Sozialpolitik 10, 17, 22, 23, 33, 40, 44-6, 49, 50, 53-7, 59, 65-9, 71, 72, 80, 89-100, 105, 116-8, 126, 147, 149-52, 155, 157, 160, 163, 174-6, 188, 189, 218, 273 Staat 11, 13, 75, 89, 90, 92, 96, 99, 163, 165, 167, 172, 174-6, 181, 182, 274, 278 Stadt des KdF-Wagens, s. Wolfsburg Stinnes-Legien-Abkommen 12, 13 Striemer, Alfred 165 Stuttgart-Untertürkheim 9, 10, 12, 80, 128 Tarifvertrag, Tarifordnung 168, 172 Tavistock Institute of Human Relations 192, 261 Taylorismus 109, 125, 141, 144, 145, 188, 276 Thatcherismus 272, 273 Tönnies, Ferdinand 155, 157-62, 176, 180, 189 Umwelt 12, 51, 52, 54-6, 63-6, 71-3, 80, 88, 94, 95, 105, 106, 114-28, 140, 153, 190, 191, 234, 239, 247, 248, 266, 270, 273 Unternehmenskommunikation 48, 212, 213 Unternehmerverbände 11, 14, 151, 159, 167, 168 Urwick, Lyndall 190, 191 Vierkandt, Alfred 180, 189 Voigt, Fritz 88 Volksgemeinschaft 35, 74, 156, 157, 166, 169, 170, 173 Volkswagen 110, 199, 276 Vorwerck, Karl 161, 166, 168, 181 Webb, Sidney 148 Welfare work, s. Sozialpolitik

Werksgemeinschaft, s. Betriebsgemeinschaft Werkstattaussiedlung 9, 20, 21, 23, 24, 81 Werkstattproduktion 18, 112, 114, 116, 184, 187, 197, 198, 224, 236, 242, 254 Werkswohnungen 54, 58, 63, 6680, 87, 107, 108, 127, 266 Werkszeitungen 9, 12-20, 27-9, 46, 212, 224, 225, 244, 255, 258, 259 Wiese, Leopold von 121 Winschuh, Josef 97, 117, 141, 142, 165, 166, 168, 188 Wirklichkeitswissenschaft 21, 22, Woldt, Richard 96, 117 Wolfsburg 70 Woodward, Joan 156, 208 Woollard, Frank G. 67, 113, 196, 200, 202, 221, 234, 243, 253, 254, 256 Zentral-Arbeitsgemeinschaft der Industriellen und Gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands 163, 164, 168

329

Dank

Die vorliegende Arbeit – eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation – ruht zunächst einmal auf infrastrukturellen Voraussetzungen. Sie ging aus einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt zu »Ordnungsdenken und Social Engineering als Reaktion auf die Moderne« hervor. Der DFG gebührt Dank für die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen, der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, insbesondere dem Institut für Geschichte, für die Beherbergung. Dank gebührt darüber hinaus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtarchivs Rüsselsheim, des Daimler-Werksarchivs, des Modern Records Center der Universität Warwick sowie der Zentralbibliothek der IG Metall in Frankfurt a.M., die es mir ermöglichten, meine Studien zu verschiedenen Aspekten der Arbeit ›reibungslos‹ voranzutreiben. Die rasche Publikation der Arbeit verdankt sich der von vornherein großzügig gewährten Druckkostenübernahme durch die DFG sowie der hervorragenden Arbeit des Verlags. Die intellektuelle Infrastruktur, die vielleicht der wichtigste Bestandteil jeder Wissensproduktion ist, kann ebenfalls klar benannt werden. Einerseits profitiert die vorliegende Arbeit in erheblichem Maß von dem Umstand, dass sie in ein produktives Forschungsumfeld eingebettet war. Viele Analysen und Interpretationen wären ohne die steten Diskussionen, Polemiken und Ermunterungen im Oldenburger Projekt nicht zustande gekommen. Anette Schlimm und David Kuchenbuch danke ich für Kollegialität und Freundschaft über die Jahre der Projektarbeit und darüber hinaus. Sie werden sich und ihre Anregungen und Kritiken – konzeptionell, inhaltlich, sprachlich – wiederfinden. Die gedanklichen Werkzeuge, die bei der vorliegenden Arbeit zum Einsatz kamen, wurden andererseits über viele Jahre in verschiedenen Diskussionskreisen, vor allem dem traditionsreichen Oldenburger Lesekreis, geschärft. Ich danke Arslan Boyaci, Kirsten Darby, Ronald Langner, Andreas Schneider und Dirk Thomaschke für ihre intellektuelle und freundschaftliche Präsenz. Thomas Etzemüller gebührt zunächst einmal Dank dafür, dass er mir die Gelegenheit gegeben hat, in seinem Projekt mitzuarbeiten. Es ist ihm, und davon habe ich samt meiner Arbeit unschätzbar profitiert, in beein-

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druckender Weise gelungen, aus drei Teilprojekten unter einem Projektmantel eine für alle Beteiligten inspirierende und produktive Denkfabrik zu machen. Was ich in den Jahren der Zusammenarbeit gelernt habe, lässt sich nicht hoch genug schätzen – und es war stets ein Vergnügen. Gemessen daran ist es kaum nötig, für die Betreuung und Erstbegutachtung meiner Dissertation gesondert zu danken. Thomas Welskopp danke ich für die Übernahme des Korreferats meiner Dissertation, die er in einer frühen Phase des Projekts mit seinen präzisen Kommentaren schärfer zu konturieren half. Seine Perspektive auf meinen Umgang mit der Industriegeschichte führte dazu, dass ich hinterher besser sehen konnte, was ich eigentlich mache. Die Unterstützung durch meine Familie, vor allem Manja, Regina und Günter Luks, Hildegard und Walter Heyne, steht über all dem. Ich danke ihnen nicht zuletzt dafür, dass sie mir geglaubt haben, dass Geschichtswissenschaft gar nicht so abwegig ist. Annika Luks, Dr. Annika Luks, war bereit, mich während der Arbeit an meiner Dissertation zu heiraten. Ich weiß das sehr zu schätzen. Alles andere kann Morrissey besser sagen: »And if a double-decker bus/Crashes into us/To die by your side/Is such a heavenly way to die/And if a ten-ton truck/Kills the both of us/To die by your side/Well, the pleasure – the privilege is mine.«

Histoire Thomas Etzemüller Die Romantik der Rationalität Alva & Gunnar Myrdal – Social Engineering in Schweden Juni 2010, 502 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1270-7

Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hg.) Lexikon der »Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945 (2., unveränderte Auflage 2009) 2007, 398 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-773-8

Bettina Hitzer, Thomas Welskopp (Hg.) Die Bielefelder Sozialgeschichte Klassische Texte zu einem geschichtswissenschaftlichen Programm und seinen Kontroversen September 2010, 464 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1521-0

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