Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert 9783406683657

Jakob Tanner, der wohl bekannteste Schweizer Zeithistoriker, verortet die Eidgenossenschaft in der Geschichte des 20. Ja

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German Pages 681 Year 2015

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Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert
 9783406683657

Table of contents :
Cover......Page 1
Titel......Page 3
Inhalt......Page 5
Vorwort......Page 7
Kontinuitäten im 20. Jahrhundert......Page 11
Polarisierte Nationalstereotypen......Page 14
Experimentierfeld der Moderne......Page 18
Willensnation oder Produkt europäischer Eifersucht?......Page 20
Kleinstaat - kleiner Staat?......Page 23
Volksrechte und Konkordanzdemokratie......Page 28
Tout va bien? Die Schweiz an derJahrhundertwende......Page 35
Heterogene Gesellschaft, vielfältige Kulturlandschaften......Page 37
Volkswirtschaftlicher Strukturwandel undzweite industrielle Revolution......Page 42
Verkehrsverdichtung und Raumstrukturen......Page 49
Recht, Organisation, Macht......Page 52
Kleinsein und Kolonialismus......Page 57
Positivsummenspiel, Trittbrettfahren, Neutralitätsdividende......Page 61
Völkerrecht und gouvernementaler Internationalismus......Page 65
1. Mai und 1. August......Page 69
Geschichtsmythos und Gotthardstaat......Page 72
Fremdenfeindlichkeit, Ausschluss der Frauen und Volksrechte......Page 77
Integrative Sozialreform im Steuerstaat......Page 84
Statistik und Standardisierung......Page 91
Franken, Banknoten, Schweizerische Nationalbank......Page 95
Klassenkampfund Bürger-Bauern-Block......Page 99
Asylrecht, Staatsschutz, Neutralität......Page 104
Kulturkritik und Krise der Bürgerlichkeit......Page 110
1912: Kaisermanöver und Friedenskongress......Page 113
Kriegsausbruch, Burgfrieden, widerstreitende Erwartungen......Page 116
Mobilmachung, Militärdienst, Offensiven......Page 121
Dissens im Graben, Konsens in der humanitären Mission......Page 128
Transnationale Personennetzwerke und Kleinstaatskritik......Page 132
Volkswirtschaft: Souveränitätsverlust, Umverteilung, Innovation......Page 135
Kriegsfinanzierung, Staatshaushalt und Geldpolitik......Page 141
Antimilitarismus, Radikalisierung der Linken, Landesstreik......Page 145
Stabile Strukturen, Reformen und Amerikanisierung......Page 152
Beitritt zum Völkerbund......Page 156
Proporzwahlen und Wirtschaftsverbände......Page 159
Rechtsbürgertum, Bürgerwehren, Staatsschutz......Page 162
Frauen- und Fremdenfeindlichkeit......Page 167
Gescheiterte Vermögensabgabeinitiative......Page 170
Hitlerbesuch und Bolschewismusfurcht......Page 174
Kulturelle Moderation in den «Golden Twenties»......Page 177
Finanzplatz, Steuerwettbewerb, Wirtschaftsfestung......Page 184
Bevölkerungs-, Beschäftigungs- und Siedlungsstruktur......Page 194
Nationale Warenpropaganda und internationale Vermögensverwaltung......Page 199
Geschlechterordnung, Frauenbewegung, Arbeitsmarkt......Page 205
Bauern- und Bürgerblock und Konfrontation nach links......Page 208
Deflationspolitik, Bankenrettung, Abwertung des Schweizer Frankens......Page 212
Frontenbewegung und «nationale Erneuerung»......Page 219
Notrecht, autoritäre Demokratie, vaterländische Pressure-Groups......Page 225
Arbeiterbewegung und nationale Integration......Page 228
«Geistige Landesverteidigung», Überfremdung und Antisemitismus......Page 234
Aussenpolitik zwischen Völkerbund und Achsenmächten......Page 245
«Herrgott, ist es schön, Schweizer zu sein!»......Page 250
Année terrible......Page 254
Reaktionen der Schweiz im Kraftfeld des Krieges......Page 256
Ein heisser Sommer......Page 259
Militärdienst und Geschlechterordnung......Page 263
Bedrohung und Rückzug in die Berge (Reduit national)......Page 264
Kooperationen im «neuen Wirtschaftsraum»......Page 272
Gesellschaft - Wirtschaft - Politik - Alltag: ein Querschnitt......Page 276
Flüchtlingspolitik und «humanitäre Schweiz»......Page 283
Zeitgenössische Zweischneidigkeit und historische Interpretationen......Page 288
Vom Krieg verschont und unter Druck......Page 292
Zwischen «linker Morgenröte» und Kaltem Krieg......Page 297
Transnationale Netzwerke und helvetischer Sonderfall......Page 302
Konkordanzdemokratie und soziale Sicherheit im Männerstaat......Page 310
Militärische Luftspiegelungen und Kultur der Bedrohung......Page 319
Wirtschaftswachstum und Lebensgefühl in der Konsumgesellschaft......Page 329
Arbeitsmigranten und Bauern......Page 338
Banken und Wissenschaft......Page 343
Expo 64: Die Landesausstellung in Lausanne......Page 349
Prosperität im Kapitalismus......Page 353
«Gesunder Volkskörper» mit «Pillenknick»......Page 360
Mobilität, Siedlungsstrukturen, Raumplanung......Page 363
Medien und Öffentlichkeit......Page 368
Politik als Konkordanzritual......Page 373
Les années '68......Page 381
Alte und neue Frauenbewegung, alte und neue Unke......Page 389
Bewegung, Widerstände, Ambivalenzen......Page 396
Landesverteidigung und aussenpolitische Anpassungen......Page 406
Politische Macht und Sozialstaat......Page 409
Finanzplatzkritik und Wirtschaftskrise 1974/76......Page 415
Irritationen des Kalten Krieges......Page 420
Coole Staatskritik und heisse Konfrontationen......Page 423
Parteipolitik und Staatsgeschäfte......Page 429
Neue Mischungsverhältnisse von innen und aussen......Page 436
Umbau der Industriegesellschaft und Aussenwirtschaftspolitik......Page 444
Währungspolitik, Kapitalflucht und Kritik am Bankgeheimnis......Page 448
Transformation der Politik durch Standards und Verfahren......Page 455
Das Beispiel der Umwelt- und Asylpolitik sowie der Geschlechtergleichstellung......Page 459
Kopp-Skandal und organisiertes Verbrechen......Page 466
Dunkelkammer der Nation......Page 471
Nationale Volkszählung und transnationale Topographien......Page 478
Direkte Demokratie, «schlanker Staat», europäische Dynamik......Page 486
Ausbruch aus der «Alpenfestung»?......Page 492
Schock der EWR-Ablehnung und die Konkurrenz der Europa-Bilder......Page 500
Abstimmungskämpfe und das Paradox des Bilateralismus......Page 507
Stagnation, Zukunftsvertrauen, Reformdynamik......Page 511
«Hausaufgaben», Schocks und Normalisierung......Page 520
Innenpolitische Polarisierung und Machtverschiebungen......Page 531
Drei Endpunkte des langen 20. Jahrhunderts......Page 538
Ambivalenzen der Moderne......Page 551
Interferenzen......Page 552
Widersprüche......Page 559
Zirkulationsprozesse......Page 564
Big Switzerland?......Page 568
Danksagung......Page 571
ANHANG......Page 573
Anmerkungen......Page 575
Sekundärliteratur und Quellen......Page 634
Personenregister......Page 671
KARTEN......Page 677
Klappentext......Page 680

Citation preview

Europäische Geschichte im 20. Jahrhundert

herausgegeben von Ulrich Herbert

Jakob Tanner

Geschichte der SCHWEIZ im 20. Jahrhundert

Verlag C.H.Beck

Für Ariane und Lilith

Mit 2. Karten © Peter Palm, Berlin

© Verlag C.H.Beck oHG, München 2015 Umschlaggestaltung: Kunst oder Reklame, München Umschlagabbildung: Schweizer Grenzsoldaten malen im September 1944 am Grenzübergang Boncourt zur Kennzeichnung des schweizerischen Hoheitsgebiets ein Schweizerkreuz auf © Keystone/Photopress Archiv Satz: Fotosatz Amann, Memmingen Druck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff) Printed in Germany ISBN 978 3 406 68365 7 tvwiv.cbbeck.de

Inhalt

Vorwort.............................................................................................

7

Einleitung ........................................................................................

11

ERSTER TEIL

Robuster Kleinstaat 1. Prosperität um 1900 ......................................................................

35

2. Fin de Siècle & Belle Époque (1890 bis 1912).............................

69

3. Erster Weltkrieg und Landesstreik (1913 bis 1918)....................... 116

4. Völkerbund, Bürgerwehren, Klassenkämpfe (1919 bis 1923) ................................................................................. 156

ZWEITER TEIL

Bedrohte Nation, offene Volkswirtschaft 5. Dissonanzen der Moderne um 1925................................................177

6. Nationale Konflikte und «Geistige Landesverteidigung» (1920 bis 1939) ................................................................................. 199

7. «Die Ereignisse marschieren schnell» um 1940 ........................... 254 8. Wirtschaftswachstum und Kalter Krieg (1943 bis 1964) ........... 292

9. Konsummoderne in der helvetischen Malaise um 1965 .............. 353

DRITTER TEIL

Widerwillige Bewegung 10. Revolte und Krisen (1966 bis 1975)............................................... 381 11. Umbau und Flexibilisierung (1976 bis 1989) ............................... 420

12. Schweizer Wenden um 1990 ...........................................................466 13. Souveränitätsmythos und europäische Integration (1992 bis 2010) ................................................................................. 507

Fazit ................................................................................................... $$1

Danksagung ...................................................................................... 571

ANHANG

Anmerkungen ....................................................................................575

Sekundärliteratur und Quellen.........................................................634 Personenregister................................................................................. 671

Karten................................................................................................. 677

Vorwort

Europa ist unsere Gegenwart, aber unsere Geschichte bleibt im Nationalen verwurzelt. Das hat seinen guten Grund, denn persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Traditionen, politische Optionen, kulturelle Orientie­ rung und Alltagsvertrautheit beziehen sich in allen europäischen Ländern, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, nach wie vor zuerst auf das Land, aus dem man kommt und in dem man lebt. Aber offenkundig reicht der nationale Rahmen nicht aus, um die Ge­ schichte des 20. Jahrhunderts zu verstehen, denn wichtige Entwicklungen erweisen sich schon beim zweiten Hinsehen nicht als national spezifische, sondern als gesamteuropäische Phänomene. Wie soll man regionenüber­ greifende historische Erscheinungen - vom Imperialismus bis zur Europä­ ischen Union, von den großen Diktaturen bis zur Ausbreitung des europä­ ischen Modells der sozialen Demokratie, von den Klassenkonflikten der 1920er bis zur Jugendrebellion der 1960er Jahre und von den Auswirkun­ gen der Weltwirtschaftskrise bis zum Wirtschaftswunder der 1950er und zum Ölpreisschock der 1970er Jahre - in den Kategorien des Nationalstaats erklären können, wo es sich doch offenkundig eher um gemeinsame Grund­ prozesse und deren Varianten handelt? Und doch dominiert in Europa nach wie vor eine Sichtweise, die den Nationalstaat als den vermeintlich natürlichen Aggregatzustand der histo­ rischen Entwicklung begreift und sich darum bemüht, nationale Diffe­ renzierungen und Sonderwege, Kontingenz und Divergenz als primäre, Konvergenz und Vereinheitlichungen hingegen eher als nachgeordnete Prozesse zu begreifen. Europa im 20. Jahrhundert hingegen a priori als Einheit zu betrachten und seine Geschichte auch so zu erzählen, ist nicht weniger problematisch. Denn dies transponierte die Vision einer gemeinsamen europäischen Ge­ sellschaft gewissermaßen nach rückwärts, als sei der Nationalstaat ledig­ lich eine Verirrung der vergangenen 150 Jahre gegenüber einer ansonsten im Wesentlichen gemeineuropäischen Erfahrung gewesen. Das vernachläs­ sigte nicht allein die national so extrem unterschiedlichen Entwicklungen, wenn man nur an Jahre wie 1917, 1933 oder 1989 denkt. Es negierte auch die daraus erwachsenen Erfahrungsdifferenzen, die sich nicht nur nach den

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Vorwort

Kategorien Klasse und Geschlecht, sondern im 20. Jahrhundert in ganz besonderer Weise nach Nationalität und ethnischer Zugehörigkeit ordnen. Tatsächlich sind das 19. und das 20. Jahrhundert in Europa ohne die nationalstaatliche Perspektive nicht entzifferbar. Um diesem Dilemma zu entkommen, versucht die Reihe «Europäische Geschichte im 20. Jahrhundert» einen anderen Weg: Die Geschichten der europäischen Staaten und Gesellschaften werden je für sich erzählt, aber zugleich im Kontext der europäischen Entwicklung und der globalen Ver­ flechtungen. Um das zu verstärken, haben sich Herausgeber und Autoren auf eine gemeinsame Struktur geeinigt, die allen Bänden in stärkerer oder schwächerer Ausprägung zugrunde liegt: Die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen werden in klassischer, diachroner Manier erzählt. An einigen, in allen Bänden etwa gleichen Zeitpunkten werden aber Querschnitte eingefügt, die es ermöglichen, Zustand und Zu­ stände in der jeweiligen Gesellschaft synchron darzustellen und dadurch dem Vergleich mit anderen Ländern zu öffnen. Das betrifft die Zeiträume um 1900, Mitte der zwanziger Jahre, im Zweiten Weltkrieg, Mitte der sechziger Jahre und nach 1990. Abweichungen von diesem Raster ergeben sich aus spezifischen Besonderheiten in den einzelnen Ländern. Auf diese Weise sollen im Konzert der Bände dieser Reihe Differenzen und Ähnlichkeiten, Konvergenzen und Alternativen erkennbar und die Nationalgeschichten aus ihrer Selbstbezogenheit gelöst werden, ohne die Eigendynamik und die spezifischen Traditionen der einzelnen Länder zu vernachlässigen. Bei dem Versuch, nationale Geschichte und europäische Perspektive zu verbinden, wird vielen Lesern das eine oder das andere zu kurz kommen, wie überhaupt das Unterfangen, eine Nationalgeschichte im 20. Jahrhundert in einem Band zu erzählen, einen gewissen Mut erfordert. Aber nur in dieser relativ gedrängten Form ist es möglich, diachrone Ent­ wicklungen zu schildern und Linien durch das Jahrhundert zu zeichnen, die bei erheblich umfangreicheren Bänden angesichts der Vielzahl der Themen und Aspekte nicht erkennbar würden. Wenn wir vom 20. Jahrhundert sprechen, so in einer spezifischen Weise. Es hat sich vielfach eingebürgert, den Ersten Weltkrieg als Wasserscheide zwischen den Jahrhunderten zu betrachten. Das hat Vorteile, weil dadurch die nachwirkenden Traditionen des «langen» 19. Jahrhunderts besser in Augenschein genommen werden können. Um die Geschichte des 20. Jahr­ hunderts zu erzählen, ist es aber nötig, die tiefgreifende Veränderungs­ dynamik der Jahrzehnte zwischen 1890 und 1914 zu berücksichtigen, die jahrzehntelang nachgewirkt hat und in kürzester Zeit eine solche Wucht entfaltete, dass alle europäischen Gesellschaften davon ergriffen und

Vorwort

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gezwungen wurden, auf diese Herausforderungen zu reagieren. So wird, wer den Aufstieg der Weltanschauungsdiktaturen und die beiden Welt­ kriege, den Holocaust und die Dekolonialisierung darzustellen und zu erklären hat, vor den Ersten Weltkrieg zurückgehen und die beiden Jahr­ zehnte vorher betrachten müssen, um die Durchsetzung des modernen In­ dustriekapitalismus, der immer mächtiger werdenden Staatsapparate und den Aufstieg der großen radikalen politischen Massenbewegungen zu ver­ folgen, die im Laufe des Jahrhunderts eine so zerstörerische Wirkung ent­ falteten. Daher wird in diesen Bänden die Geschichte des «langen 20. Jahr­ hunderts» erzählt, die von den 1890er Jahren bis etwa 2000 reicht - wo­ bei der Ausgangspunkt klarer ist als das Ende. Schließlich hat Autoren und Herausgeber die Frage bewegt, wie man die so verschiedenen beiden Hälften des Jahrhunderts miteinander auf eine Weise verbinden kann, dass die Zusammenhänge zwischen beiden erkenn­ bar werden, ohne den tiefen Einschnitt von 1945 zu relativieren. Hier sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Gesellschaften unübersehbar. Aber zugleich lässt sich doch angesichts der vielfältigen politischen Entwürfe und radikalen Alternativen über Jahrzehnte hinweg das Bemühen der Zeit­ genossen erkennen, gesellschaftliche Ordnungssysteme zu finden, die den Herausforderungen der modernen Industriegesellschaft angemessen sind. Das hat zu monströsen Gebilden und schrecklichen Opfern geführt. Aber man kann doch auch erkennen, dass auf viele Herausforderungen, die sich in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg so scharf herausgebildet hatten, in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich Antworten gefunden wurden, die sich bewährten und vermehrt auf Zustimmung stießen. Das betraf sowohl die Ausprägung der politischen Ordnung im Innern wie zwischen den europäischen Staaten, das Verhältnis von wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Gerechtigkeit oder den Um­ gang mit der modernen Massenkultur. Dabei wurden die westeuropäischen Gesellschaften nach den 1960er Jahren einander immer ähnlicher, und zwar in Bezug auf das politische System, die soziale Ordnung, die kultu­ rellen Wertorientierungen ebenso wie hinsichtlich der Wirtschaftsordnung und des Alltagslebens. Solche Tendenzen gab es in Ansätzen in den ost­ mitteleuropäischen Ländern auch schon während der kommunistischen Herrschaft, und nach 1990 begannen sie sich rasch durchzusetzen. Mit diesen Tendenzen der Konvergenz und Homogenisierung der gesellschaft­ lichen Ordnungen in Europa, deren Bedeutung in historischer Perspektive deutlicher zu erkennen ist als zeitgenössisch, wuchs aber vielfach auch das Bedürfnis nach Differenz und nach Orientierung an der nationalen Ge­ schichte.

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Vorwort

Zugleich aber wurde nach der «goldenen Ära» der 1950er und 1960er Jahre die Brüchigkeit des industriellen Fundaments dieser Gesellschaften sichtbar, und neue Herausforderungen kündigten sich an, die unsere Gegen­ wart und vermutlich in noch stärkerem Maße unsere Zukunft bestimmen: das Ende der traditionellen Massenfertigungsindustrien, die ökologischen Krisen, die Ausprägung und Folgen der weltweiten Massenmigration, die neuen weltweiten ideologischen Konflikte nach dem Ende des Kalten Krieges, die zunehmende Bedeutung supranationaler Zusammenschlüsse und die globale Vernetzung wirtschaftlichen Handelns. Soweit man es von heute erkennen kann, werden die Jahre 2000 oder 2001 keine markanten historischen Zäsuren bilden. Aber es wird doch sichtbar, dass im letzten Fünftel des 20. Jahrhunderts etwas zu Ende ging, was 100 Jahre zuvor begonnen hatte, und etwas Neues einsetzte, das wir bislang weder definieren noch historisieren können. Ulrich Herbert

Einleitung

«Ein langweiliger Staat» sei die Schweiz, «aber er ist prosperierend und zufrieden und nirgends glüht die Vaterlandsliebe mit so beständiger Flamme», schrieb der britische Liberale, Historiker und Politiker James Bryce 1921 in einer vergleichenden Studie zur Geschichte parlamentari­ scher Regierungssysteme.1 Der «langweilige Staat» ist ein Grundmotiv historischer Beschreibungen der Schweiz und wird meist ergänzt durch den Verweis auf einen gleichzeitig vorhandenen euphorischen Patriotis­ mus oder auf den Hang zu friedfertiger Volksherrschaft in Verbindung mit gerissener Geschäftstüchtigkeit. Nach der Französischen Revolution er­ klärte François-René de Chateaubriand verbittert, die Schweizer seien in den grossen Revolutionen der sie umgebenden Staaten stets unbeteiligt und neutral geblieben, sie hätten sich jedoch «am Unglück Anderer berei­ chert und auf die menschlichen Katastrophen eine Bank gebaut». 150 Jahre später, im Film «Der dritte Mann» von 1949, erklärte Harry Lime seinem Freund Holly Martins: «In den dreißig Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut, aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüder­ liche Liebe, fünfhundert Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr!»2

Kontinuitäten im 20. Jahrhundert Eine Kuckucksuhr zeichnet sich dadurch aus, dass nichts Unerwartetes passiert. Sie steht für Zuverlässigkeit, Beständigkeit, Pünktlichkeit und die Wiederkehr des immer Gleichen. Zwischen 1874 und 1999 galt in der Schweiz dieselbe Verfassung; diese war zwar durch viele Änderungen zu einem konstitutionellen Flickenteppich erweitert worden, aber sie blieb 125 Jahre lang in Kraft. Während viele andere Staaten untergingen oder neu entstanden, hat sich das Staatsterritorium der Eidgenossenschaft seit 1815 nicht mehr verändert; die einzigen inneren Neuerungen bestanden in einer Kantonstrennung (Baselland und Basel-Stadt) im Jahre 1833 und in der Gründung des sich von Bern abspaltenden Kantons Jura anno 1979.3 Als neutrales Land beteiligte sich die Schweiz nicht an den europäischen Kon­ flikten, sie wurde nach den Napoleonischen Kriegen nie mehr militärisch

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Einleitung

besetzt und insbesondere nicht in die Kämpfe und Zerstörungen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges hineingezogen. Damit ging jene Gewalt­ erfahrung, welche die Bevölkerung anderer Länder prägte, weitgehend an ihr vorbei. Die allgemeine Beständigkeit härtete auch den Schweizer Franken. Die im Mai 1850 eingeführten Münzen veränderten ihr Gesicht bis heute nur minimal, während der Aussenwert der Landeswährung über alle Schwan­ kungen hinweg stetig anstieg. Lag der Wechselkurs des Pfund Sterling zwischen 1875 und 1930, äusser im Ersten Weltkrieg, bei 25 Franken, so waren es 1944 noch knapp über 17 Franken, am Ende des Kalten Krieges 2,50 Franken und heute (2015) 1,45 Franken. Ein Dollar kostete zwischen 1875 und 1932 um die 5,20 Franken und ab 1936 für Jahrzehnte 4,30 Fran­ ken. Nach dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods zu Beginn der 1970er Jahre fiel sein Wert bis 1980 auf 1,67; 2015 notierte er, nach einer leichten Zwischenerholung, noch bei 0,90 Franken. Dieselbe Tendenz zeigte sich in der vorerst kurzen Geschichte des Euro. Der Wechselkurs bewegte sich anfänglich zwischen 1,50 und 1,60 Fran­ ken. Als er 2010 auf 1,40 absank, ertönten Alarmrufe. Ein Jahr darauf, im Sommer 2011, wurden Franken und Euro zeitweise pari gehandelt. Zwi­ schen September 2011 und Januar 2015 verteidigte die SNB gegenüber dem Euro einen Mindestkurs von 1,20 Franken; in der Schweiz be­ zeichnete man diese Stabilisierungsaktion umgehend als «Franken-Rütli», in Erinnerung an den Rütlischwur der alten Eidgenossen.-* Im Frühjahr 2015 schwankte der Euro-Kurs um 1,05 Franken. In dieser langfristigen Aufwertung verschränkte sich das von aussen dem neutralen Kleinstaat entgegengebrachte Vertrauen mit der inneren Fähigkeit, eine leistungs­ fähige Wirtschaft und stabile politische Strukturen aufzubauen. Man hat sich angewöhnt, diese Entwicklung als «Erfolgsgeschichte» zu werten. Die Innovationsdynamik ist intakt, über die internationalen Wert­ schöpfungsketten wird Reichtum ins Land befördert, die Lebensqualität helvetischer Städte erreicht Spitzenwerte, auch das Nationalimage rangiert weit oben auf der globalen Bekanntheits- und Beliebtheitsskala, Föderalis­ mus sowie Folklore spielen bestens zusammen, die Institutionen des Bun­ desstaates sind schlank und robust, und die direkte Demokratie hält eine streitlustige politische Kultur in Schwung. Gezeichnet wird hier das Bild einer Schweiz, in der das Konstruktive, Harmonische und Nützliche über das Destruktive, Verstörende und Verderbende gesiegt haben. So nannte der Kulturtheoretiker Bazon Brock die Schweiz unlängst einen «verbotenen Ernstfall». Brock versteht unter staatlicher Souveränität das «Vermögen, nichts geschehen zu lassen» - und da sieht er die Schweiz

Einleitung

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ganz an der Spitze: «Endlich ein Land, das es nicht nötig hat, ständig Ra­ batz zu machen.»? Nach einem Diktum Winston Churchills rührten die Probleme und Kriege des Balkans daher, dass dieser mehr Geschichte produziert habe, als er verbrauchen könne. Diese Schwierigkeit hat die Schweiz nicht. Es scheint vielmehr so, als habe sie die Unfähigkeit, grosse Geschichte zu pro­ duzieren, im komfortablen Elend des Erreichten erstarren lassen, ohne Sinn für Übertreibungen. 1946 erkor der Volkskundler Richard Weiss «das Masshalten zwischen den Extremen» zum «zentralen und allgemei­ nen schweizerischen Charakterzug».6 Dies bedeutet nicht Selbstgenüg­ samkeit. Aber man sucht die Extreme anderswo. 50 Jahre später hielten einige der bekanntesten Architekten (u. a. Roger Diener, Jacques Herzog und Pierre de Meuron) in einer Studie zur «Stadt der Gegenwart» fest: «Die spezifisch schweizerische Urbanität erweist sich als eine Art Kultur des Verweigerns und Verhinderns von Dichte, von Höhe, von Masse, von Konzentration, von Zufall und von beinahe allen andern Eigenschaften, die man einer Stadt wünscht und welche auch die Schweizer sehnsüchtigst lieben - bloss möglichst fern ihrer Heimat.»? Das Lieben von etwas, das «fern ihrer Heimat» liegt, und das gegen­ läufige Heimweh nach dieser Heimat in der Ferne sind Gefühlsdispositio­ nen, welche in der Geschichte der Schweiz häufig auftauchen. Sie äusserten sich in einem «Unbehagen im Kleinstaat»8 und einem «Diskurs aus der Enge»’ ebenso wie in der Behauptung, die schweizerische Eidgenossen­ schaft sei bei aller Kleinheit das Grösste, was Gott, der in der Präambel der schweizerischen Bundesverfassung bis heute angerufen wird, je geschaffen habe, und die anderen könnten nur lernen von ihrem Beispiel. Wenn alle einmal so weit wären, nur noch die Probleme zu haben, welchen sich die Schweiz stellen muss, dann wäre die Welt ein besserer Ort geworden. Mit diesem moralischen Auftrumpfen, das sich in verschiedenen Momenten der Geschichte der Schweiz manifestierte, wurde und wird allerdings nur zu oft ein nationaler Minderwertigkeitskomplex verdeckt. Das schweize­ rische Selbst- und Sendungsbewusstsein war auch immer eine Schutz­ behauptung. Es ging einher mit einem ausgeprägten Gefühl der Ver­ letzlichkeit. Und es konnte instrumentalisiert werden für die Abwehr von Kritik, die regelmässig von aussen auf den «Steuerhafen» oder die «Kapi­ taltrutzburg» hereinprasselte. Das Reden über die Schweiz und die Schwei­ zer oszillierte immerzu zwischen polarisierten Kollektivstereotypen, die über die Jahrhunderte hinweg zustande gekommen waren und immer wie­ der umgeformt und zugespitzt wurden. Diese Klischeevorstellungen konn­ ten moralisch aufgeladen und auf verschiedenen symbolischen Kampffel-

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Einleitung

dem zum Einsatz gebracht werden. Sie zirkulierten grenzüberschreitend, blieben aber immer einer manichäischen Logik unterworfen und reprodu­ zierten ein oft schroffes Gegenüber von «Musterstaat»10 und «Schurken­ staat».11

Polarisierte Nationalstereotypen Schon in der Frühen Neuzeit zirkulierten extreme Wertungen über die Eid­ genossenschaft. Den einen wüsten Landstrich bewohnenden gottlosen Berglern standen die in einem «irdisch Paradies» (Grimmelshausen) leben­ den «frommen und edlen Puren» gegenüber.11 Das Bild der zu jedem ge­ meinen Verrat bereiten geldgierigen Söldner kontrastierte mit der Darstel­ lung kluger und bescheidener Staatsmänner. Seit der Aufklärung häuften sich die moralisierende Kritik an den Banken und parallel dazu die Ver­ klärung der Alpen als Arkadien. Britische Autoren, welche auf der Grand Tour durch Europa ausgiebig die Innerschweiz bereisten, trugen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts massgeblich zur Erfindung des «Schweizeralpenlandes» bei und verwendeten dabei Versatzstücke einer Landschaftsidealisierung, wie sie, völlig austauschbar, auch etwa in den Beschreibungen von Sizilien vorkamen.1? Diese europäische Sehnsuchts­ landschaft weckte ein vielfältiges Begehren. 1860 bezeichnete der deutsche Nationalökonom Arwed Emminghaus die Schweiz als «Wunderland»; kein anderes Land übe «eine gleich unwiderstehliche Anziehungskraft» aus.1-* Zwanzig Jahre später schlug Mark Twain in «A Tramp Abroad» ironische Töne an und berichtete vom «Wunder der Berge», von der «Zau­ berkraft» der Alpen und von der «ruhelosen Sehnsucht (...) die dem Heim­ weh gleicht; ein schmerzhaftes, hartnäckiges Sehnen, das bittet, fleht und verfolgt, bis es seinen Willen bekommt», so dass schliesslich viele Reisende «Jahr für Jahr die schweizerischen Alpen durchstreiften - sie konnten nicht erklären warum».1? Im Falle von Negativcharakterisierungen wie «Kuhschweizer»16 leisteten die Eidgenossen erfolgreiche Umdeutungs­ arbeit und machten aus der Milchkuh kurzerhand den Kristallisationskern eines folkloristischen Village suisse, das in den schweizerischen Landes­ ausstellungen von 1896 (und dann auch 1914 sowie 1939) für heimatliche Übersichtlichkeit sorgte und das auf der Weltausstellung in Paris von 1900 als internationales Erkennungszeichen der Schweiz lanciert wurde.1? Nach der Gründung des Bundesstaates bezogen sich positive Wertun­ gen vor allem auf die politischen Institutionen der Schweiz. Bekannt wurde ein Diktum Victor Hugos aus dem Jahre 1859: «La Suisse dans l’histoire aura le dernier mot.» 1913 erklärte der französische Historiker Elie Halevy, Europa habe zu wählen zwischen der «universellen schweizeri-

Einleitung

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sehen Republik» und einem kriegerischen Cäsarismus.18 Nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts häuften sich bewundernde Publika­ tionen über die Schweiz, so etwa André Siegfrieds «Die Schweiz. Eine Verwirklichung der Demokratie» (I949)1’ und Hans Kohns «Der schwei­ zerische Nationalgedanke» (1955).10 Bis heute ist diese Kette affirmativer Darstellungen nicht abgebrochen, und die Frage «Why Switzerland?» fin­ det immer wieder geradezu euphorische Antworten.11 Auch das negative Register wurde weiter bedient. In Fortsetzung von Formulierungen, die Ludwig Börne in den 1830er Jahren gefunden hatte («Welch ein schönes Land, welch hässliche Menschen»), schrieb Max Beerbohm vor dem Ersten Weltkrieg in «Yet again», die Schweizer seien eine «spiessige, zahnlose, durchtriebene, stumpfsinnige kleine Söldnerrasse von Menschen». In Hermann Graf Keyserlings «Spektrum Europas» (1928) erscheinen die Schweizer «als Wirtsvolk und Wirtsland im weitesten Ver­ stand, so wie die Juden als Händler». Das kleine Land sei durch «voll­ kommene Gesinnungslosigkeit» geschlagen: «Zwischen Neutralität und Schiebertum fehlt jede feste Grenze.» Zudem beklagte der Autor den «ausserordentlichen Schönheitsmangel des Volkes»; die Schweizer seien schlicht hässlich, es gebe einen «endemischen Kretinismus», und zu «Aus­ sprache und Tonfall» des «Schwyzer Dütsch» fiel ihm nur das Attribut «fürchterlich» ein. Diese Kritik wurde in der Nachkriegszeit fortgesetzt. In den 1960er Jahren bezeichnete der britische Aussenminister George Brown die Bankiers vom Zürcher Paradeplatz noch halb freundlich als «Gno­ men». Jean Ziegler bevölkert die Schweiz mit «Hehlern» und «Banditen»; stolz zitiert er Che Guevara, der ihn aufgefordert habe, im «Gehirn des Monsters» zu kämpfen.11 Es war (und ist) also keineswegs so, dass die Anwürfe nur von aussen und die Verteidigungen nur von innen kamen. In ebenso vielen Fällen war es umgekehrt. Oft nutzen zudem ein und dieselben Akteure in verschiede­ nen Konstellationen diametral entgegengesetzte Bilder. Diese sind deshalb so beliebt, weil sie kompliziertere Sachverhalte vereinfachen, Wiederer­ kennungsreflexe auslösen und die politische Kommunikation auf Touren bringen. Wer meint, solchen Kollektivstereotypen mit «Fakten» beikom­ men zu können, sitzt einem Missverständnis auf. Natürlich gibt es Unge­ reimtheiten und Doppelbödigkeit, wohin man blickt. So wurde nachge­ wiesen, dass Victor Hugo seinen schönen Spruch auf die österreichische Kaisergarde des 17. Jahrhunderts bezog und dabei Schweizer und Tiroler verwechselte.1? Der genannte Max Beerbohm war ein englischer Paro­ dist und Karikaturist, der auf listig-intelligente Weise kübelweise Sarkas­ mus auf alle Scheinheiligkeiten goss und für diese erhellenden Diagnosen

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1939 in den Adelsstand erhoben wurde. Und für Graf Keyserling war das «Abstossende des modernen Nationalismus» ganz allgemein gegeben, konstatierte er doch: «Alle Völker als Völker sind nun einmal in erster Linie scheusslich.»2« Und schliesslich hatte Orson Welles, der in «Der dritte Mann» den Harry Lime spielte und seinen Dialogpart mit der Kuckucksuhr selber erfand, wohl Mark Twains «A Tramp Abroad» gele­ sen, der diese Erfindung aus dem Schwarzwald schon fälschlicherweise in Luzern beheimatet hatte.2? Kollektivstereotypen überleben solche Anfechtungen. Als produktive Fiktionen interagieren sie mit nationalen Mythen, mit deren Hilfe sich staatstragende Eliten und, meist in geringerem Mass, auch die Bewohner eines Landes selber zu deuten versuchen. In der Alten Schweiz entfalteten sie allerdings kaum eine staatsbildende Wirkung; den stark in den einzel­ nen Orten verankerten Eidgenossen musste das Souveränitätsprinzip von aussen - und in erster Linie durch Frankreich - beigebracht werden.26 Der Helvetischen Republik von 1798 half es wenig, dass sie Wilhelm Teil zum offiziellen Staatslogo erkor. 1815 akzeptierten die europäischen Gross­ mächte auf dem Wiener Kongress und mit dem Zweiten Pariser Frieden das lockere staatliche Konglomerat der schweizerischen Eidgenossenschaft als Pufferstaat, dem sie eine schwache Regierung und den Neutralitätssta­ tus verschrieben. Erst mit dem durch regionale Industrialisierungsprozesse vorangetriebenen liberalen Aufbruch vermochte sich die Schweiz ab den 1830er Jahren als Bundesstaat neu zu erfinden. Dieser 1848 nach einem kurzen Bürgerkrieg (dem Sonderbundskrieg) gegründete Staat hatte an­ fänglich durchaus hochfliegende aussenpolitische Ambitionen, verfolgte jedoch nach aussen keine Kolonial- und Grossmachtpolitik. In den Jahr­ zehnten vor 1914 begann er die Maxime der Neutralität auf neue Weise für den inneren Zusammenhalt und die Positionierung nach aussen zu nutzen. Auch für Tourismus, Warenexport und (seit dem Ersten Weltkrieg) internationale Vermögensverwaltung blieb der Rückgriff auf stereotype Bilder und Wertungen wichtig. So konnte jene Aufmerksamkeit erzeugt werden, die wirtschaftliche Nischenstrategien und Anpassungsleistungen unterstützten. Diese imaginären Projektionsvorgänge entzogen sich weit­ gehend staatlicher Steuerbarkeit. Dasselbe gilt nicht nur für affirmative, sondern ebenso für kritische Haltungen. Im Verlaufe des langen 20. Jahr­ hunderts waren immer beide Deutungsregister im Spiel, die in inneren Wertekonflikten ebenso aufscheinen wie im ausgeprägten ChamäleonCharakter der schweizerischen Aussenbeziehungen. Der neutrale Kleinstaat schrieb sich in den internationalen Trend eines nationalen Exzeptionalismus ein, der sich insbesondere auch in der helve-

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tischen Sister republic, den USA, beobachten liess. Alle Staaten versuchten sich über Alleinstellungsmerkmale und Mythen zu definieren, um sich auf diese Weise als etwas Aussergewöhnliches zu verstehen und eine Mission zu begründen. Wenn die Geschichtsschreibung diese Erzählungen her­ vorbringt oder ausschmückt, wird sie selber Teil des ideellen Staats- und Nationenbildungsprozesses. Ein solches Engagement der historischen Wissenschaft lässt sich im 19. und weit ins 20. Jahrhundert hinein in der Schweiz beobachten. Zwar nahmen die von professionellen Historikern verfassten Studien die Quellenkritik durchaus ernst; sie waren aber nicht darauf angelegt, diese kulturellen Konstruktionsprozesse zu analysieren.2? Stellt sich die Geschichtswissenschaft hingegen dieser Aufgabe, was sie seit den 1960er Jahren teilweise etwas exzessiv getan hat, so behandelt sie Kollektivstereotypen und Nationalmythen als Teil einer transnational ge­ teilten Geschichte. Der nationale Sonderfall wird zum internationalen Normalfall. Anhand der Schweiz lässt sich besonders eindrücklich zeigen, wie die nationalen Mythen aus einer solchen shared history hervorgingen und wie sie grenzüberschreitend zirkulierten. Es wird zudem deutlich, dass sich an der Sonderfall-Erzählung ganz unterschiedliche, wider­ sprüchliche Interessen festmachten und dass mit ihr oft diametral ent­ gegengesetzte Zielsetzungen verfolgt wurden. Ihre Bildersprache und Sprachbilder konnten zur Attraktivitätssteigerung des Geschäftsmodells des Finanzplatzes und die Promotion des Fremdenverkehrs ebenso genutzt werden wie für die Abwehr von Gefahren von aussen oder den Aufbau von imaginären Bedrohungskomplexen im Innern. Aufgrund dieser ein­ drücklichen Plastizität vermochte sich die Sonderfall-These in der Schweiz des 20. Jahrhunderts über das politische Koordinatensystem hinweg von rechts bis links zu behaupten, und sie wird auch heute wieder strapaziert, um wirtschaftliche Anliegen zu unterstützen und das nationale Selbstbild zu pflegen. Die Geschichte der Schweiz im langen 20. Jahrhundert zeigt erneut, dass sich Mythen nicht zerstören, sondern nur umarbeiten lassen. Daraus er­ gibt sich ihre Deutungsoffenheit. Mythen gehen zudem über Interpreta­ tionsmuster hinaus. Sie enthalten politische Handlungsangebote. Deshalb können sie in modernen Gesellschaften auf ganz unterschiedliche Weise wirksam werden. Am Beispiel der Schweiz lässt sich zeigen, wie nationale Selbst- und Fremdbilder in einer fortlaufenden imagologischen Bastelei immer wieder verändert wurden.18 Interpretationskontinuitäten und Um­ deutungen haben gleichermassen dazu beigetragen, dass die Schweiz auf die Herausforderungen der Moderne in einer Weise zu reagieren und an­ gesichts vieler Unwägbarkeiten zu agieren vermochte, dass sich neue Mög-

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lichkeiten für innere Strukturbildung und gewinnbringende Aussenver­ flechtungen ergaben. Von besonderem Interesse ist dabei, wie von aussen kommende Irritationen, Störpotenziale und Unruhemomente in eine lern­ fähige politische Ordnung im Inneren übersetzt werden konnten und wie es Wirtschaftsinteressen gelang, ein effizientes Nation branding zu ent­ wickeln. Experimentierfeld der Moderne Eine Kritik am Sonderfalldenken kehrt Churchills Balkan-These um: Die Schweiz ist im Produzieren von Geschichte nicht impotent und so harm­ los, wie sie sich gerne gibt. Das hängt zum einen mit ihrer ziemlich grossen Volkswirtschaft zusammen, die in den europäischen Kolonialismus ebenso involviert war wie in die Weltkriege des 2.0. Jahrhunderts, die als «totale Kriege» kein Aussen mehr zuliessen. Zum anderen fanden die grossen Ideen und Ideologien des 20. Jahrhunderts auch in der Schweiz Widerhall, wur­ den hier verändert, teilweise verstärkt und wirkten auf das internationale Engagement des neutralen Kleinstaates zurück. Wird dies gesehen, so lässt sich die Schweiz nicht mehr als unschuldiges Opfer der Torheit der Grossen oder als unbedeutender Akteur in einem Umfeld von Mächtigen darstel­ len. Vielmehr entwickelte sie im Verlaufe des 20. Jahrhunderts in verschie­ dener Hinsicht die Fähigkeit, sich in internationalen Beziehungen, in trans­ nationalen Kooperationsstrukturen und innerhalb weltwirtschaftlicher Verflechtungen zu profilieren und davon zu profitieren. Anstatt also zu glauben, dass die «kleine Schweiz» nur immer so viel Geschichte pro­ duziert habe, wie sie verdauen konnte, ist es nötig zu verstehen, wie es die­ ses Land geschafft hat, viele Probleme, die es verursachte und mit denen es sich konfrontiert sah, hinter einem grossen Bildschirm von Mythenerzäh­ lungen verschwinden zu lassen. Als wichtiger Faktor erwies sich die Dezentralisierung des politischen In­ stitutionengefüges, die sich nicht im Föderalismus erschöpft. Der Historiker Herbert Lüthy bewunderte zu Beginn der 1960er Jahre diese lokale Beweg­ lichkeit und schilderte die Schweiz als das «archaischste Land des Westens»: «Gewisse Züge ihrer Mentalität und ihrer Einrichtungen wären vielleicht einem Kongolesen, dem sein Stamm oder Dorf die Welt ist, leichter ver­ ständlich als einem Nachbarn aus der Einen und Unteilbaren Französischen Republik.»z9 Derselbe Sachverhalt wurde seit den 1970er Jahren moderni­ sierungstheoretisch gedeutet: Die Schweiz erschien als «paradigmatischer Fall politischer Integration» oder als geglücktes Beispiel soziokultureller und institutioneller Modernisierung^0 Die verschiedenen Teilsysteme der schweizerischen Gesellschaft stellten sich - so dieser Erklärungsansatz -

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im Verlauf der historischen Entwicklung produktiv aufeinander ein, stärk­ ten sich gegenseitig und trugen damit zur Funktionsfähigkeit und Gesamt­ produktivität des gesellschaftlichen Systems bei. Man konnte so in der Schweiz ein fortschrittliches und von Erfolg gekröntes Land sehen. Seit einiger Zeit ist diese Konsonanz- und Fortschrittsthese aus guten Gründen in Frage gestellt worden. Die Kritik stützt sich auf einen Begriff der Moderne, der auch in dieser Darstellung der Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert stark gemacht wird.?1 Diese Moderne lässt sich nicht mehr eindimensional und unilinear lesen, sondern sie erweist sich als ambivalent und gebrochen. Licht- und Schattenseiten gehören zusammen und gehen oft in ein Zwielicht über. Das Interesse richtet sich auf kul­ turelle Dissonanzen und strukturelle Friktionen, die sich aus ungeplanter gesellschaftlicher Komplexitäts- und Kontingenzsteigerung ergeben. Der Begriff der Moderne steht für eine Epoche, in der sich die Gesellschaft widersprüchlich ausdifferenziert und in der homogenisierende und harmo­ nisierende Gemeinschaftsvorstellungen immerzu unterminiert werden. Er regt zur Frage an, wie soziale und politische Akteure auf diese Unsicher­ heit und Unübersichtlichkeit reagieren. Demokratie wird mit Claude Lefort begreifbar als «eine Gesellschaftsform (...), in welcher Menschen ein­ verstanden sind, mit der Herausforderung der Ungewissheit zu leben», und «in der die politische Aktivität auf Grenzen stösst».}1 Wie eine demokratische Regierungsmethode praktisch ausgestaltet wer­ den kann, dafür bietet die Schweiz reiches Anschauungsmaterial. Das war schon den Zeitgenossen bewusst. In Selbst- und Fremdbeschreibungen der Schweiz findet sich eine signifikante Häufung von Begriffen wie «Labora­ torium», «Experimentierfeld» und «Testgelände». 1871 beschrieb ein Be­ obachter die Schweiz als «politisches Versuchsfeld» für die Entwicklung republikanischer Staats- und Lebensformen.33 1899 forderte der Staats­ rechtler Carl Hilty, die Schweiz müsse sich als Staat zeigen, «in welchem eine friedliche Vereinigung vieler Gegensätze (...) auf dem Boden repu­ blikanischer Einheit möglich ist».34 Solche Charakterisierungen wurden später auch von Historikern übernommen, die den Aufbruch des Libe­ ralismus in den Schweizer Mittellandkantonen ab 1830 analysierten. So beschrieben William L. Langer und Gordon Craig die Schweiz als «das grosse Experimentierfeld des Liberalismus».35 Der Sozialhistoriker Charles Tilly war vom «wunderbaren Mikrokosmos» der Demokratisierungs- und Entdemokratisierungsprozesse’6 dermassen fasziniert, dass er festhielt: «If you get Switzerland, then you get it.»37 Die Schweiz fand im 20. Jahrhun­ dert Mittel und Wege, um die Spannungen und Zerreissproben der Mo­ derne innerhalb der institutionellen Matrix einer republikanischen Demo-

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kratie und eines kooperativen Kapitalismus zu lösen;?8 mit der Verfas­ sungsrevision von 1999 hat sie diesen Lernprozess in einer Phase fortge­ setzt, der häufig als «Postdemokratie» bezeichnet wird, in der allerdings viele längst bekannte Spannungsfelder zwischen demokratischer Gleich­ heit und kapitalistischer Ungleichheit weiterwirken.?’

Willensnation oder Produkt europäischer Eifersucht? Nationen gewinnen ihr Selbstverständnis durch das Markieren von Unter­ schieden. Sie arbeiten an ihren Distinktionsmerkmalen und beschreiben das nationale «Wir» in Abgrenzung zu den «Anderen».4° Daraus resultie­ ren Vorbilder ebenso wie Feindbilder. Konkurrenz kombiniert sich mit Austausch - auch über ein Lernen vom Gegner.41 Für die Stärkung des schweizerischen Nationalbewusstseins wirkten im 19.Jahrhundert Ge­ schichtsschreibung, Literatur und Mythologie eng zusammen mit Museen, Ausstellungen, Festen und Feiern. Diese multimedialen Übersetzungsleis­ tungen fanden in einem vielstimmigen, auf 1914 hin zunehmend antago­ nistischen Umfeld statt. Liberale Bürgerliche, katholische Konservative und sozialdemokratische Linke setzten nationale Narrative als emotionale Mobilisierungsressourcen ein. Damit intensivierte sich ein Machtspiel um die Deutung der Nation und um die Besetzung des Namens « Schweiz ».42 Die Definitionsmacht war ungleich verteilt; die hegemonialen bürgerlichen Kräfte, die den Bundesstaat politisch kontrollierten, prägten das Bild der Schweiz, blieben aber nicht unangefochten. Sie wurden durch eine Linke herausgefordert, welche Figuren der Nationalmythologie als prototypi­ sche Protagonisten der Menschenrechte deutete und damit alteidgenössi­ sche Freiheitshelden gegen die kapitalistische Unterdrückung mobilisierte. Einigkeit bestand indessen darüber, dass die Schweiz eine «historische Willensnation» sei, während andere Nationalstaaten in aller Regel auf Homogenitätsbehauptungen (gemeinsame Sprache, einheitliche Kultur, homogenes Volk) beruhten. Schon 1862 hatte der damalige Bundespräsi­ dent, der Berner Freisinnige Jakob Stämpfli, erklärt: «Würde das Prinzip der Nationalität anerkannt, so wäre damit die Existenz der Schweiz ver­ nichtet. »43 Das sagte er zu einem Zeitpunkt, als mit der italienischen Eini­ gung der bunte staatliche Flickenteppich auf der Apenninenhalbinsel ver­ schwand. Als 1871 im Norden das Deutsche Kaiserreich entstanden war, verschärfte sich das Problem. Der nationalstaatliche Formationsprozess jenseits ihrer Grenzen löste in der Schweiz einen Verkleinerungseffekt aus. In Gottfried Kellers 1886 erschienenem melancholischen Altersroman «Martin Salander» erklärte der gleichnamige Hauptprotagonist: «Ringsum uns hat sich in den großen geeinten Nationen die Welt wie mit vier eiser­

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nen Wänden geschlossen.»44 Mit diesen «Grossstaat-Kolossen»45 konnte und wollte die Schweiz staatspolitisch nichts anfangen. Auch mit dem königlich-kaiserlich integrierten «Vielvölkerstaat» der Donau-Monarchie hatte sie nichts am Hut. So waren neue Begründungen gefragt. Der an der Universität Heidelberg lehrende Schweizer Rechtswissenschaftler und Politiker Johann Caspar Bluntschli argumentierte 1875 in einer Schrift «Die schweizerische Nationalität», der Schweiz sei es aufgrund ihrer viel­ fältigen Traditionen gelungen, den politischen Nationalismus vom Kultur­ nationalismus zu entkoppeln. Damit habe sie ein europäisches Problem von grösster Tragweite glücklich gelöst. Die Nationenbildung wurde «also nicht mehr in die Anfänge der Schweizergeschichte zurückverlegt, sie wird vielmehr als der Abschluss der früheren Geschichte und als die langsam herangereifte Frucht der Gegenwart betrachtet»^6 Im selben Jahr erklärte Carl Hilty, die Schweiz basiere im Unterschied zu den europäischen Gross­ mächten auf einem «politischen Gedanken» und auf «einem Willen von zunehmender Klarheit».47 Die Vorstellung einer schweizerischen «Willensnation» war damals allerdings gerade nicht auf starre Abgrenzung angelegt. Analog zum trans­ nationalen Republikanismus, der sich bei Gottfried Keller noch bis 1872 fand, sah Hilty in den späten 1880er Jahren durchaus noch die Möglich­ keit, dass sich die Schweiz später einmal in einer grösseren Friedensordnung auflösen könnte.48 Im Zuge des 20. Jahrhunderts überwog indessen die Tendenz, die Dauerhaftigkeit der Schweiz aus ihrer singulären Geschicht­ lichkeit zu begründen. Dadurch geriet die zuvor häufig ausgesprochene Gegenthese aus dem Blickfeld: dass die Schweiz das Produkt äusserer Um­ stände und Bestrebungen ist. Überlegungen in diese Richtung finden sich etwa beim Literaturwissenschaftler Peter von Matt, der in seiner «Zeit­ reise durch die literarische und politische Schweiz »4? die schlichte Frage stellt: «Hat man sie gestattet?» Er zitiert den deutschen Autor Johann Gott­ fried Seume, der 1801/02 auf seinem «Spaziergang nach Syracus» den Streckenabschnitt Schweiz zurücklegte und schrieb: «Man hat sich auf einmal überzeugt, dass die Schweiz bisher vorzüglich nur durch die Eifer­ sucht der grossen Nachbarn ihr politisches Daseyn hatte.»5° 1846 stand in der Instruktion des österreichischen Gesandten in der Schweiz, dieses Land sei «Gegenstand eifersüchtiger Beobachtung und eines rivalisieren­ den Strebens nach Einfluss für die grossen Nachbarstaaten».?1 Die immer wieder geäusserte Vermutung, die Existenz der Schweiz könnte das Pro­ dukt des Machtkalküls europäischer Staaten sein, verschwand auch im Fin de Siècle nicht. 1910 erklärten Traugott Geering und Rudolf Hotz, die «von den vier Grossmächten Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien und

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Frankreich» umschlossene Schweiz bilde «gewissermassen einen Puffer­ staat zwischen diesen Ländern, dem nach der Absicht des Wiener Kon­ gresses von 1815 die Aufgabe der Neutralisierung der Alpenpässe zufallen solle».51 Die ungemütliche These, mit den Alpenpässen sei das ganze Land neutralisiert und in seinen Souveränitätsrechten eingeschränkt worden, wurde insbesondere ab den 1890er Jahren, als man aus der Neutralität das staatspolitische Rückgrat zu machen begann, heftig kritisiert. Die Schweiz sei, so die am Bild einer «Willensnation» orientierte Gegenthese, kein Staatswesen von europäischen Gnaden. Die Sorge, dass die Kleinen auf das Wohlwollen der Grossen angewiesen sind, wich aber nicht. 1917 verneinte der Theologe und Pazifist Leonhard Ragaz die Frage, ob in einem «Gross­ machtsystem (...) kleine Völker ein selbstständiges Leben führen» können. Er sah ein «Gravitationsgesetz» am Werk, «das sie als Satelliten an einen grösseren Staatskörper bindet».s3 So überlebte die Schweiz immer dann am besten, wenn diese Bindekräfte von allen Seiten wirkten und sich ge­ genseitig aufheben. Auch ihre Neutralität war ein Effekt einer euro­ päischen Machtkonstellation. Für eine historische Analyse erweisen sich monokausale Thesen als wenig hilfreich. Die Geschichte der Schweiz lässt sich nicht als Selbster­ schaffung des Landes im nationalsouveränen Alleingang einer Willens­ nation begreifen. Selbstverständlich war sie immer ein Objekt im Macht­ spiel von Grossstaaten. Ohne das Interesse der europäischen Mächte an der schweizerischen Eidgenossenschaft und ohne völkerrechtliche Absiche­ rungen wäre diese als souveräner Staat nicht entstanden und hätte vor allem nicht überlebt. Gleichzeitig gab es, komplementär dazu, einen inne­ ren Willen, sich vom machtpolitischen Umfeld abzuheben und den Kurs des Staates selber zu steuern. Die Gewichte haben sich im Lauf der Zeit immer wieder verlagert. In der Alten Eidgenossenschaft und im Übergang zum Bundesvertrag von 1815 überwogen externe Faktoren. Der Bundes­ staat entfaltete dann eine institutionelle Eigendynamik, blieb jedoch von den Konzeptionen und Strategien der Nachbarländer abhängig und bezog seine Binnenstabilität in starkem Ausmass aus seiner Aussenverflechtung. Er bewirtschaftete seine Grenzen mit dem Ziel, transnationale Beziehungen gezielt kontrollieren zu können, was eine permanente Anpassung des staat­ lichen Institutionengefüges an veränderte Anforderungen und Imperative erzwang. Aus dieser Perspektive lässt sich die innere Staatsbildung als Effekt von Europäisierungs- und Globalisierungsprozessen analysieren, welche wiederum durch die Schweiz mitgestaltet wurden.54 Mit der Krise des nationalen Territorialitätsprinzips, wie sie in den 1980er Jahren durch einen neuen Globalisierungsschub (Aufstieg des Finanzmarktkapitalis-

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mus, internationale Unternehmen, Transnationalisierung von Raum-, Siedlungs-, Verkehrs- und Kommunikationsstrukturen) ausgelöst wurde, gewann der Eindruck einer starken Aussenabhängigkeit an innenpolitischer Plausibilität. Im Übergang zu den 1990er Jahren setzte sich die Einsicht durch, die Schweiz müsse ihre Mitbestimmungs- und Gestaltungschancen in internationalen Gremien (Beitritt zu den Institutionen von Bretton Woods 1992.) und in der Europäischen Gemeinschaft (Beitrittsgesuch im selben Jahr) nutzen. Dieser Wille, nationalstaatliche Souveränität durch intergouvemementale und suprastaatliche Kooperation auszuüben, wich allerdings rasch einem Rückzugsverhalten. Die Schweiz vermochte das Wegbrechen der orientierungsstiftenden Bedrohungskonstellation des Kalten Krieges nicht zu verkraften und begann, an einem historischen Phantomschmerz zu leiden. Kleinstaat - kleiner Staat? Der Kleinstaat war durch das ganze 20. Jahrhundert hindurch ein Leit­ thema der politischen Reflexion.55 Erst um 1900 begann sich die Schweiz als ein solcher zu akzeptieren. Mit dem Verzicht auf eine nationalstrategi­ sche Politisierung der Aussenbeziehungen stieg die vorher oft noch kont­ roverse Neutralität damals zu einer sakrosankten Staatsmaxime auf. Die­ ses Kleinwerden ist ein wichtiger Ausgangspunkt für eine Geschichte der Schweiz im 20.Jahrhundert. Was aber ist ein «Kleinstaat»? Die meisten Länder Europas sind heute Kleinstaaten, und auch schon im Fin de Siècle waren viele Länder von ihrer Grösse her vergleichbar mit der Schweiz. Deren zentrale Lage ergab sich dadurch, dass sie als Binnenland von vier grossen Mächten umgeben war. In der engsten Nachbarschaft waren die Grössenordnungen und Potenziale sehr ungleich. Die Schweiz verfügt über eine Fläche von 41324 km1. Für das Jahr 1900 entsprach dies 14 Prozent jener Italiens, 12 Prozent jener Deutschlands und 6 Prozent jener Frank­ reichs. Die Wohnbevölkerung betrug 1900 um die 3,3 Millionen. Das war, wiederum bezogen auf die Nachbarstaaten, 10 Prozent der Einwohner Ita­ liens, 6 Prozent von Deutschland, 8 Prozent von Frankreich und 7 Pro­ zent von Österreich-Ungarn.56 Über diese territoriale und demographische Kleinheit hinaus nahm sich die Schweiz als «ausgesprochenes Grenzland» wahr.!? Geometrisch gesehen ist in einem kleinen Land der Umfang im Ver­ hältnis zur Fläche vergleichsweise lang; im Fall der Schweiz beträgt sie fast 1900 Kilometer. Man kommt in vielerlei Hinsicht rascher an die Grenze als in Nachbarländern. «Die räumliche Enge» halte «den Sinn für die Grenzen wach», schrieb Richard Weiss in seinem volkskundlichen Über­ blick. 58 Diese gefühlte Kleinheit hat immer wieder ein Abgrenzungsbe-

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dürfnis verstärkt, jedoch gleichzeitig Arbeitsteilung und Austausch er­ leichtert. In wirtschaftlicher Hinsicht fungierten Grenzen nicht als Hinder­ nis. In den Jahrzehnten vor 1914 ergänzten sich in der Schweiz Kapital­ mobilität und Personenfreizügigkeit. Schweizer Unternehmen investierten schon früh im Ausland oder auf anderen Kontinenten, und Arbeitsmigran­ ten sahen weit und breit keine Grenzen. Im Café International, in dem um 1910 die Lötschbergtunnelarbeiter verkehrten, herrschte eine weitläufige Stimmung.59 Hier musste einem die Schweiz nicht klein vorkommen. Hingegen pochte der damals aufstrebende neue Nationalismus auf Identi­ tätsbildung durch Abgrenzung. Er stärkte das nationale «Wir-Gefühl» über emotionale «Grenzarbeit».60 Kleinstaatlichkeit als politisches Lebens­ gefühl war primär ein Wahrnehmungsmodus und eine Reaktionsweise auf Herausforderungen von aussen. Über alle politischen Strömungen hinweg wurde der schweizerische Kleinstaat mit einem «kleinen Staat» gleichgesetzt, dessen allfällige Herr­ schaftsaspirationen durch eine knappe Bundeskasse von vornherein aus­ getrocknet wurden. Als Michael Bakunin im Frühjahr 1866 die Statuten der anarchistischen Fraternité Internationale niederschrieb, notierte er: «Unbedingt notwendig ist die Zerstörung aller Staaten mit Ausnahme der Schweiz.»61 Dass die Schweiz eine Ausnahme darstellen sollte, hing mit der starken - nicht nur föderalistischen - Dezentralisierung politischer Macht und mit einem fiottora-Mp-Staatsaufbau zusammen. So erfolgte (und erfolgt) die Verleihung der Staatsbürgerschaft in der Schweiz von unten nach oben. Die Einbürgerung ist eine Prärogative der Gemeinden, wer auf dieser untersten Staatsebene «naturalisiert» wird, rückt zum Kan­ tonsbürger auf, was berechtigt, sich schweizerischer Staatsbürger zu nen­ nen und Zugang zu den politischen Rechten, die der Bundesstaat gewährt, zu erhalten.61 Auch die Steuerhoheit ist föderalistisch fragmentiert; neben der Steuerkompetenz des Bundes (der ein Monopol auf indirekte Steuern hat) verfügen die Kantone, und, aus kantonalen Verfassungen unterschied­ lich abgeleitet, die Gemeinden über das Recht, Steuertarife, Steuersätze und Steuerfreibeträge festzulegen, was sie befähigt, im internationalen Steuerwettbewerb als eigenständige Akteure aufzutreten.6? In diesem politischen Gefüge durfte die gesellschaftliche Elite durchaus reich sein, die pompöse Personalisierung der Staatsmacht galt jedoch als verpönt. Zwar waren die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Kan­ tone mit einem prunkvollen Bundeshaus, mit Achtung gebietenden Parla­ mentsgebäuden, mit grosszügig angelegten Postbüros, Schulhäusern sowie Administrationssitzen um einen würdigen Auftritt der Staatsgewalt und einen gewichtigen Service public bemüht. Die Idee der Volkssouveränität

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konkretisierte sich über ein Gemeinwohl, das eine ganze Reihe von öffent­ lichen Gütern, vor allem in den Bereichen Volkserziehung, Hochschul­ forschung, Verkehr und Kommunikation, umfasste. Sobald es um per­ sönliche Macht ging, war Zurückhaltung gefragt. Zur Hemmung, mit Reichtum zu glänzen, kam eine Aversion gegen das Auftrumpfen Einzelner. Herausragende Köpfe waren suspekt. Die Schweiz ermangle «ungewöhn­ licher Individualitäten», verfüge jedoch «auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit über eine ausreichende Schar von guten und gewissenhaften Ar­ beitern», dies schrieb 1900 der ETH-Literaturprofessor und Schriftsteller Paul Seippel.6« Das war zwar keine politische Schutzversicherung gegen «Führer», aber doch eine Konstellation, in der es Demagogen schwer hat­ ten, sich gegen die «Schar» der beflissenen Durchschnittlichen durchzu­ setzen. Auf der Ebene der Administration und der Exekutive herrschte Zersplitterung vor, es gab keine Ministerien, sondern Departemente, keine Minister, sondern Departementsvorsteher, und der Bundesrat agierte eher wie ein Verwaltungsrat.6? Einen «Regierungschef» leistet sich die Schweiz bis heute nicht, das Bundespräsidium rotiert nach wie vor im Jahresturnus. Die Bundesräte waren dem Kollegialitätsprinzip verpflichtet und sprachen mit einer Stimme. Für persönliche Profilierung war das schlecht, und reich wurde man auch nicht in oder mit diesem Amt. Eine wichtige Rolle für die nationale Elitenbildung und eine republika­ nische Integration spielte die Armee.66 Ein gesamteidgenössisches Heer war erst 1817 eingeführt worden, wobei die Kantone Truppenkontingente stellten. Seit 1848 war es den Kantonen verboten, Militärkapitulationen mit ausländischen Mächten abzuschliessen - mit Ausnahme der «Schweizer­ garde» im Vatikan, welche nach Auffassung der Behörden nur als einfache Wachpolizei fungierte. Die Bundesverfassungen von 1848 und 1874 hielten gleichermassen fest, dass der Bund nicht berechtigt ist, «stehende Truppen zu halten» (Art. 13), und dass «jeder Schweizer wehrpflichtig» ist (Art. 18). Die allgemeine Wehrpflicht konnte faktisch erst im ausgehenden 19. Jahr­ hundert durchgesetzt werden; sie begründete die «Milizarmee». Die Schweiz verfügte über ein numerisch starkes Heer, das Anfang der 1960er Jahre einen Höchststand von 880000 Mann erreichte. Über das Militär begriff sich der Bundesstaat als ein Männerbund; das archaische Bild einer Bande gleichmässig bewaffneter Männer, die sich zu einem republikanischen Staatswesen vereinigt haben, erklärt zum Gutteil den noch bis 1971 an­ haltenden Ausschluss der Frauen von der Teilhabe an der demokratischen Mitbestimmung.6? Formal wurde dabei immer das Argument «Gleiche Rechte - gleiche Pflichten» ins Feld geführt;68 gerade weil sich die Schweiz im Kalten Krieg als «bedrohter Kleinstaat» imaginierte, erschien dem ab-

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wehrbereiten «Männervolk» die politische Diskriminierung der Frauen auch noch in einer Phase plausibel, in der diese im Ausland weithin nur noch Kopfschütteln auslöste. Mit dieser staatspolitischen Wirkung der Armee korrespondierte ein ge­ ringes politisches Eigengewicht der bürgerlich dominierten militärischen Führung. Alle wichtigen Funktionen in Wirtschaft, Politik, Armee und Kultur konnten in einem kleinen, international vernetzten Kreis kumuliert werden. In dieser kompakten Positionselite6’ waren die Kommunikations­ wege kurz und die Neigung zur politischen Kompromissbildung hoch. Die politische Opposition und die sozialen Bewegungen erwiesen sich dem­ gegenüber als heterogen und föderalistisch fraktioniert. Die KatholischKonservativen - und alle oppositionellen Strömungen, die auf sie folgen sollten - agierten aus den Kantonen heraus und hatten Schwierigkeiten, nationale Schubkraft zu entfalten. Dies wiederum verhinderte die Etablie­ rung eines ausbalancierten Korporatismus, wie er etwa in skandinavischen Ländern anzutreffen ist. In der Schweiz war das parastaatliche Vermitt­ lungssystem zwischen ökonomischen und sozialen Interessen auf der einen und den Institutionen des Bundesstaates auf der anderen Seite, wie es sich bereits seit den 1890er Jahren herausbildete und im ganzen 20. Jahr­ hundert eine zentrale Rolle in der schweizerischen Politik spielte, asymme­ trisch strukturiert.?0 Schon im Fin de Siècle zeigte sich eine ausgeprägte Dominanz der drei Spitzenverbände der Industriellen, des Gewerbes und der Bauern sowie der ihnen nahestehenden bürgerlichen Parteien.?1 Es entwickelte sich zwar seit der Zwischenkriegszeit eine auf Arbeitsfrieden abzielende, um die industriellen Beziehungen in Unternehmen herum orga­ nisierte paritätische Sozialpartnerschaft, in welcher die Gewerkschaften als Verhandlungs- und Vertragspartner auftraten. Im Vergleich mit anderen kleinen Staaten (Niederlande, Belgien, Schweden, Dänemark, Norwegen und Österreich) wies die Schweiz aber in der Nachkriegszeit die am besten organisierten Arbeitgeberorganisationen auf, während die Gewerkschaf­ ten den geringsten Einfluss hatten.?2 Diese Situation sollte sich bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nicht massgeblich ändern. Das Selbstverständnis der Schweiz als Kleinstaat sollte den Blick auf die Strukturmerkmale, die sie mit weit grösseren Staaten teilt, nicht verstellen. Auch ein kleiner Staat verfügt über Einfluss. Zwar tauchte im Fin de Siècle die beunruhigende Frage auf, wie die Schweiz verhindern könne, «bloss den Schein einer Selbständigkeit zu besitzen, wie San Marino und An­ dorra» (so Carl Hilty anno 1899).73 Aus der «Verkleinstaatlichung» re­ sultierte nicht einfach ein Machtverlust. Politologische Untersuchungen haben hervorgehoben, dass sie, obgleich ein «kleines Land», das Gefälle

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zwischen Binnenstruktur und der internationalen Umwelt durch inneren Komplexitätsaufbau und Ressourcenmobilisierung zu reduzieren ver­ mochte. Das politische System und die gesellschaftlichen Institutionen hät­ ten die Einflüsse von aussen ebenso wie die Zentrifugalkräfte im Inneren auf wirksame Weise moderiert. Die Schweiz habe somit schon seit der Re­ formation im beginnenden 16. Jahrhundert einen «zeitlichen Vorsprung im Aufbau von Eigenkomplexität» realisieren und Vorteile aus ihrer Lage im Zentrum Europas nutzen können. So habe sie auf Veränderungen der Aussenwelt «manchmal flexibel, manchmal auch stark selbstreferentiell» zu reagieren vermocht.?-* Die systemtheoretische Erklärung spricht von ei­ ner «doppelten Kontingenz», weil sich die Vergangenheitsbindung zusam­ men mit der Zukunftsorientierung wandelte, was es der Schweiz ermög­ licht habe, Alternativen offenzuhalten und zu wählen, z. B. bezüglich der Regulierung von Märkten oder der formellen Mitgliedschaft in suprastaat­ lichen und internationalen Organisationen. Die Kleinstaatsbeschreibung hat die Neigung verstärkt, in der Schweiz eine «kleine offene Volkswirtschaft» zu sehen.?$ Offen war diese Wirt­ schaft durchaus. Doch wurde diese im Schrumpfprozess zum Kleinstaat laufend grösser. Schon früh stellten Beobachter fest, es sei in diesem Land möglich geworden, «die Produktivkräfte des Landes weit über ihre natür­ liche Grundlage zu entfalten und im internationalen Verkehr eine weit über die Landesgrenze reichende Stellung zu behaupten» (so der deutsche Nationalökonom Heinrich Sieveking).?6 1913 schrieb Traugott Geering, es sei nicht nur das stark verflochtene Land vom Ausland abhängig, sondern der «industrielle Machtbestand der Schweiz» habe «das Ausland unserer Volkswirtschaft in dem denkbar stärkstem Masse tributär» gemacht.?? Geering schwärmte insgesamt von der «erstaunlichen Leistungsfähigkeit unseres kleinen Ländchens» und sah in keinem anderen europäischen Kleinstaat eine solch «extreme Aussenwirkung».?8 Diese strukturelle Kop­ pelung eines Kleinstaates an eine beträchtlich grosse Volkswirtschaft zieht sich durch das 20. Jahrhundert hindurch und hat sich insbesondere mit dem nach 1918 aufstrebenden nationalen Geschäftsmodell des Finanzplat­ zes noch gefestigt. Anstatt von einer SMOPEC (Small open economy) muss also von einem Kleinstaat mit einer (mittel-)grossen, offenen Volks­ wirtschaft gesprochen werden. 2006 - kurz vor dem Einsetzen der Finanz­ marktkrise - verwies die damalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Grossbank Credit Suisse auf die Innovationsstärke, die Weltpräsenz, die enormen Aktiva im Ausland und die herausragende Stellung des kleinen Landes im internationalen Vermö­ gensverwaltungsgeschäft und folgerte: «Die Schweiz ist daher in wirtschaft-

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licher Hinsicht kein kleines Land und dies gilt noch stärker im finanziellen Bereich, wo sie rundweg die Figur einer Grossmacht abgibt.»79 Im Steuer­ streit der Jahre nach 2008 zeigte sich dann, dass diese Finanzgrossmacht ihre Interessen mit einem Kleinstaat durchsetzen muss, der nicht immer eine gute Figur macht. Bezogen auf ihre gesamte Wirtschaftskraft (gemes­ sen durch das BIP) lag die Schweiz 2013 auf Platz 20 in der Weltrangliste und wurde verschiedentlich als Anwärter der G-20 in Betracht gezogen.80 Volksrechte und Konkordanzdemokratie Die Schweiz wird oftmals als «Urgestein der Demokratie» oder als «älteste Demokratie der Welt» bezeichnet. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts er­ schienen (posthum) Jacob Burckhardts «Weltgeschichtliche Betrachtun­ gen», in denen ein reziproker Zusammenhang zwischen Staatsgrösse und Freiheit der Bürger unterstellt wird.81 Die Abkehr vom Willen zur Gross­ macht wäre demnach mit einem Zugewinn an Landsgemeindedemokratie verbunden gewesen, die auch die moderne Schweiz geprägt habe. Eine solche Kontinuitätsbehauptung übersieht allerdings, wie sehr sich die Vor­ stellung von Demokratie mit dem Gleichheitsgedanken veränderte. 1848 widersprach Alexis de Tocqueville der Meinung, die Schweizer «hätten den Institutionen und dem Geist, die die moderne Freiheit ausmachen, näher gestanden als die übrigen Bewohner des europäischen Kontinents». Im Ancien Régime sei vielmehr das Gegenteil der Fall gewesen: «Obwohl die Unabhängigkeit der Schweizer aus einem Aufstand gegen die Aristo­ kratie resultierte, lehnten sich die meisten damals gegründeten Regie­ rungsformen an die Gewohnheiten, die Gesetze und sogar die Meinungen und Neigungen der Aristokratie an. Die Freiheit zeigte sich ihnen nur noch in Gestalt eines Privilegs.»81 Zu einem ähnlichen Befund gelangte Herbert Lüthy mehr als ein Jahrhundert später. Auf die Gründungsgeschichte der Schweiz zurückblickend stellte er 1961 fest, es sei nicht um «die Freiheit als allgemeines Menschenrecht», sondern um «Freiheiten als erworbene und erkämpfte Privilegien kleiner Gemeinschaften» gegangenes Diese «kleinen Gemeinschaften» waren hierarchisch organisiert und viele von ihnen waren bis 1798 an der Verwaltung von Untertanengebieten beteiligt. Weltliche und kirchliche Herrschaftsträger sowie lokale Honoratioren, die in bunter Gemengelage regierten, entwickelten ein «Privilegienmanagement» nach Innen und Aussen. Mit der Intensivierung der äusseren Be­ ziehungen setzten diese Eliten - vorwiegend unabsichtlich - beträchtliche Synergien zwischen Kapitalexport, Militärdienstleistungen und Absatz­ markterschliessung frei. Schweizerische Unternehmer, meist familiär orga­ nisiert, bauten in ganz Europa globale Marktbeobachtungskapazitäten

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auf und betrieben zudem eine erfolgreiche Geschäftsexpansion in Ame­ rika, Asien und Afrika. Diese Haltung wurde auch nach der Gründung des Bundesstaates unter anderen globalen Bedingungen erfolgreich fortgesetzt. Dieser Bundesstaat ist föderalistisch aufgebaut. Er umfasst 22, ab 1979, nach der Gründung des Kantons Jura, 23 «souveräne Kantone» (diese Be­ griffskombination verwendeten alle Bundesverfassungen bis heute).81* Drei davon - Appenzell, Basel und Unterwalden - zerfallen in je zwei Halbkan­ tone. Die Schweiz hat ein bikamerales parlamentarisches System, das aus einem transatlantischen Konzepttransfer hervorging und den USA nach­ empfunden ist.8? Das Volk wählt den Nationalrat, dessen Sitzzahl von 147 Parlamentariern im Jahre 1890 auf 200 ab 1963 anstieg; die Kantone (auch «Stände» genannt) bestellen die Ständeräte, wobei jeder deren zwei (Halbkantone je einen) stellen kann. Zusammen bilden die beiden Kam­ mern die Bundesversammlung, welche die aus sieben Köpfen bestehende Regierung, den Bundesrat, wählt. Dieses Exekutivgremium bestand nach 1848 während Jahrzehnten ausschliesslich aus Mitgliedern der «freisin­ nigen Grossfamilie». 1891 wurde - unter dem Druck der aufstrebenden Arbeiterbewegung - der Kulturkampf zurückgedrängt, und das Bürgerlich­ liberale Lager akzeptierte den ersten katholisch-konservativen Bundesrat. 1919 kam ein zweiter hinzu, 1929 fand ein Mitglied der nach dem Ersten Weltkrieg in einigen Kantonen gegründeten rechtsbürgerlichen Bauern-, Ge­ werbe- und Bürgerpartei (BGB) Eingang in die Regierung, 1943 dann der erste Sozialdemokrat. Diese Entwicklung hin zu einer «Konkordanzdemo­ kratie», in der alle grossen Parteien vertreten waren, fand 1959 mit einem festen Verteilungsschlüssel für die sieben Bundesräte ihren Abschluss. Die «Zauberformel», die anschliessend während 44 Jahren unverändert blieb, berücksichtigte in etwa die relative Stärke der Parteien und vereinigte zwei Freisinnige, zwei Katholisch-Konservative, zwei Sozialdemokraten und einen BGB- bzw. SVP-Vertreter in der Regierungskoalition, die nach dem «Kollegialitätsprinzip» funktionierte, was heisst, dass interne Meinungs­ differenzen nach aussen nicht vertreten werden (dürfen). Damit verschwand eine parlamentarische Opposition, wie sie die meisten anderen europäischen Demokratien kennen. Oppositionelle Impulse verlagerten sich im Zuge dieses politischen Integrationsprozesses auf «das Volk» und jene intrans­ parent finanzierten und meist anonym operierenden Pressure-Groups und Lobbying-Organisationen, welche den politischen Kampagnenbetrieb der direkten Demokratie mitprägten. Um die Priorität der Politik zu unterstreichen, wurden die Grundrechte 1848 (und auch 1874) knapp gehalten. Nur die Presse- und die Vereinsfrei­ heit sowie das Petitionsrecht wurden explizit erwähnt, alle anderen Rechte



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blieben implizit. Gegen Diskriminierungen liessen sich deshalb kaum Ver­ fassungsartikel ins Feld führen - was insbesondere die politisch entrech­ teten Frauen zu spüren bekamen. Generell hielt man wenig von abstrakten Prinzipien. Konsequenterweise wurde auf die Einrichtung eines eigent­ lichen Verfassungsgerichtes verzichtet und nur ein mit eingeschränkten Kompetenzen versehenes Bundesgericht geschaffen, das zudem erst ab 1875 als ständige Institution funktionierte. Zur schwach ausgebildeten «dritten Gewalt» schrieb der liberale Wirtschaftshistoriker und Diplomat William E. Rappard: «Weit davon entfernt, eine Festung zu sein, dazu bestimmt, das Recht gegen jedermann zu verteidigen und besonders die individuelle Freiheit vor politischen Angriffen zu schützen, wurde das Bundesgericht als untergeordnetes Organ geschaffen. Die Schöpfer seiner rechtlichen Grundlagen schienen weniger seine Unabhängigkeit als vielmehr seine Fügsamkeit sichern zu wollen.»86 Mit der Verfassung von 1874 wurde das Referendum eingeführt, das Volksabstimmungen zu allen Verfassungs­ änderungen (obligatorisch) und Gesetzen (fakultativ, d. h. nur, wenn das Referendum ergriffen wird und mindestens 35 000 Unterschriften zusam­ menkommen) vorschreibt bzw. ermöglicht. 1891 kam die Volksinitiative hinzu, die den Bürgern das Recht gab, Vorschläge für Verfassungsän­ derungen zu lancieren (es mussten 50000 Unterschriften gesammelt wer­ den). Seit 1921 gab es ein Staatsvertragsreferendum, welche die Aussen­ politik stärker an die Innenpolitik zurückband. Der Bundesstaat wurde nach 1874 als direkte Demokratie bezeichnet, weil er sich politisch sehr stark über «Volksherrschaft» definierte. Tatsäch­ lich hatten plebiszitäre Rückkoppelungsschlaufen - nicht nur auf nationa­ ler, sondern auch auf kantonaler und kommunaler Ebene - einen starken Einfluss auf die politische Willensbildung und Entscheidungsfindung.8? Viele Beobachter betonten allerdings die Wirksamkeit äusserer Faktoren. Dabei ging es um die starken Abhängigkeiten, Verflechtungszwänge und Bedrohungslagen, denen der eidgenössische Kleinstaat unterworfen war (oder sich imaginär ausgesetzt fühlte). Externe Kräfte wirkten auf alle Dimensionen der schweizerischen Politik ein; sowohl Form (polity) und Inhalte (policy) wie auch die Prozesse (politics) waren betroffen. Verschie­ dene kontroverse Themen - Judenemanzipation, Gotthard vertrag, Patentund Betäubungsmittelgesetzgebung, Wirtschafts- und Währungspolitik, Steuer- und Bankengesetzgebung - wurden der Schweiz von aussen nahe­ gelegt oder diktiert. Entschlossener Druckaufbau von aussen zwangen Diplomatie und Regierung immer wieder ein merkwürdiges Reaktions­ muster auf, das durch den Umschlag von entschlossener Abwehr in plötz­ liches Nachgeben charakterisiert war.

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Was die im schweizerischen Bundesstaat hochgehaltene - und von eini­ gen Kräften als transzendentaler Wahrheitsanker verklärte - Volkssouve­ ränität betrifft, so gilt es diese in einer historischen Darstellung in vier Richtungen zu hinterfragen. Erstens ist «Volk» einer der umstrittensten und prekärsten Begriffe der politischen Theorie. Das republikanische Staatsverständnis kombinierte ein egalitaristisches Prinzip mit harten Ausschlusskriterien. Wie gezeigt, erstreckte sich die demokratische Revolution von 1848 noch für 123 Jahre nicht auf die Frauen. Damit waren 50 Prozent der mündigen Menschen des Landes vom demokratischen Wahlhandeln ausgeschlossen. Dazu kamen um die 5 Prozent verarmte Bürger und Konkursiten, welche die politischen Aktivrechte einbüssten, und weitere Randgruppen, denen der Zugang glei­ chermassen verwehrt wurde. 1884 bewies eine vom Bundesrat durch­ geführte Untersuchung, dass 10 Prozent der stimmberechtigten Schweizer nicht in den Stimmrechtsregistern auftauchten.88 Als die wirtschaftlich prosperierende Schweiz in den 1880er Jahren zum Einwanderungsland mit einem steigenden Ausländeranteil wurde, kam eine weitere und bis 1914 stark zunehmende Gruppe hinzu. Vor dem Ersten Weltkrieg sah es, abgesehen vom republikanischen Frankreich, in den meisten anderen Län­ dern allerdings noch schlechter aus. Die Schweiz blieb im europäischen und internationalen Vergleich ein Land mit einer hohen Partizipationsrate von ca. 22 bis 24 Prozent von Stimmberechtigten, gemessen an der Ge­ samtbevölkerung. 8» Nach 1918 und wiederum nach 1945 reformierten viele Länder das Wahlrecht und führten das Frauenstimmrecht ein. Die Schweiz fiel zurück und gewann erst 1971 wieder Anschluss an die euro­ päische Entwicklung. Aufgrund des auf nationaler Ebene fehlenden (und nur in einigen Kantonen realisierten) Ausländerstimmrechts ist auch heute mehr als ein Viertel der Bevölkerung von den politischen Rechten ausge­ schlossen. Zweitens werfen (direkt-)demokratische Verfahren als solche (unabhän­ gig davon, wer daran teilnimmt) einige Probleme auf. 1951 hatte der ame­ rikanische Ökonom Kenneth Arrow mit dem «Unmöglichkeitstheorem» nachgewiesen, dass eine demokratische Gesellschaft aus logischen Gründen nicht eindeutig und «sachlich» definieren kann, worin ihre gemeinsame Wohlfahrt besteht.»0 Arrows Argument richtete sich nicht gegen die Demo­ kratie, die er angesichts schlechter Alternativen als optimale Staatsform wertete.»1 Doch es sensibilisierte für die Brechungen, Verschiebungen und Disparitäten, die dem «allgemeinen Volkswillen» im Zuge seiner Herstel­ lung widerfahren. Man kann mit der «Glücksforschung» zum Ergebnis gelangen, dass nicht die rationale Effizienz, sondern der emotionale Effekt

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zählt, dass mit anderen Worten die politische Praxis einer direkten Demo­ kratie die Menschen einfach zufrieden und glücklich macht.»1 Der Stolz und die Befriedigung, mit dem etwa Gottfried Kellers Romanfigur Martin Salander die Bundesverfassung von 1874 und insbesondere die Einführung des Gesetzesreferendums als «moralischen Schritt», als «tiefste Quelle neuen Freiheitsmutes und Lebensernstes» feierte, zeigt, dass solche Gefühlslagen durchaus relevant waren.»3 Dieses plebiszitäre Glücksgefühl ging allerdings auch in der Schweiz nur allzu häufig mit einem exklusiven Wir-Bewusstsein einher, das wirtschaftliche und soziale Ungleichheit legitimierte und Fremdenfeindlichkeit, die Missachtung von Menschenrechten sowie isolationistisches Überheblichkeitsgehabe nicht ausschloss. Drittens kommt hinzu, dass in der Schweiz schon früh eine Tendenz hin zu einer Output-Legitimation politischer Entscheidungen bestand. Dabei wurde die Input-Legitimation, die in der Anwendung demokratischer Ver­ fahren besteht, durch die Beurteilung der politischen Resultate verdrängt oder ersetzt. Effizienz und Stabilität schienen aus dieser Sicht wichtiger als das Einhalten der Verfassung und demokratischer Regeln. Zu Beginn des langen 20. Jahrhunderts setzte sich die Meinung durch, dass auf die Dauer Interessenorganisationen und in akuten Krisenphasen Notrechtsregimes den komplizierten und oft langsamen Mechanismen einer halbdirekten Demokratie überlegen sind. Mit der Formierung wirtschaftlicher Spitzen­ verbände und der Professionalisierung des Lobbyings bildete sich schon vor dem Ersten Weltkrieg ohne jegliche Verfassungsgrundlage eine Ver­ bands- und Verhandlungsdemokratie heraus, in der organisierte Interessen über eine Referendumsfähigkeit verfügten und dieses Drohpotenzial in ausgedehnten «vorparlamentarischen Vernehmlassungsverfahren» ausspiel­ ten.»-* In diesem System wurden sozial schwache Gruppen und schwer or­ ganisierbare Interessen (wie jene der Konsumentinnen und Konsumenten) benachteiligt. Während der beiden Weltkriege und darüber hinaus herrschte in der Schweiz zudem ein sogenanntes Vollmachtenregime, das in der exekutiv-expertokratischen Verdrängung des Verfassungsrechts weiter ging, als dies in den meisten kriegsführenden Staaten der Fall war. Wie schon in den 1930er Jahren wurden auch in der Nachkriegszeit immer wieder Dringlichkeits- und Notrecht angewandt. Die Geschichte der schweizerischen Demokratie ist nicht zuletzt eine Geschichte von Interessenspolitik und not­ rechtlichen Einschränkungen.95 Mit diesen Machtasymmetrien, welche mit der idealen Gleichheits­ unterstellung demokratischen Wahlhandelns kontrastieren, kommen vier­ tens die performative Logik und die massenmediale Inszenierung direkt-

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demokratischer Aushandlungsprozesse ins Spiel. Die direktdemokratischen Instrumente lösten in der Schweiz innovative politische Lernprozesse aus. Diese Reflexions- und Überzeugungsarbeit lässt sich allerdings nur un­ genügend verstehen, wenn von der Annahme voll informierter, rational argumentierender Bürgerinnen und Bürger ausgegangen wird. Vielmehr fungiert die Figur des aufgeklärten, sich selbst mächtigen Subjekts in der «Fabrikation staatsbürgerlichen Verhaltens»»6 primär als Fiktion. Es han­ delt sich um eine regulative Idee, welche die Überzeugung stärkt, dass sich in der politischen Auseinandersetzung unter Gleichrangigen die bessere Lösung durchsetzen wird. Die direkte Demokratie schreibt sich damit nor­ mativ in die Kulturgeschichte des besseren Arguments ein, deren materi­ elle und mediale Dimension jedoch häufig unterbelichtet bleibt.»? Geld­ spendende Kampfkomitees, Medientrommelfeuer und gut konzertierte Abstimmungsfeldzüge sollten nicht mit einer allgemeinen Manipulation des politischen Prozesses verwechselt werden. Es ging (und geht) hier viel­ mehr um die Fähigkeit von interessierten Akteuren, nationale Problemlagen und politische Lösungsmuster in einer spezifischen Weise zu strukturieren. Die Frage lautet, wer Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen so zu mobilisieren versteht, dass eine Stimmabgabe für die eigenen Kandidaten und Parolen über die Stammwählerschaft hinaus wahrscheinlich wird. Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen diese Anstrengungen zu. Die «Volks­ parteien» der Zwischenkriegszeit - inklusive der Sozialdemokraten, die sich nun ebenfalls auf diese Weise definierten - unterschieden sich von den politisch prägnant profilierten Strömungen des 19. Jahrhunderts. Sie ver­ suchten, soziale Milieugrenzen porös zu machen. «Amerikanische» Metho­ den der politischen Werbung wurden unmerklich, aber nachhaltig auf den Weg gebracht. Heute stellt sich diese Problematik in einer völlig veränder­ ten Medienlandschaft nochmals mit neuer Schärfe. Diese Überlegungen führen zu einem realistischen Bild der schweizeri­ schen Demokratie. Die moderne «Volkssouveränität» ist in ihrer histori­ schen Entwicklung und Entfaltung weder eine Verlängerung der alten «Landesgemeindedemokratien» noch die ideale Umsetzung der frühbür­ gerlichen Utopie eines auf Gleichheit aufbauenden Sozialvertrages. Viel­ mehr gerieten demokratische Teilhabegleichheit und die hierarchischen Strukturen einer bürgerlichen Gesellschaft bzw. einer kapitalistischen Wirtschaft immer wieder in Widerstreit. Gleichzeitig waren der demokra­ tische Egalitarismus und die soziale, politische und wirtschaftliche Un­ gleichheit wechselseitig stark durchdrungen. Das schränkte die Demokra­ tie ein, machte sie aber gleichzeitig robust. Der Satz Winston Churchills: «Democracy is the worst form of government except for all those others

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that have been tried» wurde in der Schweiz mit langem Atem hochgehal­ ten. Solange die Demokratie funktioniert, und sei es noch so unvollkom­ men, passiert nichts Schlimmeres. Dieser «hochgemute Pessimismus»?8, der die kollektive Befindlichkeit des neutralen Kleinestaates im langen 20. Jahrhundert in starkem Ausmass prägte, brachte auch die Erfahrung zum Ausdruck, dass in der demokratischen Achterbahn Prozesse reversi­ bel sind. Die Volkssouveränität liess und lässt sich nicht kleinkriegen. Man kann sie aber angesichts von Zwängen, wie sie die von der Schweiz aktiv vorangetriebene Wirtschaftsintegration und Normenangleichung auf europäischer und internationaler Ebene mit sich bringt, nicht einfach propagandistisch verabsolutieren, weil sie sonst zum Ressentiment gegen ein «böses Ausland» verkommt, das einem schönen kleinen Land etwas Kostbares wegnehmen will. Abhängigkeit beschränkt Souveränität. Mit ihrer Präferenz für eine rasch wachsende, international verflochtene Wirt­ schaft und Gesellschaft beschneiden die Schweizerinnen und Schweizer auch ihre national verstandene Volkssouveränität. Die Vorstellung, ein Land könne da, wo es in der internationalen Arbeitsteilung etwas zu holen gibt, Ja sagen und dann gleichzeitig wichtige Grundlagen der europäischen Integration (wie die Personenfreizügigkeit) oder der grenzüberschreitenden Kooperation (wie die gegenseitige Hilfe von Staaten bei der Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung) ablehnen, ist realitätsfremd. Darauf zu hoffen, dass nach der Europäisierung und Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte wiederum eine Phase des unangefochtenen Triumpfs von souveränen Nationalstaaten zurückkehren werde, zeugt von politischer Kurzsichtigkeit. Damals wie heute sind Entwicklungen und Zustände vielstimmig. Das Konzept der Moderne steht quer zu einer Erzählung, welche den Weg in die Gegenwart als Erfolgsgeschichte nachzeichnet. Es richtet die Aufmerk­ samkeit auf vergangene Gegenwarten mit ihren wechselnden Zukunfts­ horizonten und irritierenden Möglichkeiten.?? In diesem Buch werden immer wieder die Spannungen zwischen Demokratie, Kapitalismus und Nationalmythologie in der Moderne angesprochen.100 Angestrebt wird eine Darstellung, die Regelvertrauen und Erwartungssicherheit nicht vor­ aussetzt, sondern zunächst einmal als unwahrscheinlich betrachtet. Die Aufeinanderfolge von Phasen struktureller Stabilität und Destabilisierung wird auf lange Zyklen von Prosperität und Krisen bezogen.101 Die Ge­ schichte der Schweiz im 20. Jahrhundert wird so zu einer Parabel über den institutionellen Umgang mit Ungewissheit und das politische Einhegen von Unsicherheit. Die Moderne steht als Chiffre für die Ambivalenzen all dessen, was aus ihr hervorgegangen ist - auch in der Schweiz.

ERSTER TEIL

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1. Prosperität um 1900

Tout va bien? Die Schweiz an der Jahrhundertwende 1900 publizierte Paul Seippel eine grosse Rückschau auf «Die Schweiz im 19. Jahrhundert», an der bedeutende Gelehrte, Politiker und Schriftsteller mitwirkten.1 Für den Professor für französische Literatur und Sprache am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, der sich zeit seines Lebens als Brückenbauer zwischen der Deutsch- und der Westschweiz verstand, hatte das 19. Jahrhundert in der Schweiz schlecht begonnen, aber gut geendet. Die Zeit um 1800 und die Helvetische Republik hätten «für unser Vater­ land unter traurigen Vorzeichen» gestanden. Die Alte Eidgenossenschaft, «eine Art Versicherungswerk gegen äussere Gefahren», war 1798 unter­ gegangen. In den darauffolgenden Jahren verlor sie ihr Selbstbestimmungs­ recht, litt unter inneren Konfrontationen, den Koalitionskriegen und schliesslich 1817 an einer schweren Hungersnot und Teuerung. Von die­ sem misslichen Zustand ausgehend erzählt Seippel in selbstbewusstem Ton die Geschichte einer harmonischen Entfaltung stabiler staatlicher Institu­ tionen und demokratischer Partizipation. Im Verlauf des erfolgreichen 19. Jahrhunderts sei auch das Schweizervolk entstanden: «Es schuf sich selbst, im Vertrauen auf seine nationale Kraft und in dem Wollen, sich eine nationale Einheit zu geben.»2 Besonders wichtig war für Seippel zudem, dass die Schweiz «zu einem Grundartikel des Völkerrechts» geworden sei und sich des «besonderen Zutrauens» der Mächte erfreue. «Nach innen» habe sie «den neuzeitlichen Idealstaat auf dem Grundsätze der geordneten Freiheit» aufgebaut, mit einer derart stabilen Regierung, «dass man sie für unabsetzbar halten möchte».3 Der Herausgeber der Jahrhundertrückschau war sichtlich stolz auf das Erreichte. Doch bei allem Glauben an den internationalen Fortschritt wer­ tete Seippel, so wie viele seiner Zeitgenossen, Industrialisierung und Ur­ banisierung negativ. Die schweizerische Landschaft gleiche inzwischen «mit ihren schachbrettartigen Feldern dem Hanswurstgewande». Die «mit Wasserwaage, Senkblei und andern die Schönheit mordenden Werkzeu-

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Robuster Kleinstaat

gen» bewaffneten Ingenieure seien bereits «bis in die Einsamkeit der Alpen» vorgedrungen.4 Die «Verheerungen» und «Verstümmelungen» der Moderne und ihres «Gewerbesinns», die Seippel beschwor, beunruhigten viele. Degenerationsängste und die Furcht vor Dekadenz bildeten die düs­ tere Kehrseite der Zukunftsgläubigkeit. Diese Ambivalenzen waren um 1900 auch in der Politik präsent. Das politische Gefüge der Schweiz war damals dreigeteilt, mit einer staatstra­ genden freisinnigen «Grossfamilie» in der regierenden Mitte, konfrontiert mit zwei oppositionellen Polen: der katholisch-konservativen Rechten und der sozialistischen Linken. Bis zum Ersten Weltkrieg hielten die Freisin­ nigen unter dem Majorz-Wahlrecht, bei dem die jeweils stärkste Partei alle Sitze eines Wahlkreises erhielt, ihre Vorherrschaft mit nahezu zwei Drit­ teln im Nationalrat und einer satten Mehrheit im Ständerat. Diese starke Position wurde allerdings herausgefordert. Ganz allgemein erfuhren die parlamentarischen Fraktionen eine Stärkung, und die grossen weltan­ schaulichen Richtungen konstituierten sich neu als politische Parteien. So mutierten die Freisinnigen um die Mitte der 1890er Jahre von einer Frak­ tion in der Bundesversammlung zu einer Partei, die sich in ihren Statuten zu Sozialreformen bekannte, sich gleichzeitig gegen die beiden «Flügelpar­ teien» zur Linken (gegen Sozialismus und Internationalismus) und zur Rechten (gegen «Ultramontanismus und Reaktionäre») abgrenzte. Die Katholisch-Konservativen hatten sich nach dem verlorenen Sonderbunds­ krieg ins «Ghetto» oder - besser - in ihre Innerschweizer und alpinen Strongholds zurückgezogen.? Dank Föderalismus und Ständerat (der als «kleine Kammer» die kleinen Kantone in der politischen Repräsentation des «Volkswillens» privilegierte) und des Gesetzesreferendums vermoch­ ten sie im freisinnigen Bundesstaat eine starke innenpolitische Stellung zu behalten. Sie stellten um 1900 knapp ein Fünftel der Nationalräte und über ein Drittel der Ständeräte. Aus dieser relativen Position der Stärke heraus boten sie sich als Bündnispartner gegen die erstarkende Linke an. Und der innerlich geschwächte Freisinn war bereit, die alten Gegner in die Politik des Bundesstaates einzubinden. 1891 erfolgte die Wahl des ersten Katholisch-Konservativen, Joseph Zemp, in die Landesregierung. Mit dieser Anlehnung an die Rechte fächerte sich gleichzeitig der linke Rand des Freisinns auf. 1893 entstand eine liberaldemokratische Fraktion, 1913 wurde die Liberale Partei der Schweiz gegründet. 1896 konstituier­ ten sich die Ostschweizer Demokraten unter dem St. Galier Theodor Curti als Fraktion. Diese nannte sich selber «Äusserste Linke», wurde später als «Sozialpolitische Gruppe» oder «Extreme Linke» bezeichnet.6 Linke Demo­ kraten wie Curti vertraten noch 1900 die Ansicht, in der republika­

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nisch-direktdemokratischen Schweiz könne es gar nicht «zur wirklichen Scheidung der Arbeiter in Nationale und Internationale oder in Reformer oder Revolutionäre» kommen. Jenseits der «äussersten Linke» konnte er sich keine Parteiformation vorstellen.? Und tatsächlich machte die 1888 gegründete Sozialdemokratie (SPS) bei den Wahlen keine gute Figur. Die wenigen 1896 gewählten sozialdemokratischen Nationalräte schlossen sich vorerst der «Sozialpolitischen Gruppe» an. Auch als sie 1911 eine eigene Fraktion bildeten, kamen sie über ein Zehntel der Stimmen nicht hinaus.8 In der Folge wandte sich die ganze Arbeiterbewegung deutlich nach links. Das marxistische «Klassenkampf»-Programm der SPS von 1904, das (wie schon 1888) die Verstaatlichung der Produktionsmittel und (neu) die politische Gleichberechtigung der Frau forderte sowie den Internatio­ nalismus stark machte, brachte eine Radikalisierung zum Ausdruck, die sich ab 1900 in der Debatte um den politischen Massenstreik nieder­ schlug.? In der Folge beherrschte genau dieser Richtungsstreit zwischen sozialen Demokraten, die auf (direkt-)demokratische Partizipation setzten, und sozialistischen Klassenkämpfern, die den Staat als politische Kampf­ bastion des Kapitalismus wahrnahmen, die Auseinandersetzungen inner­ halb der Linken. Ein radikaler Flügel übte sich in einer neuen Rhetorik, die auf die revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems abzielte. Ein populärmarxistischer «wissenschaftlicher Sozialismus» machte die Formel vom «Genossen Trend» plausibel; es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der Kapitalismus sich selber abschaffen und dem Sozialis­ mus zum historischen Triumph verhelfen würde. Demgegenüber konnten die «Grütlianer», die sich 1901 auf der «Solothurner Hochzeit» mit der Sozialdemokratie vereinigt, jedoch ihre organisatorische Selbstständigkeit bewahrt hatten, mit Kampfbegriffen wie «Klassenkampf» und «Revolu­ tion» wenig anfangen und vertrauten auf die Reformkraft der schweize­ rischen Demokratie. Unterstützt wurden sie von Nichtsozialisten wie Curti, Hilty und Seippel; Letzterer entwickelte ein Verständnis für «die Leute», die «zum Räderwerk der ungeheuren, für den Kapitalismus arbeitenden Ma­ schine» gehören und die «furchtbare Kehrseite des materiellen Fortschritts» am eigenen Leibe mitbekommen. Die «Klassenkämpfe» erklärte Seippel deshalb auch mit einem Mangel an Reformbereitschaft im Freisinn.10

Heterogene Gesellschaft, vielfältige Kulturlandschaften Angesichts der Beschleunigungserfahrung der Zeit um 1900 hielt Carl Hilty den Prognosewert eines Jahrhundertüberblicks für äusserst gering. Das Land stehe, so seine verunsichernde Beobachtung, «am Anfang von

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etwas noch Unbekanntem, aber wahrscheinlich stark Verändertem».11 Jede Beschreibung des «modernen Staates» könne deshalb nur noch eine «Moment-Aufnahme» sein. Eine solche war auch die Bevölkerungszäh­ lung von 1900, die zeigt, dass von den 3,3 Millionen Menschen, die um 1900 in der Schweiz lebten, 88 Prozent Schweizer Bürger und 12 Prozent Ausländer waren. Zu diesen kamen Saisonarbeiter und Grenzgänger, die keinen ständigen Wohnsitz in der Schweiz hatten. Das war ein Auslän­ deranteil, der im damaligen Europa, von Luxemburg abgesehen, einen Rekord darstellte, so dass die Schweiz als «die grosse Arbeitsmarktdreh­ scheibe Europas» bezeichnet werden kann.12 Aufgrund des hohen Gebur­ tenüberschusses machte sich in der Bevölkerung eine Verjüngungstendenz bemerkbar. Gleichzeitig nahm die Lebenserwartung zu. Hatte sie um 1800 durchschnittlich noch ungefähr 35 Jahre betragen, so war sie bis 1900 um ein Drittel auf 48,9 Jahre für Frauen und 46,2 Jahre für Männer angestiegen. *3 Die schweizerische Bevölkerung sprach damals zu 64 Prozent Deutsch, zu 20 Prozent Französisch und zu 6 Prozent Italienisch (in den beiden Kantonen Tessin und, zum kleinen Teil, Graubünden). Der Bundesstaat hatte von Anfang an diese drei Sprachen als Amtssprachen anerkannt. Konfessionell stellten die vor allem im wirtschaftlich entwickelten Mit­ telland, am Lac Léman und im (südlichen) Jura vorherrschenden Pro­ testanten mit 57 Prozent die grösste Gruppe, gefolgt von den eher in länd­ lich-alpinen Kantonen (Fribourg, Wallis, Tessin) und in der Innerschweiz lebenden Katholiken mit 42 Prozent. Aufgrund der meist wirtschaftlich motivierten Abwanderung aus diesen Gebieten gab es allerdings einen starken «Diaspora-Katholizismus» in reformierten Städten. 0,4 Prozent der Bevölkerung waren jüdischen Glaubens; «Muselmanen» (Angehörige des islamischen Glaubens) wurden an der vorletzten Jahrhundertwende nur gerade 54 gezählt. Die religiösen Orientierungen verwiesen insbeson­ dere bei den Katholiken auf ein geschlossenes Weltanschauungssystem und waren verankert in Praktiken der Volksfrömmigkeit, welche die poli­ tischen Strukturen auf kantonaler Ebene stützten und bei denen politische Interventions- und Mobilisierungsformen im nationalen Rahmen ansetzen konnten, u Trotz Industrialisierung, Urbanisierung und Einwanderung behielt die Schweiz einen stark ländlichen Einschlag. Es gab 1900 bloss 21 Orte mit mehr als 10000 Einwohnern, die als Stadt definiert wurden. Hier lebte etwas mehr als ein Fünftel der Bevölkerung. Die urbane Kultur konzen­ trierte sich auf eine Handvoll grössere Städte: Genf, Lausanne, Bern, Basel, Zürich; die meisten dieser Zentralorte wuchsen in den Jahrzehnten vor

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dem Ersten Weltkrieg durch Zuwanderung und Eingemeindungen in neue Grössenordnungen hinein. Daneben gab es weitere (mit den grossen Städ­ ten insgesamt 28) Ortschaften, die Standort kantonaler Regierungen waren. In kleinen Kantonen hatten diese Hauptorte teilweise nur um die 1000 Ein­ wohner. Ein Drittel der Bevölkerung lebte in kleinen Dörfern mit maximal dieser Grösse, in denen sich (fast) alle kannten. In diese Kategorie der klei­ nen Ortschaften gehörten um 1900 vier Fünftel der insgesamt 3200 Ge­ meinden der Schweiz. Trotz Land-Stadt-Wanderung blieb der Urbanisie­ rungsgrad unter dem europäischen Durchschnitt.1? Dennoch wurden die verstreuten dörflichen Bevölkerungen verstärkt in einen nationalen Kom­ munikationsraum integriert, so dass die alten sozialen Schranken und Tra­ ditionen auch ohne Zentralisierung der Siedlungsstrukturen aufgebrochen wurden. Dasselbe gilt für die ländliche Industrialisierung mit den vielen Fabrikanlagen entlang von Flüssen und Mischformen zwischen Landwirt­ schaft und Heim- oder Industriearbeit. Die Schweiz um 1900 kann als bürgerliche Gesellschaft charakterisiert werden, in der Werthaltungen wie Arbeitsamkeit, Wohlanständigkeit und Qualität in weiten Bevölkerungsschichten hohes Ansehen genossen. Ein Blick auf die Sozialstruktur zeigt allerdings, dass um 1900 nur insge­ samt 15 Prozent der Bevölkerung dem Bürgertum zugeordnet werden können; zieht man die Rentner ab, so bleiben 13 Prozent bürgerliche Selbständige, darunter gegen 9 Prozent aus Industrie und Handwerk, wo­ rin sich die Dominanz des Wirtschaftsbürgertums ausdrückt. Es wurde geprägt durch einen fachlich und regional vielfältig fragmentierten Mit­ telstand, dem viele kleinere und mittlere Unternehmen zuzurechnen wa­ ren. Die Arbeiter/innen und Angestellten, die sich mental beträchtlich unterschieden, kamen zusammen auf 47 Prozent, zu den Bauern zählten 31 Prozent, zum Hausgesinde bzw. Dienstpersonal 5 Prozent. In den grösseren Städten, wo es fast keine Bauern gab, machte das Bürgertum ein Fünftel aus, während die Lohnerwerbstätigen mit ihren Familien mit fast zwei Dritteln quantitativ deutlich dominierten.16 Hier wurde die ge­ werkschaftliche Organisationsfähigkeit allerdings beschränkt durch eine politisch relevante «Kragenlinie» (zwischen Arbeitern und Angestellten). Am unteren Ende der Sozialhierarchie befanden sich sozial randständige Gruppen wie die bis 1872 zu Zehntausenden eingebürgerten «Vaganten» oder «Nichtsesshaften», die dadurch von «Heimatlosen» zu Bürgern ge­ worden waren. >7 Von ihnen wurde vor allem Anpassung an die dominie­ renden Lebensformen erwartet; wirtschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten und soziale Akzeptanz hatten sich durch die staatsrechtliche Massnahme kaum verbessert.

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Ein im Schatten der relativen Prosperität des Landes versinkendes Pro­ blem war jenes der Verdingkinder. Es handelte sich um Waisen- und Schei­ dungskinder, teilweise auch um Kinder aus sozialen Problemfamilien, die über das ganze 19. Jahrhundert hinweg und noch bis in die 1960er Jahre hinein zu mehreren Hunderttausenden über die Vermittlung der Behörden interessierten Abnehmern öffentlich feilgeboten wurden. In den Jahren vor 1914 waren es um die vier Prozent aller Kinder (gegen 500000), die schweizweit diesem Schicksal ausgesetzt waren. Im Kanton Bern belaufen sich die Schätzungen auf einen Anteil von 10 Prozent.18 Bis in die Zwi­ schenkriegszeit hinein wurden diese Kinder auf einem Verdingmarkt ver­ steigert, der einer Kostensenkungslogik folgte. Den Zuspruch bekamen jene Anbieterfamilien, welche am wenigsten verlangten, was dazu führte, dass diese Kinder genau auf ihre Arbeitsfähigkeit hin untersucht und teil­ weise, wie beim Vieh üblich, abgetastet wurden. In anderen Landesgegen­ den wurden die Kinder per Los wohlhabenderen Familien auch gegen deren Willen zugeteilt. Resultat dieser Fremdplatzierung war ein informeller Leibeigenenstatus, verbunden mit Zwangsarbeit und Züchtigungsrecht.1? Der vielfach dokumentierte sexuelle Missbrauch dieser Kinder wurde nicht oder nur mit unzulänglichen Massnahmen geahndet. Behördenwillkür und soziale Ausbeutung gingen im Verdingkinderwesen eine Verbindung ein, die - im historischen Rückblick - jeder Vorstellung von konstitutio­ nellem Grundrechtsschutz Hohn sprachen.10 Diese sozialen Ungleichzeitigkeiten gingen einher mit regionalen Ver­ werfungen. Die regionale und kantonale Verteilung des Pro-Kopf-Ein­ kommens wies feste Muster auf. Mit Ausnahme des Kantons Zug lagen die Zentralschweiz und, noch signifikanter, die Alpenkantone Graubün­ den, Tessin und Wallis unter dem schweizerischen Durchschnitt. Hohe Werte wurden in den Kantonen Zürich und Neuenburg verzeichnet, die Spitzenwerte hielten Basel-Stadt und Genf. Während alte Industrieregionen und urbane Zentren, nicht nur im Mittelland, am Genfersee und in der Nordostschweiz, sondern auch im Jura, im Appenzeller- und Glarnerland, wirtschaftlich aufstrebten, verharrten katholisch-konservative Kantone mehrheitlich in einer Abwehrhaltung gegen die als zersetzend wahrgenom­ mene Moderne. Der Föderalismus entfaltete dabei eine stabilisierende Kraft. Er förderte in den Kantonen eine Binnensicht, welche soziale Un­ gleichheiten und politische Herrschaftsverhältnisse legitimierte, während er den Blick auf landesweite Disparitäten verstellte. Ein besonders eindrückliches, von den Konsequenzen her langlebiges Beispiel für das Beharrungsvermögen einer «christlichen Staatsform» war der Kanton Freiburg/Fribourg. Er wies um 1900 die niedrigsten Pro-Kopf-

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Einkommen auf, was sich bis 1930 nicht ändern sollte. Es zeigte sich in diesem Kanton eine besonders enge Verschränkung von religiösem Kos­ mos, politischer Ordnung und sozioökonomischer Rückständigkeit. Ab 1881 entstand unter dem bis 1913 regierenden Staatsrat und Ständerat Ge­ orges Python eine «christliche Republik», die sich bis 1921 und darüber hinaus halten konnte.11 Die politischen Führungsschichten des Kantons sahen in der Landbevölkerung ein «peuple imbécile», das auf dem einzig wahren Weg gehalten werden musste. Nach aussen wurde der Staat als moralischer Hort stockkatholischer Strenggläubigkeit gegen alle «Irrleh­ ren» geschützt. Es gab nur beschränkte Gewaltenteilung (mehrere der aus­ schliesslich katholisch-konservativen Regierungsratsmitglieder sassen gleichzeitig im Parlament) und bis in die Zwischenkriegszeit hinein keine direktdemokratischen Rechte. Um die Misere der Staatsfinanzen zu ver­ tuschen, setzte Python nach Bedarf gefälschte Bilanzen ein. Dass bei den kantonalen Wahlen regelmässig die erdrückende «schwarze» Mehrheit bestätigt wurde, war dem katholischen Diözesanklerus zu verdanken, der die «Insel des Traditionalismus»11 als «gottgegeben» verteidigte, unter anderem mit Exkommunikationsdrohungen von der Kanzel gegen jene, die nicht die «richtige Partei» wählten. Mit der 1889 gegründeten «katho­ lischen Universität», die den Antimodernismus intellektuell aufrüstete, sollte die politische Machtbastion geistig befestigt werden. Abgesehen von der erfolgreichen Erschliessung der Wasserkraft, die un­ ter anderem die Finanzmittel für den Betrieb der Universität zu generieren hatte, sah die Fribourger Elite in Industrialisierung und Wirtschaftsent­ wicklung Einbruchstore für liberale Kräfte und ein säkularisiertes Lebens­ verständnis. Ansätze dazu wurden wirksam verhindert. Der Anteil der Landwirtschaft an der Beschäftigung war deshalb um 1900 mit 52 Prozent signifikant höher als im Landesdurchschnitt. So gehörte Fribourg - wie andere Kantone des ehemaligen Sonderbundes auch - um die Jahrhundert­ wende gleichsam einer anderen Zeitdimension an als die wirtschaftlich­ industrielle Schweiz. Das von ausgeprägter Volksfrömmigkeit durchdrun­ gene Wirklichkeitsverständnis perpetuierte die katholisch-konservative Staatsform.23 Mit der Ausrichtung auf «Rom» als das Zentrum der katho­ lischen Weltkirche, von wo aus der Papst ab 1871 ex cathedra die «unfehl­ bare Wahrheit» verkünden konnte, praktizierte die Fribourger Führungs­ schicht einen emphatischen Transnationalismus, der mit der herrschenden politischen Kultur der Schweiz wenig kompatibel war. Dass die Berner Jungfreisinnigen noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg einen «Freischaren­ zug» gegen das «Königreich Python» planten,1* zeigt, dass der helvetische Föderalismus durch einen anhaltenden Kulturkampf politisch herausge-

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fordert wurde. Die Angst vor der aufstrebenden Arbeiterbewegung, die Freisinnige und Katholisch-Konservative gleichermassen teilten, beför­ derte jedoch eine Annäherung; dass 1919 der zweite nicht-freisinnige Bundesratssitz an Jean-Marie Musy und damit an einen bankennahen Vertreter aus dem «schwarzen» Kanton Fribourg ging, dokumentierte diese Bürgerblock-Strategie, die nun schweizweit stark auf die Entwick­ lung des Finanzplatzes setzte.

Volkswirtschaftlicher Strukturwandel und zweite industrielle Revolution Nach dem Ersten Weltkrieg bewegte sich die schweizerische Wirtschafts­ leistung pro Kopf der Bevölkerung an die Weltspitze.1? Doch schon um 1900 gehörte die Schweiz zu den am stärksten industrialisierten Ländern der Welt.16 Häufig werden dafür zwei Gründe genannt, die zwar populär, jedoch nicht triftig sind. Erstens spricht wenig für die These, der wirtschaft­ liche Aufstieg der Schweiz sei eine Reaktion auf vorgefundene natürliche Kargheit. Längst nicht alle Länder, die arm an Rohstoffen sind, wurden reich. Umgekehrt herrschte in solchen, die mit Ressourcenreichtum geseg­ net waren, oft krasse Not. Zudem war die Ausstattung der Schweiz mit natürlichen Ressourcen gar nicht so schlecht. Für eine weltmarktoffene Landwirtschaft fand sich einiges, was sich rentabel verwerten liess und insbesondere für Handwerk sowie Elektrizitätswirtschaft gab es viele gute Produktionsvoraussetzungen und Rohstoffe (z. B. Pflanzen- und Tierpro­ dukte wie Holz und Leder, Wasserkraft etc.). Zweitens kann der wirt­ schaftliche Erfolg der Schweiz schlecht mit einem im Protestantismus ver­ ankerten kapitalistischen Geist erklärt werden. Wenn Heinrich Sieveking nach dem Ersten Weltkrieg schreibt, der Schweizer sei «noch heute (...) in seiner Arbeitsamkeit und Sparsamkeit ein typischer Vertreter des Kapita­ lismus», so benennt er durchaus feststellbare Qualitäten, die indessen nicht religiös gebunden waren. Auch in katholischen Landesgegenden wurden das Arbeitsethos und ein sparsamer Lebenswandel hochgehalten. Beson­ ders wichtig für die Wirtschaftsleistung waren stattdessen die spezifischen Fertigkeiten der Arbeitskräfte und deren Flexibilität. Dazu kam ein inter­ national umsichtig operierendes Unternehmertum. Die Schweiz war Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Pfad modernen Wirt­ schaftswachstums eingeschwenkt.1? 1876 setzte, leicht verzögert gegenüber dem Ausland, ein gravierender wirtschaftlicher Rückschlag ein. Die Bau­ wirtschaft geriet in eine tiefe Krise, und der Strukturwandel in der Land­ wirtschaft wurde vorangetrieben. Die Entstehung von Weltmärkten für Ge­ treide löste einen rapiden Preisverfall aus, was eine Umstellung weg vom Ackerbau hin zur Milch- und Graswirtschaft erzwang. Es kam zu einem

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massenhaften «Bauernsterben» und zu einer Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung in der Nahrungsmittelversorgung. Die Bevölkerung hatte sich mit der - anfänglich zu bangen Fragen Anlass gebenden - Tatsache abzufinden, dass das «tägliche Brot» nun Tausende von Kilometern von den Schweizer Landesgrenzen entfernt wuchs; landschaftsästhetisch schlug sich die Umstellung vom Acker- zum Grasland im Übergang von einer «gelben» zu einer «grünen Schweiz» nieder. Weidende Kühe auf Wiesen gehörten fortan zur Grundausstattung des Agrarsektors, und die Milch verarbeitende Industrie - Käse, Kondensmilch, aber auch die ab 1879 lie­ ferbare Milchschokolade - nahm einen bemerkenswerten Aufschwung. In der neuen Wachstumsphase reduzierte sich der Anteil der in der Landwirt­ schaft Beschäftigten nochmals kräftig von 42 Prozent im Jahre 1880 auf 31 Prozent anno 1900. Mitte der 1880er Jahre geriet die schweizerische Volkswirtschaft in eine zweite industrielle Revolution.18 Angebotsseitig spielten Innovationen und Techniktransfer zusammen.1’ Wissenschaftliche Forschungsergebnisse wur­ den systematischer als bisher für technologisch-arbeitsorganisatorische Neuerungen in der Fabrikproduktion sowie in Distributions- und Trans­ portsystemen genutzt?0 Damit entstanden neue Industriebranchen, insbe­ sondere Leichtmetalle, Pharma, Elektrotechnik, Fahrzeugbau, und es setz­ ten neue Entwicklungen in der schon älteren Chemie, im Maschinenbau und in der Uhrenindustrie ein. 1894 sprach ein amerikanischer Technik­ journalist, der die gerade neu gebauten ersten Kraftwerk- und Stromver­ teilungsanlagen bestaunt hatte, von der Schweiz als «the present electrical centre of Europe»?1 Ein Jahr später setzte ein fulminanter Kapazitätsaus­ bau in der Produktion elektrischer Energie auf Wasserkraftbasis ein; 1914 waren bereits 90 Prozent der schweizerischen Bevölkerung an entspre­ chende Verteilsysteme angeschlossen?1 Zur «weissen Energie» (Wasserkraft aus den Schneebergen) kam von Anfang an das «weisse Metall»: 1888 war in Neuhausen die Aluminium-Industrie-Aktien-Gesellschaft gegründet worden, die sich schon vor dem Ersten Weltkrieg mit der Sonne als Firmen­ logo «zu einem internationalen, vertikal integrierten Konzern mit eigenen Bauxitgruben, Tonerdefabriken, Hütten (Elektrolysen), Kraftwerken und Verarbeitungswerken» (Bauxitgruben in Australien und Afrika; Alumini­ umhütten in Island und Norwegen) entwickelte?} In den ersten Jahrzehn­ ten des 20. Jahrhunderts wurde die schweizerische Industrielandschaft durch solche und weitere Neuerungen nachhaltig verändert?* Wichtige und unverzichtbare Impulse für diese wirtschaftliche Expan­ sion kamen von der Nachfrageseite. In den Städten setzte eine rege, oft spekulative Neubautätigkeit ein, welche zunächst dem kaufkräftigen Be­

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darf nach Wohnraum voraneilte, jedoch mithalf, die Bedürfnisstandards zu heben. In den Klagen über Wohnungsnot, ungenügende Licht- und Luftverhältnisse, schlechte Frischwasserzufuhr und Abwässerentsorgung sowie über mangelnde Heizung und Materialqualität drückten sich Wün­ sche nach einem «guten Wohnen» aus, die in dieser Zeit überhaupt erst breitenwirksam wurden. Eine ähnliche Demokratisierung von Konsum(-vorstellungen) zeigte sich in der - allerdings noch bescheidenen - küchen­ technischen Ausstattung und im Mobiliar von Haushalten.35 Die Produktivitätsgewinne in wichtigen Sparten der Schweizer Wirt­ schaft schufen in dieser Phase die Spielräume für Kaufkraftsteigerungen. Von einem niedrigen Niveau ausgehend stiegen die Reallöhne (d. h. die preisbereinigten Löhne) zwischen 1890 und 1914 um ein Drittel an.36 Der Zuwachs an Konsumkaufkraft ermöglichte wiederum erstmals eine ausreichende Ernährung auch in den «arbeitenden Klassen» und beför­ derte eine sozialistische Kultur des Wirtshauses. Die Schweiz wies bereits in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg im internationalen Ver­ gleich ein hohes durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen auf und nahm bald den Spitzenplatz ein.37 In derselben Phase setzte die erste Kontro­ verse um eine mit dem konjunkturellen Aufschwung einhergehende Teu­ erung ein. «Breite Schichten unseres Volkes bis tief in den Mittstand hin­ ein stöhnen heute beim teuren Brote!», verlautete eine Zeitung 1911.38 In Anlehnung an die historische Befreiungsmythologie der Schweiz wurde angefügt, die Frauen forderten «nach dem Vorbild der weiland Stauffacherin, von den Männern eine befreiende Tat>». Dies stellte eine unver­ hohlene Streikaufforderung an die Männer dar. Arbeitskämpfe schienen gerade in einer Wachstumsphase, in der trotz des inflationären Preisauf­ triebes die Kaufkraft der «arbeitenden Klassen» leicht zunahm, Erfolg versprechend zu sein. In den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg blieb die Aussenhandels­ quote hoch. Da nur ein Teil der schweizerischen Industrieproduktion lokal abgesetzt werden konnte, richteten sich spezialisierte Firmen der che­ misch-pharmazeutischen und der Uhren-Industrie zu 90 und mehr Prozent auf ausländische Absatzmärkte aus. Auch für andere Branchen wie die Maschinen-, die Elektro- und die Schokoladenindustrie betrug diese Aus­ senorientierung in den wichtigsten Unternehmen über 50 Prozent. Pro Kopf der Bevölkerung exportierte die Schweiz weit mehr als die umliegen­ den Grossstaaten, nämlich das Zweieinhalbfache von Deutschland bzw. das Siebenfache von Österreich-Ungarn. Diese Kennziffer lag jedoch unter jener anderer Kleinstaaten wie die Niederlande oder Belgien^? Die Aussen­ handelsquote (Exporte und Importe in Prozent zum BIP), die ein Mass für

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die Verflechtung einer Volkswirtschaft nach aussen ist, bewegte sich vor 1914 um die 70 Prozent (was dann erst wieder Ende des 20. Jahrhunderts der Fall war). Doch die Exporte waren nicht der Wachstumsmotor, sondern eine Folge des allgemeinen Wirtschaftswachstums. Produktivitätsgewinne wurden an Käufer weitergegeben, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirt­ schaft gegen aussen steigerte. In wichtigen Exportbranchen (wie der Elek­ tro- und Uhren- sowie der Maschinen- und chemischen Industrie) waren die Produkte hoch spezialisiert. Aufgrund einer geringen Nachfrage­ elastizität konnte mit Bestellungen auch in Kriseneinbrüchen gerechnet werden, was konjunkturstabilisierend wirkte.4° Neben rasch wachsenden Grossunternehmen und prosperierenden Firmen im Bereich der Klein- und Mittelunternehmen, die auf Kapitaleinsatz und Mechanisierung setzten, gab es weite Bereiche, in denen Hand- und Heimarbeit vorherrschend wa­ ren. Um 1900 wurden immer noch über 90 000 Heimarbeiter/innen ver­ zeichnet, fast zwei Drittel davon in Zürich und der Ostschweiz, der grösste Teil von ihnen Frauen. Um die 200 000 fanden im Kleingewerbe und im Kleinhandel ihr Auskommen. Dazu kamen um die 90 000 zum überwie­ genden Teil weibliche Dienstboten (bzw. Hausgesinde), 30000 Angestellte in Hotels und Pensionen sowie einige Tausend Hausierer. In diesen Berei­ chen waren die Arbeitszeiten sehr hoch, Schutzbestimmungen fehlten weitgehend, und die Produktivität war gering. Dies schlug sich in vielen Branchen in niedrigen Löhnen nieder. Die starke Einwanderung dämpfte die Reallohnentwicklung; dass trotzdem so viele ausländische Arbeits­ kräfte in der Schweiz eine Beschäftigung suchten, muss aber wiederum als Indiz für ein im Vergleich mit andern Ländern hohes Lohnniveau gelten.«1 Was die Erwerbsarbeit von Frauen betrifft, wurden deren Löhne durch direkte Geschlechterdiskriminierung noch weiter gedrückt und betrugen vor 1914 meist um die 60 Prozent der Männerlöhne (um die Jahrhundert­ wende sanken sie bis auf 55 Prozent, ab 1907 lagen sie leicht darüber).«2 Nach 1900 stellte ein Fabrikinspektor lapidar fest: «Die Frauen arbeiten billiger. »43 Obwohl politische und soziale Forderungen der Frauen in der Arbeiterbewegung eine gewisse Resonanz fanden, sahen die hier organi­ sierten Männer in der weiblichen Erwerbsarbeit vor allem einen Angriff auf ihre Position als «Ernährer». Auch die gewerkschaftlichen Verbände hielten am Forderungsprofil eines «Familienlohns» fest. 1895 beschrieb ein Basler Maurer, wie er sich schäme, weil nicht einmal sein relativ guter Lohn für die ganze Familie ausreichte.«« Statistiken zu Familieneinkommen zeigten schon damals, dass Männer nur zwei Drittel bis drei Viertel der benötigten Geldmittel verdienten, so dass Frauenarbeit eine Notwendig­

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keit war.« Nichtsdestotrotz gab es in der Arbeiterbewegung beträchtliche Widerstände gegen die Organisation von Frauen, in denen man «Lohndrü­ ckerinnen» sah. Zwar schlossen sich die ab 1890 schweizweit organisierten Arbeiterinnenverbände 1904 offiziell dem Schweizerischen Gewerkschafts­ bund (SGB) an, der ein Arbeiterinnensekretariat einrichtete und dieses mit der äusserst erfolgreichen Gewerkschafterin Margarete Faas-Hardegger be­ setzte.«6 1910 fand die erste nationale Frauenkonferenz für Arbeiterinnen in St. Gallen statt. Schon vor dem Ersten Weltkrieg rückte der SGB von diesen Ansatz einer gewerkschaftlichen Mobilisierung von Frauen aber wieder ab; 1917 wurde der Schweizerische Arbeiterinnenverband aufgelöst. Hatten während der «Textilphase» des Wirtschaftswachstums Frauen einen Grossteil, teilweise die Mehrheit der Arbeitskräfte gestellt, so stiegen mit neuen industriellen Leitsektoren (Eisenbahn, Maschinen- und Elektro­ industrie, Chemie) reine «Männerbranchen» auf. Während verschiedene Dienstleistungsbereiche (Büro, Erziehung etc.) «verweiblicht» wurden, was aufgrund einer massiven Lohndiskriminierung zu sinkenden Gehäl­ tern führte, waren die neuen Arbeitsfelder (von peripheren Verrichtungen wie Verpacken abgesehen) männlich dominiert. In verschiedenen Sekto­ ren - bei den Typographen, die traditionell eine männliche Arbeiterelite darstellten, und bei den Uhrenarbeitern - versuchten Gewerkschaften, den Frauen den Eintritt in die hoch qualifizierten Produktionssegmente zu ver­ wehren (während Unternehmer, welche die Lohnsenkungsmöglichkeiten erkannten, sich für Frauenarbeit einsetzten). Insgesamt erhielt die moderne Industrie nun jenes maskuline Image, das auch in der Ikonographie der Linken mit ihren muskelprotzenden Proleten stilprägend wurde. Mit der zweiten industriellen Revolution veränderte sich die Krisenwahr­ nehmung in der Öffentlichkeit. Es waren nicht mehr agrarische Zyklen und Schwankungen in der Lebensmittelproduktion, welche den gesamt­ wirtschaftlichen Konjunkturverlauf bestimmten, sondern der gewerb­ lich-industrielle Sektor gab Takt und Tempo vor. Die Linke diagnostizierte eine dem Kapitalismus inhärente Krisentendenz und sah sich beim wirt­ schaftlichen Einbruch von 1907/08 einmal mehr bestätigt. Bürgerliche Kreise dachten dagegen verstärkt über eine bessere Institutionalisierung des Arbeitsmarktes durch Arbeitsämter und über soziale Sicherungsmass­ nahmen nach. Über die politischen Differenzen hinweg verstand sich die Schweiz der Jahrhundertwende als ein «ausgesprochenes Industrieland», als «Industriestaat», als ein «Industrievolk, das in Konkurrenz mit dem Ausland trat», als Land, das sich durch Exportorientierung und arbeitstei­ lige Spezialisierung eine starke Position auf dem expandierenden Welt­ markt erkämpft hatte.«7

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Innerhalb des Sektors «Industrie und Gewerbe», wo 42 Prozent aller in der Schweiz Beschäftigten ihren Lohn verdienten, hatte sich in den Jahr­ zehnten zuvor ein dramatischer Wandel abgespielt. Die Zahl des dem Fabrikgesetz unterstellten Betriebspersonals hatte sich zwischen der Ein­ führung dieses Gesetzeswerks im Jahre 1877 bis 1900 fast verdoppelt auf über 240000; 1910 waren es bereits 329000. Das waren ca. ein Fünftel der gesamten Beschäftigten und 40 Prozent (1900) bzw. 47 Prozent (1910) der Erwerbstätigen. Die durchschnittliche Betriebsgrösse war vergleichs­ weise klein. Jedoch schaffte eine grössere Anzahl von Schweizer Firmen den Aufstieg zu internationalen Grossunternehmen. In dieser durchmisch­ ten Unternehmenslandschaft wurden nicht nur Skalenerträge durch standar­ disierte Massenproduktion (Bulk-production) genutzt, sondern auch Klein­ serien (Batch-production) hielten sich sowohl in der jurassischen Uhrenwie in der Ostschweizer Textilindustrie. Mit variablen Beziehungen zwi­ schen Standardisierung und Flexibilisierung hielten sich schweizerische Firmen Wahlmöglichkeiten offen, was schon zu Beginn des 20. Jahrhun­ derts zu den Stärken der Schweizer Wirtschaft beitrug.*8 Schweizer Unternehmen setzten insbesondere auf Güter mit hoher Wert­ schöpfung, auf «wertvolle Luxusprodukte» und Produktveredelung. Vor 1914 waren die Schweizer Exporte pro Kilogramm fast n-mal mehr wert als jene Deutschlands.*’ Ein Land, das auf Qualität setzte, war allerdings auf gut ausgebildete, geschickte und motivierte Arbeitskräfte angewiesen, was wiederum ein breit abgestütztes Bildungssystem und Lehrlingswesen voraussetzte. Seit 1884 griff der Bund mit Gesetzen regulierend, subven­ tionierend und vereinheitlichend in die gewerbliche, kaufmännische und hauswirtschaftliche Ausbildung ein und unterstützte die Berufsverbände in dieser Tätigkeit. 1902 wurde ein Verband der Lehrlingspatronate ge­ gründet, aus dem 1916 der Schweizerische Verband für Berufsberatung und Lehrlingsfürsorge hervorging. Das Wirtschaftswachstum und der Trend zu qualitativ hochstehenden Produkten wurden durch effiziente Finanzinstitutionen gefördert. Dass die Schweiz im Ersten Weltkrieg zu einem internationalen Finanzplatz auf­ stieg, war Mitte des 19. Jahrhunderts nicht absehbar gewesen. Das Ban­ kensystem war damals noch in die Tradition der Privatbanken einerseits und der vielen Spar- und Leihkassen andererseits zerfallen. Mit der Grün­ dung von Grossbanken, welche nach dem Typus der Handels- und später Universalbanken organisiert waren, wurden die Kapitalmärkte grund­ legend reorganisiert. Mit «Credit-mobilier»-Banken, auch «Dampfma­ schinen des Kredits» genannt, konnten Investitionsmittel im grossen Stil mobilisiert und einer produktiven Verwendung zugeführt werden. So ge­



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lang es der nationalen Wirtschaftselite, wirtschaftliche und politische Or­ ganisationskapazitäten herauszubilden, die eine Kontrolle eines insgesamt stark international ausgerichteten Industrialisierungsprozesses ermöglich­ ten. Die Schweiz wurde nicht - wie das ausländische Investoren mit einer gewissen Selbstverständlichkeit annahmen - zum «natürlichen Kolonial­ gebiet» ausländischer Grossbanken im Innern Europas?0, sondern eine Wirtschaftsmacht mit starken, international tätigen Unternehmen, die über einen Nationalstaat als Operationsbasis verfügten. In rascher Folge entstanden die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) (1856; über diese wird unten noch berichtet), die Basler Handelsbank und die Bank in Winterthur (1862), der Basler Bankverein (1872), aus denen durch Fusionen und Wachstum schliesslich sieben Grossbanken, darunter neben der SKA der Schweizerische Bankverein (dies der Name ab 1897), die Schweizerische Bankgesellschaft, die Eidgenössische Bank und die Schweizerische Volks­ bank, hervorgingen. Zwischen 1890 und 1913 etablierten sich Grossbanken als wichtige Ak­ teure im nationalen Kontext und auf ausländischen, vor allem europäischen Kapitalmärkten.?1 Innerhalb der Schweiz zeichnete sich eine Zinsnivel­ lierung ab, was ein Indikator dafür war, dass die einst noch vergleichs­ weise isolierten städtischen Finanzzentren auf nationalem Niveau inte­ griert wurden. Um die Mitte der 1890er Jahre liess sich ein Quanten­ sprung in der Beteiligung schweizerischer Banken am Syndikatsgeschäft nationaler und ausländischer Anleihen beobachten. Der konjunkturelle Aufschwung erhöhte zudem den Kapitalbedarf der schweizerischen Wirt­ schaft. Vor allem die 1856 zur Eisenbahnfinanzierung gegründete Schwei­ zerische Kreditanstalt verfügte über ein enges Beziehungsnetz zu Banken im Ausland und konnte ihre frappante Platzierungskraft unter Beweis stellen. 1897 einigten sich die Schweizer Grossbanken im Hinblick auf die bevorstehende Eisenbahnverstaatlichung in der Schweiz auf ein Emis­ sionskartell. Zugleich schalteten sie sich erfolgreich in das Geschäft mit Staatsanleihen (Österreich-Ungarn, Deutsches Reich, Türkei, Balkanlän­ der, Russland, später auch Japan) sowie in die Eisenbahnfinanzierung (vor allem Titel aus den USA) ein.s1 Ein Jahr darauf eröffnete der Schweize­ rische Bankverein als erste Schweizer Bank eine dauerhafte Auslandsfiliale in London, die den Zahlungsverkehr für internationalen Handel erleich­ terte. 1912 kam es zur Gründung der Schweizerischen Bankiervereinigung, welche sich als Pressure-Group in das Aushandeln der Konditionen von Staatsanleihen einschaltete und damit die helvetischen Bankinstitute im grenzüberschreitenden Wettbewerb unterstützte. Eine wichtige Rolle spielten nach 1900 die Trustbanken. Zu nennen

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sind etwa die Schweizerische Gesellschaft für Anlagewerte Basel (1904) und die Bank für Bahn- und Industriewerte (1907).53 Diese waren Teil des schweizerischen Finanzplatzes, der mit seiner Kapitalkraft und seinem brei­ ten Spektrum von Finanzdienstleistungen die Exportwirtschaft förderte.s« Nichtsdestotrotz wies die Schweiz vor dem Ersten Weltkrieg - wie schon früher - eine stark negative Handelsbilanz auf. Ungefähr die Hälfte der Nahrungsmittel kam aus dem Ausland. Bei Textilien, Maschinen, Uhren, später auch Chemikalien konnte allerdings ein Exportüberschuss ver­ zeichnet werden.55 Der neutrale Kleinstaat war für ausländische Anbieter ein durchaus wichtiger Absatzmarkt. Die Schweiz konnte sich diese über ihre Exportkraft hinausgehenden Importe leisten, weil sie mit den (Dienstleistungs-)Überschüssen aus dem Tourismus, den Kapitalerträgen und an­ deren «unsichtbaren» Einnahmen (aus Patenten, Lizenzen, Markenrechten etc.) ausreichende Aktivposten in der Leistungsbilanz aufwies - und für diese Transaktionen und Operationen waren wiederum die Banken von Bedeutung. Zudem stützte sich die Aussenwirtschaft mit ihrem hohen Grad an grenz­ überschreitender Verflechtung auf einen breit diversifizierten Binnensek­ tor, der konjunkturelle Weltmarktschocks bis zu einem gewissen Grad abfederte und in Krisenphasen Impulse für die wirtschaftliche Erholung freisetzte. Das schroffe Gegenüber exportorientierter Wachstumspole und einer wenig wettbewerbsfähigen Binnenwirtschaft, wie sie die protoindus­ trielle Phase bis ins beginnende 19. Jahrhundert hinein noch prägte, wurde gegen Ende des 19. Jahrhundert abgelöst durch eine Verschränkung der beiden Sphären. Der Finanzsektor trug zu diesen Wechselwirkungen und Angleichungsprozessen zwischen international orientierten und national ausgerichteten Unternehmen wesentlich bei.

Verkehrsverdichtung und Raumstrukturen Was den Anschluss des nationalen Zoll- und Verkehrsraumes an die um­ liegenden Länder betrifft, so wies die Schweiz zunächst eine beträchtliche «Zugverspätung» auf; mit dem Eisenbahngesetz von 1852 wurde jedoch die Erstellung eines Schienennetzes auf privatwirtschaftlicher Basis und mittels kantonaler Konzessionen zügig in die Hand genommen. Bis 1885 waren insgesamt 2700 Kilometer Schienen verlegt, und die Schweiz ver­ fügte zu diesem Zeitpunkt über das dichteste Schienennetz Europas.s6 Von den makroökonomischen Wirkungen her lässt sich im Eisenbahnbau für Jahrzehnte der Leitsektor des helvetischen Industrialisierungsprozesses sehen, der beträchtliche Wachstumseffekte in vorgelagerte (Eisen, Stahl, Maschinenbau, Baugewerbe) und nachgelagerte Sektoren der Wirtschaft

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(Güter- und Personentransport, Kommunikation) auslöste. Das Investieren in die Eisenbahnen wurde rasch zur Bonanza; es brach ein regelrechtes «Eisenbahnfieber» aus, und wie Gottfried Keller bemerkte, «der schweize­ rische Zank um das Geld (stand) wieder einmal in voller Blüte».57 In diesen Jahrzehnten prägte sich das Bild eines wilden, zwischen Boom und Krise oszillierenden Abenteuer-Kapitalismus in den Köpfen ein. Obwohl die Topographie des Schienennetzes durch privatwirtschaftliche Kalküle ge­ steuert wurde und damit einer kommerziellen Rentabilitätslogik folgte, hatte der Bau dieses Transportsystems allerdings mit «freiem Wettbewerb» wenig zu tun; vielmehr nahm die Kritik an «Eisenbahnbaronen» und «Geld­ aristokratie» zu. Nach der Totalrevision der Bundesverfassung wurde seit der zweiten Hälfte der 1870er Jahre versucht, im Eisenbahnbau den krisen­ haften Störungen und Instabilitäten politisch entgegenzuwirken. Mit der verkehrstechnischen Beschleunigung, die durch den Ausbau eines interkantonalen Strassennetzes unterstützt wurde, veränderte sich die Wirtschafts- und Sozialgeographie des Landes. Im Mittelland schrumpf­ ten die Verkehrsdistanzen. Es gab kaum mehr natürliche Hindernisse, die sich nicht bezwingen liessen. Ab 1854 wurde am Hauenstein der erste län­ gere Eisenbahntunnel gebaut. Mit der Erfindung des Dynamits und der mit Pressluft betriebenen Bohrmaschinen konnten seit den 1860er Jahren auch Bergmassive untertunnelt werden. Damit stand der Integration des Alpengebirges in das hochmoderne Verkehrssystem nichts mehr im Weg. Der Bau der Gotthardbahn in den Jahren 1872 bis 1880 (Einweihung 1882), des Simpiontunnels (1905) sowie der Lötschbergbahn (1913) mach­ ten die Nord-Süd-Transitrouten auf einem industriewirtschaftlichen Leis­ tungsniveau operativ. Der Gotthardtunnel stellte - von der Wahl der Ver­ kehrsroute über das eingesetzte Planungs- und Vermessungs-Know-how bis hin zur gemeinsamen Finanzierung mit Deutschland und Italien - ge­ radezu paradigmatisch ein europäisches Projekt dar. Mit diesem erhielt der Bundesstaat schon längst vor der Eisenbahn-Verstaatlichung in den 1890er Jahren eine wichtige Rolle. Nachdem Verzögerungen und massive Kostenüberschreitungen die eisenbahntechnischen Alpenträume in einen Albtraum zu verwandeln drohten, konnte der von den Börsen bereits ab­ geschriebene Tunnelbau 1879 mit dem Alpenbahngesetz gerettet werden. Der Gotthardtunnelbau war zudem ein Triumph der Landesvermes­ sung; die «Präzisionsmessung am geodätischen Fundament der Nation»?8 trieb die verkehrstechnische Erschliessung des Raums in den Alpen voran. Damit veränderten sich auch die emotionale Identifikation und das men­ tale Mapping der Schweiz. «Das Schweizervolk hat das zunehmende Ge­ fühl seine nationale Einheit in erster Linie der technischen Entwicklung

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der Transportmittel, das heisst hauptsächlich der Strasse und der Schiene zu verdanken», schrieb William Rappard.59 Dieser affektive Zustand wurde verstärkt durch neue Methoden einer technischen Sichtbarma­ chung. Anlässlich der ersten schweizerischen Landesausstellung, die 1883 in Zürich stattfand, wurde als eine der Hauptattraktionen eine grosse Schweizerkarte präsentiert.60 Der Bundessstaat stärkte damit das Vorstel­ lungsbild eines homogenen, klar gegen aussen abgegrenzten Territoriums. Mit der Konturierung der Landesgrenzen traten Grenzkantone stärker als solche in Erscheinung. Der Kanton Graubünden geriet überhaupt erst durch die Gotthardbahn in eine prekäre Randlage. Die meisten Bündner sahen in diesem Tunnel einen «Brotschelm», der den traditionellen Tran­ sitverkehr, der für den eigenen Kanton seit alters wichtig war, in den Ruin trieb. Hatte man noch bis in die 1860er Jahre hinein fest mit einer Lukma­ nier- oder Splügenbahn gerechnet, so sah man sich nun als ein vom NordSüd-Verkehr abgeschnittenes «Land dahinten».61 Während einige sich an den Strohhalm des «Ostalpenbahnversprechens» klammerten,61 rekon­ figurierten andere den kantonalen Raum mit neuen Projektideen. Es war der Investor und Financier Jan Willem Holsboer, ein Holländer, der es zum Kurhausbesitzer im touristisch aufstrebenden Davos gebracht hatte, der die Idee einer «Talbahn» und damit einen Vorschlag lancierte, der mit dem dominierenden Selbstverständnis eines «Durchgangskantons» schroff kol­ lidierte. Doch Holsboer sah im Tourismus die Zukunft, er kämpfte vehe­ ment gegen die «Splügenkrankheit» an und polte die Bedeutung der Bahn von Not und Armut auf Verdienst und Auskommen um. Mit Hilfe von Basler Kapital wurde 1888 mit dem Bau der Schmalspurverbindung be­ gonnen, zwei Jahre darauf nahm die Linie Lanquart-Davos den Betrieb auf. Das Beispiel machte rasch Schule. 1894 entstand die Rhätische Bahn mit Sitz in Chur, die weitfliegende Eisenbahnpläne für den ganzen Kan­ ton hegte. Ein Jahr darauf wurde die Erstellung eines innerbündnerischen Schmalspurbahnnetzes plebiszitär unterstützt, und mit Verweis auf die mi­ litärische Bedeutung solcher Anlagen wurden (erfolgreich) Bundessubven­ tionen gefordert. Bereits 1897 war der Topos der «Bündner Staatsbahn» fest etabliert. Über dieses Streckennetz entwickelte der Kanton ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl, und gegenüber «Bern» konnte er sich mit weiteren finanziellen Unterstützungsforderungen positionieren. 1902 er­ folge der Albula-Durchstoss. 1914 verhinderte der Kriegsausbruch den Bau weiterer Eisenbahnlinien. Erst 1999 sollte mit dem Vereina-Tunnel nochmals eine neue dazukommen. Analoge und anders gelagerte Auswirkungen hatte der Bau von Eisen­ bahnlinien und -tunnels auch in anderen Landesgegenden. So wurde 1911

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bei den anlässlich des Lötschberg-Durchstichs angeordneten Feiern in den Kantonen Bern und Wallis nicht nur die neue Verkehrsverbindung gefeiert, sondern ebenso die Kantonsgrenze tief im Berg mit einem Transparent markiert. Emotional dominierend war indessen ein technisch generiertes neues Gemeinschaftsgefühl. Als 1913 der Bahnverkehr durch den Tunnel eröffnet wurde, sang die versammelte Festgemeinde: «Denn, Schienenstränge sind die stärksten Bande Die Feinde selbst zu treusten Freunden macht. O bleibt euch Freunde, Schweizer, seid euch Brüder, Reicht überm Schienenstrange euch die Hand Heut fährt die Lötschbergbahn an uns vorüber, Sie sei ein Segen für das Vaterland.»63

Recht, Organisation, Macht Um die Probleme, welche die kapitalistische Industrialisierung hervorrief, zu mildern oder zu lösen, setzten sowohl die Arbeiterbewegung wie die Unternehmer auf neue Organisationsformen und rechtliche Regelungen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg kombinierten die Gewerkschaften Strate­ gien des Arbeitskampfes mit der Forderung nach kollektiven Arbeits­ verträgen. Noch war allerdings der unternehmerische Widerstand über­ wältigend, und 1912 unterstanden erst 7 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter solchen Kontrakten. 1911 erleichterte das neue Schweizerische Obligationenrecht die Möglichkeit, Arbeitsbedingungen kollektivvertrag­ lich zu regeln. Die Schweiz wurde damit zum Pionierland der «Gesamt­ arbeitsverträge». Schon damals zeigte sich die Tendenz, gewerkschaftlich gut organisierte und männlich dominierte Sektoren oder Berufsgruppen zu privilegieren.64 Die Stellung der Beschäftigten verbesserte sich. Die Real­ löhne nahmen zu, die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit ging zurück, wenn auch wenig eindrücklich; um 1900 betrug diese 10,5 Stunden, 1910 noch immer 10 Stunden.6’ Auf Unternehmerseite lässt sich ein fulminanter Aufstieg der Aktienge­ sellschaften beobachten. Nach 1900 wurde eine immer grössere Zahl von traditionellen schweizerischen Familienunternehmen in diese Rechtsform umgewandelt, mit einer doppelten Auswirkung. Zum einen wurde das per­ sönliche Risikoprofil verändert, weil eine AG nur sich selbst gehört und als Rechtsform verhindert, dass die «Eigentümer» bei einem Konkurs für den Schaden mit ihrem persönlichen Vermögen aufkommen müssen. Somit eignet sich die Rechtsform der AG besonders gut als Vehikel für die Mobi­ lisierung von Kapital, Personal sowie materiellen Ressourcen und eröffnet

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neue Wachstumschancen. Zum anderen ermöglicht die AG eine Trennung von Eigentum und Management, was wiederum die Konzentration spezi­ fischer Kompetenzen auf der Führungsebene des Unternehmens erleich­ tert. Im Unterschied zu einem in grossen Ländern dominierenden Modell, dass Firmen sich zunächst auf Inlandsmärkten konsolidierten, bevor sie dann ins Ausland expandierten, waren Schweizer Unternehmen von An­ fang an multinational, d. h., sie gründeten häufig schon in ihrer Startphase Tochtergesellschaften im Ausland, dies mit dem Ziel, die Zollschranken zu unterlaufen und vor Ort die Marktinformation und das Arbeitskräfte­ angebot nutzen zu können.66 Das zunehmende Gewicht wissenschaftlicher Forschung und Produktsowie Prozessinnovationen warfen zudem das Problem der Kontrolle von wachstumsrelevanten Wissensbeständen und Informationen durch Indu­ strieunternehmen auf. Mit den Niederlanden gehörte die Schweiz zu den einzigen europäischen Industriestaaten, die im 19. Jahrhundert über einen längeren Zeitraum hinweg auf einen gesetzlichen Patentschutz verzichte­ ten. Obwohl die Schweiz als Mitglied der 1883 gegründeten Inter­ nationalen Union für gewerblichen Rechtsschutz in anderen Ländern Patente anmeldete, gewährte sie dieses Recht ausländischen Unternehmen nicht. 1888 kam dann doch ein Patentgesetz zustande, das allerdings chemische Verfahren und Produkte ausschloss. Vor allem deutsche Her­ steller bezichtigten die schweizerische Konkurrenz, die auf Imitation und Gratiskopieren setzte und contrefaçons herstellte, des «Raubes» und der «Piraterie». 1904 wurde ein neuer Handelsvertrag mit Deutschland ab­ geschlossen, und bei dieser Gelegenheit drohte der nördliche Nachbar mit schweren Sanktionen, falls die Schweiz bis 1907 nicht eine entspre­ chende Anpassung ihrer Gesetzgebung vorgenommen habe. So machte man sich unverzüglich an die Arbeit. Nach einer positiv verlaufenen Volksabstimmung 1905 wurde ein neues Gesetz ausgearbeitet, das schon 1907 in Kraft trat. Es brachte für die innovationsstarken Basler Gross­ unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie (Ciba, Geigy, Sandoz, Hoffmann-La Roche, Durand/Hugenin) den auch von dieser Seite längst geforderten Erfinderschutz, wurde aber vom Apothekerver­ band und von kleineren Anbietern vehement bekämpft.6? In der Folge setzte die helvetische Industrie insgesamt verstärkt auf patentierte Spe­ zialprodukte, geschützte Wortmarken und die Lizenzierung von Produk­ tionsverfahren. Schweizer Grossunternehmen entwickelten sich rasch zu Schwergewichten im Bereich der Patentierung und leisteten einen wich­ tigen Beitrag, um die Ertragsbilanz durch solche «unsichtbaren» Einnah­ men auszugleichen.

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Nach innen und aussen wirksam waren kartellförmige Organisationen und Verbände. Um die Mitte der 1890er Jahre gab es gegen 50, bis 1914 kamen 100 weitere dazu. Kartelle begründeten ihre Existenz in recht­ lichter Hinsicht paradoxerweise mit der seit 1874 in der Bundesverfassung verankerten Handels- und Gewerbefreiheit und argumentierten mit der «Stärkung der Allgemeinheit» gegen «blinde rücksichtslose Konkurrenz».68 Die Kartellisten im Bereich der Grantgewinnung, der Kalk-, Gips-, Ziegel­ und Zementproduktion, der Müllerei-, Schokolade- und Brauereiindus­ trie, der Uhrenproduktion sowie der Banken nutzten gleichsam den Kon­ kordia-Gedanken der Eidgenossenschaft, um den Wettbewerb einzudäm­ men. In der Literatur wurde deutlich unterschieden zwischen Kartellen und Syndikaten einerseits, die sich mit Eigentumsverschachtelung in Rich­ tung von preistreibenden Fusionen und Monopoltrusts bewegten, und «Kartellen niederer Ordnung» andererseits, die sich mit Absprachen über Lieferbedingungen, Produktionsmengen und Preisfestsetzungen begnüg­ ten. Letztere waren in der Schweiz äusserst zahlreich und wurden, da es sich nicht um staatlich sanktionierte Zwangsinnungen, sondern um privat­ autonome, «freie Zusammenschlüsse» handelte, weithin akzeptiert. Allgemein lässt sich feststellen, dass das Recht, private Vereinigungen bzw. Koalitionen zu bilden, sowohl auf Seiten der «Arbeit» als auch des «Kapitals» ausgiebig beansprucht wurde. In einer US-Studie aus den 1920er Jahren hieß es, es gebe kaum ein anderes Land, in der die «corporate form of Organization» einen so hohen Stellenwert in allen Gebieten von Industrie und Gewerbe über Handel und Transport bis hin zu Kultur, Erziehung und Kunst habe wie in der Schweiz.6? Die Entgegensetzung von «freiem Markt» und «Organisation wirtschaftlicher Interessen» leuchtete hier nicht ein; entscheidend war der Unterschied zwischen eigenverantwort­ lichem Zusammenschluss (in Vereinen, Verbänden, Unternehmen, Kartellen etc.) und der gesetzlichen Regulierung bzw. staatlichen Organisation des Marktes (und sei dies auch im Interesse einer «freien Konkurrenz»).70 Die Staatsaversion und die gleichzeitige Präferenz für selbstverantwortliche und private Organisationsstrukturen liessen sozialpartnerschaftliche Verhand­ lungsformen ohne Einschaltung des Gesetzgebers als beste Lösung erschei­ nen. Die Vorstellung, dass Firmen mit ihrem Know-how die besten Exper­ ten in ihrem Geschäftsbereichen sind und dass sie sich selber deshalb am kompetentesten regulieren können, zieht sich als Grundmuster durch das 20. Jahrhundert. Diese Verhandlungsstrukturen wurden durch die Spitzenverbände der Wirtschaft dominiert. Diese formierten sich seit 1870, als mit dem Schwei­ zerischen Handels- und Industrieverein die erste dieser Organisationen

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entstand. Sie sollte handelspolitische und unternehmerische Interessen auf nationaler Ebene bündeln und wurde durch den sogenannten Vorort gelei­ tet. 1879 kam der Schweizerische Gewerbeverein dazu (ab 1916 «Ver­ band»), der zur grössten wirtschaftlichen Pressure-Group des Landes auf­ stieg. 1880 ging der Schweizerische Gewerkschaftsbund aus dem letzten Kongress des alten Arbeiterbundes hervor. Obwohl sich der SGB zahlen­ mässig rasch entwickelte, blieb er organisatorisch schwach; er wurde durch die Arbeiterunionen bedrängt und teilweise durch Konflikte über die Streik­ strategie gelähmt. Bis zum Ersten Weltkrieg vermochte er sich nicht auf Augenhöhe mit den anderen Spitzenverbänden zu bewegen und erreichte nie die Durchsetzungskraft des 1897 gegründeten Schweizerischen Bauern­ verbandes, mit dem der Schlussstein ins Verbandssystem gesetzt wurde. Diese Verbände spielten als «private Regierungen» eine zunehmend wich­ tige Rolle in den vorparlamentarischen Vernehmlassungsverfahren.?1 Eine Folge davon war, dass das Parlament immer häufiger mit bereits austarier­ ten Kompromisslösungen konfrontiert wurde und damit an gesetzgeberi­ scher Gestaltungskraft einbüsste. Dass der katholisch-konservative Bünd­ ner Nationalrat Caspar Decurtins das 1902 eingeweihte, vergleichsweise pompöse Bundeshaus in Bern als «Mausoleum des absterbenden Parla­ mentarismus» bezeichnete, war auch diesem Relevanzverlust der gesetz­ gebenden Gewalt geschuldet.?1 Insbesondere aber verloren die Mächte des Glaubens, die dem «Kulturkampf» Brisanz und Dynamik verliehen hat­ ten, an Boden gegenüber dem rationalen Kalkül rechnender Kollektiv­ akteure, die Politik mit Interessendurchsetzung gleichsetzten und Ideolo­ gien für strategische Allianzen und taktische Manöver einsetzten. Die Verbände sperrten sich im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht gegen die Stärkung eines gemischtwirtschaftlichen Sektors mit neuen Staatsun­ ternehmen oder nationalen Institutionen. Zu erwähnen sind vor allem die Gründung der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) 1902, die Stärkung der Post-Telegraph-Telephon (PTT) im selben Zeitraum, sowie die Grün­ dung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) 1905/07. Gleichzeitig unter­ stützten sie die vielfältigen Strukturen einer Kartellisierung der Schweizer Wirtschaft und passten sich an neue Formen wirtschaftlicher Machtbal­ lung an. Um 1900 wurde die Entwicklung hin zu Trusts, Syndikaten und Monopolkartellen zunehmend problematisiert; auch bürgerliche Politiker sahen hier illegitime Kräfte am Werk. Es entbrannte eine heftige «Mittel­ standsdebatte», in deren Gefolge die Forderung nach Zuchthausstrafen für «Schweizer, die sich in andern Ländern an Kartellen beteiligen», sowie für «alle, die sich in der Schweiz zu Agenten oder Beförderern solcher Un­ ternehmungen hergeben», laut wurden.?? Aus Sicht der Arbeiterbewegung

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bereitete die «Vertrustung» durch Ausschaltung der Konkurrenz in der Wirtschaft dagegen den Weg zum Sozialismus. Hier wurde übersehen, dass Kartelle in der Schweiz deswegen wichtig blieben, weil sie weder auf Unternehmenskonzentration noch auf Staatsintervention hinausliefen. Es handelte sich vielmehr um Organisationsformen, die nicht als Abweichun­ gen von einem idealen Wettbewerbsmodell des Marktes, sondern als Ver­ wirklichung des freien Rechts auf Assoziation wahrgenommen wurden. Weil in der Schweiz dem Vereinsrecht eine starke konstitutionelle Stellung eingeräumt wurde, sah man in Kartellen vor allem eine nützliche Form selbstkontrollierter Organisation gerade auch kleinerer und mittlerer Un­ ternehmen, die sich von Absprachen und Zusammenschlüssen beträcht­ liche Vorteile versprechen konnten. Das industrielle Wachstum basierte um 1900 auf einer engen Zusammen­ arbeit zwischen Industrieunternehmen und Finanzierungsgesellschaften. Der Kapitalexport erwies sich als Schrittmacher des Ausfuhrhandels. Um diese Vorausfinanzierung zu bewerkstelligen, gründeten Firmen Finan­ zierungsgesellschaften, die den Kapitalexport gezielt zur Auftragsbeschaf­ fung einsetzten. Die Schweiz hat also nicht nur Waren ins Ausland gelie­ fert, sondern zugleich auch die Mittel, um sie zu bezahlen. So entwickelten sich Vermögenspositionen und Absatzchancen gleichermassen. Die 1895 von Brown Boveri gegründete «Motor-AG für angewandte Elektrizität» (die nach 1900 auch im Ausland aktiv wurde) und die 1913 geschaffene «Columbus AG für Südamerika» (nach dem Ersten Weltkrieg zur «MotorColumbus-AG» zusammengeschlossen) sind Beispiele für den Einsatz überlegener Kapitalkraft. Durch diese Form der Zusammenarbeit wurden erhebliche Synergien zwischen Bank- und Industrieinteressen freigesetzt. Im Vergleich zu Grossstaaten, die, wie Grossbritannien 1868 und Frank­ reich 1898 Gläubigerverbände gegen säumige Schuldner oder zur Abwehr drakonischer Besteuerung von Kapitalanlagen im Ausland geschaffen hat­ ten, kam es in der Schweiz allerdings erst kurz vor dem Ausbruch des Ers­ ten Weltkrieges zu solchen Schutzanstrengungen im Rahmen der Schweize­ rischen Bankiervereinigung.74 Auch Handelsfirmen, die im internationalen Grosshandel tätig waren, trugen schon im ausgehenden 19. Jahrhundert zur helvetischen Ertragsbilanz bei. Die 1877 von Georges A. André ge­ gründete André & Cie. war schon vor dem Ersten Weltkrieg zu einem wichtigen Getreideimporteur der Schweiz aufgestiegen. Andere Handelsfir­ men weiteten den globalen Zwischenhandel mit Waren aus, die weder in der Schweiz hergestellt noch verbraucht wurden; sie waren in den Jahr­ zehnten um 1900 auf Märkten in Nord- und Südamerika, in der Levante, in Afrika, Indien und Südostasien aktiv. Daher fügten sie sich perfekt in die

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koloniale Arbeitsteilung ein.75 Wurden diese Geschäfte vor Mitte des 19. Jahrhunderts noch durch kleine Häuser betrieben, so setzten sich zu­ nehmend Grossfirmen wie die Gebrüder Volkart, die Basler Handelsgesell­ schaft, Siber &c Brennwald, Diethelm-Keller und die erwähnte André & Cie. durch, die mit Rohstoffen wie Baumwolle, Seide, Kaffee, Kakao und Getreide Skalenerträge erzielten.~>6 Kleinsein und Kolonialismus Wie sich die Schweiz selber wahrnahm und welche aussenpolitischen Spiel­ räume sie hatte, hing von der Entwicklung anderer Staaten ab. Die natio­ nalen Einigungsprozesse, insbesondere der Erfolg des Risorgimento in Italien und die Entstehung des «kleindeutschen» Grossstaates, hatten einen Verkleinerungseffekt auf die Schweiz. Wenn sich kleinere Staatswe­ sen zu grossen Machtstaaten zusammenschliessen, wird ein Staat, der kein entsprechendes Arrondierungspotenzial aufweist, im Selbst- und Fremd­ vergleich klein. Die Schweiz hatte zunächst Mühe, dieses Kleinwerden zu akzeptieren. Die eidgenössischen «Vorväter» hatten europäische Ge­ schichte geschrieben - damit sollte es nun unwiderruflich vorbei sein? Die nationale Selbstbehauptung, in Kategorien eines Vergrösserungsprojekts zu denken, blieb attraktiv. Viele schweizerische Politiker pflegten ein gera­ dezu verwegenes, phantastisches aussenpolitisches Denken, das schlecht zur ansonsten in der Republik zelebrierten Bescheidenheit passte. Weil die Architekten des Bundesstaates der Exekutive in den Aussenbeziehungen grösstmögliche Entscheidungsbefugnisse eingeräumt hatten, konnten diese Aspirationen auf Umsetzung drängen. In den 1850er Jahren betrieb Henri Dunant, der spätere Gründer des Roten Kreuzes, Kolonialgeschäfte in Alge­ rien, und nach Solferino reiste er, um den französischen Kaiser von seinen kolonialen Plänen zu überzeugen.77 Diese kommerziellen Aspirationen verbanden sich mit Visionen natio­ naler Grösse. In den 1860er Jahren plagte sich der damals aussenpolitisch federführende Bundesrat Jakob Dubs mit dem Gedanken, dass sich die Schweiz zu einem «unfruchtbaren Fabrikstaat» entwickeln könnte.78 Dubs, der zwischen 1861 und 1872 der herausragende Kopf in der Landes­ regierung war,7? hatte sich die Logik der grossen Mächte weitgehend zu eigen gemacht, dass ein Staat wachsen muss, um Bestand zu haben; er wollte der Schweiz ein «Nationalleben in höherem Stil» erschliessen. An­ ders als der belgische König Leopold II., der koloniale Expansionspläne in Afrika hegte, war Dubs davon überzeugt, dass das neutrale Land zum Schiedsrichter Europas geboren sei. Er griff das Konzept von Pufferstaaten zwischen Frankreich und Zentraleuropa auf, wie es anlässlich der territo­



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rialen Stabilisierung der schweizerischen Eidgenossenschaft auf dem Wie­ ner Kongress handlungsleitend gewesen war, und verband es mit einer selbstbewussten, grossräumigen Machtprojektion. Er träumte von einem Staatsgebiet mit Meerzugang und Hochseeflotte, das von Venedig bis nach Nizza reichen und das als Seemacht eine ähnliche Stellung wie als Land­ macht haben würde. Es sei die Aufgabe der Schweiz, «die Freiheit des Mit­ telmeeres für alle zu sichern».80 Zusätzlich solle sie im Norden einen Gür­ tel neutraler konföderierter Staaten schaffen. Dubs dachte an ein Gebiet vom Elsass über Lothringen bis nach Belgien und Holland, im Norden wollte er einen Teil von Rheinpreussen und die Rheinpfalz integrieren. Er sah dies als helvetische Friedenspolitik, denn so würde es möglich, die ver­ feindeten Mächte Frankreich und Preussen zu trennen und künftige krie­ gerische Konfrontationen zu verhindern. Dubs und sein Regierungskollege Jakob Stämpfli fassten im selben Geist eine Schweizer Beteiligung am Bau eines Hafens im dänischen Helsingör ins Auge. 1868 wurde wiederum mit dem italienischen Gesandten über den Aufbau einer schweizerischen Hochseeflotte verhandelt.81 Schon damals hatten allerdings ausländische Beobachter die Stärke der Schweiz nicht in einer solchen expansiven Politik gesehen. 1861 schrieb der Nationalökonom Arwed Emminghaus «kein anderes Land der Erde» würde über «verhältnismässig so ausgedehnte Handelsverbindungen» ver­ fügen. Es entstehe «kaum eine neue Niederlassung in irgend einem Winkel der neuen Welt», ohne dass hier alsbald eine «Schweizer Kommandite» ihr Geschäft eröffne, und die überall präsenten Handelskonsulen würden «der Industrie ihres Heimlandes immer neue Absatzwege (...) verschaffen». «Da braucht es keine kostspieligen Flotten, keine kostbaren Verwaltun­ gen, da braucht es keinen Krieg noch Unterdrückung; auf dem friedlichs­ ten und einfachsten Wege der Welt werden da die Eroberungen gemacht (,..)».81 Es war diese Einstellung, die sich durchsetzen sollte. 1885 diskutierten Bundesrat und Parlament die Motion des radikaldemokratischen Na­ tionalrats Friedrich Salomon Vögelin (Professor für Kultur- und Kunst­ geschichte an der Universität Zürich) über eine offizielle Beteiligung des Bundes an schweizerischen Kolonisationsunternehmungen. Vögelin wollte damit den Schweizer Auswanderern helfen. Ein Jahr darauf bat der Schweizer Minister Charles Lardy den Bundesrat von Paris aus, auf das Vermittlungsgesuch, das Frankreich und Belgien anlässlich einer Ausein­ andersetzung im Kongo an die Schweiz richteten, einzugehen. Man könne, so Lardy, «die Geldverlegenheit des belgischen Königs je nach Umständen im Interesse unseres Handels und unserer Industrie zur Gründung einer

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schweizerischen Kolonialpolitik aus(...(beuten».83 Diese Forderung wurde just zu einem Zeitpunkt erhoben, als sich der belgische Monarch zum per­ sönlichen Eigentümer des Freistaates Kongo aufgeschwungen hatte und als im Deutschen Kaiserreich die Kolonialfrage mit neuer Dringlichkeit gestellt wurde.82» Während hier der «Platz an der Sonne» (wie Bernhard von Bülow 1897 in einer Reichstagsdebatte erklärte) noch viele innenpolitischen Ener­ gien mobilisieren sollte, schaltete die Schweiz auf Verzicht um. Bundesrat Numa Droz, Vorsteher des Handels- und Landwirtschaftsdepartements, lehnte den (wie er schrieb) «ungemein vagen und etwas dunklen» Vorstoss von Vögelin ohne Wenn und Aber ab. Die Erwartung, «durch Anlegen von Kolonien» könnten «der Handel und die Industrie des Mutterlandes belebt werden», habe sich «fast immer als Illusion erwiesen; der Handel ist kos­ mopolitisch und kauft und verkauft, wo ihm das Absatz- resp. das Bezugs­ gebiet am günstigsten zu sein scheint und keineswegs aus patriotischen Motiven».8? Damit formulierte Droz das Credo eines freihändlerischen Kleinstaates, der aus seiner Not, keine international operierende Seemacht zu sein, die Tugend globaler Geschäftsanbahnung auf der Grundlage reeller Angebote machte. Für diese kolonialpolitische Zurückhaltung sprachen auch innere Gründe. Der Föderalismus und die schwache Zentralisierung der Staatsstruktur verhinderten die Akkumulation der für eine imperialisti­ sche Expansion nötigen finanziellen und organisatorischen Ressourcen auf Bundesebene. Staatsstruktur, nationales Selbstverständnis und Geschäfts­ politik verklammerten sich auf neue Weise. Die Neutralität hielt die Schweiz aus internationalen Querelen und Verpflichtungen heraus und erleichterte damit wirtschaftlich-finanzielle Verflechtungen nach allen Seiten.86 Die imaginären Grenzübergriffe hatten sich zunächst in die militärische Landesverteidigung verlagert. Generalstabschef Alphons Pfyffer von Altishofen hatte Ende der 1880er Jahre angesichts der Bedrohung der Schweiz durch den Dreibund (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Italien) noch vor, bei akuter Kriegsgefahr mit der Schweizer Armee in einem Über­ raschungsschlag Mailand zu besetzen. Den italienischen Nationalstaat mochte der ehemalige päpstliche Offizier ohnehin nicht leiden.8? 1892 ant­ wortete sein Nachfolger, Arnold Keller, auf die Frage des Vorstehers des Militärdepartements, Bundesrat Emil Frey, welche Gebietsforderung die Schweiz nach einem erfolgreichen Krieg stellen müsste, mit einem Plan, der einen «gewaltigen Landzuwachs» vorsah. Obwohl er der Meinung war, die schweizerische Militärpolitik dürfe nicht auf territoriale Expan­ sion hinauslaufen, verliefen die «wünschenswerten Militärgrenzen» der Schweiz von Besançon über Nordsavoyen unterhalb des Veltlins durch Norditalien ins Inntal; im Norden über den Feldberg ins Sundgau. Solche

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grenzüberschreitenden Planungen waren, obwohl militärstrategisch ge­ meint, aussenpolitisch brisant, und der französische Generalstab, dem et­ liche Memoriale Kellers zugespielt wurden, war über diese «Anmassungen» irritiert.88 Über Gedankenspiele kamen solche Expansionspläne zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr hinaus. Auch in umgekehrter Richtung wurden die nationalen Grenzziehungen nun zementiert, was Pangermanis­ ten zu spüren bekamen. Als 1902 der Berner Professor Ferdinand Vetter in Nürnberg verlauten liess, die Schweiz sei eine deutsche Provinz, führte dies zu einem Skandal.8’ Zunehmend stellte sich eine Deckungsgleichheit zwi­ schen den Grenzen des (aussen-)politisch Sagbaren und den geographi­ schen Grenzen der Schweiz ein. Die neue Maxime «Erfolg durch Kleinsein» erschien auch weit entfern­ ten Beobachtern als attraktiv. Der japanische Sozialdemokrat und Pazifist Abe Iso nutzte in den Jahren um 1900 das Bild der Schweiz als kleines, neutrales Land, um die imperialistischen Tendenzen, die sich in Nippon breitmachten, zu kritisieren. 1904 publizierte er - ohne je Europa bereist zu haben - ein Buch mit dem Titel «Idealer Staat auf Erden - die Schweiz», in dem er unter anderem schrieb: «Dieses kleine Land der Freiheit! Wo sonst findet sich ein Land, welches sich zur Aufgabe seiner staatlichen Existenz machte, seinem Volke Wohlstand, Freiheit und Gleichheit zu schenken? (...) Die anderen Länder dieser Erde sollten vor diesem kleinen Idealstaat auf die Knie gehen und sich schämen.»’0 «Small-countryism» (shökokushugi) wurde im Land der aufgehenden Sonne zum gemeinsamen Nenner all jener Strömungen, die sich einer expansionistischen und milita­ ristischen, auf Suprematie abzielenden Aussenpolitik Japans widersetzten.’1 Die moralische Nobilitierung des neutralen Kleinstaates im Herzen Eu­ ropas übersieht allerdings, dass dieser in verschiedener Hinsicht Teil des Kolonialismus war.’1 So war das Land mit seinen starken Hochschulen Teil des Scientific colonialism der Vorkriegszeit. Schweizer Auswanderer und «Überseer» partizipierten an den agrarwirtschaftlichen und medizini­ schen «Laboratorien der Moderne» in der kolonialen Peripherie, die Ex­ peditionsunternehmen bürgerlicher Gelehrter, Abenteurer und Missionare sorgten für die Bestückung von «Völkerkundemuseen» mit hochkarätigen Objekten und faszinierenden Fotografien. In umgekehrter Richtung wur­ den nun Beschreibungsmodelle einer «Urwelt der Schweiz», wie etwa Oswald Heer sie in den 1860er Jahren vorlegte, zur Darstellung des «dunklen Afrika» und zur Legitimation der zivilisatorischen Mission der Weissen verwendet.” Die Schweiz war an der kolonialen Wissenspro­ duktion, die nicht selten auf Zwang und Gewalt beruhte, ebenso beteiligt wie die imperialistischen Machtstaaten.’■* Im Inland äusserte sich dies im

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Interesse an «Völkerschauen» mit «Eingeborenendörfern», die sich ab 1880 in Schweizer Städten grosser Beliebtheit erfreuten. Der deutsch­ schweizerische Unternehmer Karl Küchlin war ein Pionier der unterhalt­ samen Vermarktung dieser exotischen Attraktionen, die in Verbindung mit anderen Sensationen (Theater, Variété, Operette, Film, Zirkus) eine transnationale Vergnügungskultur etablierten.?s

Positivsummenspiel, Trittbrettfahren, Neutralitätsdividende Das Argument, dass Kleinsein einen kompetitiven Vorteil darstellen kann, wurde in den Jahren nach 1900 von einer Reihe von Autoren vorgebracht. 1909 publizierte der spätere britische Labour-Abgeordnete, Freihandels­ anhänger und Friedensnobelpreisträger Norman Angell ein Buch mit dem Titel «Europe’s optical illusion», das ein Jahr darauf als «Die Grosse Täu­ schung» in Leipzig erschien.?6 Für Angell war die Vorstellung, dass militä­ rische Machtentfaltung mit wirtschaftlicher Reichtumssteigerung einher­ gehe, ein «gefährlicher Denkfehler (...), welcher zuzeiten die Form einer optischen Täuschung, zuzeiten die Natur eines Aberglaubens annimmt».?? Ihm zufolge zeigte «die ganze Geschichte der Entwicklung des Handels von kleinen Völkern, dass die grossen ihnen gegenüber keinen Vorteil haben».?8 Diese Sicht wurde vor 1914 in der Schweiz weithin geteilt. Auch hier beobachtete man mit Genugtuung, dass «der Kredit kleiner und tat­ sächlich wehrloser Staaten demjenigen der europäischen Grossmächte überlegen ist».?? Nach dem Ersten Weltkrieg befassten sich verschiedene Autoren mit der Stellung der Schweiz im Imperialismus des Fin de siècle. So der deutsche Wirtschaftssoziologe Walter Sulzbach in seinem 1929 publizierten Buch «Nationales Gemeinschaftsgefühl und wirtschaftliches Interesse» und der schweizerisch-amerikanische Soziologe Richard F. Behrendt in seiner Dis­ sertation aus dem Jahre 1932 über «Die Schweiz und der Imperialismus», die den Untertitel trägt: «Die Volkswirtschaft des hochkapitalistischen Kleinstaates im Zeitalter des politischen und ökonomischen Nationalis­ mus».100 Beide Autoren sahen in einer militärisch expansiven Staatlichkeit einen Belastungsfaktor für wirtschaftliches Wachstum. Sulzbach konstru­ ierte geradezu eine «Antinomie zwischen Macht und Reichtum». Weil Kolonien für die Grossstaaten eine «Ehrensache» seien, lägen dem Impe­ rialismus «nicht Interessen», sondern «Emotionen wie die Freude am Kampf» und sentimentale Ideen zugrunde. «Imperialismus» als patri­ otisch motivierte «Tendenz eines Staates, sein Herrschaftsgebiet zu erwei­ tern», sei faktisch eine ökonomische Kraftverschwendung.101 Behrendt setzte diese Argumentationslinie fort und stellt fest, dass kleine Staaten

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aufgrund dieser Selbstschwächung der Grossen nicht marginalisiert wür­ den, sondern relativ an Bedeutung gewännen.102 Er unterschied drei Typen von Vorteilen, welche die Schweiz aus ihrem «Primat der Nützlichkeit»10? ziehe: Der erste Punkt, die Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung, war ein allgemeiner Trend, den helvetische Unternehmen mit ihrer starken Weltmarktpräsenz besonders intensiv zu nutzen verstanden. Zweitens ist die erwähnte «Ausnutzung der Errungenschaften imperialistischer Staa­ ten» wie etwa der Erwerb von Privatbesitz oder die Durchsetzung von Verträgen unter dem Schutze von Kolonialregierungen zu nennen. Drit­ tens förderte die Neutralität des Landes die wirtschaftlichen Austausch­ beziehungen nach allen Seiten auf spezifische Weise. Sie löste das Land aus militär- und machtpolitischen Allianzen heraus - und integrierte es umso mehr in die Weltwirtschaft.10* Diese kleinstaatlichen Vorteile lassen sich durch folgende drei Stichworte charakterisieren: Positivsummenspiel, Trittbrettfahrergewinn und Neutralitätsdividende. Die These eines Positivsummenspiels knüpft an Überlegungen zu den Produktivitätseffekten internationaler Arbeitsteilung und zu wechselseiti­ gen Wachstumsimpulsen durch Marktverflechtung an.10? Zu Recht kriti­ sierte Behrendt die «tief eingewurzelte Vorstellung», dass «ein Land sich nur auf Kosten der andern bereichern kann» (wovon damalige Imperia­ lismustheorien ausgingen). Internationale Marktöffnung und Freihandel haben im Prozess der Industrialisierung in allen Ländern, die sich daran beteiligten, Wohlstandsgewinne ermöglicht. Was die einen dazugewannen, ging in jenen Ländern, die wirtschaftlich über Marktbeziehungen inte­ griert waren, nicht auf Kosten der anderen. Im Gegenteil: In Westeuropa und den USA lässt sich über das 20. Jahrhundert hinweg eine Konvergenz des Wohlstandsniveaus feststellen. Länder, die um 1890 das höchste ProKopf-Einkommen hatten (Schweiz, Grossbritannien, Belgien, USA, Nieder­ lande), verzeichneten in den 110 Jahren bis 2000 die geringsten durchschnitt­ lichen Wachstumsraten ihrer Volkswirtschaften; Länder wie Portugal, Griechenland, Spanien, Italien, Norwegen, die Ende des 19. Jahrhunderts am unteren Ende der Pro-Kopf-Einkommensskala standen, holten demge­ genüber (relativ) auf.106 Dieser Angleichungsprozess sollte allerdings nicht über die Auswirkun­ gen der Weltmarktintegration auf die volkswirtschaftliche Verteilung und auf die Vertiefung der globalen Diskrepanzen, wie sie im 20. Jahrhundert eintraten, hinwegsehen lassen.10? An diesem letzteren Prozess war die Schweiz auf widersprüchliche Weise beteiligt. Wann immer sie konnte, schloss sie mit kolonisierten Ländern Abkommen ab, die dem Modell der «ungleichen Verträge» entsprachen. Am Beispiel des Kakaohandels der

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Basler Missions-Handlungs-Gesellschaft in Westafrika lässt sich zeigen, wie Schweizer Akteure innerhalb des britischen Kolonialismus operierten.108 Doch im Unterschied zu Belgien und den Niederlanden, die sich eigene Ko­ lonien hielten (und leisteten), stand es Schweizern frei, «sich an irgend eine beliebige Macht zu wenden», wie ein Autor um 1900 bemerkte.10’ Dies ermöglichte es schweizerischen Unternehmern, kooperative Investitions­ strategien einzuschlagen. Am Beispiel der schweizerischen Direktinvesti­ tionen in Japan lässt sich zeigen, dass helvetische Akteure ein Sensorium dafür entwickelten, wie sich ihre kommerziellen Interessen mit jenen ihrer Geschäftspartner vermitteln liessen. Nach 1900, als der Inselstaat seinen «commercial code» geändert und sich als Mitglied des internationalen Goldstandards wirtschaftlich geöffnet hatte, setzten grosse Schweizer Fir­ men, die damals im «Land der aufgehenden Sonne» präsent waren und Joint ventures anstrebten - Brown Boveri, Ciba, Nestlé, Sandoz, Sulzer -, stärker auf Komplementarität denn auf Rivalität.110 Sie bauten neue Pro­ duktionskapazitäten in Bereichen auf, in denen japanisches Kapital bisher nicht präsent war. Die daraus resultierende Win-iuin-Situation war für das Image der Schweiz von Vorteil und spiegelte sich in einer positiven Wahr­ nehmung des Landes, wie sie sich etwa bei Abe Iso fand. Zugleich konnten Schweizer Firmen mittels Informationsbeschaffung und Marktkenntnis vom Aufbau und vom Vorhandensein einer kolonia­ len Infrastruktur profitieren. So nutzen sie, wie das Beispiel des Handels­ unternehmens Volkart zeigt, die öffentlichen Investitionen (z. B. Eisen­ bahn, Telegraphie oder Bewässerung), welche die Briten in Indien getätigt hatten, und traten dabei durchaus auch in Konkurrenz zu englischen Fir­ men.111 Der neutrale Kleinstaat beteiligte sich damit selber an der Produk­ tion der «öffentlichen Güter» des kapitalistischen Weltmarktes (wie inter­ nationale Transport- und Kommunikationssysteme, Rechtssicherheit und diplomatischer Schutz für Kolonialinteressen). Die Aufwendungen dafür waren allerdings um ein Vielfaches kleiner als die Mittel, die Grossstaaten in die militärische Machtstruktur und die administrativen Apparate des Imperialismus investierten. Die Schweiz konnte die imperiale Kano­ nenbootpolitik kritisieren und gleichzeitig die Geschäftsgrundlagen, die dadurch gesichert wurden, nutzen. Somit lässt sich durchaus von einer Trittbrettfahrerposition sprechen. Der Begriff der Neutralitätsdividende zielt demgegenüber auf die ge­ schäftliche Privilegierung neutraler Schweizer in machtpolitisch aufge­ ladenen Konfliktkonstellationen, in denen das Verhalten grosser Staaten Parteilichkeit einfordert. Behrendt schliesst aus der Tatsache, dass die Schweizer «über das rein geschäftliche hinausgehenden politischen Inter-

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esses unverdächtig» waren, sie hätten «auf diese Weise als aus dem Imperialismus der andern gerade als nichtimperialistisches Land Nutzen» ziehen können.111 Das Bild des «lachenden Dritten» führt allerdings deshalb in die Irre, weil die Schweiz nicht ausserhalb, sondern mittendrin war. Aber sie musste eben nicht Flagge zeigen. Nationale Zu­ gehörigkeit spielte für Handelskaufleute und Vertreter global operieren­ der Exportunternehmen bis zum Ersten Weltkrieg kaum eine Rolle, weil sie sich auf die Vermarktung qualitativ hochstehender Waren zu reellen Preisen und mit hoher Vertragssicherheit sowie Lieferzuverlässigkeit kon­ zentrierten. Und dieser Erfolg hing nicht von einer «Marke Schweiz» ab.11? Im europäischen Kontext häuften sich jedoch missbräuchliche Ver­ wendungen des Schweizerwappens, was ein weiteres Indiz für den zuneh­ menden kompetitiven Vorteil der Neutralität darstellt. So schmückten an der Weltausstellung von 1900 in Paris sowohl französische wie deutsche Fabrikanten ihre Produkte mit dem weissen Kreuz im roten Feld.11'» Die Logik dieser Nützlichkeit verbietet es, die imperialistischen Gross­ mächte den nichtimperialistischen Kleinstaaten schroff gegenüberzustel­ len. Denn gerade die Trittbrettfahrer-These macht deutlich, dass die schweizerischen Aussenwirtschaftsbeziehungen sich innerhalb des wirt­ schaftlichen Imperialismus entfalteten und Teil davon waren. Dies geht weit über den vergleichsweise kleinen aussereuropäischen Aussenhandel, der vor 1914 bei den Exporten knappe 15 Prozent und bei den Importen um die 20 Prozent betrug, hinaus. Tochter- und Handelsgesellschaften so­ wie unterschiedlichste Vermögenswerte trugen zum Ausgleich der schwei­ zerischen Zahlungsbilanz bei. Die Schweiz stärkte im Fin de Siècle ihr «heimliches Imperium» durch einen «privat-wirtschaftlichen dmperialismus»».11’ Später wurden zur Charakterisierung der Jahrzehnte vor 1914 auch Formulierungen wie «Bank- und Börsenimperialismus», «verdeckter Kolonialismus» («colonialisme oblique») und «Sekundärimperialismus» vorgeschlagen.116 Die schweizerische Volkswirtschaft steuerte vor dem Ersten Weltkrieg zwischen 2 und 2,5 Prozent zum Weltimport und -export bei. Dies über­ traf die Bevölkerungsstärke um den Faktor 10. Leitlinie dieser Aussen­ wirtschaft war der «doux commerce», der friedliche, reelle Handel, in dem Charaktereigenschaften wie Redlichkeit, Fleiss, Genügsamkeit und Pünkt­ lichkeit zählten. ”7 Auf dieser Grundlage liess sich im ausgehenden 19. Jahrhundert eine spezifisch kommerzielle Form kolonialer Soft-power entwickeln. Firmen mit einem neutralen Kleinstaat als Domizil nutzten attraktive Nationalstereotypen und bauten das «Schweizerland» in ihre Marketing-Strategie ein. Sie stützten sich dabei pragmatisch auf das Hard-

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pof^er-Arsenal der Kolonialmächte. Während in diesen Ländern die Kos­ ten dieser Herrschaftssicherung stark anstiegen und eine Belastung für die Staatshaushalte darstellten, realisierte die Schweiz einen Sympathiebonus, der sich nicht auf Geschäftsinteressen reduzieren liess, diese jedoch be­ förderte und sich in Form einer Neutralitätsdividende auszahlte. Anders gesagt: Während die Grossmächte dabei waren, den strategischen Bogen zu überspannen und den Kolonialismus in ein Defizitunternehmen zu verwandeln, richteten sich schweizerische Unternehmen und Händler gewinnbringend in lokalen Kolonialkontexten, aber auch in Ländern wie Japan ein. Vor dem Ersten Weltkrieg häuften sich dementsprechend helvetische Kla­ gen über Einschränkungen des Freihandels, die seit der «Grossen Depres­ sion» innereuropäisch und im Weltmasstab auf dem Vormarsch waren. Sie bezogen sich hauptsächlich auf «Absperrungssysteme» in den Kolonial­ gebieten, wie sie durch Frankreich, Russland und den USA durchgesetzt würden. Als Partner wurden demgegenüber England und Deutschland ge­ sehen. Grundsätzlich müsse die Schweiz, so Traugott Geering und Rudolf Hotz im Jahre 1910, darauf bestehen, «auf gleichen rechtlichen und wirt­ schaftlichen Bedingungen mit den andern Völkern konkurrieren zu kön­ nen», und wo immer dies gewährleistet sei, «wird der schweizerische Ex­ port aller Unterbietung zum Trotz immer wieder auf dem Plane sein».118 Diese Aussenwirtschaftsbeziehungen wurden rechnerisch in einem System fester Wechselkurse abgewickelt.11« Auch hierin war die Schweiz abhän­ gig, denn der internationale Goldstandard funktionierte nur, wenn die grossen Staaten ihn wollten - was dann bei Kriegsausbruch im Sommer 1914 schlagartig nicht mehr der Fall war. Nichtsdestotrotz hatte die schweizerische Volkswirtschaft schon vor 1914 das Potenzial aufgebaut, das dann in den 1920er Jahren für das na­ tionale Geschäftsmodell des Finanzplatzes und für die nationale Waren­ propaganda genutzt wurde. Schon damals stärkten sich die Attraktion von aussen und das Nationalbewusstsein im Innern wechselseitig. Aus dieser Zirkulation von Bildern lassen sich das Premium-Motiv und der Top-ofEurope-Eopos, welche noch heute in der Schweiz gepflegt werden, zwang­ los ableiten.

Völkerrecht und gouvernementaler Internationalismus Die Schweiz kompensierte im ausgehenden 19. Jahrhundert ihre klein­ staatliche Schwäche mit einer Doppelstrategie. Zum einen praktizierte sie einen aktiven «gouvernementalen Internationalismus», der ihr die «Hin­ tertüren zur Macht» öffnete.110 Zum anderen hielt sie sich strikt an völ­

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kerrechtliche Verpflichtungen. Die Trennung von Innen- und Aussen­ politik ermöglichte es, internationale Verträge gegen Einmischungen der nationalen Gesetzgebung weitgehend abzuschotten. Die von der Bun­ desversammlung genehmigten Staatsverträge galten nach Artikel 113 der Bundesverfassung von 1874 auch für das Bundesgericht als «massge­ bend». Der Vorrang der Staatsverträge ergab sich dabei nicht aus einer Hierarchisierung des Völkerrechts über dem Landesrecht, sondern aus der allgemein hohen Wertschätzung, welche die Schweiz dem Vertrags­ und Völkerrecht entgegenbrachte. Nach vorherrschender Meinung taten schwache Länder gut daran, sich auf völkerrechtliche Absicherungen und Regelungen zu stützen; es war weithin klar, dass Verträge auf einem Verhandlungskonsens basieren, der sich grundsätzlich von der Logik der Mehrheitsentscheide, die dem Gesetzgebungsprozess zugrunde liegt, unterscheidet.111 Durch diese Verbindung von internationaler Vertragssicherheit und ak­ tiver Aussenpolitik trug der neutrale Kleinstaat zur Stabilität der inter­ nationalen Ordnung bei.111 Die Schweiz war - so Paul Seippel im bereits zitierten Überblick von 1900 - aufgrund der Weltstellung ihrer Wirtschaft und der machtpolitischen Zurückhaltung für eine Helvetia mediatrixMission prädestiniert. Diese Mission konkretisierte sich unter anderem im Internationalen Kriegs- und Friedensmuseum, das der politisch-russische Eisenbahnpionier, Bankier und politische Autor Ivan Bloch (Johann von Bloch) in Luzern finanzierte. 1902 wurde dieses unter Anwesenheit promi­ nenter Pazifisten wie filie Ducommun, der im selben Jahr zusammen mit Charles Albert Gobat den Friedensnobelpreis erhalten sollte, eröffnet. Bloch hatte wenige Jahre zuvor in einem monumentalen, 4000-seitigen Werk den «zukünftigen Krieg in seiner technischen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung» dargestellt und dabei die These vertreten, dass eine grosse kriegerische Auseinandersetzung angesichts des erreichten Standes der wirtschaftlich-technischen Zivilisation ein Ding der Unmög­ lichkeit geworden sei.,23 In Luzern sollten die zahlreichen Besucherinnen und Besucher (die mit jährlich um die 60 000 das Zweifache der Stadt­ bevölkerung ausmachten) den Krieg als Vergangenheit erleben. Nicht zu­ letzt aufgrund dieser Attraktion fand 1905 in Luzern der 14. Internatio­ nale Friedenskongress statt. Unter militärischer Leitung entwickelte sich die Einrichtung allerdings alsbald zum «Kriegsmuseum», und es war un­ verkennbar, dass die fremdenverkehrstechnische Werbewirkung gegen­ über der pazifistischen Pädagogik dominierte. ,24 Seippel verfügte indes über ein klares Bewusstsein darüber, dass der «völkerverbindende Geist» die Schweiz auch in die Pflicht nahm und Ab­

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hängigkeit bedeutete. «Wir wissen sehr wohl», schrieb er, «dass unser Land keineswegs allein Herr seiner Geschicke ist, und dass sein Schicksal mit dem der Nachbarstaaten verknüpft erscheint».ris Darin sahen die Be­ hörden einen Auftrag und positionierten das Land als wichtige euro­ päische Verhandlungsplattform und als Kommunikationsknotenpunkt. In Schweizer Städten fanden zahlreiche internationale Konferenzen und Kon­ gresse statt, es wurden Konventionen und Vereinigungen abgeschlossen sowie Ämter und Büros mit weltumspannendem Aufgabenbereich gegrün­ det. Bereits 1863 war, angeregt durch den Bericht Henri Dunants über die Schlacht von Solferino im Juni 1859, das Rote Kreuz geschaffen worden; ein Jahr darauf wurde die Genfer Konvention verabschiedet, der bis zum Ersten Weltkrieg die grosse Mehrzahl der europäischen Staaten und die USA beitraten. 1874 wählten die Internationale Union der Telegraphen­ verwaltung bzw. der Weltpostverein die schweizerische Bundesstadt Bern als Hauptsitz. 1893 siedelten sich dort auch das Zentralamt für den inter­ nationalen Eisenbahnverkehr, die Weltorganisation für geistiges Eigentum und das Internationale Transportbureau an. 1901 entstand in Basel die In­ ternationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz (die Vorläuferor­ ganisation des Internationalen Arbeitsamtes) und in Bern (angeregt durch Elie Ducommun) das Internationale Friedensbüro. 1906 wurde dort auch die internationale Konvention zum Verbot der Nachtarbeit von Frauen ab­ geschlossen, die als Markstein des Arbeiterinnenschutzes galt. Zu erwäh­ nen sind zudem die zahlreichen internationalen Konferenzen der Arbeiter­ bewegung, die, beginnend mit dem sozialistischen Weltkongress in Chur im Jahre 1881, in der Schweiz stattfanden, sowie der erste internationale Zionistenkongress in Basel 1897 (auf den weitere folgten).116 Diese grenz­ überschreitende Profilbildung eines kleinen Landes erwies sich als Präge­ faktor der nationalen Politik und trug zentral zur Stärkung der «Bundes­ staatlichkeit» bei. Zwischen der Frühphase des Bundesstaates und dem ausgehenden 19. Jahrhundert liess sich in diesem Bereich eine Verschiebung konsta­ tieren. Schon seit den 1850er Jahren mischten sich schweizerische Akteure (Wissenschaftler, Politiker, Verbandsvertreter, Freiwillige etc.) in die Lö­ sungen für Staaten übergreifende Kontrollbedürfnisse ein.11? Es tauchte ein neuer Typus des international angesehenen und wohlinformierten Fach­ experten auf, der in den internationalen Beziehungen auf Kosten der tra­ ditionellen Geheimdiplomatie der Grossmächte wichtiger wurde. Waren Länder wie Belgien, die Niederlande oder die Schweiz zuvor zu Diplo­ matenkonferenzen gar nicht erst eingeladen worden, spielten sie nun als machtpolitisch entlastete, erklärtermassen rein technisch und sachlich in-

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teressierte Koordinatoren eine zunehmend zentrale Rolle. Als Sitz für internationale Organisationen rückte die Schweiz vor 1914 nach Belgien, Deutschland und Frankreich auf Platz 4, vor Grossbritannien und den USA.118 Mit ihrem pragmatisch-flexiblen Engagement trieb sie die Nor­ menangleichung und die Durchsetzung von Standards, vor allem in den Bereichen Kommunikation, Sozial- und Bildungspolitik sowie Handel und Industrie voran. Sie erreichte mit der formellen Finanzierung ihrer Dele­ gierten einen hohen Offizialitätsgrad ihrer Beteiligung. Als nicht direkt in machtpolitische Konflikte involviertes Land vermochte sie auch eine Schiedsrichterfunktion bei internationalen Streitigkeiten (Alabama-Han­ del 1871 ff.) wahrzunehmen und wissenschaftliche Ansätze zu stärken, etwa in den Bereichen Seismologie, Hydrologie, Klimatologie, Geologie, Weltsprache, Archäologie, Erziehung, Schulhygiene und Weltnaturschutz. Generell nutzte die Schweiz ihre Aussenbeziehungen für die Wissenschafts­ förderung und die Stärkung von Wissensgemeinschaften; sie brachte eine ganze Reihe von international akzeptierten Experten hervor, unter ihnen Max Huber, Friedrich Meili und Otfried Nippold. Regierungsmitglieder wie Numa Droz und später Gustave Ador verfügten über internationale Statur. Dennoch fehlte der Typus des charismatischen Administrators, der etwa in Belgien und in den USA festzustellen war. Vielmehr herrschte eine «besonders breite Gruppe von Beamten» vor, die ihre Kompetenzen mit Vertretern der Spitzenverbände der Wirtschaft teilten.11» Dieser «Vorkriegsinternationalismus» des Fin de Siècle hatte kaum etwas mit dem menschenrechtlichen Kosmopolitismus zu tun, wie er sich nach 1945 herausbildete.1?0 Auch bei ethisch aufgeladenen Themen wie dem Sklaven-, Drogen- und Mädchenhandel drehten sich die Diskussionen primär um staatliche Migrations- und Handelskontrolle. Die Durchset­ zung eines liberalen Völkerrechts zielte auf eine verbindliche Konflikt­ regelung unter europäischen Staaten ab. Gleichzeitig wurden alle Territo­ rien, die nicht der Souveränität «zivilisierter» Staaten unterstanden, für Okkupation und Eroberung freigegeben.1?1 Die Schweiz bekräftigte in diesem imperialistischen Expansionsprozess ihre neutrale Stellung und plädierte für eine Humanisierung des Krieges, für die Internationalisierung von Technik und Wissenschaft sowie für völkerrechtliche Regelungen. Dass alle diese Bestrebungen hochpolitisch waren, wurde überspielt durch die zunehmend unpolitische Rhetorik einer humanitären Mission des Lan­ des. In jenen Fällen, in denen sie nationale Interessen tangiert sah, scherte die Schweiz jedoch aus. 1874 und 1899 stellte sie sich gegen die interna­ tionale Verrechtlichung des Krieges. Dass sie die Haager Landkriegs­ ordnung als letzter europäischer Staat ratifizierte, hing direkt mit der Idee

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eines «Volkskrieges» zusammen, die - gegen den Trend der Militärrefor­ men - nach wie vor hochgehalten wurde. Ganz vorne mit dabei war die Schweiz, wenn es um Standardisierung, Normierung und den Aufbau gut funktionierender Netzwerke in einer prosperierenden Weltwirtschaft ging. Sie folgte dabei einer freihändle­ rischen, antimonopolistischen Tradition, die auf das Positivsummenspiel einer grenzüberschreitenden industriewirtschaftlichen Verflechtung setzte. Sie hatte gelernt, sich als Kleinstaat zu akzeptieren und aus der Neutralität wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Auf diese Weise wurde die Schweiz zum funktionierenden Bestandteil des imperialistischen Weltsystems, ohne sich direkt in koloniale Abenteuer zu verstricken. Sie sicherte ihre Position als global präsentes Waren- und Kapitalexportland ohne militärische Macht­ mittel. Dies legte den Boden für die Wohlstandsgewinne, die das kleine Land mit seiner starken Volkswirtschaft im 20. Jahrhundert erzielen sollte.

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1. Mai und 1. August Zu Beginn der 1890er Jahre wurden in der Schweiz zwei Traditionen fast gleichzeitig erfunden, die im 20. Jahrhundert nachhaltig weiterwirken sollten: der i.Mai, der internationale Kampftag der Arbeiterbewegung, und der 1. August, der schweizerische Nationalfeiertag.1 Beide Ereignisse etablierten sich alsbald als wichtige Rituale in der politischen Kultur. Sie repräsentieren jene Tendenzen, welche die Gesellschaft in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg prägten: einerseits den Internationalismus der Linken, die ihren Horizont auf die «Proletarier aller Länder» hin öffnete, auch wenn sie politisch-praktisch im nationalen Rahmen verhaftet blieb. Andererseits formierte sich ein neuer Nationalismus, und das Bedürfnis nach einem identitätsstiftenden Geschichtsbild nahm zu. Von Anfang an zeigte sich eine Asymmetrie darin, dass es für Bürger und Bauern unvor­ stellbar war, am i.Mai für die Menschenrechte der Arbeiter auf die Stra­ sse zu gehen, während der Mythos von der Entstehung der Eidgenossen­ schaft eine klassen- und schichtübergreifende Attraktivität aufwies und im Freiheitsbewusstsein der Linken verankert war. Der i.Mai entstand in einem internationalen Ereignis- und Argumen­ tationsraum. Startpunkt bildeten die vom Gewalteinsatz der Ordnungs­ kräfte überschatteten «Haymarket-Unruhen» in Chicago von 1886. Der Gründungskongress der Zweiten Internationale in Paris kritisierte 1889 die willkürliche Verurteilung der Organisatoren dieser Grossdemonstra-



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tion scharf und rief den traditionellen Moving day (den i. Mai) zum welt­ weiten Kampftag der Arbeiterbewegung aus. Er wurde im Jahr darauf auch in der Schweiz zum ersten Mal mit Festen und Feiern, mit Streiks und Demonstrationen begangen. Diese Aktionen verliefen allgemein friedlich und endeten mit Resolutionen für die (schrittweise) Reduktion der Arbeitszeit auf 8 Stunden (nach dem «8-8-8-Arbeiter-Chronometer»: 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Erholung, 8 Stunden Schlaf). In den lokalen Manifestationen artikulierte sich ein emphatischer Wille zu weltumspan­ nender Solidarität. Der Aufmarsch auf der Strasse, die Veranstaltungen der örtlichen Arbeitervereine und Gewerkschaftsverbände waren getra­ gen vom Pathos universeller Werthaltungen. Gefordert wurde über die konkreten Kampfziele hinaus die «allgemeine Gleichberechtigung» der Menschen.1 Gegenläufig dazu zielte die Geschichtspolitik im Zeichen des i. August auf die Stärkung des nationalen Wir-Bewusstseins. Der schweizerische Na­ tionalfeiertag ging aus einem Identifikationsschub hervor, der Mitte der 1880er Jahre einsetzte. Im März 1886 wurde in Altstätten die mitterlalterliche Schlacht am Stoss in einem Festspiel aufgeführt. Im Juli fand in Sem­ pach das grosse 500-Jahr-Schlachtjubiläum statt, das an den Sieg der eid­ genössischen Krieger gegen ein habsburgisches Ritterheer im Jahre 1386 erinnerte. Im August weihte man bei Bern das Grauholzdenkmal ein. Vor allem die Sempacherfeier hatte eine enorme öffentliche Breitenwirkung. Im nationalen Erinnerungsritual wurde die innenpolitische Kluft, die sich mit dem Bürgerkrieg von 1847, dem Kulturkampf und den Verfassungs­ konflikten der frühen 1870er Jahre erneut geöffnet hatte, überwunden. Zum ersten Mal feierten Katholiken und Protestanten, konservative und liberale Kantone, Landbevölkerung und Städter gemeinsam und gedach­ ten eines historischen Moments, in dem sich beispielhaft gezeigt hatte, dass der Kleine, wenn er nur mutig und gottesfürchtig war, den Sieg über den Grossen davontragen konnte.? Redner beschworen einen mythischen Tag vor 500 Jahren. Vor dem inneren Auge spielte sich ein berauschendes Spektakel ab. Die Eidgenossen beten und stürzen sich in den Kampf. Gegen die Lanzenphalanx des schwer bewaffneten habsburgischen Ritterheeres können sie mit ihren Hellebarden und Morgensternen nichts ausrichten. Sie sinken reihenweise in den Tod. Da tritt in schon fast aussichtsloser Lage Arnold von Winkel­ ried aus Nidwalden hervor. «Ich will euch eine Gasse bahnen. Sorget für mein Weib und meine Kinder», ruft er und wirft sich mit ausgebreiteten Armen in die feindlichen Speere. Die Schneise ist offen, vom furor helvetii gepackte Eidgenossen mähen die hoch zu Ross reitenden edlen Herren im

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Nahkampf zu Hunderten nieder. Eine gefürchtete Streitmacht, gestellt von angesehenen europäischen Herrschergeschlechtern, nimmt ein jähes Ende, derweil die Kunde vom eidgenössischen Sieg europaweit die Runde macht und den Schweizer Berglern Respekt und Ruhm beschert. Das ist der Stoff, aus dem die nationalen Erinnerungsträume waren.4 1886 wurde Winkelried - nach dem heute noch in Schweizer Dörfern und Städten viele Restaurants, Tramstationen und Strassen benannt sind und an dessen Tat ein Denkmal in Stans erinnert - als Identifikationsfigur gleichsam «vernationalstaatlicht». Im Opfertod eines Einzelnen mani­ festierte sich die symbolische Matrix der schweizerischen Nation («Alle für einen, einer für alle»).? Dieser Aufbau von Nationalbewusstsein unter­ lag vielen Zufälligkeiten. Noch zu Beginn des Jahres 1889 deutete nichts auf eine grosse Feier im Jahre 1891 und auf die Schaffung eines National­ feiertages hin. Im 18. Jahrhundert hatte man zwar eine «incipiente mense Augusto» 1291 ausgestellte Pergamenturkunde wiederentdeckt, der aber keine hervorragende Bedeutung zugemessen wurde. Als aber die Zährin­ gerstadt Bern anregte, gleichzeitig mit ihrer auf 1891 fallenden siebenten Zentenarfeier auch eine grosse Bundesfeier abzuhalten, publizierte der Bundesrat Ende 1889 eilig eine Botschaft, in dem er den Vorschlag auf­ griff, denn damit könne gezeigt werden, dass alle Schweizer «einig (sind) in der Liebe zu dem freien Vaterland».6 Der Staatsrechtler Carl Hilty und der Historiker Wilhelm Oechsli (letzterer an der ETH Zürich lehrend) er­ hielten den Auftrag, Rolle und Bedeutung des Bundesbriefes von 1291 im Hinblick auf die nun fest ins Auge gefasste «sechste Säkularfeier» wissen­ schaftlich fundiert und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich darzustellen. Beide Publikationen waren ideale Synthesen von Wissenschaftsglauben und Nationalbewusstsein, von «sicheren Kenntnissen» und historischer «Ein­ bildungskraft», die (wie Hilty schrieb) «diesen längst vergangenen Dingen wieder Leben einhaucht».i Der 1. August 1891 ging mit Glanz und Gloria über die Bühne. Von einer jährlichen Wiederholung war nicht die Rede. Auslandsschweizer drängten jedoch auf ein Jahresfest und wiesen dabei auf das Vorbild ande­ rer Staaten hin - den «Quatorze Juillet» oder «Kaisers Geburtstag» am 27. Januar. Der Bundesrat nahm sich des Anliegens an und forderte die Kantone 1899 auf, den 1. August mit einem abendlichen Glockengeläut zu begehen. Später wurde er zum dezentralisierten Mitmach-Ritual erweitert; es kamen Höhenfeuer, Lampions, Feuerwerk und Grillpartys dazu, 1993 wurde der Nationalfeiertag schliesslich mit einer Volksabstimmung, die von den ultranationalistischen Schweizer Demokraten eingereicht wor­ den war, zum offiziellen (und damit arbeitsfreien) Feiertag aufgewertet.8

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Dafür gab allerdings eher ein gesteigertes Freizeitbedürfnis als eine natio­ nalmythologische Rückbesinnung den Ausschlag. Geschichtsmythos und Gotthardstaat Mit der Aufwertung des Bundesbriefes zur Nationalreliquie versicherte sich die Schweiz ihrer langen, 600-jährigen Geschichte. Doch in einer Zeit, in der die grossen Nationalstaaten auf organologische und stammesgeschichtliche Gemeinschaftsideologien zurückgriffen und ihre Existenz noch hinter die Völkerwanderung zurückverlegten, konnte damit nicht unbedingt Staat gemacht werden. So schrieb Karl Dändliker in einer 1910 in Leipzig erschie­ nenen populären Einführung zur «Schweizer Geschichte», die Eidgenossen­ schaft sei «eines der jüngsten staatlichen Gebilde in Europa»: «Erst im 13. Jahrhundert» sei sie «in ihrem Kern, dem Waldstättebund, (...) ins Le­ ben» getreten.» Diesem Problem des Jungseins hätte abgeholfen werden können, wenn stattdessen die Pfahlbauern oder die Helvetier als «Staats­ gründer» oder «Vorfahren» identifiziert worden wären. Beide Deutungs­ angebote standen damals im Raum. Die Diskussion um die Ausbreitung von Pfahlbauern zwischen Jungsteinzeit und Bronzezeit im Siedlungsraum der Schweiz kam seit Mitte der 1850er Jahre auf, als zum ersten Mal archäolo­ gische Befunde vom Zürichseeufer vorlagen. Binnen Kurzem wurden solche Überreste an vielen Schweizer Seen gefunden. 1884 fordert der Bundesrat den Aufkauf der (preislich stark überbewerteten) Pfahlbauernsammlung Gross vom Neuenburgersee. Um das Parlament zu überzeugen, wurde aus dem Gutachten Rudolf Virchows zitiert, der bestätigte, dass «die prächtigen Schädel von Auvernier (...) mit Ehren unter den Schädeln der Kulturvölker gezeigt werden» und dass sie sich «den besten Schädeln arischer Rasse an die Seite» stellen können.10 Die Aussicht, die Entstehung der Schweiz mit offenen Plattformen am Ufer von Mittellandseen erklären zu müssen, über­ zeugte dann aber ebenso wenig wie jene, an die Helvetier anzuknüpfen, die das Land verlassen hatten, um dann in der Schlacht bei Bibrakte 58 v. Chr. von den Römern niedergemetzelt zu werden. Über die allegorische Figur der Helvetia und die Staatsbezeichnung «Confoederatio Helvetica» sind Divico und seine keltischen Krieger zwar nach wie vor im schweizerischen Natio­ nalbewusstsein präsent, doch eine zentrale identitätsstiftende Tradition wollte man aus diesen «vorchristlichen Wirtschaftsflüchtlingen» (wie sie im Zuge der Mythenkritik im ausgehenden 20. Jahrhundert bezeichnet wur­ den) nicht herleiten. Es war von Anfang an ein Problem des 1898 gegründe­ ten schweizerischen Landesmuseums, dass es die wertvollen Pfahlbauerbe­ stände der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu bewirtschaften hatte, die im mythischen Narrativ der Nation fortan kaum mehr eine Rolle spielten.

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Dass der 1. August auf eine Urkunde fokussierte, passte jenen Linken und Demokraten nicht, die in ihren Erinnerungsritualen Teils Apfelschuss, den Rütlischwur und den Burgensturm hochhielten. Seit Aegidius Tschudis «Schweizer Chronik» aus dem 16. Jahrhundert waren diese Ereignisse auf Ende 1307/Anfang 1308 datiert, und am 8. November wurde jeweils des Schwurs der drei Eidgenossen auf der Rütliwiese am Urnersee gedacht. Der 1. August stellte nun dieser phantastischen Imagination eine sauber geschriebene Urkunde zur Seite. Die Geschichte einer revolutionären Ver­ schwörung trat zugunsten des bürgerlichen Rechts- und Schriftlich­ keitsprinzips in den Hintergrund. Aus dem Ereignis wurde ein Vertrag. So ist es nicht verwunderlich, dass die Zentralstellung des «ersten ewigen Bundes»11 bei der politischen Linken schlecht ankam. Die ganze Feierstim­ mung sei - so der «Grütlianer» - ein «patriotischer Dusel», mit dem das vom «Herrentum übervorteilte werktätige Volk von seinen Leiden und Sorgen ablenken wolle».11 Doch war die Arbeiterbewegung weit davon entfernt, sich aus der Na­ tionalgeschichte zu verabschieden. Da, wo bürgerliche Kräfte in Front­ stellung gegen die Arbeiterbewegung einen Zwang zum vaterländischen Bekenntnis aufbauten, konstruierte die Sozialdemokratie einen Erinne­ rungsraum für ihren sozialen Emanzipationsdiskurs. Mit ihrer schon vor dem Ersten Weltkrieg sich abzeichnenden Präferenz für Arbeitsverträge schrieben sich die Gewerkschaften in das Bild der «Bundesbrief-Schweiz» ein, welche die Nationalgeschichte mit der Idee der freivertraglichen Re­ gelung basaler Sozialverhältnisse anreicherte. Mit anderer Akzentuie­ rung zeigte sich die sozialdemokratische Aneignung von Mythen auch auf einem Flugblatt für die Nationalratswahlen von 1899. Der «Kampf zwischen Kapital und Arbeit» wird hier auf das Sempacher Schlachtfeld verlegt. Ein sterbender Prolet verrichtet gerade die heroische Arbeit des Winkelrieds, und die Krieger des «Arbeiterstandes» schicken sich an, die «Kapitalherrschaft», auf deren Lanzen «Verachtung», «Brutalität», «Aus­ beutung» und weiteres steht, nach historischem Vorbild kurz und klein zu schlagen.'3 Dieselbe politische Polyvalenz fand sich in der Figur von Wil­ helm Teil, der seine Pfeile im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht nur von rechts gegen «Vaterlandsfeinde», sondern auch von links gegen «Geld­ säcke» abschoss. Und selbstverständlich wurde auf das Rütli antagonistisch Bezug genommen: Während die neue Rechte den Schwur der Eidgenossen nationalistisch deutete, verband die demokratische Linke, und insbesondere die in der Schweizer Arbeiterbewegung lange tonangebenden «Grütlianer» («Grütli» = «Rütli»), dieselbe Szene mit ihrer Vorstellung vom «Genossen» und dem modernen Genossenschaftswesen.

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Die klassenkämpferische Konfrontation schöpfte aus einem gemein­ samen Fundus von Mythen. Die Linke gründete ihre Kritik am Kapitalis­ mus auf dieselbe nationale Befreiungslegende, auf die sich auch der staatstragende Freisinn und die Katholisch-Konservativen bezogen. An­ ders als in der französischen Erinnerungskultur, wo die Revolution als grosse Zäsur ein reaktionäres Vorher und ein fortschrittliches Nachher konstituierte, bezogen sich alle Protagonisten der schweizerischen Innen­ politik auf ein glorreiches Spätmittelalter. Damit wurde die Virulenz des Opferkults der Nation in der Gegenwart abgeschwächt und die emotio­ nale Identifikation in eine weit zurückliegende Vergangenheit verlagert. Es gibt zwar in der Schweiz einige moderne Kriegsdenkmäler; sie sind aber, verglichen mit den umliegenden Ländern, selten, und was den Son­ derbund von 1847 betrifft, so wurde geradezu peinlich darauf geachtet, dass keine Seite begann, «ihrer Toten» zu gedenken. Die Hinterbliebenen von Kriegsopfern wurden als Sozialfälle fürsorglich unterstützt - weiter wollte man nicht gehen. Ernest Renan erklärte 1882, die Nation sei eine «grosse Solidargemeinschaft, getragen von dem Gefühl der Opfer, die man gebracht, und der Opfer, die man noch zu bringen gewillt ist». Die Schweiz hat im 20. Jahr­ hundert diese künftigen Opfer virtualisiert. Die Neutralität, auf die sich die Schweiz im 20. Jahrhundert festlegte, hiess im völkerrechtlichen Kern, sich nicht an den Kriegen der anderen zu beteiligen. So blieben dem klei­ nen Land die grossen Opfer erspart. Die Opferbereitschaft blieb nichtsdes­ totrotz ein stets präsentes Moment des nationalen Bekenntnisses. Bis 1961 hiess die schweizerische Nationalhymne «Rufst Du mein Vaterland». In der zweiten Strophe finden sich die martialischen Sätze, die alle Schulkin­ der lernten: «Nie vor Gefahren bleich Froh noch im Todesstreich Schmerz uns ein Spott.» Die Schweiz holte sich ihre Zukunftsgewissheit aus einer halluzinatori­ schen Vergangenheit als «Originalkriegsvolk». Dies verhinderte, dass die liberale Bundesstaatsgründung von 1848 zum selbstbewussten Moment der Schweizergeschichte werden konnte. Man bezog das symbolische Ka­ pital weiterhin aus einer heroischen Vergangenheit, und versuchte damit, die Konflikte der Gegenwart zu entschärfen. Die «historische Willens­ nation» mit ihrer imaginären historischen Tiefendimension machte den Bürgerkrieg von 1847 und die institutionelle Umwälzung von 1848 un-

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sichtbar. Der Bundesbrief von 1291 fungierte als problementlastende Deckerinnerung.14 Der nationalpatriotische Konformismus herrschte allerdings nicht un­ eingeschränkt. Dies zeigte sich etwa im «Freskenstreit», der sich zwischen 1898 und 1900 um Ferdinand Hodlers «Rückzug der Schweizer aus der Schlacht von Marignano im Jahr 1515» entfaltete. Um das Schweizerische Landesmuseum an die Tradition der heroischen Schlachtengeschichte der Eidgenossenschaft anzuschliessen, wurde ein grossflächiges Bild zur Aus­ schmückung der Waffenhalle in einem Künstlerwettbewerb ausgeschrie­ ben. Hodler ging daraus mit seinen Entwürfen als Sieger hervor. Er strebte eine neue, ins Monumentale gewendete, dekorative Formensprache an. Die wuchtige Darstellung einfacher Bildmotive war gegen die fromm-pitoreske Stilisierung gerichtet, die den Mainstream der damaligen Historien­ malerei prägte. Direktor Heinrich Angst wollte den Entscheid der aus Künstlern bestehenden Jury verhindern und lenkte erst ein, nachdem eine Delegation des Bundesrats in Zürich für Hodler votiert hatte. In diesem heftigen Kunststreit kollidierte ein staatsverklärendes, nationalmora­ lisches Retro-Design eidgenössischer Staatswerdung mit dem Versuch, die historische Willensnation Schweiz in die avantgardistische Formensprache moderner Kunst zu übersetzen. Dass sich Letzteres durchsetzte und dass Hodler zu seinem Recht kam, zeigt, dass es keine unité de doctrine über die Grundzüge nationaler Selbstdarstellung gab. Dies ganz abgesehen da­ von, dass sich auch damals Kritiker äusserten, welche die Meinungsfrei­ heit nutzten, um «die Lüge des Geschichtsunterrichts» mit bissigen Kom­ mentaren zu versehen. So schrieb Carl Albert Loosli 1908 in einem Artikel mit dem genannten Titel: «Dieser Geschichtsunterricht ist es, welcher die patriotische Säuferleber zeitigt und die entsetzliche, verlogene, phrasen­ strotzende Schützenfestmauldiarrhöe grosszieht. Aus diesem verkrüppel­ ten Geschichtsunterricht erwachsen die atavistischen, alle Kultur verleug­ nenden Anschauungen in allen Schichten des Volkes, die sich bis zum Brechreiz hervorrufenden Hurrapatriotismus entwickeln ...»’s Solche Stimmen attackierten eine neue Staatsideologie, die sich an den Alpen festmachte. So beschwor die alte Nationalhymne den schützenden «Alpenkreis». Die Berge spielten eine zentrale Rolle im nationalen Iden­ tifikationsraum der Schweiz.16 Alpine Landschaften eigneten sich beson­ ders gut für die mediale Amalgamierung sakraler Gefühle, ästhetischer Anschauungen, kommerzieller Interessen, militärischer Dispositive und verkehrstechnischer Infrastrukturen. Der Leitspruch «Ex Alpibus salus patriae» (aus den Alpen das Heil des Vaterlandes), mit dem Philippe Sirice Bridel im ausgehenden 18. Jahrhundert eine um den Gotthard zentrierte

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Sichtweise der Schweiz propagiert hatte, klang ein Jahrhundert später nach. Das Motto «Bergluft macht frei» erhielt einen geographischen Ort. Die Nationalisierung der Natur ging einher mit der staatspolitischen Nobilitierung des St. Gotthard. Damit verbunden war auch die geschichts­ mythologische Aufwertung der Innerschweiz, die gleichzeitig wirtschaft­ lich abstieg.'7 Zum selben Zeitpunkt, zu dem dieser Berg mit der Er­ öffnung des Tunnels eine neue verkehrsgeographische und geopolitische Bedeutung erlangt hatte, wurde er zum ersten Daseinsgrund der Schweiz emporstilisiert. Sie verstand sich gleichermassen als militärische Festung und als wirtschaftlich-kulturelles Durchgangsland.18 Aus dem Jahre 1885 datiert der Beschluss, die Gotthardfestung zum Kernstück einer alpinen Verteidigungsanlage mit offensivem Einschlag zu machen.1? Dies entspre­ che der «im ganzen Schweizervolk lebendigen Vorstellung», wonach «das Hochgebirge die von Gott geschaffene Festung der Schweiz sei», so Gene­ ralstabchef Arnold Keller im Jahre 1890.10 Zugleich nahm die Vermarktung der Berge im Flachland zu. Dabei wur­ den auch die destruktiven Seiten der sublimen Erhabenheit des Gebirgs­ massivs ikonographisch und literarisch inszeniert. Dass sich der moderne Nationalstaat in Katastrophen als Schicksalsgemeinschaft erfahren kann, wurde in schweizerischen Erzählungen - von Gottfried Kellers «Verlore­ nem Lachen» aus den 1870er Jahren bis zu Charles-Ferdinand Ramuz’ «Derborance» von 1935 - immer wieder dargestellt anhand der dauernd dräuenden Gefahren, insbesondere der Lawinenniedergänge und Berg­ stürze.11 Dazu kamen gezielte Werbekampagnen. Der Schriftsteller (und spätere Literaturnobelpreisträger) Carl Spitteier etwa verfasste für die gleichnamige Bahngesellschaft ein Buch über den Gotthard; es war dies der erste bedeutende Reklameauftrag an einen Schweizer Autor. Diese Aufgabe scheint ihm so zugesetzt zu haben, dass er 1896 in einem Brief an einen Freund mit dem Gedanken spielte, «den Gotthard mit allen Alpen mit Dynamit in die Luft zu sprengen auf die andere Seite, gegen Norden, damit wir italienische Luft direkt bekämen».11 Ein ähnliches, wenn auch weniger explosives Bewusstsein für die Welt hinter den Schweizer Grenzen findet sich bei Paul Seippel, der 1900 festhielt, dass, wenn dereinst die schweizerischen Grenzen gesperrt würden, dem kleinen, weltoffenen Land rasch «der Raum und die Luft zum Atmen» ausgehen könnten.Hier wird der republikanisch-demokratische Bundesstaat nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell auf das europäische und internationale Umfeld der Schweiz bezogen. Dem stand die touristische Inszenierung einer heilen Schweiz im Chaletstil gegenüber, wie sie 1900 im Village Suisse an der Wel­ tausstellung in Paris mit unverhohlener Werbeabsicht vorgeführt wurde.

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Ein anders gelagerter Diskurs, der die Schweiz auf den Gotthard zen­ trierte und gleichzeitig auf das «christliche Abendland» hin entgrenzte, fand sich bei der politischen Rechten. In den Schriften des Freiburger Kon­ servativen und Reaktionärs Gonzague de Reynold feierte eine religiöse Bergmystik geradezu Urständ. 1906 schrieb er, das «Herz des Reiches» poche im Gotthard als dem «Berg der Mitte», der die christliche Welt (mit dem Papst in Italien und dem Kaiser in Deutschland) Zusammenhalte; bis zum Tag der Erlösung sei die Schweiz deshalb die Hüterin der Pässe und der Quellen. Dieses Bild war fundamental ambivalent. Einerseits festigte es eine schweizerische Partikularidentität, die über Abwehr und Selbst­ besinnung funktionierte. Andererseits war in ihm das Aufgehen im gros­ sen Ganzen eines Erlösungsprojektes (eines «Reiches») mitgedacht. Die «reaktionäre Avantgarde»,1* die diesen Bergmystizismus propagierte (und dabei auf modernste Medien setzte), stand im Zeichen einer «Anti»-Ideologie. Antisozialismus, Antikommunismus, Antiliberalismus, Antikapita­ lismus, Antifeminismus und Antisemitismus wurden in unterschiedlichen Kombinationen durchdekliniert. Der moderne Bundessstaat von 1848 war aus dieser Sicht der durch die Französische Revolution inspirierte Sünden­ fall. Kapitalistische Wirtschaft, parlamentarische Demokratie, liberaler Kosmopolitismus und sozialistischer Internationalismus: Sie alle schienen alteidgenössischen Ruhm zu zersetzen sowie die Ehre und Grösse der schweizerischen Nation zu unterminieren. Gonzague de Reynold, der 1914 die Neue Helvetische Gesellschaft mitbegründete, stand paradigmatisch für diese Haltung, die Paul Seippels Deutung des 19. Jahrhundert umpolte: Dem guten Anden Régime wurde die um 1900 durch Dekadenz und Dege­ neration bedrohte moderne Gesellschaft gegenübergestellt.25 Das war ein gesamteuropäischer Diskurs, in den die Schweiz leitmotivisch einstimmte. Fremdenfeindlichkeit, Ausschluss der Frauen und Volksrechte Die Schweiz als Einwanderungsland bot gute Voraussetzungen für die ge­ werkschaftliche Organisation von Arbeitern. Der 1880 gegründete Schwei­ zerische Gewerkschaftsbund (SGB) wies um 1900 einen Ausländeranteil von ungefähr einem Drittel auf.16 Im Grütliverein waren hingegen nur Schweizer stimmberechtigt und als Delegierte wählbar. 1891 offizialisierte auch die SPS die bisherige Praxis, wonach nur Schweizer Staatsbürger Mitglied werden konnten (wobei diese Partei damals als einzige Frauen aufnahm).2? Exponenten der Arbeiterschaft wie Robert Seidel und Her­ man Greulich fürchteten sich vor einer Majorisierung durch kämpferische deutsche Genossen, wie sie etwa im «Arbeiterverein Eintracht» organisiert waren. International gesinnte Schweizer Genossen konstatierten bissig,



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man müsse wohl bald, um in die Partei zu kommen, seinen Stammbaum auf Divico oder Winkelried zurückführen können. Gegen den Vorwurf, sie würden den Internationalismus verraten, wehrten sich die Grütlianer mit dem Argument, gerade die klassenbewussten, einer revolutionären Rheto­ rik verpflichteten deutschen «Einträchtler» seien selber ausgeprägt natio­ nal gesinnt (was sich 1914 weithin zeigen sollte).18 Ab 1908 erlaubte die SPS die Mitgliedschaft von Ausländern; die Diskussion dieses Problems auf dem Parteitag von 1911 machte deutlich, wie stark sich die Ablehnung der Deutschen vor allem an «einzelnen Besserwissern» festmachte, die, wie ein Redner feststellte, «vorzugsweise einmal ihre Schnorre [Schnauze,] et­ was zurückbinden sollten».1’ Die Debatten in der Linken zeigen, wie sehr sich im ausgehenden 19. Jahrhundert zwischen Nationalismus und Migration ein Spannungs­ feld aufgetan hatte. Die Schweiz war traditionell ein Land, aus dem Men­ schen in auswärtige Solddienste traten und später nach Amerika oder sonst wohin auswanderten. In den 1880er Jahren kehrten sich die Vor­ zeichen der Migrationsbilanz um. Noch immer hielt die Emigration, vor allem jene über den Atlantik, an. Doch weit mehr Menschen, vor allem Männer und Frauen aus grenznahen Gebieten, suchten und fanden in der Schweiz Arbeit, im Tunnelbau, auf Baustellen, in verschiedenen hand­ werklichen Berufen, als Textilarbeiterinnen sowie Dienstbotinnen. Der Anteil der Ausländer an der Wohnbevölkerung stieg bis 1900 auf 11 Pro­ zent; 1910 waren es knapp 15 Prozent. Diese statistischen Angaben müs­ sen um jene «in der Schweiz ihr Brot suchenden italienischen Bau- und Erdarbeiter» ergänzt werden, die «in Italien überwintern» und dort auch sesshaft sind.?0 In den Städten belief sich der Anteil der Ausländer auf durchschnittlich über 28 Prozent, in urbanen Zentren wie Genf, Basel und Zürich, in denen sich migrantische Arbeitskräfte konzentrierten, machten sie 1910 mehr als zwei Drittel (Basel) und 40 Prozent (Genf) der Bevöl­ kerung aus. In sogenannten Italienerquartieren, die es in Basel, Zürich und anderen Städten gab, waren sie mehrheitlich unter sich.?1 Das Bedürfnis, Menschen nach dem Kriterium Staatsbürger/Ausländer zu sortieren, nahm im Fin de Siècle zu. Administrative und polizeiliche Kontrollen wurden verschärft, und «Fremde» sahen sich mit ihrer Natio­ nalität konfrontiert. Der Handwerker aus Südbaden wurde zum «Deut­ schen», der Maurer aus dem Friaul zum «Italiener». Bei Einbürgerungs­ verfahren, die das Nadelöhr darstellten, durch das hindurch Einzelne oder Familien die «nationale Seite» wechseln konnten, galt das ius sanguinis. Dieses erklärt die Abstammung über das männliche «Blut» für massgeb­ lich. Die in der Schweiz geborenen Kinder von Ausländern wurden des­

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halb nicht eingebürgert. Schweizer hingegen vererbten ihre Staatsbürger­ schaft über Generationen hinweg auch auf ihre im Ausland geborenen Nachkommen. Dieses Prinzip ist patriarchalisch, und es brachte einen gra­ vierenden Nachteil für Frauen, die aufgrund ihrer Heirat mit einem Aus­ länder automatisch ausgebürgert wurden. Im Falle einer Scheidung, die häufig zum Verlust der neuen Staatsbürgerschaft führt, konnten sie nicht mehr in die Schweiz zurückkehren. Erst mit dem Bürgerrechtsgesetz von 1952 durften Frauen bei Heirat eines Ausländers die schweizerische Staats­ bürgerschaft behalten oder diese wieder erlangen, falls sie zuvor diskrimi­ niert worden waren. Dass dies einem Bedürfnis entsprach, zeigte die grosse Zahl von Wiedereinbürgerungen 1952/53. Die Staatsbürgerfrage war und ist in der Schweiz deswegen besonders komplex, weil die Bundesverfassung von 1848 auf ein unitarisches Staats­ angehörigkeitsrecht verzichtete und in Artikel 42 festhielt: «Jeder Kan­ tonsbürger ist Schweizerbürger.» Und Kantonsbürger wurde (und wird) man durch die Einbürgerung in eine Gemeinde, so dass von einem dreistu­ figen Bürgerrecht gesprochen wird.’2 Wie bei der Steuerfrage zeigt sich bei der Einbürgerungspolitik eine starke Tendenz, die Macht des Bundes zu beschränken. So fehlte eine normierende Kraft, was zur Folge hatte, dass die Verfahren auf der untersten, der kommunalen Ebene extrem varian­ tenreich waren (und dies noch immer sind). Angesichts des starken Zustroms an ausländischen Arbeitskräften stellte die niedrige Einbürgerungsziffer ein chronisches Problem dar. So kamen 1910 auf 552000 Ausländer nur etwas mehr als 12000 Einbürgerungen, was ca. 2 Prozent ausmachte. Hohe Ablehnungsquoten für Anträge auf Gemeindebürgerrecht trugen zu diesem Ergebnis bei. Ein wichtiger Grund dafür war das von alters her geltende «Heimatprinzip» in der Armenfür­ sorge, das eine restriktive Einbürgerungspraxis förderte. Oft selber ver­ armte Dörfer mussten nämlich für verarmte und deshalb abgeschobene und heimgeschaffte Bürger aufkommen, selbst wenn diese überhaupt kei­ nen sozialen Bezug mehr zu ihrer Bürgergemeinde hatten. Das Problem verstärkte sich auch innerschweizerisch, weil aufgrund der steigenden Mo­ bilität, die den Charakter einer Landflucht hatte, die Kategorie «Bürger ihrer Wohngemeinde» von fast zwei Dritteln (1850) auf 38 Prozent (1900) und ca. ein Drittel (1914) sank.33 Dennoch wurde am statischen Bürger­ rechtsprinzip festgehalten.34 Der entrechtende Umgang mit der grossen Gruppe der «Verdingkinder» war die Kehrseite des Bildes einer Nation von festverwurzelten Bauern und Bürgern. Die Arbeitsmigranten der Zeit vor 1914 waren durch kulturelle Nähe zum Einwanderungsland gekennzeichnet, kamen sie doch zum grössten

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Teil aus den umliegenden Grenzregionen und sprachen eine der schweize­ rischen Landessprachen. Die Deutschen, welche um 1900 mit 168000 und 1910 mit 220 000 Einwandern die grösste ausländische Bevölkerungs­ gruppe in der Schweiz darstellten, brachten eine spezifische Note in die dialektalen Alltagssprachen der Deutschschweiz, die durchaus zu Ani­ mositäten Anlass gab.35 Von der Konfessionszugehörigkeit her fügten sich die Einwanderer in die schweizerische Kirchenlandschaft ein. Aufgrund verstärkter nationaler Orientierungen, der Arbeitsmarktkonkurrenz und räumlicher Segregation (Italienerquartiere in den Städten) bauten sich in­ dessen beträchtliche soziale Spannungen auf, die in einigen Städten zu offenen Konflikten, sogenannten Krawallen oder Tumulten führten, so die «Käfigturmkrawalle» von 1893 in Bern und die «Italienerkrawalle» von 1896 in Zürich Aussersihl. Diese Ereignisse waren insofern be­ merkenswert, als die Terrorisierung italienischer Arbeitsmigranten durch bürgerliche «Selbsthilfegruppen» rasch umschlug in eine Konfrontation zwischen der Aussersihler Bevölkerung und den aufgebotenen Armee-Ein­ heiten, die in der strategisch positionierten Kaserne stationiert waren. Dies zeigt, dass es nicht eingefahrene ethnische Animositäten, sondern primär soziale und politische Problemlagen waren, welche die Konfliktdynamik bestimmten. Es erstaunt unter diesen Umständen nicht, dass es in der Zeit um 1900 Städte wie Zürich, Basel und Genf waren, die für eine erleichterte Einbürgerung plädierten. 1898 stellte Theodor Curti im Nationalrat ein entsprechendes Postulat. «In grösseren Grenzstädten», so Curti, drohe «die ausländische Bevölkerung die einheimische nachgerade zu überflü­ geln». Das «einzig zulässige und zweckmässige Mittel zur Abhülfe» be­ stehe darin, «durch Erleichterung der Bürgerrechtsaufnahme die sich dazu überhaupt eignenden Elemente der schweizerischen Nation zu assimi­ lieren», wobei vor allem an die Einbürgerung der in der Schweiz gebo­ renen Kinder von Ausländern gedacht wurdet6 Für Curti konnten mit einem solchen Schritt auch das Problem der Befreiung der Ausländer von der allgemeinen Wehrpflicht und die daraus entstehende «verderbliche Erwerbskonkurrenz» gelöst werden. Das Postulat wurde angenommen. 1903 stellte ein neues Bundesgesetz (gegen das kein Referendum ergriffen wurde) den Kantonen und Gemeinden frei, das ius soli einzuführen. Im selben Jahr wurde eine Volksinitiative mit drei Viertel Nein-Stimmen abge­ lehnt, die nach dem Motto «Die Schweiz den Schweizern!» die Sitzvertei­ lung für den Nationalrat von der Wohnbevölkerung auf die Zahl Schweizer Bürger umstellen und damit ländlich-bäuerliche Gegenden - die schon im Ständerat privilegiert waren - stärken wollte. Die Leistungen der Auslän­

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der für die Schweiz (qualifizierte Arbeitskräfte, Steuern und Zollabgaben) fanden somit gleichsam passiv Anerkennung. Eine aktive Integrationspolitik wurde aber nicht entwickelt; der normativen Trendwende hin zum ius soli entsprach keine Änderung der Einbürgerungspraxis «vor Ort», so dass das ius sanguinis bestimmend blieb.37 Das Unbehagen verdichtete sich im Begriff der «Überfremdung», den der Zürcher Armensekretär Carl Albert Schmid um 1900 prägte. Schmid unterstützte eine grosszügigere Einbürgerung. Dramatisierend stellte er fest, dass unter den gegebenen Bedingungen ein Weiterbestehen des Lan­ des bis ins Jahr 2000 nicht gewährleistet seiJ8 Er sah im erleichterten Zugang zur schweizerischen Staatsbürgerschaft vor allem eine Art Über­ druckventil, um die befürchtete «eigentliche Invasion» aufzufangen, wel­ che die nationale Existenz der Schweiz gefährden würde, und er plädierte für eine Politik der Assimilation. 1910 referierte der Basler FDP-Nationalrat Emil Göttisheim auf der Jahresversammlung der Schweizerischen Ge­ meinnützigen Gesellschaft zum «Ausländerproblem» als einer «nationalen Frage». Dabei stellte er eine Parallele zwischen der Schweiz und Südafrika her: Der «Goldzauber» habe viele, vor allem englische Einwanderer nach Transvaal gebracht, die alsbald versucht hätten, «auf den Gang der öffent­ lichen Dinge, die Gesetzgebung und Verwaltung Einfluss zu gewinnen». Sol­ chen Entwicklungen müsse die Schweiz wirksam vorbeugen.39 So kündigte sich die Wende hin zu einer nationalen «Überfremdungsbekämpfung», wie sie dann im Ersten Weltkrieg erfolgte, bereits an. Neben der Stellung der Ausländer wurden in der schweizerischen De­ mokratie gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwei weitere Probleme auf­ geworfen: das fehlende Frauenstimmrecht und der Ausbau der direkten Demokratie. Während Ersteres noch für fast ein Jahrhundert nicht gelöst werden konnte, kam man mit dem Letzteren gut voran. So verstärkte sich das Spannungsfeld zwischen umfassenden Volksrechten für Männer und dem Ausschluss der Frauen aus der Politik. Das egalitäre schweizerische Demokratiemodell war um ein patriarchales Familien-Haushalts-Modell herum gebaut. Das souveräne Volk, kurz: «der Souverän», umfasste ex­ klusiv die Menge der wehrhaften Bürger-Soldaten. Oberst Eduard Secre­ tan schrieb 1899: «Europa achtet in uns eine männliche Nation. Mit wuchtigen Hellebardenschlägen haben unsere Vorfahren einen Ruf von Tapferkeit begründet, der noch immer fortdauert. »4° Frauen stellten das Back-office für diese Krieger dar und waren für den Nachwuchs verant­ wortlich. Mehr wollte man staatlicherseits von ihnen nicht erwarten. Das hielt Frauen aber nicht davon ab, Kritik an dieser Exklusion zu üben und für Anerkennung zu kämpfen. Die Forderung nach mehr Rechten wurde

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von schweizerischen Aktivistinnen grenzüberschreitend formuliert. In der sozial allerdings sehr schmal abgestützten, programmatisch jedoch inno­ vativen - Internationalen Assoziation zur Verteidigung der Frauenrechte, die 1872 gegründet wurde und bis 1880 die Zeitschrift «Solidarité» heraus­ gab, waren die Genferin Marie Goegg-Pouchoulin und die Bernerin Julie von May-von Rued federführend. 1887 klagte die Zürcher Juristin Emilie Kempin Spyri ihre Rechte als Frau beim Schweizerischen Bundesgericht ein. Unter Berufung auf Artikel 4 der Bundesverfassung («Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich») forderte sie im Sinne eines generischen Maskulinums, wonach verallgemeinernde männliche Bezeichnungen das weibliche Geschlecht selbstverständlich mitumfassen, die rechtliche, poli­ tische und berufliche Gleichstellung der Frauen. Mit dem Argument, eine solche Vorstellung sei «ebenso neu wie kühn», wies das oberste Gericht das Ansinnen zurück.41 Im selben Jahr versuchten Frauen mit einer Peti­ tion Einfluss auf die Revision des Privatrechtlichen Gesetzbuches zu neh­ men und vormundschaftliche sowie güterrechtliche Diskriminierungen aufzuheben. In der Folge wurde eine grosse Zahl von Frauenorganisationen mit un­ terschiedlichen Zielsetzungen gegründet. 1888 der Schweizerische Gemein­ nützige Frauenverein, 1890 der Schweizerische Arbeiterinnenverband, 1899 ein christlichsozialer Arbeiterinnenverein und 1900 der Bund der Schweizerischen Frauenvereine (BSF). Letzterer verstand sich als Dachor­ ganisation und trat dem Internationalen Frauenbund bei, wollte sich aber in der Vorkriegszeit nicht zum Stimm- und Wahlrecht bekennen. Dies hing mit der vielfältigen Fraktionierung der Vereine zusammen, die mit der Gründung des Verbands der deutschschweizerischen Frauenvereine zur Hebung der Sittlichkeit (1901) und des Katholischen Frauenbundes (1912) noch zunahm. Durch den 1904 gegründeten Weltbund für Frauenstimm­ recht wurde das Postulat der politischen Gleichberechtigung in der Schweiz wieder verstärkt erhoben; im selben Jahr wurde es von den Sozialdemo­ kraten ins Parteiprogramm aufgenommen. In der Folge formierten sich, von der Romandie ausgehend, Stimmrechtsvereine, denen auch Männer beitreten konnten und die sich 1909 zum Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht (SVF) Zusammenschlüssen.«1 Das Schweizerische Zivil­ gesetzbuch, das 1912 in Kraft trat, postulierte die «Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung» der Frauen als Grundsatz (was vielen Eingaben von Frauenorganisationen entsprach), doch die Stellung des Pater familias, dem die Verwaltung und Nutzung des in die Ehe eingebrachten Frauen­ vermögens oblag, wurde nicht angetastet.« Neben der konfessionell und politisch neutralen Frauenstimmrechtsbewegung gab es eine grosse Zahl

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von Organisationen, die sich an Parteien anlehnten und gegenseitig be­ kämpften. 44 Parallel zum Aufbruch der Frauen lancierten die Männer ein neues Volksrecht; die 1891 nach vielen vertrackten Auseinandersetzungen ein­ geführte «Volksinitiative» sollte sich katalytisch auf die Formierung moderner Parteien auswirken. Die Bundesverfassung von 1874 hatte das Referendum eingeführt und sah einen Mechanismus für die Totalrevision der Bundesverfassung vor. Was fehlte, war eine Möglichkeit, einzelne Ar­ tikel der Verfassung zu ändern oder neue hinzuzufügen. Wer also, wie etwa die Befürworter eines Banknotenmonopols des Bundes 1880, eine Teilbestimmung vorschlagen wollte, stellte die ganze Verfassung - und mit ihr auch das aktuell gewählte Parlament - zur Disposition. Die politische Auseinandersetzung wurde zunächst durch ebenso profilierte wie sperrige Politiker wie den Schaffhauser linksfreisinnigen Nationalrat Wilhelm Joos dominiert und konzentrierte sich rasch auf die Frage, ob sich ein neu zu schaffendes direktdemokratisches Initiativrecht nur auf allgemeine An­ regungen oder aber auf fertig formulierte Verfassungsartikel beziehen solle. Während der Bundesrat zu Ersterem neigte, votierten mehrheits­ fähige parlamentarische Kräfte - und hier insbesondere die im Ständerat stark vertretenen Katholisch-Konservativen - erfolgreich für den ausfor­ mulierten Entwurf. Mit dem (bis 1987 geltenden) Verbot des doppelten Ja (zur Initiative und zum allfälligen Gegenvorschlag der Regierung) vermochten sich dann wieder die bürgerlichen Status-quo-Anhänger durchzusetzen, welche in der «Urne» ein Symbol für das Ende ihrer Machtposition sahen und die sich vor einer Politisierung der «sozialen Frage» fürchteten. Während also die «Flügelparteien» zur Linken und zur Rechten den Ausbau der Volksrechte befürworteten, blieb der Freisinn gespalten. Die staatstra­ gende Partei bangte zwar um ihre Vormachtstellung, konnte sich jedoch nicht durchwegs von einem Ausbau der direkten Demokratie, den sie frü­ her selber vorangetrieben hatte, distanzieren. Man warnte allerdings vor populistischen Übertreibungen: vor Hitzköpfen und Revolutionsromanti­ kern, die mit dem neuen Volksrecht Unruhe stiften und der Allgemeinheit Schaden zufügen könnten. In der Volksabstimmung vom Juli 1891 setzten sich die vereinigten Anhänger des demokratischen Fortschritts und der katholischen Bergkantone mit 60 Prozent Ja-Stimmen durch; die niedrige Stimmbeteiligung von weniger als 50 Prozent machte deutlich, dass die Stimmbürger sich der Brisanz der Tatsache, dass fortan 50000 Stimm­ bürger eine Partialrevision der Verfassung verlangen konnten, nicht voll bewusst waren.

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1893 machte die erste Abstimmung über ein Volksbegehren, die «Schächtverbotsinitiative», deutlich, dass die Befürchtung, es könnten mit populis­ tischen Kampagnen diskriminierende Bestimmungen in die Bundesverfas­ sung eingefügt werden, durchaus zutraf. Im Abstimmungskampf waren weniger die Argumente der Tierschützer, welche die Initiative lanciert hat­ ten, als latente antisemitische Einstellungen in der Bevölkerung sowie eine Judenfeindschaft bei den Katholiken massgebend. Die Verfassungsbestim­ mung, die auch einwanderungswiilige Juden demotivieren sollte und eine religiöse Minderheit diskriminierte, fand im August 1893 eine Mehrheit von 60 Prozent.*’ Die zweite Volksinitiative, die von den Sozialdemokra­ ten 1893 eingereicht wurde und ein «Recht auf Arbeit» postulierte, war in anderer Hinsicht symptomatisch. Die Arbeiterbewegung versuchte, mit Hilfe dieses Volksrechts einen ihrer wichtigsten Programmpunkte in der Verfassung zu verankern. Dazu kamen weitere Forderungen wie ein ver­ besserter Arbeitsnachweis und die Unterstützung von Arbeitslosen. Mit­ tels der direkten Demokratie sollte - so ein Flugblatt - «eine gründliche Änderung unserer ganzen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung» ange­ strebt werden. Der Bundesrat gab zwar keine offizielle Empfehlung ab, doch der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, Adolf Deucher, un­ terstellte der SPS, «unser Schweizerland und alles zu zertrümmern».*6 Die Unterstützung für das Initiativprojekt schrumpfte auf die SPS, den Grütliverein und den SGB. Im Urnengang vom Juni 1894 wurde es mit 80 Pro­ zent Nein-Stimmen gebodigt. Die plebiszitäre Schwäche einer isolierten Linken wurde erstmals manifest. Von Anfang an zeigte sich eine Ambiva­ lenz der direkten Demokratie: Volksinitiativen konnten für populistische Mobilisierung und das Ausagieren von Ängsten instrumentalisiert werden; gleichzeitig banden sie Parteien und Gruppierungen, die als Advokaten einer Mehrheit oder «der Bevölkerung» auftraten, an das Verdikt der Stimmbürger zurück und stärkten einen politischen Realismus. In diesem Sinne bemerkte Paul Seippel um 1900: «Die Praxis der reinen Demokratie dürfte für das Schweizervolk eine gute Schule sein. Es wird vermutlich ein teures Lehrgeld zahlen müssen, aber viel Nützliches lernen und nach und nach seine Geschäfte klar übersehen.»*7 Integrative Sozialreform im Steuerstaat Die Arbeitsbedingungen der Industriegesellschaft wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Gegenstand öffentlicher Debatten. In den 1870er Jahren erhielten die katastrophalen Zustände beim Bau des Gotthardtunnels starke Aufmerksamkeit. Die Erstellung dieser grosstechnischen An­ lage stand im vollen medialen Rampenlicht. Mit Louis Favre hatte sich ein

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Chefingenieur durchgesetzt, der seine Konkurrenten mit einer brutal nied­ rigen Offerte aus dem Feld schlug und den enormen Leistungsdruck von Anfang an auf die Arbeiter, fast ausschliesslich Italiener, übertrug. Diese wurden für ihre gefährliche und gesundheitsschädigende Arbeit schlecht bezahlt. Für Sicherheitsvorkehrungen waren kaum Mittel vorgesehen, Vorschriften wurden nicht eingehalten, so dass während der achtjährigen Bauzeit (1872-1880) 177 Mann tödlich verunglückten. 53 davon wurden von Rollwagen und Lokomotiven zerquetscht, 49 von Felsstücken erschla­ gen, 46 durch Dynamit zerfetzt. Bei einem Streik, der 1875 am Nordportal in Göschenen ausbrach, erschoss eine von lokalen Gendarmen angeführte, bunt zusammenwürfelte Ordnungstruppe vier Arbeiter.«8 Schlechte Arbeitsbedingungen waren ein endemisches Problem auch in anderen Wirtschaftssektoren. In landwirtschaftlichen und heimindustriel­ len Produktionszusammenhängen herrschte häufig krasse Selbstausbeutung familiärer Arbeitskräfte. Unfallgefahren und Lebensrisiken setzten breiten Bevölkerungsschichten zu. Dass diese heterogenen Problemlagen schliess­ lich im politischen Schlagwort der «socialen Frage» gebündelt wurden, war indessen nicht einer progressiven sozialen Verelendung geschuldet, sondern Resultat einer veränderten Deutungskultur. Die Arbeit geriet ins Zentrum der politischen Auseinandersetzungen um den Kapitalismus. Die erste Landesausstellung in Zürich von 1883 war geradezu als Leistungs­ schau der nationalen Arbeit konzipiert; Gottfried Kellers Festgesang zur Eröffnung goss dies in pathetische Verse: «Grosse Städte, Nationen/ Eifern lang schon im Verein; Aber wo wir Kleinen wohnen, /Darf die Müh’ nicht kleiner sein! (...) Vaterland! ja, du musst siegen, /Aller Welt an Ehren gleich: Lass die Spreu von dannen fliegen: /Nur durch Arbeit wirst du reich!»

Die Arbeit als Quelle des Reichtums war eine zweischneidige Sache. Man sah in ihr eine produktive Verausgabung, die als solche geschützt, gefördert und sinnvoll reguliert werden musste. Gleichzeitig verursachten Arbeiter Unrast und Unruhen und stellten mit steigender Zahl ein Umsturzpoten­ zial dar. Eine klassisch-liberale Haltung war wenig geeignet, Antworten auf diese beiden Herausforderungen zu entwickeln. So kam, insbesondere nach 1888, als die Wirtschaftsliberalen im Bundesrat die Mehrheit einbüssten und sich die Sozialdemokraten als Partei konstituierten, die For­ derung nach einer gut dosierten, die private Initiative ergänzenden Staats­ intervention auf. Die Freisinnigen legten sich nun dezidiert auf einen

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vermittelnden Kurs im Zeichen der Chancengleichheit fest. Sie entwickel­ ten einen «Staatssozialismus» eigener Prägung, der sich allerdings explizit gegen einen radikalen, auf Verstaatlichung ausgerichteten Sozialismus richtete. Gleichzeitig wurden viele Forderungen aus der Arbeiterschaft anerkannt. Die Entwicklung eines entsprechenden sozialpolitischen Pro­ blembewusstseins liess sich schon in der revidierten Bundesverfassung von 1874 erkennen, welche die Kompetenz zur Gesetzgebung bei Fabrikbetrie­ ben an den Bund übertrug, während die Kantone den grossen Rest wirt­ schaftlicher Aktivitäten zu regeln hatten. 1877 war nach einem heftigen Abstimmungskampf das erste Eidgenössische Fabrikgesetz angenommen worden, welches ein Fabrikinspektorat, den n-Stunden-Normalarbeitstag sowie Sonderregelungen für die Frauenarbeit einführte (die in den 1890er Jahren internationalisiert wurden).« Doch die Arbeitsverhältnisse gaben weit über die Fabrikbetriebe hinaus Anlass zu Klagen, Protesten und Skandalen. So wurden breitere Ansätze entwickelt, die das Problem gleichsam «flächendeckend» angehen konnten: erstens durch Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen (als den künftigen Arbeitskräf­ ten), zweitens durch einen obligatorischen Versicherungsschutz, der die sozialen Risiken der Erwerbsgesellschaft mildern sollte, und drittens durch die Einführung von Regeln sowie die Durchsetzung von Standards in der Arbeitswelt und beim Wohnen.’0 Alle diese Themen wurden seit den 1880er Jahren in einer breiten innenpolitischen Debatte zunehmend intensiver und kontroverser verhandelt. 1885 postulierte der demokratische Natio­ nalrat Ludwig Forrer eine obligatorische staatliche Kranken- und Unfall­ versicherung. 1886 verabschiedete der Schweizerische Grütliverein Grund­ sätze für die Einführung einer Alters- und Invaliditätsversicherung. Damit waren zentrale Projekte des modernen Sozialstaates auf die politische Traktandenliste gesetzt.’1 Die komplexen Risikokalkulationen der Ver­ sicherungsmathematiker mochten für den Einzelnen nicht zugänglich sein doch der einfache Gedanke, dass das «Gesetz der grossen Zahl» die zufäl­ lige Gefahr, die Jeden und Jede brutal treffen konnte, in ein kalkulierbares Risiko zu verwandeln und durch finanzielle Leistungen an die Geschädig­ ten oder Betroffenen zu zähmen imstande war, leuchtete weithin ein.’1 Dem Umfeld einer sozialreformerisch engagierten, Antworten auf die «soziale Frage» entwickelnden Wissenschaft war damals auch die Sozio­ logie zuzurechnen, die in ihrer ersten Blütezeit dem staatssozialistischen Freisinn und seinem gesellschaftlichen Problemlösungsoptimismus nahe­ stand. Louis Wuarin in Genf, Maurice Millioud in Lausanne, Ludwig Stein in Bern und Abroteles Eleutheropulos in Zürich trugen zur inter­ nationalen Vernetzung der damaligen schweizerischen Politikberatung bei

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und setzten sich für eine fortschrittliche Arbeiterschutzgesetzgebung, für Sozialversicherungssysteme sowie für friedliche Konfliktlösung auf inter­ nationaler Ebene ein. Sie arbeiteten darauf hin, wissenschaftliche und staatliche Institutionen als «Ressourcen füreinander» gegenseitig produk­ tiv zu machen.53 Ähnliche Ansätze zeigten sich auch in der Psychiatrie, die im ausgehen­ den 19. Jahrhundert mit der Herausbildung einer gerichtspsychiatrischen Begutachtungspraxis an politisch-praktischer Bedeutung gewann. Dabei wurde das traditionelle Rechtsverständnis, wonach es eine individuelle Verantwortung für Gesetzesbrüche gab und wonach die Strafe den Cha­ rakter einer Vergeltung hatte, zurückgedrängt durch die Vorstellung einer «Zweckstrafe» und einer Verbrechensprävention auf wissenschaftlicher Grundlage. Die strukturelle Koppelung von Strafjustiz und Medizin beför­ derte ein Normalisierungsdispositiv, das gesellschaftlichen Niedergangs­ befürchtungen entgegenwirken wollte und mit dieser Zielsetzung wie­ derum die kulturkämpferischen Fronten aktivierte. Denn während liberale und demokratische Exponenten einen engen Zusammenhang zwischen Rechtsvereinheitlichung, nationaler Integration und Psychiatriereform herstellten, verteidigten katholisch-konservative Kräfte den kantonalen Status quo.54 In die föderalistische Struktur eingebunden und gleichzeitig transnational verknüpft, hatte der sozialtechnologische Ansatz der Euge­ nik starke Auswirkungen vor allem auf die Unterschichten sowie auf Minderheiten, die als problematisch wahrgenommen wurden. Die - meist bei Frauen durchgeführte - Sterilisation entwickelte sich zu einer chir­ urgischen Eingriffsmethode. 1905 bekannte sich der Verein schweizeri­ scher Irrenärzte zur sozialen Indikation und schuf damit ein Einfallstor für eugenische Begründungen, da in diesem Verständnis soziale Probleme und «erbliche Minderwertigkeit» eng zusammenhingen. In den 1910er Jahren kam die Formulierung «eugenische Indikation» auf. Bereits vor dem Ers­ ten Weltkrieg wurde jenes Junktim zwischen Abtreibung und Sterilisation hergestellt, das dann in den 1920er Jahren zur Regel wurde: Unterschich­ tenfrauen, die eine Schwangerschaft unterbrechen wollten, mussten sich gleichzeitig einer Operation unterziehen, welche verhinderte, dass sie je wieder Kinder bekommen konnten. Dasselbe eugenische Paradigma, welches damals seine bevölkerungsund volksgesundheitspolitische Virulenz zu entfalten begann, lag auch dem stark aufkommenden Kampf gegen den Alkohol zugrunde. Wissen­ schaftler wie der Basler Physiologe Gustav von Bunge oder der Zürcher Psychiater Auguste Forel waren in den Debatten um Sterilisation und Ab­ stinenz äusserst präsent. Insbesondere Forel, der 1898 vom Direktorium

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der Zürcher Psychiatrischen Anstalt Burghölzi und von seiner Medizin­ professur zurücktrat, um sich auf seine breitenwirksamen Erfolgspublika­ tionen konzentrieren zu können, verkörperte den fortschrittsgläubigen Experten, der Volksaufklärung, Sozialtechnologie und Zukunftsglauben verband - unter anderem mit einem entschlossenen Einsatz für Frauen­ emanzipation, Frieden und Sozialismus. Politisch kleinteiliger erwies sich das Feld der Sozialpolitik. Die Gesetz­ gebung konzentrierte sich zunächst noch auf die Verbesserung des perma­ nent zu Schwierigkeiten führenden Haftpflichtgesetzes von 1881. Nach langen statistischen und administrativen Vorarbeiten publizierte der Bun­ desrat im Juni 1889 seine Botschaft an das Parlament zur Einführung einer obligatorischen Unfallversicherung und zur gesetzlichen Regulierung der Krankenversicherung. Die «Notwendigkeit der Reform» wurde mit dem «allgemein anerkannten Interesse an der Fürsorge für die Arbeiter» be­ gründet. Gleichzeitig wurde betont, der Begriff «Arbeiterversicherung» wäre zu eng und die Bezeichnung «staatlich» irreführend, weil die Versi­ cherung teilweise «auf privatem Boden belassen, wohl aber der Bundes­ gesetzgebung unterworfen» werden solle. Die konkrete Ausgestaltung der obligatorischen Versicherung war stark von Deutschland und Österreich inspiriert; die Botschaft zitierte über weite Strecken Begründungen aus entsprechenden Gesetzesvorlagen der Nachbarländern Die parlamenta­ rische Kommission versuchte, die Kompetenz für eine breiter angelegte, auch Alte, Invalide, Hinterbliebene und Arbeitslose mit einbeziehende Sozialversicherung in der Vorlage zu verankern, wich jedoch unter bundesrätlichem Druck von diesem Vorhaben wieder ab. Im Juni 1890 stimm­ ten National- und Ständeräte der Verfassungsrevision zu, und im Oktober wurde sie in einer Volksabstimmung mit grosser Mehrheit gutgeheissen. Damit hatte erstmals ein Artikel zur Sozialversicherung Eingang in die schweizerische Bundesverfassung gefunden. Der daran anschliessende Gesetzgebungsprozess verlief zäh. Wider­ stände kamen nicht nur von den privaten Versicherungsgesellschaften, die 1893 einen ersten Entwurf von Forrer noch akzeptiert hatten, sondern auch aus der Westschweiz und von den Katholisch-Konservativen, die im Arbeiterbund prominent vertreten waren. Die Arbeiterbewegung verfügte aufgrund ihrer organisatorischen Schwäche und ihrer inneren Heterogeni­ tät über nur wenig politische Macht. Trotz der damals aufkommenden Einheitsrhetorik gab es in zentralen Fragen keine kohärente Position. So lehnten die von Frankreich her inspirierten Strömungen des «Mutualis­ mus» («gegenseitige Hilfe») die bundesstaatlichen Lösungen rundweg ab und sahen im Forrer’schen Projekt den Versuch, autonome Kassen auszu-

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hebeln. Die im Juli 1893 gegründete Fédération des sociétés de secours mutuels de la Suisse romande formierte sich indessen eher als Defensiv­ organisation und hatte keinen zukunftsweisenden Ansatz anzubieten. Die teils föderalistisch motivierte, teils anarchistisch inspirierte «gegenseitige Hilfe» durch Kassen und Genossenschaften wurde innerhalb der Linken rasch marginalisiert; die Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb der Arbeiterbewegung blieben bestehen, auch im 1887 gegründeten, von Her­ man Greulich als Arbeitssekretär geführten und staatlich subventionierten Schweizerischen Arbeiterbund. Dieser verzeichnete auf seinem Höhepunkt Mitte der 1890er Jahre über 200000 Mitglieder aus Gewerkschaften, Ar­ beitersektionen, Grütlivereinen, katholischen Vereinen (wie dem Pius-Ver­ ein) sowie aus Krankenkassen. Er verstand sich als Teil der breit gefächer­ ten bundesstaatlichen Reformanstrengungen und kooperierte eng mit der freisinnig-staatssozialistischen Elite. Knapp ein Jahrzehnt nachdem die Verfassungsgrundlage geschaffen wörden war, lag 1899 die 400 Artikel umfassende «Lex Forrer», welche die neu geschaffene Militärversicherung integrierte, endlich vor. Nach der Zustimmung des Parlaments lancierten Westschweizer Föderalisten und Katholisch-Konservative, alsbald unterstützt vom Bauernsekretariat sowie vom Arbeiterbund, eine erfolgreiche Referendumskampagne, die sich rasch zu einem Feldzug gegen Bürokratie, deutschen Einfluss, neue Steu­ ern, Simulantentum und Sozialismus ausweitete. Im Mai 1900 scheiterte die «Lex Forrer» mit 70 Prozent Nein-Stimmen an der Urne.s6 Forrer trat umgehend von allen politischen Ämtern zurück. Das Beispiel zeigt, wie ein komplexes Kompromisswerk im direktdemokratischen Prozess binnen Kurzem durch kreuz und quer laufende Partikularinteressen pulverisiert werden konnte. Was danach an sozialpolitischen Initiativen noch kam, glich eher einer politischen Schadensbegrenzung. Als Forrer 1902 als Bundesrat prominent auf die Bundesbühne zurückkehrte, erarbeitete er zusammen mit seinen Regierungskollegen Adolf Deucher und Robert Comtesse eine neue Vorlage, die nach dem Verzicht auf das Krankenver­ sicherungsobligatorium nur noch eine Schwundform seines Projekts war. In der Volksabstimmung vom Februar 1912 reüssierte diese knapp. Es ver­ festigte sich das Bild einer bürgerlichen Elite, welche ihren sozialpoliti­ schen Impetus eingebüsst hatte. Diese Haltung hatte auch steuerpolitische Gründe, die in der Folge sozialpolitisch immer wichtiger wurden. Das direktdemokratische politi­ sche System der Schweiz basiert auf Institutionen, die in starkem Ausmass lokal und kommunal kontrolliert und am Nutzen, den sie für die Bürger haben, gemessen werden. In einem Staatswesen, in dem Gemeinden und

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Kantone eine eigene Steuerhoheit aufweisen,w hatte ein Bundesstaat fiska­ lisch schwierige Startvoraussetzungen. Eine zunehmende Zahl von Kanto­ nen hatte, beginnend mit Basel-Stadt im Jahre 1840 und gefördert durch Einnahmeausfälle aufgrund der Bundesstaatsgründung von 1848, die (meist progressive) Besteuerung von Einkommen eingeführt. Die kantona­ len Regierungen waren gut informiert über die Fiskalsysteme europäischer Handelszentren und Wirtschaftsregionen. Eidgenössische Innovationen fanden auch im Ausland Beachtung. Insgesamt herrschte ein föderalis­ tischer Wildwuchs von unten vor, der eine Homogenisierung und Moder­ nisierung des Steuersystems von oben verhinderte. Der Bund musste sich mit den Zolleinnahmen, wenigen indirekten Steuern und Gebühren be­ scheiden. Die republikanische Schweiz mit ihrem Hang zum «wohlfeilen Staat» lebte ihren Hang zur Kontrolle übergeordneter Gewalten primär über die Steuerpolitik aus. Der Föderalismus im Fiskalwesen hatte zwei weitere Effekte. Zum einen wurden bis zum Ersten Weltkrieg - so Eduard Fueter 1928 - «die Grundsätze sparsamer Finanzwirtschaft und niedriger Besteuerung» durchgehalten, ?8 Auf kantonaler Ebene wirkte ein - teil­ weise obligatorisches - Finanzreferendum, das eine direktdemokratische Spezialität der Schweiz war (und ist), als fiskalische Bremse. Verschiedene Studien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigen, dass das durchschnittliche schweizerische Steuerniveau im Vergleich zu anderen Staaten niedrig war. Zum anderen schuf die kantonale Steuerhoheit die rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen für einen Steuersenkungs­ wettbewerb. Die wichtigste, von einem Deutschen verfasste Studie zu den Steuern in der Schweiz bezeichnete 1890 die hiesigen fiskalischen Verhält­ nisse als «anziehend».?’ Das betraf vor allem ausländisches Kapital. Zur niedrigen fiskalischen Belastung trug der - selbst wiederum Kosten sparende - Sachverhalt bei, dass für eine effiziente Steuerkontrolle das Per­ sonal fehlte. Steuervermeidung und -hinterziehung, von begüterten Schich­ ten weithin als «Volkssport» banalisiert und legitimiert, wurden kaum auf­ gedeckt, geschweige denn wirksam bekämpft. Indem die Industrialisierung einerseits den ehedem kollektiven Steuerprotest individualisierte und an­ dererseits die Trennung «zwischen den Bezügern von Einkommen aus Ver­ mögen und solchen aus Arbeitsleistung»60 vertiefte, akzentuierte sie auch eine neue Dimension sozialer Ungleichheit. Lohnerwerbstätige wurden zu­ nehmend an das Zahlen von Steuer gewöhnt, und die Behörden erhielten Einblick in die Lohnbücher von Unternehmen. Reiche Bürger hingegen zahlten Steuern weitgehend nach eigenem Ermessen. Im Ausweichverhal­ ten gegenüber dem Steuerstaat spiegelte sich somit die Sozialhierarchie der bürgerlichen Gesellschaft.

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Bis zum Ersten Weltkrieg verfügte kein einziger Kanton über eine «eini­ germassen moderne Steuerverwaltung». Eugen Grossmann, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Zürich, stellte zudem fest, damals hätte in 17 Kantonen «noch nicht einmal die primitive Einrichtung der obli­ gatorischen Selbsttaxation» bestanden, und Lohnausweis, Wertschriften­ verzeichnis sowie Schuldenbelege seien «unbekannte Begriffe» gewesen; «ja sogar die Grundbücher waren da und dort den Steuerbehörden verschlos­ sen».61 Mit den Versuchen, die Steuereinnahmen mit professionell-büro­ kratischen Methoden zu verbessern, wuchs der Widerstand gegen eine fiskalische «Enteignung» (wie der steuerstaatliche Zugriff auf Vermögen und Einkommen von jenen, die Steuern hätten zahlen müssen, immer wie­ der apostrophiert wurde). Dabei wurde eine klassenübergreifende Natio­ nalmythologie wirksam. Wie schon gezeigt, hielt die Gründungsgeschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft mit Wilhelm Teil eine polyvalente Figur bereit. Auch ein kantonaler oder - noch populärer - ein Berner «Steuervogt» konnte zur Zielscheibe des Armbrustschützen werden, wenn er es wagte, Zwang auf die Bürger auszuüben. Das vorsätzliche und kalku­ lierte Nichtzahlen von Steuern genoss somit eine grundsätzliche Legiti­ mität, weil es als naturwüchsige Reaktion freiheitsliebender Bürger gegen­ über einem Tribut erhebenden Staat wahrgenommen werden konnte. Steuerhinterziehung galt - wie ein Autor 1895 für Zürich festhielt - «als etwas Natürliches, Selbstverständliches».61 Man rechnete in diesem Kan­ ton, dass vor der Steuerreform von 1870 zirka ein Drittel der Einkommen und Vermögen, nachher um die Hälfte nicht versteuert wurden.63 In ande­ ren Kantonen säh es nicht wesentlich anders aus. Statistik und Standardisierung Für alle Diskussionen um Staatseingriffe in Gesellschaft und Wirtschaft waren transnationale Austauschprozesse wichtig. So studierten verschie­ dene Schweizer Politiker das deutsche Sozialversicherungssystem vor Ort. Deutschland fungierte auch in anderer Hinsicht - Universitäten, Universalbanken, Gewerkschaftsorganisationen, Naturschutz, nach 1918 Freikorps etc. - in der Deutschschweiz als Modell und Vorbild. Dasselbe lässt sich in der Romandie in Bezug auf Einflüsse aus Frank­ reich feststellen. Diese Durchlässigkeit zwischen der Schweiz und dem Ausland wurde seit den 1880er Jahren immer wieder kommentiert und kritisiert. Die Rede war von einer Gier nach Informationen und von einer Sucht, das Ausland zu kopieren.64 Immer wieder wurde dem entgegenge­ halten, die Schweiz dürfe hinter den grossen europäischen Staaten nicht zurückstehen.

Robuster Kleinstaat Dies lässt sich etwa beim Aufbau eines nationalen Statistikwesens zei­ gen. 1908 wies z. B. die Schweizerische Vereinigung für Internationalen Arbeitsschutz darauf hin, der Gedanke eines Zentralamtes für soziale Sta­ tistik sei «bis zu einem gewissen Grade (...) von einer ganzen Reihe aus­ wärtiger Staaten bereits anerkannt worden, indem sie arbeitsstatistische Ämter schufen; es sind dies die Vereinigten Staaten von Amerika, England, Frankreich, Belgien, Spanien, Schweden, Österreich, Deutschland und Italien».6? Alle europäischen Nationalstatistiken kooperierten staatsüber­ greifend und auf den internationalen Statistikkongressen. Am kontinuier­ lichen transnationalen Austausch zwischen Experten war auch die Schweiz beteiligt, die mit Stefano Franscini einen bekannten Statistiker in die erste Bundesregierung gewählt hatte.66 1901 wurde das erste «Statistische Jahrbuch der Schweiz» aufgelegt, das die Benutzer «über die vielseitigen Verhältnisse unseres Vaterlandes» un­ terrichten wollte.6? Der Bundesstaat hatte in der statistischen Dokumen­ tation der Gesellschaftsstruktur und -entwicklung eines seiner wichtigen Gestaltungsfelder entdeckt. Dabei ging es nicht zuletzt um das Wissen über verschiedene Phänomene der Armut, etwa den gegen die Jahrhun­ dertwende abklingenden Pauperismus oder soziale Risiken wie Unfall, Krankheit und Arbeitslosigkeit. Dabei war gerade die Kategorie «arbeits­ los» umstritten; an ihr entzündeten sich in den Jahren um 1900 nochmals intensive sozialmoralische Debatten.68 Das bundesstaatliche Transparenzversprechen wurde allerdings durch vier Sachverhalte durchkreuzt. Erstens löste die Datenerhebung einen Kon­ flikt um die Macht und die Interventionskompetenz der Bundesbehörden aus. Die Kantone, die zur fristgerechten «formularmässigen Einlieferung» des Datenmaterials verpflichtet waren, richteten sich gegen den subtilen Zentralisierungseffekt, den die Rationalisierung der Statistik zur Folge hatte. Sie stärkten ihre eigenen statistischen Ämter, die sich nicht so ein­ fach in den statistischen Apparat des Bundesstaates einbeziehen lassen wollten.6? Zweitens hatte der Bund grosse Mühe, an Daten aus der pri­ vaten Wirtschaft heranzukommen. Im Statistischen Jahrbuch finden sich viele Klagen, so z. B. 1899: «Jedes Jahr müssen wir leider von neuem die Erfahrung machen, dass noch so oft auf einfache und äusserst leicht zu be­ antwortende Fragen, für welche wir stets absolute confidentielle Verarbei­ tung zusichern, entweder gar nicht oder aber in sehr oberflächlicher Weise geantwortet wird.»?0 Vor allem der Finanzsektor, wo schon damals ein Bankgeheimnis hochgehalten wurde, leistete Widerstand. Bis zur Erstel­ lung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sollte es bis nach dem Zweiten Weltkrieg dauern; eine valide Zahlungsbilanz liess noch länger

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auf sich warten. Drittens instrumentalisierten Wirtschaftsverbände die Sta­ tistik und setzten «statistische Munition» als Waffe in politischen Ausein­ andersetzungen ein. So bemerkte der Berner Statistiker Naum Reichesberg 1908: «Die vier grossen Klasseninteressen-Organisationen der Schweiz [...] haben von jeher die Notwendigkeit eingesehen, der Öffentlichkeit einen Einblick in die Tatsachen-Komplexe zu gewähren, welche ihnen zur Stütze ihrer sozialpolitischen Aspirationen dienten. Dieser Umstand brachte es mit sich, dass die genannten Organisationen von Anfang an viel Gewicht auf die Herbeischaffung von bezüglichem Tatsachen-Material legten, wel­ ches dann, naturgemäss vom Standpunkte des in Betracht kommenden Klasseninteresse beleuchtet, der Öffentlichkeit unterbreitet wurde.»?1 Das seit den frühen 1880er Jahren immer wieder geforderte sozialstatistische Amt, das «über die wichtigsten Gebiete des wirtschaftlichen und sozialen Lebens zuverlässig Auskunft erteilen könnte», kam nicht zustande.?1 Vier­ tens war auch die Nachfrage nach statistischen Erkenntnissen in breiten Bevölkerungsschichten nur schwach entwickelt. Darauf wurde mit sozial­ pädagogischen Initiativen reagiert. Auf der zweiten Landesausstellung in Genf 1896 klärten «viele farbenreiche graphische Darstellungen» die Be­ trachter über «unsichtbare» Sachverhalte auf. Die «graphische Methode» biete, so wird ein Jahr darauf in der Einleitung zu einem «graphisch-statis­ tischen Atlas der Schweiz» ausgeführt, «eine Art Anschauungsunterricht», und die gebotenen Bilder würden sich «im Gedächtnis viel präciser und bleibender ein (prägen )».?3 Auf eine gesteigerte technische Kontroll- und soziale Gestaltungsmacht auf dem staatlichen Territorium zielte die von Dufour seit den 1830er Jah­ ren vorangetriebene Landesvermessung mittels der Technik der Triangula­ tion. Mit Hilfe dieser exakten Repräsentation der Landschaft auf Papier konnte die Planung und Berechnung von Bauwerken (Strassen, Eisenbahn­ linien, Siedlungen etc.) auf eine neue Grundlage gestellt oder überhaupt erst ermöglicht werden (wie bei den grossen alpenquerenden Tunnels oder den alpinen Elektrizitätswerken). Wie schon ausgeführt ermöglichten Dampf­ lokomotive, Schienen- und Telegrafennetz eine allgemeine Verkehrsbe­ schleunigung, welche wiederum die Schweiz ästhetisch, akustisch und emo­ tional auf neue Weise erfahrbar machte. Als «Distanzvernichter» rückten die neuen, technisch avantgardistischen Transportsysteme die Vielfalt von Lokalzeiten, die auf den Kirchtürmen abzulesen waren, ins Bewusstsein der Zeitgenossen. Nicht nur wegen der Fahrpläne, sondern schon auf­ grund der zunehmenden wirtschaftlichen Arbeitsteilung und einer gross­ flächigeren sozialen Mobilität, die einen gesellschaftlichen Synchronisa­ tions- und Koordinationsbedarf erzeugte, wurde dies zum Problem. Den

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Auftakt zur globalen Zeitvereinheitlichung machte das imperiale Gross­ britannien, das 1848 die «Normalzeit» einführte und die am königlichen Observatorium in Greenwich gemessene Zeit für das ganze Land verbind­ lich erklärte, bevor dann Greenwich-Meantime zwischen 1884 und 1928 zur «Weltzeit» wurde, die täglich über die weltumspannenden Telegrafie­ kabel verbreitet wurde. Die Schweiz errichtete zwar in Neuenburg das damals modernste Ob­ servatorium, widersetzte sich jedoch einer Eingliederung in die neu ge­ schaffenen Zeitzonen. Der Meridian, der die mitteleuropäische von der westeuropäischen Zeit trennte, verlief etwas westlich von Solothurn, Thun und Sierre. Es bestand die Gefahr, dass die Schweiz in zwei Zeitzonen zer­ fiel. Nationale Kräfte drängten auf Vereinheitlichung. Da die wichtigsten Eisenbahngesellschaften sich auf der östlichen Seite des Landes befanden, erhielt die mitteleuropäische Zeit Auftrieb. Der Bundesrat schloss sich die­ ser Argumentation an und betonte, man könne aus der Schweiz keine «In­ sel (...) machen im wogenden Meer des Verkehrs». In der Westschweiz regte sich dennoch Widerstand gegen die heure allemande. Genfer Astro­ nomen machten sich für die unbeeinflussbare Stellung der Gestirne als dem natürlichen Regulator der Zeit eines jeden Orts stark. Die Société uaudois des ingénieurs et architectes rekurrierte auf die Neutralität der Schweiz; um die Germanisierungsgefahr einzudämmen, schlug sie als Kompromiss eine spezielle helvetische Halbstunden-Zeitzone vor.™ Auf solche Sonderzüge wollte sich die Landesregierung nicht einlassen. Ende 1893 setzte der Bundesrat per Ukas die mitteleuropäische Zeit durch. Auf den i.Juni 1894 rückten die schweizerischen Uhrzeiger um 30 Minuten vor. Die Schweiz war von der Zeitmessung her in Europa angekommen.75 Standardisierungsvorgänge zeigten sich auch bei der rechtlichen Nor­ mierung. Die Rechtsvereinheitlichung war ein konfliktreicher Prozess, in dem wissenschaftliche Expertise eine zentrale Rolle spielte und der die Stellung des Bundesstaates gegenüber den Kantonen stärkte. 1883 trat das schweizerische Obligationenrecht, welches das Aktienrecht regelt, in Kraft. 1907 konnte das von Eugen Huber geschaffene (und das Obligatio­ nenrecht integrierende) Schweizerische Zivilgesetzbuch verabschiedet und 1912 in Kraft gesetzt werden. Damit wurde die Vereinheitlichung des schweizerischen Strafgesetzes, für die der Bund Ende 1898 mit einem po­ sitiven Volksabstimmungsentscheid autorisiert wurde, wiederum aktuell. Hier waren die Widerstände allerdings grösser, da es nicht nur um die Angleichung kantonaler Kodifizierungen, sondern um eine grundlegende Reform des Strafrechts ging. Erst im Zweiten Weltkrieg wurde das Schwei­ zerische Strafgesetz in Kraft gesetzt.

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Franken, Banknoten, Schweizerische Nationalbank Ein weiterer nationaler Vereinheitlichungsfaktor war das Geld. Hier zeigte sich die Spannung zwischen nationalen Souveränitätsansprüchen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten besonders eklatant. Bis 1848 herrschte in der Schweiz ein enormes Münzdurcheinander; über 300 Sorten und Typen von Kursmünzen waren im Umlauf. Die Vereinheitlichung der Währung war eine wichtige Zielsetzung der Bundesstaatsgründer. Dabei setzte sich das französische Frankensystem knapp gegen das süddeutsche Guldensys­ tem durch. Im Jahre 1850 wurde die Schweiz faktisch eine Geldprovinz Frankreichs und blieb dies für den Rest des 19. Jahrhunderts. Die erfolg­ reiche Industrialisierung der Schweiz beruhte nicht auf einer eigenen star­ ken Währung, die Geschichte des «starken Schweizerfrankens» begann erst mit dem Ersten Weltkrieg. Das Geldsystem des Bundesstaates war instabil. Während die guten, in der Schweiz geprägten Schweizerfranken nach Ostasien abwanderten, «wo Silber das einzige Zahlungsmittel war»,7« zirkulierten immer franzö­ sische, belgische sowie italienische Silbermünzen auf dem schweizerischen Staatsgebiet und wurden als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. Diese «Fremdprägungen» machten meist über 90 Prozent des Gesamtumlaufs an Geld aus. Immer mehr kamen auch Goldmünzen in Umlauf. Der sin­ kende Goldpreis regte das Arbitragegeschäft zwischen diesen beiden Me­ tallen an. Silbergeld wurde aus dem Verkehr gezogen, eingeschmolzen und zu einem Preis verkauft, der über dem Nennwert lag. Die 1865 gegründete Lateinische Münzunion war eine Reaktion auf diese Misere. Sie führte eine (nie richtig funktionierende, später als «hinkend» bezeichnete) Dop­ pelwährung ein. Das Münzangebot blieb in der Folge instabil, und der Mangel an Kleingeld wurde chronisch. 1870 stellte Frankreich bei Aus­ bruch des Krieges mit Deutschland die Münzlieferungen an die Schweiz ein, wodurch «die ganze Kreditmaschinerie des Landes ins Stocken» geriet.77 Anschliessend geriet die helvetische Valuta unter Abwertungsdruck. Die wichtigsten Probleme des Münzumlaufs blieben ungelöst. Neben den Münzen kamen Banknoten auf.78 Hier fehlten einheitliche Gesetzesbestimmungen bis 1880 völlig. Schon vor der Bundesstaatsgrün­ dung hatten acht Banken Papiernoten ausgegeben; es waren vor allem die Kantone, die ein fiskalisches Interesse an solchen Instituten hatten. Zwi­ schen diesen «Zeddelbanken» (wie sie genannt wurden) herrschte Kon­ kurrenz auf der Grundlage eines unausgesprochenen Territorialprinzips; jede versuchte, ihr eigenes (kantonales) Verkehrsgebiet gegen Eindring­ linge zu verteidigen. Nach der Bundesstaatsgründung kam es zu mehreren kantonalen Konkordaten, auf die mit Gegenkonkordaten gekontert wurde.

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Im Prinzip versuchte weiterhin jede Noten emittierende Bank, ihr Ge­ schäftsvolumen rücksichtslos auf Kosten der anderen auszudehnen. Noten anderer Banken wurden nicht selten zurückgewiesen, nur unter Abschlag angenommen und auch zu spekulativen Zwecken verwendet, so dass das Publikum im Papiergeld nur ein unsicheres Münzsurrogat sah. Mit der revidierten Verfassung hatte der Bund 1874 das Recht auf die gesetzliche Ordnung des Banknotenwesens erhalten, doch 1876 war eine erste Gesetzes Vorlage klar gescheitert. Erst 1881 wurde der gesetzlose Zustand mit einem Kompromiss beendet. Der Bund übte fortan ein Auf­ sichtsrecht aus, er erliess Deckungsvorschriften, beschränkte die Ge­ schäftstätigkeit der Emissionsbanken, vereinheitlichte die Notenformulare und die Einlösung der Banknoten. Die Heterogenität des Banknotensys­ tems und die damit gegebenen währungspolitischen Nachteile blieben in diesem Regime bestehen, so dass die Frage weiterhin auf der politischen Traktandenliste blieb. Angesichts der fortdauernden «Valutamisere» reih­ ten sich in den 1880er Jahren die Handels- und Industrieinteressen in die Phalanx der Monopolbefürworter ein, allen voran der Schweizerische Handels- und Industrieverein (SHIV).?? 1891 erhielt der Bund das aus­ schliessliche Recht zur Ausgabe von Geldzeichen, insbesondere Banknoten. Die Volksabstimmung ging vor allem deshalb positiv aus, weil die Frage einer Staats- und Zentralbank noch offengelassen worden war. Das Staats­ bankprojekt, wie es seit den 1860er Jahren durch die «Volksbank»-Forderung der demokratischen Bewegung angeregt und in den beginnenden 1880er Jahren durch etatistische radikal-demokratische Kräfte (unterstützt durch den freisinnigen Bundesrat Walter Hauser) konkretisiert wurde, scheiterte jedoch 1897 in der Volksabstimmung am vereinigten Widerstand von Wirtschaftsliberalen, Konservativen und welschen Föderalisten. Damit war die Idee einer wirtschaftspolitisch steuernden Bundesbank vom Tisch und die Weichen in Richtung private «Aktienbank» gestellt. Die Sache wurde nun auch deshalb immer dringlicher, weil ab Mitte der 1890er Jahre die sogenannte Silberdrainage nach Frankreich florierte. Spekulanten schätzten das sichere Geschäft, das darin bestand, sich in der Schweiz ge­ gen Banknoten Silber auszahlen zu lassen, dieses nach Frankreich zu brin­ gen, dort einen Wechsel darauf zu ziehen und diesen dann wiederum bei der Schweizer Bank, die auf das Silber wegen der Deckungsvorschriften angewiesen war, mit einem schönen Gewinn einzulösen. Die Emissions­ banken beklagten sich bitter über diese «Drainageverluste»; doch Behör­ den wie Banken waren gegen dieses risikolose Spiel machtlos. Doch nun setzte ein durch Verwaltung und die Referendumsdrohungen von Wirtschaftsverbänden beherrschter, jedoch zieiführender Aushand-

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lungsprozess hinter verschlossenen Türen ein. Die in der Volksabstimmung von 1905 angenommene Lösung entsprach schliesslich, was Rechtsform, Aufsichtsorgane, Direktorenwahl und Grundkapital betraf, exakt dem Gesetzesentwurf, den sieben Jahre zuvor der SHIV vorgelegt hatte. Der Bund spielte die entscheidende Rolle bei der Besetzung der Posten, die Kantone erhielten - als Kompensation für die Einnahmen, die sie bisher aus den Emissionsbanken bezogen hatten - den Löwenanteil ihres Ge­ winns. Während das Direktorium in Zürich angesiedelt wurde, befand sich der rechtliche Sitz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Bern. Auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert zeigten sich an diesem Beispiel die Interessenaustarierung zwischen Föderalisten und Zentralisten sowie die politische Durchschlagkraft organisierter bürgerlicher Wirtschaftsinteres­ sen. 1907 nahm die SNB ihren Betrieb auf. Dass man sich so lange Zeit nahm, deutet darauf hin, dass dieses Problem wirtschaftlich als zweitran­ gig betrachtet wurde. Kaum war das nationale Noteninstitut gegründet, verstärkte sich der wechselseitige Identifikationsprozess zwischen Zah­ lungsmitteln und Nationalbewusstsein. Symbolisch konnte man dabei auf Kontinuitäten setzen. Als die SNB 1911 die von Ferdinand Hodler und Eugène Burnand gestalteten Banknoten in Umlauf brachte, gerieten auch Winkelried auf der 40-Franken-Note und Wilhelm Teil auf der (erst im August 1914 eingeführten) Fünf-Franken-Note auf neue Weise in Zirkula­ tion. Wie schon mit der Helvetia auf den Kursmünzen und auf den bis­ herigen Banknoten verbanden sich Geldwesen und Geschichtsmythos. Im Glauben, dass die nationale Währung ebenso stark sein müsse wie die Hel­ den der Vergangenheit, sollten dann seit dem Ersten Weltkrieg handfeste Wirtschaftsinteressen mit populären Freiheitsvorstellungen konvergieren. Mit der Nationalisierung der Volkswirtschaften und des Geldes wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert währungspolitische Probleme wichtiger. In der Zollpolitik zeichnete sich eine Wende zum Protektionismus ab. Der Bundesstaat war schon Mitte des 19. Jahrhunderts in ein weit verzweig­ tes Netzwerk von Zolltarifverträgen integriert, die viele Staaten unter­ einander abschlossen. Dabei wurde die das Vertragssystem vereinfachende Meistbegünstigungsklausel, mit der Handelsvorteile automatisch an alle Vertragspartner weitergegeben wurden, zunehmend wichtig.80 Das helve­ tische Dilemma bestand darin, dass das kleine Land einerseits für einen niedrigen Generaltarif optierte, wie ihn das Zollgesetz von 1851 vorsah. Andererseits kam man nicht umhin, auf die seit den ausgehenden 1870er Jahren zunehmenden Angriffe auf die Handelsfreiheit mit Retorsionsmass­ nahmen zu reagieren und die Zollsätze ebenfalls zu erhöhen, was im Übri­ gen auch einem fiskalischen Interesse entsprach.81 Aus diesen Zielkonflik-

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ten resultierten ab den 1880er Jahren harte innenpolitische Auseinander­ setzungen. Eine 1882 angestossene Debatte führte 1884 zu einem neuen Tarifgesetz. Der Ruf nach Zollschutzmassnahmen war vom Schweizeri­ schen Gewerbeverband über die Gesellschaft schweizerischer Landwirte bis hin zu industriellen Kreisen populär. Die Erhöhung der Tarifpositionen von 1887 war kampfzöllnerisch im Wortsinne, weil hier eine Position mar­ kiert wurde, die in Aushandlungsprozessen wiederum zurückgenommen werden sollte. Die Verträge, die daraufhin mit Deutschland (1888), Öster­ reich-Ungarn (1888) und Italien (1889) zustande kamen, wurden in der Schweiz als Erfolge gewertet.81 Die Schutzzöllner drehten jedoch umge­ hend weiter an der Schraube, und 1891 kam es zur Abstimmung über den neuen Zolltarif, gegen den eine «Liga gegen die Verteuerung der Lebens­ mittel» das Referendum ergriffen hatte. Die Konfliktfronten lagen quer zu den damaligen Lagerbildungen in der Schweizer Politik und vergrösserten die Kluft zwischen deutscher und welscher Schweiz. Die Industrie war ge­ spalten; während Bauern und Gewerbler, unterstützt von einigen export­ orientierten Branchen (Maschinen, Seide, Kaufleute und Geschäftsreisende), sich im sogenannten Oltener Komitee zusammenschlossen, votierten freihändlerische Bank- und Exportinteressen in der «Liga». In dieser waren auch die Sozialdemokratie und westschweizerische Föderalisten vertreten, während die Grütlianer für den Zollprotektionismus eintraten. Das Argu­ ment, es gelte, die Schweizer (Binnen-)Wirtschaft zu schützen, setzte sich jedoch durch und entschied das Plebiszit mit 58 Prozent Ja-Stimmen für sich. Das Zollgesetz von 1893 löste einen zwei Jahre sich hinziehenden «Zollkrieg» mit Frankreich aus. Kaum war dieser beigelegt, stand 1898 eine neue Runde von Zollerhö­ hungen an. Die drei grossen schweizerischen Wirtschaftsverbände der In­ dustrie, des Gewerbes und der Bauern setzten alles daran, ihre Interessen durchzusetzen. Die Gegner höherer Zollsätze - Sozialdemokratie, Gewerk­ schaften, unterstützt durch organisierte Interessen aus dem Tourismus und der Exportindustrie - schlossen sich wiederum in einer «Liga» zusammen und ergriffen das Referendum. Dem propagandistischen Trommelfeuer, das vor allem der Schweizerische Bauernverband eröffnete, hatten diese wenig entgegenzusetzen; die Wirtschaftselite setzte sich mit ihrer Strategie, die sich auf verbandsdominierte korporatistische Aushandlungsprozesse stützte, durch.8? Im März 1903 wurde die Vorlage bei einer hohen Stimm­ beteiligung von 73 Prozent mit 60 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Die Schutzzölle nach aussen und ein kartellistischer Protektionismus nach innen stützten sich fortan gegenseitig. Durch Kartelle konnten die Handelsbarrie­ ren in nationale Standortvorteile umgesetzt werden. Die freihändlerischen

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Kräfte, die auf komparative Kostenvorteile durch internationale Arbeits­ teilung setzten und zu denen auch ein grosser Teil der Linken gehörte, wa­ ren innenpolitisch nicht (mehr) durchsetzungsfähig, behielten jedoch einen beträchtlichen politischen Einfluss. Der koordinierte Kapitalismus ver­ band so zwei widersprüchliche Tendenzen: zum einen den innenpolitisch wichtigen, durch ein hoch organisiertes Verbandsystem in die Wege gelei­ teten und kartellistisch genutzten Zollschutz, zum anderen die Verteidi­ gung des Paradigmas des Freihandels, der die fortgesetzte Integration in Weltmärkte förderte. Klassenkampf und Bürger-Bauern-Block 1890 kam es im Tessiner Putsch zur letzten Manifestation eines selbst­ bewussten Liberalismus. Nachdem die konservative Regierung, die sich durch die Manipulation von Wahlkreisen und Wählerlisten die politische Mehrheit sichern konnte, die Abstimmung über eine Verfassungsinitiative der Liberalen hinauszögerte, besetzten diese in Bellinzona das Zeughaus und stürmten anschliessend bewaffnet und unter Beifall einer grossen Menschenmenge das Regierungsgebäude. Staatsrat und Polizeidirektor Luigi Rossi wurde bei der Aktion erschossen, und verschiedene konserva­ tive Amtsträger setzte man in Haft. Die liberale Übergangsregierung trieb umgehend die Reform des politischen Systems voran. Schon 1892 wurde die Verfassung revidiert; das pionierhaft eingeführte Verhältniswahlrecht (Proporzprinzip), das die Parteien nach Massgabe ihrer relativen Stärke berücksichtigte, erzwang bei der Regierungsbildung eine «grosse Koali­ tion» von Liberalen und Konservativen.8« Dieses Zusammenrücken der Feinde des Kulturkampfes zeichnete sich schweizweit ab. Hauptgrund dafür war die oppositionelle Profilierung der organisierten Arbeiterbewegung. Diese unterstützte eine freihändlerische Industrialisierung, lehnte aber den Kapitalismus ab und richtete sich gegen das reformorientierte Bürgertum. Nach dem Schiffbruch der «Lex Forrer» um 1900 verloren jene freisinnigen Kräfte, die weiterhin auf Sozialreform und einen Ausgleich hinarbeiteten, an Sichtbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit. So sah sich z. B. ein dynamischer Reformer wie der Arzt und erste staatliche Fabrikinspektor Fridolin Schuler am Ende seines Lebens (1903) gegenüber der Linken in der Defensive. Spätestens um die Jahrhundertwende war die programmatische Kohäsionskraft der freisinnigen «Grossfamilie» erschöpft. Polarisierende und zentrifugale Tendenzen gewannen die Oberhand. Der Anspruch der demokratischen Republik wurde mit den Realitäten einer kapitalistischen Klassengesell­ schaft konfrontiert.

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Diese Erosion der freisinnigen Hegemonie im Staate hatte sich bereits während der 1890er Jahre angekündigt. Es baute sich in diesem Jahrzehnt eine zwiespältige politisch-ideologische Konstellation auf. Die Sozial­ demokratie ging gegenüber Bürgertum und Kapital auf Distanz. Die Streik­ neigung der Gewerkschaften stieg an.8’ Zwischen 1880 und 1914 ereigne­ ten sich in der Schweiz gegen 2500 Arbeitskämpfe, was einem Jahresmittel von etwa 70 entspricht. Dabei war die Streikneigung in kleinstädtisch-länd­ lichen Bezirken (Solothurn/Lebern, Vevey, Orbe, Arbon etc.) besonders hoch. Die ausgeprägte Heterogenität der «arbeitenden Klassen» (wie sie 1884 von Schuler genannt wurden) vermochte konfliktorientierte Solidari­ tätsformen in regionalen Kontexten nicht (mehr) zu verhindern.86 Die Streikhäufigkeit folgte einem zyklischen Muster. Der wellenförmige Verlauf war dabei eng korreliert mit den Auflagen sozialistischer Zeitungen, was ein Hinweis auf die wichtige Rolle der kommunikativen Öffentlichkeit für Mobilisierungsprozesse innerhalb der Arbeiterbewegung darstellt.8? Ar­ beitskämpfe blieben auch dann, wenn die Wirtschaft wuchs und der Arbeitsmarkt ausgelastet war, riskant; sie bedurften einer legitimierenden Begründung. Nur so konnten Arbeiter in Gegenden, in denen die soziale Kontrolle und die moralische Autorität der «Fabrikherren» hoch waren, zur Teilnahme an Streiks motiviert werden. Ab 1882 nahmen Streikaktivi­ täten stark zu; nach 1890 brachen sie leicht ein, um im Jahrzehnt nach 1898 parallel zum wirtschaftlichen Aufschwung wiederum anzusteigen und in den Jahren 1906/07 historische Spitzenwerte zu erreichen; ab 1908 gingen sie leicht zurück, verharrten jedoch auf hohem Niveau. Ein ähn­ licher Kurvenverlauf lässt sich für Deutschland, Frankreich und Italien er­ kennen. Zu diesen transnationalen Bewegungskonjunkturen trugen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die vielen Arbeitsmigranten bei. Das in der zeitgenössischen Publizistik beliebte Motiv einer Ansteckung der hiesi­ gen Arbeiter mit einem «ausländischen Streikbazillus» ist allerdings auch als Metapher irreführend, denn aus vergleichender Sicht war die Schweiz ein Land mit ausgeprägter Kampfbereitschaft und entsprechend hoher Streikneigung; um die Jahrhundertwende entsprach sie jener Frankreichs und war doppelt so hoch wie in Deutschland. Nach 1900 beteiligte sich die schweizerische Arbeiterbewegung intensiv an der internationalen Mas­ sen- und Generalstreikdebatte, im Jahrzehnt nach 1902 fanden - kulmi­ nierend im Zürcher Generalstreik von 1912 - insgesamt zehn lokale Gene­ ralstreiks statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Streikhäufigkeit in der Schweiz allerdings leicht abgeschwächt und lag nun hinter Deutschland und Frankreich zurück.88 Der Einsatz von Ordnungstruppen, neben örtlichen Polizeikräften zu­

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nehmend auch Militär, gegen Arbeiter, die für elementare Sicherheitsvor­ kehrungen und höhere Löhne streikten, setzte sich im ausgehenden 19. Jahr­ hundert schweizweit durch. Zwischen 1880 und 1914 kam es in grösseren Schweizer Städten und Industrieorten zu 38 Armee-Einsätzen, davon fielen sechs auf lokale Generalstreikaktionen. In mehr als der Hälfte dieser Ein­ sätze schritten die Truppen aktiv ein, in drei Fällen wurde scharf geschos­ sen. Die Militäreinsätze waren nur eine Komponente einer verschärften bürgerlichen Politik und eines «Klassenkampfes von oben» gegen die Linke, die den Ablösungsprozess der älteren Handwerker- und Arbeiter­ bewegungen aus dem freisinnig-radikalen Hauptstrom des Bundesstaates beförderte und die Lagerbildung akzentuierte. Eine weitere bestand in einer zunehmend schrillen Dämonisierung der Linken, die sich von der so­ zialreformerischen Betriebsamkeit des Freisinns merkwürdig unterschied, mit dieser jedoch koexistierte. Paradigmatisch für diesen Stil war der (ge­ scheiterte) Unternehmer, Major und Verleger Eduard Attenhofer, der sich seit den beginnenden 1880er Jahren publizistisch mit Gewaltaufrufen und Drohungen bemerkbar gemacht hatte.8? Anlässlich eines Streikes der Schlosser in Zürich verkündete er 1886: «Vater ist in der Schweiz ein sehr bekannter Mann.» Attenhofer verstand den «Kampf gegen die Sozialrevolution» als einen Dienst am Vaterland. Sein Ziel war die «scho­ nungslose Verfolgung und Vernichtung der sozialistischen Volksverfüh­ rer», und generell galt es, «unser Land vom fremden Ungeziefer zu säu­ bern» (so sein Wortlaut im Jahre 1890).?° Attenhofer, der seine Ängste mit antisemitischen und verschwörungs­ theoretischen Konstruktionen ausagierte, war kein verbiesterter Einzel­ gänger. Er arbeitete mit deutschen Spitzeln zusammen, welche deutsche Emigranten ausspionierten. Obwohl er fortgesetzt zur ungesetzlichen Ge­ walt gegen die Arbeiterbewegung aufrief und alle Register der Demagogie zog, wurde er im Verlaufe seiner langen Karriere als Zeitungsbesitzer, Re­ daktor und Leitartikler «von einflussreichen Zürcher Kreisen aus Politik, Finanz, Wirtschaft und Militär finanziell grosszügig unterstützt». Er war gleichsam der «Mann für’s Grobe», die rhetorische Peitsche neben dem sozialreformerischen Zuckerbrot, mit dem der Freisinn seinen politischen Allgemeinvertretungsanspruch nach links durchzuhalten versuchte.?1 Auch in anderen Städten der Schweiz lassen sich ähnliche Konstellationen von antisozialistischen Kampagnen und finanzieller Hilfestellung erken­ nen. So forderte insbesondere der Politiker (und spätere besonnene Bun­ desrat) Gustave Ador anlässlich des Bauarbeiterstreiks von 1898 eine un­ erbittliche politische und soziale Repression. Der massive Truppeneinsatz gegen den Zürcher Generalstreik vom Herbst 1902 wurde unterstützt

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durch einen verbalen Feldzug gegen die Linke. Damals wurden die seman­ tischen Kampfmittel geschmiedet, die in den folgenden zwei Jahrzehnten eine diskursive Konjunktur verzeichneten und das Vokabular der Bürger­ wehren nach dem Landesstreik von 1918 vorprägte. Noch 1889 hatte Carl Hilty in einem Brief an Wilhelm Oechsli vor einer «Allianz der Ultramontanen und Sozialisten gegen das liberale Bürger­ tum» gewarnt.’? Doch nun wurden die Weichen anders gestellt. Die Wahl des ersten katholisch-konservativen Politikers Joseph Zemp aus dem Lu­ zerner Entlebuch in den Bundesrat markierte 1891 den Auftakt zu einer Entwicklung, mit welcher der Kulturkampf durch den Klassenkampf überlagert und verdrängt wurde. Das politische Klima wurde fortan durch die Formierung eines (politisch vor 1914 allerdings noch kaum operati­ ven) Bauern-Bürger-Blockes und - als antagonistisches Korrelat dazu - der organisierten Arbeiterbewegung bestimmt. Die Polarisierung nahm zu. Die Arbeiterbewegung, die sich aufgrund einer klassenkämpferischen Deutung der Gesellschaft aus dem Bann der Freisinnigen befreit hatte, warb zunächst ebenfalls um die Bauern, die - abgesehen von den wohl­ habenden Landwirten - durch die antikapitalistische Agitation angespro­ chen werden konnten. Tatsächlich waren viele Voraussetzungen für eine «rot-grüne» (d. h. aus Arbeitern und Bauern bestehende) Allianz gegeben: Aufgrund des Statusverlustes, den viele Bauern in einer sich rasch verän­ dernden politischen Landschaft erlitten, stieg die Verunsicherung. Der Verschuldungsgrad im Agrarsektor war hoch. Forderungen nach hypothe­ karischen Erleichterungen und nach einer Entschuldung fanden in land­ wirtschaftlichen Gegenden Resonanz. Zudem versprach man sich Vorteile durch eine kostensparende direkte Zusammenarbeit der Produzenten und Konsumenten von Nahrungsmitteln. 1889 brachte der Zürcher Konrad Keller mit seiner Schrift «Die Bauernsclaverei der Neuzeit oder die Bauern im Kampf mit den Federhelden» eine populäre bäuerliche Bewegung ins Rollen, welche um die 10 000 Mitglieder mobilisierte und neben dem Abbau der Bürokratie und einer Ertragswert­ besteuerung auch die Tilgung der Kapitalschulden durch Zinssatzreduktion forderte. In den Kantonen Zürich, Thurgau, Aargau, Schwyz, St. Gallen, Bern und Baselland entstanden Bauernbünde, die sich - allerdings nur für kurze Zeit - gesamtschweizerisch vereinigten. Dieser Schweizerische Bau­ ernbund polemisierte zwar gegen die linke Parole «Acht Stunden Arbeiten und billige Lebensmittel», war jedoch, wie der Grütlianer Stefan Gschwind 1892 mit dem Aufbau eines sozialdemokratisch orientierten Bauern- und Arbeiterbundes zeigte, einem Linkskurs durchaus zugeneigt. Viele Bauern versprachen sich aus der Kooperation mit der Arbeiterbewegung eine Ver-

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besserung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen durch Ent­ schuldung, Zinsvergünstigungen, Bodenpolitik und genossenschaftliche Organisation. Demgegenüber sah das bürgerliche Lager in Bauern primär bodenverhaf­ tete Privateigentümer. Die natürlichen Tages- und Jahreszyklen sowie die Aufeinanderfolge von extremer Verausgabung und Erholung, die in der Landwirtschaft dominierten, erschienen als Gegenprinzip zum industriel­ len Fortschrittsmodell. In einschlägigen Schilderungen des «bäuerlichen Wesens» war von schwieligen Händen, sorgenvoll gefalteten Stirnen, wortkarger Würde und verborgener Frömmigkeit die Rede.94 Ein solches Bild der Arbeit unterschied sich von der Standardisierung der mechanisier­ ten Industriearbeit und war unverträglich mit einem gesetzlich festgelegten «Normalarbeitstag». Dermassen definiert und charakterisiert gerieten Landwirte in einen diametralen Gegensatz zur Linken. Im politisch Imagi­ nären markierte der heimatverwurzelte Bauer gleichsam naturwüchsig den nationalen Gegenpol zur internationalistisch agitierenden Arbeiterklasse. So rückte der Interessenkonflikt zwischen Produzenten («den Bauern») und Konsumenten («den Arbeitern») ins Zentrum. Es lag dann nahe, eine Er­ leichterung der bäuerlichen Wirtschaft nicht mehr über antikapitalistische Postulate, sondern über staatliche Subventionen zu suchen. Statt einer Re­ duktion der agrarischen Produktionskosten suchte man nach einer Erhö­ hung der bäuerlichen Einkommen, sowohl durch Zuschüsse vom Staat als auch durch Zollschutz. Das waren die zentralen Forderungen des 1897 ge­ gründeten Schweizerischen Bauernverbands unter dem umtriebigen Bau­ ernsekretär Ernst Laur. Letzterer realisierte, dass eine solche Politik im bürgerlich dominierten Bundessstaat unter der Bedingung durchsetzbar war, dass sich sowohl Freisinnige wie auch Katholisch-Konservative vor dem Aufstieg der organisierten Arbeiterbewegung fürchteten. Die Bauern, die den Staat finanziell zu melken begannen, stärkten diese Klammer der Angst und übten sich in einer antisozialistischen Rhetorik, die den Inter­ nationalismus der Linken zum bedrohlichen Popanz aufbaute. Landwirt­ schaftssubventionen ja - Sozialausgaben nein, lautete die Parole. Es wäre jedoch falsch, in den Bauern eine reaktionäre, stramm formierte Gruppe zu sehen, die sich mit überlegener nationalideologischer Defini­ tionsmacht eine Sonderstellung im Staatshaushalt erkämpfen konnte. Ein differenzierter Blick zeigt vielmehr, dass die von Laur eingeschlagene Stra­ tegie keineswegs auf einer Partikularideologie der Bauern oder auf einem nostalgischen Bild der Schweiz beruhte, sondern ein langfristig angelegtes und breit abgestütztes politisches Projekt der Agrarmodernisierung war, das sich auf einen breiten gemeinsamen Interessennenner stützte. Die Ban-

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ken konnten sich auf einen reibungslosen Schuldendienst verlassen, weil die Hypotheken auf Bauernbetriebe relativ sicher waren. Für die Bundes­ administration ergaben sich neue Möglichkeiten der Intervention in die Wirtschaft. Und schliesslich erfreuten sich die chemische Industrie sowie die Hersteller landwirtschaftlicher Maschinen einer steigenden Nachfrage nach ihren Produkten. Dieser Bauern-Banken-Bürokratie-Business-Komplex wurde in der Zwischenkriegszeit formiert und mit dem Landwirt­ schaftsgesetz von 1952 weiter konsolidiert. Unter dem politischen Schlagwort der «nationalen Ernährungssicher­ heit» wurde die Landwirtschaft über das 20. Jahrhundert hinweg in einen Service public umgewandelt, in dem staatlich angestellte Landschaftsgärt­ ner auf hohem Preisniveau feine Nahrungsmittel herstellen und dabei gleichzeitig die Naherholungsgebiete von Städten und Siedlungsagglome­ rationen instand halten.’s Diese Politik war nie auf Strukturkonservierung angelegt. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden die chemisch-tech­ nische sowie betriebswirtschaftliche Modernisierung der Landwirtschaft und damit auch der Wandel der Beschäftigungsstruktur beschleunigt. Der Anteil von landwirtschaftlich Beschäftigten, der in den 1880er Jahren noch ca. 40 Prozent betrug, ging bis zum Jahr 2000 auf 3 Prozent zurück. Jene, die Bauern blieben, hielten ihre Weitsicht aufrecht. Der Stolz auf die gelungene «Aufzucht schöner Rassentiere» und die Identifikation mit bäu­ erlich-dörflichen Gegenden vertrugen sich problemlos mit dem Willen, das Vieh in seiner Eigenschaft als «Futterverwertungsapparat» zu optimieren und den Boden mit Hilfe statistischer Information nach kommerziell best­ möglichen Gesichtspunkten zu nutzen.’6 Der Bauernverband förderte durch das ganze 20. Jahrhundert hindurch systematisch den rational rechneri­ schen Blick auf die landwirtschaftliche Produktion und die wissenschaft­ lich-technische sowie die arbeitsorganisatorische Innovation in diesem «tra­ ditionellen» Sektor. Dies machte einerseits die Bauern zu privilegierten Empfängern staatlicher Transferleistungen und die Schweiz zu einer «Hoch­ preisinsel», dynamisierte aber andererseits die Produktivitätsentwicklung auf den Bauernhöfen, so dass die staatliche Subventionspolitik zu keinem Zeitpunkt zu einer Strukturkonservierung im Agrarsektor führte. Asylrecht, Staatsschutz, Neutralität Als Kleinstaat mit einer liberalen Gesellschaftsordnung und 23 souverä­ nen Kantonen hatte die Schweiz verschiedene Probleme mit der Behaup­ tung ihrer nationalen Souveränität. Eine andauernde Reibungsfläche mit den Grossmächten stellte das Asylrecht dar, um das viele politische Flücht­ linge nachsuchten. Zuständig für die Erteilung von Asyl waren die Kan-

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tone; sowohl die Bundesverfassung von 1848 wie jene von 1874 sicherten jedoch dem Bund das Recht zu, «Fremde, welche die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen Ge­ biete wegzuweisen» (Artikel 57 bzw. 70 BV). Im Unterschied zur Phase vor 1848, als die in die Schweiz geflohenen Liberalen dieselben Ideen vertraten, die auch hier Auftrieb hatten, öffnete sich im ausgehenden 19. Jahrhundert eine mentale Kluft. Die meisten Flüchtlinge verbreiteten Meinungen, die von der schweizerischen Regierung nicht geteilt oder abgelehnt wurden. Solange noch gegen «Thron und Altar» agitiert wurde, klangen innerschweizerische Haltungen mit; das «Nieder mit Staat, Kapitalismus und Privateigentum» richtete sich indessen gegen die Grundlagen des schweizerischen Staatswesens. Seit Ende der 1870er Jahre zogen Anarchisten europaweit mit spektakulären Attentaten auf Re­ präsentanten staatlicher Macht die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und weckten in der Schweiz Besorgnis.?? 1885 legte der eigens dafür einge­ setzte «Bundesanwalt für die Untersuchung betr. die anarchistischen Um­ triebe», der Freisinnige und spätere Bundesrat Eduard Müller, einen fast 200-seitigen Bericht vor. Gerechtfertigt wurden die investigativen Metho­ den (wie Hausdurchsuchungen, Inhaftierungen und Verhöre) mit einer Bombendrohung gegen das Bundeshaus in Bern. Das Attentat erwies sich als reine Phantasmagorie, doch Dynamit stellte damals ein Faszinosum dar, und entsprechende Gerüchte fanden grosse Resonanz in populären Medien. Müller sah sich durch das inhaltliche Nullergebnis seiner Unter­ suchung in keiner Weise blamiert, sondern äusserte sich befriedigt, weil die Massnahme «der Behörde erschöpfenden Aufschluss über die anar­ chistische Gruppe in der Schweiz an die Hand gab». Wie sehr damals der Glaube an die staatlich vermittelte Harmonisierbarkeit divergierender Interessenlagen wirkte, zeigt sich in der Schlussfolge­ rung, «das wirksamste Mittel zur Bekämpfung des Anarchismus» bestehe in der «möglichst weitherzigen Erfüllung der berechtigten Forderungen des Arbeiterstandes». Der Anarchismus bestehe, «weil grosse Kreise der Menschheit wirklich Noth leiden, oder doch im Kampfe um’s Dasein keine Aussicht haben, sich aus ihrer elenden Lage durch eigene Arbeit zu befreien».?8 Der Berichterstatter bemängelte abschliessend auch die Rechtslage: «Wenn in der Schweiz ein Anarchist einen Banquier ermordet, um Gelder für die zu , oder einen Polizeibeam­ ten, um ihn zu machen, so unterliegt er dem kantonalen und nicht dem eidgenössischen Strafrecht.»?? An diese Feststellung schloss sich das Postulat, es sei eine vereinheitlichende Revision des Bundesstrafgeset­ zes anzustreben; diese kam dann Jahrzehnte später zustande.

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Hingegen engagierte sich die Schweiz nach aussen in der 1888 gegrün­ deten Internationalen Vereinigung für Strafrecht und organisierte 1890 ein zweites Treffen in Bern. An den Bestrebungen grosser Staaten, den Anar­ chismus mit einer staatenübergreifenden Konvention zu bekämpfen und die Polizeiarbeit international zu koordinieren, beteiligte sich die Schweiz, die Einmischungen von aussen befürchtete, mit möglichst unauffälligem Widerstand.100 Im Inland wurde das Asylrecht eingeschränkt; die Formel, die um 1900 verwendet wurde, lautete: «Weil wir das Asylrecht heilig hal­ ten, wollen wir es vor Missbrauch schützen.»101 Und weil «nicht der poli­ tische Flüchtling im engeren Sinne, sondern der Anarchist (...) heutzutage Asyl (begehrt)» und weil der Anarchist «häufig (...) ein Asyl suchender Verbrecher» sei, rechtfertige sich eine Asylgewährung nicht.102 Als 1898 die österreichische Kaiserin in Genf durch einen italienischen Anarchisten ermordet wurde, gab es aufgrund der äusserst restriktiven Asylpraxis der Schweiz denn auch kaum politische Kritik aus dem Ausland; bemängelt wurden hingegen unzureichende polizeiliche Sicherheitsvorkehrungen im unübersichtlichen föderalistischen Überwachungssystem. Die Schaffung bundesstaatlicher Polizeiverbände blieb durch das ganze 20. Jahrhundert hindurch ein Thema innenpolitischer Auseinandersetzungen. Dass sich die Linke schon damals gegen eine eidgenössische Bundes­ polizei aussprach, hängt damit zusammen, dass sich die staatsschützerische Tätigkeit ausschliesslich gegen sie richtete. Seit dem «Sozialistengesetz», mit dem Bismarck 1878 den deutschen Sozialdemokraten jegliche politi­ sche Tätigkeit verbot, hatte sich vor allem Zürich zu einer Hochburg deut­ scher sozialistischer Propaganda entwickelt. Die von Deutschen in Zürich herausgegebene Zeitung «Sozialdemokrat» stellte die wichtigste publizis­ tische Umwegproduktion über die Schweiz dar; darüber entbrannte ein Konflikt zwischen Landes- und Stadtregierung. Während der Bundesrat auf deutsches Drängen hin gegen das Blatt vorgehen wollte, hielt die Zür­ cher Regierung an gesetzlich garantierten Freiheiten fest. Deutsche Zei­ tungen bauten Druck gegen die Schweiz auf, indem sie diese als Hort der Subversion und die Universität Zürich als Sitz des Anarchismus brand­ markten. Ein verärgerter Polizeihauptmann spielte daraufhin der Presse Dokumente zu, die zeigten, dass es das Berliner Polizeipräsidium war, das in der Schweiz Spionage betrieb und Anarchisten als Agent provocateurs finanzierte. Die Schweiz wählte in diesem oft etwas gespenstischen Konflikt eine fle­ xible Strategie zwischen Nachgeben und Selbstbehauptung. Profilierte deutsche Sozialdemokraten wurden ausgewiesen, unter ihnen Eduard Bernstein. 1889 eskalierte allerdings die Auseinandersetzung mit Deutsch-

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land. Im schweizerischen Rheinfelden war der preussische Polizeiinspek­ tor Wohlgemuth beim Anwerben deutscher Lockspitzel in flagranti ver­ haftet worden. Bismarck kündigte Sanktionen an. Der Bundesrat blieb auch dann standhaft, als das Kaiserreich, Russland und Österreich in einer diplomatisch konzertierten Aktion die Kündigung des 1815 der Schweiz zugestandenen Status dauernder Neutralität androhten. Da spielte der Zu­ fall der Schweiz in die Hände: Die sich zuspitzende Krise wurde durch die überraschende Entlassung Bismarcks entschärft. J°3 Das gab dem Bundes­ rat die Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust das Amt eines ständigen Bun­ desanwalts wieder einzuführen, um damit der europaweit verbreiteten Meinung, der neutrale Kleinstaat berücksichtige mit seiner liberalen Flüchtlingspolitik die Sicherheitsinteressen anderer Staaten zu wenig, ent­ gegenzuwirken. Innenpolitisch erreichte der Bundesrat damit, dass die politische Fremdenpolizei in die Bundeskompetenz überging. Parallel dazu wurden die militärischen Abwehrmassnahmen verstärkt. Eine Studie, die vom Generalstab im Sommer 1889 in Auftrag gegeben wurde, befasste sich beispielsweise mit der Frage «Wie können Landungsversuche deut­ scher Dampfschiffe an der schweizerischen Küste des Bodensees am besten verhindert werden?».10-* Der «Wohlgemuth-Handel», wie er alsbald genannt wurde, war ein Ka­ talysator in der Neupositionierung und Stabilisierung der Neutralität als Staatsmaxime. In den ausgehenden 1880er Jahren war dieser Begriff noch im Fluss. Es war der ehemalige Gesandte in Washington und spätere Bun­ desrat Emil Frey, der 1888 - und zwar in einer Rede an der Schlachtfeier zu St. Jakob - die Neutralität, wie sie der Schweiz von den europäischen Mächten auferlegt wurde, als eine «Absurdität, ein Messer ohne Heft, dem die Klinge fehlt», bezeichnete. Frey, der in jungen Jahren Rekrutie­ rungsoffizier der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg gewesen war und seine helvetische Karriere auf der Basler Landschaft startete, er­ klärte kurzerhand, das «Neutralitätsdogma» habe die «nationale Würde korrumpiert» und das Wort solle deshalb «aus unserem Lexikon» ver­ bannt werden.10? Die Rede löste einen Sturm der Entrüstung aus und ver­ half, durchaus gefördert von Frey, einem neuen Souveränitätsbewusstsein und Neutralitätsverständnis zum Durchbruch. Entgegen der Meinung des «Journal de Genève», die Neutralität der Schweiz sei nicht «auferlegt», sondern «zugestanden» worden, und das Land solle sich als «neutralisier­ tes» glücklich schätzen und sich der «privilegierten Situation» erfreuen, überwog nun die Meinung, es sei die Schweiz selber, die in einer jahrhun­ dertelangen politischen Kraftanstrengung ihre Neutralität entwickelt und zur Geltung gebracht habe.

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1899, mehr als zehn Jahre nach dem Sakrileg, lag auch Frey auf dieser Linie. Die «gewollte Neutralität» der Schweiz basiere nicht auf interna­ tionalen Verträgen, sondern in letzter Instanz «auf unseren Kanonen und Bajonetten und auf dem unerschütterlichen Entschluss unseres Volkes, für seine Freiheit und Unabhängigkeit zu kämpfen bis zum letzten Mann». Als Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Militärdepartements (18911897) setzte sich Frey denn auch konsequenterweise für eine grosszügige und selbstbewusste Auslegung der Neutralität ein und verteidigte gegen­ über dem deutschen Gesandten das Recht der Schweiz, in einem europäi­ schen Krieg selbst dann Partei zu ergreifen, wenn sie nicht angegriffen würde.106 Mit dieser politischen Flexibilität kontrastierte zunehmend die Er­ findung einer nationalen Neutralitätstradition, wie sie massgeblich im magistralen Werk von Paul Schweizer 1895 zu finden war.10? Im Willen, sich nicht «in fremde Händel» zu mischen, wird hier spätestens seit der Schlacht von Marignano 1515 ein Grundzug der schweizerischen Staats­ entwicklung gesehen. In den Jahren um 1900 festigten Völkerrechtler wie Max Huber den Ruf der Schweiz als einer «Denkfabrik» transnationaler Rechtskodifizierung. Huber vertrat sein Land 1907 auf der internationa­ len Friedenskonferenz in Den Haag und trug mit seiner Studie zu den «so­ ziologischen Grundlagen des Völkerrechts» wesentlich zum Verständnis der transnationalen Dynamik rechtlicher Entwicklungen bei. Mit dem Haager Neutralitätsabkommen wurde der harte Kern des Neutralitäts­ rechts als Pflicht der neutralen Länder definiert, am Krieg nicht teilzuneh­ men und gleichzeitig als deren Recht, in kriegerischen Auseinanderset­ zungen nicht angegriffen zu werden. Damit blieb ein grosser Raum für unterschiedliche Definitionen einer Neutralitätspolitik in Friedenszeiten offen und entsprechend hart wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten in der Schweiz gestritten. Gegenläufig dazu wirkte das Neutralitätskonzept integrierend; innenpolitisch kam ihm die Rolle zu, äusseren Druck und divergierende Loyalitäten von Landesteilen gegenüber Nachbarländern zu moderieren. Dies zeigte sich etwa im Heerwesen. Die Wortverbindung «bewaffnete Neutralität» bezog sich auf die von Frey, Schweizer und vielen anderen stark gemachte These, dass es die militärische Schlagkraft der Schweiz sei, welche das Rückgrat der Neutralität ausmache. Mit der Verfassungsrevi­ sion von 1874 war zunächst das republikanisch-demokratische Konzept der nation armée, wie es dem freisinnigen Aargauer Bundesrat Emil Welti vorschwebte, realisiert worden. Diese wollte die Stärke einer auf direkter Bürgerbeteiligung aufbauenden Staatsordnung ausspielen und zielte auf

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eine durchgreifende Umsetzung der verfassungsmässigen «allgemeinen Wehrpflicht». Dagegen argumentierte bald die sogenannte neue Rich­ tung, deren wichtigster Protagonist Ulrich Wille (der spätere General) war. Diese Offiziersgruppierung hatte «Preussen vor Augen»,108 sie be­ zweifelte die «Kriegstauglichkeit» des republikanischen Bürgersoldaten und forderte einen verkleinerten, gestrafften Zuschnitt sowie eine waffen­ technologische Modernisierung der Schweizer Armee. In diesen Ausein­ andersetzungen, die sich in den 1890er Jahren zuspitzten, zeigte sich eine säkulare Konfliktlinie, die praktisch bis zum Ende des Kalten Krieges an­ dauern sollte: Immerzu ging es um die Frage, ob sich das schweizerische Militärwesen mit Milizsystem, Bürgersoldaten und Bergen auf die politi­ schen sowie topographischen Spezifika des Landes ausrichten (und damit auf eine defensive Option setzen) sollte oder ob nicht eine konsequente Modernisierung mit Ausrichtung auf die europäischen Grossmachtar­ meen - das hiess in dieser Phase auf Deutschland - der einzige Garant für eine erfolgreiche militärische Landesverteidigung sei. In dieser Auseinan­ dersetzung ging es keineswegs nur um unterschiedliche Kampfverfahren, sondern um «letztlich sich völlig widersprechende Auffassungen über die Stellung des Militärs in der schweizerischen Gesellschaft und des einzelnen Bürgers in der Armee».10? In der Zeit um 1900 gab die begeisterte Unterstützung der südafrikani­ schen Buren in ihrem Kampf gegen die britischen Kolonialtruppen noch­ mals den Anhängern einer «Volksarmee» Auftrieb - bevor sich dann die «neuen» Kräfte mit ihrem europäischen bzw. deutschen Standard durch­ setzten. Schon vor der Militärorganisation von 1907 prägten preussischer Drill und strenge Disziplin zunehmend den militärischen Alltag. Damit näherte sich die operative Denkweise an den «Kult der Offensive» an, der in Europa vor 1914 zur Norm wurde. Der schweizerische Generalstab legte sich auf eine offensive Kampfform fest; sollte man im Kriegsfall zur operativen Defensive gezwungen werden, so enthielt auch diese starke of­ fensive Elemente.110 In den Köpfen der Militärs war denn der St. Gotthard keineswegs die «Festung der Schweiz (...), in welche sich das Heer und das Volk zurückziehen und welche sie bis aufs äusserste verteidigen wollten» (um nochmals Generalstabschef Arnold Keller zu zitieren), sondern eine offensiv angelegte Bastion, von der aus die Verteidigung der Kantone Graubünden, Tessin und Wallis sichergestellt werden sollte.111 Im «Fussvolk» löste die Preussisierung beträchtliche Widerstände aus. So verteilten Soldaten und Unteroffiziere 1893 eine anonyme Broschüre «Freie Bürger oder Militär-Sklaven», in der sie forderten, dass «in unse­ rem lieben, freien Vaterlande die brutale Behandlung und Willkür im Mi-

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litärdienst wieder aufhöre».112 Solche Unmutsäusserungen waren mit dem neuen Verständnis der Armee nicht mehr kompatibel. Auf antimilitaristi­ sche Kritik, die aufgrund der gehäuften Truppeneinsätze gegen streikende Arbeiter in den 1890er Jahren anschwoll, reagierte nun auch der Bundes­ rat zunehmend härter. 1898 erliess er Militärstrafartikel für Friedenszei­ ten, die bei allen mehrtägigen Militärdienstleistungen vorgelesen werden mussten und die mit den beiden Sätzen begannen: «Die Offiziere, Unter­ offiziere und Soldaten der schweizerischen Armee sind dem Vaterlande unverbrüchliche Treue und Hingebung schuldig. Sie haben ihren Vorge­ setzten unbedingten Gehorsam zu leisten.» Im «Dienstreglement für die schweizerischen Truppen» wird die Disziplin als Grundlage aller militäri­ schen Tugenden bezeichnet; sie bilde «den Kitt, welcher allein im stände ist, ein Heer vor Auflösung und Schande zu bewahren». Als 1901 in der sozialistischen Zeitung «Le Peuple de Genève» eine Breitseite gegen den Militarismus erschien, nutzte die Landesregierung die Gelegenheit, um eine Verschärfung des Bundesstrafrechts vorzuschla­ gen.11? 1903 scheiterte allerdings das «Maulkrattengesetz», das die Kritik an der Armee kriminalisieren wollte und gegen das die Arbeiterbewegung das Referendum ergriffen hatte, deutlich in der Volksabstimmung. Die re­ pressiven Militarisierungstendenzen verschwanden damit aber nicht. Das republikanische Prinzip der Selbstorganisation und -herrschaft der Bürger wurde zunehmend verdrängt durch eine staatliche Definition der natio­ nalen Zugehörigkeit und des «richtigen» staatsbürgerlichen Verhaltens. Insgesamt wurde die Armee zum Bestandteil eines Kontrollapparats, der für einen «Klassenkampf von oben» genutzt wurde.”4 In den Jahren um 1900 drückte sich darin eine neue Deutungs- und Definitionsmacht des Bundesstaates aus, der die Linke auszuschliessen begann und damit zur in­ nenpolitischen Frontenverhärtung beitrug.

Kulturkritik und Krise der Bürgerlichkeit Das klassenkämpferische Bürgertum war zugleich tief verunsichert. Auch staatspolitisch zuversichtliche Beobachter des Fin de Siècle wie Carl Hilty hegten um 1900 eine Skepsis gegenüber dem Forschrittsglauben und kri­ tisierten den gesteigerten Individualismus. Die «stärkere Entfaltung des Subjekts» mache dieses «zum Mittelpunkt der Wirklichkeit» und ver­ wandle «zugleich aber das Leben in eine unablässige Selbstbespiegelung und eitle Reflexion».11? Niemand wolle mehr dienen, alle wollten nur noch «frei sein von allen Banden», erklärte Hilty zwei Jahre darauf in einem Beitrag über «Die Zukunft der Schweiz». Es sei die «grosse allgemeine Wohlhabenheit, oder vollends der Reichtum eines Landes» die Ursache

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dafür, dass dieses «sehr leicht vorsichtig, um nicht zu sagen feig» werde. Für die Schweiz gelte, dass «nur eine gewisse Einfachheit der Lebensweise und relative Armuth (...) natürlich-tapfere Leute» erzeuge: «Die alten Schweizer waren ein gutes, redliches Volk, am grössten in grossen Gefah­ ren» und «so soll es allezeit bleiben.»116 Hiltys kultur- und kunstkritische Kommentare bringen das Spektrum zeitgenössischer Befürchtungen in nuce zum Ausdruck. In einer Betrach­ tung über das Krankheitsbild der Neurasthenie sprach er 1897 davon, der beschleunigte soziale Wandel des 19. Jahrhunderts habe zu neurasthenisch­ neurotischen Phänomenen geführt; so diagnostizierte er vor allem in bes­ ser gestellten Kreisen eine «epidemische Abnahme der Lebensenergie».11? In einem weiteren Text «Über die Langeweile» (1908) beschrieb er, wie sich diese Grundstimmung im Privaten und Politischen ausbreitet. Ein Drittel der Ehen würden «aus Langeweile geschlossen», und vielen Mäd­ chen sei «selbst das Unglück (...) lieber als die Langeweile». Diese Über­ legungen werden ins «Parteiwesen» und die «Wirtshauspolitik» weiter­ geführt. Neben Langeweile sei «Furcht (...) die Grundstimmung der gan­ zen jetzigen Politik»118 Das Hervortreten eines gefährdeten männlichen Subjekts in diesen Zeitdiagnosen war verbunden mit einer Krise der Bür­ gerlichkeit als Form der Lebensführung und als Modell liberaler Politik. Die in Kapitel zwei geschilderte Ambivalenz der Zeit um 1900 äusserte sich in einer Krise der Männlichkeit, die sich auch in einer Destabilisierung der Ehe zeigte; die Schweiz wies im europäischen Vergleich in den Jahr­ zehnten um 1900 die mit Abstand höchste Scheidungsrate auf; der franzö­ sische Soziologe Emile Durkheim kommentierte dies mit der Bemerkung, die Schweiz sei diesbezüglich «tolerant bis zum Exzess».Die steigende Faszination für das Militärische kann als kompensatorische Reaktion auf die Infragestellung der bürgerlichen Geschlechterordnung interpretiert werden. Diese Krisen leiteten indessen nicht einen Niedergang, sondern eine Transformation des Liberalismus ein, der sich von einer staatstragen­ den Integrationskraft mit gesellschaftsübergreifendem Repräsentationsan­ spruch zu einer partikularen, die Interessen des Bürgertums und des Kapi­ tals vertretenden politischen Partei entwickelte. Aus den Irritationen, welche diese Veränderungen auslösten, ging auch der neue Heimatschutzgedanke hervor, der in den Jahren um 1900 Gestalt annahm: Mit grossem Technikeinsatz wurden Industriebauten, Energie­ anlagen, Kommunikationssysteme und Verkehrseinrichtungen gebaut. Gebäudekomplexe, Maschinen, Leitungen, Schienen und Strassen, Tunnel und Viadukte veränderten eine Landschaft, die in derselben Phase mit spi­ rituellen Weihen versehen wurde. Die Aufwertung der «reinen Natur», die

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Faszination für «unberührte Landschaft», «heile Bergwelt» und «unver­ dorbene Seen» war nicht Ausdruck eines (modernen) ökologischen Be­ wusstseins, sondern entsprang der «Imagi-Nation», nämlich der Imagina­ tion der Nation als eines Naturschauspiels. Der «Nationalcharakter» wurde als Epiphänomen des «Schweizerbodens» wahrgenommen. Die na­ tionale Topographie war nach aussen gesichert durch die Landesgrenze und im Innern strukturiert durch populäre Erinnerungsorte (die grossen Schlachten der Vergangenheit). Brauchtum und Volkstum, darüber hinaus die «Heimat» ganz allgemein, wurden nun unter Schutz gestellt. Als schutzwürdig galten Denkmäler, auch Naturdenkmäler wie Findlinge und Wasserfälle, historische Monumente, Stadt- sowie Dorfbilder, Volkskunst, Feste, Trachten, Liedgut und Kochrezepte. Dies ging einher mit einer «Er­ findung von Traditionen», die sich seit den 1890er Jahren länderübergrei­ fend häuften. In der Schweiz kann etwa für die Trachten und das Jodeln gezeigt werden, wie kulturelle Formen neu kreiert oder von aussen impor­ tiert wurden, so dass das, was geschützt werden sollte, überhaupt erst im Zuge dieses protektionistischen Zugriffs geschaffen wurde. In Frankreich entstand 1902 die Société pour la protection des paysages en France (SPPS), in Deutschland 1904 der Bund für Naturschutz. In der Schweiz gründeten Engagierte 1905 den Heimatschutzverein und 1909 den Naturschutzbund, der sich der Erhaltung bedrohter Landschaften widmete und einen «patriotischen Ästhetizismus» pflegte.120 Analog zu den Kampagnen gegen «Schmutz und Schund», die auf sittliche Reinheit und geordnete Lebensführung abzielten, wurde die Unverdorbenheit der Landschaft gegen zerstörerische Elemente und moralische Zersetzung an­ gestrebt. Dabei zeigt sich eine paradoxe Denkfigur, die schon am Beispiel des Gotthards dargestellt wurde: Je mehr man die Natur beherrschen lernte, desto erhabener wurde sie. Und je erhabener und schöner sie wurde, desto akuter schien sie wiederum durch ihre technisch-wissenschaftliche Eroberung gefährdet.121 Die industriell-gewerblich-landwirtschaftliche Umgestaltung der Natur, die dem Verfassungsziel, die «gemeinsame Wohl­ fahrt» der Eidgenossen zu befördern (Art. 2), entsprach, ging mit der tou­ ristischen Erschliessung der Alpen Hand in Hand. Für das Ausland be­ stimmte Werbeprospekte zeigten majestätische Berggipfel mit «ewigem Schnee» und imposante Gletscher, die in urchige Talschaften hinunter­ ragten. Gerade weil die infrastrukturelle Öffnung dieser Gebiete durch Elektrizitätsleitungen, Telegrafenkabel und Bergbahnen nicht zu umgehen war, wurde der Schutzgedanke, der bauliche Todsünden sowie eine Über­ nutzung der gefährdeten Alpenflora zu verhindern trachtete, wichtig. Zwi­ schen 1871 (Eröffnung der Zahnradbahn Vitznau-Rigi) und 1912 wurden

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mehr als 40 Bergbahnen gebaut, die um 1900 jährlich ca. sechs Millionen Passagiere in die Höhe beförderten. 1907 entbrannte eine heftige Auseinan­ dersetzung um eine geplante Matterhornbahn, die aufgrund geballter Wi­ derstände nicht zustande kam.13-1 Die allgemein verbesserte Erschliessung gab der Sorge um die Blumen der Berge Auftrieb. Je mehr Edelweiss und Alpenrose zu begehrten Handelswaren wurden, desto stärker erscholl der Ruf nach Protektion. Dieser Schutzgedanke materialisierte sich 1914 in der Gründung eines Schweizerischen Nationalparks an der Landesgrenze im Engadin. ri3 Die neue Naturbegeisterung äusserte sich um 1900 auch in anderer Weise. Um 1900 entstand auf dem Monte Veritä bei Ascona eine lebens­ reformerische Künstlerkolonie. Der Belgier Henri Oedenkoven lebte in dieser «vegetabilen Cooperative» mit Ida Hofmann sowie den Brüdern Karl und Gustav Gräser in Licht- und Lufthütten. Wegleitend war der Grundgedanke einer Rückkehr zur Natur und einer Befreiung des Den­ kens und Handelns von den Zwängen der modernen Industriegesellschaft. Mit der Umwandlung der Kommune in ein Naturheilsanatorium wurden alternative wissenschaftliche Ansätze erprobt und auf politische Konzepte (Frauenemanzipation, sexuelle Revolution, Genossenschaftswesen und Gemeinbesitz) bezogen. Die Siedlung war in ein Netzwerk von Pazifisten, Antimilitaristen und Anarchisten integriert; so war Erich Mühsam ein häufiger Gast auf dem «Berg der Wahrheit». Im Ersten Weltkrieg versam­ melten sich auch Refraktäre, Emigranten und Flüchtlinge an diesem Ort, so u. a. Hans Arp, Hugo Ball, Ernst Bloch, Hermann Hesse, Ernst Toller und Marianne von Werefkin. Anfang der 1920er Jahre verkauften Oeden­ koven und Hofmann das Grundstück und wanderten in Richtung Spa­ nien, später Brasilien aus. Um Werner Ackermann, Hugo Wilkens und Max Bethke entwickelte sich eine expressionistische Künstlerkolonie. Mit dem Bau eines Hotels im Bauhausstil machte der Bankier und Kunst­ sammler Baron Eduard von der Heydt den Monte Veritä erneut zu einem Anziehungspunkt für Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Poli­ tik.11« Insgesamt hatten die Naturschutzbewegungen vor 1914 wenig Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung in der Schweiz. Sie bleiben einer punktuellen Wahrnehmung von Umweltschäden verhaftet und oszillierten zwischen Verwissenschaftlichungstendenzen und einem patriotisch-mora­ lischen Elitedenken, was ihre Resonanzfähigkeit in breiteren Bevölkerungs­ schichten stark begrenzte. Was allerdings über die Zäsur, die der Erste Weltkrieg für die Entwicklung des Natur-, Heimat- und Denkmalschutzes bedeutete, hinauswirkte, waren die Formalisierung und Etablierung von

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Schutzstrategien (Reservate, Konservierung, Schutzgesetze, Schadensabgel­ tung ect.), die für das 20. Jahrhundert massgeblich blieben.12? 1912: Kaisermanöver und Friedenskongress Anfang September 1912 fanden in der Ostschweiz in Anwesenheit des deutschen Kaisers Wilhelm II. die «Kaisermanöver» der Schweizer Armee statt. Ende November tagte in Basel der Friedenskongress der Sozialisti­ schen Internationale. Die beiden Ereignisse machten deutlich, wie sehr sich in diesen Jahren nicht nur in der Schweiz die gesellschaftlichen Span­ nungen verschärft hatten. Der Rüstungswettlauf zwischen den europäi­ schen Grossmächten löste in vielen Ländern nationale Hochgefühle aus; gleichzeitig verbreitete sich in der grenzüberschreitend vernetzten Ar­ beiterbewegung Alarmstimmung. In der Schweiz waren Bundesrat und Armeeführung darauf bedacht, in diesem für einen Kleinstaat bedroh­ lichen militärischen Kräftemessen das nationale Selbstbewusstsein zu stär­ ken und die Maxime der bewaffneten Neutralität nach aussen zu kommu­ nizieren. Die Linke hingegen reihte sich in die Bemühungen ein, einen Krieg mit einer klassenkämpferischen und grenzüberschreitenden Massen­ aktion zu verhindern. Der Besuch des Kaisers war seit 1908 - als Pendant zum Besuch des französischen Staatspräsidenten, der schließlich 1910 stattfand - ins Auge gefasst worden; 1911 musste er nochmals um ein Jahr verschoben werden, weil man dem Monarchen einen Besuch in der Westschweiz und in grenz­ nahen Gebieten zu Frankreich (wo die Manöver der Armee in diesem Jahr stattfanden) nicht zumuten wollte. Als es Anfang September 1912 so weit war, wurden, neutralitätspolitisch korrekt, auch hohe Offiziere anderer Staaten zu den Manövern des 3. Armeekorps im unteren Toggenburg ein­ geladen. Elektrifizierender Mittelpunkt war der deutsche Kaiser. Dieser wurde in vielen Städten - Zürich, Bern, Wil, Frauenfeld - von Menschen­ mengen frenetisch gefeiert, und die allgemeine Begeisterung war gross.126 Die spektakuläre Inszenierung und das zeremonielle Protokoll machten den Anlass zum Publikumsmagneten. Entsprechend euphorisch war die Bericht­ erstattung in der Presse - von «einigen Blättern der äussersten Linken»12? abgesehen. Hervorgehoben und auf Postkarten festgehalten wurde die ästhe­ tische Konfrontation des majestätischen Pomps des kaiserlichen Hofstaats mit der republikanischen Schlichtheit der Schweizer Regierung (so trat Bun­ despräsident Forrer konsequent zivil auf, im Feld auch mit Schlapphut). Beim Empfang des Kaisers am 6. September erklärte Forrer, die Schweiz habe «den bestimmten Vorsatz, unsere Unabhängigkeit gegenüber jedem Angriffe auf dieses unser höchstes Gut zu schützen und unsere Neutralität gegenüber

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jedem, der sie nicht respektiert, zu wahren. Ein notwendiges und zweck­ dienliches Mittel hiezu bildet eine tüchtige und schlagfertige Armee». Der Kaiser erwiderte, «die Bewohner der Schweizer Gebirge» seien «seit uralter Zeit (...) tüchtige und kernige Kämpfer gewesen». Wilhelm II. zeigte sich beeindruckt von der Weise, in der das «Schweizer Heer getragen wird von der Liebe des ganzen Schweizer Volkes», und er sprach den «Willen der Vor­ sehung» an, der «inmitten der vier benachbarten Grossmächte die Schwei­ zerische Eidgenossenschaft als wohlgeordneter, allen friedlichen Bestre­ bungen zugewandter, auf seine Unabhängigkeit stolzer, neutraler Bundesstaat» sich habe entwickeln lassen.118 Der Staatsbesuch hatte keineswegs nur eine militärische, sondern auch eine politische Agenda. Die Linke, die zu diesem Zeitpunkt die bewaffnete Landesverteidigung noch mittrug, blieb aus der symbolischen Repräsen­ tation der nationalen Gemeinschaft, wie sie dem Kaiser mit Trachtenfrauen und Dorfvereinen geboten wurde, ausgespart. Und der Kaiser wollte mit seiner Präsenz die grosse deutsche Diaspora in der Schweiz aufwerten. Gleichzeitig fand er Gelegenheit, vor Ort die Solidität des militärischen Flankenschutz kennenzulernen, den die Schweiz im Süden für den Fall bieten konnte, dass ein deutscher Angriff gemäss Schlieffen-Plan über Bel­ gien in Nordfrankreich geführt würde.11? Oberstkorpskommandant Ulrich Wille, der mit Clara Gräfin von Bismarck, der Tochter von Friedrich Wil­ helm Graf von Bismarck, verheiratet war und der in der Schweizer Armee für preussischen Drill stand, erklärte voller Stolz, der deutsche Kaiser habe ihm nach den Manövern in Will und Kirchberg versichert: «Sie sparen mir 300000 Mann.»‘3° Zur selben Zeit formierte sich auf der Linken eine Antikriegsbewegung. Am 17. November 1912 fanden europaweit Massendemonstrationen statt. Der Internationale Sozialistenkongress vom 24-/25. November in Basel, der als «Weltkongress des Friedens» durchgeführt wurde, stellte den Kulmina­ tionspunkt dieses Kampfes gegen den Krieg dar. Die Stadt am Rheinknie wurde für einige Tage zur Drehscheibe der grenzüberschreitenden Frie­ densbewegung. 550 Delegierte aus fast allen europäischen Staaten nahmen am Kongress teil.I3I Das Zürcher Volksrecht liess am Eröffnungstag ver­ lauten: In diesem «Augenblick, wo unverantwortliche, aber einflussreiche Mächte in allen Grossstaaten Europas fieberhaft am Werke sind, die natio­ nalen Leidenschaften der Völker zur wilden Kriegsbegeisterung aufzu­ peitschen, und wo die Dämme, die der Furie des Krieges noch im Wege standen, niederzubrechen drohen, reichen sich über alle Grenzen hinweg, allem Hohn und allen Verleumdungen zum Trotz, Millionen von Proleta­ riern die Hände um kund zu tun, dass sie von der chauvinistischen Hetze

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unberührt geblieben sind, dass sie sich nicht als Feinde, sondern als Brüder fühlen und dass sie entschlossen sind, ihren Willen zum Frieden den zum Krieg treibenden Mächten kraftvoll entgegenzustellen.» Auf einem in Basel vor Ort verteilten Flugblatt wurden die für Sonntag im Basler Münster geplanten Reden der herausragenden Sozialisten angekündigt mit der Parole: «Auf zum internationalen Friedensschwur, zum Treueschwur auf die Losung .» In der Presseberichterstattung über diese Manifestation eines säkularen Humanismus im Sakralraum des Gottes­ hauses wurde festgehalten: «Hunderte von Händen rauschen in die Höhe und frenetischer Beifall setzt auf den Tribünen ein. Unten aber singt jede Nation in ihrer Sprache die Internationale.» Und im Manifest, das die In­ ternationale verabschiedete, wurde ausgeführt: «Das Proletariat ist sich bewusst, in diesem Augenblicke der Träger der gesamten Zukunft der Menschheit zu sein. (...).»bi

3. Erster Weltkrieg und Landesstreik (1913 bis 1918)

Kriegsausbruch, Burgfrieden, widerstreitende Erwartungen Der Zukunftsglaube, der im November 1912 auf dem Internationalen Friedenskongress der Sozialistischen Internationale in Basel beschworen wurde, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser «Weltkongress des Friedens» zugleich ein Schwanengesang auf den Traum einer friedlichen «Verbrüderung der Völker» war. Die Lage der Linken war zwiespältig. Der Zürcher Generalstreik vom Juli 1912 verlief trotz des provozierenden Aufgebots von 3000 Mann Ordnungstruppen (Füsilierbataillone und eine Kavallerieschwadron) diszipliniert und friedlich, was das Selbstbild der Arbeiterbewegung als einer aufsteigenden gesellschaftlichen Ordnungs­ kraft stärkte. Gleichzeitig erkannten Gewerkschafter und Sozialdemokra­ ten in Imperialismus, Nationalismus, Militarismus und Aufrüstung deut­ liche Vorboten eines kommenden Krieges. Sie wollten darauf vertrauen, dass sich in einer global vernetzten, wirtschaftlich interdependenten Welt die «Kriegstreiber» nicht würden durchsetzen können. Im Mai 1913 schlug eine in der Aula der Universität Bern stattfindende Konferenz deutscher und französischer Parlamentarier eine länderübergreifende politische Ak­ tion zur Rettung des Friedens vor. Am anderen Ende des politischen Spektrums bewertete die nationalistische Rechte einen Krieg diametral anders. Der aristokratische Reaktionär Gonzague de Reynold beschwor 1912 das «Moment der Krise», aus dem, wie 1911 der Journalist Richard Bovet schrieb, nur «une guerre, une bonne guerre» heraushelfen könne.1

3- Erster Weltkrieg und Landesstreik (1913 bis 1918)

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Der Schriftsteller Konrad Falke imaginierte ein militärisches Kräftemessen als «reinigende Kraft» und erkannte im Pazifismus das «schlimmste Krebs­ geschwür im Geistesleben unseres Volkes».1 Bürgerlich-unternehmerische Kreise teilten eher die Befürchtungen, wie sie von Linken und Liberalen - unter ihnen Norman Angell oder Ivan Bloch - artikuliert wurden. Auch wirtschafts- und kulturpolitische Pro­ bleme sorgten hier für Verunsicherung. 1913 warf der Basler National­ ökonom Traugott Geering im Politischen Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Frage nach dem «Woher? und Wohin?» der Schweiz auf und sah den Vorsprung, den diese bisher «als Industriestaat den meisten Ländern Europas gegenüber» halten konnte, angesichts des allenthalben aufkommenden Zollprotektionismus in Gefahr. Das kleine neutrale Land müsse sich vom Wirtschaftsnationalismus distanzieren und weiterhin die «Spezialisierung ihrer Industrie» und die «Verkettung mit dem Weltmarkt» wagen. Gleichzeitig wandte sich Geering gegen die Ad­ vokaten des Heimatschutzes, für die «jeder Fabrikschornstein (...) von Übel» war. 3 Geering und andere schrieben in diesen Jahren gegen zahlrei­ che Verunsicherungen an. Die Schweiz sah sich durch die Politik der Grossmächte bedrängt, gerade auch wirtschaftlich. Symbolträchtig kam dies im Kampf um den Gotthardvertrag zum Ausdruck. Als dieser 1913 durch die Bundesversammlung ratifiziert wurde, womit die Schweiz die Rechte ausländischer Staaten an der schweizerischen Verkehrsinfrastruk­ tur anerkannte, druckte das konservative «Berner Tagblatt» eine Ausgabe mit Trauerrand.4 Schlecht waren auch die Konjunkturaussichten; der Aufschwung, an den man sich seit Mitte der 1880er Jahre gewöhnt hatte, stockte. Im Ban­ kensystem, das schon seit 1910 in einer Krise steckte, ereignete sich 1912 eine Reihe von spektakulären Konkursen. Die industrielle Stickerei, die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts als «Glücksindustrie» einen fulminan­ ten Aufstieg an die Spitze der schweizerischen Exportwirtschaft zurückge­ legt hatte, erlitt 1912 einen drastischen Rückschlag, der - wie sich im Nachhinein zeigen sollte - einen jahrzehntelangen Niedergang einleitete.5 Die Zeit, in der die Unternehmergattin Mary Hess 1906 auf einem Schüt­ zenfest in Rüti (Zürcher Oberland) mit froher Selbstverständlichkeit einen grossen Festzug als «Göttin des industriellen Fortschritts» anführen konnte, gehörte der Vergangenheit an.6 Am 1. August 1914, am schweizerischen Nationalfeiertag, erklärte das Deutsche Kaiserreich Russland den Krieg. Die Schweizer Behörden stell­ ten die nun einsetzende Kaskade von Kriegserklärungen zwischen den Grossmächten als Naturereignis dar. Die Botschaft des Bundesrates «be-

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treffend Massnahmen zum Schutz des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität» vom 2. August beginnt mit den Worten: «Die schwarze Wolke, die seit Jahren gefahrdrohend am politischen Himmel stand, hat sich entladen.»7 Rund 220000 Mann (das entsprach ca. einem Achtel aller Erwerbstätigen) nahmen nun den Aktivdienst auf; auch 45 000 Pferde (ungefähr ein Drittel der Bestände) wurden eingezogen. Am 3. August nahm die Bundesversammlung zustimmend Kenntnis von der militärischen Mobilmachung; sie wählte für die Dauer des Krieges einen General, erklärte die Neutralität der Schweiz und übertrug dem Bundesrat unbeschränkte, nach den Worten von Bundesrat Ludwig Forrer «diktatoriale» Sondervollmachten.8 Die Exekutive erhielt umfassende Kompetenzen «zur Vornahme aller Massnahmen, die für die Behauptung der Sicherheit, Integrität und Neutralität der Schweiz und zur Wahrung des Kredites und der wirtschaftlichen Interessen des Landes, insbesondere auch zur Sicherung des Lebensunterhaltes, erforderlich werden».? Diese unbefristete «unbeschränkte Vollmacht» und der darauf basierende «un­ begrenzte Kredit» waren in der Verfassung nicht vorgesehen; Staatsrecht­ ler konstatierten eine Anomalie und flüchteten in eine Notstandsrhetorik: «Keine Verfassung, auch die der reinsten Demokratie, kann der Diktatur ganz entbehren», schrieb einer von ihnen im Politischen Jahrbuch der schweizerischen Eidgenossenschaft.10 Die Sozialdemokratie unterstützte die flagrante Verdrängung der Ver­ fassung, forderte aber, ausserhalb militärischer Notwendigkeiten dürften «die persönlichen Freiheiten in keiner Weise angetastet werden».11 Fak­ tisch wurden dann aber alle wichtigen Bereiche der schweizerischen Gesellschaft zum Gegenstand notrechtlicher Regulierungen, mit einer Schwerpunktverlagerung vom Militärischen (inklusive Zensur) hin zum Wirtschaftlichen und Sozialen. Kriegführende Demokratien wie Gross­ britannien und Frankreich gingen weniger weit mit der notrechtlichen Verkürzung des politischen Entscheidungssystems.12 Die weitgehende Selbstausschaltung der parlamentarischen Kontrolle war eine politische Panikreaktion des vom Kriegsausbruch überforderten Kleinstaates.'3 Die Übersicht über die Zahl und Tragweite der Beschlüsse, welche die Regie­ rung während der Kriegsjahre aufgrund der Vollmachten fällte, ging rasch verloren. Experten nannten Zahlen zwischen 900 und iooo.1* Eine umfas­ sende Zählung kommt für die Jahre 1914 bis 1919 auf 1600 Erlasse. Dass das Bundesgericht, das die Verfassungsmässigkeit des Vollmachtregimes nicht überprüfen konnte, in seiner Rechtsprechung dem Bundesrat «freie Hand liess» und ihn materiell als Gesetzgeber anerkannte, stattete die Notverordnungen mit einer rechtsstaatlichen Legitimität aus.'5

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Die Wahl des Generals verlief überraschend. Theophil Sprecher von Bernegg, ein konservativer Berufsmilitär und einer der reichsten Bündner (u. a. Grossaktionär der Rhätischen Bahnen), war der Favorit der Bundes­ versammlung. Während er auf die Bestätigung seiner Wahl wartete, sprach unvermittelt Ulrich Wille bei ihm vor und forderte ihn zum Verzicht auf.16 Die Intrige war erfolgreich, und Wille wurde, wenn auch unter Misstönen und vehement ablehnenden Voten aus der Westschweiz, der Innerschweiz und der Sozialdemokratie, gewählt. Der General hatte schon vorher pola­ risiert. Als Bewunderer des Deutschen Kaiserreiches pflegte er seine ver­ wandtschaftlichen Beziehungen in die Bismarck-Familie, er sprach privat nur Hochdeutsch, und sein Weltbild korrespondierte weitgehend mit jenem der deutschen Generalität. Disziplin und Offensive stellten Schlüsselbe­ griffe seines militärischen Denkens dar. Er genoss das Vertrauen des über­ wiegend deutschlandfreundlichen Bundesrates, der mehrheitlich davon ausging, Wille sei aufgrund seines Ansehens und seiner Kontakte in Deutsch­ land der beste Garant für die staatliche Souveränität und Unabhängigkeit der Schweiz.’7 Die Erwartungshaltungen waren bei Kriegsausbruch ebenso gespalten wie die aussenpolitischen Orientierungen. In der Öffentlichkeit dominier­ ten nüchterne Skepsis und fatalistisches Abwarten. Zu Anflügen von Eupho­ rie kam es in bürgerlichen Kreisen. So vermerkte eine junge Frau aus gutem Haus am 6. September 1914 in einem Rundbuch, das sie mit Freundinnen teilte: «Herrgott, Kinder, ist das eine Zeit! - Was für ein Jammer u. Elend, aber auch wie viel Grosses u. Schönes liegt in diesen Augustwochen! Die ganze Welt in Waffen! Dass wir das miterleben dürfen, gerade wir, das ist doch wunderbar, nicht? - Wenn man jetzt in Deutschland sein könnte!»18 Es war die Vorstellung eines kurzen, zu raschen Entscheidungen drängen­ den Krieges, der solche Gefühlslagen erzeugte. Diese war auch in der Män­ nerwelt der Diplomatie verbreitet. Der schweizerische Gesandte in Paris, Charles Lardy, hatte die Landesregierung im April 1914 darüber unter­ richtet, dass ein künftiger deutsch-französischer Krieg in fünf Wochen nach der Kriegserklärung entschieden sei. Der Generalstab der Schweizer Armee rechnete allenfalls mit einem Neutralitätsschutz von 6 Monaten. Er hatte 1908 gegenüber dem Bundesrat moniert, dass die Vorräte für die Brotversorgung «schlimmsten Falls für einen Monat» ausreichen würden, und eine Reserve für 100 Tage gefordert; der Bundesrat hatte daraufhin 1912 eine Spanne von 60 Tagen festgelegt. Die Behörden rechneten in kurzen Zeiträumen, und als der Krieg aus­ brach, war man der in England und anderswo verbreiteten Ansicht, er sei «over by Xmas». Doch anders als etwa in Grossbritannien, wo ein

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Wirtschafts- und Finanzkrieg gegen Deutschland schon seit 1907 vorbe­ reitet worden war,1» interessierte sich die Schweizer Armee kaum für eine wirtschaftliche Analyse aussenpolitischer Handlungsspielräume; weder wurden die allseitige Wirtschaftsblockade und die daraus resultierenden Anpassungsschocks für die schweizerische Industrieproduktion antizi­ piert, noch war der Generalstab informiert über die Import-Export-Ma­ trix des Landes, das er militärisch zu verteidigen hatte. Das Problem war ebenso kognitiv wie politisch. Ein Bewusstsein darüber, dass wirtschaft­ liche Abhängigkeit auch Nützlichkeit bedeutet und dass gerade diese viel­ fältigen Verflechtungen mit allen kriegführenden Ländern ein Stabilitäts­ faktor und Überlebensgarant der Schweiz sein könnten, war bei Kriegs­ beginn generell nicht vorhanden.20 Der 1911 in den Bundesrat gewählte Katholisch-Konservative Giuseppe Motta fiel durch seinen «grotesken Dilettantismus» in wirtschaftlichen Belangen auf.21 Auch in anderen Län­ dern herrschte «ökonomischer Analphabetismus»;22 doch während die organisatorische Lernkurve der Wirtschaftskriegsführung in den am Krieg beteiligten Staaten hoch war und auch die Militärplaner involvierte, zeig­ ten sich in der Schweiz beträchtliche Lernwiderstände. General Wille war die Wirtschaft mit ihrem flexiblen Opportunismus suspekt. Die immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen um Truppenaufgebote zeigten, dass es schliesslich doch die Landesregierung war, welche die «ökonomi­ sche Rationalität» des Landes durchsetzte.2} Als sich 1916 militärische Ge­ fahrenmomente verdichteten und aus militärischer Sicht eine Truppenver­ stärkung angezeigt war, weigerte sich der Bundesrat, Arbeitskräfte aus der florierenden Volkswirtschaft abzuziehen. Auch im Januar 1917 lief Wille, der eine erneute Totalmobilmachung der Armee forderte, schlicht ins Leere.2« Die starke Gewichtung von Exportinteressen und der wirtschaft­ lichen Landesversorgung gegenüber militärischen Imperativen darf wiede­ rum nicht darüber hinwegsehen lassen, dass die Bundesverwaltung denk­ bar schlecht auf einen lang andauernden Krieg eingestellt war. So gab es anfänglich keinen einzigen Experten für das internationale Seekriegs-, Blockade-, Prisen- und Konterbandenrecht, so dass die Schweiz in einem zentralen Feld der Kriegführung im Nebel stocherte.25 Dieser Zustand wird verständlicher, wenn davon ausgegangen wird, dass die am 3. August abgegebene Neutralitätserklärung der Landesre­ gierung ein Verfallsdatum hatte.26 Sowohl die militärische Führungsspitze wie die Landesregierung rechneten damit, dass sich die Schweiz in einem langen Krieg einem der Mächteblöcke würde anschliessen müssen. Der General orientierte sich taktisch und operativ stark an ausländischen Staa­ ten, insbesondere am Deutschen Kaiserreich. Er teilte den «Kult der Offen­

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sive», der die Kriegsvorbereitungen der Generalstäbe allenthalben imprä­ gnierte. Auch noch bei Kriegsende war er der Auffassung, «eine offensive Kriegführung (verspreche) unserem Lande besseren Schutz als eine reine Verteidigung und dies dürfe «auch für die Zukunft gelten».1' Damit ver­ bunden war die Vermutung, dass ein lang dauernder Krieg die klassische Neutralität des 19. Jahrhunderts zum Auslaufmodell machen und einen Kriegseintritt erzwingen würde.18 Tatsächlich traten bis Ende 1918 die meisten anfänglich neutralen Staa­ ten in den Krieg ein.1? Diese Möglichkeit war im Entscheidungshorizont des schweizerischen Generalstabes mindestens bis 1916 präsent. Dass die Schweiz sich auf Seiten der Mittelmächte engagieren würde, ergab sich aus politischen Sympathien und der Erwartung des deutschen Sieges, wie sie weithin - mit signifikanten Ausnahmen wie dem Zürcher Nationalrat und SHIV-Vertrauensmann Alfred Frey - gehegt wurden.?0 Sowohl für den Ge­ neralstabschef wie den General der Schweizer Armee ging die Gefahr von Frankreich aus, und die Annahme einer Bedrohung von Westen war eine Konstante ihres Denkens.31 Der zwischen 1912 und 1919 in Bern tätige preussische Diplomat Gisbert von Rombert schrieb am 29. September 1914 an den deutschen Reichskanzler, die Bundesbehörden seien entschie­ den deutschfreundlich; ungeachtet ihrer Neutralität würde die Schweiz tagtäglich wichtige Dienste für Deutschland leisten und alle militärischen Geheimnisse weiterleiten. Ausserdem richte sich die Generalmobilmachung der Schweizer Armee «ausschliesslich gegen einen Angriff aus Frankreich» und biete damit Flankenschutz für das deutsche HeerJ1 Mobilmachung, Militärdienst, Offensiven Die Kriegserklärungen und Mobilmachungen der Armeen in Europa hatten tief greifende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz. Eine mit den aufgebotenen Soldaten vergleichbar hohe Zahl von Arbeits­ migranten folgte dem Marschbefehl ihrer Heimatarmeen. In der Schweiz leisteten die aufgebotenen Soldaten durchschnittlich 550 bis 600 Tage, also fast zwei Jahre, Militärdienst. Sie erhielten dafür nur einen kleinen Sold, weshalb viele Arbeiter- und Angestelltenfamilien in eine akute finanzielle Krise gerieten. Die ab 1915 spürbare Inflation verschärfte die Probleme weiter. Auf dem Arbeitsmarkt kamen verstärkt Frauen zum Einsatz, die allerdings bei Kriegsende rasch wieder «abgebaut» wurden, so dass der Frauenanteil um 1920 wieder auf dem Vorkriegsstand lag. Dies war auch deswegen möglich, weil das Dispensationswesen und die Truppenbestände in einer Weise gehandhabt wurden, dass die zahlreich auftretenden Eng­ pässe auf dem Arbeitsmarkt immer wieder überwunden werden konnten.

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Über die Kriegsjahre hinweg schwankte der Truppenbestand der Schwei­ zer Armee stark, mit abnehmender Tendenz. Schon kurz nach der Mobilma­ chung trat «mit dem deutschen Vormarsch durch Belgien und Nordfrank­ reich (...) eine fühlbare Entspannung der Lage an der Schweizergrenze»33 ein, was einen massiven Abbau der Truppenbestände möglich machte. Der Bericht des Generalstabs meldet für Mitte September 168000 Soldaten, Ende 1914 waren es noch 73 000. Für Ende November 1915 wurden 42000 Mann genannt, für Anfang November 1916 und Ende 1917 unter 40 000. Es fällt auf, dass zwischen Herbst 1915 und Februar 1916, als, mi­ litärisch gesehen, die grösste Gefahr herrschte, die Truppenbestände zu­ nächst reduziert wurden.34 Weder war die Schweiz über die französischen Angriffspläne vom November 1915, die über die Nordwestschweiz führen sollten, informiert, noch hatte der französische Generalstab ausreichende Kenntnis von der Stärke des schweizerischen Grenzschutzes. Mitte Januar 1916 schloss Sprecher eine «Aktion Schweiz» von allen Seiten aus. Drei Tage später hielt Wille fest, er teile das «Gefühl grosser Sicherheit vor einer feindlichen Absicht gegen unser Land». Man dürfe aber nicht verhehlen, «dass unser Plan für den Ablösungsdienst ganz alleine nur durch Rücksicht auf die Staatsfinanzen & auf wirtschaftlichen Interessen unserer Bürger veranlasst worden ist und dass wir nur deswegen glauben, diese Art von Grenzschutz verantworten zu können, weil wir von keinem unserer Nach­ barn feindliche Absichten uns gegenüber annehmen & daher unser Grenz­ schutz nur den Charakter einer Polizeiwache trägt».35 Ab Ende 1916 nahm das Aufgebot wieder zu, und im April 1917 (amerikanischer Kriegseintritt) wurde die 100 oooer-Marke nochmals kurzfristig überschritten; Anfang September 1918 standen nur noch 20000 Soldaten im Einsatz (was nur noch etwas mehr als ein Prozent der Erwerbstätigen ausmachte).36 An der inneren Front wurden im Herbst 1918 nochmals über 100 000 Mann zum «Ordnungsdienst» mobilisiert. Während des ganzen Krieges setzte die Armeeführung das militärische Personal auch immer wieder flexibel für Arbeiten in der Landwirtschaft ein. Der Pferdebestand wurde - abgesehen von der ersten Hälfte des Jahres 1917 - stark abgebaut. Der Rüstungsstand der Schweizer Armee war im Sommer 1914 beschei­ den. Es gab gerade einmal 72 Maschinengewehre, und die wenigen seit der «Flugspende» von 1913 angeschafften Fluggeräte dienten der Luftaufklä­ rung; von einer Luftwaffe hielt der General nichts. Zu einer wirksamen militärischen Verteidigung wäre der Kleinstaat nicht in der Lage gewesen: «Für mich steht fest, dass ein Krieg im August 1914 uns das frühere oder spätere Versagen vor dem Feind gebracht hätte», schrieb Wille später in seinem Rechenschaftsberichte? In der Folge wurde die Bewaffnung ausge­

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baut. Handgranaten, Maschinengewehre, Kanonen und Flugzeuge erwei­ terten zusammen mit Motorwagen, Scheinwerfern, Funktelegraphie sowie weiteren Innovationen das technische Arsenal der militärischen Landesver­ teidigung. Aber auch 1917 notierte ein Leutnant in sein Tagebuch, die Schweiz verfüge doch nur über eine «Taschenarmee».?8 Dieses Heer trat nun aber martialischer auf als noch 1914. Ab Mitte 1915 waren die ehedem bun­ ten Truppen «feldgrau» gekleidet. 1918 wurde das sogenannte Käppi durch ein helvetisches Stahlhelmmodell ersetzt (das den Truppenaufmarsch im Landesstreik vom November 1918 besonders bedrohlich erscheinen liess).?? Für den General gingen waffentechnische Modernisierung, Festungs­ bau, straffe Führung und uneingeschränkte Disziplin Hand in Hand. Er betrachtete die Armee als staatliche Moralanstalt und erklärte 1917, jeder Staat müsse ein Heer haben, «sonst verfault er innerlich». Ohne «Kriegs­ tüchtigkeit» gebe es auch keine «wirtschaftliche Leistungsfähigkeit».4° Die Schützengräben wollte er unter Kriegsbedingungen (Beschiessungs­ gefahr) ausheben lassen. Der Soldat durfte nicht einfach «der Bürger im Wehrkleid» sein. Fliessende Übergänge zwischen Zivilbevölkerung und kombattanten Truppen betrachtete er als gefährliche Aufweichung. In sei­ nem 1919 an die Bundesversammlung überreichten Bericht hob er gleich einleitend die «Gefahren» hervor, die sich in Belgien bei «der Teilnahme der Bevölkerung am Kampf» gezeigt hätten. Er kritisierte nicht den völ­ kerrechtswidrigen Überfall und die Kriegsverbrechen der deutschen Ar­ mee in diesem neutralen Kleinstaat, sondern erklärte: «Heute aber und wohl auch in der Zukunft ist es (...) Pflicht der Regierung eines kleinen Landes, das Volk über die Aussichtslosigkeit und Schädlichkeit eines un­ organisierten Widerstandes immer aufzuklären.»'»1 Insgesamt hegte Wille eine ausgeprägte Aversion gegen alle Formen asymmetrischer Kriegsfüh­ rung, wie sie in «Volkskriegs»-Konzepten angelegt waren. In solchen Überlegungen wurde der General vom Generalstabschef prinzipiell unter­ stützt, auch wenn es immer wieder zu starken Misstrauensbekundungen und heftigen Kompetenzkonflikten zwischen den beiden unterschiedlichen Naturellen kam. Im Volksmund wurden diese persönlichen Entzweiungen mit dem geflügelten Wort übertüncht: «Was Wille will und Sprecher spricht, das tue gern und murre nicht!»42 Nichtsdestotrotz war Murren verbreitet. Schon Ende 1914 kam es zu Manifestationen einer «Dienstunfreudigkeit». Die zahlreichen Affären und Spannungen trugen weiter zu Überdruss bei. 1917 häuften sich Un­ mutsbekundungen, verbale Übergriffe auf Vorgesetzte und Befehlsverwei­ gerungen. Einen Pressesturm löste im Sommer 1917 die Meuterei der Thurgauer Feldbatterie 54 aus, gegen welche die Militärjustiz einschritt.

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Ab Herbst dieses Jahres entstanden politisch motivierte Soldatenvereine und sozialdemokratische Soldatenorganisationen, die demokratische und soziale Forderungen - insbesondere nach Erhöhung des Soldes - stellten. Bürgerlicherseits wurden diese Protestströmungen als «Bolschewikenban­ den» abgetan und der «unschweizerischen Hetze» bezichtigt.« Zur Hebung der Truppenmoral richtete der General bereits im ersten Kriegswinter einen Vortragsdienst ein und erkor Gonzague de Reynold zum Leiter, was weit­ hin Kritik auslöste und den Juristen Max Huber zur Bemerkung veran­ lasste, damit sei ein «chef de l’état moral de l’armée et du pays» eingesetzt worden. Die Soldaten hörten in Truppenvorträgen viel Erbauliches über ihre heldenhaften Vorväter; technisch war de Reynold innovativ und pro­ pagierte seinen neohelvetischen Nationalismus mit modernen Medien wie Film und Lichtbild.44 Weit praktischer war die Unterstützung, die Frauen für die weit von ihren Wohnorten entfernt stationierten jungen Soldaten leisteten. Der starke Hang zum Trinken war ein Indikator für Langeweile und Unbehagen. Vie­ lerorts war die Stimmung gedrückt oder schlug in Kollektivproteste um. Dieser Zustand motivierte Exponentinnen der Abstinenz- und Frauenbe­ wegung (unter ihnen federführend Susanna Orelli) im Herbst 1914, einen «Gemeinnützigen Verein für alkoholfreie Verpflegung der Truppen» zu gründen. Bis Kriegsende unterhielt der von Else Spiller (später Züblin-Spiller) geleitete und von Bundesbehörden sowie Armeeleitung unterstützte Schweizer Verband Soldatenwohl um die 1000 alkoholfreie Gaststätten für Militärdienstleistende und bot ab 1916 auch soziale Fürsorgemassnah­ men an.45 Mit Gilberte de Courgenay stieg eine (von den Soldaten bald so genannte) «Soldatenmutter» aus einem kleinen jurassischen Dorf zu einer nationalen Ikone auf, der mit einem Lied, mit Theaterstücken und 1941 mit einem populären Film Denkmäler gesetzt wurden. Die junge, attrak­ tive Frau verkörperte in besonderem Masse jene knisternde Mischung aus Zuwendung, Dienstbereitschaft, Anstand und Erotik, die karitative Ver­ anstaltungen in einer dienstlich frustrierenden Männerumgebung häufig beflügelte. Unabhängig von der Beurteilung militärischer Erfolgschancen und stra­ tegischer Reflexionen hinterliess die «Grenzbesetzung» weit über den Ers­ ten Weltkrieg hinaus tiefe Spuren im politisch Imaginären der Schweiz. Mit dem Fahneneid legten die Soldaten ein unbedingtes Treuegelöbnis zum Land ab. Zahlreich sind die ikonographischen Repräsentationen, die Frauen, Kinder und Alte in einem vertrauten Binnenraum zeigen, der durch bewaffnete Soldaten gegen die Bedrohung von aussen geschützt wird. Die Erfahrungen des Militärdienstes bestanden dann in Drillschulen

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und jahrelangem Ausharren in Erwartung eines Angriffs. 1915 berichtete Oberstkorpskommandant Eduard Wildbolz «von der Front», in den Rei­ hen seiner zuvorderst an der Grenze positionierten Division habe «nur ein Gedanke» geherrscht: «Unser Vaterland! Ausharren! Arbeiten!! und Drauf dem, der unser Heiligtum antasten will, woher er auch komme!»*6 Mit «Es geht los» beginnt Robert Faesi im selben Jahr seine «Erzählung aus der schweizerischen Grenzbesetzung» mit dem (1938 publikumswirksam verfilmten) Titel «Füsilier Wipf». Der junge Infanteriesoldat wird in der Armee zum «richtigen Mann»; auf diesem Weg muss er gegen «Wasch­ lappen» und «Maulaffen» ankämpfen: «Nach vorn zu kommen war die brennende Sehnsucht aller. Halb mit Hoffnung, halb mit Zittern er­ wünschte sich auch Wipf wirkliche Gefahr.»*7 In Rapporten, Truppentagebüchern und weiteren Textquellen lassen sich unterschiedliche, widersprüchliche Befindlichkeiten von Soldaten und Offizieren herausarbeiten. Die Koexistenz von weltgeschichtlichem Involviert-Sein und Doch-nichts-tun-Können sollte das Bewusstsein vieler Betei­ ligter über Jahrzehnte hinaus prägen. Im 1938 (in Leipzig) erscheinenden Schlüsselroman «Der Schweizerspiegel» gab Meinrad Inglin eine retros­ pektiv zurechtgerückte, jedoch in einigen zentralen Punkten treffende Dar­ stellung der Grundbefindlichkeit in der Schweizer Armee zwischen 1914 und 1918.48 Der besonnene Divisionär Bosshart erklärt hier seinem vom Geist der Bürgerwehren beflügelten Enkel Severin: «Der rechtzeitige Ge­ fechtsabbruch ist eine unserer wichtigsten und notwendigsten Bewäh­ rungen. (...) Wir haben hundertmal scharf geladen und mussten immer wieder entladen, wir haben prachtvolle Sprünge angesetzt und mussten sie immer wieder abbrechen.» So sei die «Teilnahme am weltgeschicht­ lichen Sturm» nicht gewürdigt worden: «Das Schicksal hat uns übergan­ gen - also verflucht noch mal, beherzigen wir diese Lehre und halten uns nicht an das Schicksal, sondern an die Freiheit!» Dies erfordere aller­ dings «den Verzicht auf das verlockende, von prächtigen Vorstellungen begleitete Machtgefühl, an dem wir entweder als Anhänger einer siegrei­ chen Internationale oder als Bürger einer mächtigen Nation teilhaben könnten ».*9 General Wille versuchte eine solch unheroische Befindlichkeit mit einem Geist der Offensive zu überwinden. Er dachte weiter in grenzüberschrei­ tenden Bezügen, glaubte an den Sieg Deutschlands und eine militärische Aufgabe der Schweiz bei der bevorstehenden «Neuregelung der Verhält­ nisse» in Europa.5° Diese Sicht erhielt im Frühjahr 1915 im Vorfeld des Kriegseintritts Italiens auf Seiten der Entente Auftrieb. Im Sommer des­ selben Jahres sollte sich diese Einstellung mit Sofortmassnahmen für den

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Kampf gegen Frankreich und einigen Verlautbarungen des Generals kon­ kretisieren.?1 Die Annahme eines Junktims zwischen der schweizerischen und der italienischen Neutralität war Anfang 1915 weit verbreitet. Konse­ quenterweise schlossen schweizerische Diplomaten in Paris und London für den Fall, dass Italien sich den Entente-Mächten anschliesse, einen Kriegsein­ tritt der Schweiz auf Seiten der Mittelmächte nicht aus. Legationssekretär Lardy antwortete auf die Frage des deutschen Botschaftsrates von Hinden­ burg in Rom auf die Frage, wie die Schweiz auf ein Eingreifen Italiens in den Krieg reagieren wurde, mit entwaffnender Offenheit: «Keine Ahnung.»?1 Zwischen Bundesrat und General begann sich in den folgenden Mona­ ten eine Kluft zu öffnen. Hoffmann schrieb im März 1915 an den Natio­ nalratspräsidenten von Planta, nicht nur «Chauvinisten» und «Leute, die einen gewissen Stich ins Grossmannssüchtige haben», würden sich durch eine Kriegsbeteiligung der Schweiz territorialen Zugewinn und wirtschaft­ lichen Nutzen erhoffen. Doch das seien deshalb «gefährliche Zukunfts­ träume», weil die Aussicht auf Gebietsvermehrung die Schweiz «innerlich auseinanderjagen» würde. Deshalb sei nur eine «recht nüchterne, zu­ rückhaltende Politik» möglich, die «viele (...) als kleinmütig» ablehnen würden. Doch diese Politik entspreche als einzige «unseren Traditionen, unserer politischen Zusammensetzung, unserer Volkskraft und unserer Mission».?? Ob diese Absage an territoriale Grösse mit dem Verzicht auf einen Kriegseintritt auf Seiten Deutschlands gleichbedeutend war, muss allerdings in Frage gestellt werden, meldete doch Romberg nach Berlin, Hoffmann betrachte ernsthaft die Möglichkeit einer militärischen Inter­ vention auf deutscher Seite, was deshalb bemerkenswert sei, weil es in der Schweiz kaum Anzeichen der kriegerischen Atmosphäre gebe.?* Im Ver­ lauf des Jahres 1915 waren angesichts des Ausmasses der Kriegsverluste und -Zerstörungen die Vorteile einer neutralen Haltung deutlich zu er­ kennen, und die Regierung versuchte fortan, von der - gemessen an den Normen des Kriegsvölkerrechts - havarierten Neutralität zu retten, was zu retten war.?? Während die Regierung die Probleme der Schweiz recht nüchtern be­ trachtete, hielt Wille, bei allem Pragmatismus, den er immer wieder zeigte, an seiner europäischen Hochrechnung fest. Am 20. Juli 1915 schrieb er an Hoffmann einen «Säbelrasselbrief», in dem er erklärte, dass er, «wenn die Erhaltung unserer Selbständigkeit und Unabhängigkeit dies erfordert, den gegenwärtigen Moment für das Eintreten in den Krieg als vorteilhaft er­ achte».?6 Am 28. August 1915 erklärte er, bei einem italienischen Angriff müssten die Südtäler (Tessin, Graubünden) preisgegeben werden, weil die Schweiz dann die Aufgabe habe, «unserem grossen Alliierten zum Siege zu

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verhelfen». Es wäre demgegenüber eine «schwere Schädigung unserer eige­ nen Interessen, wenn wir, um eigene Landesteile vor einer feindlichen In­ vasion zu schützen, Kräfte zurückbehielten und jetzt nur schwächlich Schulter an Schulter mit unseren grossen Alliierten für die Erreichung von deren Kriegszweck kämpfen könnten».57 Dieser Offensivgeist war jedoch angesichts der wirtschaftlichen Kriegskonjunktur in der Schweiz und des steigenden Blutzolls an den Fronten innenpolitisch schlecht kommunizier­ bar, und so verlautete auch der General resignativ, die Schweiz solle neu­ tral bleiben.s8 An der Überzeugung, dass Deutschland siegreich aus diesem Krieg hervorgehe und dass sich der Kleinstaat früher oder später auf dieser richtigen Seite positionieren müsse, hielt er jedoch fest. Im Armeebefehl vom 15. September 1915 verkündete er, wenn erst einmal ein Krieg «aller Völker Europas gegeneinander» entbrannt sei, so würden wir, «ob wir wollen oder nicht, in den allgemeinen Krieg hineingezogen werden».s? Gegen Kriegsende bewegten sich auch die militärischen Absprachen des schweizerischen Generalstabes mit den Armeeführungen der umliegenden Länder auf eine neutrale Position zu. Vor 1914 war aufgrund der Even­ tualabsprachen («Punktuationen») zwischen schweizerischem Generalstab und Deutschland sowie Österreich-Ungarn eine einseitige Ausrichtung zu erkennen, die nach Kriegsausbruch noch verstärkt wurde. Die Geheim­ gespräche mit dem deutschen Generalstab führten zu einer «sehr gefähr­ lichen Anlehnung an eine einzige Partei»60 - immerhin wäre die Schweizer Armee im Kriegsfall dem Kommando der Obersten Heeresleitung unter­ stellt worden.61 1917 kam mit der Ausweitung der Eventualplanungen auf Frankreich ein neutraler Ausgleich zustande. Die schweizerischen Verhand­ lungspartner machten zur Bedingung, dass die Grande Armée im Falle einer direkten militärischen Zusammenarbeit keine «farbigen» Kolonialtruppen ins Land schicken würde.62 Dass die schweizerische Neutralität, der vor­ her von Seiten der Entente grosses Misstrauen entgegengebracht wurde, nun gefestigt erschien, hing auch mit einer verstärkten ökonomischen An­ lehnung an die Entente-Mächte und insbesondere an die im April 1917 in den Krieg eintretenden USA zusammen. Das Sicherheitsrisiko, als das der schwer zu kontrollierende General angesichts dieser Reorientierung er­ scheinen musste, versuchte der Armeearzt, Oberst Carl Hauser, mit einer medizinischen Diagnose auszuschalten. Er fand, Ulrich Wille sei senil ge­ worden. Im Herbst 1917 diskutierte der Bundesrat die Absetzung des Ober­ befehlshabers der Armee. Auch wenn dieser dann doch im Amt blieb, war seine Stellung angeschlagen, und auch aufgrund der Lage an den militäri­ schen Fronten war ein schweizerischer Kriegseintritt keine Option mehr.63

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Dissens im Graben, Konsens in der humanitären Mission Schon bei Kriegsausbruch öffnete sich aufgrund der auseinanderdriftenden Loyalitäten in der Deutsch- und Westschweiz ein «Stimmungsgegensatz» (so Carl Spitteier), der bald die Bezeichnungen «der Graben» bzw. «le fossé» erhielt. Die Schweiz wurde zum Austragungsort des Medienkrieges, in dem die Mächtegruppen ein weites Spektrum von Propagandamassnah­ men einsetzten. In der deutschsprachigen Schweiz war die deutsche Sie­ gesrhetorik omnipräsent, während die Romandie französischen Erfolgs­ meldungen vertraute.6« Deutschland und Frankreich kauften Schweizer Zeitungen, übten Druck auf Schweizer Verlagshäuser aus, gründeten Nachrichtenagenturen und instrumentalisierten Ausstellungen für die Ver­ breitung ihrer Kriegsziele. Im Einsatz für die Mittelmächte hier und den Sympathiebekundungen für die Entente-Mächte dort ging es nicht nur um die Mobilisierung für den totalen Krieg, sondern um konkurrierende poli­ tische Ordnungsmodelle. Nachdem Deutschland durch das Kappen der telegrafischen Transatlantikkabel in seinen internationalen Verbindungen eingeschränkt war, sah es in der (Deutsch-)Schweiz ein willkommenes Ver­ suchsfeld für die Erprobung neuer Beeinflussungsmethoden wie die «Ho­ telpropaganda» («unverdächtiges» Auflegen von Propagandaschriften in Hotellobbys) und die «Mund-zu-Mund-Propaganda» (gezielte Streuung von Gerüchten in der Alltagskommunikation).6? Der Bundesrat begann in dieser Situation, die Reden seiner Mitglieder gezielt als innenpolitisches Medium einzusetzen. Bereits am i. Oktober 1914 forderte er dazu auf, sich in den Sympathiebekundungen für die Kriegführenden zu mässigen. Insbesondere die Intellektuellen und Künst­ ler waren gespalten und betrieben eine Meinungspolarisierung entlang der Sprachengrenze. So wie viele Deutschschweizer Autoren (um mit Jakob Schaffner und Robert Walser zwei ganz unterschiedliche zu nennen) sich auf Berlin ausrichteten, traten welsche Berufskollegen (Charles-Ferdinand Ramuz, Philippe Godet, René Morax etc.) aus dem Schweizerischen Schriftstellerverband aus und orientierten sich nach Paris. Blaise Cendrars war schon im August 1914 in die französische Fremdenlegion eingetreten, wo er seine rechte Hand verlor und fortan als der «linkshändige Poet» galt. Im Mai 1915 gründeten deutschfreundliche Kreise um den Pfarrer Eduard Blocher die «Stimmen im Sturm»;66 mit dabei waren auch die Söhne des Generalstabschefs (Anton von Sprecher) und des Generals (Ulrich Wille jr., der nur mit Mühe von einer «Desertion» in das deutsche Heer abgehalten werden konnte). Diese Vereinigung pflegte eine aggres­ sive prodeutsche Rhetorik und heizte mit dem Kampf gegen das Phantom einer «Verwelschung» der Schweiz den Sprachenstreit an. Sie wurde in

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der Romandie und auf Seiten der Entente als eine deutsche Propaganda­ organisation betrachtet, was sie - von Absicht und Wirkung her - auch war.6? Der «gefühlte Graben» vertiefte sich unter diesen Bedingungen und machte sich an einer Reihe von signifikanten Ereignissen fest. Ende 1915 wurde bekannt, dass die Militärattaches Deutschlands und Österreich-Un­ garns auf das geheime Nachrichtenbulletin des schweizerischen General­ stabs abonniert gewesen waren. Von der Information her war das Corpus delicti eher dünn, von der Bedeutung her jedoch gewichtig. Zwei hochran­ gige Deutschschweizer Offiziere - Karl Egli und Moritz von Wattenwyl wurden schliesslich anfangs 1916 von einem Divisionsgericht von den An­ klagepunkten «Landesverrat» und «Nachrichtendienst» freigesprochen, was für einen Skandal in der Westschweiz sorgte. Die «Oberstenaffäre» wurde personalisiert. Die öffentliche Empörung über den Fall verdunkelte geradezu den Sachverhalt, dass die Beziehungsnetze hochrangiger Schwei­ zer Militärs transnational angelegt und dass grenzüberschreitende Infor­ mationsflüsse wichtig waren. Innenpolitisch brachte die Affäre allerdings einiges ins Rollen. Die Tatsache, dass seit 1913 nur mehr ein einziger West­ schweizer Bundesrat in der Landesregierung sass, wurde kritisiert.68 Der Genfer Nationalrat Henri Fazy reichte ein gegen General Wille gerichtetes, von welschen Parlamentariern breit mitgetragenes Postulat ein, um «das Übergewicht der Zivilgewalt über die Militärgewalt» zu sichern.6’ Der Bundesrat liess sich in der Folge dazu bewegen, Rechenschaft über die politisch-administrative Entscheidungsfindung abzulegen, wovon die ins­ gesamt 20 «Neutralitätsberichte» zeugen. Diese vermochten allerdings den Zustand eines demokratischen Autoritarismus, in dem die Schweiz trotz einiger Volksabstimmungen während der Kriegsjahre verharrte, nicht sub­ stanziell zu mildern. Auch die Skandalkonjunktur hielt an. Ein Bericht über die angebliche Bereitstellung von Eisenbahnzügen durch das Armee­ kommando für einen Ordnungstruppeneinsatz in der Westschweiz löste die laute Affaire des trains aus. Im März 1916 wurde mit der Verurteilung des Redaktors des «Petit jurassien», der kritisch über den deutschschweize­ rischen Militarismus berichtet hatte, weiter an der Eskalationsschraube ge­ dreht. Die Sozialdemokratie sah sich in ihrer antimilitaristischen Haltung bestätigt, und in der Romandie passten all diese Vorgänge perfekt in das ohnehin schlechte Bild der Deutschschweiz.?0 Paradoxerweise trugen auch gerade national engagierte Autoren, die sich für einen inneren Ausgleich starkmachten, zu den Spannungen bei. Paul Seippel, der sich im Oktober 1916 in Vorträgen besorgt über das wachsende Misstrauen im Lande äusserte, sah die deutsche Schweiz «in

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die Lage eines Trabanten herabsinke(n)»; er geisselte insbesondere den «teutonischen Fanatismus», der in «gewissen Kreisen der protestantischen deutschschweizerischen Geistlichkeit» vorherrschte, und zitierte mit dem Zürcher Grossmünsterpfarrer Adolph Bolliger einen von ihnen, der er­ klärt hatte, «wenn Jesus Christus wieder auf die Erde käme, würde er nicht zögern, ein Maschinengewehr in der deutschen Armee zu bedie­ nen».?1 Deutschschweizer wollten einen ähnlichen Ausspruch bei einem französischen Autor gehört haben - solche gegenseitigen Vorhaltungen waren Teil der Entzweiung. Die auf inneren Ausgleich bedachten Protagonisten eines «schweize­ rischen Standpunktes» überhöhten ihren Versöhnungsdiskurs häufig mit einer europäischen Mission. Für Seippel sollte die Schweiz «ein ausge­ söhntes Europa im Kleinen (...), das einst dem grossen blutgetränkten und vom Hass zerfleischten Europa (...) als Vorbild dienen kann», sein.?* Die kriegsverschonte Eidgenossenschaft profilierte sich in diesem Sinne als transnationale Vermittlungszone «guter Dienste» und als karitatives Dienstleistungsunternehmen für die Krieg führenden Mächte. Eine der vie­ len Postkarten, die im Krieg gedruckt wurden, zeigt die Schweiz als feste, sichere Insel im sturmgepeitschten Ozean. Auf diesem Eiland befand sich dann eine Helvetia-Krankenschwester oder das Schweizerische Bundes­ haus. Oder ein überdimensionierter Leuchtturm, der in neun Strahlen die humanitäre Botschaft der Schweiz in die Welt hinaussendet: «Heimtrans­ port von Evakuierten, Internierung kranker Flüchtlinge, Austausch von Zivil-Internierten, Auskünfte über Vermisste, Austausch Schwerverwun­ deter, Fürsorge für Kriegswaisen, Erkundungen über Personen im Kriegs­ gebiet, Vermittlung der Gefangenenpost» (die sich die Schweiz einiges kosten liess). Je mehr die Verwüstungen des Ersten Weltkrieges auch hu­ manitäre Notlagen erzeugten, je mehr Menschen zu Flüchtlingen, Ver­ missten, Verwundeten wurden, desto stärker war auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gefordert, das u. a. eine Zentralaus­ kunftsstelle schuf. Da noch bis nach 1945 keine völkerrechtlich verbind­ lichen Regelungen zum Umgang mit Flüchtlingen existierten, wurden Lö­ sungen mittels zwischenstaatlicher Abkommen oder einseitiger Absichts­ erklärungen einzelner Staaten gesucht. Repräsentanten einer humanitären Schweiz waren auch in Kolonialgebieten aktiv. 1913 traf Albert Schweitzer in Lambarene (Französisch-Äquatorialafrika; Gabon) ein. Dort baute er bis 1915 ein Spital. Aus der Zusammenarbeit mit Helene Bresslau entstand eine Philosophie «Ehrfurcht vor dem Leben». 1917 nach Frankreich über­ führt und dort als (gebürtiger Deutscher) interniert, absolvierte er nach 1918 eine Benefiz-Kampagne in Europa, um dann 1924 nach Lambarene

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zurückzukehren; 1953 sollte er schliesslich den Friedensnobelpreis erhal­ ten. 73 Sein Wirken war untrennbar verbunden mit dem Bild einer humani­ tären Schweiz. Auch im Umgang mit militärischen Internierten engagierte sich die Schweiz. Auf Initiative des schweizerischen Bundesrates kamen Verträge mit Staaten aus beiden Mächtegruppen zustande, die es zwischen 1916 und dem Kriegsende 68 000 verwundeten und kranken Soldaten ermög­ lichten, sich in der Schweiz aufzuhalten.74 Elias Canetti beschrieb in seiner Autobiographie, wie sich deutsche und französische Kriegsverwundete in Zürich respektvoll mit einem «Salut» begegneten und sich mit ihren Krü­ cken zuwinkten.75 Die Bundesbahnen organisierten ab 1915 Verwundeten­ züge von Lyon nach Konstanz quer durch die Schweiz. Solche Leistungen wurden international anerkannt, so u. a. mit der Verleihung des Friedens­ nobelpreises an das IKRK im Jahre 1917. Der Umgang mit den ungefähr 3000 russischen Soldaten, die während der Kriegsjahre in die Schweiz gelangten, vermittelt allerdings ein gespaltenes Bild. Neben gelungener Kooperation und freundlicher Gesinnung in der Bevölkerung zeigte sich auch eine «behördliche Revolutionshysterie und Überfremdungspara­ noia».?6 Als der Bundesrat am i.Mai 1918 strengere Massnahmen gegen Deserteure und Refraktäre ankündigte, protestierten Linke, aber auch Kir­ chenvertreter. Gegen die Lockerung dieser Beschlüsse liefen im Herbst wiederum rechtsbürgerliche Kreise mit einer von fast 300000 Bürgern unterzeichneten Petition Sturm, welche «strenge Massnahmen gegen be­ drohliche Umtriebe von Ausländern» forderte.77 Mit der inneren Gespaltenheit korrespondierte der Unwillen oder die Unfähigkeit zu einer aktiven Neutralitätspolitik. Das ambitiöse Projekt für neutrale Vermittlungsverhandlungen zwischen den Kriegführenden, wie es Anfang November 1914 durch den Bund schweizerischer Frauenvereine und den Verband für Frauenstimmrecht lanciert wurde, hatte keine Chance.?8 Dasselbe Schicksal erlitt die Eingabe des schweizerischen Frie­ denskomitees, die von Kirchen, Hochschulen und nationalen Vereinigun­ gen, u. a. der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, unterstützt wurde, sowie eine ähnlich lautende Interpellation, die Herman Greulich im Nationalrat einreichte. In einem summarischen Bericht zu all diesen Vorstössen äusserte sich der Bundesrat unverbindlich abweisend; er hatte es im Übrigen im Einklang mit der Armeeführung schon Anfang August 1914 verpasst, die flagrante Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland auch nur zu kommentieren, geschweige denn zu kritisieren.?? Ein nächster Versuch, ein gemeinsames Vorgehen der neutralen Staaten zustande zu bringen, wie er mit einer Konferenz der drei skandinavischen

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Länder im Dezember 1914 hätte angestossen werden sollen, kam über einen unverbindlichen Meinungsaustausch nicht hinaus, u. a. weil die Schweiz auf einer Beteiligung der USA insistierte, was diese wiederum ablehnten.80 Der einzige effektive Versuch, das Recht der Neutralen auf Mediation zwischen Kriegführenden wahrzunehmen, endete mit einem politischen Debakel und dem abrupten Rücktritt von Bundesrat Arthur Hoffmann. Dabei ging es um nichts weniger als um den Versuch, Russland aus der Entente herauszutrennen und einen deutsch-russischen Separatfrieden zu bewerkstelligen. Der Sozialdemokrat Robert Grimm, der Lenin während dessen Schweizerjähren kennengelernt hatte, begab sich im Mai 1917 per­ sönlich nach Petersburg, um die Verhandlungen vor Ort zu beschleunigen. Über die dortige schweizerische Gesandtschaft tauschte er mit Bern chif­ frierte Telegramme aus. Hoffmanns Nachricht, die hochkarätige Informa­ tionen enthielt, wurde von einem Angestellten der Petersburger Gesandt­ schaft abgefangen und dechiffriert. Über Schweden geriet die sensationelle Depesche in die Presse und elektrisierte die Weltöffentlichkeit. Aufgrund der neutralitätspolitisch prekären Einseitigkeit dieser Initiative und der Involvierung der Schweizer Regierung war der Skandal perfekt. Hoffmann demissionierte umgehend. Die Wahl des Genfers Gustave Ador zu seinem Nachfolger beschwichtigte die Empörung bei den Alliierten, doch im In­ neren spitzten sich die Kämpfe über den Graben hinweg aufgrund dieser Affäre nochmals zu.81

Transnationale Personennetzwerke und Kleinstaatskritik Die Präsenz von Exilsozialisten, Anarchisten und Nationalisten aus unter­ schiedlichsten Ländern wies im schweizerischen Bundesstaat eine lange Tradition auf. Ab 1890 wurden die Städte der Eidgenossenschaft (Genf, Lausanne, Bern, Basel, Zürich) noch stärker als zuvor zu Treff- und Ver­ netzungspunkten exilierter Bildungseliten und Aktivisten. Neben den deutschen Sozialdemokraten und den russischen Exilsozialisten wurden die «Orientalen» (wie sie genannt wurden) wichtig, die schwerpunktmäs­ sig in der Westschweiz aktiv waren. In Waadt und Genf hatte die osma­ nische Diaspora um die Mitte des Ersten Weltkrieges eine Stärke von über 1000 Personen, aus der sich eine einflussreiche Gruppe von jungtürki­ schen Nationalisten herausbildete. Nordafrikanische, vor allem ägyp­ tische, und nahöstliche Aktivisten gaben Zeitungen heraus und bildeten komplexe Allianzen. Ab den 1910er Jahren organisierten sich auch süd­ asiatische und südamerikanische Anti-Kolonialisten in Schweizer Städten; das Pro India Committee in Zürich agitierte ab 1912 für die indische Un­ abhängigkeit und kooperierte dabei auch mit antienglischen und antisemi-

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tischen deutschen Autoren. Die politische Ausrichtung und der Grad der Militanz dieser unterschiedlichen Komitees, Bewegungen und Zusammen­ schlüsse war indessen nicht uniform; neben gewaltbereiten Milieus liessen sich reformorientierte Gruppen ausmachen, es gab auch Exponenten, die gegen eine deutsch-ottomanische Machtentfaltung im Nahen Osten und in Nordafrika arbeiteten und sich primär mit Frankreich solidarisierten.82 Aufgrund der Präsenz der Geheimdienste verschiedener Staaten vermisch­ ten sich internationaler Austausch, Propaganda, Bespitzelung und Provo­ kation oft bis zur Unkenntlichkeit. Der kosmopolitische Charakter ihrer Städte, die liberale Einwanderungspolitik, die neutrale Aussenpolitik und die bis 1917 fehlende bundesstaatliche Überwachung öffneten in der Schweiz grosse Freiräume für ein breites Spektrum global vernetzter poli­ tischer Aktivitäten. Nach Kriegsausbruch wurden die Einwanderer-, Flüchtlings- und Exilan­ tenszenen noch bunter und unübersichtlicher, als sie ohnehin schon waren. Die neutrale Schweiz wurde für viele Asylsuchende, Flüchtlinge, Bohemi­ ens, Künstler und Kriegsgegner vorübergehend zum Lebenszentrum.83 Der französische Schriftsteller Romain Rolland, der 1916 den Literaturnobel­ preis erhalten sollte, verbrachte die ganzen Kriegsjahre am Lac Léman, wo er seine Kritik am Krieg publizieren konnte.8« Ernst Bloch und Walter Ben­ jamin hielten sich vorübergehend in Bern auf. Der Filmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau landete mit einem deutschen Kampfflugzeug auf Schwei­ zer Boden und wurde zunächst in Andermatt interniert, bevor er als Wett­ bewerbssieger für eine die Neutralität verklärende patriotische MarignanoInszenierung am Luzerner Theater zu arbeiten begann.8? Nachhaltige Spuren hinterliessen zwei Gruppen, die vor allem in Zürich tätig waren. Zum einen sind das die vielen russischen Emigranten und Asylsuchenden, mit denen Lenin 1914 in die Schweiz kam, wo er rasch die gut funktionierende Post und die bestausgestatteten Bibliotheken schätzen lernte. Ab 1916 lebte er in Zürich und wurde dort Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Seine revolutionäre Aufstandstheorie fand in der schweizerischen Arbeiterbewegung nur beschränkt Resonanz. Im April 1917 reiste er mit einer Gruppe von Bolschewisten in einem plom­ bierten Eisenbahnwagen, der zum «extraterritorialen Gebiet» erklärte wurde, via Schweden nach Petersburg. Dort veröffentlichte er die «April­ thesen», die ein halbes Jahr später mit dem Sturm auf das Winterpalais die Oktoberrevolution auslösten und den bolschewistischen Führungs­ anspruch begründeten. Politisch eng mit Lenin verbunden war auch der Kommunist Willi Münzenberg, der bereits 1910 in die Schweiz gekom­ men war, hier Fritz Brupbacher kennenlernte und ab 1912 im Zentralvor-

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stand der sozialistischen Jugendorganisationen der Schweiz sowie als Re­ dakteur der Monatszeitschrift «Freie Jugend» tätig war. Münzenberg wurde 1917 nach Demonstrationen inhaftiert und bei Kriegsende aus der Schweiz ausgewiesen. Zum anderen ist der Dadaismus zu nennen. Dieser nahm 1916 von der­ selben Spiegelgasse, in der auch Lenin gewohnt hatte, ihren Ausgang als eine künstlerisch-kulturelle Revolution. Im Café Voltaire schlossen sich Hugo Ball, Emmy Hennings, Tristan Tzara, Hans Arp und andere zur Dada-Bewegung zusammen, die alsbald das bisherige Kunstverständnis radikal in Frage stellte. Der «bürgerliche Wertehimmel» stürzte unter den parodistischen Interventionen ein, und ein kunstbeflissenes bürgerliches Publikum sah sich mit ungewohnten Ausdrucksformen konfrontiert. Die Vertreter der Hochkultur perhorreszierten den Angriff auf alles Wahre, Gute und Schöne fassungslos. Der Dadaismus arbeitete hingegen ex nega­ tivo: Er generierte die Bedeutung seiner Aktionen aus der Sinnlosigkeit des Krieges. Seine Exponenten praktizierten nicht Eskapismus; sie setzten einer Welt, die sich in gigantischen Materialschlachten und im technisier­ ten Massentöten übte, die leeren Zerfallsprodukte der nicht enden wollen­ den Zerstörungsorgien entgegen: Geräuschkulissen, akustische Unsinns­ ansammlungen (Lautgedichte) und haptische Antikunstwerke. Sie wandten sich nicht mit Moralprinzipien oder ästhetischen Konventionen gegen die destruktive Technik, sondern akzeptierten diese als neue Lebensform und bogen sie kreativ um in eine Negation des Negativen, woraus ein neues Verständnis des Politischen überhaupt resultierte, das in der Zwischen­ kriegszeit in verschiedenste Strömungen der Kunstavantgarde und des Sur­ realismus hinein ausstrahlen sollte. Die bolschewistische Revolution und der Dadaismus sollten im 20. Jahrhundert gleichermassen Geschichte schreiben - wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise. Die Schweiz fungierte auch für die Arbeiterbewegung als Ort des inter­ nationalen Austausches. So fand 1917 in Bern ein internationaler Gewerk­ schaftskongress statt, auf dem die Wiedergründung der bei Kriegsaus­ bruch auseinandergebrochenen International Federation of Trade Unions vorbereitet wurde. Weil das Land territorial klein, neutral und kriegsver­ schont war, konnte es ein Zentrum für ganz unterschiedliche Bestrebungen werden. Doch seine Neutralitätspolitik rief auch Geringschätzung hervor. Schon um 1900 hatte Heinrich von Treitschke die Neutralität als «die Selbstverstümmelung eines Staates» charakterisiert.86 1915 reihte der deut­ sche Wirtschaftshistoriker Werner Sombart die Schweiz neben Grossbri­ tannien in die bemitleidenswerte Kategorie der kleinkrämerischen «Händ­ lergesinnung» ein, die über den Egoismus des Einzelnen nicht hinauskomme

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und eine grossen Idealen verpflichtete «Heldengesinnung» gar nicht nach­ vollziehen könne.8? Ein Jahr darauf kritisierte der Soziologe Max Weber die Tendenz einer «Verschweizerung» Deutschlands und konstatierte, es sei ein «schwerer Irrtum (...) zu meinen, ein politisches Gebilde, wie das Deutsche Reich es ist, könne durch freiwilligen Entschluss sich einer pazi­ fistischen Politik in dem Sinne zuwenden, wie sie etwa die Schweiz pflegt».88 Auch in der Schweiz selbst gab es Stimmen, die wie General Wille die Neu­ tralität im Grunde als Ausdruck einer schwächlichen Händlermentalität ansahen. So kämpfte denn Wille gegen jenes zaudernde, «sieche Hamlettum» an, welches «der Tod jedes frischen Handelns» sei.8’ Gegen das Sich-selber-schwach-Machen der Schweiz opponierten zudem Intellektuelle wie Spitteier, Seippel, Ragaz und andere, die für ein starkes, selbstbewusstes, auf eine künftige internationale Ordnung hinweisendes Staatsverständnis plädierten. Ragaz schrieb im Dezember 1917 gegen einen «Murmeltier-Standpunkt» an und kritisierte «das Fliehen und Sich-Verkriechen, um sich in Sicherheit zu bringen, das Sich-Kleinmachen, Sich-Anpassen, um nicht gesehen zu werden». Man trachte danach, «überall lieb zu sein, und am meisten bei dem, der der Stärkste ist oder doch zu sein scheint». Man merke dann nicht mehr, «dass das, was man auf diese Weise gerettet hat, gar nicht mehr die Schweiz ist, sondern eben ein Nichts».90 Ragaz stellte mit Bedauern fest, der Schweiz habe es «seit allzu langer Zeit an tiefer geistiger Aufwühlung gefehlt». So habe sich auch kein «grosser seelischer Stil» gebildet, und man sei in diesem Lande «misstrauisch (...) gegen alles Kühne, Geniale und Leidenschaftliche». Gegen diese Tendenz zum Geordneten und Durchschnittlichen, gegen diesen Hang zu «Tüchtig­ keit und Bravheit und Wohlwollen» stellte er die Losung: «Entweder eine stolze Schweiz oder keine!»’1 Das stellte eine markante Gegenposition zur Herabstufung des Kleinstaates dar. Doch gerade Ragaz wusste nur zu gut, dass das Überlebensrezept der Schweiz im «Gelassensein» und in der An­ passung, häufig kombiniert mit vorauseilendem Gehorsam, bestand.

Volkswirtschaft: Souveränitätsverlust, Umverteilung, Innovation Bei Kriegsbeginn machten Gerüchte die Runde. Man erinnerte sich an die akute Geldkrise, die der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 ausge­ löst hatte. Vor allem in urbanen Räumen kam es zu einem panikartigen Run auf Banken und zu Hamsterkäufen im Detailhandel. Es herrschte Angst vor Spionen. Stadtverwaltungen reagierten darauf mit Aufrufen «gegen jeden spekulativen Ankauf von Lebensmitteln und wucherische Ausbeutung der Notlage» (so in der Stadt Bern am 1. August 1914).Be­ reits am 10. August hatte der Bundesrat eine Anti-Wucher-Verordnung in

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Kraft gesetzt. Schon vorher kam es in der «Julikrise» zu Massenverkäufen auf Kapitalmärkten, so dass die Effektenbörsen von Zürich und Basel während längerer Zeit geschlossen werden mussten. Die Lage stabilisierte sich allerdings relativ rasch. Ab Frühjahr 1915 erholte sich die Volkswirtschaft von den Anpassungsschocks des Kriegs­ ausbruchs, und es setzte, flankiert durch Handelsabkommen mit den kriegführenden Mächten, eine Kriegskonjunktur ein. Umsätze und Ge­ winne von Unternehmen expandierten. Gleichzeitig blieben die Arbeitsbe­ dingungen prekär. Das revidierte Eidgenössische Fabrikgesetz wurde mit Kriegsbeginn suspendiert. Gesetzliche und arbeitsvertragliche Regelungen wurden ausgehebelt. Die rasch einsetzende Kriegsinflation, welche die Le­ benshaltungskosten zwischen 1914 und 1918 von 100 auf 230 Index­ punkte hochtrieb, löste eine massive volkswirtschaftliche Umverteilung aus. Auch wenn die Unternehmen oft in zweckpessimistisches Jammern einstimmten, waren sie im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung Kriegs­ gewinner.« Dasselbe lässt sich von den Landwirten sagen, die z. B. für Weizen 1918 das Drei- bis Vierfache des Preises von 1914 erzielten.« Die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten hingegen schrumpfte, während die Unternehmensumsätze und vor allem die Gewinne steil anstiegen. Zwi­ schen 1915 und 1920 betrug der statistisch erfasste versteuerbare Kriegs­ gewinn 2,1 Milliarden Franken. Auf der anderen Seite wurden die akkumu­ lierten Reallohnverluste auf 25 bis 30 Prozent beziffert und machten damit einen Betrag in ähnlicher Grössenordnung aus.« Zudem schmolzen die Sparguthaben weg, während die Schuldenlast der durch die Preissteigerun­ gen ohnehin begünstigten Bauern abnahm. Nicht nur in den Städten wur­ den viele Familien unter die Armutsgrenze gedrückt, bei Kriegsende waren gegen 700 000 Personen, das war ein Sechstel der Bevölkerung, auf Not­ standsunterstützung angewiesen. Diese und weitere Massnahmen trugen dazu bei, die Unterschichten von akuten Hungerzuständen zu verschonen. Der Schweizerische Städteverband kämpfte gegen die häufig als Kon­ sumentenpolitik drapierten Interessen der (Detail-)Händler an und schal­ tete sich mit seinem «ständigen Büro für Lebensmittelfragen» in die Nah­ rungsmittel- und insbesondere die Milchversorgung materiell bedürftiger Familien ein.?6 Die Importe blieben die Achillesferse der schweizerischen Landesversor­ gung, und die Exporte waren entscheidend, sowohl für die finanzielle Er­ tragskraft der Firmen, als auch für die Verdienstmöglichkeiten in einem ansehnlichen Teil der Bevölkerung. Die Schweiz importierte vor allem Kohle, Getreide, Textilrohstoffe und Metalle, während Textilien, Uhren und Maschinen zu den Hauptexportgütern zählten.« Schon ab Herbst

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1914 stieg die Nachfrage der Krieg führenden Mächte nach Rüstungs­ gütern stark an. 1916 fiel die schweizerische Handelsbilanz - als Anomalie positiv aus. Aus den Ententestaaten kamen weit mehr Einfuhren, und da­ hin ging - wenn auch weniger deutlich - der grössere Teil der Ausfuhr. Es war offensichtlich, dass die Mächtegruppen ungleich behandelt wurden und dass eine «wirtschaftliche Neutralität» gar nicht praktiziert werden konnte. Beide Kriegsparteien wollten das Wirtschaftspotenzial der Neu­ tralen für die eigene Kriegsführung nutzen. Dies bedeutete tief greifende Einmischungen und Eingriffe von aussen, die im Kriegsvölkerrecht nicht vorgesehen waren. Das klassische Neutralitätskonzept, das nur den Staat verpflichtete, der Privatwirtschaft im Rahmen des sog. courant normal freie Hand liess, wurde ebenso unterlaufen wie die staatlichen Vorschriften. Der Bundesrat verteidigte zunächst unbeirrt die Freiheiten und Handels­ rechte, welche die Haager Konventionen und die Londoner Deklaration von 1909 den Neutralen einräumten. Dennoch erliess er bei Kriegsausbruch ein Verbot der Munitionsausfuhr. Daraufhin exportierten die Privatunter­ nehmen in grossem Stil Munitionsbestandteile. Es kam zu einer Welle von Firmenneugründungen. Das expandierende schweizerische Geschäft mit dem Krieg weckte systematisches Misstrauen gegen den neutralen Klein­ staat.?8 Die Krieg führenden Mächte begannen sich in die Produktionsab­ läufe einzumischen. Dies begann mit der Erstellung schwarzer Listen Ende 1914 sowie mit dem von den Alliierten erzwungenen Staatsmonopol für die Getreideeinfuhr und mit Ausfuhrverboten 1915. Kontingente, Ausnahme­ bewilligungen, Importberechtigungen, Beschlagnahmungen, Kontrollan­ sprüche, Verzögerungen und zusätzliche administrative Schikanen waren weitere Mittel der Einflussnahme.?? Um zu verhindern, dass «eigene» Roh­ stoffe oder Zwischenprodukte den Feindmächten zugutekamen, wurden Methoden der «direkten Kontrolle» vor Ort angewandt: Handelsattaches oder deren Agenten forderten freien Zugang zur Buchhaltung, zu Waren­ lagern und Fabrikationsstätten der betreffenden Firmen. Ein ganzes Heer von Nachrichtenbeschaffern installierte sich im Lande. Fortan führten ausländisch kontrollierte Monopolgesellschaften Regie in der Aussen­ wirtschaftspolitik. Während es in den Niederlanden nur ein halbes Jahr dauerte, bis entsprechende Massnahmen griffen, verstrichen im Falle der Schweiz ganze anderthalb Jahre, bis (nach dem Modell des Netherlands Overseas Trust) die Société Suisse de Surveillance économique (SSS) im November 1915 ihren Betrieb aufnahm.100 Bereits zuvor, im Sommer 1915, hatte Deutschland die Treuhandstelle Zürich geschaffen, die im Septem­ ber 1916 zur Schweizerischen Treuhandstelle (mit einer Geschäftsstelle auch in Bern) ausgestaltet wurde.101 Dass das Kontrollregime in diesem

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Falle lockerer blieb, hing primär mit dem grossen Interesse des Deutschen Reiches an Lieferungen aus neutralen Ländern zusammen; der Schweizer Beitrag war für die deutsche Kriegswirtschaft, die durch die alliierte Blockade in Ressourcenengpässe hineingetrieben wurde, wichtig.101 Die Gefahr, dass Nahrungsmittel- und Rohstoffzufuhren unterbrochen wurden, förderte in der Schweiz ein pragmatisches Verhalten.10? Aufgrund ihrer Zwangslage konnte die Schweiz auch mit einem gewissen Verständ­ nis von aussen rechnen. Die Alliierten tolerierten grundsätzlich Lieferun­ gen nach Deutschland, allerdings nur unter strikten Bedingungen. Trotz eines Mangels an Völker- und kriegsrechtlicher Expertise war die Schweiz schliesslich der einzige neutrale Staat, der formale Vereinbarungen auf Regierungsebene zustande brachte.10? Solche Erfolge änderten aber nichts an der Grundkonstellation. Bundesrat Hoffmann hatte im Sommer 1915 erklärt, angesichts der wirtschaftlichen Kontrollschrauben, die von aussen angezogen wurden, habe die Schweiz nur drei Optionen: Verhungern, Kämpfen oder Akzeptieren.10? Also akzeptierte man. In keinem anderen Land waren Kontrolle und Aussensteuerung der Volkswirtschaft ausge­ prägter.106 Die massive staatliche Souveränitätseinbussen wurden durch die Regierung nicht kommuniziert, waren allerdings in der Öffentlichkeit bekannt. Mit einer Prise trotziger Ironie übersetzte der Volksmund SSS als «Souveraineté Suisse Suspendue».I07 Schweizer Grossunternehmen machten nach Möglichkeit business as usual. Sie wollten dem Risiko von Sanktionen entgehen, kooperierten loyal mit beiden Seiten und verhielten sich - gemessen am sonstigen Widerstand gegen Eingriffe - erstaunlich indifferent gegenüber dieser massiven Be­ schränkung der privatwirtschaftlichen Verfügungsfreiheit. Die Nutzung der politischen Arbitrage zwischen Kriegführenden versus Neutralen wurde im Weltmassstab betrieben. Die Schweiz wollte verhindern, dass (wie Seippel sich 1916 ausdrückte) «die ausländischen Kaufleute unter dem Schutz des weissen Kreuzes ihre grossen internationalen Geschäfte abwickeln».108 Jeder «Missbrauch des Schweizernamens auf dem Weltmärkte»10? liess Geschäftsmargen und Gewinnchancen schrumpfen und konnte zugleich die Reputation der neutralen Schweiz insgesamt beschädigen.110 Nicht nur dies machte die Frage der Nationalität von Unternehmen wichtig. Welt­ handelshäuser wie die Basler Handelsgesellschaft und die Gebrüder Vol­ kart (mit Sitz in Winterthur) gingen zunehmend dazu über, sich als «Swiss Firm» zu profilieren, um nicht zwischen die Fronten der zunehmend ver­ schärften Wirtschaftskriegsführung zu geraten. Um die Interessen dieser international ausgerichteten Unternehmen optimal zu wahren, baute die Schweiz ihre diplomatischen Vertretungen, vor allem durch firmennahe

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Honorarkonsuln, aus. Auf diese Weise helvetisiert, vermochten die Han­ delshäuser während der Kriegsjahre einen zwar riskanten, aber gerade deshalb gewinnträchtigen Handel im Weltmassstab aufrechtzuerhalten und diesen Erfolgskurs auch in den krisenhaften Nachkriegsjahren fort­ zusetzen.111 So weltoffen solche Firmen waren, so stark begann man sich in der Schweiz national abzusichern. Ab 1916 nahmen Vereinigungen (wie die Neue Helvetische Gesellschaft und die Schweizerische Gemeinnützige Ge­ sellschaft), Bundesbehörden und Wirtschaftsverbände den Kampf gegen die «wirtschaftliche Überfremdung» auf. Mit diesem Deutungsmuster wurde der Kampf gegen die Gründung oder Übernahme schweizerischer Aktiengesellschaften durch Ausländer und gegen weitere Formen der Ein­ flussnahme von aussen auf die helvetische Wirtschaft aufgenommen. Deutschland stand besonders stark im Visier von Massnahmen, die sich ge­ gen geschäftliche Camouflage und «kommerzielles Mimikry» richteten.112 Der Bundesrat setzte per Vollmachten territorial gebundene Firmennamen (1916), Ursprungserzeugnisse und Vorschriften zur Unternehmenstrans­ parenz sowie zu Handelsregistereinträgen (1918) in Kraft. Der Vorort (= Vorsitz) des SHIV berief im Herbst 1917 eine sogenannte Überfrem­ dungs-Kommission ein, die ein auf die Übergangszeit nach dem Krieg aus­ gerichtetes Abwehrdispositiv ausarbeitete. Die Alliierten beobachteten diese Vorkehrungen aufmerksam und ver­ folgten ihre wirtschaftliche Kriegsführung mit grosser Konsequenz. Im Rahmen des Trading with the enemy-Act (die sowohl enemy firms wie auch enemy associations umfasste) etablierten die Briten zudem eine Kon­ trolle über international operierende oder diversifizierte Unternehmen aus neutralen Ländern. Nach dem Kriegseintritt im April 1917 schlossen sich die USA dieser Wirtschaftskriegsführung an.”3 Schweizer Firmen gerieten damit nicht nur wegen ihrer Geschäftstätigkeit, sondern auch aufgrund ih­ rer Unternehmenskonstruktion unter Druck. Sie hatten bisher eine flexible Strategie umsichtiger Vernetzung praktiziert und auch ausländische Part­ ner kooptiert, um sich als Go-between zwischen den verfeindeten Mäch­ ten zu betätigen. Nun wurde auch die «Nationalisierung des Kapitals»11« eingefordert. Damit stieg der Informationsbedarf an. Mit einer effizienten Bürokratie fahndeten die Alliierten nach den entsprechenden Angaben, vom Aktionariat über das Management bis hin zu informellen Geschäfts­ beziehungen und dem konsularischen Schutz. Schweizer Unternehmen wurden gezwungen, alle personellen, rechtlichen und institutionellen Ver­ bindungen mit den Feindmächten aufzugeben. Wer sich diesen Auflagen widersetzte, landete auf schwarzen Listen. Darüber hinaus wurden Unter­

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nehmen verpflichtet, während zehn Jahren keinen Handel mit den Zen­ tralmächten mehr zu betreiben. Diese Tendenz, die Bewegungsfreiheit von Unternehmen aus neutralen Staaten über die Kriegszeit hinaus ein­ zuschränken, wurde aus schweizerischer Sicht als besonders bedrohlich bewertet.11? Die Zentralmächte wandten ähnliche Mittel an, allerdings weniger rigoros. Um sich aus dem globalen Wirtschaftskrieg nach Möglichkeit herauszu­ halten, entwickelten Handelsfirmen eine Strategie der systematischen Verschweizerung, die in der Nachkriegszeit auf nationalem Niveau und in verschiedensten Sektoren Furore machen sollte. In dem Masse, in dem das Neutralitätsrecht auf Privatunternehmen ausgeweitet wurde, versuchten diese ihrerseits unter einer Neutralitätsflagge zu segeln und die schweizeri­ schen Hoheitszeichen in ihre Corporate identity zu integrieren. Dort, wo es enge Assoziationen zwischen Deutschen und Deutschschweizern gab, wurden diese nun durch national-exklusive Netzwerke ersetzt. Generell versuchten die schweizerischen Handelsgesellschaften angesichts der glo­ balen Kontrollpräsenz der Briten und der USA jeden Anschein der Nähe zu den Mittelmächten zu vermeiden.116 Was die längerfristigen Auswirkungen des Krieges auf die schweizeri­ sche Volkswirtschaft und deren Vermarktungsstrategien betraf, so waren wichtige angebots- und nachfrageseitige Innovationen zu konstatieren, so der Ausbau der Elektrizitätserzeugung durch Wasserkraftwerke in den Alpen oder an Flüssen sowie die europaweit pionierhafte und kosteninten­ sive Elektrifizierung der Eisenbahnen. 1916 erliess der Bund eine Wasser­ gesetzgebung, um die rechtliche Klärung der zunehmenden Streitfälle um Nutzungsrechte zu erleichtern. Gefördert wurde auch der Einzug von «Strom» in die Haushalte, so dass während der Kriegsjahre eine Infra­ struktur für die Technisierung der Küche und die Ausstattung mit Elektro-Geräten in den darauffolgenden Jahrzehnten gelegt werden konnte. In der Hotellerie und im ganzen Tourismus-Sektor, der besonders stark unter dem kriegsbedingten Ende der Belle Époque und dem damit ver­ bundenen Ausbleiben einer kaufkräftigen und reisefreudigen Kundschaft litt, wurde 1917 - allerdings in stark zurückgestutzter Form - die 1911 vom Katholisch-Konservativen Walliser Nationalrat Alexander Seiler ge­ forderte Schweizerische Verkehrszentrale geschaffen. Diese tat sich fortan auf internationaler Ebene in kreativer und multimedialer Fremdenver­ kehrswerbung in alle Himmelsrichtungen hervor. Generell gerieten Industrie, Landwirtschaft und Finanzsektor während der Kriegsjahre in enge Tuchfühlung mit der rasch expandierenden Bundes­ administration, sowohl personell wie auch institutionell. Die Landesver­

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sorgung war auch nach Kriegsbeginn stark auf Importe angewiesen. Ohne umfangreiche Einfuhren (Getreide, Dünger, Kraftfutter) und Exporte (Käse, Kondens- und Frischmilch, Obst und Nutz- sowie Zuchtvieh) wäre die Lage in der Schweiz rasch kritisch geworden. Als Italien nach Kriegsein­ tritt den Hafen von Genua schloss, wurden diese Zufuhren schwieriger. Der St. Galier Grossindustrielle und freisinnige Nationalrat Ernst Schmidheiny, der starke Mann der schweizerischen Zementindustrie mit guten Beziehungen zum Finanzsektor, übernahm im Frühjahr 1915 die Leitung des Kompensationsbüros, das einen umfangreichen Tauschverkehr mit den Mittelmächten organisierte.11? 1917 brachen vor allem die Getreideim­ porte stark ein. Die Lebensmittelproduktion durch amtlich verordneten Mehranbau - auch gut sichtbar auf städtischen Plätzen - vermochte die Versorgungslage nicht wesentlich zu verbessern.118 In Übereinstimmung mit dem Kriegsverlauf versuchte die Schweiz ab 1917 stärker mit den En­ tente-Staaten, vor allem den USA, ins Geschäft zu kommen. Die neuen Wirtschaftsabkommen wurden vom einflussreichen freisinnigen National­ rat und Direktor (1900-1924) bzw. Präsidenten (ab 1917) des SHIV, Alfred Frey, quasi in Eigenregie ausgehandelt. Im Inland stützten sich alle kriegs­ wirtschaftlichen Massnahmen - die Monopole, Syndikate und «Zentra­ len», die Kontingentierungen, Kompensationsgeschäfte, Ausfuhrverbote etc. - weiterhin auf die «privaten Regierungen» der Wirtschaftsverbände in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, die auch in der im Juli 1917 geschaffenen «Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft» gut vertreten waren. Die Gewerkschaften waren in diesem Interessenvermittlungs­ system stark unterrepräsentiert. Es bildeten sich über personelle Vernet­ zungen und institutionelle Verklammerungen jene unternehmerisch sowie bürgerlich-bäuerlich dominierten Koordinationsmechanismen heraus, die den schweizerischen Kapitalismus des 20. Jahrhunderts langfristig prägen sollten. Kriegs finanzierung, Staatshaushalt und Geldpolitik Der totale Krieg verursachte enorme Kosten, die durch den Staat finanziert werden mussten. Drei Wege boten sich an. Erstens konnte die Politik mit der Erhöhung der Steuereinnahmen, insbesondere mit der Schaffung neuer Steuern, auf die Ausgabenerhöhung antworten. Der fiskalisch nicht ge­ deckte Betrag liess sich zweitens mit Staatsanleihen mobilisieren. Dort, wo diese Finanzierungsquelle nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig floss, konnte der Staat drittens die Notenpresse anwerfen. Diese Massnahme sollte zwar nur der kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsengpässen dienen; faktisch wurde sie aber in allen Staaten über die ganze Kriegszeit

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hinweg verstetigt, was zu Preissteigerungen führte und die Inflation ankur­ belte. Je stärker der Staat aufgrund seines Finanzbedarfs die Geldmenge erweiterte, desto skeptischer beurteilten die Anleger die auf Nominal­ beträge lautenden langfristigen Schuldpapiere des Staates. Die Inflationie­ rung machte es also schwieriger, die Staatsschuld durch den Verkauf von Wertpapieren an ein breites Publikum zu konsolidieren. Auch aus diesem Grund kombinierten die Regierungen das Platzieren ihrer Anleihen in der Bevölkerung mit moralischen Unterstützungskampagnen. Die Geldanlage in der Staatsschuld wurde an der «Heimatfront» zur vaterländischen Pflicht erklärt. Auch neue Steuern erhielten patriotische Weihen. Die Staatsfinan­ zierung wurde zur Vertrauensfrage emporstilisiert; mit dem Zahlen von Steuern und dem Zeichnen von Anleihen bekundeten die Bürger ihre Lo­ yalität gegenüber dem militärisch mobilisierten nationalen Kollektiv. In der Schweiz bot die direkte Demokratie der Regierung zudem die Möglichkeit, neue Steuern durch eine Volksabstimmung zu beschliessen und damit die eidgenössische Kohäsion plebiszitär zu sanktionieren. Auch die Finanzierungsprobleme stellen sich im neutralen Kleinstaat durchaus ähnlich wie in Krieg führenden Staaten dar. Die Staatsausgaben stiegen nach Kriegsbeginn steil an. Der «ausserordentliche Teil davon», machte bald mehr als zwei Drittel der ordentlichen (d. h. regulär budgetierten) aus. Der Anteil der Militärausgaben an den Ausgaben des gesamten öf­ fentlichen Sektors (Bund, Kantone und Gemeinden) wuchs, verglichen mit den zwei Jahrzehnten vor Kriegsausbruch, um ein Mehrfaches, von ca. io Prozent zwischen 1900 und 1914 auf ein Drittel 1914/15 bis fast die Hälfte im Jahre 1916. Allein die «Wehrausgaben», d. h. die Mobilisations-, Grenzbesetzungs- und Aufrüstungskosten, beliefen sich während der Kriegsjahre auf gegen zwei Milliarden Franken; bis 1920 (d. h. unter Einschluss der Kosten für die Truppenaufgebote gegen den Landesstreik und weitere Streikbewegungen) waren es ca. 2,3 Milliarden. Pro Kopf der Bevölkerung liegt diese Zahl nicht weit vom europäischen Durchschnitt.120 Mit 35 Prozent Steuerfinanzierung lag die Schweiz leicht über der weltwei­ ten Quote von 30 Prozent; sie reihte sich in das Bild der Entente-Staaten ein, die generell mehr fiskalische Mittel zur Bestreitung der Kriegskosten aufbrachten als die Mittelmächte.121 Anfang August 1914 war die Ingangsetzung der Notenpresse durch die Regierungen gleichbedeutend mit dem Zusammenbruch des internatio­ nalen Goldstandards. In allen Krieg führenden Staaten wurden die Gold­ konvertibilität der Währung aufgehoben und die nationalen Banknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Die Zentralbanken nutzten die neue Handlungsfreiheit, um die Staatsfinanzierung durch die Übernahme

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kurzfristiger Schatzscheine (in der Schweiz in Form von Schatzanweisun­ gen und Reskriptionen) zu garantieren. Sie verstanden sich als «Kriegsban­ ken», und auch die Schweizerische Nationalbank bezeichnete sich so. Schon zu Kriegsbeginn wurden damit die monetären Bedingungen für eine Kriegs­ inflation geschaffen. Bereits im ersten Kriegsjahr wuchs die Geldmenge um 40 Prozent, etwa hälftig verursacht durch Gold- sowie Silberzuflüsse bei der SNB und durch die Übernahme von Bundesreskriptionen. Anders als der internationale Goldstandard brach die Lateinische Münz­ union (LMU) bei Kriegsbeginn nicht zusammen; ihre Bedeutung für die Schweiz nahm vielmehr zu. 1916 wurde das neutrale Land erstmals vom «Münzparasiten» (in dem vor allem Kursmünzen aus anderen Ländern um­ liefen) zum Münzlieferanten. Die Belieferung Frankreichs mit Münzgeld aus Schweizer Prägung wurde als technische Massnahme dargestellt; es war aber sowohl der SNB als auch dem Bundesrat klar, dass dies neutrali­ tätspolitisch heikel war. Brisant war die Übernahme von Raubsilber aus Belgien.112 Deutschland plünderte die belgischen Banken und bezahlte da­ mit die Importe aus der Schweiz.12? Dass hier ein Problem vorlag, fiel auch der SNB auf, die bei der deutschen Reichsbank zurückfragte und sich dann mit der Antwort, Berlin sei nicht direkt in diese Transaktionen involviert, sofort zufriedengab. Es war in der Schweiz aber bekannt, dass diese Ge­ schäfte über die Sukkursalen der Reichsbank, u. a. in Freiburg i. B., liefen. Dennoch lehnte die SNB ein Edelmetallimportverbot ab. Als 1918 mit einem deutschen Sieg nicht mehr zu rechnen war, versuchte die SNB, die Spuren dieser Geschäfte zu verwischen, indem sie das belgische Silber ein­ schmolz und die Barren der Uhrenindustrie, die über Edelmetallmangel klagte, zur Verfügung stellte. Die beabsichtigte Stützungsaktion zugunsten einer wichtigen schweizerischen Industriebranche kam aber nicht zu­ stande, weil die vergleichsweise günstig abgegebenen und nun an Wert rasch zunehmenden Silberbestände in grösserem Umfang nach Frankreich exportiert wurden. Nach Kriegsende setzte man in der Schweiz auf Diskre­ tion und wartete stillschweigend ab. Die Mitgliedschaft des neutralen Lan­ des in der LMU wurde fortan mit keinem Wort mehr erwähnt. Als von Sei­ ten der Siegermächte keine Beanstandungen eintrafen, erledigte sich die Sache von selbst. Dies stand in eklatantem Gegensatz zu den Raubgold­ übernahmen von der Reichsbank im Zweiten Weltkrieg, wo diese Rech­ nung für die Schweiz nicht mehr aufging. I2,t Geldpolitisch folgte die SNB-Führung der Real fi/7/s-Doktrin. Diese ging davon aus, die Geldschöpfung werde durch die Diskontierung von Han­ delswechseln gesteuert. Geld konnte aus dieser Sicht nur dann geschaffen werden, wenn auch eine reale Transaktion getätigt wurde. Ein Preisauf­

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trieb konnte so gar nicht erst entstehen. Es entbehrt nicht der Ironie, dass die SNB durch die Lohnforderungen ihrer eigenen Angestellten auf das Problem der Inflation aufmerksam wurde. Ähnlich wie in Politik und Mi­ litär erschwerte auch in diesem Bereich ein theoretisches Dogma ein flexi­ bel-pragmatisches Reagieren auf neue Probleme.12? Ein solches sah man indessen in der kurzfristigen, «schwebenden» Staatsverschuldung. Der Bund versuchte diese mittels langfristiger Anleihen zu «konsolidieren». Zwischen 1914 und 1918 wurden neun Mobilisationsanleihen der Eid­ genossenschaft im Umfang von 830 Millionen Franken emittiert, wobei schon bei der zweiten im November 1914 das Bankenkartell und der Kan­ tonalbankenverband das Emissionsgeschäft übernahmen. Dazu kamen ge­ gen Kriegsende und nach 1918 Anleihen in den USA, mit welchen die Schweiz die notwendigen Dollarbeträge für Importe beschaffen konnte.126 In der Steuerpolitik hatten sich von Anfang an starke bürgerlich-födera­ listische Widerstände gegen den Ausbau der fiskalischen Abschöpfung auf Bundesebene formiert. Es sollte verhindert werden, dass der Krieg einen irreversiblen Ausbau des Steuersystems auslöste.12? So blieb es zunächst bei kleineren Massnahmen wie der Erhöhung des Militärpflichtersatzes und der Einführung von Abgaben bzw. Gebühren. Steuerliche Mehreinnahmen drängten sich jedoch aufgrund einer sich rasch öffnenden Defizitschere ge­ bieterisch auf. 1915 kam es zu einem denkwürdigen Urnengang um die Er­ hebung einer «einmaligen und ausserordentlichen Kriegssteuer» (in zwei Raten 1916 und 1917). Bundesrätliche Reden und politische Vertrauens­ bekundungen machten die Abstimmung zum plebiszitären Grosserfolg.I2S Die Vorlage erzielte mit 94,3 Prozent Ja-Stimmen und allen Ständen das beste Resultat in der Geschichte der eidgenössischen Volksabstimmungen, auch wenn die Stimmbeteiligung nur 56 Prozent betrug.12? 1916 führte der Bundesrat - diesmal mit Rückgriff auf die Vollmach­ ten - rückwirkend per 1915 eine Kriegsgewinnsteuer ein, wie sie schon in vielen Ländern existierte. Die Steuersätze (inklusive Arbeitslosenfürsorge­ abgabe) stiegen von 25 Prozent (1915) auf 42 Prozent (1917-1919) und sanken dann wieder; insgesamt brachte die Steuer 732 Millionen Franken ein (was angesichts der grosszügigen Abzugsmöglichkeiten einen Eindruck von der Höhe der Gewinne gibt). Im selben Jahr wurde die Einführung einer Stempelabgabe beschlossen, die verschiedene Wertpapiere, nicht aber typische Vermögenswerte «kleiner Leute» betraf; am 13. Mai 1917 schaffte diese mit 53 Prozent knapp die Abstimmungshürde (und wurde 1921 durch eine «Couponsteuer» ergänzt). Die ab 1916 auf einen radikaleren Kurs einschwenkende Sozialdemokratie widersetzte sich dieser Steuer mit dem Argument, sie lenke vom Hauptproblem ab und stelle einen Schongang für

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die Reichen dar. Aus sozialistischer Perspektive mussten, nachdem die breiten Bevölkerungsschichten den Krieg zum grossen Teil über die infla­ tionsbedingte Kaufkraftentwertung faktisch bezahlt hatten, eine Opfer­ symmetrie und Verteilungsgerechtigkeit hergestellt werden, was nur durch eine fiskalische Belastung der Begüterten, insbesondere durch eine neue, progressiv ausgestaltete direkte Bundessteuer, geschehen konnte. Ende 1916 lancierte die SPS eine entsprechende Volksinitiative. In seinem Bericht vom Januar 1918 attestierte der Bundesrat, dass «ein den Anforde­ rungen der Gerechtigkeit entsprechendes Steuersystem» auch das «Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers» beachten müsse."3° Die Landesregierung lehnte jedoch die von der Linken angestrebte Umverteilungspolitik ab.1?1 Sie bekam Sukkurs von Föderalisten, vor allem aus der Westschweiz, die für den Fall einer Annahme des Volksbegehrens nichts weniger als «la mort des Cantons»^2- in Aussicht stellten. Im Plebis­ zit vom 2. Juni 1918 wurde der Versuch der SPS, das Bundessteuersystem zu erneuern, mit 54 Prozent Nein-Stimmen (und 14,5 Kantonen) abge­ lehnt. Damit war die Sanierung der Bundesfinanzen aber nicht vom Tisch, und so stimmten Freisinnige und Katholisch-Konservative, kaum war die dauerhafte Lösung gescheitert, umgehend einer weiteren «einmaligen» Steuer zu und beschlossen eine «neue ausserordentliche Kriegssteuer», mit welcher die Kriegsschulden abgebaut werden sollten.*33 Die Linke un­ terstützte zunächst den Kompromissvorschlag, um dann wieder aus der Opposition heraus für eine dauerhafte Finanzierungsgrundlage zu votie­ ren. Am 4. Mai 1919 reüssierte das befristete Steuerprojekt in der Volks­ abstimmung mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit. Fortan und bis heute sollten alle Versuche, die Bundesfinanzordnung auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen, zurückgewiesen werden, so dass die Geschichte der Bundessteuern eine Aufeinanderfolge von Notrechtslösungen oder befris­ teten Steuerkompetenzen blieb. Von Zeit zu Zeit musste bzw. konnte ein neuer Kompromiss ausgehandelt werden. Die aktuelle Bundesfinanzord­ nung läuft 2020 wieder aus.

Antimilitarismus, Radikalisierung der Linken, Landesstreik Schon 1915 hatte sich der Sozialdemokrat Robert Grimm mit einer Bro­ schüre, in der das «einig Volk von Brüdern» karikiert wurde, aus dem Burgfrieden abgemeldet.'34 Die Arbeit werde auf die Hungergrenze ge­ drückt - das Kapital blähe sich schamlos auf: Dieses antagonistische Deutungsmuster strukturierte fortan die politische Ikonographie und die klassenkämpferischen Diskurse. Dadurch wurde die Erfahrung einer Massenverarmung in eine breite politische Protestbewegung transfor­

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miert. Vor allem die Gewerkschaften wiesen, nach Einbrüchen aufgrund der Abwanderung bei Kriegsausbruch, rasch steigende Mitgliederzahlen auf; beim SGB fand zwischen 1913 und 1918 eine Verdoppelung statt, beim Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) war der Zuwachs noch ausgeprägter. Die etablierten Funktionäre gerieten durch eine zunehmend grössere und ungehaltene Basis unter Zugzwang. Auf Seiten der Linken wurde die Radikalisierung durch Vorgänge in der Armee vorangetrieben. Im Herbst 1915 bekämpfte die SPS erfolgreich den Versuch der Armeeleitung, die Presseberichterstattung über anhaltende «Soldatenschinderei» zu verbieten.1« 1916 reichte die Sozialdemokratische Partei eine Volksinitiative für die Abschaffung der Militärjustiz ein. Im Mai 1917 ereigneten sich in La Chaux-de-Fonds schwere Zusammenstösse zwischen Polizei und Demonstrierenden, bei denen der wegen antimilita­ ristischer Propaganda verurteilte Nationalrat Paul Graber mit einem «Bas­ tille-Sturm» aus dem Gefängnis befreit wurde. Der SPS-Parteitag vom Juni 1917 brachte eine entscheidende Wende in der Militärfrage. Fortan - und bis 1935 - lehnte die SPS die bewaffnete Landesverteidigung ab. Was für chauvinistische Kreise einen Akt des Landesverrates bedeutete, war aus Sicht einer radikalisierten Linken ein längst fälliger Schritt. Die provokan­ ten Militäreinsätze bei Streiks sollten die Ansicht, die Armee sei ein Instru­ ment des «Klassenkampfes von oben», auf flagrante Weise bestätigen. Auch programmatisch wurde die Tonlage härter. Die Schweiz war im Ersten Weltkrieg eine transnationale Plattform für innersozialistische Aus­ einandersetzungen. Im neutralen Kleinstaat wurde der Grundstein für die weltumspannende Dritte Internationale gelegt, wie sie schliesslich 1919 in Moskau gegründet werden sollte. Im September 1915 fand in Zimmer­ wald eine Konferenz statt, an der ca. 40 Intellektuelle und Politiker, unter ihnen Lenin, Trotzki, Sinowjew und Radek, teilnahmen. Im Berner Ober­ land prallten basale Konzepte aufeinander. Die Bolschewiken um Lenin versuchten, den Weltkrieg in einen internationalen Bürgerkrieg und einen bewaffneten Aufstand gegen die Bourgeoisie umzuwandeln, während die sog. Zentristen um Robert Grimm sich politische Verhandlungsoptionen offenhielten und Reformen nicht grundsätzlich ablehnten. In zwei Fortset­ zungskonferenzen der «Zimmerwalder-Linken» (in Kienthal im April 1916 und im September 1917 in Stockholm) wurde der «internationale Massen­ kampf gegen den Krieg» (so das Stockholmer Manifest) propagandistisch beschworen. Marxistische Kapitalismustheorie, Klassenkampfthese und ein wieder­ erwachter Internationalismus verbanden schweizerische Sozialdemokra­ ten mit dieser Diskussion. Die politische Orientierung der Linken war je­

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doch primär national. Kritisiert wurde der Bundesrat, der mit untauglichen gesetzlichen und administrativen Mitteln versuchte, die Lebensmittelknapp­ heit zu bekämpfen und Ungerechtigkeiten zu korrigieren. Die behördlich getroffenen Massnahmen waren tatsächlich widersprüchlich. So wurden die Subventionen im Nahrungsbereich aufgehoben und gleichzeitig eine «Sozialwucher»-Gesetzgebung eingeführt. Bis 1916 fehlte jedoch eine Kontrolle der Preisentwicklung im Industriesektor. Teilweise waren sie auch unwirksam wie das Getreidemonopol von 1915, die Vorschriften für den Brotkonsum im April 1917. Oder sie waren verspätet wie die Rationierung von Brot, Mehl, Butter, Fett, Käse und Milch im Zeitraum ab Herbst 1917. Hungerdemonstrationen, Protestaktionen und Streiks nahmen zu, als sich die Versorgungslage 1917 weiter verschlechterte. Am 17. November 1917 ereigneten sich in Zürich blutige Auseinandersetzungen; am 10. Juni 1918 kam es zu einer von Rosa Bloch angeführten Grossdemonstration von Frauen vor dem Regierungsgebäude. Der dortige Platzkommandant hatte vorsorglich Truppen in Bereitschaft versetzt, wollte dann aber (wie er dem General mitteilte) nicht losschlagen, «weil es sich nur um Weiber handelt, gegen die ich keine Soldaten loslassen wollte».'s6 Als im September 1918 ein dem Gesamtbundesrat unterstelltes Eidgenössisches Ernährungsamt geschaffen wurde, vermochte dieses ebenfalls keine echte Abhilfe für die sozialen Nöte zu schaffen.‘37 Anfang 1918 protestierten Sozialdemokratie und Gewerkschaften ge­ gen den Versuch des Bundesrates, eine obligatorische Hilfs- und Zivil­ dienstpflicht einzuführen, die es ermöglicht hätte, die ganze männliche Bevölkerung der Befehlsgewalt der Armee zu unterstellen. Aus dem Wider­ stand gegen diesen flagranten Militarisierungsversuch entstand das (nach seinem anfänglichen Tagungsort Olten benannte) Oltener Aktionskomi­ tee (OAK), das eine operative Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Sozialdemokratie anstrebte. Ziel war es, die zunehmenden klassenkämp­ ferischen Manifestationen zu koordinieren, die Regierung mit Forderun­ gen zu konfrontieren und ein Generalstreikprogramm auszuarbeiten. Ein später als «Bürgerkriegsmemorial» bezeichneter Aktionsplan vom Früh­ jahr 1918 aus Grimms Feder, der in einem Banksafe aufbewahrt wurde, sah einen Stufenplan mit dem «Sturz der bürgerlichen Gesellschaftsord­ nung» vor. Diese Perspektive war Ausdruck eines marxistisch-deterministi­ schen Geschichtsverständnisses, das den Übergang zum Sozialismus als letztlich unvermeidlich ansah. Grimm war selber skeptisch gegenüber einer revolutionären Generalstreikstrategie, weniger aus moralischen denn aus politisch-praktischen Gründen. Gewerkschaften lehnten solche Kampf­ mittel sowieso ab. Das konspirative Gebaren des OAK führte in dieser

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Phase zu Auseinandersetzungen mit der SPS und den Gewerkschaftsver­ bänden.1?8 Die Suche nach einem angemessenen Selbstverständnis und einem Pro­ gramm des OAK war im Sommer abgeschlossen. Ende Juli hiess der in Bern tagende Erste Allgemeine Schweizerische Arbeiterkongress ein Gene­ ralstreik-Programm gut. Zwischen Streikdrohung und Kompromissbereit­ schaft oszillierend, nahm das OAK umgehend Verhandlungen mit dem Bundesrat auf, der seinerseits eine aus Armeeleitung, Militärdepartement und Bundesanwaltschaft bestehende Landes-Streik-Kommission eingesetzt hatte. In der «Milchpreisfrage» konnte die Arbeiterbewegung kleinere Er­ folge erzielen; die Grundprobleme blieben jedoch ungelöst, und das Fehlen einer proaktiven Strategie des OAK wurde augenscheinlich. Zwar nährte der Ende September 1918 ausbrechende Lohnstreik der Zürcher Bankan­ gestellten, der durch die Arbeiterunion geleitet wurde, die Hoffnung auf einen breiten Brückenschlag zwischen allen Lohnabhängigen. Die Ange­ stellten teilten jedoch die Interpretationsmuster der Linken nicht, *3? Zu­ dem geriet das OAK zunehmend unter den doppelten Druck der aufbegeh­ renden Basis, die endlich Konzessionen der bürgerlichen Regierung sehen wollte, und der Armeeführung, die im Vertrauen auf ihr überlegenes Ein­ satzpotenzial und ihre Durchsetzungsmacht gewillt war, in einer offenen Konfrontation klare Verhältnisse zu schaffen. Es waren die Regierung, die Armeeführung und die bürgerliche Rechte, welche fortan die Kraft­ probe suchten. Mit der Dramatisierung fiktiver und - bezogen auf einige transnationale Aktivistennetzwerke auch - realer Gefahren schürten diese bürgerlichen Kreise Angst, streuten Verdächtigungen und bereiteten den grossen Schlagabtausch vor. Am 5. November wurde Zürich militärisch besetzt. Als Grund für diese Provokation wurden Putschgerüchte anlässlich des ersten Jahrestages der Revolution in Russland angegeben. Das OAK antwortete mit einem ein­ tägigen, für den 9. November vorgesehenen Generalstreik. Dieser sollte auf 19 Ortschaften beschränkt bleiben und ohne Beteiligung der Eisenbah­ ner ablaufen. Die radikalisierte Züricher Arbeiterschaft beschloss darauf­ hin, den Streik bis zum Truppenabzug fortzusetzen. In Zürich erliess der Kommandant der Ordnungstruppen, Oberstdivisionär Emil Sonderegger, gegen den Willen des kompromissbereiten Regierungsrats ein Versamm­ lungsverbot und nahm damit bewusst in Kauf, dass sich die Lage zuspitzte, nach dem Motto: «Aber es ist vielleicht besser, er [der Landesstreik] komme jetzt als später.»1'*0 Das OAK versuchte, mit dem Bundesrat zu verhandeln, um die Lage zu entschärfen, blitzte aber ab. Als die Zürcher Arbeiterunion die Fortsetzung des Streiks auf unbestimmte Zeit prokla­

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mierte und als daraufhin die stahlhelmbewehrten Truppen gewalttätig ge­ gen demonstrierende Arbeiter vorgingen, blieb der Aktionszentrale der Arbeiterbewegung nur noch die Flucht nach vorne: in den unbefristeten Landesstreik, der am 11. November proklamiert wurde und an dem mehr als eine Viertelmillion Arbeiter und Arbeiterinnen teilnahmen.’4> Der Streikaufruf war alles andere als revolutionär; er forderte die Umbildung der Landesregierung nach dem «vorhandenen Volkswillen» und enthielt ein Neun-Punkte-Programm, das u. a. die Einführung des Frauenstimmrechts, der 48-Stunden-Woche sowie einer Alters- und Invalidenversicherung vor­ sah sowie die «Tilgung aller Staatsschulden durch die Besitzenden» (dazu kamen 5 weitere, stärker situative Forderungen). Während zweier Tage verlief der Landesstreik ruhig und ohne Gewaltanwendung. Indessen be­ gann die Streikfront zu bröckeln; die Eisenbahner, die sich erst 1918 dem SGB angeschlossen hatten, waren gespalten, und aus der Romandie kamen Abwehrreflexe gegen die «germanische» Grossaktion. Während im Lager der Linken Uneinigkeit und Verunsicherung trotz der grimmigen «Alles oder Nichts »-Parolen stiegen, ging die Gegenseite aufs Ganze. Am 11. November verbot der Bundesrat den Beamten, Angestell­ ten und Arbeitern des Bundes die Beteiligung am Streik.In Städten und an Industriestandorten bildeten sich bürgerliche Ortswehren, Unterneh­ men stellten «Hauswachen» auf, die - wie im Falle der Schweizer Rück am Zürcher Mythenquai - das Direktionszimmer als Kantonnement nutz­ ten.1« In Zürich kam es am 12. November zur Bildung einer zivilen bür­ gerlichen Stadtwehr. Am selben Tag trat in Bern die Bundesversammlung zu einer ausserordentlichen Sitzung zusammen, auf welcher der Streik ver­ urteilt wurde. Am 13. November stellte der Bundesrat dem OAK ein Ulti­ matum auf bedingungslosen Streikabbruch. Er kündigte für den Widerset­ zungsfall die sofortige Verhaftung der ganzen Landesstreikführung an und nahm, zusammen mit der Armeeführung, die vor allem Truppen aus ka­ tholisch-ländlichen Kantonen aufgeboten hatte, eine offene, gewalttätige Konfrontation in Kauf. Insgesamt standen 110 000 Soldaten im Einsatz dies übertraf die Zahl der Truppen, welche in den letzten Monaten die Schweizergrenze verteidigten, um das Fünffache. Die Landesverteidigung an der Grenze war durch die innere Front abgelöst worden. Das OAK war weder auf diese Desavouierung noch auf einen Bürgerkrieg eingestellt. So beschloss es in der Nacht auf den 14. November den Streikabbruch, was dem Armeestab durch eingeschleuste Spitzel umgehend kommuniziert wurde, so dass er von der Aufbietung weiterer militärischer Einheiten Ab­ stand nahm.‘44 Mit beeinflusst wurde diese Showdown durch das Ge­ rücht, die alliierten Truppen - es befanden sich u. a. ca. 200 000 amerika­

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nische Soldaten in der Nähe der Schweizer Grenze - könnten im Falle eines revolutionären Aufstandes in der Schweiz intervenieren.L45 Der Landesstreik fiel zeitlich mit der «Spanischen Grippe», der bisher tödlichsten Grippenpandemie, die weltweit je nach Schätzung zwischen 20 und 50 Millionen Opfer forderte, zusammen. ’46 Im Mai 1918 waren die ersten Fälle bekannt geworden, im August kam es zur ersten grossen Grippewelle. Nach einem Abklingen Ende Oktober/Anfang November brach die Krankheit nochmals weit heftiger aus. Bis zu ihrem Verschwin­ den im Juni 1919 forderte sie in der Schweiz 25 000 bis 50000 Todesop­ fer; offiziell bekannt wurden 750 000 Grippefälle, was das Eidgenössische Gesundheitsamt angesichts des lückenhaften Meldesystems veranlasste, von mehr als 2 Millionen auszugehen, die von der Epidemie erfasst oder tangiert wurden. Dass ungefähr 3000 Soldaten der Grippe zum Opfer fielen, davon ein grösserer Teil während des Einsatzes gegen den Landes­ streik, löste heftige Auseinandersetzungen um Verantwortlichkeiten aus. Tatsächlich hatte der General die Ordnungstruppen, die im November gegen die Streikenden antraten, im Wissen um die potenzielle Gefährdung der Soldaten durch die Grippeepidemie aufgeboten. In makaberer Verkeh­ rung dieses Sachverhalts versuchten anschliessend Exponenten der bürger­ lichen Rechten, unter ihnen der 1919 zum Bundesrat gewählte Freiburger Katholisch-Konservative Jean-Marie Musy, die militärischen Grippetoten zum Ausgangspunkt eines spezifisch schweizerischen Totenkults zu ma­ chen. Im 1922 eingeweihten «Zürcher Soldatendenkmal» auf der Forch materialisierte sich diese Geisteshaltung. *47 Als sie die Nachricht vom Streikabbruch erhielten, witterten viele Ge­ nossen eine Desinformationskampagne von rechts und mussten durch anreisende OAK-Mitglieder persönlich überzeugt werden. Es wird berich­ tet, dass in diesem Moment des Zusammenbruchs Männer geweint haben «wie Kinder».I48«Es ist zum Heulen!», schrieb Ernst Nobs, Exponent der Zürcher Zimmerwalder Linken und Redakteur beim Zürcher «Volks­ recht»; «Niemals ist schmählicher ein Streik zusammengebrochen (...) un­ ter der feigen, treulosen Haltung der Streikleitung. »‘49 In der Folge wurde im März 1919 gegen die Verfasser des Generalstreikaufrufs ein Prozess eröffnet, der nach einem Monat mit einem Schuldspruch für Grimm, Friedrich Schneider, Fritz Platten und Nobs endete. Gegen weitere 3500 Personen wurden Untersuchungen eröffnet, von denen 127 verur­ teilt wurden. Die Linkspresse sprach von «Klassenjustiz», die Rechte fand das Urteil, das den gesetzlichen Minima folgte, viel zu milde.1?0 Mit dem Abbruch des Landesstreiks war das Programm des OAK aller­ dings nicht erledigt. Es enthielt Punkte, welche fortan regelmässig in die

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politische Diskussion zurückkehrten. Noch bevor das Fabrikgesetz end­ lich wieder in Kraft trat, wurde 1919 die 48-Stunden-Woche verwirklicht, ein Schritt, der durch die zahlreichen Ausnahmegenehmigungen für die 54-Stunden-Woche in den Jahren danach faktisch weitgehend rückgängig gemacht wurde. Und die Einführung einer Alters- und Invalidenversiche­ rung liess nochmals zwei Jahrzehnte auf sich warten, so dass von einem schweizerischen galop social nicht gesprochen werden kann. Das Frauen­ stimmrecht hatte keine Chance. Die politischen Kräfteverhältnisse änder­ ten sich nicht massgeblich. Dass der erschreckte Bundesrat Felix Calonder (FDP) ein umfassendes soziales Reformprogramm angekündigt hatte und den Sozialdemokraten zwei Sitze in der siebenköpfigen Regierung in Aus­ sicht stellte, wurde rasch vergessen.'s1 Der Landesstreik war die härteste Machtprobe, mit welcher der mo­ derne Bundesstaat bisher konfrontiert worden war. Auch wenn der Streik in den Verwaltungsräten von Unternehmen kaum angesprochen wurde,'?2 herrschte unter Industriellen eine ausgeprägte Kommunistenangst. Alfred Schwarzenbach, Inhaber eines sehr erfolgreichen Seidenstoffkonzerns und verschwägert mit der Familie des Generals, ging davon aus, die schweize­ rische Sozialdemokratie habe sich «restlos dem revolutionären Communismus» verschrieben. In den stürmischen Novembertagen von 1918 war seine Frau, die Tochter Willes, über den See nach Meilen ins Elternhaus gerudert und hatte «Papiere» in Sicherheit gebracht.'?} Das zeigt, wie ernst man die Herausforderung nahm. Mit dieser Gefühlslage korrespondierten die schrilleren Töne von rechts, die eine unversöhnliche Ausgrenzung der Linken betrieben. Daraus ergaben sich - wie etwa bei Alfred Schwarzen­ bach - Sympathien für die faschistische Diktatur in Italien. Die innenpolitische Machtprobe lässt sich weder als eine durch Hunger ausgelöste Randale noch als ein verkorkster Revolutionsversuch verste­ hen. Nach Engpässen in der Getreidezufuhr hatte sich die Versorgungslage ab Sommer 1918 wieder verbessert. Der Landesstreik war vielmehr eine Folge des Ausschlusses der Arbeiterbewegung aus den politischen Ent­ scheidungen. Anders als in Schweden, wo 1917 eine liberal-sozialdemo­ kratische Koalitionsregierung den Weg zu demokratischen Aushandlun­ gen ebnete, kam es in der Schweiz zu einer Verhärtung. Die Linke - mit dem OAK als ihrem Aktionszentrum - wurde gleichsam gezwungen, sich von der Strasse aus in die nationale Politik zurückzumelden. Sie übte sich dabei in demokratischem Augenmass und politischem Verantwortungs­ bewusstsein. Obwohl die Schweizer Männer in ihrer Doppelfunktion als Bürger und Soldaten bewaffnet waren und ein Gewehr zu Hause hatten, wurde während der ganzen «heissen Phase» des Landesstreiks auf der

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Seite des OAK nie ernsthaft über den Einsatz von Waffengewalt diskutiert. Die Asymmetrie in der Gewaltbereitschaft war eklatant. Das Radikalisie­ rungspotenzial war auf der Rechten und im Militär angesiedelt. General Wille liess «seine» Truppen mit scharfer Munition antreten. Oberstdivi­ sionär Sonderegger schüchterte die Streikenden mit einem «Handgrana­ tenbefehl» ein.'54 Soldaten eines in Grenchen eingesetzten Waadtländer Bataillons erschossen am Tag nach dem Streikabbruch drei Protestierende und verletzten mehrere. Die Armee hielt ihre militärische Präsenz über den Waffenstilland und den Landesstreik hinaus aufrecht.’ss Für die Linke schrieb sich der Landesstreik in eine lange Linie von Arbeitskämpfen und Massenstreiks seit 1900 ein, mit denen sie ihre Orga­ nisation- und Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen wollte.1?6 In der Streikerfahrung hallte auch die europaweit verbreitete Hoffnung nach, dass die Kriegswirtschaft letztlich den Sozialismus voranbringen würde. Der Landesstreik war durchaus Teil der europäischen Klassenkämpfe am Ende des Krieges. Doch während in den Städten der kriegszerstörten Staa­ ten zuerst wieder eine öffentliche Versorgungs-, Transport- und Kommu­ nikationsinfrastruktur in Gang gesetzt und die Ernährung der hungernden Bevölkerung gesichert werden musste, waren die infrastrukturellen Vor­ aussetzungen in der kriegsverschonten Schweiz intakt geblieben. Die Ar­ beiterbewegung konnte ihre Forderungen in einem grundsätzlich funktio­ nierenden Staatswesen stellen und nach der verlorenen Kraftprobe neue politische Strategien erproben.

Stabile Strukturen, Reformen und Amerikanisierung Die Auswirkungen des Landesstreiks auf gewerkschaftliche Mitglieder und Organisationen waren unterschiedlich. Während sich allgemein Ent­ täuschung ausbreitete - was sich in starken Mitgliedereinbrüchen beim SGB und bei der Branchengewerkschaft SMUV zeigte -, legten sich Streikaktivisten auf eine «Jetzt-Erst-Recht»-Haltung fest, was in den frü­ hen 1920er Jahren irregulären, «wilden» Streiks Auftrieb gab. Die nach­ haltigste Reaktion war allerdings jene des Rückzugs auf die Gewerk­ schaftsorganisationen. Aus dieser Sicht waren nun die finanzielle Stärkung und der kontinuierliche Ausbau der Verbände durch das Anheben der Mitgliederbeiträge sowie die personelle Aufstockung des Apparates vor­ rangig, um an der Spitze Verhandlungsmacht aufzubauen und gleichzei­ tig die Basis zu kontrollieren. Die Arbeitgeber sollten an den Verhand­ lungstisch gezwungen werden, um Lohn- und Arbeitsbedingungen in mehrjährigen Verträgen zu regeln. Gegen unternehmerische Widerstände schwenkten die Gewerkschaften damit auf das Modell einer zweipoligen

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Sozialpartnerschaft (unter Ausschluss des Staates) ein. Dieses funktionierte vor allem deshalb, weil ein vertraglich abgesichertes Konfliktregelungs­ modell, das Einmischungen des Gesetzgebers nicht vorsah, auch für die Unternehmer- und Arbeitgeberverbände interessant war. Für die Gewerk­ schaften lieferte diese Perspektive einen starken Anreiz, sich als innere Ordnungsmacht zu profilieren, welche den Streik nur noch als permanente Drohung im Hintergrund ausspielte. Dazu passte das auch von bürgerlichen Kräften propagierte neue Mo­ dell der «industriellen Beziehungen», das vom US-amerikanischen efficiency craze inspiriert war. Rationalisierung und scientific management waren die Schlagworte, die nach dem Ersten Weltkrieg weniger mit einem gezielten Umbau der Industrieproduktion als auch mit einer neuen Einstel­ lung gegenüber den Problemen der kapitalistischen Klassengesellschaft zu tun hatten. Es ging um die Modernisierung der Sprache mit dem Ziel; die alte «soziale Frage» auf eine neue Weise zu stellen - und Amerika schien jene funktionierende Form einer Industriemoderne zu sein, von der man nur lernen konnte. Bürgerliche Reformkräfte organisierten sich ab 1919 in den «Wirtschaftlichen Studienreisegesellschaften nach Nordamerika» und, ab 1920, als SFUSA (Steiss Friends ofthe United States of America). Nach dem Motto «Es gilt weiterhin zu lernen von der Tatkraft der Amerikaner» startete am 26. August 1919 eine Gruppe von rund 220 Teilnehmern darunter viel Wirtschaftsprominenz aus Vertretern von Sulzer, Boveri, Bally, Schmidheiny, Raichle und Steinfels - eine erste, dreimonatige Steiss Mission in die Vereinigten Staaten von Amerika, welche u. a. die Fordwerke und das National Cash Register besuchten. Else Spiller (eine der 8 Frauen, die an dieser Mission teilnahmen) notierte in ihr Reisetagebuch: «Uns fehlte die flotte Haltung der Amerikaner, die schmucke, saubere Kleidung, die schönen Schuhe und Strümpfe. Die ganze Haltung der ame­ rikanischen Arbeiter ist selbstsicherer, selbstbewusster und es schien uns oft und wird uns jetzt noch viel bewusster, als ob ihnen die Arbeit wirklich eine Freude sei.»‘57 Die «industrielle Religion» des Taylorismus und Fordismus wurde, un­ ter anderen, nämlich lohnpolitischen Vorzeichen, auch von der Arbeiter­ bewegung rezipiert. Die spätere produktivitätsorientierte Reallohnpolitik und die sozialpartnerschaftliche Konfliktregelung auf dem Arbeitsmarkt nahmen hier historisch ihren Ausgang. Doch in den frühen 1920er Jahren vermochte sich diese Strategie des Arbeitsfriedens noch nicht durchzuset­ zen.1?8 Für die Sozialdemokratische Partei bedeuteten die Nationalrats­ wahlen von 1919 eine herbe Enttäuschung. Der Krieg hatte keinen allgemei­ nen politischen Stimmungsumschwung nach links ausgelöst. Damit stiess

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die Linke, parlamentarisch und plebiszitär, auf Grenzen. Umso schärfer äusserten sich nun die Spannungen zwischen den Anhängern eines inter­ national orientierten Kommunismus und der Hauptströmung der Sozial­ demokratie, die auf pragmatische Interessendurchsetzung in einem na­ tional verfassten Institutionensystem setzte. Diese Auseinandersetzungen endeten mit der Spaltung der Arbeiterbewegung. Unter dem Eindruck des kampflosen Kollapses der Zweiten Internationale 1914 beschloss der SPS-Parteitag von 1919 den Eintritt in die neu gegründete Dritte Inter­ nationale (Komintern). Die Beitrittsgegner setzten daraufhin eine Urab­ stimmung aller Parteimitglieder durch und machten diesen Entscheid rückgängig. Als 1920 die strikten und zentralistischen 21 Aufnahmebe­ dingungen zur Komintern bekannt wurden, lehnte auch der SPS-Parteitag den Beitritt ab, worauf der linke Flügel auszog, um im Frühjahr 1921 zu­ sammen mit der zahlenmässig unbedeutenden Gruppe der sogenannten Altkommunisten, die sich schon Ende 1918 von der SPS getrennt hatten, die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) zu gründen. Deren Anzie­ hungskraft blieb - entgegen hochfliegenden Erwartungen - gering; sie ver­ einigte vorwiegend Exponenten der sozialdemokratischen Linken und Metall- sowie Bauarbeiter aus urbanen Zentren. Vor allem aufgrund der Zell- und Fraktionsbildungsstrategie der Komintern war die Zusammen­ arbeit zwischen den beiden linken Kräften auch in der Schweiz blockiert; es kam zu harten Konflikten um die Besetzung von Schlüsselpositionen in Gewerkschaften, Arbeiterunionen, Genossenschaften und der Links­ presse.1?9 Die SPS hatte sich mit dem neuen Parteiprogramm von 1920 weit links positioniert. Sie berief sich nun auf international zirkulierende Konzepte wie die «Diktatur des Proletariats», die als «revolutionäres Mittel zur Erringung der wahren, der sozialistischen Demokratie» ver­ standen wurde.'60 Damit waren keine Wahlen zu gewinnen. Das Verhält­ nis von «sozialistischer» und «schweizerischer» Demokratie sollte in den 1930er Jahren zum Dreh- und Angelpunkt der politischen Reorientierung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung werden. Weil die politische Linke die Siegerstaaten des Ersten Weltkriegs primär als imperialistische Machtstaaten wahrnahm, vermochte sie auch der Neutralität einen neuen Sinn abzugewinnen. Als neutrales Land konnte die Schweiz gegenüber diesen kapitalistischen Kräften auf Distanz bleiben. Dies verstärkte die Tendenz, die Neutralität zum ideologischen Dogma aufzuwerten. Daran hatte auch die im Geschichtsbild so dominante Rhe­ torik des «Grabens» ihren Anteil. Der «Röstigraben» lässt sich keineswegs auf das Bild einer innerlich «zerrissenen Willensnation» reduzieren. Zum einen betrafen die inneren Spannungen auch die Wirtschaft und die trans­

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nationale Verflechtung der schweizerischen Eliten; so stellte der National­ ökonom Heinrich Sieveking fest, die Banken und Finanzierungsgesell­ schaften Genfs seien der einen, Zürich und Basel der anderen Mächte­ gruppe zugeneigt, und die Schweiz sei «dadurch fast mehr als durch die Sprachgrenzen zerrissen» worden.161 Zum anderen intensivierte die innen­ politische Polarisierung in entscheidenden Bereichen die kommunikative Integration über die Landesteile hinweg. Der ab 1917 verstärkt einsetzende landesweite «Kampf gegen die Überfremdung» schweisste die Schweiz mental zusammen.161 Insgesamt stellte der Erste Weltkrieg für die Schweiz eine völlig neue Er­ fahrung dar. Er erreichte schon nach kurzer Zeit präzedenzlose Dimen­ sionen und transformierte die Nationen und ihre Volkswirtschaften in gigantische Kriegsmaschinen, die über Jahre hinweg materielle Abnut­ zungsschlachten durchstanden, um schliesslich im politisch-wirtschaftlichen Bankrott zu enden. Mit beispielloser Härte und weltweiter Ausdehnung wurden der Blockade- und Finanzkrieg geführt. Gegen die Entgrenzun­ gen und Verwerfungen eines totalen Krieges bot die Neutralität keinen Schutz;16? sie wurde vielmehr selber grundlegend verändert durch das ge­ walttätige Kräftemessen. Entgegen der bei Kriegsbeginn weithin geteilten Annahme, die Tage der kleinen neutralen Staaten seien gezählt, gelang es den Niederlanden, der Schweiz, Schweden, Dänemark und Norwegen, sich (fast) vollständig aus den direkten militärischen Auseinandersetzun­ gen herauszuhalten. 1918 standen sie gestärkt da. Trotz der Klagen über die Nichtrespektierung von Souveräntitäts- und Neutralitätsrechten hat gerade die Schweiz es verstanden, sich zu ihrem eigenen Vorteil flexibel dem Diktat der Krieg führenden Mächte zu unterwerfen, die Grenzen der Neutralität immer wieder neu auszuloten und dabei wirtschaftlich-finan­ zielle Chancen, die der Krieg bot, zu nutzen.16« In besonderem Masse be­ fand sie sich inmitten des Wirtschafts-, des Propaganda- und des Geheim­ dienstkrieges, mit nachhaltigen Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft. Post festum traten die durch den Ersten Weltkrieg hindurchlaufen­ den Kontinuitätslinien und Beschleunigungsprozesse stärker hervor. Die Zentralisierung staatlicher Aufgabenerfüllung, der Auf- und Ausbau ad­ ministrativer Strukturen, die funktionale Aufwertung «organisierter In­ teressen» in der Kooperation von Staat und Wirtschaft, die Kartellbildung auf Märkten, die Verschärfung des Klassenkonflikts zwischen Kapital und Arbeit, Verwissenschaftlichung des Sozialen und die Neuformatie­ rung nationaler Selbstbilder. All dies verweist auf längerfristige Tenden­ zen, die schon in den Jahrzehnten um 1900 erkennbar waren. Aus der Sicht der meisten Zeitgenossen stellte die Kriegserfahrung hingegen ein

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weltveränderndes Ereignis dar, das ein Vorher und ein Nachher begrün­ dete. Dieses Zäsurbewusstsein löste sich später auf, und der Erste Weltkrieg verblasste in der nationalen Erinnerungskultur des Zweiten Weltkrieges. i65

4. Völkerbund, Bürgerwehren, Klassenkämpfe (1919 bis 1923)

Beitritt zum Völkerbund Der Erste Weltkrieg hatte autokratische Herrschaft sowie Vielvölker­ staaten geschwächt. Im Gegenzug stärkte er demokratische und nationale Aspirationen. In Russland waren die Romanows, in Deutschland die preus­ sischen Hohenzollern, in Österreich-Ungarn die Habsburger von ihren Thronen gestürzt worden. Das Osmanische Reich brach auseinander. In verschiedenen Ländern wurde das Männerwahlrecht ausgebaut (u.a. in Grossbritannien) und jenes für Frauen eingeführt (in Deutschland, Öster­ reich und Frankreich). 1919 ging mit der Schaffung des Völkerbundes ein wichtiges Postulat des US-Präsidenten Woodrow Wilson in Erfüllung paradoxerweise ohne Beteiligung der USA. Wilsons Versprechen, «die Welt sicherer zu machen für Demokratie»,1 sah sich allerdings von Anfang an durch das gleichzeitig geforderte «Selbstbestimmungsrecht der Völker» unterminiert. Mit den Verträgen von Versailles erhielten 60 Millionen Menschen das Recht auf nationale Selbstbestimmung, während 25 Mil­ lionen in bedrohte nationale Minderheiten transformiert wurden.2 Ver­ schiedene Staaten setzten ethnische Homogenisierungsprogramme mittels Verfolgungen und sogenannten Bevölkerungstransfers durch. 1922 führte der Hochkommissar für Flüchtlingsfragen, der Norweger Fridtjof Nansen, einen nach ihm benannten Pass für die steigende Zahl staatenloser Flücht­ linge ein.3 Der Völkerbund vermittelte bei seiner Gründung einen zwiespäl­ tigen Eindruck; er unterstützte das Nationalprinzip grundsätzlich, versuchte aber gleichzeitig, die damit verbundene Gewaltanwendung zu verhindern. In der Schweiz stimmten am 16. Mai 1920 56,3 Prozent der Stimmbür­ ger und 11 ¥2 der insgesamt 22 Stände dem Beitritt der Schweiz zu dieser suprastaatlichen Organisation zu. Die Stimmbeteiligung war mit 77,5 Pro­ zent hoch, ebenso hoch gingen die Wogen in diesem hart geführten Abstim­ mungskampf. Die Regierung und insbesondere deren frankophile Mitglie­ der votierten deutlich für eine aktivere Aussenpolitik. Bundesrat Gustave Ador, seit Langem ein anerkannter Experte für internationale Beziehungen, setzte auf der Versailler Friedenskonferenz durch, dass die schweizerische Neutralität anerkannt und Genf zum Völkerbundsitz bestimmt wurde. Sein Kollege Felix Calonder profilierte sich geradezu als «schweizerischer

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Wilson »3 So erstaunt es nicht, dass der Bundesrat in seiner Botschaft vom 4. August 1919 die Völkerbundsmitgliedschaft zur Schicksalsfrage, ver­ gleichbar mit den Weichenstellungen von 1815, erklärte. Für den Bundes­ rat war klar, dass «im Bereich der abstrakten Begriffe Neutralität und Völ­ kerbund sich ausschliessen»3 Die Schweiz müsse jedoch diese Frage «von einem höheren Gesichtspunkt aus als demjenigen des ausschliesslichen und unmittelbaren nationalen Interesses» beantworten, denn «in der Fort­ dauer des Zustandes der Schutzlosigkeit des Rechtes und der daraus folgenden Feindschaft der Völker liegt die grösste, wenn auch vielleicht nicht unmittelbarste Gefahr für unser Land». Zudem biete der Völker­ bund «zumindest die Möglichkeit einer weltwirtschaftlichen Ordnung, in der ein kleines, über keine politischen Machtmittel verfügendes, aber ar­ beitstüchtiges Volk seinen Vorteil findet».6 Darüber hinaus ging es um die humanitäre Mission der Schweiz, d. h. um «die Erkenntnis, dass in dem Augenblick, wo an die Völker der Ruf zur Schaffung einer neuen, besseren internationalen Ordnung ergeht, die Schweiz aus freiem Ermessen nicht beiseite stehen darf». Der Völkerbund stelle «an sich eine Forderung der Vernunft und der Moral» dar - die Alternative sei «Hoffnungslosigkeit der internationalen Verhältnisse», welche zur «fortschreitenden Untergrabung des Rechtsempfindens» und «zu völlig unhaltbaren Situationen und zu so­ zialen Katastrophen» führe.? Diese moralische Metaphorik umriss die wichtige Rolle der Schweiz im Aufbau eines Systems kollektiver Sicher­ heit. Im Meinungskampf um den Beitritt wirkte der Klassenkampf der aus­ gehenden Kriegsjahre nach. Die bundesrätliche Sicht wurde vor allem vom «Bauernkönig» Ernst Laur wirkungsvoll popularisiert und mit antisozia­ listischer Stossrichtung versehen. Gegen den Völkerbund votierte neben rechtsbürgerlichen Kreise auch ein Grossteil der organisierten Arbeiter­ bewegung. Die Pro-Haltung des Grütlivereins und des Sozialisten und Theologen Leonhard Ragaz («Sozialisten müssen für den Völkerbund sein») blieb in der Minderheit. Die meisten Sozialdemokraten koppelten Krieg an Kapitalismus, und von den bürgerlichen Regierungen, die nun ein neues Organ des Friedens zu schmieden vorgaben, war nichts Gutes zu er­ warten. Angesichts des «Klassenkampfes von oben», den das Bürgertum in allen europäischen Ländern, die Schweiz eingeschlossen, betrieb, könne - so die sozialdemokratische Zürcher Tageszeitung «Volksrecht» dem «Phrasenrausch von Weltfrieden, Völkervereinigung und Völkerglück» kein Glauben geschenkt werden. Der Völkerbund erschien als «Weltbund der Reaktionäre». Dagegen wollte man eine neu zu schaffende sozialisti­ sche Internationale stellen. Im Verlaufe der 1920er Jahre sollte sich diese

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ablehnende Haltung jedoch angesichts der revanchistisch-reaktionären Propaganda von rechts verändern und in prononcierte Zustimmung um­ schlagen. Die germanophile Rechte - die «Stimmen im Sturm» und weitere Sprachrohre - verbanden ihre Ablehnung des Völkerbundes mit einer in der deutschen Rechten von Anfang an massiven Propaganda gegen den «Siegfrieden», gegen das «Diktat der Siegermächte» und die «Schmach von Versailles». In diesen Diskursen wurden antisozialistische, antisemiti­ sche und rassistische Versatzstücke kombiniert. Dies zeigte sich z. B. in der Propagandabroschüre «Schweizervolk wahre deine Freiheit!», die wenige Wochen vor der Abstimmung in Umlauf gesetzt wurde. Zur Exekution des Versailler Friedens seien inzwischen 32 Staaten in den Völkerbund aufge­ nommen worden, «einschliesslich der afrikanischen und amerikanischen Neger-, Indianer- und Mischlingsstaaten» sowie «einiger Neutraler». Ins­ besondere wurde beklagt, dass bei den Pariser Verhandlungen «die Vertre­ ter gänzlich unzivilisierter Neger- und Indianerstaaten» zugegen sein durf­ ten, während Länder, wie Holland, die skandinavischen Staaten und die Schweiz, die zu den Hauptträgern der europäischen Kultur gehören und um die Entwicklung des internationalen Rechts die allergrössten Ver­ dienste besitzen, fern bleiben mussten».8 Aufgrund einer weithin gras­ sierenden «Friedenspsychose» sei die Schweiz sturmreif für den Beitritt in eine internationale Organisation geworden, vermerkte Konrad Falke. «Finis Helvetiae» lautete der Kassandraruf. Für den Bundesrat war hingegen klar, dass die Schweiz ihre Aussenbe­ ziehungen und ihre Neutralität neu definieren musste. Mit der «differenziellen Neutralität» fand er einen Modus operandi, der die nationale Kul­ tur der Neutralität mit der Rückgewinnung staatlicher Souveränität unter Bedingungen verstärkter internationaler Kooperation in Einklang brachte. Er ging dabei zögerlich vor und arbeitete darauf hin, dass internationale Regierungsabkommen (im Verkehrs- und Kommunikationsbereich), die vor 1918 gegründet worden waren, nicht oder nur selektiv unter die Fitti­ che des Völkerbundes gerieten.’ Innenpolitisch sah sich die Dominanz der Exekutive im aussenpolitischen Handlungsfeld herausgefordert. Die Ein­ sicht, wie sehr die schweizerischen Binnenverhältnisse durch Verträge mit ausländischen Staaten beeinflusst wurden, verschaffte der Forderung nach direktdemokratischer Mitbestimmung in der Aussenpolitik grössere Reso­ nanz. Hatte sich der Bundesrat in einer ersten Stellungnahme 1914 noch prinzipiell quergestellt, so propagierte er nun selber den «Ausbau des de­ mokratischen Staatsrechts».10 Es baute sich eine breite, die Linke mit ein­ schliessende innenpolitische Allianz auf, und in der Volksabstimmung

4- Völkerbund, Bürgerwehren, Klassenkämpfe (1919 bis 1923) vom 30. Januar 1921 fand das fakultative Staatsvertragsreferendum mit über 70 Prozent Ja-Stimmen starke Zustimmung. Damit regierte der «Souverän» auch auf den Bedeutungszuwachs der Schweiz - und kleiner Länder ganz allgemein - im europäischen Staaten­ gefüge. Der deutsche Nationalökonom Heinrich Sieveking konstatierte 1921 mit Blick auf die Kriegszeit eine «Steigerung des Selbstbewusstseins» des Kleinstaates." Verkehrstechnisch zeigte sich dies in der Anerkennung der Schweiz als «Rheinuferstaat». Mit der Eröffnung des Rheinhafens Basel-Kleinhünigen im Jahre 1923 sicherte sich die Schweiz einen leistungs­ fähigen Meeresanschluss. Aussenpolitisch drückte sich dies 1928 im Bei­ tritt zum Briand-Kellog-Pakt aus, mit dem der Krieg völkerrechtlich ge­ ächtet wurde. Damals schrieb der Historiker Ernst Gagliardi, der «älteste republikanische Staat» sei inzwischen «besonders für die damals neu ent­ standenen Staaten unseres Kontinentes teilweise zu paradigmatischer Be­ deutung erwachsen». So, wie die Schweiz sich «wirtschaftlich vor allem auf die Qualitätsarbeit hingewiesen sieht, um im Wetteifer der Nationen bestehen zu können, so gilt dieses Gesetz auch für das Geistige».12 Dieser Wille zur Mobilisierung des «Geistigen» für die Aussenkommunikation des Landes war einer der Ausgangspunkte für die «Geistige Landesvertei­ digung» der ausgehenden 1930er Jahre. Proporzwahlen und Wirtschaftsverbände 1919 zeigten sich im politischen System der Schweiz drei fundamentale Veränderungen. Erstens hatten sich die Wirtschaftsverbände als zentrale Akteure im politischen Entscheidungssystem etabliert. Diese Entwicklung war schon seit 1900 zu beobachten; der Krieg wirkte diesbezüglich als Katalysator und beschleunigte die Machtverschiebung hin zu organisier­ ten Interessen. Zweitens erhielten Parlament und Volk mit der Abschaf­ fung des Vollmachtenregimes ihre Entscheidungskompetenzen zurück. Die weit über tausend Notverordnungen und Massnahmen, die der Bun­ desrat ab August 1914 in Kraft gesetzt hatte, hinterliessen allerdings den Eindruck eines konstitutionellen Chaos, was 1919 zu einer heftigen par­ lamentarischen Debatte über die Notwendigkeit einer Revision der Bun­ desverfassung führte. Diese verlief ergebnislos und sollte erst Mitte der 1960er Jahre wieder in Schwung kommen und 1999 - 80 Jahre nach dem ersten Anlauf - zu einem Resultat führen. Drittens wurde bei einem Plebis­ zit im Oktober 1918 das bisherige Majorzsystem bei den Nationalrats­ wahlen, das nach dem The-winner-takes-tt-all-Pnnzip funktionierte und den staatstragenden Freisinn begünstigte, mit Zwei-Drittel-Mehrheit durch ein Verhältniswahlrecht, das sogenannte Proporzsystem, abgelöst. Damit er­

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höhten sich die Chancen der Sozialdemokraten und neuer politischer Kräfte wie die während der Kriegsjahre in einigen Kantonen entstandene Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB). Damit war schon vor dem Landesstreik eine wichtige Forderung der Ar­ beiterbewegung erfüllt. Die Öffnung des parlamentarischen Systems ver­ half in den vorgezogenen Nationalratswahlen vom Herbst 1919 den bäu­ erlich-gewerblichen Kreisen zum Durchbruch. Die BGB eroberte aus dem Stand fast 30 Sitze und stärkte damit das bürgerliche Lager. Die «freisin­ nige Grossfamilie», die 45 ihrer 105 Sitze verlor, vermochte ihren Anspruch als nationale Instanz zur Repräsentation und Vermittlung des «Allgemein­ interesses» nicht aufrechtzuerhalten. Doch die Freisinnigen blieben weiter­ hin die grösste Partei. Kaum Auswirkungen hatten die ersten Proporzwah­ len für die Katholisch-Konservativen, die aufgrund der föderalistischen Wahlgeographie in «ihren» Kantonen schon bisher dominierten und die wenig zusätzliches Potenzial ausschöpfen konnten. Dass 1919 der zweite Vertreter der Katholisch-Konservativen in den Bundesrat gewählt wurde, festigte jedoch den Bürgerblock. Mit dem Freiburger Politiker Jean-Marie Musy, der politisch in der «christlichen Republik» Pythons gross gewor­ den war, trat ein Politiker in die Regierung ein, welcher der Bankenwelt nahestand und eine orthodoxe Finanzpolitik - aus linker Sicht eine «Dik­ tatur der leeren Kassen» - betrieb. Musy unterstützte die Interessen des Finanzplatzes, er förderte den grenzüberschreitenden Steuerwettbewerb und verstärkte die Abwehrhaltung gegen die Arbeiterbewegung, auch in ihrer sozialdemokratisch-reformerischen Ausprägung. Er stand wie kein anderer für «die goldenen Jahre des politischen Katholizismus» der 1920er Jahre.'s Die beiden Regierungsparteien, die in ihrer Frontstellung gegen links geschlossen auftraten, brachten es nach 1919 mit 110 Nationalräten auf eine komfortable Mehrheit; im Ständerat verfügte der Freisinn noch immer über mehr als die Hälfte der Sitze, und zusammen mit den Katho­ lisch-Konservativen stellten sie fast alle Repräsentanten dieses Rates. Die Sozialdemokraten, die seit Jahrzehnten für die Einführung des Pro­ porz-Wahlsystems gekämpft hatten, vermochten ihre Sitzzahl auf 41 fast zu verdoppeln. Dieser Erfolg war, bei Lichte besehen, eine herbe Enttäu­ schung. Denn vom Elektorat her stagnierte die Linke. Wie in den Nieder­ landen schlug sich in der Schweiz die soziale Mobilisierung der Kriegszeit nicht in einem politischen Linksrutsch nieder. Hingegen machten sich im Aufstieg der BGB zwei europäische Tendenzen bemerkbar. Zum einen konstituierte sich die ländlich-bäuerliche Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg in fast allen europäischen Ländern als eigenständiger politischer Faktor, und zum anderen setzte sich ein neuer Typus von «Wirtschaftspar­

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teien» durch, die, verglichen mit dem Freisinn, den Katholisch-Konserva­ tiven und der Sozialdemokratie, eher die sozio-ökonomischen Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen denn eine weltanschauliche Doktrin vertraten. So war sich der Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes Ernst Laur der Kluft zwischen der rhetorischen Beschwörung einer «höhe­ ren Lebensauffassung» des Bauerntums und des instrumentellen Kalküls zur Sicherung der bäuerlichen Einkommen sehr bewusst. Es ging ihm nie um die Erhaltung schlecht rentierender Bauernhöfe, sondern um ein Agrarsubventionssystem, das auf die durchgreifende Rationalisierung des landwirtschaftlichen Sektors abzielte, und er konnte diese Politik nicht ohne starke und wiederum für ihre eigenen Interessen sorgende bürger­ liche Allianzpartner durchsetzen.1« Zwar lassen sich politische Prozesse schon im 19. Jahrhundert als Aus­ einandersetzungen um Sinnstiftungsangebote im Grossformat begreifen: In diesen waren die Akteure aber selber gefangen. Katholiken lebten ihre religiöse Überzeugung, und auch der Freisinn sowie die Arbeiterbewegung waren nicht verhandelbaren Zielsetzungen verpflichtet - auch wenn sich diese durchaus änderten. Nach der Propagandalektion des Ersten Welt­ kriegs ging es jedoch nicht mehr nur darum, die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren, sondern die Parteistrategen wollten neue Wählersegmente ansprechen und Unentschiedene auf die eigene Seite ziehen. Wahlkämpfe erhielten den Charakter kalkulatorischer Veranstaltungen. Slogans und Programme sollten nicht mehr den eigenen Glauben verdichten, sondern die Ansprechbarkeit breiter Bevölkerungsschichten erhöhen und sie zur Stimmabgabe für die eigene Partei verleiten. In solchen Wahl- und Abstim­ mungskämpfen wurde die finanzielle Stärke von Organisationen zu einer wichtigen Ressource, um den politischen Meinungsbildungsprozess zu be­ einflussen. Zwar blieb eine Milieuzentrierung erhalten, es ging aber ver­ stärkt darum, Bürger mit affinen Einstellungen zu aktivieren. Das Bewusst­ sein von der Wichtigkeit der «Fabrikation staatsbürgerlichen Verhaltens» und eines aktiven Agendasetting nahmen in der Zwischenkriegszeit zu.'s Demgegenüber erwies sich die Hoffnung der Linken, die industriekapi­ talistische Transformation der Gesellschaft würde ihre politische Basis un­ aufhaltsam ausweiten, als Fehlprognose. Es stellte sich vielmehr jenes par­ teipolitische Kräfteparallelogramm ein, dessen Vektor längerfristig und unterstützt durch die Mechanismen der direkten Demokratie in Richtung Konsens und Kompromiss zu wirken begann. Dieser Prozess verlief aller­ dings über eine längere und konflikthafte Phase der klassengesellschaft­ lichen Polarisierung, mit grossen ideologischen Überinvestitionen sowohl auf Seiten der kommunistischen Linken mit ihren politischen Heilserwar­

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tungen als auch auf Seiten der Rechten, die den Popanz des Bolschewismus bis weit ins bürgerliche Lager hinein zur Wirkung bringen konnten. Trotz des manifesten Gegensatzes versiegte der politische Austausch zwischen den Kontrahenten indessen nicht. So schrieb die «Neue Zürcher Zeitung» am 5. August 1920 unter dem Titel «Diktatur gegen das Proletariat»: «Der Erwägung, dass der Bolschewismus nicht nur die Bourgeoisie vernichtet, sondern auch zum Selbstmord des Proletariats führt, das auf der Basis des gegenseitigen organisiert werden soll, werden gerade die unsentimentalen, nüchtern denkenden Politiker im so­ zialistischen Lager sich nicht auf die Dauer verschliessen können.»16 Auf der Ebene der politisch-parlamentarischen Repräsentation dominierten jedoch noch mehr als ein Jahrzehnt verbalradikale Injurien und eine klas­ senkämpferische Frontstellung zwischen einem ideologisch heterogenen, jedoch in Abwehr gegen links geschlossenen Bürger-Bauern-Block auf der einen und einem ebenfalls vielfältigen, reformerische, revolutionäre und anarchosyndikalistische Strömungen umfassenden linken Lager auf der anderen Seite.1? Rechtsbürgertum, Bürgerwehren, Staatsschutz Nach Kriegsende entwickelte sich am rechten Rand des politischen Spek­ trums ein buntes Konglomerat von Bewegungen, Verbänden und Gruppen, welches soziale Unruhen präventiv bekämpfen und die absolute Neutralität des Landes zurückerobern wollte. Auf die Generalstreikkrise reagierten vor allem rechtsbürgerliche Strömungen mit patriotischer Euphorie. Mit vielen Überlappungen zu den beiden Bundesratsparteien und zur BGB, formierten sich informelle und halb offizielle Organisationen, die sich Antisozialismus, Antibolschewismus, Antiinternationalismus und Antisemi­ tismus auf ihre Fahnen geschrieben hatten und diese Bestrebungen als konstitutive Merkmale der schweizerischen Nation, für die sie kämpften, ausgaben.18 Sie beschränkten sich in ihren Anstrengungen keineswegs auf einen nationalen Rahmen, sondern operierten europäisch sowie internatio­ nal und kooperierten mit gleichgesinnten Bewegungen im Ausland. Vor Ort studierten sie die Streik- und Aufstandsbekämpfung sorgfältig, so etwa an­ lässlich der Niederschlagung der revolutionären Aufstände in Deutschland 1918/19 und der Unterdrückung des Generalstreiks in Italien im Sommer 1922. Die Beobachtung von Vorgängen ausserhalb der Schweiz ging einher mit einer Mobilisierung im Inneren. Zehn Tage nach Abbruch des Landesstreiks berief die Aargauische Vaterländische Vereinigung auf den 24. November 1918 eine «Volksgemeinde» ins römische Amphitheater nach Vindonissa

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ein, an der 12 000 Menschen teilnahmen. «Bürgerwehrgeneral» Eugen Bir­ cher und «Bauernführer» Ernst Laur traten als Hauptredner auf. Im Früh­ ling 1919 entstand der Schweizerische Vaterländische Verband (SW) als nationale Dachorganisation von Bürgerwehren, die statuarisch (bis 1933) «die Gründung von Bürgerwehren und vaterländischen Vereinigungen» förderte.10 Gründungspräsident war Bircher; der Leitung gehörten zudem Vertreter des mitgliederstarken Schweizerischen Schützenvereins und des ebenfalls organisatorisch starken Eidgenössischen Turnvereins an. Der SW stützte sich weithin auf ein populäres, in den Dörfern und Städten verankertes Vereinswesen, und er bekannte sich zum Föderalismus. Mit einem eigenen Nachrichten- und Pressedienst versuchte er sich als dritte Ordnungsgewalt neben Polizei und Armee zu etablieren, die bei Streiks gegen die Arbeiter vorgehen und das Weiterfunktionieren der nationalen Infrastruktur sicherstellen wollte. Ziel des SW war eine breit angelegte Sammlung der «nationalen, antibolschewistischen Kräfte» in einer Bür­ gerwehrbewegung, die sich teilweise autonom, teilweise aber in enger Ko­ operation mit der Polizei oder mit der Armee organisierte. Staatlich aner­ kannte beziehungsweise dem Militär unterstellte Bürgerwehren wurden u.a. mit Maschinengewehren bewaffnet.21 Der Zweckparagraph der Sta­ tuten von 1919 sah vor, «gegebenenfalls in der ganzen Schweiz oder einem Teil derselben eine Gesamtaktion in die Wege» zu leiten.22 Es ist auffal­ lend, dass die Formierung dieser Bürgerwehrorganisation den Graben zwi­ schen Deutsch- und Westschweiz gleichsam spielend überbrückte, kamen doch wichtige Anstösse aus Genf, wo damals die Führung des rührigen Schweizerischen Alpenclubs sass. Anfänglich erreichten die Aufrufe zur Bildung von Bürgerwehren eine beträchtliche Breitenresonanz. So trat etwa Carl Spitteier auf dem Höhe­ punkt seines literarischen Ruhms (er sollte 1920 den Literaturnobelpreis erhalten) im Frühjahr 1919 der Luzerner Bürgerwehr bei und bezog Arm­ binde und Schlagwaffe. Nachdem er erkannt hatte, dass es sich nicht um eine «imposante Demonstration der Gesamtbürgerschaft» handelte, zog er sich allerdings rasch wieder zurück.23 Der Hang zur bewaffneten Selbst­ verteidigung machte sich auch in Gemeinden bemerkbar, die über keine Industrien verfügten; dass man hier «von einem blinden Rüstungsfieber gepackt» wurde, hing - wie ein Beitrag in den «Luzerner Neuesten Nach­ richten» vermerkte - damit zusammen, dass man «Gespenster (sieht), so keine sind», und «direkt die Gefahr heran(lockt), in der Absicht und unter dem Vorwand, ihr zu begegnen».24 Die Linke schrieb vehement gegen die «Knüppelgarden» und «Prügelwiki» des Bürgertums an und forderte dazu auf, den «Terror der Banditenbanden» zu brechen.2?

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Aufgrund dieser Konfrontationsstimmung stellte die Zeit zwischen Mitte Juni und Ende Oktober 1919 eine besonders konflikthafte Phase der schweizerischen Innenpolitik dar. Bei Generalstreiks in Basel und Zürich kam es bei Armee-Einsätzen zu sechs Toten. Der SW organisierte in Aarau einen gesamtschweizerischen Rapport sowie im Thurgau und Aargau zwei kantonale Grosskundgebungen. Als aber bei den Nationalratswahlen im Herbst 1919 der linke Erfolg ausblieb, entspannte sich die Lage. Nach 1922 verlagerten sich die SW-Aktivitäten weg von den Bürgerwehren und hin zum «Werkdienst», der öffentliche Betriebe auch unter General­ streikbedingungen am Laufen halten wollte. Auf internationalen Konfe­ renzen streikbrechender Organisationen kam es zum Austausch des ent­ sprechenden Erfahrungswissens.16 Ende November 1920 fand in Luzern eine Konferenz zur Gründung einer internationalen Nachrichtenzentrale statt, an der Vertreter aus neun europäischen Staaten teilnahmen.2? Zwei Jahre darauf begann sich die Situation etwas zu beruhigen. Ab 1923 ver­ loren Bürgerwehreinsätze ihre vorherige Bedeutung. Zwar gab es noch bis 1930 Interventionen, den letzten anlässlich einer überregionalen Kundge­ bung der KPS in Baden. Die Bedeutung des «Werkdienstes» wurde indes­ sen durch den verkehrstechnischen Wandel (insbesondere mit dem Aufstieg des Automobils) und arbeitssparende Rationalisierungsprozesse relati­ viert. So sparte der «Werkdienst» in Gaswerken, auf die er spezialisiert war, Schwerarbeitsjobs von links stehenden Arbeitern kurzerhand weg.28 Die neben dem SW wichtigste Organisation am rechtsnationalen Pol des politischen Spektrums war in der Deutschschweiz der Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz (VSU). Er wurde im Februar 1921 nach dem Beitrittsentscheid zum Völkerbund geschaffen und war eng verbunden mit den 1920 gegründeten Schweizerischen Monatsheften für Politik und Kultur. Programmatisch grenzte sich der nationale Volksbund (im Sin­ gular) gegen den internationalen Völkerbund (im Plural) ab, so wie er im Völkerrecht primär eine Bedrohung des Landesrechts sah. Gegen die Ten­ denzen, die Souveränität der Nationalstaaten zu relativieren und supra­ nationale Regulierungs- und Konfliktregelungspotenziale aufzubauen, ar­ gumentierte er mit einem verabsolutierten Volks- und Staatsbegriff. Dem einzigartigen Schweizervolk wollte er seine Sonderfall-Heimat erhalten. Neben dieser Aversion gegen eine universalistische Öffnung verteidigte der VUS die Sicht des Deutschen Reiches und stimmte in die revisionistische Propaganda gegen die Versailler Friedensverträge ein. Eduard Blocher, Pfar­ rer in der psychiatrischen Anstalt Burghölzi in Zürich, war schon in den Kriegsjahren mit seinen fremden- und judenfeindlich grundierten Beiträgen in den «Stimmen im Sturm aus der deutschen Schweiz» hervorgetreten und

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propagierte später auch die «Mehrwertigkeit» der blonden, blauäugigen «nordeuropäischen Rasse». 1923 engagierte sich der VUS massgeblich für das (erste) Staatsvertragsreferendum gegen das sogenannte Zonenab­ kommen (das auf die Verteidigung der eidgenössischen Rechte in den Frei­ zonen westlich und südlich der Stadt Genf und der Neutralisierung Nordsavoyens zielte). Die wuchtige Ablehnung dieses Handelsvertrages mit Frankreich stärkte das Selbstbewusstsein des Volksbundes. Neue Aktivitäten richteten sich ab Mitte der 1920er Jahre auf die Abwehr «unschweizerischer Einflüsse» (Lancierung einer Ordensverbots-Initia­ tive) und die Bekämpfung der «Überfremdung». Die Forderung nach einer «rein nationalen» Politik wurde mit Kritik am Parlamentarismus und einem Misstrauen gegenüber dem demokratischen Meinungspluralismus verbunden, was den Volksbund 1933 in die Nähe der schweizerischen Frontenbewegung und des Frontenfrühlings brachte.2’ Über die ideolo­ gische Schnittmenge hinaus waren die personellen Verflechtungen unüber­ sehbar; hinzuweisen ist insbesondere auf Hans Oehler, seit 1929 Aktuar des VUS und 1938 zusammen mit dem radikalen Antisemiten Alfred Zan­ der sowie weiteren Rechtsextremisten Mitbegründer des «Bundes treuer Eidgenossen nationalsozialistischer Weltanschauung». Ein Teil des VUS trat zu diesem Zeitpunkt allerdings aus und engagierte sich z. B. in der neu gegründeten, demokratischen Zeitschrift «Die Nation».3° Neben dem SW intervenierten auch die Spitzen der Kirchen in den Sozialkonflikt. In der katholischen Kirche erliessen die schweizerischen Bi­ schöfe 1920 das Bettagsmandat, das die Unvereinbarkeit von Sozialismus und Christentum behauptete. Sozialisten waren nicht geeignet für den «würdigen Empfang der Sakramente».3‘ Des Weiteren bildeten sich bür­ gerliche Pressure-Groups mit politischen Aufgaben. In Basel kam es 1918 zur Gründung eines «Volkswirtschaftsbundes», der die «Forderungsflut» der Arbeiterschaft eindämmen wollte und 1919 einen «Industrieblock» konstituierte. Dieser forderte das sofortige Ende der Kriegsnot- und Ar­ mengeldunterstützung mit dem Argument, auch Streikende könnten da­ von profitieren. Zudem veröffentlichte er «Kündigungslisten», auf denen man zwischen «vernünftigen» und «unverbesserlich revolutionären Ele­ menten» unterschied.32 Der Wille zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung im Ernstfall wurde drastisch kommuniziert, nicht nur im Inland, sondern ebenso nach aussen. Internationale Beachtung fanden die «Bombenprozesse», die im Juni 1919 in Zürich über die Bühne gingen.33 Angeklagt war eine trans­ nationale Szene von Anarchisten, gewaltbereiten «orientalischen» Natio­ nalisten und staatlichen Agent provocateurs. Im Mai 1915 habe - so der

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Bundesrat - «die terroristische Dienstabteilung des grossen deutschen Ge­ neralstabes» in Italien Gewalttaten gegen die Armee geförderte« Unter an­ derem sollten die italienische Kavallerie bakteriologisch verseucht und der Simpiontunnel gesprengt werden. Ab 1917 hätte man die Bomben und biologischen Waffen «zur Benutzung bei der nächsten Revolution in der Schweiz, Deutschland oder Italien» in Zürich gelagert. Nach der im Früh­ jahr 1918 erfolgten Verhaftung von über 100 italienischen Anarchisten, vor allem in Genf, konnte die Zürcher Polizei auch die inzwischen in der Limmat versenkten Corpora delicti sicherstellen. Acht Angeklagte wurden schliesslich zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Dass der Haupt­ verdächtigte Anarchist Luigi Bertoni schliesslich mangels Beweisen frei­ gesprochen werden musste und dass staatliche Agenten trotz deutlicher Indizien für ihre Beteiligung an Bombenschmuggel und Waffenverstecken ungestraft davonkamen, zeigt, dass die Initiativen und Rollen in diesen Netzwerken bis zur Unkenntlichkeit diffus blieben. Mit ihrem Einschrei­ ten gegen Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit vermochte die Schweiz den Eindruck zu stärken, die innenpolitische Lage sei unter Kontrolle. So berichtete die monatliche Übersicht, die der britische Geheimdienst über revolutionäre Bewegungen weltweit anfertigte, über die schweizerischen «Sicherheitsmassnahmen im Fall von Unruhen» vom Juni 1920: «Die Bundesregierung hat in den vergangenen drei Monaten für den Fall des Ausbruchs einer Revolution sehr entschiedene Massnahmen ausgearbei­ tet. Instruktionen wurden der Armee zugestellt; sie umfassen den freien Waffengebrauch bei Unruhen, bei welchen die Randalierer auf Steinwurf­ länge herangekommen sind. Feuerwaffen und Maschinengewehre werden dann ohne Einschränkungen eingesetzt.»35 Mit solchen Informationen konnte im Ausland das Bild einer entschlossenen und durchsetzungsfähi­ gen schweizerischen Führung vermittelt werden. Parallel dazu gerieten polizeiliche Vorkehrungen und Massnahmen zur Kontrolle der Medien in die Diskussion. Die «Zweite Verordnung gegen die Gefährdung und Störung der inneren Sicherheit der Eidgenossenschaft», welche der Bundesrat, angeregt durch Ernst Laur und noch gestützt auf seine Kriegsvollmachten, Anfang 1919 erliess, wollte die Meinungsfreiheit im Krisenfall aufheben. Sie wurde nicht veröffentlicht und in dieser Form nie angewandt.36 Eine noch härtere Vorgehensweise strebte dann aber die noch im selben Jahr von der Zürcher Bürgerwehr-Bewegung lancierte «Schutzhaftinitiative» an, die den Staatsschutz massiv ausbauen und den Bund verpflichten wollte, «Schweizerbürger, die die innere Sicherheit des Landes gefährden, unverzüglich in Schutzhaft zu nehmen». Damit wären künftig bei Streikbewegungen, in denen staatstragende Kräfte ganz allge­

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mein einen Anschlag auf «Ruhe und Ordnung» sahen, flächendeckende Polizei- und Verhaftungsaktionen möglich geworden. Auch eine abge­ schwächte Vorlage des Bundesrates, welche auf die Verschärfung des Bun­ desstrafrechts von 1853 abzielte, wurde von links als «Zuchthausgesetz» apostrophiert und mit einem Referendum bekämpft. Die Linke erhielt ver­ einzelt Sukkurs von Seiten der ansonsten streng antisozialistischen Katho­ lisch-Konservativen, die befürchteten, das Gesetz könnte sich trotz ihrer Integration in den Bundesstaat dereinst wieder gegen sie richten. In der Volksabstimmung vom 24. September 1922 scheiterte die nach ihrem Ur­ heber, Bundesrat Heinrich Häberlin (FDP), als «Lex Häberlin» bekannte Vorlage mit 55,4 Prozent Nein-Stimmen an der Urne. Dies war zugleich ein Verdikt gegen die noch pendente Schutzhaftinitiative, welche rechts­ staatliche Sicherungen äusser Kraft gesetzt und Willkürmassnahmen Tür und Tor geöffnet hätte. Sie wurde von allen grossen Parteien bekämpft und am 18. Februar 1923 mit 89 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Die Arbei­ terbewegung und gemässigte bürgerliche Kreise konnten in diesen beiden Urnengängen einen autoritären Ordnungsstaat abwehren, die demokrati­ sche Ausmarchung stärken und ein deutliches Zeichen gegen Faschismus und politische Reaktion setzen.s?

Frauen- und Fremden feindlichkeit Die Schweizer Frauen vermochten ihre vielfältige Mobilisierung während der Kriegsjahre nicht in eine wirksame Strategie politischer Anerkennung umzusetzen. Anders als in Schweden, wo nach 1917 eine Wahlreform durchgesetzt und das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, blieb die hel­ vetische Demokratie männlich. In den Kantonen Neuenburg, Basel-Stadt, Zürich, Genf, Glarus und St. Gallen portierten Reformkräfte, meist waren es Sozialdemokraten, Vorstösse für die politische Gleichstellung der Frauen auf Gemeinde- und Kantonsebene. Diese scheiterten zwischen 1919 und 1921 in sechs Volksabstimmungen, in Zürich gar mit 80 Prozent NeinStimmen. «Mit diesen sechs kraftvollen Stössen hatten die männlichen Stimmbürger der Schweizer Frauenbewegung das Rückgrat gebrochen!», sollte die Frauenrechtlerin Susanna Woodtli später feststellen.38 Auch in der Arbeiterbewegung stiess die Frauenemanzipation nur beschränkt auf Reso­ nanz. Es gab zwar Unterstützung, wie im Kanton Basel-Stadt, wo im Früh­ jahr 1919 ein Antrag des Sozialdemokraten Franz Welti auf Straflosigkeit der Abtreibung knapp angenommen wurde (um dann später, nach einem moralischen Entrüstungssturm kirchlicher und medizinischer Kreise, eben­ so knapp abgelehnt zu werden). Mehrmals demonstrierten Tausende von (Arbeiter-)Frauen und Arbeiterinnen für ihre Rechtem» Insgesamt waren die

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Genossen aber nicht geneigt, das patriarchale Familienmodell in Frage zu stellen, und aufgrund der Auflösung des Arbeiterinnenverbandes im Jahre 1917 verloren Frauenaktivistinnen innerhalb der SPS an politischem Ge­ wicht. Zudem gingen klassenbewusste Politiker wie Robert Grimm davon aus, Frauen - gerade solche aus Arbeiterkreisen - könnten als Einfallstor für bürgerliche Harmonielehren dienen, weswegen sie im Frauenstimm­ recht keinen Vorteil für die sozialdemokratische Kampfpolitik sahen.«0 Während in der «Frauenfrage» also Kontinuität herrschte, liess sich in der «Fremdenfrage» ein markanter Wandel konstatieren. Im Ersten Welt­ krieg ging in der Schweiz wie anderswo die Ära grenzüberschreitender Personenfreizügigkeit für fast ein Jahrhundert zu Ende. Der Überfrem­ dungsdiskurs der Vorkriegszeit erhielt einen Einschlag ins Bedrohliche. 1916 sprach Bundesrat Ludwig Forrer von der «Tatsache der Überfrem­ dung»; im selben Jahr referierte Max Koller, ein Winterthurer Ingenieur, vor der Gruppe Rorschach der Neuen Helvetischen Gesellschaft den «Standpunkt des Heimatschutzes», den er nun mit «Fremdenabwehr» gleichsetzte und den er mit sozialdarwinistischen und rassistischen Mass­ nahmen umsetzen wollte.«1 1917 war per bundesrätlichen Vollmachten­ beschluss die Eidgenössische Fremdenpolizei geschaffen worden, welche die Erfassung und Kontrolle der Ausländer zum Ziel hatte. Die Nieder­ lassungsverträge mit anderen Ländern, die nach wie vor gültig waren, wurden - sei es stillschweigend oder explizit - so ausgelegt, dass der Auf­ nahmestaat über die Zulassung von Einwanderungswilligen entscheiden konnte. Ein internes Papier des Politischen Departements aus dem Früh­ jahr 1918 hielt fest, der Krieg habe «in weiten Kreisen unseres Landes eine gewisse Xenophobie und nationalistische Engherzigkeit erzeugt».«2 Zum selben Zeitpunkt beauftragte die Bundesversammlung die Regierung mit der Verschärfung der bisherigen Asylrechts- und Ausweisungspraxis. Ein Jahr nach Kriegsende kam es zur Lockerung der strengen Visumsvorschrif­ ten der Kriegszeit; gleichzeitig wurde jedoch das neue Abwehrdispositiv ausgebaut. In seiner Botschaft über «Massnahmen gegen die Überfrem­ dung» vom 9. November 1920 beschwor der Bundesrat einen starken Zu­ wachs von Fremden, obwohl der Ausländeranteil sich stark verkleinert hatte. Er hielt fest, aufgrund ihrer föderalistischen Konstruktion und ihrer Vielfältigkeit könne die Schweiz zwar «einen recht starken Prozentsatz an Fremden vertragen». Doch sei inzwischen ein Zustand eingetreten, bei dem «ein Volk Gefahr» laufe, «seine Individualität einzubüssen: nicht nur in materieller, sondern auch in geistiger Beziehung anderen Staaten tri­ butär zu werden». Ausserdem sei die ausländische Bevölkerung im Falle eines (militärischen) Neutralitätsschutzfalles ein Sicherheitsrisiko, denn

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die Operationen der Armee «würden Gefahr laufen, vorzeitig erkannt und verraten zu werden». 43 Die Landesregierung forderte in dieser Lage einerseits effizientere «ge­ setzgeberische Mittel, um einer fremden Invasion entgegenzutreten», und andererseits eine aktivere Einbürgerungspolitik.44 Die Vorstellung, man könne das Problem der «Überfremdung» durch eine forcierte Naturalisie­ rung und Assimilation der vielen in der Schweiz geborenen und aufgewach­ senen Ausländer lösen, wurde jedoch zunehmend durch die umgekehrte Auffassung in Frage gestellt, es gelte die Hürden für die Einbürgerung zu erhöhen und die Einwanderungsbestimmungen zu verschärfen. Im Früh­ jahr 1920 reichten rechtsbürgerliche Vertreter des Kantons Aargau, unter ihnen SVV-Präsident Eugen Bircher, eine Doppelinitiative ein, welche die Niederlassungsdauer für Einbürgerungswillige auf zwölf Jahre erhöhen und die Voraussetzungen für eine erleichterte Ausschaffung missliebiger Personen schaffen wollte. Die Regierungsparteien und die Linke lehnten diese Vorstösse ab; der Bundesrat bekundete gleichzeitig seine Bereitschaft zur Überfremdungsbekämpfung mit tauglicheren Mitteln. In der Volks­ abstimmung vom Juni 1922 wurden die beiden Initiativen deutlich - die Verschärfung der Einbürgerungsfrist mit 84 Prozent Nein-Stimmen sehr deutlich - abgelehnt; kein einziger Kanton stimmte den beiden Vorlagen zu. Dies bedeutete jedoch kein Einschwenken auf einen liberalen Kurs. In seiner Botschaft über «die bundesrechtliche Regelung von Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer» vom 2. Juni 1924 erklärte die Landesregie­ rung: «Die Überfremdungsabwehr verlangt die Einführung eines ganz neuen Massstabes: desjenigen der Aufnahmefähigkeit des Landes.»45 Da­ mit rückte sie grundsätzlich vom Credo der Vorkriegszeit ab und schuf die Grundlage für das diskriminierende Fremdenrecht, das im 20. Jahrhun­ dert dominieren sollte.46 Ein vergleichbarer Stimmungsumschwung zeigte sich nach dem Ersten Weltkrieg auch in der Wissenschaft. Der transnationale Austausch ge­ wann zwar wiederum an Fahrt, doch die Kooperation zwischen Soziologie und einem sozialstaatlich fortschrittlichen Liberalismus kam nicht mehr zustande.47 Hingegen setzten sich die Konkurrenzdisziplinen der Volks­ kunde und der Rassenanthropologie durch.48 Es sollte zwar - an den Uni­ versitäten Lausanne, Freiburg und Basel - weiterhin einige Soziologen ge­ ben, doch diese bewegten sich selber in ein autoritäres Umfeld hinein. Sie liessen sich nach 1922 vom faschistischen Italien inspirieren, warnten vor «Demokratie» und riefen nach «starken Eliten» sowie «fester Führung». 1937 sollte der Pareto-Schüler (und Nachfolger auf seinem Lehrstuhl) Pas­ quale Boninsegni dem italienischen Duce Benito Mussolini einen Ehren­

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doktor der Universität Lausanne verschaffen.« Eine transnationale Aus­ strahlung hatte auch der Ethnonationalismus, den der Neuenburger Arzt und Anthropologe George Montandon schon seit 1915 propagierte. Er be­ zeichnete eine nationale Grenzziehung entlang einer europäischen «Rassen­ geographie» als Grundbedingung für einen dauerhaften Frieden und stellte damit ethnische Säuberung und grossflächige Umsiedlungen als unumgäng­ lich dar.s° Die türkische Nationalbewegung, die mit dem Lausanner Foyer turc über eine europaweit wirkende Propagandazentrale verfügte, erzielte 1923 an der Nahostkonferenz in Lausanne einen diplomatischen Triumph, konnte sie doch den Anspruch der Türkei auf ganz Kleinasien durchsetzen. Der Lausanner Vertrag schwieg sich über die Ausrottungspolitik der Jung­ türken in den Jahren nach 1915 aus und akzeptierte dadurch informell den (später so genannten) Genozid an den Armeniern. Zudem legitimierte er im Nachhinein den (mit Vertreibungen einhergehenden) «Bevölkerungstausch» zwischen Griechenland und der Türkei/1 Die internationalen Kontrover­ sen, die dieser Vertrag auslöste, fanden in der schweizerischen Bevölkerung kaum Resonanz.

Gescheiterte Vermögensabgabeinitiative Hohe innenpolitische Wellen löste hingegen ein Steuerprojekt der Linken aus. Am 3. Dezember 1922 erlitt die sozialdemokratische Volksinitiative «für eine einmalige Vermögensabgabe» mit 87 Prozent Nein-Stimmen eine drastische Niederlage. Dies in einem Urnengang, der mit 86,3 Prozent die höchste Stimmbeteiligung in der Geschichte der direkten Demokratie auf­ wies/1 Konkret sah die Initiative für alle Vermögen ab 80000 Franken eine einmalige Abgabe vor. Der Tarif setzte mit 8 Prozent ein und stieg für sehr hohe Vermögen progressiv auf 60 Prozent an. Von dieser Massnahme wä­ ren 0,6 Prozent der Bevölkerung betroffen gewesen. Das Argument der So­ zialdemokraten war ein doppeltes: Zum einen betonten sie, dass breite Be­ völkerungsschichten durch den Konsumverzicht während der Kriegsjahre ihren Beitrag zur Kriegsfinanzierung bereits geleistet hätten, weshalb es nun an den Begüterten liege, die Staatsschulden zurückzuzahlen und sich an der Wiederherstellung normaler öffentlicher Finanzen zu beteiligen. Zum anderen beabsichtigte die sozialdemokratische Arbeiterbewegung, mit diesem Vorstoss den sozialpolitischen Durchbruch zu erzielen, den sie anlässlich des Landesstreiks von 1918 verpasst hatte. Im Zweckparagra­ phen der Initiative war denn auch nicht von einer Tilgung der Staatsschul­ den die Rede, sondern die abgeschöpften Vermögen sollten, so der Text der Initiative, «den Kantonen und den Gemeinden die Erfüllung der sozia­

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len Aufgaben ermöglichen». Für den Bundesrat handelte es sich, wie er in seinem Bericht an das Parlaments3 schrieb, um ein durchwegs illegitimes Anliegen. Er qualifizierte es in seinem Bericht an die Bundesversammlung als «Konfiskation» und «Raubmassnahme».s* Die Landesregierung er­ klärte, dass es ihr durchaus um «fiskalische Gerechtigkeit» gehe. Doch die Initiative wurde nicht als Fiskalmassnahme interpretiert, weil ihr «politi­ scher Zweck» in einer «Sozialisierung der Produktionsmittel», in der «Ver­ staatlichung eines Teils des Privateigentums», bestehe.?5 Der schweizerischen Sozialdemokratie schwebte durchaus eine stufen­ weise Überführung von Privat- in Staatseigentum vor. Sie hatte sich bei diesem Volksbegehren von einer transnationalen Diskussion um die Lö­ sung des Staaatsverschuldungsproblems inspirieren lassen. In vielen Län­ dern fand die Idee, dass jene, die im Krieg reich geworden waren, zur Kasse gebeten werden sollten, Resonanz. Der Vorschlag des österreichi­ schen Finanzsoziologen und Sozialtheoretikers Rudolf Goldscheid zielte aber weiter auf eine sozialistische Transformation der Gesellschaft. Mass­ gebend war die These des «wissenschaftlichen Sozialismus», der Kapitalis­ mus würde aufgrund seiner Konzentrations- und Vergesellschaftungsten­ denzen die Voraussetzungen für sein eigenes Verschwinden schaffen, und man könne diesem «Genossen Trend» steuerpolitisch nachhelfen. Eine Vermögensabgabe konnte allerdings durchaus «systemkonform» durchge­ führt werden und hätte die kapitalistische Eigentumsordnung nicht zwin­ gend ausgehebelt.s6 Solche differenzierenden Überlegungen hatten im Abstimmungskampf keinen Platz. Für die bürgerlichen Gegner war klar: «Die Initiative er­ strebt nichts geringeres als die Einführung der kommunistischen Regie­ rungsform in der Schweiz. »57 Das vom Generalstreiktrauma gezeichnete Bürgertum investierte in eine weltanschauliche Grossschlacht, die mit massenmedialen Propagandamitteln (Flugblättern, Zeitungsartikeln, Pla­ katen, Postkarten, Broschüren etc.) geführt wurde und sich auf Kirchen­ kanzeln, Vereine, Schulen und Sportplätze stützte. Dabei kam das ganze Arsenal von Kollektivstereotypen, welche in der politischen Kultur vorrä­ tig waren, zum Einsatz. Diese plebiszitäre Auseinandersetzung stellte ein Schlüsselmoment in einem politischen Lernprozess dar, der die helveti­ schen Eliten befähigte, die Instrumente der direkten Demokratie für ihre Ziele zu nutzen.58 Eine gemeinschaftsbezogene Metaphorik deutete das Volksbegehren als Angriff auf die Grundlagen des Landes. Das Schweizer Haus am Abgrund, der Tod in der «Staatswirtschaft» oder die besorgte Rentnerin, der das Sparheft entwendet wird: Das waren Sujets von popu­ lären Postkarten.

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Diese Botschaften fanden sich auch in Broschüren, die mit weitgehend identischem Text auf verschiedene Zielpublika ausgerichtet wurden. Das eine Mal wandten sie sich an «Bürger» und sahen «das Vaterland» in Ge­ fahr; das andere Mal an «Uhrenarbeiter», wo die «schwere Gefahr» dies­ mal «die nationale Industrie» bedrohte. Dieses Verfahren entsprach ebenso dem modernen politischen Social marketing wie die Umdeutung des Bank­ geheimnisses in ein «Spargeheimnis des kleinen Mannes».5? Und entgegen dem, was die Volksinitiative forderte, behaupteten die Autoren: «Tau­ sende von euch Angestellten und Arbeitern würden dadurch auch zur Ver­ mögenssteuerpflicht herangezogen.»60 Mit dem Bild einer Enteignung des Schweizer Volkes korrespondierte jenes eines ausländischen Übergriffs auf das eidgenössische Staatsgebiet. Sozialdemokraten sahen sich als «vater­ landslose Gesellen» dargestellt. Als Kumpanen eines ausländischen Juden halfen sie mit, den «Geisteshauch» des «Staatsbankrotts» und des «Ge­ meineigentums» zu verbreiten. Diese antisemitische Tonlage trug das Ihre dazu bei, dass die Gegenpropaganda verfing. Viele Arbeiter erhielten zu­ dem Flugblätter in persönlich adressierten Briefen. Am Samstag vor der Abstimmung wurden ein paar Hunderttausend «Schweizer Rubel »-Noten verteilt, die neben kyrillischen Schriftzeichen die Warnung enthielten: «Zu einem solchen Fetzen wird der gute Schweizerfranken, wenn die Vermö­ gensabgabe kommt.» Dass der gigantische Mitteleinsatz inzwischen ein Unbehagen erzeugt hatte, zeigt die Reaktion des St. Gallischen Aktions­ komitees, welches das Rubel-Angebot mit der Bemerkung ablehnte: «Das Volk wird nachgerade stutzig über die Menge Geld, die hier zur Verfügung steht.»61 Der entschlossene Kampf gegen das Initiativprojekt war auch dem Sach­ verhalt geschuldet, dass die Schweizer Unternehmer nach allgemein exzel­ lenten Geschäftsabschlüssen bis 1918 nun durch Nachkriegskrise und Währungsinstabilitäten heftig durchgeschüttelt wurden und bis 1923 teil­ weise grosse Verluste machten.61 Der hohe Wechselkurs des Schweizer­ frankens drückte auf die Exportleistung. Im Frühjahr 1921 erfolgte ein kumulativer Einbruch des Wirtschaftswachstums. Die deflationäre Ten­ denz verursachte massive Werteinbussen und viele Konkurse. Das Bild war allerdings nicht einheitlich. Während die Maschinenfabrik Sulzer (Winterthur) und die Schweizerische Industriegesellschaft (SIG, Neuhau­ sen) aufgrund exzellenter Auftragslage vom Einbruch nicht betroffen wa­ ren, schrammte das Nestle-Unternehmen knapp am Konkurs vorbei.63 In diesen Jahren schnellte die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhen; im Februar 1922 zählte man gegen 100000 Ganztagsarbeitslose, das waren über 5 Prozent aller Erwerbstätigen. Dazu kamen Zehntausende von Teilarbeits­

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losen, sogenannte Kurzarbeiter. Die statistischen Werte wären noch höher ausgefallen, wenn sich Frauen nicht häufig wieder in die Haus- und Fami­ lienarbeit zurückgezogen hätten. Als sich die Krise 1923 in den umliegen­ den Ländern, vor allem in Deutschland, zuspitzte, begann die Schweizer Wirtschaft allerdings wieder zu prosperieren, und bis 1924 hatte sich die Arbeitslage normalisiert.6« Kurzfristig hatte das Nein zur Vermögensinitiative vom 3.Dezember 1922 ambivalente Auswirkungen. Die den Bürgerwehren zugeneigten Kreise feierten ihren Sieg. Der Werkdienst-Sekretär Camille Burkhard, der sich im August 1922 persönlich vor Ort über die terroristischen Methoden der faschistischen Streikniederschlagung in Italien informiert und darüber einen Bericht an den SW verfasst hatte, schrieb: «Am Sonntag hat der schweizerische Faszismus gesiegt. In dieser demokratischen Form wollen wir ihn pflegen.»6? Im Unterschied zu den italienischen Faschisten hatte es der SW nicht auf die Zerschlagung der Verfassung angelegt; er wollte sie vielmehr schützen, allerdings mit einem Verständnis, das in der Vermö­ gensabgabeninitiative einen «legalen Umsturzversuch» sah, gegen den man, wäre er geglückt, mit Gewalt eingeschritten wäre.66 Aus sozialdemo­ kratischer Perspektive stellte Leonhard Ragaz 1923 in seiner Zeitschrift «Neue Wege» spiegelverkehrt fest, die Bürgerwehren seien «durchaus fa­ schistische Organisationen»: «Mir scheint auch ganz sicher, dass wir, wenn der Sozialismus bei uns bedeutende Fortschritte gemacht hätte, einen sehr ernst zu nehmenden Fascismus bekommen hätten. Das ist nun aber nicht der Fall und darum braucht unser Bürgertum vorläufig keinen Mussolini; es kommt mit Schulthess, Laur, Sonderegger und Kompagnie aus.»6? Die­ ser Kommentar unterstützt die Deutung, dass das «Schicksalsjahr» 1922 mit einem innenpolitischen Patt endete. Nach aussen und bezogen auf die Attraktivität der Schweiz als Vermögensverwaltungszentrum und Hort der Steuerflucht, hatte die deutliche Verwerfung der Vermögensinitiative allerdings nachhaltige Auswirkungen. Erstens demonstrierte die Schweiz international, dass sie ihrem Ruf als Niedrigsteuerland treu bleiben und den «primitiven Zustand des Taxationsverfahrens» (gemeint ist das Steu­ ereinschätzungsverfahren) fortschreiben werde.68 Zweitens wurde die in vielen anderen Staaten (USA, Grossbritannien, Frankreich, skandinavi­ sche Länder) feststellbare säkulare Tendenz, die reichsten Schichten der Gesellschaft massiv stärker zu besteuern, abgewehrt. In der Schweiz fand keine fiskalisch induzierte Vermögens- und Einkommenskonvergenz statt.6’

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Hitlerbesuch und Bolschewismus furcht Im Spätsommer 1923 besuchte Adolf Hitler die Schweiz. Organisiert worden war dies durch den Nationalsozialisten Rudolf Hess, der im Win­ ter 1922/23 ETH-Student war, in Zusammenarbeit mit Ulrich Wille ju­ nior.?0 Nach einem Besuch beim Schwerindustriellen Ernst Hornberger in Schaffhausen hielt Hitler in der Villa Schönberg im Zürcher Enge-Quartier vor einem ausgesuchten Kreis von Industriellen und Grossbürgern eine Rede zum Thema «Zur Lage in Deutschland».?' Ein Protokoll hält einlei­ tend fest: «Ein bayrischer Politiker, der in der nächsten Zeit eine grössere Rolle zu spielen berufen sein kann, äusserte sich in einer Unterredung am 30. August wie folgt: Die Lage in Deutschland treibt unwiderstehlich der Katastrophe entgegen.» Hitler redete vor der schweizerischen Zuhörer­ schaft über seinen Plan zur «Gesundung» Deutschlands, die nur dann möglich sei, «wenn rücksichtslos dreingefahren wird» durch eine soforti­ gen Stopp der Notenpresse, den Abbau des öffentlichen Personals, der Staatsaufgaben und der Staatsverschuldung sowie durch Lohnsenkungen und Arbeitszeitverlängerungen. Damit sprach Hitler Punkte an, die beim Publikum Anklang fanden. Mit Demokratie und Parlamentarismus sei eine solche Politik nicht möglich, und «ein Mittelding zwischen der Dik­ tatur des Proletariats oder der Diktatur von rechts gibt es nicht». Ziel der Reise, für die beim Visumsantrag «Studienzwecke» genannt wurden, war die Geldbeschaffung in einer finanziellen Krisenphase der NSDAP. Schät­ zungen über die Zuwendungen aus der Schweiz gehen weit auseinander, von ii 000 bis 123 000 Franken. Plausibel ist die Angabe von etwas über 30000 Franken, die eine Untersuchungskommission im Gefolge des so­ genannten Hitlerputsches vom November desselben Jahres machte. Ange­ sichts der Hyperinflation in Deutschland, welche die Vermögen deutscher Sparer vernichtete, war das eine substanzielle Summe, die es der NSPAP ermöglichte, ihre Aktivitäten mit «harten Franken» weiter zu finanzie­ ren.?1 Die Reaktionen auf Hitler und die NSDAP waren unterschiedlich. Die Ehefrau von General Ulrich Wille notierte am 31. August 1923 in ihr Tagebuch: «Hittier äusserst sympathisch! Der ganze Mensch bebt, wenn er spricht; er spricht wundervoll.» Der General a.D. soll nach einer Er­ innerung seiner Enkelin, der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, nach dem Besuch gesagt haben: «Um Gottes willen, warum muss der Mann die ganze Zeit so schreien?» Sein Sohn, Ulrich Wille junior, hatte im November 1922 an Rudolf Hess geschrieben: «Ausrotten der Juden mit Maschinengewehren ist Irrtum.» Hitlers Begleittross liess sich indes­ sen nicht von antisemitischen Parolen abhalten. Emil Gansser, der wohl erfolgreichste Geldbeschaffer der frühen NSDAP, beklagte sich über diese

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kontraproduktiven Auftritte: «Der Schweizer Boden erfordert weltgewand­ tere Typen», welche wissen, dass «die Gleichsetzung von Reichsdeutsch ist gleich Schweizerdeutsch (...) hierzulande auf das Peinlichste empfun­ den» wird. Hingegen hielt er es für sinnvoll, den «braven Schweizern» Angst zu machen, vor allem «vor dem an die Tore klopfenden Bolsche­ wismus».73 Mit dieser Bolschewismusfurcht liess sich in der Schweiz tatsächlich Politik machen. An der Schnittstelle von lokaler Politik, nationaler Mo­ bilisierung und internationaler Vernetzung operierte insbesondere der Rechtsanwalt Théodore Aubert. 1923 wurde er in Genf Parlamentarier der neu gegründeten, auf Anhieb erfolgreichen rechtsbürgerlichen Union de défense économique, die den klassenkämpferischen Sozialismus frontal ablehnte und einer spezifisch schweizerischen Form der «Zusammenarbeit der Klassen» das Wort redete. Als Verteidiger von Moritz Conradi, des Mörders des sowjetischen Diplomaten Wazlaw Worowski, erhielt Aubert, der damals auch Secrétaire romand des SW war, im selben Jahr einen weit über die Landesgrenzen hinausreichenden Bekanntheitsgrad. Im Prozess erhob er Anklage gegen den Bolschewismus und erreichte damit einen Freispruch. Weil dieser juristisch unhaltbar war, schadete er dem Ansehen der Schweizer Justiz auf internationaler Ebene und insbesondere im Völ­ kerbund. Das bereits schlechte Verhältnis zur Sowjetunion erreichte einen Tiefpunkt. Aubert wurde 1924 zum Spiritus rector der «Entente internationale an­ ticommuniste» (EIA), die sich als eine Art von Generalstab der weltweiten antibolschewistischen Bewegungen verstand und ein internationales Netz­ werk pflegte. Aubert, selber IKRK-Delegierter in Frankreich, unterhielt enge Beziehungen mit dem Roten Kreuz, insbesondere zu Georges Lodygensky, dem Chef des Rotkreuzbüros des zaristischen Russland. Es zeigte sich hier, wie wenig sich das IKRK aus den grossen Auseinandersetzungen der Zeit herauszuhalten vermochte. Im Kampf gegen die kommunistische Dritte Internationale setzte Auberts EIA auf systematische Nachrichten­ beschaffung und auf die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Sozial­ reformen als Mittel, um die Linke zurückzudrängen, lehnte die EIA konse­ quenterweise in der Annahme ab, dass diese Staatseingriffe schon immerzu das Resultat linker Komplotts darstellen würden. Auberts Propaganda sollte in den 1930er Jahren stilbildend werden und sich auch noch in der Nachkriegszeit auswirken. Obwohl die «Liga Aubert», wie sie alsbald genannt wurde, es ablehnte, den Antisemitismus als Kampfmittel einzu­ setzen, beherrschten antijüdische Stereotypen die Kampagnen. Ab 1929 unterhielt die EIA ausgezeichnete Beziehungen zum Bundesrat Jean-Marie

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Musy, dem Vorsteher des Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartements, sowie zu wichtigen Vertretern des Ständerats.74 Während die Sozialdemokraten mit ihrer Programmatik und ihren For­ derungen im öffentlichen Diskurs ihren Status als «Arbeiter» profilierten und sich als klarer Ansprechpartner zu positionieren versuchten, liess sich auf bürgerlicher Seite ein «Rumpelstilzchen-Effekt» beobachten, ä la: «Wie gut, wie gut, dass niemand weiss, dass ich Kapitalist und Bürgertum heiss.»75 Solche Begriffe wurden von links in denunziatorischer Absicht verwendet, während sich die bürgerliche Seite mit Selbstcharakterisierun­ gen bedeckt hielt. Und während die organisierte Arbeiterbewegung Ge­ waltverzicht übte, auf paramilitärische Formationen verzichtete und dafür auf politische Mobilisierung setzte, erprobten bürgerliche Kreise neue, materiell aufwendige und kostspielige Methoden der Angstpropaganda und rüsteten mit den Bürgerwehren ein Gewaltpotenzial auf, mit dem sie in kritischer Lage den staatlichen Institutionen zu Hilfe eilen wollten. Diese gewaltbereite Hintergrundpräsenz, verbunden mit provokativen Auftrit­ ten, vor allem bei Arbeitskämpfen und Demonstrationen, war gleichsam ein extrakonstitutioneller Beitrag zur Beruhigung der sozialen Situation. Anders als in Italien agierten die rechtsbürgerlichen Verbände und Bünde in der Schweiz nicht gegen, sondern mit dem Staat. Die 1920er Jahre sind allgemein durch eine «Stabilität der Links-rechts-Polarisierung»?6 charak­ terisiert, in welcher der innenpolitisch nach wie vor tonangebende Freisinn auch reformerische Impulse freisetzte. Im koordinierten Kapitalismus, der in den Kriegsjahren institutionell verfestigt worden war, gab es Spielräume für eine bilaterale und partielle Integration der Arbeiterbewegung in ein Sozialpartnerschaftsmodell.77 Die Linke blieb allerdings im politischen System in einer subalternen Stellung; ihre strukturelle Schwäche war noto­ risch geworden und sollte dies für den Rest des Jahrhunderts bleiben.

ZWEITER TEIL

Bedrohte Nation, offene Volkswirtschaft

5. Dissonanzen der Moderne um 1925

Kulturelle Moderation in den «Golden Twenties» 1926 publizierte das US Department of Commerce den Bericht «Swit­ zerland. Resources, Industries and Trade», in dem festgestellt wird, die Schweiz verdiene als Konkurrent und Markt (der USA) viel höhere Auf­ merksamkeit, als Territorium und Bevölkerung dies vermuten liessen.1 Die schweizerische Industrie und Landwirtschaft seien in allen zentralen Berei­ chen immer stärker von Importen abhängig geworden. Vor allem die Not­ wendigkeit, Rohstoffe einzuführen, habe mit fortschreitender Industriali­ sierung stark zugenommen. Umgekehrt könne nur ein kleiner Prozentsatz der typischen Industrieprodukte im Inland abgesetzt werden, so dass auch exportseitig eine starke Abhängigkeit von Auslandsmärkten bestehe.2 Der Bericht hält fest, die Marketingmethoden in der Schweiz seien ziemlich dieselben wie in den USA. Obwohl das schweizerische Publikum im Allge­ meinen konservativ eingestellt sei, seien keine Vorurteile gegen breite Pro­ duktwerbung erkennbar.3 Die Schweiz wird hier als Land gesehen, in dem normatives Beharrungsvermögen und kommerzielle Innovationskraft keine Gegensätze darstellen. Und sie erscheint als eine vergleichsweise wohl­ habende Gesellschaft. Der Bericht stellt fest, der Reichtum sei im Verhält­ nis zur Vorkriegszeit nicht beeinträchtigt worden.4 Weder hatte hier der Krieg Zerstörungen angerichtet, noch hatte eine kriegsbedingte Inflation die Vermögen des Mittelstandes aufgezehrt, noch gelang der Linken der steuerliche Zugriff auf hohe Einkommen und Vermögen. Die Brucherfah­ rung des Ersten Weltkrieges und die sozialpolitische Kluft der Jahre da­ nach schienen in der Schweiz gekittet, es überwog in dieser Darstellung das Kontinuitätsmoment. Die Mitte der 1920er Jahre war allerdings durch einen sichtlichen Stimmungswandel charakterisiert. Die politischen und wirtschaftlichen Krisenerscheinungen, die auf den Ersten Weltkrieg folgten, waren noch immer präsent in den zeitgenössischen Debatten. Der Basler Historiker Emil Dürr beklagte 1925 die «Verwirtschaftlichung der Politik» in der

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Bedrohte Nation, offene Volkswirtschaft

Verbändedemokratie, die mit der Auflösung des «Volksganzen (...) in wirt­ schaftlich begriffene Klassen» einhergegangen sei. «Es findet damit eine fatale oder absichtsvolle Schwächung, Kompromittierung oder gar Ver­ nichtung aller höheren menschlichen, will sagen kulturellen, geistigen und religiösen Werte in der Politik statt.» Die Geschichte der Schweiz präsen­ tierte sich hier als Verfallsgeschichte, in der sich Pflichtgefühl, Dienst­ bereitschaft, Rechtsbewusstsein und alles, was Recht und Ordnung ist, auflösten. 5 Diesem Lamento über den Materialismus der Moderne standen jene Stimmen gegenüber, für welche die Steigerung des materiellen Lebensstan­ dards eine bessere und auch eine unterhaltsamere Zukunft versprach. Die aufstrebenden Massenmedien verbreiteten etwas vom Chic der «goldenen Zwanziger» auch in Bevölkerungsschichten, die noch kaum etwas von die­ sen neuen Verheissungen verspürten. Doch atmosphärisch hellten sich die gesellschaftlichen Zustände auf. «Amerikanisierung» hiess nun nicht mehr vor allem Herrschaft der Mechanisierung, sondern Zugang zu Konsum­ chancen. Damit veränderten sich auch die Rollenbilder für Männer und Frauen, es lockerten sich die strengen Sitten, es öffneten sich neue Räume für billige Unterhaltung und kleine Vergnügen. Die moralischen Garanten einer patriarchalischen und industriellen Ordnung, die ebenso in den katho­ lisch-konservativen Landesgegenden wie in den industriell entwickelten Zentren der Schweiz zu finden waren, wurden durch diese Herausforde­ rung verunsichert. Der parteipolitisch schrumpfende Freisinn zeigte sich über eine zunehmende Interesselosigkeit der Bürger besorgt. Und die Linke sah in der stärker werdenden Konsumorientierung nicht nur einen Erfolgs­ indikator für ihre Forderungspolitik, sondern auch einen Zersetzungs­ faktor für Klassenbewusstsein und eine Zerstreuung politischer Mobili­ sierungsenergien. In den gesellschaftlichen Selbstverständigungsdiskursen machten sich diese Spannungsmomente auf unterschiedliche Weise be­ merkbar, und entsprechend viele Klangfarben waren aus diesen Dissonan­ zen der Moderne herauszuhören. Gleichzeitig näherten sich um die Mitte der 1920er Jahre die sozial ver­ feindeten, sich bekämpfenden Richtungen - von der Linken über die Bürgerlich-Liberalen bis hin zu den Katholisch-Konservativen - einander an. Dies geschah auf dem Boden einer neuen, klassenübergreifenden Vor­ stellung von gesellschaftlicher Normalität und wirtschaftlicher Produk­ tivität. Solange die politischen Auseinandersetzungen um traditionelle Themen der Sozial-, Steuer- und Wirtschaftspolitik kreisten, standen sich zwar nach wie vor eine proletarische Linke und ein Bürger-Bauern-Block in klarer Frontstellung gegenüber. Die Lagermentalität in der Arbeiterbe­

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wegung und die Blockstimmung auf Seiten bürgerlicher Kräfte verhinder­ ten allerdings nicht die Herausbildung einer gemeinsamen soziokulturellen Allergie gegen «abweichendes und irrationales Verhalten». Dies zeigte sich bei den Auseinandersetzungen um das erste schweize­ rische Betäubungsmittelgesetz, das am 1. August 1925 in Kraft gesetzt wurde. Die weitgehend in Basel angesiedelte chemisch-pharmazeutische Industrie hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg eine starke Präsenz in der Alkaloidproduktion aufgebaut. Zu den wichtigsten Exportartikeln ge­ hörten Kokain, Morphium und Diacetylmorphin, das unter dem Mar­ kennamen «Heroin» bekannt war und durch die Schweizer Konkurrenz kopiert wurde. In den Kriegsjahren nahm dieses Geschäft einen starken Aufschwung; nach Kriegsende übten allerdings die auf eine weltweite Dro­ genprohibition hinarbeitenden USA und der Völkerbund Druck auf die Schweiz aus. Letztere war 1919 zum Freihandel zurückgekehrt, befand sich damit im Narkotika-Bereich auf globalpolitischem Kollisionskurs und musste schliesslich aufgrund handfester Drohungen nachgeben.61924 verabschiedete das Parlament in aller Eile ein Betäubungsmittelgesetz; sämtliche Parteien unterstützten die im Zeichen der «Volksgesundheit» stehende Vorlage. Der Kampf gegen «Rauschgifte» vereinigte ordnungslie­ bende Bürgerliche, sittenstrenge Katholiken und klassenbewusste Arbeiter. Die in anderen Politikbereichen wirksame Klassenkampfkonstellation wurde durch einen Normalitätskonsens unterlaufen. Die Industrie hinge­ gen erhielt zunächst noch legale Ausfuhrmöglichkeiten (und hielt bei der Heroinproduktion noch für einige Jahre die Weltspitze), bevor sie auf die Erforschung und Herstellung neuer, synthetischer Schmerz- und Heilmittel einbog und das Interesse an den Coca- und Opium-Alkaloiden verlor. Auch in anderen Bereichen baute die Linke unversöhnliche Klassen­ positionen ab und begann, auf den graduellen Umbau des bürgerlichen Staates und der kapitalistischen Wirtschaft zu setzen. 1924 gelangte ein Zyklus von «wilden» Streikbewegungen, der von radikaleren Kräften und anarcho-syndikalistischen Strömungen in der Arbeiterbewegung mitgetragen worden war, an sein Ende. Die Zahl der Arbeitskämpfe, die zwischen 1917 und 1920 noch durchschnittlich 1700 Fälle pro Jahr be­ trug, ging im Zeitraum 1921 bis 1924 um 60 Prozent zurück, um zwi­ schen 1925 und 1928 nochmals um fast 40 Prozent zu sinken. Die Gewerkschaften nutzten den Einbruch der Streikkonjunktur, um ihre Position als Ordnungsfaktor nach innen, gegenüber ihren Mitgliedern, zu stärken und damit ihre Verhandlungsmacht zu erhöhen. Damit be­ wegten sie sich mit pragmatischen Forderungen auf einen moderaten Verteilungskampf zu.

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Dies war aus gewerkschaftlicher Sicht auch deswegen attraktiv, weil die ländliche Industrialisierung einer effizienten Organisation und einer kämpferischen Politik der schweizerischen Arbeiterschaft strukturelle Schwierigkeiten entgegensetzte. Auf Gewerkschaftskongressen wurde der Stereotyp des unpolitischen «Rucksackbauern» und «Halbbauern» herauf­ beschworen. 7 Unter diesen Bedingungen ist es nicht erstaunlich, dass der Schweizerische Gewerkschaftsbund 19x7 den Passus über die «Diktatur des Proletariats» und den Klassenkampfgedanken aus seinen Statuten strich. Im selben Jahr wurde, vor allem um einen Eisenbahnerstreik zu ver­ unmöglichen, ein Streikverbot für Bundesbeamte erlassen.8 Damit wurde jene Entwicklung eingeleitet, die einerseits die Streikneigung bei wichtigen Gewerkschaftsorganisationen reduzierte und andererseits die Streikfreiheit staatlicherseits beschnitt. Der Weg in den «Arbeitsfrieden» der Nachkriegs­ zeit verlief allerdings keineswegs linear und konfliktlos. Doch konnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunehmend auf den Streitgegenstand in Verteilungskonflikten einigen. Dass dies vor dem Ersten Weltkrieg meist nicht möglich war, hing damit zusammen, dass Vorstellungen wie «Volks­ einkommen» und «Reallohn» (im Sinne der effektiven Kaufkraft, über die Lohnerwerbstätige verfügen konnten) nicht verfügbar waren. Erst in den 1920er Jahren wurden sie als kognitive Konzepte und statistische Kon­ strukte (im Falle des «Reallohns») geschaffen oder (im Falle des Volksein­ kommens) handlungsrelevant. Eine zentrale Verständigungsgrundlage war der Konsumentenpreis­ index, der benötigt wurde, um von den ausbezahlten Nominallöhnen auf die Kaufkraft (d. h. den «Reallohn») zu schliessen. Dieser Index war des­ halb ein komplexes Konstrukt, weil die Preisentwicklung für verschiedene Einzelgüter gewichtet werden musste, wozu wiederum Haushaltsrechnun­ gen benötigt wurden. Das Eidgenössische Arbeitsamt (das spätere Bun­ desamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, BIGA) hatte 1920 den Auftrag erhalten, die Entwicklung der Kosten der Lebenshaltung regelmässig zu berechnen und die Resultate zu publizieren. Ab 1923 fanden in einer «Grossen Indexkonferenz» Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über die Berechnungsgrundlagen statt, während parallel dazu eine «Kleine Indexkonferenz» das statistisch-mathematische Hand­ werkszeug bereitstellte. 1925 wurden diese Gespräche weitergeführt, und ein Jahr darauf entstand die - während des ganzen 20. Jahrhunderts be­ stehende - Sozialstatistische Kommission. Der aus diesen Verhandlungen hervorgehende «Verständigungsindex» ermöglichte es, die statistischen Erhebungs- und Berechnungsmethoden von den politischen Tageskämpfen abzukoppeln und neue Ansätze einer klassenübergreifenden Kooperation

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auf ebenso wissenschaftlich wie konsensual abgesicherten Informations­ grundlagen abzustützen.? Zudem begannen sich nationalökonomisch geschulte Gewerkschaftsver­ treter verstärkt mit makroökonomischen Zusammenhängen zu befassen. Die Diskussion um Taylorismus und Fordismus wurde aus der defensiven Frontstellung gegen unternehmerische Ausbeutungsmethoden herausge­ löst und mit Fragen nach Verfahren und Konsequenzen von Produktivi­ tätssteigerung verknüpft. Auch Gewerkschaftsvertreter akzeptierten jetzt die allgemeine Tatsache, dass das, was verteilt werden kann, zuerst produ­ ziert werden muss. Gleichzeitig machten sie Argumente stark, welche die Abhängigkeit des volkswirtschaftlichen Produktionsergebnisses von nach­ frageseitigen Faktoren hervorhoben. Wenn die Kaufkraft hinter der Pro­ duktivität hinterherhinkte - so die damals erst implizite These -, dann können die Märkte nicht geräumt werden, wodurch die Industrie in eine Unterkonsumptionskrise gerate, die sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeit­ geber schädige. Dieses Argument wurde Anfang der 1930er Jahre zu einer «Massenkaufkrafttheorie» weiterentwickelt, mit der unterschiedliche Absichten verfolgt wurden. Deren eine - und die bald dominierende - Les­ art darin bestand, in hohen Löhnen auch für «das Kapital» einen Nutzen zu sehen, vorausgesetzt, die Unternehmer sind in der Lage, ihre kurz­ sichtige Profitorientierung zu überwinden und in gesamtwirtschaftlichen Kategorien zu denken.10 Unter der Federführung von Max Weber (des späteren Schweizer Bundesrats) wurden Gewerkschaftsfunktionäre zu An­ wälten eines gesamtwirtschaftlichen Interesses, das schliesslich auch durch die SPS, die zunächst noch in systemalternativen Kategorien argumen­ tierte, aufgenommen und in linke Volksgemeinschaftstheorien übersetzt wurde. In einer solchen Konzeption erschien der Staat immer stärker als Garant einer ausgeglichenen Entwicklung der Volkswirtschaft. Konjunktu­ relle Fragen stiessen unter diesen Bedingungen gesellschaftsübergreifend auf Interesse. Der sozialreformerisch eingestellte Freiburger Privatdozent Jacob Lorenz konstatierte schon 1924 eine «Konjunktur der Konjunktur».11 Konzeptionelle Überlegungen und statistische Verfahren beförderten auf diese Weise die Rationalisierung der Auseinandersetzungen auf dem Ar­ beitsmarkt. Sie leisteten einem institutionalisierten Bargaining der «organi­ sierten Interessen» im Rahmen einer Sozialpartnerschaft Vorschub und machten die kapitalistische Gesellschaft als «Volksgemeinschaft» denkbar, worauf die Sozialdemokratie seit 1933, als die politische Bedrohung der Demokratie augenscheinlich geworden war, hinarbeitete. Gerade weil die Linke in den 1930er Jahren ihre Forderungen immer häufiger mit einem Rekurs auf die «Volksgemeinschaft» begründete, blieb dieser Begriff in der

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Schweiz politisch polyvalent. Diese integrative Einstellung wirkte sicher­ lich streikdämpfend - sie konnte aber, was sich seit 1943/43 zeigen sollte, Konflikte um die Durchsetzung von Gesamtarbeitsverträgen auch intensi­ vieren. Mitte der 1920er Jahre war allerdings diese Drift in Richtung eines gesamtarbeitsvertraglich regulierten Arbeitsmarktes noch nicht erkennbar: Die Entwicklung der Sozialpolitik war festgefahren. Reformpostulate aus der Zeit, als der Freisinn noch die Aspiration hatte, einen Staat für alle zu vertreten, wurden nun finanzpolitisch ausgebremst. Die Geschichte, die Mitte der 1920er Jahre mit einer Blockade endete, setzte den Schrump­ fungsvorgang der Kranken- und Unfallversicherung fort, die im Jahre 1898 als Rumpfprojekt der stolzen, aber an vielfältigen Widerständen ge­ scheiterten Vorlage von 1890 angenommen worden war. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war die komplementäre Forderung nach einer Alters­ und Hinterbliebenenversicherung (AHV) neu lanciert worden; meist hatte man auch eine Invalidenversicherung mitgedacht. 1912 hatte Nationalrat Heinrich Otto Weber aus St. Gallen eine entsprechende Motion eingereicht. Während der Kriegsjahre wurde die Diskussion ausgesetzt, 1918 kam sie wieder ins Rollen und wurde durch eine ganze Reihe von Vorstössen von (jung-)liberaler und katholisch-konservativer Seite orchestriert. Auch nach dem Ersten Weltkrieg gab es Freisinnige, die an die Vorkriegstradition der sozialen Ausgleich schaffenden Staatsintervention anknüpften und sich für die Schaffung einer Sozialversicherung einsetzten. Einer der profilierten Köpfe dieser Richtung war der Basler Strafrichter Christian Rothenberger, der zwischen 1908 und 1919 einen Nationalratssitz innehatte. Im Wissen um die Finanzierungsprobleme, die einer zügigen Realisierung einer AHV entgegenstanden, schlug Rothenberger in der parlamentarischen Debatte um die Erhebung einer neuen ausserordentlichen Kriegssteuer 1919 vor, es seien aus dem Steuerertrag 200 Millionen Franken in einen AHV-Fonds abzuzweigen. Als er unterlag, startete er eine Volksinitiative, die im darauf­ folgenden Frühjahr eingereicht wurde und zu welcher die Landesregierung am 18. Mai 1920 Stellung bezog.12 Auch der Bundesrat betonte, «dass er die Errichtung dieses Versicherungswerkes als die vornehmste und drin­ gendste Aufgabe für den weiteren Ausbau unseres Staatswesens zum So­ zialstaat auffasst und gewillt ist, sie möglichst rasch der Verwirklichung entgegenzuführen». Schon 1919 hatte er allerdings klargestellt, dass dies ohne ausreichende Finanzierungsgrundlage nicht möglich sei - was ja auch der Grund war für Rothenbergers Motion, dafür Steuergelder zu reservieren. Indem der Bundesrat betonte, «das grosse Werk» müsse «für alle Zukunft vor der Gefahr gesichert werden, einst infolge ungenügender finanzieller Mittel in der Erfüllung seiner Aufgaben gehemmt zu sein», und

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«das Volk, zu dessen Wohl die Versicherung errichtet werden soll», dürfe sich «niemals infolge des finanziellen Unvermögens dieses Werkes in sei­ nen Hoffnungen getäuscht sehen», erstellte er selber unüberwindbare Hin­ dernisse für die Realisierung des Vorschlags. Rothenberger wurde kriti­ siert, weil er dieses Sozialwerk auf dem Rücken der nächsten Generation schaffen wolle, während es doch darum gehe, auf die «Opferbereitschaft des Schweizervolkes» zu zählen und für die Finanzierung neue Steuerquel­ len zu erschliessen. Das Primat der Finanzierungsfrage führte zur Feststel­ lung, die Initiative Rothenberger stelle sich «in diametralen Gegensatz zu dem soeben dargelegten Standpunkt des Bundesrates».1? Das war ein deutlicher Aufruf zur Desertion. Von allen bürgerlichen Geistern verlassen und fast nur noch von der Arbeiterbewegung unter­ stützt, scheiterte die von einem Freisinnigen auf den Weg gebrachte Volks­ initiative im Mai 1925 an der Urne mit 58 Prozent Nein-Stimmen. Im Dezember desselben Jahres wurde daraufhin eine vom Bundesrat unter­ stützte Verfassungsgrundlage für eine AHV mit fast zwei Dritteln Ja-Stim­ men angenommen. Die Vorlage enthielt eine Verpflichtung des Bundes, ein solches Versicherungswerk einzuführen. Weil die Mittel fehlten, blieb es noch für mehr als 20 Jahre beim Verfassungsgrundsatz. Erst 1947/48 wurde die AHV schliesslich verwirklicht. Dasselbe passierte auch mit der Mutterschaftsversicherung. Die Schweiz hatte 1877 als erstes Land in Europa ein Arbeitsverbot für Wöchnerinnen eingeführt. Dieser arbeitende Frauen diskriminierende Ansatz sollte 1920/21 durch eine Versicherungs­ lösung ergänzt werden, der alle Parteien zustimmten. Bundesrat und Par­ lament stoppten das Projekt aus Kostengründen. Mitte der 1920er Jahre waren die sozialpolitischen Weichen in Richtung eines jahrzehntelangen Nichtstuns gestellt. Es gab auch Auseinandersetzungen, in denen die parteipolitische Aus­ grenzung der Linken nicht funktionierte. Im Ersten Weltkrieg wurde eine staatliche Import-Export-Kontrolle für Getreide geschaffen; der Bundes­ rat wollte dieses «Getreidemonopol» abschaffen und setzte dafür auf den Dezember 1926 eine Volksabstimmung an. Wie schon bei der Betäu­ bungsmittelgesetzgebung wurden hier die klassenantagonistischen Front­ stellungen durchbrochen. Die Arbeiterbewegung und der Bauernverband kämpften gemeinsam für das Monopol. Um die Entstehung einer «rot-grü­ nen» Allianz zu verhindern und die Bauern wieder in den Bürgerblock einzubinden, starteten rechtsbürgerliche Kreise unter anderem eine Kam­ pagne gegen die Wahl des Sozialdemokraten und Landesstreikführers Robert Grimm zum Vizepräsidenten des Nationalrates, mit der sie Erfolg hatten.’4

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Auch das eugenische Gedankengut wies keinen Klassencharakter auf. Die Eugenik fand in weiten Bevölkerungskreisen und auch in der Arbei­ terbewegung Resonanz. Es gab in der Schweiz indessen kein institutionell koordiniertes, rechtlich kodifiziertes medizinisch-administratives Projekt einer Rassenhygiene. Doch eugenische Motive fanden sich in Rechts­ kodifizierungen (Eheartikel im Zivilgesetzbuch von 1912) ebenso wie in psychiatrischen Gutachten zur Sterilisierung von Frauen, bei Ehebera­ tungsstellen und in Volksaufklärungsbroschüren. Die politische Finalität eugenischer Massnahmen reichte von der «Gesunderhaltung der Rasse» und des «Schweizervolkes» über die administrative Kontrolle von Unter­ schichten und Frauen bis hin zur allgemeinen Senkung sozialer und medi­ zinischer Kosten im Dienste eines gesunden Staatshaushaltes. Seit Mitte der 1920er Jahre setzte sich ein sozialsanitarisches und homogenisierendes Verständnis von Gesellschaft durch, dessen Anfänge weit verzweigt ins 19. Jahrhundert und noch weiter zurückreichten. Nun erhielt diese stärker als zuvor politische Schubkraft, was auch die Diskriminierung missliebiger sozialer Gruppen verstärkte. Diese Ausgrenzung ging einher mit der Schliessung der Gesellschaft von der normativen Mitte her. Es baute sich ein Normalitätskonsens in ver­ schiedenen Bereichen des Alltagslebens auf. Die Selbstbild der Schweiz war «propre en ordre».’s Schon Mitte der 1920er Jahre kam die Hoffnung auf, dass der polarisierende Klassenkampf durch die Entwicklung hin zu einer Mittelstandsgesellschaft überwunden werden könnte. Negativ defi­ niert, zählten zum Mittelstand jene Schichten, die weder dem Proletariat noch dem Bürgertum angehörten, die jedoch bürgerlichen Werten ver­ pflichtet und mit einem relativen Wohlstand gesegnet waren. Ende der 1920er Jahre sollte Felix Somary die Schweiz in einer solchen Perspektive wie folgt charakterisieren: «Ohne Grossgrundbesitz, mit wenig ganz kon­ zentrierten Industrieunternehmungen ist die Schweiz geradezu ein typi­ sches Beispiel für zahlreich entwickelte selbständige Mittelunternehmun­ gen in Industrie und Handel. Bolschewismus wäre ebenso undenkbar wie Industriefeudalismus, und gerade die Kleinbürgerlichkeit und Kleinbäuerlichkeit hat hier die Züge des Liberalismus am stärksten zu erhalten ver­ mocht.»16

Finanzplatz, Steuerwettbewerb, Wirtschaftsfestung 1925 war die Schweiz faktisch zum Goldstandard und - was die Bindung des Schweizerfrankens an das Gold anbelangt - zur Vorkriegsparität zu­ rückgekehrt. '7 Damit folgte sie einem Kurs, den damals alle wichtigen Staa­ ten - mit mehr oder weniger Erfolg - einschlugen. Auch wenn die Goldbin-

y. Dissonanzen der Moderne um i4° 1924 rüttelte der frühere Verding­ bub und Schriftsteller Carl Albert Loosli mit einem Erfahrungs-und Doku­ mentationsbuch die Öffentlichkeit auf. Seine unter dem Titel «Anstalts­ leben» veröffentlichten «Betrachtungen und Gedanken eines ehemaligen Anstaltszöglings»'4! stellten eine fulminante Kritik an der «Administrativ­ justiz» dar. Loosli äusserte die Meinung, dass diese Praxis mit ihren Will­ kür- und Zwangselementen das «normale Rechtsbewusstsein unsers Vol­ kes» aufs Tiefste erschüttern müssten. Er wies unentwegt auf Artikel 4 der Bundesverfassung hin («Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich.») und führte auch Artikel 58 ins Feld, der besagt, es dürfe in der Schweiz «nie­ mand (...) seinem verfassungsmässigen Richter entzogen» und es dürften auch «keine Ausnahmegerichte eingeführt» werden. 1938 sprach Loosli von «Schweizerischen Konzentrationslagern», in denen Versorgte als «jeglichen Rechts auf alle Zeiten hinaus beraubte Staatssklaven» gehalten würden."»1 Ein Grund dafür, dass diese Kritik kaum auf Widerhall stiess, bestand in der weitverbreiteten Sorge um die Gesundheit des «Volkskörpers».143 Diese sollte auch mit eugenischen Massnahmen gesichert werden. Eugenik spielte im landesweiten Netzwerk von Eheberatungsstellen und bei der Sterilisation von Frauen, die damit von weiterem Nachwuchs abgehalten wurden, eine Rolle. ’44 Untersuchungen für den Kanton Zürich zeigen, dass seit den 1920er Jahren Tausende von Frauen staatlich autorisiert und psychiatrisch beglaubigt sterilisiert wurden. Das genaue Ausmass dieser Massnahmen, bei denen Eugenik, Geschlechterordnung und Staatsfinan­ zen eng zusammengedacht wurden, lässt sich nicht mehr feststellen. Für den Kanton Zürich zeigt sich, dass die Psychiater der Poliklinik in ihren Gutachten weit mehr (sozial-(psychiatrische als eugenische Indikationen stellten. Die Experten wollten in erster Linie verhindern, dass ledige, junge Frauen durch diesen chirurgischen Eingriff ihre Heiratsfähigkeit einbüssten und dann dem Staat finanziell zur Last fielen. Umgekehrt ging man bei verheiraten Frauen, die schon Kinder hatten, davon aus, weiterer Nach­ wuchs könnte kostentreibend wirken. Solche Überlegungen steuerten die medizinischen Eingriffe in einem beträchtlichen Ausmass, wobei das Junktim zwischen Abtreibung und Sterilisation (Erstere nur, wenn auch Letztere) ein starkes Zwangsmoment ins Spiel brachten. Diese Kriterien hinderten die psychiatrischen Gutachter allerdings nicht daran, in etwa 30 Prozent der Fälle die betreffenden Frauen auch mit erbgesundheitlichen Vorhaltungen zu diskreditieren. ’45 War die Indikation einmal auf Eugenik festgelegt, so erhöhte diese ideologische Fixierung die Wahrscheinlichkeit, dass der Eingriff bei Frauen auch tatsächlich durchgeführt wurde.'46 Eine Mischung von eugenischen, sozialen und finanziellen Gesichts-

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punkten zeigt sich auch bei der Blossstellung von Behinderten als erbkrankmachende Belastungsfaktoren. Propagiert wurden die Pflege «biologischer Volksgrundlagen», die «Erbgesundheit» und die «Eindämmung ungesun­ den Lebens». Ziel einer «konstruktiven Sozialpolitik» sollte «die mög­ lichste Ausmerzung des Schwächlichen im Laufe der Zeit» sein.1'*? Bundes­ rat Philipp Etter sprach von einer «Armee von 200000 Anormalen» und zählte namentlich auf: 2600 Blinde, 8000 Taubstumme, 40000 Schwer­ hörige, 50000 Krüppelhafte, 20000 Epileptische und 70000 Geistes­ schwache sowie Geisteskranke.1*8 Diese «Armee» verschlinge Finanzmit­ tel, die dann bei der richtigen Armee fehlten. Die volkswirtschaftlichen Kosten, die dem Staat für die Betreuung und Versorgung von Behinderten erwuchsen, hatten ein starkes Gewicht in einem multifaktoriellen Volks­ gesundheits-Diskurs. Auch die Ängste, die Schweiz würde bei anhaltend tiefer Geburtenrate bald aussterben - wie sie vor allem ab 1931 auf einem Tiefpunkt der demographischen Entwicklung geäussert wurden -, waren stark wirtschaftlich begründet. Die Schreckensprognose eines «überalter­ ten Volkes» war zugleich der Albtraum einer Volkswirtschaft, die ihre In­ novationsdynamik und Weltmarktstellung eingebüsst hatte. Die Bauern durften sich in dieser desparaten Lage zwar weiterhin als «Jungbrunnen der Volkskraft» im Dienste der nationalen «Blutauffrischung» anpreisen;1*? dies hinderte die Landwirtschaftspolitik allerdings nicht daran, den Anteil des Agrarsektors an der Gesamtbeschäftigung laufend zu senken. All diese Entwicklungen standen durchaus in einer Wechselwirkung mit der «Geis­ tigen Landesverteidigung»; sie lassen sich in ihrer Plausibilität und ihrer Durchsetzungskraft allerdings keineswegs auf diese reduzieren. Dasselbe gilt in noch erhöhtem Masse für die Rassenhygiene. Den Ex­ ponenten der physischen Anthropologie in der Schweiz ging es nicht um die Festigung eines politischen «Schweizertums», sondern um ihre inter­ nationale Anerkennung als Wissenschaftler.1’0 Diese Tradition reichte bis ins 19. Jahrhundert zurück. Schon in den 1890er Jahren war der Zürcher Ordinarius Rudolf Martin einer der führenden internationalen Spezialisten der Rassenvermessung. Auch nach 1918 schien die anthropologische Kon­ struktion eines Homo alpinus helveticus kaum Möglichkeiten einer biolo­ gischen Fundierung der Nationalgeschichte zu bieten. Der Nachfolger von Martin, Otto Schlaginhaufen, der von Rassenvermischungsängsten geplagt wurde, amtete von 1928 bis 1968 als Präsident der Julius-Klaus-Stiftung für Vererbungsforschung, Sozialanthropologie und Rassenhygiene, die sich an internationalen Forschungsansätzen orientierte. Schlaginhaufen machte sich durchaus für eugenische Forderungen, so z. B. für ein Verbot von «Mischehen», stark, und unter seiner Leitung vermassen zwischen

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192.7 und 1932 Mitarbeiter/innen seines Instituts über 35000 Stellungs­ pflichtige der Schweizer Armee, um die Rassenzusammensetzung der Schweizer Bevölkerung zu bestimmen. Rasch stellte sich heraus, dass sich der Anteil des Homo alpinus helveticus auf nur 1,9 Prozent belief, was den Versuch, die schweizerische Nationalgeschichte mit einer Rassenanthro­ pologie zu versöhnen, schon in den 1930er Jahren ad absurdum führte.1!1 So schrieb Philipp Etter als Spiritus rector der «Geistigen Landesvertei­ digung» in der (bereits erwähnten) Regierungsbotschaft von 1938, der «schweizerische Staatsgedanke» sei «nicht aus der Rasse, nicht aus dem Fleisch, er ist aus dem Geist geboren».1!2 Umso ausgeprägter kristallisierten sich diffuse Bedrohungsgefühle und Überfremdungsängste an der Flüchtlingsfrage. Diese Abwehrenergien wa­ ren unter dem Eindruck der zunehmenden Judenfeindlichkeit in Europa antisemitisch aufgeladen worden. Juden wurden - so Fremdenpolizeichef Rothmund - als «artfremde Elemente» wahrgenommen, und so bürgerten sich antisemitische Wendungen wie «Kampf gegen die Verjudung der Schweiz» im Behördenjargon ein. Rassekategorien wie «Arier» oder «Nicht­ arier» wurden vielerorts mit grosser Selbstverständlichkeit verwendet.1» Max Frisch, der später erfolgreiche Schriftsteller, erhielt 1936 bei der An­ meldung der Heirat mit einer deutschen Jüdin im Zürcher Stadthaus un­ verlangt einen amtlichen Arier-Ausweis, den er auf der Stelle zerriss. »4 Auch an den schweizerischen Hochschulen äusserte sich Antisemitismus, der von einzelnen Exponenten zurückgewiesen wurde: So bemerkte 1938 ein ETH-Schulrat, die Politik laufe Gefahr, «die Judenverfolgung zu unter­ stützen und die Verfolger zu schützen».»s Zwei spektakuläre und international beachtete Fälle stellten den schwei­ zerischen Rechtsstaat auf die Probe. 1933 erhob der Schweizerische Israe­ litische Gemeindebund (SIG) Strafanzeige gegen Mitglieder frontistischer Organisationen, welche mit den «Protokollen der Weisen von Zion» eine antisemitische Hetzkampagne eröffnet hatten. Da es keine gesetzliche Grundlage gab, um dagegen einzuschreiten, verwiesen die jüdischen Klä­ ger auf das 1916 erlassene bernische Gesetz über das Lichtspielwesen und Massnahmen gegen die Schundliteratur. Prominente Zeugen (unter ihnen Chaim Weizmann) und Experten (besonders einprägsam Carl Albert Loosli) wiesen nach, dass es sich bei den Protokollen um eine judenfeind­ liche Fälschung handelt. Auch wenn die 1935 ausgesprochenen und 1937 revidierten Strafen eher symbolischen Charakter hatten, enthüllte der Pro­ zess die Machenschaften der Frontenbewegung. So hielt das Gericht un­ missverständlich fest: «Wer aber solche Hetzartikel gemeinster Sorte in Verkehr setzt, muss die ihm daraus entstehenden Kosten selber tragen.»»6

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Der zweite Fall betraf die Ermordung des deutschen Nationalsozialisten und Landesgruppenleiters der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz, Wilhelm Gustloff, am 4. Februar 1936 in Davos. Der Täter, der Medizin­ student David Frankfurter, der Sohn eines Rabbiners war, legte vor dem Gericht in Chur ein volles Geständnis ab. Gegen die antisemitische Pro­ paganda, die zu öffentlichen Vergeltungsaktionen aufrief, beharrten die Richter auf einem regulären Verfahren. Dieses endete für Frankfurter mit einem harten Urteil (18 Jahre Haft und anschließende lebenslängliche Landesverweisung). Frankfurter kam 1945 aufgrund eines Gnadengesu­ ches frei; die letztere Strafe wurde 1969 vom Bündner Parlament zurück­ genommen. '57 Beide Beispiele verdeutlichen, dass die Unabhängigkeit der Justiz in der Schweiz gewährleistet war; dass - gerade im Fall Frankfur­ ter - harte Urteile gefällt wurden, war nicht Ausdruck einer Politisierung, sondern gehörte zum gerichtlichen courant normal. Da, wo das Justizsystem gegen die antisemitische Einstellung vieler Be­ hörden hätte vorgehen müssen, hat es rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht standgehalten. Als im März 1938 die deutsche Wehrmacht in Österreich einmarschierte, reisten über 3 000 Flüchtlinge legal in die Schweiz ein. Die in der «ältesten Ostmark des Deutschen Volkes» (so Hitler) sofort ein­ setzenden Verfolgungen bestätigten die schweizerischen Befürchtungen, das Problem könnte sich rasch verschärfen. Der Schweizer Gesandte in Deutschland, Hans Frölicher, äusserte gegenüber den Behörden des NS-Regimes, die Schweiz wolle keinen Zuzug von Juden aus dem Reiches8 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement regte die Wiedereinführung der Visumspflicht für Deutsch-Österreicher an. Dabei wurde argumen­ tiert, «wenn wir einer unseres Landes unwürdigen antisemitischen Be­ wegung nicht berechtigten Boden schaffen wollen», müssten «wir uns mit aller Kraft und wenn nötig mit Rücksichtslosigkeit der Zuwanderung aus­ ländischer Juden erwehren, ganz besonders vom Osten her».‘59 Als die österreichischen durch deutsche Pässe ersetzt wurden, drängte sich des­ halb eine Massnahme zur Unterscheidung von jüdischen und nicht-jüdi­ schen deutschen Staatsangehörigen auf. Von welcher Seite in den deutsch-schweizerischen Verhandlungen die Anregung für den J-Stempel kam und welche Rolle insbesondere der Leiter der schweizerischen Dele­ gation, Heinrich Rothmund, spielte, lässt sich aus den Akten nicht eindeu­ tig eruieren, wie der 1957 publizierte Ludwig-Bericht, die Studie von Alfred A. Häsler und der UEK-Bericht gleichermassen festhalten.160 Die Indizienkette, die für eine schweizerische Initiative spricht, ist allerdings erdrückend, da der J-Stempel in der Eidgenössischen Verwaltung schon spätestens seit 1919 zur Anwendung kam. So wurden die Akten vor allem

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von osteuropäischen Juden - zwar nicht systematisch, aber häufig - ver­ waltungsintern markiert, mit einem Davidsstern oder einem J-Zeichen. 1936 wurde der J-Stempel in der Bundesverwaltung und im Kanton Waadt zur regulären Abstempelung der Formulare eingesetzt. Damit wurde jene Stigmatisierung eingeübt, die nun offiziell werden sollte. Es war die Schweiz, welche nach Mitteln und Wegen suchte, um - wie der Schweizer Minister in Berlin, Hans Frölicher, bemerkte - «einreisende Emigranten zu kontrollieren und zu sieben».161 Das Null-Ergebnis der im Juli 1938 in Evian stattfindenden internationalen Flüchtlingskonferenz, auf der sämt­ liche vertretenen Nationen eine Verantwortung von sich wiesen, beschleu­ nigte den Verhandlungsprozess. Ende September einigten sich Deutsche und Schweizer auf ein gut sichtbares «J» in einem Kreis von ca. 2 Zentimeter Durchmesser. Probestempelungen wurden in der Eidgenössischen Druckund Materialzentrale auf ihre «Resistenz» hin geprüft - mit dem positiven Befund, dass die spurlose Beseitigung des «Merkmals» nicht möglich sei. Ab Oktober 1938 war damit die Visumspflicht für deutsche «Nichtarier» Tatsache. Die Schweiz übernahm die antisemitische und rassistische Defi­ nition der Nürnberger Rassengesetze als Grundlage für die Einreisebestim­ mungen. Aufgrund der «Reziprozitätserklärung» liefen auch die jüdischen Schweizer Staatsbürger Gefahr, dass ihre Pässe mit einem J-Stempel ver­ sehen würden.162 Dieses Problem wurde später nicht mehr aktuell; hingegen hatte die Stempelung für die betroffenen jüdischen Deutschen eine transnationale Dimension, weil damit ihre Flucht auch in andere Staaten erschwert wurde und weil sie auch in Drittländern wie Frankreich gezwungen wurden, den diskriminierenden Stempel auf dem deutschen Konsulat zu holen. Schwe­ den konnte sich ebenfalls zu einer Massnahme, die «von einem Land wie der Schweiz» angewandt wurde, entschliessen.16? Die Einführung des J-Stempels hatte - wie der Schweizerische Beobachter in einem ersten Be­ richt darüber feststellte - «eine Art Denunziation der Juden bei natio­ nalsozialistischen Polizeibehörden» zur Folge.'6« Europaweit wurden zwischen 100000 und 200000 solche stigmatisierenden Zeichen in Pässe gestempelt.i65 Der gegenüber flüchtenden Jüdinnen und Juden 1938 einge­ nommenen Haltung kam in der Schweiz eine Vorreiterrolle für die Grenz­ schliessung und Rückweisungspraxis ab Sommer 1942 zu. Noch bis zum Juli 1944 weigerten sich die Schweizer Behörden, diese Verfolgten als politische Flüchtlinge anzuerkennen. Wer «nur aus Rassengründen» floh, konnte kein Asylrecht beanspruchen. Der 1957 publizierte Ludwig-Bericht stellte jedenfalls fest, eine «weniger zurückhaltende Zulassungspolitik» hätte «unzählige Verfolgte vor der Vernichtung bewahrt».'66 Es gehört zu

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den signifikanten Ereignissen der schweizerischen Flüchtlingspolitik, dass der St. Galier Polizeikommandant Paul Grüninger, der 1938/39 Hunder­ ten von Jüdinnen und Juden das Leben rettete, indem er ihnen durch Vor­ datierung der Einreisevisa und/oder Fälschung anderer Dokumente die Einreise in die Schweiz ermöglichte, seine Anstellung verlor. Er wurde 1940 mit einer hohen Geldstrafe belegt und zu Lebzeiten nie rehabilitiert. Er sollte 1972 verarmt sterben.16? Aussenpolitik zwischen Völkerbund und Achsenmächten Territorial hatte die Schweiz ihre Kleinstaatlichkeit akzeptiert, und der Bundesrat ging weder auf die Avancen bezüglich Savoyen noch auf die An­ schlussbewegung im Vorarlberg ein, wo sich 1919 immerhin 82 Prozent der Abstimmenden für einen Beitritt zur Schweiz ausgesprochen hatten. Obwohl das schweizerische Vorarlbergkomitee, das sowohl in der Deutschwie auch in der Westschweiz (insbesondere in Kreisen um Gonzague de Reynold) für eine machtbewusste Aussenpolitik eintrat, im ganzen Land für den Anschluss warb und gegen eine «schwächliche» Neutralitätshal­ tung votierte, übte sich der Bundesrat in Zurückhaltung.168 Dafür gab es verschiedene Gründe, vom Willen, das austarierte sprachlich-konfessio­ nelle Kräfteverhältnis im Innern der Schweiz nicht zu verletzen, über die wirtschaftlichen Entwicklungsunterschiede bis hin zu den Pariser Vororts­ verträgen, mit denen die schweizerische Regierung nicht in Konflikt kom­ men wollte. Der Ausbau der grenzüberschreitenden Beziehungen verlief einerseits über die Völkerbundspolitik und andererseits über die Aussenwirtschaft. Die deutsche Reichswehr hatte es von Anfang an darauf angelegt, die Rüs­ tungskontrollbestrebungen des Versailler Vertrages zu unterlaufen und die Wiederaufrüstung Deutschlands verdeckt voranzutreiben. Die Produk­ tionsbasis dieser Industrie lag zu einem Gutteil in der Schweiz. Die Ret­ tung von Vermögen in Zeiten des Währungsruins und die deutsche Revan­ chepolitik ergänzten sich hier perfekt. So war z. B. die 1906 gegründete und in den frühen 1920er Jahren dem Konkurs entgegengehende Schwei­ zerische Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (SWO) 1923 von der Mag­ deburger Werkzeugmaschinenfabrik übernommen und ab 1924 von Emil Georg Bührle mit der 20-mm-Oerlikon-Kanone auf Erfolgskurs getrimmt worden. 1929 wurde die Waffenfabrik Solothurn von österreichischem Kapital und der Rheinmetall übernommen. Eine Studie spricht von einem vorsätzlichen «Exodus von deutscher Rüstungstechnologie, deutschem Kapital und (...) deutscher Militärberaterschaft», mit dem eine «export­ orientierte deutsche Off-shore Rüstungsproduktion» aufgebaut worden

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sei. Die Schweiz war für diese Auslagerungsoperation weniger wichtig als Schweden oder die Niederlande, doch aufgrund der bis 1938 fehlen­ den behördlichen Kontrollen leisteten Firmen wie die Schweizerische In­ dustrie-Gesellschaft SIG (Schaffhausen), die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (Oerlikon bei Zürich), die Waffenfabrik Solothurn AG, das Flug­ zeugmontage-Werk Dornier (Altenrhein) oder Wild (Heerbrugg) einen spezifischen und wichtigen Beitrag zur verdeckten deutschen Wiederauf­ rüstung. Eine besonders schillernde Figur war der ehemalige Generalstabs­ chef und spätere Frontistenführer Emil Sonderegger, der im Auftrag der SIG und einer weiteren Waffenschmiede ab 1924 bis zu seinem Tode 1934 ganz Europa bereiste.169 Der Bundesrat liess diese Entwicklung zu, weil er aus «gleichgewichtspolitischen» Gründen bei Deutschland einen Nachrüstungs-, bei den Alliierten hingegen einen Abrüstungsbedarf konstatierte.1?0 Die «Machtergreifung» Hitlers Ende Januar 1933 wurde von der bürger­ lichen Schweizer Presse vorwiegend unter dem Aspekt der Herstellung von Ordnung registriert und positiv beurteilt. Während der nationale Distan­ zierungsreflex intakt blieb, stiess die Zerschlagung der «kommunistischen Gefahr» zunächst auf Sympathie. In den darauffolgenden Jahren häuften sich kritische Stimmen. Für hohe Wogen in der Presseberichterstattung sorgte im Frühjahr 1935 Berthold Jacob (Salomon), der in Basel von der Gestapo entführt wurde. Jacob hatte in den 1920er Jahren zusammen mit Carl von Ossietzky in der «Weltbühne» die illegale Aufrüstung der Reichs­ wehr kritisiert und war dafür in einem politischen Schauprozess zu neun Monaten Festungshaft verurteilt worden. Aufgrund der heftigen schwei­ zerischen Proteste wurde Jacob im selben Jahr wieder den Schweizer Be­ hörden übergeben.1?1 Gerade aufgrund dieser Erfahrung brach ein eigent­ licher Nervenkrieg um die Pressefreiheit aus; insbesondere der deutsche Gesandte in der Schweiz, Ernst von Weizsäcker, der 1936 die Ausbürge­ rung von Thomas Mann vorschlug, versuchte mit dem Argument einer Pflicht zur «Gesinnungsneutralität», die Schweizer Medien auf einen deutschlandfreundlicheren Kurs zu trimmen, wobei er stets das Argument ausspielte, er sei ein «Freund der Schweiz». 1938, zum Zeitpunkt seiner Rückkehr nach Berlin, wo er als erster Staatssekretär des Auswärtigen Amtes fungierte, hatte er gegenüber dem Schweizer Gesandten in Paris, Walter Stucki, die Ansicht geäussert, die deutschen Juden würden nicht in Deutschland bleiben können und sähen, da niemand sie aufnehmen wolle - so fasst Stucki zusammen -, «über kurz oder lang ihrer vollständi­ gen Vernichtung entgegen »J?1 Zunehmend wurden in der Schweiz die machtpolitischen Aspirationen des «Dritten Reiches» als eine Bedrohung wahrgenommen. Der erste

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Punkt des Parteiprogramms der Nationalsozialisten lautete: «Wir fordern den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungs­ rechtes der Völker zu einem Groß-Deutschland.» Der «Anschluss» Öster­ reichs im März 1938 war die Probe aufs Exempel. Die massenmedial multi­ plizierten Bilder begeisterter Zustimmung von «heim ins Reich» geholten Österreichern zeigte, wie Sprachgemeinschaft und «Volksstammverbunden­ heit» als Argumente für völkerrechtswidrige Eroberungen und Annexionen eingesetzt werden konnten. Für die Schweiz stellte das unvermittelte Weg­ brechen eines Nachbarstaates eine Verschlechterung ihrer aussenpolitischen Lage dar. Nichtsdestotrotz telegrafierte der deutsche Gesandte Köcher nach Berlin: «Bundesrat Motta mir gegenüber ausgedrückte Bewunderung über Art und Weise Durchführung des Anschlusses durch Führer, den er infolge innenpolitischer Zerrissenheit Österreichs seit langem als unabwendbar angesehen habe.» Der Historiker Edgar Bonjour verwahrte sich gegen die Interpretation, Motta habe damit gegenüber Deutschland «Glückwün­ sche» ausgesprochen; er möchte «höchstens eine Anerkennung heraushö­ ren», hält aber den Bericht Köchers, «ausgenommen gewissen Nuancen, für richtig».’73 Dass Motta anschliessend in seiner Erklärung vor der Bun­ desversammlung die Unentbehrlichkeit der schweizerischen Neutralität «für die Aufrechterhaltung des europäischen Gleichgewichts» beschwor, machte deutlich, wie sehr die Aussenpolitik des neutralen Kleinstaates auch in der Zwischenkriegszeit in den politischen Problemkonstruktionen des 19. Jahrhunderts verankert war. Der Spanische Bürgerkrieg, der im Juli 1936 mit dem Putsch nationalis­ tischer Generäle gegen die Republik ausbrach, wirkte sich in ganz Europa als «Polarisator» aus. Ob der Faschismus in Europa gestoppt werden könne oder nicht: Diese Frage schien sich in Spanien zu entscheiden. Die Diktaturen stellten sich auf die Seite des Militärputsches und unterstützten Franco mit Kriegsmaterial und Spezialtruppen. Die Demokratien enga­ gierten sich für die Republik, praktizierten jedoch eine Politik der Nichtein­ mischung und verboten Waffenlieferungen.'74 Die Schweiz zog mit, wurde aber dennoch zur merkwürdigen Ausnahme. Die Arbeiterbewegung rief u. a. mit einer grossen Demonstration in Basel am 11. August - zur Solida­ rität mit der Volksfront auf, weil es hier auch «um die heiligsten Güter des Schweizervolkes» gehe. Rund 800 «freiheitsliebende Schweizerbürger» kämpften auf Seiten der Republik für «Recht und Gerechtigkeit» (so ein entsprechendes Manifest der Sozialdemokratischen Partei). Fast ein Vier­ tel von ihnen sollte dabei das Leben verlieren.J75 Auf Seiten Francos kämpften ungefähr 40 schweizerische Freiwillige aus dem Umfeld des Frontismus.’z6

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Da die Schweiz 1927 den Eintritt in ausländische nationale Armeen ex­ plizit verbot, war die Beteiligung am Bürgerkrieg in Spanien illegal. Wurde in den 1920er Jahren mit der Erhaltung der schweizerischen Wehrkraft argumentiert, so standen nun (aussen-)politische Gründe im Zentrum. Ins Visier der Strafverfolgung rückten die Verteidiger der Republik. Am 14. August 1936 - kurz nach einem Waffenausfuhrverbot - untersagte der Bundesrat die «Spanienfahrerei» und ordnete weitere «Abwehrmassnah­ men gegen die Gefährdung der äusseren Sicherheit» an: Kommunistisches und sozialdemokratisches Propagandamaterial wurde beschlagnahmt und die Demonstrationsfreiheit eingeschränkt. *?? Ab 1937 schwenkte der Bun­ desrat, der auch immer die Interessen der 4000 «Auslandsschweizer» in Spanien im Auge hatte, auf eine Politik der De-facto-Anerkennung des Franco-Regimes ein, das ab Oktober 1938 mit bundesrätlich abgesegne­ ten Bankkrediten unterstützt wurde. Vermittlungsdienste lehnte die Schweiz ab, engagierte sich jedoch im Rahmen des Roten Kreuzes und in karitativen Aktionen. Einen Monat bevor die Franco-Truppen in Madrid einmarschierten, preschte Aussenminister Motta international vor und an­ erkannte im Februar 1939 die national-spanische Regierung formell. Gleichzeitig wurde eine im Parlament beantragte Generalamnestie für die Spanienfreiwilligen abgelehnt. Unter einer Sondergesetzgebung wurden 420 Urteile gegen Angehörige der Internationalen Brigaden gefällt. Die meisten Rückkehrer wanderten ins Gefängnis und verloren für eine Zeit lang ihre Aktivbürgerrechte - dies im Unterschied zu Tausenden, die jah­ relang im Dienst bei der französischen Fremdenlegion waren und die in der Regel nur geringe Strafen bekamen. Die Militärjustiz verurteilte zwar auch einige Anhänger Francos; die Behörden verhielten sich nach dieser Seite jedoch passiv und eher verständnisvoll. Dazu passt, dass altgediente und antikommunistische Fremdenlegionäre mit Beförderung rechnen konnten. So wurde Albert von Tscharner, der im Ersten Weltkrieg franzö­ sische Truppen kommandiert hatte, 1940 von General Guisan mit der In­ ternierung fremder Soldaten beauftragt.1?8 Insgesamt rückte die Schweiz in den ausgehenden 1930er Jahren von ei­ ner assoziativen Aussenpolitik ab. Mit dem Völkerbundsbeitritt hatte sie sich 1920 zu einer «differenziellen Neutralität» durchgerungen. Freunde der «Genfer Liga» wie der Aussenminister Motta, der die Schweiz gera­ dezu als «Land des Völkerbundes» verstand, wandten sich angesichts des Rüstungswettlaufes und des zunehmend brutalen machtpolitischen Zynis­ mus enttäuscht und ernüchtert von diesem globalen Friedenssicherungs­ versuch ab. Der neutrale Kleinstaat wollte sich angesichts einer zuneh­ mend unsicher und unberechenbar werdenden Welt und eines stockenden

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Völkerbundsapparates fortan wieder auf die «eigene Kraft» besinnen. Der «Zerbröckelungsprozesses», in dem Recht schierer Gewalt wich, schien unaufhaltsam. 1933 war Deutschland aus dem Völkerbund ausgetreten,1?’ 1937 kündigte Italien seinen Austritt an. Der Volksbund für die Unab­ hängigkeit der Schweiz trug sich schon 1936 mit dem Gedanken, eine ent­ sprechende Initiative zu lancieren. Motta arbeitete jedoch nicht auf einen Austritt, sondern darauf hin, dass sich die Schweiz nicht mehr an den Massnahmen des Völkerbundes gegen Völkerrechtsbrüche beteiligen musste. Auf diese Weise glaubte sie ihre absolute, ewige, unverbrüchliche, unbedingte Neutralität international demonstrieren zu können. Dies ent­ sprach einem innenpolitischen Bedürfnis, das zu diesem Zeitpunkt auch die Sozialdemokraten weitgehend teilten. Als der Völkerbund am 14. Mai 1938 die Schweiz einstimmig (mit der Enthaltung von Russland und China) vom Sanktionsmechanismus suspendierte, wurde dies als innen­ politischer Triumph wahrgenommen. Die öffentliche Meinung kümmerte sich wenig darum, dass die Schweiz damit den Interessen Italiens und Deutschlands zugearbeitet hatte. Köcher überbrachte Motta seine persön­ lichen Glückwünsche. Adolf Hitler zeigte sich dem Schweizer Gesandten gegenüber hocherfreut über diese Lösung. Am 21. Juni äusserten die deut­ sche und die italienische Regierung fast gleichlautend ihre Befriedigung darüber, dass sich die Schweiz von Verpflichtungen befreit habe, die «in der Tat geeignet waren, die Neutralität der Schweiz zu gefährden». Dass die deutsche Presse den schweizerischen Schritt als «neuen Beitrag für die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens» begrüsste, zeigte nur, wie sich die Achsenmächte in die Definition der Neutralität einmischten und die Aussenpolitik des neutralen Kleinstaates in ihre Richtung zu lenken versuchten.180 Dieser Zustand veränderte auch die Rolle der Schweiz als eines wich­ tigen Umschlagplatzes für Europakonzepte, die sie auch nach dem Ersten Weltkrieg erneut gespielt hatte.181 Ab Mitte der 1920er Jahre nutzten neue europapolitische Netzwerke die Schweiz als Operationsbasis. Zu nennen sind der 1926 in Basel lancierte Europäer-Bund, der ökonomische Sta­ bilität und einen demokratischen europäischen Zusammenschluss an­ strebte, und die 1923 vom schillernden Richard Coudenhove-Kalergi aus der Taufe gehobene, demokratischen Idealen verpflichtete Pan-EuropaBewegung, die mit der Vereinigung für eine europäische Staaten-Union zusammenarbeitete und 1929 für einige Jahre den französischen Aussen­ minister Aristide Briand für ihre Ziele gewinnen konnte. Seit den begin­ nenden 1930er Jahren kamen auch in der Schweiz Bewegungen wie die Union Jeune Europe auf, welche in der Schweiz das Vorbild für Europa

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sahen - und die auch etwa von Thomas Mann unterstützt wurden, der 1934 den neutralen Kleinstaat als «Vorwegnahme Europas» sah, «wie es bei glücklichem Gang der Dinge in Zukunft einmal aussehen soll».18* Im selben Jahr entstand in Basel das wichtigste helvetische Europa-Netzwerk, die Europa-Union Schweiz, die mit beträchtlichem Sendungsbewusst­ sein ein schweizerisches (föderalistisches) Modell der europäischen In­ tegration propagierte.i83 1936 reichte sie zusammen mit Pazifisten eine Volksinitiative «gegen die private Rüstungsindustrie» ein, die sich gegen die «Internationale der Rüstungsproduktion» in der Schweiz richtete (mehr als die Hälfte der Waffenfirmen befand sich in ausländischem Be­ sitz). Der Bundesrat stellte der Initiative einen Gegenvorschlag, der die Waffenausfuhr weiterhin ermöglichen sollte, entgegen, der - mit Unter­ stützung der Europa-Union, die von ihren weitergehenden Forderungen abrückte - in der Volksabstimmung vom Februar 1938 mit mehr als zwei Dritteln an Ja-Stimmen (und von allen Ständen) angenommen wurde. In der Folge rückte die Europa-Idee in den Dunstkreis nationalsozialistischer Kriegs- und Eroberungspolitik, und alternative Stimmen fanden in der Schweiz nur noch wenig Resonanz. 1940 war das «Neue Europa» aus Sicht der Frontisten deckungsgleich mit dem Herrschaftsbereich des «Drit­ ten Reiches»; entsprechend beinhaltete die Forderung nach einem «herz­ lichen Verhältnis der Schweiz zum neuen Europa» (so Robert Tobler im September 1940) eine Übernahme der nationalsozialistischen Ideologie.i84 Es waren Widerstandsgruppen, die in den letzten Kriegsjahren wiederum Europa-Ideen im Zeichen von Freiheit und Frieden formulierten und da­ mit die europäische Integration gegen das Gewaltpotenzial von Nationen richteten.

«Herrgott, ist es schön, Schweizer zu sein!» Am 6. Mai 1939 wurde in Zürich die vierte schweizerische Landesausstel­ lung mit Reden, Fliegerstaffel und Festspiel feierlich eröffnet. Bald liebevoll «Landi» genannt, war sie ein Mega-Event der Sonderklasse.l8s Erwartet wurden 4 Millionen Menschen, was knapp der damaligen Einwohnerzahl der Schweiz entsprach; schon bei der Mobilmachung der Schweizer Armee am 1. September waren 7,5 Millionen Besucher registriert. Nach dreitä­ giger Schliessung nahm sie ihren Betrieb wieder auf, und fortan sah man unter den Besuchern auch viele Soldaten. Als die Ausstellung Ende Okto­ ber ihre Tore schloss, hatten 10 Millionen diesen nationalen Wallfahrtsort gesehen. Die Einnahmen beliefen sich auf das Doppelte des Budgetierten, was es ermöglichte, die Subventionen von Bund und Kantonen zu vier Fünfteln zurückzuzahlen. Zum Erfolg trug das mediale Trommelfeuer bei.

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In 900 Schweizer Presseorganen mit einer Auflage von 8 Millionen er­ schienen 40000 Artikel und 15 000 Bilder, von denen sich viele zu Natio­ nalikonen verfestigten. Insbesondere die aufstrebende Farbfotographie spielte eine wichtige Rolle für die visuelle Repräsentation und die sym­ bolische Entzifferung des architektonischen Ensembles.186 Für die über­ wältigende Resonanz in der Öffentlichkeit entscheidend war, dass sich die Arbeiterbewegung als integraler Teil der ästhetischen Inszenierung ver­ stand. So wurde zum Tag der Arbeit ein Festspiel aufgeführt. Emblematische Bilder beschworen das «Fest der Arbeit», als das sich die Landes­ ausstellung auch verstanden wissen wollte. Während des ganzen halben Jahres visualisierten Plakate, Postkarten, Inserate, Broschüren und eine Postmarkenserie das nationale Ereignis und stärkten das emotionale Wir-Gefühl. Bundesrat Etter sprach von einer «Mobilisation des Schwei­ zer Geistes», und er gab im Geleitwort zum offiziellen Begleitband der Ausstellung den Satz eines nach dem Besuch zu Tränen gerührten Aus­ landsschweizers wieder, der ihm die Hand geschüttelt habe und nur noch sagen konnte: «Herrgott, ist es schön, Schweizer zu sein!»l87 Auch für die damals 26-jährige Schaffhauser Schriftstellerin Ruth Blum stellte ihr Besuch am «letzten stillen Samstag im August» ein prägendes Er­ lebnis dar. In einem Bericht, der im «Goldenen Buch» veröffentlicht wurde, stellte sie fest, während der ganzen Woche sei vom Krieg die Rede gewesen, ihr Bruder habe ihr aus dem Wiederholungskurs geschrieben: «Vorausge­ setzt, dass wir uns wiedersehen, bevor die Schweinerei losgeht...» Rundum hätten die Männer die Gewehre geputzt, während «sämtliche Hausfrauen (...) die Läden leer(hamsterten)». Schliesslich habe sie es nicht mehr ausge­ halten und sei mit ihrer «schönen alten Klettgauertracht (...) ins Tram ge­ stiegen, um mich an den friedlichen Gestaden des Zürichsees von diesen unerfreulichen Bildern der Kriegspsychose zu erholen». Sie nahm sich vor, die «letzten drei Fünfliber [= Fünffrankenstück]» nicht «im Dörfli zu ver­ plempern», sondern «dafür eine Gasmaske anzuschaffen», und übte sich daraufhin, bewundert von einigen Männern, im Schiessen. Gegen Abend, als es zwischen den Häusern der Ausstellung immer lebendiger wurde und sie mit einem Zürcher Winzerpaar in der Weinstube saß, wurde es ihr end­ lich «immer leichter ums Herz»: «Die Kriegsangst weicht wie ein böser Traum. Die Welt tut sich wieder auf in rosaroten und himmelblauen Far­ ben. Unter uns leuchtet der See - fern im Osten schimmern die Alpen.» Worauf der Weinbauer erklärt: «D’Mäntsche wärdet doch nid därtigi Tuble si, dass sie Chrieg afanged, bevor euisi schöni Landi fertig ischt.»188 Die Idee für eine Landesausstellung in der Limmatstadt war bereits 1925 lanciert worden, wobei sich anfänglich der Zürcher Verkehrsverein

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hervortat. Erst 1935 gab der Bundesrat seine von finanzieller Zurückhal­ tung geprägte grundsätzliche Zustimmung. Mit Armin Meili übernahm ein Architekt (und späterer FDP-Nationalrat) die Direktion, der ex post als ein mit «genialer Intuition begabter Zauberer dieser gewaltigen Lan­ desschau» verklärt wurde. Meili stand stark im Banne der aufgerüsteten Nationalkultur in den umliegenden Ländern. Er wollte «den schweizeri­ schen Menschen in seiner ganzen Vielfalt darstellen und nicht irgend einen Weltbürger».18? Sich selber als Homo helveticus bezeichnend, verstand er die Ausstellung als «Gesinnungswerbung». Als «weithin sichtbares Ereig­ nis» sollte diese «grosse Massen versammel(n) und auch das kollektive Er­ lebnis in seine Werbung mit einbezieh(en)».1?0 Meili beherrschte die Kunst, «mit der Architektur Staat zu machen». Er inszenierte allerdings die tradi­ tionelle Schweiz in moderner Form. Chefarchitekt Hans Hoffmann setzte nach dem Vorbild der Stockholmer Ausstellung von 1930 konsequent auf Holz-Pavillons. Die provisorische Leichtbauweise und die szenografische Anordnung der Gebäude förderten das gestalterische Experimentieren. Unterstützt wurde diese Architektur durch die vielseitige Verwendung von Aluminium, das in seiner Schlichtheit und Abnutzungsresistenz als «typisch schweizerisches Metall» propagiert wurde.1?1 Eine solche leichte Bauweise war damals auf vielen nationalen Ausstellungen zu sehen, nicht nur in Schweden. Doch angesichts der neu aufkommenden Prestigebauten, mit denen Italien, Deutschland und auch die Sowjetunion mit der materiellen Wucht ihrer Regimearchitektur den Machtanspruch des Staates unter­ strichen, markierte die Schweiz einen Gegenakzent und trieb fortan unter dem Etikett «Landistil» eine selbstbewusste architektonische Moderne voran, die sich von nostalgischem Retrostil und staatsmonumentalem Kitsch abhob. Im Unterschied zu früheren Landesausstellungen verbannte man dieses Mal den kommerziellen «Messecharakter». Mit dem «Landi-Dörfli» am rechten Zürichseeufer wurde das in der Schweiz bestens eingebürgerte, inzwischen auch international etablierte Format der Miniaturisierung bespielt. Doch war es nicht diese mythisch verklärte Seite, die vorherrschte. Gezeigt wurde vor allem die moderne, industrielle Schweiz. Auf dem lin­ ken Ufer kam die wirtschaftliche Leistungskraft schweizerischer Industrie­ unternehmen stärker zur Geltung.1?2 Verbunden waren die beiden Hälften über eine 900 Meter lange Seilbahn. Der Völkerrechtler Max Huber sah die «Gesamtheit des schweizerischen Schaffens» auf diese zwei Pole ver­ teilt: «Das rechte Ufer mit der Landwirtschaft, naturverbunden, eine grosse Einheit von Mensch, Boden, Pflanze, Tier, im stillen erhabenen Rhythmus der Jahreszeiten. Das linke Ufer mit der Technik, in der über-

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wältigenden Fülle und Beweglichkeit menschlichen Erfindungsgeistes.»1« Die Ausstellungsgestalter setzten aber nicht auf Kontraste, sondern auf Durchmischung. Man achtete darauf, dass Firmenmarken und Produkt­ logos in einen nationalen Rahmen integriert blieben und das gemeinsame Schweizerische betont wurde. Betont wurde die Einsicht, dass «der be­ lebende Antrieb in unserer Ökonomie von aussen kommen muss».1?« Darauf verweist auch das 100 Meter lange Monumentalbild «Ferienland der Völker» des Luzerner Malers Hans Erni, das als «humorvolle Zusam­ menfassung aller Komponenten, die zum modernen Stand unseres Touris­ mus geführt haben» vorgestellt wurde.1« Eine grosse Wandkarte zeigte «die Schweiz als Drehscheibe Europas» mit einem verkehrstechnischen Ost-West- und Nord-Süd-Kreuz des Bahnverkehrs. Zudem war die mo­ derne, mit ihren amerikanischen Flugzeugen und Stewardessen äusserst populäre Swissair als «fliegende Landeshymne» präsent, unter anderem mit dem markanten Spruch: «Ein Volk, das nicht fliegt, wird überflügelt.» Doch auch auf dem dezidiert wirtschaftlich orientierten linken Seeufer sorgte etwa der «Schifflibach» für technisch ausgefeilte Unterhaltung, wäh­ rend der von (Gemeinde-)Fahnen überdachte «Höhenweg» als Ort der sa­ kralen Selbstvergewisserung der schweizerischen Eidgenossenschaft in das kulturelle Gedächtnis einging. Die Erinnerung an die Landesausstellung machte sich allerdings nicht an der modernen Ausrichtung und der klein­ staatlichen «Leichtbauweise», sondern am behäbigen «Dörfli» auf dem rechten Seeufer fest. Hier und an anderen Vergnügungszonen zeigten sich viele «unschweizerische» Phänomene, die an einem «Schandpfahl», der auf dem Höheriweg angebracht war, zur Schau gestellt und angeprangert wurden. Hier zeigte sich eine Rückbesinnung auf eine Nation als «gesun­ der Volkskörper». Der überlebensgrosse «Soldat» des Bildhauers Hans Brandenberger, der in der Abteilung «Heimat und Volk» zu sehen war, verkörperte den Spruch: «Die Schweiz will sich verteidigen. Die Schweiz kann sich verteidigen. Die Schweiz muss sich verteidigen».1« Gleichzeitig war er kaum unterscheidbar von einer Heroisierung des Soldatischen, wie sie auch in Deutschland und Italien Furore machte. Bei allem Eingeständ­ nis, dass die Schweiz eine aussenwirtschaftsabhängige Industrienation ge­ worden war, geriet die politische Imagination immer wieder in den Bann einer kulturkonservativen und rassenhygienischen Selbstbespiegelung. Die Gefahren, auf welche die Besucherinnen und Besucher gestossen wurden, hiessen «völkisches Absterben», «Durchfremdung» und «Übersteigerung und Verkünstelung der Kultur». Der «achte Schweizer», der statt einer Schweizerin eine Ausländerin heiratete, stand auf dem Höhenweg als Sinnbild für nationales Fehlverhalten unter einer Glasglocke. Im «Golde-

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nen Buch» der Landesausstellung schrieb Arthur Mojonnier, in einer «Epoche völkischer Mystik und Rassenlehre» müsse sich die Schweiz mit ihrer «völkischen Sonderart» als historisch gewachsenes Staatsgebilde ver­ stehen und «Unschweizerisches» in all ihren Lebensäusserungen ableh­ nen.1«8 Damit wurde eine harte Demarkationslinie gezogen, an der die innere Toleranz aufhörte. Während die Schweiz mit ihrer Betonung von Föderalismus und Vielfalt innerhalb der «vaterländischen Treue auch dem kleinsten Prozentsatz des Volkes seine Eigentümlichkeit lässt», gab es für das Nicht-Dazugehörige keine Gnade. Militärisch war die Schweiz bei Kriegsausbruch am i. September 1939 genauso schwach wie im August 1914; doch in der Bevölkerung war weit­ hin der Glaube vorhanden, der in der von Ruth Blum geschilderten Szene während ihres Landesausstellungsbesuchs zum Ausdruck kam: Man ver­ traute darauf, dass sich die Konstellation des Ersten Weltkriegs auch unter völlig anderen europäischen und globalen Bedingungen wiederholen würde. Und man tat dies mit jenem «hochgemuten Pessimismus»,1«« der zum mentalen Markenzeichen dieser Phase geworden war.

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Année terrible Als am i. September 1939 die deutsche Wehrmacht in Polen einfiel, herrschte in der Schweiz gespanntes Abwarten. Die Regierung hatte Ende August 1939 den «Aktivdienst» beschlossen, und der General ordnete auf den 2. September die Generalmobilmachung der Schweizer Armee an. 430 000 Dienstpflichtige rückten ein, 200 000 Hilfsdienstpflichtige wurden für die «Grenzbesetzung» aufgeboten. Sie schworen, «der Eidgenossen­ schaft die Treue zu halten; für die Verteidigung des Vaterlandes und seiner Verfassung Leib und Leben aufzuopfern; die Fahne niemals zu verlassen» und Gehorsam zu leisten.1 Der Winter 1939/40 stand im Westen im Zei­ chen einer drôle de guerre, die Schweiz baute ihre Truppenbestände bis Februar 1940 auf 174 000 Mann ab. Ab Dezember 1939 fand der finnische Winterkrieg starke Beachtung; dass sich die finnischen «Lotta» mit be­ scheidener Ausrüstung in Schneegelände gegen die Sowjetunion behaup­ teten, brachte ihnen in der schweizerischen Bevölkerung breite Sympa­ thien ein. Im April 1940 kam mit der deutschen Besetzung Dänemarks und Norwegens erneut Bewegung in das Kriegsgeschehen. In der Schweiz wur­ den Ängste genährt, dass ein Angriff auf das Land bevorstehen könnte. Am ro. Mai 1940 setzte mit dem plötzlichen Überfall der Wehrmacht

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auf Frankreich und die neutralen Staaten Niederlande, Belgien und Luxem­ burg eine dramatische und bedrohliche Phase ein. Die Schweiz remobilisierte die Truppen, und im Juni 1940 erreichte die Armee mit 448 000 Mann ihren historischen Höchststand. An der Grenze stehend, mussten diese Truppenverbände erfahren, wie die deutsche Wehrmacht die als unein­ nehmbar geltende Maginot-Linie der Franzosen im Blitzkrieg durchbrach.2 Der Angriff kam dank der hoch mobilen «verbundenen Waffen» mit un­ heimlichem Tempo voran. Am 17. Juni erklärte Ministerpräsident Philippe Pétain die Kapitulation der französischen Force armée. Am 21. Juni emp­ fing Hitler die französischen Unterhändler im symbolträchtigen Wald von Compiègne, am Tag darauf unterzeichnete Frankreich den Waffenstillstand. Es war - wie Marc Bloch festhielt - eine «seltsame Niederlage» - oder, aus umgekehrter Perspektive, ein «seltsamer Sieg», welcher der Schweiz einen mächtigen Schock versetzte.? Das einst grosse Vertrauen in die französi­ sche Armee war zerstört. Die schweizerische Regierung liess während der ganzen Offensive nichts von sich hören. Während Tagen wartete die zwischen Panik und Lähmung schwankende Bevölkerung vergeblich auf eine Stellungnahme. Es schien, als habe es dem Bundesrat die Sprache verschlagen. Doch dann, am 25. Juni, am Tage, als der deutsch-französische Waffenstillstand in Kraft trat, ergriff Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz im Radio das Wort: «Eid­ genossen, Ihr fragtet Euch gewiss schon, warum ich so lange - während vollen sieben Wochen - das Stillschweigen beobachtet habe. Wusste der Bundesrat nichts zu sagen angesichts der Ereignisse, die sich wie ein tragi­ scher Film auf der Weltleinwand abwickelten?» Auf die rhetorische Frage folgte der Aufruf, «der Regierung zu folgen als einem sicheren und hin­ gehenden Führer (guide), der seine Entscheidungen nicht immer wird er­ klären, erläutern und begründen können».4 Denn: «Die Ereignisse mar­ schieren schnell. Man muss sich ihrem Rhythmus anpassen.» Nach aussen bedeute dies: Die Schweiz gliedert sich wirtschaftlich in das «neue Europa» ein. Denn es gelte, «unter allen Umständen» Arbeit zu beschaffen, «koste es, was es wolle», was auch eine «teilweise und stufenweise Demobilma­ chung» der Armee bedinge. Nach innen kündigte der Magistrat eine auto­ ritäre Reform des Bundesstaates und eine «Totalrevision der Bundesver­ fassung» an. Die Schweiz müsse nun eine aus ihren Traditionen geborene «Erneuerung» wagen. Wie viele sich diese (gleichzeitig auf Deutsch und Italienisch ausgestrahlte) Rede angehört hatten, bleibt unklar. Auf die meisten wirkte sie jedenfalls niederschmetternd. Für Markus Feldmann, BGB-Nationalrat (und späterer Bundesrat), war die Regierung auf einen «Pétain-Kurs» eingeschwenkt, s

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Die Schweiz befand sich im Sommer dieser année terrible6 in einer nie da gewesenen Situation. Sie war (fast) vollständig von den Achsenmäch­ ten umzingelt.? Das traditionelle Konzept der Neutralität, das, wie im Deutsch-Französischen Krieg und im Ersten Weltkrieg, von zwei grenz­ nahen Krieg führenden Gegnern ausging, schien ausgehebelt. Die sieges­ erprobte Heeresgruppe C der Wehrmacht stand mit 29 Infanteriedivisio­ nen, vier Panzerdivisionen und nochmals vier motorisierten Divisionen direkt an der Schweizer Westgrenze. Die improvisiert aufgestellte Schwei­ zerarmee hätte der Angriffsmacht der Panzergruppe Guderian mit etwa 900 Panzerfahrzeugen nichts Effektives entgegensetzen können.8 So lag der kleine neutrale Staat «wie ein Ei in einer gepanzerten Faust» - wie ein Beobachter rückblickend festhielt.» Unsicherheit und Ungewissheit breite­ ten sich aus. Daraus resultierten Verwirrung und Angst, aber auch Ent­ schlossenheit und Kampfbereitschaft. Aufrufe zur fundamentalen «Erneue­ rung» wechselten sich ab mit solchen zum «unbedingten Widerstand». Die aufgewühlte, facettenreiche Stimmungslage war durch fliessende Übergänge geprägt. Die frontistischen Organisationen aus den 1930er Jahren hörten nun endlich ihre Stunde schlagen. «Wir haben Recht be­ kommen in allen wesentlichen Punkten», schrieb eines ihrer Blätter.10 Und es formierten sich neue Organisationen. Der Historiker Herbert Lüthy sprach rückblickend von der «Geschichte eines möglichen Zusammen­ bruchs, der nicht eintrat»,11 und schilderte eindringlich diese von «flüstern­ der Pläneschmiederei und Geheimbündelei erfüllten Julitage»,11 in denen innere Destabilisierung und äusserer Druck zusammenwirkten. Beide, die Schweiz und Deutschland, hatten damals «gewartet» - im ersten Falle auf die Rettung, im zweiten auf die Eroberung. Dieser Zustand des Abwartens setzte sich fort. «Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, die nehmen wir im Rückzug ein», skandierten die Wehrmachtsoldaten nach dem Waffen­ stillstand in Italien im Herbst 1943.'3 Es waren die Alliierten, welche mit ihren militärischen Siegen über die Achsenmächte ab 1942 auch die Exis­ tenz der kriegsverschonten Staaten nachhaltig gesichert haben.‘4

Reaktionen der Schweiz im Kraftfeld des Krieges Die Vorbereitungen auf den Krieg begannen in den ausgehenden 1930er Jahren. Die Verquickung von Politik und Geschäft, von Landesinteressen und Privatzwecken zeigte sich dabei auf Schritt und Tritt. Im Februar 1937 reiste Alt-Bundesrat Edmund Schulthess nach Berlin. Dort festigte er Kon­ takte zu deutschen Wirtschaftskreisen und erhielt von Hitler höchst­ persönlich das, worum sich der schweizerische Aussenminister Motta ver­ geblich bemüht hatte: eine offizielle Anerkennung, dass Deutschland «die

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Unverletzlichkeit und Neutralität der Schweiz respektieren» werde.1? Das war allerdings angesichts von Hitlers Machtpolitik, die sich wenig um das Völkerrecht scherte, nicht viel mehr als ein leeres Versprechen. Der Vorste­ her des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, Hermann Obrecht, erklärte am 16. März 1939 vor der Neuen Helvetischen Gesellschaft: «Das Ausland muss es wissen: Wer uns ehrt und in Ruhe lässt, ist unser Freund. Wer dagegen unsere Unabhängigkeit und unsere politische Unversehrtheit angreifen sollte, dem wartet der Krieg! Wir Schweizer werden nicht zuerst ins Ausland wallfahrten gehen.» Dieses Statement war nicht, wie das die Nationalgeschichtsschreibung sah, an Berlin, sondern in erster Linie an die Kreise um Schulthess adressiert. Aber auch für Obrecht, früher Verwal­ tungsratspräsident der von Deutschland kontrollierten Waffenfabrik Solo­ thurn AG, war klar, dass eine aussenwirtschaftliche Kooperation gesucht werden musste.16 Über das ganze Parteienspektrum hinweg und entsprechend unter­ schiedlich motiviert versuchten die massgeblichen politischen Kräfte Zu­ stände, wie sie im Ersten Weltkrieg geherrscht hatten, zu vermeiden. Der Bundesrat erklärte, es gelte diesmal, den «Schiebern und Spekulanten» präventiv das Handwerk zu legen. Regierung und Unternehmertum waren fest gewillt, die Kontrolle des Aussenhandels selber in die Hand zu neh­ men und keine direkte Einmischung Krieg führender Mächte zu dulden. Bei Kriegsausbruch nahm die kriegswirtschaftliche Schattenorganisation offiziell ihren Betrieb auf; die neu geschaffenen Syndikate, die stark von privatwirtschaftlichen Interessen dominiert waren, übernahmen die Ver­ teilung volkswirtschaftlicher Ressourcen sowie vielfältige Lenkungs- und Koordinationsfunktionen. Diese Bottow-wp-Organisation stärkte korpo­ ratistische Elemente der schweizerischen Wirtschaft, bremste den Aufbau einer sich verselbständigenden bürokratischen Grossorganisation und er­ leichterte den Informations- und Kommunikationsfluss zwischen Unter­ nehmen und Behörden. Zugleich sicherte sie die optimale Durchsetzung privatwirtschaftlicher Interessen im Gefüge staatlicher Einrichtungen und bei den Verhandlungen nach aussen. Am 30. August 1939 wählte die Bundesversammlung den Waadtländer Henri Guisan zum Oberbefehlshaber (General) der Schweizer Armee. Die­ ser setzte sich gegen den Konkurrenten Ulrich Wille, den Sohn des Generals aus dem Ersten Weltkrieg, durch, der zuvor versucht hatte, sich mittels In­ trigen auf diesen Posten zu hieven. Das politische Risiko einer Wille-Wahl erschien allerdings über die Parteien hinweg als zu gross. Guisan wurde mit neun Zehnteln aller Stimmen gewählt. Er war bisher nicht als grosser Stratege aufgefallen und ein wenig beschriebenes Blatt. Er stammte aus

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einem rechtsbürgerlich-reaktionären Milieu, war ein Bewunderer Musso­ linis und hatte noch 1934 in einer Rede an der ETH in Zürich die Jugend­ politik im faschistischen Italien und im nationalsozialistischen Deutsch­ land als vorbildlich hingestellt.1 r Seine antisemitische Einstellung lässt sich durch den ganzen Krieg hindurch verfolgen, und regelmässig gratulierte er dem Oberhaupt des Vichy-Staates, Philippe Pétain, zum Geburtstag. Doch nun, anlässlich der Generalswahl, erschien er - auch mangels glaubwürdi­ ger Alternativen - der beste Garant einer einigen und unabhängigen Schweiz. Der emotionale Bedarf nach einer nationalen Identifikationsfigur war gross - und der neu erkorene General hatte das Format, dieses Profil auszufüllen. Er tat dies mit einer gewissen Lust und Leichtigkeit, die einen Kontrast darstellte zur Schwere der Zeit. War die Armee noch aufgrund der Furcht vor einer französischen Neu­ tralitätsverletzung mobilisiert worden, so sah Guisan rasch, dass die mili­ tärische Gefahr aus dem Norden kam. Er entpuppte sich rasch als Heer­ führer, der mit einem persönlichen Stab von Vertrauensleuten und mittels schriftlicher Rapporte die renitente Offiziersopposition aus der Deutsch­ schweiz effizient unter Kontrolle brachte. Die «Frontisten-Untersuchung» im Offizierskorps, die er am 10. Mai 1940 anordnete, zeigte wiederum, dass es ihm nicht um hartes Durchgreifen ging. Nur gerade 7 der zunächst 150, dann 124 auf einer Liste von Rechtsextremen stehenden Offiziere wurden belangt. Guisan unterstützte in einigen Fällen explizit die Weiter­ beförderung von «Fröntlern».' 8 Im April 1944 lehnte er eine vom Chef des Eidgenössischen Militärdepartements geforderte «Säuberung» des Offi­ zierskorps ab. Er wollte Kritik von der Armee fernhalten. An der Spitze griff er allerdings durch. Im Frühjahr 1940 entliess er den Chef des Gene­ ralstabs. Im Herbst 1941 versetzte er Oberst Gustav Däniker in den Ruhe­ stand, 1942 schob er Korpskommandant Ulrich Wille ab.19 Als General war Guisan ein begnadeter Selbstdarsteller, der virtuos auf der Medienkla­ viatur spielte und sein visuelles Image professionell managte. Er wusste, wie man «beim Volk» ankam. Indem er offen auf die sozialdemokratische Arbeiterbewegung zuging, verhalf er der «Geistigen Landesverteidigung» auch in der Armee zum Durchbruch. Er erklomm rasch die Spitzenposi­ tion auf der nationalen Popularitätsskala und stieg zur überparteilichen Integrationsfigur auf. Er stellte die Personifikation des militärischen Wider­ standswillens und der territorialen Integrität des Landes dar. In derselben Sitzung des 30. August, in der die Wahl Guisans zum Ge­ neral erfolgte, wurden dem Bundesrat wie schon 1914 ausserordentliche Vollmachten «zum Schutze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität» übertragen. Wiederum ging die Schweiz mit diesen Massnah­

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men weit über das hinaus, was Krieg führende Demokratien an notrechtli­ cher Konzentration legislativer Entscheidungskompetenz bei der Exekutive für notwendig erachteten. Auf dieser «Verfassung neben der Verfassung»20 beruhten nicht nur die meisten kriegswirtschaftlichen Vorkehrungen, son­ dern insbesondere auch die Flüchtlingspolitik. Um zu verhindern, dass das Vollmachtenregime erneut die innenpolitische Entzweiung vertiefte, wurde es dieses Mal mit einigen Kontrollen versehen. Eine ständige Parla­ mentskommission begleitete und überwachte die Regierungspolitik. Die Legislative behielt sich das Recht vor, über die Verlängerung der dring­ lichen Beschlüsse zu entscheiden und sie, falls keine Notlage mehr erkenn­ bar war, aufzuheben. So erleichterten die Vollmachten die Herausbildung der Konkordanzdemokratie der Nachkriegszeit. Trotz dieser funktionalen Umpolung blieb das Verfahren juristisch ebenso problematisch wie ein Vierteljahrhundert zuvor. Der (damals junge) Zürcher Staatsrechtler Zac­ caria Giacometti sprach von einer verfassungswidrigen «kommissarischen Diktatur der Bundesbürokratie» mit «autoritären und totalitären Tenden­ zen».21 In seinen Vorlesungen soll er, mit dem Fingerring auf ein Buch klopfend, deklamiert haben: «Wenn Sie nach Bern kommen, da zeigt man Ihnen die schweizerische Bundesverfassung. Und was sehen Sie? Ein Loch sehen Sie.»22 In der Rechtswissenschaft vermochte sich Giacometti, der im Übrigen das Vollmachtenregime in politischer Hinsicht durchaus für nötig hielt, mit seiner Interpretation nicht durchzusetzen.2s

Ein heisser Sommer Wie lange die Schweizer Armee im Sommer 1940 einem deutschen Angriff hätte standhalten können, lässt sich empirisch nicht feststellen. Und wie die «Erneuerer» vorgegangen wären, hätten sie ihre Pläne umsetzen kön­ nen, bleibt im Reich von Vermutungen. Gerade diese analytische Unmög­ lichkeit, eine zeitgenössische Lage, in der eine grosse Ungewissheit herrschte, durch nachträgliches Wissen der Geschichtswissenschaft zu füllen, legt es nahe, nach Optionen und Alternativen zu fragen. Dabei ist die während der Nachkriegszeit populäre Gegenüberstellung einer «kleinen Minder­ heit» von Rechtsextremisten bzw. Anhängern des NS-Regimes und einer «grossen Mehrheit» rechtschaffener Schweizerinnen und Schweizer wenig hilfreich.24 Die innere Dynamik ergab sich aus einer anderen Differenz: Es gab auf der einen Seite jene Gruppierungen auch innerhalb der bürger­ lichen Elite, für die der machtpolitische Aufstieg des Nationalsozialismus eine weltgeschichtliche Zäsur anzeigte. Zentral waren die Absage an die Werte-Trias der Französischen Revolution «Freiheit - Gleichheit - Brüder­ lichkeit», die daraus folgende Ablehnung der rationalisierenden Tenden­

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zen der Moderne und die Verabsolutierung kollektiver Identitätskonzepte. Die Morgenröte einer «ewigen Schweiz» und einer «wahren Nation» be­ flügelte die autoritätsgläubigen Geister zur Rechten. Auf der anderen Seite kritisierten die sozialdemokratische Arbeiterbewegung und liberale Ver­ fechter demokratischer Staatlichkeit die autoritären Tendenzen in einem breiten Spektrum von «Erneuerern». Auch diese Kreise waren durch die gesellschaftliche Moderne verunsichert und strebten einen innenpolitischen Ausgleich im Zeichen einer nicht völkisch, sondern politisch definierten «Volksgemeinschaft» an. Sie verteidigten den modernen schweizerischen Bundesstaat und die demokratischen Werte, für die er stand. Auf Seiten jener Kräfte, die Liberalismus und Sozialismus ablehnten, wollte man den neuen Schwung, der vom militärischen Erfolg des «Dritten Reiches» ausging, für den entschlossenen Umbau des Landes nutzen - bei gleichzeitigem Festhalten an der Idee eines eigenständigen Staates. Paradig­ matisch für diese Richtung war die Denkschrift, die der Generalstabsoffizier Gustav Däniker 1941 nach einer Deutschlandreise verfasste. Er kritisierte, dass sich die Schweiz etwas darauf einbilde, «fernerhin als «Querschläger» durch ein neues Europa zu fliegen», und forderte eine umgehende freiwil­ lige Einordnung in das «neue Europa» Hitlers und eine Knebelung der Presse. In dieser Totalanpassung sollte gerade der Schlüssel zur Eigenstaat­ lichkeit der Schweiz liegen.2? Auch Gonzague de Reynold arbeitete konse­ quent auf eine «autoritäre Demokratie» und einen «Ständestaat» hin. Er forderte zunächst, der katholisch-konservative Bundesrat Philipp Etter müsse umgehend zum Landammann einer christlich erneuerten Eidgenos­ senschaft erhoben werden. Nach dem Scheitern dieses Plans im Juli 1940 deklamierte er, nun müsse der Bundesrat in corpore «die Führung einer nationalen Erneuerung» übernehmen.16 Eine ähnliche Position vertrat insbesondere eine Organisation namens Gotthardbund, die unmittelbar nach der Niederlage Frankreichs entstan­ den war. Für diesen Bund war klar, dass die Schweiz «an einer kommenden Neuordnung mitarbeiten» müsse: «Wir wollen das Vergangene ruhen las­ sen, uns freudig der kommenden Zeit zuwenden und wieder ein Volk der Zukunft sein!»27 Unter dem Eindruck der radikal neuen Situation in Europa wurde mit der Forderung nach einem «umstürzenden Wirtschaftsdenken», nach einer Säuberung der Bundesverwaltung, einer Lenkung der öffentli­ chen Meinung und der Liquidation der politischen Parteien die innere An­ passung der Schweiz vorangetrieben. Gleichzeitig hielt der Gotthardbund den Gedanken nationaler Unabhängigkeit hoch, was im Endeffekt auf eine trotzige Selbstgleichschaltung der Schweiz unter Wahrung ihrer National­ souveränität und ihrer föderalistischen Tradition hinausgelaufen wäre.

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Der Gotthardbund vereinigte vor allem rechtsbürgerliche, wirtschaftslibe­ rale Milieus; der Vorschlag, Juden und Freimaurern sei die Mitgliedschaft zu verbieten, wurde in die offenere Bestimmung umgesetzt, wonach Mit­ gliedschaftsanträge ohne Begründung abgelehnt werden konnten. Dass auch gewerkschaftliche Vertreter des «Arbeitsfriedens» wie Konrad Ilg und Arthur Steiner dem Gotthardbund nahestanden, brachte den Rechts­ drall zum Ausdruck, den die «Geistige Landesverteidigung» auf die Arbei­ terbewegung ausübte. Die Sozialdemokratie wahrte indessen Distanz und verbot 1941 die doppelte Mitgliedschaft.28 Die Gegenposition zu den «Erneuerern» vertraten Organisationen wie die zum selben Zeitpunkt im Sommer 1940 entstandene Aktion nationaler Widerstand, die liberale Bürgerliche und Sozialdemokraten zusammen­ brachte und sich gegen Vereinigungen wie den Gotthardbund richtete obwohl auch hier die personelle Trennschärfe nicht durchweg gegeben war. Trotz gelegentlicher personeller Seitenwechsel unterschieden sich die Grundpositionen markant. Aus liberal-demokratisch-republikanischer Perspektive musste die Schweiz dafür sorgen, dass ihre Staatsstruktur nicht durch innenpolitische Kräfte unterminiert wurde, die den Druck von aussen als Hebel für einen inneren Kurswechsel einsetzen wollten. Länger­ fristig verband sich damit die Einsicht, dass das kleine Land auf die Befrei­ ung Europas durch die Kriegsgegner des Nationalsozialismus hoffen musste. So schrieb der Sozialdemokrat Walther Bringolf in seinen 1940 ver­ öffentlichten «Perspektiven der sozialistischen Bewegung der Schweiz»: «Wir müssen den Sieg der Westmächte nicht nur wünschen, sondern wol­ len.» Dass in der Bevölkerung viele diese Erwartung hegten (die sich nach 1942 neben der USA auch auf die Sowjetunion erstreckte), brachte ein damals geflügeltes Wort zum Ausdruck: «Die Schweizer arbeiten sechs Tage pro Woche für die Deutschen und beten am Sonntag für den Sieg der Alliierten.» Im «heissen Sommer» 1940 liefen die Gegensätze vielfach durch die politisch Handelnden hindurch. So brauchte man sich in einer fundamen­ tal verunsicherten Gegenwart nicht auf die eine oder andere Seite festzu­ legen. Das grosse Problem war, dass sich diese Ambivalenz auch in der Regierung zeigte. Entgegen der Annahme, der Bundesrat, aus dem 1940 gleich drei Mitglieder ausschieden (Minger, Obrecht und Motta, der im Januar im Amt starb), habe während der Kriegsjahre und insbesondere 1940 eine schwache Figur abgegeben, hatten einzelne Mitglieder der Lan­ desregierung durchaus eine Linie, die jener der Erneuerer gefährlich nahe kam. Nachdem Pilet-Golaz am 1. August 1940 eine Delegation des Volks­ bundes für die Unabhängigkeit der Schweiz (VUS) empfangen hatte, wel-

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ehe der unabhängigen Schweizer Presse ein Ende setzten wollte, gewährte er am io. September drei bekannten Vertretern der rechtsextremen Natio­ nalen Bewegung der Schweiz eine Audienz, über die in Deutschland sehr positiv berichtet wurde, während Nationalrat Markus Feldmann (der spä­ tere Bundesrat) in sein Tagebuch notierte, Pilet-Golaz sei «drauf und dran, nun gleichzeitig aussen- und innenpolitisch die schärfste Krise heraufzube­ schwören».1» Für den Bundesrat war es allerdings äusserst wichtig, die Ansätze einer nationalen Neuorientierung unter gouvernementaler Kontrolle zu halten. Aus diesem Grund drängten sich immer wieder Massnahmen gegen eine ausländische (und primär die deutsche) Propaganda auf. Im Frühjahr 1940 wurde mit der Schweizerischen Filmwochenschau ein wirksames Ge­ gengewicht zur erdrückenden Präsenz der deutschen Kriegspropaganda im Schweizer Kino geschaffen. Ende November 1940 verbot die Regierung dann endlich die «Nationale Bewegung der Schweiz», und zwar zusam­ men mit der Kommunistischen Partei; bei letzterer sorgten Hausdurchsu­ chungen und Verhaftungen in der ganzen Schweiz für eine besonders kon­ sequente Umsetzung.?0 Hingegen blieben Bewegungen, die sich wie die Eidgenössische Sammlung offen zum «Dritten Reich» bekannten, auch nach dem November 1940 legal. Bereits im Herbst 1940 hatte sich die innenpolitische Lage bereits wie­ der etwas stabilisiert. Die Erneuerer setzten nun den Bundesrat direkt un­ ter Druck. Mitte November 1940 wurde diesem eine vor allem vom VUS getragene Petition mit 173 Unterschriften, die «Eingabe der 200», über­ reicht. Gefordert wurden die Entfernung kritischer Redakteure, Journalis­ ten und Beamten, das Verbot von liberalen und linken Presseorganen, die Intensivierung der kulturellen Beziehungen zu den Nachbarstaaten und die Auflösung des Völkerbundsekretariats in Genf. Der ganze Vorstoss war prononciert antidemokratisch und griff wichtige Forderungen des «Dritten Reiches» gegenüber der Schweiz auf. Einige Hauptinitiatoren hatten zuvor mit dem SS-Führer Klaus Hügel Gespräche über Pressefragen geführt. Das, was der Sozialdemokrat Walther Bringolf, der nach dem Krieg die Affäre der 200 lostreten sollte, einen «kalten Staatsstreich» nannte,?1 kam keineswegs vom rechten Rand der Frontenbewegung her. Verantwort­ lich war vielmehr der VUS, der durch den Vorort (das Führungsgremium) des Schweizerischen Handels- und Industrievereins (SHIV) unterstützt wurde. Die Unterzeichner gehörten grösstenteils zur politischen, wirt­ schaftlichen und kulturellen Elite der Schweiz, 80 Unterzeichner waren aktive Offiziere, 14 im Rang eines Obersten.31

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Militärdienst und Geschlechterordnung Durch alle Richtungskämpfe innerhalb der Armee hindurch bewahrte die Schweiz den Milizcharakter ihres Heeres, in dem der «Bürgersoldat» die Hauptrolle spielte. Mit dem Fahneneid wurden die sozial unterschiedlich positionierten Bürger zum soldatischen «Bund der Kameraden». Die Ar­ mee fungierte erneut als breitenwirksame, die verschiedenen Landesteile übergreifende Sozialisationsinstanz der Männerrepublik Schweiz. Der Schriftsteller Max Frisch beschrieb in seinen im Herbst 1939 entstandenen «Blättern aus dem Brotsack» den raschen Abschied der Soldaten von ihren Familien, das Gewimmel der «Feldgrauen» auf den Bahnhöfen und das Eintreffen auf den Mobilmachungsplätzen. Die weltabgewandte Seite des neutralen Landes reflektierend, spricht Frisch davon, dass «es stets den Schrecken braucht, damit es uns weiterbringt», und dass «alles Leben (...) aus der Gefährdung (wächst)».33 Bei der Mann-für-Mann-Schulung am Maschinengewehr beobachtete Frisch «eine Freude an der Waffe, die auch den lauten Kriegsverächter überkommt», und «in die kleine Kanone, die un­ sere Armee zur Tankabwehr hat, sind wir förmlich verliebt». Auf die Frage «Haben wir einen Feind?» entwickelt Frisch dann die heroische Phantasmagorie des einfachen Soldaten: «Mit einer geladenen Waffe in der Hand, da denkt sich manches anders.» Da verlässt man sich auf etwas, «nennen wir es einfach die Natur, die gläubige Wut eines Menschen, der auf seinem Boden steht, der keine sogenannte Idee braucht, die ihn in den Kampf treibt, und sich von einer tieferen, einer naturdumpfen Kraft getrieben fühlt, die nur wachsen kann, wenn man auf ihn schiesst, und möglicherweise einmal dazu getrieben, einer panzerbrechenden Grausamkeit fähig ist».34 Frischs Schilderung des «Ereignislosen» aus der ersten Phase des Aktiv­ dienstes thematisierte noch kaum die Spannungen und Widerstände, die später, im Reduit, immer wieder aufbrachen. Trotz ihrer Motivation zur Verteidigung des Landes empfanden viele Soldaten das Leben im Feld als Zumutung und gestohlene Lebenszeit. Gegen Ereignislosigkeit und Reni­ tenz gleichermassen kämpften politische und kulturelle Autoritäten mit der Anrufung Gottes an. In der Sakralisierung des «Dienstes» verschmol­ zen religiöse und nationalistische Diskurse. Die Vorstellung, die Armee rette die Schweiz, wertete die militärische Erlebniswelt auf.Js Die heim­ liche Stärke, die den General zur nationalen «Über-Ich»-Figur machte, be­ stand in seiner Fähigkeit, ganz unterschiedliche Aspirationen der Soldaten und Offiziere zu bündeln und sie in einer kollektiven Sinnstiftung aufzu­ heben, in der alles Dissonante verstummte. Daraus resultierte die «Schwei­ zer Aktivdienstgeneration», die als kompakte Fiktion die Disparitäten und Widersprüchlichkeiten der Kriegserfahrung ausblendete.36

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Die Armee war eine Männerinstitution. Der Soldatengeist wurde als «höchste Potenz der Männlichkeit» gefeiert. Der soldatische Mann, der sich durch Mut, Härte, Selbstbeherrschung, Disziplin und Gehorsam aus­ zeichnete, warf sich zum idealen Leitbild der schweizerischen Gesellschaft auf. Der im Februar 1940 geschaffene «Frauenhilfsdienst» (der Ende 1940 über 18 000 Angehörige zählte) vermochte daran nichts zu ändern.3? Der Ausschluss der Frauen aus der Männerwelt des Militärs führte gleichzeitig ein Manko in diese ein: Die meisten Männer mussten erstmals in ihrem Leben «weibliche» Tätigkeiten verrichten: Kochen, Putzen, Betten machen und so fort - ein klarer Widerspruch zu dem öffentlich bestärkten virilen Selbstbild. Innerhalb der Milizarmee bestand ein wichtiger Unterschied zwischen Führungskräften und Untergebenen darin, dass Erstere über Or­ donanzen verfügten, die all diese Dienste übernahmen. So vermochten die Offiziere, einen ungebrochenen Männerkult zu praktizieren. Dies machte das Absolvieren der mit «Mutproben» gespickten Aspirantenschule und den Aufstieg in den Offiziersrang attraktiv. In der militärischen Hierarchie wurde der bürgerliche Geschlechterdualismus auf Kosten der Frauenrechte auf die Spitze getrieben. Die Frauen sorgten mit grosser Selbstverständlichkeit dafür, dass das Wirtschafts- und Alltagsleben nach dem Einzug der Männer weiterlief. Das war ein eminen­ ter Beitrag für das Funktionieren und für die politische Unabhängigkeit des Landes. In der Repräsentation des bedrohten Kleinstaates blieben diese Aktivitäten gleichwohl unterbelichtet. Und die Koppelung von «Aktiv­ dienst» und «Aktivbürgerrecht» blockierte die politische Emanzipation der Frauen. Staatsaufbau, Geschlechterordnung und Armeeorganisation ver­ schränkten sich zum grossen Ganzen einer Männerrepublik, die, je nach Blickrichtung, als besonders «militarisiert» oder als ausgeprägt milizför­ mig erscheinen konnte.?8 Bedrohung und Rückzug in die Berge (Reduit national) Gegenläufig zur militärischen Sinnstiftung war in der Bevölkerung ein Be­ wusstsein vorhanden, wie schlecht es um die Ausrüstung der Armee stand. Gusian nahm bei Kriegsbeginn eine miserable Ausstattung mit modernen Waffensystemen zur Kenntnis und wunderte sich darüber, dass nicht ein­ mal Operationspläne vorlagen.?? Angesichts der ungewissen Lage kam es im Spätherbst/Winter 1939 rasch zu Auseinandersetzungen innerhalb der militärischen Führung. Offiziere um Ulrich Wille forderten einen Rückzug der Armee in eine zurückgelagerte Stellung. Diese Rückzugspläne, die einen alten Topos der militärstrategischen Diskussion aufgriffen,4° rich­ teten sich gegen den General, der die verfügbaren militärischen Kräfte auf

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die Armeestellung «Nord» konzentriert und mit dem französischen Gene­ ralstab streng geheime Absprachen für den Fall eines deutschen Angriffs getroffen hatte. Die Schweizer Armee wäre in diesem Fall in das franzö­ sische Abwehr- und Befehlsdispositiv integriert worden. Deutschfreund­ liche Offiziere um Ulrich Wille wussten ebenso wenig wie der Bundesrat (von Rudolf Minger abgesehen) von diesem neutralitätspolitisch heiklen Schritt, misstrauten jedoch Guisan. Generalstabschef Jakob Labhardt argu­ mentierte, «dass bis heute Deutschland weder durch seine politische Hal­ tung uns gegenüber noch durch die Gruppierung seiner Truppen Anlass gegeben hat, an eine unmittelbare Bedrohung zu denken».«1 Konsequen­ terweise unterstützte er den Vorschlag, die ganze Armee in den Alpenraum zurückzuziehen und einer intensiven Ausbildung zu unterwerfen. Guisan wandte sich scharf gegen eine solche Geste der Fügsamkeit gegenüber Deutschland und stellte am 16. Januar 1940 unmissverständlich klar, ein solcher Rückzug sei nicht nur ein völlig falsches Signal gegenüber dem Ausland, sondern habe einen moralisch niederschlagenden Effekt auf Be­ völkerung und Armee. So gruben sich jene Soldaten, die auch nach dem Oktober 1939 mobilisiert blieben, bis ins Frühjahr 1940 entlang der Limmatstellung ein und übten sich in grenznaher Verteidigung. Die populäre Vermutung, dass in diesem Krieg Kosten und Gewinne innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie nicht gleich verteilt sein wür­ den, schien sich schon vier Tage nach dem Angriff der Wehrmacht an der Westfront zu bestätigen. Ein zur Täuschung der französischen Abwehr fin­ gierter deutscher Truppenaufmarsch an der Nordgrenze (auf den die schweizerische Abwehr prompt hereinfiel) löste eine panikartige Massen­ flucht in der Nordschweiz aus. Vom 14. auf den 15. Mai suchten allein aus der Region Basel um die 25 000 Personen das Weite. Auf ihrem Weg in die Alpenregion verstopften sie die Strassen. Der Eindruck, dass sich die «MehrBesseren» in der Stunde der Gefahr nur noch um ihre eigene Sicherheit kümmern würden, verstärkte sich - Armeepsychologen erhielten darauf­ hin den Auftrag, über ein ganzes Netz von Informanten die Stimmung in der Bevölkerung sowie die Moral in der Truppe zu ergründen.«1 Über den ganzen Sommer hinweg beförderten die Berichte von «Heer und Haus» einem im Herbst 1939 geschaffenen, sehr aktiven Nachrichtendienst - ein illusionsloses Bild der eigenen militärischen Möglichkeiten. Mit der Niederlage der französischen Armee und der Reaktion der Re­ gierung darauf sank in der Bevölkerung das Vertrauen in die eigene Kraft auf einen Tiefpunkt. In dieser Konstellation kam General Gusisan auf die Reduit-Konzeption zurück. Seine Sicht war massgeblich durch Überlegun­ gen des Basler Juristen, Obersten und Generalstabsoffiziers Oscar Adolf

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Germann beeinflusst. Germann arbeitete zunächst Studien über eine mili­ tärische Zusammenarbeit im Falle eines Angriffs auf die Schweiz aus. Einen besonderen Stellenwert hatte er im Oktober 1939 der Gefahr einer «Ver­ mischung der Verbände» bei einer Integration der Schweizer Armee in eine alliierte Kommandostruktur beigemessen. Französische Kolonialtruppen bezeichnete er als unerwünscht. Obwohl diese militärisch sehr effizient und tapfer seien, müsse, so die Studie weiter, daran gezweifelt werden, «ob die Neger unser raues Klima ohne weiteres ertragen würden».43 Im April 1940 plädierte Germann vehement für eine Reduit-Aufstellung der Armee. Diese sollte nicht mehr - wie im Ersten Weltkrieg - den permanenten «Ge­ fechtsabbruch» an der Grenze üben (wie dies von Meinrad Inglin im «Schweizerspiegel» beschrieben wurde),44 sondern ihre Kräfte im Alpen­ raum konzentrieren. Guisan schwenkte ab Juli 1940 auf diese «unver­ meidliche Notlösung» - so der Offizier Alfred Ernst45 - ein. Dabei polte er die Bedeutung des Rückzugs ins Gebirge diametral um: Hatte es sich beim Vorschlag, den im Herbst/Winter 1939 deutschfreundliche Offiziere mach­ ten, noch um eine Demutsgeste gehandelt, so erschien er nun als Wider­ standsmanifestation. Um diese Botschaft zu kommunizieren, ordnete der General am 2.5. Juli 1940 den Rütlirapport an. Dafür wurde fast das ganze Offizierskorps, um die 500 Mann, auf die historische Wiese am Vierwald­ stätter See befördert. Was Guisan vorgetragen hat, ist unklar - die archi­ vierte Schriftform der Rede enthält viel Erneuerungsrhetorik. In der Erin­ nerung der Beteiligten hat der Oberbefehlshaber allerdings frei gesprochen und dabei die schriftlich festgehaltenen Attacken gegen die Linke unterlas­ sen. 46 In einer Situation von Unsicherheit und Defätismus war Guisan der Mann, der das Gesetz des Handelns ergriff. Er markierte vertrauensstif­ tende Entschlossenheit und brachte die Armee wieder auf Kurs. Die Versu­ chung einer retrospektiven Stilisierung war unter diesen Umständen gross. Der Rütlirapport wurde im Nachhinein als Sternstunde schweizerischer Landesverteidigung und als «historische Tat» gewertet, und die historische Wiese, auf der er stattfand, stieg zum zentralen Bezugspunkt der militäri­ schen Abwehrkraft des Landes auf. Das Reduit national rückte in den Mit­ telpunkt des politisch Imaginären der schweizerischen Nation. Die sicherheitstechnisch äusserst heikle Aktion der (gar nicht so gehei­ men) Versammlung des ganzen Offizierskorps an einem Ort fand damals in der Öffentlichkeit allerdings nur wenig Beachtung. Die mit der ReduitStrategie angekündigte Preisgabe des dicht bevölkerten Mittellandes weckte weithin Befremden und Verständnislosigkeit. Für eine moralische Aufrüs­ tung eher geeignet war denn auch die Beschwörung der mittelalterlichen Helden von «St. Jakob an der Birs», die 1444 in der Nähe der Schweizer

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Grenze den Heldentod erlitten hatten. Doch der permanente Appell an die «glorreichen Heldenväter» weckte zunehmend Überdruss. So liessen sich weder Reduit-Strategie noch Rütlirapport direkt für eine Wiederaufrich­ tung des nationalen Selbstbewusstseins nutzen. Die Aktion muss deshalb als eine Reaktion darauf gesehen werden, dass die Position des Generals gewissermassen auf des Messers Schneide stand. Er musste nämlich damit rechnen, dass Ulrich Wille von deutschen Stellen über sein Geheimabkom­ men mit dem französischen Generalstab unterrichtet worden war. Als die entsprechenden Akten von der Wehrmacht bei Dijon aufgefunden worden waren, trat dieser Fall auch tatsächlich ein. Die «Aktenfunde von Charitesur-Loire» lieferten das Material für eine hochbrisante Intrige. Sie bestand im Versuch Willes, mit Hilfe der Feindmacht den Oberbefehlshaber der eigenen Armee auszuschalten und sich - wie ein Dokument aus dem Spätsommer 1940 festhielt - auf Hitlers Wunsch an dessen Stelle zu set­ zen. 47 Dieser Versuch einer «Beseitigung des Generals» (so dasselbe Doku­ ment) erfüllte alle Kriterien des Hochverrats. Diese Auseinandersetzungen in der Armee können verständlich machen, wieso die deutsche Seite im Sommer 1940 so harsch ablehnend auf den Rütlirapport reagierte.48 Über die militärische Bedeutung der Alpenfestung hinaus nahm man in Berlin Guisans Klarstellung an der inneren Front zur Kenntnis. Damit ge­ lang es dem General, sich mit jenen widerstandsentschlossenen Offizieren zu verbünden, die weder Armeeführung noch Landesregierung trauen wollten und die sich nach der Radio-Rede des Bundespräsidenten zu einem konspirativen «Offiziersbund» zusammengeschlossen hatten. Die Organi­ sation flog auf; Guisan verzichtete auf eine Anklage wegen Meuterei, und die Militärjustiz verurteilte die verhafteten Mitglieder nur zu disziplinari­ schen Strafen. Trotz der Irritationen, die der Reduit-Befehl auslöste, stand der General fortan in der Öffentlichkeit für Widerstand und Wehrhaftig­ keit. Diese Haltung fand rasch Resonanz - und wurde wiederum durch weitere Massnahmen der Armeeführung verstärkt. So erklärte Guisan 1942, es sei nun an der Zeit, Todesstrafen gegen Landesverräter zu voll­ strecken. Insgesamt wurden 17 solche Urteile exekutiert, dies auch in Fäl­ len, bei denen die Gerichte das inkriminierte Vergehen unter Sicherheits­ aspekten als geringfügig eingestuft hatten.49 Es fällt insgesamt auf, dass der hochsensible Informationstransfer, der mit Waffenlieferungen an die Kriegsführenden verbunden war, überhaupt nie unter dem Gesichtspunkt des Landesverrats behandelt wurde und dass gegen Vertreter rechtsextre­ mer Bewegungen, die offen den Anschluss an das NS-Regime forderten, ebenso wenig Hochverratsprozesse angestrengt wurden wie gegen die Gruppe um Wille.

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Die dem General zugeschriebene Widerstandsentschlossenheit ver­ deckte dessen ambivalente Haltung in wichtigen Fragen. Die trutzig-trotzige Reduit-Inszenierung liess keine Diskussion über mögliche Folgen auf­ kommen, die mit der militärischen Räumung der wichtigsten Städte und Produktionszentren im schweizerischen Mittelland verbunden gewesen sind. «Noch betäubt vom Schauspiel der Achsensiege, sähe das Land sich plötzlich vor eine Lösung gestellt, welche die Preisgabe reichster und am dichtesten bevölkerter Gegenden bedeutete», schrieb Guisan selber zu sei­ nem Plan. 5° Der Befehl, die während Monaten ausgehobenen und befestig­ ten Militärstellungen zu verlassen und entweder Richtung Innerschweiz zu marschieren oder nach Hause zu gehen, hatte auch viele Soldaten elemen­ tar verunsichert. Der Verdacht eines Verrats lag nahe. Die entschlossene Widerstandsrhetorik zerstreute jedoch diese Zweifel. Während der Rück­ zug in die Berge auf sich warten liess (die Truppenstärke im Reduit er­ reichte nie den geplanten Stand),?1 kam die gleichzeitig beschlossene sub­ stanzielle Demobilmachung der Armee ab dem 6. Juli 1940 rasch voran. Zwei Drittel der Soldaten kehrten zurück zu ihren Familien und an die Arbeitsplätze. Vom Bestand von gegen 450 000 Soldaten blieben nur noch 150000 übrig.?2 Diese massive Reduktion bedeutete eine «erhebliche Verminderung der Abwehrbereitschaft». Die Befestigungsanlagen, in welche der verbleibende Rest der Armee nun umgruppiert werden sollte, waren zum Grossteil noch nicht gebaut (sie konnten erst bei Kriegsmitte fertiggestellt werden).?3 Diese Massnahmen erfolgten zudem ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als die deutsche Wehrmacht «freie» Angriffskapazitäten hatte. Guisans Kalkül ging deswegen auf, weil er richtigerweise annahm, dass in dieser neuen Konstellation ein Angriff auf die Schweiz nicht geplant war. Diese Lage­ beurteilung deckte sich mit jener der Akteure auf den Finanzmärkten; eine statistische Untersuchung von Ökonomen hat gezeigt, dass in diesem wohl­ informierten Milieu ebenfalls nicht mit einer grundlegenden Veränderung gerechnet wurde.?< An Anlässen für einen Eskalationskurs hätte es nicht gemangelt. Vor allem die «Fliegerzwischenfälle» vom Juni 1940, in wel­ chen Schweizer Piloten in der Nordwestschweiz gegen deutsche Jagdflieger, welche die Neutralität verletzt hatten, erfolgreiche Einsätze flogen, sorgten für Konfliktstoff. Die schweizerische Armeeführung verbot ihren Piloten daraufhin den Neutralitätsschutz, während sich die schweizerische Regie­ rung in Deutschland entschuldigte (obwohl klar war, dass die gemachten Vorwürfe haltlos waren). In Fortsetzung dieser Beschwichtigungspolitik willigte der General im November 1940 ein, auch in der Schweiz die Ver­ dunkelung einzuführen, was in den darauffolgenden Jahren den alliierten

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Bomberpiloten die Orientierung erschwerte und mithin für die Bevölke­ rung des neutralen Kleinstaates eine riskante Sache war. Gleichzeitig wurde ab 1943 der neutrale Luftraum gegen die Alliierten geschützt. Selbst wenn die Schweizer Fliegerabwehr aufgrund der weitverbreiteten Sympa­ thien gegenüber den USA und Grossbritannien oft absichtlich danebenfeu­ erte, holte sie bis Kriegsende 15 «fliegende Festungen» vom Himmel, was für mehrere Dutzend Besatzungsmitglieder den Tod bedeutete.55 Die Reduit-Strategie war also weit komplexer, als ihre Widerstandskon­ notation vermuten liesse. Und vor allem: Sie schuf für die militärische Füh­ rung ein semantisches und ein psychologisches Problem. Mobilmachung galt bisher als synonym mit Grenzbesetzung: Der Mann verlässt im Wehrkleid die Familie und stellt sich vorne auf, dort, wo der Feind auf­ marschiert. Die Abwanderung der Truppen in den relativ privilegierten natürlichen Schutzraum der Berge musste traumatische Vorstellungen einer Verletzbarkeit der weitgehend schutzlos zurückgelassenen Bevölkerung wachrufen. Das Tempo, mit dem der mit männlichem Mut assoziierte Be­ griff «Grenzbesetzung» in der öffentlichen Kommunikation durch jenen des «Aktivdienstes» ersetzt wurde, war beeindruckend und stellt ein ein­ drückliches Beispiel für Sprachpolitik dar. Die neue Strategie einer mehr­ dimensionalen Landesverteidigung war nicht mehr auf einen militärischen Sieg gegen den eindringenden Feind, sondern auf Androhung eines lang­ wierigen Abnutzungskrieges angelegt. Militärisch hätte die Wehrmacht leicht in die Schweiz einmarschieren können - eine solche Besetzung wäre aber auf Widerstand gestossen und hätte längerfristig Kosten gebracht. Dass diese aufgrund der Vergeltungsmassnahmen auf Schweizer Seite weit höher als auf deutscher hätten ausfallen können, bleibt eine hypothetische Annahme. Die Meinung des britischen Feldmarschalls Montgomery, das Reduit-Konzept sei ein «undurchführbarer Unsinn», wurde nicht in Be­ tracht gezogen und war auch in der Erinnerungspolitik der sogenannten Aktivdienstgeneration nie präsent.56 Die schweizerische Gesellschaft spielte sich zwar nicht in den Alpen ab - doch das Reduit vermochte die alte Bot­ schaft «Ex Alpibus salus patriae» in die Fläche zu vermitteln und das Ver­ trauen in die Fähigkeit zum Durchhalten zu stärken. General Guisans Annahme, dass die Wehrmacht im Sommer 1940 keine direkte Aktion gegen die Schweiz plante, erwies sich als richtig. Es gab jedoch Angriffspläne. Solche wurden von Generalstäben routinemässig ausgearbeitet. Führende Schweizer Militärhistoriker sprachen von einer «Beschäftigungstherapie» deutscher Stäbe.57 Ab Ende August 1940 ent­ standen Angriffsplanungen unter dem Namen «Tannenbaum». Aus der Er­ wähnung einer «Sonderaufgabe» an die Heeresgruppe C schlossen einige

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Schweizer Historiker, Hitler habe damals «ernsthaft einen Angriff auf die Schweiz» erwogen.s8 Laut General Warlimont hat Hitler während des Westfeldzugs erklärt: «Das macht mir dann der Dietrich mit meiner Leibstandarte.»59 Er ging davon aus, dass eine solche Operation «doch nur eine bescheidene Aufgabe» sei. Die nationalsozialistische Propaganda höhnte generell, die Schweiz greife man nicht an, man könnte sie «höchs­ tens besetzen», aber «wegen der Viertelstunde fangen wir gleich gar nicht an».60 Offensichtlich überwogen die Gründe, mit der Besetzung des neu­ tralen Landes nicht anzufangen. Das war allerdings nicht der Abwehr­ stärke der Schweizer Armee geschuldet. Die deutschen Planungsstäbe gin­ gen davon aus, dass es «keine Geländeschwierigkeiten beim Einmarsch in die Schweiz» geben würde; die Strassen seien «überall sehr gut».61 Die Ur­ teile über den Kampfeswillen der Schweizer Armee waren schwankend. Anfang August 1940 schrieb Otto Wilhelm von Menges in einer Angriffs­ skizze, es müsse «nach kriegsmässigem Grenzübertritt» ein «schneller Übergang zu friedlichem Einmarsch» gewährleistet sein. Offenbar rech­ nete man mit Schweizer Verbündeten, die dies ermöglichen würden, denn persönlich notierte er: «Ich glaube nicht, dass die Schweiz sich mit den Waffen wehren würde.»61 Ende August wurde dann umgekehrt festgestellt, die Schweiz sei entschlossen, «sich einem Einmarsch mit allen Kräften zu widersetzen». Die Aufmarsch-Studie «Zimmermann» vom 4. Oktober 1940 setzte wiederum einen Gegenakzent. Der Kampfesmut und die Schiesstüchtigkeit der Schweizer Soldaten wurden in dieser Studie zwar als beachtlich eingestuft. Die abschliessende Beurteilung hielt dann aber un­ missverständlich fest, die militärpolitische Lage zwinge der Schweiz «ein Nachgeben in jedem Falle auf», und es erscheine «zum mindesten zweifel­ haft, ob sich die Schweiz (...) zum Kampf stellen wird».63 Das hätte sich mit grosser Sicherheit als Fehleinschätzung erwiesen, auch wenn damals eine Erhebung innerhalb der Armee das alarmierende Ergebnis zutage be­ förderte, dass 75 Prozent der Mannschaft nicht mehr daran glaubten, dass bei einem Angriff der Befehl zum Kampf erteilt würde.6« Dieses Umfrage­ ergebnis sollte nicht mit einem generellen Defätismus gleichgesetzt werden. Die Überzeugung, dass die Kompagnien trotz fehlender Befehle gekämpft hätten, zeigte sich etwa in der hier und dort geäusserten Aussage, die Sol­ daten hätten in diesem Fall zuerst gut schweizerisch ihre deutschfreund­ lichen Offiziere erschossen und daraufhin das Land verteidigt. Das hätte zwar nicht lange geholfen, aber eine kampflose Besetzung der Schweiz wäre in diesen Jahren nicht gelungen. Es ist erstaunlich, wie mangelhaft die deutsche Seite über den für das schweizerische Selbstverständnis so entscheidenden Kampfeswillen informiert war. Dieses Versagen der Aus­

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senkommunikation hing wohl auch damit zusammen, dass die hochver­ räterischen Aktivitäten Willes nördlich des Rheins die Meinung verstärk­ ten, die Schweizer Armee sei innerlich eher schwach. Obwohl die Schweiz im Zweiten Weltkrieg als wichtige Nachrich­ tendrehscheibe fungierte und den unterschiedlichsten Geheimdiensten als Operationsbasis diente, war die Armeeführung in mehreren neuralgischen Momenten schlecht informiert. Der vom Oberstbrigadier Roger Masson geführte Nachrichtendienst liess sich im Mai 1940 von einem deutschen Täuschungsmanöver blenden. In der damaligen Kriegsphase ist dies nach­ vollziehbar. Der «Märzalarm» von 1943 muss aber als peinliche Panne und Ausdruck geradezu grotesker Inkompetenz gewertet werden. Die Schweizer Abwehr hatte im Januar 1943 über die Informationslinie Canaris beunruhigende Informationen über einen auf März geplanten Angriff auf das neutrale Land bekommen. Im März 1943 traf General Guisan den damaligen Chef der Spionageabwehr der SS, Walter Schellenberg, zweimal auf Schweizer Territorium, ohne die Regierung darüber ins Bild zu setzen. Die Spitze der Schweizer Armee fiel auf den Charme eines SS-Generals herein, sie erkundigten sich bei diesem zynisch auf seinen eigenen Vorteil erpichten Hardliner des NS-Staates vertrauensselig, ob denn diese Infor­ mation auch wirklich stimmen würde. Man verliess sich auf das Verspre­ chen Schellenbergs, er würde in Berlin an höchster Stelle zugunsten der Schweiz vorsprechen. Mit diesem arglosen Verhalten gefährdeten Guisan und sein Vertrauter Masson einen ihrer wichtigsten Informanten im Ber­ liner Machtzirkel. Der Nachrichtenoffizier Max Waibel stellte nach dem Krieg vor Gericht fest, Massons Verhalten grenze an fahrlässigen Landes­ verrat.6? Generell ist zu sagen, dass die Kryptographen in Berlin den Funk­ verkehr in der Schweiz abhören konnten, weil hier deutsche Chiffriertech­ nik - die Enigma K. - im Einsatz war und die Eigenentwicklung Nema («Neue Maschine») erst nach Kriegsende zur Verfügung stand.66 Soweit Masson Erfolge verzeichnete, lagen diese vor allem in der Stilllegung von Nachrichtenlinien nach Moskau, womit er den weit ausgreifenden Tätig­ keiten des Office of Strategie Services (OSS) unter Allen W. Dulles, der sich ab 1942. in Bern aufhielt, entgegenarbeitete. Eine weitsichtigere und wich­ tige Rolle spielte Max Waibel, der im Juli 1940 im Offiziersbund engagiert war und später dafür sorgte, dass militärisch relevante Informationen an die Sowjetunion weiter geleitet wurden. Waibel war der entscheidende Mittelsmann, der - als Privatmann, um im Krisenfall politische Verwick­ lungen zu vermeiden - Allen W. Dulles mit dem SS-General Karl Wolff zusammenbrachte und damit zum vorzeitigen Kriegsende in Italien bei­ trug.

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Kooperationen im «neuen Wirtschaftsraum» Auf der Ebene der Wirtschaftsverhandlungen war eine grosse Stetigkeit zu konstatieren, die mit der fiebrigen Atmosphäre des Sommers 1940, welche in Politik und Öffentlichkeit vorherrschte, kontrastierte. Am 9. August 1940 schloss die Schweiz einen Handelsvertrag mit Deutschland, der den Einstieg in eine intensive Kooperation markierte. Beim schweizerischen Finanzplatz, der damals nicht mit einem militärischen Angriff rechnete, löste diese Ausrichtung Unbehagen aus. Mit der Besetzung der Nieder­ lande war zwar ein Konkurrent um die «Neutralitätsdividende» aus dem Spiel; der Löwenanteil der schweizerischen Aktiva lag jedoch in den Län­ dern der Alliierten.6? Entsprechend allergisch wurde auf die alliierte Wirt­ schaftskriegsführung gegen Neutrale reagiert. So erklärte der Schweizer Minister in Washington, Carl Bruggmanns, im Vorfeld des amerikani­ schen Blockadeentscheids gegen die schweizerischen Vermögenswerte, dass der Effekt einer solchen Massnahme auf die Moral des Volkes verhee­ rend wäre - «weit schlimmer als eine deutsche Invasion». Die ganze öko­ nomische Struktur der Schweiz würde kollabieren, und wahrscheinlich würde es zu antisemitischen Ausbrüchen kommen.68 Es lässt sich insge­ samt ein Konflikt feststellen zwischen der langfristig angestrebten Orien­ tierung am Weltmarkt und damit an der angelsächsischen Mächtegruppe sowie der kurzfristigen Notwendigkeit, mit Deutschland stärker ins Ge­ schäft zu kommen. Quer durch das Meinungsspektrum und die unter­ schiedlichen Interessengruppen fand nach der Kapitulation Frankreichs die Forderung nach einer forcierten Einbindung der Schweiz in den «neu zu organisierenden Wirtschaftsraum»6» (wie Bundesrat Philipp Etter dies im September 1940 ausdrückte) Widerhall. Von rechts bis links war, wenn auch unterschiedlich motiviert, die Einsicht vorhanden, dass das kleine, export- und importabhängige Land angesichts der real existierenden Kräf­ tekonstellation auf Gedeih und Verderb vom mächtigen Nachbarn abhän­ gig war und sich nützlich machen musste. Wirtschaftsprosperität und Unabhängigkeit stützten sich gegenseitig. Mit seiner frei konvertiblen Währung und seinen leistungsfähigen Alpen­ transversalen verfügte das neutrale Land über wichtige wirtschaftliche Trümpfe; darüber hinaus vermochten helvetische Wirtschaftsunterneh­ men aufgrund ihrer ausdifferenzierten Finanzdienstleistungen und hoch spezialisierten Exportgüter eine starke Angebotsmacht aufzubauen. Die Deutsche Industriekommission (Diko), die in Bern residierte, nahm ab Sommer 1940 missmutig zur Kenntnis, dass die Schweiz weiterhin als «Verkäufermarkt» auftrat: Nicht der Bedarf des machtpolitisch in den Ze­ nit aufsteigenden «Dritten Reiches», sondern die Angebotsinteressen des

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«kleinen Neutralen» bestimmten die Exportstruktur. Und es war gerade diese wirtschaftliche Durchsetzungsfähigkeit, gegen die die mehrmals an­ gedrohten und zweimal verfügten Kohleboykotte Deutschlands eher hilf­ los wirkten, die es der Schweiz ermöglichten, die Innovations- und Er­ tragskraft ihrer industriellen und finanzwirtschaftlichen Unternehmen optimal zu wahren. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit unterstützte zu­ dem die militärische Landesverteidigung, denn der Ausbau des Reduits basierte massgeblich auf dem Import von Energieträgern und Rohmate­ rialien aus Deutschland. Wirtschaftlicher Nutzen und militärische Dissuasion (Abhaltewirkung) gingen Hand in Hand. Die wirtschaftliche Kooperation wurde auch von der Linken unter­ stützt. Über die politischen Lager hinweg gab es ab Sommer 1940 einen Konsens darüber, dass ein Zusammenbruch der Aussenwirtschaft und die daraus resultierende Arbeitsmarktkrise vermieden werden müsse. Die wirtschaftlichen Eliten setzten auf rentable Aufträge, welche die Unter­ nehmenssubstanz im Industrie- und Finanzsektor stärkten. Sie wurden unterstützt von der Arbeiterbewegung, die an Vollbeschäftigung interes­ siert war und die auf sozialpolitischen Ausgleich sowie Kaufkrafterhaltung setzte.7° Die Ungerechtigkeiten und Erschütterungen, die im Ersten Welt­ krieg zu verzeichnen waren, dienten als Negativfolie. Diesmal wollten es alle besser machen: Die wirtschaftspolitische Handlungsebene stärkte so über alle Wendungen des Kriegsgeschehens hinweg das Gefühl für Konti­ nuität und das Vertrauen in die eigene Überlebensfähigkeit. Zwischen Armee und Wirtschaft herrschte nicht nur ein Konkurrenz­ verhältnis, sondern zugleich eine enge Wechselwirkung.?1 Dies war den militärischen Führungskräften durchaus bewusst. Insbesondere Persön­ lichkeiten aus Industrie- und Bankunternehmen erklärten übereinstim­ mend, dass Teildemobilmachung und Reduit-Strategie den Weg freimachen konnten, um die schweizerischen Produktionsanlagen wieder anzukurbeln und das Arbeitskräftepotenzial weitestgehend in den Dienst des Exportes zu stellen.?1 Der General zeigte sich am 22. Juni 1940 ebenfalls überzeugt, «dass die Deutschen nunmehr in erster Linie einen politischen und wirt­ schaftlichen Druck ausüben werden».?3 Vor diesem Hintergrund wird ver­ ständlich, wieso er drei Wochen nach dem Rütlirapport dem Bundesrat höchstpersönlich vorschlug, eine Sondermission zu Hitler zu entsenden. Zur Begründung wählte er Begriffe wie «Kollaboration» und «Appease­ ment». ?4 Guisan befand sich in dieser Hinsicht auf derselben Linie wie seine Gegner Wille und Däniker, die sich ebenfalls für personell hochkarä­ tige Sonderdelegationen starkmachten. Hinter den Kulissen fand also ein regelrechter Wettlauf nach Berlin statt. Der Bundesrat fand allerdings, der-

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artige Avancen seien politisch unklug, und ging auf das Begehren nicht ein. Guisan liess in der Folge nicht locker und lancierte vergeblich mehrere weitere Vorschläge, den letzten im Mai 1941. Ab Sommer 1940 hatte die Schweiz jedoch eine «strategische Synthese» gefunden, die es ermöglichte, die verschiedenen unter Ressourcen- und anderen Aspekten rivalisierenden Zielsetzungen (militärische Verteidi­ gung, gute Beschäftigung, ausreichender Konsum, soziale Absicherung, zukunftsträchtige Investitionen) in einen robusten Ausgleich zu bringen.?s Die Exporte der Schweiz versechsfachten sich in den drei Jahren 1940 bis 1942. Bei den Importen war es mehr als eine Verdoppelung. Die Aussen­ wirtschaftskurve folgte exakt der Kriegsperipetie: Nachdem die deutsche Expansion und die in ihrem Windschatten durchgeführte Raub- und Plünderungswirtschaft in den besetzten Gebieten an der Jahreswende 1942/43 ihren Zenit überschritten hatte, ging der Import/Export mit der Schweiz zurück, um Anfang 1945 wieder Werte wie zu Beginn des Krieges zu erreichen. Die Schweiz lieferte auch an Alliierte und andere Neutrale, doch der Wirtschaftsaustausch mit Deutschland sprengte die Grössenord­ nungen eines courant normal bei Weitem. Insgesamt exportierte die Schweiz zwischen 1940 und 1944 wertmässig zehnmal mehr Waffen an die Achsen­ mächte (und ihre Verbündeten) als an die Alliierten.?6 Für Rüstungslie­ ferungen wurde vor allem die «Clearingmilliarde» beansprucht, die 1941/42 von der Schweiz zur Verfügung gestellt wurde, um die finanziellen Engpässe des Clearingabkommens zu überwinden. Mit dieser Kreditierung zeigte die schweizerische Regierung auch, dass sie bereit sei zur «Mitarbeit an der Neuordnung Europas» und dass sie die deutsche «Lebensraumgewinnung» und den Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion als ein «gesamteuropäisches Positivum» betrachtete, wie der deutsche Gesandte Otto Köcher nach Berlin berichtete.?? Rein rechnerisch betrug dieser Kredit ca. 3 Prozent der Summe, die Deutschland den besetzten Ländern mit Hilfe des Clearingsystems bis 1944 abpresste.?8 Der durch den Bund finanzierte Zugriff auf qualitativ hochstehendes kriegsrelevantes Material war aller­ dings höher, als dies in dieser Angabe zum Ausdruck kommt, ganz abgese­ hen von der hohen symbolischen Bedeutung dieser Geste. Deutschland benötigte den Zugang zu den Weltmärkten, um strategisch wichtige Rohstoffe zu erwerben. Dazu gehörten Wolfram, Mangan und andere Metalle aus Portugal, Spanien sowie Südamerika, Bauxit aus Jugo­ slawien und Erdöl aus Rumänien. Ohne international akzeptierte Devisen waren diese kriegswichtigen Ressourcen nicht zu haben. Nachdem die USA am 14. Juni 1941 ein allgemeines Embargo über kontinentaleuropäi­ sche Transaktionen verhängt und dabei auch alle Vermögen eingefroren

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hatte, war der Schweizer Franken die einzige noch frei konvertible Wäh­ rung. Zugleich war die Schweiz das einzige Land in Europa mit einem freien Goldmarkt. Deutschland brachte im Zuge seiner Eroberungsfeldzüge grosse Bestände des begehrten Edelmetalls unter seine Kontrolle, indem sie die Währungsreserven der Zentralbanken in den besetzten Gebieten plün­ derte. Die SNB machte sich nützlich als Abnehmer dieses Raubgoldes. Fast vier Fünftel aller deutschen Goldlieferungen ans Ausland liefen über die Schweiz. Zunächst waren, mit etwas mehr als 100 Millionen Franken, die Grossbanken in dieses Geschäft involviert. 1941 zentralisierte die SNB die­ sen Handel. Sie übernahm 1231 Millionen Schweizer Franken auf eigene Rechnung, dazu kamen weitere ca. 400 Millionen, die für ausländische Zentralbanken beschafft und in SNB-Tresors unter dem Bundesplatz in Bern aufbewahrt wurden. Davon stammten nachweislich 120 Kilogramm aus den «Melmer-Lieferungen», die aus den Vernichtungslagern kamen.?? Die SNB wickelte diese Geschäfte zunächst routinemässig ab. Nach der Blockierung der schweizerischen Goldbestände in den USA sollte damit die Golddeckung des Schweizer Frankens sichergestellt werden. Die Mei­ nung, mit Käufen von Reichsbankgold könnte das Vertrauen in die Wäh­ rung verbessert und die Inflation bekämpft werden, war allerdings nicht triftig, weil mit der Aufstockung der SNB-Aktiva auch der Geldumlauf ausgedehnt wurde und ein Teil dieser Summen in die Schweiz zurückfloss. Ebenso wenig überzeugend waren die beiden Argumente, die Schweiz sei neutralitätspolitisch zu diesen Goldübernahmen angehalten oder diese würden Deutschland davon abhalten, die Schweiz anzugreifen. Nach 1943 wurde die Lage aufgrund der alliierten Warnings (welche solche Transak­ tionen pauschal als nicht rechtmässig qualifizierten) zunehmend schwierig. Obwohl die SNB während der Kriegsjahre überhaupt nur wegen dieses Handels mit Gold und Devisen einen Gewinn machen konnte, war dies nicht das entscheidende Motiv.80 Die ab 1943 geführten Debatten in ihren Gremien legen die Vermutung nahe, dass sie zunächst einfach Business as usual machte. Als diesem mit der alliierten Kritik die Grundlage entzogen wurde, war die SNB bereits Gefangene ihrer Handlungslogik geworden. Unfähig, eine Kurskorrektur vorzunehmen und damit die Unrechtmässig­ keit oder zumindest die Problematik der Goldtransaktionen einzusehen, setzte sie ihre Geschäftspraxis jedoch beharrlich bis zum Kriegsende fort - noch im April 1945 übernahm sie unter flagranter Umgehung des im Februar mit den USA abgeschlossenen «Currie-Abkommens» Raub­ gold von der Reichsbank.81 Dass die Bank für Internationalen Zahlungs­ ausgleich diese Praktiken stützte und sich daran beteiligte, stärkte die un­ einsichtige Haltung der SNB.81

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Wirtschaftlich von Bedeutung war auch der Alpentransit, der mit dem Gotthardtunnel sowie der Lötschberg-Simplon-Verbindung zwei wichtige Strecken aufwies, die die Volkswirtschaften der Achsenmächte verbanden. Die Schweiz versuchte, neutralitätspolitische Grundsätze durchzuhalten. Hatten die Schweizerischen Bundesbahnen zwischen 1941 und 1943 insge­ samt 180 000 italienische Arbeiter durch die Alpentunnels (Simplon-Lötschberg und Gotthard) nach Deutschland transportiert, so waren sie nach dem 8. September 1943 (dem Tag des Waffenstillstandes mit Italien) nicht mehr an der Deportation der ungefähr 600 000 italienischen Militärinter­ nierten beteiligt, die im «Dritten Reich» Zwangsarbeit zu leisten hatten.8? Ab 1942. waren diese Tunnelkonstruktionen in einer Weise vermint, dass sie im Falle eines militärischen Angriffs auf die Schweiz wirksam hätten gesprengt werden können - die Meinung, man hätte den Gotthard schon im Sommer 1940 stilllegen können, gehört in die Kategorie «ReduitMythos». Wie sehr in der Schweiz die Wichtigkeit von Nord-Süd-Trans­ versalen präsent war, zeigt ein Projekt des damals mit Arbeitsbeschaf­ fungsmassnahmen befassten Max Ikle (der später ins Direktorium der SNB aufstieg). Ikle fasste damals (in Fortsetzung von Plänen aus den 1920er Jahren) den Bau einer schweizerischen Gotthardautobahn ins Auge.8« Da die Volkswirtschaft durch den Kriegsboom bereits ausgelastet war, wurde der Tunnelbau nicht weiter verfolgt. Gesellschaft - Wirtschaft - Politik - Alltag: ein Querschnitt 1940 fand in der Schweiz - wie alle zehn Jahre - eine Volkszählung statt, die nachwies, dass die Wohnbevölkerung in der Zwischenkriegszeit nicht mar­ kant angestiegen war. Mit 4,3 Millionen Menschen lag sie 1940 nur leicht über dem schon Mitte der 1920er Jahre erreichten Stand von vier Millionen. Die konfessionelle Geographie hatte sich seit der Jahrhundertwende kaum verändert: 57 Prozent Protestanten standen 41 Prozent Katholiken gegen­ über, der jüdische Bevölkerungsanteil belief sich mit ca. 18 000 Bürgerinnen und Bürgern auf knapp ein halbes Prozent. Der Faktor Religion spielte für die demographische Dynamik nur eine sekundäre Rolle; die Fertilität hing vor allem von den Erwerbsmöglichkeiten ab und war deshalb in den protes­ tantisch geprägten Wirtschaftsgebieten generell höher als in katholischen Kantonen. Innerhalb dieser häufig durchmischten Regionen lag die Frucht­ barkeitsziffer der Katholiken allerdings beträchtlich über jener der Protes­ tanten, während die «Israeliten» - so die statistische Bezeichnung - weit zurücklagen. Das neue Selbstbewusstsein des politischen Katholizismus zehrte auch von der Einsicht, aufgrund vergleichsweise hoher Geburten­ raten in der sich industrialisierenden Schweiz auf dem Vormarsch zu sein.

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Die Familiengrösse war weiter rückläufig. Die durchschnittliche Per­ sonenzahl in einem Haushalt, die in den 1920er Jahren noch über vier be­ tragen hatte, sank auf 3,72. Der Ausländeranteil, der nach dem Ersten Weltkrieg noch bei über 10 Prozent gelegen hatte, erreichte - nach dem nochmaligen Wegzug zahlreicher Arbeitskräfte bei Kriegsausbruch - 1941 mit 5,2 Prozent einen historischen Tiefstand. In den 1930er Jahren hatte die bereits ab 1910 in der Bevölkerungsstruktur erkennbare, sich ab 1930 nochmals deutlich akzentuierende «Glockenform» Alarmstimmung aus­ gelöst. Der Mangel an reproduktionsfreudigem Nachwuchs schien ä la longue auf ein Aussterben des Schweizervolkes hinzudeuten. Doch seit 1938 setzte ein Anstieg der Geburtenzahlen ein. Dieser Trend hielt nach Kriegsausbruch an. Die im Volksmund «Urlauberli» genannten Kinder schlugen sich statistisch in einer Dynamisierung der demographischen Ent­ wicklung nieder, die nach dem Krieg dann «Babyboom» genannt wurde. Ein nationalkonservatives Wahrnehmungsmuster förderte die Vorstellung, «Geistige Landesverteidigung» und die Bewährungsprobe im Krieg liessen nun endlich die Nation wieder gesunden. Wirtschaftlich verzeichnete die Schweiz während der Kriegsjahre eine Erholung. Das reale Volkseinkommen schrumpfte zwischen 1938 und 1942 um fast 14 Prozent, wuchs aber in den darauffolgenden Jahren wie­ der und lag nach 1945 um 7 Prozent über dem Vorkriegsstand. Der Ar­ beitsmarkt war ab Sommer 1940 zunehmend ausgetrocknet, doch auf­ grund der - gegenüber dem Ersten Weltkrieg weit geringeren - Inflation sanken die Reallöhne um durchschnittlich über 10 Prozent. Insgesamt stie­ gen die Preise zwischen 1939 und 1945 um 50 Prozent; das war beträcht­ lich, doch weit moderater als während des Ersten Weltkrieges. Der Preis­ auftrieb genügte jedoch, um die Gewinnmargen in Landwirtschaft und In­ dustrie zu erhöhen. Viele Unternehmen verwendeten diesen Geldsegen für den Ausbau der betrieblichen Sozialleistungen und für die Erhöhung der stillen Reserven, die vom zu versteuernden Gewinn abgezogen werden konnten. Damit konnten die Betriebsbindung der Belegschaft und die Kri­ senresistenz der Firmen gestärkt werden. Der Wandel der Beschäftigungsstruktur in Richtung Industriegesell­ schaft verlief unter den Krisenbedingungen verlangsamt; was die Beschäf­ tigung betrifft, so lag die Landwirtschaft noch immer knapp über einem Fünftel, der Anteil von Industrie und Gewerbe ging ganz leicht zurück, wobei das Gewicht der Fabrikarbeit in dieser Kategorie zunahm. Einen leichten Zuwachs verzeichneten die Dienstleistungsberufe, wobei sich die Durchsetzung der Industrie mit Dienstleistungen und die Abhängigkeit der Letzteren von industriell hergestellten Produkten noch deutlicher zeigten

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als zuvor. Der Organisationsgrad der Arbeiterschaft war unter der sozial­ partnerschaftlichen Arbeitsmarkt- und Vertragspolitik nicht wesentlich ge­ stiegen und lag noch immer bei ca. 30 Prozent. Politisch war die Linke - mit einem leichten Einbruch der Sozialdemokratie bei den Nationalratswahlen seit 1931 - eher geschwächt aus der «Geistigen Landesverteidigung» her­ vorgegangen. Wahlarithmetisch ging es der FDP und den Katholisch-Kon­ servativen nicht besser. Die Position der Industrieunternehmer festigte sich allerdings aufgrund einer Strukturverschiebung weg von den Textilindus­ triellen und hin zu aufstrebenden Sektoren wie der Chemie, der Metall ver­ arbeitenden und der Maschinenbauindustrie. Die wirtschaftliche «Festung Schweiz» wurde insbesondere mit der Aktienrechtsreform von 1936 und, ab 1942, mit dem Instrument der Vinkulierung von Namensaktien weiter ausgebaut, was auch die Insider-Orientierung der Corporate Governance schweizerischer Grossunternehmen stärkte.8? Zum einen gehörten seit Ende der 1930er Jahre erstmals Aktiengesellschaften aus der Romandie zum inneren Kern des Schweizer Unternehmensnetzwerkes, was auf eine fort­ geschrittene Integration in diesem zentralen Bereich nationalen Zusammen­ halts hindeutet.86 Zum anderen stellten sich starke Verflechtungen zwischen den Firmen ein; indem die Grosskonzerne die Klein- und Mittelbetriebe über Subkontrakte in verlängerte Werkbänke verwandelten, förderten sie die brancheninterne und -übergreifende Interessenharmonie. Wichtig war das 1942 erfolgte Einschwenken des Schweizerischen Gewerbeverbandes auf einen liberalkorporativen Kurs in der Wirtschaftspolitik, der die selek­ tive Interessenprivilegierung im Inland mit dem Bekenntnis zur Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung verband.8? Eine spezielle Herausforderung war der «Plan Wahlen», der Mitte No­ vember 1940 - zum selben Zeitpunkt wie die «Eingabe der 200» - vom Agrarexperten (und späteren Bundesrat) Friedrich Traugott Wahlen unter Umgehung der von Verbänden dominierten Entscheidungsprozesse als Überraschungscoup lanciert wurde.88 Wahlen hatte den Plan, der nach dem deutschen Vorbild der «Erzeugungsschlacht» bald «Anbauschlacht» genannt wurde, als Antwort auf Krise und Kriegsgefahr seit 1937 entwi­ ckelt und langfristig als Agrarmodernisierungsprogramm angelegt. Dessen Kern war die massive Ausdehnung der Ackerbaufläche, die in den ausge­ henden 1930er Jahren etwas über 180000 Hektar betrug, auf geplante 500 000 Hektar. Dieses Ziel nahezu einer Verdreifachung der angebau­ ten Landfläche konnte, da sich nicht nur von Seiten der Bauern, sondern aus verschiedenen Kreisen der Wirtschaft Widerstand gegen eine zu weit gehende Reagrarisierung der Schweiz regte, bei Weitem nicht erreicht werden.8? Bis 1943 wurde beinahe eine Verdoppelung erreicht und bei

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diesen ca. 350000 Hektar sollte es in der Folge bleiben. Zusätzlich wur­ den eine halbe Million Kleinpflanzer und über 10000 Industriebetriebe (mit ca. 20000 Hektar neu genutzter Fläche) mobilisiert. Für die Einordnung dieses landwirtschaftlichen Umstrukturierungspro­ gramms in einen weiteren Zusammenhang sind zwei Punkte wichtig. Ers­ tens lief es - Ansätze aus dem Ersten Weltkrieges weiterentwickelnd - unter dem Slogan «Trutz der Not durch Schweizerbrot». Gleich nach Kriegsende zeigte allerdings eine Studie aus den USA, dass die behauptete Steigerung des Selbstversorgungsgrades der Schweiz von knapp über der Hälfte auf gegen 80 Prozent nicht auf Mehrproduktion, sondern auf einen stärker auf pflanzlichen Kalorien basierenden Ernährungsstil zurückzuführen war. Wenn zusätzlich die Desinvestition aufgrund mangelnder Düngemittel be­ rücksichtigt wird, so sieht die Bilanz noch bescheidener aus. Hinzu kamen die Importe aus Deutschland, auf welche die Planer für viele Ausbauschritte angewiesen waren. Der «Plan Wahlen» war weit mehr ein langfristig konzi­ piertes, an ausländischen Modellen orientiertes Modernisierungsprogramm der schweizerischen Landwirtschaft als eine Notaktion. Dies zeigt sich da­ ran, dass seine produktivitätssteigernden Wirkungen weithin erst in der Nachkriegszeit eintraten.?0 Zweitens wies die «Anbauschlacht» ebenso wie das Reduit im Sommer 1940 eine ausgeprägte politische Ambivalenz auf. In der Schweiz stand der Name «Wahlen» für nationalen Widerstand. Die betroffenen Bauern widersetzten sich vereinzelt den Anordnungen, doch in den vielen Bevölkerungsgruppen, die daran partizipieren konnten, drückte sich darin jener Abwehrwille aus, den man im Sommer 1940 schmerzlich vermisst hatte. Gleichzeitig wurde der landwirtschaftliche Mehranbau aller­ dings auch im Kontext des «Neuen Europa» situiert. Exponenten der natio­ nalsozialistischen Kriegswirtschaft werteten den «Plan Wahlen» aus dieser Sicht positiv. In Goebbels Propagandablatt «Das Reich» wurde jedenfalls lobend über die schweizerischen Autarkieanstrengungen berichtet.?1 Somit zeigte sich hier dieselbe Deutungsoffenheit wie beim Reduit national. Komplementärstück zum «Plan Wahlen» war ein technisch analog zum deutschen funktionierendes Rationierungssystem, das zunächst nur einige Grundnahrungsmittel erfasste, ab 1941 dann zu einem integralen, nach Alter, Geschlecht und Beruf abgestuften Zuteilungssystem ausgeweitet wurde. Anders als im Ersten Weltkrieg war diesmal die ganze Nahrungs­ lenkung auf die Kaufkraftverhältnisse in der Bevölkerung abgestimmt, unter anderem durch die Ausgabe von A- und B-Marken, die preislich differenziert, ernährungsphysiologisch jedoch äquivalent waren. Die Be­ völkerung vertraute auf die kriegswirtschaftlichen Institutionen und war, im Unterschied zum Ersten Weltkrieg, von der gerechten Durchführung

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der Rationierung überzeugt. Das System entfaltete seine Wirksamkeit als Self-fulfiling prophecy und wurde fast durchweg als Erfolg wahrgenom­ men. Die nationale Verteidigungs- und Volksgemeinschaft fand in der Er­ nährungspolitik eine ihrer eindrücklichsten Ausdrucksformen. Es ist inter­ essant zu sehen, wie einerseits der positive Aspekt des «gesünderen» (weil weniger Fleisch beinhaltenden) Essens in der öffentlichen Meinung - und später auch in der Erinnerung an die Kriegsjahre - präsent war, wie aber andererseits die prekäre Erfahrung einer staatlichen Lenkung des Essens fast durchweg auf die Autarkieideologie «Anbauschlacht» transponiert wurde, mit der man sich identifizierte. Es zeigt sich hier noch einmal, dass die Mehrleistung, die Frauen aufgrund der Umstellung der Ernährung auf Kriegskost zu leisten hatten, in der symbolischen Repräsentation dieser Mangeljahre als weibliche Opferbereitschaft, nicht aber als Begründung staatsbürgerlicher Rechte aufschien. Die Rationierungsmassnahmen beförderten in starkem Mass die Ernäh­ rungswissenschaft. Der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Kriegsernährung, der Lausanner Physiologe Alfred Fleisch, dankte ge­ radezu den Umständen, die es ihm ermöglicht hatten, über Jahre hinweg ein präzedenzloses «Massenexperiment» mit einer ganzen Bevölkerung von 4,3 Millionen Menschen zu machen - um dieses dann gerade in dem Moment abzubrechen, als es kritisch geworden wäre. Durch ihren empiri­ schen Zugriff auf die Konsumgewohnheiten der Bevölkerung beflügelte die Rationierung eine amerikanisch inspirierte Marktforschung, die 1941 mit der Gründung einer gleichnamigen Gesellschaft in Fahrt kam, um sich dann nahtlos in die Nachkriegszeit hineinzuentwickeln. Auch die kriegsspezifi­ schen Zensurmassnahmen und die Vorkehrungen einer «psychologischen Kriegsführung» wirkten im Kalten Krieg weiter. Die bei Kriegsbeginn geschaffene Abteilung Presse und Rundfunk, welche einen öffentlichen Informationsauftrag auf der Grundlage von Zensur wahrnahm, war bis Februar 1942 der Armee unterstellt. Sie unterstützte wirksam die «Schere im Kopf», welche eine Selbstdisziplinierung, teilweise vorauseilenden Ge­ horsam der Presseberichterstattung, bewirkte. Ergänzt wurde die Zensur durch den der Generaladjutantur der Armee unterstellten psychologischen Dienst «Heer und Haus», der seine Aktivitäten 1941 auch auf die Zivil­ bevölkerung ausweitete und auf die Bekämpfung von Gerüchten durch «Tatsachenvermittlung» mittels Vorträgen, Unterhaltungsanlässen, Infor­ mationsunterlagen und Auskünften an Bürger und Bürgerinnen zielte. Er befasste sich vielfach mit Konsumfragen und unterstützte darüber hinaus die moralische Aufrüstung des Widerstandswillens in der Schweizer Ar­ mee und Bevölkerung.?1 Trotz all dieser meinungslenkenden und ein­

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schränkenden Massnahmen war es in der Schweiz möglich, eine fundierte Übersicht über das Kriegsgeschehen zu gewinnen. Die Presseberichterstat­ tung warf immer wieder unbequeme Fragen auf. Die «Weltchronik» von Jean-Rodolphe von Salis, die im Februar 1940 von Bundesrat Pilet-Golaz angeregt worden und jeden Freitagabend über den leistungsstarken Radio­ sender Beromünster ausgestrahlt wurde, genoss hohe Glaubwürdigkeit und fand im In- und Ausland hohe Beachtung; sowohl die BBC als auch Radio Moskau nahmen immer wieder auf von Salis Bezug.” Innenpolitisch war der Zweite Weltkrieg von einer doppelten Kräftever­ schiebung geprägt. Einerseits steigerte die kriegsbedingte, notrechtlich be­ gründete Verkürzung der Gesetzgebungsprozesse, die vom Bundesrat inten­ siv genutzt wurde, die Macht von Exekutive und Administration gegenüber der Legislative. Andererseits erfuhren die «organisierten Interessen» und die Spitzenverbände der Wirtschaft einen weiteren Bedeutungszuwachs. Diese Entwicklung förderte eine von Verbänden dominierte Verhandlungsdemo­ kratie. Wie schon im Ersten Weltkrieg stiegen diese «privaten Regierun­ gen» durch ihre vielfältigen Aufgaben in der Kriegswirtschaft zu wichtigen Instanzen politischer Willens- und Entscheidungsfindung auf und domi­ nierten auch weitgehend das vorparlamentarische «Vernehmlassungsver­ fahren». Es fanden zwar nach wie vor einige Volksabstimmungen zu sensi­ tiven Themen statt: Während der Kriegsjahre wurden in solchen Plebisziten fünf Vorlagen abgelehnt, drei angenommen. Besonders eindrücklich war Ende 1940 die Verwerfung des obligatorischen militärischen Vorunter­ richts mit 56 Prozent Nein-Stimmen. Das Argument, es gelte, in der Stunde der Gefahr die Wehrtüchtigkeit des Volkes zu stärken, verfing nicht. Die von allen grossen Parteien mitgetragene Vorlage scheiterte nicht zuletzt am Widerstand gegen eine weitere militärische Belastung der Bevölkerung. In entscheidenden Politikfeldern, insbesondere in der Steuer- und der Flüchtlingspolitik, unterblieben demgegenüber Volksabstimmungen, so dass Parteien und Verbände darauf verzichten konnten, die eigene An­ hängerschaft mit antagonistischen, einer innenpolitischen Polarisierung Vorschub leistenden Argumentationen zu mobilisieren. Auf diese Weise vermochten die Spitzenexponenten «organisierter Interessen» ihre aggre­ gierte Verhandlungsmacht zu nutzen, um Neuerungen und Kompromiss­ lösungen voranzutreiben, die im offenen politischen Tageskampf rasch torpediert worden wären. Das Vollmachtenregime entwickelte - in deut­ lichem Gegensatz zum Ersten Weltkrieg - eine Treibhausatmosphäre für politische Kompromisse. Die integrative Dynamik zeigte sich insbeson­ dere beim notrechtlichen Ausbau des Sozial- und Steuerstaates. Hier kam ab 1940 vieles in Bewegung. Ausgabenseitig trieben die steigenden Mili­

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tärausgaben die Verschuldung des Bundes in die Höhe. Lag diese 1938 noch bei 2,3 Milliarden, so stieg sie bis 1946 auf etwa 9 Milliarden Fran­ ken. Dies ist ein massiver Anstieg, auch wenn die Inflation von etwas mehr als 50 Prozent (über alle Kriegsjahre hinweg) in Rechnung gezogen wird. Die gleich zu Kriegsbeginn geschaffene Verdienst- und Erwerbsersatz­ ordnung für militärdienstleistende Wehrmänner, welche für den sozialen Ausgleich von grosser Bedeutung war, wurde durch «Lohnprozente» faktisch eine zweckgebundene, proportionale Einkommenssteuer - finan­ ziert. Die schweizerischen Unternehmer wehrten mit diesem raschen Vor­ stoss eine weitergehende staatliche Sozialversicherung ab und sicherten sich die Kontrolle über betriebsrelevante (Lohn-)Informationen und die zentralisierten Ausgleichskassen, welche das Funktionieren des Systems gewährleisteten. Was den notwendigen Ausbau des Bundessteuersystems betrifft, so wie­ sen Finanzexperten darauf hin, dass «in der Stunde der Gefahr der Opfer­ wille des Volkes grösser sei als in der Nachkriegszeit und dass man daher das Eisen schmieden müsse, solange es noch heiss sei».?’ Bereits 1940 war es zu einem «historischen Kompromiss» zwischen direkter und indirekter Besteuerung gekommen. Die Einführung einer progressiv ausgestalteten direkten Bundessteuer, der sogenannten Wehrsteuer, wurde im Junktim mit der Schaffung einer degressiv wirkenden Warenumsatzsteuer realisiert. Die «zweibeinige Finanzreform» verfolgte den Anspruch einer «Opfer­ symmetrie» zwischen Kapital und Arbeit - die Arbeiterfamilien als Haupt­ pfeiler des Konsumumsatzes des Landes akzeptierten eine steuerbedingte Kaufkraftreduktion unter der Bedingung, dass die hohen Einkommen in einem ähnlichen Ausmass zur Staatsfinanzierung beitrugen. 1943 kam mit der «Verrechnungssteuer» der Versuch hinzu, die Steuerhinterziehung zu bekämpfen und jene, die ihre Einkommen und Vermögen weiterhin am Fiskus vorbeimanövrierten, steuerlich zu belangen. Dass diese Quellen­ steuer im ersten Erhebungsjahr 1944 gegen hundert Millionen Franken (11 Prozent der Fiskaleinnahmen des Bundes) und damit mehr als die Kriegsgewinnsteuer (82 Millionen) einbrachte, ist ein Indikator für ein er­ hebliches Steuerhinterziehungsproblem, das mit diesem Steuertyp trotz nicht sehr wirksamer Steueramnestien in den Jahren 1940 und 1945 verstetigt wurde. Zugleich wurden in den Kriegsjahren Gewinne durch erwei­ terte Abschreibungsmöglichkeiten, die Bildung stiller Reserven und die Einrichtung betrieblicher Sozialwerke reduzierte, was insbesondere die grossen schweizerischen Unternehmen stärkte.

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Flüchtlingspolitik und «humanitäre Schweiz» Die Schweizer Grenze war während der Kriegsjahre bemerkenswert offen für wirtschaftliche Transaktionen, wissenschaftliches Wissen, politische Bestrebungen und ideologische Einflüsse. Hingegen schlug sich die wahr­ genommene «Überfremdungsgefahr» voll in der Flüchtlingspolitik nieder. Zwar wurde in der Nachkriegszeit bilanziert, das Land habe während der Kriegsjahre gegen 300 000 Flüchtlinge aufgenommen. Darunter befanden sich ca. 60000 Kinder, die, vor allem gegen Kriegsende, zur Erholung für einige - meist drei - Monate in die Schweiz geholt wurden und 66 000 kurzzeitig anwesende Grenzflüchtlinge. Dazu kamen 104000 Militär­ flüchtlinge, darunter die 42600 Soldaten des 45. Französischen Armee­ korps, das im Juni 1940 an der Grenze entwaffnet und ins Landesinnere gebracht wurde. Dass das politische Asyl in dieser Zeit fast keine Rolle spielte und nur gerade 252 Asylsuchende aufgenommen wurden, war vor allem der Tatsache geschuldet, dass die schweizerischen Behörden «Flücht­ lingen nur aus Rassegründen, z. B. Juden»,’6 den Anspruch auf Asyl von vornherein aberkannten; seit Sommer 1942 galt dieser Grundsatz offiziell und gleichzeitig wurde die Fluchthilfe zum Delikt erklärt. Insgesamt inter­ nierte die Schweiz während der Kriegsjahre 53 000 zivile Flüchtlinge, die zum grössten Teil ohne Einreisebewilligung in die Schweiz gelangt waren. Sie lebten teils in Flüchtlingslagern, teils fanden sie bei Familien Unter­ kunft. Zusammen mit den 7000 bis 8000 jüdischen Emigranten, die schon vor dem Krieg angekommen waren, bot die Schweiz rund 60000 Zivil­ personen für die Dauer von einigen Wochen bis zu mehreren Jahren Schutz vor der Verfolgung durch den Nationalsozialismus.’7 Diese Flüchtlingsaufnahmen waren im staatlichen Abwehrdispositiv nicht vorgesehen. Die judenfeindliche Haltung, welche die Schweizer Be­ hörden schon bei der Einführung des «J-Stempels» 1938 zeigten, machte sich besonders krass im August 1942 bemerkbar. Obwohl sich die ver­ streuten Informationen über den Massenmord am europäischen Judentum zur Gewissheit verdichteten, verfügte die Regierung eine Grenzschliessung. Bundesrat Eduard von Steiger prägte am 30. August 1942 vor der «Lands­ gemeinde» der Jungen Kirche die Metapher von der Schweiz als einem «vollen Rettungsboot», das, bei Strafe seines Untergangs, keine weiteren Hilfsbedürftigen mehr aufnehmen könne. Dieser Schritt hatte für viele auf der Flucht befindliche Menschen katastrophale Auswirkungen. Gegen 25 000 wurden zurückgewiesen, Tausende davon waren direkt vom Tode bedroht. In einigen Fällen übergab man sie gefesselt den nationalsozialisti­ schen Häschern.’8 Ein bedrückendes Beispiel stellt das Schicksal der Eltern des Historikers

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Saul Friedländer dar. Jan und Elli Friedländer-Glaser flohen mit ihrem Sohn Pavel im Frühjahr 1939 von Prag nach Paris. Nach der Besetzung Frankreichs verbrachten sie zwei Jahre bei Montlu^on in der Einflusszone des Vichy-Regimes. Als der Druck auf die Juden zunahm, versteckten sie ihren Sohn in verschiedenen Internaten. Im Herbst 1942 wurde der zehn­ jährige Pavel katholisch getauft, erhielt den Namen Paul-Henri Ferland und bereitete sich auf eine Priesterlaufbahn vor. Seine Eltern versuchten sich zu verstecken und entschlossen sich dann zur Flucht in die Schweiz. Die Gruppe wurde bei Novel über St. Gingolph durch die schweizerische Grenzwache abgewiesen und an die französische Polizei übergeben. Nach einem Aufenthalt in einem Lager in Rivesaltes wurden sie deportiert; ihre Namen finden sich später auf einer Transportliste nach Auschwitz, wo sie von den Nationalsozialisten ermordet wurden. In Vichy-Frankreich schlug die Laval-Regierung die Deportation jüdischer Kinder vor; Paul überlebte im Schutze des Internats. 1948 wanderte er nach Israel aus, wo er den Na­ men Saul annahm. 1978 publizierte Saul Friedländer seine Autobiographie «Wenn die Erinnerung kommt»” als Teil eines «therapeutischen Durch­ arbeitens meiner Vergangenheit».100 Viele verfolgte und vom Tod bedrohte Flüchtlinge wurden auch schon weit entfernt von der Schweizer Grenze von den Eidgenössischen Vertre­ tungen im Ausland abgewiesen. Die Signale der Abschreckung wirkten in alle Himmelsrichtungen. Schätzungen belaufen sich auf 14 500 Menschen; es muss davon ausgegangen werden, dass eine weit grössere Zahl durch die harte Haltung der Offiziellen entmutigt wurde, sich durch die Flucht in die Schweiz zu retten. Da die aufgebotenen Truppenbestände im Reduit verharrten und der Grenzdienst entsprechend ausgedünnt war, vermochte die Schweiz die Grenzschliessung allerdings nur beschränkt durchzuset­ zen. Auch nach dem Sommer 1942 fanden so Menschen Zuflucht in der Alpenrepublik. Hardliner der Heerespolizei waren über diesen Sachver­ halt alarmiert und schlugen vor, die militärische Abwehr auszubauen zu einer «scharfen Grenzbewachung mit grossem Truppenaufwand, Verwen­ dung von Schusswaffen, Scheinwerfern, evtl. Gas». Rothmund leitete diese Vorschläge an die Regierung mit der Bemerkung weiter, er könne mit die­ sem Vorstoss eines «alten Haudegens» nicht viel anfangen, immerhin ent­ halte er «gute polizeiliche Hinweise für die zukünftige Organisation des Grenzschutzes (ohne Gas)».101 Die Schweiz definierte sich offiziell als Transitland. Flüchtlinge, die nicht den Eindruck erwecken konnten, dass sie nur auf Durchgangsstation wa­ ren und bald wieder abreisen würden, hatten einen schweren Stand. Dies galt vor allem für die Juden, die nun europaweit verfolgt und in Deutsch­

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land ihrer Staatsbürgerschaft beraubt worden waren. Hier verbanden sich das Angstsyndrom gegen «Fremde» und Antisemitismus zu einer wirk­ samen Abwehrhaltung. Für die Behörden war «Überfremdung» ein Code­ wort für die Warnung vor jüdischem Einfluss. Dieser Zusammenhang spielte selbst in humanitäre Aktionen hinein. 1941 wurden, massenmedial inszeniert, Flüchtlingskinder aus Belgien und Frankreich aufgenommen. Der neutrale Kleinstaat spiegelte sein Selbstbild in den Gesichtern dieser unschuldigen, vom Krieg bedrohten Mädchen und Buben. Doch um der Schweiz Dauerflüchtlinge zu ersparen, ordnete Rothmund im Mai den Ausschluss jüdischer Kinder von den Hilfskonvois an. Und im September 1942 legte Bundesrat Pilet-Golaz sein Veto gegen die Aufnahme von 500 von der Deportation bedrohten jüdischen Kindern ein.101 Eine schroffe Ablehnung erfuhren auch Linke. Dies zeigte sich etwa um Umgang mit jenen «Rotarmisten», die in Spanien nach dem Ende des Bürgerkrieges durch die Terrorpolitik Francos vertrieben wurden und die 1939/40 in Frankreich am Ausbau der Maginot-Linie mitwirkten. Nach dem deutschen Blitzkrieg flohen viele von ihnen in die rettende Schweiz, um hier aller­ dings, noch während die internierten polnischen und französischen Solda­ ten ins Land hinein marschierten, durch Polizeikräfte in der Gegenrich­ tung aus dem Land vertrieben zu werden. Über solche spezifischen Diskriminierungen hinaus setzte die Flücht­ lingspolitik ganz allgemein auf Vermeidung und Verhinderung. Dieser Trend wurde dadurch verstärkt, dass die Regierung bei ihren flüchtlings­ politischen Verlautbarungen immer wieder wortwörtlich Eingaben des fremdenfeindlichen Schweizerischen Vaterländischen Verbandes zitierte. IO3 So wurde eine ganze Reihe weiterer Rückweisungsgründe virulent, die mit wirtschaftlichem Protektionismus, Fragen der Landesversorgung und der Sorge um die nationale Sicherheit zu tun hatten. Die Konkurrenzängste auf dem Arbeitsmarkt liessen sich allerdings - bei einem historischen Tief des Ausländerbestandes von 5,1 Prozent im Jahre 1940 - nur schlecht begrün­ den. Die Furcht, dass die Ernährung nicht für alle reichen könnte, war ima­ ginär. Der deutsche Theologe Dietrich Bonhoeffer, der kurz vor Kriegsende von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, vermerkte in einem fin­ gierten Tagebuch zu seinen «Eindrücken in der Schweiz»: «Lächerlich ist die Jammerei über die Ernährung, wo die Leute noch im Fett schwimmen! Die Angst, etwas zu verlieren, ist riesengross - schrecklich bourgeois. »IO4 Ebenso aus der Luft gegriffen waren Ängste, dass die Schweiz wegen einer grosszügigeren Flüchtlingsaufnahme zum Opfer eines militärischen Über­ falls eines erzürnten Nationalsozialismus werden könnte. Doch fiktionale Bedrohungsgefühle erzeugen politisch wirksame Distanzierungsreflexe.

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Dass sich gleichzeitig viele Schweizer Familien bereiterklärten, Flücht­ linge in ihren Kreis aufzunehmen, ist kein Widerspruch dazu - die Angst vor dem Fremden, die staatlicherseits für eine restriktive Politik genutzt wurde, ging einher mit einer tief gehenden Überzeugung, dass man in Not geratenen Menschen helfen solle. Es gab in der Bevölkerung eine grosse und uneigennützige Hilfsbereitschaft. Die Behörden beklagten sich über die tief verankerte «Asyltradition», welche fortgesetzt zu Protesten gegen eine als inhuman betrachtete Flüchtlingspolitik Anlass gab und die Ab­ wehrpolitik der Behörden erschwerte. Zu erwähnen ist insbesondere die beträchtliche Zahl von Flüchtlingshelfern, die auch illegale Methoden an­ wandten, wenn es darum ging, bedrohte Menschen zu retten; zu erwähnen sind etwa Mitarbeiterinnen der Kinderhilfe des Roten Kreuzes. Nach dem Veto der Regierung gegen die vorübergehende Aufnahme von direkt von der Deportation bedrohten Kindern aus Frankreich nahmen diese die Kin­ der heimlich auf eigene Verantwortung auf. Es gab eine ganze Zahl von öffentlich bekannten Kritikern und Kritikerinnen wie Gertrud Kurz, Karl Barth, Sebastian Steiger, Paul Lüthi, Walter Lüthi, Max Wolff und viele weitere. Gerhart M. Riegner, Thomas Mann, Paul Vogt und zahlreiche an­ dere haben aktiv über den Massenmord an den europäischen Juden infor­ miert.10? Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund, der zusammen mit dem Verband Schweizerischer Jüdischer Flüchtlingshilfen die Hauptlast der privaten Unterstützungsarbeit trug, forderte zugleich am deutlichsten (jedoch vergeblich) eine grundlegende Neuausrichtung der Flüchtlings­ politik. Nach heftigen Protesten gegen die Grenzschliessung debattierte im September 1942 die Bundesversammlung über diese Frage. Dabei kritisier­ ten Sozialdemokraten, liberale Bürgerliche sowie christliche und jüdische Parlamentarier die Haltung der Regierung mit klaren Worten - allerdings ohne substanzielle Wirkung.106 In Budapest rettete der Schweizer Vizekon­ sul Carl Lutz ab Frühjahr 1944 mit Hilfe von Schutzpässen und Schutz­ briefen 60 000 Jüdinnen und Juden; sein Engagement inspirierte auch den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der nach dem Krieg weithin Ehrungen erfuhr, während Lutz offiziell gerügt wurde. Die Kritikerinnen und Kritiker waren während der Kriegsjahre nicht in der Lage, eine Kurskorrektur durchzusetzen. Ihr Engagement entfaltete sich im Privaten und in einer grossen Zahl von Hilfsorganisationen. Eine moralische Gegenüberstellung von «inhumanen Behörden» und «hilfsbe­ reiter Bevölkerung» ist allerdings in einer direkten Demokratie wenig plausibel. Dass eine breite Bewegung von unten für eine humanitäre Flüchtlingspolitik ausblieb, hing auch nicht primär mit der Zensur, son­ dern mit der Tatsache zusammen, dass in der medialen Berichterstattung

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kaum Verbindungen zwischen den Flüchtlingsschicksalen in der Schweiz und der Vernichtung der Juden durch das NS-Regime hergestellt wurden. Die Schweiz koppelte sich in diesem emotional stark aufgeladenen Bereich mental vom Geschehen rund um das Land herum ab.10? Sie schaute nicht einmal zu - was immerhin bei genauer Beobachtung eine offenere Flücht­ lingspolitik hätte unterstützten können. Was die judenfeindlichen Ressen­ timents betrifft, so ist generell eher von einer Komplizenschaft zwischen öffentlicher Meinung und behördlichem Handeln auszugehen. Dennoch muss gesehen werden, dass der Bundesrat aufgrund des Vollmachten­ regimes über einen grossen Entscheidungsspielraum verfügte und im Herbst 1942 die Fluchthilfe kriminalisierte. Im Vergleich mit Schweden, einem anderen neutralen Land, fällt auf, dass die Schweiz zwar verhin­ derte, dass deutsche Truppen durch ihr Territorium befördert wurden, wie dies in Schweden ab 1940 geschah. Die zuvor restriktive schwedische Flüchtlingspolitik wurde allerdings nach 1942 gelockert. Verfolgte Men­ schen fanden hier Rettung vor dem sicheren Tod. Das weit verbreitete Bild des «vollen Rettungsbootes» hatte in der Schweiz eine solche Öffnung ver­ hindert. Eine katalytische Rolle für die in der Schweiz trotz Zensur und «Über­ fremdungsangst» geführten Diskussionen spielte die literarische Emigra­ tion. Der Schweizerische Schriftstellerverband sah in den Autoren, die nach 1933 in die Schweiz einwanderten, vor allem eine Arbeitsmarktkon­ kurrenz. Gleichzeitig versuchte er, einen schweizerischen Literaturmarkt zu etablieren, welcher sich in die «Geistige Landesverteidigung» einfügen sollte.108 Robert Faesi sprach 1939 von einer Schweizer Literatur, für die «Blut und Boden die selbstverständlichen Werte» darstellten;10? andere Autoren setzten deutlicher auf normative Distanz gegenüber dem Natio­ nalsozialismus. Es war allerdings nicht dieses ambivalente «Schweizer­ buch», das sich durchsetzte, sondern eine transnationale literarische Pro­ duktion und vor allem das Emigrationstheater, das an der Pfauenbühne in Zürich unter der Direktion von Ferdinand Rieser nach 1933 zur Hoch­ form auflief. Die 1938 gegründete Neue Schauspiel AG versuchte anschlies­ send, auf dieser einzigen freien Bühne im deutschsprachigen Raum einen «neutralen» Mittelkurs zwischen einem von deutschen Oppositionellen an­ gestrebten politischen Theater und der Obstruktionspolitik des deutschen Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda zu verfolgen.110 Die neue Theaterleitung unter Oskar Wälterlin und Kurt Hirschfeld (Chef­ dramaturg) pflegte zwar weiterhin das Bildrepertoire der schweizerischen Nationalmythologie (u. a. mit Tell-Inszenierungen), boten allerdings zu­ nehmend in Deutschland verbotenen antifaschistischen Autoren Raum und

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machten Zürich zum international beachteten Theaterstützpunkt, unter anderem mit Uraufführungen von Bertolt Brechts Dramen «Mutter Cou­ rage und ihre Kinder» (1941), «Der gute Mensch von Sezuan» (1943), «Leben des Galilei» (1943) und ~ nach Kriegsende - «Herr Puntila und sein Knecht Matti» (1948). Die künstlerische Vitalität der schweizerischen Literatur- und Theaterszene während der Kriegsjahre trug allerdings ebenso zum geschönten Bild einer schweizerischen «Friedensinsel» bei wie zu einer Geschichte durchlässiger Kulturgrenzen und des Kampfes für uni­ verselle Werte.111

Zeitgenössische Zweischneidigkeit und historische Interpretationen Wie schon im Ersten Weltkrieg vermochte die Schweiz ausserhalb des Kriegsgeschehens zu bleiben. Diese Tatsache wurde immer wieder mit ihrer speziellen Lage erklärt. Davon ist auch in Bertolt Brechts «Flüchtlings­ gesprächen» (entstanden zwischen 1940 und 1944) die Rede. Im Bahnhof von Helsingfors, wo sie als Flüchtlinge festsitzen, erklärte der Physiker Ziffel dem Metallarbeiter Kalle, «der historische Freiheitsdurst der Schweiz» komme daher, «dass die Schweiz ungünstig liegt. Sie ist umgeben von lau­ ter Mächten, die gern was erobern. Infolgedessen müssen die Schweizer immerfort auf dem Quivive sein. Wenn’s anders wär, bräuchten sie keinen Freiheitsdurst. Man hat nie was von einem Freiheitsdurst bei den Eskimos gehört. Sie liegen günstiger.» Darauf bemerkt Kalle: «Die Schweizer haben Glück gehabt, dass es gleich mehrere sind, die schlimme Absichten auf sie haben. Keiner von ihnen gönnt dem andern die Schweiz. Wenn ihr Glück auslässt, d.h., wenn eine von den Mächten stärker wird, ist’s herum.»111 Dieser Dialog entwickelt die Gegenposition zum schweizerischen Selbst­ verständnis. Es war mit dem kleinen Land eben gerade nicht «herum», als eine der Mächte mit erdrückender Dominanz auftrumpfte. Lange Zeit gab man sich zur Erklärung dieses Sachverhaltes mit einfachen Deutungsmus­ tern zufrieden. Für den Doyen der schweizerischen Neutralitätsgeschichte, Edgar Bonjour, hatte die Schweiz «ganz einfach Glück».”3 Dazu kamen Gott, Gotthard und Guisan. Eine nationalreligiöse Deutung, welche sich von der Glücks-These unterscheiden wollte, sah im gütigen Schicksal des Vom-Krieg-verschont-Bleibens eine göttliche Vorsehung am Werk, die einer gottesfürchtigen «widerstandsentschlossenen Schicksalsgemeinschaft» zugutekam. Mit dem Zentralmassiv des Sankt Gotthard materialisierte sich der providenzielle Schutz des kleinen Landes in der Nationaltopogra­ phie, die damit gar nicht günstiger hätte liegen können. In diese Berge musste man erst hochkommen, das soll mal einer versuchen! Es machte den Kern der Popularität General Guisans aus, dass er genau diese Bot-

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schäft verkündete und glaubhaft machen konnte, die Schweizer hätten sich diese glückliche Fügung aufgrund ihrer entschlossenen militärischen Abwehrbereitschaft selber verdient. Und damit klang jene kollektive Stim­ mungslage eines «hochgemuten Pessimismus» an, die schon anlässlich der Landesausstellung von 1939 zu beobachten war und sich im Sommer 1940 nur für einen kurzen Moment verflüchtigt hatte. Zur Neutralität der Schweiz gab es bei Kriegsbeginn keine Alternative. Doch das Neutralitätsrecht war schon seit dem Ersten Weltkrieg in dau­ ernder Bewegung.11« Damals waren neutrale Länder, wenn strategische Überlegungen dies erforderten, militärisch überrannt und besetzt worden. Das war wiederum ab 1939 der Fall. Die Kriegsverschonung der Schweiz aus ihrer Neutralität abzuleiten kommt deshalb einem argumentativen Kurzschluss gleich. Es ist umgekehrt so, dass die Schweiz ihre Neutrali­ tät - mehr schlecht als recht - aufrechterhalten konnte, weil sie nicht an­ gegriffen wurde. Neutrale Länder verhielten sich opportunistisch. Sie ver­ suchten nicht, sich gegen aufsteigende Mächte zu stellen, sondern lehnten sich an diese an. Sie praktizierten eine anti-balance of power-Haitung, die Machtasymmetrien tendenziell verstärkte.11? Sie verletzten die geltenden Neutralitätsregeln, wenn es um die Wahrung ihrer eigenen nationalen In­ teressen ging. So auch die Schweiz. Die Waffenlieferungen von (staats­ eigenen) Regiebetrieben (wie der Munitionsfabrik in Altdorf oder der Pul­ verfabrik in Wimmis) nach Deutschland waren ebenso neutralitätswidrig wie die Sales-Promotion-Tour des Chefs der Kriegstechnischen Abteilung in Berlin oder das einseitige Verbot für Kriegsmateriallieferungen nach Grossbritannien im Juni 1940. Zudem verstiessen das Fehlen wirksamer Kontrollen der Gotthardtransite und die Gewährung der Clearingkredite an Deutschland gegen das Neutralitätsrecht.116 Aus transnationaler Perspektive von grosser Bedeutung ist die Frage, ob die Schweiz mit ihrer industriellen und finanziellen Unterstützung der deutschen Kriegswirtschaft den Zweiten Weltkrieg verlängert habe. «Jeder Franken, für den die Schweiz Kriegsmaterial nach Deutschland sendet, verlängert den Krieg», liess der Leiter des Foreign Office in London, An­ thony Eden, im Frühjahr 1943 verlauten. Einen Monat später notierte allerdings Carl A. Clodius, der in den Wirtschaftsverhandlungen mit der Schweiz eine Hauptrolle spielte, in einem Memorandum, die Kriegsmate­ rialimporte aus der Schweiz würden sich auf nur gerade 5 Promille der deutschen Gesamtproduktion belaufen. Dass die Briten schweizerische Rüstungsexporte kritisierten, ist nachvollziehbar. Das Argument von Clo­ dius sticht allerdings. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension die­ ses Krieges war so gigantisch, dass der Beitrag der Schweiz zu unbedeu-

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tend war. Deutschland mobilisierte innerhalb seiner Besatzungswirtschaft 36 Milliarden Mark Besatzungskosten- und Clearingkredite. Dazu steu­ erte die Schweiz drei Prozent bei. Gemessen an den gesamten Kriegskosten von über 400 Milliarden Reichsmark relativiert sich der Schweizer Anteil weiter.11? Die Kriegsverlängerungsthese ist auch deshalb nicht triftig, weil das Kriegsende massgeblich von den strategischen Entscheidungen der Alliierten und von deren zunehmenden Erfolgen an der Informationsfront abhing. Hingegen ist es richtig, dass die Wirtschaftskooperation mit Deutschland für die Stabilisierung des schweizerischen Arbeitsmarktes und der ganzen «inneren Front» von einiger Bedeutung war. Die Meinung, der neutrale Kleinstaat habe angesichts der Bedrohungs­ lage keine Gesinnungsethik betreiben können, sondern die Staatsräson walten lassen müssen, baut allerdings eine unproduktive Dichotomie auf. Gerade bei der Flüchtlingspolitik wäre es möglich gewesen, die staatlichen Interessen der Schweiz humanitär zu definieren. Wenn insinuiert wird, ver­ antwortungsvolles Handeln habe eben Härte erforderlich gemacht, so wird damit nur eine Schutzbehauptung der damaligen Verantwortungsträ­ ger reproduziert. Die normativen Implikationen flüchtlingspolitischer und kredittechnischer Entscheidungen waren damals durchaus bekannt. Dies zeigt sich z. B. bei der zeitgenössischen Diskussion um den Clearing-Kre­ dit. Im Nationalrat kam es im September 1941 zu einem Disput; National­ rat Walter Muschg, ein Vertreter des Landesrings, erklärte, es gelte, bei den Konzessionen an Nazi-Deutschland «schon jetzt» dem «moralischen Gesichtspunkt» Rechnung zu tragen, denn «unsere eigenen Nachkommen werden dereinst nicht zuerst danach fragen, ob wir in diesen Jahren ge­ hungert oder gefroren haben, sondern ob wir die Kraft aufbrachten, trotz Hunger und Not dem schweizerischen Staat diejenige Geltung zu erhalten, deren er würdig ist und die er braucht». Das zuständige Regierungsmit­ glied Walther Stampfli konterte mit den Worten: «Mich interessiert es gar nicht, was unsere Nachkommen sagen werden. Mit interessiert vielmehr, was die heutige Generation dazu sagen würde, wenn sie keine Kohlen und nichts zu essen hätte», und er verwahrte sich entschieden gegen den «An­ flug von idealem Heroismus», den er bei Muschg festzustellen glaubte.118 Noch pointierter kamen die Wertungsunterschiede in der Flüchtlingspoli­ tik zum Ausdruck. Der liberale Baselstädtische Nationalrat Albert Oeri kritisierte im September 1942 die Flüchtlingspolitik mit der Frage: «Müs­ sen wir grausam sein, in der Gegenwart um einer unsicheren Zukunfts­ gefahr willen, so quasi and the making of political and economic modernity in Switzerland, in: Social Anthropology 9 (2001), S. 81-94. 18 Vgl. dazu die wegweisende Studie von Schueler, Transnational Infrastructures. 19 Lüem, Probleme der schweizerischen Landesbefestigung, S. 42 ff. 20 Führer, Die Schweizer Armee, S. 525. 21 Utz, Kultivierung der Katastrophe. 22 Zit. nach: Utz, Tanz auf den Rändern, S. 102. 23 Seippel (Hg.), Die Schweiz, Bd. 3, S. 557-559. Alfred Nobel hatte 1873 in Isleten (Kanton Uri) eine stillgelegte Papierfabrik gekauft und mit der Herstellung von Dynamit für den Gotthardbahnbau begonnen. Vgl. Burckhardt, Dynamit am Gotthard. 24 Jost, Die reaktionäre Avantgarde. 25 Clavien, Les helvetistes. 26 Gruner, Arbeiterschaft, Bd. 2/1, S. 165 ff. Bis 1909 sank der Anteil auf ein Viertel. 27 Huser, S. 395 u. 398; Mesmer, Staatsbürgerinnen, S. 16. 28 Huser, Der Deutsche Arbeiterbildungsverein, S. 398, 402, 406, 422 u. 427. 29 Ebd., S. 416. 30 Geering/Hotz, Wirtschaftskunde, S. 6. 31 Gruner, Arbeiterschaft, Bd. 1, S. 240 ff. 32 Argast, Staatsbürgerschaft und Nation, S. 12. 33 Brunner (Hg.), Die Schweiz, S. 275. 34 Thierry Christ, Artikel «Fürsorge», in: Historisches Lexikon der Schweiz (Online-Aus­ gabe). Zwar stellten einige Kantone (vor 1914 Bern und Neuenburg) die Armenfürsorge schrittweise auf das Wohnsitzprinzip um und trugen damit der erhöhten Mobilität der schweizerischen Bevölkerung Rechnung. Doch es erstaunt nicht, dass es noch bis zum Bundesgesetz von 1977 dauerte, bis die Ersatzpflicht des Heimatorts bei Armengenössigkeit neu geregelt wurde - und die konsequente Umstellung des Fürsorgewesens auf das Wohnsitzprinzip lässt weiterhin auf sich warten. 35 Urner, Die Deutschen in der Schweiz. 36 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Revision des Bundes­ gesetzes betreffend die Erteilung des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe, Vom 20. März 1901, S. 458 f. 37 Argast, Staatsbürgerschaft und Nation, S. 164 u. 177. 38 Ebd., S. 183. 39 Zit. nach: Kury, Überfremdungsdiskurs und Ausgrenzung in der Schweiz, S. 64-65. 40 Eduard Secretan, Die schweizerische Armee seit hundert Jahren, in: Seippel (Hg.), Die Schweiz, Bd. 1, S. 542. 41 Tanner, Kempin-Spyri. 42 Mesmer, Ausgeklammert; Hardmeier, Frühe Frauenstimmrechtsbewegung. Zur Rolle der Frauen im Alpinismus vgl. Wirz, Gipfelstürmerinnen. 43 Joris/Witzig, Brave Frauen, S. 86. 44 Mesmer, Staatsbürgerinnen, S. 19.

2. Fin de Siede & Belle fcpoque (1890 bis 1912)

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45 Krauthammer, Das Schächtverbot; Mesmer, Das Schächtverbot von 1893, in: Mattioli (Hg.), Antisemitismus, S. 215-239; Christian Bolliger, Die eidgenössische Volksabstim­ mung über das Schächtverbot von 1893, in: Vatter (Hg.), Vom Schacht- zum Minarett­ verbot, S. 70-92. 46 Neue Zürcher Zeitung, 23. Mai 1894, zit. nach: Linder, Handbuch, S. 79. 47 Seippel, Allgemeiner Überblick, in: Ders. (Hg.), Die Schweiz, Bd. 3,1900, S. 553. 48 Konrad Kuoni, Der Bau des Gotthard-Eisenbahntunnels (1871-1881), in: Ferrum 80 (2008), S. 99-112. 49 Wecker u. a., Die «schutzbedürftige Frau». 50 Hansjörg Siegenthaler, Fridolin Schuler und die Anfänge des schweizerischen Wohlfahrts­ staates, in: Ders. (Hg.): Wissenschaft und Wohlfahrt, S. 17. Für Basel vgl. Wecker: Zwischen Ökonomie und Ideologie. 51 Vgl. dazu: Evers/Nowotny, Über den Umgang mit Unsicherheit. 52 Vgl. (mit einem etwas anderen Interpretationsakzent): Lengwiler, Risikopolitik im Sozial­ staat, S. i ff. 53 Zürcher, Unterbrochene Tradition; Honegger et al., Konkurrierende Deutungen des Sozialen. 54 Germann, Psychiatrie und Strafjustiz. 55 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung: «Betreffend Einführung des Ge­ setzgebungsrechtes über Unfall- und Krankenversicherung», in: Schweizerisches Bundes­ blatt, 28. November 1889, S. 825-1070, hier S. 829 und 831 ff. 56 Einzig die Militärversicherung Überstand den plebiszitären Parcours und wurde 1902 ein­ gerichtet. 57 Die Steuerhoheit der Gemeinden ist eine abgeleitete bzw. delegierte, da sie nur im Rahmen einer kantonalen Ermächtigung ausgeübt werden darf. Aufgrund der funktionellen Auto­ nomie der Gemeinden handelt es sich jedoch faktisch um eine echte Steuerhoheit, die mit jener von Bund und Kantonen zu vergleichen ist. 58 Fueter, Die Schweiz seit 1848, S. 57. Vgl. auch: Schanz, Die Steuern in der Schweiz, 5 Bde.; Oechslin, Die Entwicklung des Bundessteuersystems. 59 Schanz, Die Steuern in der Schweiz, Bd. 1, S. 3; Oechslin, Die Entwicklung des Bundes­ steuersystems, S. 44. 60 Bircher, Die Entwicklung der Steuerbelastung, S. 84. 61 Eugen Grossmann, Moral und Technik in der schweizerischen Finanzpolitik, in: Die Schweiz. Ein nationales Jahrbuch. Hg. von der Neuen Helvetischen Gesellschaft Zürich 16 (1945), S. 96-107, hier S. iot. 62 Walder, Steuer-Defraudation, S. 5. 63 Vgl. dazu auch: Lengwiler, Steuerkultur und Staatsverständnis, S. 6. 64 Widmer, Die Schweiz, S. 479 ff. 65 Schweizerische Vereinigung für internationalen Arbeiterschutz, 1908. Eingabe des Vor­ standes der Schweiz. Vereinigung für internationalen Arbeiterschutz an den hohen Schweiz. Bundesrat vom 31. März 1908. Bern: Schweiz. Bundesarchiv (BAR) 23/41. 66 Jost, Geschichte und Gegenwart; Tanner, Der Tatsachenblick; Raphael, Die Verwissen­ schaftlichung. 67 Bundesamt für Statistik, Statistisches Jahrbuch der Schweiz, 1891, S. vi. 68 O’Connor, Poverty knowledge; Tschaler, Von der selbstverschuldeten Armut zur Arbeits­ losigkeit (Lizentiatsarbeit). 69 Ebd., S. 1612. 70 Bundesamt für Statistik, Statistisches Jahrbuch der Schweiz, 1899, S. iii. 71 Naum Reichesberg, Soziale Gesetzgebung und Statistik, S. 96. 72 Reichesberg, Handwörterbuch, Bd. 3, S. 1627 und 1620. 73 Bundesamt für Statistik, Grapisch-statistischer Atlas der Schweiz 1897, S. iv. 74 Balthasar, Zug um Zug, S. 119. Vgl. auch: Messerli, Gleichmässig, pünktlich, schnell. 75 Balthasar, Zug um Zug, S. 120.

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Anmerkungen

76 P. Adrian, Artikel Währung (Währungspolitik), in: Reichesberg (Hg.), Handwörterbuch, Bd. 3.2, S. 1497. 77 J. Ernst, Artikel «Banknotenwesen», in: ebd., Bd. 1, S. 416. 78 Vgl. dazu: Zimmermann, Volksbank oder Aktienbank. 79 Ebd., S. 31. Zitat aus: J. Ernst, Artikel «Diskontpolitik», in: Reichsberg (Hg.), Hand­ wörterbuch, Bd. 1, S. 801. 80 Humair, Développement économique; vgl. auch: Sidney Pollard, Free Trade, Protectio­ nism, and the World Economy, in: Geyer/Paulmann (Hg.), The Mechanics of Internatio­ nalism, S. 27-54. 81 Oechslin, Die Entwicklung des Bundessteuersystems, S. 64. 82 Ebd., S. 65. 83 Humair, Développement économique. 84 Ghiringhelli, 1890. 85 Koller, Streikkultur. 86 Schuler, Die Ernährung der arbeitenden Klassen. Vgl. auch: Hansjörg Siegenthaler, Die Schweiz 1850-1914, in: Fischer u. a., Handbuch der europäischen Wirtschafts­ und Sozialgeschichte, Bd. 5, S. 455. Reto Schumacher/Luigi Lorenzetti, We have no proletariat. Social stratification and occupational homogamy in industrial Switzer­ land, Winterthur 1909/10-1928, in: International Review of Social History 50 (2005), S. 65-91. 87 Fehr, Existenz- und Wachstumsbedingungen (Lizentiatsarbeit Universität Zürich). 88 Hans Hirter, Die Streiks in der Schweiz in den Jahren 1880-1914, in: Gruner, Arbeiter­ schaft, Bd. 2, S. 853. 89 Vgl. dazu: Markus Bürgi, Antisozialismus in Zürich im ausgehenden 19. Jahrhundert, in: Caillat u. a. (Hg.), Antikommunismus in der Schweiz, S. 61-82. 90 Markus Bürgi, Antisozialismus in Zürich im ausgehenden 19. Jahrhundert, in: Caillat et al. (Hg.), Histoire(s) de l’anticommunisme, S. 65 u. 67. 91 Charles Heimberg, Grèves et usage de la peur des rouges au début du XX siècle à Genève, in: ebd., S. 69 ff. 92 Ebd., 86 ff. 93 Zit. nach: Widmer, Die Schweiz, S. 568. 94 So W. Moser, Artikel «Bauerntum», in: HCHVW 1933/1,8.186-187. 95 Peter Moser, Eine 'Sache des ganzen Volkes»? Überlegungen zum Prozess der Vergesell­ schaftung der bäuerlichen Landwirtschaft in der Industriegesellschaft», in: Traverse Jg. 7 (2000), Nr. i, S. 64-78. 96 Geering/Hotz, Wirtschaftskunde, S. 27-28. 97 Kühnis, Anarchisten! 98 Bericht des eidgenössischen General-Anwaltes Über die anarchistischen Umtriebe in der Schweiz. (Mai und Juni 1885), in: Bundesblatt 1885, S. 538-721 (http://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/showDoc.do ), hier S. 719. 99 Ebd., S. 720-721. 100 Herren, Hintertüren zur Macht, S. 267 ff. 101 L.R.v. Salis (Prof. Universität Bern), Artikel «Asylrecht», in: Reichesberg (Hg), Hand­ wörterbuch, Bd. i, S. 357. 102 Ebd. 103 Renk, Bismarcks Konflikt mit der Schweiz. 104 Ebd., S. 381. 105 Ebd., S. 382. 106 Renk, Bismarcks Konflikt mit der Schweiz, S. 386 f. 107 Schweizer, Geschichte der schweizerischen Neutralität. Vgl. dazu auch: Andreas Suter, Neutralität. Prinzip, Praxis und Geschichtsbewusstsein, in: Hettling u. a., Eine kleine Geschichte der Schweiz, S. 163 ff. 108 Jaun, Preussen vor Augen.

3. Erster Weltkrieg und Landesstreik (1913 bis 1918) 109 110 in 112 113

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Braun, Der Schweizerische Generalstab, S. 291. Führer, Die Schweizer Armee, S. 3 27 u. 3 29 f. Ebd., S. 57 u. 39. Zit. nach: Argast, Staatsbürgerschaft und Nation, S. 269. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend ein Bundesgesetz zur Ergänzung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidge­ nossenschaft vom 4. Februar 1853 (vom 29. November 1901), S. 1173. Gruner, (Hg.), Arbeiterschaft, Bd. 3, S. 497 ff. Carl Hilty, Fin de Siècle, in: Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft 13 (1899), S. 1-62, hier S. 6. Carl Hilty, Die Zukunft der Schweiz, in: ebd. 16 (1902), S. 1-40, hier S. 33 f. Ders., Über Neurasthenie, S. 101 u. 107. Ders., Über die Langeweile, in: Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossen­ schaft 22 (1908), S. 240-254, hier S. 243 u. 251. Zit. nach Arni, Entzweiungen, S. 24 f. Walter, Bedrohliche und bedrohte Natur, S. 95. Ebd. Bachmann, Zwischen Patriotismus und Wissenschaft, S. 93 ff. Ebd. Vgl. Schwab/Lafranchi, Wahrheit auf Bewährung. Bachmann, Zwischen Patriotismus und Wissenschaft, S. 343 ff. Eberle, Der Kaiser kommt!, S. 65-67 u. S. in. H. F. Kurz, Der deutsche Kaiserbesuch in der Schweiz, 1962. http://www.wilnet.ch/. Politisches Jahrbuch der Schweiz, 1912, S. 68zff. Ochsenbein, Die verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 327. Kurz, Der deutsche Kaiserbesuch. Degen, Krieg dem Kriege! Volksrecht. Sozialdemokratisches Tagblart (Zürich), Sa, 23.N0V. 1912, Titelseite; Beilage (8 Seiten illustriert) zum Basler Vorwärts, 24J25. November 1912; Manifest der Interna­ tionale zur gegenwärtigen Lage. Resolution am Basler Kongress 24.-25. November 1912 (4 Seiten) in: Schweizerisches Sozialarchiv, Archiv der Sozialdemokratischen Partei, Ar.i.250.1: Friedenskongress Basel 1912. Flugschriften, Zeitungen, Mappe Friedens­ kongress Basel 1912. Flugschriften, Zeitungen; Mappe Friedenskongress Basel 1982, Pro­ gramm, Referate, Flugblätter, Plakate.

3. Erster Weltkrieg und Landesstreik (1913 bis 1918) 1 Reynold, Histoire littéraire de la Suisse, Bd. 2, S. 842 f. Richard Bovet wählte diese Formu­ lierung in einem Brief an de Reynold. Zit. nach: Mattioli, Zwischen Demokratie und totali­ tärer Diktatur, S. 85. 2 Zit. nach: Kreis, Insel der unsicheren Geborgenheit, S. 21. 3 Traugott Geering, Von der Exportstruktur der schweizerischen Volkswirtschaft, in: Poli­ tisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft 27 (1913), S. 178-203, hier S. 179 f. u. 202 f. 4 von Salis, Giuseppe Motta, S. 54. 5 Meili, Swiss Embroidery (Lizentiatsarbeit Universität Zürich), S. 4 f. 6 Joris/Witzig, Brave Frauen, aufmüpfige Weiber, S. 94. 7 http://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc.doPIDsioo25461, S. 5; vgl. auch: Bonjour, Geschichte der schweizerischen Neutralität, Bd. 2, S. 572. 8 Regula Stämpfli, Der General und die Politik. Das schweizerische Entscheidungssystem im Spannungsfeld zwischen Armee, Bundesrat und Industrie, in: Fuhrer/Strässle (Hg.), General Ulrich Wille, S. 417-429, hier S. 419. 9 Beschluss der Bundesversammlung vom 3.August 1914, in: Amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen der schweizerischen Eidgenossenschaft 30 ( 1914), S. 347.

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Anmerkungen

10 Walther Burckhardt, Gedanken eines Neutralen, in: Politisches Jahrbuch der Schweizeri­ schen Eidgenossenschaft 28 (1914), S. 11. 11 Zit. nach: Kurz, Dokumente, S. 25. 12 Bonjour, Geschichte der schweizerischen Neutralität, Bd. 2, S. 569. 13 Neidhart, Plebiszit und pluralitäre Demokratie, S. 185. 14 Oliver Schneider, Diktatur oder Bürokratie? Das Vollmachtenregime des Bundes im Ers­ ten Weltkrieg, in: Rossfeld/Buomberger/Kury (Hg.), 14/18, S. 48-71. 15 Kley, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 118. 16 Hans Rudolf Führer vermutet, Wille sei im Auftrag von Bundesrat Arthur Hoffmann zum Vorsprechen aufgefordert worden. Vgl. Hans Rudolf Führer, Die Meuterei an der Flüela und ihr Einfluss auf die Generalswahl 1914, in: Hebeisen et al. (Hg.), Kriegs- und Krisen­ zeit, S. 169 f. 17 Vgl. Daniel Sprecher, Die Generalswahl vom 3. August 1914, in: Schweizerische Zeit­ schrift für Geschichte 52 (2002), Nr. 2, S. 163-193; vgl. auch: Meienberg, Die Welt als Wille und Wahn. 18 Joris/Witzig, Brave Frauen, aufmüpfige Weiber, S. 147. 19 Vgl. Lambert, Planning Armageddon; vgl. auch die Aktualisierung von Harold James: «Finanzkrise und Krieg», in: Die Presse, 27.07.2013. 20 Sieveking, Kriegswirtschaft, S. 11. 1913 waren die Importe aus der Entente und den Zen­ tralmächten wertmässig identisch; bei den Exporten betrug der Wert für die Zentral­ mächte zwei Drittel jenes der Entente (vgl. ebd., S. 26). 21 Ochsenbein, Die verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 47. Vgl. auch: Kurz, Dokumente. 22 Somary, Erinnerungen aus meinem Leben, S. 100. 23 Ehrbar, Schweizerische Militärpolitik, S. 130. 24 Führer, Die Schweizer Armee, S. 248 ff. 25 Ochsenbein, Die verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 59; Hüll, A Serap of Paper. 26 Abbenhuis, The art of staying neutral. 27 Ebd., S. 55. 28 Ochsenbein: Die verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 24 u. 327. 29 Das Lager der Neutralen umfasste 1918 weltweit noch neun Staaten, darunter die Schweiz. Samuel Kruizinga, Neutrality, in: Winter (Hg.), Cambridge History of the First World War, Bd. 3, S. 542. 30 Böschenstein, Bundesrat und General, S. 522. 31 Führer, Die Schweizer Armee, S. 63 f. 32 Luciri, Le prix de la neutralité, S. 25. 33 Bericht Generalstabschef 1919 (=Anhang zu: Wille, Bericht an die Bundesversammlung), S. 151. 34 Ebd. 35 Führer, Die Schweizer Armee, S. 210 u. 215. Zu den französischen Angriffsplänen vgl. ebd., S. 385-401. 36 Bericht Generalstabschef 1919 (=Anhang zu: Wille, Bericht an die Bundesversammlung), . S. 213. 37 Wille, Bericht an die Bundesversammlung, S. 7 und S. 15. Lezzi, 1914; Fuhrer/Strässle (Hg.), General Ulrich Wille. 38 Tagebuchaufzeichnung des (damals 22-jährigen) Leutnants Zurlinden, zit. nach: Kreis, Insel der unsicheren Geborgenheit, S. 148. 39 Informationen dazu: Kurz, Dokumente, S. 122 ff. 40 Zit. nach Rudolf Jaun, Erziehung, Männlichkeit, Krieg. Überkreuzungen im Denken Ulrich Willes, in: Fuhrer/Strässle (Hg.), General Ulrich Wille, S. 239. 41 Wille, Bericht an die Bundesversammlung, S. 6 f. 42 Führer, Die Schweizer Armee, S. 338. 43 Oelkers, Die Meuterei (Seminararbeit Historisches Seminar UZH); Kreis, Insel der un­ sicheren Geborgenheit, S. 153.

3- Erster Weltkrieg und Landesstreik (1913 bis 1918)

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Mattioli, Zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur, S. 94-96. Tanner, Fabrikmahlzeit, S. 273 ff. Wildbolz, Von der Front, S. 223. Faesi, Füsilier Wipf, Zitate S. 5, 43 u. 45 f. Inglin, Der Schweizerspiegel; Inglin arbeitete den Roman in der Nachkriegszeit unter dem Einfluss der antikommunistischen «Geistigen Landesverteidigung» um. Die Neufassung stammt aus dem Jahre 1955. 49 Ebd., S. 701 f. 50 Ulrich Wille an Arthur Hoffmann, 20. Juli 1915, erstmals abgedruckt in Böschenstein, Bundesrat und General, S. 519-521. 51 Ehrbar, Schweizerische Militärpolitik, S. 73-75. 52 Ebd., S. 91 ff., hier S. 93. 53 Ebd., S. 94 f. 54 Elsig, «Les Schrapnells du mensoge», S. 155. 55 Vgl. dazu: Paul Moeyes, Neutral Tones. The Netherlands and Switzerland and Their Interpretations of Neutrality 1914-1918, in: Amersfoort/Klinkert (Hg.), Small Powers in the Age of Total War, S. 57-84. Für die Schweiz fehlen bisher Studien, wie sie für die Niederlande vorliegen. Vgl. Wolf, Guarded neutrality; Hüll, A Serap of Paper. 56 Documents diplomatiques suisses, Bd. 6, S. 137; vgl. auch: Mittler, Der Weg, S. 647 ff. 57 Unter den «grossen Alliierten» verstand Wille die Mittelmächte. Zit. nach Führer, Die Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg, S. 177. 58 Ebd., S. 177. 59 Documents diplomatiques suisses, Bd. 6, S. 137. Führer spricht von einer «Wankelmütig­ keit des Generals in der Beurteilung der Lage». Führer, Die Schweizer Armee, S. 178. Die Deutschfreundlichkeit des Generals wird auch dokumentiert in: Meienberg, Die Welt als Wille & Wahn. 60 So der Militärhistoriker Rudolf Kurz; vgl. Kurz, Dokumente, S. 46. 61 Die Konventionsentwürfe wurden auch gegenüber der Landesregierung (mit Ausnahme von Bundesrat Arthur Hoffmann) geheim gehalten. Bonjour, Geschichte der schweizeri­ schen Neutralität, Bd. 2, S. 640. 6z Die Absprachen wurden 1921 mit der Veröffentlichung entsprechender Dokumente in der sozialdemokratischen Tagespresse bestätigt; dass der Generalstab kurz vor dem Krieg auch mit der deutschen Seite einen «Bündnisvertrag» abgeschlossen hatte, wurde erst später ruchbar. 63 Vgl. dazu: Meienberg, Die Welt als Wille und Wahn. 64 Hänggi, Die deutsche Propaganda. 65 Alexandre Elsig, Un «laboratoire de choix»?; Elsig, «Les Schrapnells du mensonge». 66 Winkler, Die «Stimmen im Sturm». 67 Elsig, Un «laboratoire». 68 Es handelte sich um Camille Decoppet. Jedoch waren der Tessin mit Giuseppe Motta und die Rätoromanen mit Felix Calonder vertreten. Vgl. Altermatt (Hg.), Die Schweizer Bundesräte. 69 Ruchti, Geschichte der Schweiz, Bd. 1, S. 216 f. 70 Kurz, Dokumente, S. 127 ff. 71 Seippel, Schweizerische Wahrheiten, S. 9. 72 Ebd., S. 33 f. 73 Oermann, Albert Schweitzer. 74 Roland Gysin, Die Internierung fremder Militärpersonen im 1. Weltkrieg, in: Guex et al. (Hg.), Krisen und Stabilisierung, S. 33-46. 75 Canetti, Die gerettete Zunge, S. 195 f. 76 Bürgisser, Unerwünschte Gäste, S. 204 f. 77 Kurz, Dokumente, S. 101 f. 78 Mesmer, Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht. 79 Kurz, Dokumente, S. 94 f.

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Anmerkungen

80 Frey, The neutrals and World War One, S. 8. Vgl. auch: Paul Moeyes, Neutral Tones. The Netherlands and Switzerland and Their Interpretations of Neutrality 1914-1918, in: Amersfoort/Klinkert (Hg.), Small Powers in the Age of Total War, S. 57-84. 81 Kurz, Dokumente, S. 208-215. 82 Kieser, Vorkämpfer der «Neuen Türkei’; Fischer-Tiné, The other side of internationalism; Ladislas Mysyrowicz, Imprimeries révolutionnaires russes et «Orientales» a Geneve 1865-1917, in: Cinq siècles d’imprimerie genevoise, Genf 1981, S. 297-327. 83 Piper, Nacht über Europa. 84 Klepsch, Romain Rolland im Ersten Weltkrieg; Jean-Pierre Meylan, Romain Rollands Wirken als europäischer Zeitzeuge in der Schweiz (1914-1938), in: Schweizerische Zeit­ schrift für Geschichte 61 (2011), S. 365-370. 85 http://www.seite3.ch/R+I+P+F+W+Murnau+/43i5i8/detail.html . 86 von Treitschke, Politik: Vorlesungen gehalten an der Universität zu Berlin, 2 Bde. 87 Vgl. dazu: Leonhard, Die Büchse der Pandora, S. 244 und 420. 88 Weber, Zwischen zwei Gesetzen, S. 142-145. 89 Ulrich Wille, Gesammelte Schriften, Hg. Edgar Schumacher, Zürich 1941, S. 145. 90 Ragaz, Die neue Schweiz, S. 94. 91 Ebd., S. 45 u. 19. 92 Kurz, Dokumente, S. 113. 93 Roman Rossfeld/Tobias Straumann, Zwischen den Fronten oder an allen Fronten. Eine Einführung, in: dies. (Hg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg, S. 11-59, hier S. 53 f. 94 Handbuch der Schweizerischen Volkswirtschaft, Bern 1939, Bd. 2, S. 546. 95 Das Volkseinkommen der Schweiz wurde für 1915 auf 4,35 Mrd. Franken geschätzt. Der Anteil des «Arbeitseinkommens der unselbständig Erwerbenden» betrug um die Hälfte. Vgl. J. Wyler, Volkseinkommen, in: Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volks­ wirtschaft (Hg.): Handbuch, 1939, Bd. 2, S. 515 ff. 96 Fasnacht, Der Schweizerische Städteverband im Ersten Weltkrieg, Zürich 2012 (Seminar­ arbeit). Vgl. auch die Forschungen von Floris Joel zum «biologischen Lebensstandard» im Ersten Weltkrieg, die zeigen, dass die Vorstellung, die materielle Notlage hätte sich syste­ matisch nach unten verschärft, nicht plausibel ist. Vgl. Kaspar Staub, Joël Floris, Ulrich Woitek, and Frank Rühli. From left-skewness to symmetry: How body-height distri­ bution among swiss conscripts has changed shape since the late 19th century. Annals of Human Biology, 2014. Published online 2014. 97 Zur aussenwirtschaftlichen Abhängigkeit vgl. Roman Rossfeld/Tobias Straumann, Zwi­ schen den Fronten oder an allen Fronten. Eine Einführung, in: dies. (Hg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg, S. 11-59, hier S. 20 tí. 98 Ochsenbein, Die verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 66 u. 330. 99 Ebd., S. 312. 100 Ebd., S. 59. roí Ebd., S. 202. 102 Frey, The neutrals and World War One, S. 5 u. 24. 103 Ochsenbein, Die verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 71. 104 Frey, The neutrals and World War One, S. 22. 105 Ebd., S. 331. 106 Ebd., S. 322. 107 Ebd., S. 326. 108 Seippel, Schweizerische Wahrheiten (Zwei Vorträge am 3. und 6. Oktober 1916). 109 Eugen Grossmann, Wirtschaftspolitische Betrachtungen über die Staatsangehörigkeit der juristischen Personen, Zürich 1918, S. 30. 110 Vgl. Lüpold, Der Ausbau der «Festung Schweiz», S. 230; Roman Rossfeld/Tobias Strau­ mann, Zwischen den Fronten oder an allen Fronten. Eine Einführung, in: dies. (Hg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg, S. 11-59, hier S. 33. in Christof Dejung, Welthandelshaus und «Swiss Firm». Die Firma Gebrüder Volkart

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während des Ersten Weltkrieges, in: Groebner/Guex/Tanner (Hg.), Kriegswirtschaft und Wirtschaftskriege, S. 117-133. Lüpold, Der Ausbau der «Festung Schweiz», S. 234. Frey, The neutrals and World War One, S. 8. Sieveking, Kriegswirtschaft, S. 119. Ochsenbein, Verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 314. Zangger, Koloniale Schweiz; Dejung, Die Fäden des globalen Marktes. Ochsenbein, Die verlorene Wirtschaftsfreiheit, S. 182-195. Brügger, Die Agrarpolitik des Bundes seit 1914, S. 9 und 12-13. Vogler, Die schweizerischen Militärausgaben, S. 118. Schätzungen der Gesamtkosten des Weltkriegs insgesamt belaufen sich auf 209 Mil­ liarden Dollar in laufenden Preisen. Inflationsbereinigt sind es 82 Milliarden Dollar (in Preisen von 1913); Diese Kosten verteilen sich (nominell) zu 70 Prozent auf die Entente und zu 30 Prozent auf die Mittelmächte. Hans-Peter Ullmann, Kriegswirtschaft, in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 220-232, hier S. 228. Guex, La politique monétaire, Tabelle S. 461; Niall Ferguson, How (Not) to Pay For the War. Traditional Finance and «Total» War, in: Chickering/Förster (Hg.), Great War, Total War, S. 409-434; Thomas Balderston, War Finance and Inflation in Britain and Germany, 1914-1918, in: Economic History Review 42 (1988), S. 224-244. Madeleine Herren, Money is the Great Instrument of Association. L’Union Monétaire Latine, la guerre et la Suisse, in: Relations internationales 99 (1999), S. 269-288. Zilch, Okkupation und Währung im Ersten Weltkrieg. Herren, Money, S. 285 ff. Vgl. dazu: Eveline Ruoss, Die Anfänge der schweizerischen Geldpolitik, in: Cassis/Tanner (Hg.), Banken und Kredit in der Schweiz, S. 29-52. Jöhr, Schweizerische Kreditanstalt, S. 313 ff. Guex, La politique monétaire. Andreas Kley, Magistrale Demonstration der nationalen Einigkeit. Politische Reden wäh­ rend des Ersten Weltkrieges, in: Kuhn/Ziegler (Hg.), Der vergessene Krieg, S. 197-210. Vgl. dazu: Linder/Bolliger/Rielle, Handbuch der eidgenössischen Volksabstimmungen 1848-2007, S. n8ff. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, in: Schweizerisches Bundesblatt, 25. Januar 1918, Nr. 5, S. 173-205, hier S. 175. Ebd., S. 178,181 f. u. 187. Böschenstein, Bundesrat Obrecht, S. 105; zit. nach: Linder/Bolliger/Rielle, Handbuch der eidgenössischen Volksabstimmungen 1848-2007, S. 121 f. Ebd., S. 125 f. Grimm, Unter dem Burgfrieden. Kurz, Dokumente, S. 72. Gautschi, Der Landesstreik, S. 127. Ebd., S. 16. Vgl. dazu ebd., S. 96 f. u. 359. König, Die Angestellten zwischen Bürgertum und Arbeiterbewegung. Ebd., S. 262. Greulich bezeichnete auf dem 2. Allgemeinen Schweizerischen Arbeiterkongress Ende 1918 die Zahl von 400000 als «viel zu hoch begriffen» (Gautschi, Landesstreik, S. 343); spätere Schätzungen nennen zwischen 400000 Teilnehmenden (Giterman, Geschichte der Schweiz, S. 546) und 200000 (Rossfeld/Straumann (Hg.), Der vergessene Wirtschafts­ krieg). Gautschi, Landesstreik, S. 350. Raffael C. Bach, Die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, in: Rossfeld/Strau­ mann (Hg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg, S. S. 509.

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Anmerkungen Gautschi, Der Landesstreik, S. 32.1. Ebd., S. 331 ff. Vasold, Die Spanische Grippe. Konrad Kuhn, Politik in Bronze und Stein. Denkmäler für die «Gefallenen des Ersten Weltkrieges», in: Ders. et al. (Hg.), Der vergessene Krieg, S. 211-231. Gautschi, Der Landesstreik, S. 318. Volksrecht, 14.11.1918, zit. nach: Arbeitsgruppe für Geschichte der Arbeiterbewegung Zürich, Schweizerische Arbeiterbewegung, S. 19T. Zu den Prozessen vgl. Gautschi, Der Landesstreik, S. 350-359. Vgl. dazu: Schmid, Generalstreik, S. 53. Rossfeld/Straumann, Zwischen den Fronten, in: dies. (Hg.), Der vergessene Wirtschafts­ krieg, S. n-59, hier S. 57. Alexis Schwarzenbach, Die Seidenfirma Schwarzenbach im Zeitalter der Extreme, 19101925, in: Rossfeld/Straumann (Hg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg, S. 63-87, hier S. 81 ff. Gautschi, Der Landesstreik, S. 264 f. Ebd., S. 328. Vgl. Konrad Kuhn/Beatrice Ziegler, Dominantes Narrativ und drängende Forschungs­ fragen. Zur Geschichte der Schweiz im Ersten Weltkrieg, in: Traverse 18 (2011), S. 123-

141157 Spiller, Bericht über meine Studienreise, S. i8r f.; zum Hintergrund vgl. Jaun, Manage­ ment und Arbeiterschaft; Tanner, Fabrikmahlzeit. 158 Vetterli, Industriearbeit; Degen, Richtungskämpfe. 159 Arbeitsgruppe für Geschichte der Arbeiterbewegung Zürich, Schweizerische Arbeiter­ bewegung, S. 194 f.; Gautschi, Landesstreik, S. 349. 160 SPS (Hg.), Solidarität, Widerspruch, Bewegung, S. 48. 161 Sieveking, Kriegswirtschaft, S. 81. 162 Für eine differenzierende Sicht auf die Problematik des Grabens vgl. Pierre Du Bois, Mythe et réalité du fossé pendant la Première Guerre Mondiale, in: Du Bois (Hg.), Union et Division des Suisses, S. 65-91. 163 Vom «Totalen Krieg» sprach 1935 in propagandistischer Absicht Erich Ludendorff. Roger Chickering, Total War. The Use and Abuse of a Concept, in: Boemeke et al. (Hg.), Anticipating total war, S. 13-28. 164 Baker Fox, The power of small States, S. 187. Die Studie bezieht sich auf den Zweiten Weltkrieg; die geschilderten Anpassungsmechanismen lassen sich jedoch auch für den Ersten Weltkrieg feststellen; Frey, The neutrals and World War One, S. 5. 165 Kuhn/Ziegler (Hg.), Der vergessene Krieg.

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4. Völkerbund, Bürgerwehren, Klassenkämpfe (1919 bis 1923) Rede vom 2. April 1927, siehe: Müller, Das demokratische Zeitalter. Mazower, Der dunkle Kontinent, S. 70; Hoffmann, Moralpolitik, S. 2r. Stiller, Eine Völkerrechtsgeschichte der Staatenlosigkeit. Vgl. dazu: Moos, Ja zum Völkerbund - Nein zur UNO. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, in: Schweizerisches Bundesblatt 71 (1919), Nr. IV, S. 541-648, hier S. 565. Ebd., S. 639. Ebd., S. 644 u. 647. Schweizervolk wahre deine Freiheit!, hg. im Namen der Komitees gegen den Betritt der Schweiz zum Versailler Völkerbund, Bern 2920, S. 7 u. 18; zit. nach: Moos, Ja zum Völkerbund - Nein zur UNO, S. 62 u. 64. Thomas Gees, Die Schweiz und die internationalen Organisationen, in: Halbeisen/Müller/ Veyrassat (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im zo. Jahrhundert, S. 1131-1156, hier S. 1139 u. 1153.

4- Völkerbund, Bürgerwehren, Klassenkämpfe (1919 bis 1923)

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10 Zit. nach: Linder/Bolliger/Rielle, Handbuch, S. 135. 11 Sieveking, Schweizerische Kriegswirtschaft, S. 128. 12 Ernst Gagliardi, Eigenarten und Aufgaben der Schweiz im heutigen Europa, in: Storrer u.a. (Hg.), Die Schweiz im XX.Jahrhundert, S. 15-22, hier S. 15 und 21 f.; vgl. auch: Fueter, Die Schweiz, S. 272. 13 Hodel, Die Schweizerische Konservative Volkspartei. 14 Siegenthaler, Die Schweiz 1914-1984; Moser, Eine «Sache des ganzen Volkes»? 15 Herrmann, Façonner les comportements du citoyen. 16 Zit. nach: Wigger, Krieg und Krise in der politischen Kommunikation, S. 203 f. r7 Gruner, Parteien, S. 55 f. 18 Josef Mooser, Die «Geistige Landesverteidigung» in den 1930er Jahren, S. 691. 19 Schmid, Krieg der Bürger, S. 63. 20 Die Statuten des SW von 1919, 1923 und 1933 sind abgedruckt in: Thürer, Der Schwei­ zerische Vaterländische Verband, Bd. 3, S. 5-15. 21 Andreas Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband (SW): ein «antisozialistischer Schutzwall» (1919-1930/31), in: Caillat u.a. (Hg.), Histoire(s) de l’anticommunisme, S. 140. 22 Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 3, S. 6. 23 Ebd., S. 43. 24 Luzerner Neueste Nachrichten, Nr. 88, 14. April 1919, zit. nach: Schneider, Die Bürger­ wehren Luzerns, S. 105. 25 Ebd., S. 106 f. 26 Andreas Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband (SW): ein «antisozialistischer Schutzwall» (1919-1930/31), in: Caillat u.a. (Hg.), Histoire(s) de l’anticommunisme, S. 136 u. 139. 27 Schneider, Die Bürgerwehren Luzerns, S. 92 f. 28 Andreas Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband (SW): ein «antisozialisti­ scher Schutzwall» (1919-1930/31), in: Caillat u.a. (Hg.), Histoire(s) de l’anticommu­ nisme, S. 142. 29 Siehe Kapitel 7. 30 Grap, Differenzen in der Neutralität. 31 Schmid, Krieg der Bürger, S. 56 f. 32 Schmid, Generalstreik, S. 72 u. i22ff. 33 Vgl. dazu: Fischef-Tiné, The other side of internationalism, in: Purtschert/Fischer Tiné (Hg.), Colonial Switzerland, S. 221-258. 34 Bericht des Bundesrates, in: Bundesblatt 72 (21. April 1920), Bd. II, S. ii2ff. 35 Directorate of Intelligence (Home Office). A Monthly Review of Revolutionary Movements in British Dominions Overseas and Foreign Countries 20 (1920), S. 22. 36 Der Text der Verordnung ist abgedruckt in: Schmid, Generalstreik, S. 190-193. 37 Vgl. dazu, mit anderen Akzenten: Soland, Staatsschutz in schwerer Zeit. 38 Woodtli, Gleichberechtigung, S. 150. 39 Ebd., S. 138 ff.; Schmid, Krieg der Bürger, S. 39. 40 Regina Wecker, Der lange Weg zum Frauenstimmrecht, in: links 138 (2013), S. 6 f. 41 Kury, Über Fremde reden, S. 68 u. 100. 42 Bericht betr. die Revision des Einbürgerungsgesetzes, 15. April 1918, zit. nach: ebd., S. 112. 43 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 9. November 1920, Bundes­ blatt 1920/5, S. 1-80, hierS. 11 und 18. 44 Ebd., S. 23. 45 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 2. Juni 1924, in: Bundesblatt 1924/2, S. 493-516, hier S. 502. 46 Haug, «... und es kamen Menschen», S. 34 f. 47 Zürcher, Unterbrochene Tradition.

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Anmerkungen

Germann, Laboratorien der Vererbung; Keller, Der Schädelvermesser. Cerutti, Fra Roma e Berna. Montandon, Frontières nationales. Kieser, Die türkische Nationalbewegung. Guex, L’initiative socialiste. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 1. August 1922, in: Bundesblatt 1922/2, S. 917-962. Die obigen Angaben zu den Steuerpflichtigen stammen aus diesem Bericht, S. 924. 54 Ebd., S. 922 u. 950. 55 Ebd., S. 945. 56 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im US-amerikanisch besetzten Japan eine solche Steuer zwecks Stärkung einer kapitalistischen Marktwirtschaft eingeführt. Barry Eichengreen, The capital levy in theory and practice, in: Dornbusch/Draghi (Hg.), Public debt management, S. 191-223. 57 Ebd., S. 945. 58 Vgl. auch: Halle, Les incitations politiques en Suisse. 59 Vgl. Hartmut Berghoff, Marketing im 20.Jahrhundert, in: Ders. (Hg.), MarketingGeschichte, S. 55. 60 Bürger! Eine schwere Gefahr bedroht unser Vaterland... Lies und bedenke. Propaganda­ schrift gegen die Vermögensabgabe, 1922. 61 Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 2, S. 792. 62 Rossfeld/Straumann, Der vergessene Wirtschaftskrieg, S. 29; Schmid, Wirtschaft, Staat und Macht. 63 Rossfeld/Straumann (Hg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg. 64 Fahrni, Die Nachkriegskrise von 1920-1923 (Manuskript Lizentiatsarbeit). 65 Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 2, S. 793. 66 Ebd., S. 792. 67 Neue Wege, Heft 5,1923, zit. nach: Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 2, S. 997. 68 Guldimann, Das Steuereinschätzungsverfahren, S. 78. 69 Fabian Dell/Thomas Piketty/Emmanuel Saez, Income and Wealth Concentration in Switzerland over the 20th Century, in: Atkinson/Piketty (Hg.), Top Incomes over the twentieth century, S. 472-500; Piketty, Le capital au XXIe siècle. 70 Gautschi, Geschichte des Kantons Aargau, Bd. 3, S. 272-275; Scheck, Swiss funding; Schwarzenbach, «Zur Lage in Deutschland». 71 Das Faksimile der Rede findet sich in: ebd., S. 178-181. 72 Gautschi, Geschichte des Kantons Aargau, Bd. 3, S. 272 - 275; Raffael Scheck: Swiss fun­ ding for the early Nazi movement Imotivation, context, and continuities, in: The Journal of Modern History 71 (1999), S. 793-813; siehe auch: http://forum.finanzen.net/forum/ ohne_C HF_kein_drittes_Reich-t 2 3 5268. 73 Alle Zitate: Schwarzenbach, «Zur Lage in Deutschland»; vgl. auch: ders., Die Geborene. 74 Vgl. dazu: Michel Caillai, L’Entente internationale anticommuniste (EIA). L>impact sur la formation d’un anticommunisme hevétique de l’action internationale d’un groupe de bourgeois genevois, in: Caillai et al., Histoire(s) de l’anticommunisme, S. 147-163; Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 1, S. 116 ff., 130 ff. 75 Fenner, Partei und Parteisprache im politischen Konflikt. 76 Brassei, Dissonanzen, S. 232. 77 Degen, Abschied vom Klassenkampf; Ernst/Wigger (Hg.), Die neue Schweiz?

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Dissonanzen der Moderne um 1925

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ZWEITER TEIL Bedrohte Nation, offene Volkswirtschaft 5. Dissonanzen der Moderne um 1925 1 United States Department of Commerce, Switzerland. Resources, Industries and Trade, S. 1. 2 Ebd., S. 39 f. 3 Ebd., S. 51. 4 Ebd., S. 10. 5 Dürr, Neuzeitliche Wandlungen. Die Publikation von 1928 ging auf Vorträge von 1925 zurück. 6 Jakob Tanner, Rauschgiftgefahr und Revolutionstrauma. Drogenkonsum und Betäubungs­ mittelgesetzgebung in der Schweiz der 1920er Jahre, in: Brändli et al. (Hg.), Schweiz im Wandel, S. 397-416. 7 Zit. nach: Degen, Abschied vom Klassenkampf, S. 274. 8 Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 2, S. 1024. 9 Tanner, Fabrikmahlzeit, S. r4r f. ro Zu den drei unterschiedlichen Lesarten der «fehlenden Kaufkraft» vgl. Scheiben, Krise und Integration, S. 112 f. rr Zit. nach: Brassei, Dissonanzen der Moderne, S. 33. 12 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, in: Schweizerisches Bundesblatt, 18. Mai 1920, S. 241-248. 13 Alle Zitate in: ebd., S. 242 f. u. 248. 14 Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 2, S. 1003 f. 15 Heller, Habitation et vie domestique. 16 Somary, Wandlungen der Weltwirtschaft, S. 100 f.; Marbach, Gewerkschaft - Mittel­ stand; ders., Theorie des Mittelstandes. 17 Zwischen 1916 und Mitte 1918 bewegte sich der Schweizer Franken auf Höhenflug, um bis Ende 1920 an Wert zu verlieren. Gründe dafür waren die stark negative Handels­ bilanz, die Gewährung grosser Kredite an das Ausland, die fortgesetzte Einreichung von Reskriptionen durch Bund, Gemeinden und Kantone bei der SNB (was die kurzfristige Staatsschuld erhöhte) und die hohen Zinssätze in den USA, was Kapital aus Europa abzog. Im Verlaufe des Jahres 1921 erreichte der Franken aber wieder die Dollarparität (wie sie unter dem Goldstandard vor 1914 festgeschrieben war) und schwächte sich dann bis 1924 nochmals leicht ab. Vgl. Schweizerische Nationalbank (Hg.), Die Schwei­ zerische Nationalbank t9O7~i957. 18 Straumann, Fixed Ideas of Money. 19 Lüpold, Festung Schweiz; Thomas David/Andre Mach, Corporate Governance, in: Halbeisen/Müller/Veyrassat (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, S. 839-844. 20 Ehrenbold, Bata, Schuhe für die Welt. Geschichten aus der Schweiz. 21 Für die Auftretenshäufigkeit der Begriffe: Google ngram viewer: https://books.google. com/ngrams 22 Karlen et al., Schweizerische Versicherungsgesellschaften, Bd. 12, S. 327 ff. 23 Grossmann, Das Problem der Steuerlast, S. 91; im Handbuch der Schweizerischen Volkswirtschaft, (Hg.) Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volkswirtschaft, Bern 1939, Bd. 2, schätzt C. Higy die Steuerquote noch niedriger auf 10 Prozent (1929) bzw. 13 Prozent (1937). Vgl. auch die Zahlen bei Farquet, The Rise of the Swiss Tax Haven, S. 7. 24 Zu diesem Vorgang gibt es wenig Literatur. Vgl. u. a. Charles B. Blankart, Neuver­ handlungen sind keine Nachverhandlungen, in: Neue Zürcher Zeitung, 10. Dez. 2012, S. 15. 25 Das Gesetz wurde am 31.12.1919 verkündet; bereits 1920 musste wegen der fortschreiten-

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Anmerkungen

den Inflation das System der Ratenzahlungen aufgehoben werden. Vgl. http://www.bundes archiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/bau/bau1p/kap1_2/kap1_z3/para3_1.html. 26 Perrenoud et al. Place financière, S. 89-92. 27 Schweizerische Nationalbank (Hg.): Die Schweizerische Nationalbank 1907-1957, S. 107 ff. u. 152. 28 Tanner, Bundeshaushalt, S. 254. 29 Kaderli/Zimmermann (Hg.), Handbuch, S. 70. 30 E 2300 Wien, Archiv-Nr. 34, Le Ministre de Suisse à Vienne, Ch. D. Bourcart, au Chef du Département politique, F. Calonde, RPn° 19. TS Wien, 25. Oktober 1919 in: Documents diplomatiques suisses, Bd. 7b, S. 286-290, hier S. 287. 31 Stenographisches Bulletin der Bundesversammlung, Sitzung des Nationalrates, 5.Feb. 1920, S. 87-100. 32 Vgl. dazu: Christophe Farquet, Le secret bancaire en cause à la Société des Nations (19221925), in: Sicherheit und Mobilität, Schwerpunkt traverse 2009, S. 102-115. 33 Ebd., S. 102 u. 112. 34 Christian Freiherr von Roenne, The Very Beginning - The First Tax Treaties, in: Ecker et al., History of Tax Treaties, S. 36. 35 E. Meisterhans, Steuermoral, Steueramnestie, Artikel in: Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volkswirtschaft (Hg.): Handbuch (1939), Bd. 2, S. 393. 36 Hablützel/Müller, Hundert Jahre Finanzdirektorenkonferenz (unveröffentlichtes Manu­ skript). 37 Fivaz, Schmiermittel und Solidaritätsbeitrag. 38 Michael van Orsouw, Mit Steuern steuern? Zur Steuerpolitik des Kantons Zug, in: Guex/ Körner/Tanner (Hg.), Staatsfinanzierung und Sozialkonflikte, S. 263-269. 39 Ebd., S. 264. 40 Ebd., S. 266. 41 Behrendt, Die Schweiz und der Imperialismus, S. 79. 42 Kaderli, Artikel «Holdinggesellschaft», in: Kaderli/Zimmermann (Hg.), Handbuch, S. 266. 43 Erklärung von Bern (Hg.), Rohstoffe, S. 68 f. 44 J. Henggeier, Holdinggesellschaften, in: Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volks­ wirtschaft (Hg.): Handbuch (1939) Bd. 1, S. 581. Der Begriff Holdinggesellschaft ist durch die Beteiligung an und die Kontrolle von anderen Unternehmen definiert und bezeichnet eine «privatwirtschaftlich organisierte Kapitalkonzentration» (Kaderli, Artikel «Holding­ gesellschaft», in: Kaderli/Zimmermann (Hg.), Handbuch, S. 266). Deutsche Bezeichnungen für Holdinggesellschaften sind: Anlagegesellschaft, Beteiligungsgesellschaft, Kontrollge­ sellschaft, Finanzierungsgesellschaft, Finanzgesellschaft, Übernahmegesellschaft. Typisches Merkmal ist die «Effektensubstitution», d. h. das Halten von Aktien zur Beherrschung an­ derer Gesellschaften (ebd.). 45 Kaderli, Artikel «Holdinggesellschaft», in: Kaderli/Zimmermann (Hg.), Handbuch, S. 266. 46 Aeschlimann, Die Holdinggesellschaft in der Schweiz, S. 43 (Vortrag in der Statis­ tisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, Basel, 30. Oktober 1930). 47 Ebd., S. 46. 48 Ebd.; vgl. auch diverse zeitgenössische Untersuchungen zu Holdinggesellschaften u. a. Barth, Die Bedeutung der industriellen Holdinggesellschaften; Steiger, Die Rechtsverhält­ nisse der Holdinggesellschaften. 49 Rappard, Die Politik der Schweiz im Völkerbund, S. 53. 50 So der Liechtensteinische Kammersekretär Guido Feger, Holding-Gesellschaften, S. i8f. Vgl. auch: Richard Rosendorff, Schweiz, in: ders. (Hg.), Das Internationale Steuerrecht, S. 1-164; Aeschlimann, Die Holdinggesellschaft in der Schweiz (Vortrag in der Statis­ tisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, Basel, 30. Oktober 1930). 51 Fueter, Die Schweiz, S. 131. 52 Meisterhans, Steuermoral, S. 392 f.

6. Nationale Konflikte und «Geistige Landesverteidigung.

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53 Eugen Grossmann, Das Problem der Steuerlast, mit besonderer Berücksichtigung der Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik Jg. 71 (1935), S. 83-109, hier S. 105. 54 Eugen Grossmann, Moral und Technik in der schweizerischen Finanzpolitik, in: Neue Helvetische Gesellschaft Zürich (Hg.), Die Schweiz. Ein nationales Jahrbuch 16 (1945), S. 96-107, hier S. 107. 55 Zur Frage, ob der Bundesbrief von 1291 eine Fälschung ist, vgl. Sablonier, Das neue Bun­ desbriefmuseum. 56 Farquet, The Rise of the Swiss Tax Haven, S. 3. 57 Ebd. 58 Bickel, Bevölkerungsgeschichte, S. 176. 59 Reto Schumacher/Luigi Lorenzetti: «We have no proletariat»: social stratification and occupational homogamy in industrial Switzerland, Winterthur 1909/10-1928, in: Inter­ national Review of Social History 50 (2005), S. 65-91, hier S. 90 f. 60 Zit. nach: Walter, Suisse urbaine, S. 120. 61 Dell et al., Top incomes, S. 486 und 489. 62 Reto Schumacher/Luigi Lorenzetti: «We have no proletariat»: social stratification and occupational homogamy in industrial Switzerland, Winterthur 1909/10-1928, in: International Review of Social History 50 (2005), S. 65-91; Gruner, Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz, Bd. 3, S. 503. 63 Nachtragsbotschaft zur Botschaft vom 9. November 1920 zur Revision des Art. 44 der BV (Massnahmen gegen die Überfremdung), vom 14. November 1922, Schweizerisches Bundesblatt, S. 663 u. 665. 64 Leimgruber/Meier/Sablonier, Das Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse; Huonker/ Ludi, Roma, Sinti, Jenische; Galle/Meier, Die «Kinder der Landstrasse» in Akten, Inter­ views und Reportagen; dies., Von Menschen und Akten. 65 Vorwort von Heinrich Häberlin, Bundesrat und Stiftungsratspräsident der Pro Juventute, zur Broschüre «Kinder der Landstrasse», Zürich 1927. 66 Landmann, Die schweizerische Volkswirtschaft, S. 42. 67 Gagg, Die Frau in der schweizerischen Industrie, S. 120. 68 Dora Schmid, Frauenarbeit, Artikel in: Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volkswirtschaft (Hg.): Handbuch (1939), Bd. 1, S. 449-452, hier S. 450. 69 Merki, Der holprige Siegeszug, S. 190 u. 333. 70 Ebd., S. 115. 71 Gustav Sjöbom, The shift from railways to roads, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte i (2007), S. 55-66. 72 Anton Schrafl, Der Bahnbetrieb, in: Schweizerische Landesausstellung (1939): Die Schweiz im Spiegel, Bd. 2, S. 283 ff., hier S. 289. 73 Zur Geschichte der Migros vgl. Girschik/Ritschl/Welskopp (Hg.), Der Migros-Kosmos; Jakob Tanner/Brigitte Studer, Konsum und Distribution, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirt­ schaftsgeschichte der Schweiz, S. 670-675. 74 Schumacher, Ferien. Analog verlief der Aufbau der Migros-Klubschule und -Kultur­ engagements. Vgl. hierzu: Girschik/Ritschl/Welskopp (Hg.), Der Migros-Kosmos.

6. Nationale Konflikte und «Geistige Landesverteidigung» (1920 bis 1939) 1 Somary, Erinnerungen, S. 180; vgl. auch S. 100. 2 Ders., Wandlungen, S. 101. Vgl. auch: Rossfeld/Straumann (Hg.), Der vergessene Wirt­ schaftskrieg. 3 Karlen et al., Schweizerische Versicherungsgesellschaften, Bd. 2, S. 64; Raffael C. Bach, Die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft. Ein Dienstleistungsunternehmen im Ersten Weltkrieg, in: Rossfeld/Straumann (Hg.), Der vergessene Wirtschaftskrieg, S. 493517; Thomas Inglin, Die «Zürich» Versicherungs-Gesellschaft 1907-1925, in: ebd., S. 465-492.

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Anmerkungen

Akerlof/Kranton, Identity Economics. Lüpold, Ausbau der Festung Schweiz, S. 385 ff. Lüpold, Ausbau der Festung Schweiz, S. 409 ff. und 411. Nachdem 1916 in Luzern eine «schwimmende Ausstellung» mit Schweizer Industriepro­ dukten gezeigt worden war, startete 1917 erstmals eine nach dem Vorbild der «All British Shopping Weeks» gestaltete «Schweizer Woche» auf nationaler Ebene. Ober, Armbrust und Schweizerwoche. 8 Die Armbrust wurde allerdings erst 1983 zum offiziellen Gütesiegel. Vgl. Anne Pastori Zumbach, Schweizerisches Ursprungszeichen, Artikel in: Historisches Lexikon der Schweiz (Online-Ausgabe). 9 Kutter, Werbung in der Schweiz, S. 88-95. 10 So insbesondere Fritz Giovanoli, Unter der Herrschaft des Finanzkapitals. 11 Andreas Thier, Schweizerische Kartellrechtstradition und «more économie approach». Zur bundesgerichtlichen Rechtssprechungspraxis 1896-1960, in: Sethe et al. (Hg.), Kom­ munikation, S. 631. 12 Erklärung von Bern (Hg.), Rohstoffe, S. 61-63. 13 Vgl. Halbeisen et al., Wirtschaftsgeschichte, S. 319-518; zu den Widerständen im Völker­ bund vgl. Christophe Farquet: Le secret bancaire en cause à la Société des Nations ( 19221925), in: Sicherheit und Mobilität, Schwerpunkt traverse 2009, S. 102-115. 14 Behrendt, Die Schweiz und der Imperialismus, S. 79. 15 Sebastièn Guex, Finanzplatz, in: Halbeisen/Müller/Veyrassat (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, S. 1098. 16 R. J. Kaderli, Hot Money, Artikel in: Handbuch des Bank-, Geld- und Börsenwesens der Schweiz, 1947, S. 272. Vgl. auch: Blumenfeld, Les capitaux migrateurs. 17 So bezeichnete 1931 ein SKA-Vertreter den Zusammenhang von Emissionstätigkeit der Grossbanken und treuhänderischer Vermögensverwaltung. Zit. nach: Perrenoud et al., Place financière, S. 92. Die Schätzungen werden in derselben Studie ab S. 83 bzw. 89 erläu­ tert. 18 Ergänzungsbotschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die wirtschaft­ lichen Notmassnahmen vom 7. April 1936, Bundesblatt 1 (1936) S. 643. 19 Perrenoud et al., La place financière, S. 83. 20 Gagg, Die Frau in der schweizerischen Industrie, S. 317. 21 Zwischen 1910 und 1930 expandierte die Beschäftigung in diesen Bereichen um 62 Pro­ zent (verglichen mit 7 Prozent in Industrie und Gewerbe und minus 14 Prozent in Landund Forstwirtschaft). Der Beschäftigungsanteil des gesamten Finanzsektors stieg im selben Zeitraum von 7 auf 11 Prozent. Vgl. A. Schwarz, Bevölkerung, Artikel in: Schwei­ zerische Gesellschaft für Statistik und Volkswirtschaft (Hg.): Handbuch (1939), Bd. 1, S. 270. 22 L. V. Furlan, Kapitalmarkt, in: ebd., Bd. 2, S. 11. 23 Trepp, Bankgeschäfte, S. 17. 24 Die BIZ zahlte freiwillig eine Steuerpauschale von 50000 Franken an den Kanton BaselStadt, was von Seiten der Kommunisten mit einer erfolglosen Initiative bekämpft wurde. Trepp, Bankgeschäfte, S. 22. 25 Botschaft des Bundesrats vom 7. Februar 1930, in: Bundesblatt 82 ( 1930), Nr. 1, S. 92 f. 26 Der helvetische Finanzplatz und die starke Frankenwährung stellten für die BIZ wichtige Geschäftsgrundlagen dar; nach der Abwertung des Frankens rechnete die BIZ weiterhin mit der alten Goldparität und schuf eine Kunstwährung namens «Schweizer Goldfran­ ken», die der internen Buchführung diente; vgl. Trepp, Bankgeschäfte, S. 35 f. 27 Ebd., S. 21. 28 Vgl. auch die bahnbrechende SAFFA-Studie von Margarita Gagg, Die Frau in der schwei­ zerischen Industrie, S. 37; vgl. auch: dies., Weibliche Heimarbeit. 29 Woodtli, Gleichberechtigung, S. 154. 30 Woodtli, Gleichberechtigung, S. 158 f.

6. Nationale Konflikte und «Geistige Landesverteidigung:

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31 Vgl. Brigitte Studer, Internationalismus als politische Ressource. Das Schweizer Arbeits­ recht in der Zwischenkriegszeit, in: Christensen (Hg.), Demokratie & Geschlecht, S. 75100, hier S. 84. 32 W. Brunner, Artikel «Label», in: Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volkswirt­ schaft (Hg.): Handbuch (1939), Bd. 2, S. 103; vgl. auch: Ziegler, Arbeit - Körper - Öffent­ lichkeit. 33 Studer, Internationalismus, S. 76-78. 34 Bochsler/Gisiger, Dienen in der Fremde. 35 Vgl. dazu: Berrisch, Rationalisierung, S. 385-397. 36 Ebd., S. 392. 37 Ebd., S. 396. 38 Schweizer Frauenblatt, 18. 2. 1938: «Stellung und Bedeutung der Hausfrau», zit. nach: ebd., S. 395. 39 Studer, Internationalismus, S. 87 ff. 40 Ebd., S. 86. Vgl. auch: Gagg, Mutterschaftsversicherung. 41 Dora Schmidt, «Frauenarbeit», Artikel in: Handbuch der schweizerischen Volkswirt­ schaft, Bd. i, S. 451. 42 Schoeni,Travail feminin. 43 Jakob Tanner, Staat und Wirtschaft in der Schweiz. Interventionistische Massnahmen und Politik als Ritual, in: Studer (Hg.), Etappen des Bundesstaates, S. 237-359. 44 VgL dazu: Paxton, The Anatomy of Fascism. 45 Baumann/Moser, Bauern im Industriestaat, S. 3 u. 17. 46 Ebd., S. 19 ff. 47 Zit. nach: Wolf Linder, Entwicklung, Strukturen und Funktionen des Wirtschafts- und Sozialstaats in der Schweiz, in: Ricklin (Hg.), Handbuch Politisches System der Schweiz, Bd.i, S. 197. 48 Zit. nach: Merki, Bundesfeier, S. 15. 49 Alle Informationen aus: Thürer, Der Schweizerische Vaterländische Verband, Bd. 1, s. 133-13550 Bundesblatt 1933, II, S. 199. Zur Krisenpolitik vgl. Müller, La crise en Suisse. 51 De Vries, The Netherlands, S. 91. 52 Ergänzungsbotschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die wirtschaft­ lichen Notmassnahmen vom 7. April 1936, Bundesblatt 1936, Nr. 1, hier S. 659. 53 Vgl. dazu: Hug/Kloter, Aufstieg und Niedergang des Bilateralismus. 54 Peter Vieli, Clearing, Artikel in: Schweizerische Gesellschaft für Statistik und Volkswirt­ schaft (Hg.): Handbuch, Ausgabe 1939, Bd. 1, S. 337-339. 55 Hug/Kloter, Aufstieg und Niedergang des Bilateralismus, S. 50. 56 Perrenoud et al., La place financière, S. 81. 57 Nach 1932 kamen 1933 und 1934 zwei weitere Bundesbeschlüsse hinzu. 58 Botschaft des Bundesrates vom 3. April 1933, in: Bundesblatt (1933), Nr. 1, S. 632-642, hier S. 632. 59 Vgl. M. Pfyffer, Darlehenskasse der Schweizerischen Eidgenossenschaft, II, in: Handbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, Bd. 1, S. 345 f.; Rutz, Die schweizerische Volkswirt­ schaft, S. 110-112. 60 Botschaft des Bundesrates vom 2. Februar 1934, in: Bundesblatt (1934), Nr. 1, S. 171-224, hier S. 171 f. 61 Vgl. Rutz, Die schweizerische Volkswirtschaft, S. 118. 62 Rutz, Die Schweizerische Volkswirtschaft, S. 1 zz. 63 Peter Hug, Steuerflucht und die Legende vom antinazistischen Ursprung des Bankgeheim­ nisses. Funktion und Risiko der moralischen Überhöhung des Finanzplatzes Schweiz, in: Tanner/Weigel (Hg.), Gedächtnis, Geld und Gesetz, S. 269-321, hier S. 289 ff.; Sébastien Guex, The Origins of the Swiss Banking Secrecy Law and its Repercussions for Swiss Federal Policy, in: Business History Review 74 (2000), Nr. 2, S. 237-266, hier S. 249 ff.

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Anmerkungen Ebd., S. 2.87; Parma/Vontobel, Schurkenstaat Schweiz, S. 38 f. Werner, Für Wirtschaft und Vaterland, S. 248. Zit. nach; Tanner, Goldparität, S. 57. Bundesratsbeschluss über den Schutz der Landeswährung (vom 19. Juni 1936), in: Bun­ desblatt 1936. Zit. nach: Tanner, Goldparität, S. 56. Somary, Erinnerungen, S. 240. Laur, Erinnerungen, S. 226. Zit. nach: Tanner, Goldparität, S. 43. Helbling et al., Handbuch der Schweizergeschichte, Bd. 2, S. 1195. Rolf Henne, Vom Standpunkt der jungen Generation, in: Die Schweiz. Ein nationales Jahrbuch, Hg. Neue Helvetische Gesellschaft, 1933, S. 34~42> hier S. 38 ff. So die Schweizerischen Monatshefte schon 1928, zit. nach: Glaus, Die Neue Front, S. 21. Eiserner Besen 2/14. Nov. 1931, zit. nach: Wolf, Faschismus in der Schweiz, S. 113. Eiserner Besen 2/14. Nov. 1931 und 12/23. April I932, nach: ebd., S. 113 f. Ebd., S. 114. Henne, Kampfruf, S. 3. Gruner, Die Parteien, S. 236. Glaus, Die Nationale Front, S. 63. Ebd., S. 23. Ebd., S. 21. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-1945, Serie C, Bd. II/i, Göttingen 1973, S. 50. Zit. nach: Koller, Der Frontenfrühling, S. 38. Zit. nach: Dokumente zur Geschichte der schweizerischen Arbeiterbewegung, S. 261. Nur die Demokraten lehnten ab mit dem Argument, die Fronten seien mit ihrem «Führer­ prinzip» und ihrem «autoritären Absolutismus» unvereinbar mit einer freien Demokratie. Zitate nach Wolf, Faschismus, S. 141. Francis Python/Jean-Marie Musy, Artikel in: Altermatt (Hg.), Die schweizerischen Bun­ desräte, S. 359. Zitate aus: Wolf, Faschismus, S. 30-34. Mattioli, de Reynold, S. 250. Dürrenmatt, Stoffe/Labyrith II: Mondfinsternis, S. 185 f.; Jürg Schoch, «Dürrenmatt, be­ geisterter Fröntier», in: Tagesanzeiger, 15. Juni 2007. Metzger, Antisemitismus, S. 186. Jöhr, Amerika und der Faschismus, S. 8, 11 f. Vgl. auch: Zimmermann, Zum Werdegang. Schulthess, Lebensfragen der schweizerischen Wirtschaft, S. 40. Botschaft des Bundesrates, Bundesblatt, 12. November 1935, S. 533-562, hier S. 545, 547 u. 561. Zit. nach Kley, Die UBS-Rettung S. 130. Mattioli (Hg.), Intellektuelle, S. 10. Kley, Die UBS-Rettung, S. 130f. Ebd., S. 123. Ebd. Mattioli/Stirnimann, Die Rückeroberung der Strasse; Hodel, Die Schweizerische Kon­ servative Volkspartei. Frischknecht et al., Die unheimlichen Patrioten, S. 135 ff.; S. 155 ff. Werner, Für Wirtschaft und Vaterland. Ebd., S. 293 ff. So Erich Gruner, zit. nach: ebd., S. 296 u. 408. Vgl. Glaus, Nationale Front, S. 102 f., sowie Werner, Für Wirtschaft und Vaterland, S. 408. Lindig, Sozialdemokratie und Arbeiter im roten Zürich. Vgl. Lang et al. (Hg.), Solidarität - Widerspruch - Bewegung, S. 52. Dazu grundlegend: Scheiben, Krise und Integration.

6. Nationale Konflikte und «Geistige Landesverteidigung;

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108 Vgl. Lang et al. (Hg.), Solidarität - Widerspruch - Bewegung, S. 5z. 109 Michael Olansky, The Development of the Swiss Army’s Combat Method after the First World War, in: Amersfoort/Klinkert (Hg.), Small Powers, S. 307-320. 110 de Man, Le Plan du travail. ui Morandi, Krise und Verständigung. 112 Bellwald et al., Vorwärts, S. 16. 113 Die Sitzzahl des LdU im Nationalrat entwickelte sich wie folgt: 1943: 7,1947: 9,1951 bis 1963: 10, 1967: 16. Gruner, Die Parteien, S. 184 f. 114 Scharrer, Geld- und Bodenreform; Rickli, Freiwirtschaftsbewegung, in: Handbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, 1939, Bd. 1, S. 455; Schärrer, Geld- und Bodenreform. 115 Ernst Dübi, Unternehmertum als soziale Verpflichtung, in: Schweizerische Landesausstel­ lung (Hg.), Die Schweiz, Bd. 1, S. 139. 116 Arbeitsfrieden - Realität eines Mythos. Gewerkschaftspolitik und Kampf um Arbeit Geschichte, Krise, Perspektiven. Widerspruch-Sonderband, Zürich 1987, S. 19. 117 Der Text des «Friedensabkommens» findet sich in: ebd., S. 98-100. 118 Hohl, Max Weber, S. 287 ff. Siehe auch: Oskar Scheiben, Konrad Ilgs Weg nach rechts, in: Arbeitsfrieden - Realität eines Mythos, S. 31-36. 119 Josef Mooser, Die «Geistige Landesverteidigung» in den 1930er Jahren. Profile und Kontexte eines vielschichtigen Phänomens der schweizerischen politischen Kultur in der Zwischenkriegszeit», in: Kreis (Hg.), Die Schweiz und der Zweite Weltkrieg, S. 685708; vgl. auch Schnetzer, Bergbild. 120 Botschaft des Bundesrates «über die Organisation und die Aufgaben der schweizerischen Kulturwahrung und Kulturwerbung» vom 9. Dezember 1938, Bundesblatt 90/II (1938), S. 985-1033, hier S. 999. 121 Zimmer, In Search of Natural Identity. 122 Philipp Sarasin, Metaphern der Ambivalenz. Philipp Etters «Reden an das Schweizer­ volk» von 1939 und die Politik der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, in: ders. (Hg.), Geschichtswissenschaft, S. 177-190. 123 Mattioli, Zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur, S. 9. 124 Werner Möckli, Schweizergeist - Landigeist?, in: Naef, Landi, S. 124. 125 Hans Ulrich Jost, Bedrohung und Enge, in: Im Hof (Hg.): Geschichte der Schweiz, Bd. 3, S. 174 f. Der Begriff «Helvetischer Totalitarismus» wurde erstmals 1979 von Georg Kreis verwendet. 126 Imhof, Das kurze Leben, S. 35. 127 Schulz, Die Schweiz und die literarischen Flüchtlinge, S. 194-199. 128 Mooser, Die «Geistige Landesverteidigung», S. 700. 129 Ernst Gagliardi, Eigenarten und Aufgaben der Schweiz im heutigen Europa, in: Storrer et al. (Hg.), Die Schweiz, S. 15-22. 130 Botschaft des Bundesrates «über die Organisation und die Aufgaben der schweizerischen Kulturwahrung und Kulturwerbung», Bundesblatt 90/II (1938), S. 1011. 131 Schade, Herrenlose Radiowellen, S. 269 ff. u. S. 424. 132 Thomas Kramer/Dominik Siegrist: Terra 1991. Dieser Film wurde von den Alliierten nach Kriegsende, des ganzen Vorspanns entledigt, für freiheitliche Aufklärung eingesetzt, was auf die Polyvalenz des Narrativs hinweist. 133 Robert Faesi, Nachwort, in: Ders., Füsilier Wipf, S. 155. 134 Dumont, Geschichte des Schweizer Films, S. 222. 135 Josef Mooser, Die «Geistige Landesverteidigung» in den 1930er Jahren. Profile und Kontexte eines vielschichtigen Phänomens der schweizerischen politischen Kultur in der Zwischenkriegszeit, in: Kreis (Hg.), Die Schweiz und der Zweite Weltkrieg, S. 685-708; Schulz, Die Schweiz, S. 198. 136 Marchal, Schweizer Gebrauchsgeschichte, S. 148; Amrein, «Los von Berlin», S. 333-355. 137 Carl Brühschweiler, Wir als Viermillionen-Volk, in: Walter et al., Die Schweiz, S. 339-341. 138 Piguet, Einwanderungsland Schweiz, S. 15.

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Anmerkungen

Bonjour, Neutralität, Bd. 3, S. 2x5. Rietmann, «Liederlich» und «Arbeitsscheu», S. 43-46. Loosli, Anstaltsleben. Loosli, Schweizerische Konzentrationslager und «Administrativjustiz», in: Der Schweize­ rische Beobachter, 30.09.1938. 143 Jeanmonod, Mutation du concept de dégénérescence. 144 Wecker et al., Eugenik und Sexualität. 145 Dubach, Verhütungspolitik, S. 180, 200-202. 146 Ebd., S. 204. 147 Georg Kreis, Philipp Etter, in: Mattioli (Hg.), Intellektuelle, S. 207; Mojonnier et al., Heimat und Volk, S. 14 f. u. 20. 148 Keller, Der Schädelvermesser, S. 215. 149 So Oskar Howald schon 1922. Zit. nach: Baumann/Moser, Bauern im Industriestaat, S.25. 150 Germann, Laboratorien der Vererbung. 151 Ebd.; Keller, Der Schädelvermesser. 152 Botschaft des Bundesrates «über die Organisation und die Aufgaben der schweizerischen Kulturwahrung und Kulturwerbung», Bundesblatt 90/II (1938), S. 999. 153 Mächler, Hilfe und Ohnmacht. 154 Frisch,Tagebuch 1966-1971, S. i7zf. 155 Gugerli et al., Die Zukunftsmaschine, S. 236. 156 Urteilsbegründung des Berner Obergerichtes, S. 50, in: Staatsarchiv des Kt. Bern, Doku­ mente zum Prozess, http://www.fschuppisser.ch/5helv/revision1937.pdf. 157 Führer, Tod in Davos; Gillabert, La propagande nazie en Suisse. 158 Bonjour, Neutralität, Bd. 3, S. 240. 159 Ludwig, Die Flüchtlingspolitik, S. 76. 160 Ebd., S. 70-150; Häsler, «Das Boot ist voll», S. 41-61. 161 Ludwig Carl, Die Flüchtlingspolitik, S. 101. 162 Ebd., S. 114. 163 Ebd., S. 56. 164 Schweizerischer Beobachter, 31. März 1954 (Nr. 6), zit. nach Kreis, Die Rückkehr, S. 57. 165 Ebd., S. 160. 166 Ludwig Carl, Die Flüchtlingspolitik, S. 372. 167 Keller, Grüningers Fall; Mächler, Hilfe und Ohnmacht. 168 Mattioli, Zwischen Demokratie und Diktatur, S. 122-138. 169 Zeller, Emil Sonderegger. 170 Hug, Schweizerische Rüstungsindustrie, S. 956. 171 Die zweite Entführung Jacobs erfolgte 1941 in Lissabon; Jacob wurde in Berlin gefangen ge­ halten und starb 1944 an den Folgen der Gestapo-Haft. Willi, Der Fall Jacob-Wesemann. 172 Schwarz: Ernst Freiherr von Weizsäckers Beziehungen, S. 569. 173 Bonjour, Neutralität, Bd. 3, S. 241. 174 Ebd., S. 203. 175 Antifaschismus und die Schweiz. Vorwort zu: Huber/Hug (Hg.), Die Schweizerfreiwilli­

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gen. 176 Ralph Hug, Schweizer in Francos Diensten. Die Francofreiwilligen im Spanischen Bürger­ krieg 1936-1939, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 61 (2011), Nr. 2, S. 189207. 177 Bonjour, Neutralität, Bd. 3, S. 207. 178 Positiv vermerkt bei: de Vallière, Treue und Ehre. 179 Aufgrund der zweijährigen Kündigungsfrist wurde dieser Austritt erst r935 wirksam. 180 Bonjour, Neutralität, Bd. 3, S. 276-280. 181 Vgl. dazu Jakob Tanner, Die Schweiz liegt in Europa, in: Hettling et al., Eine kleine Geschichte der Schweiz, S. 291-313, hier S. 298.

7< «Die Ereignisse marschieren schnell» um 1940

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182 Thomas Mann, «Die Schweiz», in: Der Europäer 2 (1935), S. 3. Zit. nach Brückner, Europa organisieren, S. 183. 183 Ebd., S. 176. 184 Zit. nach Wolf, Faschismus, S. 3 4 f. 185 Nef, Landi, S. 44 f., 49 u. 137. 186 Gimmi, Von der Kunst..., S. 157 ff. 187 Schweizerische Landesausstellung (Hg.), Die Schweiz, Bd. i, S. 13. 188 («Die Menschen werden doch nicht so dumm sein, dass sie einen Krieg beginnen, bevor unsere schöne Landesausstellung zu Ende gegangen ist».); Ruth Blum, Mobilisationsein­ drücke im Dörfli, in: Wagner (Hg.), Das Goldene Buch, S. 340f.; 354-357. 189 Armin Meili, Vom Werden und Wesen der LA, in: Schweizerische Landesausstellung (Hg.): Die Schweiz, Bd. 1, S. 37. Vgl. auch den Artikel «Armin Meili» in: Schweizerköpfe der Gegenwart, Bd. 1; eine kritische Wertung bei: Charles Linsmayer, Wie die Landi zum «nationalen Heiligtum» wurde, in: Der Bund, 22. November 1997. 190 Zit. nach: Gimmi, Von der Kunst, S. 160. 191 Ernst Bütikofer, Aluminium, in: Wagner (Hg.), Das Goldene Buch der LA 1939, S. 197. 192 Wagner (Hg.), Das Goldene Buch der LA 1939, S. 5. 193 Max Huber, Der Höhenwerg, in: Schweizerische Landesausstellung (Hg.), Die Schweiz im Spiegel der Landesausstellung, Bd. 1, S. 63. 194 So z. B. im Beitrag «Heimat und Volk» von Arthur Mojonnier in: Wagner (Hg.), Das Gol­ dene Buch, S. 77 f. 195 Primus Bon, Tourismus, in: Schweizerische Landesausstellung (Hg.), Die Schweiz, Bd. 1, S.390. 196 Anton Schrafl, Der Bahnbetrieb, in: Schweizerische Landesausstellung (Hg.), Die Schweiz, Bd. 2, S. 290. 197 Schweizerische Landesausstellung (Hg.), Die Schweiz, Bd. 1, S. 178. 198 Arthur Mojonnier, Heimat und Volk, in: Wagner (Hg.), Das Goldene Buch, S. 14 u. 17. 199 1938 prägte der Zürcher Mediävist Karl Meyer diese Formel. Vgl. dazu: Thomas Maissen, Hochgemuter Pessimismus. Zum Selbstverständnis einer Generation, in: Neue Zür­ cher Zeitung, 19. Juli 2000, Nr. 116, S. 15.

Z «Die Ereignisse marschieren schnell» um 1940 1 Dejung, Aktivdienst und Geschlechterordnung, S. 59 f. 2 Anthony Beever, Second World War, London 2012, S. 94, weist darauf hin, dass der Begriff «Blitzkriegsstrategie» nicht angemessen ist, weil der Angriff zu einem hohen Grad impro­ visiert war; ex post und deskriptiv ist die Bezeichnung «Blitzkrieg» allerdings angemessen. 3 Zur Beurteilung des Blitzkrieges vgl. Bloch, L’étrange défaite; Ernest R. May polt die Ana­ lyse von Bloch um mit dem Argument, der rasche Sieg der militärisch für schwächer gehal­ tenen deutschen Wehrmacht sei das eigentlich Seltsame in diesem Juni 1940 gewesen. Vgl. May, Strange victory. 4 Für dieses und alle weiteren Zitate aus der Rede vgl. http://www.oocities.org/athens/ delphi/8730/pileti.htmi. 5 Zit. in: Bucher, Bundesrat und General, S. 563. 6 So lautet das Abschlusskapitel des Buches von Ruffieux, La Suisse de l’Entre-deuxguerres. Vgl. auch: Bucher, Die Schweiz im Sommer 1940, S. 356-389; Lasserre, La Suisse des années sombres; Herbert Lüthy, Die Disteln von 1940, Nachwort zu: Kreis, Juli 1940, S. 85-110. 7 Urner, «Die Schweiz muss noch geschluckt werden», hat darauf hinwiesen, dass ein kurzer Grenzabschnitt bei Genf offen blieb, was für die Zufuhren an Lebensmitteln wich­ tig war. 8 Gautschi, General Guisan, S. 227 f. 9 Schürch, Als die Freiheit in Frage stand, S. r2; vgl. auch Herbert Lüthy, Die Disteln von 1940, Nachwort zu: Kreis, Juli 1940, S. 96.

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Anmerkungen Zit. in: Grenzbote, 5. Juli 1940, zit. nach: Wolf, Faschismus in der Schweiz, S. 342. Herbert Lüthy, Die Disteln von 1940, Nachwort zu: Kreis, Juli 1940, S. 110. Ebd., S. 92. Vgl. dazu: Lindt, Die Schweiz, das Stachelschwein. Der offizielle Begriff «Waffenstillstand» verdeckte die Tatsache, dass der Krieg in Italien zu diesem Zeitpunkt erst richtig einsetzte. Vgl. Einzig, Economic warfare, S. 62. Bonjour, Neutralität, Bd. 3, S. 119. Bei seiner Wahl bezeichnete eine sozialdemokratische Zeitung Obrecht als «Waffenkönig». Vgl. Altermatt (Hg.) Die Schweizer Bundesräte, 1991, S. 396. Henri Guisan, Die Seele unserer Armee und die soziale Rolle des Offiziers, Sonderdruck aus «Neue Schweizerische Rundschau», 1935, S. 13. Die Basler Regierung versuchte den Luzerner Frontisten Hans Egli als Truppenkomman­ dant zu verhindern, setzte sich aber gegen Guisan, Wille und Minger nicht durch. Vgl. Gautschi, General Guisan, S. 168. Meienberg, Die Welt als Wille & Wahn; Keller, Oberst Gustav Däniker. Andreas Kley, Vollmachtenregime, Artikel in: Historisches Lexikon der Schweiz (On­ line-Ausgabe). Giacometti, Verfassungslage, S. 148. Peter Schneider, Zur Rechts- und Staatslehre von Dietrich Schindler (sen.), in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge, Band 40 (1991/92), S. 180. Es fällt allerdings auf, dass Giacometti seine deutliche Kritik erst Mitte 1942 veröffentlichte (um sie nach Kriegsende noch zu verschärfen). Vgl. Giacometti, Die gegenwärtige Verfassungs­ lage; ders., Vollmachtenregime. Giacometti befürwortete gerade aufgrund der politischen Notwendigkeit solcher Verfah­ ren einen speziellen Notstandsartikel. Die Gegenposition von Dietrich Schindler, wonach das Notstandsrecht in der schweizerischen Tradition angelegt und deshalb in Notsituatio­ nen ohne langfristige Bedrohung der Verfassungskultur angewandt werden könne, setzte sich durch und wurde auch vom Schweizerischen Bundesgericht gestützt. Aus dieser Sicht hätte eine konstitutionelle Normierung der Ausnahme den Missbrauch, den es zu ver­ meiden galt, nur wahrscheinlicher gemacht. Wolf, Faschismus. Zit. nach Keller, Oberst Gustav Däniker. Vgl. auch: Bonjour, Neutralität, Bd. 4, S. 408 ff. Mattioli, Zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur, S. 278-281. Jost, Politik und Wirtschaft, S. 83. Schupbach, Widerstand, Anpassung, Erneuerung, S. 24 u. 34. Ebd., S.45. Zit. in: Bucher, Bundesrat und General, S. 563. Räuber, Zur Geschichte der kommunistischen Bewegung; Bürgi/König, Harry Gmür, S. 67 f. Wolf, Walther Bringolf, S. 225. Waeger, Die Sündenböcke. Waegers Sündenbockthese ist nicht plausibel. Max Frisch, Blätter aus dem Brotsack, S. 12. Ebd., S. 92, 23 u. 47. Dejung, Aktivdienst und Geschlechterordnung, S. 399. Thomas Maissen, Das Schweizer Phänomen Aktivdienstgeneration. Ein Besuch beim Arbeitskreis gelebte Geschichte», in: NZZ 14./15. August 1999. Stämpfli, Mit der Schürze in die Landesverteidigung. Vgl. dazu (auch für die Zitate): Christof Dejung, Die höchste Potenz von Männlichkeit. Militär, Gesellschaft und Geschlechterordnung in der Schweiz, 1933-1945, in: ders. (Hg.), Armee, S. 173-183. Wenn Militarismus die Durchdringung aller Gesellschaftssphären mit militärischen Werthahungen und Prioritäten meint, dann könnte man die schweizerische Gesellschaft der frühen 1940er Jahre als durchwegs «militarisiert» beschreiben. Wenn damit jedoch eine Machtstruktur bezeichnet werden soll, in der militärische Institu­ tionen ein autonomes Eigenleben führen und der Gesellschaft ihren Willen aufzwingen

7- «Die Ereignisse marschieren schnell» um 1940

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können, dann lässt sich umgekehrt das Schweizer Militär als milizförmig zivilisiert be­ schreiben. 39 Zur Militärpolitik und militärischen Landesverteidigung im Zweiten Weltkrieg vgl. allg. Christof Dejung, Die militärische Landesverteidigung; Jaun, Die militärische Landes­ verteidigung; Senn, Schweizerische Dissuasionsstrategie; Gautschi, General Henri Guisan. 40 Vgl. Franz Odermatt, Zur Genese der Reduitstrategie; ders., Zwischen Realität und mili­ tärischem Mythos: zur Entstehung der Reduitstrategie im Jahre 1940, in: Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift (1987) S. 447-450 u. 549-552.. 41 Gautschi, General Henri Guisan, S. 79. 42 Lasserre, Die Schweiz der dunklen Jahre. 43 Gautschi, General Henri Guisan, S. 131 f. 44 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 4. 45 Alfred Ernst, Geschichte der Landesverteidigung, in: Gruner (Hg.), Die Schweiz seit 1945, S. 179. 46 Oscar Gauye, für Cervelat, für den Militärküchenchef noch durchaus gängig sind. (...) Hoffnungslos ist offensichtlich das vielseitige Bemühen, eine der peinlichsten Peinlichkei­

8. Wirtschaftswachstum und Kalter Krieg (1943 bis 1964)

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ten (seit dem letzten Krieg noch penibler als vorher) auszumerzen: «gstampfte Jud> und «iigstampfte Jud> für Büchsenfleischkäse.» Literarisch verwertete Thomas Hürlimann 2.001 den «gestampften Juden» in seiner Novelle «Fräulein Stark» (Kapitel 25). Vgl. http://www.gra.ch/lang-de/gra-glossar/129. *66 Spreuer, Der Kampf gegen Schmutz, S. 77 f. *67 Piguet, Einwanderungsland Schweiz, S. 16. J68 D’Amato, Diskurse zur Migration, S. 250. 169 Piguet, Einwanderungsland Schweiz, S. 20 u. 30. r7o Margrit Müller/Ulrich Woitek, Wohlstand, Wachstum und Konjunktur, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 91-222, hier S. 200. x7i Ebd., S. 119. *72 Piguet, Einwanderungsland Schweiz, S. 19. *73 Margrit Müller/Ulrich Woitek, Wohlstand, Wachstum und Konjunktur, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 91-222, hier S. 178 f. *74 Es handelt sich um das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931. Kury, Über Fremde reden, S. 174 f. x75 D’Amato, Diskurse zur Migration, S. 238 f. *76 Arbeitsprogramm SGB, zitiert nach: Gfrörer, Fremdarbeiterpolitik, S. 39. *77 Piguet, Einwanderungsland Schweiz, S. 25 f. *78 Gees, Die Schweiz im Europäisierungsprozess, S. 152-157. L79 Moser, Eine «Sache des ganzen Volkes»? *80 Blackman, Swiss Banking, S. 22. 181 Malik Mazbouri/Sébastien Guex/Rodrigo Lopez, Finanzplatz Schweiz, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 467-518, hier S. 477. x8z Gisela Hürlimann, Einträglich und gerecht? Steuerpolitik in den «Trente Glorieu­ ses» (1950-1975) und darüber hinaus, in: Hürlimann/Tanner (Hg.), Steuern und umver­ teilen. 183 Ebd. *84 Mit Währungs- oder Devisenswaps werden zwei Währungen bzw. zwei Kapitalbeträge in unterschiedlichen Währungen sofort gegeneinander getauscht und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückgetauscht. Mit Swaps verfolgen Zentralbanken vor allem geldund zinspolitische Zielsetzungen. *85 Unabhängige Expertenkommission, Die Schweiz, S. 465. *86 Ebd., S. 448. Öffenbar ging man davon aus, die Schweizer Banken hätten während der Krisenjahre im Deutschlandgeschäft schwere Verluste eingefahren und sie dürften nun auch einmal auf der Gewinnerseite stehen. Wie gross die von Schweizer Banken vorsätz­ lich unterschlagene Summe war, lässt sich im Nachhinein nicht feststellen. Sie war be­ trächtlich, aber doch nicht so umfangreich, um den steilen Expansionskurs der Schweizer Banken seit 1945 erklären zu können. *87 König, Interhandel. 188 David Gugerli, Data Banking: Computing and Flexibility in Swiss Banks 1960-90, in: Kyrtsis (Hg.), Financial Markets and Organizational Technologies, S. 117-136. 189 Vgl. dazu: David Gugerli/Jakob Tanner, Wissen und Technologie, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 265-316. 190 Fleuy/Joye, Die Anfänge der Forschungspolitik in der Schweiz, S. 127. 191 Jaun, Amerikanisierung. 192 Wildi, Der Traum vom eigenen Reaktor, S. 34 ff. 193 «Note pour le Chef du Département. Entretien avec le prof. Scherrer sur l’énergie ato­ mique», 27 janvier 1955, Documents Diplomatiques Suisses, DoDis-9598, www.dodis.ch. 194 Strasser et al., L’atom, l’espace et les molécules, S. 59-72. j95 Kriege, Atoms for Peace, S. 30 ff. Paul Scherrer an das Eidgenössische Politische Departement, 24. August 1954. dodis.ch/ 9621, www.dodis.ch.

6i2

Anmerkungen

197 Thomas David/André Mach, Corporate Governance, in: Halbeisen et ai. (Hg.), Wirt­ schaftsgeschichte, S. 852 f. 198 Zahlen finden sich auf der Homepage der «Expo 64». Siehe auch das Expo-Archiv http:// www.expo-archive.ch/index.html. Für eine Fotodokumentation und einen zeitgenös­ sischen Kommentar vgl. auch: Exposition Nationale. Für eine visuelle Interpretation vgl. Expo 64. Film von Regula Bochsler und Pascal Derungs, 2000. 199 Das Buch der Expo, S. 38. 200 Zur Expo 64 vgl. Weber, Umstrittene Repräsentation; Bretscher-Spindler, Vom heissen zum kalten Krieg, S. 413-434; Kohler/von Moos (Hg.), Expo-Syndrom? 201 Die Expo 64 hat in starkem Masse auf das Archiv der LA 39 zurückgegriffen. Dies lässt sich für andere Landesausstellungen nicht in diesem Masse nachweisen. Vgl. http://www.parla ment.ch/d/dokumentation/berichte/berichte-aufsichtskommissionen/geschaeftspruefungs kommission-GPK/berichte-200i/Documents/ed-pa-aufsichtskommission-200i-6.pdf, S. 1. 202 Burckhardt/Frisch/Kutter, achtung: die Schweiz. 203 Alle Zitate aus: ebd. 204 Geleitwort zum Buch der Expo, S. 5. 205 Vgl. dazu grundlegend: Weber, Umstrittene Repräsentation der Schweiz. 206 Aus dieser Umfrage ging das Buch von Luc Boltanski, Le bonheur suisse, hervor. Vgl. Kapitel 10. 207 Einen Überblick über die Gulliver-Geschichte gibt: Andreas Zangger, Wer hat Angst vor Gulliver?, in: Neue Zürcher Zeitung, 13. Aug. 2002. 208 Vgl. dazu Weber, Umstrittene Repräsentation. Zitiert nach: Bretscher-Spindler, Vom heissen zum kalten Krieg, S. 414. 209 Bianco, Ces étrangers, S. 110 und 114. 210 Rippmann, Expo 64. 211 Eco, Antwort an Harry Lime. 212 Vgl. das Zitat zu Beginn der Einleitung. Eco, Antwort auf Harry Lime, S. 142. 9. Konsummoderne in der helvetischen Malaise um 1965 1 Vgl. dazu neu: Weber, Umstrittene Repräsentation. Vgl. auch: Tanner, Le Bonheur Suisse. Einen Bezug zu älteren Schweiz-Stereotypen stellt ein Beitrag von Umberto Eco her: Um­ berto Eco, Antwort auf Harry Lime (1964), in: Kohler/von Moos (Hg.), Expo-Syndrom, s. 135-1472 Weber, Umstrittene Repräsentation, S. 285, weist darauf hin, dass Boltanski dabei die Daten der älteren Volkszählung von 1950 (und nicht, wie von Chivas behauptet, die neuen von i960) verwendete. 3 Boltanski, Le bonheur suisse, S. 15-18 u. 165. 4 Siegenthaler, Kapitalbildung und sozialer Wandel 5 Siegenthaler, Regelvertrauen, Prosperität und Krisen. 6 Imboden, Helvetisches Malaise, S. 19. 7 Ebd., S. 8 ff. u. 36 ff. 8 David Gugerli/Jakob Tanner, Wissen und Technologie, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirt­ schaftsgeschichte, S. 265-316. 9 Alle Angaben aus: Andersen, «... und so sparsam!», S. 63. 10 Ebd., S. 84. 11 Simon Stalder, Die Gründung der Migros Türk. Rolle und Motivation des Migros-Genossenschafts-Bundes beim Aufbau der heute grössten türkischen Detailhandelskette, 2005 (Lizentiatsarbeit Historisches Seminar, Universität Zürich). 12 Girschik, Als die Kassen lesen lernten, S. 32. 13 Vgl. dazu: Elias, Über den Prozess der Zivilisation. 14 Adrian Zimmermann, Von der Klassen- zur Volkspartei? Anmerkungen zum ideologi­ schen Selbstverständnis und zur gesellschaftlichen Basis der SPS im «kurzen 20. Jahrhun­ dert», in: traverse 14 (2007), Nr. 1, S. 95-113, hier S. 105.

9- Konsummoderne in der helvetischen Malaise um 1965

613

15 Gruner, Die Parteien in der Schweiz, S. 218. 16 Jakob Tanner, Die Schweiz in den 50er Jahren. Prozesse, Brüche, Widersprüche, Ungleich­ zeitigkeiten, in: Blanc/Luchsinger (Hg.), achtung: die 50er Jahre!, S. 19-50. 17 Margrit Müller/Ulrich Woitek, Wohlstand, Wachstum und Konjunktur, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 114. 18 Ebd., S. 121. 19 Als «Zehnerclub» wird die Zehnergruppe der Allgemeinen Kreditvereinbarung bezeich­ net. Vgl. Peter Bernholz, Die Nationalbank 1945-1982: Die Schweizerische National­ bank 1907-2007, S 167. Die Schweiz schloss sich den Allgemeinen Kreditvereinbarungen AKV an. Patrick Halbeisen/Tobias Straumann, Die Wirtschaftspolitik im internationalen Kontext, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 983-1076, hier S. 10331035. 20 Edgar Salin, Devisen-Bann-Wirtschaft, in: Kyklos 17 (1964), Nr. 2, S. 149-164. Vgl. dazu: Peter Bernholz, Die Nationalbank 1945-1982, in: Schweizerische Nationalbank 1907-2007, S. 119-124. 2t Erbe, Helvetia, S. 24. Erbe kämpft gegen den Popanz der Überbewertung an, der gar kein Problem war, weil der Franken unterbewertet war. Erbe stellt selber fest, dass der Franken 1970 nach dem Zahlungsbilanzkriterium «unterbewertet war» (S. 22). 22 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 24. Januar 1964, in: Bundes­ blatt 1964/I, S. 181-223, hier S. 199. 23 Diese Sichtweise begründet Tobias Straumann, Finanzplatz und Pfadabhängigkeit: Die Bundesrepublik, die Schweiz und die Vertreibung der Euromärkte (1955-1980), in: Merki (Hg.), Europas Finanzzentren, S. 245-268. 24 Peter Bernholz, Die Nationalbank 1945-1982, in: Die Schweizerische Nationalbank 1907-2007, S. 123. 25 Niklaus Stettler, Die Zukunft ist errechenbar..., in: Blanc/Luchsinger (Hg.), achtung: die 50er Jahre!, S. 95-117. 26 Martina Nussbauer, «Wunschkinder sind glücklicher». Die Darstellung der Frau im Mar­ keting für die Pille (1965-1970), 2003 (Seminararbeit, Historisches Seminar Universität Zürich). 27 Suter, Familienplanung. 28 Dubach, Verhütungspolitik. 29 Wecker et al., Eugenik und Sexualität. 30 Gabriela Imboden, «... es ist damit zu rechnen, dass auch sie Erbträgerin dieser schweren psychopathischen Familienveranlagung ist». Eugenik im Basler Einbürgerungsgesetz, in: Aegerter u. a. (Hg.), Geschlecht hat Methode, S. 285-292, hier S. 289. 31 Martin Lengwiler, Männer und Autos in den 60er Jahren: Technische Artefakte als Ge­ genstand der Geschlechterforschung, in: Steffen (Hg.), Masculinities - Maskulinitäten. Mythos-Realität-Repräsentation-Rollendruck, Stuttgart, Metzler, 2003, S. 246-258. 32 Die Terminologie ist komplex. Seit den 1990er Jahren hat sich der Begriff «Autobahnen» wieder eingebürgert. Die Nationalstrassen im rechtlich-technischen Sinne umfassen neben den Autobahnen auch weitere Hauptstrassen und Zubringer. Umgekehrt gibt es auch kür­ zere Autobahnstücke, die von Kantonen ausserhalb des Nationalstrassennetzes gebaut wurden, vor allem um die Verkehrsprobleme grösserer Städte zu lösen. 33 Ueli Haefeli, Umwelt, Raum, Verkehr in: Halbeisen et al., Wirtschaftsgeschichte, S. 703752, hier S. 727; Ackermann, Schweizerische Nationalstrassen, S. 15. 34 Zitiert nach: Thomas Buomberger, Traumreisen und Alpträume, in: ders./Pfrunder (Hg.,), Schöner leben, mehr haben, S. 41-68, hier S. 49. 35 Albert Bodmer, Artikel «Landesplanung», in: Handbuch der schweizerischen Volkswirt­ schaft, 1959, Bd. 2, S. 88. 36 Ueli Haefeli, Umwelt, Raum, Verkehr, in: Halbeisen et al., Wirtschaftsgeschichte, S. 703752, hier S. 730. 37 Koll-Schretzenmayr, Gelungen - misslungen?

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Anmerkungen

38 Manuel Graf, Rechts eingereicht, links getragen, klar verworfen, in: Linder et al., Hand­ buch der eidgenössischen Volksabstimmungen 1848-2007, S. 223-224. 39 Vgl. dazu: Tschäni, Wer regiert die Schweiz?, S. 18-21. 40 Während in Zürich schon 1963 über 80 Prozent der Haushalte diese Bedingungen er­ füllten, lagen die Werte in vielen anderen Kantonen noch unter 5 Prozent. Ueli Haefeli, Umwelt, Raum, Verkehr in: Halbeisen et al., Wirtschaftsgeschichte, S. 703-752, hier S.731. 41 Gaetano Romano, Die Überfremdungsbewegung als «Neue soziale Bewegung». Zur Kommerzialisierung, Oralisierung und Personalisierung massenmedialer Kommunika­ tion in den 1960er Jahren, in: König et al. (Hg.), Dynamisierung und Umbau, S. 143z5942 Zum Bedeutungsrückgang der Parteiorgane und zum Aufstieg der parteiunabhängigen Blätter vgl. Cordey, La presse Suisse, sowie: Erich Gruner, Die Schweiz in ihrer Umwelt, in: ders., Die Schweiz nach 1945, S. 381. 43 Vgl. dazu: Edzard Schade/Adrian Scherrer, Medien zwischen Idealismus und Kapitalis­ mus, in: Buomberger, Schöner leben, S. 137-151. Zahlenangaben: eigene Recherchen. 44 Liebherr, Massenmedium - Bildableiter, S. 28. 45 McLuhan, Die magischen Kanäle, S. 86 (im Original «Verwestlichung»). 46 Jakob Tanner/Brigitte Studer, Konsum und Distribution, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirt­ schaftsgeschichte, S. 690. 47 Niklaus Meienberg, Jo Siffert (1936-1971), in: ders, Heimsuchungen, S. 89-106. 48 Stenographisches Bulletin der schweizerischen Bundesversammlung, 19. Februar 1964, S. 76. 49 http://www.anneepolitique.ch/de/index.php . 50 Thomas David/André Mach, Corporate Governance, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirt­ schaftsgeschichte, S. 831-872, hier S. 866. 51 Ebd., S. 831 ff. 52 Höpflinger, Das unheimliche Imperium, S. 83 f. 53 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 5. Irène Herrmann, Façonner les comportements du citoyen. Die Fabrikation staatsbürgerlichen Verhaltens. Introduction sous l’angle suisse, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 61 (2011), Nr. 1, S. 4-21. 54 Gees, Die Schweiz im Europäisierungsprozess, S. 156; Patrick Halbeisen/Tobias Straumann, Die Wirtschaftspolitik im internationalen Kontext, in: Halbeisen et al., Wirt­ schaftsgeschichte, S. 1131-1160, hier S. 1049 f.; Linder et al., Handbuch, S. 290 ff. 55 Botschaft des Bundesrates über Massnahmen auf dem Gebiete des Geld- und Kapital­ marktes, Bundesblatt 1964, S. 181 u. 188. 56 Ebd. S. 191,197 u. 222. 57 Christian Bollinger, Nachträgliche Zustimmung zu einer konjunkturellen Notbremse, in: Linder et al., Handbuch, S. 290 f. 58 Botschaft des Bundesrates über Massnahmen auf dem Gebiete des Geld- und Kapital­ marktes, Bundesblatt 1964, S. 187 f. 59 Broger war Sohn eines Stickereifabrikanten und lebte von 1916 bis 1980. Ab 1954 stieg er in wichtige Ämter des Halbkantons Appenzell Innerhoden auf, ab 1966 war er Land­ ammann. Auf Bundesebene war er ab 1964 Nationalrat, ab 1971 Ständerat und dort Prä­ sident der Aussenpolitischen Kommission. Zur Parteibezeichnung ist zu sagen, dass sich diese laufend ändert.1894 hiess sie Katholische Volkspartei, ab 1912 Konservative Volks­ partei, ab 1957 Konservativ-Christlichsoziale Volkspartei und seit 1970 CVP. 60 Votum Broger, Massnahmen zur Konjunkturdämpfung, 19. Feb. 1964, Stenographisches Bulletin der schweizerischen Bundesversammlung S. 73. Es gilt, zwischen Bankgeheimnis und Nummernkonti zu unterscheiden. Über die Entstehung des Bankgeheimnisses gibt Kapitel 7 Auskunft. Die Nummernkonti sind eine datentechnische Vorkehrung zum effi­ zienten Schutz des Bankgeheimnisses. Broger mag mit seiner Wortwahl auf die numeri di conto und damit auf den Geldzufluss aus Italien angespielt haben.

io. Revolte und Krisen (1966 bis 1975)

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61 Manuel Hiestand/Margrit Müller/Ulrich Woitek, Partizipation der Kantone und Regio­ nen, in: Halbeisen et al (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 753-822, hier S. 758-776. 62 Faith, Safety in Numbers, S. zi 1.

DRITTER TEIL Widerwillige Bewegung 10. Revolte und Krisen (1966 bis 1975) 1 König et al. (Hg.), Dynamisierung und Umbau. 2 Tschopp, Datenhandbuch; Kriesi et al. (Hg.), Politische Aktivierung in der Schweiz. 3 Hansjörg Siegenthaler, Soziale Bewegungen und gesellschaftliches Lernen im Industrie’ Zeitalter, in: Dahinden (Hg.), Neue soziale Bewegungen, S. 251-264; Siegenthaler, Ent­ scheidungshorizonte. 4 1968 - Film «Krawall». Zu 1968 vgl. Linke/Scharloth (Hg.), Der Zürcher Sommer 1968; Hebeisen/Joris/Zimmermann (Hg.), Zürich 68. Kollektive Aufbrüche ins Ungewisse; Schaufelbuehl (Hg.), 1968-1978. Ein bewegtes Jahrzehnt; Skenderovic/Späti, Die 1968erJahre in der Schweiz. 5 (Fred Luchsinger), Wehret den Anfängen, NZZ, 17. Juni 1968. 6 Rahel Bühler, Die mediale Inszenierung der Ereignisse vom 29. und 30. Juni in der Deutschschweizer Presse, in: Linke/Scharloth (Hg.), Der Zürcher Sommer 1968, S. 6576. 7 Sabine Flaschberger, Sechs Tage Zürcher Manifest, 2003 (Seminararbeit Historisches Seminar, Universität Zürich). 8 Skenderovic/Späti, Die 1968er Jahre in der Schweiz. 9 Vgl. das SNF-Forschungsprojekt zur 68er Bewegung von Brigitte Studer: http://p3.snf.ch/ Project-129552. 10 Dafür plädiert: Marwick, The Sixties. Vgl. zusammenfassend ebd., S. 802. 11 Jobs, Riding the new wave, S. 11: «a postwar phenomenon that exploded in the sixties». 12 Bühler, Von der Problemjugend zum Jugendproblem. 13 Romaine Cavelti, Gefährdete Jugend - verwahrloste Familien - ihnen soll geholfen wer­ den, in: Caritas 41 (1963), Heft 5, S. 191. 14 Suter, Familienplanung, S. 146. 15 Wyss, Transnationaler «Underground». 16 Zitiert nach: Matthias Schwitter, Schüleremanzipation an der Kantonsschule Glarus, Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, 2003 (Seminararbeit Historisches Seminar, Univer­ sität Zürich), S. 28. 17 Ariane Tanner, Spartakus - Hydra - Longo mai: eine transnationale 68er Geschichte, in: Schaufelbuehl (Hg.), 1968-1978. Ein bewegtes Jahrzehnt in der Schweiz, S. 249-258. 18 Interview mit Polo Hofer, in: Nigg (Hg.), Wir sind wenige, aber wir sind alle, S. 412-414. 19 Der Song nimmt einen angepassten, karrierebewussten Zeitgenossen aufs Korn. Zitiert ist der dritte Strophe (von insgesamt vier): Oh, du nimmst das Geld von allen, du behandelst alle gleich / Nur den Arbeiter machst du noch ärmer und deinen Chef noch reicher / Manchmal wünsche ich im Stillen, du fliegst bald in die Luft / Samt deiner Neonröhre und deinem scheissigen Parfümduft. zo Die Postsendung, in der sich die mit einem Höhendruckmesser gezündete Bombe befand, war von dem El Al-Flug auf die Swissair-Verbindung des gleichen Tages umgeleitet worden. 21 Vgl. dazu den Dokumentarfilm «Do It»; Regie Sabine Gisiger/Marcel Zwingli, 2001. Aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive vgl. Grisard, Gendering Terror. 22 Mantovani, Der «Volksaufstand»; Marc Tribelhorn, Terror-Rezepte aus der Schweiz, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 171, 26. Juli 2013, S. 12. 23 Arnau, Rauschgift - Träume auf dem Regenbogen, S. 79.

6i6

Anmerkungen

24 Zitiert nach: Jakob Tanner, Vom schwierigen Umgang mit Drogen in der Konsumgesell­ schaft, in: Baer, Drogenhilfe zwischen Rausch und Nüchternheit, S. 237-262, hier S. 256. 25 Vgl. ebd. 26 Scheidegger, Ordnung und Unordnung. 27 Hofmann, Innenansichten eines Niedergangs; Hersche, Agrarische Religiosität; Altermatt (Hg.), Katholische Denk- und Lebenswelten. 28 Amendt, Sexfront. Das Buch erschien im März 1970 und war ein Bestseller. 29 Schulz et al. (Hg.), Frauenbewegung. 30 Gilg, Jugendliches Drängen. 31 Zitiert nach: Felix Müller/Jakob Tanner, «...im hoffnungsvollen Licht einer besseren Zukunft». Zur Geschichte der Fortschrittsidee in der schweizerischen Arbeiterbewegung, in: Langet al. (Hg.), Solidarität, Widerspruch, Bewegung, S. 325-367, hier S. 358. 32 Fluder et al., Gewerkschaften und Angestelltenverbände, S. 103. 33 Sonderegger, Mitbestimmung als Gewerkschaftsforderung; Siegenthaler, Die Politik der Gewerkschaften; Bernard Degen, Artikel Mitbestimmung, in: HLS. 34 In den Jahren 1967-1969 hatte es jährlich gerade einen einzigen Streik gegeben. Nun gin­ gen die Zahlen leicht hoch (auf 3,11 und 5 Streiks ab 1970). Die Zahl der in diese Arbeits­ kämpfe involvierten Beschäftigten nahm stark zu: Gfrörer, Gewerkschaftliche Fremd­ arbeiterpolitik S. 100 f. 35 Vgl. dazu und im Folgenden: Vögeli, Zwischen Hausrat und Rathaus. 36 Ebd.; Fanzun, Die Grenzen der Solidarität, S. 194-256. 37 Diese Studie, die durch das Soziologische Institut der Universität Zürich durchgeführt wurde, erschien dann erst 6 Jahre später. Held/Levi, Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft. 38 Nationalrat, Debatte des Berichts des Bundesrates zur Menschenrechtskonvention des Europarates, 16. Juni 1969, Stenographisches Bulletin der schweizerischen Bundesver­ sammlung, S. 361. 39 Fanzun, Die Grenzen der Solidarität, S. 230 f. u. 233-237. 40 Vögeli, Zwischen Hausrat und Rathaus, S. 501-503. 41 Mesmer, Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht, S. 324. Vgl. auch Vögeli, Zwischen Haus­ rat und Rathaus, S. 506-513. 42 Fanzun, Die Schweiz und die Welt, S. 199. 43 Fanzun, Die Grenzen der Solidarität, S. 251. 44 Gaby Sutter, Die Debatte «Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» in der Schweizer Nachkriegszeit, in: Studer/Wecker/Ziegler (Hg.), Frauen und Staat, S. 47-52. 45 Die Zahlen gehen wie immer bei der Feststellung illegaler Tatbestände auseinander; wäh­ rend svss-uspda.ch noch für die 1960er Jahre eine Zahl von zwischen 20 000 und 50 000 nannte, gehen Joris/Witzig, Frauengeschichte(n), S. 325, für Ende der 1960er Jahre von 50000 illegalen Abtreibungen aus, denen 20000 legale gegenüberstanden, was zusam­ men 70 Prozent der jährlichen Geburten ausmachte. 46 Kriesi (Hg.), Bewegung in der Schweizer Politik. In den Kapiteln r und 13 (S. 25 ff. und S. 382 ff.) schlägt Kriesi diese Unterscheidung vor. Vgl. auch: Altermatt et al., Rechte und linke Fundamentalopposition; Dahinden (Hg.), Neue soziale Bewegungen. 47 Siegenthaler, Regelvertrauen, Prosperität und Krisen. 48 Vgl. u. a. Damir Skenderovic, Die Umweltschutzbewegung im Spannungsfeld der 50er Jahre, in: Blanc et al. (Hg.), achtung: die 50er Jahre!, S. 119-146; Blanc, Die Stadt - ein Verkehrshindernis?; Altermatt (Hg.), Schweizer Katholizismus im Umbruch; Holenstein, Was kümmert uns die Dritte Welt? 49 Kriesi (Hg.), Bewegung in der Schweizer Politik, S. 383, Tabelle 13.1. 50 Kreis (Hg.), Staatsschutz in der Schweiz, S. 48, 82 u. 85. 51 Dazu grundlegend: Skenderovic, The Radical Right in Switzerland. 52 Drews, «Schweizer erwache!». 53 Buomberger, Kampf gegen unerwünschte Fremde, S. 97 ff.

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Reed, Der grosse Plan der Anonymen. von Salis, Schwierige Schweiz. Zitiert nach: Neidhart, Politik und Parlament, S. 497. Zitiert nach: Maiolino, Für Hunde und Italiener verboten. Vierzig Jahre Schwarzen­ bach-Initiative, in: WOZ 22 (2010), vom 3.6.2010. Skenderovic/D’Amato, Mit dem Fremden politisieren, S. 35. Gewerkschaftskorrespondenz, SGB 23 (1972), S. 321, zitiert nach: Gfrörer, Gewerk­ schaftliche Fremdarbeiterpolitik, S. 82 f. Fanzun, Die Grenzen der Solidarität, S. 267. Ebd., S. 274 u. 281. Skenderovic, Die Umweltschutzbewegung im Zeichen des Wertewandels, in: Altermatt et al., Rechte und linke Fundamentalopposition, S. 33-61. Bundesamt für Umweltschutz (Hg.), Schadstoff-Emissionen in der Schweiz, S. 43 u. 74 f. Vgl. Andersen, «... und so sparsam», S. 74. Vgl. dazu die parteiliche, jedoch gut informierte Schrift von Brandenberger et al., Das Märchen. Buser, Mythos «Gewähr». Vgl. u. a. Kriesi, AKW-Gegner in der Schweiz; Favez/Mysyrowicz, Le nucléaire en Suisse, 4 Bde. Werner, Für Wirtschaft und Vaterland. Vgl. auch: Frischknecht/Haldimann/Niggli, Die unheimlichen Patrioten. Der Satz aus Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman «II Gattopardo» (1954/1958) steht hier metaphorisch für eine geradezu opportunistische Veränderungsbereitschaft, die auf die Sicherung einer traditionellen Struktur der Interessenwahrung abzielt. Vgl. Vol inaugural Swissair Zurich-Moscou 12-21 août 1967, http://db.dodis.ch/ document/32783. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (Hg.), Das Schweizerische Zivilvertei­ digungsbuch, S. 267. Nizon, Diskurs in der Enge. Gioia Dal Molin, Von der schwierigen Kunst, Kunst zu fördern, S. 80-96. Carl M.Holliger, Die Reichen und die Superreichen in der Schweiz, S. 131 (erstmals 1974)Wollenmann, Zwischen Atomwaffe und Atomsperrvertrag. Die Ratifizierung des Sperr­ vertrags erfolgte allerdings erst 1977, was auf anhaltende Interessenkonflikte innerhalb der Schweiz hindeutet. Vgl. Spillmann et al., Schweizer Sicherheitspolitik seit 1945, S.95. Fanzun, Die Schweiz und die Welt, S. 310. Breitenmoser, Sicherheit für Europa. Lüthy, Die Schweiz als Antithese, S. 38. Benedikt von Tscharner, Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft, in: Riklin/Haug/Probst, Neues Handbuch der schweize­ rischen Aussenpolitik, S. 475-486. Freiburghaus, Königsweg oder Sackgasse?, S. 150. Philipp Hofstetter, Go West Markets, S. 395. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 16. August 1972, in: Bundes­ blatt 2 (1972), S. 653-999. Finnland zog aufgrund aussenpolitischer Schwierigkeiten erst im Herbst 1973 nach. Vgl. Freiburghaus, Königsweg oder Sackgasse?, S. 148. Ebd., S. 153. Kreis, Der grosse Schritt von 1999, in: ders. (Hg.), Erprobt und entwicklungsfähig, S. 29. Diese Steigerungstrends wurden in Publikationen bürgerlicher Politiker immer wieder mit Sorge dargestellt. Vgl. z. B. Spoerry-Toneatti, Steuerparadies Schweiz?, S. 12 u. S. 13.

6i8

Anmerkungen

86 Kato, Regressive taxation and the welfare state; Hürlimann/Tanner, Steuern und umver­ teilen. 87 Vgl. Hablützel/Müller, Hundert Jahre Finanzdirektorenkonferenz. Vgl. auch Lüthy, Vom Geist und Ungeist, S. 37 f. 88 Schweizerisches Bundesblatt, 1962, Bd. 1, S. 1109. 89 Zitat aus dem Tagesanzeiger, 14. Feb. 1968, zitiert nach: Christian Bolliger, Im zweiten Anlauf kommt die Steueramnestie zustande, in: Wolf/Linder, Handbuch, S. 297. 90 Tagesanzeiger vom 21.11.1972, zitiert nach: Roswitha Dubach, Weichenstellung in der Altersvorsorge, in: Linder/Bolliger/Rieille (Hg.), Handbuch, S. 319. 91 Lengwiler, Risikopolitik im Sozialstaat, S. 309 ff. u. 366. 92 Leimgruber, Solidarity Without the State? 93 Zitiert nach: Binswanger, Geschichte der AHV, S. 232. 94 Vgl. dazu die Beispiele bei Leimgruber, Solidarity Without the State. 95 Barr, The Welfare State.; Berend, Markt und Wirtschaft, S. 183 ff. 96 Zitiert nach: Peter Hug, Steuerflucht und die Legende vom antinazistischen Ursprung des Bankgeheimnisses. Funktion und Risiko der moralischen Überhöhung des Finanzplatzes Schweiz, in: Tanner/Weigel (Hg.), Gedächtnis, Geld und Gesetz, S. 269-321, hier S. 275. Vgl. auch: Vogler, Das Schweizer Bankgeheimnis, S. 81 u. 83. 97 Erklärung von Bern (Hg.), Rohstoffe, S. 180-187. 98 Bott, La Suisse et l’Afrique du Sud. 99 Ziegler, Politische Soziologie des neuen Afrika; ders., Die Lebenden und der Tod; ders. Die Schweiz über jeden Verdacht erhaben. 100 Schmocker/Traber, Schweiz-Dritte Welt. 101 Strahm, Industrieländer - Entwicklungsländer. 102 Vogler, Das Schweizer Bankgeheimnis. 103 Vgl. dazu auch eine Dokumentation des Schweizer Fernsehens aus dem Jahre 2012: http:// www.sendungen.sf.tv/eco/Nachrichten/Archiv/2012/02/27/Hintergrund/Hollywood-istSchweizer-Banken-dankbar-die-Filmliste. 104 Der Grundsatz, dass durch das Bankgeheimnis geschützte Daten auch bei Betrugsfällen nicht an eine ausländische Steuer-, sondern nur an eine ermittelnde Strafbehörde weiter­ geleitet werden durften, musste gelockert werden. 105 Bernasconi, Finanzunterwelt, S. 138. 106 Ebd., S. 26. 107 Zitiert nach: Evelyn Ingold, Ungleichgewichte im Bretton-Woods-System. Die Mit­ wirkung der Schweiz an der internationalen Währungsreform in den 1960er Jahren, in: Gilomen/Müller et al. (Hg.), Globalisierung - Chancen und Risiken, S. 297-316, hier S.307. 108 Ebd. 109 Ebd., S. 310-312. no Berechnet für 7 Prozent Inflationsrate bei insgesamt 250 Mrd. Franken Nominalwert­ vermögen. Vgl. Kleinewefers, Inflation und Inflationsbekämpfung, S. 174. in Ganser, Europa im Erdölrausch. 112 OECD, Suisse, Tableau i, S. 6. 113 Piguet, Einwanderungsland Schweiz, S. 43 u- 4^. 114 Margrit Müller/Ulrich Woitek, Wohlstand, Wachstum und Konjunktur, in: Patrick Halb­ eisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, S. 91-222, hier S. 158 f.

11. Umbau und Flexibilisierung (1976 bis 1989) 1 2 3 4 5

Caryl, Strange rebels. Vgl. Krell, Ciba-Geigys Chinageschäft. Fischer, Die Rolle der Schweiz in der Iran-Geiselkrise 1979-1981. Forum für praxisbezogene Friedensforschung (Hg.): Handbuch Frieden Schweiz, S. 91 ff. Die Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women

ii. Umbau und Flexibilisierung (1976 bis 1989)

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(CEDAW, kurz UNO-Frauenkonvention, trat 1981 in Kraft; für die Schweiz war dies erst 1997 der Fall. Klaus Armingeon, Sozialpartnerschaft und Staat, in: Honegger et al. (Hg.), Gesellschaften im Umbau, S. 335-344, hier v. a., S. 341-342. Gugerli/Kupper/Speich, Die Zukunftsmaschine, S. 293-403, hier v. a. S. 303-304. http://www.ethistory.ethz.ch/debatten/unternehmen/personen/hayek/. Ischer, Umbau der Telekommunikation, S. 36-125. Amtliches Bulletin Bundesversammlung, Nationalrat, 1983, PTT-Voranschlag 1984, S. 1754 f.; Ischer, Umbau der Telekommunikation, S. 124. Gugerli/Tanner, Wissen und Technologie. Vgl. dazu: Jakob Tanner, Etatismus und Antietatismus in der Linken, in: Schweizerisches Jahrbuch für Politische Wissenschaft 23 (1983), S. 207-226. DVD-Video «Züri brännt», Schweiz 1981; vgl. auch: Braendle/Hänny/Marendaz, Zür(e) ich brennt. Eine fundierte Analyse bietet: Kriesi, Die Zürcher Bewegung. Konkret Nr. 8,1980, zitiert nach: Sozialdemokratische Partei der Stadt Zürich (Hg.), Eine Stadt in Bewegung, S. 14. Newsweek 96 (Juli 1980), S. 38. Nigg (Hg.), Wir wollen alles, und zwar subito! Die Achtziger Jugendunruhen in der Schweiz und ihre Folgen (incl. DVD-Video). So Suzanne Zahnd in: Tages-Anzeiger, 24. Nov. 2012, S. 34 u. 35. Solche Fälle sind dokumentiert in: Sozialdemokratische Partei der Stadt Zürich (Hg.), Eine Stadt in Bewegung, S. 15 ff. Ebd. S. 203. http://www.linksruck.de/artikel_587.html. Rahel Bühler, Vom Jugendproblem zur Problemjugend. Jugend in der Schweiz, 19451980 (laufendes Forschungsprojekt Historisches Seminar Universität Zürich). Marwick, The Sixties, S. 801 ff. David Weiss, Wir waren für alles offen und hatten keine Regeln, in: Nigg, Wir sind wenige, aber wir sind alle, S. 439. Kriesi brachte die zitierte Studie dennoch heraus, allerdings ohne die beabsichtigte Be­ fragung. Vgl. Kriesi, Die Zürcher Bewegung. P. M. ist die häufigste Initiale im Schweizer Telefonbuch, die von Hans Widmer verwendet wurde. Vgl. den Überblick auf: http://www.license-plates.ch/radio_24.html . Mahler, umdenken-umschwenken. So Patrick Frey in: Tages-Anzeiger, 24. Nov. 2012, S. 34 u. 35. Kriesi, Die Zürcher Bewegung, S. 199. Zur Geschichte der Parteien in der Schweiz nach 1975 vgl. hauptsächlich Politisches Jahr­ buch der Schweiz; Christian Bolliger/Yvan Rielle, Parteien und Verbände, in: Wolf Linder et al., Handbuch, S. 691-710; Detterbeck, Der Wandel politischer Parteien; Mazzoleni/ Rayner, Les partis politiques suisses; Thomas David/Philipp Müller (Hg.), Geschichte der politischen Parteien in der Schweiz, Traverse 14. Jg. 2007/1. Adrian Zimmermann, Von der Klassen- zur Volkspartei? Anmerkungen zum ideologi­ schen Selbstverständnis und zur gesellschaftlichen Basis der SPS im «kurzen 20. Jahrhun­ dert», in: Traverse 14. Jg., 2007/1, S. 105. Klaus Armingeon, Sozialpartnerschaft und Staat, in: Claudia Honegger et al. (Hg.), Ge­ sellschaften im Umbau, S. 338. Vgl. dazu u. a. Rieger/Pfister/Alleva, Verkannte Arbeit, S. 122. Levy, Die schweizerische Sozialstruktur, S. 152 (Graphik 14). Vgl. aus Parteisicht: Dietschi, 60 Jahre Eidgenössische Politik; Detterbeck, Der Wandel politischer Parteien in Westeuropa. Altermatt, Konfession, Nation und Rom. Detterbeck, Der Wandel politischer Parteien, S. 306-311; Ladner, Politische Gemeinde, kommunale Parteien und lokale Politik.

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Anmerkungen

37 Rodgers, Age of Fractures, S. 6 f. 38 Tuchtfeldt, Gefährdete Marktwirtschaft, S. 78. 39 Insbesondere bei der Beschaffung des US-Kampfflugzeuges FA-18. Wegelin, Mister Swatch, S. 67-80. 40 Schmid, Demokratie von Fall zu Fall. 41 Brigitte Menzi, Linke und Föderalisten bodigen Seite an Seite die Sicherheitspolizei des Bundes, in: Wolf Linder et al. (Hg.), Handbuch, S. 386 f. 42 Jenkins, Jura Separation in Switzerland; McRae, Conflict and Compromise. 43 Hauser, L’aventure du Jura. 44 Ruch, Struktur und Strukturwandel des jurassischen Separatismus; Gagnuillt, Le conflit jurassien. 45 Am 10. März 1993 wurde der Beitritt der bisher bernischen Gemeinde Vellerat zum Kan­ ton Jura in einer nationalen Volksabstimmung ermöglicht. 92 Prozent der Stimmenden sagten Ja. Im Herbst desselben Jahres entschied eine weitere Volksabstimmung, dass das bernische Laufental dem Kanton Baselland beitreten durfte. 46 Eisinger, Alte und neue Einflussmöglichkeiten sozialer Bewegungen, S. 161-174. 47 So die Aufzeichnung eines EDA-Mitarbeiters, zitiert nach: Kreis, Die Schweiz und Süd­ afrika, S. 213. 48 Mantovani, Der «Volksaufstand», S. 58 f. 49 «Friedensbewegung - Opfer psychologischer Kriegsführung». Interview mit Frank Seethaler, Tages-Anzeiger 27. November 1981, S. 49. 50 Bericht des Eidgenössischen Militärdepartements über das Armeeleitbild und den Aus­ bauschritt 1984-87 vom 9. September 1982, S. 10. 51 Jürg Altwegg/Aurel Schmidt mit Generalstabschef Jörg Zumstein, «Gespräche über die Schweiz», in: Basler Magazin 18(4. Mai 1985), S. 6-7. 52 Vgl. Neue Zürcher Zeitung, 28. Feb. 1985, Nr. 49, S. 35, und Tagesanzeiger 2. März 1985. 53 Mauro Mantovani, Der «Volksaufstand»: Vorstellungen und Vorbereitungen der Schweiz im 19. und 20. Jh., in: Military Power Review der Schweizer Armee 1 (2012), S. 52-60; hier S. 59-60.; Matter, P-26. Die Geheimarmee, die keine war. 54 Schoch, Fall Jeanmaire; Räuber: Der Fall Jeanmaire - Memoiren eines «Landesverräters». 55 Fehr, Meienberg. 56 Marchal, Schweizer Gebrauchsgeschichte, S. 345. 57 Botschaft des Bundesrates über die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik» vom 25. Mai 1988, in: Bundesblatt 2 (1988), S. 975. 58 Ebd. Zur Bedrohungswahrnehmung allgemein vgl. Möckli, Bedrohung und Verteidigung. 59 Marti, Vom Scheitern der technokratischen Vision. 60 Spillmann et al., Schweizerische Sicherheitspolitik, S. 117. 61 Ebd., S. 142. 62 Vgl. dazu und im Folgenden: Johannes J. Manz, Bundeszentralverwaltung... in: Ricklin et al. (Hg.), Neues Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik, S. 154-156. 63 Luzius Wildhaber, Aussenpolitische Kompetenzordnung im schweizerischen Bundesstaat, in: Ricklin et al. (Hg.), Neues Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik, S. 129. 64 Urs Hochstrasser, Die internationale Wissenschaftspolitik der Schweiz, in: ebd., S. 1007 f. 65 Wolf Linder, Umstrittene Volksrechte, in: Neue Zürcher Zeitung, 19. Juli 2011, Nr. 166, S. 13. 66 Nadja Capus, Der Kriminalisierungsprozess ausserhalb nationalstaatlicher Strafgewalt, in: Opitz/Studer/Tanner, Kriminalisieren - Entkriminalisieren - Normalisieren, S. 211 f. 67 Yvan Rielle, Neuordnung der Staatsvertragsreferenden, in: Linder et al. (Hg.) Handbuch, S. 357-35968 Vgl. dazu den Bericht des Bundesrates vom 24. August 1988, in: Bundesblatt 140 (1988), Nr. 1, S. 249-462. 69 Fischer, Die Grenzen der Neutralität; Moos, Ja zum Völkerbund. 70 Moos, Ja zum Völkerbund, S. 127 f.

ii. Umbau und Flexibilisierung (1976 bis 1989)

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71 Gugerli et al., Zukunftsmaschine, S. 339; Wildi, Der Traum vom eigenen Reaktor, S. 5556. 72 Wegelin, Mister Swatch, S. 81 ff.; vgl. auch: Thomas Perret, Un institut de recherche com­ munautaire entre industrie et Etat. Le Laboratoire Suisse de Recherches Horlogères (LSRH) de Neuchâtel, 1921-1984, in: Gilomenet al. (Hg.), Innovationen, S. 385-402; Crevoisier/Maillat (Hg.), Quel développement pour l’Arc jurassien? 73 Denis Maillai et al., Technology District and Innovation: The Case of the Swiss Jura Arc, in: Regional Studies 29 (1995), Nr. 3, S. 251-263. 74 Margrit Müller/Ulrich Woitek, Wohlstand, Wachstum und Konjunktur, in: Patrick Halb­ eisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 91-222, hier S. 180-203. 75 Zitiert nach: Lipp, Standort Schweiz, S. 42. 76 Ebd., S. 45. 77 Schmid/Graf/Liebig, Das Ausland und die schweizerische Wirtschaftspolitik, S. 315. 78 Tobias Straumann, Rezession, Technologiepolitik und Risikokapital. Das Scheitern der Innovationsrisikogarantie 1985, in: Gilomen et al. (Hg.), Innovationen, S. 403-419. 79 Lipp, Standort Schweiz im Umbruch, S. 48-50. 80 Sambeth, Zwischenfall in Seveso. Vgl. den Seveso-Dokumentarfilm «Gambit» aus dem Jahre 2005. Zum Informationsverwirrspiel im Juli 1976 vgl. auch Kraatz, Seveso oder wie Verantwortung zur Farce wird, S. 37 f. 81 Forter, Falsches Spiel; Jakob Tanner, Die Chemiekatastrophe von «Schweizerhalle» und ihr Widerhall in der schweizerischen Umweltpolitik, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 17 (1988), S. 17-32. 82 Interview mit Peter Donath, former Head of Environmental Affairs of Ciba (by Martin Forter), Greenpeace 2011; http://www.martinforter.ch/news/2on_1o_27/schweizerhalle_did_not.html. 83 Kreis, Die Schweiz und Südafrika; Karrer, Die Schweizer Neutralität; Roux (Hg.), Im Windschatten der Apartheid. 84 Kreis, Schweiz-Südafrika, S. 322 f.; Madörin et al., Bankenbeziehungen Schweiz-Süd­ afrika. 85 Kreis, Schweiz-Südafrika, S. 103; Egli et al., Diskrete Diplomatie als Alibi, S. 67-78. 86 Zitiert nach: Kreis, Schweiz - Südafrika, S. 200. 87 Ebd., S. 200 u. 216. 88 Ebd., S. 439 ff. 89 Madörin, Bankenbeziehungen; Renate Spörri, Der Einfluss der Erklärung von Bern auf den Bund, in: Hug/Mesmer (Hg.): Von der Entwicklungshilfe, S. 450-569; Barbara Graf, Gewerkschaften und Dritte Welt. Die Gründung des Solifonds, 1978-1983, in: ebd. S. 585-609. 90 Zürcher, «Gute Dienste in Südafrika». 91 Kreis, Die Schweiz und Südafrika, S. 489. 92 Dirlewanger/Guex/Pordenone, La politique commerciale, S. 15-17. 93 Robert D. Putnam, Diplomacy and Domestic Politics. The Logic of Two-Level Games, in: International Organization 42 (1988), S. 427-460. 94 Straumann, Fixed Ideas of Money, S. 175 ff. 95 Expertengruppe Wirtschaftslage, Lage und Probleme der schweizerischen Wirtschaft, S.4. 96 Straumann, Fixed Ideas of Money, S. 195. 97 Zitiert nach: ebd., S. 205. 98 Zitiert nach Peter Bernholz, Die Nationalbank 1945-1982, in: Die Schweizerische Natio­ nalbank 1907-2007, S. 184. 99 Freiburghaus, Königsweg oder Sackgasse, S. 157 f.; Straumann, Fixed ideas, S. 209. 100 Scheller, Switzerland’s Monetary Bilateralism. 101 Zitiert nach: Werner, BBC, S. 149. 102 Eichengreen, Vom Goldstandard zum EURO.

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Anmerkungen

103 Markus Lusser spricht trotz des Wechselkursziels von einem «goldenen Zeitalter» der Geldmengenpolitik, das bis ca. 1986 gedauert habe. Vgl. Markus Lusser, Die Schweiz und die internationale Währungspolitik, in: Riklin et al. (Hg.), Neues Handbuch, S. 852-857. 104 David Gugerli, Data Banking: Computing and Flexibility in Swiss Banks 1960-90, in: Kyrtsis (Hg.), Financial Markets, S. 117-136. 105 Roge, Die Dynamik des Wandels, S. 271 ff. 106 Barbara Bonhage, Die Einführung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung. Der schweizerische Zahlungsverkehr zwischen öffentlicher und privater Dienstleistung, in: Gilomen/Müller/Tissot (Hg.), Dienstleistungen, S. 249-264. Vgl. auch: Roge, Die Dyna­ mik des Wandels, S. 178-185. 107 Ebd., S. 270 f. 108 Margrit Müller/Ulrich Woitek, Wohlstand, Wachstum und Konjunktur, in: Halbeisen et al. (Hg), Wirtschaftsgeschichte, S. 91-222, hier S. 201. 109 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 8. März 1976, in: Bundesblatt 1976, S.444ff.u. 453-454. no Ebd., S. 454. in Im Falle der Weisskredit-Bank verloren im Jahre 1977 Anleger über verschachtelte Fir­ menkonstruktionen, insbesondere über die Liechtensteiner Finanz- und Vertrauensan­ stalt, mehr als 200 Millionen Schweizer Franken, was ein gerichtliches Nachspiel hatte und mit Verurteilungen von Weisskredit-Vertretern endete. Vgl. dazu Gian Trepp/Tito Tettamanti. Geld ist geil, in: Die Wochenzeitung, 22.1.2004; http://www.treppresearch. com/woz.htm. 112 Mabillard, Roger de Weck, S. 27-31. 113 Fritz Leutwiler, Vorwort, zu: Bernasconi, Finanzunterwelt, S. 8; vgl. auch Philippe de Weck, Le Rôle de la Suisse comme place financière internationale, in: Riklin/Haug/Probst, Neues Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik, S. 886. 114 Fritz Leutwiler, Vorwort, zu: Bernasconi, Finanzunterwelt, S. 7. 115 Mabillard/de Weck, Scandale, S. 65. 116 Blumenthal, Last Days of the Sicilians. 117 Nadja Capus, Der Kriminalisierungsprozess ausserhalb nationalstaatlicher Strafgewalt, in: Opitz/Studer/Tanner, Kriminalisieren - Entkriminalisieren - Normalisieren, S. 211223. 118 Ebd, S. 212. 119 Thurston, Tigue Jr., Schmutziges Geld, S. 15. 120 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 13. 121 Bundesamt für Statistik, Panorama öffentliche Finanzen, Februar 2013, S. 3. 122 Sébastien Guex, Öffentliche Finanzen und Finanzpolitik, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirt­ schaftsgeschichte der Schweiz, S. 1077-1130, hier S. 1091. 123 Peter Bernholz, Die Nationalbank 1945-1982, in: Die Schweizerische Nationalbank 1907-2007, S. 188. 124 So der Titel der Vereinbarung vom Juli 1988. http://www.bis.org/publ/bcbs04ade.pdf. 125 Vgl. dazu: Porter, Trust in Numbers. 126 Zur Weltgeschichte des Sozialprodukts vgl. Speich, Welt in Zahlen. 127 Kälin, Die Europäische Menschenrechtskonvention. 128 Mikael Rask Madsen, Legal Diplomacy. Die europäische Menschenrechtskonvention und der Kalte Krieg, in: Hoffmann (Hg.), Moralpolitik, S. 169-195. 129 Bundesamt für Justiz, Strafen und Massnahmen in der Schweiz (Hg.), System und Vollzug für Erwachsene und Jugendliche, S. 4; http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/ sicherheit/straf_und_massnahmen/documentation/smv-ch-d.pdf. 130 Einen Überblick gibt: Andreas Kley, Interkantonale Konkordate, in: HLS. Vgl. auch: Felix Uhlmann/Vital Zehner, Rechtssetzung durch Konkordate, in: Leges r (2011), S.9-34; Bochsler/Sciarini, Konkordate. 131 Eine Dokumentation aller IKK findet sich in LexFind. http://www.lexfind.ch/.

12. Schweizer Wenden um 1990 13z 133 134 135 136 137

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Vgl. dazu Porter, Trust in Numbers, S. 8. Altermatt, Die Schweizer Bundesräte, S. 600. Levy, Die schweizerische Sozialstruktur, S. 121 u. 149. Ueli Haefeli, Der lange Weg zum Umweltschutzgesetz, in: König et al. (Hg.), Dynamisie­ rung und Umbau, S. 241-249, hier S. 245 f. Dejung, «Wie man in den Wald ruft, tönt es zurück». Christof Dejung, Der unterschiedliche Stellenwert von Umweltproblemen in der deut­ schen und in der französischen Schweiz, in: König et al. (Hg.), Dynamisierung und Um­ bau, S. 259. Piguet, Einwanderungsland Schweiz, S. 51. Sheldon, Was bringt uns die neue Zuwanderung?, S. 104. Vgl. Die erfolgreichsten Schweizer Filme, 1976-2013. Bundesamt für Statistik http:// www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/16/02/01/dos/03/05.html. Kleger/D’Amato, Staatsbürgerschaft, S. 267. Mahning et al., Histoire de la politique de migration; Piguet, Einwanderungsland Schweiz. Peter Stahlberger, Auf der Suche nach dem verlorenen Ring. Das Frauenstimmrecht und die Landsgemeinde Appenzell Ausserrhoden, in: Neue Zürcher Zeitung, 8.Aug. 2013, Nr. i8i,S. 12. Vgl. den Bundesgerichtsentscheid vom 27. November 1990: http://relevancy.bger.ch/cgibin/JumpCGI?id=BGE-i 16-IA-359. Vgl. dazu: Christa Tobler, Verfassung und Geschlecht: 20 Jahre bloss formelle Demokra­ tie in der Schweiz?, in: Christensen (Hg.), Demokratie&Geschlecht, S. 125-144. Botschaft des Bundesrates vom 22. Feb. 1957, Bundesblatt 1957/1, S. 713. Blattmann/Meier (Hg.), Männerbund und Bundesstaat. Der Begriff «familiarisierte Öffentlichkeiten» stammt von Elisabeth Joris und Heidi Witzig: dies., Frauengeschichte(n); vgl. auch: Schumacher et al., Freiwillig verpflichtet. Beatrix Mesmer beschreibt diesen Einschluss- und Ausschlussvorgang für das 19. Jahr­ hundert; er bestand im 20. Jahrhundert fort. Vgl. Mesmer, Ausgeklammert - eingeklam­ mert. Regina Wecker, Geschlechtsvormundschaft im Kanton Basel-Stadt. Zum Rechtsalltag von Frauen - nicht nur im 19. Jahrhundert, in: Jaun/Studer (Hg.), weiblich - männlich. S. 87-101. Frauen. Macht. Geschichte. Zur Geschichte der Gleichstellung in der Schweiz 18482000. Dokumentation der Schweizerischen Kommission für Frauenfragen, http://www. ekf.admin.ch. Vgl. dazu Arioli (Hg.), Wandel der Geschlechterverhältnisse durch Recht? Vgl. Tobler, Verfassung und Geschlecht, S. 134 ff. Elisabeth Joris, Der Frauenstreik im Jubeljahr 1991, in: Neue Zürcher Zeitung, 15. Juni 2011, Nr. 137, S. 17; Wicki (Hg.), Wenn Frauen wollen, kommt alles ins Rollen.

12. Schweizer Wenden um 1990 1 Liehr, Skandal 6c Nation; dies., Ereignisinszenierung im Medienformat. Proteststrategien und Öffentlichkeit - eine Typologie, in: Klimke/Scharloth (Hg.), Handbuch 1968, S. 2336; Liehr, Skandal und Intervention: Adolf Muschg und seine Eingriffe in die FichenAffare 1989/90 - zur Rolle der Intellektuellen seit den 1990er Jahren, in: Gilcher-Holtey (Hg.), Positionskämpfe europäischer Intellektueller, S. 231-253; Gregor Sonderegger/ Christian Dütschler, Ein PUK-Bericht erschüttert die Schweiz. Der Fichenskandal, in: Looser et al. (Hg.), Die Schweiz und ihre Skandale, S. 209-218. 2 Duttweiler, Kopp & Kopp. 3 Zur Rolle von Niklaus Meienberg im Kopp-Skandal vgl. Liehr, Skandal 6c Nation, S. 61-68. 4 Kurt Imhof, Öffentlichkeit und Skandal, in: Neumann-Braun/Müller-Doohm (Hg.), Medien- und Kommunikationssoziologie, S. 55-68.

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Anmerkungen

Zitiert nach Lieht, Skandal & Nation, S. 98 u. 104. Vgl. Frischknecht/Niggli, Rechte Seilschaften, S. 53 f. Zur Intervention von Hersch vgl. Liehr, Skandal & Nation, S. 126-145. Vorkommnisse im EJPD. Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 22. November 1989, in: Bundesblatt 1 (1990), 20. Feb. 1990, S. 637-878, hier S. 651 ff. 9 Ebd., S. 709, 719, 717 f., 722 u. 774 (in der Reihenfolge der Zitate in diesem Absatz). 10 Ebd., S. 758, 760, 734 f., 742 ff., 750 u. 753 (in der Reihenfolge der Zitate in diesem Ab­ satz). 11 Pieth/Freiburghaus, Die Bedeutung des organisierten Verbrechens (im Auftrag des Bun­ desamtes für Justiz), S. 32-34. 12 Vorkommnisse im EJPD. Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 22. November 1989, in: Bundesblatt 1 (1990), 20. Feb. 1990, S. 637-878, hier S. 775 ff13 So Bezeichnungen aus der damaligen Presseberichterstattung. Vgl. Liehr, Skandal & Na­ tion, S. 170. 14 Vorkommnisse im EJPD. Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 22. November 1989, in: Bundesblatt 1 (1990), io« feb. 1990, S. 637-878, hier S. 810. 15 Liehr, Skandal & Nation. 16 NZZ, 25. Nov. 1989, und Tages-Anzeiger, 25. Nov. 1989, zit. nach: Liehr, Skandal &c Na­ tion, S. 296 u. 301. Zum Staatsschutz vgl. auch: Müller, Innere Sicherheit Schweiz (Disser­ tation Universität Basel), S. 434-457. 17 Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz und Stiftung gegen Rassismus und Antisemitis­ mus (Hg.), Die rechtsradikale Szene. 18 Moritz Leuenberger im Interview mit Gisela Blau, Blick, 25. November 1989, zitiert nach: Liehr, Skandal & Nation, S. 300. 19 Bulletin Nationalrat, 13. Dez. 1989,8.2136-2137. 20 Simone Chiquet, Der Anfang einer Auseinandersetzung: Zu den Fakten, Zusammenhän­ gen und Interpretationen in der Debatte um die «Übung Diamant» 1989, in: Quellen und Studien 24 (1998), S. 193-228. zi Lerch/Simmen (Hg.), Der leergeglaubte Staat. 22 Kreis/Delly/Kaufmann, Staatsschutz in der Schweiz. 23 Müller, Innere Sicherheit (Dissertation Universität Basel), S. 434. 24 Vorkommnisse im EMD. Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK EMD) vom 17. November 1990, in: Bundesblatt 18 (18. Dezember 1990), Nr. 3, S. 12931584. Der Bericht weist eine eigene Paginierung auf. 25 Ebd., S. 230, 242, 254 u. 244. 26 Ebd., S. 192 f., 200, 204 u. 252 (in der Reihenfolge der Zitate). 27 Ganser, NATO-Geheimarmeen, S. 85 f. 28 Ebd., S. 55. 29 Dies öffnete auch den Raum für retrospektive Rechtfertigungsschriften. Vgl. Matter, P-26. Diese Untersuchung enthält eine faszinierende Fülle von Informationen und erschliesst neue Einsichten. Die titelgebende These ist jedoch weder logisch noch produktiv. 30 Ebd. Wie wenig das verfassungsrechtliche Sensorium in dieser Frage entwickelt ist, zeigt sich insbesondere darin, dass die von der PUK-EMD mit grosser Klarheit formulierten rechtsstaatlichen und demokratischen Einwände gegen eine solche Arkan-Anomalie igno­ riert oder kritisiert werden. Vgl. Hans Senn, Auf Wache im Kalten Krieg. Rückblick auf mein Leben, in: Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen 28 (2007), und Felix Werner Nöthiger, P-26 aus der Geheimhaltung entlassen, in: Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift 175 (2009), S. 35. 31 Rede von Friedrich Dürrenmatt auf Vaclav Havel zur Verleihung des Gottlieb-Duttweilers-Preises am 22. November 1990: http://www.litart.ch/fd/fdrede.htm.

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12. Schweizer Wenden um 1990

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32 von Matt, Frisch und Dürrenmatt. 33 Einen Überblick gibt: Bundesamt für Statistik (Hg.), Volkszählung 1990. 34 Thierstein et al., Raumentwicklung im Verborgenen. Vgl. auch: Walter et al., Schweiz und EU. 35 Bundesamt für Statistik (Hg.), Räumliche Analysen und Disparitäten, Newsletter 4 (2009), S. 2. 36 Diener et al., Die Schweiz. Ein städtebauliches Portrait, 3 Bde. 37 Charles Maier, Capitalism and territory, in: Budde (Hg.), Kapitalismus, S. 147-163. 38 Bundesamt für Statistik, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/regionen/11/geo/ analyse_regionen/o3 .html. 39 Bundesamt für Statistik, http://www.atlas.bfs.admin.ch/core/projects/13/de-de/viewer. htmP13.135.de. 40 Blöchlinger, Baustelle Föderalismus; Thierstein et al., Raumentwicklung im Verborgenen, S. 76, Zitat S. 75. 41 Ueli Haefeli, Umwelt, Raum, Verkehr, in: Patrick Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsge­ schichte der Schweiz, S. 703-822, hier S. 735 (Graphik 3.2.6). 42 Verworfen wurde der Gegenvorschlag des Bundesrates, zu dessen Gunsten die Initiatoren ihre Volksinitiative zurückgezogen hatten. 43 Lévy, Die schweizerische Sozialstruktur, S. 131. 44 Huth-Spiess, Europäisierung oder «Entschweizerung»?, S. 228 u. 251. 45 Swiss-American Chamber of Commerce, A Renaissance at Risk. 46 Ebd., S. 14 f. 47 Margrit Müller/Ulrich Woitek, Wohlstand, Wachstum und Konjunktur, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, S. 92-97. 48 Ebd., S. 100-102; die Vergleichsländer sind: Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Norwegen und Schweden. 49 Richard Breen et al., Long-term Trends in Educational Inequality in Europe. Class Inequalities and Gender Differences, in: European Sociological Review 26 (2010), Nr. 1, S. 31-48; Richard Breen et al., Nonpersistent Inequality in Educational Attainment. Evi­ dence from Eight European Countries, in: American Journal of Sociology 114 (2009), Nr. 5, S. 1475-1521; Richard Breen/Luijkx Ruud, Social Mobility in Europe between 1970 and 2000, in: Breen (Hg.), Social Mobility in Europe, S. 37-75. 50 Jann/Combet, Zur Entwicklung der intergenerationalen Mobilität. 51 Auf diese Vorgänge weist z. B. Levy, Die schweizerische Sozialstruktur, S. 119 f., hin. 52 Gernet, (Un-)heimliches Geld, S. 103 ff.; Caroni, Geld und Politik. 53 Zitiert nach: Gernet, (Un-)heimliches Geld, S. 128. 54 Ebd., S. 131. 55 Scheuss, Konfliktherd Agglomeration. 56 Kübler, La métropole et le citoyen. 57 Zum Drogenproblem in Schweizer Städten und insbesondere in Zürich vgl. Kapitel 14. 58 Interview mit Walter Seitz, «Der Druck der SVP war zu stark»; TagesWoche 31. Aug. 2012, http://www.werner-seitz.ch/pdf/TagesW0che%2031%208%202012% 20Seitz.pdf. 59 Gabriel, Schweizer Neutralität im Wandel, S. 101. 60 Ebd.; Curt Gasteyger, Nationale Interessen und Neutralität im Europa von morgen, in: Europäische Rundschau 21, S. 41-49; Kux, Zukunft Neutralität? 61 Zitiert nach: Brigitte Menzel, Trotz Opposition von links und rechts, in: Linder et al. (Hg.), Handbuch, S. 485. 62 Marti, Schweizer Europapolitik, S. 248-301. 63 Ebd., S. 343; hier auch der Wortlaut des Schreibens. 64 Aktennotiz vom 28. April 1992, zit. nach Marti, Schweizer Europapolitik, S. 339. 65 Überblick in: Fleury/Joye, Die Anfänge der Forschungspolitik, S. 203-209. Vgl. auch: Gugerli/Kupper/Speich, Die Zukunftsmaschine, S. 328 ff.

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Anmerkungen

66 Es handelte sich um das NFP 9 ( 1980-1988) und NFP 17 ( 1987). Vgl. dazu: Lipp, Stand­ ort Schweiz, S. 51-57. 67 NZZ 2.12.2012, http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/eu-ist-eine-intellektuelle-fehlkonstruktion-i. 17864633. 68 Die Entscheidung für das Beitrittsgesuch fiel in der Regierung mit 4:3 Stimmen knapp aus. 69 Die Tatsache, dass Adolf Ogi 20 Jahre nach dem Beitrittsgesuch zur EU erklären sollte, die Landesregierung habe nie ein Beitrittsgesuch eingereicht, sondern bloss um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nachgesucht, schreibt eine schon damals herrschende Unklar­ heit fort. Vgl. dazu: 20 Jahre EWR-Abstimmung, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 281, i. Dez. 2012, S. 14-15. 70 Dies war etwa die Meinung des Ökonomen Rolf Weder. Vgl. Spirig/Weder, Von Rosinen und anderen Spezialitäten, S. 13. 71 Amtliches Bulletin der schweizerischen Bundesversammlung, Ständerat. 12. Juni 1992, S. 481. 72 Vautiers war durch François Fontans Ethnizismus inspiriert und vertrat eine maximal ambivalente (weil zugleich mikronationalistische und universelle) Haltung, die auch un­ geteilte Bekenntnisse für die real existierende Schweiz nahelegen konnte. 73 Porter, The Competitive Advantage of Nations. Vgl. auch Lipp, Standort Schweiz, S. 54 u. 56. 74 Rappaport, Creating shareholder value. 75 Fenner, Flaggschiff Nescafé, S. 13 (Dissertation Manuskript). 76 Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 859. Vgl. Boemle, Unternehmensfinanzie­ rung. 77 Zu den folgenden Ausführungen gibt es bisher nur wenige Analysen. Vgl. Lüpold, Der Aus­ bau der «Festung Schweiz» (Dissertation online); Thomas David/André Mach, Corporate Governance, in: Patrick Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 831-872, v. a. S. 859 ff.; Werner, ABB - die verratene Vision; Knöpfli, Im Zeichen der Sonne; Bärtschi, Kilometer Null; ders., Die industrielle Schweiz; Jakob Tanner, Switzerland for sale. Auf­ stieg und Niedergang eines nationalen Geschäftsmodells, in: Paucker/Teuwsen (Hg.), Wo­ hin treibt die Schweiz?, S. n-37; Mach, La Suisse. 78 Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, S. 860. 79 Bernard Degen, Artikel «Einkommen», in: HLS. 80 http://www.swisscanto.ch/ch/de/ueber-uns/about-us/wir-ueber-uns/geschichte-und-ent wicklung.html. 81 http://www.bpb.de/wissen/NCAQ iW„o,Institutionelle_Investoren.html. 82 Lipp, Standort Schweiz, S. 90; vgl. auch: Wyler, Schweizer Gewerkschaften. 83 Wyss, Kriminalität als Bestandteil der Wirtschaft; Flubacher, Die Milliardenpleite; Schnell, Wirtschaftskriminalität. (Als Ankläger im Prozess gegen Rey ist Schnell Partei.). 84 Zitiert nach: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, S. 855. 85 Lüönd, Erfolg als Auftrag. 86 Constantin Seibt, Christoph Blocher - der Profi, in: Tagesanzeiger, 26.12.2011, http:// www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Christoph-Blocher-derProfi/story/3 09 2 89 37. 87 Rappaport, Creating Shareholder Value, S. 160. 88 Knöpfli, Im Zeichen der Sonne, S. 256 ff. Informierte Beobachter konstatierten einen ag­ gregierten Verkaufserfolg für Ebners BK-Gruppe von 800 Millionen Franken; Blochers Vermögen stieg um ungefähr 220 Millionen. Vgl. dazu: Tanner, Switzerland for sale. 89 Bärtschi, Die industrielle Schweiz, S. 213 ff. 90 Schilling-Report, Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte, S. 7, 28 u. 37. 91 Bartelson, Three Concepts of Globalization. 92 Lipp, Standort Schweiz, S. 17. 93 Borner/Brunetti/Straubhaar, Schweiz AG.

13. Souveränitätsmythos und europäische Integration (1992-2010) 627 94 Lipp, Standort Schweiz, S. 9 f. 95 Bericht über die Stellung der Schweiz im europäischen Integrationsprozess, 24. August 1988, S. 336. 96 Huth-Spiess, Europäisierung oder «Entschweizerung», S. 225-240 u. 243; zur Analyse der Volksabstimmung vgl. auch Hanspeter Kriesi et al., Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 6. Dezember 1992. 97 Toni Bortoluzzi (SVP) 2012: «Der EWR ist ein Kolonialvertrag, der sich mit der direkten Demokratie und dem Souveränität-Verständnis der Schweiz nicht vereinbaren lässt.» http://www.srf.ch/news/schweiz/20-jahre-ewr-nein-nati0nalraete-erinnern-sich. 98 Filmausschnitt in: iovorio vom 30.11.2012, Freund und Feind des EWR-Beitritts, http:// www.srf.ch/news/schweiz/20-jahre-ewr-nein-nationalraete-erinnern-sich. 99 Bericht des Bundesrates über die Aussenpolitik, 29. November 1993, S. 32 f. 100 Freiburghaus, Königsweg oder Sackgasse?, S. 280. 101 http://csslegacy.ethz.ch/Aktuell/Chronologie-zur-Schweizer-Sicherheitspolitik/Detail/?lng=de&ord364=Year-Month&id=43io3. 102 http://ifor-mir.ch/friedensnobelpreis-mit-waffen-und-krieg-frieden-stiften/. 103 http://auns.ch/ueber-uns/geschichte/. Die Aussage kann nicht datiert werden, entspricht aber einer Argumentation, die sich seit den 1990er Jahren feststellen lässt. 104 Bundesamt für Statistik, Zahlen für die Zeit vor 2007. Die Definition der Finanzdienst­ leistungen bietet viele Schwierigkeiten. Sie umfassen auch einen Teil der Versicherungs­ dienstleistungen und tragen zum Wachstum der IT-Branche bei. Bei Berücksichtigung aller Wertschöpfungs- und Beschäftungseffekte müsste die Bedeutung der Finanzdienst­ leistungen noch höher eingestuft werden. Dies gilt allerdings auch für andere Branchen. 13. Souveränitätsmythos und europäische Integration (1992-2010) 1 Trampusch/Mach, Switzerland in Europe; Rust, Europa-Kampagnen. 2 Jean-Pierre Jetzer/Mathias Zurlinden, Die Geld- und Währungspolitik der Nationalbank, in: Die SNB 1907-2007, S. 244. 3 Da die EU erst 2009 eine eigene Rechtspersönlichkeit erhielt, verhandelte die Schweiz mit der EG weiter. Dieser formelle Sachverhalt wird in den Ausführungen nicht berücksich­ tigt. 4 Simon Marti, Schweizer Europapolitik, S. 21. 5 Auch für dieses Modell gab es ein Vorbild aus den 1980er Jahren. Es handelte sich um das 1989 nach 16 Jahren Verhandlungszeit mit der EG abgeschlossene Versicherungsabkom­ men, das von Franz Blankart, dem schweizerischen Chefunterhändler, als «rechtssetzen­ der Liberalisierungsvertrag» charakterisiert wurde. Das Abkommen fügte sich in den glo­ balen Trend zum Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse bei Dienstleistungen ein, hätte eigentlich die bilaterale Phase abschliessen sollen. Nun wurde es umgehend zum Proto­ typen. Vgl. Lipp, Standort Schweiz, S. 66-70; zum Kontext vgl. David Gugerli, Koope­ ration und Konkurrenz, in: James (Hg.), Swiss Re und die Welt der Risikomärkte, S. 296-321. 6 Lipp, Standort Schweiz, S. 89. 7 Spirig/Weder, Von Rosinen und anderen Spezialitäten, S. 217-222. 8 Ebd., S. 224-225. 9 Ebd., S. 246 f. Die Autoren weisen darauf hin, dass, wenn die Kleinheit des schweizeri­ schen Binnenmarktes rechnerisch berücksichtigt wird, der Integrationsgrad durchschnitt­ lich ausfällt. 10 Jörg König/Renate Ohr, Schweiz ist stärker EU-integriert als viele Mitgliedsländer, in: Neue Zürcher Zeitung, 12. Aug. 2014, Nr. 184, S. 21. 11 Huth-Spiess, Europäisierung oder «Entschweizerung» ?, S. 276. 12 Toni Brunner, Für mich ist das Landesverrat, in: Neue Zürcher Zeitung, 6.9.2013, Nr. 206, S. 20. 13 Tobias Straumann, Ökonomie und Diskurs. Globalisierung in der Schweiz während der

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Anmerkungen

1990er Jahre, in: Gilomen/Müller et al. (Hg.), Globalisierung - Chancen und Risiken, S. 357-375, hier S. 17z. 14 Armingeon (Hg.), Der Nationalstaat. 15 Giugni/Passy, Zwischen Konflikt und Kooperation. 16 Glotz, Die beschleunigte Gesellschaft. 17 Straumann, Ökonomie und Diskurs. 18 Bach, Die Erfindung der Globalisierung, S. 166 ff. 19 Vgl. Kap. 13. 20 Die UBS war nach 2000 mit über 700 Mrd. Sfr. an verwalteten Kundengeldern der welt­ weit grösste Vermögensverwalter. 21 Lukas Mühlemann, Was die Politik von einem Unternehmen lernen muss, in: Das Maga­ zin (Tages-Anzeiger), vom 1.1.2000, S. 40. 22 Neue Zürcher Zeitung, 8.2.2000, S. 14, zitiert nach: Straumann, Ökonomie und Diskurs, S.373. 23 http://www.srf.ch/player/tv/archivperlen/video/mut-zum-aufbruch?id=O3 fe8 f6o-aao24529-a25b-9282aoi553 f924 Eine Bilanz zieht: Baltensperger, Mut zum Aufbruch - 10 Jahre danach. 25 Ischer, Umbau der Telekommunikation. 26 Hürlimann, Die Eisenbahn der Zukunft. 27 Schweizerischer Bauernverband, http://www.sbv-usp.ch/fileadmin/user_upload/bauernverband/Taetigkeit/Argumente/o2_CH-Landwirtschaft_in_Zahlen.pdf (S. 21). 28 Peter Moser, Die Agrarproduktion, in: Halbeisen et al. (Hg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 568-620. 29 Naschold, Modernisierung des Staates. 30 Buschor, Wirkungsorientierte Verwaltungsführung. 31 Lienhard et al. (Hg.), 10 Jahre New Public Management; Harald Fritschi, Zwei Beamte für ein WC, in: FACTS 24 (2004), 10. Juni 2004. Vergleichend: OECD, Modernising Government. 32 Zur aktuellen Diskussion vgl. Andreas Müller, Ein Bürgerdienst für alle. Der freiwil­ lige Einsatz im Milizsystem wird immer unbeliebter. Was tun?, in: Tagesanzeiger 28. Au­ gust 2013. Siehe avenir suisse, http://www.avenir-suisse.ch/3037z/ein-burgerdienst-furalle/. 33 Thom/Steiner, Schweizer Gemeinden im Umbruch; vgl. auch: Steff Schneider, Fusionen sind eine Chance für das Milizsystem, in: Schweizer Gemeinde 2008 (2), S. 12 f. 34 Maissen, Verweigerte Erinnerung; Schürer, Die Verfassung. 35 Barkan, The guilt of nations. 36 Peter Kiauser, Der Disput um die Verwendung überschüssiger Goldreserven, in: SNB (Hg.), Die Schweizerische Nationalbank 1907-2007, S. 520-528. 37 Das Strafgesetzbuch wurde um Art. 26ibis ergänzt, das Schweizerische Militärstrafgesetz­ buch (MStG) um Art. 171c. Vgl. Stratenwerth/Wohlers, Kommentar zu Art. 261 bis StGB, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch - Handkommentar. 38 Stellungnahme der Eidg. Kommission gegen Rassismus zum Drei-Kreise-Modell des Bun­ desrats über die schweizerische Ausländerpolitik vom 6. Mai 1996, S. 4. http://www.ekr. admin.ch/pdf/960506_stellungnahme_3 -kreise-modell_de5cd4.pdf. 39 2013 musste die Schweiz die Erfahrung machen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Klage eines in der Schweiz verurteilten türkischen Leugners des Armeniergenozids im Namen der Meinungsfreiheit guthiess. 40 Georg Kreis, der grosse Schritt von 1999, in: ders. (Hg.), Erprobt und entwicklungsfähig, S. 41; vgl. auch: Arlettaz (Hg.), Werkstatt Bundesverfassung. 41 Botschaft über eine neue Bundesverfassung, 20. November 1996, S. 8. 42 Fanzun, Grenzen der Solidarität, S. 414. 43 Zitiert nach: Georg Kreis, Der grosse Schritt von 1999, in: ders. (Hg.), Erprobt und ent­ wicklungsfähig, S. 36-37.

rj. Souveränitätsmythos und europäische Integration (1992-2010) 629 Ebd., S. 40. Jurth, L’automne 2001. Kohler/von Moos (Hg.), Expo-Syndrom? Jakob Tanner, «Das neue Wohlbehagen im Kleinstaat», in: Tages-Anzeiger 30. November 2007, S. 53; Hugo Loetscher, Schweizstunde, in: Die Zeit, 22. April 2009, Nr. 17, http:// www.zeit.de/2009/17/CH-L0etscher; Vgl. auch: Kreis, Schweizer Erinnerungsorte. 48 Vgl. Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum, Swissness. https://www.ige.ch/de/ herkunftsangaben/swissness/haeufige-fragen/. neue-gesetzgebung-swissness/d-politische-und-gesetzgeberische-aspekte.html#cz7007. 49 Matthias Kunz/Pietro Morandi, Der Kosovo-Krieg als heimliche Epochenwende der schweizerischen Aussenpolitik, Gabriel, Schweizerische Aussenpolitik im Kosovo-Krieg, S. 63-88. 50 Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2002 sowie Botschaften zu Wirt­ schaftsvereinbarungen vom 15. Januar 2003, S. 835, 842 u. 851. http://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc.do?ID=ioi 23050. 51 Ebd., S. 844 u. 837. 52 Skenderovic/D’Amato, Mit dem Fremden politisieren, S. 287. 53 Vatter (Hg.), Vom Schächt- zum Minarettverbot. 54 So war der Sekretär einer Urner SVP-Sektion Skinhead. In Genf waren ein ultrarechter Anwalt und ein wegen rassistischer Äusserungen entlassener Lehrer Mitglieder der Partei. Vgl. Tages-Anzeiger, i.März 2014. http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Diefalschen-Freunde-der-SVP/story/12947151. 55 Leonhard, Neidhart, Die SVP - neuer Typus einer Partei. Erfolg als politische Bewegung, in: Neue Zürcher Zeitung, 24. November 2007, Nr. 274, S. 20. Vgl. auch: Kriesi et al. (Hg.), Der Aufstieg der SVP, S. 257 ff. 56 Skenderovic, The Radical Right in Switzerland. Vgl. auch: Regula Christina Zürcher, Von der mehrheitskonformen Standespartei zur oppositionellen Volkspartei. Die Positionie­ rung der BGB und späteren SVP von 1920-2003, in: Traverse 14 (2007), Nr. 1, S. 65-81. Eine GfS-Studie aus dem Jahre 2000 eruierte bei einem Drittel der SVP-Mitglieder antisemitische Einstellungen. Vgl. http://www.hans-stutz.ch/rechtsextremismus/2000/ 19-03-SVP-und-antisemitismus.html; Christoph Blocher, der 1997 noch - wie das Zür­ cher Bezirksgericht später feststellte - «das Klischee vom geldgierigen - und im Übrigen auch verräterischen - Juden in arger und ärgster Weise strapaziert» hatte, stimmte aller­ dings 2004 der Schaffung der Antirassismus-Strafnorm zu; als Bundesrat sollte er indes­ sen anlässlich einer Reise in die Türkei 2006 wiederum Kritik daran üben. http://chronologie.gra.ch/index.php?p=4&y=i997&:m=3 . 57 Lukas Häuptli, Die geheime Gesellschaft der SVP, in: Neue Zürcher Zeitung, 1 i.März 201z, S. 13. 58 Caroni, Geld und Politik; Gernet, (Un-)heimliches Geld. 59 Groupe d’Etats contre la corruption (GRECO), Evaluationsbericht über die Schweiz: Transparenz der Parteienfinanzierung (Thema II) Greco Eval III Rep 4 f, 21. Oktober 2011. 60 Volksabstimmung vom 08.02.2004, Eidgenössische Volksinitiative «Lebenslange Ver­ wahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter», Stimmbeteiligung 45,53 %, 56,2 % Ja-Stimmen, 19 5/2:116 Ständestimmen. 61 Volksabstimmung vom 29.11.2009, Eidgenössische Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten», Stimmbeteiligung 53,4%, 57,5 % JA-Stimmen, 17 5/2:3 1/2 Stän­ destimmen. So steht nun in der schweizerischen Bundesverfassung an der Stelle, wo in der alten zwischen 1874 und 1973 das Jesuitenverbot stand, ab 2010 neu das Minarett­ verbot. 62 Volksabstimmung vom 28.11.2010, Eidgenössische Volksinitiative «für die Ausschaffung krimineller Ausländer», Stimmbeteiligung 52,6 %, 52,9 % Ja-Stimmen, 15 5/2:5 16 Stän­ destimmen.

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Anmerkungen

63 24.11.2002: Eidgenössische Volksinitiative «gegen Asylrechtsmissbrauch», Stimmbeteili­ gung 48,12 %, 49,9 % Ja-Stimmen, 10 5/2:10 Ständestimmen; 24.09.2006: Eidgenössi­ sche Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV», Stimmbeteiligung 48,7%, 41,7 % Ja-Stimmen, 2 1/2:18 5/2 Ständestimmen; 01.06.2008: Eidgenössische Volksinitia­ tive «für demokratische Einbürgerungen», Stimmbeteiligung 44,8 %, 36,2 % JA-Stimmen, i: 19 6/2 Ständestimmen; 24.11.2013: Eidgenössische Volksinitiative «Familieninitiative: Steuerabzüge auch für Eltern, die ihre Kinder selber betreuen», Stimmbeteiligung 53,6 %, 41,53 % Ja-Stimmen, 2 1/2:18 5/2 Ständestimmen. 64 Armingeon et al., Gewerkschaften. 65 Wyler, Schweizer Gewerkschaften und Europa, S. 196-199 u. S. 216 ff. 66 Bochsler/Sciarini, Konkordate und Regierungskonferenzen, S. 23-41. 67 Vatter, Föderalismusreform. 68 Hablützel/Müller, Hundert Jahre Finanzdirektorenkonferenz, S. 11. 69 http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Glencore-zahlt-inder-Schweiz-seit-dem-Boersengang-null-Steuern/story/19285368 . 70 Jörg König/Renate Ohr, Schweiz ist stärker EU-integriert als viele Mitgliedsländer, in: Neue Zürcher Zeitung, 12. Aug. 2014, Nr. 184, S. 21. 71 Eine vergleichende Sicht auf die wirtschaftliche Bedeutung von Grossbanken in verschie­ denen Ländern gibt: Urs W. Birchler, Die Stabilität des Finanzsystems im Blick der Natio­ nalbank, in: Die SNB 1907-2007, S. 409 ff., Graphik auf S. 429. 72 Vgl. Kapitel 7; Die Schweizerische Nationalbank übernahm in der Folge UBS-Wertpapiere im Betrag von ca. 40 Milliarden Dollar. 73 Botschaft des Bundesrates zu einem Massnahmenpaket zur Stärkung des schweizeri­ schen Finanzsystems, vom 5. November 2008, in: Bundesblatt 2008, S. 8943-9002, hier S. 8945. 74 Ebd. S. 8968. 75 Binnen Kurzem zeigten sich dann aber Silberstreifen am Horizont. Die Rettungsaktion mutierte zum guten Geschäft. Bereits im August 2009 konnte der Bund auf seine Wandel­ anleihen einen Erlös von 1,2 Milliarden Franken, das entspricht immerhin 20 Prozent, verbuchen. Die Stabilisierung des US-Hypothekarmarktes wiederum entsprach dem Risi­ kokalkül der SNB, die schliesslich im August 2013 mit gegen 4 Milliarden Gewinn aus dem Rennen ging. Die rasch um sich greifende Meinung, die UBS-Rettung sei letztlich ein gutes Geschäft gewesen, verkennt völlig die Tatsache, dass Bundesstaat und SNB im Herbst 2008 mit hohem Risiko gespielt hatten. Sie hatten die Wette gewonnen - ange­ sichts des hohen Einsatzes war dann auch der Gewinn entsprechend hoch. 76 Villiger, Eine Willensnation muss wollen. 77 Als Beispiel: Neue Nahrung für die These vom Geheimdeal, 20 Minuten, 20. Dezember 2010, http://www.2omin.ch/finance/news/story/15791762. 78 Vgl. dazu: Peter Siegenthaler, Wege aus der Schuldenfalle, Schlussbericht zu Beat Kappe­ lers Vortrag vom 12.September 2012. http://www.sunflower.ch/data/MForum_PDF/ MF2_Schlussbericht4_Siegenthaler.pdf. 79 Das Gesetz enthält eine Reihe von Massnahmen (Stärkung der Eigenmittel, u. a. durch ein Bail in, d. h. durch die automatische Umwandlung von Aktien in Eigenkapital in Krisen­ situationen, erhöhte Liquiditätsanforderungen, Risikodiversifikation, Durchführung von Stresstests, Planung eines geordneten Insolvenzverfahrens). 80 Zucman, Steueroasen. Das Buch liefert wichtige Hinweise, bleibt jedoch in der Evaluation des «automatischen Informationsaustausches» im Hypothetischen stecken. 81 SPIEGEL Online: «Am Bankgeheimnis werdet Ihr Euch die Zähne ausbeissen» vom 19. März 2008. http://www.spiegel.de/wirtschaft/schweiz-am-bankgeheimnis-werdet-ihreuch-die-zaehne-ausbeissen-a-542547.html. 82 Markus Hofmann, Solche seelischen Wunden verheilen nie, in: NZZ, Nr. 84, 12. April 2013, S. 11. 83 Als die Schweiz 1974 die EMRK aufgrund menschenrechtswidriger Versorgungsbe­

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Stimmungen und -praktiken nur mit einem Vorbehalt ratifizieren konnte, wurde eine Expertengruppe mit der Revision der entsprechenden Bestimmungen des Schweize­ rischen Zivilgesetzbuches beauftragt. Anfang 1981 trat das neue Gesetz, mit dem der «Fürsorgerische Freiheitsentzug» (FFE) geschaffen und der Schutz vor Diskriminie­ rung gestärkt wurde, in Kraft. Damit waren fortan die Zustände in der Schweiz men­ schenrechtskonform geregelt. Vgl. dazu: Rietmann, «Liederlich» und «Arbeitsscheu», S. 43-46. Markus Hofmann, Kein nützliches Glied der Gesellschaft. Behörden haben Tausende von Menschen in Anstalten versorgt - Nun wird die Geschichte aufgearbeitet, in: Neue Zür­ cher Zeitung, 10. April Z013, Nr. 8z, S. 13. Zitiert nach: Zatti, Das Pflegekinderwesen in der Schweiz. Häsler, Stark für die Schwachen. http://www.admin.ch/cp/d/[email protected]. Bickenbach, Gerechtigkeit für Paul Grüninger; Keller, Grüningers Fall. Rechsteiner forderte auch die Aufhebung der Strafurteile gegen die Kämpfer in der franzö­ sischen Résistance, womit er nicht durchdrang. Einen Überblick über die Rehabilitierung gibt: http://www.spanienfreiwillige.ch/rehabilitierung.html. Vgl. auch: Stefan Schürer, Staatliche Vergangenheitsbewältigung zwischen später Wiedergutmachung und Politik mit der Geschichte. Rechtliche Aspekte der offiziellen Aufarbeitung von der Entschä­ digung der «Kinder der Landstrasse» bis zur Rehabilitierung der Spanienkämpfer, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht Hg. 110 (2009), Nr. 12, S. 649-675. Das Ständeverhältnis war bei der EWR-Abstimmung etwas deutlicher zugunsten des Nicht-Beitritts; die Stimmbeteiligung lag 2014 23 Prozent unter jener von 1992. Tagesanzeiger, 7. Februar 2014. http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Wie-dieSVP-Aargau-zu-den-Indianern-kommt/story/27818516. Michael Hermann et al., Politgeografische Studie zur Masseneinwanderungsinitiative. Zitiert nach: Jan Flückiger, «Naiv und menschenverachtend», in: Neue Zürcher Zeitung, 8. August 2014, Nr. 181, S. 12.

Fazit 1 Seippel, Allgemeiner Überblick. Die Schweiz im Jahre 1900, in : ders. (Hg.), Die Schweiz, Bd. 3, S. 581. 2 Vgl. dazu die Ausstellung im Schweizerischen Landesmuseum vom Frühjahr 2014. Doku­ mentiert in: Steiner et al. (Hg.), Expedition ins Glück. 3 Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. 4 Bericht des Bundesrates über die Situation der Muslime in der Schweiz vom 1. März 2010, S. zo. http://www.ejpd.admin.ch/c0ntent/dam/data/pressemitteilung/2013/2013-05-08/ ber-d.pdf. 5 Müller-Jentsch, Die neue Zuwanderung. 6 Claudia Goldin/Robert A. Margo, «The Great Compression: The Wage Structure in the United States at Mid-Century», in: The Quarterly Journal of Economics 107 (Feb. 1992), Nr. i, S. 1-34. 7 Feld, Steuerwettbewerb und seine Auswirkungen, S. 354. 8 http://topincomes.g-mond.parisschoolofeconomics.eu/#Database. 9 Fenner, Partei und Parteisprache. 10 «Man hat, man gibt, man zeigt es nicht.» Vgl. Hildebrandt, Mutige Schweizerinnen, S. 89-102. 11 Weiss, Volkskunde der Schweiz, S. 364. 12 Karl Etter, Steuergeheimnis hart attackiert, in: Neue Zuger Zeitung, 25. Februar 2000, http://www.steuerrevue.ch/pdf/2000/z-2000-02-25c.pdf. 13 Schmidt, Der Schweizerische Weg zur Vollbeschäftigung. 14 Lai K. Deepak, Das zyklische Auf und Ab der liberalen Ordnungspolitik. Setzt der globale

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Anmerkungen

Kapitalmarkt dem Interventionsstaat ein Ende? In: Neue Zürcher Zeitung, 2.7./X8. De­ zember 1997, S. 27. T5 Streeck, Gekaufte Zeit. 16 Goscinny/Uderzo, Astérix chez les Helvètes, Paris 1970 (deutsch: Asterix bei den Schwei­ zern, 1971). 17 Bellanger, Droit de nécessité; Kley, Die UBS-Rettung, S. 124. 18 Kley, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 117. 19 Giacometti, Das Verfassungsrecht der Eidgenossenschaft; Kley, Geschichte des öffent­ lichen Rechts, S. ii 8. 20 Zit. nach: ebd., S. I24f. 21 Die entsprechenden Akten wurden vom Bundesrat auf der Grundlage von Notrecht vernichtet, kamen aber als Kopien wieder zum Vorschein. Zur Affäre Tinner vgl. die fundierte TV-Reportage von Hansjürg Zumstein, Der Spion, der aus dem Rheintal kam: Wie ein Schweizer Mechaniker die Welt veränderte. Schweizer Fernsehen, 22. Januar 2009. 22 Kley, Die UBS-Rettung, S. 123. 23 http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/17/o3/blank/key/eidg_ volksinitiativen.html; http://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis_2_2_5_8.html. 24 Degen, Volksinitiativen, Artikel in: HLS. 25 Sternhell, La droite révolutionnaire. 26 So haben jene drei Schweizer Gemeinden, in denen es eine Moschee mit Minarett gab, ge­ gen die (angenommene) Volksinitiative gestimmt, welche Minarette verbietet. Und bei der «Abzocker-Initiative» stellte sich heraus, dass nur 3 Prozent der Befürworter, dem Wort­ laut der Initiative entsprechend, die Aktionärsrechte explizit stärken wollten. Allen an­ deren ging es um eine Unmutsmanifestation gegen zu hohe Managerlöhne (wogegen die Initiative indessen keine Handhabe bietet). Margit Osterloh/Hossam Zeitoun, Was macht die Schweiz stark?, in: DAS MAGAZIN 42 (2013), S. 22 f. 27 Bühlmann/Merkel et al., Demokratiebarometer. 28 Heidrun Abromeit, Wie demokratisch ist die Schweiz?, in: Neue Zürcher Zeitung, ii.2.2011, Nr. 35, S. 15. 29 Gross, Direkte Demokratie. 30 James, Internationale Ordnung. 31 Rachman, Zero-sum future. 32 Robert Kolb, Völkerrecht contra Landesrecht, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 126, 4. Juni 2013, S. 20. 33 Peter Bernholz, Die Nationalbank 1945-1982, in: Die Schweizerische Nationalbank 1907-2007, S. 145. 34 Maissen, Geschichte der Schweiz, S. 76. 35 Utz, Die ausgehöhlte Gasse. 36 Tanner, Drogen aus Amerika. 37 Vgl. dazu: Peter von Matt im Interview mit Roger de Weck (undatiert). http://www. persoenlich.com/sites/default/files/interviews262.pdf. 38 Der Spruch tauchte 50 Jahre nach dem Tode von Bruder Klaus in polemischen Kampf­ schriften zum ersten Mal auf. Vgl. http://www.bruderklaus.com/?id=iioz. 39 Lüthy, Die Schweiz als Antithese. Der Aufsatz erschien erstmals 1961 unter dem Titel «La Suisse à contre-courant». 40 Heinz Moll, Mein Schweizer Standpunkt, http://www.sopos.org/aufsaetze/46f5434ae25 b4/i.phtml. Moll war ein schweizerischer FDP-Politiker, der aussenpolitisch die SVPLinie unterstützte. 41 Bohrer, Projekt Kleinstaat. 42 Dominique Moïsi, Lack of German ambition harms Europe, in: The Prague Post vom 25. Mai 2011. 43 Adolf Muschg, Den Teufel tun. Über deutsche Grösse. NZZ-Podium Berlin 27. Okto­

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ber 2.014; http://www.nzz.ch/meinung/debatte/den-teufel-tun-ueber-deutsche-groesse-i. 18411930 44 Stellvertretend für Berichterstattungen in der Massenpresse: So sähe die neue Grossmacht Schweiz aus, in: 20 minuten, 30. Juli 2014, http://www.20min.ch/schweiz/news/st0ry/ So-saehe-die-neue-Grossmacht-Schweiz-aus-29592965. 45 Milward et al., The European Rescue. 46 Menasse, Der Europäische Landbote.

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Boerlin, Ernst 299 Bohrer, Karl Heinz 568 f. Bolliger, Adolph 130 Boltanski, Luc 353 f. Bonhoeffer, Dietrich 285 Boninsegni, Pasquale 169 Bonjour, Edgar 247, 288 Borel, André 314 Börne, Ludwig 15 Bourcart, Charles D. 188 Bourdieu, Pierre 353 Boveri, Walter 325 Bovet, Richard 116 Brecht, Bertolt 288 Bremi, Ulrich 423 Bresslau, Helene 130 Bridel, Philippe Sirice 75 Bringolf, Walther 261 f., 477 Brock, Bazon 12 Broger, Raymond 378 f., 417 Brown, George 15 Bruggmann, Carl 272 Brüning, Heinrich 212 Brunner, Edouard 448 Brunner, Ursula 428 Brupbacher, Fritz 133 Bryce, James 11 Buchman, Frank 303 Bührle, Emil Georg 245 Burckhardt, Jacob 28 Burckhardt, Lucius 350L Burkhard, Camille 173 Burnand, Eugène 97 Burroughs, William S. 565 Buschor, Ernst 516

Calmy-Rey, Micheline 27 Calonder, Felix 151,156,188 Canetti, Elias 131 Canonica, Ezio 391,431 Carson, Rachel 401 Cendrars, Blaise 128 Chateaubriand, François-René 11, 564 Chaudet, Paul 322E, 328, 351 Chevallaz, George-André 393

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Personenregister

Chevallier, Samuel 32,3f.»56i. Chiva, Isac 352 f. Churchill, Winston (Sir) 13, 18, 33, 2-94, 302 Cincera, Ernst 435 f. Cliff, Jimmy 427 Clodius, Carl A. 289 Clottu, Gaston 407 Cohen, Wilbur 413 Comtesse, Robert 89 Conradi, Moritz 175 Cornu, Pierre 477 Coudenhove-Kalergi, Richard 249 Craig, Gordon 19 Curti, Theodor 36 f., 80

Da Vinci, Leonardo 11 Daetwyler, Max 355 Däniker, Gustav 258, 260, 273, 32^ Dändliker, Karl 72 de Courgenay, Gilberte 124 de Gaulle, Charles 308 de Mans, Hendrik 231 de Meuron, Pierre 13 de Pury, David 514 de Reynold, Gonzague 77, 116,124» 123i 245, 260 Dean,James 336 Decurtins, Caspar 5 5 Delamuraz, Pascal 425,490,492Deluz, Ariane 352f. Depaak, LalK. 558 Deucher, Adolf 84, 89 Dicker, Jacques 211 Diener, Roger 13 Diggelmann,Jakob 345 Dindo, Richard 439 Doka, Carl 222 Droz, Numa 59, 68 Dübi, Ernst 233 Dubs,Jakob 57^,569 Ducommun, Elie 66 f. Dulles, Allen W. 271,302 Dunant, Henri 57,67 Dürr, Emil 177 Dürrenmatt, Friedrich 223, 291, 338, 477 f. Dutschke, Rudi 386 Duttweiler, Gottlieb 199,232,477 Dylan, Bob 371,386

Ebner, Martin 496 f. Eco, Umberto 353 Egli, Emil 336

Egli, Karl 129 Eibel, Robert 217,375 Einstein, Albert 517 Eisenhower, Dwight D. 347 Eleutheropulos, Abroteles 86 Emminghaus, Arwed 14,58 Erni, Hans 253,298 Ernst, Alfred 266 Ernst, Hans-Ulrich 447 Erzberger, Matthias 186 Etter, Philipp 190, 234-238, 24.1 f z 260,272 ’ Faesi, Robert 125,237,287 Falke, Konrad (Karl Frey) 117, Farner, Rudolf 326,404 Favre, Louis 84 Fazy, Henri 129 Fehr, Jacqueline 544 Fehrenbach, Theodore R. 415 Felber, René 448 Feldmann, Markus 255,262,299 Fischli, Peter 426, 429 Fleisch, Alfred 280 Fluri, Guido 544 Forel, Auguste 87 Forrer, Ludwig 86, 88f., 99, n4) Ilg, i6g Forsyth, Frederick 416 Frankfurter, David 243 Franklin, Benjamin 564 Franscini, Stefano 92 Freudenberger, Uriel 565 Frey, Alfred 121,141 Frey, Emil (Autoimporteur) 332, Frey, Emil (Bundesrat) 59, 107!. Frey, Walter 332 Freymond,Jacques 351 Friedländer-Glaser, Elli 284 Friedländer, Jan 284 Friedländer, Saul 284 Fries, Hanny 298 Frisch, Max 141, ^3, 35°f-, 383,44I> 4?8 Frölicher, Hans 243 f. Furgler, Kurt 367,432,439 Gagliardi, Ernst 159 Gallup, George 310, 372 Gansser, Emil 174 Gautschy, Heiner 370 Geering, Traugott 21,27,65, ny Germann, Oscar Adolf 265 f. Gesell, Silvio 232 Gessler, Hermann 500 Giacometti, Zaccaria 225, 259, 301, 5^9

Personenregister Giger, HR 385 Giger, Hans Georg 352 Gobat, Charles Albert 66 Godet, Philippe j 28 Goebbels, Joseph 279 Goegg-Pouchoulin, Marie 82 Goethe, Johann Wolfgang von 565 Goldscheid, Rudolf 171 Golowin, Sergius 388 Göring, Hermann 237 Gotthelf, Jeremias (Albert Bitzius) 317 Göttisheim, Emil 81 Gourd, Emilie 206 Graber, Paul 146 Gräser, Gustav 113 Gräser, Karl 113 Greulich, Herman 77,89,131 Grimm, Robert 132, 145-147, 150,168, 183, 212, 230 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von 14 Grossmann, Eugen 91, 186, 192 Grüninger, Paul 245,546 Gschwind, Stefan 102 Guisan, Henri 238, 248, 257 f., 265-269, 271, 273 f., 288, 319, 326 Gustloff, Wilhelm 243 Guyer, Lux 205 Gwerder, Urban 385 Häberlin, Heinrich 167, 196, 222 Hagen, Nina 427 Halevy, Elie 14 Halperin, Jean 330 Hardegger (Faas-) Margarete 46 Häsler, Alfred A. 243 Hassler,Jürg 382 Hauser, Carl 127 Hauser, Walter 96 Havel, Vaclav 477 Hayek, Friedrich A. (von) 303 Hayek, Nicolas 422,435,445 Heer, Oswald 60 Heller, Martin 527 Hendrix,Jimi 382-384 Hengeler, Otto 190 Henne, Rolf 219 f. Hennings, Emmy 134 Hersch, Jeanne 469,477 Herzog, Jacques 13 Hess, Mary 117 Hess, Rudolf 174 Hesse, Hermann 113

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Hilty, Carl 19, 21, 26, 37, 71,102, nof. Hirschfeld, Kurt 287 Hitler, Adolf 174, 219 f., 223, 229 f., 243, 246, 249, 255-257, 260, 267, 270, 273, 302 Hobsbawm, Eric 552 Hodler, Ferdinand 75, 97 Hofer, Polo 386 Hoffmann, Arthur 126,132,138 Hoffmann, Hans 252 Hofmann, Ida 113 Hohl, Ludwig 298 Hohler, August E. 474 Holsboer, Jan Willem 51 Hornberger, Ernst 174 Hornberger, Heinrich 303, 307 Honegger, Gottfried 383 Hotz, Rudolf 21,65 Hubacher, Helmut 435,488 Huber, Eugen 94 Huber, Max 68, 108,124, 252 Hügel, Klaus 262 Hugo, Victor 8 f. Humbert-Droz, Jules F. 239 Hungerbühler, Hans 468

Iklé, Max 276,343,345,466 Ilg, Konrad 233 f., 261 Imboden, Max 354,376 Inglin, Meinrad 125, 266 Iso, Abe 60, 63 Jacob (Salomon), Berthold 246 Jaeckle, Erwin 321 Jann, Adolf 307,345 Jeanmaire,Jean-Louis 439 Johannes Paul II. 420 Jöhr, Walter Adolf 223 f. Johst, Hanns 237 Jolles, Paul R. 409

Kappeler, Beat 494 Keller-Huegenin, Eugen 190 Keller, Arnold 59 f., 76,109 Keller, Gottfried 20f., 32, 50, 76, 85, 322, 473 Keller, Konrad 102 Kempin Spyri, Emilie 82 Kennedy, John F. 309,345,360,371 Keyserling, Hermann Graf 15 f. Khrushchev, Nikita 307 Klöti, Emil 229, 3ii Kneschaurek, Francesco 361

674

Personenregister

Kobelt, Karl 322 Köcher, Otto 247, 249, 274 Kohn, Hans 15 Koller, Arnold 529 Koller, Max 168 König, Hans 217 Kopp, Elisabeth (früher Iklé) 32.5, 466-471 Kopp, Hans W. 466-468, 471 Küchlin, Karl 61 Kuhrmeier, Ernst 452f. Künzli, Arnold 353 Kurz, Gertrud 286 Kutter, Markus 3 50 f. Labhardt, Jakob 265 Landmann, Julius 197 Lang, Paul 237 Langer, William L. 19 Lardy, Charles 58, 119,126 Laur, Ernst 103, 157, 161, 163, 166, 173, 209,218 Lauretan, Willy 491 Leary, Timothy 388 Lefort, Claude 19 Lenin (Uljanow), Wladimir Iljitsch 132-134, 146 Leopold II. 57 Leuenberger, Moritz 469, 472 Leutwiler, Fritz 449,452 Liebermann, Rolf 350 Liehburg, Max Eduard 238 Lime,Harry 11,16, 353 Lodygensky, Georges 175 Loosli, Carl Albert 75, 240, 242, 298 f. Lorenz, Jacob 181 Lüönd, Walo 460 Lüthi, Paul 286 Lüthi, Walter 286 Lüthy, Herbert 18, 28, 256, 351, 4o8) 56? Lutz, Carl 286

Mann, Thomas 246,250,286 Marley, Bob 423 Martin, Rudolf 241 Martins, Holly 11 Masson, Roger 237,271 McLuhan, Marshall 370 Meienberg, Niklaus 371,439^^7 Meier, Dieter 426 Meili, Armin 252 MeiJi, Friedrich 68 Merz, Hans-Rudolf 462, 533,53gf Michelangelo (Buonarotti) u ’

Millioud, Maurice 86 Minder, Thomas 534,561 Minger, Rudolf 210, 221, 231, 261, 265 Moïsi, Dominique 569 Montandon, George 170 Montgomery, Bernard 269 Morax, René 128 Motta, Giuseppe 120, 247-249, 256, 261 Mühlemann, Lukas 513 Mühsam, Erich 113 Müller, Eduard 105 Münzenberg, Willi 133 f. Murnau, Friedrich Wilhelm 133 Muschg, Walter 290 Mussolini, Benito 169, 173, 220, 258 Musy, Jean-Marie 42, 150, 160, 175 f l8g 212, 216, 222, 238

Naegeli, Harald 427 Nansen, Fridtjof 156 Nicole, Léon 211 Nippold, Otfried 68 Nizon, Paul 407 Nobs, Ernst 150, 188, 311 f. Obrecht, Hermann 202, 233, 25?, Oechsli, Wilhelm 71,102 Oedenkoven, Henri 113 Oehen, Valentin 399 f. Oehler, Hans 165,221 Oeri, Albert 290 Ogi, Adolf 491, 501 f. Oprecht, Hans 315 f. Orelli, Susanna 124 Ospel, Marcel 513 Pestalozzi, Hans A. 428 Pétain, Philippe 255,258 Petitpierre, Max 301, 303 f., 308 Peugeot, Robert 216 Piccard, Jacques 350 Pilet-Golaz, Marcel 255, 261 f,5 301 Pintér, Emil 325 Platten, Fritz 150 P.M. (Hans Widmer) 427 Porter, Michael 492,498 Primault, Edgar 366 Python, Georges 4 t, 160

Radek, Karl 146 Ragaz, Leonhard 22, 135,157, Ramuz, Charles-Ferdinand 76,123



5’

Personenregister Rappard, William E. 30, 51, i9i, z93 Rechsteiner, Paul 546 Reed, Douglas 398 Reichesberg, Naum 93 Reinhard, Ernst 299 Renan, Ernest 74 Renner, Karl 188 Renschler, Walter 325 Rey, Werner K. 495-497 Riegner, Gerhart M. 286 Rieser, Ferdinand 287 Rippmann, Peter 353 Röpke, Wilhelm 292 Rossini, Gioacchino 565 Roth,Jean-Pierre 539 Rothenberger, Christian 182 f. Rüdin, Ernst 299 Ruffieux, Roland 351

Sacher, Maja 556 Sager, Peter 438 Salin, Edgar 358 Saura, Carlos 416 Schacht, Hjalmar 204 Schäfer, Alfred 310 Schaffner, Jakob 128 Schawinski, Roger 427 Schellenberg, Walter 271 Scherrer, Paul 348 Schiller, Friedrich 502,565 Schlaginhaufen, Otto 241,362 Schlüer, Ulrich 525,532 Schmid, Carl Albert 81 Schmid, Carlo 475 Schmid, Karl 235,351 Schmidheiny, Ernst 141,153 Schmidheiny, Max 514 Schneider, Friedrich 150 Schneider, Karl F. 375 Schuler, Fridolin 99 f. Schuler, Josef 316 Schulthess, Edmund 173, 212, 215, 218, 225, 256 f. Schwarzenbach, Alfred 151 Schwarzenbach, James 393, 398-400, 461, 532 Schweitzer, Albert 130 Schweizer, Paul 108, 566 Seidel, Robert 77 Seiler, Alexander 140 Seippel, Paul 25, 35-37, 66, 76 f., 84,129 f., 135,138, 551 Seume, Johann Gottfried 21

Siegfried, André 15 Sieveking, Heinrich 27,42,155,159 Siffert, Jo (Joseph) 371 Sinowjew, Grigori Jewsejewitsch 146 Somary, Felix 184, 199, 218, 292 Sombart, Werner 134 Sommaruga, Simonetta 543 f., 549 Sonderegger, Emil 148,152,173,246 Sonderegger, Hans Konrad 233 Sonnemann, Emmy 237 Spiller (Züblin-) Else 124,153 Spitteier, Carl 76,128, 135, 163, 424 Spörri, Daniel 385 Sprecher, Theophil 119,122L Sprüngli, Rudolph R. 446 Spühler, Willi 393,406 Stalin, Josef (Dschugaschwili) 229, 294 Stämpfli, Jakob 20,58 Stampfli, Walther 290 Steiger, Sebastian 286 Stein, Ludwig 86 Steinberger, Emil 460 Steiner, Arthur 261 Steinmann, Emil 221 Stendar, Wolfgang 460 Stern, Nathalie 352f. Sternberger, Dolf 293,331 Strahm, Rudolf 416 Streuli, Hans 313,336 Stucki, Alfred 389 Stucki, Walter 246,295 Stürm, Hans 431 Sulzbach, Walter 61 Sulzer, Georg 438 Surava, Peter (Hans Werner Hirsch) 298 Szeemann, Harald 491 Thatcher, Margaret 421,498,516 Thoreau, Henry David 565 Tilly, Charles 19 Tinguely,Jean 350,353,385,418 Tinner, Marco 559 Tinner, Urs 559 Tobler, Robert 221,250 Tocqueville, Alexis de 28 Toller, Ernst 113 Trotzki, Leo (Lew D. Bronstein) 146 Tschudi, Aegidius 73,564 Tschudi, Peter 413 Tuchtfeldt, Egon 434 Twain, Mark 14, 16, 566 Twiggy (Lesley Hornby) 384 Tzara, Tristan 134

&75

676

Personenregister

Uchtenhagen, Liliane 430 Uhlmann, Ernst 310 Varlin (Willy Guggenheim) 198 Vautier, Ben 491 f. Vekselberg, Viktor 497 Vetter, Ferdinand 60 Villiger, Kaspar 476, 513, 519 £, 541, 546 Virchow, Rudolf 72 Vögelin, Friedrich Salomon 58f. Vogt, Paul 286 von Altishofen, Alphons Pfyffer 59 von Bismarck, Clara 115,119 von Bismarck, Friedrich Wilhelm 115,119 von Bismarck, Otto 106 f. von Bülow, Bernhard 59 von Bunge, Gustav 87 von Dach, Hans 387,438 von der Heydt, Eduard 113 von Greyerz, Hans 218 von Matt, Peter 21 von May-von Rued, Julie 82 von Menges, Otto Wilhelm 270 von Moos, Ludwig 351,367 von Ossietzky, Carl 246 von Planta, Alfred 126 von Rombert, Gisbert 121 von Rothen, Iris 318,355 von Salis, Jean-Rodolphe 281, 310, 338, 3 55» 398 von Steiger, Eduard 283 von Streng, Alfons 188 von Tscharner, Benedikt 490 von Wattenwyl, Moritz 129 von Weizsäcker, Ernst 221,246 von Werefkin, Marianne 113 von Winkelried, Arnold 70 f., 73, 78, 97, 501 Wahlen, Friedrich Traugott 278 f., 296, 308, 338, 406 Waibel, Max 271 Wailenberg, Raoul 286

Walser, Robert 128 Wälterlin, Oskar 287 Walther, Heinrich 222, 226 Warlimont, Walter 270 Weber, Franz 561 Weber, Heinrich Otto 182 Weber, Max (deutscher Soziologe) 135, 568 Weber, Max (schweizerischer Gewerk­ schafter und Bundesrat) 181, 216, 225, 231,234,313,316,372 Wechsler, Lazar 237 Weiss, David 426,429 Weiss, Richard 13,23,556 Weizmann, Chaim 242 Welles, Orson 16 Welti, Emil 108 Welti, Franz 167 Widmer-Schlumpf, Eveline 533,544 Wildbolz, Eduard 125 Wilder, Thornton 292 Wilhelm II. 114 f. Wilkens, Hugo 113 Wille, Ulrich 109, 115, ii9f., 122f., 125-127, 129, 135, 152,174,439 Wille, Ulrich junior 128,174, 257 f., 264 f., 267,273 Wilson, Woodrow 15 6 f. Wirth, Niklaus 444 f. Wolfer, Heinrich 330 Wolff, Max 286 Woodtli, Susanna 167 Worowski, Wazlaw 175 Wuarin, Louis 86 Wyss, Laure 355

Zander, Alfred 165 Zellweger, Elisabeth 205 Zemp,Joseph 36,102 Zermatten, Maurice 407 Ziegler, Jean 15,4x6,503 Zinnemann, Fred 416 Zumstein, Jörg 438 f. Zumthor, Peter 528

KARTEN

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Politische und sprachliche Gliederung der Schweiz 1998

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