Der Artemis-Hymnos Des Kallimachos: Einleitung, Text, Übersetzung Und Kommentar [Annotated] 3110698420, 9783110698428

Das Buch bietet einen ausführlichen philologischen Kommentar zum Artemis-Hymnos des Kallimachos und bedient damit ein De

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Der Artemis-Hymnos Des Kallimachos: Einleitung, Text, Übersetzung Und Kommentar [Annotated]
 3110698420, 9783110698428

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Kritischer Text und Übersetzung
III. Kommentar
IV. Bibliographie
Index locorum
Index rerum notabilium
Index nominum
Index vocabulorum Graecorum

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Zsolt Adorjáni Der Artemis-Hymnos des Kallimachos

TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe

Herausgegeben von

Michael Dewar, Karla Pollmann, Ruth Scodel, Alexander Sens Band 66

De Gruyter

Der Artemis-Hymnos des Kallimachos Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar von

Zsolt Adorjáni

De Gruyter

ISBN 978-3-11-069842-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-069848-0 ISSN 0563-3087 Library of Congress Control Number: 2020944779 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Zum Gedenken an meine liebe Mutter Forsitan hoc etiam gaudeat ipsa cinis!

Vorwort Der vorliegende Kommentar zum kallimacheischen Artemis-Hymnos hat seine Berechtigung im berühmten Diktum Pfeiffers, dass der Erforschung der hellenistischen Dichtung am besten durch Einzelkommentare zu den Hymnen des Kallimachos gedient sei.1 Dies kann heute im Fall des dritten Hymnos für ein Desiderat erachtet werden, dessen detaillierte Erklärung der älteste unter allen Hymnenkommentaren ist (Bornmann 1968). Auch das absolute Datum seines Erscheinens lässt ein neues, die Ergebnisse der aktuellen Forschung berücksichtigendes Werk als wünschenswert erscheinen.2 Die vorliegende Arbeit will allerdings den Bornmann’schen Kommentar nicht überflüssig machen.3 Der interessierte Leser wird Recht daran tun, auch den Vorgängerkommentar zu Rate zu ziehen, da er mancherorts ergänzendes Material enthält, das ich um der Vermeidung störender Überlappungen willen nicht wiederholen wollte. Um dem Leser nichts entgehen zu lassen, habe ich auf derlei Nachschlagbedarf im gegebenen Zusammenhang immer hingewiesen. So versteht sich dieser neue Kommentar mitnichten als allumfassende, geschweige denn endgültige Behandlung des Artemis-Hymnos. Sein Schwerpunkt liegt auf der literarischen Interpretation, insbesondere der Beleuchtung der Struktur des Werks und der zahlreichen Anklänge an frühere Texte. Diese Anlage ist auch dem polemischen Verhältnis geschuldet, in dem der Autor gegenüber der These neuerer Forschung (vor allem Petrovic 2007) steht, die behauptet, Kallimachos habe das zeitgenössische, in der Kultwirklichkeit verwurzelte Artemis-Bild dichterisch verarbeitet. Im Gegensatz dazu trete ich für die Auffassung der älteren Forschung in die Schranken, nach der es sich bei dem Hymnos um ein allusives, streckenweise die Tradition ironisch korrigierendes Spiel mit literarischen Vorbildern handle.4 Am wenigsten ist also das Buch eine Studie der Artemis-Gestalt als einer mythologischen Figur oder als eines Gegenstandes kultischer Vereh-

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Pfeiffer 1955, 73. Vgl. Kassel 1986, 120: Die kallimacheischen Hymnen gehörten lange zu den Werken, die gut ediert und schlecht kommentiert waren (in einer Sternstunde geschrieben, als die Erscheinung von Bullochs Kommentar [1985a] die Vergangenheitsform der Formulierung rechtfertigte). Für Kritik des Bornmann’schen Kommentars vor allem hinsichtlich der Würdigung sprachlich-stilistischer Eigenheiten vgl. Griffiths 1970a und Giangrande 1971 passim. Unbeschadet einiger Unzulänglichkeiten in Details halte ich Bornmanns exegetisches Werk für eine vor allem wegen seiner präzisen Angaben auch heute nützliche Einführung in das Gedicht. Für eine ähnlich positive Würdigung vgl. McKay 1972, 441 f. Insofern versteht sich meine Arbeit als eine bewusste Rückkehr zu dem von Herter 1929 und Bornmann 1968 eingeschlagenen Weg.

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Vorwort

rung. Diesbezügliche Realia werden nur insofern berücksichtigt, als sie zur Klärung des Textes beizutragen scheinen.5 Es war auch nicht meine Absicht, hätte auch wenig gefruchtet, den Text neu zu edieren. Eine Zusammenschau der Abweichungen vom textus receptus der Pfeiffer’schen Ausgabe, die sich alle aus der Textinterpretation, nicht aus einem neuen handschriftlichen Befund ergeben haben, findet sich unmittelbar nach dem Text und seiner der raschen inhaltlichen Orientierung dienenden deutschen Übersetzung. Pfeiffers kritischer Apparat bleibt also nach wie vor in seinem eigenen Recht bestehen.6 Um für den Leser eine tragfähige Textgrundlage zu bieten, habe ich allerdings einen verkürzten Apparat angelegt, in dem unter Wegfall der Zitate aus dem Gedicht bei Späteren, denen ich nichts hätte hinzufügen können, die literarischen Vorbilder, auf die Kallimachos unbestritten und manchmal (fast) wörtlich anspielt, als Zuwachs zum Pfeiffer’schen Grundstock verzeichnet wurden. Übernahmen, die in der Vorlage wie im Text des hellenistischen Dichters tautometrisch (an derselben Versstelle/sedes) vorkommen, wurden mit einem vor der Stellenangabe hochgestellten Sternchen (*) gekennzeichnet, wobei vermittels der unterhalb der Buchstaben platzierten eckigen Halbklämmerchen (z.B. ad V. 3: ⌊οὔρεσιν⌋) der Geltungsbereich der Tautometrie auf das jeweilige Wort oder Syntagma eingeengt wurde.7 Diese Angaben sind im Kommentar weiter ausgeführt und erörtert. Die einleitenden Kapitel untersuchen verschiedene Aspekte des Hymnos, die eine Einzelbetrachtung erforderten, weil sie sich in lemmatische Kommentareinträge nicht zersplittern ließen. Außer formalen und strukturellen Fragen kommen hier auch die höfischen Bindungen des Gedichts aufs Tapet. Gedankliche Wiederholungen zwischen der Einleitung und dem Kommentar wurden durch Querverweise soweit wie möglich vermieden. Eine umfassende Bibliographie und das gezielte Suchen erleichternde Sach- und Stellenindizes beschließen das Buch. Es ist eine angenehme Pflicht, die zahlreichen Dankesschulden, die sich im Laufe der Arbeit aufgehäuft haben, abzutragen. Das Grundwerk des Kommentars wurde während meines durch die Alexander-von-HumboldtStiftung ermöglichten Tübinger Forschungsaufenthalts (2014–2015), dessen 5

Dies ist umso angezeigter, als der Vorgängerkommentar (Bornmann 1968) sich durch eine besonders eingehende Behandlung der kultischen und archäologischen Realien auszeichnet. Dies wird ihm von beiden Rezensenten als Verdienst angerechnet (Griffiths 1970a, 215 und Giangrande 1971, 355). 6 Einen Fortschritt könnten lediglich drei Papyrusfunde bedeuten, die nach dem Erscheinen von Pfeiffers Ausgabe (1953 II) ediert worden sind und deren Angaben in den kritischen Apparat eingearbeitet wurden. Jedoch kommt unter ihnen allenfalls nur PGen 209 = Carlini 1973 beträchtlicherer Erkenntniswert zu. 7 So vorbildlich auch in N. J. Richardsons Apparat seines Kommentars zum homerischen Demeter-Hymnos (1974).



Vorwort

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Hauptziel die Fertigstellung eines anderen Werks war (Adorjáni 2014a), gelegt. Ich danke auch hier dem Philologischen Seminar der Eberhard Karls Universität für die mir erzeigte Gastfreundschaft, vor allem meiner Gastgeberin, Frau Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert. Die Arbeit wurde in Ungarn mit Unterstützung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) durch ein dreijähriges János-Bolyai-Forschungsstipendium (2016–2019) weitergeführt. Im Sommer 2016 konnte ich mithilfe eines Eötvös-Stipendiums des Ungarischen Staates drei Monate in der Bibliothek der Universität Wien forschen. Das Manuskript wurde dann in Göttingen abgeschlossen, wo ich im Jahre 2018 dank der großzügigen Wiedereinladung durch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung als Gast des Seminars für Klassische Philologie der Georg-August-Universität Göttingen und des Institutsleiters Herrn Prof. Dr. Heinz-Günther Nesselrath drei idyllische Sommermonate tätig war. Die Stiftung hat mir auch eine großzügige Druckkostenbeihilfe gewährt, wofür ihr von Herzen gedankt sei. An besonderer Stelle möchte ich Herrn Prof. Dr. Adolf Köhnkens gedenken, der meinen Werdegang seit meiner Erstlingszeit in Münster (2009–2010 als DAAD-Stipendiat) mit Interesse verfolgte. Er hat zwei Kapitel dieses Buchs mit der ihm eigenen Akribie gelesen und seine Randnotizen dazu beigesteuert. Leider hat er seinen Abschluss nicht mehr erlebt. Sein jäher Tod traf mich aufs Schmerzlichste, da ich an ihm nicht nur einen mir gewogenen Mentor, sondern auch einen Meister verloren habe, von dem ich noch viel zu lernen hoffte. Im Innersten traf mich aber der plötzliche Tod meiner lieben Mutter, die unter tragischen Umständen während der Begutachtungsphase dahingegangen ist. Da ich Alles, was ich bin, ihr verdanke, sei das Buch ihrem Andenken gewidmet. Die MitarbeiterInnen der Bibliothek der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTAK) sind meinen zahlreichen Fernleihanliegen stets liebenswürdig nachgekommen und haben dadurch dem Gelingen dieses Projekts erheblich beigetragen. Die Aufgabe der sprachlich-stilistischen Bereinigung des Manuskriptes hat wieder Frau Dr. Jutta Jacobmeyer (Münster) auf eine selbstlose Weise mit der ihr eigenen Gewissenhaftigkeit bewältigt, wofür ihr aufrichtig gedankt sei. Last but not least gebührt Dank dem Herausgebergremium der Texte und Kommentare für die Aufnahme des Buchs in die Reihe, sowie dem Verlag De Gruyter für eine professionelle Betreuung während der Drucklegung. Das im Vergleich zu seiner Bescheidenheit eher langwierige Entstehen des Werks wurde durch die Geburt zweier Töchter, Emma und Alma, begleitet. Ihnen sei gedankt, dass sie mich in ihrer selbstherrlich-liebenswürdigen Weise allzu oft zwangen, zu vergessen, dass es überhaupt Philologie auf der Welt gibt.

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Vorwort

Die Abkürzungen von Zeitschriften und anderen Sammelwerken erfolgen in diesem Werk nach der Vorgabe von Marouzeaus L’Année philologique, die Kurzformen antiker Autorennamen und Werke entsprechen denen im Neuen Pauly I (1996).8 Text und Nummerierung der zitierten KallimachosFragmente sind – soweit nicht anders vermerkt (Hollis 1990 für Hekale und Harder 2012 I für einige Aitienzitate) – Pfeiffers Ausgabe (I–II 1949– 1953) entnommen. Zum Schluss muss ich noch darauf hinweisen, dass das Manuskript im Oktober 2018 abgeschlossen wurde und Fachliteratur, die seitdem erschienen ist, nicht systematisch eingearbeitet werden konnte. Weindorf

Juni 2020

8 Abweichend von diesem werden für die Bücher der Ilias die Majuskeln des griechischen Alphabets, für die der Odyssee die Minuskeln verwendet. Weiterhin wird ‚fr.‘ statt ‚frg.‘, ‚ep.‘ statt ‚epigr.‘ geschrieben. Die Scholien zu den jeweiligen Autoren sind durch ein ‚Σ‘ gekennzeichnet.

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................... VII I. Einleitung ......................................................................................... 1 1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs ............. 1 2. Die poetische Einheit des Hymnos ............................................ 14 3. Gestalt und kultischer Aufgabenbereich der Artemis ................ 33 4. Datierung und Sitz im Leben ..................................................... 45 5. Artemis und Arsinoe .................................................................. 56 6. Metrische Analyse ...................................................................... 76 II. Kritischer Text und Übersetzung ...................................................... 95 III. Kommentar ....................................................................................... 123 PROOIMION (V. 1–3) ..................................................................... 123 DIEGESIS (V. 4–109)....................................................................... 128 ARETALOGIA (V. 110–258)............................................................ 216 EPILOG (V. 259–268)....................................................................... 345 IV. Bibliographie .................................................................................... 355 Textausgaben, Handbücher, Kommentare......................................... 355 Sekundärliteratur............................................................................... 358 Index locorum ......................................................................................... 383 Index rerum notabilium ........................................................................... 423 Index nominum ....................................................................................... 428 Index vocabulorum Graecorum .............................................................. 435

I. Einleitung 1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs Im Vergleich zu den homerischen Hymnen, die keine immanente Struktur der Reihenfolge aufweisen, es sei denn, dass sich – rein quantitativ gesehen – die längeren Gedichte den kürzeren vorangestellt finden, lässt das Hymnenbuch des Kallimachos eine durchdachte Komposition erkennen – wodurch er nicht zuletzt gerade die homerischen Hymnen als unmittelbare Bezugsgröße überbieten will.1 Anders formuliert: Die Struktur des Buches ist nichts Äußerlich-Beliebiges, sondern gehört zu den Mitteln, mit denen poetische Bedeutung vermittelt werden kann. Wenn diese sinnstiftenden Verbindungen zwischen einzelnen Hymnen eine größere Dichte der Zusammenhänge und einen höheren Grad der Kompliziertheit erreichen, ist nicht besonders naheliegend, die Redaktionsarbeit als einen Rezeptionsvorgang abzutun und einem Kopisten zuzutrauen, der durch seine Zusammenstellung zugleich eine Rezeptionsanleitung für spätere Leser an die Hand geben wollte.2 Vielmehr gebietet das Prinzip der wissenschaftlichen Ökonomie, statt eines genialen Dichters und eines genialen Redaktors nur einen Dichter anzunehmen, der selbst seine über eine längere Zeitspanne hinweg geschriebenen Hymnen so anordnete, dass sie eine Buchform annahmen und mit ihren (nach dem heutigen Stand der Überlieferung) 1083 Versen wohl eine Papyrusrolle durchschnittlicher Länge füllten.3 Ein weiteres Argument für 1

Dabei ist mit Pfeiffer 1953 II, liii auf die wichtige Tatsache hinzuweisen, dass – im Unterschied zur nach γένη strukturierten Bücherabfolge des Gesamtwerks – ordo … hymnorum semper idem fuisse videtur. Zu Recht spricht man – um diese Durchkomponiertheit zum Ausdruck zu bringen – von einem ‚Hymnensextett‘ (vgl. den Titel der Arbeit von Ukleja 2005). Zum poetischen Buch im Zeitalter des Hellenismus bis hin zu den Augusteern vgl. Krevans 1984 passim (statt des Hymnenbuchs steht hier die Struktur der Aitia im Blickfeld des Interesses [138– 300]). Insbesondere die Hymnen betreffend vgl. Depew 2004, 119. Zum Prozess der Verschriftlichung als einer Entstehungsbedingung poetischer Bücher vgl. Bing 1988, 10–48 sowie meine Bemerkungen zum Sitz der kallimacheischen Hymnen im Leben (Kapitel I 4, 51–56). Zum Überbietungs- und Variationsspiel mit den homerischen Hymnen seitens des Kallimachos vgl. Bing 1993, 182. 2 Fantuzzi 2011, 453 erwägt die konziliante Möglichkeit – ohne dabei eine auf den Autor zurückgehende Komposition auszuschließen –, dass der ideale Redaktor textimmanente Hinweise des Dichters verfolgt habe und so zu dieser Reihenfolge gekommen sei. Da diese Hinweise aber manchmal ganz subtiler Art sind, wäre Fantuzzis idealer Redaktor genial gewesen, was möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich ist. 3 So Cameron 1995, 255: The corpus of six hymns that has come down to us is arranged with a many-sided symmetry that it is hard not to attribute to the poet. Vgl. neulich auch Stephens 2015a, 22 und 38. Cameron weist auch darauf hin, dass diese https://doi.org/10.1515/9783110698480-001

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I. Einleitung

den ‚Redaktor = Dichter‘ wäre, wenn es gelänge, den Nachweis zu erbringen, dass die Reihenfolge der Hymnen von verschiedenen Gesichtspunkten bedeutungsträchtig ist. Denn ein Redaktor wäre so verfahren, dass er einen einzigen Zusammenhang sich zum Anreihungsprinzip erwählt hätte. Wenn mehrere Vernetzungen dieselbe Reihenfolge als sinnvoll erscheinen lassen, dann muss es der Dichter selbst gewesen sein, der seine Hymnen von Anfang an so konzipierte und mit entsprechenden Hinweisen ausstattete, dass sie sich – und zwar multikausal – zu einem Hymnenbuch in der gegebenen Reihenfolge vereinigen ließen. Wenn man die Hymnen zunächst vom quantitativen Aspekt her betrachtet, so fällt auf, dass sich Kallimachos für keine der beiden einfachen Optionen entschieden hat, den längeren Gedichten (h. 3, 4) die kürzeren (h. 1, 2, 5, 6) folgen zu lassen – wie es bei den homerischen Hymnen der Fall ist – oder aber den kürzeren die längeren. Stattdessen hat er die Reihenfolge in quantitativer Hinsicht durchbrochen, indem er jeweils zwei längere Hymnen (h. 3: 268 Verse; h. 4: 326 Verse) von jeweils zwei kürzeren umgeben sein ließ, obwohl h. 5 und 6 mit ihren 142 resp. 138 Versen etwas länger sind als die ungefähr 100 Verse langen Hymnen 1 und 2. Diese sich angesichts der Länge ergebende Rahmenstruktur kann inhaltlich bestätigt werden. Die Hymnen 2, 5, 6 werden öfters als ‚mimetisch‘ bezeichnet, da in diesen jeweils ein kultischer Zusammenhang vermöge fiktiv-literarischer Mittel heraufbeschworen wird und die narrative Stimme sich als eine den kultischen Akt antreibende Instanz gibt.4 Der erste Hymnos scheint dabei eine Ausnahme zu sein, doch Hypothese durch das analoge Verfahren des Dichters bestätigt wird, mit dem er die Früchte seiner Elegiendichtung von mehreren Jahren (sogar Jahrzehnten) zu jeweils zwei Büchern der Aitia (I–II und III–IV) gesammelt haben sollte. Zum Umfang einer pauschalen Papyrusrolle vgl. van Sickle 1980, 7 f. 4 Vgl. Falivene 1990 passim (die auch in h. 4 mimetische Züge wahrnimmt). Zur Relativierung der Bezeichnung ‚mimetisch‘ vs. ‚diegetisch‘ vgl. Harder 1992 passim (mehrere fiktive Apostrophen in den narrativen Hymnen und streckenweise allwissende Erzählperspektive in den mimetischen). Zu weiteren inhaltlich-motivischen Gemeinsamkeiten zwischen Hymnos 5 und 6, die auch durch die unten zu beweisende starke Homogenität der Gruppe 1–4 als verschwistert erscheinen, vgl. Hopkinson 1984a, 13–17, Müller 1987, 46–54 (durch die dorische dialektale Färbung und den mimetischen Charakter miteinander verbunden, gleichzeitig voneinander abgehoben [‚elegisch‘ vs. ‚hexametrisch‘]), Heyworth 2004, 153–157 (unter Vergleich mit den Tragödien Oidipus Tyrannos und Bakchen) und Ambühl 2004, 24 f. (Vergleich zwischen dem komischen Mythos der Victoria Berenices im elegischen Versmaß und der tragischen Hekale in Hexametern nach der Analogie des Verhältnisses des komischen Hymnos 6 in Hexametern zum tragischen Hymnos 5 in Distichen) sowie dies. 2005, 204–223 (vor dem Hintergrund der Allusionen auf Prätexte wie den homerischen Demeter-Hymnos, die Bakchen des Euripides, die Thalysien und Idyll 26 des Theokritos). Müller 1987, 46 f. weist auf die interessante Möglichkeit hin, dass in der Sechszahl der Hymnen sich die Struktur des Hexameters widerspiegelt, während am fünften Platz ein elegisches (= pentametrisches) Gedicht steht.



1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs

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dies erklärt sich aus seiner das Buch eröffnenden Funktion: Der Prolog führt die Fiktion ein, der Hymnos sei gleichsam die erste Libation, die dem höchsten Gott, dem olympischen Zeus, dargebracht wird.5 Die beiden mittleren Hymnen (3 und 4) haben die Struktureigenheit gemeinsam, dass auf einen ersten Teil ein katalogartiger zweiter (h. 3. 183–268 und h. 4. 275–326) folgt.6 Da im Delos-Hymnos das Motiv des geographischen Mittelpunktes und des kreisartig Umgeben-Werdens eine wichtige Rolle spielt,7 kann angenommen werden, dass Kallimachos die Idee der zirkulären Bewegung, die in den Hymnen 3 und 4 zum Tragen kommt,8 durch die Stellung dieser beiden Hymnen inmitten jeweils zweier anderer Gedichte zur Schau stellt.9 Berücksichtigt man allerdings die deutliche Zäsur, die den fünften (und den darauffolgenden sechsten) Hymnos vom vierten sowohl in formaler (‚elegisch‘ vs. ‚hexametrisch‘;‚dorisch‘ vs. ‚ionisch‘) als auch in inhaltlicher (‚mimetisch‘ vs. ‚narrativ‘) Hinsicht abhebt, so erscheint es berechtigt, nach dem Kohäsionsprinzip der ersten Vierergruppe zu fragen. Wenn auch hier zunächst einmal die Längenverhältnisse mit den besungenen Gottheiten zusammengeschaut werden, kann man eine kallimacheische Pointe, die auf dem quantitativen Gegensatzpaar ‚kurz‘ vs. ‚lang‘ beruht, genießen.10 Nach dem obligaten ersten Hymnos auf den olympischen Göttervater Zeus fällt H. 1. 1 f.: Ζηνὸς ἔοι τί κεν ἄλλο παρὰ σπονδῇσιν ἀείδειν / λῶιον ἢ ϑεὸν αὐτόν, ἀεὶ μέγαν, αἰὲν ἄνακτα. Vgl. Fantuzzi 2011, 449 f. Zu einer ähnlichen Metaphorisierung des Brauchtums vgl. Pind. I. 6. 1–9 mit Σ ad Pind. I. 6. 10a (III 251 f. Drachmann). Die Metapher könnte allerdings auch eine reale Seite haben, indem sie auf einen (möglichen) Aufführungskontext, ein höfisches Gelage, hinwiese. 6 Vgl. Wilamowitz 1924 II 63 f., Cahen 1929, 612 und Haslam 1993, 115. Zur Ähnlichkeit der Episoden ‚Lygdamis–Artemis‘ (h. 3. 251–258) und ‚Gallier– Apollon‘ (h. 4. 171–187) und den daraus sich ergebenden entstehungsgeschichtlichen Folgerungen vgl. Kapitel I 4, 45–47. 7 H. 4. 300 f.: σὲ μὲν περί τ᾽ ἀμφί τε νῆσοι / κύκλον ἐποιήσαντο καὶ ὡς χορὸν ἀμφεβάλοντο. Vgl. Bings eingehende Untersuchung (1988, 125–128). 8 Bing 1988, 26 Anm. 57 weist auf das Leitmotiv des um Artemis als Mittelpunkt herum sich drehenden Reigentanzes (vgl. h. 4. 301: ὡς χορόν) hin (V. 170–182, 240– 242, 248 f.). Dazu vgl. auch Köhnken 2004, 171. So kommt Bing zu der Vermutung, h. 3 und 4 seien companion pieces, the one perhaps written for Arsinoe, the other for Philadelphus. Zu dieser Hypothese vgl. Kapitel I 5, 67–69. 9 Zu dieser Mittelstellung des Hymnos auf Delos vgl. Faulkner 2010, 61 (hier allerdings in der Reihe der Hymnen an die keuschen Göttinnen Artemis, Delos und Athene). Hopkinson 1984a, 13 weist auch auf die geschlechtsmäßige Ringstruktur des Hymnenbuches hin: the first pair ‘masculine’, the second ‘mixed’ (twins), the third ‘feminine’. 10 Vgl. auch Hunter/Fuhrer 2002, 162: ... Callimachus has broken the Homeric Hymn into its constituent parts of ‘Apollo’, ‘Artemis’ and ‘Delos’, and ensured divine favour by a strategy of ever-increasing length, und Köhnken 2004, 162: Die drei Hymnen 2, 3 und 4 auf Leto und ihre Kinder und, wenn man Hymnos 1 auf den ‘Vater Zeus’ hinzunimmt, die ersten vier Hymnen gehören schon durch ihre aufsteigende Länge zusammen (96, 113, 268, 326 Verse), die sich umgekehrt proportional zur 5

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I. Einleitung

der zweite auf Apollon sehr kurz aus,11 vor allem, wenn man ihn mit dem homerischen Hymnos auf den delischen und pythischen Gott vergleicht, den Kallimachos für ein einziges Gedicht gehalten haben könnte.12 Der dritte Hymnos auf Artemis, die keine lange, narrative Verherrlichung im homerischen Korpus erhalten hatte,13 ist bei Kallimachos mehr als zweimal länger als der auf ihren Bruder. Es will scheinen, dass der Dichter dieses Defizit mit einem richtigen epischen Hymnos auf die Göttin kompensieren und dadurch dem literaturgeschichtlichen Manko abhelfen wollte. Dieses auktoriale Bestreben spiegelt sich in der Bemühung der Göttin wider, es ihrem Bruder auf jeden Fall und in jeder Hinsicht gleich- und sogar zuvorzutun.14 Der Hymnos auf Delos überbietet an Umfang sogar den Artemis-Hymnos: Er ist um mehr als fünfzig Verse länger, obwohl er eine nicht-olympische Gottheit besingt, die Titanin Asteria (V. 36–38), die spätere Insel Delos (V. 39–54), der bis Kallimachos gar kein Einlass in die hymnische Tradition gewährt wurde. Da aber das Eiland die Geburtsstätte Apollons wurde, ist dieser Hymnus von dem zweiten nicht zu trennen. Während dort Apollons Geburt nicht erzählt wird, trägt hier der Dichter diese Lebensepisode des Gottes nach.15 Das Moment der Geburt ist übrigens ein wiederkehrendes: In h. 1 wird die Geburt des Zeus (γοναί), nicht aber seine Taten (V. 91–93: recusatio), geschildert, in h. 2 ist es umgekehrt, in h. 3. wird vorübergehend auf die Leichtigkeit der Niederkunft hingewiesen (V. 24 f.), während in h. 1. 28 (Rheia–Zeus) und 4. 60 f. sowie 209–211 (Leto–Apollon) dieselbe als extrem schwierig dargestellt wird.16 Interessanterweise wird Artemis im Detraditionellen Bedeutung der durch sie gefeierten Götter verhält (Zeus, Apoll, Artemis, Delos) und eine paradoxe Antiklimax ergibt. Vgl. auch Haslam 1993, 117. 11 Die Kürze ist keine rein quantitativ-äußerliche Kategorie, sondern wird im Epilog des Gedichts (V. 105–113) metapoetisch hineinbezogen und unter Hinweis auf den Qualitätsaspekt gegen neidische Lesererwartungen verteidigt. Vgl. Köhnken 1981, 417 f., vor allem 418 Anm. 35. 12 Vgl. Lefkowitz 1980, 5 f. (mit Hinweis auf Thuc. 3. 104. 4–6). 13 Die nur Invokation und ein paar hymnische Prädikationen enthaltenden Gedichte h. 9 und 27 dürften späteren Datums sein und Kallimachos gar nicht bekannt gewesen sein. Vgl. auch Faulkner 2010, 54 Anm. 6. 14 Das Motiv der Geschwisterrivalität dürfte Kallimachos dem homerischen Hymnos auf Hermes entlehnt haben, in dem der kleine Hermes es ebenso wie die kleine Artemis auf die Ehren und Auszeichnungen Apollons abgesehen hat. So kommt dem Motiv zwar eine psychologische Realität zu (Geschwister sind manchmal eifersüchtig aufeinander; zu diesem Aspekt vgl. Zanker 1987, 183), aber der Dichter nutzt es, um ein literarisches Überbietungsspiel (‚Rivalität der Texte‘) einzuleiten. Zu den das Motiv bezeugenden Textstellen im Hymnos vgl. Kapitel I 3, 36–38, in dem das Charakterbild der Göttin umrissen wird. 15 Vgl. Köhnken 2004, 163. 16 Vgl. die Ähnlichkeit der sprachlichen Formulierung: h. 1. 28: ὑπ᾽ ἀμηχανίης σχομένη (Rheia), h. 3. 21 f.: ὑπ᾽ ὠδίνεσσι γυναῖκες / τειρόμεναι, h. 4. 61: τειρομένην ὠδῖσι, 210 f.: ἀμηχανίης ὑπὸ λυγρῆς / τειρομένη (Leto).



1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs

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los-Hymnos expressis verbis nur in der Form eines Vergleichs (V. 228–231: Iris zu Füßen Heras wie eine devote Jagdhündin der Artemis) erwähnt.17 Da jedoch Kallimachos im Apollon-Hymnos wie auch in anderen Texten18 Ortygia (die alternative Geburtsstätte der Artemis)19 mit Delos gleichsetzt, scheint er damit nahelegen zu wollen, dass auch Artemis auf Delos zur Welt kam.20 Fantuzzi interpretiert überzeugenderweise die ersten vier Hymnen als eine dynamische Abbildung des Zuwachses der engen olympischen Familie.21 Zuerst ist nur Zeus als Vater und primordialer Beziehungspunkt für Alles und Alle da. Im zweiten Hymnos heißt es dann von Apollon, dass er Διὶ δεξιὸς ἧσται (V. 29). Dies ist nicht nur als konventionelles Lob der Macht des delphischen Gottes zu verstehen,22 sondern als Hinweis darauf, dass der Hymnos auf Apollon unmittelbar auf den zu Ehren des Zeus folgt,23 vielleicht auch, dass er ganz konkret auf der Papyrusrolle rechts neben dem ZeusHymnos steht. Im nachfolgenden Hymnos auf Artemis scheint der bereits erwähnte Vers σὺ δʼ Ἀπόλλωνι παρίζεις (V. 169) dieselbe Signal-Funktion zu

17 V. 326 wird sie nur umschrieben. V. 292 geht es um ihre Hypostase Upis (vgl. h. 3. 204 und 240). Vgl. auch Fantuzzi 2011, 451. Ebenso wird Artemis Chitone im Zeus-Hymnos nur en passant erwähnt (V. 77 f.). Vgl. Köhnken 2004, 169. Zu den „unterschwelligen“ Hinweisen auf Artemis im Delos-Hymnos vgl. Ukleja 2005, 290–301. Zur Präsenz der Artemis in Hymnos 2 und 5 vgl. dieses Kapitel unten, S. 8–13. 18 H. 2. 58 f., Ait. fr. 18. 7, ep. 62. 1 f. Vgl. Sistakou 2002, 168. 19 Nach dem homerischen Hymnos ist Apollon auf Delos, Artemis auf Ortygia geboren worden (h. Ap. 16 und 115–126), während Pindar (fr. 52m [Pai. 12] 14–16) beide Geschwister auf Delos das Licht der Welt erblicken lässt. Vgl. Laager 1957, 68–81 und Rutherford 1988, 70–72. 20 Vgl. Ukleja 2005, 290. Es fragt sich nur, ob sie vor oder nach Apollon geboren wurde. Bei der Entbindung des Gottes umkreisen Schwäne die kreißende Leto, und die delischen Nymphen stehen ihr als Geburtshelferinnen bei (V. 249–258). Eileithyia-Artemis (vgl. h. 3. 21–25) erscheint nur in der Form eines Ἐλειϑυίης ἱερὸν μέλος (V. 257), das die Delierinnen singen. Vielleicht will Kallimachos damit, im Widerspruch zu Ait. fr. 79a Harder, implizieren, dass Artemis nicht am Tag vor Apollons Geburt am siebten des Monats Thargelion geboren wurde (d.h. am sechsten), um ihrer Mutter bei der Geburt Apollons als Hebamme beizustehen (vgl. Diog. Laert. 2. 44, Apollod. 1. 4. 1, Liban. or. 5. 4–5; Laager 1957, 80 f., West 1978, 352 f. ad erg. 770 f. und Ukleja 2005, 298 f.), sondern später als kleinere Schwester des Gottes, nachdem dieser ihr den Weg vorbereitet hatte. So erklärt sich auch der Hinweis in h. 3. 24 f., dass Leto weder während der Schwangerschaft noch bei der Geburt der Artemis Schmerzen hatte, was ausschließt, dass sie Apollons Zwillingsschwester hätte gewesen sein können. Anders Ukleja 2005, 300 und Stephens 2015a, 102. 21 Fantuzzi 2011, 448. 22 Vgl. z.B. Hom. h. Merc. 468–472. 23 Fantuzzi 2011, 450 f.

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I. Einleitung

haben bezüglich des vorausgehenden Apollon-Hymnos.24 In diesen Zusammenhang fügt sich auch die Abschiedsformel am Ende des vierten Hymnos: χαίροι δʼ Ἀπόλλων τε καὶ ἣν ἐλοχεύσατο (Ψ; Wilamowitz: ἐλοχεύσαο) Λητώ (V. 326). Das relative Syntagma ἣν ἐλοχεύσατο bezieht sich auf Artemis,25 so nimmt der Dichter am Ende der Vierergruppe gleichsam Abschied von den Geschwistern Apollon und Artemis, denen h. 2 und 3 galten, und schließt einen Zyklus innerhalb des Zyklus ab.26 Diese Allusionen sind aber an und für sich subtilerer Art, als dass sich mit Fantuzzi annehmen ließe, Kallimachos habe diese Hinweise erst nachträglich benutzt, um die Zusammenstellung der ersten vier Hymnen zu rechtfertigen.27 Diese Kohäsionsmittel sind vielmehr immanent mit der Konzeption des Hymnenbuchs entstanden. Somit wird aber ausgeschlossen – was Fantuzzi28 für möglich erachtet –, dass der Redaktor der Hymnen ein anderer als der Dichter war. Ein weiteres Motiv, das die Gruppe 1–4 zu durchdringen scheint, ist das Vorkommen höfischer Bezüge, die sich in offenkundigen oder implizit-verrätselten Allusionen auf das ptolemäische Herrscherhaus bekunden. Dies zeitpolitische Programm hinter der rein-mythischen Fassade ist im Falle der ersten beiden Hymnen und des vierten, deren „Gleichlauf“ auf die höfische Wirklichkeit hin gerade durch die historischen Allusionen gewährleistet wird, ganz klar ausgeprägt. Im ersten Hymnos steht das irdische Königtum des Ptolemaios II. Philadelphos mit dem himmlischen des Zeus in Parallele,29 im zweiten geriert sich Apollon, der auch das neue ästhetische Programm des Dichters gutheißt (V. 105–112), im Einvernehmen mit dem

24 Fantuzzi 2011, 451. 25 Vgl. Ukleja 2005, 285–290, die begründeterweise für die handschriftliche Tradition ἐλοχεύσατο plädiert. Der periphrastische Ausdruck für Artemis sei das Sinnbild für die versteckte Anwesenheit der Göttin im Hymnos auf Delos (301). 26 Fantuzzi 2011, 451 f. Er weist richtig darauf hin, dass darin eine Schlusspointe des Kallimachos liegt, da Artemis im Delos-Hymnos kaum erwähnt wird (pace V. 229). So wird der vierte Hymnos an Delos (und Apollon) an den auf Artemis gebunden, da auch die Artemis von h. 3 aufgrund der Geschwisterrivalität eine Beziehung zu Apollon von h. 2 aufrechterhält. Zur Paarung der beiden Kinder der Leto vgl. Hom. h. Ap. 14–16 und 158 f. Ob diese Periphrase für den Namen die berüchtigte πολυωνυμίη (V. 7) der Göttin andeuten soll, wie Fantuzzi meint, steht auf einem anderen Blatt. 27 Fantuzzi 2011, 452 f. Richtiger deshalb seine Alternative: Callimachus may well have written … to acknowledge the politics of Olympus and its attendant structure. 28 Fantuzzi 2011, 453. 29 Vgl. Kall. h. 1. 58–65 (implizit) und 86 (ἡμετέρῳ μεδέοντι) mit Clauss 1986 passim und den zur letzteren Stelle gehörigen Scholien (Pfeiffer 1953 II 45 ad loc.: περὶ τοῦ Πτολεμαίου ταῦτα λέγει) sowie auch Σ 90ab, wo das Pronomen αὐτός einmal (a) auf Ptolemaios, einmal (b) auf Zeus bezogen wird. Zum Verhältnis des himmlischen Königs zum irdischen vgl. auch Ziegler 1913, 336–345.



1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs

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Herrscher,30 der vierte an Delos adressierte gewährt dem Preis des Ptolemaios II., der als Verbündeter des Gottes im Kampf gegen die Kelten erscheint, einen ansehnlichen Raum (V. 162–188). Alle drei Gedichte gehen also von der Vergleichbarkeit des Herrschers und des Gottes aus, somit schließt die Verherrlichung des Gottes auch die des Königs in sich. Mithin erreicht das Werk auf beiden Ebenen, sowohl der mythischen als auch der historischen, sein pragmatisches Ziel: den Lobpreis des olympischen und irdischen Gottes.31 Es ist allerdings nicht von vornherein klar, ob diese Analogie auch im Artemis-Hymnos ihren Ausdruck gefunden hat. Scheint doch dessen etwas 30 Vgl. Kall. h. 2. 26 f. mit Σ 26 (Pfeiffer 1953 II 50), in dem der Beiname ‚Euergetes‘ entweder zu Recht steht (vgl. Pfeiffer 1953 II xxxviii f. und Koster 1983, 19; für einen vollends negativen Befund angesichts der zeitpolitischen Interpretation der Verse vgl. Vahlen 1896, 801 f.) oder einen lapsus memoriae für Philadelphos darstellt (vgl. in apparatu ad 27 und Richter 1871, 12) oder auf einen Einfluss der Interpretation des Verses 68 (ἡμετέροις βασιλεῦσιν) zurückzuführen ist (Σ ad loc. Pfeiffer 1953 II 52). Nach Malten 1911, 50 f. sind durch die Pluralform des Pronomens (V. 68: ἡμετέροις) beide Ptolemäer, sowohl Philadelphos als auch der Kronprinz Euergetes, gemeint. An der Unbestimmtheit der königlichen Prosopographie an diesen Stellen (h. 1 und 2) hält Barbantani 2011, 182–193 fest. Der doppeldeutige Bezug von ἡμετέροις βασιλεῦσιν (V. 68) sowohl auf Philadelphos als auch auf Euergetes neben dem eindeutigen von ἐμὸς βασιλεύς auf Philadelphos (wohl zu einer Zeit, als Philadelphos König, Euergetes Kronprinz war) hat einiges für sich (so auch Wilamowitz 1924 II 80), da mit der Entsprechung ‚Apollon–Euergetes‘ auch die Gestalt Kyrenes (V. 90–92) als eine göttliche Hypostase Berenikes II. interpretiert werden kann (Kyrene wird als siegreiche Löwentöterin dargestellt, der Name Berenike bedeutet ‚die Sieghafte‘ und sie stammt aus Kyrene). Da die Verlobung der Berenike und des Ptolemaios ihrer Vermählung und Thronbesteigung (246 v. Chr.) gut um ein Jahrzehnt vorausgeht, ist ein breites Zeitfenster, in dem die Doppelallusion sinnvoll erscheint, gesichert. Vgl. Barbantani 2011, 190 f., die jedoch glaubt, dadurch zu einer Datierung nach der Hochzeit des Ptolemaios III. und der Berenike II. vorstoßen zu können. Kyrene wird auch im Artemis-Hymnos als eine geliebte Nymphe der Göttin und erfolgreiche Athletin erwähnt (V. 206–208). So könnte ‚Artemis–Kyrene‘ als eine Chiffre für ‚Arsinoe II. – Berenike II.‘ (in der dynastischen Ideologie Mutter und Tochter) stehen. Williams 1978, 79 ad 91, der im Fall von ἡμετέροις βασιλεῦσιν streng an den Battiaden festhält (65 ad loc.) und nur für βασιλεύς (V. 26 f.) einen eventuellen Bezug auf Euergetes erwägt (36 ad loc.), nimmt zu Unrecht die ptolemäische Interpretation dieser Verse aufs Korn, indem er – darin Kuiper 1898 II 139–142 folgend, der seinerseits gegen Studniczka 1893, 16–18 (vgl. auch Richter 1871, 14 f.) polemisiert – eine Extremform dieser Deutung verspottet, die auch dem Löwen eine historische Gestalt, Demetrios den Schönen, unterschiebt. 31 Die Konstellation Zeus, Ptolemaios (h. 2. 26: ἐμῷ βασιλῆι) und Apollon evoziert auch das Prooimion der 1. pythischen Ode Pindars (V. 1–33), in dem Zeus, Hieron I. und Apollon das entsprechende Dreigestirn bilden und die ungestümen Urkräfte (Typhos) sowohl Apollon als auch Zeus gegenüberstehen (V. 13). Vgl. Hunter/ Fuhrer 2002, 168, Anm. 63. Über die Archegeten-Rolle Apollons anlässlich der Gründung Kyrenes (h. 2. 65–68) wird auch Pythie 5 (V. 57–69) ins Gedächtnis gerufen. Zum weitgehenden pindarischen Substrat des zweiten Hymnos vgl. Kofler

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I. Einleitung

konventionellerer rhapsodischer Charakter32 den zeitpolitischen Allusionen eher abhold zu sein. Später werde ich in einer eingehenden Untersuchung (Kapitel I 5) dafür argumentieren, dass ein verschlüsseltes zeitgeschichtliches Programm auch in diesem Hymnos festzustellen ist. Eine andere, die bisher berücksichtigte Zäsur zwischen h. 4 und 5 überbrückende Gruppe nimmt Faulkner an.33 Er weist darauf hin, dass die Hymnen 3, 4 und 5 jeweils eine παρϑένος-Göttin, Artemis, Delos und Athene, besingen. Dies ist einerseits zutreffend, andererseits muss man beachten, dass – im Unterschied zu h. 334 – weder im Delos- noch im Athene-Hymnos (Λοῦτρα τῆς Παλλάδος) das Motiv der παρϑενίη im Mittelpunkt steht.35 Auf jeden Fall gibt es aber Motivberührungen sowohl zwischen h. 3 und 4, als auch zwischen h. 3 und 5. Zum Verhältnis von h. 3–4: Die Episode der ihre Keuschheit durch einen Meersprung bewahrenden Britomartis-Diktyna im Artemis-Hymnos (V. 189–203) erinnert an die ähnliche Flucht der AsterieDelos vom Himmel in die Meerestiefe, um den amourösen Nachstellungen des Zeus zu entkommen.36 Zur Verwandtschaft von h. 3–5: Die Gestalt der Göttin Artemis kehrt als mythisches Paradigma in der Rede der Athene wieder (h. 5. 107–116: Aktaion und Artemis) und im Allgemeinen ist eine Ähnlichkeit der maskulinen Wesensart und Beschäftigungen der Göttinnen Artemis und Athene festzustellen.37 Faulkner erklärt die Zusammengehörigkeit der Gruppe 3–5 als eine bewusste Anspielung auf den Prolog des homerischen Aphrodite-Hymnos. Tatsächlich gibt es auffällige Motivverbindungen zwischen den beiden Texten: Der Aphrodite-Hymnos bemisst die Macht der Göttin daran, daß außer Athene, Artemis und Hestia kein Lebewesen gegen Aphrodite gefeit sei (V. 7–33). Athenes Synkrisis mit der Göttin der Liebe (V. 8–15) erinnert an h. 5. 15–22.38 Wenn die Artemis des homerischen Hymnos (V. 16–20) ihr Au-

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1996, 235–247 und Kirichenko 2010, 51–57. Zur Analogie ‚Gott und König‘ und ihrem Ursprung vgl. Adorjáni 2018a, passim. Morrison 2007, 138–147. Faulkner 2010 passim, vor allem 54 und 61. Vgl. den ersten Eintrag in der Wunschliste der Artemis: δός μοι παρϑενίην αἰώνιον … φυλάσσειν (V. 6) und einen Vers (V. 264) im Epilog: μηδέ τινα μνᾶσϑαι τὴν παρϑένον. Dazu Faulkner 2010, 56. Im Athene-Hymnos wird die Keuschheit nur durch die σύγκρισις mit Aphrodite (Κύπρις) impliziert (V. 15–22). H. 4. 37 f.: βαϑὺν ἥλαο τάφρον / οὐρανόϑεν φεύγουσα Διὸς γάμον ἀστέρι ἴση. Die einleitenden auktorialen Fragen (h. 3. 183–185 ~ h. 4. 1 f.) und das Interesse an der Namensänderung (h. 3. 198 f. ~ h. 4. 40) sind auch verbindende Motive. Vgl. Faulkner 2010, 58 f., obwohl er zugibt, dass Britomartis und Delos nicht explizit assoziiert werden. Faulkner 2010, 57. Zu einer anderen Erklärung der Beziehung zwischen Artemis und Athene vgl. unten. Faulkner 2010, 57.



1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs

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genmerk unter anderem auf δικαίων … πτόλις ἀνδρῶν (V. 20) richtet, so ist dies das gleiche Interesse, das die kallimacheische Artemis bekundet (der generische Singular auch in h. 3. 122). Schließlich gemahnt das Keuschheitsgelübde der Hestia (V. 25–28) an Artemis’ Wunsch nach παρϑενίη (V. 6), da es beide Male durch dieselbe Geste (h. Ven. 27: ἁψαμένη κεφαλῆς πατρὸς Διὸς αἰγιόχοιο ~ h. 3. 26 f.: γενειάδος ἤϑελε πατρός / ἅψασϑαι) bekräftigt und von Zeus durch reiche Gaben überboten wird (h. Ven. 29–32 ~ h. 3. 29–40).39 Von den drei Göttinnen sind Artemis und Athene kallimacheische Hymnenadressatinnen. Von Hestia kann dies nicht behauptet werden, obwohl Faulkner sich bemüht, sie am Ende des Delos-Hymnos im metaphorischen Ausdruck ἱστίη ὦ νήσων εὐέστιε (V. 325) unterzubringen. Es ist aber bei einem so allusiven Autor wie Kallimachos auch nicht sicher, dass dies als eine Anspielung auf den Prolog des Aphrodite-Hymnos gelten will. Entsprechend ist der Schluss, dass Kallimachos durch die Sequenz ‚Artemis–Delos/Hestia–Atheneʽ Hestia nicht nur aus dem Schatten der Aphrodite emanzipieren, sondern auch zum Mittelpunkt der Hymnensequenz über die göttlichen Jungfrauen erheben wollte, denkbar überzogen.40 Im Vorigen haben wir schon einige Beispiele dafür gesehen, dass es Bezüge nicht nur zwischen nebeneinander stehenden Hymnen gibt, sondern auch kleinere Brücken zwischen nicht benachbarten Hymnen geschlagen werden (Beziehung zwischen h. 2 und 4; 3 und 5). Was das Verhältnis von h. 5 zu 3 betrifft, können hier einige ergänzende Bemerkungen hinzugefügt werden: Athene im fünften Hymnos hat ihre ungewöhnliche Naturverbundenheit mit der Artemis-Gestalt des dritten Hymnos gemeinsam, während Artemis selbst nicht weniger auffallend mit Städten assoziiert wird (h. 3. 122–135).41 Hier scheint ein gegenseitiger Angleichungsprozess am Werke zu sein: Wie im fünften Hymnos Athene qua Jägerin an Artemis angeglichen wird,42 so wird im dritten Artemis die städteschützende Befugnis von Athene zugeschrieben.43 Ein ähnlicher „kleiner Bogen“ spannt sich zwischen h. 4 39 Faulkner 2010, 55. Vgl. auch Petrovic 2007, 227 und Ambühl 2005, 264 f. 40 Faulkner 2010, 61. 41 Vgl. Knight 1993, 208. 42 Vgl. Kleinknecht 1939, 335 (keimhaft) und Köhnken 2004, 167–169 mit Hinweis auf das Erscheinen beider Göttinnen in Pind. N. 3. 50 (sie bestaunen die Geschwindigkeit des Achilleus), eine Stelle, die Kallimachos bei der Schilderung der Jagd der Artemis (V. 98–l09) vorschwebt. Er weist zu Recht auch auf das Motiv des Kopfnickens als eines Zeichens der Gewährung eines Wunsches, das die beiden Hymnen verbindet, hin: h. 3. 39 f. nickt Zeus Gewährung, h. 5. 131–133 Athene, die diese Befugnis von Zeus bekommen hat. Zum Angleichungsprozess zwischen den beiden Göttinnen vgl. auch Depew 2004, 126 f., Ukleja 2005, 90 und Brumbaugh 2019, 221 f. 43 Dies erfährt auch durch den Text des fünften Hymnos Bestätigung: V. 43 heißt Athene περσέπτολι, χρυσεοπήληξ, V. 53: πολιοῦχον, eine Dichotomie, die auch in h. 3. 122–135 (bestrafende vs. beschirmende Funktion) begegnet. In h. 5. 53 ist der

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I. Einleitung

und 6: Einerseits sind nach Bing Apollon und seine Geburtsinsel im DelosHymnos von der kallimacheischen Poetik nicht zu trennen (‚Bündnis zwischen Apollon und seinem Dichter‘), obwohl – anders als im zweiten Hymnos – der politische Aspekt, d. i. die wehrhafte Koalition des delphischen Gottes mit Ptolemaios im Vordergrund steht.44 Andererseits kann nach Müller der Demeter-Hymnos als eine komplexe ‚narrative Metapher‘ ausgelegt werden, in der Erysichthon als Zerrbild für die „alte“ Poetik steht, während die Sphäre der Demeter die „neue“ Poetik symbolisiert.45 Da ein allegorisch angelegtes metapoetisches Programm in keinem der anderen Hymnen nachzuweisen ist, hebt dies als verbindendes Element h. 4 und 6 von den anderen Hymnen ab.46 Ausdruck γυμνὰν τὰν Παλλάδα πολιοῦχον eine contradictio in adiecto, die durch die Angleichung der Eigenschaft der νύμφη (γυμνάν) an die πολιάς entstanden ist. Wie wir vorhin gesehen haben, dürfte auch die Rolle Apollons als eines Städtegründers und Archegeten (h. 2. 55–68), dessen Fuktionen und Vorrechte sich Artemis stets anzueignen sucht, zur Angleichung beitragen. 44 Bing 1988, 94–96. Zu einer allegorischen Deutung einiger Passagen des Hymnos vgl. Slings 2004 passim. 45 Müller 1987, 27–45. 46 Müller 1987, 46–64 will auch im Teiresias-Mythos des fünften Hymnos Züge einer verschlüsselten ‚Dichterweihe‘ erkennen, allerdings wirkt dieser Strang der Argumentation etwas überzogen. Asper 1997, 224–234 übt strenge Kritik an jeder Form metapoetischer Interpretation des Kallimachos. Bei einem derartigen Ansatz wird nämlich per definitionem angenommen, ein gegebenes Gedicht (eine Passage desselben) lasse über seine eigentliche/narrative Aussage hinaus eine auf Poetologisches abzielende Bedeutung zu. Dies müsse aber ohne jedwedes Signal für den Rezipienten vonstatten gehen, da der Text gleichzeitig und bruchlos auch eine andere Bedeutungsebene aufzuweisen hat. Aber gerade diese ‚Unmarkiertheit‘ sei es, so der Haupteinwand Aspers (234), die die Metapoetik diskreditiere, denn poetologische Aussagen müssten – zur Erläuterung einer manchmal sehr komplexen Metaphernstruktur – immer durch entsprechende Signalsetzung expliziert werden. Diese Kritik ist berechtigt, wenn es um kürzere Passagen geht, in die eine poetologische „Botschaft“ hineinprojiziert wird, ohne dass der weitere Kontext diese Interpretatation aufs Leiseste erforderte (so z.B. bezüglich Bings metapoetischer Interpretation von. h. 3. 175–182; dazu vgl. den Kommentar zur Stelle). Aspers Kritik geht aber zu weit, wenn sie auch textuell fundierte metapoetische Analysen desavouieren will (228 f.), wie Müllers Interpretation des sechsten Hymnos (1987) oder die Bings des vierten (1988). Denn in diesen Fällen scheint mir der Einwand weniger berechtigt, die poetologische Lesart sei nicht markiert. Die textuellen Hinweise (überwiegend Allusionen und mehrdeutige Wortwahl) bilden nämlich ein systematisches Ganzes, das als kumulatives Signal zur Rechtfertigung des metapoetischen Leseaktes taugen kann. Wohlgemerkt, wir reden dabei von ‚Les-art‘ und ‚Lese-akt‘: Denn diese Bedeutungszuweisung kann sich – da sie stark auf Interund Intratextualität aufbaut – erst bei der Rezeption durch ein aus feinfühligen und scharfsinnigen litterati bestehendes Zweitpublikum (= Lesepublikum) vollziehen (dazu – teilweise unter Verwendung der Asper’schen Terminologie – vgl. Kapitel I 4, 53 f.). Asper bezichtigt den metapoetischen Ansatz einer modernen Präkonzeption von einem autonomen, unabhängig vom Rezeptionsvorgang sich selbst Bedeutung



1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs

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Schließlich soll das Problem des Alters der Artemis Beachtung finden als ein Fallbeispiel dafür, dass die Hymnen nicht nur zur kunstvollen Wirkung angeordnet worden sind, sondern auch sachliche Informationen mit einer bestimmten Absicht dem Leser vorenthalten und erst in einem anderen Gedicht nachgeliefert werden, wodurch der Rezipient zum Vergleich der betreffenden Textstellen angeregt wird.47 Damit wird unser Hauptthema, der Hymnos auf Artemis, ins Blickfeld rücken, und zwar in seinem Verhältnis zu dem auf Apollon, wobei die vorhin schon berührte Frage der Geschwisterrivalität um einen wichtigen Aspekt erweitert wird. Die Göttin erscheint in der ersten Episode des dritten Hymnos (V. 4–40) als eine verzogene kleine Range, die ihren Vater mit einer langen Wunschliste belästigt. Der Humor der Szene rührt hauptsächlich von der Paradoxie her, dass Artemis, was ihre intellektuelle Reife betrifft, sich wie ein volljähriger Erwachsener (noch dazu als ein auf seinen Vorteil bedachter, missratener Filou) benimmt, während sie – ebenfalls sehr realistisch – als ein sehr kleines Mädchen geschildert wird, das ans Kinn des Vaters kaum hinaufreicht (V. 26–28).48 Selbstverständlich will der Dichter das Alter seiner Protagonistin nicht genau festlegen. V. 5 heißt sie παῖς ἔτι κουρίζουσα, wobei παῖς ein ziemlich breites Zeitintervall umfasst, so dass κουρίζουσα hinzugesetzt wird, um anzudeuten, dass Artemis in der Tat ‚klein‘ ist.49 zuweisenden Text (233 f.). Kann aber die Lektürepraxis im Museion ungeachtet aller Kautelen der Historizität nicht doch mit der modernen verglichen werden? Kommt der auf Allegorisches erpichte alexandrinische Philologe dem modernen Forscher, der die metapoetische Interpretation herausarbeitet, nicht gleich? Dem Erstpublikum bleibt diese Ebene – abgesehen von kongenialen Hörern – selbstverständlich verwehrt. Gerade diese geteilte (wenn auch eine gemeinsame Schnittmenge aufweisende) Hörer- bzw. Leserschaft bedingt und erklärt die unvermittelte Doppelbödigkeit solcher Texte. Zur Struktur des zeitgenössischen Rezipientenkreises vgl. Kapitel I 4, 51–56. 47 Auf eine ähnliche Wirkung hat es der Dichter mit den Hymnen 1 (Zeus’ Geburt ohne seine Taten), 2 (Apollons Taten ohne seine Geburt) und 4 (Apollons Geburt) abgesehen. Zum ‚Ergänzungsspiel‘, in das der Leser – nicht nur der Epigramme – einbezogen wird, vgl. Bing 1995, 123 f. (durch Ait. fr. 54h 1 f. Harder begründet) und 126–128 (unter anderem durch die Epigramme 21 und 35 exemplifiziert). 48 Kallimachos ahmt um der realistischen Wirkung willen sogar das repetitive Kindergeplapper in Artemis’ Rede nach (V. 6–25: Anapher von δός [δέ μοι]). Die Verwendung der dritten Person in einer Ich-Rede (V. 19: σπαρνὸν γὰρ ὅτ᾽ Ἄρτεμις ἄστυ κάτεισιν) ist auch ein Symptom unentwickelten kindlichen Selbstbewusstseins. 49 Das Verb bezieht sich h. 1. 54 auf Zeus (nebst einer humoristischen Etymologie zu den Κούρητες [V. 52]), h. 4. 324 auf Apollon. Im Zeus-Hymnos charakterisiert es einen Neugeborenen, im Delos-Hymnos einen Neugeborenen oder einen kleinen Buben (etwa von Artemis’ Alter oder vielleicht etwas jünger). Im ersteren Fall geht es konkret um das Weinen des Zeus, im letzteren ist die Bedeutung bewusst zweideutig gehalten (V. 324: παιγνία κουρίζοντι καὶ Ἀπόλλωνι γελαστύν). Meistens wird hier κουρίζοντι als Altersbestimmung ausgelegt mit γελαστύν als Apposition zu παιγνία, aber die markierte Stellung von καί ermöglicht die Interpretation, dass

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Die einzige konkrete Zeitangabe wird als Rückverweis auf einen früheren Besuch der Artemis bei den Kyklopen geliefert, als sie noch drei Jahre alt war (V. 72: ἔτι τριέτηρος ἐοῦσα) und von ihrer Mutter Leto auf den Armen getragen wurde (V. 73), um die Geschenke des Hephaistos entgegenzunehmen. Dieser Hinweis dient als terminus post quem für die Handlung des Erzählteils des Hymnos,50 darunter also für die an den Besuch in der Schmiede des Hephaistos unmittelbar anschließende Episode am Gehöft des Pan (V. 87–97) und die erste Jagd der Göttin (V. 98–109). Die Jagd auf die Hirschkühe ruft aber eine Stelle im zweiten Hymnos in Erinnerung. Wenn man diese nachschlägt, ergibt sich ein terminus ante quem für die erste Jagd der Artemis, mithin für das Geschehen im ersten Teil des dritten Hymnos: τετραέτης τὰ πρῶτα ϑεμείλια Φοῖβος ἔπηξε καλῇ ἐν Ὀρτυγίῃ περιηγέος ἐγγύϑι λίμνης. Ἄρτεμις ἀγρώσσουσα καρήατα συνεχὲς αἰγῶν Κυνϑιάδων φορέεσκεν, ὁ δ᾽ ἔπλεκε βωμὸν Ἀπόλλων, δείματο μὲν κεράεσσιν ἐδέϑλια, πῆξε δὲ βωμὸν ἐκ κεράων, κεραοὺς δὲ πέριξ ὑπεβάλλετο τοίχους. ὧδ ἔμαϑεν τὰ πρῶτα ϑεμείλια Φοῖβος ἐγείρειν.   (h. 2. 58–64) Erst mit vier Jahren hat Phoibos Apollon das Fundament gelegt auf der schönen Insel Ortygia nah am kreisförmigen See. Artemis, die wilde Jägerin, trug unausgesetzt die Hörner der kynthischen Ziegen hin, den Altar aber wob Apollon, der die Grundlage aus Hörnern gebaut, den Altar selbst aus Hörnern zusammengefügt und hörnerne Wände rundherum angebracht hat. So hat der Gott gelernt, die ersten Fundamente zu schaffen. Apollon ist beim Bau seines berühmten Hörneraltars auf Delos vier Jahre alt (V. 58). Er verwendet dabei die Hörner der von Artemis erbeuteten Wildziegen (V. 60 f.). So muss die etwas jüngere Artemis51 bei dieser Jagd selbst nicht ganz vier Lenze gezählt haben. Daraus folgt aber, dass ihre erste Jagd (vgl. h. 3. 104: πρωτάγριον, wobei die Tiere jedoch nicht getötet, sondern in das Gespann gestellt werden), früher, d.h. vor ihrem vierten Lebensjahr, vonstatten gegangen sein muss. Wenn man also die von den beiden Hymnen auf die Geschwister-Gottheiten gelieferten Daten zusammenschaut, ergibt sich ein ziemlich enges Zeitfenster für das Alter der Artemis im dritten Hymnos:

die Nymphe der Insel Delos den sonderbaren Ritus zum Spielzeug des weinenden neugeborenen und zum Vergnügen des etwas größeren Apollon erfunden hat. 50 Der zweite aretalogische Abschnitt des Gedichts präsentiert die Macht der Göttin aus einer zeitlosen Perspektive. Dazu vgl. das nächste Kapitel, S. 18. 51 Vgl. oben Anm. 20.



1. Der Hymnos auf Artemis innerhalb des Hymnenbuchs

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Es muss zwischen ihrem dritten und vierten Lebensjahr angesetzt werden.52 Dieses Rätselspiel, mit dem der Dichter dem Leser seines Hymnenbuchs aufwartet, trägt zur oben umrissenen Paradoxie des Artemis-Bildes (‚klein– groß‘) bei: Als Göttin müsste Artemis kein Alter haben, und Kallimachos bestimmt es tatsächlich nur auf eine sehr mittelbare Weise. Dadurch aber, dass er seinen Leser infolge einer vagen Angabe von Zeitbegriffen dazu bewegt, über den Zeitaspekt nachzudenken und nachzulesen, legt er Artemis trotz ihrer Göttlichkeit auf die menschlich-zeitliche Dimension fest.53 Da der eine Altersbestimmung erst ermöglichende terminus ante quem im ApollonHymnos untergebracht wird, erscheint ein Kräftemessen der beiden Gottheiten als unumgänglich. Ambühl bewertet diese Konstellation im zweiten Hymnos als eine harmonische Zusammenarbeit der Beiden.54 Diese scheinbare Harmonie (Eros) wird aber von der versteckten Rivalität (Eris) der Geschwister unterwandert. Ist es doch Artemis, die als eine schon geschickte Jägerin ihrem Bruder zu Hilfe eilt, der einen ersten Versuch als Architekt und Zimmermann macht.55 Zwar ergänzen sich die beiden Hymnen, um ein stimmiges Bild vom Alter der Gottheiten zu geben, doch Apollon und Artemis sind ab ovo in einem Wettkampf um den Vorrang begriffen, womit bereits auf die Thematik des dritten Hymnos hingearbeitet wird.56 Schließlich verdient noch ein weiterer Rivalitätskampf Beachtung, der die Erkenntnis voraussetzt, dass Kallimachos bei der Jagd der Artemis ohne Hunde (V. 106: νόσφι κυνοδρομίης) auf den die Tiere im Schnellauf erreichenden Achill in Pindars dritter nemeischer Ode anspielt (V. 51: ἄνευ κυνῶν). Wenn Achill derzeit sechs Jahre alt war (V. 49: ἑξέτης τὸ πρῶτον), so wird er von der drei bis vierjährigen Artemis mit Abstand übertroffen.57 52 So auch Ambühl 2005, 255. Vgl. bereits Herter 1929, 87 (etwas anders ders. 1927, 252). 53 Zum Problem der Zeitlichkeit im Zusammenhang der vermeintlichen ‚Entwicklung‘ der Göttin im Laufe des Hymnos vgl. Kapitel I 2, 17–24. 54 Ambühl 2005, 255: Wie Apollon und Artemis beim Bau des delischen Altars perfekt zusammenarbeiten, ergänzen sich auch ihre jeweiligen Hymnen gegenseitig. 55 Vgl. Petrovic 2007, 210. 56 Dort wird sie lernen, was bedeutet, wenn ihr auch apollinische Aufgaben zuwachsen, obwohl sie scheinbar gar keinen Anspruch darauf erhebt (V. 18 f.), sich auch als πολιάς zu betätigen (V. 33–39; 129–135). 57 Zur Allusion und dem Überbietungsspiel vgl. Herter 1929, 87, Fowler 1989, 47, Köhnken 2004, 167 und Ambühl 2005, 255 Anm. 131 (mit Hinweis auf den Altersunterschied). Smiley 1914, 55 f. nimmt auch in h. 2. 58 eine Allusion auf N. 3. 49 an, wodurch er Valckenaers Konjektur τετραένης (dieselbe Bedeutung) widerlegt und τὰ πρῶτα als Adverbial neben τετραέτης interpretiert. Die zukunftsgerichtete Ergänzung ὅλον δ᾽ ἔπειτ᾽ ἂν χρόνον bei Pindar (V. 49) wird von Kallimachos vorangestellt durch den Hinweis auf Apollons Interesse an Stadtgründungen (V. 56 f.). Auf jeden Fall erweist sich hier der Gott Apollon dem Heros Achill gegenüber als überlegen. So entsteht die Rangordnung (berücksichtigt man auch h. 3): Artemis (jünger als vier Jahre), Apollon (vier Jahre), Achill (sechs Jahre).

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I. Einleitung

Das Ergebnis dieser Untersuchung lässt sich kurz zusammenfassen: Das Hymnenbuch weist eine komplexe, mit Bezügen und Verbindungen reich durchwirkte Struktur auf. Die stärkste Kohäsion scheint den ersten vier Hymnen innezuwohnen. Auch diese Zusammengehörigkeit erwies sich aber bei genauerem Hinsehen als facettenreich, so dass man aus verschiedenen Perspektiven die Einheit von h. 1–4 begründen konnte. Alles in allem kann getrost behauptet werden, dass sich eine dermaßen komplexe Einheit nur auf einen genialen „Komponisten“ zurückführen lässt, der die Reihenfolge der Gedichte bereits bei ihrer Verfassung durch innere Textbezüge festlegte. Anders gesagt: Die Textur des Buches liegt bereits im Text der Hymnen mit beschlossen. So sprechen nicht nur Ökonomiegründe dafür, den Urheber der Zusammenstellung und den Autor der Hymnen für ein und dieselbe Person, Kallimachos, zu halten.

2. Die poetische Einheit des Hymnos Dass die dichterischen Werke des Kallimachos eine durchdachte und geistreiche Komposition aufweisen, muss nicht bewiesen werden, sondern kann als Axiom der folgenden Untersuchung über die poetische Einheit des Artemis-Hymnos zugrunde gelegt werden. Als zweites Postulat wird hier – wie auch bei den Ausführungen zur Struktur des Hymnenbuchs – die schriftliche Fixierung des Gedichts vorausgesetzt, die aufgrund des „Zurückblätterns“ (~ Zurückrollens) und der erneuten Lektüre eine im Vergleich zur mündlichen bezugs- und bedeutungsreichere Rezeption des dichterischen Textes ermöglicht.1 Während also im vorigen Kapitel der dritte Hymnos innerhalb des Hymnenbuches platziert wurde und seine Beziehungen zu den Nachbarhymnen (sowie die das gesamte Buch durchwaltenden Querbezüge) aufgezeigt wurden, muss hier unser Augenmerk einzig und allein dem Artemis-Hymnos gelten, indem textuellen Hinweisen nachgespürt wird, die das Gedicht zu einem wohlgeordneten Ganzen gestalten. Unter textuellen Hinweisen als Bausteinen der Einheit verstehe ich, da es sich um ein hymnisches Gedicht mit erzählenden, prädizierenden und katalogartigen Teilen handelt, thematische Kerngedanken (vor allem wichtige Erzählmomente und emblematische Gegenstände/Personen). Die poetische Einheit wird einfach bedeuten, wie thematische Motive zu einem kunstvollen (d.h. poetischen) Organismus verwoben werden. Das Ziel dieses Ganzen ist aber in erster Linie die Verherrlichung der zum Gedichtgegenstand

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Zu Rezeptionsfragen kallimacheischer Hymnik im Kontext von Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit vgl. das Kapitel I 4, 51–56 (Sitz im Leben).



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gewählten Göttin,2 so dass den thematischen Einheiten ihre Funktion in pragmatischer Hinsicht vorab zugewiesen wird. Symbolträchtig scheint mir diesbezüglich die Überbrückung des Hymnentexts am Anfang, in der Mitte und am äußersten Ende durch die Worte ἀειδόντεσσι … / ὑμνέομεν (V. 1 f.: Proposition) – ἀοιδή (V. 137: Invokation und Bitte) – ἀοιδῇ (V. 268: Schlussbitte), die alle auf Artemis als supremen Gegenstand der Verherrlichung abzielen.3 Im Folgenden kann also die finale Frage nach dem „Wozu“ mit der lakonischen Antwort: ad maiorem Dianae gloriam abgetan werden und allein die instrumentale Frage nach dem „Wodurch“ das Interesse beanspruchen.4 Die Untersuchung der thematisch-poetischen Einheit des Hymnos ist umso angezeigter, als sie von verschiedenen Seiten angefochten wurde: Man hat den Artemis-Hymnos für das wohl am lockersten strukturierte Stück des Buches gehalten, dem in Hinblick auf Ton und Aufbau gleichsam eine ähnliche „himmlische Länge“ eigne, die Schumann in Schuberts großer C-Dur Symphonie am Werke zu sehen meinte. Schon Wilamowitz hat darauf hingewiesen, dass Vers 136 f. (πότνια, τῶν εἴη μὲν ἐμοὶ φίλος ὅστις ἀληϑής, / εἴην δʼ αὐτός, ἄνασσα, μέλοι δέ μοι αἰὲν ἀοιδή) an die Abschiedsformel der homerischen Hymnen erinnert, was bedeutet, das Gedicht könnte hier oder jedenfalls nach der olympischen Szene und dem Reigen der Artemis (V. 182) aufhören.5 Dennoch fährt der Dichter mit mehr als hundert Versen 2 3

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Zu einem weiteren, im zeitgeschichtlichen Zusammenhang relevanten Aussagekern des Hymnos jenseits der allgemein-enkomiastischen Ebene vgl. Kapitel I 5 passim. Zur verbalen Entsprechung vgl. auch Petrovic 2007, 242 (Preis der Göttin als ‚eine unendliche Geschichte‘, die immer wieder von vorne anfängt). Der Ausdrucksmodus und die Person wandelt sich von indikativischer Aussage (Pl./1: ὑμνέομεν) über optativischen Wunsch (Sg./1: μέλοι … μοι) bis hin zur imperativischen Bitte (Sg/2: εὐάντησον). Die drei Stellen sind zugleich die einzigen Fälle des abgelauteten Stammes ἀειδ-/ἀοιδ- im dritten Hymnos. Sie halten die Fiktion der Oralität als eines traditionellen Gattungsmerkmals aufrecht. Heaths Kautel (1989 passim, vor allem 9 f.), man sollte antiken Werken mit keinem modernen Einheitsanspruch begegnen, ist berechtigt, nur übersieht er in seinem polemischen Eifer, dass zentripetale (einheitsstiftende) und zentrifugale (einheitsneutrale) Aspekte einander ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Dies ist von besonderer Wichtigkeit bei einem Gedicht wie dem Artemis-Hymnos, der Vielfalt mit Einheit verbindet. Mit anderen Worten: Keiner wird leugnen, dass die Einheit des Hymnos um kein Jota beeinträchtigt wäre, wenn z.B. eine Nymphengefährtin weniger erschiene, aber es wird doch einen Sinn haben, warum Kallimachos so und nicht anders verfahren ist. Wilamowitz 1924 II 58: Hier hätte er aufhören und nur einen kräftigen Schluss machen sollen; aber der Gelehrte hatte noch zu viel Stoff und war in Kallimachos nur zu oft dem Dichter überlegen. Gegen ein dem ganzen Gedicht innewohnendes einheitsstiftendes Prinzip auch Cahen 1929, 374 f., 611–613 (‚mythisches Epyllion‘), Herter 1929, 10, Ardizzoni 1932, 62 f., McKay 1962a, 138 sowie 1963, 243, Howald/Steiger 1955, 69, Bornmann 1968, XXVII (eine an die Aitien erinnernde Themenvielfalt). Bing und Uhrmeister 1994, 19 Anm. 6 erheben

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fort in einem „Epilog“, der lockerer gebaut zu sein scheint als der Rest des Hymnos. Jedoch ist Vorsicht geboten, da Mangel an Einheit und Lässigkeit in Komposition sich schlecht mit dem anspruchsvollen kallimacheischen Kunstprogramm vertragen. Eher ist – aufgrund des oben festgelegten Axioms – davon auszugehen, dass dem Gedicht doch ein etwas komplexeres Einheitsgebilde eigen ist. Bing/Uhrmeister und Köhnken haben den Weg zur Lösung eingeschlagen, indem sie überzeugend dafür plädierten, dass der Artemis-Hymnos in kunstvoller Durchkomponiertheit hinter keinem anderen Werk des Dichters zurückstehe.6 Dieser Aussage können wir ohne Vorbehalt zustimmen. Bing/Uhrmeister und Köhnken nehmen allerdings ein unterschiedliches Bauschema für das Gedicht an, das eine jeweils etwas anders beschaffene Einheitsform ergäbe. Zuerst muss man also diese extensiv argumentierten Forschungsmeinungen miteinander vergleichen, um ihr Erklärungspotenzial abwägen zu können. Erst dann können wir ein Schema

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Einspruch gegen Bornmanns Deutung des Hymnos als eines ‚Sammelgedichts‘. Zu den Antiunitariern zählen auch Haslam 1993, 114 und Vestrheim 2000, 65, die das Streben nach einem unverbundenen Detailreichtum für ein bewusstes poetisches Prinzip erklären. Kallimachos wolle seine Leser mit unkonventionellen bis hin zu paradoxen Aspekten verblüffen, wobei sich eine strengere poetische Einheit verflüchtige. Auch Ukleja 2005, 73–75 sieht in der Länge des Hymnos einen wichtigen Aspekt, ohne dem Dichter anorganische Kompositionsweise vorzuwerfen. Nach Morrison 2007, 139–146 verkörpert Kallimachos die Stimme des Rhapsoden, der nicht aufhören kann, die Göttin zu preisen (ähnlich bereits auch Fain 2004, 55 f.). Diese gewollte Ausuferung der Verherrlichung sei eine Quelle des Humors. Für einen sehr guten Überblick der Forschungsmeinungen hinsichtlich der Einheit des Hymnos vgl. Petrovic 2007, 184–194 (wobei [187–189] die Ergebnisse von Bing/Uhrmeister 1994 zu Ehren gebracht werden). Ihre Ansicht (209–220), die Einheit des Hymnos sei dazu angetan, die städteschützende Funktion in der zeitgenössischen Kultwirklichkeit (dazu vgl. Kapitel I 3, 35) als den Zielpunkt des Werdegangs der Göttin erscheinen zu lassen, ist ebenfalls mit dem Grundprinzip einer psychologischen Teleologie verbunden. Zu einer ähnlichen Annäherungsweise vgl. auch Knight 1993, 206–209 und Caspers 2005, 271. Bing/Uhrmeister 1994 passim; Köhnken 2004 passim.Weitere Forscher, die für die kunstvolle Komposition des Hymnos plädieren, sind Hunter/Fuhrer 2002 passim (literarische Rivalität des Kallimachos mit den homerischen Hymnen, vor allem in h. 2, 3 und 4), Plantinga 2004 passim (Rivalität zwischen Artemis und Apollon als narratives Element und einheitsstiftendes Motiv), Ambühl 2005, 245–295 (narrative Rivalität der Artemis mit einer größeren Anzahl an Vorbildern [Artemis der Ilias, Nausikaa der Odyssee, Iphigenie des Euripides, Hestia des homerischen AphroditeHymnos und Artemis der Sappho], zugleich ein literarisches Überbietungsspiel des Kallimachos mit Prätexten, wodurch eine blutjunge Göttin mit langer allusiver Vergangenheit erschaffen wird, um dem Mangel einer angemessenen literarischen Würdigung abzuhelfen), sowie Ukleja 2005, 53–75 und Faulkner 2010, 54 (Rivalität zwischen Artemis und Apollon). Diese Arbeiten legen allerdings keine detaillierte Analyse der Einheit des Hymnos auf Artemis vor. So werden ihre Einzelergebnisse im jeweiligen Zusammenhang berücksichtigt.



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vorschlagen, das die Vorzüge beider Deutungen in sich zu vereinen und ihre Schwächen zu beseitigen sucht. Bing/Uhrmeister gehen meines Erachtens zu Recht von der grundsätzlichen Zweiteilung des Gedichts aus: Following the introductory verses … the poem proceeds in two long steps. First, Callimachus takes over half of the poem to set out the development of the goddess Artemis from a little child to a fully fledged Olympian deity. Then, in the remainder of the poem, he details how the power of the divinity is realized in its mythic/cultic environment.7 Hier lässt uns der Begriff development (~ ‚Entwicklung‘) aufhorchen. Interpretiert man ihn als eine Entfaltung latent vorhandener Kräfte, aristotelisch gesprochen als eine Aktualisierung (ἐνέργεια/ἐντελέχεια) potentieller Wesenszüge (δυνάμεις), so kann man diesem Konzept im Falle des kallimacheischen Artemis-Bildes zustimmen. Versteht man aber unter Entwicklung einen psychologischen Reifeprozess, in dem man das wird, was man ursprünglich nicht war, so ist dagegen einzuwenden einerseits, dass dies eine moderne Begrifflichkeit darstellt, andererseits dass es keine eindeutige Textgrundlage im Hymnos hat. Bing/Uhrmeister sind wohl mit ihrer Hypothese der kallimacheischen Eigenheit auf den Leim gegangen, dass die Göttin in den Versen 4–40 mit verblüffendem Realismus als Kleinkind (‚Artemis-chen‘) geschildert wird, was zur Anlegung eines ebenfalls realistischen psychologischen Maßstabs, der Artemis sich von einem Baby zur mächtigen Göttin erst entwickeln lässt, geführt haben könnte. Aber das Kindliche ist nur ein Aspekt des ArtemisBildes, neben dem das Göttliche mit gleichem Recht besteht. Dass ein Kind gleichzeitig ein Erwachsener, und sogar mehr, ein Gott ist, muss zwar verwundern,8 ist aber der griechischen Auffassung nicht fremd. Kallimachos schließt sich in dieser Hinsicht der Tradition der homerischen Götterhymnen an, nur dass er das Kindsein des Gottes auf die Spitze treibt und es ganz realistisch fasst, worin er aber auch nicht νεωτερίζει, sondern der Konzeption des homerischen Hermes-Hymnos folgt, der ebenfalls ein Wickelkind und dessen Göttertaten zum Thema hat.9 7 Bing/Uhrmeister 1994, 20. 8 Vgl. Howald/Steiger 1955, 70: Diese Mischung von Kindlichkeit und Unkindlichkeit ist wohl das Reizvollste an diesem Hymnus. Zu diesem ambivalenten Kinderbild als Charakteristikum des Hellenismus vgl. Beaumont 2003, 81 (angelic and mischievous, innocent and knowing...). Vgl. auch Beaumont 1998, 88–92 zum bemerkenswerten Vorgang, der dazu führt, dass im Hellenismus sich Gottheit, Frau und Kind, eine privilegierte und zwei subalterne Daseinsformen, in einer Person zusammenfinden. Der moderne Leser kann nicht umhin, angesichts derartiger Zwitterhaftigkeit von Kind und Erwachsenem an den verkrüppelten Protagonisten der Blechtrommel von Günter Grass, Oskar Matzerath, zu denken. Aber dem Griechen kommt es nicht darauf an, das Konzept zu visualisieren. 9 Vgl. Huber 1926, 37, Bulloch 1985b, 44, Zanker 1987, 71, Lord 1990, 125, Ambühl 2005, 288–195 und neulich Radke 2007, 153 f., die jedoch etwas übertrieben auf

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Daher muss man mit dem ganzen Begriffskomplex der Prozessualität und Zeitlichkeit im Bereich des literarisch dargestellten Mythos sehr behutsam umgehen: Der Vorgang, in dem Artemis ihre Machtinsignien erwirbt, ist kein echter zeitlicher Werdegang, wie ihn der psychologisierende Ansatz voraussetzt, sondern eine um der literarischen Darstellbarkeit im Lessing’schen Sinne willen segmentierte („verzeitlichte“) Ewigkeit der göttlichen Allmacht. Kallimachos braucht die Akzentuierung des kindlichen Alters der Göttin, um humoristische Wirkung zu erzielen, aber das Zeitliche verflüchtigt sich mit allen seinen Paradoxien, sobald der diegetische Teil zu Ende geht. Angesichts der Aretalogie der Göttin ist nicht mehr zu fragen, ob die beschriebenen Taten und Eigenschaften noch immer einer Göttin zugeschrieben werden sollen, die an Zeus’ Kinn nicht hinaufreicht. Hier herrscht die zeitentbundene Perspektive des Mythos. Mithin ist diese Auffassung des Hymnos vom Gedanken der Entwicklung durchdrungen. Dies drückt sich auch in Titeln der einzelnen Abschnitte aus. Im folgenden gebe ich einen annotierten Überblick dieser Strukturanalyse. Dadurch kann man die Auffassung des Autorenpaares detailreich kennenlernen, zugleich aber auf Problempunkte aufmerksam werden. Artemis παῖς (V. 4–40a) Bing/Uhrmeister heben hier ab auf den Gegensatz zwischen der goddess of the outdoors, of the hunt, of nature (dem Artemis-Bild, das uns die dichterische Tradition bietet) und der city goddess, … an arena that seems to be contrary to her natural inclination.10 Es ist aber eine ungebührlich psychologisierende Annahme, von der seelischen Veranlagung der Artemis zu sprechen, die sich gegen die Städte sträubt, und dies als eine typische Regung der kindlichen Psyche aufzufassen: The tension what one wants and what one must do is, of course, especially characteristic of childhood.11 Dass Artemis behauptet, sie mache nicht viel Aufhebens, welche Stadt ihr zugewiesen wird, da sie sich nur selten in die Stadt begebe (V. 18 f.), muss nicht wörtlich wahr sein, zumal dies eine Aussage ἐκ προσώπου ist, die zur Ethopoiie der Sprechenden gehört. Artemis ist ein Kind, das wie eine Erwachsene agiert und dementsprechend ihre Ziele auf schlau-diplomatischen Umwegen zu erreichen weiß.12 Ihr Wollen wird auch bezüglich der Städte in das Skandalon der Kindlichkeit … des gepriesenen Gottes abhebt. Zum Verhältnis beider Gedichte vgl. auch Faulkner 2011b, 191. 10 Bing/Uhrmeister 1994, 21. 11 Bing/Uhrmeister 1994, 21. Zur Kritik dieser Ansicht aus einer anderen Perspektive (Antinomie als etwas dem göttlichen Wesen von Haus aus Innewohnendes) vgl. auch Vamvouri Ruffy 2004, 121 Anm. 45. 12 Zum Paradoxon des Topos ‚puer praecox‘, dessen beide Extreme (‚Kindesalter‘ vs. ‚Erwachsenenklugheit‘) Kallimachos aufs Äußerste überspitzt darstellt, vgl.



2. Die poetische Einheit des Hymnos

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ein sich zierendes, Bescheidenheit vortäuschendes Nicht-Wollen (V. 18–25) gekleidet.13 Sehr zutreffend ist aber die Beobachtung, dass alle konkreten Wünsche der Artemis sich bereits in der Diegese erfüllen (Waffen [V. 8–10] ~ Kyklopen-Episode [V. 46–86]; Nymphen [V. 13–17] ~ V. 40–45; Hunde ~ PanEpisode [V. 87–97]; φαεσφορίη [V. 11] ~ V. 116–118, 204; χιτών [V. 11] ~ Artemis-Chitone [V. 225]), während die allgemeineren, ihren Charakter betreffenden Wünsche (V. 6 f. παρϑενίη und πολυωνυμίη) im aretalogischen Teil als erfüllt dargestellt werden (παρϑενίη ~ Ἄρτεμι Παρϑενίη [V. 110], Britomartis [V. 189–205], Atalante [V. 221–224], τὴν παρϑένον [V. 264]; πολυωνυμίη ~ V. 204, 240 [Οὖπις], V. 190, 197 [Βριτόμαρτις/Δίκτυνα], V. 225 [Χιτώνη], V. 234 [Κορίη], V. 236 [Ἡμέρη]). Zeus’ überbordende Freigebigkeit, ihr dreißig Städte und mehrere Burgen zuzusprechen (V. 33–39), gipfelt später in der Szene der ungerechten und der gerechten Stadt (V. 122– 137).14 Beide Teile finden im Bestreben der Göttin, es Apollon gleich-, oder sogar zuvorzutun, ihre Begründung.15

Ambühl 2005, 256. 13 Bezeichnend für diese Doppelbödigkeit ist auch die abgebrochene Bitte um Waffen (V. 8–10), mit der Artemis kindliche Unüberlegtheit vortäuscht, im gleichen Atem aber selbstbewusst darauf hinweist, dass sie ihr Rüstzeug bei den besten Fachleuten, den Kyklopen, bestellen wird. Ihr Hinweis, dass σπαρνὸν … ὅτ᾽ Ἄρτεμις ἄστυ κάτεισιν (V. 19), lässt die Möglichkeit offen, dass die Göttin die Stadt nicht auf gewöhnlicher Landroute erreicht. V. 129 f. wird tatsächlich die Wirkung ihres Blicks (wohl von oben, d.h. ohne physischen Kontakt) auf das Gedeihen der Stadt geschildert. Zu den Umschweifen, die den kleinen Gott Hermes doch zu seinem Ziel kommen lassen, vgl. Hom. h. Merc. 464–477, wozu Adorjáni 2012b passim. Das verständnisinnige Lächeln/Gelächter ist in beiden Gedichten unter anderem ein Zeichen dafür, dass das Gegenüber die wirkliche Absicht des Anderen durchschaut hat (Hom. h. Merc. 281 [Gelächter des Apollon]; 389 [Gelächter des Zeus] ~ Kall. h. 3. 28 f. [Gelächter des Zeus]). Vgl. Ambühl 2005, 289. Der Ausdruck ἐϑελημός (V. 31), der in Zeusʼ Rede auf Artemisʼ Bitte bezogen ʽvon selbstʼ, ʽaus eigenem Antriebʼ bedeutet, besagt nicht, dass die Zugaben des Vaters Artemisʼ Willen nicht entsprächen, sondern nur, dass der Vater auf das Spiel lächelnd eingeht und das versteckte Anliegen seiner Tochter nicht bloßstellt. 14 Vgl. Reinsch-Werner 1976, 256 f. 15 Bing/Uhrmeister 1994, 21 Anm. 14.

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Von παῖς zu δαίμων (V. 40b–86); von δαίμων zu ϑεή (V. 87–112); von ϑεή zu ἄνασσα (V. 113–137) Bing/Uhrmeister könnten Recht haben, das Wort δαίμων am Ende von Vers 86 sei mit Bedacht verwendet.16 Es wird aber dadurch eher eine Verschiebung der Perspektive vom Kindlichen nach dem Göttlichen hin angezeigt, als eine charakterliche Entwicklung, wie es die immer wieder gebrauchten Ausdrücke developed, development nahelegen. Hinsichtlich der ersten Jagd der Artemis (V. 98–109) schreiben Bing/Uhrmeister: The divinity of the deer appears to promt her to recognize this quality in herself.17 Aber die innere Erkenntnis ist wiederum (recognize … in herself) ein psychologisierender Begriff, mit dem die bewundernde Schau der Göttin (V. 103: ἔταφες) nur unangemessen wiedergegeben wird. Verschiedentlich beobachtet man die Methode, Anrufungen der Göttin für Etappen ihrer ‚Entwicklung‘ auszugeben. Man würde aber mehrere Signale erwarten, um eine Entwicklung als etwas in der Absicht des Dichters Liegendes annehmen zu können. Hier wird sogar die sehr deutliche thematische Zäsur bei Vers 110 verkannt, und der beiläufige Anruf ϑεή (V. 112), der nach dem mehrgliedrigen in Vers 110 fast wie ein Füllwort wirkt, zur Symbol­bedeutung erhoben. Dieser Einwand trifft auch auf die sinnträchtige Verselbständigung des Vokativs ἄνασσα (V. 137) zu. Weiterhin schreiben Bing/Uhrmeister: By having her use one and the same weapon to assert herself both in the hunt and in the town, the poet shows that what was previously separate has now been joined as a natural whole. A reconciliation between Artemis’ spheres of activity has occured within the goddess herself. The emblem for this is the bow.18 Dies ist sachlich unzutreffend, da beim Erjagen der Hirschkühe (V. 98–109) die Waffen bezeichnenderweise nicht zum Einsatz kommen, und deren Erprobung an zwei Bäumen und einem näher nicht präzisierten Tier (V. 120 f.) kaum als Jagd im strengen Sinne des Wortes, sondern bloß als eine Vorübung zur Heimsuchung der ungerechten Stadt bezeichnet werden kann (vgl. V. 119: πειρήσαο).

16 Bing/Uhrmeister 1994, 22. Vgl. dazu die Ausführungen gleich unten in Bezug auf die Anrufungen im Hymnos. 17 Bing/Uhrmeister 1994, 23. 18 Bing/Uhrmeister 1994, 25. Es ist auch textuell nicht abgesichert zu behaupten, dass der Bogen den dem dichterischen Schaffen günstigen Raum schaffen wird (Bing/ Uhrmeister 1994, 34). Dieser kommt nur als Bestrafungsinstrument der ungerechten Stadt vor und verschwindet aus dem Blickfeld, wenn es gilt, den Segen der Göttin herauszustreichen.



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Der Weg zum Olymp (V. 138–141); auf dem Olymp (V. 142–169) Abgesehen davon, dass es kaum angängig ist, diese Übergangspassage zu einer selbständigen Einheit zu erheben, weisen die Forscher zu Recht auf die Sublimierung der Artemis zu einer Göttin der Zivilisation hin, die in der Eigenschaft einer Muse das Werk des Kallimachos erst möglich macht. Diese Akzentverschiebung von Natur zu Kultur ein development towards civilisation zu nennen, geht aber über das vom Text Nahegelegte hinaus. Zwar ist die auktoriale Widerspiegelung von Artemis’ Wesen im Binnengebet richtig beobachtet, aber dass die Dichtung des Kallimachos der Göttin zum Selbstbewusst-Werden (wieder ein psychologischer Begriff) verhilft,19 ist etwas übertrieben, da der Dichter auf seinen Hymnos in Versen 138–141 zwar metapoetisch reflektiert, ihn aber kaum als einen Spiegel für Artemis hochhält. Hinsichtlich des Empfangs der Artemis auf dem Olymp weisen Bing/ Uhrmeister sehr einleuchtend auf das Modell des homerischen ApollonHymnos hin, der sich in mehrfacher Hinsicht als Bezugsgröße für den Artemis-Hymnos erweist.20 Am Anfang des homerischen Hymnos wird geschildert, wie Leto ihren Sohn empfängt, seine Waffen abnimmt und ihn zu seinem Thron geleitet (V. 5–9), während die anderen Götter bei dem Anblick des Gottes von ihren Sesseln aufspringen und ihm ehrerbietig weichen (V. 3 f.). Im Artemis-Hymnos leistet Hermes Letos Dienste (V. 142 f.), so dass die Göttin am Ende der Episode neben Apollon Platz nimmt (V. 169). Der Chor (V. 170–182); mythische Umgebung (V. 183–224); kultische Umgebung (V. 225–258) Hinsichtlich des Chortanzes ziehen Bing/Uhrmeister sehr richtig den kurzen homerischen Hymnos auf Artemis (h. 27) heran, der die ähnliche narrative Sequenz ‚Jagd – Begegnung mit Apollon – Tanz‘ als Grundgerüst aufweist. Während aber der homerische Hymnos Artemis als Choregin zeigt (V. 17 f.: ἡγεῖται … / ἐξάρχουσα χορούς), verschiebt sich die Perspektive bei Kallimachos bezeichnenderweise auf den Nymphenchor, der sie als verehrten Mittelpunkt umgibt.21 Dies führt nicht dazu, dass Artemis an Bedeutung 19 Bing/Uhrmeister 1994, 28: It is only in full self-consciousness of her divinity that Artemis can take her proper place in the house of her father Zeus next to her brother Apollo. And she acquires that self-consciousness through the mirror that Callimachus holds up to her: that is through his poem. 20 Vgl. den breitangelegten Vergleich (Bing/Uhrmeister 1994, 29 f.), dessen Einzelergebnisse im Kommentar zum jeweiligen Vers Berücksichtigung finden werden. Wenn Artemis mit Apollon in Ansehung ihrer τιμαί wetteifert, so ist es geistreich, dass auch Kallimachos gerade in seinem Artemis-Hymnos mit dem homerischen Apollon-Hymnos ämuliert. 21 Bing/Uhrmeister 1994, 30 f.

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verliert, sondern dass sie vom handelnden Subjekt zum angestaunten Objekt der Verehrung wird.23 Es ist allerdings angezeigt, ab V. 183 eine neue Einheit anzunehmen, da der prägnante Abschluss des geistreichen Gedankenspiels in V. 177–182 mit dem unerwarteten Auftritt des Helios die Verse 170–182 als selbständigen Teil erscheinen lässt. Das Charakteristikum dieses Übergangs ist jene Reihe von rhetorischen Fragen (V. 183–185), die auch den Anfang des ersten Kapitels des aretalogischen Teils markieren (V. 113, 116, 119).24 Hier haben sie eine überleitende Funktion zum Katalog der Lieblingsnymphen und Jagdgefährtinnen der Göttin. Überzeugend wird die Artemis geltende kultische Ehrung als eine um ihre Person herum sich drehende Bewegung interpretiert und das Motiv des Rundtanzes hervorgehoben.25 Diese Bildlichkeit kulminiert in der Beschreibung der Anlage des Tempels von Ephesos (V. 248–250). Ansprechend ist auch der Hinweis, dass eine bestimmte Dreiteiligkeit das komplexe ArtemisBild des diegetischen und aretalogischen Teils mit der vom Nymphengefolge handelnden Sequenz vereint: Der Behandlung der Naturnähe (V. 40–109) entspricht die Aufzählung der Jagdgenossinnen der Göttin (V. 183–224), dem urbanen Ambiente (V. 122–135) respondiert der von Gründungsgeschichten (Miletos, Ephesos) dominierte Teil (225–258), während beide Blöcke jeweils von einer Invokation (V. 136–141) und negativen Bitten sowie Schlussgebet (V. 259–268) abgerundet werden.26 Die Korrespondenz der Symbolhaftigkeit des Bogens zu der des Rundtanzes kommt aber nicht eindeutig zum Ausdruck, da der Bogen schwerlich zum Symbol erhoben wird und kaum durch den Rundtanz abgelöst wird (er erscheint V. 258 auch in der die Amazonen-Episode abschließenden Lygdamis-Geschichte). 22

Das Finale (V. 259–268) Zu Recht weisen Bing/Uhrmeister auf die Reprise einiger wichtiger Motive des Gedichts in der Form von dirae hin:27 Oineus unterlag innerstädtischen Kämpfen (V. 260 f.) als einer Strafe der „politischen“ Artemis, Agamemnon wurde durch eine der Artemis missliebige Jagd ins Verderben gestürzt (V. 262 22 So Köhnken 2004, 161 als Kritik von Bing/Uhrmeister 1994. 23 Vgl. die obliquen Kasus des Personalpronomens als ein Signal dieser Perspektivenverschiebung: σέ (V. 226), σοί (V. 228), τοι (V. 233), σοί (V. 237), τοι (V. 239), τεά (V. 258). 24 Es ist wohl kein Zufall, dass in beiden Fällen die Fragen drei Verse in Anspruch nehmen, nur bilden V. 183–185 einen Block, während V. 113, 116, 119 von jeweils drei (!) Versen getrennt sind. 25 Bing/Uhrmeister 1994, 32 f. 26 Bing/Uhrmeister 1994, 33. 27 Bing/Uhrmeister 1994, 34.



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f.), Otos und Orion büßten ihr Leben ein, weil sie sich an der jungfräulichen Göttin vergriffen hatten (V. 264), Hippo hat sich vermessen, die Teilnahme am Chortanz zu verweigern (V. 266 f.). Dies ist aber eine variationsfreudige und unverbundene Rekapitulation von vier Hauptthemen – gleichsam wie in der Coda eines musikalischen Stücks –, keine in sich geschlossene Synthese ihrer beiden (naturverbundenen und zivilisationsstiftenden) Aspekte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die hier kurz besprochene Kapiteleinteilung auch ansprechende Züge hat, aber die ihr zugrunde liegende und auch in den Überschriften sich bekundende teleologische Perspektive, die von einem weniger reifen Zustand zu einem reiferen führt, nicht gebilligt werden kann. Diesen Kritikpunkt hat bereits Köhnken zur Sprache gebracht28 und einen abweichenden Strukturplan vorgeschlagen, der dem Text des Hymnos besser gerecht werden soll. Er moniert auch einen denkbar disparaten Charakter der Überschriften, mit denen dem Beweis der Einheit des Hymnos nicht gedient sei.29 Unter Berücksichtigung der Hymnentypologie, die das Wesen einer Gottheit durch Erzählung und Machtprädikation schildern soll, legt er folgendes Gliederungsschema vor, in dem Artemis primär als jungfräuliche Jägerin und Schützin30 erscheint: (1) V. 1–109: die disponierende Einleitungsszene ‚Dialog der kleinen Artemis mit ihrem Vater Zeus‘ (ihre Wünsche und seine erweiterten Zusicherungen, V. 1–40a), und die Umsetzung der geäußerten Wünsche durch Artemis (V. 40–86). Dieser erste Teil schließt mit der Einlösung eines nur indirekt geäußerten Wunsches (Jagdhunde: V. 87–97, vgl. V. 17), aus der sich die erste Jagd der neu etablierten Gottheit ergibt (V. 98–109); (2) V. 110 (Apostrophe und Epiphanie) – 182: die strahlende neue Gottheit im Verhältnis zu den Menschen (V. 121–135), zu den anderen Göttern (V. 138–169: olympische Empfangsszene) und im Kreis ihrer Nymphen (V. 170–182: Chor). Der Teil schließt mit dem Staunen des Helios über die Pracht des Chors; (3) V. 183 (apostrophierende Fragen an die Göttin) – 224: Lieblingsorte und vor allem liebste Gefährtinnen (von Britomartis/Diktyna bis zu Atalante); (4) V. 225 (Apostrophe) – 258: Artemis’ Kultorte und Städte, vor allem ihr Kultbild (errichtet von Amazonen: Waffentanz des Chors der Amazonen um das Bild) und Tempel von Ephesos.31 28 Köhnken 2004, 163, 169. 29 Köhnken 2004, 164. 30 Köhnken 2004, 169, eine Aussage, die auch durch die beiläufige Erwähnung der Göttin in den anderen Hymnen bestätigt wird (h. 1. 77 f., h. 2. 60 f., h. 4. 229, h. 5. 110 f. [in allen tritt Artemis als Jägerin auf]). 31 Köhnken 2004, 170 f.

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I. Einleitung

Wenn man die beiden Strukturerklärungen miteinander vergleicht, kann festgestellt werden, dass während Bing und Uhrmeister eine größere thematische Vielfalt zulassen, wobei sie in dieses Material das gedichtimmanent wenig einleuchtende Entwicklungsprinzip hineinprojizieren, Köhnken ein einziges Zentrum (‚inmitten ihres Nymphenchors tanzende Artemis‘) postuliert, auf das alles scheinbar Heterogene eng bezogen erscheint.32 Diese letztere Deutung wird meines Erachtens der Struktur des Gedichts besser gerecht, nur hat man das Gefühl, dass zu viel thematisch immerhin Disparates unter ein einziges „Kapitel“ subsumiert wird.33 Ich will im Folgenden einen konzilianten Mittelweg zwischen beiden Ansätzen einschlagen, indem ich den Hymnos als eine literarische ‚Fuge‘ auffasse, in der ein Grundmotiv vermittels verschiedener Brechungen, Amplifikationen und Verkürzungen variiert und zu einem mehrstimmigsymphonischen Ganzen gesteigert wird. So könnten vielleicht am Ende die thematische Vielfalt (Peripherie) und die auf das Wesentliche berechnete Erzählweise (Zentrum) doch noch eine Synthese eingehen, bei der Einheit und Vielheit im Gebilde einer komplexen Einheit aufgehoben werden.34 Der Überschaubarkeit halber lohnt es sich, den Erklärungen das Strukturbild, aus dem unsere Auffassung der Einheit des Hymnos erhellt, voranzustellen:

32 Vgl. sein Schlussfazit: … so ergibt sich für den dritten Hymnos auf Artemis eine klare, in sich geschlossene Struktur, die auf die Göttin als strahlenden Mittelpunkt hin angelegt ist: Das mehrfach wiederholte Bild vom Chor, dessen Mitte die Göttin bildet, hat also eine leitmotivische Funktion (171). 33 Dies scheint mir am auffälligsten im Abschnitt 2 (V. 110–182), dem zweitlängsten unter den anderen drei, zu sein, zumal hier das Verhältnis der Artemis zu Menschen, Göttern und Nymphen untergebracht werden müsste. 34 Vgl. bereits Kuiper 1898 II 27 (allerdings wenig explizit zur Einheitsfrage).

Ἄρτεμι — ἐλαύνεισ

110–141 113, 116, 119 136–141 142–169 170–182 183–224 183–185 189–205 206–214 215–224 225–258 225–227 228–232 233–236 237–250 251–258

259–268

ἄρχμενοι — καρήατι βαῖνε — ἀμορβούσ αὖϑι — δαῖμον αἶψα — ἡγήσασϑαι ἔνϑεν — ἔδεκτο

4–40 40–45 46–86 87–97 98–109

πότνια—ἀοιδῇ

πότνια—πρόκειται

ἔνϑα — παρίζεισ ἡνίκα—μηκύνονται τίσ—ἀκρώρεια

Ἄρτεμιν — ἑψιάασϑαι

1–3

EPILOGUS

Artemis πολιάσ rhetorische Fragen Binneninvokation als Übergang Artemis auf dem Olymp Artemis im Nymphenreigen Nymphenkatalog rhetorische Fragen Britomartis-Diktyna Kyrene, Prokris, Antikleia Atalante Kulte und Kultorte der Artemis Archegetin der Milesier Artemis ἐχενηΐσ ⊕ Artemis μανική 36 Amazonen-Göttin Bestrafung der Kimmerier ⊖ (Lygdamis)

ARETALOGIA

Artemis vor Zeus Artemis auf Kreta Artemis bei den Kyklopen ⊕ Artemis bei Pan Erste Jagd der Artemis

DIEGESIS

PROOIMIUM

Olymp

Oineus, Agamemnon ⊖, Otos ⊖, Orion ⊖, die Amazone Hippo ⊖

Reigen der Amazonen (Hippo)

Eber, Kentauren ⊖

Herakles ⊕

Bogen und Pfeile ⊖

Nymphengeleit Bogen und Pfeile ⊕ Jagdhunde Hinden

Olymp

Beziehungen/Entsprechungen

WEG

Gegenstände/Personen Jagd – Nymphenchor

WEG

Themen/Erzählmomente

Nymphengeleit

COMPOSITIO HYMNI Verse Versanfang/-schluss 35

2. Die poetische Einheit des Hymnos

25

35 Da eine thematische Zäsur auch inmitten des Verses liegen kann, müssen hier um der Präzision willen lexematische Elemente angeführt werden. 36 Diese Benennung (sowie πολιάς und ἐχενηΐς früher) ist nicht dem kallimacheischen Text entnommen, sondern dient bloß der Veranschaulichung.

26

I. Einleitung

Manches sollte bereits durch einen Blick auf die obige graphische Darstellung klar geworden sein. Einige erklärende Bemerkungen werden allerdings dem Verständnis der Komposition zustatten kommen. Im kurzen Prooimion (V. 1–3) steht ein proleptischer Hinweis auf zwei zentrale Themen des Hymnos, die Jagd (V. 2: τῇ τόξα λαγωβολίαι τε μέλονται) und den Nymphenchor (V. 3: χορὸς ἀμφιλαφὴς καὶ ἐν οὔρεσιν ἑψιάασϑαι). Diese Themen werden – ungeachtet ihrer kurzen Erwähnung in der Bittrede der Artemis (V. 8: ἰοὺς καὶ τόξα; V. 13: χορίτιδας Ὠκεανίνας) – in umgekehrter Reihenfolge aufgearbeitet. In Versen 40–45 geht es um das Aufgebot an zahlreichen Nymphen, die das Gefolge der Göttin bilden.37 Was aber Pfeile und Jagd betrifft: Kallimachos ist es dabei um die Verblüffung des Lesers zu tun, wenn die Pfeile (τόξα) zwar zur Bestrafung der frevelhaften Stadt zum Einsatz kommen (V. 120–123), von λαγωβολίαι aber nur auf negative Weise die Rede ist: Hera­ kles rät der Göttin von der kleinlichen Tat ab, Rehe und Hasen zur Stecke zu bringen (V. 154–156: ἔα πρόκας ἠδὲ λαγωούς / οὐρέα βόσκεσϑαι· τί δέ κεν πρόκες ἠδὲ λαγωοί / ῥέξειαν;).38 Durch das Partizip ἄρχμενοι wird die etwa hundert Verse lange Narration eingeleitet, mit der Kallimachos den diegetischen homerischen Hymnen nacheifert.39 Artemis erscheint hier an verschiedenen mythisch-geographischen Stationen, die durch das Motiv der Reise und Bewegung verbunden werden (V. 40: βαῖνε, V. 46: μετεκίαϑε, V. 87: πάλιν ἤιες, V. 98: ἔνϑεν ἀπερχομένη).40 Vor Zeus auf dem Olymp (V. 4–40) versichert sie sich der 37 So Bing/Uhrmeister 1994, 22. 38 Auch die Jagd auf die Hirschkühe (V. 98–109) geht nicht ohne Überraschung ab, da die Tiere im Lauf ohne die kurz vorher (V. 90–97) erworbenen Hunde gefangen werden (V. 105 f.). Vgl. Köhnken 2004, 165. 39 Zur Gattungstypologie innerhalb der Hymnen vgl. Bundy 1972, 44 sk. (ὕμνος κλητικός mit kurzer Diegese als δύναμις-Prädikation [Gebet-Funktion sehr prononciert] vs. Hymnos mit langem narrativen Teil [Gebet-Funktion nur andeutungsweise vorhanden]). 40 Richtig hebt Petrovic 2007, 227 die alle Himmelsrichtungen von Süden über Westen und Norden nach Osten umfassende Route der Artemis hervor, die über den narrativen Stellenwert hinaus ein Symbol für ihre Allgegenwärtigkeit darstellt. Die Richtung nach Osten (V. 117 f.) ist allerdings – pace Petrovic 2007, 229 – ganz unauffällig und die heimgesuchte vs. gesegnete Stadt (V. 122–135) keine ausdrücklich asiatische. Im Gegenteil handelt es sich dabei im Allgemeinen um eine beliebige frevelhafte oder gerechte Stadt. Der räumlichen Ausdehnung steht die zeitliche zur Seite: Die Gegenwart wird als eine Folge (Futur) der mythischen Vergangenheit dargestellt und Artemis’ Werdegang als Ursache (αἰτίον) für ihren aktuellen Kult erzählt (vgl. Petrovic 2007, 235 f.). Auf die Allgegenwärtigkeit der Artemis hob seinerzeit auch Kuiper (1898 II 21–29) ab, der allerdings das Bestreben des Kallimachos wahrnehmen wollte, in Konkurrenz zu Homer ein traditionell griechisches Artemis-Bild zu schaffen, dessen asiatische Aspekte sich wie die Peripherie (Osten) zum Zentrum (Arkadien) verhalten und sich davon ableiten lassen. Diese Auffassung ist m. E. zutreffend.



2. Die poetische Einheit des Hymnos

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Gunst ihres Vaters und bittet um ewige Jungfräulichkeit (V. 6: παρϑενίην), Namensreichtum/Wirkungsmacht (V. 7: πολυωνυμίην), Naturverbundenheit und Nymphengesellschaft (V. 13–20). Unterwegs zum Okeanos sucht sich die Göttin auf Kreta ein Gefolge von Nymphen aus (V. 40–45), auf der Insel Lipare in der Werkstatt des Hephaistos (V. 46–86) bestellt sie bei den Kyklopen Bogen und Pfeile (V. 81–83). Schließlich bekommt sie ein Rudel von Bracken von Pan in Arkadien, so dass sie bestens zu einer Jagd ausgerüstet ist (V. 87–97). Verse 98–109 schildern ihre erste kynegetische Leistung, bei der paradoxerweise weder Hunde noch Waffen zum Einsatz kommen: Sie holt im Schnellauf vier Hirschkühe ein und fängt sie, um sie vor ihren Wagen zu spannen (V. 105 f.). In der Diegese geht es also dem Dichter darum, die Ausstattung der Artemis mit konventionellen Attributen, die in ihrer Bitte vor Zeus ausdrücklich oder implizit erwähnt wurden,41 und ihre erste Großtat zu erzählen. Dass mit Vers 110 ein neuer Abschnitt beginnt, zeigt die Invokation nebst Doppelattribut (Ἄρτεμι Παρϑενίη Τιτυοκτόνε):42 Dies ist die zweite Erwähnung des Namens Ἄρτεμις nach seinem Vorkommen im Vers 1, was andeutet, dass hier ein der Diegese respondierender Teil beginnt. Dieser neue Abschnitt wird bis zum Vers 169 noch weitgehend durch Narration dominiert (Einzug der Artemis auf dem Olymp [V. 141] und Einnehmen des Platzes neben Apollon [V. 169]), die dann allmählich (über die Übergangspassage V. 170–182) einem katalogartigen Schlussteil weicht, in dem die Narration nur über kürzere Strecken die Oberhand gewinnt.43 Das verbindende Element dieses auf den ersten Blick heterogen anmutenden Abschnitts ist es, dass er die Göttin in performativen Situationen ihrer Machtbekundung zeigt. So wird durch die Überschrift ‚Aretalogie‘ dieser Teil angemessen charakterisiert. Was seinen Aufbau betrifft, gibt es kaum einen Moment, der sich nicht als eine Variation der in der Diegese bereits angeklungenen Motive gäbe, so dass man ihn mit Fug und Recht als ein „musikalisches“ Variationsgefüge interpretieren kann. Im Mittelpunkt der Verse 110–141 steht die Bestrafung der ungerechten Polis (V. 120–123), bei der die von den Kyklopen gefertigten Waffen nicht zu dem Zweck verwendet werden, den Artemis bei deren Bestellung angegeben hatte (V. 84 f.: αἰ δέ κ᾽ ἐγὼ τόξοις μονιὸν δάκος ἤ τι πέλωρον / ϑηρίον ἀγρεύσω, τὸ δέ κεν Κύκλωπες ἔδοιεν). Bogen und Pfeile sind also ein Verbindungsglied zwischen den beiden Szenen, wobei die humoristisch-

41 V. 8–10: Bogen und Pfeile (abgebrochene Bitte), V. 13–15: Nymphen, V. 17: Hunde (beiläufig ohne ausdrückliche Bitte; vgl. Köhnken 2004, 170). 42 Vgl. unten die Übersicht über die Invokationsstruktur des Hymnos. 43 Die längste (Mikro-)erzählung ist die über Britomartis-Diktyna (V. 189–205).

28

I. Einleitung

parodistische Kyklopen-Szene durch eine sehr ernste Episode hesiodeischer Färbung abgelöst wird.44 Jene Verse (136–141), die fast den geometrischen Mittelpunkt des Gedichts bilden und bei näherem Besehen trotz der Bedenken Wilamowitzens sich als eine geistreiche Übergangspassage entpuppen, verwenden das Motiv des Weges (V. 141: ἐς Διὸς οἶκον ἐλαύνεις), um ein Doppeltes zu bezeichnen: Es geht einerseits um den konkreten Weg der Göttin zum Olymp, wodurch die stets Szenenwechsel anzeigende Fortbewegungs-Thematik der Diegese (V. 40: βαῖνε, V. 46: μετεκίαϑε, V. 87: πάλιν ἤιες, V. 98: ἔνϑεν ἀπερχομένη) heraufbeschworen wird, andererseits – als eine Verschiebung des Konkreten zum Bildhaften hin – um die Metaphorisierung des WegMotivs, wodurch das bildliche Fortschreiten des Gedichts vom einen Thema zum anderen (d.h. der olympischen Episode) angedeutet wird.45 Diese Doppeldeutigkeit hängt damit zusammen, dass Artemis sowohl Muse des eigenen Hymnos als auch dessen Protagonistin ist, so dass ihr Fortkommen in der mythischen Erzählung zur Entwicklung ihres Hymnos wird. Die Episode, in die diese Übergangspassage mündet, spielt auf dem Olymp und schildert den Empfang der Artemis unter den Göttern (V. 142– 169). Damit kehren wir in topographischer Hinsicht zur Anfangsszene zurück, die Artemis ebenfalls vor Zeus schilderte (V. 4–40).46 Nur hat sich inzwischen die kleine Göttin als ein vollwertiges Mitglied des olympischen Pantheons etabliert und wird entsprechend empfangen. Die Erscheinung des essgierigen Herakles (V. 146–161), dessen Gehabe reichlich Grund für die ausgelassene Fröhlichkeit der Olympier gibt, erinnert an die nie versiegende Humorquelle der Kyklopen-Episode (V. 46–86), die im Bild der an den Brustzotteln des Kyklopen Brontes sich festklammernden Göttin (V. 75–79: im Rückblick auf einen älteren Besuch) kulminiert. Dass der gefräßige Herakles als komischer Typus ein Pendant zum ungeschlachten Kyklopen bil44 Vgl. Hes. erg. 225–247 (gerechte und ungerechte Stadt in umgekehrter Reihenfolge) mit Reinsch-Werner 1976, 81. Die beiden ersten Szenen auf dem Mantel des Iason (Apoll. Rhod. 1. 730–741) zeigen eine ähnliche – aber ernst-epische – Zusammenstellung: die Kyklopen fertigen dem Zeus seine Blitzstrahlen (V. 730– 734), Zethos und Amphion bauen die Stadt Theben (V. 735–741). 45 Vgl. Petrovic 2007, 238 (dass die Wagenmetaphorik auf Aufführungsrealien hinweisen könnte, ist allerdings sehr fraglich). Die poetische Metapher des Weges ist sehr verbreitet, aber hier wird man insbesondere an Pindars sechste olympische Ode erinnert, in der die Fahrt der Maultiere von einem Land ins andere eine poetische Übergangsfunktion von Siegesverherrlichung zur mythischen Erzählung erfüllt (V. 22–28). Zur Metapher des Weges bei Kallimachos (unter Berücksichtigung der Herkunft und Tradition des Bild-Vehikels) vgl. Asper 1997, 21–72, insbesondere seine Bemerkungen zu Pindar (26–39) und die Zusammenfassung (235 f.: Weg- und Bewegungsmetaphorik als Übergang signalisierender Topos). 46 Die doppelte olympische Szene hat das Gedicht mit dem homerischen ApollonHymnos gemein (V. 2–13; 186–206). Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 29 f.



2. Die poetische Einheit des Hymnos

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det, wird durch die ungewöhnliche Kenning suggeriert, mit der Kallimachos den Helden belegt: Τιρύνϑιος ἄκμων (V. 146). Beschwört doch das Bild des Ambosses eindeutig die Sphäre der Kyklopen, in der er auch genannt wird (V. 48: ἐπ᾽ ἄκμοσιν Ἡφαίστοιο). Es finden sich aber auch weitere Motive und Personen, die die liparische Schmiede mit dem Olymp verknüpfen. Hermes, der als Popanz (μορμώ) zur Einschüchterung der Götterkinder agieren soll und sich dazu mit Ruß verunstalten muss (daher seine Verbindung mit den ohnehin schwarzen und riesenhaften Kyklopen) (V. 68–70), erzeigt sich in der olympischen Szene der herannahenden Göttin dienstbar, indem er ihr die Waffen abnimmt (V. 142 f.). Dem Schrecken der Nymphen beim Anblick der mit furchtbarem Lärm arbeitenden Kyklopen (V. 62–65) respondiert das unaufhörliche Gelächter der Götter angesichts des Herakles (V. 148 f.: ϑεοὶ δ᾽ ἐπὶ πάντες ἐκείνῳ / ἄλληκτον γελόωσι). Ein Gegensatz von Negativem vs. Positivem kann allerdings – im Unterschied zum Motiv von Bogen und Pfeilen – in keinem dieser beiden Fälle konstituiert werden, da der rußgefärbte Hermes und der Schrecken der Nymphen nur den Gestalten der Narration Furcht einflößt, während es dem Leser zu seiner Belustigung gereicht. Eine dritte Verbindung zwischen den beiden Episoden kommt aber über einen Gegenstand, den Pferdetrog, zustande: Während die Kyklopen ἱππείην τετύκοντο Ποσειδάωνι ποτίστρην (V. 50), ein im Verhältnis zu ihrer Bemühung etwas unscheinbares Objekt, werden in den Stallungen auf dem Olymp goldene Tröge (V. 166: χρυσείας ὑποληνίδας) mit Wasser angefüllt, um die vom Gespann gelösten Hindinnen zu erquicken. Scheint Poseidons Pferdetrog ein alltäglicher Gebrauchsgegenstand zu sein (es sei denn, dass er größer ist, da er den Rossen des Gottes dienen soll), gehören die Trinkgefässe aus lauterem Gold eher in den Bereich der märchenhaften Götterwelt. In der Mitte des aretalogischen Teils steht jene Passage (V. 170–182 und 183–224), die Artemis als Mittelpunkt des Chortanzes der Nymphen und im Verhältnis zu ihren Lieblingsdienerinnen zeigt. Die Mittelstellung des Abschnitts entspricht also seinem bildhaften Aussagekern (‚Artemis von Nymphen umgeben‘).47 Das Motiv des Nymphenchors bezieht sich zurück auf die Episode, in der die Nymphen angeworben werden (V. 40–45), und erweitert sie gleichsam zu einem bunten Mosaik, in dem jeder Stein eine andere Gefolgsheroine/Nymphe darstellt. Das letzte Glied im Katalog der Nymphen ist Atalante, die sich bei der Erjagung des kalydonischen Ebers (V. 218 f.) hervorgetan und die Kentauren Hylaios und Rhoikos (V. 221 f.) getötet hatte. Der Eber erinnert an seinen Artgenossen, den Herakles vom Wagen der Göttin herunterhob (150 f.), während die Kentauren den Typus 47 Ähnlich wurde die zirkuläre Bewegung als ein den Hymnos 3 und 4 auszeichnendes Motiv durch die Stellung dieser Stücke in der Mitte des Hymnenbuchs herausgestellt. Dazu vgl. Kapitel I 1, 3.

30

I. Einleitung

jener Ungeheuer darstellen, der in der Gestalt der Kyklopen in Versen 46–86 begegnete. Auch Atalantes Ruhm als Bogenschützin (V. 223: τόξοτιν) ruft das Motiv von Bogen und Pfeilen aus jener Szene in Erinnerung. Erwiesen sich allerdings sowohl Kyklopen als auch Herakles trotz ihrer außerordentlichen physischen Kraft als harmlose, ja drollige Gesellen, sind die Kentauren mutwillig-frevelhafte Geschöpfe (V. 221: ἄφρονα Ῥοῖκον, wobei das Attribut ad sensum auch zu Hylaios gehört). Die Aufzählung der Kultstätten wird durch die Bestrafung des Lygdamis beschlossen (V. 251–258), den sein törichtes Handeln (V. 251: ἠλαίνων, ein Attribut, das seinem Namen vorausgeschickt wird und ihn im voraus charakterisiert, und V. 252: ὑβριστής nach seinem Namen) dem Typus der Kentauren (V. 221 f.) zuordnet. Während dort Atalante den Bogen handhabte und sich als eine begabte Schülerin der Artemis erwies (vgl. V. 217), muss hier Lygdamis – wie vorher die Bewohner der frevelhaften Stadt (V. 122–128) – die Macht des ihre Stadt schützenden Bogens der Göttin zu spüren bekommen (V. 258). Von dieser dunklen Bestrafungsgeschichte hebt sich die unmittelbar vorausgehende Gründungslegende des Heiligtums von Ephesos ab (V. 237–250 ): Hier kommt das Leitmotiv des Rundtanzes zum letzten Mal zum Tragen, da die Amazonen um das Holzbild der Göttin herum ihren Reigen aufführen (V. 240–247). Der Epilog, zu dem die bereits erwähnte Lygdamis-Episode den Übergang schafft, steht auch im Zeichen der negativen Darstellung: Der Dichter lässt einige Figuren Revue passieren, die sich gegen die Göttin verfehlt haben. Unter diesen war Agamemnon im Zusammenhang der durch Artemis herbeigeführten ἀπλοΐη bereits erwähnt worden (V. 228), obwohl hier der versöhnliche Ausgang der Geschichte (V. 229 f.: das Steuerruder als μείλιον) im Vordergrund stand. Ähnlich wird auch die Amazone Hippo nicht zum ersten Mal genannt, die im Nymphenkatalog in äußert positivem Licht als Urheberin des Artemis-Kultus in Ephesos erscheint (V. 239). Hier vergeht sie sich gegen Artemis durch die Verweigerung des Tanzes um ihren Altar (V. 266 f.). Schließlich gehören der Gigas Otos und der Riese Orion (V. 264 f.) zum Typus ‚vermessener Widersacher‘, der früher in der Gestalt des Lygdamis und der Kentauren begegnete. Mit den letzteren haben sie auch ihren riesenhaften Wuchs gemein. Ein Blick auf die Anrufungen im Hymnos48 wird die Stichhaltigkeit des oben ermittelten Bauschemas bestätigen. Eine tabellarische Übersicht des reichen Befunds wird auch hier hilfreich sein:

48 Zu den ὦ-losen epikletischen Vokativen bei den hellenistischen Dichtern (darunter in Kallimachos’ Hymnen) vgl. Giangrande 1968 passim (57 in Bezug auf den Artemis-Hymnos).



2. Die poetische Einheit des Hymnos

Vers:

Anrufung:

72 86 110 112 119 136 f. 152 173 186 204 210 225 f. 228 240 259

κοῦρα δαῖμον Ἄρτεμι Παρϑενίη Τιτυοκτόνε ϑεή ϑεή πότνια … ἄνασσα ϑεή δαῖμον ϑεή Οὖπι ἄνασσʼ εὐῶπι φαεσφόρε πότνια πότνια πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι … Χιτώνη / … ἐπίδημε Χησιὰς Ἰμβρασίη πρωτόϑρονε Οὖπι ἄνασσα πότνια Μουνιχίη λιμενοσκόπε … Φεραίη

31

Was aus dieser Zusammenstellung auf Anhieb hervorgeht, ist der Zusammenhang der mehrgliedrigen Anrufe (mehr als zwei Beinamen) mit dem Abschnittsbeginn. Die einzige Ausnahme scheint Vers 204 zu sein, mit dem jedoch die im Nymphenkatalog längste Binnenerzählung (Britomartis–Diktyna) abgeschlossen wird. Die längere Anrufungsform könnte wohl das Ende dieser selbständigen Erzählung markieren und die Rückkehr zur Katalogform signalisieren. Dass hier ein für die kretische Diktyna charakteristischer Kultanruf vorläge, widerlegt das Vorkommen von Οὖπι ἄνασσα (V. 240) in geändertem Zusammenhang (Artemis-Kult in Ephesos). Die dreigliedrige Anrufung im Vers 228 ist ebenfalls keine Ausnahme, da die Nähe zu V. 225 f. es nahelegt, diese Anrufung im Verband mit der vorausgehenden als einen peripheren Ausläufer derselben anzusehen. Dass längere Vokativ- bzw. Attributreihen einzig und allein aufgrund ihres spektakulär-klangvollen Charakters in Überleitungsfunktion verwendet werden, liegt auf der Hand. Zusätzlich trägt die prägnante π-Alliteration in πότνια πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι (V. 225) zur Wirkung bei.49 Das assonanzartige Zusammenklingen in Οὖπι ἄνασσʼ εὐῶπι (V. 204) wird durch die (wohl nicht nur poetische) Etymologie gestützt und ist für das Erscheinen des Motivs des Lichts im nächsten Attribut (φαεσφόρε) verantwortlich (Blick ~ Licht). Manchmal sind aber auch inhaltliche Aspekte mit im Spiele. Im Vers 225 f. weisen die Attribute offenkundig auf die Gründungsgeschichte der nachfolgenden Erzählung (Artemis als Archegetin) hin. Das Verbalrektionskompositum Τιτυοκτόνε, das die Todesstrafe des frevelhaften Riesen auf den Punkt bringt, präludiert 49 Zur Rolle des Homoiokatarkton πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι vgl. Kapitel I 3, 38.

32

I. Einleitung

der bald zu beschreibenden Heimsuchung der ungerechten Stadt durch die Pfeile der Artemis (V. 122–128).50 Was die eingliedrigen Vokative anbetrifft, fällt es schwer, ein anderes (inhaltliches) Prinzip der Wortwahl als das der geschickten Variation anzunehmen. Allenfalls die ersten beiden Anrufe (V. 72: κοῦρα; V. 86: δαῖμον) könnten andeutungsvoll als Ausdruck der Antithese zwischen des erst drei Jahre alten Mädchens (V. 72: ἔτι τριέτηρος ἐοῦσα) und der bereits mit Waffen ausgerüsteten Göttin (V. 86: ἄφαρ δ᾽ ὡπλίσσαο) gesetzt worden sein. Aber auch in diesem Fall ist Vorsicht geboten, da δαῖμον auch später verwendet wird (V. 173), wo jedes andere, metrisch passende Wort ebensogut hätte stehen können. Eine Theorie der ‚Entwicklung‘ der Persönlichkeit der Göttin kann dadurch unmöglich belegt werden.51 Um es zusammenzufassen: Die vorausgegangene Übersicht hat nur die „Großtektonik“ der Struktur des Hymnos in Augenschein genommen. Die hohe Variationskunst, die bereits Erwähntes in neuer Form auftauchen lässt, dürfte schon die Rezeption durch ein Primärpublikum bei mündlichem Vortrag gesteuert haben, so dass in der Hörerschaft am Ende ein Gefühl der ‚Ganzheit‘ haften blieb, ohne dass sie imstande gewesen wäre, über das Warum dieses Eindrucks Rechenschaft abzulegen. Dies mag erst bei einer (wiederholten) Lektüre des Textes klar geworden sein. Weitere (philologische) Details werden aus dem Kommentar zu Einzelstellen erhellen. Abschließend kann gesagt werden, dass der Artemis-Hymnos einem in hohem Maße durchdachten und einheitlichen Strukturplan folgt, der dazu angetan ist, das Interesse des Hörers/Lesers über weite Strecken hin wach zu halten. Diese Struktur besteht aus einem dynamisch aufgebauten Erzählteil (‚Diegese‘), der die Göttin in räumlicher Bewegung schildert, während sie – eine Station nach der anderen zurücklassend – ihre Machtinsignien erwirbt. Der zweite Teil (‚Aretalogie‘) hat aber die Funktion, die Macht der Göttin aus verschiedenen Perspektiven vor Augen zu führen, was in technischer Hinsicht vermittels eines „durchkomponierten“ Variationsgefüges zuvor angeschlagener Themen realisiert wird. Die Länge des Hymnos ist also keine Folge einer unausgereiften und unzulänglichen Konzeption, sondern eine geplante und dem Werk wesenhaft innewohnende Eigenschaft. Wenn wir uns fragen, warum Kallimachos einen langen Hymnos für Artemis schreiben wollte, so könnte die Antwort einfach in der Nachbarschaft des Artemis-Hymnos zu dem Apollons liegen. 50 Die Kentauren Hylaios und Rhoikos (V. 221 f.) haben sich ähnlich an Atalante vergriffen, wie Tityos an Leto. 51 Wie es Bing/Uhrmeister 1994, 22 glauben annehmen zu dürfen: In this one word, set pointedly at the end not just of the verse but of the entire episode, Callimachus suggests the significance of the proceding scene: with the acquisition of her arms, Artemis has developed from παῖς to δαίμων. Vgl. die Ausführungen in diesem Kapitel oben.



3. Gestalt und kultischer Aufgabenbereich der Artemis

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So hat er neben einem auffällig kurzen Hymnos auf den Gott (h. 2) einen frappierend langen auf seine Schwester (h. 3) geschrieben und die beiden im Hymnenbuch provokant nacheinander gestellt.

3. Gestalt und kultischer Aufgabenbereich der Artemis In diesem Kapitel wollen wir uns ausschließlich auf die Gestalt der besungenen Göttin konzentrieren und schärfer ins Auge fassen, mit welchen Eigenschaften und kultischen Aufgaben Artemis im dritten Hymnos des Kallimachos ausgestattet wird. Im diegetischen Teil des Hymnos (V. 4–109) steht Artemis als ein kleines Mädchen vor uns, das Züge eines verzogenen Kindes (sie trägt ihrem Vater eine lange Wunschliste vor [V. 6–25]) mit der hohen Intelligenz und ausgepichten Raffinesse einer Göttin vereint. Jeglicher Anflug von Naivität ist ihr vollkommen fremd, so dass auch eine scheinbar bescheidene Bitte (V. 18 f.: sie will mit Städten nicht viel zu tun haben) eine ziel- und selbstbewusste rhetorische Strategie verbergen kann, die Zeus – mitsamt ihrer körperlichen Anstrengung, sein Kinn zu erreichen – mit einem schallenden Gelächter (V. 28 f.) quittiert, wobei er durch seine über die expliziten Bitten hinausgehenden Zusicherungen (V. 33–39) zu erkennen gibt, dass er sie durchschaut hat. Die charakteristischen Züge kindlicher Äußerung (V. 6–25: repetitive Rede; V. 19: Verwendung der dritten Person) gehören aus diesem Blickwinkel nicht nur zur Ethopoiie des kleinen Mädchens, sondern auch zum Instrumentarium der überlegen Kind spielenden Göttin.1 In der Aretalogie (V. 110–258) verschwindet jede Andeutung eines vermenschlichten Artemis-Bildes, und die Göttin wird in ihren Funktionen aus der zeitlosen Perspektive des Mythos geschildert. Dieser Gegensatz der kindlichen und göttlichen Artemis, der nicht nur zwischen dem Artemis-Bild des diegetischen und dem des aretalogischen Teils besteht, sondern auch innerhalb des ersten Teils in der Konzeption der Göttin, die sowohl Kind als auch Göttin ist, zu Tage liegt, ist ein Mittel des Dichters, mit Gattungskonventionen zu spielen, humoristische Situationen zu schaffen2 und den Leser zu verunsichern: Trotz der zeitlosen Perspektive lässt er ihn angesichts einiger, auch über die Hymnos-Grenze hinaus verstreuter Textindizien (h. 3. 72, h. 3. 98–109; h. 2. 58–64) spekulieren, wie alt die kleine Artemis sein mag.3

1 2 3

Zur Oszillation zwischen ‚naiv‘ und ‚selbstbewusst‘ vgl. Ambühl 2005, 249. Ein Höhepunkt ist der vergebliche Versuch, Zeus’ Kinnbart zu erreichen (V. 26–28), ein anderer das Bild der Göttin, die sich an den Brustzotteln des Kyklopen Brontes festklammert und dessen Haare ausrupft (V. 76 f.). Zu diesem Fragenkomplex vgl. Kapitel I 1, 11–13 und I 2, 18 f.

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I. Einleitung

Ein leitmotivischer Zug an Artemis’ Gestalt ist, wie das im vorigen Kapitel ermittelte Strukturschema gezeigt hat, ihre Naturverbundenheit, die sich in ihrem Jägertum und Umgebensein von einem Nymphenchor äußert – ein konventioneller Aspekt des literarischen Bildes der Artemis.4 Da auch die Jungfräulichkeit einen naturhaften, im Vergleich zur Kultur sogar einen „wilden“ Zustand darstellt, kann die παρϑενίη dieser Seite der Artemis-Gestalt zugeordnet werden. Jagd, Chortanz und Gebirge werden schon im Prooimion nebeneinander genannt (V. 2 f.). An erster Stelle ihrer Wunschliste wird die ewige Jungfräulichkeit (V. 6: παρϑενίην αἰώνιον) erwähnt, an diese schließt die Bitte um Jagdgerätschaften (V. 8–10: zurückgezogene Bitte), angemessene Gewandung (V. 11 f.) und Nymphengefährtinnen (V. 13–17 mit impliziter Bitte um Jagdhunde) an. V. 20 wird ihre Vorliebe für Gebirge genannt (im Gegensatz zur angeblichen Abneigung gegen Städte). V. 40–45 werden die Nymphen angeworben, V. 46–86 Bogen und Pfeile bei den Kyklopen in Auftrag gegeben, V. 87–97 Hunde beschafft, V. 98–109 die Hindinnen als erste Jagdbeute auf unkonventionelle Weise ohne Hunde und Waffen eingefangen. Nachdem das Tun und Lassen der Artemis πολιάς geschildert wurde (V. 122–135), worauf wir noch zurückkehren werden, erteilt Herakles in der olympischen Empfangsszene (V. 142–169) Ratschläge bezüglich der besten Jagdbeute (V. 153–157). Die folgende Einheit (V. 170–182) führt den Reigentanz der Nymphen um Artemis herum vor Augen, woraufhin in einem breitangelegten Nymphenkatalog (V. 183–224) ihre Lieblingsgefährtinnen aufgezählt werden, die sich alle in der Jagd hervorgetan haben, und – wie Britomartis (V. 189–205) und Atalante (V. 215–224) am Anfang und Ende des Katalogs – ihre Jungfräulichkeit bewahrt haben. Im darauf folgenden Abschnitt über die Kulte der Göttin (V. 225–258) steht mit der ausführlichsten Schilderung die aitiologische Geschichte des ephesischen Tempels, der auf den Reigen der Amazonen um das Kultbild der Göttin zurückgeführt wird (V. 240–247), im Mittelpunkt. Im Epilog (V. 259–268) wird durch Agamemnons Vergehen (V. 262 f.) die Jagdgöttin nochmals evoziert, durch das der Riesen Otos und Orion (V. 264 f.) die Jungfrau, durch das der Hippo (V. 266 f.) die am Rundtanz ihrer Nymphen sich Erfreuende. Diese naturnahe Seite ergänzt sich um eine antithetische, die auf die Göttin des Draußen bezogen etwas befremden kann, da in ihr das Drinnen dem Draußen, die Kultur der Natur, die Stadt den Gebirgen gegenübersteht: V. 33–39 wird sie von Zeus mit der Gabe von dreißig Städten, vielen Burgen und Inseln überhäuft, die alle Artemis, die über die Straßen und Häfen Aufsicht führt, durch Altäre und Nymphenhaine verehren werden. Verse 122–135 sind der Schilderung der Wirkungssphäre der Artemis πολιάς vor4

Wilamowitz 19552 I 174–177 hat dafür den treffenden Begriff ‚Göttin des Draußen‘ geprägt. Zur strukturalistischen Umdeutung der Wendung, die sie dazu befähigt, soziale Verhältnisse auszudrücken, vgl. Henrichs 1985, 302 f.



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behalten, wobei V. 122–128 den ersten Einsatz des Bogens gegen die ungerechte Stadt, V. 129–135 ihren allseitigen Segen auf Gehöft und Familie vor Augen führen. Vers 184 (τίς δὲ λιμήν, ποίη δὲ πόλις [sc. εὔαδε];) weist im Vorübergehen darauf hin, dass Zeus’ Zusagen bereits erfüllt sind. Den Abschnitt über die Kulte der Artemis leitet der Anruf πότνια πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι (V. 225: Anführerin der Gründer von Miletos) ein und beschließt eine Würdigung der städte- und tempelschützenden Waffen der Artemis (V. 258: Ἐφέσου γὰρ ἀεὶ τεὰ τόξα πρόκειται: in Bezug auf die Vernichtung des Lygdamis). Unmittelbar danach im einleitenden Vers des Epilogs (V. 259: πότνια Μουνιχίη λιμενοσκόπε) wird in Form eines Anrufs ebenfalls der die Häfen beschirmenden Göttin gedacht. Wie kann diese Zwitterhaftigkeit des Artemis-Porträts (naturverbundene und urbane Göttin) erklärt werden? Bing und Uhrmeister waren der Meinung, im Gegensatz der beiden Aspekte der Artemis-Gestalt drücke sich der innerliche Zwiespalt der Göttin aus, die nach ihrer seelischen Veranlagung eine Naturgöttin und nur infolge der von Zeus ihr zugeteilten Pflichten (V. 33–39) eine Schutzgottheit der Städte sei.5 Diese psychologisch tendenziöse Deutung aber ist als textfremd abzulehnen.6 Neulich hat Petrovic dafür plädiert, die urbane Seite der Göttin von der zeitgenössischen Kultwirklichkeit7 und dem vor allem im östlichen Mittelmeergebiet beheimateten Artemis-Bild abzuleiten, das – wie es uns vor allem epigraphische Dokumente bezeugen – sich auch urban-politische Funktionen anverwandelt hat.8 Das Problem dieses Aspektes der Artemis-Gestalt ist mit der streckenweise von unreflektierten methodischen Voraussetzungen nicht freien Frage eng verwoben, wie man das Verhältnis der Dichtung des Kallimachos zu den lebensweltlichen (ägyptisch-hellenistischen) Realia auffasst. Hier ist nicht 5 Bing/Uhrmeister 1994, 21. 6 Zur eingehenden Untersuchung der Argumentation vgl. Kapitel I 2, 17–24. 7 Ähnlich im Prinzip, aber weniger ausführlich auch Kuiper 1898 II 21–29, der allerdings den östlichen Aspekt der Artemis nicht verselbständigen, sondern vom traditionell-arkadischen Kultbild abgeleitet wissen will. Ansatzweise Verbindungen zu hellenistischen Kultrealia (vor allem bezüglich der amnisischen Nymphen) auch bei Chaniotis 2001, 216 (ohne die punktuellen Erkenntnisse zu einem übergreifenden „Kunstwollen“ des Hymnos verabsolutieren zu wollen). Vgl. auch Caspers 2005, 265 f., der das Gedicht als aitiologische Erklärung des zwitterhaften Wesens der Artemis (Jägerin und Stadtgöttin) in der zeitgenössischen Kultur ansieht. 8 Petrovic 2007, 193 f. (die These); 194–247 (die Ausführung) und 2010a passim. Die folgende Kritik an Petrovic’ Ansatz soll nicht bedeuten, dass zeitgenössischepichorische Artemis-Kulte gar keine Rolle spielen, worauf im Kommentar – Petrovic zu Ehren – hingewiesen wird. Aber gerade Artemis als Stadtgöttin (2007, 197–221), die Petrovic in den Mittelpunkt der Gesamtinterpretation des Hymnos (einer aitiologischen Erzählung, die vor Augen führt, wie sich Artemis zu einer Stadtgöttin entwickelt [2007, 221–235]) stellt, scheint mir anders erklärt werden zu können, als eine die Kultwirklichkeit widerspiegelnde Konzeption.

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der Ort für eine eingehende Untersuchung. Es käme aber zumindest einer Warnung gleich, wenn die betreffende Seite der Göttin ohne Rückgriff auf das zeitgenössische Artemis-Bild anhand innerliterarischer Bezüge erklärt werden könnte, was bedeuten würde, dass der Hymnos als Lesedichtung in erster Linie auf ein Sekundärpublikum abzielt, das aus cognoscenti besteht und zuungunsten der Realität literarische Zusammenhänge aufsucht.9 Ich werde im Folgenden zeigen, dass diese alternative Erklärung möglich ist. Man kann bei der Beweisführung sowohl von der Struktur des Hymnenbuchs als auch von der literarischen Tradition ausgehen. Zunächst einmal soll der Beweis angetreten werden, dass das Konzept der Artemis πολιάς aufgrund bestimmter Götterkonstellationen im Buch der Hymnen erklärt werden kann. Im ersten Kapitel haben wir schon beobachtet, dass das Verhältnis des Artemis-Hymnos zum Bad der Pallas (h. 5) durch eine wechselseitige Angleichung der beiden Göttinnen aneinander gekennzeichnet ist: Während Athene ihr Interesse an Naturaufenthalten von der Artemis-Gestalt übertragen bekommt, färbt Athene πολιάς durch ihr naturgemäßes Anliegen (vgl. h. 5. 43 und 53) auf Artemis ab. Eine noch stärkere Bindung scheint zwischen dem Apollon- und dem Artemis-Hymnos obzuwalten. Auch dieses Motiv der ‚Geschwisterrivalität‘, das die Artemis des dritten Hymnos dem Apollon des zweiten nacheifern lässt, haben wir im ersten Kapitel kurz berührt.10 Da die weiteren Ausführungen zu Artemis πολιάς darauf aufbauen, seien hier die relevanten Passagen etwas länger besprochen. Bereits der auktoriale Hinweis im ersten Vers (οὐ γὰρ ἐλαφρὸν ἀειδόντεσσι λαϑέσϑαι) macht in der negativen Form deutlich, dass es einem Missstand, der Benachteiligung der Artemis durch den Ruhm ihres Bruders, abzuhelfen gilt. Artemis selbst akzentuiert in ihrer Bittrede vor Zeus dieses Anliegen (V.

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Zum Problem des Publikums der Hymnen vgl. Kapitel I 4, 53 f. Allenfalls wäre zu erwägen, ob etwa das Erstpublikum angesichts einer eher realitätsgebundenen Aufführungsweise dieses historische Artemis-Bild gewürdigt haben mochte. Bei einer vornehmlich nach intertextuellen Vernetzungen Ausschau haltenden Lektüre sollte aber dieser Realitätsbezug nicht mehr zum Zuge kommen. Ein ähnliches Bild umreißt auch Bulloch 1985b, 28 von den Hymnen auf Artemis und Delos, in denen Spiel mit Gattungskonventionen und literarische Allusionen einen festen Sitz haben: The hymns to Artemis and Delos are important examples of a particular type of Hellenistic writing at which Callimachus excelled, the literary display on a set traditional theme. Neither work can be properly understood without the detailed knowledge of its ancestry that could be taken for granted in the original Alexandrian audience, and both poems are full of allusions and nuances which tempt modern readers to dismiss them impatiently as unduly scholarly, in spite of the fact that many modern poets such as Pound or Eliot have often relied heavily on similarly allusive modes of writing. Zur vorwiegend literarischen μίμησις der alexandrinischen Dichtung, ohne Außenweltbezug, vgl. auch Cusset 1999, 371–379, vor allem 378. 10 Zu dieser vielberufenen Motivik vgl. neulich Brumbaugh 2019, 159–161, 207 f.



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7: sie will πολυώνυμος11 heißen, ἵνα μή μοι Φοῖβος ἐρίζῃ). Die Beteuerung, Leto habe die Göttin ohne Schmerzen getragen und zur Welt gebracht (V. 26 f.), stellt Artemis in Gegensatz zum größeren Bruder Apollon, dessen Geburt nicht ohne Beschwernisse vonstatten ging (h. 4. 60 f. und 209–211). Die Fülle der goldenen Gegenstände in der Umgebung der Göttin (V. 110–112) erinnert an den Goldreichtum Apollons (h. 2. 32–34 und 4. 260–264 [Anapher und Polyptoton]). Ihr erster Versuch im Bogenschießen (V. 119–123) ist dazu angetan, es Apollon in seiner Kunst gleichzutun, wie dies vor den Kyklopen bei der Bestellung der Waffen ausdrücklich erwähnt wird (V. 83: καὶ γὰρ ἐγὼ Λητωιὰς ὥσπερ Ἀπόλλων).12 In der Invokation (V. 136 f.), die als Übergangspassage eingeschaltet wird, wünscht der Dichter, dass seine Dichtkunst unter die Obhut der Artemis gestellt sein möge, was die Göttin gleich zu einer Muse arrivieren lässt. Diese Anrufung mündet in eine Inhaltsangabe (V. 138–141), die neben einer allgemeinen Formulierung (V. 139: πάντες ἄεϑλοι) drei Gegenstände erwähnt, die im Hymnos bereits eine wichtige Rolle gespielt haben (V. 141: κύνες καὶ τόξα καὶ ἄντυγες: die Jagd der Artemis auf die Hirschkühe für ihr Gespann [V. 106] und die Bestrafung der ungerechten Stadt [V. 122]) oder gleich spielen werden (V. 140: Einzug der Göttin auf den Olymp mit ihrem Wagen). An erster Stelle werden aber Themen berührt (V. 138: Λητοῦς γάμος … Ἀπόλλων), die keine Ausführung im Hymnos finden. Unschwer kann man aber darin den Gegenstand des zweiten (Ἀπόλλων) und – wenn man den γάμος etwas weiter fasst – vierten Hymnos (Λητοῦς) erkennen.13 Zwischen beiden erscheint Artemis (V. 138: ἐν δὲ σὺ πόλλη), ebenso wie ihr Hymnos zwischen dem auf Apollon und dem auf Delos seinen Platz gefunden hat. Als Muse wird aber Artemis beide Hymnen „regieren“, so dass sich die Göttin beiden Gottheiten, sowohl Apollon als Leto gegenüber, als überlegen erweisen wird. Das schillernde Attribut πόλλη (‚groß‘, ‚mächtig‘,‚vielgestaltig‘) wird mithin zu einem ri11 Zur Möglichkeit, dass auch hier ein etymologischer Hinweis (V. 7: πολυωνυμίην) auf den Namen Apollons vorliegt, vgl. gleich unten (V. 138). Vgl. Hunter/Fuhrer 2002, 163. 12 Vgl. auch das in Teile zerlegte apollinische epitheton ornans in Vers 119: ποσσάκι δ᾽ ἀργυρέοιο, ϑεή, πειρήσαο τόξου; (~ ἀργυρότοξος). Dazu Bing/Uhrmeister 1994, 21 Anm. 14. Die Tatsache, dass keine homerischen Epitheta verwendet werden (Ἕκατος, ἑκατηβόλος, ἑκηβόλος, ἰοχέαιρα), die die Ebenbürtigkeit der Artemis mit ihrem Bruder suggerieren (so Köhnken 2004, 162 f.), kann durch Kallimachos’ Scheu (und sogar Abscheu) vor allem Abgenutzten (vornehmlich im formalistischen Bereich) erklärt werden. Dass Artemis Schwester Apollons ist, wird in den homerischen Hymnen traditionellerweise an erster Stelle erwähnt. Vgl. h. Ap. 199: ὁμότροφος Ἀπόλλωνι (vgl. auch V. 14–18, 158 f.), h. 9. 1 f.: κασιγνήτην Ἑκάτοιο / … ὁμότροφον Ἀπόλλωνος; h. 27. 3: αὐτοκασιγνήτην χρυσαόρου Ἀπόλλωνος (vgl. auch 13 f.). Zur Tradition, dass Apollon von seiner Schwester die Kunst des Bogenschießens erlernt, vgl. Liban. or. 5. 7. 13 Pace Spanheim 1697, 230 ad loc.

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valisierenden Etymon zum Namen des Bruders (Ἀπόλλων).14 So nimmt es kaum wunder, wenn Artemis am Schluss des Empfangs auf dem Olymp, der die analoge Szene des homerischen Apollon-Hymnos (V. 5–13) auf Artemis transponiert, neben ihrem Bruder Apollon, der früher sogar zum Empfang der Göttin bestellt war (143 f.),15 als Gleichberechtigte Platz nimmt (V. 169: σὺ δʼ Ἀπόλλωνι παρίζεις). Schließlich erscheint ihr Tempel in Ephesos als ein herrliches Bauwerk, das dem Apollons in Delphi wohl den Rang ablaufen kann (V. 250: ῥέα κεν Πυϑῶνα παρέλϑοι). Obendrein wird Artemis als Vernichterin der von Lygdamis geführten kimmerischen Horden (V. 251–258) implizit Apollon an die Seite gestellt, der im Delos-Hymnos (V. 171–187) ebenfalls einen ungestümen Volksstamm, die Galater, zugrunde richtet.16 Wenn die Eifersucht der Artemis auf ihren Bruder sowohl aus auktorialer als auch aus personaler Perspektive der Göttin (V. 7) signalisiert wird, dann können auch ihre Worte (V. 18–25: sie wolle sich nicht mit Städten abgeben), die oben als ein Fall vorgetäuschter Bescheidenheit ausgelegt wurden, als ein bewusster Wetteifer mit Apollon bezüglich dessen zahlreicher, der städtischen Kultur geltender Funktionen aufgefasst werden. Auch der scheinbar unverbindliche Spezialfall, dass sie die Stadt nur aufsuchen wird, um Geburtshilfe zu leisten, weil ihre Mutter sie schmerzlos getragen und geboren hatte (V. 21–25 ), entpuppt sich als Seitenhieb auf Apollon, dessen Geburt mit großen Mühsalen verbunden war.17 Ihre Bittrede wird auch von Zeus als verschmitzt-doppelbödig verstanden, wenn er ihr zusichert: καὶ μὲν ἀγυιαῖς / ἔσσῃ καὶ λιμένεσσιν ἐπίσκοπος (V. 38 f.), zumal ἀγυιαῖς eindeutig auf Apollons urbanen Kultnamen Ἀγυιεύς anspielt.18 Wenn ferner Kallimachos den olympischen Gott auf die Beteiligung der Artemis an Stadgründungen mit den Worten πόλιας διαμετρήσασϑαι (V. 36) hinweisen lässt, so erinnert er an h. 2. 55: πόλιας διεμετρήσαντο, wo Apollon dieselbe Rolle des

14 Vgl. Ukleja 2005, 59 f. Für den Hinweis auf die Mehrdeutigkeit des Attributs danke ich Frau Prof. I. Männlein-Robert. Zum Spiel mit dem Stamm πολ- im Namen Apollons vgl. h. 2. 69 f. sowie (nebst anderen poetischen Etymologien) Kapitel I 5, 60 f. 15 Ein krasser Unterschied zum homerischen Hymnos auf Apollon, in dem Apollon von den anderen Göttern ehrfurchtsvoll empfangen wird (V. 2–13). Aber da heißt es auch, dass sowohl Apollon als auch Artemis von Leto geboren worden sind (V. 14– 18). V. 197–203 tanzt Artemis in dem von Apollon angeführten Reigen als dessen ὁμότροφος (V. 199). 16 Zu dieser Parallele (mit entstehungsgeschichtlichen und allegorischen Implikationen) vgl. Kapitel I 4, 45–47 und I 5, 67–69. 17 Vgl. Kapitel I 1, 5. Richtig bemerkt Petrovic 2007, 224 f., dass Artemis sich dadurch auch die Rolle der Eileithyia, Tochter der Hera, anzueignen vorhat. 18 Die Anrufungen πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι (V. 225) könnten auch auf Apollons Namen und damit auf Artemis’ rivalisierenden Anspruch auf die Rolle des Apollon ἀρχηγέτης anspielen.



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Stadtgründers spielt.19 Auch das Wort ἐπίσκοπος relativiert die dezidierte Aussage der Göttin (V. 19: σπαρνὸν γὰρ ὅτ᾽ Ἄρτεμις ἄστυ κάτεισιν). Sie hat für einen horizontalen Fußweg in die Stadt zwar nichts übrig, doch steht ihr ein vertikaler offen.20 Dieser senkrechte, metaphorische Weg ist einerseits positiv der auf die gerechte Stadt hinunterstrahlende Blick der Göttin (V. 39: ἐπίσκοπος; vgl. V. 129: εὐμειδής τε καὶ ἵλαος αὐγάσσηαι; V. 204: Οὖπι ἄνασσ᾿ εὐῶπι φαεσφόρε, V. 259: πότνια Μουνιχίη λιμενοσκόπε), andererseits sind es negativ die von oben auf die frevelhafte Stadt herniederhagelnden Pfeile der Artemis (V. 122). Der im Gegensatz zum Tosen der Pfeile gnadenvoll Segen erteilende Blick der Göttin (οἷς δέ κεν εὐμειδής τε καὶ ἵλαος αὐγάσσηαι, / κείνοις εὖ μὲν ἄρουρα φέρει στάχυν, εὖ δὲ γενέϑλη / τετραπόδων, εὖ δ᾽ οἶκος ἀέξεται [V. 129–131]) ist eine einmalige Vorstellung, die einiger erklärender Hinweise bedarf, da an keiner Stelle der griechischen Literatur der Blick der Artemis vorkommt, der vegetatives Gedeihen herbeiführt.21 Die einzige Parallele22 ist das Anakreon-Fragment (fr. 348 PMG), in dem Artemis Leukophryene (im Text nicht erwähnt, aber vgl. Diehls Apparat [ALG I 446 ad locum]) auf die Stadt Magnesia (vgl. V. 4 f.: Ληϑαίου / δίνῃσιν) hinunterblickt 19 Vgl. Ukleja 2005, 63 und Petrovic 2007, 213. Siehe auch Cahen 1930, 101. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Verse 225–227 hinzuweisen, die Artemis als eine Anführerin bei der Gründung der Stadt Milet durch Neleus darstellen, wodurch sie wiederum der Archegeten-Rolle des Apollon (h. 2. 65–68) nacheifert. 20 Zwar hält Köhnken 2004, 169 die Funktion der Artemis als Stadt-Göttin zu Recht für sekundär im Vergleich zur jungfräulichen Jägerin und Schützin, dennoch darf der πολιάς-Aspekt mit Hinweis auf V. 18 f. nicht bagatellisiert werden. Vgl. den treffenden Schlusssatz des Artemis-Kapitels bei Simon 19853, 178 (mit Verweis auf den in die Ferne schweifenden Blick der Göttin auf dem Parthenonfries): Distanz von den Menschen und Teilnahme an ihrem Tun, aber Teilnahme aus der Ferne einer göttlichen Welt. 21 Artemis als Mond-Göttin könnte bei dieser Vorstellung sekundär mitgespielt haben, was sie in Konkurrenz zum sonnenhaften Apollon setzte (vgl. Williams 1978, 52 f. ad h. 2. 51 f.), aber diese ihre Hypostase wird in V. 129–131 nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht (pace Roscher 1897, 3153; eine dezidiert astralsymbolische Bedeutung wird dem Gedicht von Frischlin 1589, 220 unterschoben), vielmehr handelt es sich in erster Linie um den anthropomorphen Blick der persönlichen Göttin (vgl. Kuiper 1898 II 102). Ihr mondhafter Charakter tritt im Hymnos einzig über den kultischen Namen Οὖπι ἄνασσ᾿ εὐῶπι φαεσφόρε (V. 204; vgl. auch V. 11) zu Tage. Es ist bezeichnend für die Sachlage, dass auch bei Horaz, der den Fruchtbarkeits-Bezug der Artemis als einer Mond-Göttin bezeugt, ihr Blick mit keinem Wort erwähnt wird (c. 4. 6. 38–40: rite Latonae puerum canentes, / rite crescentem face Noctilucam, / prosperam frugum celeremque pronos / volvere mensis). Vgl. auch Catull. 34. 17–24 und Liban. or. 5. 33. 22 Die von Petrovic 2007, 167 und 2010b, 217 f. herangezogene Inschrift (SGO 03/02/01 Merkelbach/ Stauber) belegt zwar die Funktion der ephesischen Artemis als καρπῶν … δότειρα (V. 4), jedoch ohne das Motiv des Blickes. Außerdem stammt diese Inschrift aus dem 2. Jh. n. Chr.

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(V. 6: ἐσκαϑορᾷς πόλιν) und V. 7 f. heißt es: οὐ γὰρ ἀνημέρους / ποιμαίνεις πολιήτας. Hier ist aber das Motiv des Blicks eindeutig durch ihren magnesischen Kultnamen Leukophryene (‚die mit weißen Augen[brauen]‘) bedingt und die Tätigkeit ποιμαίνεις metaphorisch (οὐ … ἀνημέρους … πολιήτας) verstanden. Im Artemis-Hymnos äußert sich hingegen die vegetative Wirkung auf eine ganz konkrete Weise. Petrovic hat das Konzept so interpretiert, dass hier – wie bereits schon im Anakreon-Fragment – die πολιάς-Funktion die primäre, weil im zeitgenössischen Artemis-Kult verwurzelte sei, die von der traditionsgeheiligten Vorstellung der πότνια ϑηρῶν überlagert werde.23 In Wahrheit ist es aber eher umgekehrt, sowohl bei Anakreon als auch bei Kallimachos: Die Anrufung ἀγρίων / δέσποιν᾽ Ἄρτεμι ϑηρῶν (Anakr. fr. 348. 2 f.) zeigt, dass hier die Funktion Artemis πολιάς von ihrem traditionellen Bild als ‚Herrin der wilden Tiere‘ abgeleitet wird, indem sie selbst zivilisiert wird, um auch die Bürger zur friedlichen Gemeinschaft versammeln zu können (ἀνημέρους leicht prädikativisch neben ποιμαίνεις).24 Im ArtemisHymnos sucht die Göttin die frevelhafte Stadt vermittels ihrer Pfeile heim, d.h. unter Anwendung jener Instrumente, die ursprünglich mit ihrer naturund jagdverbundenen Seite zusammenhängen.25 Auch gilt ihr Blick zwar der Stadt, zielt aber vor allen Dingen auf die Fruchtbarkeit der Felder und der 23 Petrovic 2010b, 220. Vgl. auch dies. 2007, 205 f. Es ist ein interessanter Zufall, dass Magnesia im 7. Jh. v. Chr. von den Kimmeriern zerstört wurde, deren Angriff Artemis von Ephesos (V. 251–258) abgewehrt hatte (vgl. Petrovic 2007, 206 Anm. 69). 24 Vgl. Bowra 19612, 273 f. (Korrektur der exotischen Göttin als griechische Artemis und der wilden Magnesier als οὐκ ἀνήμεροι). Eine Anspielung auf Artemis Ἡμέρα könnte hier vorliegen (vgl. Bakchyl. 11. 37–39 [Ἄρτεμις ἀγροτέρα … Ἡμ]έρα] und Kall. h. 3. 236; V. 115–117 nimmt Bakchylides schon auf die städtische Göttin von Metapontion Bezug [V. 117: χρυσέα δέσποινα λαῶν]; vgl. Petrovic 2010b, 218–220). In die Metapher von ποιμαίνεις spielt auch die Vorstellung des Königs als ποιμένα λαῶν hinein (z.B. Hom. Α 263 mit Schulte 2001, 25 f.). Vgl. Simon 19853, 154. Hinsichtlich der literarischen Überlieferung ist es nicht von Bedeutung, dass Artemis Leukophryene ursprünglich eine orientalische Stadtgöttin gewesen sein soll, die erst durch die interpretatio Graeca mit Zügen der πότνια ϑηρῶν ausgestattet wurde. Dass die Fähigkeit, vom Zustand der Wildheit zum friedlichen Polis-Leben hinzuführen, nicht nur der „orientalischen“ Artemis eignet, sondern ein allgemeines Charakteristikum der Göttin darstellt, zeigt Kowalzig 2007, 289 f. aufgrund des Artemis-Ἡμέρα-Kultes in Lusoi und des Mythos der Proitiden. Zum Grenzstatus der Göttin zwischen Wildnis und Kultur vgl. auch Frontisi-Ducroux 1981, 37–46. Ebenfalls ist Simon 19853, 147–163 bestrebt, die Vielseitigkeit der Artemis-Gestalt ohne Zuhilfenahme orientalischer Einflüsse von der ihr ab ovo innewohnenden Jagdleidenschaft abzuleiten (vor allem 163). Auch ihre Verbindung mit Städten finde eine Erklärung durch die Rolle der Artemis als Schlächterin bei Opferhandlungen anlässlich politischer Versammlungen (152 f.). 25 Petrovic 2007, 232 hat wohl Recht, dass Artemis’ zweimaliges Schießen auf Bäume (V. 119–122) mit ihrem Kultus als Vegetationsgöttin verknüpft werden kann. Diese



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Tiere. Sowohl ihr negatives Verhalten der ungerechten Stadt gegenüber, die sie mit ihrem Zorn straft, als auch das positive, mit dem sie der gerechten Stadt ihre Gunst erweist, rühren also letzten Endes von ihrer naturhaften Anlage her.26 Dass Kallimachos Motive (Blick und Fruchtbarkeitsbezug der Göttin) mit Anakreon, der über die orientalisch gefärbte Artemis reflektiert, gemeinsam hat, bedeutet nicht, dass der hellenistische Dichter ebenfalls auf lebendige Kultrealia Bezug nimmt, sondern es ist umgekehrt ein Indiz dafür, dass er Anakreon als literarisches Vorbild vor Augen hat (sonst kämen zwei identische Motive in solcher Nähe nicht vor), ein Vorbild, das er in seiner charakteristischen Manier auch abwandelt: Artemis ποιμαίνει, aber nicht nur in metaphorischem Sinne, sondern ganz konkret, und Artemis ‚blickt‘, aber auf eine Weise, die – wie wir gleich sehen werden – am meisten dem königlichen Blicken zu vergleichen ist. Wie kann dann aber die sekundäre πολιάς-Funktion in den Versen V. 122–135 erklärt werden? Das Motiv der Geschwisterrivalität scheint auch hier am Werke zu sein. Mit der ersten Erprobung des Bogens eifert Artemis – wie wir oben gesehen haben – Apollon nach. Bei der über die lasterhafte Stadt verhängten Strafe wird man insbesondere an die von Apollon durch seine Pfeile im griechischen Lager verbreitete Pest in der Ilias erinnert (Α 44–52). Etwas komplizierter ist es um den vegetativ-tierisches Gedeihen bewirkenden Blick der Göttin (V. 129–131) bestellt. Dasselbe Motiv kommt Funktion ist aber keineswegs nur mit Osten, sondern – wie aus Petrovic’ Überblick hervorgeht – eher mit Westen verbunden. 26 Köhnken 2004, 170 schreibt also zu Recht: Artemis’ Funktion als Stadtgöttin wird aus dem ursprünglichen Kompetenzbereich einer Göttin der freien Natur abgeleitet (in Bezug auf die Gründung des Artemistempels von Ephesos durch die Amazonen). Petrovic 2007, 209–220, die die in Ephesos kultivierte städteschützende Artemis als Fluchtpunkt der Entfaltung der Göttin und die Episode als Krönung des auf diese ‚Entwicklung‘ der Protagonistin hin angelegten Hymnos ansieht, beachtet nicht, dass die – übrigens auch von ihr (210–212 und 215 f.) bemerkte – starke Rivalität der ephesischen Artemis mit dem delphischen Apollon ihre Funktion qua πολιάς restlos erklärt. Ephesos erscheint im Gedicht kaum als angebliches Zentrum und Wahrzeichen des Idealtyps einer städtisch zugeschnittenen Artemis (217–220), sondern einfach als ein Weltwunder und sehr bekannter Kultort der Göttin (so bereits Kuiper 1898 II 29). Außerdem wird der ephesische Kult eher aus den naturhaften Anlagen der Göttin abgeleitet (das Standbild der Göttin ist ein naturbelassenes βρέτας [V. 238 f.], der Reigentanz [V. 240–242] ein Motiv, das seinen Ursprung im Tanz der Göttin inmitten ihrer Nymphen hat, der strafend-schützende Bogen [V. 258] gehört von Haus aus der Jägergöttin zu), und nicht als etwas radikal Neues, auf das die Göttin zusterbte, artikuliert. Ephesos wurde schon von Couat 1882, 219 f. als teleologischer Höhepunkt angesehen und seine Ansicht von Maass 1890, 403 f. zu Recht getadelt. Allerdings hat Stephens’ Ansicht (2015, 19 f.) einiges für sich, dass auf die vorrangige Darstellung von Ephesos die enge Verbindung dieser Stadt mit Arsinoe II. eingewirkt haben dürfte (so neulich auch Brumbaugh 2019, 212– 216).

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auch im Apollon-Hymnos auf den Blick des Gottes bezogen vor: ῥεῖά κε βουβόσιον τελέϑοι πλέον, οὐδέ κεν αἶγες / δεύοιντο βρεφέων ἐπιμηλάδες, ᾗσιν Ἀπόλλων / βοσκομένῃσ᾽ ὀφϑαλμὸν ἐπήγαγε· (h. 2. 50–52).27 Wenn Artemis primär eine Naturgottheit ist, dann muss ihre städteschützende Funktion als Angleichung an Apollons Charakterisierung verstanden werden, wo Apollon als Νόμιος in rustikalem Kontext erscheint (V. 50–52), unmittelbar danach aber zum Stadtgründer avanciert (V. 55–79).28 Das heißt: Artemis tut es Apollon nicht nur gleich, sondern überbietet ihn, wenn sie ihren Blick nicht dem Lande, sondern der πόλις dienstbar macht.29 So kommt es zu dem eigentümlichen Gebilde, dass der typisch städteliebende Gott Apollon in h. 2. 50–52 im ländlichen Ambiente als wirksam blickend geschildert wird, während Artemis, die typischerweise Göttin der freien Natur ist, mit ihrem Blick im Zusammenhang ihrer Tätigkeit qua πολιάς erscheint (h. 3. 129–131). Gibt es wohl über die Geschwisterrivalität hinaus einen tieferen Grund für diese bemerkenswerte Vorstellung, die so anders veranlagte Gottheiten wie Apollon und Artemis gemeinsam haben? Der Blick des Gottes ist eine althergebrachte Vorstellung, er wird aber nie als konkrete Fruchtbarkeit bewirkend dargestellt.30 Kallimachos dürfte beim Motiv des vegetativen Gedeihens durch eine homerische Stelle (τ 109–114) angeregt worden sein, an der in Form eines Gleichnisses das uralte Bild des gottesfürchtigen (V. 109: ϑεουδής) Königs (sog. ‚sakrales Königtum‘) 27 Vgl. Vahlen 1896, 811 und Knight 1993, 207. 28 Zur Aspektverschiebung vom rustikalen Thessalien (‚Hirtendienst‘) über Delos (‚Altarbau‘) hin zum urbanen Kyrene (‚Stadtgründung‘) vgl. Acosta-Hughes/ Stephens 2012, 157, die sich erfreulicherweise jeder teleologischen Formulierung enthalten. 29 Wenn nach Petrovic’ Ansatz Artemis primär eine Stadtgöttin sein sollte, wäre es Apollon, der in h. 2. 50–52 einschließlich seines vegetativen Blicks dem Bild von Artemis in h. 3. 129–131 angeglichen erschiene. Dies liefe aber der Dynamik der Geschwisterrivalität (Artemis im Überbietungskampf mit Apollon, nicht umgekehrt) zuwider und würde zu einer unerwünschten Antiklimax führen. Zur Verwandlung der Artemis zu πολιάς im Kultus durch Angleichung an Apollon vgl. Schreiber 1884, 584 f. 30 Zur Aufsicht der Götter über die Menschen bei Homer und Hesiod vgl. Adorjáni 2011a, 154–159. Einzigartig und vereinzelt bleibt die Schilderung des fruchtbaren Gedeihens infolge der Wirkung der Eumeniden bei Aischylos (Eum. 938–948), aber da sind die zuständigen Gottheiten chthonischer Art, während sie bei Kallimachos ihren olympischen Charakter nicht verleugnen. Die chthonische Herkunft der Fruchtbarkeit möchte der Grund dafür sein, dass den Olympiern kein vegetativen Segen spendender Blick zugewiesen wird. Pindars Fragment 153 (V. 1 f.: δενδρέων δὲ νομὸν Διώνυσος πολυγαϑὴς αὐξάνοι, / ἁγνὸν φέγγος ὀπώρας) könnte auch eine Ausnahme darstellen und Dionysos als Vegetationsgottheit mit Fruchtbarkeit bewirkendem Licht (~ Blick) präsentieren (wenn sich die Apposition ἁγνὸν φέγγος ὀπώρας auf ihn und nicht – was auch gut möglich ist – auf den νομόν bezieht), aber der mangelnde Kontext und die syntaktische Unsicherheit mahnen zur Vorsicht.



3. Gestalt und kultischer Aufgabenbereich der Artemis

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aufscheint, der durch seine gottgefällige Führung (V. 111: εὐδικίας; V. 114: ἐξ εὐηγεσίης) unter anderem die Fruchtbarkeit von Erde, Baum und Vieh bewirkt. Hier kommt allerdings das Motiv des Blicks nicht vor, und die ganze Passage bezieht sich auf das Tun und Lassen des tadellosen Monarchen. Es hat Einiges für sich, zu vermuten, Kallimachos habe den beiden Stellen (h. 2. 50–52 und h. 3. 129–131) das ubiquitäre Konzept des göttlichen Blicks zugrundegelegt und dies mit der vegetatives Gedeihen bringenden Tätigkeit des vollkommenen Herrschers aus τ 109–114 verquickt.31 Dies würde aber bedeuten, dass die Gestalt der Artemis – wie expliziterweise auch die Apollons – eine zeitgenössische Dimension hat, aber keine kultische – im Sinne von Petrovic –, sondern eine höfische, die der Verherrlichung der gleichsam göttlichen Regierung des alexandrinischen Herrscherpaars dient. Diese Bedeutungsebende des Hymnos und der Artemis-Gestalt erfordert jedoch eine eigene Untersuchung, die erst im fünften Kapitel geleistet werden kann. Bisher haben wir aus der Struktur des Hymnenbuchs für die literarische Konzeption der Artemis πολιάς argumentiert. Abschließend sollen außerhalb des Werks des Kallimachos liegende Aspekte berücksichtigt werden. Dass Artemis in der literarischen Tradition fast ausschließlich als jungfräuliche Jägerin erscheint, ist kein Grund, die Motivation des Kallimachos für die städtische Artemis in nicht-literarischen Einflüssen suchen zu wollen, da der hellenistische Dichter auch in einer Art Kontrastimitation auf die dichterische Überlieferung reagiert und diese korrigiert haben dürfte. Mithin möchte ihn die äußerst spärlich fließende Tradition der städtischen Artemis bewogen haben, diese Tradition erst zu schaffen. Dabei dürfte er durchaus als Philologe ans Werk gegangen sein und jene kärglichen Belege, die heute einen Anhaltspunkt für Artemis πολιάς bieten, mit heißem Bemühen studiert haben. Über Anakreons Fragment (fr. 348 PMG) hinaus, das wir schon behandelt haben, verdient der homerische Aphrodite-Hymnos besonderes Interesse, in dem es heißt, Artemis’ Augenmerk gelte neben ihrem üblichen Zeitvertreib (Jagd und Chortanz) der δικαίων … πτόλις ἀνδρῶν (V. 20). Nach Petrovic sei dies keine Parallele zum kallimacheischen Artemis-Hymnos, da es hier um eine bestimmte Stadt, wohl Troja, gehe.32 Es ist aber näherliegend, πτόλις mit Faulkner als einen generischen Singular aufzufassen, der eine durchaus enge Parallele zu Kall. h. 3. 122 darstellt.33 Außerdem ist eine Bemerkung Menanders des Rhetors beachtenswert, der hinsichtlich der ὕμνοι κλητικοί 31 Zum Motiv des göttlichen Blickes als einer Metapher der königlichen Obhut vgl. Adorjáni 2018a, 406–408. 32 Petrovic 2010b, 215: One could perhaps conclude that it is one particular city whose upright men were dear to Artemis. Judging on the basis of her role in the Iliad, perhaps it is Troy. Vgl. auch dies. 2007, 204 f. (angesichts des mutmaßlichen Entstehungsortes des homerischen Hymnos wohl eine kleinasiatische Stadt). 33 Faulkner 2010, 56: The case for direct imitation is strengthened by the rareness of Artemis’ connection with just cities in literature, and the collective singular π(τ)όλις

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Alkman heranzieht, der Ἄρτεμιν ἐκ μυρίων ὀρέων, μυρίων δὲ πολέων, ἔτι δὲ ποταμῶν ἀνακαλεῖ (Rhet. Gr. III 334. 29 f. Spengel).34 Unbeschadet aller Unbestimmtheit dieses Zeugnisses darf als wahrscheinlich angenommen werden, dass die literarische „Beurkundung” der städteliebenden Artemis ausgiebiger war, als wir sie heute bezeugt finden, und dass Kallimachos sich nicht sollte genötigt gesehen haben, durch die lebensweltliche Realität inspiriert worden zu sein.35 Diese Meinung kann aber auch dann (und vor allem dann) geltend gemacht werden, wenn Artemis πολιάς die Ausnahme in der literarischen Tradition darstellte, was auch sehr wahrscheinlich ist. Wenn nämlich Kallimachos in sprachlich-stilistischer Hinsicht eine ganz ausgeprägte Neigung an den Tag legt, das Unregelmäßige zur Regel zu erheben und im Ausgefallenen zu schwelgen,36 so ist sein unkonventionelles Artemis-Bild ein religiös-mythologisches Pendant zu diesem Bestreben: Aufgrund vereinzelter Belegstellen wird ein ganz neuer kultischer Aspekt der Göttin aufgebaut und zur Schau gestellt. Wenn Artemis in den Versen 136–141 zu einer Muse ihres eigenen Hymnos verwandelt wird,37 so ist sie auch eine urban-gelehrte Muse des Μουσεῖον, deren Witz und Geistesschärfe den Dichter-Gelehrten nicht zuletzt dazu bewegt, die sie umrankende literarische Überlieferung gegen den Strich zu bürsten und um überraschende Aspekte, wie den der städteliebenden Artemis, namentlich in dem der Binneninvokation vorausgehenden Abschnitt (V. 122–135), zu ergänzen. Kurzum: der urbanitas der Göttin entspricht die urbanitas des Dichters.

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in both cases. Zu den Implikationen des Vergleichs mit dem homerischen AphroditeHymnos vgl. Kapitel I 1, 8 f. Zum Hinweis vgl. Stephens 2015a, 106. Vgl. auch Soph. Oid. T. 161 (Artemis κυκλόεντ᾽ ἀγορᾶς ϑρόνον / εὐκλέα ϑάσσει) und Apoll. Rhod. 1. 312 (Ἀρτέμιδος πολιηόχου) mit Cahen 1930, 100. Vgl. z.B. McLennan 1974 passim, der dies hinsichtlich der im Vergleich zur homerischen untypischen Einrahmungstechnik von direkter Rede beweist und am Ende treffend Giangrande 1970b, 48 zitiert: He [Kallimachos] has developed, within the epic genus, „not what was the norm, but what was the … exception in Homer“. Diese Ansicht geht auf Herters berühmtes Diktum zurück: ... in den Bahnen Homers so un-Homerisch zu sein wie möglich (1929, 50). Vgl. dens. 1931, 447 f. und 1973, 247 f. Dazu vgl. meine Bemerkungen oben und Kapitel I 5, 62–64.



4. Datierung und Sitz im Leben

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4. Datierung und Sitz im Leben Die Entstehungszeit des Hymnos auf Artemis liegt im Dunklen, so dass die Forschung zu resignieren scheint.1 Ich teile diese agnostische Einstellung nicht, obwohl es keinem Zweifel unterliegt, dass eine exakte Datierung mangels historischer Anspielungen im Gedicht prinzipiell ausgeschlossen ist. Trotzdem will mir scheinen, dass eine eingehende Untersuchung des Verhältnisses des Hymnos zu anderen Gedichten, die sich zeitlich etwas besser festlegen lassen, zu einer annähernden Zeitbestimmung desselben führen kann.2 Im Folgenden wird also die relative Chronologie des Artemis-Hymnos im Verhältnis zum Hymnos auf Delos (h. 4) und zwei Episoden jeweils im ersten und dritten Buch der Aitien untersucht. Der Hymnos auf Delos ist das einzige Gedicht im Buch der Hymnen, das einen expliziten Hinweis auf ein historisches Ereignis enthält. Im Rahmen der Prophezeiung Apollons aus dem Mutterleib Letos (h. 4. 162–195) fällt die Anspielung auf den Plünderungsversuch des Heiligtums in Delphi durch die keltischen Horden (V. 171–187). Ihre schmähliche Niederlage infolge der beschirmenden Anwesenheit Apollons wird mit ihrer totalen Vernichtung am Nil durch Ptolemaios Philadelphos parallelisiert (V. 177a–188). Nun kann der Angriff auf Delphi auf 279 v. Ch., der endgültige Sieg über die Angreifer in Ägypten auf das Jahr 275/274 v. Chr. datiert werden.3 Angesichts der Tatsache, dass der Sieg des Ptolemaios als militärische Leistung weder aus zeitgenössischem Blickwinkel noch im historischen Rückblick besonders spektakulär war, liegt es nahe, die Abfassung des Hymnos möglichst nah an dies Ereignis zu rücken, da so die Zeitnähe des Geschehnisses seine substanzielle Unwichtigkeit aufwiegen konnte.4 So dürfte der Hym1

Vgl. die Darstellung bei Bornmann 1968, VII–XI, der einer Spätdatierung (nach 246 v. Chr.) zuneigt. Seine Ansicht teilt auch Bulloch 1985a, 43 (sein Schluss ist ebenfalls nicht stringent). Im Folgenden werde ich für eine Frühdatierung argumentieren. 2 Man kann präziser sein als zuletzt Stephens 2015a, 19 f., die die Prämisse der Nachzeitigkeit des Artemis-Hymnos gegenüber dem auf Delos (s. gleich unten) nicht akzeptiert und so zu einem sehr breiten Zeitraum kommt (zu Lebzeiten Arsinoes von ihrer Ehe mit Lysimachos bis 270 v. Chr. oder nach ihrem Tod von 262 bis 255 v. Chr.), wobei die Eckdaten der Spätdatierung (so bereits Perrotta 1925–1926, 110–114) der Periode des von den Ptolemäern beherrschten Ephesos entspricht. Vgl. auch Brumbaugh 2019, 216. 3 Zu den historischen Realia und ihrer poetischen Aufarbeitung vgl. das nächste Kapitel, das die Widerspiegelung zeitgemäßer Ereignisse im unzeitgemäßen Mythos eingehend behandelt. 4 Dies bedeutet jedoch pace Radke 2007, 180 f. bei weitem nicht, dass Kallimachos den Sieg als etwas Bedeutungsloses desavouiert hätte. Der angebliche Kontrast zwischen ἔργον (Leistung des Königs) und λόγος (dichterische Würdigung) kann auch nicht bestehen, wenn das Enkomion ernst zu nehmen ist.

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nos bereits im Jahre 274 v. Chr. oder nicht viel später geschrieben worden sein.5 Es ist kaum zu verkennen, dass diese Galater-Schlacht eine Parallele in der Schilderung der durch Artemis erwirkten Niederlage des von Lygdamis angeführten Kimmerierheeres vor dem Tempel von Ephesos (V. 251–258) findet.6 In beiden Fällen geht es um die Invasion eines verwegenen Volksstamms vom äußersten Ende der Welt, der östlichen Kimmerier im dritten Hymnos, der westlichen Kelten im vierten, denen keine Rückkehr in ihr Land vergönnt wird (h. 3. 255–558: οὐ … ἔμελλεν / … παλιμπετές … / νοστήσειν ~ h. 4. 184: κακὴν ὁδόν), da sie aus Vermessenheit (h. 3. 251 f.: ἠλαίνων … / Λύγδαμις ὑβριστής; 255: ἆ δειλὸς βασιλέων, ὅσον ἤλιτεν ~ h. 4. 174: ὀψίγονοι Τιτῆνες; 183: ζωστῆρας ἀναιδέας; 184: Γαλάτῃσι … ἄφρονι φύλῳ) den Angriff gewagt haben.7 Die übermäßig große Anzahl der Feinde schildert Kallimachos in beiden Hymnen durch sehr ähnliche Bilder (h. 3. 253: ψαμάϑῳ ἴσον ~ h. 4. 175: νιφάδεσσιν ἐοικότες ἢ ἰσάριϑμοι / τείρεσιν). Beide Male werden sie jeweils von einem Gott, Artemis und Apollon, besiegt: h. 3. 258 beschirmen Artemis’ τόξα den ephesischen Tem-

5 Ähnlich Mineur 1984, 17 f. (nach seiner Hypothese [10–16] sei das Gedicht als Geburtstagsgeschenk für Ptolemaios konzipiert und im Rahmen einer höfischen Genethliakon-Feier am 7. März 274 aufgeführt worden) und Cameron 1995, 262 (275–274 v. Chr.). Zuletzt auch Barbantani 2011, 196. Bing 1988, 92 f. lässt eine viel breitere Zeitspanne zu (mit dem Jahr 259 v. Chr. als terminus ante quem), so dass seiner Ansicht nach nur feststeht, dass der Hymnos einer zuversichtlichen ägäischen Expansionspolitik der Ptolemäer das Wort redet. Hose 1997, 60 f. erwägt ein Szenario, nach dem Theokrits Ptolemaios-Enkomion (id. 17), das sämtliche Enkomien-Topoi mit dem Delos-Hymnos gemeinsam hat, ebenfalls zwischen 274 und 270 v. Chr. verfasst worden wäre. Die etwas vage Ähnlichkeit taugt aber zu keinem Anhaltspunkt für die Datierung, geschweige denn für die Festlegung der Priorität (vgl. Bing 1988, 93 Anm. 7). Dass die Einführung des ϑεοὶ-ἀδελφοί-Kultes im Jahre 272/71 v. Chr. die Datierung nicht beeinflusst, da Ptolemaios schon vor diesem Ereignis als ϑεὸς ἄλλος (h. 4. 165) bezeichnet werden konnte, hat Mineur 1984, 16 f. bewiesen (vgl. auch Bing 1988, 92 Anm. 3). Griffiths 1977–1978 passim argumentiert mit ähnlicher Beweisführung für 271 v. Chr. als terminus ante quem (und will Theokritos in rebus aulicis als Kallimachos-Nachahmer ausweisen). 6 Vgl. Cahen 1930, 148, Bing 1988, 127 Anm. 57, Plantinga 2004, 264, Ambühl 2005, 280, Schlegelmilch 2009, 216 und neulich Barbantani 2011, 196 (vgl. auch dies. 2001, 193). Meillier 1979, 113 f. trägt in dieser Hinsicht Bedenken, da ihn die Strafe der Hybris nach einem konventionellen hymnischen Motiv anmutet (ansonsten sieht er im Artemis-Hymnos nichts, das an Herrscherpanegyrik erinnerte). Aber die sachliche Übereinstimmung und die parallelen Formulierungen sprechen dagegen. 7 Zur Parallelisierung der beiden Ereignisse vgl. Ukleja 2005, 250–252. Im Artemis-Hymnos steht der verblendete König als persönlicher Feind der Göttin im Vordergrund (deshalb der zweite Teil der Episode [V. 255–258] als Apostrophe an Lygdamis adressiert), während im Delos-Gedicht Brennus gar nicht erwähnt wird und die Schuld dem Kollektiv zugeschrieben wird.



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pel, h. 4. 184 bleiben die Waffen der Gegner (ἀσπίδας) als Siegeszeichen8 im Lande. Offenkundig hat Kallimachos die durch das historische Geschehnis des Keltenkampfes inspirierte längere Beschreibung im Delos-Hymnos für die Lygdamis-Episode im Artemis-Hymnos verwertet und ihre Motive rekapituliert.9 Dann aber ist das Jahr 274 v. Chr. terminus post quem für den dritten Hymnos.10 Berücksichtigt man weiterhin zwei sachliche Parallelen des ArtemisHymnos mit den Aitien, so gelangt man zu einem terminus ante quem. In h. 3. 161 wird en passant hinsichtlich der unbändigen Essgier des Herakles auf Theiodamas hingewiesen. Die Begegnung mit dem unwirschen Dryoperkönig steht im Mittelpunkt einer Episode im ersten Aitienbuch (fr. 24–25d Harder). Es ist naheliegend, dass der Dichter mit dem flüchtigen Hinweis des Hymnos auf die frühere, länger ausgeführte Bearbeitung in den Aitien anspielen wollte.11 Gerade umgekehrt verhält es sich mit einer zweiten Entsprechung. Lygdamis wird im Vers 252 des Artemis-Hymnos erwähnt, und – wie oben gezeigt wurde – wird seine Geschichte etwas länger ausgeführt (V. 251–258). In der Akontios-Elegie aus dem dritten Buch der Aitien findet sich dann ein flüchtiger Hinweis auf den Konflikt zwischen Lygdamis und Artemis (fr. 75. 23). Folglich dürfte sich Kallimachos im dritten Aitienbuch auf die frühere, ausführlicher erzählte Lygdamis-Episode im dritten Hymnos bezogen haben. Aufgrund dieser beiden Beobachtungen stellt sich die relative Chronologie der drei Werke folgendermaßen dar: Aitien I (TheiodamasGeschichte), Hymnos 3 (Theiodamas-Allusion, Lygdamis-Geschichte), Aitien III (Lygdamis-Allusion in der Akontios-Elegie).12 Da wir durch den Delos-Hymnos schon einen terminus post quem festgelegt haben, muss uns die Abfassungszeit der Theiodamas-Geschichte nicht kümmern. Wenn aber Cameron Recht haben sollte, dass die ersten Vgl. die die Episode umrahmenden Worte ἄεϑλος (V. 171) und ἀέϑλια (V. 187). Herter 1931, 441 und 1973, 236 f. meint, die Kimmerier-Episode sei unmittelbar durch die Erregung über die Keltengefahr in Kleinasien inspiriert worden (so bereits auch Couat 1882, 222 und Kortz 1902, 36 f.; skeptisch Mair 19552, 26 und Bornmann 1968, VIII), bestreitet aber das Postulat einer zeitlichen Nähe. 10 Vgl. Barbantani 2011, 196: Hymn 3 and 4 may have been composed in the same period. 11 So bereits Ardizzoni 1932, 40 (il poeta diventa ... scoliasta di sè medesimo), Ambühl 2005, 293 Anm. 298 und Bornmann 1968, X. Dies bedeutet auch, dass die hübsche Schilderung des an den Brustzotteln sich festklammernden Hyllos in derselben Aitien-Episode (fr. 24. 1–3) auf eine ähnliche Pointe im Artemis-Hymnos mit der Göttin an den Brusthaaren des Kyklopen (h. 3. 76 f.) eingewirkt hat (vgl. insbesondere fr. 24. 3: δραξάμενος ~ h. 3. 76: ἐδράξαο). 12 Das Verdienst gebührt Harder 2012 I 22 Anm. 62, diese Reihenfolge vermittels derselben Beweisführung erkannt zu haben (als Nebenbeweis für die Doppelredaktion der Aitia). Zur Abfolge ‚Hymnos 3 – Aitia III‘ angesichts der Lygdamis-Episode/ Erwähnung vgl. auch Cahen 1930, 149. 8 9

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beiden Bücher der Aitien um 270 v. Chr. erschienen sind,13 dann könnte wohl eine Elegie vom Anfang des ersten Buches14 vor dem Jahre 274 geschrieben worden sein, oder ungefähr um dieses Jahr, wenn der Hymnos später kam. Könnte man hingegen etwas Genaueres über die Entstehungszeit der Akontios-Elegie aussagen, wäre der erwünschte terminus ante quem gewonnen. Cameron hat für die Zeitspanne 279–274 argumentiert,15 was – wenn es zuträfe – fatal für die oben dargestellte Reihenfolge wäre. Deshalb müssen wir seine Beweisführung etwas eingehender untersuchen, was ergeben wird, dass eine andere Datierung der Elegie Acontius et Cydippe, die Cameron auch in Erwägung zieht, viel wahrscheinlicher ist. Zunächst einmal stellt er zwei Hypothesen auf, denen wir ohne Vorbehalt zustimmen können: (1) Er setzt zu Recht voraus, dass Kallimachos seine Aitien sogar zwei Jahrzehnte früher (also praktisch durch seine reife Lebensphase hindurch) geschrieben haben mochte, bevor sie später jeweils in zwei Bücherausgaben gesammelt und angeordnet wurden (270 v. Chr. Aitien I–II, 245 v. Chr. Aitien III–IV).16 (2) Was die Akontios-Elegie betrifft, erachtet er den abgebrochenen Hinweis auf die Ehe des Zeus mit Hera (fr. 75. 4 f.) als den einzigen Anhaltspunkt für die Datierung des Gedichts, denn in diesem kann man eine ironische Anspielung auf die Affäre des Sotades, der sich durch seine frevelhafte Narrenfrei13 Cameron 1995, 158 (mit Prolog), 249 f. und 262. Harder 2002a, 601 f. moniert die spekulative Beweisführung bei dieser Datierung. Ihre Kritik ist berechtigt, aber das Datum für die Erscheinung von Aitien I–II (mit oder ohne Prolog) könnte ungefähr richtig sein. Bei unserer Argumentation kommt es allerdings auf dieses Eckdatum nicht an, da nur vorausgesetzt wird, dass die Theiodamas-Episode in Aitien I früher entstanden ist als der Artemis-Hymnos. Auf jeden Fall dürfte man das Erscheinungsdatum von Aitien I–II nicht später ansetzen als etwa 268 v. Chr., wenn die Akontios-Elegie, die wir dem Jahr 267 zuordnen können, schon im Zusammenhang der Aitien III–IV sollte geschrieben worden sein. 14 Dies ist nur relevant, wenn der Dichter die Elegien in annähernd derselben Reihenfolge zu Papier brachte, in der sie dann in Buchform erschienen sind. Das gerade ist aber alles andere als gesichert, weder für Aitien I–II noch für III–IV. 15 Cameron 1995, 262. 16 Cameron 1995, 255: The two installments of the Aitia were separated by a quarter of a century. We can hardly believe that Callimachos wrote no aetiological elegies during all this time. Ähnlich bereits schon Eichgrün 1961, 175 und Parsons 1977, 50. Richtig vergleicht Cameron dieses Vorgehen mit der Entstehungsweise der Hymnen und des Hymnenbuches. Daselbst (255) heißt es: Some of the 25 odd elegies included in Aetia III-IV must have been composed at intervals between 270 and 245. So kann er unter anderem die Wirkung einiger Elegien auf Apollonios erklären, z.B. hatte die Episode der Ancora Argus bei Arg. 1. 953–960 Pate gestanden, bevor sie in Aitien IV (fr. 108–109a Harder) Einzug gefunden hat. Ebenso hat die Beschreibung der etesischen Winde in der Akontios-Elegie (Ait. fr. 75. 34–37) die längere aitiologische Geschichte bei Apollonios (Arg. 2. 498–527) beeinflusst (256). Zur Synkrisis der beiden Passagen vgl. Eichgrün 1961, 119–124, zu denselben und zugleich dem Ancora-Aition bei Kallimachos und Apollonios vgl. Köhnken 2003 passim.



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heit die grausamste Todesstrafe zugezogen hatte, entdecken.17 Zwei schwere Beleidigungen, die Sotades sich gegenüber Philadelphos erlaubt hatte, sind dabei als Hintergrund der kallimacheischen Formulierung in Betracht zu ziehen: der Affront gegen den König anlässlich der Geschwisterehe18 und/ oder die Brüskierung desselben hinsichtlich seiner Liaison mit Bilistiche, was am Ende die Bestrafung des Dichters nach sich zog. Im ersteren Fall wäre das Datum der betreffenden Elegie zwischen 279–274 v. Chr. anzusetzen, im letzteren wohl im Jahre 267 v. Chr.19 Angesichts der Hypothese (1) ist nichts natürlicher, als dass eine Elegie (hier Acontius et Cydippe) mehr als zwanzig Jahre vor ihrer Erscheinung in Buchform als Teil der Aitien III–IV entstanden ist. Es fragt sich nur, ob 279–274 oder aber 267 v. Chr. das wahrscheinlichere Datum ist. Cameron entscheidet sich für die frühere Datierung, weil mit der späteren – meint er – weniger zu erklären sei, warum nicht auf die unmittelbar vorausgehende Bilistiche-Affäre angespielt wird.20 Mit dieser Annahme muss aber Cameron erklären, warum diese Elegie, wiewohl vor 270 entstanden, nicht in Aitien I–II integriert worden war. Er meint, diese Elegie habe eine ganz andere Erzählstruktur, als die in den ersten beiden Aitienbücher, so dass sie warten musste, bis sie in Aitien III Platz gefunden hatte.21 Dass die Akontios-Elegie aufgrund ihrer andersartigen Struktur kaum in den Musendialog der Aitien I–II passt, ist vollkommen richtig, aber die unvoreingenommene Erklärung dafür ist, dass sie nach 270, der Publikation der ersten beiden Aitienbücher, geschrieben worden ist, als Kallimachos nicht mehr im Zusammenhang eines Musendialogs seine Ursprungsgedichte konzipierte. So ist das Datum 267 eigentlich ansprechender. Dass der Seitenhieb auf Sotades einen zeitlich weiter (aber kaum in grauer Vorzeit) zurückliegenden Affront heraufbeschwört, bereitet keine Schwierigkeiten, da die Beleidigung des königlichen Ehepaars einen frecheren Verstoß gegen höfische Normen bedeutete

17 Zu dieser Allusion vgl. Pretagostini 1984, 146 f. Ausführlicher dazu Lorenzoni 2001, 222–227. 18 Vgl. Sotad. fr. 1 CA (p. 238) und Fraser 1972 I 117 f. (II 210 Anm. 206 mit anderer Datierung als hier angenommen). 19 Cameron 1990, 300 f. und 1995, 257. Zum historischen Hintergrund und Datum (Frühling des Jahres 266 v. Chr.) der Hinrichtung des Sotades vgl. Launey 1945 passim (vor allem 43). Harder 2012 II 585 ad fr. 75. 4, die sonst ziemlich kritisch Camerons Kombinationen gegenübersteht, hält die Nähe zur Hochzeit von Ptolemaios und Arsinoe für möglich, aber kaum für verbindlich (die andere Alternative Camerons zieht sie nicht in Erwägung). So lässt sie die Datierungsfrage bei einem non liquet bewenden (II 545). 20 Cameron 1995, 257: On balance we should probably date the Cydippe soon after Sotades’s poem on Arsinoe, which in turn immediately followed the royal wedding in 279/174. 21 Cameron 1995, 261.

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und wohl als emblematisch für Sotades’ Schmähsucht galt.22 Dass er sich dadurch die Todesstrafe zuzog, scheint durch das Sprichwort ὡς ἐτεὸν παῖς ὅδε μαῦλιν ἔχει (Ait. fr. 75. 9) angedeutet, das auf eine tödliche Gefahr verweist, der Kallimachos geschickt aus dem Wege geht. Diese Allusion würde aber positiv für das Jahr der Hinrichtung des Sotades (267 v. Chr.) sprechen. Darüber hinaus konnte durch den Hinweis auf den ἱερὸς γάμος des Zeus und der Hera das Ereignis so gedeutet werden, dass die dem Ton der Elegie angemessene Stilhöhe bewahrt wurde. Camerons Nebenargument (zugegebenermaßen ein argumentum e silentio) für die frühere Datierung besagt, dass im 267 v. Chr., im ersten Jahr des Chremonideischen Kriegs, ein Hinweis auf die aktuelle Sternstunde für die Geschicke der Insel Keos zu erwarten wäre.23 Eine derartige Aktualisierung wäre aber im Gegenteil nicht nur auf eine des Kallimachos unwürdige Weise servil, sondern angesichts der Struktur der Aitien auch ungeschickt gewesen, da die zeitgenössischen Ereignisse mit Bedacht am Anfang und am Ende der Aitien III–IV platziert werden. Ähnlich forciert und ganz unverbindlich ist sein Hinweis, die flüchtige Erwähnung der Telchinen in dem 275–274 v. Chr. entstandenen Hymnos auf Delos (h. 4. 31) sollte unter Einfluss der mit der Akontios-Elegie verknüpften Xenomedes-Lektüre (Ait. fr. 75. 64 f.) stehen.24 Da beide Stellen der Telchinen nur im Vorübergehen gedenken, ist die Reihenfolge der Gedichte kaum danach zu bestimmen. So kann die Akontios-Elegie ebenso gut auf den Delos-Hymnos folgen.25 22 Launey 1945, 45 erwägt die Möglichkeit, dass der Kinädologe in erster Linie wegen der Verunglimpfung der Arsinoe II. bestraft wurde. Die Affäre im Jahre 267 v. Chr. wäre also nur ein Katalysator gewesen. 23 Cameron 1995, 258: Nobody likes arguments from silence, but if Callimachus had been writing after 267, it is hard to believe he could have failed to mention so unexpected a change in the status of Ceos, under the auspices of a principal patron of his own early poetry. Given the structure of the epilogue, it would not have been hard to slip in a reference to the future dynastic refounding of Koresia, most simply and neatly in the form of a prophecy in mythical times (a device he was to use for the “future” birth of Philadelphus in Hymn to Delos 188). Seine Interpretation (259) des fünften Epigramms (‚Nautilus-Gedicht‘) vor dem Hintergrund des Chremonideischen Krieges ist viel einleuchtender. Dass Arsinoe II. im Vorjahr dieses Krieges (268 v. Chr.) noch am Leben hätte sein sollen, bevor sie in demselben Jahre starb (258: Arsinoe must still have been alive during the diplomatic preliminaries and preparations for the war), ist alles andere als gesichert. 24 Cameron 1995, 267: It was because the Telchines were in his mind from reading Xenomedes that they sprang too readily to his pen while writing the Hymn. 25 Das negative Bild der Telchinen in dem Prolog (nach Cameron aus dem Jahre 270 v. Chr.) spielt m.E. keine Rolle in diesem Zusammenhang, denn es ist kaum glaubwürdig, dass Kallimachos – wie Cameron 1995, 260 es will – nach dem Prolog die Telchinen nicht mehr wertneutral erwähnt haben konnte, wonach die AkontiosElegie, in der sie andeutungsweise vorkommen (fr. 75. 64 f.), nicht später als 270 v. Chr. zu datieren sein dürfte.



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Wenn für die Akontios-Elegie das wahrscheinlichste Datum 267 v. Chr. ist, dann bleibt die oben ermittelte Reihenfolge ‚Aitien I, Hymnos 3, Aitien III‘ widerspruchsfrei bestehen. Damit ergibt sich als terminus ante quem für den Artemis-Hymnos das Jahr 267. Das nächste Kapitel, das für einige Verbindungen der Artemis-Gestalt mit Arsinoe II. plädiert, wird dann diesen terminus ante quem um drei Jahre hinaufrücken. Denn Arsinoe II. dürfte zur Zeit der Abfassung des Hymnos noch am Leben gewesen sein, womit sich als untere Grenze der Sommer des Jahres 270 v. Chr. ergibt. Fasst man die Ergebnisse dieser beiden Kapitel in puncto Datierungsfrage zusammen, gelangt man zu der Periode 274–270 v. Chr. als wahrscheinlichster Entstehungszeit des dritten Hymnos zu Ehren der Göttin Artemis. Dies ist auch mit Blick auf die Beeinflussung durch die Galater-Passage im Delos-Hymnos, von der wir in der Beweisführung ausgegangen sind, plausibel, da die zeitliche Nähe die Wahrscheinlichkeit einer sachlich-textuellen Allusion erhöht.26 Wenn diese Datierungshypothese stichhaltig ist, könnte man über den ‚Sitz im Leben‘ nachdenken, den der Artemis-Hymnos in der literarischen und höfisch-gemeinschaftlichen Öffentlichkeit innehaben dürfte. Die folgenden Erwägungen versuchen einerseits, über den etwas starren Gegensatz ‚Lesehymnen‘ vs. ‚Kulthymnen‘27 hinauszukommen, da die dadurch festgelegten Extreme der nuancenreichen Wirklichkeit der hellenistischen Literaturpraxis kaum gerecht werden. Andererseits muss höfische Dichtung trennscharf von Gelegenheitsdichtung unterschieden werden, denn der Dichter kann auf höfische Sachverhalte Bezug nehmen, ohne das Gedicht auf ein bestimmtes Darbietungsszenario festzulegen.28 So bleiben die höfischen Bezüge einiger Hymnen (h. 1, h. 2., h. 3., h. 4) als zeit- und geschichtsbedingte Allusionen an und für sich aussagekräftig, auch wenn sie an keine konkrete Gelegen26 Aus demselben Grunde müssen die Theiodamas- und Akontios-Erzählung in einem Abstand von wenigen Jahren zum Artemis-Hymnos entstanden sein. Die oben erzielte Datierung erfüllt dieses Kriterium. 27 Zu einer dezidierten Stellungnahme für die Bestimmung der Hymnen als einer epideiktischen Rezitations- und Lektüreliteratur vgl. Legrand 1901 passim (anhand von h. 2, 5, 6), Wilamowitz 1924 I 118 f. (mit Nachdruck auf dem lebendigen Hintergrund), Cahen 1929, 272 f., 281 f. sowie 277 f. (hinsichtlich des ArtemisHymnos), Herter 1931, 434, Webster 1964, 109, Bornmann 1968, XIII, Hutchinson 1988, 63, Furley 1993, 28 f. und Depew 2000, 78 f. Als Repräsentantin einer heute wieder erstarkenden Forschungsrichtung tritt Petrovic dezidiert für den Kultbezug der Hymnen gegen die fiktionale Interpretation ein: 2007, 116 f. (Kultdichtung als ‚Normalzustand‘ griechischer Dichtung) sowie 124–139 (vornehmlich die mimetischen Hymnen seien „Kultlieder“, die das Ereignis wenn auch nicht zeitgleich beschreiben, so doch annähernd begleiten und kommentieren). Später gibt sie aber selbst zu, dass sich die These, die Hymnen seien in einem kultischen Kontext aufgeführt worden, weder beweisen noch widerlegen lässt (Petrovic 2007, 137). Zu einer klaren Darstellung der Forschungsmeinungen vgl. kürzlich Stephens 2015a, 11 f. 28 So auch Kerkhecker 1997, 125.

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heit gebunden sind, ebenso wie die einen kultischen Anlass beschwörenden Hymnen (h. 2, h. 5., h. 6) nicht ausdrücklich ‚Kulthymnen‘ sein sollen, um in einem locker aufgefassten Zusammenhang des Kultus doch eine kultische Funktion zu haben (z.B. eine Vorlesung auf einem höfischen Symposion nach einer Kulthandlung).29 Auch die profanen Gelegenheiten des ptolemäischen Hofes dürften eine Bandbreite aufgewiesen haben, die dem Dichter verschiedene Anlässe und Aufführungsweisen boten, um vor einer wie auch immer gefächerten Öffentlichkeit Werke höfischen Inhalts zu präsentieren.30 Selbstverständlich ist nicht auszuschließen, dass Kallimachos bei der Ausarbeitung eines dichterischen Konzeptes ursprünglich an ein bestimmtes Aufführungsszenario gedacht haben könnte. Mit einer konkreten Gelegenheit ist außerhalb des Hymnenkorpus bei Gedichten wie der Coma Berenices (Ait. fr. 110), die später dem ursprünglichen Anlass entfremdet und als Schlussstück der Aitien in einen größeren Komplex integriert wurde, oder der Ektheosis Arsinoes (fr. 228) zu rechnen.31 Da aber in den Hymnen die Hinweise auf zeitgenössische Geschehnisse seltener vorkommen oder keine direkte Zuordnung zu einem historischen Ereignis erlauben, dürfte die Interpretation dieser Gedichte qua ‚Gelegenheitsdichtung‘ in der Regel über Spekulationen kaum hinauskommen.32 Und selbst wenn Kallimachos für einen konkreten Anlass gedichtet hätte, ist bei ihm ein deutliches Bestreben festzustellen, allzu konkrete Hinweise darauf auszugrenzen. Diese Neigung könnte durch zwei, einander komplementär ergänzende Gründe erklärt werden: (1) Kallimachos arbeitet darauf hin, dass ein Hymnos auch bei einer anderen ähnlichen Gelegenheit dargeboten werden kann, wodurch sich seine Gültigkeit als Kunstwerk erheblich steigert (er kann nicht nur auf einem Symposion zu einem bestimmten Anlass, sondern praktisch bei allen Formen höfischen Beisammenseins zum Einsatz kommen).33 Deshalb sollte man den 29 Vgl. Fraser 1972 I 652 f., Cameron 1995, 63–67 (Kultusbezogenheit, wenngleich keine ‚Kultlieder‘ strengsten Sinnes), Acosta-Hughes/Cusset 2012, 128–131 sowie Acosta-Hughes/Stephens 2012, 84–90 (textuell inhärente Möglichkeit, jedoch keine unbestreitbare Wirklichkeit der kultischen Lesart). 30 Weber 1993, 165–184. 31 Die Stellung dieses lyrischen Einzelstücks innerhalb des Gesamtwerks ist umstritten. Zu seiner möglichen Verbindung mit der Victoria Berenices (drittes Stück in der Reihe der μέλη ~ Anfangselegie des dritten Buchs der Aitia) vgl. Prioux 2011, 208. Camerons (1995, 165–173) Hypothese, die als μέλη gruppierten Gedichte zu den Iamben zu zählen, ist alles andere als gesichert. 32 Für einen ganz gelungenen Versuch allerdings, die Gelegenheit eines Hymnos zu bestimmen, halte ich die Argumentation von Clauss 1986 passim. 33 Dieses Szenario setzt Camerons (1995, 63–67) Auffassung voraus, nach der eine performative Darbietung von Hymnen nicht ausgeschlossen werden kann. Die Eliminierung allzu eindeutiger deiktischer Elemente und die damit einhergehende Fiktionalisierung des Konkreten, um damit eine ‚entzeitigte‘ Wirkung zu erzielen, ist ein Zug, der Kallimachos’ Hymnen mit einigen pindarischen Epinikien, bei



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Anlass als konkrete Ursache der ersten Aufführung von der Gelegenheit als einem wiederkehrenden, typischen Aufführungskontext unterscheiden, in dem die Darbietung des Gedichts wiederholt werden kann. (2) Der Dichter kann aber auch unter Annahme eines konkreten Kompositionsanlasses ein späteres Lesepublikum und/oder einen größeren schriftlichen Zusammenhang (~ ‚Buch der Hymnen‘) mit berücksichtigen.34 Wenn man aber davon ausgeht, dass die Hymnen sowohl dem performativen als auch dem Lesekontext gerecht werden konnten, so kann man im Idealfall zwei Schichten der Rezipienten postulieren: (a) das Erstpublikum, aus Angehörigen des Hofes und einigen höher stehenden Repräsentanten des „Volks“ bestehend,35 das bei einer auralen Darbietung die reiche mythologische Aufmachung des jeweiligen Hymnos bewundern konnte;36 (b) das Sekundärpublikum, das in erster Linie Bibliotheksangehörige und – als kleinere Schnittmenge – diejenigen der obigen Gruppe umfasste, die sich ernsthaft mit anspruchsvoller Literatur auseinandersetzen konnten (und wollten). Ihnen war es anhand der geschriebenen Version möglich, den Text genau zu studieren, so dass intraund intertextuelle Zusammenhänge entdeckt und bei wiederholter Lektüre vollauf genossen werden konnten.37

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denen sich ein ähnliches Bestreben beobachten lässt, verknüpft. Zur Analyse eines exemplarischen Falls vgl. Adorjáni 2014a, 56–66. Camerons Aufführungshypothese schließt also in diesem Punkt die auf die Schriftlichkeit abhebende Deutung Bings (1988 passim, aber vor allem 10–48) nicht aus, sondern ergänzt sie. Zu Recht beanstanden Bing 2000, 140–145 und Harder 2002a, 599 f. sowie 606 (vgl. auch dies. 2012 I 3 f.) an Camerons Ansatz, dass er einen einzigen Aspekt verabsolutiert, der der Evidenz, dass es neben Werken, die für die Rezitation/Aufführung vor breiteren Massen bestimmt waren, auch solche gab, die sich an die cognoscenti im Bereich des Museums richteten, nicht gerecht wird. Es ist aber auch gut vorstellbar – wie gleich zu beweisen sein wird –, dass dasselbe Werk den Ansprüchen beider Hörerkreise/Kontexte entspechen konnte. Vgl. auch Petrovic 2007, 180 Anm. 246 (doppelte Rezeption als Kulttexte und Lesehymnen gehört ab ovo zur Konzeption des Dichters). Weber 1993 passim umreißt überzeugend eine breitgefächerte Hofgesellschaft, die ein weites Spektrum an literarischer Bildung und Aufnahmebereitschaft abgedeckt haben soll. Asper 2001, 94 nimmt zu Recht eine ziemlich bunte Gesellschaft als Rezipientenkreis der in Rede stehenden Gattung an: Die Hymnen mag man sich ähnlich vorgetragen denken wie den Adonis-Hymnos in Theokrits Adoniazusen (Id. 15), also im Kontext öffentlich inszenierter Feste. Eine sehr ähnliche Bewandtnis dürfte es mit dem Verständnis des Erstpublikums hinsichtlich eines chorlyrischen Werks (von der Kompliziertheit einer pindarischen Siegesode) gehabt haben. Bei Lektüre verstehe ich allerdings – pace Bing 1993, 189 Anm. 24 – ein lautes Lesen, das Stileigenheiten wie z.B. Alliteration (vgl. h. 2. 1 f. mit Bing 1993, 183) zu ihrem Recht kommen lässt. Asper 2001, 94 unterscheidet ähnlich zwischen Erst- und Sekundärpublikum, ‚kleiner‘ und ‚großer Gruppe‘. Aber erstens sind die Begriffe ,klein‘ und ‚groß‘ etwas irreführend, da der zahlenmäßige Umfang dieser Gruppen unsicher und aus diachroner Sicht wohl nicht konstant gewesen sein dürfte.

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I. Einleitung

Die oben aufgezeigten Verknüpfungen mit anderen Hymnen legen den Schluss nahe, dass die Einzelstücke ihren endgültigen Sinn innerhalb des Hymnenbuches erhalten haben. Dies bedeutet aber, dass sie bereits im zeitgenössischen Kontext unabhängig von dem konkreten Anlass gelesen werden konnten. Wenn aber diese nicht Anlass-spezifische Lesart den Absichten des Autors entspricht, dann sind auch wir, moderne Interpreten, berechtigt, denselben Weg wie unsere antiken Vorfahren zu gehen. Wenn diese theoretischen Erwägungen auf den Artemis-Hymnos angewendet werden, so müssen auch hier Anlass/Gelegenheit und höfische Allusionen streng unterschieden werden. Der ursprüngliche Anlass des Gedichts ist mangels einer eindeutigen historischen Allusion nicht zu bestimmen.38 Zweitens geht er davon aus, dass die Angehörigen des Hofes als Erstpublikum bei einem Symposion oder Dichteragon bereits die Intertextualität der zu Gehör gebrachten Texte würdigen konnten, während ein Lese-, d.h. Sekundärpublikum eher an der identitäts- und gemeinschaftsstiftenden Aitiologie Vergnügen fand (vgl. auch dens. 2004, 20–22). In meiner Sicht war es umgekehrt (Aitiologie/Mythologie für das Erstpublikum/Hörer, Textanalyse für das Sekundärpublikum/Leser), da die Intertextualität erst beim Lesen dürfte apperzipiert worden sein. Dies bedeutet aber nicht, dass der sekundäre Leserkreis nicht zur ‚großen Gruppe‘ werden konnte, wenn sich ihm Mitglieder anschlossen, die – weil Schüler oder weniger gebildet – die Texte weniger professionell-philologisch lasen, d.h. sich damit begnügten, die mythologisch-aitiologischen Sachverhalte und Allusionen aufzunehmen, was typischerweise eher das Ziel eines Zuhörers des mündlichen Vortrags gewesen sein mag. Ähnlich auch Weber 1993, 128 f. und ihm folgend Petrovic 2007, 137–139 (erste Rezeption als eine Art ‚Grobverständnis‘). Vgl. auch Fantuzzi/Hunter 2004, 23. 38 Dazu sind einige Hypothesen formuliert worden, die sich nicht beweisen lassen: Nach Meillier 1979, 107–113 sei der Hymnos anlässlich eines kyreneischen ArtamitiaFestes aufgeführt worden (ähnlich für eine kyreneische Aufführung hat sich Cessi 1899, 363 ausgesprochen, der das Gedicht um 260 v. Chr. ansetzte, da er in der Beschreibung des Friedens [V. 129–135] eine Widerspiegelung des harmonischen Verhältnisses zwischen Kyrene und Alexandrien zu erkennen glaubte; bei einem nicht feindlichen Verhältnis wollte es Weinberger 1892, 214 f. bewenden lassen und daher 273 v. Chr. als terminus ante quem ansetzen). Vgl. auch Maass 1890, 408 f. Er formuliert auch die Hypothese, die ersten drei Hymnen repräsentierten die Phyle-Struktur von Kyrene (Hymnos 1 die arkadisch[-peloponnesisch]-kretische Komponente, Hymnos 2 die spartanisch-theranische, Hymnos 3 die nesiotische). Vgl. auch Acosta-Hughes/Stephens 2012, 5 Anm. 5. Allerdings kommen gerade im Artemis-Hymnos die Inseln nicht besonders zur Geltung. (Dass die Okeaniden in Artemis’ Gefolge die Inseln symbolisieren sollten – wie Maass 1890, 404 will – ist zweifelhaft, aber auf jeden Fall nicht unmittelbar einsichtig, um darauf die These einer ‚nesiotischen‘ Artemis stützen zu können.) Zur Kritik seiner Ansicht vgl. auch Studniczka 1893, 4, Cahen 1929, 384 f. und Mair 19552, 27. Legrand 1901, 312 geht von einer Macrobius-Stelle (Sat. 5. 22. 4 Kaster = Alex. Ait. fr. 4 Magnelli) aus, an der nach Alexandros Aitolos berichtet wird, die Ephesier hätten anlässlich der Gründung des neuen Artemis-Tempels einen Dichterwettbewerb ausgelobt, um die Göttin zu verherrlichen, und dazu Timotheos von Milet ausgewählt (zur Rekonstruktion der Timotheos-Verse vgl. Brussich 1990, 25–32, Ragone 2006,



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Was die Gelegenheit betrifft, ist über die Hypothese nicht hinauszukommen, dass der Hymnos ab ovo so konzipiert wurde, dass er dem Kontext jedes königlichen Gelages, bei dem womöglich das Herrscherpaar anwesend war, entsprechen konnte. Dies könnte bedeuten, dass der Kontext der ersten Aufführung auch ein höfisches Symposion war. Textindiz dafür wäre jene nach dem Mittelteil des Gedichts stehende Szene, in der Artemis auf dem Olymp von Herakles empfangen wird (V. 142–169), in dessen Ermahnungen (V. 153–157) auch das bevorstehende Gelage der Götter angedeutet wird.39 Wenn es dann heißt, Artemis habe neben Apollon Platz genommen (V. 169), soll darauf eine δαίς der Olympischen gefolgt sein,40 die allerdings vom Dichter nicht mehr geschildert wird. Es ist gut möglich, dass Kallimachos durch die olympische Szene ein dichterisches Ebenbild eines Gelages am alexandrischen Hof schaffen wollte, das ein idealer Hintergrund für die Aufführung/Rezitation des Hymnos gewesen wäre.41 Wenn Artemis mit Arsinoe II. gleichgesetzt wird – wofür ich im nächsten Kapitel argumentieren werde –, dann erscheint diese Interpretation noch ansprechender, denn das Bild der Göttin auf dem Olymp würde vorzüglich zur ptolemäischen Königin passen, die bei einem höfischen Souper neben ihrem Gatten Ptolemaios II. (~ Apollon) gesessen haben könnte. Dies ist aber nicht mehr als eine Hypothese, denn die olympische Symposion-Szene könnte eine bloß literarische 74–76 mit verschiedenen Szenarios des Timotheos-Lieds und weiterer Literatur), und sucht den Anlass des kallimacheischen Artemis-Hymnos in einer ähnlichen „Ausschreibung“ späteren Datums. Petrovic 2007, 219 hat viel für diese Ansicht übrig, lässt aber zu, dass sie eine sehr voraussetzungsreiche Annahme ist. Dass der Hymnos im Auftrag von Ptolemaios II. als „Gedenkblatt“ der erfolgreichen Expansionspolitik der Lagiden (258–248 v. Chr.) für ein Artemis-Fest in Ephesos komponiert wurde, nahm schon Couat 1882, 221 f. an (so auch Arata 1904, 26 f.). Er wurde aber von Cahen 1929, 278 f. und 19483, 233 f. zu Recht kritisiert, der allerdings zu weit geht, wenn er dem Gedicht als einer idylle épique die schiere Möglichkeit einer lebensweltlichen Funktion abspricht. Ragone 2006, 76–78 sieht in den Verbindungen Arsinoes mit Ephesos eine zentrale Motivation und sogar Inspiration für die ephesische Episode des Hymnos (Rückprojektion zeitnaher Ereignisse in die Vergangenheit). Vgl. auch Cozzoli 2012, 284. 39 Petrovic 2007, 238 f. äußert die Hypothese, die Schilderung des Einzugs der Artemis auf den Olymp (V. 140 f.) könnte auf eine reale ‚Wagenprozession‘ hinweisen (wohl mit einer Artemis-Attrappe), wie es auch in den Hymnen 5 und 6 der Fall zu sein scheint. Statt einer deixis ad oculos ist aber eher eine deixis am phantasma anzunehmen. 40 Auch die homerische Parallele (Α 601 f.) macht diese Annahme nachgerade unausweichlich. 41 Ein ähnlicher Hinweis auf einen anvisierten sympotischen Kontext scheint im Ausdruck des Zeus-Hymnos παρὰ σπονδῇσιν (h. 1. 1) vorzuliegen. Vgl. Wilamowitz 1924 II 1, Herter 1931, 434, Harder 1992, 390, Cuypers 2004, 106 (mit einem Vergleich von Platons Symposion) und Petrovic 2007, 120–122. Acosta-Hughes/ Stephens 2012, 137 verweisen auf eine rhythmische Wiederholung der SymposionMotivik (h. 1 [Prolog] ~ h. 3 [Herakles-Szene] ~ h. 6 [Prolog]).

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Allusion auf die entsprechende Partie des homerischen Apollon-Hymnos darstellen. Hierdurch entfiele jeder Fingerzeig, der im Hymnos auf Artemis ein anvisiertes/bevorzugtes Gelegenheitsszenario dingfest machen könnte. Lohnender scheint mir deswegen die Fragestellung, die den ‚Sitz im Leben‘ etwas weiter fasst und nach dem Vorhandensein solcher Allusionen fahndet, die ungeachtet des konkreten Anlasses einen direkten Bezug zur königlichen, d.h. ptolemäischen Herrschaftsideologie, oder konkret zu den ptolemäischen KönigInnen nahelegen. Dazu müssen wir aber weiter ausholen und dem Analogieverhältnis zwischen Mythos und Zeitgeschehen ein eigenes Kapitel widmen.

5. Artemis und Arsinoe Eine ptolemäische Interpretation des Hymnos1 Der alexandrinische Dichter habe durch sein Hymnensextett, dessen drittes Stück Artemis zur Adressatin hat, ein Gegenstück zum Homer zugeschriebenen Hymnenkorpus für ein zeitgenössisches Publikum des 3. Jahrhunderts v. Chr. geschaffen – so lautet der Tenor der einschlägigen Fachliteratur.2 Es ist nun vielleicht keine allzu grobe Verallgemeinerung zu behaupten, der Rahmen der homerischen Hymnen sei die mythische Zeit, in der sich das Porträt der jeweiligen Gottheit durch Züge abzeichnet, die des Zeitlichen enthoben sind. Wenn dieses die Zeitlosigkeit anstrebende Bildnis von Einflüssen des Historischen dennoch gefärbt wird, so hängt diese Eigenheit mit dem Anthropomorphismus des homerischen Götterbildes zusammen, der auch nach sich zieht, dass der Gott eine ‚Geschichte‘ hat, die der des Menschen vergleichbar ist.3 Nichtsdestoweniger kann man der Gottheit der homerischen Hymnen die mythische Zeit als Handlungsrahmen begründeterweise zuordnen. Demgegenüber sind die Hymnen des Kallimachos mit Hinweisen auf die Gegenwart des Dichters und deren historische Begebenheiten reich durchwoben. So hat man den Eindruck, ein wesentlicher Teil des Beitrags zur Fortschreibung der Gattung ‚Hymnik‘ vonseiten des Kallimachos bestehe darin, die rein mythische Vorstellung von der Gottheit im historischen 1 Dieses Kapitel stellt eine überarbeitete Fassung eines früheren Beitrags dar (Adorjáni 2017a), der als Vorstudie zu diesem Kommentar diente. 2 Vgl. neulich Acosta-Hughes/Cusset 2012, 123–133. Zur Frage der Homer-Imitation auch heute noch grundlegend Herter 1929 passim. 3 Besonders klar tritt dieses Phänomen in den längeren, diegetischen Hymnen zu Tage, die eine bestimmte Episode des ‚Lebenslaufs‘ der Gottheit, im Hermes-Hymnos (Hom. h. 4) gar den ersten Tag des Gottes, d.h. einen historischen Vorgang erzählen, der die Gottheit zu dem macht, was sie ist.



5. Artemis und Arsinoe: Eine ptolemäische Interpretation des Hymnos

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Kontext festgelegt zu haben. Der Hang zur ‚Aktualisierung‘ ist seinerseits naturgemäß mit dem höfischen Charakter der kallimacheischen Dichtung verbunden.4 Obwohl heute wohl niemand einen subalternen Hofschranzen in Kallimachos erblickt,5 muss die Frage nach der Hofdichtung immer neu gestellt werden. Der dritte Hymnos enthält auf den ersten Blick keine eindeutigen historischen Anspielungen, sondern ist ganz und gar in der mythischen Sphäre verankert.6 Im ersten Kapitel habe ich allerdings die Vermutung ausgeprochen, dass diese Geschichtslosigkeit nur den äußeren Firnis darstellt, unter dem bei genauerem Hinsehen der historische Hintergrund zum Vorschein kommt, was die Hymnen 1–4 unter diesem Gesichtspunkt erst zu einer einheitlichen Serie erhöbe. Angesichts des vorausgehenden Apollon-Hymnos liegt eine Parallele eigentlich schon sehr nahe: Wenn im zweiten Hymnos Ptolemaios Philadelphos das Pendant zu Apollon bildet, so müsste Artemis im dritten in Ptolemaios’ Schwester ihre Entsprechung haben, da auch Apollon und Artemis Geschwister sind.7 Bei Philadelphos hat sich allerdings die ausgefallene Konstellation ergeben, dass seine leibliche Schwester zugleich seine Gemahlin, Arsinoe II., war. Die Untersuchung der Datierungsfrage des Gedichts hat zum Ergebnis geführt, dass der Hymnos in den Jahren 274–267 v. Chr. entstanden sein könnte. So wird eine Verbindung der Artemis-Gestalt

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Zum Höfischen in der Dichtung des Kallimachos vgl. Gelzer 1982 passim. Grundlegend auch Weber 1993 passim (vor allem 199–406, jedoch ohne eingehende Behandlung des Artemis-Hymnos). Er zeigt sich aber grundsätzlich skeptisch einer allegorischen Ausdeutung des Gedichts (mit Arsinoe-Bezug) gegenüber (262). 5 Zu dieser überholten Ansicht vgl. z.B. Susemihl 1891 I 358 und 362. Zum dezenten und taktvollen Charakter des kallimacheischen Hofdienstes vgl. Kerkhecker 1997 passim, der statt Hofdichtung eher von einer „dynastischen Poesie” sprechen würde (139–141 mit Bezug auf h. 1, 2 und 4). Ähnlich auch Weber 1993, 17: Diese Art der Dichtung hat einen sehr großen poetischen und inhaltlichen Freiraum, will deshalb auch im vermeintlichen Preisen der Herrscher nicht immer ernst genommen werden: Sie bietet den für Zwischentöne geschulten Adressaten, an die hohe sprachliche und intellektuelle Anforderungen gestellt werden, differenzierte Möglichkeiten des Verständnisses und der Interpretation. Vgl. auch Cameron 1995, 11–23 mit der Akzentuierung des spielerischen, fast neckischen Charakters des Herrscher–DichterVerhältnisses. Etwas gedämpfter, aber ähnlicher Auffassung auch Hose 1997 passim (als Fazit 64). Das verschleierte Arsinoe-Bild in h. 3, für das ich plädieren werde, passt zu diesem revidierten Begriff der Hofdichtung. 6 Acosta-Hughes/Cusset 2012, 131 wollen deswegen den dritten Hymnos für eine Ausnahme erklären unter den anderen, die explizite Hinweise auf die Ptolemäer enthalten. 7 Auch Gutzwiller 2007, 70 sieht in Apollon und Artemis eine göttliche Spiegelung des Herrscherpaars Ptolemaios Philadelphos und Arsinoe II. Ähnlich auch Stephens 2015a, 19 f. (Verhältnis zu Ptolemaios II. ~ Apollon in h. 4 und Vorrangigkeit des mit Arsinoe verbundenen Ephesos).

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mit der Königin, wenn es um historische Allusionen gehen soll, allein durch die mutmaßliche Chronologie nahegelegt.8 In der Kallimachos-Philologie ist zwar die Parallele ‚Artemis–Arsinoe‘ nichts weniger als ein neuer Gedanke,9 doch hat sie keine genaue Prüfung und daher auch keine Beachtung gefunden. Bezeichnend für den Forschungsstand ist es, dass Bing in seinem einflussreichen Buch nur mit einem einzigen Satz einer einzigen Fußnote diese naheliegende Interpretationsmöglichkeit erwähnt.10 Unlängst hat sich mit dem Gedanken Schlegelmilch in einem Buchkapitel beschäftigt, aber ihre Argumentation beruht weniger auf dem Hymnentext als vielmehr auf den gegenständlichen Reliquien des Herrscherkultus, die sich in der Literatur widerspiegeln.11 Man hat den Eindruck, dass es noch nicht gelungen ist, diesen speziellen Fall der Verflechtung von Mythos und Historie zu belegen oder gar zu widerlegen, da die sich darauf einlassenden Interpreten nicht vom Text des Hymnos, sondern von der äußeren Wirklichkeit ausgegangen sind. Es ist jedoch nach wie vor hef8 Arsinoe ist nach der gängigen Chronologie im Sommer des Jahres 270 v. Chr. verstorben. Cameron 1995, 160 f. würde ihren Tod in das Jahr 268 v. Chr. setzen, aber seine Argumentation ist nicht schlüssig. Zur Problematik des Todesdatums mit weiterer Literatur und Stellungnahme zugunsten der traditionellen Datierung vgl. Müller 2009, 328 f. und Caneva 2016, 135–141. 9 Aus der älteren Fachliteratur ist Schneider 1967, 685 hervorzuheben (ein unbegründeter Einfall in einem einzigen Satz; außerdem sagt er nur „Arsinoe“ ohne nähere Präzisierung); ebenso en passant als Denkanstoß McKay 1972, 442 (vgl. auch dens. 1962a, 140). Gercke 1887, 275 dachte an eine allegorische Paarung ‚Artemis–Berenike (Syra)‘, was sehr forciert anmutet (warum sollte Kallimachos sie neben Ptolemaios Philadelphos verherrlicht haben?). Auf überzogener Interpretation von Einzelstellen basiert auch Ehrlichs These von der Identität der Artemis mit Berenike II. (1894, 38–54). Rostagni 1916, 297–300 bietet nicht so sehr Argumentation als vielmehr Gefühle und Intuitionen. Herter 1931, 437 belegt das Suchen nach historischen Parallelen in den Hymnen mit einem strengen, allerdings etwas dogmatischen Bann: Es braucht heute nicht mehr bewiesen zu werden, dass es nicht angängig ist, ganze Hymnen in dieser Art zu interpretieren und ihre Göttergestalten geradezu zu Allegorien fürstlicher Persönlichkeiten zu machen (…). Vgl. auch Cahen 1929, 256 f. und 19483, 234 (in Bezug auf h. 3). 10 Bing 1988, 126 Anm. 57: This resemblance between the Hymn to Artemis and the Hymn to Delos has led me to suspect that the two poems were originally companion pieces, the one perhaps written for Arsinoe, the other for Philadelphus. Die neuere Forschung will kein eindeutiges Verhältnis postulieren, obwohl sie die politische Ideologie im Artemis-Hymnos anerkennt. Emblematisch für diese Sichtweise ist z.B. Depew 2004, 131 f.: One can only point to the inconclusive tendency of various media to represent the most controversial aspects of the early Ptolemaic dynasty – divinisation, sibling marriage, the queen’s unprecedented … power – in ambiguous and suggestive terms. Vgl. auch Caspers 2005, 269–27, Prioux 2011, 205 und neulich Brumbaugh 2019, 215. 11 Schlegelmilch 2009, 217–234, vor allem 224–230 (die Darstellung einer auf den Knien des Gottes Ammon befindlichen Mädchenfigur). Für eine enthusiastische Würdigung ihres Ansatzes vgl. Bäbler 2012, 349 f.



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tig umstritten, ob die Geschichtsverbundenheit von Kallimachos’ Dichtung bedeutet, dass die Realien von außen her in sie Einzug gehalten haben, oder ob es eher zutrifft, dass er die zeitgenössisch-alexandrinische Geschichte mit literarischen Mitteln, die ihm die althergebrachte Gattungstradition an die Hand gibt, gleichsam von innen her rekonstruiert, ohne sich dazu äußerer Zeichen bedienen zu müssen.12 Im Folgenden werde ich den Nachweis zu erbringen versuchen, dass im dritten Hymnus dieses letztere der Fall ist. Dazu werde ich aus dem Werk Textstellen anführen, die dafür sprechen, dass Kallimachos vermittels rein literarischer Motive mit seinem Artemis-Porträt eine Verneigung vor der Königin Arsinoe II. vollführt hat. Im zweiten Kapitel hat die Einheit des Hymnos eine eingehende Untersuchung erfahren. Dort wurde die grundlegende Zweiteilung in eine diegetische (V. 4–109) und eine aretalogische (V. 110–258) Partie beobachtet, wobei die Verse 136–141 mit der Binneninvokation der Göttin eine Scharnierfunktion erfüllen. Zu dem durch die Anrufung herbeigeführten Neubeginn kehren wir bald zurück. Jetzt wird unser Augenmerk dem thematischen Material der διήγησις gelten, die die ἀρεταί der Göttin in actu beleuchten soll. Der humoristisch-realistische Anstrich der Erzählung kann leicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Artemis zwei Kardinaltugenden – die Klugheit und den Mut – verkörpert. Ihre glänzende Intelligenz bekundet sich durch jene inständigen Bitten, mit denen sie in ihren Vater dringt (V. 6–25). Artemis erweist sich hierdurch als draufgängerisch-verzogenes Mädchen, aber auch als verschmitzte Strategin, die alles darauf anlegt, ihre Ziele zu erreichen.13 In der zweiten Szene sucht sie die Kyklopen auf, um sich Waffen schmieden zu lassen (V. 46–86). Auch diese Episode, die ein amazonenhaft an den Brustzotten des Kyklopen sich festklammerndes Mädchen schildert, ist reich mit Humor durchwirkt. Hinter diesem schalkhaften Gebaren verbirgt sich allerdings – ins Burleske transponiert – das ernste Porträt der streitbaren und mutigen Göttin.14 Diese beiden Charaktereigenschaften 12 Richtig hat Merkelbach 1981, 35, der Archeget „ptolemäischer “ Deutung, der gerade das Königsbild in den Mittelpunkt seiner Untersuchung stellte, das Fazit gezogen: Der historische Prozeß ist so verlaufen, daß man auf altgriechische Vorstellungen zurückgriff, sie so uminterpretierte, daß sie auf die Gegenwart paßten, und auf diese Weise den Weg nach vorn, zu einer Synthese, fand. Vgl. auch Asper 2001, 103: Daß daneben einige Motive bei Kallimachos auch einen ägyptischen Hintergrund haben könnten, kann den geschilderten Eindruck kaum entkräften, weil die entsprechenden Texte auch vor einer rein griechischen Tradition konsistent gelesen werden können und sogar primär gelesen worden sein müssen. 13 Gutzwiller 2007, 71 bemerkt dazu: Callimachus creates for us not only the tone of a spoiled little girl but … some hint of the behavior of imperious Ptolemaic princesses, demanding from an indulgent father the most extravagant of gifts. 14 Vgl. das Attribut der Göttin (V. 80: ϑαρσαλέη), wie auch Schlegelmilch 2009, 232 Anm. 402 (Parallelisierung der ambitionierte[n] kleine[n] παρϑένος und Berenike

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(Klugheit/Weisheit sowie Mut) sind aber zugleich Herrschertugenden, die – zumal es sich um eine Göttin handelt – eminent zu Arsinoe II., Schwester und Gattin des in den beiden ersten Hymnen erwähnten Ptolemaios, passen würden. Was dabei zu wünschen übrig bleibt, ist die textuelle Bestätigung, nach der wir im folgenden Ausschau halten. Man hat mit Blick auf Artemis nie dem poetischen Etymologisierungsverfahren nachgespürt, das in den Hymnen auf Zeus und Apollon reichlich begegnet.15 Das erste Wort des ersten Hymnos ist Ζηνός (V. 1), das letzte des ersten Verses ἀείδειν. Im Abschluss des Prologs (am Ende von V. 9) wird von Zeus prädiziert, er sei immerwährend (ἐσσὶ γὰρ αἰεί). Angesichts der umrahmenden Struktur (V. 1: Ζηνός ~ V. 9: ἐσσὶ γὰρ αἰεί) kann die Aussage des Verses 9 als eine etymologische Erklärung des Namens des Zeus (Ζηνός, Ζην-: ‚der Lebende‘) ausgelegt werden,16 was markant den über seinen Tod kolportierten Gerüchten (V. 8f.) Hohn spricht. Die Ewigkeit des Gottes verbindet sich augenfällig mit der Unvergänglichkeit des Gesangs/Hymnos (V. 1: ἀείδειν ~ V. 2: ἀεί ~ αἰέν ~ V. 9: αἰεί).17 Das Thema der Ewigkeit des Gegenstandes (Zeus) im Kontrast zur Ohnmacht des ihn preisenden Gedichtes kehrt im Epilog wieder (V. 92 f.).18 Weiterhin wird Apollon in seinem als a parva virgine magnanimam [Catull. 66. 26]). Gutzwiller 2007, 73 erwägt zu Recht hinsichtlich der Porträts strafender Göttinnen (Artemis, Athene, Demeter), whether he [Kallimachos] may have modeled these goddesses, with their absolute power to punish …, on Ptolemaic queens, such as the powerful Arsinoe II. 15 Zur alexandrinischen Tradition der poetischen Etymologien vgl. O’Hara 1996, 21– 42 (zu den kallimacheischen Fällen vgl. 30–34). Fehlings (1969, 15 f.) nüchternes Korrektiv, man sollte in solchen Etymologien eher spielerische Stegreifkombinationen als sprachtheoretisch fundierte Tiefsinnigkeiten sehen, ist berechtigt, entkräftet aber deren sinnstiftende Wirksamkeit als dichterischer Mittel nicht. Zur Etymologie als Spiel und Reflexion und damit als Kernbestand griechischer Dichtung (und später philologischer Exegese) vgl. Pfeiffer 1968, 3–5 und Clauss 2019 passim. 16 Vgl. Plat. Krat. 396A–B (διʼ ὃν ζῆν ἀεὶ πᾶσι τοῖς ζῶσιν ὑπάρχει) und Diod. 3. 61. 6 (= Dion. Skyt. fr. 13 Rusten) (Ζῆνα διὰ τοῦ καλῶς ζῆν αἴτιον γενέσϑαι). Zur Verbindung der anderen Stammform mit der Präposition διά vgl. Hes. erg. 2 f. (Δί᾽ / ὅν … διά) mit Pfeiffer 1968, 4 f. (nebst einem Hinweis auf Aischyl. Ag. 1485–5487 und Suppl. 584). Beide Erklärungen werden vom Stoiker Chrysipp (SVF II 1062 von Arnim) gebündelt. Vgl. auch Aristeid. or. 43. 23 Keil. Zu einer fast vollständigen Stellensammlung (ohne Kallimachos) vgl. Weinreich 1933, 105–108. 17 Vgl. Hopkinson 1984b, 139–141 (mit weiteren Beispielen: Hom. h. 10. 1–3 und Theokr. 16. 1–4) sowie Cuypers 2004, 105. Dasselbe Wortspiel (paronomasia) kommt auch im Artemis-Hymnos vor (V. 137: μέλοι δέ μοι αἰὲν ἀοιδή). Die stabund endreimenden Worte μέλοι und μοι sowie die Anspielung auf μέλος (~ ἀοιδή) durch μέλοι sind auch erwähnenswert. 18 Eine weitere poetische Etymologie des Hymnos bezieht sich auf die vor Zeus’ Geburt in Arkadien herrschende Dürre, die sich im Namen seiner Bewohner (V. 14: Ἀπιδανῆες) widerspiegelt, der sich entweder von πίνειν oder noch wahrscheinlicher von πῖδαξ ableitet (Ἀ-πιδ- = ‚ohne Wasser‘). Vgl. de Ian 1893, 80 Anm. 1. Auch die Formen Ῥείη (V. 13), ῥόον (V. 16), ἔρρεεν (V. 18) und Ῥέη (V. 21) scheinen auf das



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Hymnos innerhalb einer mehrfach anaphorischen Partie mit dem Stamm des Wortes πολύς (‚viel‘‚‚groß‘,‚mächtig‘) in Zusammenhang gebracht: ὤπολλων, πολλοί σε Βοηδρόμιον καλέουσι / πολλοὶ δὲ Κλάριον, πάντη δέ τοι οὔνομα πουλύ (h. 2. 69 f.).19 Es liegt also nahe, auch im Artemis-Hymnos ein ähnliches Spiel mit dem Namen ‚Artemis‘ dingfest zu machen. Die Göttin wird in der Erzählung unter zweifachem Aspekt als intelligente und streitbare Göttin geschildert. Entsprechend kann ihr Name sowohl als ἀρτίφρων (‚Verstand besitzend‘) wie auch als Ἄ-τρε-μις (‚Sonderwank‘) ausgelegt werden – zweierlei also, wie man bei philologischen ζητήματα etymologischer Natur zu verfahren pflegte.20 Zudem kann das ἀρτι-Vorderglied auch in der ionischen Form ἀρσιrealisiert werden, was uns gleich zu Arsinoe bringt, deren Name tatsächlich ‚jemand mit scharfem Sinn‘ bedeutet.21 Es kann nicht ausgeschlossen werflüssige Element und κατ᾽ ἀντίφρασιν auf das wasserlose Arkadien hinzuweisen, während am Ende von Vers 28 f. Ῥείη mit ἐλαφραί in Verbindung gebracht wird, was eine etymologische Erklärung über die Semantik der Leichtigkeit nahelegt (während Rheia – wieder κατ᾽ ἀντίφρασιν – nicht gebären kann, sind die Wehen der Erde leicht und schnell). Auch der Name des Flusses Ἀζηνίς (V. 20) erhellt aus dem Wort ἄζα (‚Dürre‘; vgl. V. 19: ἄβροχος) – dies scheint die Interpretation der Scholien zu Dionysios Periegetes gewesen zu sein (Pfeiffer 1953 II 2 in apparatu loc. par.) –, doch vielleicht trifft man auch hier das Wahre, wenn man den Stamm Ἀζην- mit dem von ζην- gleichsetzt (‚Leblos‘ oder sogar ‚Zeus-los‘). Vgl. auch Hopkinson 1984b, 141 f., Kirichenko 2012, 190 und Clauss 2019, 75–78. 19 Vgl. Depew 2004, 123. Vielleicht gehört auch die Entsprechung πόληι / … πολλοί (77 f.) hierher (beide Worte am Versende). Am Ende lässt der Dichter allerdings diese Etymologie in eine andere hinüberspielen, wobei sich Apollon dem neuen ästhetischen Programm gemäß als ἀ-πολύς (‚Nicht-Viel‘) erweist (wohl durch Plat. Krat. 405C, wo Apollon unter anderem von ἁπλοῦν erklärt wird, beeinflusst; vgl. auch Apoll. Rhod. 1. 760, wo Apollon als βούπαις, οὔπω πολλός charakterisiert wird), während sich die Riesenhaftigkeit (V. 108 f.: πολλά / … πολλόν) mit dem schlammigen Euphrat als Sinnbild der Kunstlosigkeit assoziiert. So Hunter/Fuhrer 2002, 152. Damit sind wir aber gar nicht am Ende der Etymologien für den Namen des Gottes: Im Vers 101 f. scheint mir die τέχνη τοξευτική Apollons durch ein geistreiches ἔτυμον angedeutet worden zu sein: τὸν [sc. den pythischen Drachen] μὲν σὺ κατήναρες ἄλλον ἐπ ἄλλῳ / βάλλων ὠκὺν ὀϊστόν, wobei die Labiale π/β und das Element ἀλλων den Namen Ἀπόλλων ergeben. Diese Etymologie findet sich auch bei Platon, der Apollon als Ἀειβάλλων auslegt (Krat. 405C). Vgl. Williams 1978, 84 ad loc. Überdies wird im Vers 103 des Hymnos der Kultruf ἱὴ ἱὴ παιῆον durch das unmittelbar sich anschließende ἵει βέλος (~ παίω) erklärt. Vgl. Meillier 1979, 89 und etwas anders (ἵει, παῖ, ἰόν) Cameron 1995, 391. Als Fazit halten wir fest, dass das gesamte Gedicht von poetischen Etymologien wimmelt. Vgl. auch die gute Zusammenschau bei Ukleja 2005, 54–58. 20 Dass Artemis für das griechische Gefühl mit dem Glied ἄρτι(ος) verbunden werden konnte, zeigt Etym. m. 150. 19 f. s. v.. Ἄρτεμις: … ὅτι ἄρτια καὶ τέλεια καὶ ἀνελλιπῆ ἐποίησε τὰ κατὰ κόσμον φανεῖσα. 21 Ein ähnliches Spiel mit der Bedeutung des Wortes Ἀρσινόη scheint mir bei Apoll. Rhod. 4. 918 f.: Κύπρις ... πρόφρων (am Versanfang hervorgehoben) vorzuliegen,

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den, dass Kallimachos den Namen ‚Artemis‘ unbestimmter Herkunft durch die Verselbständigung und Lexikalisierung der phonetischen Einheit ἀρτauf zweierlei Weise (‚Gesundheit des Verstandes‘ vs. ‚Stärke des Gemütes‘) interpretierte und zur Gleichsetzung mit Arsinoe verwendete. Nun wollen wir uns der Invokation zuwenden, die die Diegese abschließt und den aretalogischen Teil einleitet: πότνια, τῶν εἴη μὲν ἐμοὶ φίλος ὅστις ἀληϑής εἴην δʼ αὐτός, ἄνασσα, μέλοι δέ μοι αἰὲν ἀοιδή∙ τῇ ἔνι μὲν Λητοῦς γάμος ἔσσεται, ἐν δὲ σὺ πολλή, ἐν δὲ καὶ Ἀπόλλων,22 ἐν δʼ οἵ σεο πάντες ἄεϑλοι, ἐν δὲ κύνες καὶ τόξα καὶ ἄντυγες, αἵ τε σε ῥεῖα ϑηητὴν φορέουσιν ὅτ᾽ ἐς Διὸς οἶκον ἐλαύνεις. (V. 136–141) Herrin, möge zu ihnen [d.h. zu den von dir Begünstigten; vgl. V. 129: οἷς δέ κεν εὐμειδής τε καὶ ἵλαος αὐγάσσηαι] gehören, der mein wahrer Freund ist, möge auch ich selbst, Königin, [zu ihnen gehören] und sei mir der Gesang immer am Herzen gelegen, der Gesang, der Letos Hochzeit enthalten wird, dich, die Vielfache, mehrfach und auch Apollon und all deine Großtaten, Hunde, Armbruste und Wagen, die dich, Hehre, leicht befördern, wenn du ins Haus des Zeus fährst. Diese scheinbar einfache Passage lädt zu Bemerkungen verschiedenster Art ein. In diesem Zusammenhang reicht es zu bemerken, dass diese mit Gegenstandsbezeichnung (propositio) gekoppelte Invokation die Rolle einer eingeschalteten Museninvokation erfüllt. Denn der zweite Vokativ der Anrufung (V. 137: ἄνασσα) verbindet augenfällig die Bitte um Zugehörigkeit zu den Begünstigten der Göttin mit der um Sangesgabe. Dass Attribut ἀληϑής (V. 136) hat in diesem Zusammenhang Scharnierfunktion, indem es eine leichte Akzentverschiebung ins Werk setzt: Dem φίλος verbunden bedeutet es zunächst nur ‚wahr‘ (d.h. ‚dem Begriff des Freundes vollkommen entsprechend‘), aber im Kontext des Gesangs (ἀοιδή – man beachte auch die versfinale Stellung von ἀληϑής und ἀοιδή) kann es als ‚wahrhaftig‘ ausgelegt werden. So scheint wo der auf die Sirenen zuschwimmende Butes von Aphrodite gerettet und nach dem sizilischen Lilybaion, Sitz des Eryx, entführt wird. Apollonios könnte hier auf die den Seeleuten Rettung verheißende Arsinoe Euploia (vgl. Poseid. ep. 39. 2 und 119. 5 f. A–B) anspielen, die in ihrem Heiligtum am Kap Kanopos der Aphrodite gleichgesetzt und als Zephyritis verehrt wurde. Dies wird durch πρόφρων (~ Ἀρσινόη) sowie die Rolle, die der Zephyros (~ Zephyritis) bei der Rettung der Argonauten spielt (V. 910), expliziert. 22 Hier wieder ein Spiel mit den Worten πολλή und Ἀπόλλων. Zur dadurch ausgedrückten Rivalität der göttlichen Geschwister Apollon und Artemis vgl. Kapitel I 3, 37.



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es Kallimachos mit der Wahl des Wortes ἀληϑής geschickt auf die Verschiebung von der politischen zur musischen23 Sphäre angelegt zu haben. Der Aufmerksamkeit des Dichters darf nichts entgehen (λανϑάνειν), doch diese unbeirrbare Wahrhaftigkeit (ἀληϑής ~ ἀλήϑεια) kann nur durch die Musen als göttliche Wesen gewährleistet werden.24 Hesiod ist für die Interpretation unserer Stelle bedeutungsvoll. Theog. 81–84 wird die wohltuende, Beredsamkeit verleihende Wirkung des Blicks der Musen (V. 82: γεινόμενόν τʼ ἐσίδωσι) beschrieben, den sie den Königen zugute kommen lassen.25 Kallimachos verwandelt dieses Motiv, indem er den günstigen Blick der Artemis zuschreibt (V. 129) und seinen vegetativen Einfluss auf den Bereich der Polis schildert (V. 130–135). Wenn er dann seinen Freund und sich selbst als Bürger und Dichter den Gottbegünstigten zugeordnet wissen will, möchte er von dem über die hesiodeische Stelle nahegelegten musischen Blick der Artemis profitieren. Es sollte den Leser hellhörig machen, dass hier Artemis in der Rolle der Muse erscheint.26 Ist doch für dies in der griechischen Tradition weit und breit kein Beleg zu finden.27 Es ist daher naheliegend, diese musenhafte Porträtierung der Göttin über deren implizite Gleichsetzung mit Arsinoe begründen zu wollen, da im Gegensatz zu Artemis die Königin unschwer zu einer Muse hochstilisiert werden konnte, die nicht in der Sphäre des zeitlosen Mythos, sondern in der der historischen Wirklichkeit des alexandrinischen Hofes beheimatet erscheint. Die Musenanrufung verwandelt sich in dieser 23 Den Wahrheitsaspekt hebt Hesiod (theog. 27 f.) im Zusammenhang der Musenweihe emblematisch hervor. 24 Vgl. auch Hom. Β 484–492. So wird auch die Parenthese des ersten Verses des Hymnos (οὐ γὰρ ἐλαφρὸν ἀειδόντεσσι λαϑέσϑαι) deutlich: Artemis ist in der Tat nicht zu vergessen, da sie als Muse die Substanz des Gedächtnisses (οὐ … λαϑέσϑαι = μεμνᾶσϑαι) darstellt. Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 27. 25 Diese Allusion wird von Reinsch-Werner 1976, 81 Anm. 1 nur kurz erwähnt, aber für die Interpretation nicht verwertet. Sie weist aber zu Recht auf die hesiodeische Inspiration des Attributs ϑηητήν (V. 141 ~ Hes. theog. 31: Attribut des Musenzepters) sowie die des Wortspiels μέλοι δέ μοι αἰὲν ἀοιδή (V. 137 ~ Hes. theog. 34: αἰὲν ἀείδειν) hin (117 und 260). 26 Zum Überraschungseffekt der Invokation vgl. Reinsch-Werner 1976, 117 und 260. Dieselbe Musen-Rolle der Artemis bekundet sich im Vers 186 des Hymnos (εἰπέ, ϑεή, σὺ μὲν ἄμμιν, ἐγὼ δ᾽ ἑτέροισιν ἀείσω), der auf Theokrit anspielt, der mit ähnlichen Worten die Muse anruft (22. 116 f.: εἰπέ, ϑεά, σὺ γὰρ οἶσϑα˙ ἐγὼ δ᾽ ἑτέρων ὑποφήτης, / φϑέγξομαι, ὅσσ᾽ ἐϑέλεις σὺ καὶ ὅππως τοι φίλον αὐτῇ). Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 32, Bertazzoli 2002, 148–153 (Arsinoe als Königin und Muse), Caspers 2005, 266 f. (der Anruf in historischem Kontext). 27 Eine nachkallimacheische Ausnahme ist Oppianos kyn. 1. 16–42 (dialogischer „Wechsel“ zwischen Dichter und Göttin über die Themenwahl), der aber zum einen von Kallimachos beeinflusst sein könnte, zum anderen Artemis aufgrund ihrer thematischen Verbindung mit dem zu besingenden Stoff zur Muse erhebt. Zur Rolle und Darstellung der Göttin sowie zum kallimacheischen Einfluss an dieser Stelle vgl. Bartley 2016, 245–247.

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Weise zum Ausdruck der Huldigung an die ptolemäische Königin, ein geistiges Milieu geschaffen zu haben, das Werke von künstlerischem Anspruch und Rang des Artemis-Hymnos hervorbringt.28 Es ist kein Zufall, dass das Standbild der Arsinoe als zehnter Muse in der Bibliothek der Hauptstadt Ägyptens gestanden haben soll.29 In diesem Zusammenhang kommt auch den Versen über den das Gedeihen von Haus und Hof bewirkenden Blick der Artemis(-Arsinoe) (V. 129–131) eine weitere Bedeutungsnuance zu.30 Die Invokation geht unmerklich in die nächste Szene über, die anlässlich des Besuchs der Artemis auf dem Olymp den Auftritt des Vielfraßes Herakles schildert (V. 142–148). Daraus kann man – über den humoristischen Anstrich hinaus – den ernsthaften Unterton, der die Sprache der ptolemäischen Ideologie spricht, heraushören: ϑεοὶ δ᾽ ἐπὶ πάντες ἐκείνῳ ἄλληκτον γελόωσι, μάλιστα δὲ πενϑερὴ αὐτή, ταῦρον ὅτ᾽ ἐκ δίφροιο μάλα μέγαν ἢ ὅγε χλούνην κάπρον ὀπισϑιδίοιο φέροι ποδὸς ἀσπαίροντα· κερδαλέῳ μύϑῳ σε, ϑεή, μάλα τῷδε πινύσκει· ʽβάλλε κακοὺς ἐπὶ ϑῆρας, ἵνα ϑνητοί σε βοηϑόν ὡς ἐμὲ κικλήσκωσιν. ἔα πρόκας ἠδὲ λαγωούς οὐρέα βόσκεσϑαι· τί δέ κεν πρόκες ἠδὲ λαγωοί 28 So Bing/Uhrmeister 1994, 27 ohne einen expliziten Hinweis auf die Gleichsetzung von Artemis und Arsinoe: Those with ears will, of course, understand the compliment. For without so much as mentioning the Ptolemies or Alexandria, Callimachus has nevertheless identified them with a civic ideal – a place where harmony, both in its political and in its musical sense, is not just a pleasing if unattainable vision but a present reality. Vgl. auch Bing 1988, 127 Anm. 57 (in Bezug auf das dichterisch inspirierende Ambiente, das in h. 3 von der städtischen Artemis, in h. 4. vom delischen Apollon gewährleistet wird). Erler 1987, 28–36 ist daran gelegen zu zeigen, wie der geschichtliche Hintergrund, die „absolutistische Monarchie” Ägyptens, im Bild der Artemis als einer „Königin“ durchschimmert. Auf jeden Fall stellt das urban-bürgerliche Interesse einen markanten Wesenszug der Artemis des Kallimachos dar. Eingehend dazu vgl. Kapitel I 3, 38–42, in dem auch der wohltuende Blick der Artemis πολιάς in der unmittelbar vorausgehenden Episode (V. 129–131) als Herrscherblick interpretiert wird. 29 Zum musischen Charakter der Arsinoe vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 24–27. Vgl. auch Kall. Ait. fr. 2f 5–15 Harder, wo im Originaltext – soviel das dazugehörige Scholion erahnen lässt – Arsinoe als zehnte Muse verrätselt worden ist (vgl. Puelma 1982, 243 [Vermischung des Aphrodisischen und Apollinischen in der Gestalt der „Lieblingskönigin“ des Kallimachos], Gelzer 1982, 25, Ambühl 1995, 212 [Arsinoe als zehnte Muse und Schirmherrin des poetischen Programms des Dichters], Cameron 1995, 141 f., Bertazzoli 2002, 145–148, Lelli 2002, 15 f., Prioux 2011, 208 f. und Harder 2012 II 107 ad loc.). Zur Person der Königin als eines magischen Mittelpunktes des alexandrinischen Hofes und zur Rehabilitation der Hofdichtung kallimacheischen Schlages vgl. Pfeiffer 1926 passim. 30 Zum Blick der Artemis vgl. Adorjáni 2018a, 407 f.



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ῥέξειαν; σύες ἔργα, σύες φυτὰ λυμαίνονται. καὶ βόες ἀνϑρώποισι κακὸν μέγα· βάλλʼ ἐπὶ καὶ τούς. (V. 148–157) … Die Götter aber lachen alle unaufhörlich über ihn [sc. Herakles], insbesondere seine Schwiegermutter Hera, wenn er aus dem Wagen einen wahrhaft riesigen Bullen und ein mit den Hinterbeinen strampelndes Wildschwein heraushebt. Auf dich, Göttin, redet er meistens mit folgenden listigen Worten ein: „Schieß auf die schnöden Tiere, auf dass man auch dich eine göttliche Helferin heiße wie mich! Lass die Rehe und Hasen in Ruhe das Gras der Berge weiden! Was können Rehe und Hasen Böses anrichten? Die Schweine, die Schweine sind’s, die Feld und Saat aufwühlen. Zudem sind die Ochsen ein großes Unheil für die Menschen. Erjag auch diese mit deinen Schüssen!” Zum symbolträchtigen Erscheinen des Herakles lohnt es sich, das erste Bild des 17. Idylls Theokrits, des sogenannten Ptolemaios-Enkomions, in Erinnerung zu rufen, in dem der ägyptische Herrscher in seiner olympischen Herrlichkeit auf der einen Seite von Herakles, auf der anderen von Alexander flankiert erscheint.31 Diese im Grunde ernste Szene entbehrt der humoristischen Züge nicht, indem die beiden Welteroberer die schwergewordenen Glieder des beschwipsten Halbgottes unterstützen, damit er es in das Schlafgemach der Hebe schaffen kann: καί οἱ (sc. Ptolemaeo Soteri) χρύσεος ϑρόνος ἐν Διὸς οἴκῳ δέδμηται· παρὰ δ᾽ αὐτὸν Ἀλέξανδρος φίλα εἰδώς ἑδριάει, Πέρσαισι βαρὺς ϑεὸς αἰολομίτρας. ἀντία δ᾽ Ἡρακλῆος ἕδρα κενταυροφόνοιο ἵδρυται στερεοῖο τετυγμένα ἐξ ἀδάμαντος· ἔνϑα σὺν ἄλλοισιν ϑαλίας ἔχει Οὐρανίδῃσι, χαίρων υἱωνῶν περιώσιον υἱωνοῖσιν, ὅττι σφεων Κρονίδης μελέων ἐξείλετο γῆρας, ἀϑάνατοι δὲ καλεῦνται ἑοὶ νέποδες γεγαῶτες. ἄμφω γὰρ πρόγονός σφιν ὁ καρτερὸς Ἡρακλείδας, ἀμφότεροι δʼ ἀριϑμεῦνται ἐς ἔσχατον Ἡρακλῆα. τῷ καὶ ἐπεὶ δαίτηϑεν ἴοι κεκορημένος ἤδη νέκταρος εὐόδμοιο φίλας ἐς δῶμ᾽ ἀλόχοιο, τῷ μὲν τόξον ἔδωκεν ὑπωλένιόν τε φαρέτραν, τῷ δὲ σιδάρειον σκύταλον κεχαραγμένον ὄζοις· οἱ δ᾽ εἰς ἀμβρόσιον ϑάλαμον λευκοσφύρου Ἥβας 31 Nach einer künstlich-ideologischen Genealogie galt Ptolemaios I. als Halbbruder Alexanders des Großen, weil er für einen Sohn des Philippos II. und der Arsinoe gehalten wurde. Vgl. ad V. 210 f.

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ὅπλα καὶ αὐτὸν ἄγουσι γενειήταν Διὸς υἱόν. (V. 17–33) … Ihm (dem Ptolemaios Soter) ist ein goldener Thron in Zeus’ Haus errichtet worden. Neben ihm sitzt der ihm gewogene Alexander, dieser den Persern feindlich gesinnte Gott mit bunter Kopfbinde. Diesem gegenüber steht der aus festem Erz geschmiedete Sessel des zentaurentötenden Herakles, in dem er von anderen Himmelsbewohnern umgeben Feste feiert, stets herzlich erfreut über die Kinder seiner Kindeskinder, dass ihnen der Sohn des Kronos das Greisenalter aus den Gliedern genommen hatte, und dass ihre Nachkommen, obschon geboren (und daher sterblich), den Ruhm der Unsterblichen genießen. Denn ihrer beider Vorfahre ist der starke Sohn des Herakles, und Beide erblicken in Herakles ihren Stammesältesten. Sooft er sich also anschickt, vom Trinkgelage, wenn er sich am blumigen Nektar gütlich getan hat, in die Kemenate seiner lieblichen Frau zu kehren, übergibt er dem einen seinen Bogen und den unter der Achsel getragenen Köcher, dem anderen seine eherne Keule mit geschnitztem Geäder. Und die beiden tragen seine Waffen in das von Ambrosia duftende Gemach der weißfüßigen Hebe, und führen ihn selbst dorthin, den bärtigen Sohn des Zeus. Dies ist also die mit humoristischen Zügen angereicherte enkomiastische Szene bei Theokrit.32 Bei Kallimachos ist es umgekehrt: Die grundsätzlich burleske Szene erhält einen ernst-panegyrischen Anstrich, sofern der die Göttin in Empfang nehmende Herakles nicht nur darauf bedacht ist, wie er sich seinen Wanst vollschlagen könnte,33 als er sie im Rückgriff auf einen zu seinem Vorteil zurechtgelegten Jagdkomment dazu mahnt (V. 153–157), nur die größten Wildtiere aufs Korn zu nehmen, sondern Artemis einen verdeckten Unterricht in der Herrschertugend der Großzügigkeit erteilt, was selbstverständlich weniger auf die mythische Person als vielmehr auf ihr königliches Pendant, Arsinoe, berechnet erscheint.34 Die Aufforderung nämlich zu kühnen Taten sowie die Mahnung, sich nicht zu verzetteln, ist ein Topos der an den Herrscher adressierten enkomiastischen Rede, der zum 32 Vgl. Effe 1995, 115 f. 33 McKay 1962a, 67 Anm. 1 erinnert an die Brisanz, die dieses wenig schmeichelhafte Herakles-Porträt am königlichen Hof haben könnte. 34 Ziegler 1937, 38 sah in dieser Empfangsszene eine Widerspiegelung der hohen Stellung der Königinnen in der hellenistischen Welt – ohne jedoch für eine ausdrückliche Gleichsetzung mit einer historischen Gestalt zu plädieren. Meillier 1979, 106 f. lässt es hinsichtlich dieser Mahnung allein bei dem Aspekt gemeinschaftlicher Nützlichkeit bewenden, die im Charakterbild der ab ovo wilden Jägergöttin frappieren kann. Schlegelmilch 2009, 232 Anm. 404 geht andererseits sicher zu weit, wenn sie auf die angebliche Verbindung der jagenden Artemis mit dem makedonischen Königshaus und Herakles, dem vorbildlichen mythischen Jäger, abhebt. Die thrakisch-makedonischen Wurzeln der Arsinoe haben interessanterweise keine Ausprägung in der offiziellen Königsideologie des Hofes gefunden.



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Beispiel in Pindars erster pythischer Ode begegnet, wo Hieron zur Ausübung herrscherlicher milte aufgerufen wird (V. 85–94, vor allem V. 90–92: εἴπερ τι φιλεῖς ἀκοὰν ἁδεῖαν αἰεὶ κλύειν, μὴ κάμνε λίαν δαπάναις· / ἐξίει δʼ ὥσπερ κυβερνάτας ἀνήρ / ἱστίον ἀνεμόεν {πετάσαις}. μὴ δολωϑῇς, ὦ φίλε, κέρδεσιν ἐντραπέλοις).35 Schließlich gilt es bei einem Zusammenhang etwas länger zu verweilen, auf den ich in der Einleitung kurz zu sprechen kam. Wenn Apollon im zweiten Hymnos eindeutig mit Ptolemaios verknüpft wird, sollte fast zwangsläufig dasselbe Verhältnis zwischen Artemis und Arsinoe bestehen.36 Kann aber durch diese mythologische Verwandtschaft die Entsprechung ‚Artemis–Arsinoe‘ belegt werden? Gibt es dafür eine textuelle Bestätigung im Hymnos? Ich halte dafür, dass sich eine solche Passage finden lässt. Gegen Ende des zweiten, als Aretalogie eingestuften Teils bestraft Artemis grausam die ihr gegenüber erzeigte Hybris, indem sie das kimmerische Heer des Lygdamis vernichtet, der sich anmaßte, das Heiligtum der Göttin in Ephesos zu erstürmen (V. 251–258). Die gegen die aus Osten eindringenden Horden ausgefochtenen Kämpfe um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. sind aus der Dichtung des Kallinos von Ephesos bekannt.37 Selbst Lygdamis taucht in den Geschichtsquellen auf.38 So hat es den Anschein, als wollte Kallimachos am Schluss seines Hymnos eine Brücke schlagen von der mythischen zur historischen Zeit und suggerieren, dass die Macht der Artemis auch in der geschichtlichen Zeit an Bedeutung nichts verliert. Diese Stelle steht nun in eindrucksvoller Parallele zu einem Passus im vierten Hymnos an Delos, was es ermöglicht, einen Schritt weiterzugehen. Im Delos-Hymnos wird die Schlacht der von Brennus angeführten Kelten mit Apollon vor seinem pythischen Tempel geschildert, wobei der Gott den Sieg über die Angreifer davonträgt (V. 171–187). Auch hier also ein aus Westen kommender Volksstamm, ein Heiligtum als Walstatt und der Sieg der Gottheit über die Vermessenheit. Überdies ist die Erzählung in diesem Fall ganz eindeutig der mythisch verbrämte Ausdruck eines 35 Vgl. diese Tugend auch in Victoria Sosibii (fr. 384. 53–56), samt pindarischen Anklängen auch hier (V. 56: ᾧτινι μὴ κρε[ί]σσων ᾖ νόος εὐτυχίης ~ Pind. P. 8. 97: κρέσσονα πλούτου μέριμναν). Vgl. auch Fuhrer 1992, 195–199 (mit anderen Pindar-Stellen). 36 Vgl. Depew 2004, 135. 37 Kallin. fr. 5a–b W2. Zur Unterscheidung der mythischen (Hom. λ 14–19) von den historischen Kimmeriern vgl. Heubeck 19884 III 262–264 ad loc. Kallimachos könnte dieses homerische ζήτημα gekannt haben. In diesem Fall macht er sich die fließenden Grenzen des Mythos und der Historie für sein den Mythos mit politischer Aktualität paarendes Geschichtsbild zunutze. 38 Vgl. Strab. 1. 3. 21, 61 C. Eine lydische Inschrift kennt ihn als Dugdammê. Vgl. Lehmann-Haupt 1921, 416–418. Das frühest datierbare Vorkommen des Königsnamens ist gerade das kallimacheische (vgl. auch Ait. fr. 75. 23 und Harder 2012 II 605 ad loc.).

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zeitgenössischen Ereignisses. Die Gallier haben Delphi im Jahre 279 v. Chr. belagert40 und sind gescheitert. Ihre maroden Truppen, die Ptolemaios Philadelphos zum Kampf gegen seinen Halbbruder Magas angeheuert hatte, wurden im Jahre 274 im Nil-Delta eingeschlossen und vernichtet. Diese syntagmatische Abfolge (‚Delphi–Ägypten‘) auf der geschichtlichen Ebene verwandelt Kallimachos in die paradigmatische Entsprechung von Apollon und Ptolemaios auf der Ebene der dichterischen Vision,41 die Gott und Herrscher als Verbündete erscheinen lässt: Der noch nicht geborene Apollon weissagt über den noch nicht geborenen Ptolemaios (V. 188: ἐσσόμενε Πτολεμαῖε),42 den er als seinen Mitkämpfer in der Schlacht gegen die Galater apostrophiert. Die Parallele ‚Apollon vs. Gallier‘ mit ‚Artemis vs. Lygdamis‘ ist 39

39 Vgl. Ambühl 2005, 252 Anm. 120: der Mythos [ist] historisiert und das historische Ereignis mythisiert und Bing 1988, 129: Callimachos bridges the gulf by conspicuously integrating his own age together with its cultural assumptions – such as the divinity of kings – into the vision of the past. Die Schilderung der Niederlage der Delphi belagernden Gallier durch Properz (2. 31. 13) als Teil der ἔκφρασις des palatinischen Apollo-Tempels könnte kallimacheischen Einfluss bekunden, da dieses Moment auf eine implizite Weise mit dem Sieg des irdischen Herrschers, hier also der Schlacht des Octavianus bei Actium, in Korrespondenz steht. Vgl. auch Prop. 4. 6. 27–56, wo Apollons Beistand bei Actium geschildert wird; zu seiner auf die nahe Zukunft, den bevorstehenden Sieg, abgestellten Mahnrede an Augustus (V. 37–54) vgl. Apollons Prophezeiung über den zukünftigen Ptolemaios und seinen Kelten-Sieg im Delos-Hymnos (V. 185–188). Den spätgeborenen Titanen (= Kelten) des Hymnos (V. 174) entsprechen im Properz-Gedicht die durch die Galionsfiguren der ägyptischen Schiffe dargestellten steinschleudernden Kentauren (49 f.). 40 Sie haben auch dem Artemis-Heiligtum von Ephesos gedroht, doch konnte die Gefahr noch rechtzeitig abgewendet werden (vgl. Ambühl 2005, 280 Anm. 243 und Petrovic 2007, 211). Diese historische Konstellation bekräftigt die Parallele ‚Lygdamis–Brennus‘. 41 Die Erklärung der Scholien (Pfeiffer 1953 II 70 f. ad 175–187) verwandelt diese mythisch-paradigmatische Synchronie zur historisch-syntagmatischen Diachronie zurück, um einen leichter nachvollziehbaren, epischen Erzählstrang zu schaffen: Brennus wollte das Heiligtum plündern, doch der Gott hat sein Heer zugrunde gerichtet. Die am Leben gebliebenen Kelten hat später Ptolemaios als Söldner gedungen, doch jene wollten den ägyptischen Herrscher abermals hinters Licht führen, woraufhin der König die Marodeure im Nil-Delta isoliert und verbrannt hat. Zum Tatbestand und der Quellenlage vgl. Fraser 1972 I 659 f. und Barbantani 2001, 188–198. Zur Überlagerung von Mythos und Geschichte vgl. Zanker 1987, 190 und Barbantani 2010, 243–245 (paradigmatische Bedeutung des Ereignisses mitsamt griechisch-ägyptischen Parallelen). Skeptisch, was den historischen Wahrheitsgehalt der Scholion-Angabe betrifft, bleibt Hutchinson 1988, 39 Anm. 24. Das Scholion mutet aber zu detailreich an, um bloß erdichtet zu sein. 42 Diese Anrede (ἀποστροφή) an Ptolemaios als eine in der geschichtlichen Zeit zu verortende Person ist einerseits ein Versatzstück der Aitiologie, andererseits ableitbar aus der der archaischen Lyrik, vor allem Pindar, geläufigen deixis ad oculos, die damit zusammenhängt, dass das Lied in der Gegenwart verankert ist. Zur gattungstypischen Untersuchung einer ähnlichen Verweisstruktur vgl. Adorjáni 2012a, 108–112.



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unverkennbar43 und hilft auch, den Mythos in der Wirklichkeit festzulegen. Wenn nämlich Apollon seinen Kampfgenossen gegen die Kelten in Ptolemaios findet (‚Apollon–Ptolemaios‘), so müsste Apollons Schwester Artemis in der Auseinandersetzung mit den Kimmeriern die Schwester des Ptolemaios, Arsinoe, als historisches Gegenstück (‚Artemis–Arsinoe‘) haben. Dieses Argument ist schon über den dritten Hymnos hinausgegangen, obwohl es innerhalb des Hymnenkorpus geblieben ist, indem es den vierten Hymnos einbezog. Eine derartige Vorgehensweise erscheint durch die eng verstrickte und an inneren Bezügen reiche Struktur des Hymnenbuches vollends gerechtfertigt. Es steht noch aus, einen letzten Schritt zu wagen, indem ein anderes Werk des kallimacheischen Œuvre außerhalb der Hymnengattung herangezogen wird. Die ἐκϑέωσις Ἀρσινόης (fr. 228) ist ein Fragment eines Gelegenheitsgedichts anlässlich der Vergöttlichung der Königin. Im Mittelpunkt des erhaltenen Bruckstücks steht Philotera, die ältere Schwester der Königin, die früher gestorben und als Demeter verehrt worden war. Sie wird als vom sizilischen Henna her kommend geschildert, wobei sie auf Lemnos einkehrt (V. 43 f.) und dort durch den Bericht der Charis, die des am Gestade Ägyptens brennenden Scheiterhaufens ansichtig wird, die Trauerkunde erfährt. Diese Szene berechtigt uns zu der Annahme, dass Kallimachos seinem Gedicht den Mythos der nach ihrer Tochter fahndenden Demeter zugrundegelegt hat,44 was Arsinoe mutatis mutandis die Rolle Persephones zuweisen würde. Anhand der Beschreibung der Himmelfahrt Arsinoes zu Beginn des Gedichts (V. 5 f.: νύμφα, σὺ μὲν ἀστερίαν ὑπ᾽ ἄμαξαν ἤδη / … κλεπτο­ μέν]α παρέϑει σελάνᾳ)45 kann man den Nachweis führen, dass auch die symbolische Gleichsetzung mit Artemis Einiges für sich hat. Die Verwandtschaft der Artemis mit dem Mond ist – zumal im religiösen Denken des 43 Zur Parallele von Ephesos und Delphi, Kimmeriern und Galliern vgl. das vorige Kapitel (S. 45–47) über die relative Chronologie der beiden Gedichte. 44 Vgl. Wilamowitz 1912, 530 ad 45 (der homerische Demeterhymnos als Vorlage mit Hinweis auf Kall. h. 6. 9 [ἁρπαγίμα zum Ausdruck der Entrückung der Persephone/ Arsinoe]), Pfeiffer 1922, 30–37 (zum Demeter-Bezug) und Hunter 2003, 50 f. 45 Pfeiffer 1922, 4–7 stellt richtig fest, dass Arsinoes Vergöttlichung bei Vollmond vonstatten geht. Catull (66. 5 f.) könnte einen Hinweis auf das Verhältnis des Mondes und der ptolemäischen Königinnen bewahrt haben, was Gutzwiller 1992, 377 f. mit der Angleichung der Selene an Isis, die Hypostase der ägyptischen Königin, in Zusammenhang bringt. Es ist weiterhin beachtenswert, dass die Mondsphäre in der eschatologischen Tradition den elysischen Gefilden entspricht als eine Mittelregion zwischen der Erde unten und dem Aither oben, die dem nach oben hin führenden Läuterungsprozess Vorschub leistet (vgl. Ov. met. 15. 848 und Lucan. 9. 6 f. sowie Norden 19273, 23–26 und Vernière 1986, 103–106). Dies käme der Korrespondenz von Persephone und Arsinoe zustatten, denn Persephone gehört als Herrin der Unterwelt auch zum himmlischen Elysium der Mondsphäre, demnach erscheint Arsinoe als eine am Mond vorüberfliegende ägyptische „Persephone“.

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Hellenismus – dermaßen ausgeprägt, dass man von Belegstellen absehen kann. Ferner passt die Bezeichnung νύμφα nicht nur zu einer als junge Braut geschilderten Königin,46 sondern auch zur mädchenhaften Artemis.47 Nach der ebenfalls erhaltenen Diegese des Gedichts48 wurde Arsinoe von den Dioskuren gen Himmel entführt,49 was unweigerlich die Erinnerung an den Raub Phoibes und Hilaeiras, der Töchter des Leukippos, wachruft, die angesichts ihres eigenen Namens und desjenigen ihres Vaters für Hypostasen der Artemis gehalten zu werden pflegen.50 Dies alles spricht für eine unterschwellige Präsenz der Artemis-Gestalt hinter der der Persephone-Arsinoe. Selbstverständlich schließen die Persephone- und Artemis-Bezüge einander keineswegs aus, sondern ergänzen sich komplementär, zumal die fruchtbringende Eigenschaft, die Persephone als mütterliches Erbe zusteht, auch Artemis nicht abgeht, deren mild-gütiger Blick (ἵλαος)51 die Fruchtbarkeit von Erde und Vieh garantiert (h. 3. 129–132). Die Verbindung von Artemis und Arsinoe steht nun auf einer standfesteren Basis, als es bisher der Fall war. Somit können wir uns an die Frage heranwa46 So Wilamowitz 1912, 533 und Pfeiffer 1922, 7 Anm. 2. Am Anfang des dritten Buches der Aitia (fr. 54 Harder) bezieht sich das Substantiv auf Berenike II. (V. 2: νύμφα, κα[σιγνή]τ̣ων ἱερὸν αἷμα ϑεῶν). 47 Das Haupthema des Artemis-Hymnos und einer seiner Glanzpunkte ist gerade die inmitten des Reigens der Nymphen tanzende Göttin (h. 3. 170–182). Vgl. Köhnken 2004, 170 f. Das Wort νύμφα wird übrigens in diesem Gedicht – neben dem DelosHymnos – am häufigsten verwendet. Nach Gelzer 1982, 24 eignet sich das Nomen aufgrund seines Nuancenreichtums besonders gut dazu, den Grenzstatus zwischen menschlicher und göttlicher Daseinsform anzudeuten. 48 Pfeiffer 1949 I 218 in apparatu: φησὶν δὲ αὐτὴν ἀνηρπάσϑαι ὑπὸ τῶν Διοσκούρων (…). 49 Vgl. den Vokativ im Vers 46: ὦ δαίμοσιν ἁρπαγίμα. Das Motiv der Entführung ist zudem ein wiederkehrendes gerade im Zusammenhang der Vergöttlichung sämtlicher ptolemäischer Herrscherinnen (Berenike I. wird von Aphrodite entführt [Theokr. 17. 46–52], die Locke der Berenike II. auf das Geheiß der AphroditeArsinoe von Zephyros [Kall. Ait. fr. 110. 52–58] dahingeweht). 50 Depew 2004, 126 Anm. 45 weist bezüglich der Dioskuren auf die Verwandtschaft der Arsinoe mit Helena hin und erwägt, ob und inwieweit die mythischen Zwillingsbrüder der 22. Idylle des Theokrit eine Parallele zu Ptolemaios Philadelphos und Euergetes abgeben können. Zu einer mutmaßlichen Korrespondenz zwischen Ptolemaios und Herakles in Theokrits 24. Idylle (Herakliskos) vgl. Koenen 1977, 79–86, Bing 1988, 95 Anm. 8a und Cameron 1995, 54 f. (Zweifel bei Köhnken 2015, 101, 106 und 109). Wie bei Theokrit der kleine, aber heldenmütige Herakles dem Ptolemaios entspricht, so entspräche bei Kallimachos die kleine, aber ebenfalls sehr tatkräftige Artemis der Arsinoe. Was die Entsprechung ‚Arsinoe–Helena‘ betrifft, sieht AcostaHughes 2010, 37 Idylle 17 (Ptolemaios-Enkomion) und 18 (Helenas Hochzeitslied) als Gegenstücke an, wobei Menelaos und Helena die mythische Konfiguration von Ptolemaios und Arsinoe darstellen (zum expliziten Vergleich Arsinoes mit Helena vgl. Theokr. 15. 110). 51 Vgl. den Namen einer der Leukippiden (Hilaeira).



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gen, worauf es denn der Dichter abgesehen habe, als er ein höfisches Motiv als roten Faden in die Textur seines Artemis-Hymnos mit hineinwob. Dazu müssen wir kurz zur Datierungsfrage zurückkehren. Im vorigen Kapitel sind wir als Ergebnis zu einem Intervall zwischen 274 und 267 v. Chr. gekommen, das der historischen Interpretation des Gedichts (Analogie ‚Artemis–Arsinoe‘) zugrunde gelegt worden ist. Eine weitere Einengung und Präzisierung des Datums ist aufgrund der hier erzielten Erkenntnisse vielleicht noch möglich. Arsinoe wurde schon zu Lebzeiten mit Aphrodite gleichgesetzt, und als sie im Sommer des Jahres 270 v. Chr. verstarb, hat der Admiral Kallikrates von Samos zu Ehren der als Aphrodite Zephyritis vergöttlichten Königin in der Nähe von Alexandrien auf der Halbinsel Kanopos ein Heiligtum errichtet.52 Der Kultus der Königin dürfte aber seinen Nährstoff sicherlich in einer Legende gefunden haben, die sich bereits zu Lebzeiten der Arsinoe gebildet hatte.53 Die Gleichsetzung ‚Artemis–Arsinoe‘ dürfte also bei einer Datierung zu Lebzeiten der Königin eine erheblich größere Wirkung erzielt haben, weil so die Königin selbst zum Rezipientenkreis des Hymnos gehört haben könnte, was die höfische Dimension des Gedichts erhöhte.54 Diese Wirkung war aber die der Überraschung als eines typisch kallimacheischen Bestrebens.55 Der Dichter treibt mit seinem Rezipienten ein halb ernstes, halb scherzhaftes Spiel.56 Er lässt ihn über verstreute Textindizien langsam und allmählich er52 Zu Arsinoe als Aphrodite Zephyritis vgl. Kall. Ait. fr. 110. 51–58 (~ Catull. 66. 51– 57), ep. 5, Poseid. 39–116–119 A–B, Theokr. 15. 110 f. (Arsinoe II., deren Mutter, Berenike, sich auch mit Aphrodite assoziiert [vgl. 15. 107 f. und 17. 36 f.], tritt hier als Veranstalterin des Adonis-Festes zu Ehren des Lieblings Aphrodites auf [vgl. V. 111: ἀτιτάλλει Ἄδωνιν], wodurch sie sich gleichsam als ‚zweite Aphrodite‘ erweist; vgl. Acosta-Hughes 2010, 71 f.), Strab. 17. 1. 16, 800 C und Steph. Byz. 296. 1–3 s. v. Ζεφύριον (II 202. 17 Billerbeck–Zubler). Vgl. auch Fraser 1972 I 197 sowie 239 f., Hauben 1983, 111–114 und Müller 2009, 266–280. 53 Vgl. Gutzwiller 1992a, 365. Zur dadurch entfalteten romantischen Propaganda gegenseitiger Liebesbeziehung zwischen Herrscher und Herrscherin vgl. dies. 1992b, 207–209 sowie Caneva 2014 passim. Zum emotionellen (‚Liebe‘) und intellektuellen (‚Kennen‘) Verhältnis zwischen Vater und Sohn, Gott und König, Gemahl und Gemahlin vgl. Koenen 1983, 160–165. Ähnliches aus anderer Perspektive (‚orientalisch-hellenistischer Mystik‘) bereits bei Norden 1913, 287 f (Erkannt/ Geliebt-Werden durch Gott als primäre Stufe der Gott–Mensch-Beziehung). 54 Wenn V. 153–157 in Herakles’ Mahnung eine verdeckte Apostrophe an die Königin enthalten, dann ist es verbindlich, Arsinoe II. zur Zeit der Abfassung des Hymnos als lebend zu postulieren. Zu einem mutmaßlichen Szenario der Aufführung des Hymnos, dem auch Arsinoe beigewohnt haben könnte, vgl. Kapitel I 4, 55. 55 Zu den Überraschungseffekten im dritten Hymnos vgl. Köhnken 2004, 164–167. Zur allgemeinen Tendenz kallimacheischer Dichtkunst, das Frappierende zu suchen, vgl. Haslam 1993, 113 und Asper 2004, 51 f. 56 Zur Verquickung des ernsten Tones mit dem scherzhaften innerhalb der Herrscherpanegyrik, wodurch jeder Verdacht kriecherischer Anbiederung von der wahren und großen Dichtung des Kallimachos ferngehalten wird, vgl. Effe 1995, 113–115 (zu stellenweise an Provokation grenzenden Kombinationen vgl. Effe 1993,

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kennen, dass die Gestalt der Artemis als eine Hommage auf Arsinoe aufgefasst werden kann, und die verblüffendste Überraschung ist die Erkenntnis selbst. Man wird plötzlich inne, dass nicht Aphrodite die mythische Verkleidung der Königin darstellt, was angesichts der ihre Gestalt umwebenden ikonographischen Vorstellung nahe gelegen hätte, sondern die keusche Göttin,57 die sich kraft ihres Intellekts und Mutes durchsetzt. Angesichts der Nähe des ApollonHymnos und der Rivalität, auf die sich Artemis mit ihrem größeren Bruder einlässt, erscheint auch Arsinoe über dieses historische Spiel als gleichrangige Herrscherpersönlichkeit neben ihrem Bruder und Gatten. Unsere bisherige Fragestellung kann aber weiter gefasst werden, wenn unser Augenmerk auf die Position des Hymnenbuches im Kontext des Gesamtwerks des Dichters sowie der griechischen Literaturgeschichte gerichtet wird: Was haben Königs- und Königinnenporträts in der Hymnengalerie der Götter zu suchen, oder anders formuliert: Warum hat Kallimachos die mythische Erzählung mit historischen Anspielungen verquickt? Die Antwort hängt wohl mit der ästhetischen Forderung nach Polyeideia zusammen. Die Herrscherpanegyrik ist nämlich ein Thema, das sich keineswegs von den homerischen Hymnen ableiten lässt, sondern eher von den pindarischen Epinikien, die zu einem beträchtlichen Teil Tyrannen zu Adressaten haben. Dass diese Wahlverwandtschaft mit Pindar von Kallimachos bewusst kultiviert wird, wird dadurch bewiesen, dass er sich auch andernorts pindarischer 319–321, obwohl er darin vielleicht zu Unrecht eine folgerichtig destruktive Tendenz ausmachen will). Vgl. auch Koenen 1993, 89–113 (hinsichtlich der Coma Berenices). 57 Auch dies könnte einen Versuch darstellen, die Geschwisterehe zu rechtfertigen (Apollon und Artemis waren obenso Bruder und Schwester wie Ptolemaios Philadelphos und Arsinoe). Hierzu wird meistens auf den mythischen Präzedenzfall der Ehe des Zeus und der Hera verwiesen (vgl. Theokr. 17. 131–134 und Müller 2009, 128–130; als negatives Paradigma Sotad. fr. 16 CA [p. 243]; zur Reflexion auf die der Parallele innewohnenden Gefahren Kall. Ait. fr. 75. 4–9; vgl. Harder 2002b, 203 f. und 2012 II 584). Auch Stephens 2003, 170 vermutet, der Dichter rekurriere auf die unverfängliche Paarung ‚Apollon–Artemis‘, um dem sperrigen Thema der Geschwisterehe sowie dem Zeus–Hera-Paradigma aus dem Wege zu gehen (non-sexual pairing of Apollo-Artemis as his Olympian analogues for the Ptolemaic consanguineous couple). Hunter, der aufgrund der Nähe der Hymnen auf Apollon und Artemis die Möglichkeit der Entsprechung ‚Artemis–Arsinoe‘ nicht unerwähnt lässt (Hunter/Fuhrer 2002, 182 f. [Diskussionsteil]), schreckt in letzter Instanz vor seiner Schlussfolgerung zurück: there is, unfortunately, very little evidence for Artemis’ importance or association with Arsinoe at Alexandria, where the bliss of mutual marital affection was given a far higher status than Artemis’ stern chastity (183). Er beachtet nicht, dass es Kallimachos um die Überraschung zu tun ist. Das Frappierende ist aber ein Resultat der Spannung zwischen den Kultgebräuchen, die keine Gleichsetzung der Königin mit der Jägergöttin enthalten, und dem Text des Hymnos, der die Parallele ‚Artemis–Arsinoe‘ nahelegt. Mineur 1984, 71 ad h. 4. 21, der in der Gestalt der Aphrodite des Delos-Hymnos eine Allusion auf Arsinoe wittert, schreibt: … Arsinoe, as she was married to Ptolemy, could not of course be referred to in the person of Artemis (…). Aber Kallimachos ist allem abhold, was als „selbstverständlich“ gelten kann.



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Gattungsmerkmale bedient, sooft er eine zeitpolitische Botschaft ausrichten will. Das ist z.B. der Fall zu Beginn des dritten Buches der Aitia, einer Partie, die trotz des elegischen Versmaßes vom thematischen Gesichtspunkt her (Verewigung eines nemeischen Siegs der Berenike II. im Wagenrennen) zweifelsohne einem pindarischen Siegeslied nacheifert.58 Somit präsentiert sich der kallimacheische Hymnos als eine Kreuzung der homerischen Hymnen mit den Epinikien Pindars, wobei die auf die Siegesoden zutreffenden Proportionen der mythischen und aktuellen Komponenten umgekehrt werden. Pindars Gedichte gehen von der Gegenwart, dem aktuellen Sieg als einem historischen Moment, aus, doch im Erzählteil wird die Gegenwart durch die mythische Vergangenheit überblendet, in der auch Götter eine wichtige Rolle spielen. Somit reichert sich das Epinikion mit hymnischen Elementen an.59 Bei Kallimachos ist es umgekehrt: Die hymnische Verherrlichung der Gottheit ist der primäre Gattungsrahmen, in den die punktuellen Hinweise auf das ptolemäische Königshaus als Aktualitätsbezüge eingefügt werden.60 58 Zum Nachleben des Epinikions in der elegischen Dichtung des Kallimachos vgl. Fuhrer 1992 passim. Zum allgemeinen Bestreben der hellenistischen Dichtung, eine früher in metrischer Hinsicht breitgefächerte literarische Tradition dem Monopol der hexametrischen (bzw. elegischen) Form anzuverwandeln vgl. Fuhrer 1992, 23, Fantuzzi/Hunter 2004, 30–32 und Acosta-Hughes/Cusset 2012, 131. Die Victoria Berenices am Anfang des dritten Buches ist übrigens nicht ohne Einfluss auf die lateinischen Dichter geblieben: Vergilius reichert das Proöm des dritten Buches seiner Georgica mit dem metapoetischen Bild des Sieges im Wagenrennen an, wobei er sein eigenes dichterisches Verdienst mit dem politischen des Herrschers vereint sieht (georg. 3. 17 f.). Damit schöpft er gleichermaßen aus dem Bildgut der pindarischen Poesie (vgl. Adorjáni 2014a, 116) und deutet auf die Buchstruktur der Aitia hin (vgl. Thomas 1998, 103–108; Balot 1998, 83–94). Anders formuliert, er sieht, was Aktualitätsbezüge betrifft, die Wahlverwandtschaft des pindarischen Epinikions mit der kallimacheischen Elegie. Das metapoetische Motiv des Wagenrennens taucht auch im Anfangsgedicht des dritten Buches der Elegien des Properz (V. 9–12) auf, diesmal aber als Teil der Rekusationsstrategie (V. 15–20), indem der Dichter an das Herrscherlob eine Absage erteilt, da es ihm um einen anders beschaffenen (elegischen) Lorbeerkranz zu tun ist, den er am Anfang programmatisch mit Kallimachos und Philetas verknüpft (V. 1). Zur Motivgleichheit des vergilischen Proöms und der properzianischen Elegie vgl. Wimmel 1960, 216– 218. Zur Wirkung des kallimacheischen ‚Epinikions‘ in der römischen Literatur (Catull, Vergil, Properz, Statius) vgl. Thomas 1983, 92–103. Vgl. auch Cameron 1995, 474: Indeed in Roman eyes he must have seemed the second encomiast after Pindar – and, since most of his epinicia were in elegiacs, more accessible and imitable than his great predecessor. 59 Bremer 2008, 1–17. 60 Vgl. Newman 1985, 189. Morrisons Beobachtung (2007, 143), der Hymnos auf Artemis entbehre im Unterschied zu den anderen Hymnen biographisch fundierter Ich-Aussagen, kann also dahingehend präzisiert werden, dass die unpersönliche Stimme des Sängers, der Artemis besingt, die persönliche des kyrenäischen Dichters verbirgt, der die alexandrinische Königin preist.

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Diese pindarische Abstammung weist dem Buch der Hymnen innerhalb des Werks des Kallimachos seinen Platz zu und legt die Auffassung des Dichters offen, die er von der ‚Hofdichtung‘ hatte. Der Aufbau des Œuvre geht wohl auf den Dichter selbst zurück, so stehen die vier Bücher der Aitia kaum zufällig an der Spitze, während die Hymnen den Reigen beschließen.61 Diese umrahmende Struktur kann durch die gleiche Einstellung zur mythischen wie zur historischen Zeit erklärt werden: Wie die Aitia auf der mythischen Vergangenheit aufbauen und sich sukzessive den Geschehnissen der Gegenwart nähern, um mit dem aktuellsten Ereignis, der Verstirnung der Locke der Königin, zu schließen,62 so wird auch in den Hymnen in erster Linie die ewige, göttliche Welt besungen, während sich im Hintergrund auch die Geschichte auftut, so dass die Historie auf echt pindarische Weise in die zeitlos-mythische Sphäre hinaufgehoben wird. Hat aber der hellenistische Dichter den Gegenwartsbezug mit einer derart hochgeschätzten Gattung, der Siegesode, und ihrem repräsentativen Dichter, Pindar, verknüpft, so untersteht keinem Zweifel, dass er im ‚Hofdienst‘ keine unwürdige dichterische Aufgabe gesehen hat. Im Gegenteil dürfte er der Meinung gewesen sein, dadurch einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit ein Denkmal errichten zu können. Diese Gesetzmäßigkeit kann folgendermaßen beschrieben werden: Der Mythos steht nicht gegen die Geschichte hermetisch abgeschottet da, sondern er stellt eine Spiegelfläche für die historische Zeit dar.63

61 Cameron 1995, 112 f. meldet zwar Zweifel bezüglich einer festgelegten Reihenfolge der Bücher an (vgl. auch Knox 1985, 59 f.), doch erstens bekunden auch die Alternativoptionen (bei denen die Hymnen den Aitien entweder vorangehen oder nachfolgen) eine feste Verbundenheit des „Hauptwerkes“ mit dem Hymnenbuch, zweitens könnte Kallimachos die von ihm beabsichtigte Reihenfolge durch einen eigenen Katalogeintrag für den Bereich der Bibliothek gleichsam ad usum philologorum festgelegt haben. Zur Kritik dieser Ansicht Camerons vgl. Asper 1997, 60 Anm. 153. Zur Reihenfolge der Bücher vgl. Pfeiffer 1934, 45 und 1953 II, xxxvii f. 62 Zu derlei teleologischer Anlage der Aitia vgl. Harders Aitia-Ausgabe (2012 I 5 f.), ferner die Bemerkungen (2012 II 796) zum Plokamos: Thus the Aitia ends with a suggestion of continuity: just as the events of the past provided the poet with aetiological stories in this work, so the events of today are the aetiological stories of the future. The fact that this future orientated aition focuses on Berenice and her position in the Ptolemaic dynasty also seems to be an important encomiastic element. Zu diesem Konzept von present as the past of the future (Kapitelüberschrift) vgl. dies. 2003, 302–306. Kennzeichnend für diese teleologische Perspektive ist weiterhin die Ersetzung der Musen in Buch 1–2 der Aitien durch Berenike II. in 3–4. Vgl. Parsons 1977, 50 und Morrison 2007, 196. Etwas anders Koenen 1993, 93 f. (die Parallele von Muse und Arsinoe für die Bücher 1–2 wäre ebenso relevant, wie die von Muse und Berenike für 3–4). Er weist auch auf hymnische Züge im Epilog des letzten Buches hin (113). Ebenso Cameron 1995, 162. 63 Vestrheim 2000, 76–78 bezeichnet die Schilderung der bis in die Gegenwart hinein wirkenden Macht des Gottes mit dem Terminus ‚Topikalisation‘.



5. Artemis und Arsinoe: Eine ptolemäische Interpretation des Hymnos

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Diese Auffassung lässt die alte Streitfrage der in den Hymnen sich äußernden Religiosität des Kallimachos in anderem Licht erscheinen.64 Anstatt dass man sich mit der akademischen Fragestellung auseinandersetzte, ob hinter den Hymnen eine subjektive religiöse Gefühlswelt des Autors stehe,65 müssten einem die Augen eher darüber aufgehen, dass die historische Interpretation ein neues, objektives Religiositätskonzept verspricht. Denn gerade unter Ausblendung der anthropomorphen Wirklichkeit der olympischen Götter bleibt ein abstrakter Begriff ihrer Macht zurück,66 die sich in der Herrschaft des Philadelphos augenfällig bekundet, der hinsichtlich seiner Macht einen ‚Zeus auf Erden‘, bezüglich seiner kunstsinnigen Veranlagung einen ‚alexandrinischen Apollon‘ abgibt.67 Der Dichter scheint an diese in der ptolemäischen Herrschaft sich äußernde Macht der Götter tatsächlich geglaubt zu haben.68 Dieser 64 Zu den beiden Extremen (‚lebendige Kultbezogenheit‘ vs. ‚literarische Nachbildung‘) und dem Mittelding zwischen den Beiden (Verehrung und Verwaltung der [literarischen] Tradition als einer intellektuellen Form der Religiosität) vgl. Bing 1988, 26 f. Anm. 38. Allerdings sollte man die Frage nach der Religiosität des Dichters und den Sitz der Hymnen im Leben (Liedanlass, Aufführungsmodus) klar unterscheiden. Vgl. auch Petrovic 2007, 118–120. Zur Übersicht der Forschungsmeinungen vgl. Nikitinski 1996, 15–23. 65 So Fraser 1972 I 662 f. und 665 f., der die ptolemäische Ideologie hinter den Hymnen etwas verharmlost (663) und an dem falschen Gegensatz festhält, die Hymnen müssten entweder das echte religiöse Gefühl des Kallimachos (genuine religious feeling in the author) widerspiegeln oder als oberflächlich abgetan werden (superficial or … indifferent) (665 f.). Für eine sincere expression of religious devotion sprechen sich auch Staehelin 1934, 58, Ferguson 1980, 106 und Pietsch 1999, 180–192 aus. Dem anderen Extrem verfällt Taeger 1957 I 376 f., wenn er aus dem spielerisch-unverbindlichen Ton der Hymnen auf den vollkommenen Unernst und Unglauben des Dichters schließt (vgl. bereits Couat 1882, 260 f. und weniger zugespitzt Arata 1904, 21 f., Cahen 1929, 394 f., Visser 1938, 54–57 und Bornmann 1968, XXV). Vgl. auch Griffiths’ Entgegnung auf Bullochs (1985a) pietätsvolle Annäherungsweise an die Frage der Religiosität: … he [Kallimachos] has no more religious commitment to the gods he writes about than I have, … they live only insofar as they continue to provide narrative pabulum (1988, 232). Eine Mitte zwischen diesen Extremen sollte gefunden werden. In dieser Richtung vgl. bereits Kleinknecht 348–350 und neulich Asper 2004, 44 (literarische Rekonstruktion einer ‹echten Religiosität› ). 66 Vgl. Bing 1988, 132 Anm. 75 mit Hinweis auf Pind. P. 9. 63–66 (Identität von Zeus, Apollon und Aristaios) und H. Fränkels Kommentar dazu (keine göttliche Person, sondern wirkende Macht). Vgl. auch Thomann 1934, 39 f. und Hunter/ Fuhrer 2002, 167 f. Allgemein zur ‚Macht‘ als Konstituens des Begriffs der Gottheit vgl. Henrichs 2010, 35–37 (vgl. auch dens. 1993, 147). 67 Diese Perspektive vertieft den Einschnitt zwischen den ersten vier Hymnen, die ein positives Götterbild vermitteln, und den letzten beiden, die dasselbe problematisieren. Zu den unberechenbar-grausamen Göttern vgl. Bulloch 1984, 220–230, obwohl er diesen Eindruck auch für die anderen Hymnen gelten lassen will (217–219). 68 In seinem Bestreben, den religiös-theologischen Ernst des Kallimachos nachzuweisen, degradiert Pietsch 1999, 180–192 den Zeus-Hymnos in einer der

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I. Einleitung

Glaube ist aber nicht mehr religiöser, sondern politischer Art. Von ihm kann jetzt die Parallele ‚Artemis-Arsinoe‘ abgeleitet werden. Zum Schluss nur noch ein kurzer Hinweis auf ein fesselndes Problem aus dem Bereich des Nachlebens. Der Dichter der Tudor-Zeit, Edmund Spenser, hat in seinem epischen Gedicht The Faerie Queene, eingestandenermaßen eine allegorische Huldigung an Elisabeth I., in der er einen Inbegriff sämtlicher Herrschertugenden sah, geschaffen. Ein Ebenbild der Virgin Queen im Epos ist die Gestalt der ‚Britomart‘ (im fünften Buch), deren Namen der Dichter einer bedeutsamen Etymologisierung unterzieht und als Ausdruck der streitbaren Natur (‚Mars‘, ‚Mart-‘) der Briten (‚Brito-‘) auslegt. Britomartis ist indessen eine Nymphe im Gefolge der Artemis und zugleich eine Hypostase der Göttin selbst (vgl. V. 204 f.),69 die auch im Artemis-Hymnos des Kallimachos unter dem Doppelnamen Britomartis-Diktyna (h. 3. 189–203) erscheint. Da der alexandrinische Dichter als namhaftester Gewährsmann die längste Erzählung der Britomartis-Geschichte bietet, stellt sich die Frage, ob der Hymnos als Quelle für Spenser in Betracht zu ziehen wäre, wobei die eindeutige Antwort dadurch erschwert wird, dass – wie fast immer bei solchen sich über beträchtlichen Zeitabstand hinweg erstreckenden Rezeptionsfällen – mehrere Zwischenglieder, hier vor allem mythologische Handbücher, angenommen werden können/müssen.70 Sollte aber Kallimachos der Gebende gewesen sein, könnte Spenser einiges von der Allegorie erahnt haben, was ihn dazu bewog, eine Artemis-artige Figur als Allegorie der Königin seiner Zeit zu erschaffen. Wahrscheinlicher ist es aber, dass er die Britomart-Allegorie selbständig entwickelt hat, ohne zu wissen, dass Kallimachos mit Artemis ein ähnliches Anliegen hatte. Wie dem auch sein mag, die Beobachtung selbst verdient einiges Interesse, dass zwei Dichter, die durch eine Zeitspanne von etwa eintausend siebenhundert Jahren getrennt sind, sich gleichermaßen der Artemis (bzw. ihrer Hypostase Britomartis) bedient haben, als sie das ideelle Wesen ihrer Herscherinnen in symbolhafte Gestalt einfangen wollten.71

6. Metrische Analyse Die Hymnen bieten die einzigartige Möglichkeit, die hexametrische Verskunst des Kallimachos anhand umfangreicher zusammenhängender Texte kallimacheischen Religiosität geltenden Analyse zu einem katechismusartigen Lehrstück. Das Theologische steht jedoch nirgends um seiner selbst willen da, sondern es wird Mittel zum Zweck, bei Kallimachos zum Lob der Herrschenden. 69 So z.B. Diod. 5. 76. 3, Σ ad Eur. Hipp. 1130 (II 121 Schwartz) und Hesych. 1175 s. v. Βριτόμαρτις (I 348 Latte). 70 Über Spensers Griechischkenntnisse vgl. Carver 2007, 413 f. 71 Zu einem weiteren, fernab liegende Gattungen und Werke anreihenden Fallbeispiel der Rezeptionsgeschichte vgl. Adorjáni 2014b, 457–468.



6. Metrische Analyse

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zu untersuchen.1 Die folgenden Bemerkungen beziehen sich allerdings nur auf den Artemis-Hymnos. Die dadurch erzielten Ergebnisse sollten in den Kontext einer eingehenden metrischen Untersuchung aller Hymnen gestellt werden, ein Beitrag, den die vorliegende Analyse nicht leisten kann noch will. Demnach versteht sie sich als ein kleines Mosaikstück zu einem zukünftigen Ganzen. Im folgenden gebe ich zuerst einen zahlenmäßigen Überblick über die Behandlung der wichtigsten Eigenheiten des Hexameters im dritten Hymnos. An diesen ersten Teil schließt der Versuch an, einige Besonderheiten mit der semantischen Ebene zu verbinden. Teil I A. Verteilung der Daktylen und Spondeen2 5 Daktylen (versus holodactylus): 57 (= 21.2%) 4 Daktylen / 1 Spondeus: 124 (= 46.2%) SDDDD: 27 DSDDD: 64 DDSDD: 11 DDDSD: 13 DDDDS: 9

1

Ein abgebrochener, bis heute nicht erschöpfter Ansatz dazu ist Fränkels berühmte Schrift (1955, vor 126–142). In einer absichtlich pointierten Gegenüberstellung zu Homers Praxis (103–126) charakterisiert er die Verskunst des Kallimachos kurz und bündig als eine Straffung, Glättung und Temperierung, kurzum als Verfeinerung (126 f.), die die im altepischen Vorgänger verborgen liegenden Möglichkeiten gleichsam ans Licht hebt. Er wagt auch einige gelungene Schritte zur ‚Semantisierung‘ des Versmaßes (zum Begriff s. unten, Teil II); vgl. vor allem 132 und 139–142. Zu beherzigen ist auch die dem ganzen Aufsatz (vor allem 139 f.) zugrundeliegende Auffassung, man solle die Metrik nicht negativ als Vermeidung der Übertretung sämtlicher Verbote deuten, sondern lernen, sie positiv als eine durch praktische Erwägungen und einfühlsames Hinhören gewonnene Struktur zu verstehen. 2 Vgl. La Roche 1899 passim. Die für den Artemis-Hymnos ermittelten Prozentzahlen entsprechen ungefähr dem Durchschnitt der Hymnen (vgl. Mineur 1984, 35).

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I. Einleitung

3 Daktylen / 2 Spondeen: 75 (= 27.9%) SSDDD: 25 SDSDD: 4 SDDSD: 11 SDDDS: 4 DSSDD: 8 DSDSD: 14 DSDDS: 8 DDSSD: 0 DDSDS: 1 DDDSS: 0 2 Daktylen / 3 Spondeen: 12 (= 4.4%) SSSDD: 0 SSDSD: 4 SSDDS: 5 SDSSD: 0 SDSDS: 1 SDDSS: 0 DSSSD: 1 DSSDS: 1 DDSSS: 0 Verteilung der Spondeen:

1. Fuß 2. Fuß 3. Fuß 4. Fuß 5. Fuß 81 (= 30.2%) 130 (= 48.5%) 27 (= 10%) 43 (= 16%) 29 (=10.8%)

Aus diesen Daten erhellt, dass die meisten Hexameter (124 = 46.2%) nur einen einzigen Spondeus enthalten.3 Die Zahl derjenigen, die zwei Spondeen aufweisen, ist erheblich niedriger (75 = 27.9%).4 Hexameter mit drei Spondeen bilden eher die Ausnahme (12 = 4.4%).5 Das Prozent der holodaktylischen Verse ist beachtlich (57 = 21.2%).6 Das Überwiegen der Daktylen entspricht der als ‚Beschleunigung des Hexameters‘ bekannten diachronen Der Prozentsatz für 4 Daktylen / 1 Spondeus in der epischen Dichtung: Ilias 42.6%, Odyssee 40.6%, Hesiod 40.6%. 4 Der Prozentsatz für 3 Daktylen / 2 Spondeen in der epischen Dichtung: Ilias 29.7%, Odyssee 31.9%, Hesiod 32%. 5 Der Prozentsatz für 2 Daktylen / 3 Spondeen in der epischen Dichtung: Ilias 7.9%, Odyssee 8.3%, Hesiod 9.2%. 6 Der Prozentsatz für 5 Daktylen in der epischen Dichtung: Ilias 19.2%, Odyssee 18.6%, Hesiod 17.3%. Für die Angaben dieser Anmerkung und der vorausgehenden drei vgl. Vergados 2013, 57. 3



6. Metrische Analyse

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Wandlung in der Geschichte des Versmaßes, ein Prozess, in dem Kallimachos die Mitte zwischen Homer und Nonnos hält. Wenn ein einziger Spondeus im Vers vorkommt, so ist dessen eindeutig bevorzugte Stelle der zweite Fuß. Immerhin ist die Tendenz auszumachen, den Spondeus vor der Mittelzäsur, d.h. in den ersten beiden Füßen zu platz­ ieren. Auch bei zwei und drei Spondeen bleibt die Bevorzugung des zweiten Fußes für einen dieser Spondeen bestehen. So kann eine Prozentzahl von 61.6% für einen Spondeus im zweiten Fuß ermittelt werden, wenn zumindest ein Spondeus im Vers vorkommt. Derjenige Fuß, der der Belegung durch einen Spondeus am ehesten widersteht, ist der dritte, was auch mit der ausgeprägten Bevorzugung für die klingende Mittelzäsur zusammenhängt (vgl. unten ad B2b). Hoch liegt auch das Prozent der σπονδειάζοντες (10.8%) sowohl im Verhältnis zur homerischen Zahl (5%) als auch zu der bei Kallimachos ermittelten (7%).7 Die hellenistische Manier, Spondeen im fünften Fuß zu setzen, erfährt durch diesen Prozentsatz Bestätigung.8 Taucht jedoch ein Spondeus im fünften Fuß auf, so ist der vierte immer mit einem Daktylus belegt. Anders herum: Zwei Spondeen im vierten und fünften Fuß dürfen gleichzeitig nicht vorkommen. In 16 Fällen (= 55%) wird der Spondeus im fünften Fuß mit stumpfer Mittelzäsur verkoppelt, was eine starke Tendenz in allen Hymnen darstellt.9 B. Zäsuren B1 Trithemimeres: 158 (= 58.9%) B2 Penthemimeres (Mittelzäsur): 268 B2a stumpfe Mittelzäsur (ehedem auch ‚männlich‘ genannt): 101 (= 37.6%) B2b klingende Mittelzäsur (κατὰ τρίτον τροχαῖον, ehedem auch ‚weiblich‘ genannt): 167 (= 62.3%) Alle Verse weisen eine Mittelzäsur auf. Vergleicht man aber die Prozentzahl der stumpfen Penthemimereis mit der der klingenden, so liegt die Frequenz 7 Dies ist die Prozentzahl der σπονδειάζοντες in den Hymnen (sieht man vom elegischen Hymnos 5 ab). Die Abweichung unter den Gedichten ist erklecklich (h. 1: 14.5%, h. 2: 5.3%, h. 4: 3%. h. 6: 4.3%). 8 Vgl. Korzeniewski 1968, 30, der dafür Kall. h. 3. 170–182 anführt. Hopkinson 1984a, 55 spricht von einer affectation for successive σπονδειάζοντες. 9 Nach Hollis 1990, 18 liegt das Prozent bei 53 für insgesamt 64 σπονδειάζοντες in allen hexametrischen Hymnen.

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I. Einleitung

der τομή κατὰ τρίτον τροχαῖον erheblich höher, was der diachronen Wandlung im Hexameterstil entspricht. Allerdings liegt das Prozent im ArtemisHymnos weit unter dem für Kallimachos ermittelten Durchschnitt (74%).10 Kommt eine stumpfe Zäsur vor (101), dann geht diese entweder mit einer Hephthemimeres (18 = 17.8%) oder bukolischen Diärese (47 = 46.5%) oder beiden (35 = 34.6%) einher.11 Die einzige Ausnahme bildet V. 262: μηδ᾽ ἐλαφηβολίην | μηδ᾽ εὐστοχίην ἐριδαίνειν (weder Hephthemimeres noch bukolische Diärese).12 B3 Hephthemimeres: 132 (= 49.2%) Bei Hephthemimeres pflegt Kallimachos den dritten Fuß mit einem Daktylus zu füllen.13 Im Artemis-Hymnos wird in folgenden Versen dieser Tendenz zuwidergehandelt: V. 14 = 43, 63, 133, 181, 183, 195, 224. B4 Bukolische Diärese: 184 (= 68.6%) Die Häufigkeit der bukolischen Diärese liegt in den Hymnen des Kallimachos bei 64.8%. So liegt der Hymnos an Artemis über dem Durchschnitt. Dieser ergibt sich aus folgendem Prozentsatz: h. 1: 71.8%, h. 2: 68%, h. 4: 57.6%, h. 6: 66.6%. Dass die Prozentzahlen von Hymnen 2 und 3, die in gewisser Hinsicht Gegenstücke bilden, einander sehr nahe stehen, beruht wohl nur auf Zufall. Durch die bukolische Diärese kann das seltene Vorkommen eines spondeischen Wortes nach der stumpfen Zäsur gelindert werden14 (V. 14 = 43: πάσας εἰνέτεας, πάσας ἔτι | παῖδας ἀμίτρους, V. 63: οὔτ᾽ ἄντην ἰδέειν οὔτε κτύπον | οὔασι δέχϑαι,15 V. 133: οὐδὲ διχοστασίη τρώει γένος, | ἥ τε καὶ εὖ περ, V. 181: ἦλϑε παρ᾽ Ἠέλιος καλὸν χορόν, | ἀλλὰ ϑεῆται, V. 183: τίς δὲ νύ τοι νήσων, ποῖον δ᾽ ὄρος | εὔαδε πλεῖστον, V. 224: τάων Μαιναλίη νᾶεν φόνῳ | ἀκρώρεια). Die einzige Ausnahme bildet V. 111: ἔντεα καὶ ζώνη, χρύσεον δ᾽ ἐζεύξαο δίφρον.16 10 Vgl. West 1984, 153. 11 Dies wird auch als Meyers drittes Gesetz bekannt. Maas 1956, 23 weist auf eine Tendenz bei Kallimachos (im Artemis-Hymnos am stärksten ausgeprägt) hin, auf die stumpfe Mittelzäsur die Hephthemimeres folgen zu lassen. 12 Aus diesem Grund hält Maas 1956, 24 (vgl. auch 1921, 136) den Vers für suspekt und schlägt für μηδ᾽ die Konjektur τε καὶ vor. Es gibt aber andere Verse mit der überlieferten Struktur (h. 1. 58, 6. 91, 109, 118). 13 Vgl. Maas 19273, 23 (93§). 14 Vgl. Hopkinson 1984a, 53. 15 Dieser Vers weist beim unterstrichenen Spondeus auch die Besonderheit auf, dass eine Längung des kurzen auslautenden Vokals durch zwei nachfolgende Konsonanten (οὔτ) selten ist, allerdings mit der homerischen Praxis erklärt werden kann. Vgl. Hopkinson 1984a, 54 f. mit Hinweis auf Ε 333 (ebenfalls οὔτ). 16 Zur Synizese in χρύσεον vgl. unten Anm. 43.



6. Metrische Analyse

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C. Brücken C1 Meyers erstes Gesetz:17 V. 77 (ὤλοψας δέ |)18 und 126 (κείρονται δέ |). In beiden Fällen verschmilzt die Partikel δέ mit dem vorausgehenden zu einem ‚Wortbild‘.19 C2 Hilbergs Gesetz:20 V. 8, 23, 32, 97, 128, 131, 132, 140, 172, 214, 249. Der Verstoß wird allerdings entschuldigt, wenn die Zäsur nach καί steht (V. 8, 32, 97, 140, 172, 214), das sich an das folgende Wort anschmiegt. V. 23 steht die Zäsur nach dem Artikel τό, der ebenfalls eine Einheit mit dem nachfolgenden Wort bildet. Die tatsächlichen Verstöße sind also V. 128 (τίκτουσιν τῶν | mit τῶν als Relativpronomen), 131 (τετραπόδων, εὖ |), 132 (ἔρχονται πλὴν |) und 249 (δωμήϑη, τοῦ | mit τοῦ als Relativpronomen). Alle dafür verantwortlichen Wörter sind Monosyllaba.21 C3 Meyers zweites Gesetz:22 V. 83 (| ἐγώ |), V. 173 (| Ἀλάς |), V. 246 (| νομόν |).

17 Worte, die im ersten Fuß beginnen, dürfen nicht nach dem ersten Breve des zweiten Fußes enden (d.h. Wörter mit der Form x–⏑ dürfen im zweiten Fuß nicht enden). Laut Gisekes Gesetz ist das Wortende auch nach dem zweiten Breve des zweiten Fußes untersagt, wenn das Wort im ersten Fuß beginnt (d.h. Wörter mit der Form x–⏑⏑ dürfen im zweiten Fuß nicht enden). Verstöße gegen Gisekes Gesetz haben sich im Artemis-Hymnos nicht gefunden, es sei denn, man zieht V. 88 [Ἀρκαδικὴν ἔπι] hierher, denn das postpositive ἔπι verschmilzt mit Ἀρκαδικήν zu einem Wort. Zur positiven Begründung dieser negativ formulierten Regeln aus der Versstruktur heraus vgl. Fränkel 1955, 133–135. 18 Vgl. Maas 19273, 31 (137§). 19 Vgl. West 1984, 155 Anm. 51, der diese Fälle nicht für Verstöße gegen Meyers Gesetz erachtet. So auch Bornmann 1968, 40 ad loc. Hopkinson 1984a, 53 führt h. 2. 41 und 6. 91 als in Betracht zu ziehende Fälle an. Zum Begriff des ‚Wortbildes‘ und den Kategorien der sog. Appositiva vgl. Fränkel 1955, 142–147. Eine neue Untersuchung der hellenistischen Evidenz für die Problematik des zweiten Fußes ist Magnelli 1995 passim (143 f. zu Kallimachos). 20 Die Zäsur nach dem zweitem Longum des zweiten Fußes ist untersagt. 21 Vgl. Hollis 1990, 20. 22 Iambische Wörter dürfen vor der stumpfen Mittelzäsur nicht zu stehen kommen. West 1984, 155 bemerkt dazu: This is far from being an absolute rule. Vgl. auch Wifstrand 1933, 65 f.

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C4 Tiedkes Gesetz:

23

V. 31 (φέρευ, | τέκος, ὅσσ᾽ | ἐϑελημός) und 157 (κακὸν | μέγα∙ βάλλ᾽ | ἐπί). V. 150 (μάλα | μέγαν ἢ | ὅγε) ist keine Ausnahme, da μάλα μέγαν wegen der metrischen Längung des Nasals als ein einziges Wort gesprochen wird. C5 Hermanns Brücke:24 Es finden sich keine echten Verstöße gegen diese grundlegende Regel. V. 149 (μάλιστα | δέ), 201 (μύρτοιο | δέ) und 239 (δέ | τοι) sind nicht als solche einzustufen, da sowohl die Partikel δέ als auch das Enklitikon τοι mit dem Grundwort zu einer phonetischen Einheit verschmelzen. C6 Naekes Gesetz (bukolische Brücke):25 V. 7 (μή μοι |) und 99 (ὄρεος τοῦ |). In beiden Fällen ist aber die Länge durch die Natur der Silbe, nicht durch ihre Position bewirkt (Wernickes Gesetz). Außerdem ist die Zäsur nach dem Enklitikon μοι weniger auffällig,26 und der Artikel τοῦ schmiegt sich eng an das nachfolgende Παρρασίοιο an.27

23 Das gleichzeitige Auftreten einer Zäsur nach dem vierten Longum (= siebten Element) und dem fünften Longum (= neunten Element) ist zu vermeiden. Die Zäsur nach dem fünften Longum ist ohnehin ziemlich selten (V. 4, 35, 39, 150, 179 und 235 einschließlich der unten aufgelisteten Stellen). V. 59 (ἀειράμενοι ὑπέρ) enthält nur scheinbar eine Zäsur nach ἀειράμενοι, denn die Längung des Iota bewirkt, dass die beiden Worte ohne Pause gesprochen werden. Vgl. auch zu D2. Zur Verletzung von Tiedkes Gesetz vgl. auch Fränkel 1955, 130 Anm. 4. 24 Die Zäsur nach dem ersten Breve des vierten Fußes (= dem vierten „Trochäus“) ist strengstens untersagt. Zur positiven Begründung dieser Verbotsregel vgl. Fränkel 1955, 120–123. 25 Die Zäsur nach dem zweiten Longum des vierten Fußes ist untersagt. Anders herum: Eine bukolische Zäsur kann nur auftreten, wenn der vierte Fuß dreisilbig (= Daktylus) ist, es sei denn (als Milderung von Naekes Gesetz), das zweite Longum des vierten Fußes sei natura longum (Wernickes Gesetz). 26 Die beiden Worte μοι und Φοῖβος werden – pace Bulloch 1970, 262 Anm. 5, der μή μοι Φοῖβος als Wortbild betrachtet (vgl. auch Maas 19273, 31 [137§]) – durch die Semantik (‚Geschwisterrivalität‘) abgehoben, was die Zäsur nach μοι berechtigt. 27 West 1984, 154 f. behauptet, Naekes Gesetz werde von Kallimachos immer berücksichtigt.



6. Metrische Analyse

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C7 Bullochs Gesetz:28 V. 87 (Mittelzäsur und Kolon nach der buk. Diärese), 91 (Kolon nach der Mittelzäsur und der buk. Diärese), 138 (Mittelzäsur und Kolon nach der buk. Diärese), 168 (Mittelzäsur und Kolon nach der buk. Diärese), 255 (Kolon nach der Mittelzäsur und der buk. Diärese). D. Weitere Eigenheiten D1 Metrische Längung (productio epica): V. 45: ϑῡγατέρας (vgl. V. 65: ϑγατρες [am Versende]). Diese Längung am Versanfang ist bei Homer Regel (z.B. Β 492; vgl. auch Kall. h. 4. 293), kommt aber auch nach der bukolischen Diärese vor (z.B. Ζ 192: ϑυγατέρα ἥν).29 Im zweiten Fuß (identisch mit unserer kallimacheischen Stelle) erscheint das Wort bei Homer Λ 271, Ω 604 (= κ 10), bei Hesiod theog. 76 (wo auch der erste Fuß ein Daktylus ist wie bei Kallimachos). V. 53: σα, 211, 253: σον. Zwar ist das Iota des Wortes ἴσος im ArtemisHymnos kurz,30 anderswo aber verwendet Kallimachos Formen mit σ- (vgl. h. 1. 85: σον und ep. 58. 4: σα). Während Homer durchgehend lange Anfangssilben hat, kommt das Wort mit kurzem Iota bei Hesiod (erg. 752, fr. 276. 2 M–W) vor.31 V. 114: Αἵμῳ ἐπὶ Θρήῑκι. So auch Ait. fr. 1. 13 und 104. 1; vgl. aber h. 4. 63: ἔπὶ Θρηῐ́κος Αἵμου. Bei Homer stets mit kurzem Iota (einschließlich der Adjektivform Θρηῐ́κιος). Zum langen Iota vgl. Apoll. Rhod. 1. 24, 632 (aber anders V. 637), Nik. Ther. 49, Opp. kyn. 1. 172, 371 und Nonn. 48. 194. Die Längung scheint also hellenistische Manier zu sein. V. 139 (Ᾱπόλλων) und 169 (Ᾱπόλλωνι). Vgl. aber V. 143 (Ᾰπόλλων ||). Alle Vorkommen des Gottesnamens in den kallimacheischen Hymnen weisen diese Längung auf, außer wenn der Name am Versende steht. Dort hat er 28 Zu diesem „jüngsten“ der Gesetze vgl. Bulloch 1970 passim, vor allem aber 259: Endet nach dem dritten Fuß ein Wort, kann die Tendenz bemerkt werden, dass eine Mittelzäsur (stumpf oder klingend) und/oder eine bukolische Diärese auftreten/-tritt, ferner, dass an einer dieser Stellen oder beiden ein syntaktisches Kolon endet, das ein Interpunktionszeichen nahelegt oder erfordert. Um diese Regelmäßigkeit nicht zu lax zu interpretieren, muss man appositiv gestellte Wörter, die mit dem nächsten zu einem einzigen Wortbild verschmelzen, berücksichtigen (vgl. Bulloch 1970, 260–263). 29 Im kallimacheischen Pentameter dreimal (h. 5. 132, Ait. fr. 75. 29 und ep. 16. 2) auch am Versende als langes ϑῡγατέρ-. 30 Vgl. Etym. m. 477. 10–13 s. v. ἴσος (mit Hinweis auf Kallimachos). 31 Vgl. Schmitt 1970, 55 Anm. 29.

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I. Einleitung

aber immer das kurze Alpha. Ausnahmen sind h. 4. 2 und 276 (Ᾰπόλλωνος nicht am Versende). 32

V. 167 (δατος). Homer hat den mit δατος beginnenden versus acephalus (Φ 312) und mehrmals δατι an derselben sedes (χ 439 = 453, ω 45; vgl. auch Hes. erg. 739 an anderer sedes). Bis auf h. 4. 22 bevorzugt Kallimachos die Formen mit langem Ypsilon. Bei Homer ist die Proportion der beiden Varianten gleichmäßig verteilt. V. 181 (κᾱλόν),33 211 (κᾱλήν). Vgl. aber V. 261 (κᾰλοί).34 Bei Homer wird die erste Silbe des Adjektivs καλός stets lang gemessen. Bei Hesiod überwiegen die Formen mit metrischer Längung, aber auch die Variante mit kurzem Alpha kommt vor (theog. 585 und erg. 63). Mithin folgt Kallimachos der hesiodeischen Praxis.35 V. 200 (ερά), 239 (ερόν). Zwar im Artemis-Hymnos einheitlich mit langem Iota verwendet, schwankt sonst bei Kallimachos die Quantität der Anfangssilbe des Adjektivs (ερ- oder ερ-), es sei denn, es steht am Versanfang (in diesem Fall ist sie immer lang). Diese Eigenheit entspricht der homerischen Praxis. V. 206 (Κῡρήνην). Die Form mit kurzem υ, die auch von Hesiod (fr. 215. 2M–W) verwendet wird, kommt bei Kallimachos h. 2. 73 und 94 sowie ep. 20. 5 vor. Nach Schmitt 1970, 110 Anm. 16 hat Κυρήνη am Versende immer kurzes Ypsilon, im Versinnern immer langes. Ep. 13. 2 bezeugt indes die lange Anfangssilbe in der attributiven Ableitung Κῡρηναίου, ep. 21. 2 die kurze in derselben Form. Apollonios Rhodios (2. 500) kennt auch die Form mit langem Ypsilon. Vgl. auch Aristoph. Thesm. 98. Dieser Manier folgt auch Opp. kyn. 1. 292. V. 222 (῎Ᾱϊδι). Im homerischen Sprachgebrauch erscheint ῎Ᾰϊδι immer mit kurzem Alpha, der Genitiv Ἄϊδος kann aber einen langen Anlaut haben, vor allem in der Wendung Ἄϊδος εἴσω (zuerst Γ 322 und dann mehrmals; vgl. auch Υ 336). Demnach hat Kallimachos ῎Ᾰϊδι und ῎Ᾱϊδος gekreuzt. 32 Bei Homer kann auch Ᾱπόλλωνος am Versende vorkommen (z.B. Α 14), aber Ἀπόλλων hat in dieser Position immer das kurze Αlpha. 33 Indem das Attribut κᾱλόν dem Wort χορόν zugeordnet wird, spielt Kallimachos auf eine homerische Stelle (μ 318: Νυμφέων καλοὶ χοροί) an. An einer anderen Stelle (ϑ 260: λείηναν δὲ χορόν, καλὸν δ᾽ εὔρυναν ἀγῶνα) tauchen die beiden Worte nebeneinander, aber nicht aufeinander bezogen, in umgekehrter Reihenfoge auf. Vgl. auch Anm. 34. 34 Die Wendung κᾱλὸν … ἀγῶνα kommt bei Homer (ϑ 260) in anderer Bedeutung (‚Spielplatz‘) und mit anderer Quantität des Attributs vor. Kallimachos hebt sich in beider Hinsicht von seiner Vorlage ab. 35 Beide Formen (mit langem und kurzem Alpha) kommen bei Kallimachos sogar in ein und demselben Vers vor (h. 1. 55).



6. Metrische Analyse

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D2 „Historische“ Längung: V. 51: ἔδδεισαν. Kallimachos dürfte ἔδεισαν geschrieben haben (codex A), was infolge der sprachgeschichtlich motivierten („historischen“) Längung (aus ἐδϝε-) lang gesprochen wurde nach dem Vorbild Hom. Ψ 417 (ὑποδείσαντες), 425 (ἔδεισε). Vgl. de Ian 1893, 88. Zur Orientierung des modernen Lesers kann aber die gewohnte Schreibweise mit Doppelkonsonanten beibehalten werden, zumal sie die intendierte Aussprache getreu wiedergibt (Kallimachos dürfte das ursprüngliche Digamma ebenso unbewusst gewesen sein, wie jenen [alexandrinischen?] Philologen, die z.B. ϑεουδής statt ϑεοδδής [für ϑεοδϝής] schrieben).36 V. 53: σάκεῑ ἴσα. Hier würde man vermöge einer correptio epica (vgl. unten D5) die Kürzung des Diphthongs erwarten (vgl. V. 71: δύνεῐ ἔσω). Dies unterbleibt jedoch, da ἴσος ursprünglich konsonantisch anlautete (* ϝίσϝος). Die Längung hat also einen historischen Grund. Selbstverständlich dürfte sich Kallimachos darüber auch nicht klar gewesen sein.37 Er hat sich zur vorliegenden Form vermutlich durch eine dichterische Vorlage (z.B. Hom. Ε 467: ν ἶσον) anregen lassen. Dies kann auch erklären, warum V. 253 (ψαμάϑῳ ἴσον) keine epische Kürzung vor ἴσον eintritt (vgl. Hom. Ν 802: βροτολοιγῷ ἶσος). Demgegenüber wird an anderer Stelle (V. 211: Ἀντίκλειᾰν ἴσον) das Adjektiv als vokalisch anlautend betrachtet. V. 59: ἀειράμενοῑ ὑπέρ. Der Grund für das Nicht-Eintreten der correptio epica, mithin der Längung der Endsilbe könnte ebenfalls die Etymologie der Präposition ὑπέρ (vgl. lat. super) gewesen sein. Auch hier liegt wohl die Anregung zur derartigen Behandlung des Diphthongs bei den Gewährsleuten. Vgl. Hom. Γ 299 (πρότεροῑ ὑπέρ) und Ξ 412 (βεβλήκεῑ ὑπέρ). D3 Längung vor Liquida oder Nasal:38 vor L-Laut: V. 47 (ἐνὶ Λιπάρῃ) vor M-Laut: V. 55, 61 (ἐπὶ μέγα),39 150 (μάλα μέγαν)40 36 Vgl. Palmer 1980, 94 f. (Probleme des Metagrammatismos). 37 Vgl. Mineur 1984, 43 und 45. 38 Vgl. Heep 1884, 25 f. 39 Auch bei Homer kommt die Wendung ἐπὶ μέγα immer mit Nasallängung vor, aber in syntaktisch ganz anderer Funktion: μέγα ist Attribut neben einem Substantiv, ἐπί bezieht sich mit Tmesis oder Anastrophe auf das Verb. Zu ἐπὶ μέγα als Adverbial (ohne Längung als proceleusmaticus im iambischen Dimeter) bei Soph. fr. 441a 11 (TrGF IV 364 Radt). 40 Zu der Wendung μάλα μέγα mit der Längung vgl. Apoll. Rhod. 1. 383 (ebenfalls auf Lauteffekt bezogen). Sie ist homerischer Herkunft (μάλα μέγα/-ς/-λ[α]/-λη/-λῃ/λως neunmal, stets mit Nasallängung, mit breitem semantischem Spektrum, unter anderem auch auditivem Bedeutungsfeld).

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vor R-Laut: V. 59 (οἵγε ῥαιστῆρας), 200 (τε ῥέζουσι),41 243 (ἵνα ῥήσσωσιν)42 In allen diesen Fällen wird der entsprechende Konsonant lang (als Geminata) gesprochen. D4 Synekphonesis: V. 9 (αἰτέω), 62 (σφέας), 75 (Βρόντεω), 111 (χρύσεον),43 122 (σφέας), 147 (πυλέων), 184 (νυμφέων), 255 (βασιλέων) All diese Synekphoneseis kommen im Wortinnern vor und sind also als Synizesen zu bezeichnen (zu unterscheiden von der Synaloiphe, die an der Lexemgrenze auftaucht). Das lautliche Ergebnis der kontrahierten Vokale dürfte wohl dem gemeinsprachlich-attischen Brauch am nächsten kommen, bei dem auch in der Schrift Diphthonge erscheinen (so z.B. χρύσεον ~ χρυσοῦν). D5 Correptio epica: Wenn man von der verbreiteten Kürzung der Diphthonge -αι, -οι (seltener auch -ει) infolge der Konsonantisierung des Iota vor dem vokalischen Anlaut des nachfolgenden Wortes absieht, dann ergeben sich folgende Fälle der correptio epica: V. 47 (νήσῳ ἐνί), 114 (Αἵμῳ ἐπί), 117 (Μυσῷ ἐν), 149 πενϑερὴ αὐτή, 171 (Αἰγυπτίου Ἰνωποῖο), 218 (Καλυδωνίου ἀγρευτῆρες), 224 (φόνῳ ἀκρώρεια), 236 (Ἡμέρῃ, οὕνεκα), 239 (φηγῷ ὑπό), 257 (Καϋστρίῳ ἔσταν). Alle sind mit einem Hiat verbunden (vgl. unten D8), was zu der treffenden Bezeichnung ‚Hiatkürzung‘ führte.44 D6 Correptio Attica (positio debilis): V. 57 (Τρινᾰκρίη; vgl. auch Ait. fr. 43. 60) und 176 (ἀλλτρίῳ ἀροτῆρι). Dieses letztere scheint eine Abwandlung der homerischen Wendung ἀλλοτριος φώς (ebenfalls am Versende; z.B. Ε 214) zu sein, was auch die ansonsten bei Kallimachos seltene correptio Attica erklärt. 41 Der ganze Hemiepes (ἱερά τε ῥέζουσι) ist homerisch (ε 102). 42 Vgl. de Ian 1893, 105. 43 Hollis 1990, 19 Anm. 29 interpretiert hier (und auch h. 2. 99 und 4. 39) χρύσεον unkontrahiert mit kurzem Ypsilon (als Anapäst), um den seltenen Spondeen im dritten und vierten Fuß (vgl. dens. 1990, 17) auszuweichen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Kallimachos von der traditionellen Messung von χρῡσός abgewichen wäre. Man wird die tatsächlich etwas schleppende Hexameter-Form DSSSD verschmerzen müssen (eine Möglichkeit der Semantisierung dieser metrischen Unregelmäßigkeit sehe ich nicht). 44 Hollis 1990, 23 weist auf eine Besonderheit der kallimacheischen Hiatkürzungen hin. Steht dieselbe nach der ersten Kürze eines Daktylus, so pflegt dieser der erste Fuß im Vers zu sein (z.B. V. 114: Αἵμῳ ἐπί). Kommt hingegen die Hiatkürzung nach der zweiten Kürze zu stehen, so scheint kein derartiger Zwang zu bestehen (z.B. V. 218: Καλυδωνίου ἀγρευτῆρες).



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D7 Elision:45 Die wichtigste Regel hinsichtlich der Behandlung der Elision durch die hellenistischen Dichter, bei der klingenden Mittelzäsur das Wort nicht zu elidieren, wird ausnahmslos bewahrt. Stattdessen wird die auf die klingende Penthemimeres folgende Silbe (= die Stelle nach dem 6. Element) am häufigsten elidiert. Außerdem ist die Frequenz der Elisionen am Versanfang (nach dem 1–2. Element) und Versende (nach dem 9–10. Element) etwas höher. Meistens werden Präpositionen und Konjunktionen elidiert, seltener Verben oder Substantive (V. 99: προμολῇσ᾽, V. 113: ἤρξατ᾽, V. 157: βάλλ᾽, V. 208: ἔμμορ᾽).46 nach dem 1. Element: 8 nach dem 1½ Element: 2 nach dem 2. Element: 5 nach dem 3. Element: 5 nach dem 3½ Element: 2 nach dem 5. Element: 1 nach dem 6. Element: 12 nach dem 7. Element: 1 nach dem 8. Element: 3 nach dem 9. Element: 3 nach dem 9½ Element: 6 nach dem 10. Element: 4 D8 Hiatus: V. 8 (τόξα – ἔα; zur Hervorhebung des syntaktischen Abbruchs),47 47 (νήσῳ ἐνί mit correptio epica), 48 (οὔνομα οἱ), 67 (ἑῇ ἐπί), 89 (ἵνα οἱ), 114 (Αἵμῳ ἐπί mit correptio epica), 117 (Μυσῷ ἐν mit correptio epica), 149 (πενϑερὴ αὐτή mit correptio epica), 150 (ἢ ὅγε), 170 (χορῷ ἔνι durch die Postposition etwas gemildert), 171 (Αἰγυπτίου Ἰνωποῖο mit correptio epica), 176 (ἀλλοτρίῳ ἀροτῆρι), 218 (Καλυδωνίου ἀγρευτῆρες mit correptio epica), 224 (φόνῳ ἀκρώρεια mit correptio epica), 226 (Μιλήτῳ ἐπίδημε), 230 (ὅτε οἱ), 233 (δύω ἐκαϑίσσατο), 234 (ὅτι οἱ), 236 (Ἡμέρῃ, οὕνεκα mit correptio epica), 237 (πολέμου ἐπιϑυμήτειραι), 238 (παρραλίῃ Ἐφέσῳ), 239 (φηγῷ ὑπό mit correptio epica), 253 (ψαμάϑῳ ἴσον; vgl. zu D2), 257 (Καϋστρίῳ ἔσταν mit correptio epica), 263 (ὀλίγῳ ἐπί). Diejenigen Fälle, die eine Form 45 Über die kallimacheische Elisionstechnik vgl. die Spezialuntersuchung von Beneke 1883 passim (vor allem 17–21 zum Artemis-Hymnos) und Sánchez 2003 passim. 46 Die Elision von δέ, τε und κε (und einigen einsilbigen, enklitischen Pronomina) wird hier nicht berücksichtigt, da die dadurch zurückbleibenden δ-, τ- und κ-Laute phonetisch mit dem Anlaut des nächsten Wortes verschmelzen. 47 Vgl. auch Mineur 1984, 45 und West 1984, 156.

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des Personalpronomens Sg/3 enthalten (V. 48, 89, 230, 234) können auch durch die homerische Tradition entschuldigt werden, die auf das ehemalige anlautende Digamma zurückzuführen ist.48 D9 Versus tetracolus:49 Echte versus tetracoli enthalten tatsächlich nur vier Wörter. Demgegenüber können unechte tetracoli über die vier lexematischen Wörter hinaus auch ein grammatisches Element enthalten, das eine syntagmatische und teilweise auch phonetische Einheit mit dem benachbarten Wort bildet.50 In die erste Kategorie gehören V. 50, 101, 108, 171, 216, in die zweite V. 36, 61, 75, 161, 164, 166, 176, 179, 199, 205, 209, 218, 237, 247, 267. D10 Monosyllaba am Versende: V. 77 (νῦν) 110 (τοι), 120 sowie 121 (δρῦν), 122 (σφέας mit Synizese) und 157 (τούς), immer mit bukolischer Diärese gekoppelt.51 D11 Krasis:52 V. 81 (κἠμοί)53 E. Enjambement Die Versbeugung gehört nicht zum Bereich der Metrik im strengsten Sinne, sondern stellt eine Schnittstelle zwischen Syntax, Stilistik und Versmaß dar. Die folgende Übersicht klassifiziert die verschiedenen Typen des Enjambements im Artemis-Hymnos nach Kategorien, die im Anschluss an G. S. Kirk (1966) auch von Mineur (1984, 31–34) bei seiner Analyse des DelosHymnos verwendet worden sind:54 Progressive Versbeugung:55 53 (= 19.7%) 48 Vgl. Hollis 1990, 22. Er weist auch darauf hin, dass Hiat nach der ersten Länge vornehmlich in einem Daktylus vorkommt (z.B. V. 170: χορῷ ἔνι). 49 Zur Analyse des Phänomens vgl. Bassett 1919 passim. 50 Bei zwei oder mehreren derartigen grammatischen Wörtern verliert sich das Gefühl der ‚Vierheit‘. Vgl. z.B. V. 3, 21 oder 60. 51 Maas 19273, 23 (96§). 52 Vgl. Maas 19273, 27 (122§). 53 Genaueres im Kommentar ad loc. 54 Mineur 1984, 31–34. Vgl. auch McLennans Appendix (Enjambement in the Hymns of Callimachus) in seinem Kommentar zum Zeus-Hymnos (1977, 135–143). Eine frühere Version erschien unter demselben Titel in Hermes 102, 1974, 200–206. 55 Im zweiten Teil des gebeugten Verses werden Ergänzungen nachgetragen, die aus syntaktischem Gesichtspunkt nicht notwenig sind.



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Periodische Versbeugung:56 18 (= 6.7%) Integrale Versbeugung:57 93 (= 34.7%) Drastische Versbeugung:58 22 (= 8.2%) Die Reihenfolge entspricht der Distanzstellung grammatisch immer enger zusammengehörender Satzteile, mithin der zunehmenden Intensivierung der dadurch erzielten Spannung. In Homers Sprache überwiegt die progressive Versbeugung, die einen gelinderen, weniger auffälligen Typus darstellt. In der hellenistischen Dichtung wird den integralen Enjambements eindeutig Vorschub geleistet, was einen wendig-geschmeidigeren und syntaktisch verwickelteren Duktus ermöglicht. Wenn man die periodische und drastische Versbeugung als Unterkategorien der integralen mitrechnet, dann stellt gerade der Artemis-Hymnos – zumindest unter den Hymnen des Kallimachos – einen Spitzenwert dar (49.6%).59 Bei den integralen Versbeugungen handelt es sich zumeist um herausgestellte Satzglieder. Zumal auf dem zweiten Glied aufgrund seiner versinitialen Stellung größerer Nachdruck liegt, wird dieser Typus öfters mit einer bestimmten Absicht, meistens als Ausdruck lebhafter Emotionalität oder einfach als dynamisches Mittel, assoziiert.60 In der fokussierten Position kommen vorwiegend Verben zu stehen (V. 12: ζώννυσϑαι, 27: ἅψασϑαι, 30: τίκτοιεν, 32: αἰτίζεις, 35: εἴσεται, 83: τεύξατε, 97: σημῆναι, 128: τίκτουσιν, 156: ῥέξειαν, 249: δωμήϑη, 258: νοστήσειν), aber auch (prädikative) Partizipien/Verbaladjektive/Adverbien (V. 22: τειρόμεναι, 23: γεινομένην, 31: χωομένης, 127: (ἢ) βληταί, 141: ϑηητήν, 149: ἄλληκτον, 191: πτοιηϑείς, 267: ἀκλαυτί) und andere Wortarten wie Substantive (V. 25: μήτηρ, 106: νόσφι κυνοδρομίης [nebst Präposition], 131: τετραπόδων, 143: ὅπλα, 144: ϑηρίον, 167: ὕδατος, 199: Δικταῖον, 223: τοξότιν, 227: ἡγεμόνην, 236: 56 Im zweiten Teil des gebeugten Verses finden hypotaktische Sätze Platz. Der Übergang wird meistens mit einem Interpunktionszeichen (am häufigsten einem Komma) markiert. 57 Derselbe Satz mit seinen notwendigen Satzteilen wird über zwei (oder mehrere) Verse verteilt. Ein Interpunktionszeichen ist dabei so gut wie ausgeschlossen. 58 Zwei eng zusammengehörige Satzteile (wie z.B. Nomen und Attribut, Präposition) werden durch den Versschnitt zersprengt. 59 Nach McLennans (1977, 137) Rechnung 48.9%, was der Prozentzahl des DemeterHymnos (h. 6) 21.6% gegenübersteht. Er verwendet allerdings M. Parrys älteres Modell (1929 passim), in dem die progressive Versbeugung als unperiodic bezeichnet wird und periodische sowie integrale unter dem Namen necessary enjambement gehen. Er differenziert integrales und drastisches Enjambement nicht. Meine eigene Rechnung für den Artemis-Hymnos hat eine etwas höhere Zahl ergeben (49.6%). Der Unterschied zeigt den Anteil der Subjektivität an, die bei der Beurteilung einiger Grenzfälle waltet. 60 So Mineur 1984, 34, der den sehr ausgeprägten Hang zur Versbeugung bei Kallimachos mit seinem Streben nach Variation und Überraschung erklärt.

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Ἡμέρῃ, 239: φηγῷ, 252: Λύγδαμις ὑβριστής) und Adjektive (V. 54: δεινόν, 118: ἀσβέστου, 250: οὐδ᾽ ἀφνειότερον). Eine von Kallimachos mit besonderer Vorliebe kultivierte Form des integralen Enjambements ist die, bei der ein Wort zum Anfang des Verses „überläuft“ und ihm ein starker Sinneseinschnitt folgt, der auch mit Interpunktionszeichen markiert wird.61 Hierher gehören: V. 25 (μήτηρ), 27 (ἅψασϑαι), 30 (τίκτοιεν), 32 (αἰτίζεις), 35 (εἴσεται), 58 (Ἰταλίη), 83 (τεύξατε), 89 (Μαιναλίης), 118 (ἀσβέστου), 131 (τετραπόδων), 156 (ῥέξειαν), 167 (ὕδα­ τος), 227 (ἡγεμόνην), 236 (Ἡμέρῃ), 249 (δωμήϑη), 258 (νοστήσειν). Zu den „einfachen” drastischen Enjambements zähle ich Strukturen wie Nomen+Attribut/Attribut+Nomen: V. 84 f. (πέλωρον / ϑηρίον), 87 f. (αὖλιν / Ἀρκαδικήν), 150 f. (χλούνην / κάπρον), 212 f. (φαρέτρας / ἰοδόκους), 213 f. (ὦμοι / δεξιτεροί); Nomen+Genitivattribut: V. 78 f. (κόρσῃ / φωτός), 130 f. (γενέϑλη / τετραπόδων), 196 f. (εἰς ἁλιήων / δίκτυα); Pronomen+Nomen: V. 145 f. (ἄεϑλον / τοῦτον); Nomen+notwendige Apposition: V. 57 f. (γείτων / Ἰταλίη). Als eine dem progressiven Typus diametral entgegengesetzte Form ist die drastische Versbeugung bei Homer eine auf eine Handvoll formelhafter Wendungen beschränkte Rarität.62 Sie kommt allerdings bei Kallimachos außerhalb jedweder epischen Formel häufiger zum Einsatz. Offenbar will der Dichter damit die homerische Tendenz konterkarieren und auch Strukturen kultivieren, die bei Homer die Ausnahme darstellen. Dies ist vor allen Dingen in der Sperrung (d.h. vom jeweiligen Bezugswort entfernter Stellung) eines Attributs/Pronomens/Artikels dingfest zu machen. Während also bei Homer die betreffenden Worte zwar durch die Versgrenze getrennt sind, aber aufeinander folgen, oder zumindest eines der beiden immer unmittelbar an der Versgrenze (Anfang/Ende) steht („normale“ Sperrung),63 können dieselben bei Kallimachos ganz weit voneinander entfernt erscheinen und so für eine verschränkte Satzstruktur sorgen.64 Die Fälle dieses mehr oder weniger „verschränkten” drastischen Enjambements sind im Artemis-Hymnos: Attribut+Nomen:65 V. 64 f.: τυτϑαί / οὐδέποτ᾽ ἀφρικτὶ μακάρων ὁρόωσι 61 Vgl. McLennan 1977, 140 im Anschluss an Ziegler 1935, 1402 f. 62 Dabei geht es vor allem um ‚Attribut+Nomen‘-Konstruktionen, deren Attribut-Teil mit Wörtern wie ἄλλος, πᾶς, πολύς, ϑαμειαί gefüllt wird. Vgl. La Roche 1897, 169 f. und Parry 1929, 218 f. 63 Die drei Möglichkeiten sind also (nach La Roche 1897, 169): ‚Attr./Subst‘; ‚Attr. /… Subst.‘; ‚Attr. … / Subst.‘. Die einzige Ausnahme scheint Π 104 f. (δεινὴν δὲ περὶ κροτάφοισι φαεινή / πήληξ βαλλομένη καναχὴν ἔχε) zu sein, obwohl hier die Überlieferung neben δεινήν auch δεινή (sicherlich aus δεινήν korrumpiert) und δεινόν bietet. Das Verspaar enthält auch den Normalfall des drastischen Enjambements (φαεινή / πήληξ). Könnte sich Kallimachos bewusst auf diese Ausnahme bezogen haben? 64 Zur Diskussion dieses Phänomens vgl. McLennan 1977, 138 f. 65 Die Abfolge ‚Attribut+Nomen‘ lässt naturgemäß größere Spannung entstehen als die von ‚Nomen+Attribut‘.



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ϑύγατρες (versfinale Stellung), 77 f.: τὸ δ᾽ ἄτριχον εἰσέτι καὶ νῦν / μεσσάτιον στέρνοιο μένει μέρος, 110 f.: χρύσεα μέν τοι / ἔντεα καὶ ζώνη („normale“ Sperrung), 162 f.: λυϑείσας / ψήχουσιν κεμάδας („normale“ Sperrung), 242 f.: λίγειαι / λεπταλέον σύριγγες („normale“ Sperrung), V. 252 f.: ἱππημολγῶν / ἤγαγε Κιμμερίων („normale“ Sperrung), V. 253 f.: παρ᾽ αὐτόν / ... πόρον; Nomen+Attribut: V. 88 f.: κρέα λυγκὸς ἔταμνε / Μαιναλίης („normale“ Sperrung), 134 f.: ϑυωρόν / εἰνάτερες γαλόῳ τε μίαν πέρι δίφρα τίϑενται; Pronomen+Nomen: V. 180 f.: ἐκεῖνον / ἦλϑε παρ᾽ Ἠέλιος καλὸν χορόν („normale“ Sperrung), 204 f.: κείνης / Κρηταέες καλέουσιν ἐπωνυμίην ἀπὸ νύμφης (versfinale Stellung), Artikel+Nomen:66 V. 68 f.: ὁ δὲ δώματος ἐκ μυχάτοιο / ἔρχεται Ἑρμείης, V. 192: ἡ δ᾽ ὁτὲ μὲν λασίῃσιν ὑπὸ δρυσὶ κρύπτετο νύμφη; Adverb+Nomen: V. 133 f.: εὖ περ / οἴκους ἑστηώτας (εὖ ist notwendiges Argument zu ἑστηώτας). Teil II Schließlich soll der Versuch unternommen werden, einige metrische Eigenheiten des Hymnos zu ‚semantisieren‘, d.h. mit der inhaltlichen Ebene in Zusammenhang zu bringen. Diesem Bestreben liegt das unbestreitbare Postulat zugrunde, dass das Versmaß die vom Dichter beabsichtigte Aussage widerspiegelt.67 Selbstverständlich kann bei dem Prozess der Verkopplung der Form- und Inhaltseite – wie bei jedem Interpretationsakt – ein gewisser Einschlag von Subjektivität nicht ausgeschlossen werden. Vielleicht gelingt es aber, subjektive Unterstellungen zu vermeiden und die Bemerkungen im Bereich des Wahrscheinlichen zu halten. Im Allgemeinen lässt sich behaupten, dass die versus holodactyli naturgemäß Geschwindigkeit und Leichtigkeit ausdrücken, während die Häufung der Spondeen durch die Verlangsamung des Tempos und angesichts ihrer sparsamen, deshalb stets markierten Verwendung für eine nachdrückliche Äußerung sorgen oder auf etwas Bemerkenswertes hinweisen.68 In der Antwort des Zeus an Artemis wird zum Beispiel die Zugabe des Vaters in drei holodaktylischen Versen (33–35) formuliert, die die Leichtigkeit des Versprechens suggerieren, das ihm glatt von den Lippen geht. So kann es kei66 Wenn im Artikel noch die ursprüngliche Demonstrativpronomen-Funktion durchscheint, dann nimmt sich die Sperrung milder aus. 67 Vgl. Fränkel 1955, 102: Eine positiv geregelte Gliederung des Verses durch die Worte des Textes ist ja nichts anderes als eine positive Auseinandersetzung des Inhalts- und Vorstellungsablaufs mit dem metrischen Ablauf des Hexameters. 68 Vgl. Snell 19623, 9 mit der nötigen Kautel: Es ist mißlich, allgemeine Regeln über dergleichen aufzustellen, wohl aber lässt sich in der Einzelinterpretation oft das Treffende oder Schöne bestimmter Versformen aufweisen. Ebenso auch Korzeniewski 1968, 29 f.

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nem Leser entgehen, wenn V. 36 der Rhythmus durch vier Spondeen plötzlich schleppend und zugleich feierlich wird.69 Auch der Kontrast des lauter Daktylen enthaltenden Verses 165 (vgl. auch den Ausdruck ὠκύϑοον, wo das Attribut ornamental zum Klee gehört) und des spondeischen Verses 165, der das Anfüllen der goldenen Tröge (χρυσείας … ἐπλήσαντο) schildert, scheint beabsichtigt zu sein. Das Überwiegen der Spondeen suggeriert dann das feierliche Eingießen des Wassers in die preziösen Behälter. Auf einen ähnlichen Kontrast scheinen V. 47–49, die einleitenden Verse der Kyklopen-Szene, angelegt zu sein: Zwei holodaktylische Verse (V. 47 und 49), die die emsige Arbeit der Kyklopen ausdrücken (V. 49: ἐπείγετο γὰρ μέγα ἔργον), umgeben einen versus spondaicus (V. 48), der an der entscheidenden Stelle den Namen ihres Meisters Hephaistos trägt (Ἡφαίστοιο), dessen mit seiner Lahmheit kontrastierende komische Beflissenheit in der berühmten ‚metrischen Ethopoiie‘ Homers Ausdruck fand (Hom. Α 600: ποιπνύοντα [sc. Ἥφαιστον] als Ursache des Gelächters der Götter). So verwendet Kallimachos diesen Kunstgriff gleichsam als σφραγίς für Hephaistos, indem dessen Name an die Stelle des homerischen ποιπνύοντα gesetzt wird.70 Ebenfalls an diesen homerischen Passus soll μυχϑίσσειαν in einem späteren spondaicus (V. 61) erinnern, das das Ächzen der Kyklopen schildert und den lautmalerischen Charakter (μ-Alliteration [ἐπὶ (μ) μέγα μυχϑίσσειαν]; Plosivlaute χ, ϑ; Doppelfrikativ σσ) mit dem homerischen ποιπνύοντα gemeinsam hat.71 So wird die Bemühung der Kyklopen der komischen Dienstbereitschaft des Hephaistos gleichgesetzt. Womöglich ist auch ἀσπαίροντα am Ende von V. 151 mit Blick auf ποιπνύοντα gewählt worden (in beiden Fällen kommt – bei Homer allerdings nur implizit – eine charakteristische Bewegung mit den Beinen zum Ausdruck). Auf jeden Fall drücken die Spondeen auch unabhängig von Homer die Heftigkeit der zuckenden Bewegung aus.72 Einen ähnlichen Effekt erzielt die Endstellung eines die Müdigkeit und Lahmheit der Rinder suggerierenden Partizips (V. 177: κεκμηυῖαι) und eines das Wunder der Verlangsamung und Verlängerung der Tage ausdrückenden Verbs (V. 182: μηκύνονται). Der besonderen 69 Zu διαμετρήσαντο am Versende vgl. h. 2. 55. Zur Rolle dieser Entsprechung vgl. Kapitel I 3, 38 f. 70 An derselben sedes auch h. 1. 76 (ebenfalls in Genitiv). 71 Vgl. Korzeniewski 1968, 30. 72 Ganz offenkundig von Homer beeinflusst ist der Versschluss ἡγήσασϑαι (V. 97). Vgl. Hom. Χ 101, ι 263 (ἡγήσασϑαι) und weitere drei Stellen mit dem Morphem ἡγησά-. Der kallimacheische Witz liegt darin, dass an allen homerischen Stellen menschliche Agenten erscheinen, während es im Artemis-Hymnos Hunde sind. Dasselbe lässt sich für ἐσσεύοντο im nächsten Vers (98) behaupten. Dieselbe Verbform kommt Hom. Β 808, Ι 80, Λ 167, 419, Χ 146; ξ 456, ω 466 in den letzten beiden Füßen vor. Kallimachos verkoppelt also in zwei aufeinander folgenden Versen zwei in dieser Stellung charakteristisch homerische Verben und ordnet ihnen unhomerische Akteure zu.



6. Metrische Analyse

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Emphase dient die Stellung weiterer, positiv oder negativ konnotierter Wörter am Ende des Hexameters. Auf diese Weise entstehen σπονδειάζοντες mit folgenden Elementen in Endposition: dem Namen des Herakles (V. 108: Ἡρακλῆι; mit Hera als spondeischem Gegenpart am Anfang des Verses), dem wirkmächtigen göttlichen Blick (V. 129: αὐγάσσηαι),73 einem das Wühlen der Wildschweine ausdrückenden Verb (V. 156: λυμαίνονται) und dem feierlichen Tanz der Nymphen der Göttin (V. 170: κυκλώσονται) sowie dem der Amazonen (V. 240: ὠρχήσαντο; vgl. auch die Tanzverweigerung einer Amazone in Vers 267: κυκλώσασϑαι und das identische Versende h. 1. 52: περὶ πρύλιν ὠρχήσαντο).74 Der holodaktylische Vers 106 könnte auf die Geschwindigkeit hinweisen, da es hier ausdrücklich um die Schnelligkeit der Artemis (νόσφι κυνοδρομίης) und ihres Wagens (ϑοὸν ἅρμα) geht. V. 107 wird dasselbe von einem Hirsch suggeriert. Eine Sequenz von drei versus holodactyli (120– 122) schildert die ersten Schießübungen der Göttin mit derselben Wirkung.75 Vers 142 könnte den Empfang der Artemis durch Hermes und Herakles sinnfällig machen, wie die beiden herbeieilen, um ihr aufzuwarten. Eine ähnlich holodaktylische Versabfolge (158–161) begleitet die Schilderung des rührigen (V. 158: ταχινός) Wesens des Herakles, der auch im Himmel unverändert bleibt. Ins Negative gewendet drückt der durchgehend daktylische Vers 253 den Ansturm der Kimmerier aus. Die holodaktylischen Verse 246–248 scheinen auch auf eine besondere Wirkung hin konzipiert zu sein: Die ersten beiden schildern den Widerhall des Ringtanzes der Amazonen in weiter Entfernung. Die Daktylen dürften den Rhythmus des Waffentanzes und seine instrumentale Begleitung (V. 246 f.: πόδεσσιν / οὖλα κατεκροτάλιζον, ἐπεψόφεον δὲ φαρέτραι) wiedergeben. Vers 248 schildert durch die Beibehaltung des daktylischen Rhythmus den Vorgang, bei dem die musikalischtänzerische Harmonie in den Tempelbau als architektonische Harmonie übergeführt wird.76 Vers 236 ist über sein holodaktylisches Gepräge hinaus als versus hyporrhythmicus zu charakterisieren, da die Zäsuren mit Wortenden zusammenfallen. Kann das dadurch erzielte klappernde Tongefälle eine metrische Abbildung der seelischen Zerfallenheit der Proitiden darstellen? 73 Vgl. h. 6. 4 (αὐγάσσησϑε) am Versende, aber vom menschlichen Sehen. 74 Weniger sichere Fälle, die allerdings eine bewusst erzielte Hervorhebung zumindest nahelegen, sind V. 222 f.: μωμήσασϑαι ~ συνεπιψεύσονται, 232: ϑυμωϑεῖσαι, 237 f.: ἐπιϑυμήτειραι ~ ἱδρύσαντο, 251: ἠπείλησε und 265: ἐμνήστευσαν. Man muss allerdings beachten, dass die Vorliebe für den versus spondaicus bei den hellenistischen Dichtern besonders ausgeprägt ist und gleichsam zur Manier wird (vgl. oben Abschnitt A; die Tendenz schlägt mit Nonnos um, der sich keinen versus spondaicus erlaubt). 75 Bei meiner Annahme eines ausgefallenen Verses (121a) habe ich diese Sequenz nicht brechen wollen und einen versus holodactylus vorgeschlagen. 76 Vgl. auch den Kommentar ad V. 241 (a).

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I. Einleitung

Verse 52–54 weisen dieselbe Verteilung der Daktylen und Spondeen auf (DSDDD), wobei einiges Gewicht auf den zweiten spondeischen Fuß fällt. Diese Silben mitsamt den nachfolgenden bis zur Wortgrenze scheinen sogar in einer inhaltlichen Korrespondenz zu stehen, denn in allen dreien kommt das Motiv des Auges sowie des Blickes zum Ausdruck: V. 52: Ὀσσαί|οισιν ~ V. 53: μουνό|γληνα ~ V. 54: ὑ|πογλαύ|σσοντα. Dies trägt zur Schilderung der einäugigen (μουνόγληνα), finster blickenden (δεινὸν ὑπογλαύσσοντα) Ungetüme (Kyklopen) erheblich bei und lässt das Wortspiel in Ὀσσαίοισιν besser ins Ohr fallen: Durch die Entsprechung mit μουνόγληνα im nächsten Vers wird über die geographische Bedeutung hinaus eine poetische Etymologie suggeriert, die die Felsen des Ossa-Gebirges mit Riesenaugen (ὄσσε) assoziiert (vgl. den Kommentar zur Stelle). Abschließend sei auf eine längere Passage (V. 189–200: BritomartisEpisode) hingewiesen, die eine besonders kunstvolle metrische Struktur zu haben scheint. V. 189 wird die gortynische Lieblingsnymphe der Artemis mit klangvoll gemessenen Spondeen eingeführt (ἀλλάων Γορτυνίδα … νύμφην). Mit den Versen 190–197 folgt eine daktylische „Fuge“ mit fünf versus holodaktyli. Sie schildert offensichtlich die fast beschwingte Verfolgung der Nymphe Britomartis durch Minos. Wenn in dieser Sequenz dreimal Spondeen auftauchen, dann wohl mit Bedacht: V. 191 (πτοιηϑεὶς) wird dadurch das plötzliche Auflodern der Sehnsucht zum Ausdruck gebracht, V. 194 (τε κρημνούς) erhalten die ein Hindernis darstellenden Hänge und Klüfte gleichsam einen Klangkörper, und das Fehlen der bukolischen Zäsur in einem von ihr beherrschten Umfeld könnte eben das ‚pausenlose‘ Suchen ohrenfällig machen,77 V. 195 wird durch das Anhalten des Rhythmus (μαρπτομένη καὶ δή) suggeriert, wie Britomartis beinahe angepackt wird. In den Versen 198 f. kommen die Spondeen öfters vor und heben die neue Namengebung der Nymphe (V. 198 f.: νύμφην μὲν Δίκτυναν … / Δικταῖον) sowie die Errichtung von Altären zu ihrer Ehe (V. 199: ἀνεστήσαντο [sc. βωμούς])78 als aitiologische Abrundung der Geschichte hervor.

77 Zur Semantisierung derartiger „überlaufender“ Zäsuren vgl. Fränkel 1955, 141 f. 78 Vgl. V. 238: ἱδρύσαντο (eine Holzstatue). Bei V. 199 handelt es sich nicht um einen echten σπονδειάζων, sondern um eine Verschiebung der bukolischen Diärese durch ein ‚schweres‘ Wort.

II. Kritischer Text und Übersetzung Sigla Codices extantes: C = Venetus Marcianus 480 (Pfeiffer II 1953 LXX sq.) E = Parisinus Gr. 2763 (Pfeiffer II 1953 LXIII sq.) e = Ambrosianus 734 (Pfeiffer II 1953 LXIV) F = Ambrosianus 120 (Pfeiffer II 1953 LVI sq.) H = Leidensis Vossianus 59 (Pfeiffer II 1953 LIX) I = Vaticanus Gr. 1379 (Pfeiffer II 1953 LVII sq.) S = Matritensis Gr. 4562 (Pfeiffer II 1953 LXVIII) Λ = Laurentianus suppl. 440 (Pfeiffer II 1953 LVIII sq.) Π = Parisinus Gr. 1095 (Pfeiffer II 1953 LXV sq.) Ψ = archetypus restitutus (Pfeiffer II 1953 LXXIX–LXXXVI) α (hyparchetypus) = consensus codicum AtFGHIΛ (Pfeiffer II 1953 LIX sq.) β (hyparchetypus) = consensus codicum Ee (Pfeiffer II 1953 LXV) γ (hyparchetypus) = consensus codicis Π cum editione principe La (Pfeiffer II 1953 LXVII sq.) δ (hyparchetypus) = consensus codicum SQ (Pfeiffer II 1953 LXIX sq.) ζ (hyparchetypus) = consensus codicum ABCK (Pfeiffer II 1953 LXXI sq.) η (hyparchetypus) = consensus codicum GHIΛ (Pfeiffer II 1953 LX sq.) La η = codex restitutus stirpis η, qua Lascarem usum esse ad editionem suam verisimile est (Pfeiffer II 1953 LXI sq.) Codex deperditus: T = Taurinensis B. V. 26 (Pfeiffer II 1953 LXXIV) Editio princeps: La = Callimachi Cyrenaei hymni. Edidit Ianus Lascaris, inter a. 1494 et 1496 Florentiae (Pfeiffer II 1953 LXVI sq.) Libri papyracei: PAmh 20 = Pfeiffer 43 (II 1953 LII) PAnt 20 = Pfeiffer 44 (II 1953 LII) PAnt 179 = PAnt III 1967 (additamentum editioni Pfeifferianae) PCair 47993b = Pfeiffer 39 (II 1953 LI) PFay s. n. = Coles 1970, 253 sq. (additamentum editioni Pfeifferianae) PGen 209 = Carlini 1973 (additamentum editioni Pfeifferianae) PMed 42 = Pfeiffer 38 (II 1953 LI) POxy 2258 = Pfeiffer 37 (II 1953 XXIV sq.), in apparatu critico hymnorum ‚inedita‘ sine numero https://doi.org/10.1515/9783110698480-002

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II. Kritischer Text und Übersetzung

ΕΙΣ ΑΡΤΕΜΙΝ

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Ἄρτεμιν (οὐ γὰρ ἐλαφρὸν ἀειδόντεσσι λαϑέσϑαι) ὑμνέομεν, τῇ τόξα λαγωβολίαι τε μέλονται καὶ χορὸς ἀμφιλαφὴς καὶ ἐν οὔρεσιν ἑψιάασϑαι, ἄρχμενοι ὡς †ὅτε πατρὸς ἐφεζομένη γονάτεσσι παῖς ἔτι κουρίζουσα τάδε προσέειπε γονῆα∙ ʽδός μοι παρϑενίην αἰώνιον, ἄππα, φυλάσσειν, καὶ πολυωνυμίην, ἵνα μή μοι Φοῖβος ἐρίζῃ, δός δ᾽ ἰοὺς καὶ τόξα – ἔα πάτερ, οὔ σε φαρέτρην οὐδ᾽ αἰτέω μέγα τόξον∙ ἐμοὶ Κύκλωπες ὀϊστούς αὐτίκα τεχνήσονται, ἐμοὶ δ᾽ εὐκαμπὲς ἄεμμα∙ ἀλλὰ φαεσφορίην τε καὶ ἐς γόνυ μέχρι χιτῶνα ζώννυσϑαι λεγνωτόν, ἵνʼ ἄγρια ϑηρία καίνω. δὸς δέ μοι ἑξήκοντα χορίτιδας Ὠκεανίνας, πάσας εἰνέτεας, πάσας ἔτι παῖδας ἀμίτρους. δὸς δέ μοι ἀμφιπόλους Ἀμνισίδας εἴκοσι νύμφας, αἵ τε μοι ἐνδρομίδας τε καὶ ὁππότε μηκέτι λύγκας μήτ᾽ ἐλάφους βάλλοιμι, ϑοοὺς κύνας εὖ κομέοιεν. δὸς δέ μοι οὔρεα πάντα· πόλιν δέ μοι ἥντινα νεῖμον ἥντινα λῇς· σπαρνὸν γὰρ ὅτ᾽ Ἄρτεμις ἄστυ κάτεισιν· οὔρεσιν οἰκήσω, πόλεσιν δʼ ἐπιμείξομαι ἀνδρῶν μοῦνον ὅτ᾽ ὀξείῃσιν ὑπ᾽ ὠδίνεσσι γυναῖκες τειρόμεναι καλέωσι βοηϑόον, ᾗσί με Μοῖραι γεινομένην τὸ πρῶτον ἐπεκλήρωσαν ἀρήγειν, ὅττι με καὶ τίκτουσα καὶ οὐκ ἤλγησε φέρουσα 1 ἀειδόντεσσι : Hom. α 352 apud Plat. rep. 424B 10 | οὐ ... λαϑέσϑαι : Hom. h. Ap. 1: Μνήσομαι οὐδὲ λάϑωμαι ᾿Απόλλωνος ἑκάτοιο || 3 καὶ ἐν ⌊οὔρεσιν⌋ ἑψιάασϑαι : *Hom. h. Ven. 18: καὶ ⌊οὔρεσι⌋ ϑῆρας ἐναίρειν || 4 ἄρχμενοι : Hom. h. 1. 18: ᾄδομεν ἀρχόμενοι, h. Dem. 1, h. 9. 8 etc.: ἄρχομ’ ἀείδειν | ⌊πατρὸς ἐφεζ⌋ομένη γονάτεσσι : *Hom. Φ 506: ⌊πατρὸς ἐφέζ⌋ετο γούνασι κούρη (Artemis) || 8 ἰοὺς καὶ τόξα : Hom. h. 27. 16: τόξα καὶ ἰούς || 9 μέγα τόξον : *Hom. φ 74 || 10 εὐκαμπὲς ἄεμμα : Philet. fr. 16: γυμνὸν ἄεμμα || 13 Ὠκεανίνας : *Hes. theog. 364: Ὠκεανίναι || 14 ad structuram versus cf. Hom. h. Merc. 192, Theokr. 15. 6, [Alk.] adesp. 9. 2 (CA p. 186) || 17 ϑοοὺς κύνας : *Hom. Λ 818, Σ 584: τα⌊χέας κύνας⌋ | εὖ κομέοιεν : *Hom. ρ 319: οὐ κομέουσι (canem) || 20 ἐπιμείξομαι : *Hom. ζ 205: ἐπιμίσγεται (negative) || 23 γεινομένην τὸ πρῶτον : *Hes. theog. 202: γεινομένῃ τὰ πρῶτα (Veneri) || 1–6 fin. 16 init. vers. PMed col. I 13 sqq. || 2–4, 12–14 POxy fr. 3 a-b recto || 4 ἀρχόμενοι Ψ -όμενος ζ : corr. Blomfield | ὡς ὅτε Ψ καὶ ὅτε δ: ὡς πατρός ποτ᾽ tentavi ὡς ἔτι πατρὸς Bornmann || 16 ἐνδρομάδας Ψ : corr. La || 17 ϑοὰς α || 20 ἐπιμίξομαι Wörpel 1902, 421 || 21 ὀξείαισιν BCK La -εσσιν Ψ : ὀξείησιν α || 22–54 PMed col. II 1–33 || 22 καλέουσι Ψ : κ[α]λεωσι PMed ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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Hymnos zu Ehren der Artemis (1) Wir besingen Artemis (denn es ist den Sängern kein Leichtes, sie zu vergessen), der Bogen, Jagd auf Hasen und prächtiger Reigentanz und Tändelspiele im Gebirge am Herzen liegen, indem wir da anfangen, wie sie (5) als noch kleines Kind auf den Knien ihres Vaters sitzend ihn mit folgenden Worten ansprach: „Gib mir, Väterchen, die Jungfräulichkeit ewig zu bewahren, und Vielnamigkeit, auf dass mit mir auch Phoebus nicht wetteifern könne, gib mir Pfeile und Armbruste – doch lass es, Vater, ich gehe dich um keinen Köcher, noch um einen großen Bogen an; mir werden die Kyklopen (10) alsbald Pfeile schmieden, mir biegsame Bogen –; doch gib mir, die Fackel zu tragen, und einen bis zum Knie reichenden Chiton mit bunter Borte hochzubinden, damit ich wilde Tiere töten kann. Gib mir sechzig Okeanostöchter zu Chortänzerinnen, alle neunjährig, alle noch unumgürtete Mädchen. (15) Gib mir als Dienerinnen zwanzig Nymphen von Amnisos, die meine Sandalen und schnellen Hunde wohl besorgen mögen, wenn ich weder Luchse noch Hirsche jagen werde. Gib mir alle Berge; weise mir aber jene Stadt zu, die du willst, denn nur selten wird sich Artemis in die Stadt begeben. (20) Ich werde im Gebirge wohnen, den Städten der Männer werde ich mich aber nur nähern, wenn mich die Frauen von heftigen Wehen gepeinigt als Schützerin anrufen, denen mich die Moiren gleich bei meiner Geburt zur Helferin erkoren haben, zumal meine Mutter weder bei der Niederkunft noch während der Schwangerschaft Pein gespürt,

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μήτηρ, ἀλλ᾽ ἀμογητὶ φίλων ἀπεϑήκατο γυίων.᾽ ὣς ἡ παῖς εἰποῦσα γενειάδος ἤϑελε πατρός ἅψασϑαι, πολλὰς δὲ μάτην ἐτανύσσατο χεῖρας, μέχρις ἵνα ψαύσειε. πατὴρ δ᾽ ἐπένευσε γελάσσας, φῆ δὲ καταρρέζων∙ ‘ὅτε μοι τοιαῦτα ϑέαιναι τίκτοιεν, τυτϑόν κεν ἐγὼ ζηλήμονος Ἥρης χωομένης ἀλέγοιμι. φέρευ, τέκος, ὅσσ᾽ ἐϑελημός αἰτίζεις, καὶ δ᾽ ἄλλα πατὴρ ἔτι μείζονα δώσει. τρὶς δέκα τοι πτολίεϑρα καὶ οὐχ ἕνα πύργον ὀπάσσω, τρὶς δέκα τοι πτολίεϑρα, τὰ μὴ ϑεὸν ἄλλον ἀέξειν εἴσεται, ἀλλὰ μόνην σὲ καὶ Ἀρτέμιδος καλέεσϑαι∙ πόλλας δὲ ξυνῇ πόλιας διαμετρήσασϑαι μεσσόγεως νήσους τε∙ καὶ ἐν πάσῃσιν ἔσονται Ἀρτέμιδος βωμοί τε καὶ ἄλσεα. καὶ μὲν ἀγυιαῖς ἔσσῃ καὶ λιμένεσσιν ἐπίσκοπος.᾽ ὣς ὁ μὲν εἰπών μῦϑον ἐπεκρήηνε καρήατι. βαῖνε δὲ κούρη Λευκὸν ἔπι Κρηταῖον ὄρος κεκομημένον ὕλῃ, ἔνϑεν ἐπ᾽ Ὠκεανόν∙ πολέας δ᾽ ἐπελέξατο νύμφας, πάσας εἰνέτεας, πάσας ἔτι παῖδας ἀμίτρους∙ χαῖρε δὲ Καίρατος ποταμὸς μέγα, χαῖρε δὲ Τηϑύς, οὕνεκα ϑυγατέρας Λητωίδι πέμπεν ἀμορβούς.

26 ὣς ἡ παῖς εἰποῦσα : Hom. Β 70: ὣς ὁ μὲν εἰπών (somnium), Ζ 466: ὣς εἰπὼν οὗ παιδὸς (Hector) || 27 πολλὰς δὲ μάτην ἐτανύσσατο χεῖρας : Hom. β 151: πτέρα πολλά (aquilae), h. Cer. 308: πολλὰ δὲ καμπύλ’ ἄροτρα μάτην (boves), *Hom. h. Merc. 51: ἐτανύσσατο χορδάς (Mercurius) || 28 πατὴρ δ᾽ ⌊ἐπένευσε⌋ ⌊γελάσσας⌋ : *Hom. Ο 75: ⌊ἐπένευσ⌋α καρήτι (Jupiter), h. Cer. 169: ⌊ἐπένευσε⌋ καρήατι (Ceres), *466: ⌊ἐπένευσε⌋ καρήτι (Jupiter), *Hom. Φ 508: ἡδὺ ⌊γελάσσας⌋ (Jupiter) || 29 φῆ δὲ καταρρέζων (Jupiter Dianam) : Hom. Ζ 485: χειρί τέ μιν κατέρεξεν (Hector Andromachan) || 30 ζηλήμονος : Hom. ε 118: ζηλήμονες (varia lectio δηλήμονες) || 31 (τυτϑόν...) ⌊χωομένης⌋ ἀλέγοιμι : *Hom. Θ 477: (οὐκ) ἀλεγίζω / ⌊χωομένης⌋ | τέκος: *Hom. ζ 68 | ἐϑελημός : *Hes. erg. 118: ἐϑελημοί || 32 αἰτίζεις : Hom. δ 651: αἰτίζῃ || 39 ὣς ὁ μὲν εἰπών : *Hom. Β 70 (somnium forma Nestoris) || 44 χαῖρε δὲ Τηϑύς : Hom. h. Ap. 12: χαίρει δέ τε πότνια Λητώ || 45 ἀμορβούς : *Antim. fr. 28. 1: ἀμορβέων || 27–29, 36–39 POxy fr. 3 a–b verso; v. 27 ]νδ[ supra lineam secundum Pfeifferum finis v. 20 tralaticius esse potuerit; Morel ἐπὶ τὸ]ν Δ[ία supplevit || 29 ὅτι Ψ corr. La : οτε PMed || 31–92 permutatis vv. 48–49 omisso v. 85 PGen || 37 μεσόγεως Ψ PAnt 20 lemma : corr. La η μεσσ]ογε[ω]ς PGen (ad coniecturam spatii cf. Carlini 1973, 154 ad loc.) | ἁπάσῃσιν Ψ : corr. T ε]ν[πα]σηι[σιν PMed || 38 ἀγυι]ης PGen : ἀγυι]ῇς corr. Carlini ||45 πέμπεν Ψ π[ε]μβεν PGen : πέμπον Σ Nik. Ther. 349b ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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(25) sondern mich aus ihrem lieben Schoß ohne Weh geboren hatte.“ So sagte das Mädchen und wollte den Kinnbart des Vaters berühren, streckte aber mehrmals vergebens ihre Hände aus, ohne ihn zu erreichen. Ihr Vater nickte aber lachend Gewährung und erwiderte, während er sie streichelte: „Solang mir die Göttinnen Derartiges (30) vorbringen, würde ich mich nicht einen Deut um die eifersüchtige Hera kümmern, wenn sie grollt. Nimm doch, Kind, alles, worum du absichtlich bittest, und dein Vater wird dir noch Anderes Größeres hinzugeben: Ich weise dir dreimal zehn Städte und mehr als eine Burg zu, dreimal zehn Städte, die keinen anderen Gott zu verehren (35) wissen werden, als nur dich, so dass sie als zu Artemis gehörig gelten werden; dann viele Städte, an deren Gründung du nebst anderen Göttern beteiligt sein wirst, Festlandstädte und auch Inseln; in allen Städten wird es aber Altäre der Artemis und auch Haine geben. Und du wirst über die Straßen und Häfen Aufsicht führen.“ So sagte er und (40) hat seine Worte durch Kopfnicken bekräftigt. Das Mädchen ging aber zu Leukos, einem baumbestandenen Berg auf Kreta, von dort zum Okeanos; da hat sie viele Nymphen ausgesucht, alle neunjährig, alle noch unumgürtete Mädchen. Es hat sich der Fluss Kairatos hellauf gefreut, es freute sich Tethys, (45) dass sie ihre Töchter dem Leto-Kind beigesellen durften.

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αὖϑι δὲ Κύκλωπας μετεκίαϑε∙ τοὺς μὲν ἔτετμε νήσῳ ἐνὶ Λιπάρῃ (Λιπάρη νέον, ἀλλὰ τότ᾽ ἔσκεν οὔνομα οἱ Μελιγουνίς) ἐπ᾽ ἄκμοσιν Ἡφαίστοιο ἑσταότας περὶ μύδρον· ἐπείγετο γὰρ μέγα ἔργον· ἱππείην τετύκοντο Ποσειδάωνι ποτίστρην. αἱ νύμφαι δ᾽ ἔδδεισαν, ὅπως ἴδον αἰνὰ πέλωρα πρηόσιν Ὀσσαίοισιν ἐοικότα (πᾶσι δ᾽ ὑπ᾽ ὀφρύν φάεα μουνόγληνα σάκει ἴσα τετραβοείῳ δεινὸν ὑπογλαύσσοντα) καὶ ὁππότε δοῦπον ἄκουσαν ἄκμονος ἠχήσαντος ἐπὶ μέγα πουλύ τ᾽ ἄημα φυσάων αὐτῶν τε βαρὺν στόνον∙ αὖε γὰρ Αἴτνη, αὖε δὲ Τρινακρίη Σικανῶν ἕδος, αὖε δὲ γείτων Ἰταλίη, μεγάλην δὲ βοὴν ἐπὶ Κύρνος ἀΰτει, εὖϑ᾽ οἵγε ῥαιστῆρας ἀειράμενοι ὑπὲρ ὤμων ἢ χαλκὸν ζείοντα καμινόϑεν ἠὲ σίδηρον ἀμβολαδὶς τετύποντες ἐπὶ μέγα μυχϑίσσειαν. τῷ σφέας οὐκ ἐτάλασσαν ἀκηδέες Ὠκεανῖναι οὔτ᾽ ἄντην ἰδέειν οὔτε κτύπον οὔασι δέχϑαι. οὐ νέμεσις∙ κείνους γε καὶ αἱ μάλα μηκέτι τυτϑαί οὐδέποτ᾽ ἀφρικτὶ μακάρων ὁρόωσι ϑύγατρες. ἀλλ᾽ ὅτε κουράων τις ἀπειϑέα μητέρι τεύχοι, μήτηρ μὲν Κύκλωπας ἑῇ ἐπὶ παιδὶ καλιστρεῖ,

46 Κύκλωπας μετεκίαϑε : *Hom. α 22: Αἰϑίοπας μετεκίαϑε (Neptunus) || 47 ⌊νήσῳ ἐν⌋ὶ Λιπάρῃ : *Hom. α 50, 198, μ 283: ⌊νήσῳ ἐν⌋ ἀμφιρύτῃ || 51 αἱ νύμφαι δ᾽ ἔδδεισαν, ⌊ὅπως ἴδον αἰ⌋νὰ πέλωρα : Hom. κ 219: τοὶ δ’ ἔδδεισαν, ἐπεὶ ἴδον αἰνὰ πέλωρα, *Hom. Μ 208: ⌊ὅπως ἴδον αἰ⌋όλον ὄφιν || 52 πρηόσιν (cf. 196) : Hes. scut. 437: πρηῶνος || 53 σάκει ... τετραβοείῳ : Hom. Η 220, 222 etc.: σάκος ἑπταβόειον (mutatum secundum doctrinam opticam Herophili) || 54 δοῦπον ἄκουσαν : *Hom. Κ 354, κ 556: δοῦπον ἀκούσας, μ 202: δοῦπον ἀκούσα, π 10: δοῦπον ἀκούω || 56 αὖε : *Hom. Υ 48 || 57 αὖε : *Hom. Υ 51 || 58 μεγάλην δὲ βοὴν ἐπὶ Κύρνος ἀΰτει : Hes. scut. 309: ἐπὶ δὲ πλῆμναι μέγ’ ἀύτευν (sed cf. Hom. Ε 101, 347 etc.) || 59 ῥαιστῆρας : Hom. Σ 477: ῥαιστῆρα || 61 ἀμβολαδὶς : Φ 364: ἀμβολάδην || 62 sq. οὐκ ἐτάλασσαν ... οὔτ᾽ ἄντην ἰδέειν : Hom. Ρ 166: οὐκ ἐτάλασσας, Τ 14 sq.: οὐδέ τις ἔτλη / ἄντην εἰσιδέειν || 64 οὐ νέμεσις : *Hom. Γ 156 || 46–54 fin. vers. PCair col. I || 48 ]οσηφαιστοιο PMed ἐπʼ ἄκμον]ος coni. Pfeiffer || 52 οσσαιοις PAnt 20 ὀσσείοισιν Ψ : Ὀσσαίοισιν corr. Meineke | ἐοικότας Ψ sigmate deleto E, eraso S || 54 ὑπογλαύσοντα Ψ : ὑπογλαύσσοντα Σ F lemma || 55 ἐπεὶ Ψ PGen (sed cf. v. 61) : ἐπὶ T in marg. | πολύ Ψ : corr. La η π̣ο̣υ̣[λυ PGen || 57 τρινακίη Ψ : τρινακρίη PAnt 20 E in marg. η || 61 τετυπόντες Ψ : τετύποντες Meineke | ἐπεὶ Ψ (cf. ad v. 55) : corr. H. Stephanus επι PGen | μοχϑίσσειαν Ψ -ήσειαν α La : corr. Meineke μυχεισαιεν PAnt 20 lemma : corr. Pfeiffer || 64 κείνους δὲ Ψ : corr. Meineke || 66–145 desunt in Π || 66 τεύχει α || 67–80 med. vers. PFay ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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Weiterhin hat sie die Kyklopen aufgesucht, die sie auf der Insel Lipare antraf (neuerdings Lipare, aber damals hieß sie Meligunis), wie sie neben den Ambossen des Hephaistos um den Erzklumpen gestanden haben, denn etwas Großes war am Werke: (50) Sie schufen Poseidon einen Trog zum Tränken der Pferde. Den Nymphen wurde bange ums Herz, als sie die grauenhaften Ungetüme sahen, den Felsen des Ossaberges ähnlich (allen blitzte unter den Augenbrauen ein einziges Auge von der Größe eines vierschichtigen Schildes dräuend hervor), und das Getöse (55) des gewaltig schallenden Ambosses vernahmen und das heftige Fauchen der Blasebälge sowie das tiefe Stöhnen der Kyklopen selbst; brannte doch der Ätna, brannte der dreieckige Sitz der Sikaner, brannte die italische Halbinsel in der Nachbarschaft, ließ Korsika einen mächtigen Schall ertönen, als jene die Hämmer über die Schultern hebend (60) entweder auf das glühende Erz aus dem Schmelzofen oder auf das Eisen wechselweise losschlugen und dabei mächtig ächzten. Deshalb konnten die Okeanos-Töchter es weder ertragen, sie frohen Mutes anzusehen, noch das Geknall mit den Ohren zu vernehmen. Kein Wunder, denn auch die gar nicht mehr kleinen Töchter der seligen Götter (65) werden ihrer nie ohne Schauder gewahr, sondern führt sich eins der Mädchen ungehorsam gegenüber der Mutter auf, ruft diese die Kyklopen gegen ihr Kind an,

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II. Kritischer Text und Übersetzung

Ἄργην ἢ Στερόπην∙ ὁ δὲ δώματος ἐκ μυχάτοιο ἔρχεται Ἑρμείης σποδιῇ κεχρημένος αἰϑῇ∙ αὐτίκα τὴν κούρην μορμύσσεται, ἡ δὲ τεκούσης δύνει ἔσω κόλπους ϑεμένη ἐπὶ φάεσι χεῖρας. κοῦρα, σὺ δὲ προτέρω περ, ἔτι τριέτηρος ἐοῦσα, εὖτ᾽ ἔμολεν Λητώ σε μετ᾽ ἀγκαλίδεσσι φέρουσα, Ἡφαίστου καλέοντος ὅπως ὀπτήρια δοίη, Βρόντεώ σε στιβαροῖσιν ἐφεσσαμένου γονάτεσσι, στήϑεος ἐκ μεγάλου λασίης ἐδράξαο χαίτης, ὤλοψας δὲ βίηφι∙ τὸ δ᾽ ἄτριχον εἰσέτι καὶ νῦν μεσσάτιον στέρνοιο μένει μέρος, ὡς ὅτε κόρσῃ φωτὸς ἐνιδρυϑεῖσα κόμην ἐπενείματ᾽ ἀλώπηξ. τῷ μάλα ϑαρσαλέη σφε τάδε προσελέξαο τῆμος∙ ‘Κύκλωπες, κἠμοί τι Κυδώνιον εἰ δ᾽ ἄγε τόξον ἠδ᾽ ἰοὺς κοίλην τε κατακληῖδα βελέμνων τεύξατε∙ καὶ γὰρ ἐγὼ Λητωιὰς ὥσπερ Ἀπόλλων. αἰ δέ κ᾽ ἐγὼ τόξοις μονιὸν δάκος ἤ τι πέλωρον ϑηρίον ἀγρεύσω, τὸ δέ κεν Κύκλωπες ἔδοιεν.’ ἔννεπες∙ οἱ δ᾿ ἐτέλεσσαν∙ ἄφαρ δ᾽ ὡπλίσσαο, δαῖμον. αἶψα δ᾽ ἐπὶ σκύλακας πάλιν ἤιες∙ ἵκεο δ᾽ αὖλιν Ἀρκαδικὴν ἔπι Πανός. ὁ δὲ κρέα λυγκὸς ἔταμνε Μαιναλίης, ἵνα οἱ τοκάδες κύνες εἶδαρ ἔδοιεν.

69 Ἑρμείης : *Hom. h. 19. 28: Ἑρμείην (forma Ionica) || 75 στιβαροῖσιν ἐφεσσαμένου γονάτεσσι : Hom. π 443: πολλάκι γούνασιν οἷσιν ἐφεσσάμενος (Ulixes Eurymachum); Hes. theog. 152, 673, erg. 149, scut. 76 ἐπὶ στιβαροῖσι μέλεσσιν (de monstris variis) || 77 ἄτριχον : *Hes. fr. 204. 129: ἄτριχος (leaena) || 78 κόρσῃ : *Hom. Ε 584, Ν 576: κόρσην || 80 ⌊προσελέξαο⌋ τῆμος : *Hes. erg. 499: κακὰ ⌊προσελέξατο⌋ ϑυμῷ || 81 εἰ δ᾽ ἄγε : Hom. Ζ 376 || 82 κατακληῖδα : *Hom. Ε 579: κατὰ κληῖδα τυχήσας || 87 αὖλιν : h. Merc. 71 || 89 τοκάδες ⌊κύνες⌋ ⌊εἶδαρ ἔδοιεν⌋ : Hom. ξ 16: τοκάδες; *Hom. ψ 270: ⌊εἶδαρ ἔδ⌋ουσιν, Χ 42: τάχα κέν ἑ ⌊κύνες⌋ καὶ γῦπες ⌊ἔδοιεν⌋ || 69 κεχρημένος Ψ : κεχριμένος Graevius ET in marg. || 70 μορμύσεται Ψ : corr. La μορμυσσει PAnt 20 lemma : corr. Pfeiffer || 76 λα]σιου PAnt 20 lemma (fortasse ad στήϑεος relatum) || 78–84 init. vers. PCair col. II || 78 κόρσην Ψ : corr. T in marg. || 79 ἐνιδρυϑεῖσα Ψ : ἐνιδρυνϑεῖσα La || 80 τω [κ]αι PGen | προσελέξατο Ψ : tau deleto E || 81 ἢ ἤ μοί τι Ψ ἢ μοί τι C La ἢ εἴ μοι τὶ α εἴη μοι τι η και μο[ι PGen : γρ. κᾀμοι in marg. Λ : corr. Meineke || 83 λητοιὰς Ψ : corr. I PGen La || 84 αιδεκ[ PCair ε supra α scripto | ἐ]γων PGen || 86 δαίμων Ψ : δαῖμον α La ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

103

Arges oder Steropes; da kommt vom innersten Winkel des Hauses der mit schwarzem Ruß bedeckte Hermes, (70) der dem Gör sofort einen Schreck einzujagen versucht, das sich im Schoß seiner Mutter verkriecht und mit den Händen sich die Augen zuhält. Du aber, Mädchen, hast auch früher, als du erst drei Jahre alt warst und Leto mit dir in den Armen hinkam auf Geheiß des Hephaistos, damit er dir Geburtstagsgeschenke gebe, (75) und Brontes dich auf seine wuchtigen Knie setzte, dessen zottelige Haare an der breiten Brust ergriffen und heftig gerupft; auch heute bleibt ihm inmitten der Brust eine unbehaarte Stelle, wie wenn seitlich auf dem Scheitel des Mannes der ‚Fuchs‘ festsitzt und die Haare frisst. (80) Deshalb hast du sie damals recht wagemutig folgendermaßen angeredet: „Wohlan, ihr Kyklopen, fertigt auch mir einen kretischen Bogen, Pfeile und ein hohles Behältnis für Waffen an! Denn auch ich bin ein Spross der Leto wie Apollon. Und wenn ich mit den Pfeilen einen einsam lebenden Eber oder ein ungeheures (85) Tier erlege, mögen sich dies die Kyklopen zu Gemüte führen.“ So sprachst du, sie aber haben es vollführt, und vom Fleck weg hast du dich gerüstet, Göttin. Sofort gingst du weiter, um dir Hunde zu holen, und suchtest das Gehöft Pans in Arkadien auf. Er zerstückelte das Fleisch eines mänalischen Luchses, damit seine schwangeren Hündinnen etwas zwischen die Zähne kriegten.

104

II. Kritischer Text und Übersetzung

τὶν δ᾽ ὁ γενειήτης δύο μὲν κύνας ἥμισυ πηγούς, τρεῖς δὲ παρουαίους, ἕνα δ᾽ αἰόλον, οἵ ῥα λέοντας αὐτοὺς αὖ ἐρύοντες, ὅτε δράξαιντο δεράων, εἷλκον ἔτι ζώοντας ἐπ᾽ αὐλίον, ἑπτὰ δ᾽ ἔδωκε ϑάσσονας αὐράων Κυνοσουρίδας, αἵ ῥα διῶξαι 95 ὤκισται νεβρούς τε καὶ οὐ μύοντα λαγωόν καὶ κοίτην ἐλάφοιο καὶ ὕστριχος ἔνϑα καλιαί σημῆναι καὶ ζορκὸς ἐπ᾽ ἴχνιον ἡγήσασϑαι. ἔνϑεν ἀπερχομένη (μετὰ καὶ κύνες ἐσσεύοντο) εὗρες ἐπὶ προμολῇσ᾽ ὄρεος τοῦ Παρρασίοιο 100 σκαιρούσας ἐλάφους, μέγα τι χρέος∙ αἱ μὲν ἐπ᾽ ὄχϑῃς αἰὲν ἐβουκολέοντο μελαμψήφιδος Ἀναύρου, μάσσονες ἢ ταῦροι, κεράων δ᾽ ἀπελάμπετο χρυσός∙ ἐξαπίνης δ᾽ ἔταφές τε καὶ ὃν ποτὶ ϑυμὸν ἔειπες∙ ‘τοῦτό κεν Ἀρτέμιδος πρωτάγριον ἄξιον εἴη.’ 105 πέντ᾽ ἔσαν αἱ πᾶσαι∙ πίσυρας δ᾽ ἕλες ὦκα ϑέουσα νόσφι κυνοδρομίης, ἵνα τοι ϑοὸν ἅρμα φέρωσι. τὴν δὲ μίαν Κελάδοντος ὑπὲρ ποταμοῖο φυγοῦσαν Ἥρης ἐννεσίῃσιν, ἀέϑλιον Ἡρακλῆι ὕστερον ὄφρα γένοιτο, πάγος Κερύνειος ἔδεκτο. 90

90 ⌊δύο⌋ μὲν ⌊κύν⌋ας ⌊ἥμ⌋ισυ ⌊πηγ⌋ούς : Hom. ε 388: ⌊δύο⌋ τ᾽ ⌊ἤμ⌋ατα ⌊κύμ⌋ατι ⌊πηγ⌋ῷ (significatu verbi πηγός valde disputato) || 92 αὖ ἐρύοντες : Hom. Α 459, Β 422: αὐέρυσαν (forsitan ζήτημα de significatione verbi transparet) || 94 ϑάσσονας αὐράων : *Hom. Ν 819: ϑάσσονας ἰρήκων || 96 κοίτην : Hom. τ 341, Eur. Ion 155 | καλιαί : Hes. erg. 301, 307 etc. (alio significatu) || 98 ἐσσεύοντο : Hom. Λ 549 = Ο 272: ἐσσεύαντο κύνες τε καὶ ἀνέρες ἀγροιῶται || 100 σκαιρούσας : Hom. Σ 572: σκαίροντες (saltatores), κ 412: σκαίρουσιν (iuvenci) || 100 sq. ἐπ᾽ ⌊ὄχϑῃς⌋ / ... ἐ⌊βουκολέοντ⌋ο : Hom. Ξ 445: ῎Ηνοπι (pastori) *⌊βουκολέοντ⌋ι παρ’ ⌊ὄχϑῃς⌋ (Zenod.) Σατνιόεντος, Υ 221: βουκολέοντο (equae) || 102 ἀπελάμπετο : *Hom. Ξ 183 = σ 298 (gratia) || 103 ἐξαπίνης : *Hom. κ 557, ξ 29 | ὃν ποτὶ ϑυμὸν ἔειπες : Hom. Λ 403: εἶπε πρὸς ὃν μεγαλήτορα ϑυμόν (Ulixes) etc., Ρ 200: προτὶ ὃν μυϑήσατο ϑυμόν (Jupiter) || 107 Κελάδοντος : Hom. Η 133: ἐπ᾽ ὠκυρόῳ Κελάδοντι, *Σ 576: πὰρ ποταμὸν κελάδοντα || 108 Ἥρης ἐννεσίῃσιν : Hom. Ε 894: ἐννεσίῃσιν (Junonis), *Hes. theog. 494: Γαίης ἐννεσίῃσι || 91 παρουατίους Ψ : παρωαίους coni. Haupt -ουαίους Schneider || 93 εἷλον Ψ εἵλκον E : corr. T in marg. || 98 ἀπερχομένῃ Ψ F Σ ad loc. || 100 ὄχϑης δζη : ὄχϑῃς αβγ || 109 ὕστατον Ψ : corr. Σ ad Apoll. Rhod. 1. 996 sq. | κερύνειος Ψ PAmh : κεραύνιος Σ ad Apoll. Rhod. 1. 996 sq. La ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

105

(90) Dir hat der Bärtige zwei schwarzscheckige Bracken, drei dunkelfarbene und einen buntschillernden gegeben, die selbst die Löwen, nachdem sie ihren Nacken gepackt hatten, bei lebendigem Leibe zum Gehöft zu zerren pflegten, weiterhin sieben von Kynosura, flinker als Winde, die (95) am schnellsten die Hirschkälber und den nie einnickenden Hasen verfolgen, und den Schlupfwinkel des Hirsches zeigen, und wo das Stachelschwein sich versteckt, und die Spur des Rehes aufstöbern. Von da scheidend (dir stürmten die Hunde nach) stießest du am Hange des arkadischen Berges auf (100) hüpfende Hirschkühe, eine herrliche Jagdbeute; sie ästen immer am Ufer des Anauros mit schwarzen Kieseln, größer als Stiere, und von ihren Hörnern glänzte Gold; sofort hast du gestaunt und zu deinem Gemüt gesagt: ‚Dies wird ein würdiger Fang am Anfang sein!‘ (105) Sie waren insgesamt fünf; vier hast du gefangen in schnellem Lauf, ohne dass Hunde mitgelaufen wären, damit sie deinen schnellen Wagen ziehen mögen. Die fünfte, nachdem sie sich über den Fluss Keladon geflüchtet hatte, empfing nach Heras Fügung der keryneische Hügel, um später für Herakles eine siegreiche Arbeit zu werden.

106 110

115

120 121a

125

II. Kritischer Text und Übersetzung

Ἄρτεμι Παρϑενίη Τιτυοκτόνε, χρύσεα μέν τοι ἔντεα καὶ ζώνη, χρύσεον δ᾽ ἐζεύξαο δίφρον, ἐν δ᾽ ἐβάλευ χρύσεια, ϑεή, κεμάδεσσι χαλινά. ποῦ δέ σε τὸ πρῶτον κερόεις ὄχος ἤρξατ᾽ ἀείρειν; Αἵμῳ ἐπὶ Θρήικι, τόϑεν βορέαο κατᾶιξ ἔρχεται ἀχλαίνοισι δυσαέα κρυμὸν ἄγουσα. ποῦ δ᾽ ἔταμες πεύκην, ἀπὸ δὲ φλογὸς ἥψαο ποίης; Μυσῷ ἐν Οὐλύμπῳ, φάεος δ᾽ ἐνέηκας ἀυτμήν ἀσβέστου, τό ῥα πατρὸς ἀποστάζουσι κεραυνοί. ποσσάκι δ᾽ ἀργυρέοιο, ϑεή, πειρήσαο τόξου; πρῶτον ἐπὶ πτελέην, τὸ δὲ δεύτερον ἧκας ἐπὶ δρῦν, τὸ τρίτον αὖτ᾽ ἐπὶ ϑῆρα. τὸ τέτρατον οὐκέτ᾽ ἐπὶ δρῦν, < ………………………………………………. > ἀλλά μιν εἰς ἀδίκων ἔβαλες πόλιν, οἵ τε περὶ σφέας οἵ τε περὶ ξείνους ἀλιτήμονα πολλὰ τέλεσκον. σχέτλιοι, οἷς τύνη χαλεπὴν ἐμμάξεαι ὀργήν∙ κτήνεά φιν λοιμὸς καταβόσκεται, ἔργα δὲ πάχνη, κείρονται δὲ γέροντες ἐφ᾽ υἱάσι, αἱ δὲ γυναῖκες ἢ βληταὶ ϑνῄσκουσι λεχωίδες ἠὲ φυγοῦσαι τίκτουσιν τῶν οὐδὲν ἐπὶ σφυρὸν ὀρϑὸν ἀνέστη. οἷς δέ κεν εὐμειδής τε καὶ ἵλαος αὐγάσσηαι,

112 ἐν δ᾽ ἐβάλευ χρύσεια ... χαλινά : Hom. Τ 393 sq.: ἐν δὲ χαλινοὺς / ... ἔβαλον | κεμάδεσσι : Hom. Κ 361: κεμάδ᾽ (significatu dubio) || 115 ἔρχεται (Aquilo) ἀχλαίνοισι δυσαέα κρυμὸν ἄγουσα : Sim. fr. 25. 2 sq.: ... ὠκὺς ἀπὸ Θρῄκης ὀρνύμενος Βορέης, / ἀνδρῶν δ’ ἀχλαίνων ἔδακεν φρένας || 117 sq. φάεος ... / ⌊ἀσβέστου⌋ : Hom. Π 123: ἀσβέστη ... φλόξ, *Ρ 88 sq.: φλογὶ ... / ⌊ἀσβέστῳ⌋ | ἀυτμήν : *Hom. Φ 366; ι 389, π 290; Hes. theog. *696: ἀυτμή, 862: ἀυτμῇ || 119 ⌊ἀργυρέ⌋οιο ... τόξου : *Hom. Α 37: ⌊ἀργυρό⌋τοξ᾽ (Apollo) | πειρήσαο τόξου : *Hom. φ 410: πειρήσατο νευρῆς (Ulixes) || 121 τὸ τρίτον αὖτ᾽ : *Hom. κ 520 = λ 28 | τὸ ⌊τέτρατον⌋ : *Hom. Ν 20 und Φ 177: τὸ δὲ ⌊τέτρατον⌋ (cf. Hom. Ε 438 etc.: τέταρτον; β 107 etc.: τέτρατον alia sede) || 124 σχέτλιοι : *Hom. Ω 33; ε 118, μ 21 || 125 κτήνεα : *Hom. h. 30. 10: κτήνεσιν | καταβόσκεται : Hom. Ε 162: κάτα βοσκομενάων (bovum) | πάχνη : *Hom. ξ 476 || 126 κείρονται : *Hom. Ψ 46, δ 198: κείρασϑαι | υἱάσι : *Hom. Ο 197, Ω 248 | αἱ δὲ γυναῖκες : *Hom. Σ 495, 559; λ 225 || 112 ϑεὰ Ψ Giangrande : corr. Pfeiffer || 121 τέταρτον Ψ : corr. La η || v. 121 sq. locus valde conclamatus: ad eliminandam epanaphoran ἐπὶ δρῦν (v. 121) sine epanalepsi reliquorum membrorum varii varia temptaverunt (v. commentarium ad loc.); ego secundum Schneiderum et Hauptium suspicor praeeuntibus membris variatis post v. 121 unum versum (121a) excidisse, quem e. g. suppleverim; attributum ἀγητή eadem sede Hom. h. Ap. 198 Dianae epitheton || 125 φιν λιμὸς Ψ : λοιμὸς E post corr. σφιν λοιμὸς η || 128 τῶν δ᾽ Ψ : corr. Cobet ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

107

(110) Artemis Parthenie, du Tityos-Töterin, dein Rüstzeug und Gürtel waren golden, ein goldenes Gespann hast du eingespannt, und den Hindinnen, Göttin, goldene Trensenzäume angelegt. Wo hat dich der von gehörnten Tieren gezogene Wagen zuerst in die Höhe erhoben? Auf dem thrakischen Haimos, von wo die Bö des Nordwindes (115) herkommt, die den Mantellosen kaltwehenden Frost bringt. Wo hast du die Tanne gefällt, mit welcher Flamme sie angezündet? Auf dem mysischen Olympos, und du hast den Gluthauch des unauslöschlichen Lichtes, das die Blitze deines Vaters ausströmen, hineingesprüht. Wievielmal hast du, Göttin, den silbernen Bogen erprobt? (120) Zuerst hast du auf eine Ulme, zum zweiten Mal auf eine Eiche geschossen, zum dritten Mal hinwieder auf ein Tier, zum vierten Mal nicht mehr auf eine Eiche , sondern hast ihn auf die Stadt der Frevelhaften geschnellt, die gegeneinander und den Gastfreunden gegenüber viele Missetaten zu verüben pflegten. Ach, die Jämmerlichen, über die du die Schale deines schweren Zorns ausgießt: (125) Ihnen frisst die Seuche das Vieh auf, die Felder aber der Reif, Greise beklagen ihre Söhne, die Frauen sterben entweder von deinen Pfeilen getroffen im Kindbett oder, wenn sie aufkommen, gebären sie Kielkröpfe, von denen keiner auf seinen Knöcheln aufrecht stehen kann. Denjenigen aber, denen du dein holdseliges und mildes Antlitz zeigst,

108

II. Kritischer Text und Übersetzung

κείνοις εὖ μὲν ἄρουρα φέρει στάχυν, εὖ δὲ γενέϑλη τετραπόδων, εὖ δ᾽ ὄλβος ἀέξεται∙ οὐδ᾽ ἐπὶ σῆμα ἔρχονται πλὴν εὖτε πολυχρόνιόν τι φέρωσιν∙ οὐδὲ διχοστασίη τρώει γένος, ἥ τε καὶ εὖ περ οἴκους ἑστηώτας ἐσίνατο∙ ταὶ δὲ ϑυωρόν 135 εἰνάτερες γαλόῳ τε μίαν πέρι δίφρα τίϑενται. πότνια, τῶν εἴη μὲν ἐμοὶ φίλος ὅστις ἀληϑής, εἴην δʼ αὐτός, ἄνασσα, μέλοι δέ μοι αἰὲν ἀοιδή∙ τῇ ἔνι μὲν Λητοῦς γάμος ἔσσεται, ἐν δὲ σὺ πολλή, ἐν δὲ καὶ Ἀπόλλων, ἐν δʼ οἵ σεο πάντες ἄεϑλοι, 140 ἐν δὲ κύνες καὶ τόξα καὶ ἄντυγες, αἵ τε σε ῥεῖα ϑηητὴν φορέουσιν ὅτ᾽ ἐς Διὸς οἶκον ἐλαύνεις. ἔνϑα τοι ἀντιόωντες ἐνὶ προμολῇσι δέχονται ὅπλα μὲν Ἑρμείης Ἀκακήσιος, αὐτὰρ Ἀπόλλων ϑηρίον ὅττι φέρῃσϑα – πάροιϑέ γε, πρίν περ ἱκέσϑαι 145 καρτερὸν Ἀλκεΐδην∙ νῦν δ᾽ οὐκέτι Φοῖβος ἄεϑλον τοῦτον ἔχει, τοῖος γὰρ ἀεὶ Τιρύνϑιος ἄκμων ἕστηκε πρὸ πυλέων ποτιδέγμενος, εἴ τι φέρουσα νεῖαι πῖον ἔδεσμα∙ ϑεοὶ δ᾽ ἐπὶ πάντες ἐκείνῳ ἄλληκτον γελόωσι, μάλιστα δὲ πενϑερὴ αὐτή, 130

130 κείνοις εὖ μὲν ἄρουρα φέρει στάχυν : Hes. erg. 232: τοῖσι φέρει μὲν γαῖα πολὺν βίον, 237: καρπὸν δὲ φέρει ζείδωρος ἄρουρα || 131 εὖ δ᾽ ⌊ὄλβος ἀέξεται⌋ : Hes. erg. 377: ὣς γὰρ ⌊πλοῦτος ἀέξεται⌋ ἐν μεγάροισιν || 132 πολυχρόνιον : *Hom. h. Merc. 125: πολυχρόνιοι (cutes bovum) || 134 ἑστηώτας : Hes. theog. 519 = 747: ἑστηώς; *Antim. fr. 21. 5: ἑστηῶσι || 135 εἰνάτερες γαλόῳ τε : Hom. Χ 473 γαλόῳ τε καὶ εἰνατέρες || 137 μέλοι δέ μοι ⌊αἰὲν ἀοιδή⌋ : *Hes. theog. 34: σφᾶς δ’ αὐτὰς (Musas) πρῶτόν τε καὶ ὕστατον ⌊αἰὲν ἀείδειν⌋ || 143 αὐτὰρ Ἀπόλλων : *Hom. Π 728, Φ 538; h. Merc. 185, 413, 523 || 146 Τιρύνϑιος ἄκμων : Aischyl. Pers. 51: λόγχης ἄκμονες || 147 ⌊ποτιδέγμενος εἴ τι⌋ φέρουσα : *Hom. ψ 91: ⌊ποτιδέγμενος εἴ τί⌋ μιν εἴποι || 148 νεῖαι (contractum) : Hom. λ 114 = μ 141 || 148 sq. ϑεοὶ δ᾽ ⌊ἐπὶ πάντες⌋ ἐκείνῳ / ⌊ἄλληκτον⌋ γελόωσι : *Hom. Ψ 840: γέλασαν δ᾽ ⌊ἐπὶ πάντες⌋ Ἀχαιοί; Hom. Β 452: ⌊ἄλληκτον⌋ πολεμίζειν (rectio verbi incerta) || 131 ὄλβος Ψ : οἶκος coni. Meineke || 144 πάροιϑε δέ Ψ : corr. Blomfield || 145 sq. τοῦτον ἄεϑλον φοῖβος Ψ : φ[οιβοσαεϑλο]ντουτον PAmh ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

109

(130) bringt die Scholle einen reichen Ertrag, gedeiht das Geschlecht des Viehs wohl, gut wächst auch der Wolhlstand; sie sinken erst ins Grab, wenn sie viele Jahre gelebt haben; auch kein Zwist, der sogar wohlhabende Häuser zermürbte, reibt die Familie auf; (135) und die Schwippschwägerinnen und Schwägerinnen stellen ihre Stühle um denselben Tisch. Herrin, möge zu ihnen gehören, der mein wahrer Freund ist, auch ich selbst, Königin, und sei mir der Gesang immer am Herzen gelegen, der Gesang, der Letos Hochzeit besingen wird, dich, die Vielfache, mehrfach und auch Apollon und all deine Großtaten, (140) Hunde, Armbruste und Wagen, die dich, Hehre, schnell befördern, wenn du ins Haus des Zeus fährst. Da kommen dir Hermes Akakesios und Apollon im Flur entgegen und der eine nimmt dir die Waffen ab, der andere das Tier, das du bringst – zumindest war es weiland so, ehe (145) der starke Alkeides gekommen ist: Jetzt hat nicht mehr Phoibos diese Aufgabe inne, steht doch immerdar vor den Türen so ein tirynthischer Amboss, der erwartet, dass du mit einem fetten Schmaus nach Hause kehrst. Die Götter aber lachen alle unaufhörlich über ihn, insbesondere seine Schwiegermutter Hera,

110

II. Kritischer Text und Übersetzung

ταῦρον ὅτ᾽ ἐκ δίφροιο μάλα μέγαν ἢ ὅγε χλούνην κάπρον ὀπισϑιδίοιο φέροι ποδὸς ἀσπαίροντα∙ κερδαλέῳ μύϑῳ σε, ϑεή, μάλα τῷδε πινύσκει∙ ‘βάλλε κακοὺς ἐπὶ ϑῆρας, ἵνα ϑνητοί σε βοηϑόν ὡς ἐμὲ κικλήσκωσιν. ἔα πρόκας ἠδὲ λαγωούς 155 οὔρεα βόσκεσϑαι∙ τί δέ κεν πρόκες ἠδὲ λαγωοί ῥέξειαν; σύες ἔργα, σύες φυτὰ λυμαίνονται. καὶ βόες ἀνϑρώποισι κακὸν μέγα∙ βάλλ᾽ ἐπὶ καὶ τούς.’ ὣς ἔνεπεν, ταχινὸς δὲ μέγαν περὶ ϑῆρα πονεῖτο. οὐ γὰρ ὅγε Φρυγίῃ περ ὑπὸ δρυῒ γυῖα ϑεωϑείς 160 παύσατ᾽ ἀδηφαγίης∙ ἔτι οἱ πάρα νηδὺς ἐκείνη, τῇ ποτ᾽ ἀροτριόωντι συνήντετο Θειοδάμαντι. σοὶ δ᾽ Ἀμνισιάδες μὲν ὑπὸ ζεύγληφι λυϑείσας ψήχουσιν κεμάδας, παρὰ δέ σφισι πουλὺ νέμεσϑαι Ἥρης ἐκ λειμῶνος ἀμησάμεναι φορέουσιν 165 ὠκύϑοον τριπέτηλον, ὃ καὶ Διὸς ἵπποι ἔδουσιν∙ ἐν καὶ χρυσείας ὑποληνίδας ἐπλήσαντο ὕδατος, ὄφρ᾽ ἐλάφοισι ποτὸν ϑυμάρμενον εἴη. αὐτὴ δ᾽ ἐς πατρὸς δόμον ἔρχεαι∙ οἱ δέ σ᾽ ἐφ᾽ ἕδρην πάντες ὁμῶς καλέουσι∙ σὺ δ᾽ Ἀπόλλωνι παρίζεις. 150

150 ἢ ὅγε χλούνην : *Hom. Γ 409: ἢ ὅ γε δούλην || 151 ⌊κάπρον⌋ ... ⌊ἀσπαίροντα⌋ : Pind. N. 3. 47 sq.: ⌊κάπρους⌋ τ’ ἔναιρε· σώματα δὲ ... ⌊ἀσϑμαίνοντα⌋ κόμιζεν (Achilles); ad verbum epicum ἀσπαίρειν cf. *Hom. Γ 293 etc. || 152 μάλα τῷδε πινύσκει : Hom. ζ 258: ἀλλὰ ⌊μάλ’ ὧδ’⌋ ἔρδειν· δοκέεις δέ μοι ⌊οὐκ ἀπινύσσειν⌋ (cf. ε 342) || 154 πρόκας ἠδὲ λαγωούς : *Hom. ρ 295 || 155 sq. τί δέ κεν ... / ῥέξειαν : Hom. Τ 90: ἀλλὰ τί κεν ῥέξαιμι, δ 649: τί κεν ῥέξειε καὶ ἄλλος || 158 ἔνεπεν : Pind. N. 1. 69 (Tiresias) | ταχινὸς δὲ μέγαν περὶ ϑῆρα ⌊πονεῖτο⌋ : *Hom. Ω 444: οἳ δὲ νέον περὶ δόρπα φυλακτῆρες ⌊πονέοντο⌋ (cf. *Hom. Ι 12: πονεῖτο) || 159 ⌊οὐ γὰρ ὅγ⌋ε : *Hom. N 8 || 161 συνήντετο : *Hom. Φ 34; δ 367, φ 31 || 162 ὑπὸ ζεύγληφι λυϑείσας : Hom. Ω 576: ὑπὸ ζυγόφιν λύον (equos mulosque) || 163 ψήχουσιν : Eur. Hipp. 110: καταψήχειν (equos) || 164 Ἥρης ἐκ ⌊λειμῶνος⌋ ⌊ἀμησάμεναι⌋ : Hom. *h. Merc. 198, 340: λειμῶνος, *ι 247: ἀμησάμενος, Ω 451: ὄροφον λειμωνόϑεν ἀμήσαντες || 166 sq. ἐπλήσαντο / ὕδατος: Hom. h. Cer. 170: πλησάμεναι ὕδατος || 167 ποτὸν ϑυμάρμενον : Bacchyl. 17. 71 sq.: ϑυμάρμενον ... τέρας || 169 παρίζεις : Hom. δ 311: παρῖζεν || 150 ἢ ὅτε Ψ : corr. La || 153 ϑνητοῖσι Ψ : ϑνητοί σε I || 154 κικλήσκωσιν α T in marg. E post corr. : -ουσιν cett. || 155 τί κεν Ψ : τί δέ κεν La || 161 ἀροτριῶντι Ψ : corr. H || 162–165 init. vers. PAnt 179 fr. I (a) || 165 ὠκύϑεον Ψ : ὠκύϑοον Hesych. 133 s. v. ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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(150) wenn er aus dem Wagen einen wahrhaft riesigen Bullen und ein mit den Hinterläufen strampelndes Wildschwein heraushebt. Auf dich, Göttin, redet er meistens mit folgenden listigen Worten ein: „Schieß auf die schnöden Tiere, auf dass man auch dich eine göttliche Helferin heiße wie mich! Lass die Rehe und Hasen in Ruhe (155) das Gras der Berge weiden! Was können Rehe und Hasen Böses anrichten? Die Schweine, die Schweine sind’s, die Feld und Garten aufwühlen. Zudem sind Ochsen ein großes Unheil für die Menschen. Erjag auch diese mit deinen Schüssen!” So sprach er und begann um das große Tier sich zu kümmern. Denn er hat, auch nachdem seine Glieder unter der phrygischen Eiche vergöttlicht worden waren, (160) der Gefräßigkeit nicht entraten; er hat seinen Bauch immer noch dabei, mit dem er einmal dem pflügenden Theiodamas begegnete. Dir aber lösen die amnisischen Nymphen die Hindinnen vom Gespann und striegeln sie, dann werfen sie ihnen reichlich zum Weiden die Mahd von Heras Wiesen (165), das schnellwachsende Dreiblatt, vor, das auch die Rosse des Zeus fressen; sie füllen die goldenen Tröge mit Wasser, damit die Hirschkühe nach Herzenslust zu trinken haben. Du aber gehst ins Haus deines Vaters, und sie laden dich allesamt ein, Platz zu nehmen, und du sitzest neben Apollon.

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II. Kritischer Text und Übersetzung

ἡνίκα δ᾽ αἱ νύμφαι σε χορῷ ἔνι κυκλώσονται ἀγχόϑι πηγάων Αἰγυπτίου Ἰνωποῖο ἢ Πιτάνῃ (καὶ γὰρ Πιτάνη σέϑεν) ἢ ἐνὶ Λίμναις, ἢ ἵνα, δαῖμον, Ἀλὰς Ἀραφηνίδας οἰκήσουσα ἦλϑες ἀπὸ Σκυϑίης, ἀπὸ δ᾽ εἴπαο τέϑμια Ταύρων, 175 μὴ νειὸν τημοῦτος ἐμαὶ βόες εἵνεκα μισϑοῦ τετράγυον τέμνοιεν ὑπ᾽ ἀλλοτρίῳ ἀροτῆρι∙ ἦ γάρ κεν γυιαί τε καὶ αὐχένα κεκμηυῖαι κόπρον ἔπι προγένοιντο, καὶ εἰ Στυμφαιίδες εἶεν εἰναετιζόμεναι κεραελκέες, αἳ μέγ᾽ ἄρισται 180 τέμνειν ὦλκα βαϑεῖαν∙ ἐπεὶ ϑεὸς οὔποτ᾽ ἐκεῖνον ἦλϑε παρ᾽ Ἠέλιος καλὸν χορόν, ἀλλὰ ϑεῆται δίφρον ἐπιστήσας, τὰ δὲ φάεα μηκύνονται. τίς δὲ νύ τοι νήσων, ποῖον δ᾽ ὄρος εὔαδε πλεῖστον, τίς δὲ λιμήν, ποίη δὲ πόλις; τίνα δ᾽ ἔξοχα νυμφέων 185 φίλαο καὶ ποίας ἡρωίδας ἔσχες ἑταίρας; εἰπέ, ϑεή, σὺ μὲν ἄμμιν, ἐγὼ δ᾽ ἑτέροισιν ἀείσω. νήσων μὲν Δολίχη, πολίων δέ τοι εὔαδε Πέργη, Τηΰγετον δ᾽ ὀρέων, λιμένες γε μὲν Εὐρίποιο. ἔξοχα δ᾽ ἀλλάων Γορτυνίδα φίλαο νύμφην, 170

170 κυκλώσονται (cf. v. 267): *Hes. fr. 150. 28: κυκλώσαντο (Boreades) || 171 ἀγχόϑι : *Hom. ν 103 = 347 || 175 τημοῦτος Hes. erg. 576 || 176 ⌊τετράγυον⌋ (sc. νειόν) ... ὑπ᾽ ἀλλοτρίῳ ἀροτῆρι : *Hom. σ 374: ⌊τετράγυον⌋ (nomen) ... ὑπὸ ... ἀρότρῳ, *η 112 sq.: ὄρχατος ... / ⌊τετράγυος⌋ (attibutum) || 177 ἦ γάρ κεν : *Hom. Α 293, υ 306 | κεκμηυῖαι : *Hom. κ 31 = ν 282: κεκμηῶτα || 178 κόπρον : Hom. Σ 575, κ 411 | προγένοιντο : *Hom. Σ 525, h. 7. 7 (cum ἐπί): προγένοντο || 178 f.: Στυμφαιίδες ... ⌊αἳ μέγ᾽ ἄρισται⌋ : *Hom. σ 371: βόες ... ⌊οἵ περ ἄριστοι⌋, Hes. erg. 438: τὼ ἐργάζεσϑαι ⌊ἀρίστω⌋ (boves) || 180: τέμνειν ὦλκα βαϑεῖαν : Hom. σ 375: ὦλκα διηνεκέα προταμοίμην || 181 καλὸν χορόν : *Hom. h. 27. 15: Μουσῶν καὶ Χαρίτων ⌊καλὸν χορὸν⌋ ἀρτυνέουσα (Diana) | ϑεῆται : Hom. Α 198: ὁρῆτο (Zenod.) || 183 εὔαδε (cf. v. 187) : *Hom. Ξ 340‚ Ρ 647; π 28 || 184 sq. ἔξοχα νυμφέων / φίλαο (cf. v. 189): Hom. Ε 61: ἔξοχα γάρ μιν (sc. Harmonidam) ἐφίλατο Παλλὰς Ἀϑήνη, δ 171 sq.: καί μιν (Ulixem) ἔφην (Menelaus) ἐλϑόντα φιλησέμεν ἔξοχα πάντων / ᾿Αργείων || 188 Τηΰγετον : Hom. ζ 103 (in similitudine epica Dianae consecrata) || 172 ἢ Πιτάνης Ψ : corr. Valckenaer || 184 ἔξοχον Ψ : corr. IS man. rec. La || 186 ϑεὰ Ψ : corr. Pfeiffer (v. ad v. 112) || 187 δολίχην Ψ La : corr. HI || 189–192 fin. vers. PAnt 179 fr. I (b) ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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(170) Wenn aber dich die Nymphen im Reigentanz umkreisen in der Nähe des ägyptischen Inopos oder in Pitane (denn auch Pitane gehört dir) oder in Limnai oder in Alai Araphenides, die du dir, Göttin, von Skythien her kommend zum Wohnsitz erkoren hast, nachdem du den Gesetzen der Taurier entsagt hattest, (175) mögen zu jener Zeit meine Rinder nicht vier Morgen Ackerfeld um des Lohns willen unter einem fremden Tagelöhner pflügen; denn wahrlich würden sie mit lahmen Gliedern und erschöpftem Nacken zum Stall zurückkehren, selbst wenn sie epirotische wären, neunjährig und mit geschwungenen Hörnern, die mit Abstand die besten sind, (180) eine tiefe Furche zu ziehen; denn der Gott Helios ging noch nie an jenem schönen Reigen vorüber, sondern hält voller Bewunderung seinen Wagen an, und die Tagesstunden verlängern sich. Nun aber welche von den Inseln, welcher Berg hat dir am meisten gefallen, welcher Hafen, welche Stadt? Welche von den Nymphen ist dir am ehesten (185) ans Herz gewachsen und welche Heroinnen hast du dir zu Gefährtinnen erkoren? Sag es uns, Göttin, und ich werde es den Anderen singen! Von den Eilanden Doliche, von den Städten Perge ist dir am liebsten, Teygeton aber von den Bergen, Euripos von den Häfen. Besonders die gortynische Nymphe hast du vor den anderen liebgewonnen,

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II. Kritischer Text und Übersetzung

ἐλλοφόνον Βριτόμαρτιν ἐύσκοπον∙ ἧς ποτε Μίνως πτοιηϑεὶς ὑπ᾽ ἔρωτι κατέδραμεν οὔρεα Κρήτης. ἡ δ᾽ ὁτὲ μὲν λασίῃσιν ὑπὸ δρυσὶ κρύπτετο νύμφη, ἄλλοτε δ᾽ εἱαμενῇσιν∙ ὁ δ᾽ ἐννέα μῆνας ἐφοίτα παίπαλά τε κρημνούς τε καὶ οὐκ ἀνέπαυε διωκτύν, μέσφ᾽ ὅτε μαρπτομένη καὶ δὴ σχεδὸν ἥλατο πόντον πρηόνος ἐξ ὑπάτοιο καὶ ἔνϑορεν εἰς ἁλιήων δίκτυα, τά σφ᾽ ἐσάωσαν∙ ὅϑεν μετέπειτα Κύδωνες νύμφην μὲν Δίκτυναν, ὄρος δ᾽ ὅϑεν ἥλατο νύμφη Δικταῖον καλέουσιν, ἀνεστήσαντο δὲ βωμούς ἱερά τε ῥέζουσι∙ τὸ δὲ στέφος ἤματι κείνῳ ἢ πίτυς ἢ σχῖνος, μύρτοιο δὲ χεῖρες ἄϑικτοι∙ δὴ τότε γὰρ πέπλοισιν ἐνέσχετο μύρσινος ὄζος τῆς κούρης, ὅτ᾽ ἔφευγεν∙ ὅϑεν μέγα χώσατο μύρτῳ. Οὖπι ἄνασσ᾽ εὐῶπι φαεσφόρε, καὶ δέ σε κείνης Κρηταέες καλέουσιν ἐπωνυμίην ἀπὸ νύμφης. καὶ μὴν Κυρήνην ἑταρίσσαο, τῇ ποτ᾽ ἔδωκας αὐτὴ ϑηρητῆρε δύω κύνε, τοῖς ἔνι κούρη Ὑψηὶς παρὰ τύμβον Ἰώλκιον ἔμμορ᾽ ἀέϑλου. καὶ Κεφάλου ξανϑὴν ἄλοχον Δηιονίδαο, πότνια, σὴν ὁμόϑηρον ἐϑήκαο∙ καὶ δέ σέ φασι καλὴν Ἀντίκλειαν ἴσον φαέεσσι φιλῆσαι. αἱ πρῶται ϑοὰ τόξα καὶ ἀμφ᾽ ὤμοισι φαρέτρας ἰοδόκους ἐφόρησαν∙ †ἀσύλλωτοι δέ φιν ὦμοι δεξιτεροὶ καὶ γυμνὸς ἀεὶ παρεφαίνετο μαζός.

190 ἧς ποτε Μίνως : Hom. τ 178: ἔνϑα τε Μίνως || 191 πτοιηϑεὶς : Mimn. fr. 5. 2 = Thgn. 1018, Sapph. fr. 31. 6, Eur. Iph. A. 585 sq. || 192 sq. ὁτὲ μὲν ... / ἄλλοτε δ᾽ : Hom. Λ 64 sq., *Υ 49 sq. || 193 εἱαμενῇσιν : *Hom. Δ 483, Ο 631: εἱαμενῇ | ὁ δ᾽ ⌊ἐννέα⌋ μῆνας ἐφοίτα : *Hom. Η 161 etc. || 194 κρημνούς : *Hom. Φ 26 || 195 δὴ σχεδὸν : Hom. Γ 15, Ε 14 (significat spatium) || 196 ἔνϑορεν : Hom. Ω 79: ἔνϑορε (Iris in pontum) || 200 ἱερά τε ῥέζουσι : *Hom. ε 102, h. Ap. 394 || 204 sq. καὶ δέ σε κείνης / Κρηταέες καλέουσιν (cf. 210 sq.) : Hom. Υ 105 sq. καὶ δὲ σέ (Aeneam) φασι Διὸς κούρης ᾿Αφροδίτης / ἐκγεγάμεν || 208 Ὑψηὶς παρὰ τύμβον : *Β 604: Αἰπύτιον παρὰ τύμβον | ἔμμορ᾽ ἀέϑλου : *Hom. Α 278: ἔμμορε τιμῆς || 212 sq. ⌊ϑοὰ τόξα⌋ καὶ ἀμφ᾽ ὤμοισι ⌊φαρέτρας / ἰοδόκους⌋ : Hom. Ο 443 sq.: ⌊τόξον⌋ ἔχων ἐν χειρὶ παλίντονον ἠδὲ *⌊φαρέτρην / ἰοδόκον⌋· μάλα δ’ ⌊ὦκα⌋ βέλεα Τρώεσσιν ἐφίει (Teucer) || 192 ὅτε Ψ : corr. EI || 198 δίκτυναν Ψ -υνναν S man. rec. T || 213 ἀσύλλωτοι Ψ ἀσύλωτοι η La : ἀσύλλωποι S man. rec., quod mihi arridet aliis alia probantibus (v. commentarium ad loc.) ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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(190) die Hindentöterin Britomartis, die Weitschauende. Zu ihr in Liebe entbrannt lief einmal Minos durch die kretischen Berge. Die Nymphe aber verbarg sich bald unter den buschigen Eichen, bald in den Tälern; indes irrte er neun Monate über Stock und Stein umher und ließ von der Jagd nicht ab, (195) bis sie beinahe gefangen sich von einem hoch hinausragenden Felsen ins Meer stürzte und ins Netz der Fischer sprang, das sie gerettet hat; daher wird die Nymphe von den Kretern hinfort Diktyna, der Berg aber, von wo die Nymphe gesprungen war, Diktaion genannt. Sie haben Altäre errichtet (200) und bringen Opfer dar; der Kranz ist allerdings an jenem Tag entweder aus Tannenzweigen oder vom Mastixstrauch, die Hände sollen von Myrten unberührt bleiben. Hat sich doch im Gewand der Jungfrau ein Myrtenast verfangen, als sie floh: Daher ist sie über den Myrtenbaum äußerst ergrimmt. Upis, lichtbringende Herrin mit schönem Blick, dir legen (205) die Kreter auch den Namen jener Nymphe bei! Du hast Kyrene zu deiner Gespielin erwählt, der du selbst einmal zwei Jagdhunde gegeben hast, mit denen die Tochter des Hypseus an den Leichenspielen in Iolkos des Siegespreises teilhaftig wurde. Und die blonde Ehefrau des Kephalos, Sohnes des Deion, hast du, (210) Herrin, zu deiner Jagdgefährtin erhoben. Man sagt auch, dass du die schöne Antikleia wie deine eigenen Augen geliebt hast. Sie waren die ersten, die schnelle Bogen und um die Schultern Köcher zum Aufbewahren der Pfeile trugen; unbekleidet blieben aber ihre rechten Schultern und nackt kam die Brust zum Vorschein.

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II. Kritischer Text und Übersetzung

ᾔνησας δ᾽ ἔτι πάγχυ ποδορρώρην Ἀταλάντην κούρην Ἰασίοιο συοκτόνον Ἀρκασίδαο, καί ἑ κυνηλασίην τε καὶ εὐστοχίην ἐδίδαξας. οὔ μιν ἐπίκλητοι Καλυδωνίου ἀγρευτῆρες μέμφονται κάπροιο∙ τὰ γὰρ σημήια νίκης Ἀρκαδίην εἰσῆλϑεν, ἔχει δ᾽ ἔτι ϑηρὸς ὀδόντας∙ οὐδὲ μὲν Ὑλαῖον τε καὶ ἄφρονα Ῥοῖκον ἔολπα οὐδέ περ ἐχϑαίροντας ἐν Ἄϊδι μωμήσασϑαι τοξότιν∙ οὐ γάρ σφιν λαγόνες συνεπιψεύσονται, τάων Μαιναλίη νᾶεν φόνῳ ἀκρώρεια. πότνια πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι, χαῖρε, Χιτώνη Μιλήτῳ ἐπίδημε∙ σὲ γὰρ ποιήσατο Νηλεύς ἡγεμόνην, ὅτε νηυσὶν ἀνήγετο Κεκροπίηϑεν. Χησιὰς Ἰμβρασίη πρωτόϑρονε, σοὶ δ᾽ Ἀγαμέμνων πηδάλιον νηὸς σφετέρης ἐγκάτϑετο νηῷ μείλιον ἀπλοΐης, ὅτε οἱ κατέδησας ἀήτας, Τευκρῶν ἡνίκα νῆες Ἀχαιίδες ἄστεα κήδειν ἔπλεον ἀμφ᾽ Ἑλένῃ Ῥαμνουσίδι ϑυμωϑεῖσαι. ἦ μέν τοι Προῖτός γε δύω ἐκαϑίσσατο νηούς, ἄλλον μὲν Κορίης, ὅτι οἱ συνελέξαο κούρας οὔρεα πλαζομένας Ἀζήνια, τὸν δ᾽ ἐνὶ Λούσοις Ἡμέρῃ, οὕνεκα ϑυμὸν ἀπ᾽ ἄγριον εἵλεο παίδων. σοὶ καὶ Ἀμαζονίδες πολέμου ἐπιϑυμήτειραι ἔν κοτε παρραλίῃ Ἐφέσῳ βρέτας ἱδρύσαντο φηγῷ ὑπὸ πρέμνῳ, τέλεσεν δέ τοι ἱερὸν Ἱππώ∙

215 ἔτι πάγχυ : *Hom. ξ 338 | ποδο⌊ρρώρην⌋ : Hes. theog. 8: ἐπε⌊ρρώσαν⌋το || 216 Ἀρκασίδαο : Hes. fr. 129. 17, 22 || 217 εὐστοχίη : Eur. Iph. T. 1239 (de Apolline) || 224 ⌊νᾶεν⌋ φόνῳ ἀκρώρεια : Hom. ι 222: ⌊ναῖον⌋ [Arist., cet. νᾶον] δ’ ὀρῷ ἄγγεα πάντα || 229 πηδάλιον νηὸς σφετέρης ⌊ἐγκάτϑετο νηῷ⌋ : *Hes. erg. 627: τεῷ ⌊ἐγκάτϑεο οἴκῳ⌋ (armamenta navis, inter alia πηδάλιον, v. 629) || 230 μείλιον : Hom. Ι 147 = 289: μείλια (nescio an allusio sit ad dubiam formam verbi) | ⌊κατέδησας⌋ ⌊ἀήτας⌋ : *Hom. ε 383: ἀνέμων ⌊κατέδησε⌋ κελεύϑους (Minerva), η 272: ἀνέμους ⌊κατέδησε⌋ κελεύϑου (Neptunus), κ 20: ἀνέμων ⌊κατέδησε⌋ κέλευϑα (Aeolus); Ξ 254, δ 567: ⌊ἀήτας⌋ || 232 ἀμφ᾽ Ἑλένῃ : *Hom. Γ 70 = 91, χ 227 || 226 Νειλεύς T in marg. || 233 προῖτός τε δζ : corr. αβγ Π post corr. || 235 ἀξείνια Ψ : corr. Holsten || 238 κοτε Ψ ποτε η ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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(215) Du hast auch die äußerst fußschnelle Atalante für gut befunden, die schweintötende Tochter von Iasios, dem Sohne des Arkas, und ihr die Kunst der Hetzjagd und die Treffsicherheit des Bogens beigebracht. Die herbeigerufenen Jäger werden sie wegen des kalydonischen Ebers nicht tadeln. Denn die Siegeszeichen sind (220) nach Arkadien gegangen und dieses Land hat noch die Hauer des Tieres; ich bin zuversichtlich, dass weder Hylaios noch der mutwillige Rhoikos im Hades ihr etwas Böses nachsagen werden, auch wenn sie die Schützin gehasst haben; denn ihre Weichen werden keinen Meineid schwören, vor deren Blut das mänalische Gebirge troff. (225) Herrin von vielen Tempeln und vielen Städten, heil dir, Chitone, Urbewohnerin von Milet! Hat dich doch Neleus zur Anführerin gemacht, wenn er mit den Schiffen vom Kekroperland in See stach. Göttin von Chesion und Imbrasos, der der Ehrensitz gebührt, dir hat Agamemnon das Steuerruder seines Schiffes im Heiligtum geweiht (230) als Sühnegabe gegen die Flaute, nachdem du ihm die Winde festgebunden hattest, als die achaischen Schiffe, erzürnt über Helena von Ramnus, vom Stapel liefen, um die Städte der Teukrer zu bedrängen. Wahrlich, Proitos hat dir zwei Tempel gegründet, einen für Korie, da du seine Töchter versammelt hattest, (235) die im azenischen Gebirge umherirrten, und einen anderen in Lusoi für Hemere, weil du die wilde Wut der Mädchen besänftigt hattest. Dir haben auch die Amazonen, die stets auf Krieg Erpichten, einmal in Ephesos am Meeresgestade ein hölzernes Standbild unter einem Eichenstamm aufgestellt, und Hippo hat dir ein Heiligtum gestiftet;

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II. Kritischer Text und Übersetzung

αὐταὶ δ᾽, Οὖπι ἅνασσα, περὶ πρύλιν ὠρχήσαντο πρῶτα μὲν ἐν σακέεσσιν ἐνόπλιον, αὖϑι δὲ κύκλῳ στησάμενοι χορὸν εὐρύν∙ ὑπήεισαν δὲ λίγειαι λεπταλέον σύριγγες, ἵνα ῥήσσωσιν ὁμαρτῇ (οὐ γάρ πω νέβρεια δι᾽ ὀστέα τετρήναντο, 245 ἔργον Ἀϑηναίης ἐλάφῳ κακόν)∙ ἔδραμε δ᾽ ἠχώ Σάρδιας ἔς τε νομὸν Βερεκύνϑιον. αἱ δὲ πόδεσσιν οὖλα κατεκροτάλιζον, ἐπεψόφεον δὲ φαρέτραι. κεῖνο δέ τοι μετέπειτα περὶ βρέτας εὐρὺ ϑέμειλον δωμήϑη, τοῦ δ᾽ οὔτι ϑεώτερον ὄψεται ἠώς 250 οὐδ᾽ ἀφνειότερον∙ ῥέα κεν Πυϑῶνα παρέλϑοι. τῷ ῥα καὶ ἠλαίνων ἀλαπαξέμεν ἠπείλησε Λύγδαμις ὑβριστής∙ ἐπὶ δὲ στρατὸν ἱππημολγῶν ἤγαγε Κιμμερίων ψαμάϑῳ ἴσον, οἵ ῥα παρ᾽ αὐτόν κεκλιμένοι ναίουσι βοὸς πόρον Ἰναχιώνης. 255 ἆ δειλὸς βασιλέων, ὅσον ἤλιτεν∙ οὐ γὰρ ἔμελλεν οὔτ᾽ αὐτὸς Σκυϑίηνδε παλιμπετὲς οὔτε τις ἄλλος ὅσσων ἐν λειμῶνι Καϋστρίῳ ἔσταν ἅμαξαι νοστήσειν∙ Ἐφέσου γὰρ ἀεὶ τεὰ τόξα πρόκειται. 240

242 ὑπήεισαν δὲ ⌊λίγειαι⌋ (syringes) : Hom. Σ 570: λίνον δ’ ὑπὸ καλὸν ἄειδε (puer) (forsan ζήτημα philologorum de casu et significatu verbi λίνος innuitur), φ 411: ὑπὸ καλὸν ἄειδε (nervus in arcu Ulixis); *Σ 569: φόρμιγγι ⌊λιγείῃ⌋ || 243 λεπταλέον (adverbium) : *Hom. Σ 571: ⌊λεπταλέῃ⌋ φωνῇ | ἵνα ῥήσσωσιν ὁμαρτῇ : *Hom. Σ 571: ῥήσσοντες ἁμαρτῇ || 248 εὐρὺ ϑέμειλον : Hom. h. Ap. 254 f. = 294 f.: ϑεμείλια ... / εὐρέα || 249 οὔτι ⌊ϑεώτερ⌋ον : *Hom. ν 111: ⌊ϑεώτερ⌋αι (initus divum ad nymphaeum Ithacense; sententia οὐδέ τι negata subsequitur) || 251 τῷ ῥα καὶ : *Hom. Ν 514, Ο 194; ϑ 226: τῶ ῥα καί || 252 στρατὸν ⌊ἱππημολγῶν⌋ : *Hes. fr. 150. 15: Σκύϑας ⌊ἱππημολγούς⌋, Hom. Ν 5 sq.: ἀγαυῶν Ἱππημολγῶν / γλακτοφάγων (controversiae ad nomina pertinentes alluduntur) || 255 ἆ δειλὸς βασιλέων : Hom. ξ 361, φ 288: ἆ δειλὲ ξείνων | ἤλιτεν : *Hom. Ι 375 | οὔ γὰρ ἔμελλεν : *Hom. ω 470 sq.: ⌊οὐδ’ ἄρ’ ἔμελλεν⌋ / ἂψ ἀπονοστήσειν (Eupithes) || 256 παλιμπετές : *Hom. Π 395, ε 27 (adverbium) || 257 ⌊ἐν λειμῶνι⌋ Καϋστρίῳ : *Hom. Β 461: ᾿Ασίῳ ⌊ἐν λειμῶνι⌋ Καϋστρίου ἀμφὶ ῥέεϑρα, 467: ἔσταν δ’ ⌊ἐν λειμῶνι⌋ Σκαμανδρίῳ ἀνϑεμόεντι || 243 πλήσσωσιν Ψ : corr. de Ian || 251 ἠπείλησε om. ζ || 253 ἤγαγε Ψ ἤλασε Etym. m. 1368. 12 | ἴσον—αὐτόν om. ζ ||



Hymnos zu Ehren der Artemis

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(240) sie aber, Herrin Upis, vollführten zuerst den bewaffneten Prylis-Tanz um dich mit ihren Schilden, danach aber im Kreise aufgestellt einen breiten Chortanz; die hell klingenden Panflöten stimmten dazu eine feine Melodie an, damit sie in gleichem Schritt aufstampften (denn damals wurden noch keine Knochen von Hirschkälbern durchgebohrt, (245) was erst Athene erfand zum Leidwesen des Hirsches). Der Widerhall drang bis nach Sardeis und der Gegend des phrygischen Berekynthos. Sie aber stampften lebhaft mit ihren Füßen, und die Köcher rasselten dazu. Um jenes Standbild wurde dir fürderhin ein breites Bauwerk aufgeführt, und es gibt nichts HerrlichGöttlicheres, das der Tag erblicken wird, (250) noch Reicheres: Leicht könnte es auch Pytho übertreffen. Daher hat sich auch der verwegene Lygdamis, der Tor, gebrüstet, es auszuplündern. Er führte einen Pferdemilch trinkenden Schwarm, die Kimmerier, an, deren Zahl den Sandkörnern gleichkam, und die in der Nähe des Sundes wohnen, der nach der Kuh benannt ist, die von Inachos abstammt. (255) Ach, der erbärmliche König, wie sehr hat er sich vergangen; denn weder sollte er wieder nach Skythien zurückkehren, noch ein anderer von denen, deren Wagen auf dem Gefilde des Kaystros standen. Wird doch Ephesos für Zeit und Ewigkeit durch deine Bogen beschirmt.

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II. Kritischer Text und Übersetzung

πότνια Μουνιχίη λιμενοσκόπε, χαῖρε, Φεραίη. μή τις ἀτιμήσῃ τὴν Ἄρτεμιν (οὐδὲ γὰρ Οἰνεῖ βωμὸν ἀτιμάσσαντι καλοὶ πόλιν ἦλϑον ἀγῶνες), μηδ᾽ ἐλαφηβολίην μηδ᾽ εὐστοχίην ἐριδαίνειν (οὐδὲ γὰρ Ἀτρεΐδης ὀλίγῳ ἐπὶ κόμπασε μισϑῷ), μηδέ τινα μνᾶσϑαι τὴν παρϑένον (οὐδὲ γὰρ Ὦτος, 265 οὐδὲ μὲν Ὠαρίων ἀγαϑὸν γάμον ἐμνήστευσαν), μηδὲ χορὸν φεύγειν ἐνιαύσιον (οὐδὲ γὰρ Ἱππώ ἀκλαυτὶ περὶ βωμὸν ἀπείπατο κυκλώσασϑαι)∙ χαῖρε μέγα κρείουσα καὶ εὐάντησον ἀοιδῇ. 260

261 καλοὶ ... ἀγῶνες : *Hom. ϑ 260: καλὸν ... ἀγῶνα (orchestra Phaeacum) || 262 μηδ᾽ ... εὐστοχίην ἐριδαίνειν : Hom. φ 310: μηδ᾽ ἐρίδαινε (Antinous ad Ulixem de arcu tendendo) || 266 ἐνιαύσιον : *Hom. π 454 (porcus unius hiemis) || 268 χαῖρε (cf. v. 225 et 259) : Hom. h. 1. 20, h. Ap. 545, h. Merc. 579 etc.; Hes. theog. 104 | κρείουσα : Hom. Χ 48: Λαοϑόη ... κρείουσα γυναικῶν (cf. Hes. fr. 26. 7) 261 ἀτιμάσαντι eαγζ ἀτιμήσαντι Eδη : corr. Schneider || 263 ἐπεκόμπασε Ψ ἐπικόμπασε Π post corr. : div. Meineke || 267 ἀκλαυτεὶ Ψ : corr. Blomfield



Hymnos zu Ehren der Artemis

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Herrin von Munychia, Aufseherin der Häfen, heil dir, Pheraie! (260) Keiner möge Artemis der Ehre berauben (sind doch auch Oineus, der deinen Altar missachtete, gar unschöne Fehden in der Stadt erwachsen), keiner sich auf einen Wettstreit in Hirschjagd und Bogenkunst einlassen (hat doch auch der Atreide keinen geringen Zoll für seine Hoffart bezahlt), keiner die Jungfrau zu freien versuchen (ist doch weder Otos (265) noch Orion eine glückliche Freite vergönnt worden), keiner den jährlichen Chortanz versäumen (hat sich doch auch Hippo nicht unbeschadet geweigert, um deinen Altar den Reigentanz auszuführen)! Sei gegrüßt von Herzen, große Herrscherin, und nimm den Gesang wohlwollend auf!

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II. Kritischer Text und Übersetzung

Discrepantia textus Pfeifferianae et huius editionis: Pfeiffer 1953 II: V. 4: ὡς ὅτε in apparatu suspectum habetur V. 45: πέμπον V. 69: κεχριμένος V. 121 sq.: in textu ἐπὶ δρῦν et μιν crucibus afficiuntur, in apparatu hypothesis unius versus omissi memoratur V. 131: οἶκος (conjectura Meinekii) V. 268: μέγα, κρείουσα, Adorjáni 2021: V. 4: ὡς †ὅτε; in apparatu coniectura ὡς πατρός ποτ᾽ V. 45: πέμπεν V. 69: κεχρημένος V. 121a: in textu lacuna significatur, in apparatu coniectura diagnostica unius versus omissi praebetur: οὐδ᾽ ἐπὶ ϑῆρ᾽ ἰὸν ὠκὺν ἐφήκαο, δαῖμον ἀγητή V. 131: ὄλβος (lectio archetypi restituti Ψ) V. 268: μέγα κρείουσα

III. Kommentar PROOIMION (V. 1–3) 1 f. Ἄρτεμιν — / ὑμνέομεν   Das erste Wort fungiert als Themenbezeichnung und gleichsam als Titel des Hymnos (außer diesem beginnt nur der Zeus-Hymnos mit dem Namen des zu besingenden Gottes). Gleich danach wird das Satzgefüge durch eine erklärende Parenthese durchbrochen, so dass sich das Prädikat, das die Absicht des Hymnendichters ausdrückt, an den Anfang des Folgeverses schiebt. ἀειδόντεσσι und ὑμνέομεν ergänzen sich: Das erstere ist gattungstypisch dem Epos, das letztere spezifisch der Lyrik verhaftet. Das Verb des Besingens erscheint auch in den homerischen Hymnen öfters am Anfang des (zweiten) Verses extrapoliert: h. 1. 17 f.: ... οἱ δέ σ’ ἀοιδοὶ / ᾄδομεν, h. 6. 1 f.: ... ᾿Αφροδίτην / ᾄσομαι ..., 7. 1 f.: ᾿Αμφὶ Διώνυσον ... / μνήσομαι, 14. 1 f.: Μητέρα μοι ... / ὕμνει (...). ὑμνεῖν kommt auch im homerischen Artemis-Hymnos (h. 9. 1: ῎Αρτεμιν ὕμνει Μοῦσα κασιγνήτην ῾Εκάτοιο) vor, hier gehört es aber zur Museninvokation, während Kallimachos in Anlehnung an den anderen homerischen Hymnos an Artemis (h. 27. 1: ῎Αρτεμιν ἀείδω χρυσηλάκατον κελαδεινήν) seine eigene Person in den Vordergrund stellt. Allerdings heißt es später (V. 18–20) auch in diesem Hymnos, dass die Musen Artemis und Apollon im Reigentanz verherrlichen. Zu den beiden antithetischen Hymnosanfängen (Museninvokation vs. Eigeninitiative des Sängers) vgl. Race 1992, 20. Bing/Uhrmeister 1994, 27 verschieben den Akzent ungebührlich, wenn sie meinen, Artemis sei von Anbeginn mit Musenattributen ausgestattet (... it is she who makes possible his song). Hier ist Artemis noch Gegenstand der Erinnerung und kein erinnerungsstiftendes Medium. Erst später wächst Artemis in die Rolle der homerischen Muse hinein, die garantieren kann (V. 186: εἰπέ), dass dem Dichter kein Detail entgeht. 1 οὐ γὰρ ἐλαφρὸν ἀειδόντεσσι λαϑέσϑαι    Die parenthetische Begründung ist scheinbar einfach: Ein Hymnendichter kann Artemis nicht leicht (ohne Gefahr) vergessen. Zur Mahnung, dass der Dichter den Preis des Gottes nicht verabsäumen darf, vgl. Kall. h. 4. 7 f.: ὡς Μοῦσαι τὸν ἀοιδὸν ὃ μὴ Πίμπλειαν ἀείσῃ / ἔχϑουσιν, τὼς Φοῖβος ὅτις Δήλοιο λάϑηται. Zur Abwehr der Vergessenheit als dem vorbildlichen enkomiastischen Verhalten vgl. Pind. O. 10. 1–12. Formal lehnt sich der Dichter an Homer an, bei dem λαϑέσϑαι immer am Versende steht (vgl. Bornmann 1968, 4 ad loc.). Zum Begriff siehe auch Hom. h. 1. 18 f.: ... οὐδέ πῃ ἔστι / σεῖ’ ἐπιληϑομένῳ ἱερῆς μεμνῆσϑαι ἀοιδῆς und h. 7. 59: οὐδέ πῃ ἔστι / σεῖό γε ληϑόμενον γλυκερὴν https://doi.org/10.1515/9783110698480-003

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III. Kommentar

κοσμῆσαι ἀοιδήν (mit μνήσομαι in V. 2; beide Male von Dionysos). Der Anfang schließt sich zudem mit dem Ende zu einem Ring zusammen: ‚Nicht leicht zu vergessen‘ impliziert auch schwere Folgen der Vergessenheit. Versäumte Pflichten ahndet Artemis in der Schlusspartie des Hymnos (V. 260– 268). Der negierte Ausdruck οὐ ... ἐλαφρόν ruft den hymnischen Topos auf ‚es ist nicht leicht, einen Gott zu besingen (wegen der Mannigfaltigkeit des Stoffes)‘, wobei die Fortsetzung durch λαϑέσϑαι dem Ganzen eine andere Wendung gibt. Die Negation des negativen λαϑέσϑαι lässt eine positive Aussage entstehen (‚Artemis ist stets im Gedächtnis des Dichters anwesend‘), die ebenfalls an hymnische Konventionen erinnert. Zum Topos vgl. Hom. Β 488–490, Hom. h. Ap. 19 f., 207; Kall. h. 1. 4, h. 4. 28 f. (Schwierigkeit des Singens / [vorgetäuschte] Aporie des Sängers) sowie Pind. I. 4. 20; Kall. h. 2. 30 f., h. 4. 2–5 (Leichtigkeit des Singens / Bereitwilligkeit des Sängers). Zur vermittels ἐλαφρόν formulierten Bereitwilligkeit vgl. Pind. N. 7. 77 (in einem Begründungssatz zur Selbstaufforderung zum Singen im Gedichtinnern mitsamt der Erwähnung der Muse), N. 8. 46 (Leichtigkeit des Preisens aufgrund des Stoffreichtums). Dazu vgl. auch Kuiper 1896 I 45 f.: ... adiectivo ἐλαφρόν pro ῥᾴδιον magis ad Pindarum quam ad Homerum accedit. Für weitere Literatur siehe Adorjáni 2017b, 395–400. Bundy 1972, 47 Anm. 34 nennt den Topos eine protestation intended to counter real or imaginary objection und vergleicht weitere pindarische Stellen. Harder 1992, 387 Anm. 16 zieht Pind. P. 4. 68 f. heran, wo γάρ die Themenwahl begründet (vgl. auch de Jong 1987, 91–93). So sind Bing/Uhrmeister 1994, 27 nicht ganz im Recht, wenn sie die Parenthese eine unconventional justification nennen. Die positive Aussage wird allerdings negativ unterwandert, da Artemis in der hymnologischen Tradition öfters übergangen wurde. Zu diesem ‚literaturgeschichtlichen Kommentar‘ vgl. Plantinga 2004, 260 und Ambühl 2005, 276. Fain 2004, 48 akzentuiert hingegen die Geradlinigkeit des Hymnosanfangs im Gegensatz zur Aporie des homerischen Apollon-Hymnos (There may be doubt about how to sing of Apollo, but there is none for Artemis ...). Da hier Artemis fokussiert wird, scheint mir Petrovic’ Interpretation (2007, 233), dass es nicht so sehr um Artemis, als vielmehr um die sie umrankende dichterische Tradition gehe (für die Sänger ist es nicht leicht zu vergessen), eher abwegig. Positive und negative Formulierung sind im homerischen Apollon-Hymnos als polare Ausdrücke einander nebengeordnet (V. 1: Μνήσομαι οὐδὲ λάϑωμαι ᾿Απόλλωνος ἑκάτοιο). Dieser Hymnos stellt einen der wichtigsten Prätexte für den kallimacheischen Hymnos dar (so auch für Thgn. 1 f. W2: οὔποτε ... / λήσομαι [sc. Apollons], wo V. 11 Artemis invoziert wird), so geschieht es mit Fug und Recht, dass eine Allusion auf ihn bereits im Prolog anklingt. Hierdurch rivalisiert nicht nur Kallimachos mit dem klassischen



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Vorbild, sondern auch Artemis mit ihrem Bruder (dies auch ein durchgängiges Thema des Hymnos), dem in seinem homerischen Hymnos ebenfalls eine bestürzende Vielfalt an Liedanlässen nachgerühmt wird (Hom. h. Ap. 19 = 207: Πῶς τάρ σ’ ὑμνήσω πάντως εὔυμνον ἐόντα; ~ Kall. h. 2. 31: ἔστι γὰρ εὔυμνος˙ τὶς ἂν οὐ ῥέα Φοῖβον ἀείδοι;). Vgl. Fain 2004, 46 f. Zum Komplex der Geschwisterrivalität vgl. auch Plantinga 2004, 258 sowie Kapitel I 3, 36–38. Zum Nachholbedarf gegenüber dem zweiten Hymnos, in dem Artemis notorisch übergangen wird (V. 22–25: Niobe-Mythos ohne Artemis; V. 26: μακάρεσσιν [Plural], wogegen sich Apollon als Einzelfigur abhebt), vgl. Hunter/Fuhrer 2002, 162 f. In beiden homerischen Hymnen auf Artemis ist die Göttin gleich am Anfang mit ihrem Bruder gekoppelt (h. 9. 1 f.: κασιγνήτην ῾Εκάτοιο / ... ὁμότροφον ᾿Απόλλωνος; h. 27. 3: αὐτοκασιγνήτην χρυσαόρου ᾿Απόλλωνος), und der etwas längere Hymnos (h. 27) vereinigt die Geschwister in Delphi (V. 13–20), um sich zum Abschluss (V. 21 f.) von ihnen beiden zu verabschieden. Wiewohl das thematische Material traditionell ist, mutet die Unterbrechung des Satzgefüges gleich nach dem ersten Wort sehr hart an. Zur Parenthese als einem typischen Mittel des Kallimachos, um Spannung hervorzurufen, vgl. Bulloch 1985a, 124 ad h. 5. 16. Zur besonderen „Parenthesenfreudigkeit“ des Dichters im Artemis-Hymnos siehe Morrison 2007, 141. Zu einer ähnlichen Parenthese vgl. ad V. 47 f. Damit tritt die auktoriale Stimme selbstherrlich in den Vordergrund. So Harder 1992, 387 (... the narrator is addressing an audience and anticipating a question from it [‘why are you going to sing of Artemis’]) und Morrison 2007, 138. Kürzlich hat Stephens 2015a, 122 (vgl. auch dies. 2015b, 54) auf die Tatsache verwiesen, dass die Form ἀειδόντεσσι sonst nur Plat. rep. 424B 9 f. vorkommt, wo Hom. α 351 f. (τὴν γὰρ ἀοιδὴν μᾶλλον ἐπικλείουσ’ ἄνϑρωποι, / ἥ τις ἀκουόντεσσι / ἀϊόντεσσι [var. lec.] νεωτάτη ἀμφιπέληται) fehlerhaft zitiert wird (ἀοιδὴν μᾶλλον ἐπιφρονέουσ’ ἄνϑρωποι, / ἥτις ἀειδόντεσσι νεωτάτη ἀμφιπέληται). Zur Funktion dieses Fehlzitats im Kontext der Dichtungskritik vgl. Bruck 2004 passim. Diese Allusion auf Platons verballhorntes Homer-Zitat könnte die Absicht des hellenistischen Dichters verbergen, die „homerische“ Hymnentradition so fortzuschreiben, dass Manches abgewandelt wird (ἀοιδὴ ... νεωτάτη). Stephens referiert auch Fantuzzis Interpretation, dass der kallimacheische Nachdruck auf dem Gedächtnis an ἐπιφρονέουσ’ anklingt, wobei auch auf Platons lapsus memoriae ein ironisches Licht fällt. 2 (a) τῇ τόξα λαγωβολίαι τε   Das Relativpronomen leitet die hymnische Prädikation der Attribute der Artemis ein. Zum klassischen Ausdruck der Jagdbesessenheit der Artemis vgl. Hom. h. Ven. 18: καὶ γὰρ τῇ [Artemis] ἅδε τόξα καὶ οὔρεσι ϑῆρας ἐναίρειν (siehe auch ad V. 3). Der Begriff λαγωβολία

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III. Kommentar

ist ein kallimacheisches Hapax (vgl. die Bezeichnung λαγωβόλον für den Hirtenstab als ‚Hasentöter‘ Theokr. 4. 49, 7. 128, ep. 2. 3; Anth. Pal. 6. 188. 1), das Herter 1929, 58 f. für eine Kontrastimitation zum homerischen Attribut ἐλαφηβόλος (vgl. z.B. Hom. ζ 104–106, h. 27. 2; Anakr. fr. 348. 1 PMG) hält (‚niedere vs. hohe Jagd‘). Dass die antike Literaturkritik wenig Freude am Konzept hatte, bezeugen Hyg. astr. 2. 33 Viré = Σ Germ. Arat. 96. 9–11, 170. 11–13 Breysig: Callimachum quoque accusari quod, cum Dianae scriberet laudes, eam leporum sanguine gaudere et eos venari dixisset. Dasselbe Unverständnis hat Meineke (1861, 156) zu seiner drastischen Konjektur τόξ’ ἐλαφηβολίαι bewogen. Zu Artemis λαγωβόλος als Hommage an Kallimachos vgl. Nonn. 15. 171, 20. 71, 33. 126. Darüber hinaus sieht Zanker 1987, 183 in der Nebenordnung von τόξα und λαγωβολίαι eine Anspielung auf die mit goldenem Bogen (-ηλάκατ-) und Pfeilen bewehrte Hirschjägerin des homerischen Hymnos (h. 27. 1 f.: ῎Αρτεμιν ἀείδω χρυσηλάκατον κελαδεινὴν / παρϑένον αἰδοίην ἐλαφηβόλον ἰοχέαιραν). Beide Elemente erscheinen auf das Gewöhnlich-Alltägliche zurückgestuft, wodurch der Leser auf die häusliche Szene mit Zeus und der kleinen Artemis eingestimmt wird. Ambühl 2005, 246 hebt auf die ‚Verkleinerung der Jagdbeute‘ als Vorspiel zur ‚Verjüngung der Göttin‘ ab. Sie meint weiterhin, die Göttin sei im Laufe des Hymnos so dargestellt, dass sie ihre Jagdkünste perfektioniere, bis sie am Schluss des Hymnos dann tatsächlich das Epitheton der Hirschjägerin (V. 262) erhalte (so bereits auch Most 1981, 190 Anm. 6: Artemis has developed in stature sufficiently to have earned the right to the honorific ἐλαφηβόλος – Hervorhebung von mir). Bei einer Erklärung mit dem Alter der Artemis müssten jedoch die beigeordneten τόξα mit berücksichtigt werden, die keine Spielsachen sind und die die Göttin erst später erlangt und benutzt. Der teleologische Ausdruck ‚Perfektionierung‘ ist deshalb unglücklich gewählt, weil die Hirschjagd im Vers 262 durch den Kontext der Rachsucht der Göttin bedingt ist und nicht unmittelbar auf Artemis selbst zu beziehen ist (es geht vor allem um ihre Rivalen). Darüber hinaus wird auf die Hirschjagd bereits V. 17 en passant von Artemis selbst hingewiesen. Zur entstellenden Perspektive jeglicher „entwicklungspsychologisch“ angelegten Interpretation des Artemis-Bildes vgl. Kapitel I 2, 17 f. Die Wahl des Kleintiers ‚Hase‘ ist also nicht auf eine Verniedlichung der Attribute und der Umgebung der Göttin, sondern eher auf das Variationsstreben des Dichters zurückzuführen. Am Rande erwähne ich hier Meilliers historische Interpretation (1979, 109), derzufolge die Hasenjagd ein charakteristischer Zeitvertreib der kyreneischen Aristokraten war. Durch das Epigramm 31 an einen kyreneischen Adressaten, in dem die Hasenjagd ganz allgemein als Teil eines Analogieschlusses und obendrein alternativ zur Jagd auf Antilopen vorkommt, ist jedoch diese Verankerung in kyreneischen Realia noch nicht verbürgt.



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2 (b) μέλονται   Zu μέλ- mit Nom. des Zuständigkeitsbereichs vgl. Hom. h. 11. 2 (μέλει), h. Merc. 451 (μέλουσι), Aristoph. Lys. 1306 (μέλοντι). Bulloch 1985a, 245 ad h. 5. 138 beschreibt μέλειν / μέλεσϑαι als Lieblingswort des Kallimachos, vor allem in Bezug auf eine Obliegenheit oder Beschäftigung (fr. 66. 2 f.). Er weist auch auf den Wechsel vom Objekt der Beschäftigung zum Subjekt des Satzes hin (Kühner–Gerth 18983 I 367 mit ausgiebiger Stellensammlung), sowie auf die mediale Form, die das Aktiv ersetzt (so auch ders. 1985a, 173 ad h. 5. 65: ἐπεβάσατο mit Hinweis auf Kall. fr. 228. 68 und h. 2. 98). Vgl. auch Kuiper 1896 I 46 (h. 4. 98 und 5. 138 [μέλεσϑαι]; h. 1. 73 und 4. 90 [μέλειν]) und Bornmann 1968, XXXIX. 3 (a) καὶ χορὸς ἀμφιλαφὴς   Klang im vorigen Vers bereits schon Hom. h. Ven. 18 an, wird hier der Folgevers (V. 19) φόρμιγγές τε χοροί τε διαπρύσιοί τ’ ὀλολυγαί (Reigentanz und Kurzweil der Artemis mit dem Nymphengeleit) verarbeitet. Vgl. auch ad V. 3 (b). Bei Ernesti 1761, 66 f. wird die Meinung von Graevius angeführt, der im Wort ἀμφιλαφής das Attribut eines kreisförmigen (κυκλικός) Chortanzes sah, in dem jede Tänzerin ihre Nächste beiderseits an der Hand hält (prehensis ac consertis utrimque manibus). Diese Interpretation beruht jedoch auf einer speziellen Sinngebung der übrigens wahrscheinlichen etymologischen Ableitung des Wortes von λαμβάνω (Frisk 1970 II 91 s. v. λάφυρα), die von Kallimachos durch keinen Fingerzeig angedeutet wird. Auch Kuiper 1896 I 46 geht von einer etymologischen Auslegung von Aischyl. Choeph. 368 (γόος ἀμφιλαφής) als γόος ἀμφιλαμβάνων seitens des hellenistischen Dichters aus, gibt aber dem Wort eine akustische Wendung (‚alles erfassend‘ = ‚durchdringend‘). Im Gegenteil scheint der Ausdruck χορὸς ἀμφιλαφής sich auf den Reigen in toto, nicht auf seine Mitglieder oder seine „Stimmhaftigkeit“ zu beziehen. Am ehesten fasst man das Wort als Ausdruck von Größe und Gepränge des Chorreigens. Ähnlich bereits auch Stephanus bei Ernesti 1761, 67, Cahen 1930, 92 (late patens), Giangrande 1971, 355 (unter Hinweis auf Theokr. 24. 46 [weitläufige Diele] und Apoll. Rhod. 4. 983 [weitflächige Insel]) und LSJ s. v. ἀμφιλαφής 4 (bulky, huge). Kall h. 2. 42 (τέχνῃ ... ἀμφιλαφής ‚groß in Kunst‘) und 6. 27 (δένδρεσιν ἀμφιλαφές ‚weitläufig wegen vieler Bäume‘) kommt das Wort ebenfalls im zweiten Fuß, aber beide Male mit Dativen, vor. 3 (b) καὶ ἐν οὔρεσιν ἑψιάασϑαι   Der Infinitiv in Subjektfunktion am Versende nebst οὔρεσιν an tautometrischer Stelle erinnert wieder an den Ausgang von h. Ven. 18: καὶ οὔρεσι ϑῆρας ἐναίρειν (siehe auch Φ 485: κατ’ οὔρεα ϑῆρας ἐναίρειν). Vgl. Herter 1929, 58. Ambühl 2005, 264 nennt Hom. h. Ven. 16–20 treffend einen Artemis-Hymnos en miniature. Darüber hinaus weist sie darauf hin (246 Anm. 88), dass das Jagdrevier im homeri-

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III. Kommentar

schen Hymnos zum „Tanzparkett“ der Göttin geworden ist. Zur Stellung von (ἐν) οὔρεσιν vor der bukolischen Diärese vgl. Bornmann 1968, 5 ad loc. Das Simplex ἑψιάομαι, ein δὶς λεγόμενον der Odyssee (ρ 530 und φ 429 ebenfalls am Versende; sonst im Beisein von Verbalpräfixen), paraphrasiert die Homererklärung gewöhnlich durch τέρπεσϑαι, παίζειν (Σ ad ρ 530, φ 429 [II 651, 705 Dindorf], Apoll. Soph. 80. 26 Bekker) und so verwendet es auch Kallimachos (vgl. auch h. 6. 38 in Bezug auf Nymphen). Bei Hom. ζ 106 wird die Tändelei der Nymphen der Artemis mit παίζειν beschrieben, wofür Kallimachos ein selteneres Wort verwendet. Ähnlich Rengakos 1992, 40. Kuiper 1896 I 47 nimmt eine Stellungnahme des Dichters zugunsten von παίζειν an, da Σ ad ρ 530 auch die Bedeutung διαλέγεσϑαι anführt. Der Unterschied mag aber nicht wesentlich sein, da λέγειν in diesem Zusammenhang einen neckisch-tändelnden Wortwechsel bedeuten muss, d.h. ein engerer Begriff des semantischen Feldes von ἑψιάασϑαι ist. Ein philologisches ζήτημα, zu dem Kallimachos Stellung beziehen würde, scheint also in diesem Fall gar nicht vorzuliegen. Apollonios benutzt das Verbum auch gerne (1. 459, 2. 811 und 3. 118).

DIEGESIS (V. 4–109) Artemis vor Zeus (V. 4–40) Wie ein πρόσωπον τηλαυγές schaltet Kallimachos seinem Hymnos eine Szene vor, die das liebreizende Bild einer kindlichen Artemis in den Mittelpunkt stellt. Dieser Episode wurde eh und je große Aufmerksam zuteil, ist sie doch jener markante Teil des Gedichts, an den sich jeder auch noch so flüchtige Leser erinnern wird. Wie originnell ist aber eigentlich das ‚Artemischen‘ des Kallimachos? Die Darstellung mythischer Personen in kindlich-jugendhaftem Alter ist eine allseitige Charakteristik hellenistischer Dichtung, die auch bei Kallimachos besonders ausgeprägt erscheint (Ambühl 2005 passim). Auch die Artemis des Hymnos zeichnet sich durch konkrete Eigenschaften aus, die den Begriff ‚Realismus‘ nahelegen (vor allem betonte Kleinwüchsigkeit [ad V. 26 f.] und Merkmale kindlicher Sprache [ad V. 6 [a] und 19 [b]]). Zur Einstufung der Szene als eines realistischen Genrebildes vgl. Allmen 1923, 33–36, Huber 1926, 34–37, Laager 1957, 109–111, Fraser 1972 I 664 (mit Hinweis auf die Szene mit Eros und Ganymedes bei Apollonios [3. 114–130]) und Zanker 1987, 70 f. sowie 185 (idyllische und lebensnahe Atmosphäre als Ziel der Darstellung; ähnlich bereits Herter 1929, 73 f.) mit dem von ihm geprägten Begriff pictorialism (57–59). Die diesem Wort innewohnende Wahlverwandtschaft mit bildenden Künsten ist nicht zufällig und enthält in nuce ein ständig bemühtes Analo-



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gon aus der Bildhauerei des Hellenismus. Herters Paradebeispiel (Herter 1929, 74) ist der Ganswürger des Boethos, und Kassel 1951 (= 1991) 25 f. stellt der Eigenwüchsigkeit des theokriteischen Herakliskos (id. 24) im Vergleich zu seinem Vorgänger bei Pindar (N. 1) die hellenistischen Statuetten im Gegensatz zu den rüstigen Kuros-Bildern der archaischen Periode an die Seite. Die schön ausgezirkelte lateinische Periode verdient im Wortlaut angeführt zu werden: Hoc βρέφος Ἡρακλῆα tantum ab Hercule Pindarico abhorrere dixeris quantum puerorum alcrium habili caelo ad miram similitudinem naturae excusorum tamquam scatebram inde a saeculo III e marmore prorumpentem ab adultis illis in breviorem mensuram coactis, qui vetustis artificibus pro pueris erant. Indessen ist der Vergleich mit der realistischen Kinderdarstellung der bildenden Künste der hellenistischen Zeit, sei er auf den ersten Blick auch noch so sehr einleuchtend, täuschend, da sich die Kinder der Dichtertexte gerade in ihrem Handeln und ihren Worten vom Realismus entfernen, was die Plastik aufgrund ihrer stationären Beschaffenheit nicht darzustellen vermag. Mag Artemis, was ihren Wuchs und ihre Ausdrucksmittel betrifft, kindlich gezeichnet sein, so ist sie doch, was ihre Absichten und spätere Taten anbelangt, nichts weniger als kindisch. Diese Zwitterhaftigkeit von Kind und Erwachsenem/Gott ist aber nicht Kallimachos’ Schöpfung, sondern findet sich vor allem in der Hermes-Gestalt des homerischen Hymnos vorgeprägt. Vgl. Kapitel I 2, 17 f. Weiterhin moniert Sier 2002, 71 und 80 mit Recht, dass der Begriff ‚Realismus‘ zu große Unmittelbarkeit voraussetzt, während das Artemis-Bild des Kallimachos (wie im Allgemeinen das Kindbild des Hellenismus) sich durch eine ans Gekünstelte grenzende literarische Reflektiertheit, Verfremdung und Verformung durch literarische Reminiszenzen, mithin einen gesteigerten Konstrukt-Charakter auszeichne, was der Wirklichkeitsnähe vollends zuwiderlaufe. Im Vorfeld der Kommentare zu Einzelstellen sollen hier einige literarische Vorbilder aufs Tapet kommen, die im Hintergrund der Szene als eines Ganzen stehen. Die beiden wichtigsten Vorbilder bei Homer sind Α 495–530 und Φ 505– 513. Vgl. Herter 1929, 60 f. An der ersteren Stelle (Α 495–530) ersucht Thetis Zeus, sich der Ehre Achills anzunehmen. Ihr Bittgestus und Zeus’ Zustimmung werden beschrieben: καί ῥα πάροιϑ’ αὐτοῖο καϑέζετο, καὶ λάβε γούνων / σκαιῇ, δεξιτερῇ δ’ ἄρ’ ὑπ’ ἀνϑερεῶνος ἑλοῦσα / λισσομένη προσέειπε Δία Κρονίωνα ἄνακτα (V. 500–502); ... κυανέῃσιν ἐπ’ ὀφρύσι νεῦσε Κρονίων· / ἀμβρόσιαι δ’ ἄρα χαῖται ἐπερρώσαντο ἄνακτος / κρατὸς ἀπ’ ἀϑανάτοιο· μέγαν δ’ ἐλέλιξεν ῎Ολυμπον (V. 528–530), eine Szene, die von Kallimachos ironisch abgewandelt wird (V. 26–29: erfolgloser Versuch der Artemis, das Kinn des Vaters zu berühren, was Zeus durch ein Gelächter quittiert). An der letzteren Stelle (Φ 505–513) sucht die von Hera heftig

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III. Kommentar

angefahrene Artemis im Schoß des Zeus ihr Heil. Ihre Verzweiflung kontrastiert mit der Fröhlichkeit der kallimacheischen Artemis. Zum stimmungsmäßigen Unterschied zwischen der scheinbar ernst-düsteren homerischen Vorlage und der licht-heiteren Imitation vgl. Bornmann 1968, 18 ad 26–29. Beide Male flößt ihr Zeus durch sein Gelächter (V. 28) Mut ein: ἣ δ’ ἄρ’ ῎Ολυμπον ἵκανε Διὸς ποτὶ χαλκοβατὲς δῶ, δακρυόεσσα δὲ πατρὸς ἐφέζετο γούνασι κούρη, ἀμφὶ δ’ ἄρ’ ἀμβρόσιος ἑανὸς τρέμε· τὴν δὲ προτὶ οἷ εἷλε πατὴρ Κρονίδης, καὶ ἀνείρετο ἡδὺ γελάσσας· τίς νύ σε τοιάδ’ ἔρεξε φίλον τέκος Οὐρανιώνων μαψιδίως, ὡς εἴ τι κακὸν ῥέζουσαν ἐνωπῇ; Τὸν δ’ αὖτε προσέειπεν ἐϋστέφανος κελαδεινή· σή μ’ ἄλοχος στυφέλιξε πάτερ λευκώλενος ῞Ηρη, ἐξ ἧς ἀϑανάτοισιν ἔρις καὶ νεῖκος ἐφῆπται. (Φ 505–513) In einem Sappho oder Alkaios zugeschriebenen Fragment äolischer Lyrik (fr. 304 L–P = fr. 44A Voigt = PFouad 239 col. I–II), dessen Scholiast den Namen Kallimachos zu col. I 2­–3 marg. notierte, demnach auf die Ähnlichkeit der beiden Stellen aufmerksam wurde (vgl. Lobel/Page 1952, 3 Anm. 4 und Pfeiffer 1953 II 125), ist der Schwur der Göttin, ewig Jungfrau zu bleiben und auf Bergen zu wohnen, dargestellt (Text mit sinnfälligen Ergänzungen und reichem Kommentar in Page 1955, 261–264; vgl. auch Treu 1954, 6, 161–164 für Sapphos Autorschaft): ]μέγαν ὄρκον ἀπώμοσε ]λαν‧ ἄϊ πάρϑενος ἔσσομαι ] . ων ὀρέων κορύφαισ᾽ ἔπι ]δε νεῦσον ἔμαν χάριν‧ ]σ̣ε ϑέων μακάρων πάτηρ‧ ]ολον ἀγροτέραν ϑέο̣ι ] . σιν ἐπωνύμιον μέγα‧ ]ερος οὐδάμα πίλναται‧ (Sapph. fr. 44A Voigt = Alk. fr. 304 L–P 4–11) Der wichtigste Unterschied zum Artemis-Hymnos besteht darin, dass im Fragment kein besonderer Nachdruck auf dem Kindesalter der Artemis zu liegen scheint (so Herter 1973, 237 und Ambühl 2005, 259 f.; anders Lobel/Page 1952, 3). Darüber hinaus begleitet den Schwur der Göttin kein Bittgestus, den Kallimachos hingegen genau beschreibt (V. 26 f.). Die Parallele mit Apollon im Fragment steht dem Motiv der Geschwisterrivalität im kallimacheischen Hymnos zur Seite. Zur Synkrisis beider Gedichte vgl. Bornmann 1967, 53 f. und Acosta-Hughes 2010, 127–130.



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Euripides (Iph. T. 1249–1258; 1270–1283) setzt den jungen Apollon in Szene, der – obzwar er noch ein Kind auf seiner Mutter Armen ist – doch schon wunderbare Taten vollbringt und den delphischen Drachen Python tötet. Nachdem ihm Gaia seinen Vorrang in Delphi streitig gemacht hat, richtet er mit ausgestreckten Armen eine Bitte an Zeus, ihn wieder in seine Rechte einzusetzen, worauf Zeus mit einem schallenden Gelächter antwortet und Gewährung nickt (vgl. ad V. 28 [b]): ἔτι μιν ἔτι βρέφος, ἔτι φίλας ἐπὶ ματέρος ἀγκάλαισι ϑρῴσκων ἔκανες, ὦ Φοῖβε, μαντείων δ’ ἐπέβας ζαϑέων, τρίποδί τ’ ἐν χρυσέῳ ϑάσσεις, ἐν ἀψευδεῖ ϑρόνῳ μαντείας βροτοῖς ϑεσφάτων νέμων ἀδύτων ὕπο, Κασταλίας ῥεέϑρων γείτων, μέσον γᾶς ἔχων μέλαϑρον.    (V. 1249–1258) (...) ταχύπους δ’ ἐς ῎Ολυμπον ὁρμαϑεὶς ἄναξ χέρα παιδνὸν ἕλιξεν ἐκ Διὸς ϑρόνων Πυϑίων δόμων χϑονίαν ἀφελεῖν μῆνιν ϑεᾶς. γέλασε δ’, ὅτι τέκος ἄφαρ ἔβα πολύχρυσα ϑέλων λατρεύματα σχεῖν· ἐπὶ δ’ ἔσεισεν κόμαν, παῦσαι νυχίους ἐνοπάς, ἀπὸ δ’ ἀλαϑοσύναν νυκτωπὸν ἐξεῖλεν βροτῶν, καὶ τιμὰς πάλιν ϑῆκε Λοξίᾳ, πολυάνορι δ’ ἐν ξενόεντι ϑρόνῳ ϑάρση βροτοῖς ϑεσφάτων ἀοιδαῖς.    (V. 1270–1283) Für die Wahlverwandtschaft des euripideischen Apollon mit Kallimachos’ Artemis vgl. Kassel 1951 (= 1991) 54 f. und Sier 2002, 79 Anm. 53. In Ambühls Interpretation (2005, 273 f.) imitiert die Artemis des Kallimachos die Strategie ihres Bruders, übertrifft ihn sogar, indem sie sich auf Zeus’ Schoß setzt. Vgl. auch ad V. 26 f. Kehren wir nun zur Anfangsfrage zurück, inwiefern der hellenistische Dichter mit dem Artemis-Bild seines Hymnos radikal Neues erschaffen hat, so müssen wir sagen, dass die narrative Durchführung und die bis ins Einzelne gehende Folgerichtigkeit der Darstellung zwar ihresgleichen suchen (vergleichen lässt sich nur der aus dem Mutterleib prophezeiende EmbryoApollon Kall. h. 4. 86 f. und 160), dass jedoch die Konzeption nicht ganz neu ist. Außer dem homerischen Hermes-Hymnos erscheint Euripides mit seinem Apollon-Bild im Stasimon der Iph. T. als Vorläufer der realistischsurrealistischen Gottesdarstellung, die sich durch das Äußere und das Gebaren eines Kindes einerseits, die Ziele und Taten eines Erwachsenen anderer-

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III. Kommentar

seits, auszeichnet. Auf jeden Fall ist Herters (1929, 62 f.) Urteil, Artemis sei des Kallimachos ureigenste Schöpfung, etwas übertrieben. In der Tat ist das Artemis-Bild des Kallimachos gegenüber dem homerischen (Herter vergleicht Φ 505–513) radikaler, was seinen kindlichen Charakter betrifft, aber der Hymnos und die Tragödie bieten ein Vorbild dafür (Herter selbst ist sich [1973, 237] der Präzedenz der euripideischen Tragödie bewusst). 4 (a) ἄρχμενοι   Nachdem in den ersten drei Versen das Thema festgelegt worden ist, muss der Dichter einen Einschnitt und Neuanfang machen, um die Erzählung beginnen zu können. Somit prallen Gegenwart des Preisens (mit ‚Allgegenwärtigkeit‘ der Göttin‚ V. 1 f.) und Vergangenheit der Erzählung (V. 4 f.) aufeinander. Vgl. Race 1982, 6 Anm. 3 sowie 1992, 20 f. und Petrovic 2007, 138. Das Partizip ἄρχμενοι ist Blomfields Korrektur eines Textes mit normalisierter Schreibweise. Schneider 1873 II 197 hält – die Inkonzinnität der grammatischen Person in Kauf nehmend – auch ἄρχμενος für möglich. Parallelen lassen sich beibringen, aber ἄρχμενοι wirkt glatter. Zur Formel vgl. Hom. h. 1. 18 (ᾄδομεν ἀρχόμενοι), h. Dem. 1, h. 9. 8 (Artemis), 11. 1, 13. 1, 16. 1, 22. 1, 26. 1, 28. 1 (ἄρχομ’ ἀείδειν mit dem Namen des Gottes in Akkusativ). Im Gegensatz zu Kallimachos leitet die Wendung in den altepischen Hymnen nie unmittelbar eine Erzählung ein, sondern ist mit der zu besingenden Gottheit verbunden. Vgl. Bornmann 1968, 6 ad loc. Diese Parallelen sowie die Nebenordnung zum Präsens ὑμνέομεν (V. 2) legen es nahe, die Form als synkopiertes Imperfekt des homerischen ἀρχόμενος zu interpretieren. Vgl. auch Herodian. π. παϑ. II 252. 16–21 (anders π. καϑ. προσ. I 471. 13 und II 190. 22 Lentz [als Perfektbildung]). Anders Kuiper 1896 I 47 (ἄρχμενοι als Aorist in Analogie zu δέχϑαι [V. 63] und ἔδεκτο [109]). Die (schwache) Aorist-Form scheint aber traditionellerweise am Ende des Gedichts im Rückblick auf den gesamten Hymnos (‚nachdem ich mit dir begonnen habe...‘) Verwendung zu finden: Hom. h. Ven. 293, 9. 9, 18. 11 (σεῦ δ’ ἐγὼ ἀρξάμενος μεταβήσομαι ἄλλον ἐς ὕμνον) und 31. 18 (ἐκ σέο δ’ ἀρξάμενος κλῄσω μερόπων γένος ἀνδρῶν). Der hellenistische Dichter verwendet das auktoriale Signal des Anfangs auch anderswo: Ait. fr. 7c 7 Harder (ἄ̣ρχμενος [der Dichter] ὡς ἥ̣ρωες [Argonauten] ἀπ’ Αἰήταο Κυταίου ...) und Ait. fr. 75. 56 (ἄρχμενος [Xenomedes] ὡς νύμφῃσι[ν ἐ]ναίετο [Keos] Κωρυκίῃσιν). Vgl. Pfeiffer 1922, 46. Das Partizip ἄρχμεν- deutet immer eine narrative Entscheidung des Autors an. Das Moment, an dem der Dichter ansetzt, ist ein beliebiges im Fluss der histoire, dessen Abstand von der frühestmöglichen origo (z.B. der Geburt der Artemis oder dem Beginn der Argonautenfahrt) variieren kann. Es kommt aber stets auf den auktorialen Eingriff an. Während ἄρχμενος in fr. 75. 56 (auf Xenomedes bezogen) eine chronologisch strukturierte Er-



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zählung (~‚Chronik‘) andeutet, bleibt die Erzählung im Artemis-Hymnos eher der willkürlich-desultorischen Erzählweise (~‚Mythos‘) eines Rhapsoden verhaftet. Vgl. Morrison 2007, 138: [ἄρχμενοι] appears to suggest an ordered ab initio narrative, though this is not what we get. Er vergleicht auch Apoll. Rhod. 1. 1 f. (᾿Αρχόμενος σέο Φοῖβε παλαιγενέων κλέα φωτῶν / μνήσομαι ...). Der Beginn des Hymnos fällt jedoch mit einem tief einschneidenden, den späteren Werdegang der Göttin beeinflussenden Moment im Leben der Artemis zusammen. Vgl. Ambühl 2005, 247 (die ἀρχή des Hymnos sei die ἀρχή der Göttin). 4 (b) ὡς ὅτε πατρὸς ἐφεζομένη γονάτεσσι    Die Doppelkonjunktion ὡς ὅτε bereitet großes Beschwer. Als lectio difficilior darf es kaum vereinfacht werden, wie es Ludwich 1907, 5 (ἀρχόμενοι, ὡς πατρὸς ἐφεζομένη γονάτεσσι) tut, indem er annimmt, ὅτε sei aus einer Randglosse für ὡς in den Text eingedrungen. Aber man kann sich schwerlich vorstellen, dass ὡς hätte erklärt werden sollen. Cahen 1930, 93 will es bei einer Redundanz bewenden lassen mit Hinweis auf h. 2. 47 f.: ἐξέτι κείνου, ἐξότ᾽ (...). Aber hier ist ἐξ im zweiten Glied kaum störend und wird dadurch entschuldigt, dass den beiden Gliedern zwei verschiedene Sätze zugehören, die durch die anaphorischen Elemente ἐξέτι ... ἐξότ᾽ miteinander korreliert werden. Es bleibt Tatsache, dass sich zur Rettung von ὡς ὅτε = ὡς keine kallimacheische Parallele findet. Die von Stephens 2015a, 123 (so bereits auch Giangrande 1971, 355) herangezogene homerische Stelle (Κ 285) ist auch nicht das Richtige, da hier ὡς ὅτε keinen indirekten Aussagesatz einleitet und komparativen Nebensinn hat. So ist die Möglichkeit einer Textverderbnis nicht von der Hand zu weisen: ὡς ὅτε dürfte sich in den Text eingeschlichen haben, indem sich der Schreiber nach ὡς an die komparativ-temporale Doppelkonjunktion ὡς ὅτε (‚wie wenn‘) erinnerte (z.B. Hom. Β 209, Δ 130; Pind. O. 6. 2, I. 6. 1 und vor allem dieser Hymnos, V. 78). Deswegen markiere ich das überflüßige ὅτε mit einer Crux (ὡς nach ἄρχμενοι ist einwandfrei und dürfte von der Korruptel nicht betroffen sein). Hermanns und Meinekes Konjektur (1861, 21 ad loc.: ὥς ποτε) ist erwägenswert (vgl. Bühler 1960, 48 Anm. 1), aber auch korrekturbedürftig. Die angebliche Belegstelle (Hom. ϑ 564) für ὥς ποτε (interrogatives ὡς) enthält pronominal-adverbiales ὥς. So ist die Wendung ὥς ποτε in der erforderlichen Bedeutung ohne Parallele. Bornmanns Einwand jedoch, es handle sich um eine zeitlose Perspektive, die kein ‚einmal‘ zulasse (1967, 51 = 1968, 6 ad loc.) trifft nicht zu. Der Aorist προσέειπε zeigt unmissverständlich die Einmaligkeit der zu schildernden Szene. So ist der Gebrauch von ποτέ dem in V. 190 f.: ἧς (Britomartis) ποτε Μίνως / πτοιηϑεὶς ὑπ᾽ ἔρωτι κατέδραμεν οὔρεα Κρήτης vergleichbar. Ich schlage ἄρχμενοι ὡς πατρός ποτ᾽ ἐφεζομένη γονάτεσσι vor mit der Bemerkung, dass sich ποτέ

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III. Kommentar

auf das partizipiale Syntagma πατρός ... ἐφεζομένη γονάτεσσι bezieht (unter Bewahrung der Wackernagel᾽schen Stellung des Enklitikons). Aber auch Bornmanns (1967, 51 f.) eigene Lösung mit Anapher (ὡς ἔτι πατρὸς ἐφεζομένη γονάτεσσι / παῖς ἔτι κουρίζουσα) ist attraktiv und paläographisch nachvollziehbar, darüber hinaus bereichert sie die Stelle mit einer Anspielung auf Euripides, die ihrerseits auch von Apollonios aufgegriffen wurde. Diese Anapher von ἔτι kommt obendrein in thematisch verwandten Texten vor (Eur. Iph. T. 1249 f. [der junge Apollon auf seiner Mutter Armen, später [V. 1270–1275] Apollons Bittgeste, die Gaben des Zeus an ihn und dessen Gelächter]; Apoll. Rhod. 1. 508 [Zeus als κοῦρος]; 2. 43 f. [der junge Polydeukes], 707 [der junge Apollon]). Vgl. auch Bornmann 1968, 6 ad loc. Andere weniger ansprechende Konjekturen sind: ὡς ὅτι und alternativ ὡς ἅτε (Schneider 1851, 499 = 1873 II 198 f.); ἀρχόμενος ὅτε (Wörpel 1902, 420). Zur Positur der kleinen Göttin auf dem Schoß ihres Vaters vgl. Hom. Φ 506: δακρυόεσσα δὲ πατρὸς ἐφέζετο γούνασι κούρη (Artemis auf dem Schoß des Zeus, wo jedoch ihr Kummer mit der Zuversicht der kallimacheischen Göttin kontrastiert). Aus κούρη wird bei Kallimachos κουρίζουσα (V. 5). Ambühl 2005, 264 vergleicht Hom. Ε 370–430, wo Aphrodite im Schoß ihrer Mutter Dione Zuflucht sucht und von Zeus getröstet werden muss. Ein prominentes Rezeptionsbeispiel all dieser Vorgängertexte ist Verg. Aen. 1. 715–722 (der als Ascanius getarnte Amor auf Didos Schoß). Vgl. Ambühl 2005, 255 Anm. 134. Zur unhomerischen Form γονάτεσσι in Analogie zu homerischen Dativen wie χείρεσσι, πόδεσσι vgl. Theokr. 16. 11. Bei Homer kommt γούνεσσι (Ι 488) und γούνασιν (π 443) in ähnlichem Kontext vor (der kleine Achilleus bzw. Eurymachos auf dem Schoß des Phoinix bzw. Odysseus; vgl. Kassel 1951 = 1991, 7). Siehe auch Hom. Ε 408, Ι 455, Χ 500; τ 401; h. Dem. 263 f.; Theokr. 13. 53 f.; Kall. Ait. fr. 1. 37 f., fr. 471 (die Musen nehmen jemanden auf ihren [Schoß?]); Anth. Pal. 7. 170. 5 f. (= Poseidipp. ep. 131 A–B); Phoinix fr. 2. 13 CA (p. 233); IG XIV 1971. 3. Zur Bedeutung γόνυ = ‚Schoß‘ vgl. Schwyzer 1923, 283–288 (κόλπος, der in der biblischen Koine ‚Schoß‘ zu bedeuten anfängt, ist in homerischer Usanz stets ‚Busen‘). Bing/ Uhrmeister 1994, 25 Anm. 24 sehen darin einen Hinweis auf die Vaterschaft des Zeus. Siehe auch Kuiper 1896 I 47. 5 (a) παῖς ἔτι κουρίζουσα   Der Begriff κοῦρος/κούρη, von dem das Verb κουρίζω abgeleitet ist, deckt eine große Bandbreite von Lebensphasen ab: vom Embryonenzustand bis zum Alter von 15 Jahren. Vgl. Hom. Ζ 58 f.; Kall. h. 4. 212–214 (Embryo), h. 3. 40 (Mädel), Ait. fr. 75. 1; Apoll. Rhod. 3. 707 (Bub). Siehe auch Harder 2012 II 581 ad Ait. fr. 75. 1. Insofern ist das Wort funktionell mit παῖς deckungsgleich, wenn auch der Geltungsbereich von παῖς nach oben hin weiter reicht. Vgl. Harder 2012 II 549 ad Ait. fr. 67.



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1–3: One was a παῖς until one was c. 15 years old, although sometimes the word παῖς is also used of youthful participants in the Olympian Games (up to 18 years) or occasionally of young men and women who are marrying (Strab. 10. 4. 20, 482 C). Vgl. auch Kall. Ait. fr. 33 (ein vierjähriger παῖς) mit Pfeiffer 1949 I 40 ad loc. (βρέφος von der Geburt bis einschließlich des vierten Lebensjahrs, ab dem begonnenen fünften Jahr παῖς). So muss sich auch κουρίζουσα auf die objektive Altersstufe der Göttin beziehen, ohne jeglichen subjektiven Einschlag von kindlicher Gemütsverfassung. Vgl. Hom. χ 185, Arat. 32, Kall. h. 4. 324, Apoll. Rhod. 1. 195, 3. 666, Nonn. 9. 246, 14. 154, 47. 679. Kall. h. 1. 54 ist eine Ausnahme, da hier das Verb das Plärren des Zeus-Kindes bedeutet. Deshalb ist Herters Formulierung (1929, 63: die dieser Altersstufe eigentümliche Denk- und Handlungsweise unter Hinweis auf Suda 2186 s. v. κουρίζω· τὰ τῶν νέων φρονῶ [III 167 Adler]) irreführend. Selbstverständlich wird Artemis’ Alter nicht exakt angegeben, im Gegenteil: es wird dem Bereich von Leserkonjekturen zugewiesen (vgl. Kapitel I 1, 11–13). Fest steht aber, dass die Göttin objektiv gesehen ein Kind in zartem Lebensalter ist. Gerade hierdurch wird dem Leser bald eine Überraschung bereitet, da Artemis gar nicht als törichtes Kind spricht, sondern Klugheit und Schläue an den Tag legt, wie es einer Erwachsenen oder gar einer Göttin ansteht. 5 (b) τάδε προσέειπε γονῆα   Das gemeinepische Verb προσέειπε kommt an dieser metrischen Stelle nur fünfmal in Homer vor (ξ 36, π 166, ρ 5 = 263 = 342). Kuiper 1896 I 48 weist auch darauf hin, dass γονεύς ... numero singulari [zum Plural vgl. Hes. erg. 235], quod sedulo imitati sunt poetae Latini, antiquiori epicae dictioni incognitum (vgl. aber Hes. erg. 331: γονῆα γέροντα ‚den greisen Vater‘). Vgl. Kall. Ait. fr. 41. 2, 43. 70, h. 6. 73. 6 (a) δός μοι παρϑενίην αἰώνιον ... φυλάσσειν   Die fünffache Anapher von δός (V. 6, 8, 13, 15, 18) ist ein Wahrzeichen der Rede der Artemis: Sie hat nicht nur eine strukturierende Funktion, sondern dient auch der Ethopoiie des Artemis-Kindes, während sie zugleich dem Gebetsstil gerecht wird. Vgl. Bornmann 1968, 7 ad loc. mit Belegstellen für Gebets-δός (Hom. Ε 118, Η 203, Κ 281, Ω 309; γ 46, 60, ζ 327) und der Bemerkung, dass versinitiatives δός bei Homer meistens entweder Ebenbürtigkeit des Gegenübers (Ξ 198: Hera zu Aphrodite) oder Superiorität (ι 355: Polyphem zu Odysseus, ρ 345: Telemachos zu Eumaios) des Sprechenden ausdrückt. Dieser Charakter würde Artemis’ Selbstsicherheit unterstreichen. Zur kindlich-kindischen Zudringlichkeit (ʽgimme-gimme-gimmeʼ) vgl. Herter 1929, 64, Haslam 1993, 111 f., Williams 1993, 218 und Bing/Uhrmeister 1994, 20. So will auch der kleine Eros bei Apollonios Rhodios (3. 146–148) in seinem jugendlichen Überschwang und Ungestüm den ihm versprochenen Ball sofort haben. Vgl. Sier 2002, 78. Harder 2002–2003, 51 f.

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III. Kommentar

weist darauf hin, dass direct speech signals birth, acquisition of attributes and cult-places, first major achievement, arrival on Olympus (h. 1, 2, 3). Die göttlichen Attribute der Artemis, die traditionellerweise die auktoriale Stimme vorträgt, werden hier zur spielerischen Konterkarierung der Gattungskonventionen dem Gott zugeschrieben, mithin historisiert. Vgl. Haslam 1993, 112 Anm. 2 und Henrichs 1993, 134. Durch die Struktur dieses Wunschzettels ist auch das Programm des Hymnos, die Erfüllung der erbetenen Eigenschaften, vorgegeben. Das Gedicht erscheint mithin als SelbstErfindung und Entfaltung der Artemis. Vgl. Ambühl 2005, 247 f. Zur Bildungsweise des Abstraktums παρϑενίη vgl. Bornmann 1968, XLIV: Una predilezione particolare di Call. sono gli astratti in -ίη ...: da una parte offrono una espressione non immediata, intelletualistica, che risponde al suo atteggiamento distaccato, dall’ altra accorciando risparmiano la narrazione, permettendo di alludere rapidamente a una qualità o a un’azione del personaggio (...), Vgl. V. 2: λαγωβολίαι, 7: πολυωνυμίη, 11: φαεσφορίη, 106: κυνοδρομίη, 160: ἀδηφαγίη, 217: κυνηλασίην τε καὶ εὐστοχίην, 262: ἐλαφηβολίη. Hinsichtlich des Inhalts erinnert Kuiper 1896 I 48 daran, dass παρϑένος in der epischen Sprache die Jungfrau als Altersstufe bezeichnet, ohne eine unmittelbare Assoziation mit dem Zustand der Keuschheit. Zum festen Vorsatz der Göttin, für immerdar eine Jungfrau zu bleiben (αἰώνιον prädikativ, φυλάσσειν nach homerischem Muster am Verende), bietet Sapph. fr. 44A Voigt = Alk. fr. 304 L–P 4 f. (ἄϊ πάρϑενος) die nächste Parallele (vgl. ad V. 4–40). So Bing/Uhrmeister 1994, 20 Anm. 10. AcostaHughes 2010, 128 will im Anschluss an Lobel/Page 1952, 2 im ersten Wort von V. 11: ]ερος οὐδαμὰ πίλναται ‘Liebe’ erkennen. Vgl. auch Hom. h. Ven. 25–28, wo Hestia ewiges Jungferntum schwört, und dafür von Zeus reichlich kompensiert wird (V. 29 f.). Während aber beide Göttinnen einen rechtmäßigen Eid ablegen, lässt es Artemis bei einer Bitte bewenden, nicht zuletzt weil sie – anders als Hestia (h. Ven. 27; vgl. Faulkner 2011b, 192) und Thetis (Α 501) – wegen ihrer körperlichen Kürze an Zeus nicht heranreicht (V. 26–28). Vgl. Herter 1929, 61 f. und Ambühl 2005, 265. In der römischen Literatur findet das Thema einen ähnlichen Ausdruck: Tib. 2. 5. 64:  aeternum sit mihi virginitas (Sibylle) und Ov. met. 1. 485 f. (mit offenkundigem Hinweis auf Kallimachos): ʽda mihi perpetuam, genitor carissime,ʼ dixit /, ʽvirginitate frui! dedit hoc pater ante Dianaeʼ (Daphne). Eine weitere Parallele besteht zu Hom. ζ 25–40, 56–70, wo ebenfalls eine Tochter, Nausikaa, ihren Vater, Alkinoos, um einen Gefallen bittet, den er ihr gutmütig gewährt. Das Mädchen redet den Vater ebenso liebkosend mit πάππα φίλ᾿ an (V. 57), worauf der Vater mit τέκος (V. 68) antwortet (vgl. h. 3. 31: beide Male als Teil der Bekundung ihrer Freigebigkeit gegenüber der Tochter). Während aber Nausikaa auf die erwünschte Hochzeit gespannt ist (zwar wird sie als παρϑένος ἀδμής [V. 109 im Erzählteil des Artemis-



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Gleichnisses] charakterisiert, doch heißt es zugleich im Traum οὔ τοι ἔτι δὴν παρϑένος ἔσσεαι [V. 33]), verschließt sich Artemis jedweden erotischen Anfechtungen. Vgl. Bonnano 1995, 39 (Gleichsetzung der Nausikaa mit Artemis im Gleichnis ζ 102–108) und Ambühl 2005, 266 f. Bezüglich des zärtlichen Verhältnisses zwischen Vater (Agamemnon) und Tochter (Iphigeneia) vergleicht die Forscherin auch Euripides Iph. A. 631–685, 1211–1252, eine Parallele, die auch durch Artemis’ Rolle in der Iphigeneia-Geschichte und die Anspielungen im Artemis-Hymnos auf das Euripides-Drama bestärkt wird (h. 3. 173 f. [Verpflanzung der Artemis Tauropolos nach Attika], 228– 232 [Aufhebung der Flaute bei Aulis in Konkurrenz zum Thema der euripideischen Tragödie] und 262 f. [Agamemnons Jagdfrevel]). 6 (b) ἄππα    Die nachfolgende Koseform ἄππα kontrastiert mit abstrakten Begriffen wie παρϑενίη und πολυωνυμίη (V. 7). Vgl. Ambühl 2005, 248 f. Mit der liebkosenden Anrede zum Vater (ἄππα) wird eine vertrauliche Atmosphäre geschaffen, in der sich ein Internum zwanglos besprechen lässt. Thomas 2010, 211–214 interpretiert die ganze Rede der Artemis als literarische Überformung einer alltäglichen Kinderschmeichelei, wenn Kleine etwas erreichen wollen. Vgl. Hom. Π 7–11 (emotionale Erpressung durch Kinder), Philostr. vit. soph. 11. 241 [560] 3 f. (II 68 Kayser) und Laurettas Arie in Puccinis Gianni Schicchi (das heiratswillige Mädchen biedert sich durch die Anrede O mio babbino caro bei ihrem Vater an und schreckt nicht davor zurück, Selbstmord anzudrohen, falls ihr der Wunsch nicht gewährt wird). Zum reizenden Geschwätz der Kinder vgl. Kassel 1979 passim. Die Form ἄππα ist eine Variante von ἄττα, einem Wort, das eine ehrenvolle Anredeform eines Älteren vonseiten eines Jüngeren darstellt. Für ἄττα vgl. Hom. Ι 607, π 31; Kall. Ait. fr. 54h 3 Harder, ep. 1. 3; Eust. ad Ρ 561 (IV 1118. 8–10 van der Valk); Etym. m. 167. 32–34 s. v. ἄττα mit Golden 1995, 19. Bredau 1892, 44 hält das Wort für eine Analogiebildung zu πάππα mit Hinweis auf das homerische Verb (Ε 408: μιν παῖδες ποτὶ γούνασι παππάζουσιν). Siehe auch Hom. ζ 57 (Nausikaas Anrede an Alkinoos). Die Form παππάζοντι kommt auch bei Nonnos (10. 295) in einem ähnlichen Kontext vor (Zagreus’ Bitte an Zeus um seine Herrschaftsinsignien). Für weitere Stellen mit πάππας vgl. auch Kassel 1951 (= 1991) 58 und ad V. 8 f. 7 καὶ πολυωνυμίην, ἵνα μή μοι Φοῖβος ἐρίζῃ    Die von Artemis an die zweite Stelle ihrer Wunschliste gesetzte ‚Vielnamigkeit‘ (zur Abstraktbildung vgl. ad V. 6 [a]: παρϑενίη) ist allgemeines göttliches Requisit, mithin gehört sie zum hymnischen Formelschatz. Vgl. Hom. h. Cer. 18, 32, h. Ap. 82 (nur drei Namen: V. 373: Πύϑιος, V. 386: Τελφουσίῳ, V. 495: Δελφίνιος; vgl. Dornseiff 1936, 734 f.), Hes. theog. 785, Sapph. fr. 44A Voigt = Alk. fr. 304 L–P 10 (ἐπωνύμιον μέγα), Pind. I. 5. 1 [in Theias Anrufung als hymnische Stilsignatur], Aristoph. Thesm. 320 f. (πολυώνυμε

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III. Kommentar

Artemis), Theokr. 4. 8, 15. 109 (Aphrodite), Kall. h. 2. 70, Nonn. 16. 130, Orph. h. 36. 1, Catull. 34. 21 f. (sis quocumque tibi placet / sancta nomine [am Ende des Diana-Hymnos]) mit Aufeld 1903, 520 f., Gigante 1971, 383 sowie IG XII 3 Suppl. 1335b 1. Der Begriff πολυωνυμίη bedeutet allerdings nicht nur den Wunsch nach vielen Namen, sondern auch nach dem Namen πολύς, der nach der poetischen Etymologie Apollon zusteht (vgl. h. 2. 70: πάντη δέ τοι οὔνομα πουλύ und Kapitel I 5, 60 f.). Somit kommt der Rivalität mit Apollon, die in der zweiten Hälfte des Verses offenkundigen Ausdruck findet (Herter 1929, 64 und Ukleja 2005, 58–60), auch ein Aspekt der rivalisierenden Namensetymologie zu. Vgl. Hunter/Fuhrer 2002, 163. Zum Versende vergleicht Bonnano 1995, 38 Hom. ζ 58: ἵνα κλυτὰ εἵματ᾽ ἄγωμαι (nach einer liebkosenden Anrede des Vaters; vgl. ad V. 6 [b]). Die Verbform ἐρίζ- kommt außer Β 555 immer am Versende vor (so auch Kall. h. 2. 25, 4. 112). Die Rivalität Apollons (μή μοι Φοῖβος ἐρίζῃ) überträgt Nonnos 16. 129 f. auf Nikaia, die dank den Gaben des Dionysos Artemis übertrumpfen wird (μή σοι ἐρίζῃ / Ἄρτεμις ἀγρώσσων). Vgl. De Stefani/ Magnelli 2011, 559 und ad V. 13. 8 δός δ᾽ ἰοὺς καὶ τόξα    Der dritte Wunsch, der Hom. h. 27. 16: τόξα καὶ ἰούς (am Versende) variiert, soll dem Handwerkszeug der Jägerin gelten (vgl. z.B. Hom. Φ 483: τοξοφόρῳ, Sapph. fr. 44A Voigt = Alk. fr. 304 L–P 9: ἐλαφάβ]ολον ἀγροτέραν), wird aber abgebrochen. Lapp 1963, 971 spricht von einer correctio, aber dies ist vielleicht ein zu milder Ausdruck für den jähen Abbruch und Gedankenwechsel nach der klingenden Mittelzäsur wie auch in V. 144 oder Ait. fr. 75. 4. Hier ist der Abbruch durch das Verb ἔα in der Mitte des Verses offenkundig signalisiert. Vgl. Bornmann 1989, 9 ad loc. und Stephens 2015a, 123. Nonnos 5. 524 ahmt die Stelle im Wortlaut nach (ἀλλὰ βέλος καὶ τόξον ἔα, πάτερ [Aktaion zu Aristaios]). In einer anderen Bittszene bei ihm (10. 292–307) fleht Dionysos Zeus an, ihm die Liebe des schönen Ampelos zuzusichern, wofür er gewillt sei, allen anderen Vorrechten zu entsagen. Vgl. De Stefani/Magnelli 2011, 560. Maas 1921, 136 wollte τόξα zu τόξον korrigieren, um den Hiat zu schließen, aber dieser dürfte beabsichtigt gewesen sein (vgl. Kapitel I 6, 87). Zur Variation Plural–Singular (τόξα–τόξον) vgl. φ 344/349 und Schneider 1873 II 200 mit zahlreichen Belegstellen. 8 f. ἔα πάτερ, οὔ σε φαρέτρην / οὐδ᾽ αἰτέω μέγα τόξον  Die rasche Abfolge von zwei Vokativen (V. 6: ἄππα und 8: πάτερ) trägt zur kindlichen ἠϑοποϊία der Artemis bei (Vertraulichkeit und Anbiederung). Vergleichbar ist Hom. h. Merc. 31–33 (Anrede an die neugefundene Schildkröte, wobei die humorvoll neckende Appositionsreihe die Vokative weniger hervortreten lässt). Vgl. Thomas 2010, 211 Anm. 57.



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Das Verb αἰτέω erscheint zwischen zwei, einander gleich-, dem Verb untergeordneten Elementen (φαρέτρην und μέγα τόξον) verkeilt, so dass es mit dem zweiten Element eine Einheit bildet. Zur translatio verbi vgl. V. 24, h. 4. 194, 5. 30, 125 f., fr. 194 (= Ia. 4) 60 f. mit Aulin 1856, 69, Bornmann 1968, XLIX und Bulloch 1985a, 128 ad h. 5. 19 f. (dicolon with something common to both cola expressed in only one). Lapp 1965, 38 rechnet die Ausdrucksweise zur retardatio. Das Substantiv φαρέτρην kommt bei Homer stets am Versende, jedoch stets von βιόν oder τόξον/τόξα begleitet, vor (z.B. Α 45, Κ 260, Ο 443 usw.). Die Wendung μέγα τόξον ist homerisch (z.B. Δ 124, φ 74, 314 usw. [der Bogen des Odysseus]). Artemis lehnt also scheinbar die Waffe der epischen Helden ab (was auf der metapoetischen Ebene mit der Ablehnung des homerischen Ausdrucks einhergeht), um gleich danach nicht weniger epischkyklopische Waffen in Aussicht zu stellen. Vgl. Stephens 2015a, 123. 9 f. ἐμοὶ Κύκλωπες ὀϊστούς / αὐτίκα τεχνήσονται  Die Reihe ἰοὺς καὶ τόξα ... τόξον ... ὀϊστούς (bei Homer meistens am Versende) ist chiastisch gebaut. Dieser Chiasmus wird durch die beteuernde Anapher mit ἐμοί durchbrochen (vgl. V. 122 f.: οἵ ... οἵ τε). Der parenthetische Satz erklärt, warum Artemis Zeus nicht um Waffen bittet, und verweist auf eine spätere Episode im Hymnos (V. 46–86: ‚Artemis bei den Kyklopen‘). Zwar ist αὐτίκα pace Ambühl 2005, 248 kein Zeichen der Ungeduld der Göttin, da sie Zeus gerade davon überzeugen will, dass nicht alle ihre Wünsche auf einen Streich erfüllt werden sollen, doch impliziert das Wort, dass die Ereignisse um Artemis objektiv gesehen einen besonders schnellen Gang nehmen werden (ad V. 46, 86 [a], 103 [a]). 10 ἐμοὶ δ᾽ εὐκαμπὲς ἄεμμα    Das attributive Syntagma εὐκαμπὲς ἄεμμα erklären Herter 1929, 54 sowie 1931, 448 und Bornmann 1968, 10 ad loc. als Variation der homerischen Formel καμπύλα τόξα (Γ 17, Ε 97 usw.) und direkte Übernahme von Hom. h. 27. 12: εὐκαμπέα τόξα. Herter fasst ἄεμμα als ‚falsche Bildung‘ von ἅμμα zur Analogie der kontrahierten Formen von ἄεϑλον – ἀέκων – ἠέλιος (54 Anm 3). Bredau 1892, 39 f. weist darauf hin, dass ἅμμα, das ursprünglich alles Gebundene bedeutet haben soll, zuerst auf die Sehne (so auch Frisk 1960 I 25 s. v. ἄεμμα), dann auf den Bogen selbst (εὐκαμπές passt nur zu diesem) metonymisch übertragen worden sei (Hesych. 1363 s. v. ἄεμμα τόξον [I 49 Latte]). Dies mag an und für sich zutreffen, aber das auch h. 2. 33 vorkommende Wort stammt unmittelbar aus der Demeter des Philetas (fr. 16 Sbardella: γυμνὸν ἄεμμα), wie dies aus den neueren Scholien zum Apollon-Hymnos hervorgeht (Pfeiffer 1953 II 47 Σ ad h. 2. 33a sowie 1968, 284). Vgl. Schmitt 1970, 102 Anm. 15. Kuiper 1896 I 51 vermutet aufgrund von h. 2. 33, das Wort sei kretischen Ursprungs (so auch Spanoudakis 2002, 192 f. ad

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III. Kommentar

loc.), aber dies ist nicht gesichert, obschon Ziegler 1938, 79 f. den Namen des Kreters Echemmas im kallimacheischen Epigramm 62 aufgrund eines etymologischen Spiels mit ἄεμμα ‚Bogen‘ verbinden wollte. 11 ἀλλὰ φαεσφορίην  Dem Abstraktum φαεσφορίη (nach παρϑενίην und πολυωνυμίην [V. 6 (a)] dem dritten in der Reihe) wird ein Infinitiv (ζώννυσϑαι) als Objekt nebengeordnet. Die Eigenschaft der φαεσφορίη (Lichthaftigkeit und Fackeltragen; das Wort bei Musai. 302) sollte keineswegs dahin ausgelegt werden, dass Artemis hier eindeutig in der Hypostase der Mondgöttin auftrete (vgl. Wernicke 1895, 1401, 1435 sowie ad V. 116 und 204). Da Kallimachos ein lebendiges Porträt der Göttin zeichnet, klammert er abstrakte Personifikationen aus. So tut er ihr fackeltragend-mondhaftes (φωσφόρος) Erscheinungsbild, das den zeitgenössischen Lesern bekannt gewesen sein dürfte (vgl. Soph. Oid. T. 206 f., Trach. 214; Eur. Iph. T. 21; Aristoph. Lys. 443, 738; Paus. 8. 37. 4; IG II 1. 432, XII 1. 914, XIV 2524, PGM 4. 2715, 2725 [I 158 Preisendanz], OGIS 53 [I 82 Dittenberger] mit Fraser 1972 I 195 sowie II 329 Anm. 31, Kahil 1984, 654–662 und Graf 1985, 228–236), nur mit einem Wort rasch ab und stellt φαεσφορίη in einen viel unmittelbareren Zusammenhang, den der Jagd. Bornmann 1968, 11 ad loc. und D’Alessio 1996, 97 Anm. 3 bemerken, dass die Fackel auch im Kontext der Jagd sinnvoll erscheint (Fackel als Instrument der nächtlichen Pirsch). Vgl. Soph. Trach. 213 f. und Eur. Iph. A. 1570 f. Mithin ist Stephens 2015a, 123 nicht im Recht, wenn sie das Abstraktum für ein Anhängsel unter dem Einfluss der Abstrakta in V. 6 f. ohne Bezug zur Jagd (als Zeichen des überstürzten Redeschwalls der Artemis) hält. Aus etwas breiterer Perspektive moniert Farnell 1896, 457–461 (im Widerspruch zu Schreiber 1884, 572 f., der an einer ursprünglichen Einheit von Artemis und Mond festhält), dass die Fackel ursprünglich auf die Wärme der Mutter Erde, mithin auf die Fruchtbarkeit tragende Eigenschaft der Artemis hinweise und erst später mit dem Mond in Verbindung gebracht worden sei. Vgl. auch Kapitel I 3, 39. Darüber hinaus scheint Artemis durch φαεσφορίη mit Apollon in seiner Eigenschaft als Sonnengott rivalisieren zu wollen. Vgl. Plantinga 2004, 261. Ambühl 2005, 248 liefert einen „kinderpsychologischen“ Kommentar: Waffen und Feuer scheinen auf [Artemis] wie auf alle Kinder eine gefährliche Anziehungskraft auszuüben (vgl. Ait. fr. 75. 9). 11 f. τε καὶ ἐς γόνυ μέχρι χιτῶνα / ζώννυσϑαι λεγνωτόν   Zum postpositionalen Gebrauch von μέχρι vgl. Kuiper 1896 I 51 mit Hom. Ω 128. π 324 steht postpositionales ἐντός an derselben metrischen Stelle. Eichgrün 1961, 113 f. vergleicht ἐς γόνυ μέχρι ~ Apoll. Rhod. 3. 875: ἐπιγουνίδος ἄχρις (tautometrisch): die Dienerinnen der Medeia ziehen ihre Gewänder bis zu den Knien hoch (in Anlehnung an Hom. h. Cer. 176 f.), worauf ein Gleichnis mit der „Leibgarde“ der Artemis (V. 882: amnisische Nymphen) folgt (vgl.



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ad V. 15). Der Partheniosfluss im selben Gleichnis geht auf Kall. Ait. fr. 75. 24 f. zurück (hier im Erzählsatz, von Apollonios ins Gleichnis transponiert). Vgl. auch Apoll. Rhod. 2. 936 mit Erbse 1953, 186 Anm. 2 (gemeinsame Vorlage). Zur Formelhaftigkeit der Wendung ἐς γόνυ vgl. Bornmann 1968, 11 ad loc. Das Attribut λεγνωτός bezieht sich wohl auf das verzierte Posament des Kleides. Vgl. Hesych. 493 s. v. λέγνη [II 579 Latte] (‚das Hinzugenähte‘) mit Nik. Ther. 726 (verbrämte Streifen einer Schlange), Anth. Pal. 2. 1. 309 (λεγνωτόν ... χιτῶνα), die beide von Kallimachos abhängen könnten. Nach Spanheim 1697, 135–138 bezeichne λέγνον nicht unmittelbar den Saum des Kleides, sondern die davon herabhängenden Rüschen und Fransen. Vgl. Crugnola 1961, 129 f. Cahen 1930, 95 erklärt die seltene Gewandung der Göttin (hochgegürteter Chiton mit Zierborte; vgl. auch Verg. Aen. 1. 323 succinctam pharetra et maculosae tegmine lyncis [die als Jägerin verkleidete Venus]) durch eine diachrone Wandlung: Das früher alleinherrschende lange Jägergewand sei ab dem 4. Jh. v. Chr. durch die sportliche Kurztracht abgelöst worden (Xen. eph. 1. 2. 6). Meillier 1979, 110 lässt hingegen eine diatopische Perspektive walten: Der kurze Chiton stehe für die peloponnesische Artemis, während die Jägerin meistens ein langes Gewand trage. Er denkt weiterhin, dass die peloponnesische mit der kyreneischen genetisch verwandt sei und der Dichter sich durch sämtliche Züge der in Kyrene heimischen Göttin habe inspirieren lassen. Keine dieser Annahmen scheint mir verbürgt zu sein, am wenigsten das lokale (= kyreneische) Kolorit des Artemis-Bildes, was auch dem Einfluss einer ‚peloponnesischen‘ Artemis-Darstellung den Boden entzieht. Die Göttin lässt sich im Hymnos örtlich gar nicht festlegen und zeichnet sich vielmehr durch eine bemerkenswerte Ubiquität aus. Kallimachos dürfte daher weder einen diachronen Mode-Wechsel, noch einen diatopischen Trachtunterschied vor Augen gehabt, sondern eine Rarität aus der Garderobe der Göttin (samt der ebenfalls preziösen Glosse λεγνωτός) aufgegriffen haben, um dadurch zur Verwunderung des Lesers das konventionelle Bild der langgewandeten Jägerin zu durchbrechen. Zum Nachleben der Jagdtracht der Göttin vgl. die Stellensammlung bei Bornmann 1968, 11 f. ad loc. 12 ἵνʼ ἄγρια ϑηρία καίνω   Herter 1929, 64: ἵνα ist Zeitpartikel [vgl. LSJ s. v. A II], wie V. 28, und entspricht ὁππότε (V. 16). Ein finaler Satz hätte im Kontext weniger Sinn, da man die Tracht nicht braucht, um jagen zu können. Man kann aber mit dem Chiton angetan sein, sooft man zur Jagd auszieht. Setzte man einen finalen Konnex voraus, müsste man den ἵνα-Satz für elliptisch (sinngemäß etwa διώκουσα ἀποκτείνω) halten, da genau genommen die kurze Tracht nur das Verfolgen, nicht das Töten der Tiere erleichtert (vgl.

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III. Kommentar

Meineke 1861, 158). Selden 1998, 375 weist darauf hin, dass καίνειν ein typisches Wort der Tragödie für ‚Menschenmord‘ sei, das hier von Artemis großsprecherisch auf die Tierjagd übertragen werde. 13 δὸς δέ μοι ἑξήκοντα χορίτιδας Ὠκεανίνας   Auf die Jagdleidenschaft der Artemis folgt ihr Wunsch nach einem Chor von Nymphenbegleiterinnen. Diese Dichotomie ihrer Anliegen ist traditionell (vgl. Hom. ζ 102–108, h. Ven. 18–20 mit Knight 1993, 204). Die Zahl der Chornymphen ist größer (sechzig) als die derjenigen (V. 15), die zum persönlichen Dienst der Göttin (Kleider, Rüstzeug) bestellt sind (zwanzig): Die letztere Gruppe ist offenkundig eine exklusivere, vertrautere „Leibwache“, während die erstere formellen Charakter hat (anders Stephens 2015a, 124). Nach Reinsch-Werner 1976, 185 f. spielt Kallimachos auch mit der Genauigkeit Hesiods bezüglich der Okeaniden, deren Zahl er zu dreitausend ansetzt (theog. 364). Das Wort χόριτις ist ein Neologismus nach Analogie zu metaplastischen Feminina der nomina agentis der ersten Deklination (auch h. 4. 306: χορίτιδες). Calame 1977 I 74 vergleicht βούλευτις aus βουλευτής. Nach diesem Muster könnte auch χόριτις aus *χορίτης abgeleitet sein. Semantisch handelt es sich um die dauerhafte Zugehörigkeit zu einer Gruppe und die kontinuierliche Ausübung einer Tätigkeit (hier Mitgliedschaft eines χορός [der Artemis] und Fähigkeit zum Reigentanz). Vgl. auch Aulin 1856, 38, Chantraine 1933, 339 f. und Schmitt 1970, 23. Patronymica auf -ίνη gehören zum Reservoir erlesener Formen hellenistischer Dichtung. Vgl. V. 62, 254; Hec. fr. 103. 2 Hollis: Δηωΐνη (Persephone) und Catull. 64. 28 (pulcherrima Nereine: die gleiche Bildungsweise in ähnlichem Kontext, V. 29 f.). Vgl. Aulin 1856, 64 und Kuiper 1896 I 52. Stephens 2015a, 124 weist auf die Funktion derartiger Patronymica hin, den Hexameter würde- und klangvoll enden zu lassen. Vgl. Naeke 1845, 43 f. (nebst reicher Stellensammlung) und Hollis 1990, 292 zu Hec. fr. 103. 2. Zu den Okeanos-Töchtern als Gestalten der Mythologie vgl. vor allem Hes. theog. 364 (Ὠκεανίναι) sowie 389, 507 und 956 (Ὠκεανίνη). Apollonios Rhodios verwendet Ὠκεανίς (1. 504 und 2. 1239). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 185. Nach Kuiper 1898 II 26 rivalisiere Artemis mit Apollon, da Hesiod theog. 347 mit ihm ebenfalls Okeaniden assoziiert. Anders Bornmann 1968, 12 ad loc. (Bevorzugung der Okeaniden als eines umfassenden Nymphengeschlechts einschließlich der Süßwassernymphen im hesiodeischen Katalog). Nonnos ahmt den Ausdruck und den Kontext nach (16. 125–130), indem Dionysos der als Artemis-Abklatsch wirkenden Nikaia ἑξήκοντα χορίτιδας (V. 126: tautometrisch) angelobt (V. 129: ‚den Töchtern des Okeanos ähnlich‘). Vgl. De Stefani/Magnelli 2011, 559. Siehe auch V. 7, 42 und 44. 14 (a) πάσας ... πάσας ἔτι παῖδας ἀμίτρους   παῖδες ἄμιτροι sind die Jungfrauen noch ohne den Gürtel (Hom. Π 419: ἀμιτροχίτωνας ἑταίρους, Nonn.



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42. 439, 48. 507: ἀμιτροχίτωνι ... κούρῃ), der den Eintritt der Geschlechtsreife und den Übergang zum Frauenleben symbolisiert. Vgl. Herter 1929, 65. Zu μίτρη = jungfräuliche ζώνη vgl. Kall. Ait. fr. 75. 45 mit Bühler 1960, 117 f. und Harder 2012 II 627 ad loc. nebst weiteren Belegstellen. Die vorgeblich ptolemäische Assoziation der Mitra als Herrschaftszeichen (Stephens 2015, 124) lasse ich – zumal es sich um die negierte Form handelt – auf sich beruhen. Angesichts des kultischen Hintergrundes dieses Verses könnte Marx 1925, 426 f. Recht haben, dass Kallimachos ein älteres (uns verlorenes) Vorbild vor Augen gehabt hat, das in abgewandelter Form verschiedentlich auftaucht: Hom. h. Merc. 192: πάσας ϑηλείας, πάσας κεράεσσιν ἑλικτάς (Variation von Λ 681: πάσας ϑηλείας [Stuten], πολλῇσι δὲ πῶλοι ὑπῆσαν), Theokr. 15. 6: παντᾷ κρηπῖδες, παντᾷ χλαμυδηφόροι ἄνδρες, [Alk.] adesp. 9. 2 (CA p. 186): παίσαι παρϑενικαί, παίσαι καλὰ ἔμματ᾽ ἐχοίσα[ι] (Demeter-Priesterinnen oder Anbeterinnen, neun an Zahl: wenn der Verfasser tatsächlich Alkman wäre, wäre das Vorbild des Kallimachos gefunden, aber das Fragment ist wohl eine hellenistische Nachahmung eines älteren Originals; vgl. Cahen 1929, 317), Verg. Aen. 6. 787: omnis caelicolas, omnis super alta tenentes (mit Norden 19273, 322 ad loc.). Auf jeden Fall scheint die Anapher παντ-/πάσ- am Versanfang und nach der stumpfen Zäsur formelhaftes Muster zu sein. Für die Anapher mit παντ- kann man Kall. h. 6. 33 f. vergleichen: πάντας ἐν ἀκμᾷ, / πάντας δ’ ἀνδρογίγαντας (ϑεράποντες des Erysichthon, zwanzig an Zahl, wie h. 3. 15 die amnisischen Nymphen). Schneider 1873 II 202 begeht den Fehler, von den neunjährigen Mädchen auf eine neunjährige Artemis zu schließen (so auch Herter 1927, 252). Der Schluss ist aber nicht verbürgt, da Kallimachos nicht explizit auf die Gleichaltrigkeit der Okeaniden mit der Göttin hinweist. Zum Alter der Artemis vgl. Kapitel I 1, 11–13. Maas 1921, 136 wollte den Vers aufgrund seiner Wiederholung (V. 43) an beiden Stellen streichen. Vgl. dazu ad V. 43. 14 (b) εἰνέτεας  Zur Form εἰνέτεας (aus εἰνέτης) vgl. Aulin 1856, 50 f. (gedehnte erste Silbe, aus εἰναετής synkopiert), der es für Attisch hält. Giangrande 1970b, 67 f. stellt die These auf, dass hinter der Angabe der neunjährigen Okeaniden, die den Chor der Artemis bilden, der Brauch stehe, dass kultische Götterhymnen von puellae et pueri integri (vgl. Catull. 34 und Hor. c. s.) vorgeführt werden sollten. Dies ist auch nicht frei von einem Schuss Ironie, da die Okeaniden für gewöhnlich als πρεσβύταται κοῦραι gedacht zu werden pflegen. Zur Umkehrung (der Altersangabe) in alexandrinischer Manier vgl. Giangrande 1970b, 68 Anm. 69. Giangrande 1970b, 66–69 erwägt auch ein Wortspiel mit der Homonymie des Wortes *ἐνναετης, das sowohl ‚Einwohner/einheimisch‘ (ἐνναέτης aus ἐν- und ναίω) als auch ‚neunjährig‘ (ἐνναετής aus ἐννέα und ἔτος) bedeuten kann. Zwar kennt Kallimachos

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III. Kommentar

auch das Wort ἐνναέτης (Ait. fr. 54c 36, 186. 24 Harder) und Ortsansässige spielen eine wichtige Rolle in verschiedenen Ritualen, die Form εἰνέτης kann aber schon aus formalen Gründen mit ἐνναέτης ‚Einwohner‘ kaum in Verbindung gebracht werden und bedeutet von Haus aus ‚neunjährig‘. Theokrit (26. 29) verwendet zwar ἐνναετής, aber der Kontext lässt keine andere Bedeutung zu als die temporale. Vgl. auch anon. 961. 6 SH (εἰνα̣ε̣τ̣ῶν in unklarem Kontext). Sourvinou-Inwood 1988, 106–108 nimmt einen konkreteren Bezug an und mutmaßt Verbindungen zum attisch-brauronischen Ritual der Arkteia (vgl. Deubner 1932, 207 f., Lloyd-Jones 1983, 91–95, Dowden 1989, 25– 42, Müller 1990, 101–105, Petrovic 2004, 288–290 und Larson 2007, 107 f.), in dessen Mittelpunkt gleichaltrige (neunjährige) Jungfrauen, noch ohne Gürtel, aber schon an der Schwelle zur Geschlechtsreife, stehen, die in einem Übergangsritus, von einem Ausschuss älterer ἀμφίπολοι (V. 15 ~ V. 45: ἀμορβούς) angeführt, zum Ehestand übergeleitet werden. Ähnlich auch Ambühl 2005, 273. Etwas anders Schlegelmilch 2009, 212, die ein vergleichbares Ritual in Kyrene annimt (SEG 9. 72. 13). Petrovic 2007, 263 stellt Vermutungen über kretische Realien an (das Alter der Begleiterinnen sollte auf die Mädchen auf Kreta anspielen, die an Initiationsriten unter der Obhut von Artemis/Britomartis/Diktyn[n]a teilnehmen). Weiterhin (263 f.) plädiert sie dafür, dass V. 14 und 43 einen Kommentar zu den vieldiskutierten Odyssee-Versen abgebe, in denen von Minos, dem neunjährigen (?) Herrscher von Kreta und Zeusʼ ὀαριστής, die Rede ist (τ 178 f.). Im Hymnos gehe es ebenfalls um vertraute Begleiterinnen der Göttin und die Perspektive wechsle mit V. 15 gleich nach Kreta. Somit stelle das Wort εἰνέτεας eine Glosse zum umstrittenen ἐννεώρος (τ 179) dar. Zu einer möglichen Anspielung auf die neunjährigen Herrschaftszyklen (?) des Minos vgl. ad V. 193 (a). Dass die Wendung in der Tat auf eine ritualistische Formel zurückgeht, wird dadurch erhärtet, dass Theokrit einen ähnlich festen Ausdruck in einem offenkundig kultusbezogenen Kontext (26. 29) verwendet. Der nächste Vers (26. 30: αὐτὸς δ’ εὐαγέοιμι καὶ εὐαγέεσσιν ἅδοιμι [Stimme des Narrators]) hat eine merkwürdige Entsprechung bei Kallimachos (h. 4. 98: εὐαγέων δὲ καὶ εὐαγέεσσι μελοίμην [Stimme Apollons nach Androhung der Strafe für Theben]). Gow 1950 II ad loc. tritt für eine gemeinsame Quelle (ritualistische Formel) ein, Giangrande 1970b, 70 f. lässt es bei der Abhängigkeit des einen Dichters vom anderen (unbestimmte Priorität) bewenden, Ambühl 2005, 218 f. spricht sich für die Beeinflussung des Kallimachos durch Theokrit aus. Mangels eindeutiger Indizien mache ich mich nicht anheischig, die Frage der Priorität zu entscheiden. Giangrande 1970b, 72 interpretiert das neunte Lebensjahr in der Nähe des zehnten als eine Steigerung, die – um die Unschuld des Priesterjungen und zugleich die Grässlichkeit der Strafe, die der Gott über seinen Novi-



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zen verhängt, hervorzuheben – ein Alter zulässt, das in der Kultpraxis nicht üblich war (70). Es ist aber nicht wahrscheinlich, das das neunte Jahr etwas vom Gesetz Untersagtes und deshalb Ungebührliches darstellt, sondern es ist vielmehr als unterste Altersgrenze gewählt, die bei der betreffenden Funktion in Frage kommt. Hierfür spricht auch, dass ἐνναετής vor δεκάτω in der natürlichen Reihenfolge steht (‚neun oder zehn Jahre alt‘; nicht: ‚zehn oder[, mit Verlaub,] neun Jahre alt‘). Es ist naheliegend, dass die Anwärter auf dieses Amt in ihrem neunten Lebensjahr ausgewählt wurden und in ihrem zehnten das Amt antraten. So muss es auch Kallimachos unabhängig von Theokrit gewusst haben. Damit fällt Giangrandes These (1970b, 69 f.) fort, Artemis bitte um etwas Gesetzwidriges. 15 δὸς δέ μοι ἀμφιπόλους Ἀμνισίδας εἴκοσι νύμφας   Die Zahl εἴκοσι ist in der homerischen Sprache fest verankert (Β 510, 748, Ν 260; ι 209 an derselben sedes). Amnisos war ursprünglich ein Fluss in der Gegend von Knossos an der Nordküste Kretas, so dass Strabon (10. 4. 8, p. 476 C) und der Scholiast ad Hom. τ 188 (II 676 Dindorf) denselben zu Unrecht auch für eine Stadt gehalten, d.h. den Hinweis der Stelle auf eine natürliche Bucht (~ Hafen) missverstanden haben. Der Kult der amnisischen Eileithyia scheint auf die minoische Zeit zurückzugehen (Price 1978, 81 f.), hat aber im Hellenismus einen neuen Aufschwung genommen. Homer erwähnt ein Eileithyia-Heiligtum am Fluss Amnisos in Kreta (τ 188). Kallimachos scheint die Geschichte dieses Kultortes fortschreiben zu wollen, indem er Amnisos mit Artemis verbindet und V. 20–25 die Göttin mit Eileithyia identifiziert. Damit suggeriert er, dass Homers Angaben korrekturbedürftig seien und das amnisische Heiligtum, das er expressis verbis nicht erwähnt, (auch) Artemis heilig sei. Übrigens kommt der betreffende Passus in der Lügenerzählung des Odysseus vor, was an und für sich die Frage nach der Wahrheit aufwirft (vgl. Eust. Comm. ad Hom. τ 188 [II 198, 1861, 38–40 Stallbaum] mit Varianten). Petrovic 2007, 255 f. nimmt in Anschluss an Chaniotis 2001, 215–217 an, dass dieser neue Kultus vom Synkretismus der Artemis und Eileithyia geprägt war, was eine Orientierung des Kallimachos an zeitgenössischen Realia nahelegte. Diesem Schluss haftet aber der Makel einer petitio principii an, da die Verschmelzung der beiden Göttinnen im amnisischen Kultus nicht schlagkräftig bewiesen werden kann, es sei denn, man verwendet den Hymnos selbst als einen Kronzeugen (vgl. Chaniotis 1992, 85­–87). Viel wahrscheinlicher erscheint die Annahme, dass Kallimachos einfach Homer korrigieren und statt Eileithyia Artemis die berühmte amnisische Grotte zuweisen wollte. Was im Unterschied zu Homer nicht erwähnt wird (Grotte, Hafen), ist eher der gesuchten Kontrastwirkung gegenüber Homer (vgl. auch ad V. 39) geschuldet, als einer äußerst unsicheren mündlichen Quelle

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III. Kommentar

(Chaniotis 2001, 216 f. postuliert Berichte von ortskundigen Kretern am Ptolemäerhof). Die Rolle der zeitgenössischen Kultwirklichkeit muss also mangels weiterer Indizien unklar bleiben und aus der Betrachtung ausgeklammert werden. Zu allen antiken und mittelalterlichen Testimonien über Amnisos vgl. Chaniotis 1992, 52–60. Eichgrün 1961, 115 weist auf die Ähnlichkeit eines Passus bei Apollonios Rhodios hin, was er für eine bewusste Allusion hält, ohne die Priorität entscheiden zu wollen. Petrovic 2007, 257–259 zufolge beziehe sich Apollonios, der Amnisos ebenfalls mit Artemis verbinde, auf Kallimachos, nicht auf Homer. Zugleich schwinge eine leise Hindeutung auf Medeias Hochzeit mit: der Parthenios (aus Kall. Ait. fr. 75. 25) evoziere das Hochzeitsbad, der Amnisos das Kindbett. In diesem Zusammenhang wird Medeia und ihr Geleit mit folgendem Gleichnis veranschaulicht (vgl. ad V. 11 f.): οἵη δέ, λιαροῖσιν ἐν ὕδασι Παρϑενίοιο ἠὲ καὶ ᾿Αμνισοῖο λοεσσαμένη ποταμοῖο, χρυσείοις Λητωὶς ἐφ’ ἅρμασιν ἑστηυῖα ὠκείαις κεμάδεσσι διεξελάῃσι κολώνας, τηλόϑεν ἀντιόωσα πολυκνίσου ἑκατόμβης· τῇ δ’ ἅμα νύμφαι ἕπονται ἀμορβάδες, αἱ μὲν ἀπ’ αὐτῆς ἀγρόμεναι πηγῆς ᾿Αμνισίδες, αἱ δὲ λιποῦσαι ἄλσεα καὶ σκοπιὰς πολυπίδακας, ἀμφὶ δὲ ϑῆρες κνυζηϑμῷ σαίνουσιν ὑποτρομέοντες ἰοῦσαν — (Apoll. Rhod. 3. 876–884) Außer der namentlichen Erwähnung von Amnisos und seinen Nymphen verdienen der von Hirschkühen gezogene Wagen (V. 878 f. ~ h. 3. 99–109, 112 [κεμάδεσσιν] und 163 [κεμάδας]) und das Attribut ἀμορβάδες (V. 881 ~ h. 3. 45: ἀμορβούς [Okeaniden]) Beachtung. Das Gleichnis klingt mit der Beschreibung des Zuges zahmen Getiers aus, während bei Kallimachos ein Hinweis auf Artemis’ Jagdtätigkeit folgt. Amnisos wird später auch von Nonnos (8. 115, 13. 251) erwähnt. 16 f. (a) αἵ τε μοι ἐνδρομίδας τε καὶ — ϑοοὺς κύνας εὖ κομέοιεν   Das traditionelle Motiv der Jagd wird mit dem von Alltagsrealismus geprägten Schuheputzen verquickt. Die ἐνδρομίδες sind sandalartige Schuhe leichtsportlichen Zuschnitts, deren Riemen sich bis über die Waden emporrankten, so dass sie auch beim Laufen sich den Füßen fest anschmiegten (‚Laufschuhe‘). Vgl. h. 4. 238 (Iris’ Schuhwerk) sowie Spanheim 1697, 142–144 (Verg. Aen. 1. 337 [hochverschnürte Schuhe als „bürgerliche“ Tracht]). Zu ἐνδρομίδες als charakteristischem Schuhwerk der Artemis vgl. Anth. Plan. 253. 2; Poll. 3. 155, 7. 93; Nonn. 36. 50 (in Heras Schmährede gegen Arte-



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mis; das Wort ἐνδρομίδες sonst mehrmals bei ihm). Vgl. De Stefani/Magnelli 2011, 561. Wie Ruijgh 1971, 968 f (§ 789) bemerkt, imitiert Kallimachos den epischen Gebrauch der Partikel τε (dazu Monteil 1963, 103–123) nicht restlos. Im Artemis-Hymnos weist die Wendung ‚Relativpronomen + τε‘ nur V. 133 und 140 den digressiv-permanenten Charakter auf, den sie bei Homer stets hat (vgl. auch Faulkner 2011a, 85). Hier ist sie digressiv, aber nicht permanent, da die durch das Verb κομέοιεν (V. 17) beschriebene Handlung zeitlich nicht unbeschränkt gilt (ὁππότε). Siehe auch h. 1. 69. Es scheint mir unmöglich, unter der Lesart von Ψ ϑοοὺς und der von α ϑοὰς eine Entscheidung zu treffen (Pfeiffer 1953 II 10 liest ϑοοὺς, Meineke 1861, 22 ad loc. und Gallavotti 1953, 468 bevorzugen ϑοὰς), da sachlich sowohl männliche Rüden als auch weibliche Hündinnen in Frage kommen (V. 90–97). Die bis auf die erste Silbe tautometrische homerische Wendung ταχέας κύνας (Λ 818 und Σ 584), die Kallimachos variiert, kann die Sache nicht entscheiden, da der Dichter das Masculinum dürfte beibehalten oder aber um der Variation willen durch das Femininum abgelöst haben. So lasse ich es – ohne innere Überzeugung – bei Pfeiffers Textfassung bewenden. Zu κομέοιεν vgl. Hom. ρ 319: οὐ κομέουσι (über den Hund des Odysseus in eadem sede), wobei der Sinn der Vorgängerstelle umgekehrt wird (die Hunde der Artemis werden bestens versorgt, während man sich um den alten Argos in Ithaka keinen Deut kümmert). 16 f. (b) ὁππότε μηκέτι λύγκας / μήτ᾽ ἐλάφους βάλλοιμι   Die Sportschuhe und der Luchs sind der Welt Homers fremd, der letztere (Umhang aus Luchsfell) taucht aber in Hom. h. 19. 24 (Hymnos an Pan) auf. Deshalb hat die spätere dichterische Tradition die Luchse mit Artemis und Pan assoziiert. Kiessling/Heinze 19176, 435 ad Hor. c. 4. 6. 33 (Deliae ... deae, fugacis / lyncas et cervos cohibentis arcu) weisen auf die kallimacheische Verkopplung von Luchs und Hirsch hin. Vgl. auch Kuiper 1896 I 53 und ad V. 88 f. Gegen Schneiders Konjektur μηδ᾽ (1870 I 17 ad loc.: wegen der generischen Ähnlichkeit der nebengeordneten Luchse und Hirsche) vgl. Wörpel 1902, 421 mit Hinweis auf die nicht zu glättende Asymmetrie μηκέτι ... μήτ᾽. Vgl. z.B. Pind. P. 5. 54 (οὔ τις ... οὔτ᾽) sowie Schwyzer/Debrunner 1950 II 573 f. Die Wendung ἐλάφους βάλλοιμι zerlegt das herkömmliche Epitheton ἐλαφηβόλος (Hom. Σ 319) in seine Bestandteile. Vgl. ad V. 2 (a) und 262. Während der Relativsatz optativischen Nebensinn hat (εὖ κομέοιεν ~ ‚mögen sie wohl versorgen‘), drückt der Optativ (βάλλοιμι) des ὁππότε-Satzes Eventualität aus. Vgl. Hom. Χ 348, Aischyl. Prom. 292, Soph. Oid. K. 1172 sowie Herter 1929, 64 und Cahen 1930, 97. 18 δὸς ... οὔρεα ... νεῖμον   Die Periode ist vom Widerspiel zwischen Natur (Gebirge) und Zivilisation (Stadt) geprägt. Apollons Vorbild scheint

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III. Kommentar

dabei auch relevant zu sein. Zur Verbindung Apollons mit verschiedenen Naturgebieten (Hainen, Bergen, Flüssen) vgl. Hom. h. Ap. 143–146 sowie ad V. 38. Bing/Uhrmeister 1994, 20 heben auf den Unterschied zwischen zudringlich-ungestümem δός und nüchtern-distanziertem νεῖμον ab. 18 f. πόλιν δέ μοι ἥντινα νεῖμον, / ἥντινα λῇς    Bing/Uhrmeister 1994, 20 bemerken zu Recht, dass die Wiederholung von ἥντινα Gleichgültigkeit ausdrückt (20 Anm. 12: zum ersten Mal demonstrativ, zum zweiten relativ), aber dieses ἀδιάφορον ist nur ein vorgetäuschtes, hinter dem sich das wahre Anliegen der Artemis verbirgt (vgl. Kapitel I 2, 18 f.). Zur Kritik des „entwicklungspsychologischen“ Ansatzes von Bing/Uhrmeister, zu der auch der angebliche Gegensatz von natürlicher Anlage und auferlegten Pflichten gehört, vgl. Kapitel I 2, 17–24. Stephanus bei Ernesti 1761, 71 und Cobet 1861, 418 schlugen für μοι ἥντινα die Lesung μιάν τινα vor, Maas 1921, 136 wollte den nachfolgenden Vers (19) streichen und auf diese Weise das Duplikat ἥντινα beseitigen, was sicher keine ansprechende Lösung ist, da der γάρ-Satz zur reibungslosen Fortsetzung des Gedankengangs in V. 20 unabdingbar nötig ist. Trypanis 1954, 203 hält das erste ἥντινα für suspekt. Desrousseaux 1940, 159 interpretiert die paradosis neu (ἤν τινα), aber diese Ergänzung (‚wenn überhaupt eine [Stadt]‘) wirkt sehr flau. Zu Recht hat bereits Anna Fabri (= Ernesti 1761, 72) ἥντινα zu verteidigen gesucht. Bornmann 1968, 15 ad loc. weist auf Theokr. 4. 39 (ὅσον αἶγες ἐμὶν φίλαι, ὅσσον ἀπέσβης) und 15. 25 (ὧν ἴδες, ὧν εἴπαις κεν ἰδοῖσα τὺ τῷ μὴ ἰδόντι) hin, wo das zweite Relativpronomen demonstrative Funktion zu haben scheint (Gow 1950 II 86, 275 ad loc.). Bei Kallimachos würde das erste ἥντινα diese Rolle (~ ταύτην) spielen. Nach Wackernagel 1924 II 116 handelte es sich um eine Abfolge ‚Indefinitpronomen – Relativpronomen‘, aber es geht um eine bestimmte Stadt, deren Auswahl Zeus anheimgestellt wird. So ist das erste ἥντινα eher demonstrativ. Bornmann hört in der Wendung angesichts der Sprecher (Kleinkind, Hirt, Frau) einen kolloquialen Ton. Vgl. auch Stephens 2015a, 125. 19 (a) λῇς    Wenn die Verbform λῇς tatsächlich dorisch ist, so dient sie der Verblüffung des Lesers durch eine kleine, aber auffällige grammatische Pointe (Cahen 1929, 429 f.). Giangrande 1970a, 271 und 1971, 355 weist allerdings auf Cram. anec. Ox. I 79. 30 f. hin, wo es heißt, λῶ sei auch dem Ionischen bekannt. So habe Kallimachos das Ionische durch ein eher seltenes, aber nicht dialektfremdes Element angereichert. Kuiper 1896 I 53 zufolge habe Kallimachos λῇς für eine Nebenform von episch-ionischem λιλαίω erachtet (Σ ad Hom. ad Γ 399b [I 429 Erbse]: λῶ und seine Variante λιλῶ durch Anadiplose) und nur ein formales Spiel, keine Dialektmischung praktiziert.



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19 (b) σπαρνὸν γὰρ ὅτ᾽ Ἄρτεμις ἄστυ κάτεισιν   Zum Verhältnis der Artemis zu Städten und zu einer Interpretation des Verses, die die Göttin an den Belangen des städtischen Gemeinwesens teilnehmen lässt, ohne direkt anwesend zu sein, vgl. Kapitel I 3, 39. Laut Kuiper 1896 I 53 sei die elliptische Wendung σπαρνόν [ἐσϑ᾽] ὅτ[ε] ein attisches Idiom, σπαρνόν dichterisch für σπάνιον, ἄστυ statt ἄστυδε nach Hom. ο 82. Herter 1929, 65 f. rechnet die Verwendung der dritten Person statt der ersten zur Ethopoiie kindlichen Sprachgebrauchs (vgl. auch V. 32 und 104), obwohl das Thema nichts weniger als kindlich ist (so Golden 1995, 32). Siehe auch Ambühl 2005, 248 Anm. 98. Die dritte Person für die erste kommt aber als eine Form manierierter Rede auch anderweitig vor (Hom. Α 240, ι 275, Hipp. fr. 32. 4, Soph. Oid. T. 1365, Theokr. 1. 103, Kall. h. 5. 99 [Athene], fr. 191 (= Ia. 1) 1 [Hipponax], Catull. 6. 1, Verg. Aen. 6. 510 f., Hor. epod. 15. 12, s. 2. 1. 18). 20 οὔρεσιν οἰκήσω, πόλεσιν δʼ ἐπιμείξομαι ἀνδρῶν   Zur Formulierung πόλεσιν δʼ ἐπιμείξομαι ἀνδρῶν vgl. Hom. ζ 205: οὐδέ τις ἄμμι βροτῶν ἐπιμίσγεται ἄλλος (Abgekapseltsein der Phaiaken von der Außenwelt) und Hom. h. Ven. 20 (ἅδε) δικαίων ... πτόλις ἀνδρῶν sowie Ρ 737 (πόλιν ἀνδρῶν). Im Zeus-Hymnos des Kallimachos (V. 13) regiert ἐπιμίσγεται den Akkusativ (ein Versteck, das von niemandem betreten wird). Vgl. auch Kuiper 1896 I 54. Petrovic 2007, 235 f. hebt auf die Futurformen ab, die der Erzählung eine aitiologische Perspektive geben, obwohl die mythischen (d.h. immerwährenden) Eigenschaften und Attribute auch in Präsensform hätten dargestellt werden können, wie dies in den homerischen Hymnen der Fall ist. Siehe auch Ambühl 2005, 251. 21 f. ὅτ᾽ ὀξείῃσιν ὑπ᾽ ὠδίνεσσι ... καλέωσι   In der Wendung ὀξείῃσιν ὑπ᾽ ὠδίνεσσι hat die Präposition ὑπό kausale Bedeutung (Pind. O. 6. 43: ὑπ᾽ ὠδῖνός τ᾽ ἐρατᾶς [Lesart der Handschriften]). V. 159 vermittelt sie materiell-instrumentale Bedeutung (ὑπὸ δρυΐ), V. 176 auktoriale (ὑπ᾽ ἀλλοτρίῳ ἀροτῆρι). Vgl. Cahen 1929, 451. Die ‚scharfen‘ Wehen sind im Geburtskontext fast formelhaft. Vgl. z.B. Λ 269 f. (ὡς δ’ ὅτ’ ἂν ὠδίνουσαν ἔχῃ βέλος ὀξὺ γυναῖκα / δριμύ, τό τε προϊεῖσι μογοστόκοι Εἰλείϑυιαι [im Gleichnis]). Der prospektive Konjunktiv ohne ἄν (Lesart des PMed [Vogliano 1961 II 42]; vgl. Mariotti 1948, 126 und Pfeiffer 1953 II, LXXXIX) ist gut homerisch (Stephens 2015a, 125). Giangrande 1971, 355 f. verteidigt allerdings καλέουσι als Rarität. 22 βοηϑόον   Das Wort βοηϑόος, das wie bei Homer (Ν 477 und Ρ 481) und Kall. h. 4. 27 nach der Mittelzäsur und vor der bukolischen Diärese verwendet wird, hat hier Bredau 1892, 78 zufolge nicht seine homerische

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III. Kommentar

Bedeutungsnuance (bellicosus) inne, sondern wird als adiutor, auxiliator verwendet. Die Parallele mit h. 2. 69 (Apollon Βοηδρόμιος) scheint mir nicht zu stimmen, da hier das Wort gerade die Konnotation ‚Mitkämpfer‘ trägt (vgl. Σ ad. loc. Pfeiffer 1953 II 52). Die Etymologie von βοηϑόος (βοή + ϑέω: Frisk 1960 I 248 s. v. βοηϑόος) fällt ins Ohr, zumal Artemis dem Hilferuf der kreißenden Mütter (nicht der vom Schlachtgetümmel bedrängten Helden) Folge leistet (vgl. Kuiper 1896 I 54). Zur Form des Wortes vgl. auch ad V. 153 f. Die den Ruf hörende Artemis heißt zu Recht ἐπήκοος (IG XIV 963) und εὐήκοος (IG XII 1. 914, 2. 101). Siehe auch Theokr. 22. 23 (Dioskuroi) und Anth. Pal. 6. 53. 3 (an derselben metrischen Stelle auf Zephyros bezogen). 22 f. ᾗσί — ἀρήγειν   Kallimachos korrigiert die negative Darstellung der Artemis an einer Homer-Stelle (Φ 468–512): Die Göttin, die sich nur auf Jagd versteht, wird zu einer Stadtschützerin, die ‚Löwin der Frauen‘ wird zu einem Hort der Wöchnerinnen. Vgl. Stepehens 2015, 105. Artemis als Geburtshelferin erscheint Ait. fr. 79–79a Harder (Diana Lucina) und fr. 202 [= Ia. 12] 1 (die passende Invokation in einem Geburtstagsgedicht). Vgl. Pfeiffer 1934, 33, der auch auf die Ähnlichkeit des Wirkungsbereichs der Artemis in fr. 202. 7 f.: πόλεις – οὔρεα – νήσους – εὐρείης ... χϑονός hinweist, wobei die πόλις hier an erster, nachdrücklicher Stelle steht. Zum Synkretismus von Artemis und Eileithyia (vor allem in Boiotien) vgl. Plat. Tht. 149B–C, Plut. quaest. conv. 3. 10 (= mor. 658F–659A), Diod. 5. 73. 4–6, Orph. h. 2. 12, 36. 3 f., Σ ad Apoll. Rhod. 1. 288 (p. 33 Wendel), Nonn. 41. 414 f., 48. 838 f. sowie Schreiber 1884, 572 f., Wernicke 1895, 1347 f., Dietrich 1974, 87 f., Ukleja 2005, 298 Anm. 971 und Petrovic 2007, 253 f. Zu Artemis λοχ(ε)ία vgl. Eur. Suppl. 676 f., Iph. T. 1097, zu εὔλοχος Eur. Hipp. 166. Zu Artemis κουροτρόφος und der paradoxen Sachlage, dass eine Göttin keusch und zugleich geburtsförderlich sein kann, vgl. Cahen 1930, 98 (Hor. c. 3. 22), Nilsson 1941, 464 f. und Price 1978, 204 f. sowie 214. Im Widerspiel mit dem homerischen Apollon-Hymnos (V. 102–119), der Eileithyia nicht mit Artemis gleichgesetzt (vgl. Plantinga 2004, 271 Anm. 70), und im Gleichklang mit der späteren Tradition (Apollod. 1. 4. 1, Liban. or. 5. 4–5) scheint Kallimachos Ait. fr. 79 (mit dieg. 1. 27–36 und dem Apparat bei Pfeiffer I 1949, 87 ad loc.; vgl. auch Hunter/Fantuzzi 2004, 57) drei alternative Erklärungen für die Epiklese der Göttin als Eileithyia zu bieten. Zuerst wird auf das Wunder (Leichtigkeit?) der Geburt der Artemis (der Text der Diegesis 30 f. ist aber am entscheidenden Wort verstümmelt: ὅτι ..]..τη ἀπεκυήϑη) hingewiesen, dann auf eine Gabe der Eileithyia, schließlich auf die Funktionsähnlichkeit mit Eileithyia, in deren Rolle sie Leto Hebammendienst leistet. Während bei der dritten Erklärung (Ait. fr. 79, dieg. 33–36)



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vorausgesetzt wird, dass Artemis Apollons Zwillingsschwester ist, kann sie es in unserem Hymnos nicht sein, da ihre Geburt als leicht beschrieben wird, was nicht zutreffen könnte, wäre sie gleichzeitig mit Apollon in Letos Mutterleib gewesen (h. 4. 205–214; zur realistischen Darstellung der Geburtswehen vgl. Huber 1926, 9 f.). So teile ich Kuipers Zuversicht nicht: Ad cultum Dianae Deliacum haec spectare mihi non dubium est (1896 I 54). Pindar behält die Geburtsschmerzen bei, lindert sie aber durch ein Oxymoron (fr. 52m [Pai. 12] 13 f.: τερπνᾶς / ὠδῖνος mit Enjambement zur Hervorhebung der gegensätzlichen Elemente). Vgl. Rutherford 1988, 73, der diesen Zug als eine Korrektur des homerischen Apollon-Hymnos interpretiert, wo Leto neun Tage und Nächte kreißt (V. 91 f.). Mit dem Hinweis auf ihre leicht-beschwingte, von der Apollons unabhängige Geburt will Artemis ihren größeren Bruder übertrumpfen. Vgl. Hunter/Fuhrer 2002, 164 in Bezug auf die Buchstruktur (Artemis᾽ painless gestation and birth is thus written against Leto᾽s sufferings with the foetal Apollon in the following poem), ähnlich auch Morrison 2007, 147 f. Wie sich Artemis gegen Eileithyia durchsetzt, so hat auch Apollon Gaia und Themis den Rang abgelaufen (Eur. Iph. T. 1259–1283). Vgl. Petrovic 2007, 226 f. Nun sticht sie Apollon durch die Schmerzlosigkeit ihrer Geburt aus. In der Diegese zu Ait. fr. 79 wird als zweite Ursache für die Rollenidentität der Artemis mit Eileithyia die Gabe der letzteren Göttin im Auftrag des Zeus angeführt (31–33: ὅτι δ[ιὰ ἐφημοσύ]νην τοῦ Διὸς ἡ Εἰλείϑυια [αὐτὴν] τοῦτʼ ἔχειν ἔδωκεν ἐξ[α]ίρετον). Im Hymnos scheinen die Moiren den Willen des Zeus zu ersetzen. Zum Zusammenhang der Moiren und der Geburt vgl. vor allem Pind. O. 1. 26 (die Geburt des Pelops unter Mitwirkung von Klotho) und N. 7. 1–4 (᾿Ελείϑυια, πάρεδρε Μοιρᾶν βαϑυφρόνων; vgl. Kuiper 1898 II 23). Reinsch-Werner 1976, 255 f. meint, dass Artemis durch ihr Moiren-bestimmtes Schicksal vermenschlicht erscheine, da nach Hes. theog. 904–906 und 217–219 nur Menschen der Macht der Moiren unterstünden. Dies trifft nicht zu, da laut theog. 220 sowohl Menschen als auch Götter (polarer Ausdruck für die Ganzheit) von den Moiren geahndet werden. Dass Götter einer höheren Macht untergeordnet sind, gehört durchaus zu Homers Weltbild, dem Kallimachos hier verhaftet bleibt. Nur fasst der hellenistische Dichter diese Anschauung etwas radikaler, da hier die Moiren Artemis einen Beruf in die Wiege legen, der nicht nur eine Lebenssituation oder Entscheidung, sondern ihr ganzes „Leben“ bestimmt. Auch Ambühls Ansicht (2005, 249), die Moiren stünden hier als Chiffre für die literarische Tradition, scheint mir etwas überzogen. 23 γεινομένην τὸ πρῶτον    Zum Ausdruck vgl. Hes. theog. 202 (γεινομένῃ τὰ πρῶτα auf Aphrodite bezogen) und Kall. h. 5. 104 f.: ... ἐπεὶ Μοιρᾶν ὧδ’ ἐπένησε λίνα, / ἁνίκα τὸ πρᾶτόν νιν ἐγείναο. Vgl. auch Hom. Ζ

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III. Kommentar

345, Υ 127 f., Ω 209 f.; δ 208 (~ ἐπικλώσῃ), η 198. Zum Adverb τὸ πρῶτον (h. 3. 113, 4. 22, 30 und 149) kommentiert Bulloch 1985a, 216 f. ad h. 5. 105 (ἁνίκα τὸ πρᾶτον), dass es eine intensivierende Wirkung habe (ʽright at the time whenʼ), und vergleicht Hom. Ζ 345, δ 13 und τ 355 (216 Anm. 6: Nachahmungen bei Apollonios Rhodios). Siehe auch Svensson 1937, 56: Homerisch ist ... der Gebrauch des Artikels in einer Anzahl adverbialer Verbindungen. Zur Hesiod-Allusion (theog. 202) vgl. Reinsch-Werner 1976, 256 f.: Die hesiodische Charakterisierung der Liebesgöttin ruft Kallimachos als pikante Kontrastfolie zu der jungfräulichen Jagdgöttin vor Augen (...). Weniger ansprechend ist ihre Ansicht (257), diese Anspielung bereite die angebliche Aphrodite-Allusion in V. 122 vor. Hier wird zwar auf den Aphrodite-Hymnos (Hom. h. Ven. 20) angespielt, doch es geht darin um Artemis. Ebensowenig kann ich die Verknüpfung von Theokr. 17. 74 f. (αἰδοῖοι βασιλῆες, ὃ δ’ ἔξοχος ὅν κε φιλήσῃ / γεινόμενον τὰ πρῶτα· πολὺς δέ οἱ ὄλβος ὀπαδεῖ ...) mit Hes. theog. 202 anerkennen (Reinsch-Werner 1976, 258), da dem Idyllendichter offenkundig eher Hes. theog. 80–83 (ἡ γὰρ καὶ βασιλεῦσιν ἅμʼ αἰδοίοισιν ὀπηδεῖ. / ὅντινα τιμήσουσι Διὸς κοῦραι μεγάλοιο / γεινόμενόν τε ἴδωσι διοτρεφέων βασιλήων …) und 96 f. (ἐκ δὲ Διὸς βασιλῆες· ὁ δ’ ὄλβιος, ὅντινα Μοῦσαι / φίλωνται) vorschweben. Ob Kallimachos auch Theokr. 17. 75 (γεινόμενον τὰ πρῶτα) in die Feder geflossen ist (so Reinsch-Werner 1976, 259), muss dahingestellt bleiben. 24 f. ὅττι με καὶ τίκτουσα καὶ οὐκ ἤλγησε φέρουσα / μήτηρ   Dieser Satz, der die Rolle der Artemis als Eileithyia begründet, ist besonders kunstvoll-raffiniert gestaltet: Die beiden Partizipien (τίκτουσα ... φέρουσα) stehen zueinander in einem hysteron-proteron-Verhältnis, das Prädikat οὐκ ἤλγησε bezieht sich auf beide, wird aber formal φέρουσα zugeordnet (zur verschränkten Wortabfolge vgl. ad V. 8 f.), das Subjekt μήτηρ wird in Enjambement und Hyperbaton bis zum Anfang des Folgeverses aufgespart. Zur Ellipse φέρω (sc. ἐν γαστρί) vgl. Kall. fr. 529 (auch hier φέρουσα / μήτηρ). Das hysteron-proteron versucht Bornmann 1968, 17 ad loc. zu relativieren, indem er φέρουσα integral, d.h. auch das Moment von τίκτουσα mit einbegreifend auffasst. Die Gegenüberstellung von τίκτουσα ... φέρουσα ist allerdings nicht zu überhören und die Reihenfolge markiert genug. Er weist allerdings zu Recht auf den inneren Reim hin (vgl. Bühler 1960, 53 und V. 161) sowie auf den homerischen Charakter des Versschlusses (φέρουσα steht bei Homer regelmäßig am Versende). Ambühl 2005, 250 verweist darauf, dass Artemis gleichsam die Rolle des Narrators übernimmt, indem sie über ihre Geburtsumstände berichtet, wodurch auch dem üblichen Hymnenrequisit, den γοναί des Gottes, durch eine miniaturenhafte Darstellung Rechnung getragen wird.



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25 ἀλλ᾽ ἀμογητὶ φίλων ἀπεϑήκατο γυίων    Eine parallele Ausdrucksweise ist Kall. h. 1. 15: μήτηρ μεγάλων ἀπεϑήκατο κόλπων (Rheia). Die gemischte Aoristform ἀπεϑήκατο hat auch Pind. O. 8. 68. Kuiper 1896 I 11 hebt hervor, dass γυῖα sich bei Homer auf die Extremitäten beziehen. Die Bedeutungsverschiebung bekunden erst Hom. h. Merc. 20 (Niederkunft) und Ω 514 (versus spurius). Vgl. auch Pind. N. 7. 73, O. 8. 67 und ad V. 159 f. Dass Attribut φίλος neben γυῖα ist homerisch (Ν 85, ϑ 233 und σ 242), nicht aber die Form (bei Homer stets φίλα γυῖα). Ebenso das Adverb ἀμογητί, dass ein Hapax bei Homer (Λ 637) darstellt. Cusset 1999, 76 weist auf den Gegensatz zwischen Nestors Greisenalter [Λ 648] und der ewigen Jugend der Artemis hin. Gigante 1971, 383 hält Catullus 34. 8: deposivit für einen Reflex des kallimacheischen Ausdrucks ἀπεϑήκατο. 26 f. ὣς ἡ παῖς εἰποῦσα γενειάδος ἤϑελε πατρός / ἅψασϑαι   Herter 1929, 68–71 zieht hellenistiche Darstellungen von Kindern in der bildenden Kunst heran, die nach einem Wunschgegenstand greifen. Aber die Inspiration des Kallimachos liegt eher im Bereich der Literatur, wie es auch Herter 1929, 72 erkennt, wenn er auf die entsprechende Szene bei Homer verweist, in der Thetis Zeus zu Füßen sitzt, seine Knie mit der linken Hand umfasst, sein Kinn mit der Rechten berührt (Α 500–503). Vgl. auch Sier 2002, 79 Anm. 53. Artemis gebärdet sich viel ungestümer, da sie sich gleich in ihres Vaters Schoß setzt und nach dessen Bart hascht, weil ihr sein Kinn als zu fern vorkommt (nichtsdestoweniger erweist sich auch der Bart als ein für Artemis unerreichbares Ziel). Bei Homer erbebt der ganze Olymp vom Kopfnicken des konsternierten Zeus (Α 518, 528–530), hier lässt es der wohlgelaunte Göttervater bei einem Lächeln und Streicheln bewenden. Weitere Parallelstellen zum Bittgestus durch Berühren des Kinns sind Eur. Iph. T. 362 f. (Iphigeneia und Agamemnon), 1270 f. (Apollon und Zeus), Iph. A. 1220–1230 (idyllische Schilderung des früheren Glücks von Vater und Tochter; vgl. Ambühl 2005, 267), Kall. h. 4. 110 f. (Nymphen und Peneios). McKay 1963, 248 geht zu weit in der Steigerung des Witzes der kallimacheischen Szene: Artemis wolle den Bart ihres Vaters deshalb so beflissen zupfen, weil sie ihn zum Nicken bringen möchte, Zeus gehe auf das Spiel ein, komme ihr voraus und nicke frohgemut Gewährung. Indessen lässt Kallimachos die kleine Artemis sich nicht zu der Frechheit versteigen, den Bart des Vaters zupfen zu wollen (ἅψασϑαι heißt ‚berühren‘), mit der sie den Brustzotteln des Kyklopen Brontes zusetzt (V. 76 f.). Radke 2007, 231 spricht allerdings zu Recht von einer Neutralisierung traditioneller epischer Machtverhältnisse. McLennan 1974, 48 weist auf die Variation der homerischen Formel ὥς εἰπ- (Part.), bei der das Pronomen ὥς nur einmal (Β 70: ὣς ὁ μὲν εἰπών) vom Partizip getrennt erscheint. Kallimachos erhebt also auch diesmal gemäß

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III. Kommentar

seiner Gewohnheit die homerische Seltenheit zur Norm: V. 39 wird die homerische Wendung ὣς ὁ μὲν εἰπών reproduziert, hier handelt es sich um eine Variation (vgl. auch h. 6. 65: ἁ μὲν τόσσ᾽ εἰποῖσα ...). Batr. 122 (ταῦτ᾽ εἰπών) ist eine andere abgewandelte Erscheinung der Formel. Svensson 1937, 131 f. hört im Gebrauch des bestimmten Artikels einen zärtlichen Ton und vergleicht Kall. h. 4. 253 (Apollon ὁ παῖς), Theokr. 13. 14, 46, 59 (der Eromenos Hylas), 24. 135 (der junge Herakles). Aber h. 6. 56 (ὁ παῖς Erysichthon) tanzt aus der Reihe, da in diesem Kontext Tadel und Missbilligung mitschwingen. Daher ist es besser, dem Gebrauch des bestimmten Artikels keinen emotiven Charakter unterschieben zu wollen, sondern es bei einer starken Emphase bewenden zu lassen, die ausdrückt, dass die besagte Person im Zentrum des Interesses (des Erzählers, einer Handlungsperson oder beider) steht. Svensson 1937, 53 f. zieht auch Hom. Ζ 466 (ὣς εἰπὼν οὗ παιδὸς ὀρέξατο φαίδιμος ῞Εκτωρ) heran, das sich sowohl aus formalen Gründen (ὣς ἡ παῖς εἰποῦσα ~ ὣς εἰπών; ἡ παῖς ~ V. 467: ὁ πάϊς) als auch aus inhaltlichen (liebevolles Verhältnis zwischen Vater und Kind) als Vorbild erweist. Während aber die junge Artemis freimütig nach dem Bart ihres Vaters greift, schmiegt sich Astyanax bei Homer an den Busen der Amme (V. 467–470). V. 28: πατὴρ δ᾽ ἐπένευσε γελάσσας entspricht Ζ 471: ἐκ δ’ ἐγέλασσε πατήρ τε φίλος καὶ πότνια μήτηρ, V. 29: φῆ δὲ καταρρέζων (Subjekt Zeus, Objekt Artemis) variiert Ζ 485: χειρί τέ μιν κατέρεξεν ἔπος τʼ ἔφατʼ ἔκ τʼ ὀνόμαζε (Subjekt Hektor, Objekt Andromache). Die letztere Ilias-Szene hat Kallimachos auch zu seiner Herakles–Hyllos-Episode der Aitia herangezogen (fr. 24). Vgl. Harder 2012 II 241 ad loc. Kuiper 1896 I 55 zufolge verwendet Homer nur γένειον (‚Kinn‘), aber zu π 176 ist die varia lectio γενειάδες (‚Kinnbart‘) für ἐϑειράδες der Vulgata bezeugt. Kallimachos nimmt sich also dieser Form prekären Standes im homerischen Korpus an (so im Gefolge des Kallimachos auch Apoll. Rhod. 1. 474 und Q. Smyrn. 4. 548). Zum Gestus vgl. auch Κ 454 f.: γενείου ... / ἁψάμενος und τ 473: ἁψαμένη δὲ γενείου (Eurykleia fasst den Kinnbart des Odysseus) sowie LIMC II 2 s. v. Artemis 1262 (3. Jh. n. Chr.) mit Kahils Erklärung (1984, 719). 27 πολλὰς δὲ μάτην ἐτανύσσατο χεῖρας   Die Quelle des Humors rührt nicht zuletzt daher, dass physische Gegebenheiten wie Körpergröße genau genommen werden. Insofern trifft es zu, dass Kallimachos ein realistisches Bild von Artemis entwirft. Da aber Artemis auch Eigenschaften innewohnen, die einem Kleinkind nicht eignen (V. 76 f. rupft sie dem Kyklopen die Brusthaare aus), wird der Realismus auf Schritt und Tritt transzendiert. Eine dreijährige Artemis, die zugleich eine Göttin ist, kann nicht anders als surrealistisch anmuten. Vgl. Ambühl 2005, 256 f. (die relative Größe der Artemis).



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Zu πολλὰς ... χεῖρας (‚viele Hände‘ statt ‚vielmals die Hände‘) vgl. Hom. β 151 (πτέρα πολλά, die Kallimachos zu Ehren bringt, ist eine varia lectio für πτέρα πυκνά, was Aratos [V. 969] liest; vgl. De Ian 1893, 95 und Kuiper 1896 I 56) und h. Cer. 308: πολλὰ δὲ καμπύλ’ ἄροτρα μάτην βόες ἕλκον ἀρούραις, wo auch das homerische Hapax μάτην an derselben sedes bezeugt ist. Vgl. auch Heliod. 6. 4. 1 (πολλοῖς ... τοῖς ὀφαλμοῖς) und Aulin 1856, 25. Zu ἐτανύσσατο χεῖρας (der Gestus auch h. 4. 108) vergleicht Bornmann 1968, 19 Hom. h. Merc. 51 (ἐτανύσσατο χορδάς am Versende). Das rare Medium bei Homer (Δ 112 mit τόξον) hat größere Verbreitung bei den hellenistischen Dichtern ([Theokr.] 21. 48, Apoll. Rhod. 1. 344). 28 (a) μέχρις ἵνα ψαύσειε    Die Verbindung zweier Konjunktionen μέχρις ἵνα (gemeinsprachliches Element?) hat einige Bestürzung und mehrere Konjekturen verursacht (Meineke 1861, 158 zitiert Valckenaers λέχρις, was semantisch nicht stimmt, und konjiziert selber einen Indikativ ψαύεσκε, weil er glaubt, beim Berühren handle es sich um ein Ereignis, das stattfindet). Das Adverb μάτην im vorigen Vers zeigt indessen eindeutig, dass es Artemis nicht gelingt, den Bart ihres Vaters zu berühren. So ist der Optativ des Prädikats ψαύσειε angebracht. Da ἵνα neben μέχρις keine finale, sondern nur eine temporale Funktion (so auch V. 12) haben kann (bis [μέχρις] zum Zeitpunkt [ἵνα]), wird der Optativ den vereitelten Versuch ausdrücken. Anders Bornmann 1968, 19 ad loc. (finales ἵνα mit redundantem μέχρις). Kallimachos scheint ἄχρι nur h. 6. 129 gebraucht zu haben. Μέχρις (Konjunktion) findet sich fr. 388. 9 (μέχρις̣ κ̣ε μέ̣ν̣ῃ) und hier. Daneben taucht häufiger die Form μέσφα auf, entweder allein, wie h. 6. 92, 128, oder mit ὅτε (h. 3. 195) oder ὅκα (h. 6. 111) verbunden. Vgl. Kallenberg 1925, 96. 28 (b) πατὴρ δ᾽ ἐπένευσε γελάσσας   Am locus classicus des Gewährungnickens des Zeus (Hom. Α 528–530 = h. 1. [fr. h. Bacch.] 13–15) kommt das Simplex νεῦσε (V. 528) vor (vgl. auch Sapph. fr. 44A 8 Voigt: ἔνευ] σε ϑέων μακάρων πάτηρ), einige Verse früher aber die Formen κατάνευσον (V. 514), κατανεύσομαι (V. 524) und κατανεύσω (V. 527), wozu die Scholien (ad Hom. Α 524c [I 142 Erbse] = Test. Philet. 10 Spanoudakis) über eine Meinungsverschiedenheit zwischen Philetas, der V. 524 wohl die Lesart ἐπινεύσομαι verfocht, und Aristarch, der den Vulgatatext κατανεύσομαι guthieß, berichten (Philetas’ Stellungnahme ist nur indirekt aus der Aussage des Scholiasten zu erschließen, dass Aristarch seine Lesart gegen den großen Vorgänger vorbrachte). Philetas’ Textfassung ἐπινεύσομαι dürfte Kallimachos bekannt gewesen sein. Die Form ἐπένευσε könnte in diesem Fall als eine gelehrte Allusion auf diese Streitfrage zu lesen sein (wohl hatte auch Aristarch frühere Gewährsleute, die κατανεύσομαι vertraten), aber auch von Hom. Ο 75 (Zeus), h. Cer. 169 (Demeter) und 466 (Zeus): ἐπένευσε/-σα καρή(α)τι (meist tautometrisch) mit beeinflusst worden sein. Auf dasselbe

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III. Kommentar

ζήτημα mag Kallimachos auch durch h. 5. 131 (κατένευσε ... ἐπινεύσῃ) hingewiesen haben, wo es um das Kopfnicken der Athene geht, auf die Zeus als auf eine rechtmäßige Erbin seine Macht überträgt (V. 131–133) – wie hier auf Artemis. Zur Verbindung der beiden Hymnenstellen vgl. Köhnken 2004, 167. Vgl. auch ad V. 39 f. Zum sanft-verständnisinnigen Lächeln des Zeus (γελάσσας), mit dem er meistens das Anliegen des ihm gewogenen Gegenübers (Sohn oder Tochter) quittiert, vgl. Hom. Φ 508 f. (εἷλε πατὴρ Κρονίδης, καὶ ἀνείρετο ἡδὺ γελάσσας· / τίς νύ σε τοιάδ’ ἔρεξε φίλον τέκος Οὐρανιώνων), h. Merc. 389 (ἐξεγέλασσεν angesichts der durchtriebenen Verstellungsskunst des kleinen Hermes) und Eur. Iph. T. 1274 (γέλασε über Apollons Eifer). Φ 508 f. tröstet Zeus die von Hera angefahrene und übel zugerichtete Artemis: γελάσσας bei Kallimachos an derselben Stelle zur Einleitung der Antwort des Zeus; καταρρέζων (V. 29) an derselben Stelle wie ἔρεξε (Stellungnahme bezüglich der Etymologie des undurchsichtigen Verbs καταρρέζω?); ϑέαιναι (V. 29) entspricht Οὐρανιώνων, τίκτοιεν (V. 30) soll vielleicht τέκος in Erinnerung rufen. τέκος erscheint auch bei Kallimachos V. 31. Vgl. Ambühl 2005, 261 Anm. 160. 29 φῆ δὲ καταρρέζων   Die Einleitung der Rede des Zeus ist unhomerisch (vgl. auch h. 6. 45: φᾶ δὲ παραψύχοισα). φῆ beschließt bei Homer eine direkte Rede (Φ 361; h. Cer. 145, Merc. 212) oder – in der Mehrzahl der Fälle – beginnt eine indirekte. Vgl. McLennan 1974, 48. Während bei Homer der Beginn der oratio recta meistens mit dem Versanfang zusammenfällt, „verstößt“ Kallimachos öfter gegen diese Norm (vgl. auch h. 2. 104, 4. 150, 162, 212, 6. 41, 53, 77, 84–86). In unserem Fall endet die Rede, die V. 29 mitten im Vers beginnt, V. 39 auch in der Versmitte. Vgl. McLennan 1974, 51 und auch Wilamowitz 1924 II 53 Anm. 2. Ein Vorbild könnte Theokr. 17. 65 sein: φᾶ δὲ καϑαπτομένα βρέφεος χείρεσσι φίλῃσιν (Kos’ Anrede an Ptolemaios Philadelphos), wo auch das Motiv des Streichelns auftaucht, aber die direkte Rede in homerischer Manier zwischen Versanfang und -ende (V. 66–70) eingeschnürt erscheint. Siehe auch Theokr. 24. 6: ἁπτομένα δὲ γυνὰ κεφαλᾶς μυϑήσατο παίδων (Alkmene streichelt ihre Kinder und stimmt ein βαυκάλημα an). Homer verwendet als Ausdruck des Streichelns nur κατέρεξ- (z.B. Α 361 [Thetis und Achilleus; vgl. Ambühl 2005, 287], Ε 372 [Dione und Aphrodite], Ζ 485 [Hektor und Andromache]) und καρρέζουσα (Ε 424 [Aphrodite und Achaierinnen]). Vgl. Herter 1929, 72 Anm. 4. 29 f. ὅτε μοι τοιαῦτα ϑέαιναι / τίκτοιεν   Die Rede des Zeus ist aufgrund ihres der Zukunft zugewandten Charakters mit Apollons Prophezeiung über Ptolemaios II. (h. 4. 162–195) verwandt (vgl. Stephens 2015a, 126).



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Das Wort ϑέαιναι ist bei Kallimachos ein Hapax. Schmitt 1970, 28 Anm. 15 erklärt es nach dem homerischen Muster als Versschlusserweiterung, wo die Form auch jeweils am Versende steht (Θ 5, 20, Τ 101; ϑ 341: πάντες ... ϑεοὶ πᾶσαί τε ϑέαιναι). Wenn ὅτε für gleichwertig mit εἰ erachtet wird, dann ist der Optativ (casus potentialis) unbedenklich. Vgl. Cahen 1929, 457. 30 f. τυτϑόν κεν ἐγὼ ζηλήμονος Ἥρης / χωομένης ἀλέγοιμι  Die Sorge des Zeus um Heras Reaktionen (eifersüchtig veranlagt [ζηλήμονος attributiv], daher öfter erbost [χωομένης prädikativ]) erinnert an die Situation, die im Gefolge des Bittgangs der Thetis entsteht (Hom. Α 518–521, 536–543). Selbstverständlich ist dort der Beweggrund ihrer Bangigkeit nicht die Eifersucht, sondern ihre Griechenfreundlichkeit, der Zeus mit seinen Plänen ins Gehege kommt. Vgl. Herter 1929 73 und Ambühl 2005, 265. Die Sorge um die Nebenbuhlerinnen ist ein Motiv, das in Hom. Ξ 315–328 (Leto wird V. 327 erwähnt) besonders scharf herausgestellt wird. Vgl. Ambühl 2005, 262. Vergleicht man Heras Scheltrede, in der sie mit groben Worten über Artemis lästert (Φ 481­–488), wird man sich der durchaus verschiedenen Perspektive des Grolls der Göttermutter im Hymnos bewusst. Aus der schrecklicherhaben zürnenden Hera wird hier nämlich eine niederträchtige Stiefmutter, die auf Artemis wegen ihrer Vortrefflichkeit eifersüchtig ist. Dass hier ein Bezug auf die usurpierte Rolle der Eileithyia, Heras Tochter, vorliege (V. 20–25) – so Petrovic 2007, 225 f. –, trifft aber nicht zu, da τοιαῦτα (V. 29) allgemeine Vorzüglichkeit ausdrückt. Vgl. Ambühl 2005, 262. Statt des besorgt-grämlichen Zeus der Ilias tritt uns ein nonchalant-unbekümmerter Vater und Gatte entgegen, den Bornmann 1968, 20 ad loc. zu Recht mit einer Figur der neuen Komödie vergleicht. Die Wendung χωομένης ἀλέγοιμι hat ihre formelle Parallele (mit tautometrischem Partizip) in Hom. Θ 477: σέϑεν δ᾽ ἐγὼ οὐκ ἀλεγίζω / χωομένης (Zeus’ spöttisch-verächtliche Haltung Hera gegenüber). 30 ζηλήμονος   Für ζηλήμονος liefert Hom. ε 118, wo für ζηλήμονες die varia lectio δηλήμονες erscheint, den nötigen Hintergrund: Kallimachos scheint δηλήμονες zu verwerfen und für das ζηλήμονες der Vulgata sich ins Zeug zu werfen. Vgl. Scheer 1866, 7, de Ian 1893, 95, Herter 1929, 73 und Schmitt 1970, 104 Anm. 4. Cusset 1999, 101 und Stephens 2015a, 126 wollen auch eine inhaltliche Parallele mit Hom. ε 118–120 entdecken, da hier Kalypso sich über die Eifersucht der Götter und Göttinnen auslässt (V. 121–124 wird eine Variante der Orion-Geschichte angeführt, in der Artemis als Strafende erscheint), wenn eine Göttin einen Sterblichen sich zum Liebhaber erwählt. Im Hymnos richtet sich die Eifersucht gegen Zeus selbst, der sich aber um solche Ressentiments kein Jota kümmert. Zum Nachleben der Klausel ζηλήμονος Ἥρης vgl. Bühler 1960, 123 und Bornmann 1968, 20 ad loc.

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III. Kommentar

31 f. (a) φέρευ, τέκος — δώσει   Zum Imperativ auf -ευ vgl. Kall. h. 5. 97 (βαλεῦ), 6. 53 (χάζευ) mit den homerischen Imperativen Γ 162 (ἵζευ), Δ 264 (ὄρσευ), Ε 897 (γένευ), Ξ 235 (πείϑευ), Ο 556 (ἕπευ) usw. Vgl. Rengakos 1993, 125 (gegen Bullochs Ansicht, der die Formen für Dorismen hält). Das Wort τέκος kommt an derselben Stelle wie Hom. ζ 68 vor. Die Bereitwilligkeit des Vaters, seinem kleinen Verzug alles, was dieser wünscht, allzu gerne zu versprechen, ist eine gute psychologische Pointe, auf die auch Hom. ζ 68 (Alkinoos und ihr Hätschelkind) hinausläuft. Der Vater geht auf die Selbstapostrophierung der Artemis in dritter Person Singular ein und nennt sich „Papa“ (πατὴρ ... δώσει), wie sie sich „Artemis“ kindlicherweise nannte, als sie ihre scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber Städten äußerte (V. 19), auf die hier Zeus reagieren wird (V. 33). Vgl. Herter 1929, 66 und 76, Ambühl 2005, 266 Anm. 181 und ad V. 6 (a). PGen 209 (= Carlini 1973, 155) bietet δ]ώσω, was an Theokr. 27. 60 (μείζονα δώσω) erinnert. Dies mag aber – pace Bornmann 1968, 21 ad loc. – eher ein Zufall als eine Allusion sein. Die Lesart kann aber nicht stimmen, da so das Umspringen des Vaters auf die dritte Person Singular der Tochter verloren ginge. 31 f. (b) ὅσσ᾽ ἐϑελημός / αἰτίζεις   Reinsch-Werner 1976, 117–120 bietet die beste Analyse der durch ἐϑελημός hervorgerufenen hesiodeischen Allusion auf Hes. erg. 117–119: ... καρπὸν δ’ ἔφερε ζείδωρος ἄρουρα / αὐτομάτη πολλόν τε καὶ ἄφϑονον· οἳ δʼ ἐϑελημοί / ἥσυχοι ἔργʼ ἐνέμοντο σὺν ἐσϑλοῖσιν πολέεσσιν (über das goldene Geschlecht). ἐϑελημοί steht ebenfalls am Ende des Verses. Etym. m. 318. 43 und Hesychios 641 (II 21 Latte) s. v. ἐϑελημοί haben das Wort als ‚ruhig‘, ‚willig‘ (πρόϑυμοι) erklärt, was an unserer Stelle zu einer Tautologie führen würde (V. 119: ἥσυχοι). Kallimachos korrigiert diese falsche Schulmeinung, indem er ἐϑελημός in der Bedeutung ‚von selbst‘, ‚von sich aus‘, ‚aus eigenem Antrieb‘ verwendet (Bornmann 1968, 21 ad loc.: di sua iniziativa), und rückt damit auch die Interpretation der Hesiod-Stelle zurecht. Der Begriff αὐτομάτη am Versanfang (auf die Scholle bezogen) wird durch ἐϑελημοί am Versende (auf die Menschen bezogen) weitergeführt: dem spontanen Wachstum entspricht die freiwillige Arbeit. Apollonios Rhodios geht der verbreiteten Erklärung der vox difficillima auf den Leim, indem er sie im Gegensatz zur ὕβρις zur Charakterisierung des idyllisch-friedfertigen Lebens eines Hirten benutzt (2. 655–657: οὐδέ οἱ ὕβρις ἥνδανεν, / ἀλλʼ ἐϑελημὸς ἐφʼ ὕδασι πατρὸς ἑοῖο / μητέρι συνναίεσκεν, ἐπάκτια πώεα φέρβων). An einer anderen Stelle (2. 557 f.) bedeutet jedoch das verwandte ϑελήμων auf das Rudern bezogen ‚eifrig‘, ‚beflissen‘. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 119. Das Wort ἐϑελημός ist kein objektiver Kommentar des Erzählers, sondern aus der Perspektive des Zeus formuliert. Mit ihm deutet derselbe an, dass er sich auf das Spiel, das ihm Artemis vorspielt, einlässt, da er die Un-



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terscheidung zwischen gewollten und ungewollten Gaben gelten lässt. Die Bescheidenheit der kleinen Göttin scheint aber eine vorgetäuschte zu sein (vgl. Kapitel I 2, 18 f.). So wird der Begriff ἐϑελημός objektiv gesehen nicht bedeuten, dass die Zugaben, die ihr Zeus zusichert, dem Willen der Artemis nicht entsprechen. Zugleich fungiert Zeus als ein Werkzeug des Dichters, mit dessen Hilfe der Aufgabenkreis der Artemis vervollständigt wird (Ambühl 2005, 251 f. und Henrichs 1993, 134). Caspers 2005, 264 f. versucht, mit Hes. erg. 109–120 eine inhaltliche Parallele zu ziehen (die Erinnerung an das goldene Zeitalter lasse die Wünsche der Artemis weltfremd erscheinen, wohingegen Zeus sie mahnt, eine Funktion in der Gegenwart auszuüben), aber diese Interpretation wirkt etwas forciert. Mit αἰτίζεις folgt Kallimachos dem singulären Gebrauch des Wortes bei Homer in der Bedeutung ‚bitten‘ (δ 651, wo αἰτίζῃ ebenfalls am Versanfang steht). So auch Hec. fr. 18. 6 Hollis. Die reguläre homerische Bedeutung ‚betteln‘ wird h. 6. 115 (mit Anspielung auf ρ 222: αἰτίζων ἀκόλους) aufgegriffen. Vgl. Kuiper 1896 I 57, Herter 1929, 53 f., Bulloch 1977, 108 und Rengakos 1992, 39 Anm. 76. 33 (a) τρὶς δέκα τοι πτολίεϑρα   Herter 1929, 77 und Caspers 2005, 264 vergleichen mit Zeus’ Freigebigkeit Agamemnons Zusicherung von sieben Städten (πτολίεϑρα) zur Besänftigung Achills in Hom. Ι 149–156, 291–298 (die anvisierten Rezipienten reagieren anders: Artemis akzeptiert es, ohne darauf zu antworten, Achilleus antwortet und schlägt es aus). Die von Zeus der Artemis zugedachten dreißig Städte (V. 33 f.: anaphorisch nachdrücklich gemacht – dass der Hinweis im dreiunddreißigsten Vers des dritten Hymnos vorkommt, ist wohl nur ein Zufall) könnten eine Allusion auf das Motiv der Dreiheit in der hyperbolischen Zahl (33.333) der von Ptolemaios regierten Städte bei Theokrit (17. 82–84: τρεῖς – τρεῖς – τρισσαῖς – τριάδες – τρεῖς) darstellen. Vgl. Couat 1882, 248 Anm. 1 und Schlegelmilch 2009, 218. Petrovic 2007, 198–202 meint, die Zahl sei nicht zu hoch, wenn man auch die orientalischen Hypostasen und Kultstätten der Göttin berücksichtigt. Sie scheint mir aber eher als symbolischer Ausdruck der Menge gewählt worden zu sein (das unbestimmte οὐχ ἕνα leistet dieser Auffassung Vorschub), die auch von einem Einschuss politischer Ideologie nicht frei ist. So ist ein Spiel mit πτολ- und Πτολεμαῖος, wenn auch nicht besonders auffällig, doch gut vorstellbar (so Petrovic bei Stephens 2015a, 127). 33 (b) καὶ οὐχ ἕνα πύργον ὀπάσσω    Zum umgangssprachlich anmutenden Ausdruck οὐχ ἕνα (‚viele‘) zu vergleichen sind Hom. h. Merc. 284, Aischyl. Hept. 103, Kall. h. 1. 89 (Asper 1997, 217 Anm. 49 zählt auch Ait. fr. 1. 3: οὐχ ἓν ἄεισμα hierher, aber die genaue Konnotation der Wendung [‚nicht ein einziges‘ oder ‚nicht einheitliches‘] ist umstritten). Die Wendung πύργον ὀπάσσω erinnert an Pind. O. 9. 66 (πόλιν δʼ ὤπασεν λαόν τε διαιτᾶν [Lokros

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III. Kommentar

dem Opus]), wobei Kallimachos πόλιν und (λαόν τε) διαιτᾶν für Objekte von ὤπασεν gehalten und durch die Variation Nomen–Infinitiv πύργον– διαμετρήσασϑαι (V. 36) nachgebildet haben könnte. Bei Homer bedeutet πύργος – auch wenn er metaphorisch verwendet wird – eine ‚Bastei‘, hier bezieht sich das Wort auf eine ‚Burg‘, d.h. eine durch eine Wehranlage befestigte, dem Schutz dienende Siedlung. Kuiper 1896 I 57 vergleicht Plut. de exil. 5 (= mor. 600F) = fr. adesp. 392 (TrGF II 118 Kannicht–Snell). Ob hinter πύργος eine erst im Hellenismus (speziell im Einzugsgebiet Kyrenes?) aufkommende Siedlungsform steht und damit auf eine zeitgenössisch-lebensweltliche Einzelheit Bezug genommen wird, wie es Meillier 1979, 109 vermutet, muss dahingestellt bleiben. Feststeht die hierarchische Unterordnung der πύργοι unter πτολίεϑρα. 34 f. τὰ μὴ ϑεὸν ἄλλον ἀέξειν / εἴσεται — καλέεσϑαι   Die Anapher τρὶς δέκα τοι πτολίεϑρα am Anfang von V. 34 drückt eindringliche Zusicherung aus. Zu ἀέξειν als Ausdruck der kultischen Verehrung und Verherrlichung einer Gottheit vgl. Soph. Oid. T. 1092, Eur. Bacch. 183, 209, Plaut. Merc. 676 (aram augeam). Nagy 1990b, 155–160 vermutet auch einen Zusammenhang zwischen lat. adolere (sc. aras, altaria) und dem Stamm *al- (vgl. alere) ‚wachsen, groß werden lassen‘, aber der Ablaut a/o ist bedenklich. Angesichts der tragischen Parallelen tun Aulin 1856, 40 f. und Kuiper 1896 I 57 wohl Recht daran, in diesem Idiom einen Attizismus zu vermuten. Ambühl 2005, 278 Anm. 235 vergleicht zu μὴ ϑεὸν ἄλλον ἀέξειν h. 2. 95 f.: οὐδὲ μὲν αὐτοί / Βαττιάδαι Φοίβοιο πλέον ϑεὸν ἄλλον ἔτισαν, eine Allusion, die die Geschwisterrivalität zwischen den beiden Leto-Kindern bekräftigt (vgl. auch ad V. 36). Zu εἰδέναι = ἐπίστασϑαι vgl. Hom. Η 238, ω 506, Eur. Med. 664 mit Kuiper 1896 I 57. Der leichte Humor des Ausdrucks besteht darin, dass vorausgesetzt wird, es gebe keine Stadt, die fähig wäre, Artemis nicht zu preisen. Kallimachos spielt mit dem Motiv der enkomiastischen Ausschließlichkeit (vgl. z.B. Pind. P. 9. 87 f. [notwendiger Preis des Herakles]). Im Folgenden werden zwei Spielarten des Artemis-Kultes vorgeführt, die sich in der Ausschließlichkeit der Verehrung der Göttin in absteigender Reihenfolge voneinander unterscheiden: Städte, die nur Artemis verherrlichen und ihr zugehören (V. 34 f.), andere, die ihren und ihres Bruders Gemeinbesitz darstellen (V. 36 f.), schließlich solche (V. 37 f.), in denen Artemis einzelne Altäre und Haine besitzen wird. Es wird also keine Stadt geben, die nicht in eine dieser Kategorien fiele, d.h. in der der Artemis-Kult auf irgendeine Art und Weise nicht vertreten wäre. Nach Brackertz 1976, 5 beruhen diese drei Typen kultischer Verehrung auf realer Praxis. Die bis ins Letzte rhetorisch durchgestaltete Formulierung lässt aber eher eine literarische Fik-



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tion vermuten. Treu dem epischen Gebrauch (Hom. η 313, h. Ven. 126, Hes. erg. 715) wird καλέεσϑαι an das Versende gesetzt. 36 πόλλας δὲ ξυνῇ πόλιας διαμετρήσασϑαι  Die Wendung πόλιας διαμετρήσασϑαι ist ein Selbstzitat des Dichters aus seinem Apollon-Hymnos (h. 2. 55: πόλιας διεμετρήσαντο), wo es um Stadtgründungen (‚durchmessen‘) unter der Obhut des Gottes geht. In beiden Fällen vermittelt das spondeische Ende eine gewisse langatmige Feierlichkeit. Vgl. Stephens 2015a, 127 (oracular solemnity). Zu den versus spondaici vgl. Kapitel I 6, 92 f. Ukleja 2005, 63 und Anm. 288 weist auch auf die Tatsache hin, dass die homerische Rarität πόλιας (vgl. auch ϑ 560 und 574) in Kallimachos nur hier vorkommt (Ait. fr. 75. 70: πόληας, 186. 13: πτόλιας). Im ApollonHymnos folgt darauf die Erwähnung des Hörneraltars (V. 58 f.), hier die der βωμοί (V. 38). Damit tritt Artemis durch ihre neuerworbenen städtischen Aufgaben (vor allem als Gründerin) zu Apollon in Konkurrenz. Das Adverb ξυνῇ (sc. Ἀπόλλωνι – eine mithilfe der Allusion zu vervollständigende Ellipse) deutet indes an, dass Artemis ihren Bruder nicht seines Amtes entheben wird. Vgl. Σ ad loc. (Pfeiffer 1953 II 59) und Ukleja 2005, 63. Die Adverbien μόνην (V. 35) und ξυνῇ sind auch dadurch hervorgehoben und einander gegenübergestellt, dass sie beide vor der Mittelzäsur platziert sind (Bornmann 1968, 22 ad loc.). Zu diesem spektakulären Fall der Geschwisterrivalität vgl. Ambühl 2005, 278, Petrovic 2007, 213 und Kapitel I 3, 38 f. Bornmann 1968, 22 f. ad loc. weist διαμετρήσασϑαι die Bedeutung zu (‚mit anderen Göttern teilen‘), die ihm erst durch ξυνῇ zukommt. 37 μεσσόγεως νήσους τε  Der Oberbegriff πόλιας erhält zwei Appositionen, ein Attribut (μεσσόγεως, sc. Städte auf dem Festland) und ein Nomen (νήσους, sc. Inseln / Hauptstädte von Inseln). μεσσόγεως ist eine attische Form (vgl. Risch 1945, 17, Schmitt 1970, 44 Anm. 2, Selden 1998, 380), die nach epischem Muster metrische Längung in der ersten Silbe erfahren hat. μεσόγεως ist bei Plat. leg. 909C bezeugt. Kallimachos dürfte also diese Stelle oder eine ähnliche schriftliche Quelle vorgeschwebt haben. So ist Cobet 1861, 420 im Unrecht, der Dichter habe selber die Form aus μεσόγειος / μεσόγαιος nach der Analogie von βαϑύγεως geschaffen. Die Dichotomie von μεσσόγεως νήσους τε erinnert an die Beschreibung des Reichs des Ptolemaios II. in h. 4. 168 (ἀμφοτέρη μεσόγεια καὶ αἳ πελάγεσσι κάϑηνται), darüber hinaus auch an Hom. h. Ap. 21 und 138 (Gegenüberstellung von ἤπειρος und νῆσος). Vgl. Stephens 2015a, 108. Ihre These, dass der Hinweis auf den städtischen Kult der Artemis mit der Umbenennung sämtlicher Städte auf den Namen der Arsinoe II. nach ihrer Heirat mit Lysimachos in Verbindung gebracht werden kann, erhält zusätzli-

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III. Kommentar

che Stütze, wenn Artemis im Gedicht Züge und Eigenschaften der ptolemäischen Königin trägt. Zur Erhärtung dieser Ansicht vgl. Kapitel I 5 passim. 38 Ἀρτέμιδος βωμοί τε καὶ ἄλσεα   Hier scheint eine Anspielung auf Hom. h. Ap. 142 f.: ἄλλοτε δ’ ἂν νήσους [νήσους] τε καὶ ἀνέρας [μεσσόγεως] ἠλάσκαζες. / πολλοί τοι νηοί [βωμοί] τε καὶ ἄλσεα [ἄλσεα] δενδρήεντα (Wanderungen Apollons [geographische Priamel] und bevorzugter Status der Insel Delos) vorzuliegen. Zur Verbindung von Altären und Hainen einer Göttin vgl. z.B. Sapph. fr. 2. 2–4 Voigt (Aphrodite) und Kall. h. 5. 63 f. (Athene). Nach der zweifachen Verwendung des Personalpronomens Sg/2 (V. 33 f.: τοι) und dem Anprall der zweiten Person des Pronomens und der dritten des Eigennamens (V. 35: σὲ καὶ Ἀρτέμιδος) legt sich Zeus auf die Apostrophe in der dritten Person (Ἀρτέμιδος) fest, was Sachlichkeit der aitiologischen Prophezeiung und zugleich spielerische Übernahme der kindlichen Redeweise der Artemis (vgl. ad V. 19 [b] und 31 f. [a]) suggeriert. 38 f. καὶ μὲν ἀγυιαῖς / ἔσσῃ καὶ λιμένεσσιν ἐπίσκοπος   Durch καὶ μέν novi quidpiam ... additur (Schneider 1973 II 209). Vgl. Hom. Ω 732 (Fortsetzung des Gedankens ohne Satzende davor) mit Denniston 19542, 390. PGen 209 ad loc. bietet αγυι]ης. Dies müsste ἀγυιῇς repräsentieren, was angesichts von Kall. h. 2. 86 und 3. 100 sogar die originale Lesart sein könnte. Vgl. Carlini 1973, 153. Artemis war bereits Ἐνοδία (Graevius bei Ernesti 1761, 77: Diana Trivia; vgl. Anth. Pal. 6. 199. 1), so konnte sie leicht zur weiblichen Konkurrentin des Apollon Ἀγυιεύς (Eur. Phoen. 631) befördert werden. Vgl. Herter 1929, 77 Anm. 1 und Plantinga 2004, 261. Wilamowitz 1924 II 53 vermutet einen Synkretismus mit Hekate unter Hinweis auf Athen. 4. 66, 168C (Diphilos fr. 123 [PCG V Kassel–Austin] nennt das Bild der dreiköpfigen Hekate Ἀρτεμίσιον) und Paus. 1. 38. 6 (Artemis Προπυλαία). Die Verbindung der Artemis mit Häfen kann vielleicht als Allusion auf die hinsichtlich der Amnisierinnen (ad V. 15) schon herangezogene homerische Stelle (τ 188 f.) erklärt werden, wo natürlich-schroffe Hafenbuchten erwähnt werden (V. 189: ἐν λιμέσιν χαλεποῖσι; die Artemis des Hymnos macht die Häfen nicht-χαλεποί [imitatio per oppositionem]). Chaniotis 1992, 85 postuliert eher unwahrscheinlich die Wirkung des existierenden Kultes der kretischen Artemis-Eileithyia als einer Hafengöttin (vgl. ad V. 15). Eine andere Motivation könnte Apollons Funktion als eines Hafengottes sein (Anth. Pal. 10. 25. 1: Φοῖβε, Κεφαλλήνων λιμενοσκόπε), dem Artemis nacheifert. Vgl. Plantinga 2004, 261. Da auch Zeus einige Male λιμενοσκόπος heißt (Anth. Pal. 13. 10 = Kall. fr. 400), wird anscheinend sein eigenes Attribut auf die Tochter übertragen. Vgl. auch ad V. 259 (a), wo Artemis die attributive Form λιμενοσκόπε zugeschrieben wird.



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Zu ἐπίσκοπος vgl. Hom. Χ 255 (ebenfalls vor der bukolischen Diärese), Pind. O. 14. 4 und Plut. aet. Graec. 47 (= mor. 302C). Zur Verknüpfung der Göttin mit Gestaden, Meeresbuchten und Schiffen vgl. Apoll. Rhod. 1. 570 (Artemis als Göttin des iolkischen Kaps), Anth. Pal. 6. 105 (V. 1 f.: λιμενῖτι / Ἄρτεμι; vgl. Griffiths 1970a, 215) und Wernicke 1895, 1349 f. 39 λιμένεσσιν ἐπίσκοπος Nach Giangrande 1967b, 154 Anm. 9 folgt Kallimachos der Dativkonstruktion mit der Bedeutung ‚Überwacher‘ bei Hom. Κ 38 (Τρώεσσιν ἐπίσκοπον) und 342 (νήεσσιν ἐπίσκοπος), wohingegen andere Interpreten das Wort in ἔπι σκόπος spalten. Im Delos-Hymnos (h. 4. 66: ἡ δ’ ἐπὶ νησάων ἑτέρη σκοπὸς αἰπειάων [Iris]) zerlegt der Dichter dasselbe Wort und lässt es den Genitiv regieren nach dem Vorbild Hom. ϑ 163: ἐπίσκοπος ... ὁδαίων, d.h. er wandelt eine singuläre Wendung Homers ab (anders Giangrande 1976b, 154 Anm. 9). 39 f. ὣς ὁ μὲν εἰπών / μῦϑον ἐπεκρήηνε καρήατι   ὣς ὁ μὲν εἰπών ist eine Anspielung auf Hom. Β 70, wo derselbe Versschluss vorkommt (auf das Traumbild in Nestors Gestalt bezogen). Der Wechsel innerhalb des Verses zwischen direkter Rede und Erzählung ist bei Homer ungewöhnlich. Kallimachos nimmt sich also einer homerischen Anomalie an. Vgl. McLennan 1974, 48, 51 Anm. 8 sowie ad V. 26 f. und 29. Aorist (ἐπεκρήηνε) und Imperfekt (βαῖνε), Ratschluss (des Gottes) und Verwirklichung (durch die Göttin) stehen nebeneinander und deuten die schnelle Umsetzung des Planes in Taten an. Zur Schnelligkeit der Artemis vgl. Pind. fr. 70b (= Dith. 2) 19 (ῥίμφα δ’ εἶσιν ῎Αρτεμις οἰοπολάς). Siehe auch Cahen 1930, 102 f. und ad V. 86 (a). Das Verb ἐπικραίνω drückt traditionellerweise den intellektuellen Abschluss eines Entscheidungsverfahrens aus, dem die tatsächliche Ausführung / Verwirklichung auf den Fersen folgt (z.B. Hom. Α 455: ἐπικρήηνον [Erfüllung der Bitte des Chryses durch Apollon], in beiden Epen immer in Imperativform). Vgl. aber Hom. h. Merc. 531: ἐπικραίνουσα (der Botenstab des Hermes). Dass der Entschluss im Kopf gefasst wird, deutet Kallimachos durch die (nicht nur volksetymologische: vgl. Frisk 1970 II 3 f. s. v. κραίαινω / κραίνω) Verbindung von ἐπεκρήηνε und καρήατι an (so Aulin 1856, 15 und Kuiper 1896 I 58). Die Verwendung der Präposition ἐπί wird kaum eine Stellungnahme mit Philetas für ἐπινεύσομαι gegen die später auch von Aristarch verteidigte Vulgata κεφαλῇ κατανεύσομαι (Hom. Α 524) darstellen (so Kuiper 1896 I 58 f.), da in diesem Fall eine Form von ἐπινεύω zu erwarten wäre. Vgl. allerdings ad V. 28 (b).

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III. Kommentar

Artemis auf Kreta (V. 40–45) 40 βαῖνε δὲ κούρη   Petrovic 2007, 227 macht auf die Route der Göttin aufmerksam, die dieselbe im narrativen Teil über die gesamte οἰκουμένη führt (von Süden [V. 40–45: Kreta] über Westen [V. 46–86: Lipare, V. 87– 97: Arkadien] und Norden [V. 113–115: Haimos-Gebirge] nach Osten [V. 117: Olymp in Mysien]). Der Hymnos endet dann ebenfalls im Osten mit der Beschreibung des ephesischen Kultbezirks (V. 237–258). Dabei wird sie gleichsam vom Erzähler begleitet, der sie ab V. 72 stets in der zweiten Person Singular anredet: Die Göttin selbst wird Zeugin dieses spektakulären Durchmessens ihres Herrschaftsgebietes. Die Landschaft ist indessen eine literarisch-fiktive, die keine wirklichkeitsgetreue Landkarte des zeitgenössischen Artemis-Kultes hergibt. Zum Wechsel von Er- und Du-Stil in den Hymnen des Kallimachos vgl. Deubner 1921, 363 f. 41 Λευκὸν ἔπι Κρηταῖον ὄρος κεκομημένον ὕλῃ   Zu ὄρος κεκομημένον ὕλῃ vgl. Hom. ν 351 (ὄρος καταειμένον ὕλῃ), τ 431 (αἰπὺ δ’ ὄρος προσέβαν καταειμένον ὕλῃ), h. Merc. 228 (Κυλλήνης δ’ ἀφίκανεν ὄρος καταείμενον ὕλῃ) und h. Ven. 285 (ὄρος καταείμενον ὕλῃ). Bing/Uhrmeister 1994, 29 und Lord 1990, 124 vergleichen auch Hom. h. Ap. 225: ἕδος καταειμένον ὕλῃ (Thebe). Zur Verwendung des Passivs in intransitiver Bedeutung vgl. Kuiper 1896 I 59. Zur Metapher der Haare für Pflanzenbewuchs vgl. Theokr. 4. 57. Theophrast (h. plant. 4. 1. 3) bezeugt den außergewöhnlich dichten Waldbehang des Ida- und Leukon-Gebirges auf Kreta, dem auch der Schnee, von dem der Berg seinen Namen hat, nichts anhaben kann (vgl. τ 338: Κρήτης ὄρεα νιφόεντα sowie Wörpel 1902, 421 und Spanheim 1697, 159). Herter 1929, 78 Anm. 2 meint, der „Weißberg“ sei von Amnisos weit entfernt, aber Kallimachos habe seiner Vorliebe für das Bestimmte die geographische Genauigkeit aufgeopfert. Zur Lokalisationsfrage des Bergs vgl. Bornmann 1968, 24 f. ad loc. 42 πολέας δ᾽ ἐπελέξατο νύμφας   In der Bitte der Artemis wurden die Okeaniden V. 13, die Amnisierinnen V. 15 erwähnt. Die Anwerbung der gewünschten Nymphen erfolgt in chiastischer Ordnung (zuerst Amnisiden, dann Okeaniden), aber so, dass nur Kreta und Okeanos (Tethys) namentlich angeführt und die Nymphen der beiden Regionen mit der zusammenfassenden Wendung πολέας ... νύμφας bedacht werden. Die Nichtbeachtung dieser Eigenheit hat Schneider 1851, 259 und 1873 II 211 dazu verleitet, nach V. 41 einen ausgefallenen Vers zu postulieren, in der die Rekrutierung der Amnisiden dargestellt worden wäre. Zur scharfen Kritik dieser Konjektur vgl. bereits Vahlen 1907, 434 f. mit demselben Argument. Dass πολέας ... νύμφας sowohl die Töchter des Okeanos als auch die amnisischen Nymphen



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umfasst (Cahen 1930, 102), bestätigt die Erwähnung zweier beide Gruppen repräsentierender Eigennamen (V. 44: Καίρατος ... Τηϑύς). Maass’ Ansicht (1890, 404), die Okeaniden als Chor repräsentierten die Artemis verehrenden Inseln, ist nicht berechtigt, da die Analogie mit h. 4. 16–18 nicht stimmt (V. 18 sind die Inseln expressis verbis erwähnt, und während im vierten Hymnos die Insel Delos selbst personifiziert wird, treten im dritten in der Regel mythische Personen, keine Personifikationen, auf [vgl. allerdings V. 77 die Gestalt des Brontes]). Die Form πολέας kommt bei Homer regelmäßig an derselben metrischen Stelle (nach der stumpfen Mittelzäsur) vor (z.B. Α 559 [= Β 4], Γ 326). Bulloch 1985a, 173 mit Anm. 3 ad h. 5. 65 interpretiert ἐπελέξατο als ein „unechtes“ Medium (entstanden über den Einfluss der κοινή, in der mediale Formen keine mediale Bedeutung mehr haben). In Homer ist λέξαιτο ‚auslesen‘ (Φ 27 und ω 108) zu vergleichen, aber bei ihm kommt in dieser Bedeutung nur das simplex und auch posthomerisch nie ἐπί vor. Für die Verwendung in Prosa sind Hdt. 3. 157 und Thuk. 7. 19 repräsentativ. Zum Medium statt Aktiv vgl. auch ad V. 2 (b) (μέλονται), 80 (προσελέξαο) und 234 (συνελέξαο). 43 πάσας εἰνέτεας, πάσας ἔτι παῖδας ἀμίτρους   Die Wiederholung des Verses 14 ist sicher kein zu tilgender Überlieferungsfehler (so Kuiper 1896 I 58 Anm. 1, Vahlen 1907, 435 f., Maas 1921, 136 und Knoche 1936, 25 Anm. 1), sondern ein bewusstes Spiel des Dichters mit dem Problem der στίχοι διφορούμενοι, die Zenodot viel zu schaffen gemacht haben dürften (so Herter 1929, 79 Anm. 1, anders Knoche 1936, 23–26). Es gehört mit zum Spiel, was von Vahlen 1907, 435 als bedenklich ins Visier genommen wird, dass die formale Gleichheit eine kontextuelle Abweichung verbirgt: V. 14 bezieht sich der Vers auf die Okeaniden, hier auf die Okeaniden und die Amnisierinnen (vgl. Cahen 1930, 103 und Bornmann 1968, 26 ad loc. pace Ludwich 1907, 6). Dadurch wird die restlose Erfüllung des Wunsches der Artemis angedeutet (Wilamowitz 1924 II 53 Anm. 4, Herter 1929, 78 und Desrousseaux 1940, 159). Mit dem Wort πολέας (V. 42) korreliert das zweite πάσας hinsichtlich der Stellung innerhalb des Verses. Durch die Anapher wird in diesem Kontext ausgedrückt, dass alle Nymphen den an sie gestellten Qualitätserfordernissen entsprechen (Wilamowitz 1924 II 53 Anm. 4). Ähnlich ist das Wechselspiel mit den beiden Begriffen V. 36 f: πόλλας ... ἐν πασῇσι. Vgl. Bornmann 1968, 26 ad loc. 44 χαῖρε δὲ Καίρατος ... χαῖρε δὲ Τηϑύς   Im Gegensatz zum vorigen Vers ist der vorliegende von Variation bestimmt (statt Amnisos Kairatos, statt Okeanos Tethys). Der Fluss Kairatos fließt in der Nähe von Knossos und ist von Amnisos weit entfernt. Vgl. Bornmann 1968, 26 ad loc. Nach Petrovic 2007, 260 f. habe Kallimachos unmöglich die beiden Flüsse verwechselt,

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III. Kommentar

wollte vielmehr die kretischen Nymphen mit einem anderen traditionsreichen Gebiet der Insel in Verbindung bringen und dadurch ihren Rang erhöhen. Der Flussname Kairatos könnte aber einfach als Metonymie für ganz Kreta (Spezifisches für Generisches) stehen, was hellenistische Dichtermanier ist. Zu ähnlicher Verwendung des Begriffs vgl. [Verg.] Cir. 113 (Carpathium fugiens et flumina Caeratea). Zu Okeanos und Tethys als Eltern der Okeaniden vgl. Hes. theog. 362–364 und Reinsch-Werner 1976, 186. Die Okeaniden sind Nichten der Artemis, da Artemis’ Mutter, Leto, eine Tochter des Koios, des Bruders der Tethys, ist. Vgl. Stephens 2015a, 128. Die Epanalepse (epanaphora) des versinitialen χαῖρε nach der bukolischen Zäsur variiert die Wiederholung des versbeginnenden πάσας vor der bukolischen Zäsur. Zu dieser Wortwiederholung vgl. h. 5. 45 (σάμερον), Ait. fr. 25e 1 Harder (ἄρνες) und ep. 22. 3 (οὐκέτι). Hutchinson 1988, 198 Anm. 94 hegt zu Recht Bedenken, ob dieses Muster auf den Einfluss der bukolischen Anapher des Theokrit zurückzuführen sei (vgl. Pfeiffer 1949 I 36 ad fr. 27 und 1953 II 86 ad ep. 22 sowie Bing 1995, 129). Darüber hinaus wird das Verb χαῖρε phonetisch durch Καίρατος weitergeführt (die Tilgung der Aspiration gilt als Variation). Vgl. Aulin 1856, 15 und V. 204: Οὖπι ἄνασσ᾽ εὐῶπι (Assonanz) und 229: νηὸς ... νηῷ (Paronomasie). Für das zweite Glied χαῖρε δὲ Τηϑύς dürfte dem Dichter Hom. h. Ap. 12 f. (χαίρει δέ τε πότνια Λητώ, / οὕνεκα τοξοφόρον καὶ καρτερὸν υἱὸν ἔτικτεν [Leto freut sich über die ehrenvolle Aufnahme Apollons unter den Göttern]) vorgeschwebt haben (vgl. auch h. Ap. 125 f. sowie 204–206). Der Name Leto kommt im nächsten Vers (45) über das Matronym Λητωίδι vor. Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 29 mit Hom. ζ 106: γέγηϑε δέ τε φρένα Λητώ (als Versschluss in einem Nausikaa–Artemis-Gleichnis nach der Erwähnung der Nymphen). Siehe auch Vergils Nachahmung: Latonae tacitum pertemptant gaudia pectus (Aen. 1. 502: zum Abschluss eines auf Dido bezogenen Artemis-Gleichnisses). Vgl. Bonnano 1995, 40 und auch Hom. Ζ 481 χαρείη δὲ φρένα μήτηρ (Freude der Mutter über den aus der Schlacht zurückkehrenden Astyanax als Wunsch des Vaters). 45 (a) οὕνεκα ϑυγατέρας Λητωίδι πέμπεν ἀμορβούς   Zur Längung des Ypsilon in ϑυγατέρας vgl. Kapitel I 6, 83. Nach Bing/Uhrmeister 1994, 22 deute das Matronym an, dass Artemis sich noch nicht von ihrer Mutter emanzipiert habe (so auch V. 83). Dies ist aber angesichts der Tatsache, dass Eponyme zum Kernbestand der epischen Sprache gehören, äußerst unwahrscheinlich. Vgl. allerdings ad V. 73. Die Verbform πέμπον, die im Anschluss an Σ Nik. Ther. 349b (p. 152 Crugnola) von allen Herausgebern gelesen wird, geht gegen die einheitliche handschriftliche Überlieferung, die πέμπεν enthält (vgl. auch das Zeugnis von PGen 209: π[ε]μβεν mit Carlini 1973, 156). Wörpel 1902, 421



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verteidigt πέμπεν unter Hinweis auf Hom. Ρ 386 f.; Thuk. 1. 29. 2, 4. 38. 2 und Xen. an. 2. 4. 16, wo nach mehreren Subjekten im Singular (oder Plural) singularisches Prädikat steht. An mehreren dieser Stellen geht allerdings das singularische Prädikat dem ersten singularischen Subjekt voraus, mit dem es eine starke Einheit bildet, während die anderen Subjekte gleichsam „nachhinken“. Da bei Kallimachos πέμπεν nach Kairatos und Okeanos steht, ist die Eigenheit auffälliger. Vahlen 1907, 435 schreibt: [πέμπεν] γραμματικῶς ad unam Tethyn relatum alterum nomen non excludit. Um pluralisches Subjekt mit singularischem Prädikat (Hom. Ρ 386 f.) handelte es sich auch bei der als schema Pindaricum bekannten Stilfigur (vgl. Wilpert 1878). Der kallimacheische Ausdruck (mit Subjekten im Singular) ist jedoch im Vergleich zur pindarischen Figur viel milder. Ich sehe also keinen Grund, vom einheitlich bezeugten Text abzuweichen, zumal der Singular eine sinnvolle Konstruktion ergibt, wenn er auf Kairatos zum einen, auf Tethys zum anderen bezogen wird und der Plural als Summe der Teile κατὰ σύνεσιν entsteht (‚Kairatos schickte [und] Tethys schickte‘ ~ ‚Kairatos und Tethys schickten‘). Dieser Interpretation leistet auch der Umstand Vorschub, dass V. 44 beide Subjekte durch die Wiederholung des singularischen Prädikats χαῖρε voneinander „abgekapselt“ werden. 45 (b) ἀμορβούς   Zum Wort vgl. Apoll. Rhod. 2. 938, 3. 881. Bei Homer kommt es nicht vor (abgesehen von Naucks Konjektur zu Ν 793 statt ἀμοιβοί: Ameis/Hentze 18972, 46 ad loc., Hollis 1990, 260 ad Hek. fr. 76 und Matthews 1996, 135). Zur Vorliebe der Alexandriner für dieses allem Anschein nach von Antimachos (fr. 28. 1 Matthews [ἀμορβέων] = Steph. Byz. 242 s. v. Δύμη [II 74. 140 Billerbeck–Zubler]) aufgegriffene Wort und seine Derivate vgl. Kuiper 1896 I 59, Pfeiffer 1949 I 258 ad fr. 271 = Hec. fr. 76 Hollis (ἀμορβεύεσκεν) und die sehr detailreiche Untersuchung von Arena 1977 passim (zwei semantische Basiselemente: ‚Begleitung‘ und ‚Naturverbundenheit‘). Arenas Versuch, den Begriff mit Initiationsriten in Zusammenhang zu bringen (299–302), erscheint mir allerdings forciert. Kallimachos wollte also den homerischen Wortschatz mit einem Mode-Wort anreichern (vgl. auch Hec. fr. 117 Hollis: βοῶν ... ἀμορβοί als gesuchte Periphrase für βοῶται). Artemis bei den Kyklopen (V. 46–86) Nach dem Übergang zur nächsten Episode, die die Göttin auf der Suche nach ihren Waffen schildert und dem Zierlich-Kindlichen das Grobschlächtig-Hünenhaftige gegenüberstellt, wird die Erzählung durch einen langen Exkurs hintangehalten (V. 46–79: Kyklopen bei der Arbeit [V. 49–63], angstvolles Wesen der Nymphen [V. 64–71]‚ unerschütterlicher Mut der

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III. Kommentar

Artemis [V. 72–79]). Vgl. Ambühl 2005, 248. Artemisʼ Besuch bei den Kyklopen entspricht Thetisʼ Gang zu Hephaistos, von dem sie neue Waffen für ihren Sohn erbitten will. Im Gegensatz dazu holt Artemis ihre Ausrüstung gleich persönlich ab, ohne Hephaistos selbst zu treffen. Vgl. Eichgrün 1961, 115 f., der auch die Beschreibung von Iasons Purpurmantel (Apoll. Rhod. 1. 726–768) heranzieht, deren erstes Bild (V. 730–734) die Kyklopen am Werk darstellt, und Ambühl 2005, 287, 294. Im Unterschied zu Homers ὁπλοποιία gilt das Augenmerk sowohl des Kallimachos als auch des Apollonios nicht Hephaistos, sondern seinen Gehilfen: Bei Homer ist Hephaistos mit Tripoden beschäftigt (Σ 372–374), bei Apollonios hämmern die Kyklopen den Blitzstrahl des Zeus (V. 731), bei Kallimachos den Trog Poseidons. Zu weiteren kallimacheischen Anklängen bei Apollonios vgl. ad V. 49 f. und 60. Die Kyklopen (Hes. theog. 139–146, 503–505; Apollod. 1. 2. 1) erscheinen erst in der hellenistischen Literatur als Gehilfen des Hephaistos (vgl. auch Verg. Aen. 8. 416–453). Siehe auch Cahen 1929, 380 f. (die Darstellungen auf Münzen nehmen diese Vorstellung vorweg) und 19483, 238 Anm. 4. Bei Horaz (c. 1. 4. 5–8) folgt auf die Beschreibung des Chors der Nymphen und Grazien im Gefolge der Venus der Hinweis auf den Besuch des Vulcanus in der Werkstatt der Kyklopen. Dies dürfte dem kallimacheischen Hymnos nachempfunden sein (für ein etymo­logisches Spiel seitens Horazens mit dem Namen der auch von Kallimachos [V. 47 f.] bemühten Insel Lipare als Sitz des Hephaistos vgl. Roche 2019, 368–370). 46 αὖϑι δὲ Κύκλωπας μετεκίαϑε   Zur Struktur des Verses vgl. Hom. α 22 (ἀλλ’ ὁ μὲν Αἰϑίοπας μετεκίαϑε τηλόϑ’ ἐόντας [Poseidon]). Die Formen μετεκίαϑ- finden sich bei Homer alle vor der bukolischen Diärese. Das Adverb αὖϑι (hier ‚weiterhin‘) bedeutet ursprünglich ilico = ‚daselbst‘, ‚sofort‘ (kontrahiert aus αὐτόϑι: z.B. Hom. Ε 296, Ζ 281; Kall. Ait. fr. 1. 35, Hec. fr. 69. 10 Hollis, h. 4. 44), während αὖϑις / αὖτις ‚wieder‘ / ‚weiterhin‘ ausdrückt. Kallimachos benutzt allerdings vor einem konsonantischen Folgewort die Form αὖϑι mit der Bedeutung ‚wieder‘: fr. 197 (= Ia. 7) 49, Hec. fr. 17. 4 Hollis (vgl. Nickau 1967, 127), h. 1. 94, 5. 103 oder ‚weiterhin‘: Ait. fr. 1. 17, h. 1. 72, 3. 46, 241, fr. ep. 393. 4 (?). Vgl. Rengakos 1992, 39. Bulloch 1985a, 215 ad h. 5. 103 vermutet in diesem Usus eine kallimacheische Idiosynkrasie, Cahen 1930, 104 hingegen eine gemeinhellenistische Entwicklung. 46 f. τοὺς μὲν ἔτετμε / νήσῳ ἐνὶ Λιπάρῃ    Zum Versanfang vgl. Hom. α 50, 198, μ 283 (νήσῳ ἐν ἀμφιρύτῃ an derselben Stelle). Zu ἐνί in der Mitte eines attributiven oder appositionellen Syntagmas vgl. auch Ait. fr. 54c 29 Harder: βραχέῃ ἐνὶ νυκτί. Vgl. Maas 1921, 93, der auch darauf hinweist, dass die alten Grammatiker in diesem Fall die Präposition barytonierten (ἔνι), als handelte es sich dabei um eine Anastrophe. Siehe auch Kühner–



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Blass 1890 I 334 nach Lehrs 1837, 79–82. Zur präpositionalen Abfolge vgl. V. 172 (ἐνὶ Λίμναις). Die Werkstatt des Hephaistos liegt bei Homer entweder auf Lemnos (ϑ 283 f. und 293 f.) oder auf dem Olymp (Σ 142–144), er selbst wohnt mit Aphrodite (Odyssee) oder Charis (Ilias) auf dem Olymp. In der Ektheosis Arsinoes liegt die eheliche Behausung des Schmiedegottes mit Charis auf Lemnos (fr. 228. 44) – vielleicht eine Neuerung des Kallimachos selbst –, und auch seine Werkstatt ist wohl daselbst zu verorten. Im Artemis-Hymnos verlegt Kallimachos die Werkstatt auf Lipare. Vgl. Pfeiffer 1922, 31 Anm. 4 und Malten 1912, 322. Dass dieselbe mit seiner Wohnung identisch ist, wird implizit angedeutet, wenn Leto mit der dreijährigen Artemis den Gott mitsamt seinen Schmiedegesellen aufsucht (V. 72–79). Die Göttin wird ihm den Besuch wohl nicht an einem ausschließlich als Werkstatt dienenden Ort abgestattet haben. So auch Herter 1929, 79 Anm. 2. Zur Lokalisierung der Werkstatt des Hephaistos vgl. auch Bornmann 1968, 27 f. ad loc., Harder 2012 II 883 f. ad Ait. fr. 113e 11 sowie ad V. 56–58.    Auch Thukydides (3. 88. 3) erwähnt die Legende, dass Hephaistos auf Hiera, einem der liparischen Eilande, seine Schmiede habe. Dass die Erwähnung der liparischen Inseln an die punischen Kriege erinnern soll (Ehrlich 1894, 52 f. und kürzlich Stephens 2015a, 128), scheint mir mangels der Funktion einer derartigen historischen Anspielung sehr unwahrscheinlich. Die erste Seeschlacht, in der Karthago den Sieg über Rom davontrug, wurde 260 v. Chr. bei den liparischen Inseln gefochten. Wenn meine Datierung des Hymnos (vgl. Kapitel I 4, 51) stimmt, ist diese Anspielung chronologisch ausgeschlossen. 47 f. Λιπάρη νέον, ἀλλὰ τότ᾽ ἔσκεν / οὔνομα οἱ Μελιγουνίς   Zur Parenthesis (correctio), die den gelehrten Narrator in den Vordergrund treten lässt, vgl. Ait. fr. 43. 70 f., fr. 200a (= Ia. 10) 1, fr. 384. 35 f.; h. 3. 172, 244 f., 4. 49, 5. 16; Apoll. Rhod. 2. 913, 2. 1043 f., 3. 500 f., 4. 345, 4. 794 f., 4. 984 f. mit Griffiths 1970b, 40 Anm. 16. Der Namenwechsel von geographischen Orten gehörte zum speziellen Interesse des Gelehrten Kallimachos. Vgl. die bei Suda 227. 31 f. s. v. Καλλίμαχος (III 19 Adler) (= Pfeiffer 1953 II XCV T1. 18 f.) bezeugte Abhandlung über die Gründung der Inseln und Städte und ihre Umbenennungen (Κτίσεις νήσων καὶ πόλεων καὶ μετονομασίαι), Kall. fr. 580 und D’Alessio 1996, 102 Anm. 11. Vgl. auch ad V. 225–258. Für die Bezeugung von Μελιγουνίς vgl. die Stellensammlung bei Leurini 1992, 150 (unter anderem Parth. erot. path. 2, p. 310 Lightfoot [= Philet. fr. 1 Sbardella], Strab. 6. 2. 10, 275 C, Hesych. 699 [II 643 Latte], Steph. Byz. 442 [III 292. 128 Billerbeck] s. v. Μελιγουνίς mit Hinweis auf Kallimachos, Plin. nat. 3. 93). Pagliara 1992, 306 führt den Namen hypothetisch bis auf Philetas

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III. Kommentar

zurück und versucht, ihn zu etymologisieren (310–318), wobei die Semantik ‚von Honig geboren‘ als Toponym bedenklich erscheint. Die Kyklopen-Szene berührt sich streckenweise mit einem EuphorionFragment (fr. 51 [p. 40 CA]), in dem es um Herakles und den gefangenen Kerberos geht (Bulloch 1985b, 69). V. 8–10 werden die funkelnden Augen des Ungeheuers beschrieben: ἤ που ϑερμάστραις ἤ που Μελιγουνίδι τοῖαι / μαρμαρυγαί, αἴρῃσιν ὅτε ῥήσσοιτο σίδηρος, / ἠέρ’ ἀναϑρῴσκουσι, βοᾷ δ’ εὐήλατος ἄκμων (vgl. h. 3. 55: ἄκμονος ἠχήσαντος und 58: βοὴν ... Κύρνος ἀΰτει). Wegen der offenkundigen Anspielungen auf Kallimachos in diesem Passus ist wahrscheinlich, dass auch die Furcht der Frauen beim Anblick des Helden und seines Gegners (14 f.: καὶ μὲν ἐνὶ τρίοδοισι πολυκρίϑοιο Μιδείης / ταρβαλέαι σὺν παισὶν ἐϑηήσαντο γυναῖκες) an die Furcht der Okeaniden beim Anblick der hünenhaften Kyklopen (V. 62 f.) erinnern soll (über diese Allusionen, die aus der kallimacheischen Narration geschöpft sind, verbindet Euphorion Vergleichs- [Schmiede] und Erzählsatz [Furcht der Frauen] in seinem Text). Zur eingehenden Untersuchung der euphorionischen Imitation der Kallimachos-Stelle vgl. Leurini 1992, 148–152. De Stefani/Magnelli 2011, 537 f. vergleichen zu ϑερμάστραι h. 4. 144, zu ἄκμων h. 3. 48 und 55, zu αἴρῃσιν Ait. fr. 113e 12 Harder (außer Hom. Ο 607 f. [Hektors zorndurchglühte Augen]). Sie erinnern auch daran, dass Euphorion Lipare-Meligounis im Anschluss an Kallimachos Hephaistos zuweist, während diese Insel bei Philetas fr. 1 Sbardella Stammsitz des Aiolos gewesen sein dürfte (so auch Verg. Aen. 1. 52 und 8. 416 f.). 48 f. ἐπ᾽ ἄκμοσιν Ἡφαίστοιο ... περὶ μύδρον   Die Wendung ἐπ᾽ ἄκμοσιν Ἡφαίστοιο kommt auch noch Kall. Ait. fr. 113e 17 Harder vor. Ἡφαίστοιο am Ende des Verses ist gut homerisch (Β 426, Ι 468, Ρ 88 usw.). Zu μύδρος ‚glühende Metallmasse‘ vgl. LSJ s. v. sowie Aischyl. Prom. 366 (μυδροκτυπεῖ). Zum spondeischen Ende des Verses 48 (Ἡφαίστοιο) vgl. Kapitel I 6, 92. 49 f. ἐπείγετο γὰρ μέγα ἔργον / ... τετύκοντο   Formen von ἐπείγετ- treten bei Homer ebenfalls nach der klingenden Mittelzäsur auf (z.B. Ε 622, Ν 511; ο 445). Zu μέγα ἔργον kann man mit Eichgrün 1961, 116 außer Ν 366 auch Apoll. Rhod. 1. 730: ἐπ᾽ ἀφϑίτῳ ... ἔργῳ (beide Male am Versende) vergleichen, zu τετύκοντο Apoll. Rhod. 1. 732 (ἐτέτυκτο). Zum Medium als Variationsform des Aktivs vgl. ad V. 2 (b) (μέλονται). 50 ἱππείην ... Ποσειδάωνι ποτίστρην   Während Thetis mit Hephaistos selbst Umgang pflegt, der Automaten-Dreifüße fertigt (Σ 373–379), begnügt sich Artemis mit seinem „Gesinde“, das durch einen Trog für Poseidons Pferde in Atem gehalten wird. Im Gegensatz dazu sind bei Hyginus (fab. 140. 4–5 Marshall) die Pfeile der Göttin (wie die Apollons) eine Gabe des Hephaistos



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selbst. Vgl. Herter 1929, 79. Sowohl das Attribut ἱππεί- (Κ 568) als auch die Stellung des Namens Poseidon nach der klingenden Mittelzäsur sind homerisch, so frappiert die unhomerische ποτίστρη als wahres ἀπροσδόκητον am Ende. Vgl. Bornmann 1968, 29 ad loc. Zur Bildung von ποτίστρη vgl. Bredau 1892, 47 (Ablaut πιτ-/ ποτ- [πίστρα aus *πιτ-στρα]). Vgl. Strab. 8. 31, 356 C und Diod. 3. 17. 4. Das etymologische Spiel Ποσειδάωνι ποτίστρην (Kuiper 1896 I 60) scheint mir nicht sicher, aber sehr ansprechend. Der Gebrauchsgegenstand ποτίστρη trägt erheblich zum Alltagsrealismus bei, mit dem Kallimachos die Erhabenheit des alten Epos zu unterlaufen trachtet. Mithilfe der Hervorhebung des Attributs ἱππείην (vgl. Wifstrand 1933, 134 mit h. 1. 60, 2. 37) stuft er den an und für sich wenig feierlichen Auftrag noch mehr zurück (nicht Poseidon, sondern seine Pferde werden den fertigen Trog benutzen). Dadurch, dass die alltägliche Arbeit μέγα ἔργον heißt, wird der Maßstab des Epos an den neuen Gegenstand angelegt und der Widerspruch zwischen beiden ironisch hervorgehoben. Vgl. Herter 1929, 80, Bornmann 1968 XVIII f., Zanker 1987, 185. Cahen 1930, 105 betont den Kontrast zwischen epischem τετύκοντο und κοινή-sprachlicher ποτίστρη. Auf einer episch-erhabenen Stilhöhe bleiben Hes. theog. 141, 501–505 (Apollod. 1. 2. 1–2), Eur. Alc. 5, Apoll. Rhod. 1. 730 f. Kallimachos selbst ist zu einer ernsten Variation der Szene fähig, wenn der Kontext es verlangt (h. 4. 31: der Dreizack Poseidons wurde von den Telchinen geschmiedet). Vgl. McKay 1962a, 139. 51 αἱ νύμφαι δ᾽ ἔδδεισαν, ὅπως ἴδον αἰνὰ πέλωρα   Cahen 1929, 459 erinnert zu Recht daran, dass der Artikel vor νύμφαι nicht die homerische demonstrative Funktion innehat, sondern „richtiger Artikel“ ist (Einfluss der Prosa). Zum aufgeschobenen δέ vgl. Bulloch 1985a, 194 ad h. 5. 85 (same syntactical rhythm) mit Kall. Ait. fr. 1. 12, 24 und Denniston 19542, 186. Zur metrischen Form von ἔδδεισαν vgl. Kapitel I 6, 85. Zu ὅπως in der Rolle von ἐπεί vgl. Λ 459, Μ 208 (Τρῶες δ’ ἐρρίγησαν ὅπως ἴδον αἰόλον ὄφιν); γ 373, χ 22; Hes. theog. 156. Vgl. Herter 1929, 80 Anm. 1. Besonders nahe kommt im Wortlaut Hom. κ 219 (τοὶ δ’ ἔδδεισαν, ἐπεὶ ἴδον αἰνὰ πέλωρα [die Männer des Odysseus bei Kirke], wo es um wirkliche Tiere geht. Nach Kuiper 1896 I 61 könnte Kallimachos in seinen Homer-Handschriften ὅπως gelesen haben, obgleich die Vulgata-Tradition einhellig ἐπεί bietet. Für αἰνὰ πέλωρα vgl. auch Hom. Σ 410 (Hephaistos selbst als πέλωρ αἴητον) mit Ambühl 2005, 294 Anm. 302. Die Kyklopen sind aus der Perspektive der Nymphen geschildert. Dadurch erscheinen die Schmiedegesellen als grausige Ungetüme (αἰνὰ πέλωρα), neben denen die Nymphen nachgerade verzwergen. Vgl. Ambühl 2005, 257 Anm. 145. Die Zaghaftigkeit der Nymphen im Widerspiel zum Mut der Göttin hat eine reiche literarische Affiliation. Vgl. den Gegensatz der Angst

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III. Kommentar

des Iphikles zur Furchtlosigkeit des Herakles bei Theokr. 24. 23–26, 60 f. (Köhnken 2015, 107), wo die Schlangen (V. 13) ebenfalls als αἰνὰ πέλωρα geschildert werden (Ambühl 2005, 266 Anm. 179; so bereits auch Herter 1929, 82), und das bange Zurückschrecken des Astyanax (Hom. Ζ 467 f.). So auch Sier 2002, 80 f. unter Hinweis auf Hom. Θ 271 f. (Zurücklehnen des Kindes an seiner Mutter Brust als Gleichnis). Vgl. auch Hom. Π 7–10 (wehleidiges Mädchen hängt sich seiner Mutter an den Rockzipfel). Kassel 1951 (= 1991) 55 f. erinnert an den Schreck des kleinen Perseus beim Anblick der Satyrn (Aischyl. Diktoulkoi, TrGF III fr. 47a 802–811 Radt). Laut Bonnano 1995, 40 f. ruft das furchtbare Erscheinungsbild der Kyklopen das Auftauchen des durch das Meerwasser „ungeheuerlich“ entstellten Odysseus aus dem Schilf ins Gedächtnis (Hom. ζ 127–129). Dem Schreck der Gefolgschaft der Nausikaa beim Anblick des Odysseus (V. 138) entspricht die Angst der Nymphen in der Werkstatt der Kyklopen. Wie Nausikaa (V. 139 f.) fürchtet sich auch Artemis gar nicht (V. 80). Ambühl 2005, 265 f. vergleicht ϑαρσαλέη (V. 62: Artemis) mit Hom. ζ 140 (von Athene der Nausikaa eingeflößtes ϑάρσος) und meint, dass Artemis, der Nausikaa bei Homer (102–108) verglichen wird, die Phaiakenprinzessin übertrifft. Für weitere intertextuelle Bezüge zu Homers ζ vgl. ad V. 6 (a). Reinsch-Werner 1976, 299 zieht eine Parallele mit Hom. Τ 14–17, wo Achilleus mit funkelnden Augen grimmig dreinschaut, während die Myrmidonen schon beim Gerassel seiner neugefertigten Waffen erzittern. Über das Motiv der Waffen hinaus erscheinen die beiden Stellen durch den Mut der Artemis und die Hasenfüßigkeit der Nymphen verbunden (V. 62 f.: οὐκ ἐτάλασσαν ... / οὔτ᾽ ἄντην ἰδέειν ~ Τ 14 f.: Μυρμιδόνας δ’ ἄρα πάντας ἕλε τρόμος, οὐδέ τις ἔτλη / ἄντην εἰσιδέειν, ἀλλ’ ἔτρεσαν). Vgl. auch ad V. 47 f. und 62 (a). Sistakou 2014, 146 hebt auf die allgemeine Vorliebe der hellenistischen Dichter ab, starke Furcht als seelische Reaktion auf einen visuellen Anreiz zu schildern. Radke 2007, 195 und 229–231 setzt die Kyklopen mit den unkultivierten Zeiten vor der Zeus-Herrschaft, Artemis mit der neuen und jungen Welt gleich, übersieht aber, dass die Kyklopen organischer Teil des von Zeus beherrschten Kosmos sind, kein unverbundenes Überbleibsel eines rauhen Zeitalters. Dass die beiden Sphären literaturästhetische Normen miteinander in Konkurrenz treten ließen (gewaltige epische Dichtung mit der zierlichleichtfüßigen „neuen“ Dichtung), ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil diese literarischen Wertmaßstäbe einander ausschließen, während bei Kallimachos die Kyklopen und Artemis im Einvernehmen agieren: Die letztere scheint auf die Schmiede angewiesen zu sein, um ihr Rüstzeug zu erhalten, die ersteren führen treu ihren Willen aus. 52 (a) πρηόσιν Ὀσσαίοισιν ἐοικότα  Bei Homer wird der Kyklop Polyphem ῥίῳ ὑλήεντι / ὑψηλῶν ὀρέων (ι 191 f.) verglichen. Kallimachos über-



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nimmt denselben Vergleichsgegenstand, macht ihn aber durch das Toponym bestimmter. Zum allgemein alexandrinischen Hang zur Konkretisierung vor allem bei geographischen Angaben vgl. Herter 1929, 80 Anm. 2 und Herter 1931, 446. Zugleich handelt es sich um einen Verweis auf ihr physisches Kennzeichen, das Auge, das durch das phonetische Spiel Ὀσσαίοισιν ~ ὄσσε (‚Berge mit Augen‘) vorbereitet (Williams 1993, 219) und alsbald beschrieben wird. Vgl. auch ad V. 77 f. Zur Attributform Ὀσσαί- vgl. Anth. Pal. 7. 255. 4. Bornmann 1968, 30 ad loc. sieht auch in ὑπ᾽ ὀφρύν (V. 52) ein Spiel, da dies doppelsinnig auch die Bergspitze bezeichnen kann. Die Erwähnung des Gebirges Ossa ruft die mythischen Verbrecher Otos und Ephialtes ins Gedächtnis, von denen der erstere V. 264 erwähnt wird. Vgl. Stephens 2015a, 129. Zur Form πρηών für πρών vgl. Hes. scut. 437 (auch V. 196), was das Vorbild des Kallimachos gewesen sein dürfte. Reinsch-Werner 1976, 183 sieht auch eine inhaltliche Assoziation der beiden Stellen im Getöse des Ambosses (V. 54–61) einerseits und dem donnernd herunterrollenden Steinblock (Hes. scut. 437–440: Gleichnis zur Veranschaulichung des Ansturms des Ares) andererseits. In beiden Fällen tritt dem Leser die anschwellende Echowirkung des Schalls ins Bewusstsein. Nik. Alex. 104, Anth. Pal. 7. 214. 7, Dion. Per. 116 könnten ihrerseits von Kallimachos abhängen. Zur kontrahierten Form πρών vgl. Hom. Ρ 747, Pind. Ν. 4. 52, Soph. Trach. 788, Eur. Cycl. 116. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 183. 52 (b) πᾶσι δ᾽ ὑπ᾽ ὀφρύν    Zur Variation ὀφρύν (Singular) und φάεα (Plural) vgl. Lapp 1965, 109. Nach Stephens 2015a, 129 drücke der Singular ὀφρύν aus, dass es sich um einäugige Wesen handle, aber dies scheint mir vielmehr das Attribut μουνόγληνα zu leisten, so dass ὀφρύν eher als ein generischer Singular aufzufassen ist (‚unter der Augenbraue‘). 53 φάεα μουνόγληνα σάκει ἴσα τετραβοείῳ  Zu φεα für Augen vgl. V. 71 und 211 (φᾰέεσσι), h. 5. 92, Hec. fr. 27. 4 Hollis (hypothetisch) nach dem Vorbild von Hom. π 15, ρ 39, τ 417; Eur. Cycl. 633 (Sing.). In späterer Zeit bei Nik. Alex. 24, 84, Ther. 720. Vgl. auch Kuiper 1896 I 62 und Bulloch 1985a, 43 sowie 203 ad h. 5. 92 (eine Stelle, die von ρ 39 besonders beeinflusst ist). Kallimachos korrigiert den homerischen Ausdruck ‚Schild mit sieben Lederbelägen‘ (Η 220, 222 usw.: σάκος ἑπταβόειον), um ihn mit der Ansicht des Arztes Herophilos von Chalkedon, das Auge bestehe aus vier Membranen (Hornhaut, Aderhaut, Netzhaut und Linsenkapsel), zu harmonisieren (Oppermann 1925, 15–17; vgl. allerdings von Staden 1989, 238 f. [Herophilos als nur eine mögliche Quelle der Doktrin]). Das homerische σάκος war als mykenischer Turmschild nicht rund, eignete sich also nicht zum Vergleich mit dem Auge, aber Kallimachos geht von der Form zeitgenössischer

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III. Kommentar

Schilde aus (Oppermann 1925, 14). Nikitinski 1996, 146–148 zweifelt an der Richtigkeit dieser historischen Anspielung und hält an einer „Kontamination“ der homerischen Attribute ἑπταβόειος (Η 220 usw.), τετραϑέλυμνος (Ο 479, χ 122), τεσσαράβοιος (Ψ 705) fest (vgl. auch Cahen 1930, 106). Aber das Interesse, das Kallimachos den Naturwissenschaften, nicht zuletzt medizinischer Forschung und Fachliteratur, zuwendet (zum Paradebeispiel hinsichtlich der Gebärpositur Letos, das ebenfalls Herophilos-Einfluss zu bekunden scheint, vgl. Most 1981, 191–196), spricht für Oppermanns Ansicht (31 f.). Zustimmend auch Capovilla 1967 I 308, Fraser 1972 I 356 und Zanker 1987, 124 f. (auch zur mutmaßlich herophileischen Herkunft des Begriffs λογάς in Ait. fr. 85. 14 f.). Zum Nachleben des Vergleichs des Kyklopenauges mit einem Schild vergleicht Bornmann 1968, 31 ad loc. Verg. Aen. 3. 636–638 und Ov. met. 13. 851 f. Wenn γλην- als Grundwort des Kompositum nicht ‚Augapfel‘ bedeutet (so erhielte man den von Cobet 1861, 421 kritisierten Begriff ‚Auge mit einem Augapfel‘), sondern metonymisch ‚Auge‘, dann ist Herters Urteil (1929, 81 Anm. 1), es handle sich um ein compositum abundans, insofern zu präzisieren, als nicht das Kompositum selbst pleonastisch ist, sondern die Zusammenstellung mit dem Nomen φάεα (‚aus einem einzigen Auge bestehende[s] Auge[n]‘). In der Wahrheit ist der Kyklop selbst, nicht sein Auge, μουνόγληνος (= μονόφϑαλμος). Zu μουνόγληνα vgl. Anth. Pal. 7. 748. 1 und Lykophr. 659 (von Kallimachos beeinflusst). Zur Bildungsweise vgl. Schmitt 1970, 110 Anm. 12 (Analogiebildung nach Hom. Ξ 183 = σ 298: τρίγληνος [Ohrgehänge mit drei ‚Augen‘ = Kugeln] und Variation zu Eur. Cycl. 21, 648). In der kaiserzeitlichen Literatur und bei Nonnos werden die Zusammensetzungen mit -γληνος zur Manier (vgl. Schneider 1873 II 213). 54 (a) δεινὸν ὑπογλαύσσοντα   Zu ὑπογλαύσσοντα ‚blitzende‘, das als Kompositum erst hier erscheint, vgl. Apoll. Rhod. 1. 1281 (διαγλαύσσ-) und Mosch. Eur. 86 (ὑπογλαύσσ- in Bezug auf Tieraugen; Bühler 1960, 133 f. schreibt zu Unrecht, bei Kallimachos bedeute das Verb ‚blicken‘, im Gegensatz zu Moschos, der es als ‚leuchten‘ fasst), beide Male positiv konnotiert. Vgl. dazu Reinsch-Werner 1976, 299 f., nach der der grimmige Blick der Kyklopen seine Kontrastfolie im lieblichen Gesichtsausdruck der Chariten bei Hesiod (theog. 911: καλὸν δέ ϑ’ ὑπ’ ὀφρύσι δερκιόωνται) finde. Dem Plural ὀφρύσι bei Hesiod steht der Singular ὀφρύν bei Kallimachos gegenüber. Die Mutter der Chariten, Eurynome, ist – wohlgemerkt – eine Okeanide (V. 907 f.). Bornmann 1968, 30 ad loc. vergleicht auch Τ 16 f.: ἐν δέ οἱ [Achilleus] ὄσσε / δεινὸν ὑπὸ βλεφάρων ὡς εἰ σέλας ἐξεφάανϑεν. Zum Ursprung des Wortes und seinem Zusammenhang mit homerischem



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γλαυκιᾶν vgl. Bornmann 1968, 31 ad loc. Siehe auch Leumann 1950, 153 f. (Analogiebildung zu λευκός ~ λεύσσειν). 54 f. καὶ ὁππότε δοῦπον ἄκουσαν / ἄκμονος ἠχήσαντος ἐπὶ μέγα   Die Konjunktion ὁππότε ist ὅπως (V. 51) nebengeordnet. Beide hypotaktische Sätze hängen von ἔδδεισαν (V. 51) ab und geben den Grund (visuell und akustisch) für die Furcht der Nymphen an. Die Struktur der Verse 54–58, die nach den visuellen Reizen akustische anführen, ist kunstvoll aufgebaut (Trikolon und Tetrakolon). Das Trikolon (V. 55 f.) enthält die parataktische Reihe (1) δοῦπον ... ἄκμονος ἠχήσαντος ἐπὶ μέγα (V. 54: ‚Ambossgetöse‘), (2) πουλύ τ᾽ ἄημα / φυσάων (V. 55 f.: ‚Fauchen der Blasebälge‘), (3) αὐτῶν τε βαρὺν στόνον (V. 56: ‚Gestöhn der Kyklopen‘). Der dreimaligen Epanalepse des lautmalerischen Verbs αὖε (zweimal nach der bukolischen Zäsur, einmal am Versanfang: ein Spiel mit der „bukolischen“ Anapher [vgl. ad V. 44]) respondiert am Ende des Folgeverses (58) das etymologisch verwandte Verb (ἐπ)αΰτει. Beide Verben gehen auf die onomatopoietische Wurzel *-jū (vgl. ἰῡγη, ἴυγξ, nhd. ‚j[a]uchzen‘, ‚jubeln‘ < mlat. iubilare) zurück. Selbstverständlich dürften Kallimachos und seine Leser nur den phonetischen Gleichklang vernommen haben. Zur Anapher siehe auch Hom. Κ 228–231, Υ 48 (αὖε), 50 (ἀΰτει), 51 (αὖε); ϑ 322 f. Zur Variation vgl. Bornmann 1968, XLVIII. Damit entsteht ein Tetrakolon, dessen viertes Glied nach dem Behaghel’schen Prinzip länger ist als die vorigen. 54 (b) δοῦπον ἄκουσαν    Zu δοῦπον ἄκουσαν vgl. Κ 354; κ 556, μ 202 (δοῦπον ἀκούσας/ἄκουσα), π 10 (δοῦπον ἀκούω), jedes Mal am Versende (ε 401 δοῦπον ἄκουσε vor der Penthemimeres). Pamprepios von Panopolis, ein Dichter des 5. Jh. n. Chr., scheint Anleihen bei Kallimachos gemacht zu haben (3. 187 Livrea: ὅπως μὴ δοῦπον ἀκούσῃ). Über den wörtlichen Anklang hinaus hat Pamprepios das Interesse für das Kinderleben mit Kallimachos gemein (an der betreffenden Stelle hält der betuliche Vater seinem ihm auf dem Schoße liegenden Kind die Ohren zu, auf dass das Donnergetöse es nicht schrecke; zur kindlichen Furcht siehe auch h. 3. 70 f. und Apoll. Rhod. 4. 136–138). Vgl. dazu Livrea 1992, 149 f. 55 ἐπὶ μέγα   Zum adverbialen Gebrauch ἐπὶ μέγα vgl. Suda 2461 s. v. (II 369 Adler: ἐπίρρημα. ἀντὶ τοῦ μεγάλως). Siehe auch Kall. h. 4. 255 (ἐπὶ μακρόν ‚weithin‘). Dieser Unterschied (μέγα–μακρόν) zeigt an, dass Bornmann 1968, 31 ad loc. den Ausdruck zu Unrecht räumlich versteht (per lungo tratto, lontano). Auch bei Homer kommt die Wendung ἐπὶ μέγα an derselben Versstelle vor (ε 366 und τ 58), aber in syntaktisch ganz anderer Funktion: μέγα ist Attribut neben einem Substantiv, ἐπί bezieht sich mit Tmesis oder Anastrophe auf das Verb. Das Adverbial ἐπὶ μέγα erscheint (als proceleusmaticus) zuerst bei Soph. fr. 441a 11 (TrGF IV 364 Radt). Die

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III. Kommentar

Wendung könnte also zur Koine gehört haben (analoge adverbielle Bildungen bei Mayser 1934 II 2, 482), aber Kallimachos scheint durch die metrische Längung auch die anders gelagerte homerische Sequenz berücksichtigt zu haben. Zur Längung ἐπ μέγα vgl. Kapitel I 6, 85 und ad V. 61. 55 f. πουλύ τ᾽ ἄημα / φυσάων αὐτῶν τε βαρὺν στόνον   Zu den zwanzig φῦσαι in der Schmiede des Hephaistos vgl. Hom. Σ 468–470. Wilamowitz­ ens (1962 = 1909, 238 und 19255, 19) Konjektur (αἰρῶν ‚Hämmer‘) ist unnötig und mit dem Gestöhn (στόνον) von Lebewesen schwer zu vereinigen. Außerdem ist das Wort αἶρα bei Kallimachos nur Ait. fr. 113e 12 Harder belegt (vgl. allerdings Euphor. fr. 51. 9 [p. 40 CA], auf das sich Wilamowitz stützt, und ad V. 47 f.). Vgl. De Stefani/Magnelli 2011, 537. Zu αὐτῶν = Kyklopen vgl. Herter 1929, 81 Anm. 3 (komplementäres Verhältnis zwischen den Werkzeugen und den Handwerkern selbst), Cahen 1930, 106 und Bornmann 1968, 56 ad loc. mit Hinweis auf Γ 195 f. und ι 257. 56–58 αὖε γὰρ Αἴτνη — Ἰταλίη    Das dreimal wiederholte Verb ἀύειν bezeichnet bei Homer das Kampfgeschrei (Ν 477 und Υ 48, 51), kommt aber mit leblosen Objekten (M 160 [Helme ἀύτευν], Ν 409 [der Schild ἄυσεν], 441 [der Panzer ἄυσεν]) verbunden vor (= ‚erschallen‘). Vgl. Kuiper 1896 I 62. Kallimachos spielt mit dieser homerischen Polysemie, indem er keinen Fingerzeig gibt, welche Bedeutung er bevorzugt (die Inseln können sowohl rufen wie Personen, als auch dröhnen wie Objekte). Vgl. unten zu V. 58 (ἀΰτει). Außerdem erwägt Sistakou 2009, 187 Anm. 38 eine mögliche Anspielung auf das homonyme αὔειν ‚anzünden‘ hin. Letzteres ist ein homerisches Hapax (ε 490), das von Arat (V. 1035) aufgegriffen wird. Das Motiv des brennenden Feuers als sekundäre Assoziation passt vorzüglich zum vulkanischen Ätna. In diesem Fall handelt es sich zusätzlich um eine poetische Etymologie des Wortes Αἴτνη (< αἴϑ-). Dieselbe etymologische Andeutung auch bei Pindar (P. 1. 20: Αἴτνα ~ 22 f.: ῥόον ... / αἴϑων᾽). Das Pendant für diese Erklärung ist die (nicht nur volksetymologische) Verbindung von τυφ- (‚schwelen‘) und Τυφώς (Plat. Phaidr. 230A). Kallimachos verbindet h. 4. 141 (Αἰτναίου ὄρεος πυρὶ τυφομένοιο: hier auf Briareus bezogen) beide Ansätze miteinander. Der Ätna wird nicht nur wegen seiner mythischen Assoziation mit Hephaistos als erstes Widerhallsgebiet erwähnt, sondern auch deshalb, weil das Gebirge in der geographischen Literatur als über Italien hinaus weithin sichtbar galt. Vgl. Sistakou 2009, 187. Darüber hinaus spielt der Dichter auf die antike Auffassung an, nach der zwischen den liparischen Inseln und dem Ätna-Gebiet in Sizilien eine physische Verbindung (kavernöses Höhlensytem unter der Erde) bestehe, die für die Übertragung der seismischvulkanischen Wirkungen von einer Gegend auf die andere verantwortlich



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sei. Vgl. Timai. fr. 164. 7 (FGrH IIIB 566 Jakoby) = Diod. 5. 7. 3–4 sowie Bornmann 1968, 32 ad loc. Im vierten Hymnos des Kallimachos lässt Ares seinen Schild erschallen, was eine mächtige Echowirkung erzeugt, die den Ossa, die krannonischen Gefilde und das Pindos-Gebirge, kurzum ganz Thessalien erschüttert (h. 4. 136–140). Ukleja 2005, 294 weist auf die zahlenmäßige Entsprechung zwischen ‚Ossa – Krannon – Pindos – Thessalie‘ (h. 4. 137–140) und ‚Aitne – Trinakrie – Italie – Kyrnos‘ (h. 3. 56–58) hin, sowie auf die inhaltliche Verschränkung der beiden Passagen (die Kyklopen sind h. 3. 52 mit dem Ossa, Thessaliens Aufruhr h. 4. 141 mit dem Aitna verglichen). Darauf folgt ein breit angelegtes episches Gleichnis (V. 141–147), das die ungestümen Bewegungen des Briareus unter dem Ätna einerseits (V. 141–143), und den furchtbaren Lärm in der Werkstatt des Hephaistos (V. 144–147) andererseits, zum Thema hat. Beide Vergleichsteile sind mit der Partikel τε verbunden (V. 144), was Ambivalenz schafft (seltene homerische Doppelvergleiche sind mit ἢ ὅτε strukturiert; vgl. h. Merc. 43–46): Die Werkstatt des Hephaistos könnte – wie das Verlies des Briareus – unter dem Ätna sein (zwei Vergleichsteile mit verschiedenen Akteuren und identischen Schauplätzen) oder aber anderswo (zwei verschiedene Akteure und Schauplätze). Durch diese Amphibolie spielt der Dichter mit der Lesererwartung und verunsichert sein Publikum in Bezug auf die Lokalisierung der Werkstatt des Schmiedegottes, ein notorisches ζήτημα der mythischen Geographie (vgl. ad V. 46 f.: Lipare als Stammsitz des Hephaistos). Darüber hinaus und als Kompromiss der beiden Optionen suggeriert er, dass – auch wenn die Standorte des Briareus und Hephaistos räumlich voneinander entfernt sind – ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beiden Bereichen besteht: Die Zuckungen des unter dem Ätna liegenden Untiers sorgen für das Gepolter der aufeinander fallenden Kessel in Hephaistos’ Werkstatt (V. 145 f.) und die Tätigkeit des sizilischen Vulkans beheizt den Hochofen des Schmiedegottes (V. 144 f.). Während hier die seismische Wirkung vom Ätna als Epizentrum ausgeht, greift das Getöse im Artemis-Hymnos von der Kyklopenwerkstatt auf den Ätna und die Umgebung über. Dieselbe bewusst verschwommene Ausdrucksweise und das Schwanken zwischen Lipara und Ätna charakterisiert auch die Ekphrasis bei Vergil (Aen. 8. 416–422). Alles in Allem: aus dem zweiten Teil des Vergleichssatzes (h. 4. 144–147) wird die Handlung im Artemis-Hymnos (V. 51–61). Vgl. Bing 1988, 126 Anm. 57, Ukleja 2005, 293, Schlegelmilch 2009, 215 und Stephens 2015a, 129 (Klangresonanz und Erderschütterung in sich verbreiterndem Umkreis). Die Schilderung erhebt sich vom Zierlich-Rokokohaften (Artemis) und Suggestiven (Auge der Kyklopen) bis hin zum Barock-Schwulstigen. Herter 1929, 81 hebt die humoristische Wirkung dieses barocken Überschwangs treffend hervor: So viel Mühe um eines Pferdetroges willen!

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III. Kommentar

57 f. Τρινακρίη Σικανῶν ἕδος, αὖε δὲ γείτων / Ἰταλίη    Zur poetischen Benennung Siziliens Τρινακρίη ‚das Dreieckland‘ (sonst Kall. Ait. fr. 40, 43. 60) und dessen Verhältnis zum mythischen Eiland Thrinakie vgl. Strab. 6. 2. 1, 265 C mit Bornmann 1968, 32. Zu Σικανία als älterer Bezeichnung für Σικελία vgl. Hdt. 7. 170, Thuk. 6. 2. 2 (hier auch Τρινακρίη als früherer Name), Martial. 7. 64. 3 sowie Aulin 1856, 29. Σῐκανοί für homerisches Σῑκανίη (ω 307) spiegelt wohl die prosaische Aussprache wider, während das lange Iota als metrisch-poetische Lizenz erscheint. Vgl. auch Σῑκελ- für Σῐκελ-, lat. Sīcelis für Sĭculi, Sĭcilia in hexametrischer Dichtung. Zum attributiven Gebrauch von γείτων in geographischem Sinne (‚benachbart‘) vergleicht Smiley 1914, 59 h. 4. 289 f. (γείτονες ὅρμοι). Vgl. auch Pind. N. 9. 43 (γείτονι πόντῳ) und Aischyl. Pers. 67: γείτονα χώραν. 58 μεγάλην δὲ βοὴν ἐπὶ Κύρνος ἀΰτει   Zu Κύρνος (= Korsika) vgl. Hdt. 1. 165. Meineke 1861, 160 f. tritt hier und h. 4. 19 für die handschriftlich bezeugte Lesart Κέρνος als lectio difficilior ein, aber diese Variante ist sonst nirgendwo bezeugt und es könnte sich um eine fehlerhafte Assoziation mit dem Apellativum κέρνος handeln. Die letzte Station des Widerhalls ist Korsika, das auch nachhallt (ἐπι-ἀΰτει in Tmesis mit dem resultativ-innerer Akkusativ μεγάλην ... βοήν). Zum präfigierten Verb vgl. h. 2. 102 (ἐπηΰτησε [der den Paian-Refrain, ebenfalls eine Art Nachhall, singende Chor]), Opp. kyn. 4. 301 (ἀνηΰτησαν [Stoßgebet der Bakchantinnen]), Nonn. 10. 288 (ἀνηΰτησεν). Reinsch-Werner 1976, 161 f. weist auf den Einfluss Hesiods (scut. 309: ἐπὶ δὲ πλῆμναι μέγ’ ἀύτευν) hin. Formal kommt der kallimacheische Ausdruck Hesiod und damit der unbelebten Verwendung des Verbs nahe, aber durch die Hinzufügung von βοή (‚Geschrei‘) wird auch eine homerische Allusion aktiviert, bei der ähnliche Ausdrücke (Ε 101, 347 usw.: ἐπὶ μακρὸν ἄυσεν) über ein lebendiges Subjekt verfügen (vgl. auch Theokr. 22. 91: ἐπαΰτεον [Bebryker], Apoll. Rhod. 4. 1337: ἑτάρους ἐπὶ μακρὸν ἀύτει [Iason]). So schillert die kallimacheische Formulierung zwischen Unbelebtem (widerhallende Inseln) und Belebtem (Geheul der Insel), indem sie zwischen Hesiod und Homer in der Schwebe bleibt. Vgl. Cahen 1930, 107. Etwas anders Bornmann 1968, 33 ad loc. 59 εὖϑ᾽ οἵγε ῥαιστῆρας ἀειράμενοι ὑπὲρ ὤμων   Zum Versbeginn vgl. Hom. γ 9: εὖϑ᾽ οἱ. Das technische Wort ῥαιστῆρας ‚Fäustel‘ kommt zuerst bei Homer (Σ 477) vor und wird von Apollonios (3. 1254) ebenso am Versanfang verwendet. Es ist bezeichnend für die Eigenwilligkeit des Kallimachos, dass er sich nicht scheut, das Wort von seiner homerischen Stelle zu verrücken. Vgl. Cusset 1999, 93. Zur medialen Form ἀειράμενοι in aktiver Bedeutung vgl. Bornmann 1968, 33 ad loc.



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Fowler 1989, 43 hebt die eindrucksvolle Dynamik der Szene hervor, die sich vor allem im Aufwärtsstreben der Bewegungen (V. 54: ὑπογλαύσσοντα, V. 59: ἀειράμενοι, V. 61: ἀμβολαδίς) bekundet. 60 ἢ χαλκὸν ζείοντα καμινόϑεν ἠὲ σίδηρον   Eine Ellipse des Partizips λαβών neben χαλκόν und σίδηρον (so Aulin 1856, 9) ist kaum zu spüren, da die beiden Substantive unschwer als Objekte von τετύποντες aufgefasst werden dürfen, wobei das Adverb καμινόϑεν als prädikatives „Attribut“ die Substantive ergänzt (‚die Bronze oder das Erz aus dem Schmelzofen‘). Zu ζείοντα vgl. z.B. Hom. Φ 362, 365 (in der Apodosis und der Protasis eines Gleichnisses zweimal [im Imperfekt ohne Iota]), Σ 349 (Aorist). Während das Wort im epischen Sprachgebrauch das Sieden/Brodeln des Wassers bedeutet, überträgt es Kallimachos im Anschluss an Hes. theog. 695 ~ 847 (von der erhitzten Erde) auf durchglühte Metalle (vgl. Aulin 1856, 44). Der Vers mit einer Form von ζέω und dem disjunktiven ἢ χαλκὸν ... ἠὲ σίδηρον erinnert an Hes. theog. 695 ~ 847 (ἔζεε δὲ χϑὼν πᾶσα ... ) mit kopulativer Aufzählung der geographischen Gebiete (in Bezug auf die ungestümen Titanen und den unbändigen Typhoeus). Zur Disjunktion vgl. auch Hes. theog. 864: ἠὲ σίδηρος (neben Zinn in einem Gleichnis des Schmelztiegels der Schmiede [V. 861–866], die die Kunst des Hephaistos [V. 866] ausüben, im Kontext der Tötung des Typhoeus). Die Bronze (χαλκόν) kommt bei Hom. Σ 473 ebenso am Versanfang hinsichtlich einer Legierung von vier Metallen (Bronze, Zinn, Silber, Gold) durch Hephaistos vor. Vgl. ReinschWerner 1976, 304 f. In Bezug auf ζείοντα ... σίδηρον vergleichen Eichgrün 1961, 116 und Reinsch-Werner 1976, 305 Anm. 1 Apoll. Rhod. 1. 733 f. (ζείουσαν und σιδηρείῃς) und legen dies als Zeichen der Abhängigkeit des Apollonios von Kallimachos aus. 61 (a) ἀμβολαδὶς τετύποντες   Nachdem über ζείοντα im vorigen Vers auf Hom. Φ 362 (ζεῖ) angespielt wurde, ruft ἀμβολαδίς Φ 364 (ἀμβολάδην: das Aufbrausen des Wellfleisch-Eintopfes) ins Gedächtnis. Der abstrakte semantische Gehalt des Wortes ist eine vertikale Bewegung. Folgt Kallimachos Homer hinsichtlich der Bedeutung des Wortes, müssten die Kyklopen ihre Fäustel weit ausholend hochheben, bevor sie losschlügen. So Ernesti 1761, 100, Aulin 1856, 39, Meineke 1961, 26 ad loc., Bredau 1892, 67, Kuiper 1896 I 63, Cahen 1930, 107 f. sowie 19483, 240. Die Form wandelt der Dichter jedoch etwas ab durch eine andere adverbiale Endung, und die senkrechte Bewegung überträgt er vom Wasser auf ein anderes Gebiet (Metall), wie es auch bei ζείοντα im vorigen Vers der Fall ist. Ganz Φ 364 verhaftet sind Hdt. 4. 181 und Opp. hal. 5. 210. Vgl. auch Arat. 1070 (ἀναβλήδην: ‚nach oben‘ von einander bespringenden Huftieren). Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der hellenistische Dichter – eigenwillig oder unter Einfluss einer uns verlorenen Vorlage – eine semantische

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III. Kommentar

Neuerung durchgeführt hat und ἀμβολαδίς τετύποντες als ‚mit rythmisch abwechselnden Schlägen‘ verstanden wissen wollte. De Ian 1893, 17–20 mutmaßt den Einfluss der lexikographisch-grammatischen Tradition (vgl. Etym. m. 80. 21–23 s. v. ἀμβολάδην [ἐξ ὑποβολῆς]) über den rhapsodischen Wechselgesang (vgl. Hom. h. Merc. 426 mit Vergados 2013, 506 ad. loc.). Diese musikalische Assoziation könnte bereits bei Homer (Χ 476: ἀμβλήδην [die Stille jäh beendende Klage der Andromache]) mitschwingen. Vgl. auch Pind. P. 1. 4 (ἀμβολάς) und N. 10. 33 (ἀμβολάδαν). Vergil (georg. 4. 175 und Aen. 8. 451: in numerum [am Versanfang]) scheint die Kallimachos-Stelle so verstanden zu haben, was aber über die Absichten des Kallimachos nichts aussagt. Vgl. auch Mair 19552, 65 und D’Alessio 1996, 103 (mit Anm. 13). Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist schwer, und sicherlich hat es Kallimachos darauf abgesehen, seinem Leser Anlass zum Nachgrübeln zu geben. Der Umstand jedoch, dass das Hochheben der Schlägel V. 59 (ῥαιστῆρας ἀειράμενοι ὑπὲρ ὤμων) bereits erwähnt war, gibt den Ausschlag für die Bedeutung ἀμβολαδίς = ‚wechselweise‘. So die Scholien zur Stelle (Pfeiffer 1953 II 60: ἐκ διαδοχῆς), Reiske 1766, 731 f., de Ian 1893, 15 und Bornmann 1968, 34 ad loc. Blomquists (1993, 28) Konjektur ἐμβολαδίς scheint mir unnötig und ist auch semantisch äußerst forciert (‚[Hammerschläge] hineinflechtend‘). Zu τετύποντες vgl. Kall. fr. 110. 50 (τυπίδων). Nach Aulin 1856, 60 handelt es sich um eine reduplizierte Perfekt-Form mit äolischer Barytonese nach Homers Vorbild (Μ 125: κεκλήγοντες). Vgl. auch h. 1. 53 (πελήγοντες). Anders Giangrande 1971, 356 (τετυπόντες). Zur weiteren Literatur darüber vgl. Rengakos 1993, 121. Der Tadel Cobets 1861, 413 sowie 18732, 339 (pessime et nullo auctore) stimmt jedenfalls nicht. 61 (b) ἐπὶ μέγα μυχϑίσσειαν   Das adverbiale Syntagma ἐπὶ μέγα bedeutet hier wie V. 55 einfach ‚gar sehr‘. Reinsch-Werner 1976, 162 Anm. 1 meint, ἐπὶ ... μυχϑίσσειαν stehe in Tmesis wie V. 58 (... schnaufen fürchterlich dazu), weil ἐπὶ μέγα = ‚weithin‘ in diesem Kontext wenig angemessen wäre. Aber ἐπὶ μέγα bedeutet gar nicht ‚weithin‘ (= ἐπὶ μακρὸν) weder hier noch im Vers 55. Zur lectio difficilior μυχϑίσσειαν (Rückverweis auf βαρὺν στόνον der Kyklopen [V. 56]) statt μοχϑήσειαν der Vulgata (so auch Schneider 1870 I 19 und Wilamowitz 19255, 19) vgl. Meineke 1861, 26 ad loc., dem die Emendation zu Ehren gereicht, und Mair/Trypanis 19552, xi. Vgl. Aischyl. Prom. 743 (κέκραγας κἀναμυχϑίζῃ). Zum klassischen optativus iterativus vgl. Bulloch 1985a, 170 ad h. 5. 61 mit weiteren Parallelen. Vgl. auch ad V. 66. 62 (a) τῷ σφέας οὐκ ἐτάλασσαν ... Ὠκεανῖναι   Zur Furcht der Nymphen und den hiermit verbundenen literarischen Allusionen vgl. ad V. 51. Zu Ὠκεανῖναι vgl. ad V. 13.



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Die Formulierung οὐκ ἐτάλασσαν ... οὔτ᾽ ἄντην ἰδέειν scheint eine Kombination zweier Homer-Stellen darzustellen: Ρ 166 f.: ἀλλὰ σύ γ’ Αἴαντος μεγαλήτορος οὐκ ἐτάλασσας / στήμεναι ἄντα κατ’ ὄσσε ἰδών (Vorwurf des Glaukos Hektor gegenüber, vor Aias zurückgeschreckt zu sein) und Τ 14 f.: Μυρμιδόνας δ’ ἄρα πάντας ἕλε τρόμος, οὐδέ τις ἔτλη / ἄντην εἰσιδέειν [am Versanfang], ἀλλ’ ἔτρεσαν (die Myrmidonen erzittern vor dem Gerassel der Waffen des Achilleus). Vgl. auch λ 142 f.: οὐδ’ ἑὸν υἱὸν / ἔτλη ἐσάντα ἰδεῖν οὐδὲ προτιμυϑήσασϑαι (das Eidolon der Antikleia blickt Odysseus nicht an) und Apoll. Rhod. 2. 681 f.: τοὺς δ’ ἕλε ϑάμβος ἰδόντας ἀμήχανον, οὐδέ τις ἔτλη / ἀντίον αὐγάσσασϑαι ἐς ὄμματα καλὰ ϑεοῖο (die Argonauten ertragen es nicht, Apollon ins Gesicht zu blicken). Smiley 1914, 72 vergleicht auch Hes. fr. 25. 9 f. M–W: οὔτέ τις ἐν πολέ̣μ̣[ωι φϑισήνο]ρι δακρυ̣όε̣[ντι / ἔτλη ἐσάντα ἰδ̣ὼ[ν μεῖναι κρατερ]ὸ̣ν Μ̣ελέαγ[ρον. Ein ähnlicher Ausdruck bei Kallimachos ist Hec. fr. 69. 2 f. Hollis: πάντες ὑπέ̣τ̣ρ̣ε̣σ̣α̣ν̣, ο̣ὐ̣δ̣έ̣ τ̣ι̣ς̣ ἔ̣τ̣λ̣η / ἄνδρα μέγαν καὶ ϑῆρα πελώριον ἄ̣ν̣τ̣α̣ ἰδέσϑαι (schauerlicher Anblick des Theseus und des marathonischen Stiers). Vgl. Kuiper 1896 I 63 und Reinsch-Werner 1976, 300. 62 (b) ἀκηδέες   Hes. theog. 61 erscheinen die Musen als sorglose (ἀκηδέα ϑυμὸν ἐχούσαις) Wesen, denen nur der Gesang am Herzen liegt. Vgl. auch erg. 112 (goldenes Geschlecht) und 170 (Heroen) sowie ReinschWerner 1976, 186 Anm. 1. Das Wort ἀκηδέες ist sowohl attributiv (ἀκηδέες Ὠκεανῖναι) als auch prädikativ (ἀκηδέες ... ἰδέειν) zu verstehen: die sonst sorglosen (ἀκηδέες) Okeaniden wurden so aus der Fassung gebracht, dass sie dem Anblick nicht ohne Herzbeklemmung (ἀκηδέες) begegnen konnten (vgl. V. 65: οὐδέποτ᾽ ἀφρικτί). Auf jeden Fall besteht ein Gegensatz zwischen dem angeborenen Flattersinn der Nymphen und der Ernsthaftigkeit der vorliegenden Situation. Auch bei Homer bedeutet ἀκηδής ‚sorglos‘ (Φ 123: Fische; Ω 526: leichtlebige Götter im Widerspiel mit den bekümmerten Sterblichen) und steht meistens, wie bei Kallimachos, vor der bukolischen Zäsur. Vgl. auch ἀκηδέα ϑυμὸν ἐχούσαις bei Hes. theog. 61 (Musen). Ein mögliches Vorkommen des Wortes ἀκηδέες in ähnlichem Kontext (verspielte Mädchen und ihre sorglosen Puppen[?], die Nymphen ähneln) ist Erinnas Elakate (fr. 401 SH). Zur Ergänzung νύμ[φ]αι[σιν προσόμοιοι ἀκηδ]έες (V. 22) vgl. Bowra 1936, 326, der Erinna für eine Zeitgenossin Theokrits hält und die realistische Schilderung des Kindesalters in ihrer Elegie würdigt (siehe auch Zanker 1987, 56 f.). 63 οὔτ᾽ ἄντην ἰδέειν οὔτε κτύπον οὔασι δέχϑαι   Zu ἄντην ἰδέειν vgl. ad V. 62 (a). Zum polaren Ausdrucksweise ‚Sehen–Hören‘ vgl. vor allem Hom. Ω 223: αὐτὸς γὰρ ἄκουσα ϑεοῦ καὶ ἐσέδρακον ἄντην sowie γ 93–95 und π 32. Aber auch Pindar (P. 1. 26: τέρας μὲν ϑαυμάσιον προσιδέσϑαι, ϑαῦμα δὲ καὶ παρεόντων ἀκοῦσαι [von Typhos und Aitna]) könnte Kallimachos

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III. Kommentar

vorgeschwebt haben, da an dieser Stelle ebenfalls vulkanische Tätigkeit als Seh- und Höreindruck beschrieben wird. Vgl. auch Kall. h. 4. 179 f. (Einfall der Galater auf Delphi: Sehen als unmittelbarerer Eindruck als Hören) und in weiter entwickelter Form Eur. Bacch. 1086 f.: αἳ δ’ ὠσὶν ἠχὴν οὐ σαφῶς δεδεγμέναι / ἔστησαν ὀρϑαὶ καὶ διήνεγκαν κόρας. Nach ReinschWerner 1976, 185 und 300 f. bezieht sich Kallimachos auf Hes. theog. 700 f.: εἴσατο δ’ ἄντα / ὀφϑαλμοῖσιν ἰδεῖν ἠδ’ οὔασιν ὄσσαν ἀκοῦσαι (visuelle und akustische Seite der Titanenschlacht). So bereits auch Smiley 1914, 72. V. 707 werden auch Blitz und Donner erwähnt (βροντήν τε στεροπήν τε καὶ αἰϑαλόεντα κεραυνόν), die als Eigennamen zwei Kyklopen bezeichnen, die die Blitzstrahlen als Waffen des Zeus fertigen (vgl. theog. 140 f. und auch Kall. h. 3. 68 [Arges und Steropes] sowie 75 [Brontes]). Vgl. auch ad V. 117 f. Zu κτύπον οὔασι δέχϑαι vergleicht Kuiper 1896 I 64 Hom. Κ 535: ἵππων μ’ ὠκυπόδων ἀμφὶ κτύπος οὔατα βάλλει. Zum Aorist δέχϑαι (Kuiper 1896 I 47) vgl. V. 51 und 109. Zu Längung οὔτ κτύπον vgl. Kapitel I 6, 80. 64 οὐ νέμεσις   Auf die Wendung οὐ νέμεσις, die Erwartung und Spannung schafft, folgt eine asyndetische Konstruktion (so auch ep. 21. 5). Dies läuft Sturm gegen die homerische Praxis, in der die Konstruktion auf einen Infinitiv ausgeht (Γ 156 f., Ξ 80; α 350, υ 330; vgl. auch δ 195, σ 227, χ 59 [Verbformen aus νεμεσσάω]). Die Bedeutung entspricht der homerischen (Empfindungen von Verwunderung über Entrüstung und Verargen bis hin zu mildem Befremden). Vgl. Irmscher 1950, 21–25 und Köhnken 1973, 432–436. Dass hier νέμεσις mit der Rachegöttin irgendetwas zu tun hat, nur weil sie mit Artemis/Hekate identifiziert und in Rhamnus verehrt wird (vgl. V. 232), wie es Stephens 2015a, 130 annimt, ist höchst zweifelhaft. Es ist also kein Wunder/kein Grund, zu stutzen oder Anstoß zu nehmen, wenn die Nymphen nicht ohne schlotternde Knie die Kyklopen anblicken. Kontextuell weicht jedoch Kallimachos von seiner Vorlage ab: Hom. Γ 156 f. wird Helenas mitreißende Schönheit gewürdigt, h. 3. 64–71 gibt der Dichter ein lebendig geschildertes, lustig-skurriles Genrebild zum Besten, das einen Einblick ins bunte Treiben der olympischen Kinderstube gewährt und den gleichen Geist atmet, wie die Episode mit Artemis und Zeus am Anfang des Hymnos. Vgl. Herter 1929, 82 (... eine köstliche Probe echten Humors ..., wie er sich in der griechischen Literatur nicht allzu häufig findet). Fowler 1989, 46 hebt den Gegensatz zwischen der barock überladenen Wucht der Kyklopen und der rokokohaften Zierlichkeit der Artemis-Szene hervor. Auch hier werden die Verhältnisse alltäglichen (wohl alexandrinischen) Familienlebens auf ein olympisches Internum übertragen. Vgl. Ferguson 1980, 117 (... an insight in Greek family life projected unto Olympus) und Ambühl 2005, 270 (Übertragung aus dem menschlichen Alltagsleben auf



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den Bereich der Götter). So bereits auch Kuiper 1896 I 65 (exemplo sumpto ex aequalium vita). Haupt 1875 I 257 zitiert eine Stelle aus Johannes Chrysostomos (hom. 11 in Matth. [PG 57, 191]), die zeigt, dass die Übernahme der Rolle des Schwarzen Mannes durch einen Erwachsenen, um dem kleinen Satansbraten seine Mucken auszutreiben, jederzeit im Brauch war. 64 f. καὶ αἱ μάλα μηκέτι τυτϑαί / ... μακάρων ... ϑύγατρες    Zur Distanzstellung τυτϑαί ... ϑύγατρες (jeweils am Hexameterende) vgl. z.B. h. 1. 24 f., h. 3. 77 f., 134 f., 204 f., h. 4. 1 f., 302 f. sowie McLennan 1977, 139 (für mildere Formen der durch Versbeugung gesperrten Satzglieder) und Kapitel I 6, 88–91 (Enjambement). Für μάλα zur Verstärkung der Negation μηκέτι vgl. Hom. Β 241, Ε 407, Σ 434; ε 103, 358. Kuiper 1896 I 64 nimmt eine Inversion an, so dass μάλα das Attribut τυτϑαί steigerte, aber dies ist unnötig. Zugleich variiert Kallimachos Hom. Χ 480, wo das Adjektiv τυτϑός für eine weibliche Person (also zweiendig) gebraucht wird. 65 οὐδέποτ᾽ ἀφρικτὶ ... ὁρόωσι   Die Litotes οὐδέποτ᾽ ἀφρικτί nimmt die prädikative Bedeutung von οὐκ ... ἀκηδέες (V. 62) wieder auf. Formal ist es ein Hapax (vgl. Aischyl. Hik. 784: ἄφρικτον). Vgl. ad V. 267 (ἀκλαυτί) und Bornmann 1968, 35 ad loc. Zur epischen Diektasis in ὁρόωσι vgl. h. 3. 142, 149, 161‚ h. 4. 28, 174, 202 (ὁρόωσα), h. 6. 38. Zu μάκαρ als Bezeichnung des Gottes (κ 299) vgl. h. 1. 72, 2. 26; Ait. fr. 85. 12, 119. 1 mit LSJ s. v. μάκαρ und Harder 2012 II 649 ad fr. 75. 65. 66 ἀλλ᾽ ὅτε κουράων τις ἀπειϑέα μητέρι τεύχοι   Zum adversativen ἀλλ᾽ ὅτε vergleicht Bornmann 1968, 35 ad loc. Hom. ο 407–411. Die zerdehnte Genitivform κουράων kommt nur zweimal bei Homer vor (Ζ 247 [Töchter des Priamos] und ζ 122 [Nymphen]). Hier bezeichnet das Wort die Töchter der olympischen Göttinnen (μήτηρ). Kallimachos nimmt sich also einer homerischen Rarität an. Der Optativ τεύχοι ist iterativ (vgl. V. 61, 92 und 151 mit Herter 1929, 82 Anm. 3 und Kühner–Gerth 19043 II 451). Meinekes (1861, 162) Fassung τεύχει (nach α) verschlimmbessert den Text. Am Ausdruck ἀπειϑέα ... τεύχοι ist auch unnötig gerüttelt worden (vgl. Meineke 1861, 162 [Konjekturen] und Cobet 1861, 390). Er kann einfach als Analogiebildung nach Hom. Α 110 (ἄλγεα τεύχει), Ν 209 (κήδεα τεῦχεν, beide Male am Versende), β 63 (οὐ γὰρ ἔτ’ ἀνσχετὰ ἔργα τετεύχαται), Hes. erg. 265 (οἷ αὐτῷ κακὰ τεύχει ἀνὴρ ἄλλῳ κακὰ τεύχων) erklärt werden. Das adjectivum verbale ἀνσχετά und das Adjektiv κακά (abstrakt ohne bestimmendes Nomen) in Neutrum Plural kommen ἀπειϑέα besonders nahe. Dementsprechend wird auch dies Wort als ein Abstraktum ‚Unfug‘, ‚Ungehorsam‘ aufzufassen sein. Vgl. Aulin 1856, 25, Cahen 1930, 109 und Bornmann 1968, 35 ad loc., der auch h. 6. 65: Ἐρυσίχϑονι τεῦχε πονηρά vergleicht.

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III. Kommentar

67 μήτηρ μὲν Κύκλωπας ἑῇ ἐπὶ παιδὶ καλιστρεῖ    Das seltene Verb καλιστρεῖ (vgl. [Dem.] 47. 60 [IV 121 Dilts] und Harpokr. 105. 13–15 Dindorf, sonst noch h. 6. 97) ist eine (ionische?; vgl. Harpokr. 105. 14: Ἰακόν) Variante für καλεῖ (Hesych. 454, 490 s. v. καλιστρεῖν [II 400, 402 Latte]) mit einem Verbalsuffix nach der Analogie von Σ 543 (ἐλάστρεον) und μ 124 (βωστρεῖν; semantisch mit καλιστρεῖν verwandt). Vgl. Kuiper 1896 I 65 und Stephens 2015a, 131. 68 (a) Ἄργην ἢ Στερόπην  Zu den drei Kyklopen (Arges, Steropes, Brontes) vgl. Hes. theog 140 (in der Reihenfolge: Brontes, Steropes, Arges; Steropes an derselben metrischen sedes), von denen der hier auffällig ausgesparte Brontes V. 75 „nachgetragen“ wird, da ihm eine besondere Rolle zukommt (Reinsch-Werner 1976, 301 f.). Zu Steropes vgl. Euphor. fr. 51. 11 (p. 40 CA): ἢ Αἴτνην φολόεσσαν, ἐναύλιον Ἀστερόποιο mit Leurini 1992, 152. Vgl. ad V. 47 f. 68 f. ὁ δὲ ... / ἔρχεται Ἑρμείης   Der bestimmte Artikel wird homerisierend mit demonstrativ-deiktischer Funktion verwendet (etwas milder auch h. 6. 120: αἱ ... λευκότριχες ἵπποι), was die erhebliche Distanzstellung verträglich macht. Vgl. Cahen 1929, 458, McLennan 1977, 139 und Chantraine 1953 II 158 f. Diese Wortstellung im Verbund mit der Partikel δέ (im Kontrast zu μέν [V. 67]) inszeniert den Auftritt einer unverhofften Gestalt. Vgl. Svensson 1937, 141–152 (mit reicher Stellensammlung, unter anderem Hom. Χ 163; υ 242; Hes. theog. 200, 469 f., 655 f.). Die zuerst nicht festgelegte Identität der mit dem bestimmten Artikel eingeführten Person erweckt beim Leser die Erwartung, nach Arges und Steropes trete Brontes auf, aber er muss sich darin getäuscht sehen: Keiner der Kyklopen ist einsatzbereit und Hermes muss für sie als Lückenbüßer in die Bresche springen (so McKay 1962a, 138, Bornmann 1968, XXXXIX sowie XLIX und Reinsch-Werner 1976, 301). McKays andere Idee (1962a, 139), dass Brontes wegen des von seiner Brust ausgerupften Haarbündels (V. 77–79) lächerlich erscheine und deswegen zum Butzemann nicht tauge, ist denkbar überzogen. Kortz’ Erklärung (1902, 31), im Himmel seien keine Kyklopen, ist forciert, da Kallimachos keine unüberschreitbaren Grenzen in der Götterwelt kennt. Vielleicht ist es am besten, sich die Kyklopen anderweitig beschäftigt (mit den Blitzstrahlen des Zeus oder Poseidons Pferdetrog) vorzustellen. Bing/Uhrmeister 1994, 22 sehen einen Kontrast darin, dass im Gegensatz zu Artemis den Göttermädchen auch Hermes als „Kyklopen-Verschnitt“ einen Schreck einjagt. Es steckt ein Fünkchen Ironie und Lebensrealismus auch darin, dass der „richtige“ Popanz, mit dem man droht, nie erscheint. Vgl. Sier 2002, 81 Anm. 55 zu Pind. N. 7. 105 (μαψυλάκας Διὸς Κόρινϑος). Hermes als „Formwandler“ und „Ur-Possenreißer“ eignet sich besonders gut als verkleidete Schreckgestalt. Vgl. bereits Haupt 1875 I 257 f. und



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kürzlich Ambühl 2005, 295: Hermes, der Meister der Verwandlung, der sich im homerischen Hymnos als Kind tarnt, mutiert somit bei Kallimachos zum Kinderschreck. Hierzu befähigt ihn auch seine Verbindung mit der Nacht und der Unterwelt (Hom. h. Merc. 15, 358, 572). Zur Verbindung sämtlicher Schreckdämonen mit der Unterwelt vgl. Rohde 19033, 407–411. Herter 1929, 82 spricht treffend von einem „Kinderwärter des Olymp“, der den Schwarzen Mann abgeben soll. Darüber hinaus dürfte Kallimachos zur Schilderung des kohlschwarzen Hermes auch durch den Vergleich des in seinen Windeln kuschelnden Hermes mit einer glühenden Kohle, die von der Asche zugedeckt ist (Hom. h. Merc. 237 f.), inspiriert worden sein. Vgl. Bornmann 1968, 37 ad loc., Ambühl 2005, 295, Vergados 2013, 118 und Stephens 2015a, 131, die auch Hom. h. 19. 35–39 heranzieht, wo Hermes und das schreckenerregende Angesicht Pans gekoppelt werden. Der homerische Hermes-Hymnos mit der zwitterhaften (kindlich-göttlichen) Gestalt des Hermes ist insgesamt ein wichtiger Prätext für den kallimacheischen Artemis-Hymnos. Der „Cameoauftritt“ von Hermes (hier und V. 142 f.) könnte auch eine Hommage auf den Vorgängerhymnos darstellen und als Emblem für eine humorvolle Schilderung der olympischen Götterwelt fungieren. Der homerische Hymnos hat zuerst den Humor in der Hymnengattung eingebürgert, und Kallimachos sieht sich als Fortsetzer dieser Tradition. Vgl. auch Kapitel I 2, 17 f. Einen ähnlich verspielt-hellenistischen Geist atmet Mercutios Rede in Shakespeares Romeo and Juliet (I 4. 570–595), der eine ernstvoll-hymnisch verbrämte, mit aitiologischen Bezügen durchsetzte, aber von Grund auf humoristische Aretalogie der Queen Mab improvisiert. Ambühl 2005, 265 f. vergleicht den aus dem Winkel des Gemachs auftauchenden rußbeschmierten Hermes mit dem dem Meerwasser entsteigenden salzverkrusteten Odysseus. Vgl. auch ad V. 51 f. Kallimachos verwendet hier, V. 143 und h. 4. 272 die literar-ionische Form Ἑρμείης (so auch Hes. erg. 68, fr. 66. 4 M–W; Arat. 269; Nik. Alex. 561; Alex. Ait. fr. 3. 11 Magnelli), wohingegen Homer Ἑρμείας gebraucht und es gemein-ionisch Ἑρμῆς heißt (so auch Kall. ep. 45. 3). Hier kommt das Wort an derselben Stelle wie bei Hom. h. 19. 28 vor, wo ebenfalls die „nicht epische“ Form (Ἑρμείην) bevorzugt wird (V. 40 heißt es dann wieder Ἑρμείας). Vgl. Kuiper 1896 I 70 und Reinsch-Werner 1976, 207–209 (Distanz von der altepischen Sprache). 68 (b) δώματος ἐκ μυχάτοιο  Zur Superlativform μυχάτοιο (‚innerstes‘) vgl. φ 146: μυχοίτατος, während in der Prosa μυχαίτατος auftaucht (Kuiper 1896 I 65). Schmitt 1970, 129 Anm. 17 vermutet zu Recht, hier liege eine Analogiebildung nach dem Muster von ἔσχατος vor. Substantiviert (‚inner­s­ ter Schlupfwinkel‘) erscheint das Wort Kall. Hec. fr. 63 Hollis. Bei Apollo-

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III. Kommentar

nios Rhodios, den beiden Oppiani und Nikandros wird die Verwendung des Attributs – wohl unter dem Einfluss des Kallimachos – zur Manier. 69 σποδιῇ κεχρημένος αἰϑῇ   Ich sehe keinen zwingenden Grund, das handschriftliche κεχρημένος zu κεχριμένος (eine Emendation von Blomfield 1815, 102 und Meineke 1861, 26 ad loc. im Anschluss an Graevius), das die lectio facilior darstellt, zu verändern. Die Form κεχρημένος hat bereits T. Hemsterhuis in einer gelehrten Zugabe zu Ernestis Ausgabe (1761, 103 f.) zu Ehren gebracht (pace Cobet 18732, 126). Vgl. auch Mair 19552, 66 Anm. a: This participle in late poetry is used in the vaguest way to indicate any sort of condition. Anders Bornmann 1968, 36 ad loc. Zum Adjektiv αἰϑός (‚kohlschwarz‘) vgl. Aristoph. Thesm. 246. Obgleich es nicht homerisch ist, kommt αἴϑωψ κ 152 auf καπνός bezogen vor. Eine auffällige Verwendung, da sonst das Wort sich bei Homer immer auf οἶνος oder χαλκός bezieht. Vgl. auch Ξ 372 (πάναιϑος ‚strahlend‘). So auch Pindar (P. 8. 46 auf Alkma[o]ns Schild bezogen). Was die Eigennamen betrifft, ist Αἴϑη der Name des rothaarigen Rosses Agamemnons (Ψ 295 und 525), Αἴϑων (‚Heißhunger‘) der Beiname Erysichthons (Hes. fr. 43a 5 M–W, auf das Kallimachos h. 6. 67 mit dem Attribut αἴϑων anspielt). Mithin ist bei Kallimachos auch die Bedeutung ‚schwarz‘ für αἰϑός außergewöhnlich, da der Stamm αἰϑ- eher die Farbe (oder eine andere Eigenschaft) des Feuers (‚rot‘, ‚glänzend‘) suggeriert. Vgl. auch Kuiper 1896 I 66 und Schmitt 1970, 12 Anm. 6. 70 αὐτίκα τὴν κούρην μορμύσσεται   Der Artikel vor κούρην ist demonstrativ, wie in der epischen Sprache üblich, und bezieht sich auf κουράων bzw. παιδί (V. 66 f.) zurück, indem er ausdrückt, dass es um ein bestimmtes Mädchen geht. Vgl. auch ad V. 68 f. und 212 f. Das Verb μορμύσσεται (Bredau 1892, 48 zufolge eine „synkopierte“ Form des längeren μορμολύττεσϑαι) kommt in gleicher Form auch noch h. 4. 297 vor und bezieht sich auch hier auf Mädchen (der Hymenaios stimmt die heimzuführenden κοῦραι ängstlich). Man kann nur sagen, dass Artemis mutig und unantastbar männlicher Agression (Kyklopen) gegenübersteht, während die gemeinen Nymphen davon überwältigt sind. Ambühls (2005, 272) Idee, dass die Nymphen hier die „normalen“ Frauen symbolisieren, die durch die Hochzeit dem männlichen Gegenpart anheimfallen und über die die Göttin Artemis erhaben sei, ist weniger einleuchtend, da in unserem Kontext keine erotischen Obertöne zu vernehmen sind. Ein Vorbild des Kallimachos dürfte Pind. fr. 52n (= Pai. 20) 6: μορ] μορ̣ύξιας sein, wo vermutlich der Schrecken beschrieben wurde, den die Herakles und Iphikles angreifenden Schlangen verbreiteten. Vgl. Zanker 1987, 176 f. Die Flucht der kephallenischen Hausmägde im Pindar-Frag-



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ment (V. 17–19; vgl. N. 1. 48 f.) erinnert an die Panik der Nymphen. Zur impliziten Parallele ‚Artemis–Herakles‘ vgl. ad V. 47 f. Die Schreckgestalt Mormo, die über μορμύσσεται heraufbeschworen wird (die Wurzel μορμ- bedeutet ‚Schrecken‘, verwandt mit lat. formido, und dient als Grundlage für eine Personifikation), ist allerdings nicht in der hohen Poesie, sondern im Alltagsleben beheimatet. Zu Mormo und ihren Verwandten vgl. Sapph. fr. 168A (Gello), Aristoph. Ran. 289 (Empuse), Ach. 582 (Mormo), Erinna fr. 401. 25–27 SH (Μο[ρμ]ώ in der Sphäre der Mädchen; siehe auch Bowra 1936, 326 und 332 f., Hutchinson 1988, 19 f. und Ambühl 2005, 269–273 sowie ad V. 62 [b]), Theokr. 15. 40 (Name eines bissigen Pferdes), Strab. 1. 2. 8, 19 C (Μορμολύκη), Poll. 4. 115, 10. 167, Lukian. philopseud. 2, Philostr. vit. Ap. 4. 25 [165] (I 145 Kayser). Platon verwendet μορμολύττεσϑαι mehrmals (z.B. Krit. 46C) und einmal μορμολύκεια (Phaid. 77E), was eine Verbindung des zweiten Gliedes des Wortes mit λύκος nahelegt. Zur Μορμολύκη in Wolfsgestalt vgl. Tambornino 1935, 311 und Johnston 1999, 181 f. sowie 2000, 400. Zur kallimacheischen Stelle und Mormo vgl. auch Patera 2015, 135 f. und 106–144. Hermes agiert hier tatsächlich als Mormo (‚Schreckgespenst‘). Mithin verbindet Kallimachos auch hier geschickt erhabene Literatur (Pindar) mit der Sphäre der Niederungen alltäglichen Lebens (vgl. ad V. 64). 70 f. ἡ δὲ τεκούσης / δύνει ἔσω κόλπους ϑεμένη ἐπὶ φάεσι χεῖρας   Zum Zurücklehnen des Kindes an den weiblichen Busen vgl. Hom. Ζ 467 f. (Astyanax und seine Amme) und Θ 271 f. (ein Kind und seine Mutter), Eur. Tro. 557–559, Iuv. 3. 175 f. sowie Herter 1929, 82 und Ambühl 2005, 269 mit Anm. 194. Zum Gestus der zum Schutz vor etwas Schrecklichem vorgehaltenen Hände vgl. Soph. Oid. K. 1650–1652 und Paus. 10. 26. 9. Zu φάεα als Augen vgl. ad V. 53 (V. 211: φαέεσσι). Das Partizip ϑεμέν- hat bei Homer traditionellerweise den Platz zwischen der stumpfen Mittelzäsur und der Heph­­themimeres. Das Bild des furchtsamen Kindes findet bei Oppianos (hal. 3. 512–518) im Vehikel eines Gleichnisses eine ganz andere Verwendung (das naschhafte Mädchen versucht, in der Vorratskammer zu schlecken, befürchtet aber von seiner Mutter erwischt zu werden). 72 κοῦρα, σὺ δὲ προτέρω περ, ἔτι τριέτηρος ἐοῦσα   Mit der Apostrophe κοῦρα lenkt die Erzählung zu Artemis zurück, die mit V. 46 aus dem Fokus verschwunden war. Darüber hinaus hält Kallimachos die erste Apostrophe an Artemis im Du-Stil für diesen einschneidenden Moment bereit, in dem die Göttin außerordentlichen Mut an den Tag legt. Damit scheint der Erzähler Artemis an eine Zeit erinnern zu wollen, die ein Kind normalerweise aufgrund der Erzählung seiner Eltern nachträglich kennenlernt (Haslam 1993, 112 Anm. 3). Die Anreden in Du-Form begleiten die Erzählung und Aretalogie bis zum Beginn des Epilogs, wo der Er/Sie-Stil zurückkehrt (V. 259).

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III. Kommentar

Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 22 und Ambühl 2005, 271 sowie Kapitel I 2, 31 f. Der Ausdruck κοῦρα (tapfere Artemis) kontrastiert mit κουράων (V. 66: furchtsame Nymphen). Nach Schneider 1873 II 216 und Pfeiffer 1932, 204 Anm. 71a hat das kurze Alpha im Vokativ κοῦρα in dem homerischen νύμφᾰ φίλη seinen Ursprung. Für νύμφᾰ vgl. z.B. Kall. Ait. fr. 54. 2 Harder, fr. 228. 5, 788, h. 4. 215. Der verschränkte Hauptsatz (V. 72–77: κοῦρα, σύ ... ἐδράξαο) ist von Nebensätzen umrahmt, die komplexe Umstände angeben: V. 73 (εὖτ᾽ ἔμολεν Λητώ σε μετ᾽ ἀγκαλίδεσσι φέρουσα) schildert den temporalen und situativen Hintergrund, der erste genitivus absolutus mit abhängigem Finalsatz (V. 74: Ἡφαίστου καλέοντος ὅπως ὀπτήρια δοίη) ist kataphorisch (liefert eine kausale Angabe zum vorausgehenden temporalen Satz), der zweite (V. 75: Βρόντεώ σε στιβαροῖσιν ἐφεσσαμένου γονάτεσσι) anaphorisch (gibt die Ursache an zum Geschehen des in den nächsten nachfolgenden Versen abgerundeten Hauptsatzes). Während bei Homer προτέρω stets lokal verwendet wird (ξ 356, ω 475: ‚vorwärts‘), hat es hier eine temporale Bedeutung (‚früher‘), was von Apollonios Rhodios nachgeahmt wird (2. 864). Vgl. Kuiper 1896 I 66 und Selden 1998, 375. Zu τριέτηρος vgl. Hom. Β 403, Η 315; ξ 419, τ 420 (πενταέτηρος); Hes. erg. 436 (ἐνναέτηρος) sowie Schneider 1873 II 216. 73 Λητώ σε μετ᾽ ἀγκαλίδεσσι φέρουσα   Zu μετ᾽ ἀγκαλίδεσσι vgl. Hom. Σ 555, Χ 503 mit Herter 1929, 82 Anm. 1. Die Anwesenheit der Leto interpretiert Ambühl 2005, 275 als die einer Bezugsperson für das Kind, das sich allmählich von der weiblichen Obhut emanzipiert, um sich ihrem Vater anzugleichen (Parallele mit Athene als maskuliner Göttin in h. 5). 74 Ἡφαίστου καλέοντος ὅπως ὀπτήρια δοίη   Die Genitivform Ἡφαίστου kommt bei Homer (Σ 369) am Anfang des Besuchs der Thetis in der Schmiede des Gottes vor. Hier ist Leto die Besuchende, mit Artemis auf den Armen, zugleich steht die Artemis der Rahmenerzählung, die den Kyklopen einen Besuch abstattet, mit der Thetis der homerischen Erzählung in Korrespondenz (vgl. ad V. 46). Das Verhältnis zwischen dem Besuch bei den Kyklopen und dem bei Hephaistos, ist eines der Hervorhebung ab ovo vorhandener Eigenschaften. Die der Fortbewegung auf eigenen Beinen noch unfähige Artemis hat ebenso keine Angst vor den Schmiedegesellen des Hephaistos wie die etwas ältere Göttin, die eigenständig ihr Vorhaben durchzusetzen vermag. Zur Sitte, das Neugeborene einem männlichen Mitglied der Familie (meistens dem Vater) rituell vorzuzeigen, vergleicht Huber 1926, 38 f. Apoll. Rhod. 1. 557 f. (Achilleus wird von Chariklo, Cheirons Frau, auf den Armen getragen und Peleus vorgestellt, um von seinem aussegelnden Vater Abschied zu nehmen). ὀπτήρια sind nach der Etymologie eigentlich ‚Schau-



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geschenke‘. Sie werden auch als Synonym für ἀνακαλυπτήρια (Morgengabe für die Braut) erklärt (Poll. 2. 59, 3. 36, Hesych. 1063 s. v. ὀπτήρια [II 770 Latte], Moiris ο 39 [als Attizismus] SGLG 9. 129 Hansen). Vgl. auch Eur. Ion 1127 (Xuthos sieht zum ersten Mal seinen Sohn) und Nonn. 5. 139 (Hephaistos’ Gabe an Aphrodite für Eros). Herter 1929, 83 schreibt zu Recht, dass ein menschliches Brauchtum auf die Götter übertragen wird, wie es oben mit dem Kinderpopanz der Fall war (vgl. ad V. 64 f.). Ambühl 2005, 301 zieht den 12. Iambos heran: Hier erscheint Artemis nicht als Kind, sondern als Schutzgöttin der Neugeborenen (fr. 202 [= Ia. 12] 1–8 und ad V. 23). Der Anlass des Gedichts ist das Genethliakon-Fest der Tochter eines Freundes des Dichters. Dieser eignet dem Mädchen sein Gedicht als Geburtstagsgeschenk (~ ὀπτήρια) zu. Weitere verbale Entsprechungen zwischen den beiden Gedichten: fr. 202 (= Ia. 12) 1 ~ h. 3. 41: Κρηταῖον; fr. 202. 2: Δικτ[υνναῖον ~ h. 3. 199: Δικταῖον und die von Pfeiffer registrierten (ad V. 22 f.). Zu Geburtstagsgeschenken vgl. auch Aischyl. Eum. 7 (γενέϑλιον δόσιν) mit Σ ad 3 (I 207 Smith). 75 Βρόντεώ σε στιβαροῖσιν ἐφεσσαμένου γονάτεσσι   Brontes erscheint im ersten Fuß des Hexameters, wie auch bei Hesiod (theog. 140: hier in Akkusativform). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 270 und 302. Zu γονάτεσσι vgl. Hom. π 443 (πολλάκι γούνασιν οἷσιν ἐφεσσάμενος) und ad V. 4 (b) (ἐφεζομένη γονάτεσσι). Nach Reinsch-Werner 1976, 270 f. ruft στιβαροῖσιν ... γονάτεσσι Hes. theog. 152 (ἐπὶ στιβαροῖσι μέλεσσιν = theog. 673, erg. 149 und scut. 76) ins Gedächtnis, wo die drei Hunderthänder unmittelbar nach den Kyklopen beschrieben werden. Der verbale Anklang an V. 4 – es ist das zweite Mal, dass Artemis auf dem Schoße eines Mächtigen sitzt (Zeus ~ Brontes) und etwas tut (Bitten ~ Rupfen), was ihr Alter Lügen straft – hat den Schreiber von PGen 209 oder vielmehr einen Philologen (man könnte an Theon, Epaphroditos oder Sallustios denken) bewogen, den Vers in der Form Β[ρ]οντεω εν [σ]τιβαροῖσιν ἐφεζο]μένη γο[νάτεσσι umzugestalten. Vgl. Carlini 1973, 152. 76 f. στήϑεος ... λασίης ἐδράξαο χαίτης, / ὤλοψας   Zum Ungestüm der Artemis vgl. Aischyl. fr. 47a 786–788, 812–814 (TrGF III 169 f., 172 Radt), vor allem aber Soph. fr. 171 (Dionysiskos) (TrGF IV 176 Radt), wo das Kind Dionysos auf die Glatze seines Ziehvaters, Silenos, patscht: Stellen, die durch einen heiteren, des Satyrspiels würdigen Humor gekennzeichnet sind. Vgl. Kassel 1951 (= 1991) 55. Nemesianus (ecl. 3. 31–34 Williams) eifert sowohl Kallimachos als auch Sophokles nach, indem sein Dionysos dem alten Silenos, der ihn auf dem Schoß hätschelt, die Brusthaare zupft und ihm auf den Kopf patscht. Vgl. Herter 1929, 83 und 1931, 449. Das Sich-Festklammern der Artemis an den Haarzotteln des Kyklopen ruft denselben Gestus des Hyllos in einer Herakles-Episode der Aitia ins

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III. Kommentar

Bewusstsein (fr. 24. 1–3). Vgl. Herter 1931, 446, Ambühl 2005, 293 und Kapitel I 4, 47 (Datierungsansatz). Dabei handelt es sich allerdings um eine Verzweiflungstat des hungernden und verwundeten kleinen HeraklesSprösslings, wohingegen Artemis ihrer kindlich-kindischen Ungebühr die Zügel schießen lässt. Zu ἐδράξαο χαίτης vgl. Hom. Ν 393, Π 486 und auch Ait. fr. 24. 3 (δραξάμενος). Zum Bedeutungsunterschied zwischen ἐκ (genauer Ort; vgl. V. 164) und ἀπό (weiter gefasstes Ursprungsgebiet; vgl. V. 174) siehe Cahen 1929, 450. Das Attribut λάσιος erfährt eine kleine Abwandlung durch Kallimachos im Vergleich zur homerischen Usanz: Während es bei Homer der Brust zugeordnet zu werden pflegt (z.B. Α 189, ähnlich auch Kall. Ait. fr. 67. 11 [Körper des Silenos]), ist es hier ein Attribut der Haare (χαίτης). Da aber χαίτη die Brusthaare bezeichnet, bleibt es beim gut homerischen Sachverhalt (die Brust des Brontes ist von zotteligen Haaren bewachsen wie die des Achilleus). Dass χαίτη eigentlich nur die Kopfhaare bezeichnen sollte, hebt Cahen 1929, 450 vor. Einen Übergang zum uneigentlichen Gebrauch stellt die Gleichsetzung ‚χαίτη = Mähne‘ dar: Aristoph. Ran. 822 (nebst dem Attribut λασιαύχενα) und Apoll. Rhod. 4. 1605 (wo λασίης ... χαίτης an derselben metrischen sedes steht wie bei Kallimachos). Anth. Pal. 11. 326. 1 beziehen sich λάσιαι ... τρίχες auf die Beinhaare. Etwas anders zur Bedeutungswandlung Aulin 1856, 46, Kuiper 1896 I 67 und Cahen 1930, 110. Zu ὤλοψας vgl. Kall. fr. 573, Anth. Pal. 7. 241. 5, Euphor. fr. 415. col. II 16 SH (Komaitho), Nik. Ther. 595, Nonn. 21. 70, Orion Theb. s. v. ὀλόψατο 113 Sturz (mit Hinweis auf Kallimachos). Vgl. Bredau 1892, 91. Reinsch-Werner 1976, 77 f. τὸ δ᾽ ἄτριχον εἰσέτι καὶ νῦν / ... μένει μέρος 147 f. vergleicht zu ἄτριχον (Negation zu εὔτριχος [Eur. Herc. 934]) Hes. fr. 204. 129 f. M–W, wo das Wort eine Kenning für die Löwin (‚die Haarlose‘ = ‚ohne Mähne‘) darstellt, das später von dem das γριφῶδες liebenden hellenistischen Dichter aufgegriffen wird. Hierdurch kommt den (ausgerupften) Brusthaaren die Eigenschaft einer Löwenmähne zu. Zur Assoziation von χαίτη (V. 76) mit der Mähne vgl. ad V. 76 f. Nonnos 3. 392 (ἄτριχον εἰσέτι δειρήν über die Löwenwelpen und ihre Mutter) bezieht sich sowohl auf die hesiodeische als auch auf die kallimacheische Stelle. Das Adverb εἰσέτι (= ἔτι) scheint vor Kallimachos ein Hapax zu sein. Vgl. h. 4. 189 (εἰσέτι). Die Wendung ἔτι καὶ νῦν ist allerdings bei Homer fest etabliert, und h. Merc. 125 sowie 508 erfüllt sie eine aitiologische Funktion. Vgl. Griffiths 1970b, 40 Anm. 21. Die Form εἰσέτι könnte einen kolloquialen κοινή-Gebrauch widerspiegeln (vgl. auch Plat. Tim. 20C: εἰς νῦν). Alternativ erwägen Kuiper 1896 I 67 und Cahen 1930, 111 eine Analogiebildung nach homerischem ἐξ ἔτι + Gen. (Ι 106 und ϑ 245). Hier erfüllt die Wendung εἰσέτι καὶ νῦν die wichtige Funktion, das Ereignis mit/zu einem Aition



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abzurunden: Es wird ausgedrückt, dass die Folge der in der Vergangenheit ausgerupften Haare bis in die Gegenwart hinein besteht (Aition mit Vergangenheit–Gegenwarts-Bezug: ‚so ist es dazu gekommen, dass auch heute...‘). Vgl. Petrovic 2007, 236. Für ähnlich strukturierte Aitia vgl. ad V. 219 f. (ἔτι), h. 2. 47 (ἐξέτι κείνου), 104 (ἐξέτι), h. 4. 275 (ἐξέτι κείνου); Ait. fr. 43. 78 (ἐ[κ δ᾽ ἔτι κεί]νου); fr. 588; Anth. Pal. 7. 666. 5 (εἰσέτι καὶ νῦν); Nonn. 5. 277 (εἰσέτι νῦν), 12. 361 (ἐξέτι κείνου), 19. 324 (εἰσέτι) sowie Zanker 1983, 133 und Harder 1990, 301 Anm. 42 (Kall. h. 1. 44; Apoll. Rhod. 1. 1354; 2. 717, 850, 1145; 3. 203; 4. 534, 1153, 1397). Griffiths 1970b, 34 knüpft an die Argonautika-Stellen an: Die meisten dieser Aitien bei Apollonios drehen sich um physikalisch-architektonische Wahrzeichen aus dem Zeitalter der Heroen. Dies ist bei Kall. h. 3. 220 eindeutig auch der Fall, was nahelegt, auch an dieser Stelle irgendein konkretes Memento zu suchen. Ob Kallimachos’ Vorlage irgendein Bild (mit einem abgegriffenen Fleck am Brustteil, der durch das Aition erklärt wird) gewesen ist, wie McKay 1963, 256 im Anschluss an R. Graves (ähnlich bereits Spanheim 1697, 181 f. und A. Fabri bei Ernesti 1761, 106; vgl. auch Plin. nat. 35. 96 über eine bildliche Darstellung der Kyklopen) in Erwägung zieht, ist – wie er selber zugibt – äußerst spekulativ und scheint auf der nicht ganz begründeten Annahme (vgl. ad V. 4–40) zu beruhen, Kallimachos’ Inspiration sei die bildende Kunst seiner Zeit gewesen. Außerdem würde damit – wie Griffiths 1970b, 41 Anm. 28 einwendet – die unmittelbare Verbindung zwischen mythischer und gegenwärtiger Zeit durch die Bezugnahme auf ein Bildwerk aus der intermediären Periode verloren gehen. Da die Kyklopen V. 52 als πρηόσιν Ὀσσαίοισιν ähnlich beschrieben werden, kann man hier das Verhältnis umkehren und sich – im Anschluss an Griffiths’ plausible Hypothese (1970b) – „kyklopische“ Berge vorstellen: Brontes must now be lying ... on te sea bed ... with his hairy chest protruding from the sea to form a wooded island whose volcanic peak (the patch stripped bare by ʽArtemisʼ) is denuded of vegetation (34). Dieser Auffassung wohnt ein hoher Grad von Suggestivität und der Kallimachos eigenen Kombinationsfähigkeit inne. Der Dichter scheint die Vorstellung, nach der die Kyklopen ursprünglich Personifikationen hoch in den Himmel ragender vulkanischer Gebirge seien (vgl. Norden 19273, 162), auf eine spielerische Weise zum Zweck der Aitiologie verwertet zu haben. Ob es sich aber dabei gerade um den Ätna handelt (Griffiths 1970b, 35: in diesem Fall würde der Berg nach Typhos [Pind. P. 1. 12–16], Enkelados [Kall. Ait. fr. 1. 36] und Briareus [h. 4. 141–143] einen vierten Bewohner als Aition zugewiesen bekommen) oder einen anderen vulkanischen Berg, muss mangels jedes textuellen Hinweises dahingestellt bleiben. Vielleicht wollte Kallimachos seinem Leser durch ein unlösbares Rätsel einen Streich spielen, indem er ihn zur Berg-Metamorphose des Brontes hinführte, ihm aber weitere, zur Identifi-

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III. Kommentar

kation nötige Indizien vorenthielt. McKays Idee (1962a, 140), der Hinweis auf das unheroische Schicksal des Brontes gehe auf das künstlerische Fiasko eines zeitgenössischen Dichters alten Stils, ist unwahrscheinlich, da nichts auf eine biographische oder metapoetische Lesart hindeutet. 78 μεσσάτιον στέρνοιο    Zu μεσσάτιον vgl. Nik. Ther. 104, Opp. kyn. 4. 442, Dion. Per. 296 (mit Lightfoot 2014, 328 ad loc.). Stephens 2015a, 132 hält es für eine irreguläre Superlativform von μέσσος. Schmitt 1970, 163 vergleicht ὁσσάτιος (erweiterte Form von ὅσος) bei Homer am Versanfang (Ε 758). 78 f. ὡς ὅτε κόρσῃ / φωτὸς ... ἀλώπηξ   Die Einleitung des Vergleichs (ὡς ὅτε) ist im Stil homerischer Gleichnisse gehalten, das Wort κόρση (‚Schläfe‘) ebenfalls altepisch (zumeist am Versende: Ε 584, Ν 576). Zum unbestimmten φώς (~ ‚man‘) lassen sich homerische Stellen vergleichen, an denen das Wort in Verbindung mit einem Körperteil erscheint (Δ 139, Λ 462 [κεφαλὴ ... φωτός], 614; ζ 129), oder wo das Subjekt des Gleichnisses nicht näher präzisiert ist (Π 406). Vgl. Bornmann 1968, 41 ad loc. 79 (a) ἀλώπηξ  Reinsch-Werner 1976, 148 verweist zu Recht auf den lebensnahe Volkstümlichkeit versprühenden Ausdruck ἀλώπηξ und seine Verbindung mit der hesiodeischen Glosse ἄτριχος (vgl. ad V. 77 f.). Vgl. auch Herter 1929, 83: Ein solcher Vergleich entspricht doch wohl weniger der Naivität homerischer Gleichnisse als der alexandrinischen Freude an gemein-alltäglichen Dingen. Kenningartige Umschreibungen und anschauliche Metaphern für Dinge des Alltags (hier ‚Alopekia‘) evozieren die hesiodeische Dichtung im Allgemeinen. Eine andere generische Allusion könnte die Iambendichtung betreffen, wenn Wilamowitz 1924 II 54 Anm. 4 Recht hat, dass das Wort aus altionischer Dichtung, wohl der des Hipponax, stammt, worauf Herond. 7. 71 f. (ναὶ μὰ τήνδε τὴν τεφρὴν κόρσην, / ἐπ’ ἦς ἀλώπηξ νοσσίην π̣επ̣ο̣ίη̣τα̣[ι) hindeuten könnte. Vgl. Headlam 1922, 350 f. ad loc., der auch eine volksetymologische Angleichung des Stamms *alph(‚weiß‘ > Verfärbung der Haut durch Schuppen) an den Namen des Tieres erwägt. Der Name des Siechtums, das sich im krankhaften Ausfall der Haare an einer begrenzten Stelle bekundet, aber mit Räude oder Krätze nicht zu verwechseln ist, war ἀλωπεκία (Gal. 19. 431. 8 f. Kühn), doch bereits Hippokrates (aff. 6. 246. 5 Littré) verwendet die personifiziert-volkstümliche Benennung ἀλώπηξ. Die Bezeichnung wird von Galen (12. 382. 3–5 Kühn) dadurch erklärt, dass Füchse für diese Erkrankung besonders anfällig sind. Eine andere Meinung bringt den Begriff mit der versengenden, Unfruchtbarkeit verursachenden Wirkung des Fuchsharns in Zusammenhang (Etym. m. 74. 51–55, Etym. Gud. 100 De Stefani s. v. ἀλωπεκία; vgl. auch Σ ad h.



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3. 79 [Pfeiffer 1953 II 54 und 61] und Frischlin 1589, 227). Eine viel plausiblere Erklärung scheint mir zu sein, dass Füchse buchstäblich Haare zu lassen pflegen, wenn sie sich der Falle entreißen, um weiterhin als erfahren zu gelten. Zum Konzept, dass ‚gerissene‘ Tiere, denen es doch noch gelang, mit heiler Haut davonzukommen, fürderhin für besonders durchtrieben gehalten wurden, vgl. Kall. fr. 488 (λυκοσπάδα πῶλον) mit Plut. quaest. conv. 2. 8 (= mor. 641F–642A) (ein Fohlen, das dadurch tüchtiger geworden ist, dass es von einem Wolf gerissen wurde). Die kahle Spur des ausgerissenen Haarbüschels könnte dann durch eine Metonymie ‚Fuchs‘ genannt werden. 79 (b) ἐνιδρυϑεῖσα κόμην ἐπενείματ᾽  Das Verb ἐπινέμεσϑαι bezieht sich einerseits metaphorisch auf die um sich greifende, flächenmäßig immer weiter sich erstreckende Hautkrankheit ‚Fuchs‘ (vgl. Cobet 1861, 423 mit Hippokr. epid. III 3. 72 Littré und Thuk. 2. 54), andererseits konkret auf die Tätigkeit des Fuchses, der seine Umgebung tatsächlich kahlfrisst (vgl. Stephens 2015a, 132). Zu ἐνιδρυϑεῖσα vgl. Thuk. 2. 49. 7 (ἐν ... ἱδρυϑέν: Kopf als Ausgangsstelle der epidemischen Erkrankung). Die laskarische Textfassung ἐνιδρυνϑεῖσα könnte von Hom. Γ 28, Η 56 (ἱδρύνϑησαν) beeinflusst sein (Pfeiffer 1953 II 12 in apparatu ad loc.). 80 τῷ μάλα ϑαρσαλέη σφε τάδε προσελέξαο τῆμος   Zu ϑαρσαλέη und der Parallele der Artemis mit Nausikaas ϑάρσος vgl. ad V. 51. Die Furchtlosigkeit der Göttin entspricht der des Peneios (h. 4. 148 f.), der dem Dräuen des Ares standzuhalten wagt. Vgl. Bing 1988, 126 f. Anm. 57. Wie ihre Unerschrockenheit mit den zaghaften Okeaniden kontrastiert, so entspricht τῷ ... ϑαρσαλέη σφε der Wendung τῷ σφέας ... ἀκηδέες (V. 62), wobei σφε und σφέας sich beide Male auf die Kyklopen bezieht. Die Wendung τῷ μάλα ϑαρσαλέη wird sich als Variation vom homerischen τῷ μάλα πόλλ’ (Δ 229), ϑαρσήσας μάλα εἰπέ (Α 85) und (πάντως,) ϑαρσαλέη (τ 91) erweisen. Vgl. Kuiper 1896 I 68. Für προσελέξαο scheint Hes. erg. 499 (κακὰ προσελέξατο ϑυμῷ) Vorbild gewesen zu sein, wo die Muta cum Liquida πρ ebenfalls Position verursacht (vgl. auch Hom. Λ 407: φίλος διελέξατο ϑυμός). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 204–206. Sie vergleicht auch Theokr. 25. 192 und Apoll. Rhod. 4. 833 (τοίῳ προσελέξατο μύϑῳ) am Versende sowie Theokr. 1. 92 (ποτελέξαϑ᾽) im Versinnern. McLennan 1974, 49 weist darauf hin, dass λέγειν bei Homer nie ‚sagen‘, sondern ‚erzählen‘ (ε 5 und κ 250) bedeutet. Kallimachos übernimmt also die hesiodeische Bedeutung des Verbes. Er könnte auch in der Verwendung des Mediums Hesiod gefolgt sein, ohne zu bedenken, dass es in diesem Zusammenhang keine Funktion mehr hatte. Das Medium bei Hes. erg. 499 ist nämlich begründet, da es sich hierbei um ein reflexives Verhältnis handelt (Schmähdialog zwischen dem Bauern und seiner Seele). Cahen 1929, 453 erwägt stattdessen, dass Kallimachos gemäß dem κοινή-

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III. Kommentar

Gebrauch (vgl. ad V. 2 [b]) doch ein „unnötiges“ Medium statt des Aktivs verwendet. Carlini 1973, 159 plädiert dafür, dass die Lesart von PGen 209 ad loc. (τω [κ]αι) echt sein könnte, aber ein adverbiales καί (‚du hast auch gesagt...‘) wäre hier weniger angemessen. Vgl. h. 1. 80, 4. 275 und 5. 29, wo καί wohlberechtigt adverbial ist. Die Junktur τῷ καί wird öfters von Apollonios Rhodios verwendet (bei ihm auch mit adverbialem καί). Zu σφε vgl. Hom. Τ 265, Aischyl. Hept. 630, 739. Die nicht-Wackernagel’sche Position des enklitischen Pronomens σφε im Satz sowie den unkonventionellen Gebrauch von τῆμος vermerkt Bornmann 1968, 41 ad loc. 81 Κύκλωπες, κἠμοί τι Κυδώνιον εἰ δ᾽ ἄγε τόξον   Anrede (Κύκλωπες) und Imperativsyntagma (εἰ δ᾽ ἄγε ... τεύξατε [V. 81–83]). Zu εἰ δ᾽ ἄγε vgl. Hom. Β 331, 437 (ἀλλ᾽ ἄγε), Ζ 376 (εἰ δ᾽ ἄγε); φ 281 (ἀλλ᾽ ἄγ᾽); Aischyl. Pers. 140 (ἀλλ᾽ ἄγε); Apoll. Rhod. 3. 1 (εἰ δ᾽ ἄγε) sowie Schneider 1873 II 218 f. Meineke 1861, 27 ad loc. weist zu Recht darauf hin, dass die Wendung, die stets satzinitial oder in der Nähe eines Vokativs auftritt (Kall. ep. 1. 5), hier ins Satzinnere abgeschoben wird. Apoll. Rhod. 4. 758 ist keine Ausnahme (nur eine Retardation), da hier die Einfügung zwischen Vokativ und εἰ δ᾽ ἄγε sich als Parenthese liest (eingebetteter Konditionalsatz). Zu Κυδώνιον für ‚kretisch‘ vgl. Verg. ecl. 10. 59, Aen. 12. 858; Hor. c. 4. 9. 17; Stat. Theb. 4. 269, 7. 339. Zur Bogenkunst der Kreter und zur Verbindung der Göttin mit kretischen Bogen vgl. Bornmann 1968, 42 ad loc. Das adverbiale καί in der Wendung κἠμοί wird durch sein Paar in V. 83 verdeutlicht (Artemis will Apollon in nichts nachstehen). Die Krasis κἠμοί ist Meinekes (1861, 27 ad loc.) Korrektur für das handschriftliche verbum nihili ἢ ἤ μοί τι und findet ihr Analogon in fr. 191 (= Ia. 1) 68, 194. 32, 197. 43 (κἠγώ). Andere (Blomfield 1815, 15 und Kuiper 1896 I 68) lesen κἀμοί nach ep. 24. 4 (κἀμέ). Vgl. auch fr. 553. 2 und ep. 59. 6 mit Pfeiffers Apparat (κἀγώ). Vgl. aber fr. 203 (= Ia. 13) 53 (κἠμέ). PGen 209 bietet και μο[ι (vgl. Carlini 1973, 159). Ich akzeptiere das bestbezeugte und verbreitetste κἠμοί (vgl. Pfeiffer 1953 II 172), lasse aber auch Naekes Kautel (1845, 94 f.) bestehen, der an die schwankende Schreibweise (mit und ohne Krasis) von homerischem καὶ κεῖν- erinnert, was auch die Festlegung der kallimacheischen Praxis erschwert. Ich lasse die von Griffiths 1970a, 214 hervorgehobene K-Alliteration (Κύκλωπες, κἠμοί τι Κυδώνιον), ob sie beabsichtigt ist oder zufällig, auf sich beruhen. 82 κοίλην τε κατακληῖδα βελέμνων    Die Umschreibung für den Köcher (κοίλην τε κατακληῖδα βελέμνων) besteht aus einem deverbalen Substantiv (κατακληῖδα), das nach Bredau 1892, 76 non instrumentum significat, quod claudit ..., sed id quod clauditur. Petrovic bei Stephens 2015a, 132 ist im Unrecht, wenn sie meint, Kallimachos rede im Gegensatz zu Homer von



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einem geschlossenen Köcher. Denn der Köcher selbst ist es, der die Pfeile in sich schließt, nicht der Deckel, der den Köcher schließt. Das, was der Behälter enthält, wird als genitivus objectivus ausgedrückt (βελέμνων). Bei Homer kommt das Wort βέλεμνα immer am Versende vor (Ο 484, 489, Χ 206; ω 180) und die Muta cum Liquida κλ in κληῖδ- bildet auch bei Homer stets Position. Vgl. Kuiper 1896 I 68. Zwar kennt Homer κατακληίς nicht (zuerst kommt das Wort Aristoph. Vesp. 154 vor), Beachtung verdient der Vers Ε 579 (ἑσταότ’ ἔγχεϊ νύξε κατὰ κληῖδα τυχήσας), in dem das Wort κληῖδα (‚Schlüsselbein‘) neben der Präposition κατά an derselben Stelle vorkommt. Der Ausdruck kann auch als eine gelehrt-variationsfrohe Umschreibung von κοίλης ... φαρέτρης (φ 417) aufgefasst werden. Die Elemente τόξον – ἰοὺς – κοίλην ... κατακληῖδα βελέμνων bilden ein Trikolon nach dem Gesetz wachsender Glieder. 83 τεύξατε∙ καὶ γὰρ ἐγὼ Λητωιὰς ὥσπερ Ἀπόλλων   Zu diesem Typus von Enjambement (syntaktischer Neubeginn nach der Versbeugung, öfters in negierter Form) vgl. Ziegler 1935, 1402 f. mit Kall. h. 1. 12 f., 4. 97, 154. Artemis pocht offenkundig auf ihre Gleichberechtigung mit Apollon: Sie sei auch Tochter Letos (zur erlesenen Form Λητωιάς vgl. Coll. 34) und wolle nicht leer ausgehen.Vgl. Herter 1929, 84 und Kapitel I 3, 37. Zur Argumentationsform vgl. Heras Gründe bei Homer (Δ 58: καὶ γὰρ ἐγὼ ϑεός εἰμι, γένος δέ μοι ἔνϑεν ὅϑεν σοί), mit denen sie Zeus zur Erfüllung ihres Willens bewegen will. Vgl. Herter 1929, 84 und Ambühl 2005, 263. Vergil hat das nachgeahmt: et mi genus ab Iove summo (Aen. 6. 123). 84 αἰ δέ κ᾽ ἐγὼ τόξοις  Die Wiederholung des Personalpronomens Sg/1 zur Unterstreichung der eigenen Identität und der Jagdtaten ist wohl auch ein Zug kindlicher Psychologie (Egoismus). PGen 209 bietet ἐ]γων, was Carlini 1973, 153 für eine womöglich echte Lesart hält mit dialektalischer Variation des vorausgehenden ἐγώ (V. 83) unter Vergleich von τύνη (V. 124). Livrea (bei Carlini 1973, 161) hegt jedoch Bedenken, da Apollonios (1. 689, 2. 236, 290 usw.) ἐγών nur zur Schließung des Hiats einsetzt. Zu αἰ δέ κ᾽ vgl. Hom. h. Ap. 56 (αἰ δέ κ’ Ἀπόλλωνος). 84 f. μονιὸν δάκος ἤ τι πέλωρον / ϑηρίον  Zu μονιὸν δάκος (= ‚Wildschwein‘) vgl. Aristot. hist. an. 1. 1, 487B–488A (Unterscheidung zwischen einzeln und rudelweise lebenden Tieren), Ail. nat. 7. 47, Eur. Cycl. 268, Hesych. 1613 s. v. μονιὸς· ὗς ἄγριος ὁ μὴ τοῖς ἄλλοις συναγελαζόμενος (II 676 Latte) und franz. sanglier, ital. cinghiale (die alle auf mittellat. singularius zurückgehen). Kuiper 1896 I 69 könnte Recht haben, dass der Ausdruck der κοινή-Sprache angehört haben mag (vgl. Psalm. 79. 14, Arat. 1124, Anth. Pal. 6. 221. 3). Zu δάκος = ‚wildes Tier‘ (ursprünglich ‚der Beißende‘) vgl.

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III. Kommentar

Aischyl. Ag. 824, Choeph. 530, Hept. 558, Prom. 582; Lykophr. 765 (Kyklop). Das Attribut in πέλωρον ϑηρίον hebt auf die Größe ab und stellt nach der Species (‚Wildschwein‘) den weiter gefassten Genus-Begriff (‚wildes Getier von erheblicher Körpergröße‘) dar. Das attributive Form ist zumeist πελώριος (‚riesengroß‘)‚ und wenn Homer πέλωρος als Attribut verwendet, dann immer nach dem Bezugswort im Akkusativ (Μ 202, 220; ι 257‚ ο 161; h. Merc. 225, 342), so dass es als ein appositives Nomen πέλωρον aufgefasst werden kann. Kallimachos variiert Homer insofern, als er πέλωρος an erster Stelle verwendet und es dadurch eindeutig als Attribut ausweist. Dieser Befund kann vielleicht auch so ausgelegt werden, dass der Dichter πέλωρον an den ambigen homerischen Stellen als Attribute interpretiert wissen wollte. Damit tritt er in die Nachfolge Hesiods, der ebenfalls πέλωρον ὄφιν (theog. 299 von Echidna) verwendet. Vgl. auch die movierte Form πελώρη meistens als Attribut von Γαῖα (z.B. theog. 159 und 505). Bornemann 1968, 43 ad loc. bemerkt scharfsinnig, dass die in Aussicht gestellten Tiere den Kyklopen selber ähneln und daher einen würdigen Happen darstellen (ι 257 heißt Polyphemos selbst πέλωρον). 85 ἀγρεύσω, τὸ δέ κεν Κύκλωπες ἔδοιεν   Statt des homerischen Wortes ϑηρεύω verwendet Kallimachos ein anderes Synonym des Stamms ἀγρευ-, dessen Derivate – von den Tragikern in den poetischen Wortschatz emporgehoben – bei den hellenistischen Dichtern erst Mode geworden sind. Kallimachos verwendet allerdings nur noch das Nomen ἀγρευτήρ (h. 3. 218). Vgl. Kuiper 1896 I 68 und Herter 1929, 66 Anm. 2. Zum Futur mit κεν vgl. Chantraine 1953 II 225 f. (κε + Futur im Konditionalsatz), zu τὸ δέ κεν Hom. Θ 454. Obwohl Artemis zu den Kyklopen spricht, redet sie sie zum Schluss in der dritten Person Plural an (mit Κύκλωπες biegt er zum Anfang der Rede zurück [V. 81: Vokativ]). Dies hat es mit der kindlichen Perspektive zu tun, die bewirkt, dass sie nicht nur sich selbst (vgl. ad V. 19 [b]), sondern alle Akteure in ihrer Umgebung aus einem äußeren Blickwinkel betrachtet. Das Versprechen eines prächtigen Schmauses durch Artemis wird im Laufe des Hymnos vom Erzähler auf unerwartete Weise eingelöst: Zum einen durch die Wiederholung des Verbs ἔδοιεν (V. 89) in Bezug auf Pans Hunde, zum anderen durch die Mahnungen des Herakles an die Göttin (V. 153–161). Beide Passagen kreisen um die Verheißung eines deftigen Essens (das Füttern der Hunde steht der Erfüllung am nächsten). Vgl. Stephens 2015a, 133. Während Hephaistos die Waffen des Achilleus auf die Bitte der Thetis aus lauter Dankbarkeit unentgeltlich anfertigt, stellt Artemis eine Belohnung in Aussicht. Diese Methode wendet auch Hera an, um Hypnos zu bestechen (Hom. Ξ 264–268). Vgl. Ambühl 2005, 294.



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86 (a) ἔννεπες ... ἐτέλεσσαν ... ἄφαρ δ᾽ ὡπλίσσαο    Der prägnante Abschlussvers der Kyklopen-Episode besteht aus drei Verben mit Subjektwechsel von der zweiten Person Singular zur dritten Person Plural und zurück (ἔννεπες, ἐτέλεσσαν, ὡπλίσσαο) und einer emphatisch zum Ende des Verses relegierten Anredeform (δαῖμον). So bereits Spanheim 1697, 186. Die drei Verben suggerieren vermittels extremer Zeitraffung äußerste Schnelligkeit, wie sie einer Gottheit zusteht (vgl. Henrichs 1993, 140). So wird augenfällig dargestellt, was das Adverb ἄφαρ mitten im Vers ausdrückt. Das Verb ἔννεπες deutet außerdem nachdrückliches Ersuchen an. Vgl. V. 158 (hier auch zur Form), h. 4. 205; Pind. P. 9. 96; Soph. El. 1356, Oid. K. 932, Oid. T. 350 sowie Kuiper 1896 I 69 f. Morrison 2007, 144 weist zu Recht auf eine lyric acceleration (Pind. P. 4. 249 f.) hin, aber dies kommt schon im homerischen Hermes-Hymnos als Kennzeichen des Gottes vor (V. 17 f.: ἠῷος γεγονὼς μέσῳ ἤματι ἐγκιϑάριζεν, / ἑσπέριος βοῦς κλέψεν ἑκηβόλου ᾿Απόλλωνος). Im ZeusHymnos wird das Motiv und die Allusion auf Ptolemaios II. übertragen (V. 87 f.: ἑσπέριος κεῖνός γε τελεῖ τά κεν ἦρι νοήσῃ· / ἑσπέριος τὰ μέγιστα, τὰ μείονα δ’, εὖτε νοήσῃ). Die Zeitraffung enthält auch eine parodistische Anspielung auf die homerische ὁπλοποιΐα, die sehr ausführlich erzählt wird (Σ 468–618). Hier wird die Bitte und Ausführung in vier Versen (81–83, 86) gleichsam abgetan. Vgl. Bornmann 1968, XVIII, XXXI und 44 ad loc. (fastidio del poeta per l’epos tradizionale). So wird Artemis mit ihrem Eifer ein „Komplize“ des Dichters in seinem ästhetischen Programm, ohne epische Schildbeschreibung zum neuen Punkt überzuspringen. Vgl. Herter 1929, 84 mit Anm. 4. Zum poetisch-ästhetischen Bündnis des Dichters mit seinem Protagonisten (diesmal Herakles bei Molorkos) vgl. Ait. fr. 54h 1 f. Harder (auch hier Kürzung der Erzählung) mit Ambühl 2004, 43 f. 86 (b) δαῖμον   Zum Begriff des δαίμων vgl. V. 173, h. 1. 44, 5. 41; fr. 384. 9; Theokr. 7. 34; Pind. P. 9. 67. Zu seiner partiellen Synonymik mit ϑεός vgl. Burkert 1977, 279. Die Ansicht Bings und Uhrmeisters (1994, 22), der Anruf δαῖμον deute einen Quantensprung in der Entwicklung der Artemis an, ist bestreitbar, zum einen weil hier mit keinem Wort eine Wesensveränderung der Göttin angedeutet wird, zum anderen weil δαίμων nichts Anderes/ Spezifischeres ausdrückt als eben nur ‚Gottheit‘ (dies ist auch Bing/Uhrmeister 1994, 23 Anm. 17 bewusst), was Artemis per definitionem und von Anfang an ist. Vgl. Köhnken 2004, 163 f. Zu δαίμων vergleicht er auch h. 5. 41 (hierzu auch Kleinknecht 1939, 313), 65, 86, zu ϑεά h. 5. 95, 101, 138, 140. Zur variationslustigen Aufreihung mehrerer Anreden für die Göttin ohne die geringste Entwicklungs-anzeigende Funktion vgl. Kapitel I 2, 31 f.

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III. Kommentar

Artemis bei Pan (V. 87–97) 87 αἶψα δ᾽ ἐπὶ σκύλακας πάλιν ἤιες   Das Adverb αἶψα bestätigt ἄφαρ im vorigen Vers. Stephens 2015a, 133 will anhand von Xen. kyn. 7. 6 einen technischen Gebrauch von σκύλακες in der Bedeutung ‚(zu dressierende) Hundewelpen‘ annehmen. Dies soll aber nicht unbedingt bedeuten, dass die Hunde so jung wären, dass sie zur Jagd noch nicht taugten (pace Ambühl 2005, 285 Anm. 264). πάλιν bedeutet bei Homer ‚zurück‘ (Lehrs 1833, 100 f.), ausnahmsweise ‚wieder‘ (Β 276), in späterer Literatur auch ‚weiter‘ (z.B. Soph. El. 371). Kallimachos wählt hier und ep. 40. 1 diese letztere Bedeutung. H. 4. 320, 5. 97, 141, Ait. fr. 75. 38, fr. 191 (= Ia. 1) 75 bedeutet es ‚zurück‘, h. 5. 89, Ait. fr. 31c 1 Harder, ep. 41. 3, 53. 1 ‚wieder‘. So hat hier πάλιν dieselbe Funktion wie V. 46 αὖϑι (Weiterführen der Erzählung zur nächsten Episode hin). Bornemanns (1989, 44) Interpretation (‚indietro‘) ist weniger ansprechend. 87 f. ἵκεο δ᾽ αὖλιν / Ἀρκαδικὴν ἔπι Πανός    Bornmann 1968, 44 ad loc. hebt die analogen Versatzstücke der Schilderung des Gangs zu den Kyklopen/Pan hervor (Reise der Göttin, Ankunft am Zielort, Beschäftigung des/ der Hausherr[e]n, Ziel der Arbeit). Zu αὖλιν (‚Gehöft‘) vgl. Kall. Ait. fr. 25e 2 Harder. V. 93 erscheint das Wort in abgewandelter Form als αὐλίον. Bei Homer bezieht sich αὖλις auf das Nachtquartier von Menschen und Vögeln (Ι 232 und χ 470). Die kallimacheische Sinngebung ist hier von αὐλή (z.B. Ε 433) und αὐλίζομαι (z.B. μ 265), vor allem aber von h. Merc. 71: αὖλιν (V. 103, 106, 134, 399 kommt αὐλίον vor) beeinflusst (Kall. h. 6. 105 bedeutet das Wort konkret ‚Ställe‘). Ebenso bezeichnet αὖλις bei Apollonios Rhodios ‚Gehöft‘ (1. 1173) und ‚Stall‘ (1. 577 und 2. 1). Zum Pan-Kult in Arkadien vgl. Pind. fr. 95. 1, Paus. 8. 38. 5 und Ail. nat. 11. 6 (Pans Revier heißt Αὐλή). Zur Verknüpfung Pans mit Artemis vgl. Paus. 2. 10. 2, IG XII 1. 24. Faulkner 2013, 224 f. hebt aber richtig hervor, dass die Begegnung Pans mit Artemis sehr spärlich belegt ist. 88 f. ὁ δὲ κρέα λυγκὸς ἔταμνε / Μαιναλίης   Zur Assoziation der Artemis mit dem Luchs vgl. ad V. 16 f. (b). Moderne naturkundliche Forschungen (Kominos/Panagiotopoulou 1991 passim) führten zum Ergebnis, dass Luchse über ganz Griechenland bis zum Ende des 19. Jh. verbreitet waren. Im Laufe des Gedichts stellt sich allerdings zur Überraschung des Lesers heraus, dass Artemis sich nicht mit Luchsen abgibt und auch die Hunde nicht einzusetzen braucht. So Faulkner 2013, 226. Wilamowitz 1924 II 55 glaubte, den Grund der Anwerbung einer Meute in der Angleichung der Göttin an Hekate gefunden zu haben.



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Kuiper 1896 I 70 vermutet die Wirkung des homerischen Pan-Hymnos (19. 23 f.), in dem das Tier als Stoff des Gewandes Pans erwähnt wird. Die Priorität der Erkenntnis des Einflusses des Pan-Hymnos auf Kallimachos gebührt Ahlwardt 1794, 42. Vgl. neulich Thomas 2011, 158 mit Anm. 21, nach dem Kallimachos die Angabe des Hymnos, Pan trage ein Luchswams, weiterdenkt und um die Fütterung der Hunde mit dem Fleisch ‚desselben‘ Luchses, aus dem ‚später‘ das Kleidungsstück wird, ergänzt. Der Hymnos des Späteren liefert also ein früheres narratives Moment, das dem Vorgängerhymnos fehlt, nach. Die ausführlichste Analyse der weitgehenden strukturellen Ähnlichkeit zwischen dem homerischen und dem kallimacheischen Hymnos ist Faulkner 2013 passim. Er weist auch auf die Ähnlichkeit zwischen den homerischen Hymnen auf Pan und Artemis (27) hin (Behausung im Gebirge, Tanz mit den Nymphen, eingefügter Hymnos über die Geburt der besungenen Gottheit). Dieser Struktur scheint auch der Hymnos des Kallimachos zu folgen (V. 99–135: Artemis in den Gebirgen; V. 136–169: „reflektierter“ Hymnos). Weiterhin besteht eine Entsprechung zwischen dem bärtigen Zeus (V. 26: γενειάδος) und dem bärtigen Pan (V. 39: ἠϋγένειον). Beide teilen Geschenke mit Zugaben aus, die aufgezählt werden (227). Etwas überzogen wirkt allerdings die Interpretation des Futters als einer Metapher für die Allusion und die der Hunde als Allusionsträger (227 f.). Wichtig vor allem ist der liminale Status Pans (Häuten eines wilden Tieres und Dressur von zahmen Jagdhunden in einem Gehöft zwischen Zivilisation und Wildnis), der die Doppelbödigkeit der Artemis-Gestalt widerspiegelt (225 f.). Vgl. auch ad V. 68 f. (weitere Allusion auf den homerischen PanHymnos). Zu τάμνω als Ausdruck des Zerstückelns des Fleisches vgl. Hom. Ι 209 (Δ 155 und ν 88 am Versende, jedoch in anderem Kontext). Pan wird von Artemis ebenso mitten in seiner alltäglichen Routine angetroffen wie die Kyklopen. Zu Pan in der hellenistischen Literatur vgl. Theokr. 1. 123–126, 4. 63, 7. 103–114, Kall. ep. 44, Arat. fr. 115 SH (Hymnos auf Pan). Eine interessante Verbindung zwischen Pan und Hunden ist es, wenn Pindar den Gott selbst kenningartig ‚Hund der großen Göttin (Rheias)‘ nennt (fr. 96. 1 f.). Der gute Jäger gibt seinen Hunden aus der erjagten Beute ab (Xen. kyn. 7. 9. 12). Es ist auch bezeugt (Xen. kyn. 7. 2–3), dass man den trächtigen (und wohl auch den säugenden) Hündinnen, die an der Pirsch nicht teilnehmen, besondere Sorge angedeihen ließ (vgl. Mesk 1927, 413 zum Xenophon-Einfluss in dieser Partie des Gedichts). Cahen 1930, 112 und Henrichs 1993, 136 haben allerdings Recht, wenn sie hervorheben, dass Pan in der Rolle eines Hundezüchters so gut wie ein ἀμάρτυρον ist. Zum arkadischen Gebirge Μαίναλον als dem Pan heilig vgl. Paus. 8. 36. 8 sowie ad V. 224. Pindar verwendet das daraus gebildete Attribut zur Bezeichnung von Berghängen (O. 9. 59), Apollonios Rhodios bezieht es auf

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ein anderes Tier (1. 168: Μαιναλίης ἄρκτου). Ἀρκαδικήν und Μαιναλίης entsprechen einander am Versanfang. 89 ἵνα οἱ τοκάδες κύνες εἶδαρ ἔδοιεν   Zu τοκάδες vgl. Hom. ξ 16 und Anth. Pal. 9. 823 (Ziegen) mit Kuiper 1896 I 71. Die Hündinnen haben entweder jüngst geboren (vgl. LSJ s. v. 2) oder sind im Begriff zu gebären oder sie sind auch nur potenziell für die Nachzucht zu verwenden. Ambühl 2005, 285 Anm. 264 beachtet die Mehrdeutigkeit des Begriffs nicht, wenn sie annimmt, Pan verschenke die Jungen der τοκάδες κύνες, die gerade geworfen haben. All diese Umstände erfordern jene reichhaltig-bekömmliche Nahrung, die ihnen Pan zukommen lässt. Zu εἶδαρ vgl. Hom. Ε 369, Ν 35 (παρὰ δ᾽ ἀμβρόσιον βάλεν εἶδαρ); ι 84, λ 123, ψ 270 (εἶδαρ ἔδουσιν: menschliches Essen) sowie Kall. Ait. fr. 1. 34 (εἶδαρ ἔδων [Zikade]), der also die homerische figura etymologica am Hexameterende übernimmt. Auch Χ 42: τάχα κέν ἑ κύνες καὶ γῦπες ἔδοιεν mag das Seine getan haben. Vgl. auch ad V. 85. 90 (a) τὶν δ᾽ ὁ γενειήτης   Zur dorischen Form τίν siehe auch Ait. fr. 24. 3 und ad V. 124 (a). Bei Nonnos 16. 102 schenkt Dionysos der Artemisähnlichen Nikaia auch Pans Hunde. Vgl. ad V. 13. Zu γενειήτης vgl. Hom. h. 19. 39 (ἠϋγένειον) und Theokr. 17. 33. 90 f. (a) κύνας ἥμισυ πηγούς, / ... παρουαίους ... αἰόλον    Obgleich Pan sich von einem gewöhnlichen Hirten nicht unterscheidet, sind die Hunde, die er Artemis verehrt, mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten ausgestattet (Herter 1929, 85). Die Jagdhunde sind hier nach dem homerischen Vorbild (Γ 26 und Κ 183) männlichen Geschlechts, während die spartanischen Spürhunde (V. 94) wegen ihrer Schnelligkeit weiblich sind, wie dies in der kynegetischen Fachliteratur (Aristot. hist. an. 9. 1, 608A, Arr. kyn. 32) hervorgehoben wird. Vgl. Cahen 1930, 114. Die Bestimmung der Eigenschaften der geschenkten Hunde (vor allem was πηγούς und was – wenn die Wortform stimmt – παρουαίους anbelangt) stößt auf erhebliche Schwierigkeiten, da Kallimachos Glossenwörter verwendet, deren Bedeutung umstritten ist. Sicher wollte damit der hellenistische Dichter-Philologe seinem Leser – wie so oft – ein Rätsel aufgeben. 90 (b) πηγούς    Kallimachos dürfte sich auf die feste Stellung des Wortes bei Homer κατ᾽ ἀντίϑεσιν bezogen haben, da er das sonst am Versanfang stehende πηγούς am Versende platziert. Der Scholiast (Pfeiffer 1953 II 61 ad loc.) erklärt πηγούς als λευκούς, aber dies ist nur eine aufs Geratewohl herausgegriffene Bedeutungsbestimmung aus einer weitverzweigten lexikographischen Literatur. Stellvertretend vgl. Hesych. 2150–2151 s. v. πηγεσιμάλλῳ und πηγόν (III 105 Hansen) sowie Leumann 1950, 214 Anm. 8, Kretschmer 1951, 96 f. und van der Valk 1963 I 276 f. (abgeleitet aus



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πήγνυμι ‚mache fest, hart‘, wobei sich sämtliche Farbbedeutungen als Fehlinterpretation [‚Torheiten‘] der alexandrinischen Dichter und Philologen entpuppen). Siehe auch die Zusammenfassung bei Rengakos 1992, 24, von der sich drei Meinungen abzeichnen: 1. εὐπαγής, εὐτραφής (Hom. Ι 124, 266 [in der Wendung πηγοὺς ἀεϑλοφόρους], Alkm. fr. 1. 48); 2. ‚weiß‘ (Lykophr. 336); 3. ‚schwarz‘ (Antim. fr. 185 Matthews). Matthews 1996, 400 mag allerdings Recht haben, dass Antimachos den Gegensatz λευκός vs. πηγός vielleicht als ‚flüssig vs. geronnen‘ (hinsichtlich der Milchverarbeitung) aufgefasst haben mochte. Die Amphibolie besteht auch für homerisches κύματι πηγῷ (ε 388 und ψ 235), in dem das Attribut sowohl ‚weiß‘ (‚schäumende Gischt‘) als auch ‚schwarz‘ (‚dunkle Wogen‘) bedeuten kann. Vgl. auch Dyck 1987, 153. Die Sonorität von Hom. ε 388 (δύο τ᾽ ἤματα κύματι πηγῷ) scheint Kallimachos beeinflusst zu haben (δύο μὲν κύνας ἥμισυ πηγούς). Vgl. Aulin 1856, 26 und de Ian 1893, 22 f. (Parechese) sowie Capovilla 1967 I 281 (mykenische Herkunft des Wortes). Bedeutung 1 scheidet an unserer Stelle aus, da sie mit ἥμισυ nicht kombinierbar ist. Die beiden Farbbezeichnungen, die sich nebst ἥμισυ aus Bedeutung 2 und 3 ergeben, sind ‚halbweiß‘ und ‚halbschwarz‘. Eine Vermischung der beiden (‚schwarz‘ + ‚weiß‘ = ‚grau‘) – wie von Schneider 1873 II 220 angenommen – ist nicht naheliegend, zumal eine Farbnuance vermittels ἥμισυ kaum ausgedrückt werden kann. Außerdem würde so eine vierte, unbezeugte Bedeutung in die Welt gesetzt, und der Unterschied zur Perspektive von παρουατίους (Musterung vs. Farbton) verschwände. Dies lässt sich auch gegen Giangrandes Übersetzung ‚weißlich‘ (1969, 453) einwenden. Kallimachos wird wohl auf eine Ambiguität hinarbeiten (so Reiter 1962, 74 f., Livrea 1980, 30 und Rengakos 1992, 24 f. und 27), die daraus resultiert, dass der Hintergrund entweder weiß ist mit schwarzen Flecken oder aber schwarz mit weißen Flecken. Vgl. Cahen 1930, 115. Schwarz und weiß sind also in gleicher Quantität vorhanden, nur die „Perspektivierung“ in Bezug auf Vordergrund und Hintergrund ist verschieden. Unter Umständen könnte sich eine schwarz–weiße-Teilung auch in der Relation ‚hinten‘ vs. ‚vorne‘ äußern. Die Ambivalenz (‚vorne schwarz, hinten weiß‘ oder ‚vorne weiß, hinten schwarz‘) bleibt dieselbe. Entsprechend changiert auch die Bedeutung des Wortes πηγός zwischen ‚weiß‘ und ‚schwarz‘. Zum Vorrang der buntscheckigen Hunde über die einfarbig Schwarzen in der Fachliteratur vgl. Xen. kyn. 4. 7–8 sowie Kuiper 1896 I 72 und Mesk 1927, 413 (Poll. 5. 65). 91 (a) παρουαίους    Eine unanfechtbare Voraussetzung jeder Interpretation des unverständlichen Wortes παρουατίους (so Überlieferung Ψ) ist, dass es eine Farbenbezeichnung sein soll, zumal sich die beiden es umgebenden Attribute (πηγούς und αἰόλον) auf Farbe beziehen, womit ausge-

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schlossen ist, dass verschiedene Kriterien der Vergleichung der Hunde miteinander vermischt wären. So bereits Haupt 1876 II 143 und de Ian 1893, 21 f. Schneider 1873 II 220 hat Haupts (1876 II 143) auf Aristot. hist. an. 9. 45, 630A (παρῶαι ἵπποι) und Hesych. 1025 s. v. παρωάς (III 49 Hansen) beruhende Konjektur παρωαίους (so auch Bredau 1892, 49) nach Ail. nat. 8. 12 (παρείας oder παρούας als Name einer roten Schlange) zu Recht in παρουαίους (subrufus ~‚rötlich-braun‘) abgewandelt (so auch Pfeiffer 1953 II 12 ad loc.). Giangrande 1969, 453 f. hat diese Konjektur(en) für unnötig gehalten und παρουατίους zu verteidigen versucht, indem er auf eine παρουάτιος ähnliche Bildung (ὑπουάτιος in Bezug auf die Flügel von Zetes und Kalais) in Orph. arg. 221 hinwies. Letzteres Wort sollte ‚dunkel‘ bedeuten und so sei παρουατίους auch als ‚schwärzlich‘ zu verstehen. Könnte indessen *οὐάτιος ‚dunkel‘ /,schwarz‘ bedeuten, wäre doch noch die Funktion von ὑπό bestreitbar (warum wären die Flügel im Unterschied zu Apoll. Rhod. 1. 219 f.: ἐρεμνάς / ... πτέρυγας ‚schwärzlich‘, also nicht ganz schwarz?). Ob παρά eine Zurückstufung der Tonintensität ausdrücken kann, erscheint mir ebenfalls sehr zweifelhaft. Zwar bedeutet ὑπόλευκος ‚weißlich‘ (Aristot. hist. an. 4. 2, 526A), doch könnte man παράλευκος (Aristot. hist. an. 4. 1, 524A) – pace Giangrande 1969, 454 – mit LSJ s. v. auch als ‚teilweise weiß‘ interpretieren. Folglich ist ὑπουάτιος besser mit LSJ s. v. als ‚unter den Ohren schlagend‘ (sc. Fittiche) zu interpretieren, was der angeblichen Analogiebildung παρουατίους den Boden entzieht. Höchstens könnte diese Analogie dazu dienen, παρουάτιος die Bedeutung ‚mit beiderseits schlaff herabhängenden Ohren‘ zuzuerkennen (so Vulcanius bei Ernesti 1761, 109 [auritus, auripeta oder otopeta (Konjektur für oclopeta bei Petron. 35 [Hase oder Jagdhund] nach ὠτοπέτης)], Aulin 1856, 40 und mit Vorbehalt LSJ s. v.), was für Hunde an und für sich gut passte, aber mit unserem obigen Grundsatz unvereinbar wäre. Wir fahren also mit Schneiders Konjektur παρουαίους am besten, die den Dichter nach πηγός eine andere preziöse Glosse verwenden lässt, deren Bedeutung im Farbenbereich ‚schwarz–braun–dunkelrot‘ schillert. Vgl. Cahen 1930, 114 f. und Bornmann 1968, 46 ad loc. 91 (b) αἰόλον   Das Attribut αἰόλος ist weniger problematisch, da sich hier das Wort zweifelsohne auf die komplex-dynamische Farbenpracht und Musterung des Hundefells bezieht (vgl. LSJ s. v. 2). Das Wort kommt – wie πηγός – bereits in der mykenischen Zeit vor (vgl. Capovilla 1967 I 282). Also wiederum eine Glosse für das Allerweltswort ποικίλος. Scheer 1866, 9 vermutet den Einfluss sämtlicher homerischen Scholien (z.B. Η 222a [II



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1971, 267 Erbse], Μ 208c [III 1974, 343 Erbse]), wo das Wort mit ποικίλος erklärt wird. Bei Oppianos heißen die Tiger αἰολόνωτοι (kyn. 3. 130). 90 f. (b) κύνας ἥμισυ πηγούς, / ... παρουαίους ... αἰόλον    Mithin scheint der Schlüssel des aufgegebenen Rätsels darin zu liegen, dass drei Amphibolien konstruiert werden, die mit einer jeweils verschiedenen Farben-Problematik operieren: Die erste (πηγούς) besteht darin, dass die Musterung schwarz–weiß eine unterschiedliche Farbbestimmung des Hundes (und zugleich des Wortes πηγός) auf der Basis ‚Vordergrund vs. Hintergrund‘ zulässt, die zweite (παρουαίους) darin, dass der genaue Farbton dahingestellt bleibt, die dritte (αἰόλον) darin, dass sich die Farben sowie die Musterung durch eine prononcierte Dynamik auszeichnen. Eine entfernte Parallele dazu bietet das Versepos Tristan und Isold Gottfrieds von Strassburg, wo das Fell des Hündleins Petitcreiu (‚kleines Geschöpf‘) zwischen verschiedenen Farben changiert (V. 15811–15844). Die Beschreibung lässt offen, ob es sich dabei um ein Lebewesen oder einen Automaten handelt. Die Dreizahl der Attribute wird variierend (2+3+1) auf die Zahl der Hunde übertragen (δύο ... ἥμισυ πηγούς, / τρεῖς ... παρουατίους, ἕνα ... αἰόλον). Die Beschreibung der Hunde dient über die philologische Pointe hinaus der pittoresk-realistischen Anschaulichkeit der Szene, selbst wenn der Leser an der genauen Beschaffenheit der Farben herumrätseln muss. Vgl. Fowler 1989, 46 f und 127, die die poetische „Kleinmalerei“ auf den Kleintierkultus sowie den Hang zur visuellen Ornamentik im Hellenismus zurückführt. 91–93 οἵ ῥα λέοντας / αὐτοὺς αὖ ἐρύοντες ... / εἷλκον  In der epischen Junktur οἵ ῥα hat (ἄ)ρα keine andere Bedeutung mehr als die affirmative (vgl. V. 94 und 118 sowie Cahen 1929, 463). Zwar leben in Arkadien keine Löwen, aber hier kommt es nur auf ein archetypisches Jagdtier an (vgl. Cahen 1930, 115). Das außergewöhnliche Erscheinungsbild der Hunde wird dadurch hervorgehoben, dass ihnen ein Verb zugeordnet wird (αὖ ἐρύω oder αὐερύω), das bei Homer menschliches Handeln bezeichnet. Wie „normale“ Hunde beschrieben werden, wenn sie das Wild von hinten her anpacken, zeigt ein homerisches Gleichnis (Θ 338–340). Vgl. Herter 1929, 85 f. Anm. 2 Das Verb αὐερύω bereitet formelle und semantische Schwierigkeiten. Wie das Verb von Kallimachos geschrieben wurde (αὖ ἐρύοντες oder αὐερύοντες), ist ebenso ungewiss, wie die Frage, in welcher Form es in den homerischen Handschriften ptolemäischer Zeit stand. Gleichviel ob αὖ für ein Adverb/Verbalpräfix in der Bedeutung ‚zurück‘ oder ‚nach oben‘ erachtet wurde – beide Schreibweisen waren theoretisch möglich. So lasse ich es im Text bei Pfeiffers αὖ ἐρύοντες bewenden, ohne zu meinen, dass Gewissheit in der Orthographie zu erzielen wäre.

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Auch in semantischer Hinsicht enthält das Wort ein unauflösbares non liquet aus der Perspektive der zeitgenössischen Philologie. Im Kontext der Opferhandlung verwendet (Hom. Α 459 und Β 422) wurde es von antiken Scholiasten entweder als ein Emporziehen oder ein Zurückbiegen des Kopfes des Opfertieres ausgelegt. Zum ersteren (‚Emporziehen‘) vgl. z.B Pind. O. 13. 81 (ἀναρύῃ) und Σ ad Soph. Ai. 299 (p. 29 Papageorgius). Diese Bedeutung wird von den meisten modernen Philologen zu Ehren gebracht und auch von der Etymologie des Wortes bestätigt (Frisk 1960 I 184 erkennt im ersten Wortglied die äolische Form des Präfixes ἀνά, was die Schreibweise αὐερύω erzwingt). Zum letzteren (‚Zurückbiegen‘) vgl. unter anderem die Homer-Scholien ad Α 459, ad Β 422 (I 127, 274) und Μ 261 (III 352 Erbse) sowie Σ ad h. 3. 92 (Pfeiffer 1953 II 55). Zum philologischen ζήτημα siehe auch Schulze 1892, 56–60 und Bechtel 1914, 75 f. (vgl. Anecd. Bekker. I 417. 6–10 s. v. Ἀπατούρια). Für eine detaillierte Übersicht der Doxographie siehe auch Rengakos 1992, 45. Kallimachos verwendet also nach den schwierigen Glossen für Farbbezeichnungen (V. 90 f.) eine andere vox difficilis. Herter 1929, 85 f. und Rengakos 1992, 45 meinten, Kallimachos auf ‚Emporziehen‘ festlegen zu können, weil – so Herter – dies die natürlichste Art und Weise des Mitschleppens der Beute sei, und – so Rengakos – sonst eine Tautologie mit εἷλκον entstünde. Keins dieser Kriterien wiegt allzu schwer, da einerseits die plumpen Löwen von schlankwüchsigen Hunden kaum anders als mit emporgehobenem und zugleich verrenktem Nacken auf dem Boden könnten gezerrt worden sein, andererseits sich εἷλκον auf den ganzen Körper der Tiere bezieht, während mit αὖ ἐρύοντες das Anpacken des Nackens beschrieben wird. Anders Ahlwardt 1794, 167 (rücklings ziehen) und Lehrs 1837, 277 (retrahere). Aber wenn das Wort sich nicht auf den Nacken des Tieres, sondern auf das Zurückschleppen/ziehen bezöge (diese Bedeutung mehrmals bei den beiden Oppiani und Nonnos), entstünde wahrlich eine Tautologie mit εἷλκον. Der Dichter wollte vielleicht durch αὖ ἐρύοντες, das entweder Emporheben oder Zurückbiegen des Genicks oder auch beides gleichermaßen suggeriert, den dissensus philologorum bezüglich des Ausdrucks andeuten. In diesem Fall besteht die Pointe des Rätsels darin, dass es keine Lösung des Rätsels gibt. Kallimachos lässt den Leser sich den Kopf über die Bedeutung des Wortes zerbrechen, gibt aber keinen Fingerzeig zur Entscheidung der Amphibolie. Stephens 2015a, 134 denkt an eine Umschreibung von αὖ ἐρύω durch ἕλκω, das in den Scholien öfter der Periphrase des fraglichen Verbs dient – aber auch dies vereindeutlicht αὖ ἐρύοντες nicht ganz. In einer Hinsicht lässt Kallimachos keinen Zweifel aufkommen: Dass das Verb, das bei Homer ausschließlich im Kontext einer Opferhandlung benutzt wurde, hier



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eine „säkularisierte“ Wendung erfährt (Jagdszene). Vgl. Bornmann 1968, 47 ad loc. Das Mitschleppen lebendiger Tiere erinnert an Pindar, bei dem Achilleus sechsjährig ebenfalls lebendige Tiere zu Cheirons Höhle „bugsiert“ (N. 3. 47–49). Vgl. Fowler 1989, 47 sowie ad V. 103 (a), wo die Allusion noch deutlicher ausgeprägt ist, und ad V. 151 (a). De Stefani/Magnelli 2011, 561 halten die Beschreibung der außerordentlichen Jagderfolge des neunjährigen Dionysos bei Nonnos (9. 169–183: Einholen der Tiere durch Schnellauf, Mitschleppen zu Rheia und Zeus, Gelächter der beiden Götter als Zeichen der Ergötzung) für eine kallimacheische Reminiszenz, sie ist aber eher ein ins Barocke übersteigertes Variationsgefüge der pindarischen Vorlage. 92 f. ὅτε δράξαιντο δεράων / ... ἔτι ζώοντας ἐπ᾽ αὐλίον  Zu δράξαιντο vgl. Theokr. 24. 28 ([der kleine Herakles] δραξάμενος φάρυγος [der Schlangen]) und Nonn. 25. 185 f. ([Bakchos] χειρὶ μιῇ λασίου δεδραγμένος ἀνϑερεῶνος / φοίνιον εἷλκε λέοντα – vom kallimacheischen Wortlaut beeinflusst). Optativ im ὅτε-Satz, Imperfekt (εἷλκον) im Hauptsatz drücken Iterativität aus (vgl. Bornmann 1968, 47 ad loc. mit weiteren epischen Belegstellen sowie ad V. 66 und 151 [a]). δερά ist die Form, die auch die Tragiker verwenden, im Gegensatz zur homerischen δείρη, allerdings mit einer epischen Endung für den Genitiv Plural. Vgl. Kuiper 1896 I 72. Zu ζώοντας in derselben metrischen Position vgl. Hom. φ 155 (auch Apoll. Rhod. 1. 908: ἔτι ζώοντας und Nonn. 25. 188: εἷλκεν ἔτι ζώοντα). Das Wort αὐλίον kommt in den beiden homerischen Epen nicht vor, wohl aber Hom. h. Merc. 103, 106, 134 und 399, ebenfalls vor der bukolischen Diärese. Vgl. auch Kall. Ait. fr. 181. 6. Zumal es mit αὖλιν (V. 87) korreliert, das Pan zugeordnet wird, muss es sich auch hier auf das Gehöft des Herrn beziehen. Die Ambiguität (Pans Höhle oder die Hundehütte), die Stephens 2015a, 134 mutmaßt, gibt es also nicht. Gut dressierte Hunde dürften die Beute sowieso nicht in ihr eigenes Zuhause apportieren, sondern dem Herrn zutragen. 93 f. ἑπτὰ δ᾽ ἔδωκε / ϑάσσονας αὐράων Κυνοσουρίδας   Es besteht eine innere thematische (Hundegeschenk) und verbale (Verb am Versende) Responsion zur Belehnung Kyrenes mit zwei Jagdhunden (V. 206 f.: τῇ ποτ᾽ ἔδωκας / αὐτὴ ϑηρητῆρε δύω κύνε): Artemis wird beschenkt und beschenkt andere. Zu ἔδωκ- am Versende vgl. auch Kall. Ait. fr. 43. 12, Hec. fr. 115. 2 Hollis; Apoll. Rhod. 3. 329; Theokr. 5. 133, 6. 43, [9. 22]. Zu ϑάσσονας + Gen. am Versanfang vgl. Hom. Ν 819 (ϑάσσονας ἰρήκων). Bornmann 1968, 48 ad loc. hat epische Stellen gesammelt, an denen der Wettstreit mit Winden das Höchstmaß an Geschwindigkeit ausdrückt (Π 149, Τ 415 usw.). Unter Κυνοσουρίδας verstehen die Scholien (Pfeiffer 1953 II 61) eine aus Hunden und Füchsen gemischte Hunderasse

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III. Kommentar

aus Lakonien. Zum spartanischen Dorf Kynosura vgl. Paus. 3. 16. 2 (hier wird auch ein uraltes Standbild der Artemis verehrt). Bornmann 1968, 48 ad loc. erinnert daran, dass es sich um eine geographische Amphibolie handeln kann, zumal eine Ortschaft Kynosura auch in Arkadien (Stat. Theb. 4. 295) bekannt ist. Zum Geschlecht der Hunde vgl. ad V. 90 f. (a). 94 f. αἵ ῥα διῶξαι / ὤκισται νεβρούς τε καὶ οὐ μύοντα λαγωόν   Zur Syntax und Versstruktur ‚extrapoliertes Attribut + Relativsatz nach der bukolischen Zäsur‘ vgl. V. 179 f. (... κεραελκέες, αἳ μέγ᾽ ἄρισται / ...) und h. 2. 51 f. (... ἐπιμηλάδες, ᾗσιν ᾿Απόλλων / ...). Formen von διώκειν (der Aorist fehlt) kommen bei Homer überwiegend am Versende vor. Die Wendung ὤκισται entspricht in Bedeutung und Position der von ϑάσσονας. Homer verwendet an derselben Stelle das Wort λαγωός zweimal (Χ 310 und ρ 295). Vgl. Kuiper 1896 I 72. Zur Tradition des schlaflosen Hasen vgl. Xen. kyn. 5. 11, Nik. Alex. 67 (δερκευνής), Opp. kyn. 3. 511–514, Ail. nat. 2. 12, 13. 13 und Plin. nat. 11. 147. 96 f. καὶ κοίτην ... / σημῆναι ... ἐπ᾽ ἴχνιον ἡγήσασϑαι  Das Trikolon ‚Hirsch–Stachelschwein–Reh‘ zeigt die Variation ‚einfaches Substantiv– indirekte Frage–präpositionales Syntagma‘. Dies wird durch einen Chiasmus (κοίτην ἐλάφοιο – ὕστριχος ... καλιαί) und die Parallelität der Infinitive σημῆναι und ἡγήσασϑαι (Versanfang und -ende) durchbrochen. Herodian π. καϑ. προσ. I 356 f. 20 f., π. Ἰλ. προσ. II 84. 34–36 Lentz bemerkt zu Recht, dass es sich bei ἴχνιον um keine Diminutivform handelt, was auch aus dem Akzent auf der drittletzten Silbe erhellt. Der Plural ἴχνια ist bei Homer mehrfach belegt (vgl. vor allem τ 436 von Spürhunden) und wird auch von Kallimachos verwendet (h. 4. 19, 6. 9; ep. 1. 11, 31. 2, 43. 6; fr. 293). Kuiper 1896 I 73 nimmt an, dass die Singularform eine varia lectio darstellen könnte, die Kallimachos in seinem Homertext vorgefunden haben dürfte. Stephens 2015a, 134 findet im spondeischen Ausgang einen Ausdruck des trittfesten Laufs der Hunde, was den Abschnitt feierlich ausklingen lässt. Vgl. Kapitel I 6, 92 f. Die Form ἡγήσασϑαι kommt bei Homer (außer ξ 238) versfinal vor. 96 (a) κοίτην ἐλάφοιο    Zu κοίτη vgl. Hom. β 358, η 138 usw. (κοῖτος) und τ 341 (κοίτη) für eine Liegevorrichtung für Menschen (bei Homer nur in der Odyssee) sowie Eur. Ion 155 (κοίτη für einen Schlupfwinkel der Schwäne). Kallimachos kombiniert die einzigartige Form in Homer (κοίτη) mit der in Tragödien belegten Verwendung (Unterschlupf von Tieren). Auf der semantischen Ebene kontrastiert das „Bett“ des Hirsches witzigerweise mit der Schlaflosigkeit des Hasen.



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96 (b) ὕστριχος ἔνϑα καλιαί    Die Erwähnung des Stachelschweines als eines nicht besonders edlen Wildes (vgl. Opp. kyn. 3. 391–406, hier in der Form ὕστριγξ) gehört ebenso zum Realismus der Beschreibung wie der Trog Poseidons in der Schmiedeszene (V. 50). Zur Bedeutung des Wortes (ὕσ+ϑρίξ = ‚nach oben gerichtete Haare habend‘; siehe ὕσπληξ) vgl. Schmitt 1970, 8 Anm. 15. Die Griechen dürften es aber einfach mit ὗς (‚Schwein‘) und ϑρίξ (‚Stachel‘) verbunden haben (vgl. Suda 692 s. v. ὕστριξ [IV 684 Adler] s. v. ἀκανϑόχοιρος). Vgl. Aischyl. fr. 47a 809 (TrGF III 171 Radt) (Igeljunge als Kinderspiel). Dieser Anflug von Lebensrealismus wird durch die Verwendung von καλιή verstärkt, einem Wort, das bei Hesiod das Siegel bäuerlicher Lebenswirklichkeit trägt (‚Scheune‘ / ‚Vorratskammer‘ / ‚Hütte‘: erg. 301, 307 usw.). Ähnlich auch Apoll. Rhod. 1. 170 (‚Schuppen‘) und 4. 1095 (‚Vorratskammer‘). Bei Ps.-Phokylides (V. 84 PLG II 92 Bergk), Theokr. 29. 12 und Nik. Ther. 451 bezeichnet das Wort ein Vogelnest. Die hellenistischen Dichter – außer Theokrit – berücksichtigen auch die Endstellung des Wortes im Hexameter. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 149 f. und Selden 1998, 375. 97 ζορκὸς ἐπ᾽ ἴχνιον   Nach Bulloch 1985a, 42 f. erscheinen ζόρξ und δόρξ zuerst bei Kallimachos. Vgl. auch Etym. m. 284. 9 (δόρξ), Ail. nat. 7. 19 und 47 (ζόρξ, πρόξ und δορκάς nebeneinander [in der Nähe der ὕστριξ]). ζόρξ (bei Kallimachos noch fr. 676. 1) ist eine rare Variante des homerischen Tiers πρόξ (ρ 295: ‚Reh‘), die V. 154 f. und h. 5. 91 auftaucht. Zu dieser Glosse vgl. Nik. Ther. 42. 142, Strab. 12. 3. 13, 547 C, Plut. Rom. 27. 6, die von Kallimachos beeinflusst sein könnten. Nach McKay 1962b, 42 und Schmitt 1970, 7 Anm. 7 ist ζόρξ die ursprüngliche Form, die durch volksetymologische Verknüpfung mit dem Stamm des Verbs δέρκεσϑαι / δεδορκέναι sekundär zu δόρξ (‚das mit hellen und großen Augen Blickende‘ = Gazelle) verschliffen wurde (zum Wortspiel ‚oculum pro oculo‘ in h. 5. 91 f. vgl. Bulloch 1985a, 202 ad loc. und Renehan 1987, 248), woraus dann die tertiären Formen δορκάς (Attisch) und durch Rückbildung an die Ausgangsform ζορκάς (Hdt. 4. 192) geworden sind. So auch προκάς (Hom. h. Ven. 71) in Analogie zu πρόξ (ρ 295). Welche Form die andere beeinflusst hat (δορκάς die Bildung von προκάς oder umgekehrt), steht auf einem anderen Blatt. Erste Jagd der Artemis (V. 98–109) 98 ἔνϑεν ἀπερχομένη (μετὰ καὶ κύνες ἐσσεύοντο)   Das Partizip ἀπερχομέν- erscheint bei Homer stets in dieser Position. Die gleiche Wendung kommt auch Kall. Ait. fr. 85. 4 (ἔν]ϑεν ἀνερχόμε[νος) vor. Zum Verb ἐσσεύοντο vgl. Hom. Ζ 296 (μετεσσεύοντο [greise Troerinnen]), Β 86

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III. Kommentar

(ἐπεσσεύοντο [Heerscharen]), Σ 575 (ἐπεσσεύοντο [Vieh]) und das ebenfalls intransitive Simplex ἐσσεύοντο öfters am Versende (z.B. Ι 80, Λ 167 usw.). So auch Apoll. Rhod. 2. 121, 268. Die kontextuell nächstliegende Parallele ist allerdings Λ 549 = Ο 272: ἐσσεύαντο κύνες τε καὶ ἀνέρες ἀγροιῶται, wo jedoch das Verb transitiv ist (Objekt des Verbs ist Λ 548 der Löwe, Ο 271 der Hirsch und die Wildziege). Vgl. Bornmann 1968, 50 ad loc. Tmesis von μετά nebst einem Verb ähnlichen Inhalts Hom. Ψ 293 (μετὰ δὲ νέφος εἵπετο πεζῶν). 99 εὗρες ἐπὶ προμολῇσ᾽ ὄρεος τοῦ Παρρασίοιο    Der Begriff προμολαί für den weit auslaufenden (Stamm μολ-) Bergesabhang ist zwar nicht bezeugt, aber etymologisch und bildungsmäßig gut nachvollziehbar (vgl. Suda 2515 s. v. προμολῇσιν∙ ἀκρωρείαις, ἐξοχαῖς [IV 215 Adler]). Anth. Pal. 7. 9. 1 (παρὰ προμολῇσιν Ὀλύμπου – an der genannten Suda-Stelle zitiert), 7. 246. 1 und Opp. kyn. 2. 134 könnten von Kallimachos abhängen. V. 142 (ἐνὶ προμολῇσι) trägt das Wort eine andere, etymologisch jedoch ebenso durchsichtige Bedeutung. Blomfields (1815, 103) und Meinekes (1861, 29 ad loc.) Konjektur (προβολῇσʼ) ist also unnötig. Vgl. Aulin 1856, 37 und Bredau 1892, 21. Gemäß Bulloch 1985a, 172 ad h. 5. 64 ist ἐπί + lokaler Dativ, der in der ptolemäischen Koine-Sprache selten vorkommt (vgl. Mayser 1934 II 2, 471 f.), eine episch-poetische Reminiszenz. Vgl. ad V. 114. Zu Παρρασσίη (sc. γῆ) als Bezeichnung für Arkadien vgl. Hom. Β 608 und Kall. h. 1. 10. Zu Παρράσιον als einem arkadischen Berg vgl. Hesych. 1008 s. v. Παρράσιον (III 48 Hansen). 100 σκαιρούσας ἐλάφους, μέγα τι χρέος   Zu σκαιρούσας vgl. Hom. Σ 572 (Tänzer) und κ 412 (Kälber). Zu χρέος als ‚Beute‘ vgl. Hom. h. Merc. 400 (χρήματα: Kühe) mit Vergados 2013, 118, Hdt. 1. 36 (zu erjagender Eber als χρῆμα ... μέγα), Xen. Kyr. 1. 4. 8 (Hirschkuh als καλόν τι χρῆμα καὶ μέγα), Theokr. 18. 4 (μέγα χρῆμα Λακαινᾶν als lakonische Mädchenschar) mit Aulin 1856, 46. Kallimachos benutzt also eine gut belegte Bedeutung des Wortes mit abweichender Form (χρέος statt χρῆμα). Vgl. auch Apoll. Rhod. 3. 1198 (χρέα als Rüstzeug zu einem Hekate-Opfer, darunter auch ein Schaf). Etwas anders Bornmann 1968, 50 ad loc. (abstrakte Bedeutung cosa davvero mirabile). 100 f. αἱ μὲν ἐπ᾽ ὄχϑῃς / αἰὲν ἐβουκολέοντο   Zu ἐβουκολέοντο vgl. Hom. Ξ 445 (βουκολέοντι: tautometrisch von einem Hirten) und Υ 221 (βουκολέοντο: von Stuten am Versende). Bredau 1892, 71 und Kuiper 1896 I 73 bemerken treffend, dass sich das Verb vor Kallimachos ausschließlich auf Tiere bezog, die einem Hirten unterstehen, während hier die Hindinnen frei umherirren. Die etymologische Verbindung mit βόες wird gar



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nicht mehr empfunden: h. 4. 176 bezieht sich βουκολέονται (am Versende) metaphorisch auf Sterne. Die Erkenntnis der Anspielung auf Hom. Ξ 445 leistet einen Beitrag auch zur Sicherstellung der Lesart ἐπ᾽ ὄχϑῃς, wo die Handschriften fast einhellig ὄχϑας bieten. Bei Homer heißt es: ῎Ηνοπι βουκολέοντι παρ’ ὄχϑῃς Σατνιόεντος, wo ὄχϑῃς laut Σ ad Ξ 445 (III 668 Erbse) die Lesart des Zenodotos ist, die Kallimachos zu Ehren zu bringen scheint. Vgl. Pfeiffer 1953 II, lxxxix und 13 in apparatu ad loc. 101 μελαμψήφιδος Ἀναύρου   Zum pittoresken Attribut μελαμψήφιδος vgl. Kall. h. 4. 76 (tautometrisch auf Ismenos bezogen) und Nonn. 26. 236. Zu Kieselsteinen (ψηφῖδες) im Wasser vgl. Hom. Φ 260 (im Gleichnis). Siehe auch das Attribut von Metope (πολύστιον) in h. 1. 26 und Hdt. 1. 55 (πολυψηφῖδα παρ᾽ Ἕρμον tautometrisch im Hexameter). Zur letzteren Stelle vgl. Stephens 2015a, 135 (zitiert in Σ zu Plat. rep. 566C [p. 265 Greene], wo der Schreiber das Attribut mit μελαμψήφιδα überschrieb). Zum Fluss Ἄναυρος vgl. Hes. scut. 477, Kall. h. 4. 103 (am Hexameterende), Eur. Herc. 390, Lucan. 6. 370, zum Appellativum (‚der Wasserlose‘ [ἄναυρος] = ‚ der intermittierende Fluss‘) vgl. Mosch. Eur. 31 (ἀναύρων am Versende), Lykophr. 1424 und Nik. Alex. 235 (am Versende). Nach Stephens 2015a, 135 spielt der Dichter mit dem gleitenden Übergang zwischen nomen commune und nomen proprium, indem er den Begriff für einen periodischen Sturzbach zum arkadischen Anauros erhebt, einem Eigennamen, den die topographische Präzision nachgerade verlangt (vgl. V. 107 [auch hier Nomen und konkretes Toponym]). Für diese Auffassung scheint zu sprechen, dass ein Fluss namens Anauros nur für Thessalien belegt ist (vgl. h. 4. 103). Siehe auch Apoll. Rhod. 1. 9 und 3. 67, Σ ad Kall. h. 3. 101 (Pfeiffer 1953 II 61) sowie Meineke 1861, 29 ad loc. Aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kallimachos einen anderen Anauros, diesmal in Arkadien, in seinen Quellen aufgespürt hat. So Reinsch-Werner 1976, 166. Zur Verdoppelung eines Toponyms und der Bevorzugung des weniger bezeugten Standorts vgl. h. 1. 42 f. (Thenai in Arkadien und Kreta, wobei es um das kretische Thenai geht). In diesem Fall spielte das Appellativum ἄναυρος nur eine sekundäre Rolle. Etwas anders Bornmann 1968, 51 ad loc. (Bevorzugung des nomen commune). Vgl. auch Pfeiffer 1953 II 13 in apparatu ad loc. Zu einem ähnlichen Problem und Spiel mit dem Flussnamen Keladon vgl. ad V. 107. 102 (a) μάσσονες ἢ ταῦροι   Der Komparativ μάσσονες gehört eigentlich zu μακρός, nicht zu μέγας. Vgl. Hom. ϑ 203 (‚weit werfen‘); Aischyl. Ag. 598 (‚länger erzählen‘); Pind. O. 13. 113 (‚weiter als man sehen kann‘), N. 2. 23 (‚mehr als man zählen kann‘). Dieser Gebrauch wird Kallimachos von Cobet 1861, 424 zum Vorwurf gemacht, in Wahrheit schwebt ihm aber eine Verwendung wie Pind. I. 3. 5 (μάσσων ὄλβος in Entsprechung zu μεγάλαι ... ἀρεταί [V. 4]) vor. So auch Kall. fr. 196 (= Ia. 6) 38 (über die Größe des

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Zeusstandbildes). Dass der Dichter sich über die Bedeutung ‚weiter‘ im klaren war, zeigt Hec. fr. 18. 8 Hollis, eine Stelle, an der das adverbiale μᾶσσον beide Nuancen in sich vereint (sich immer weiter und größer ballende Wolkentürme). Wie nahe einander μάσσων und μείζων stehen, zeigen Apoll. Soph. 110. 6 f. Bekker und Suda 251 s. v. μᾶσσον (III 334 Adler) (mit der Hekale-Stelle). Vgl. auch Scheer 1866, 13. Zur außerordentlichen Größe als Zeichen der Göttlichkeit vgl. Kleinknecht 1939, 321 Anm. 5. 102 (b) κεράων δ᾽ ἀπελάμπετο χρυσός   Bei Homer wird in der Regel das Aktiv λάμπει gebraucht, wenn das Objekt ein Eigenlicht ausstrahlt (z.B. Ζ 295), während das Medium auf die Widerspiegelung von Licht hinweist (z.B. Ζ 319, Χ 134). Kallimachos folgt aber einer berühmten Verwendung des Wortes ἀπελάμπετο bei Homer (Ξ 183 = σ 298: an derselben metrischen Stelle), mit dem die Anmut (χάρις) ausgedrückt wird, die Heras Gewand entströmt. Vgl. Kuiper 1896 I 74. Das zoologische Paradoxon gehörntragender Hirschkühe ist zugleich ein philologisches ζήτημα. Vgl. Pind. O. 3. 29 (χρυσόκερων ἔλαφον ϑήλειαν über die kerynitische Hindin) und Σ ad O. 3. 52a = I 120 Drachmann (Zenodots Konjektur ἐροέσσης für κεροέσσης als Epithet der Hirschkuh in einem Anakreon-Gedicht [fr. 63. 2 PMG]). Vgl. Haslam 1993, 114 und auch Ail. nat. 7. 39 zum Widerspruch des Aristophanes von Byzanz gegen die zenodoteische Konjektur und für ein Bündel literarischer Belegstellen mit gehörnten Hindinnen. Zur Allusion auf die Pindar-Ode vgl. auch ad V. 108 f. Das Gold an den Hörnern, das auch von Pindar bezeugt wird, ist ein Symbol der Zugehörigkeit zur göttlichen Sphäre. So auch Ov. met. 10. 112 (von einem Hirsch). Vgl. Lorimer 1936, 14–29. Zur Hirschkuh als Attribut und Hypostase der Artemis vgl. Wernicke 1895, 1436 f. 103 (a) ἐξαπίνης δ᾽ ἔταφες    Zu ἐξαπίνης vgl. Hom. κ 557 und ξ 29. Die schnelle Abfolge der Geschehnisse ist ein wichtiges Merkmal von Göttergeschichten. Vgl. Cahen 1930, 117 und ad V. 9 f. und 86 (a) (αὐτίκα, ἄφαρ und αἶψα). Zu ἔταφες vgl. die homerische Formel στῆ δὲ ταφών (Λ 545, Π 806, Ω 360), ταφὼν δ᾿ ἀνόρουσε (Ι 193 = Λ 777 = Ψ 101; π 12), perfektive Formen aus τεϑηπ- (reichlich belegt) sowie das Substantiv τάφος (φ 122 und ψ 93). Der Indikativ aus ταφ- ist z.B. Aischyl. Pers. 1000 und Pind. P. 4. 95 belegt. Kuiper 1896 I 74 f. erwägt einen unmittelbaren Einfluss der pindarischen Wendung (τάφε δ’ αὐτίκα [Pelias] ~ ἐξαπίνης δ᾽ ἔταφες). Thematisch wird mit dem über ταφ- ausgedrückten ‚Staunen‘ die Allusion auf Pind. N. 3. 50–53 am offenkundigsten signalisiert, wo Artemis und Athene durch Achilleus’ Schnellfüßigkeit ins Staunen versetzt werden (V. 50: ἐϑάμβεον aus demselben Stamm ταφ-/ϑηπ- vermittels Nasalinfix mit lenisierender Wirkung [Wechsel π/β]). Die sorgfältigste Analyse dieser Pindar-Allusion bietet



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Köhnken 2004, 167–169. Vgl. auch Lord 1990, 128 f. und Ambühl 2005, 287 (Achilleus dient als literarisches Paradigma, obgleich er – wie später [V. 109] auch Herakles – in der mythischen Chronologie noch gar nicht anwesend ist). Wenn die Thomassche (1983, 111) Rekonstruktion von Kall. Ait. fr. 54h 4 Harder zutrifft, könnte Athene Augenzeugin beim Kampf des Herakles mit dem nemeischen Löwen gewesen sein. Dieses Moment dürfte unmittelbar von der entsprechenden Szene der dritten Nemee Pindars inspiriert worden sein. Auch Nonnos ist die pindarische Wendung mit in die Feder geflossen, wenn es heißt, der junge Dionysos schleppe seine Jagdbeute vor Rheia, die sich ϑαμβαλέη mit Gelächter daran weide (9. 180 f.). Vgl. auch ad V. 91–93. 103 (b) τε καὶ ὃν ποτὶ ϑυμὸν ἔειπες   Zu ὅς für σός vgl. Hom Τ 174; α 402, ι 27; Batr. 23; Theokr. 10. 2, 17. 50, 22. 173, 24. 36; Apoll. Rhod. 2. 634, 3. 140, 1041. Vgl. auch Lorentz 1892, 42, Kuiper 1896 I 74 f. und Cahen 1929, 460 f. sowie ad V. 197 und 228 f. Scheer 1866, 4 f. und Pfeiffer 1949 I 357 ad fr. 472 vermuten den Einfluss Zenodots mit seinen Homer-Lesarten. Rengakos 1993, 117 präzisiert diese Angabe im Anschluss an Erbse 1953, 165 f. dahingehend, dass nicht speziell Zenodot, sondern der voraristarchische Vulgatentext mit seiner weniger differenzierten Pronomenverwendung verantwortlich sei (vgl. Hes. erg. 381 mit Apparat und Kall. fr. 472). Kallimachos steht auch im Banne solcher homerischen Wendungen, die das Motiv des Gesprächs mit der eigenen Seele und das Pronomen ὅς ohne Katachrese (dritte Person) enthalten (Λ 403: εἶπε πρὸς ὃν μεγαλήτορα ϑυμόν usw.; Ρ 200: προτὶ ὃν μυϑήσατο ϑυμόν). Zu den Eigentümlichkeiten des Pronomengebrauchs bei Homer vgl. auch Chantraine 1942 I 273–275. Im Angesicht des homerischen Charakters des Ausdrucks wird ἔειπες trotz Bullochs Zweifel echt sein, obwohl die hellenistischen Dichter meistens die Aorist-Mischformen εἶπα usw. verwenden (Bulloch 1985a, 210 ad h. 5. 98 [εἶπας] mit Anm. 4). 104 τοῦτό κεν Ἀρτέμιδος πρωτάγριον ἄξιον εἴη   Das Überraschende des Monologs der Göttin besteht in seiner beispiellosen Kürze. Bei Homer sind solche Passagen der Selbstapostrophierung beträchtlich länger. Außerdem pflegt Kallimachos die direkte Rede im Gegensatz zu Homer durch keine Ausgangsformel abzurunden, was auch auf die verinnerlichte Rede der Artemis zutrifft. Vgl. McLennan 1974, 50 f. Ohne Übergangsformel zur umrahmenden Narration sind die Reden aufgebaut in h. 2. 13 (Apollon), 4. 86 (Musen), 215 (Leto), 6. 41 (Demeter), 50 (Demeter-Nikippa), 77 und 87 (Erysichthons Mutter mit einer langen Reihe stakkatoartiger Vorwände). Bei Homer ist diese Eigenheit Ausnahme (τ 412, χ 200). Die erste Bekundung ihrer göttlichen Kraft und die Ausübung ihres eigensten Berufes sind mit weiteren Überraschungen durchsetzt: Weder die

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III. Kommentar

von den Kyklopen erlangten Schusswaffen, noch die vom Hirtengott geschenkten Jagdhunde gelangen zum Einsatz, und doch kann die kleine Göttin eine Großtat verrichten, die einem ἆϑλος des Herakles vorausgeht und ihn damit als subaltern erscheinen lässt. Zu Recht spricht Herter 1929, 86 f. von einem ἀπροσδόκητον der ersten „öffentlichen“ Betätigung der Artemis. Zur dritten Person statt der ersten vgl. ad V. 19 (b). Das Hapax πρωτάγριον (‚Erstlingsbeute‘) wurde später von Nonnos an derselben metrischen Stelle aufgegriffen (13. 274, 19. 196 usw.). Siehe auch Anth. Pal. 9. 656. 8. Zu einer anderen Zusammensetzung mit dem Vorderglied πρωτ- vgl. V. 228 (πρωτόϑρονε). Ambühl 2005, 289 vergleicht Hermes’ Schildkrötenjagd im homerischen Hymnos (V. 27 f.: gemütlich dahintrottende Schildkröte auf der Weide; V. 30–38: Selbstgespräch des Hermes angesichts der Erstlingsbeute). Vgl. auch ad V. 8 f. 105 f. πέντ᾽ ἔσαν — φέρωσι   Zur P-Alliteration (πέντ᾽ ἔσαν αἱ πᾶσαι∙ πίσυρας) vgl. ad V. 225 (a). Die in V. 103 durch das Staunen der Göttin etablierte Pindar-Allusion wird auf eine imitative und kontrastive Weise fortgesetzt: Wie Achill bei Pindar (N. 3. 51: ἄνευ κυνῶν δολίων ϑ᾽ ἑρκέων), so erhascht Artemis durch Schnellauf (ὦκα ϑέουσα) ohne Hunde (νόσφι κυνοδρομίης) ihre Beute. Bei Lukrez ist die fußläufige Jagd ein Zeichen der Primitivität des ersten Menschengeschlechts (5. 966 f.). Trotz ihres angekündigten ἐλαφηβόλος-Attributs (V. 17 und 262) bringt Artemis die Hindinnen nicht zur Strecke (anders Pindar N. 3. 51: κτείνοντ᾽ ἐλάφους [sc. Achilleus] und h. 27. 10 [an Artemis] mit Faulkner 2013, 228), sondern fängt nur vier der fünf und bespannt mit ihnen ihren Wagen. Vgl. Smiley 1914, 64, Haslam 1993, 113, Köhnken 2004, 165 f. und Ambühl 2005, 285 (Artemis will einem menschlichen Heros in nichts nachstehen und verschmäht das Gefolge der Bracken). Die andere Erklärung der Forscherin (Ambühl 2005, 285 Anm. 264), die Hunde seien aus den zur Jagd noch untauglichen σκύλακες (V. 87), Jungen der τοκάδες κύνες (V. 89), ausgewählt worden, trifft nicht zu, da sie V. 91–97 ausdrücklich als jagdfähig beschrieben werden (vgl. vor allem das Präteritum εἷλκον [V. 93]). Ohnehin würde dies auf eine Abschwächung des Verblüffungseffekts hinauslaufen (Artemis kann die Hunde noch nicht gebrauchen). Zum Bild der hirschjagenden Artemis vgl. Soph. Oid. K. 1092 f. (καὶ κασιγνήταν πυκνοστίκτων ὀπαδὸν / ὠκυπόδων ἐλάφων). Der Hirschwagen der Göttin ruft auch das Maultiergespann der Nausikaa (ζ 72 f.) in Erinnerung. Zu diesem extensiv verwendeten Vorbild vgl. ad V. 6 (a) und 51 sowie Bonnano 1995, 41. 106 νόσφι κυνοδρομίης  Zu νόσφι(ν) ‚ohne‘ vgl. Hom. Ι 348; δ 367, ξ 451 usw., h. Ap. 314; Aischyl. Hik. 239 (mit Personennamen und Personalpronomina). Etymologisch bedeutet die Präposition ‚getrennt von‘ (vgl. δίχα), so dass ihre andere Bedeutung ‚fern von‘, ‚beiseite‘ verständlich wird.



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Vgl. Hes. erg. 91 und 113 (mit ἄτερ koordiniert). Das Wort κυνοδραμεῖν kommt mehrmals bei Xenophon (kyn. 6. 17, 19 und 22) vor. Eine Allusion auf diese Fachschrift über das Weidwerk ist möglich (vgl. Hornstein 1924, 18 und Mesk 1927, 414 sowie ad V. 88 f.), aber der Dichter könnte das Wort ebensogut der Koine entlehnt haben. Zu ϑοὸν ἅρμα φέρωσι vgl. Hom. Ρ 458: ῥίμφα φέρον ϑόον ἅρμα. 107 τὴν δὲ μίαν Κελάδοντος ὑπὲρ ποταμοῖο φυγοῦσαν   Zum Fluss Κελάδων (‚der Tosende‘) vgl. Hom. Σ 576: πὰρ ποταμὸν κελάδοντα und Η 133: ἐπ᾽ ὠκυρόῳ Κελάδοντι. Doch bereits in der Antike war der Eigenname heftig umstritten (vgl. Strab. 8. 3. 21, 348 C). Siehe auch Σ ad h. 3. 107 (Pfeiffer 1953 II 56). Pausanias 8. 38. 9 kennt ihn als Κέλαδος. Siehe Bölte 1921, 132. Die strittige Form des Namens dürfte Kallimachos zur „Stellungnahme“ gereizt haben: Er verweist den Fluss und damit die Episode der Hindenjagd in die Gegend zwischen dem arkadischen Parrhasion-Berg (V. 99) und Keryneia in Achaia (vgl. Strab. 8. 7. 5, 387 C und Paus. 7. 25. 5), während sie von Pindar (O. 3. 25–30) unbestimmt in Arkadien, bei Euripides (Herc. 375–380) in Argolis platziert wird. Vgl. Sistakou 2002, 162. Apollodor (2. 81) lokalisiert das Einfangen des Tieres am arkadisch-achaischen Fluss Ladon. Spielt der Dichter auch auf diesen Namen an, wenn er die Hindin über den Keladon Reißaus nehmen lässt? Vgl. Pschmadt 1911, 12. Zur Gegenüberstellung πέντ᾽ ἔσαν und τὴν δὲ μίαν vgl. Hom. Υ 270­–272: πέντε πτύχας ... τὴν δὲ μίαν (über die fünf Beläge am Schild des Achilleus, deren einzige Goldschicht dem feindlichen Speer Einhalt gebietet). Vgl. Svensson 1937, 55. Reinsch-Werner 1976, 128 und 316 vergleicht den anaphorischen Ausdruck bei Hes. theog. 526–532 (τὸν μὲν ἄρ᾽: auf den Prometheus zerfleischenden Geier bezogen, dem Herakles den Garaus machte). Herakles und Artemis sind vergleichbar, zumal beide als uneheliche Kinder des Zeus trotz des Unwillens Heras (zu Artemis vgl. V. 30 f., zu Herakles V. 108: Ἥρης ἐννεσίῃσιν) durch den Vater zu Ruhm gelangen (vgl. Hes. theog. 530). 108 f. Ἥρης — ἔδεκτο  Cahen 1929, 379–381 und 1930, 116 betont die Originalität des Dichters, der hier seine schöpferische Phantasie ebenso spielen lässt wie bei der Verbindung des Hephaistos mit den Kyklopen. Ambühl (2005, 286 mit Anm. 268) hebt zu Recht hervor, dass Kallimachos von Pindars Mythosvariante (O. 3. 25–32) bezeichnenderweise abweicht, indem er ein anderes Aition für den ἆϑλος des Herakles erfindet als Pindar, der die Hirschkuh für eine Weihgabe der Taygete an Artemis Orthosia hält. Kallimachos erwähnt den Taygetos als Lieblingsberg der Artemis (V. 188). Zum Anklang an die Pindar-Ode vgl. auch Smiley 1914, 59 f. und Lord 1990, 131–133. Die den Vers umrahmenden Worte akzentuieren die herkömmliche (Volks)etymologie des Namens ‚Herakles‘ (‚Der durch Hera Berühmte‘).

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III. Kommentar

Wie Artemis wird auch ihm trotz/dank des Grolls der Stiefmutter Ehre zuteil. Vgl. Bornmann 1968, 53 ad loc. und Stephens 2015a, 136. Dem Vers verleiht auch der Tetrakolos-Charakter seine Prägnanz. Vgl. Kapitel I 6, 88. Herakles taucht auch in der Götterszene als komische Figur auf, über die sich seine Stiefmutter am meisten amüsiert. So erhält das hier angeschlagene Thema des unterschwelligen Konflikts eine versöhnliche Abrundung. Vgl. Köhnken 2004, 166. Ambühl 2005, 263 spricht geistreich von Herakles als einem ‚Blitzableiter‘ von Heras Ingrimm auf Zeus’ uneheliche Kinder. 108 (a) ἐννεσίῃσιν   Die Angabe Ἥρης ἐννεσίῃσιν gehört naturgemäß zum Prädikat ἔδεκτο (Rahmen um den eingebetteten Finalsatz herum). Ambühls Vorschlag (2005, 285 Anm. 263), das Komplement auch auf das Partizip φυγοῦσαν (V. 107) zu beziehen, als hätte Hera nicht nur die Aufnahme, sondern auch das Ausreißen der Hirschkuh erwirkt, scheint forciert. Dass Artemis sich ein Tier entgehen lässt, ist weder auf Heras Fügung, noch auf das Ungeschick der Artemis zurückzuführen, sondern ist ein auktoriales Überraschungsspiel. Pschmadt 1911, 11 hält die berüchtigte Schnellfüßigkeit des Tieres, das dereinst auch Herakles zu schaffen macht, für eine Motivation seines Sonderstatus bei der Jagd durch Artemis. Zum dichterischen Ausdruck ‚auf Betreiben/Geheiß‘ vgl. Hom. Ε 894 (dieselbe Form auf Heras unheimliche Befehle bezogen) und h. Cer. 30 (Zeus’ Fügung). Kallimachos dürfte aber auch bei Hesiod eine Anleihe gemacht haben (theog. 494: Γαίης ἐννεσίῃσι), wo die Wendung an derselben sedes vorkommt. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 128. Wohl in Anlehnung an Kallimachos hat Apollonios ein Faible für das Wort (zwölf Fälle, daraus dreimal [3. 818, 4. 646, 4. 774] die Wendung Ἥρης ἐννεσίῃσιν am Versanfang). 108 (b) ἀέϑλιον Ἡρακλῆι  Die Wendung ἀέϑλιον Ἡρακλῆι kommt bei Apollonios Rhodios an gleicher Stelle vor (1. 997), wo es um die Erdgeborenen geht, die Hera Herakles als ἆϑλος auf den Hals schickte. Nach ReinschWerner 1976, 316 Anm. 2 entlehnt Apollonios den Ausdruck direkt aus Kallimachos (vgl. Σ ad Apoll. Rhod. 1. 996 f. [p. 87 f. Wendel]). ἀέϑλιον bedeutet bei Homer in der Regel ‚Siegespreis‘. Kallimachos lässt es bei einer Amphibolie bewenden: die Hindin soll für Herakles eine Arbeit, aber auch ein Preis werden, wenn sie gefangen wird (dies habe ich in der Übersetzung durch ‚siegreiche Arbeit‘ wiederzugeben versucht). Der Dichter verwendet ἄεϑλος Ait. fr. 55. 3 in der Bedeutung ‚Arbeit‘ (vgl. auch h. 3. 139, 145). H. 4. 187 bedeutet ἀέϑλια eindeutig ‚Siegespreis‘ (γέρας [V. 185] gleichgeordnet als Apposition), h. 6. 74 ist das Wort ἄεϑλα wieder ambivalent. Anders Kuiper 1896 I 76. Derselbe Doppelsinn wohnt ἀέϑλιον auch Hom. φ 4, 62, ω 169 inne (Bogen und Axtköpfe als Herausforderung und



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prospektive Belohnung der Freier). Wie Homer setzt auch Kallimachos das Wort vor die bukolische Zäsur (Schmitt 1970, 35 Anm. 17). 109 (a) ὕστερον ὄφρα γένοιτο   Gegen die handschriftliche Tradition (ὕστατον) bieten die Apollonios-Scholien (1. 996 f. [p. 88 Wendel]) ὕστερον, dem offenkundig der Vorrang gebührt, da es die zeitliche Orientierung steuert. Vgl. Bornmann 1968, 53 ad loc. mit Kall. h. 4. 171 f.: καί νύ ποτε ξυνός τις ἐλεύσεται ἄμμιν ἄεϑλος / ὕστερον. Das Enjambement suggeriert beide Male den Wendepunkt zu einer späteren Zeit. Wenngleich als Bezugsgröße bereits abrufbar, erscheinen Herakles und seine Arbeiten vom chronologischen Gesichtspunkt her zukünftig (ὕστερον): Artemis’ Jagd stellt das Aition für eine spätere Tat des Herakles dar (Artemis erjagt auf einmal vier Hirschkühe, der thebanische Held nur eine). Vgl. Henrichs 1993, 139 (durch den Autor kontrollierte Verschachtelung verschiedener Mythen), Ambühl 2005, 287 und Petrovic 2007, 236. Zur Nachstellung der Konjunktion vgl. V. 150 (ὅτʼ), 231 (ἡνίκα), 96 (ἔνϑα), 116 (ποίης), 136 (ὅστις) sowie Bornmann 1968, L. 109 (b) πάγος Κερύνειος ἔδεκτο   Was das Endziel der Hirschjagd der Göttin betrifft, scheint Apollodor (2. 81) Kallimachos zu folgen (ohne ihn zu nennen), wenn die Konjektur Κερυνῖτιν für handschriftliches κερνῆτιν / κερνήτην zutrifft. Zweifel erweckt allerdings, dass er damit im gleichen Atemzug Oinoe (nach Eur. Herc. 379) als Stammsitz des Tieres erwähnt. Pschmadt 1911, 26 f. hält am Überlieferten fest und interpretiert das Attribut als Hinweis auf das berüchtigte Gehörn der Hindin (vgl. ad V. 102 [b]). Ob bereits Kallimachos selber als Philologe zu dieser Konjektur in seiner Vorlage griff und das so gewonnene Toponym in seinen Hymnos setzte, ist sehr spekulativ und hängt auch von der umstrittenen Datierung der apollodoreischen Bibliotheca (oder ihrer Vorlagen) ab. Zur Lokalisierungsfrage vgl. ad V. 107. Pschmadt 1911, 14 f. und 22–25 hält den Mythos für einen siderischen, in dem der Sonnenheld Herakles die Mond-Artemis-Hindin verfolgt. Vgl. ad V. 189–205 (Britomartis-Episode). Zu ἔδεκτο = Aorist vgl. Kuiper 1896 I 47 sowie ad V. 63. Das aufgeschobene Prädikat lässt im Leser Erwartung aufkommen, was dem ausgerissenen Tier widerfahren sein könnte. Vgl. Bornmann 1968, 53 ad loc. und Stephens 2015a, 136.

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III. Kommentar

ARETALOGIA (V. 110–258) Artemis πολιάς (V. 110–141) 110 Ἄρτεμι Παρϑενίη Τιτυοκτόνε   Das Trikolon der feierlichen Anrufe der Artemis markiert den Beginn der Aretalogie der Göttin und hat damit textstrukturierende Funktion. Die „psychologisierende“ Deutung von Bing/ Uhrmeister 1994, 23, Artemis habe hiermit eine neue Etappe ihrer Entwicklung erreicht, beruht auf einer falschen Perspektive über den Werdegang der Göttin. Vgl. Kapitel I 2, 20. Vestrheim 2000, 72 erinnert an den Abschluss der homerischen Hymnen, in denen die Narration über die Taten des Gottes von dessen Anrufung beschlossen wird. Kallimachos täuscht seine Leser, indem sich die scheinbare Abschlussformel als ein Neubeginn entpuppt. Vgl. ad V. 136 f. Zu Παρϑενίη vgl. ad V. 6 (a). Zur Bestrafung des mythischen Frevlers Tityos, der sich an Leto vergriff, vgl. Hom. λ 576–581 (Bestrafer[in] nicht genannt), Pind. P. 4. 90–92 (Artemis als Bestraferin), Pherek. fr. 56 (FGrH I 77 Jakoby), Apollod. 1. 23 (Artemis und Apollon gleichermaßen beteiligt; siehe auch Σ ad h. 3. 110 [Pfeiffer 1953 II 62]), Apoll. Rhod. 1. 759–762 (Apollon als Bestrafer). So auch Ephor. fr. 31. 6 f. (FGrH II 53 Jakoby) (eine euhemeristische Version) und Orph. h. 34. 1 (Apollon Τιτυοκτόνος). Eichgrün 1961, 118 führt diese mythographische Varianz zu Recht auf die Rivalität der Göttin mit ihrem Bruder zurück, die von Kallimachos zu Gunsten der Göttin entschieden wird. Ambühl 2005, 279 Anm. 238 vermutet überdies die Wirkung einer Version, die später bei Euphorion (fr. 105 [p. 49 CA]) bezeugt ist, der Tityos sich an Artemis selbst vergehen lässt. Die Paarung von Παρϑενίη und Τιτυοκτόνος beschwört das alternative Mythologem herauf und korrigiert es durch die Zuteilung des Siegs an Artemis. Das Wort Τιτυοκτόνος kommt – wohl in Anlehnung an Kallimachos – auch Anth. Pal. 9. 790. 5 an derselben sedes vor. Vgl. auch Bornmann 1968, XXIII und 54 ad loc. sowie D’Alessio 1996, 108 Anm. 23. Weniger ansprechend ist Ambühls Auffassung (279 Anm. 239), Kallimachos impliziere, dass Artemis Tityos bereits in ihrem Kindesalter vor ihrer ersten Wagenfahrt getötet habe. Nicht so sehr auf eine chronologische Pointe kommt es hier an, als vielmehr auf eine gattungstypologische: Götterattribute nehmen Bezug auf die gesamte Karriere der Gottheit aus einer zeitlosen Perspektive. Der Dichter schlägt Kapital gerade aus der Spannung, die entsteht, wenn einer Mädchengöttin grausige Taten zugeschrieben werden. Dieser Sichtweise ist die Verknüpfung der Vergangenheit mit der Gegenwart (und der Zukunft) des Sprechenden, d.h. eine ganzheitlich-komplexive Zeitauffassung, von Haus aus eigen. Vgl. Petrovic 2007, 236. Die Tötung



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des Frevlers stimmt den Leser auf den späteren Auftritt der Artemis als einer die Vermessenheit mit gerechter Strafe heimsuchenden Jägerin ein (V. 121–128). Vgl. Cessi 1899, 365 und Bornmann 1968, 55 ad loc. 110 f. χρύσεα ... / ἔντεα καὶ ζώνη, χρύσεον δ᾽ ἐζεύξαο δίφρον   Gold ist ein symbolisches „Rangabzeichen“ der Göttlichkeit. Zu goldenen Gegenständen in der Umgebung der Artemis vgl. Hom. Ζ 205 (χρυσήνιος), Ι 533 (χρυσόϑρονος), Π 183 (χρυσηλάκατος), h. 9. 4 (παγχρύσεον ἅρμα), 27. 5 (παγχρύσεα τόξα). Zur dreifachen Anapher des Stamms χρύσ- mit Variation der Endung vgl. Hom. Θ 42–44 (Zeus), Ν 21–27 (Poseidon); Kall. h. 2. 32–35 (Apollon), 4. 260–264 (Delos: weitgehend anaphorisch). Nach der Anapher-Reihe kommt – wie h. 3. 112 – auch hier die Wendung ἐν δ᾽ ἐβάλευ (h. 4. 265) vor (der neugeborene Apollon auf Delos’ Schoß). Durch ihre Vergoldung scheint Artemis Apollon (vgl. auch Hom. h. Ap. 135 f. mit Bing/ Uhrmeister 1994, 30) und Delos in Konkurrenz zu treten (Ambühl 2005, 279). Siehe auch Ukleja 2005, 206 (Korrektur der nicht besonders goldreichen literarischen Tradition). Sie weist auch darauf hin (206 Anm. 715), dass die Gold-Anapher an einer strukturell bedeutenden Stelle des zweiten, dritten und vierten Hymnos vorkommt. Vgl. auch Verg. Aen. 1. 138 f.: cui [Dido] pharetra ex auro, crines nodantur in aurum, / aurea purpuream subnectit fibula vestem (stilistische Ähnlichkeit und thematische Anknüpfung durch das Bild der jagenden Dido). Vgl. Vahlen 1896, 807, Pasquali 1913, 18 f. und Thomas 1993, 206. Zur metrischen Form von χρύσεον vgl. Kapitel I 6, 86. Das Substantiv ἔντεα wird im Vergleich zur homerischen Bedeutung (‚Waffen‘) allgemeiner (‚Rüstzeug‘) verwendet (so auch h. 2. 19: Leier und Bogen). Vgl. Hom. Κ 75 (Ausrüstung); Pind. O. 7. 12, P. 12. 21 (Musikinstrumente), O. 13. 20, P. 5. 34 (Pferdegeschirr), N. 4. 70 (Takelwerk des Schiffes = Hom. h. Ap. 489). Die ζώνη verweist auf die Jungfräulichkeit (Παρϑενίη) zurück (vgl. z.B. λ 245 und h. Ven. 164), der Wagen (δίφρον) auf die unmittelbar voraufgegangene Hirschjagd (V. 99–109). Zum Verb ζευγνύναι (statt Tiere den Wagen) vgl. Pind. P. 10. 65; Eur. Andr. 1020, Alc. 428 (Medium des Interesses). Vgl. Kuiper 1896 I 76 f. 112 (a) ἐν δ᾽ ἐβάλευ χρύσεια, ϑεή, κεμάδεσσι χαλινά   Das Syntagma ἐν δ᾽ ἐβάλευ ist homerisch (Η 176 [am Versanfang], Ω 787): den wichtigsten Prätext stellt Hom. Τ 393 f. (ἐν δὲ χαλινοὺς [homerisches Hapax] / ... ἔβαλον) dar. Zur Abwandlung des homerischen Aktivs zum Medium vergleicht Bornmann 1968, 55 ad loc. τ 57 f., zur Form ἐβάλευ (so auch h. 4. 265 ebenfalls im Kontext von goldenen Gegenständen) μ 218 (βάλλευ). Giangrande 1971, 356 hält die Variante ϑεά von Ψ (so auch V. 186 und h. 1. 30 mit Pfeiffer 1953 II 2 ad loc.) für die echte Lesart als bewusste Anspielung auf eine homerische Rarität (Hom. h. Cer. 179, 183, 279). Dass dies auf

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III. Kommentar

einem Trugschluss beruhen kann, weil die homerische Form den Schreibern spontanerweise in die Feder könnte geflossen sein, moniert Pfeiffer 1953 II, XC. Stephens 2015a, 136 weist auf die Verbindung der Herakles-Thematik mit der Apostrophe ϑεή hin, ein Muster, das sich auch V. 152 (Artemis’ Ratschläge an Herakles mit ϑεή an identischer Versstelle) wiederholt. Zu χαλινά am Versende vgl. z.B. Apoll. Rhod. 4. 1607, Opp. kyn. 2. 140, Opp. hal. 1. 191 (die heteroklitische Neutrum-Form im Vergleich zu χαλινοί ist hellenistisch). 112 (b) κεμάδεσσι    Der Begriff κεμάς nimmt auf die das Wort umrankende philologische Diskussion Bezug. Es kommt Hom. Κ 361 vor und kann entweder einen Hirsch (ἔλαφον) oder ein Reh (δορκάδα) bezeichnen. Vgl. Σ ad loc. (Pfeiffer 1953 II 62), Apoll. Soph. 97. 33 Bekker, He­­sych. 2193 s. v. κεμάς (II 459 Latte). Kallimachos legt hier die Bedeutung ohne jeden expliziten Fingerzeig nur durch den Kontext der Verwendung des Wortes (V. 100) auf ‚Hirsche‘ fest (so auch V. 163 und 167). Ait. fr. 186. 31 wird Artemis Διὸς κεμαδοσσόε [κο]ύρη bezeichnet. Vgl. de Ian 1893, 26, Herter 1929, 51 sowie 1931, 447 und Rengakos 1992, 41 mit Anm. 83. Apoll. Rhod. 3. 879 stattet Artemis in einem Gleichnis ebenfalls mit ὠκείαις κεμάδεσσι (‚Hirschkühen‘) aus (verdeutlicht durch die Allusion auf Hom. ζ 104: ὠκείῃσ’ ἐλάφοισι). Vgl. Erbse 1953, 178. Bei Nonnos fährt die Göttin ein von vier κεμάδες gezogenes Gespann (48. 450). 113 (a) ποῦ δέ σε τὸ πρῶτον κερόεις ὄχος ἤρξατ᾽ ἀείρειν;   Die Fahrt mit dem Wagen bezieht sich auf V. 111 (δίφρον) zurück. Bornmanns (1968, 56) Auffassung, das Fragewort ποῦ als ‚wohin?‘, die Angabe Αἵμῳ ἐπὶ Θρήικι (V. 114) als direktionell zu nehmen, scheitert am Parallelismus mit der zweiten Frage (V. 116 f.: ποῦ [‚wo?‘] ... Μυσῷ ἐν Οὐλύμπῳ), die offenkundig lokal ausgerichtet ist. Das Problem, wie es Artemis von Arkadien nach Thrakien schafft, stellt sich gar nicht, da es Kallimachos auf eine Reihe von Glanzpunkten im Leben der Göttin ankommt, wobei Chronologie und Geographie keine erhebliche Rolle spielen. Bornmann zieht allerdings für die Wendung ἤρξατ᾽ ἀείρειν zu Recht homerische Belegstellen an wie Β 84 (ἦρχε νέεσϑαι). Der Aorist ἤρξατ᾽, der ein Hapax bei Homer ist (ψ 310), trägt zu diesem Ausdruck den ingressiven Aspekt bei. Die beste Analyse der rhetorisch-pragmatischen Struktur der breitangelegten Passage bis hin zum Gebet in V. 136–141 bietet Bundy 1972, 68: In Frage–Antwort-Form (ratiocinatio) steuert der Dichter über eine gleitende Bahn möglicher Singthemen auf den ihm (ge)wichtigen Punkt (die erste Benutzung des Bogens mit den Pfeilen durch Artemis) zu. Nahekommen in Funktion und Charakter Passagen wie Hom. Α 8, Pind. P. 4. 70 f. sowie Apoll. Rhod. 2. 851–853 und 4. 552–556 (Frage zur Einleitung der Erzählung). Vgl. Hutchinson 1988, 94 mit Anm. 14 (Zwiegespräch des wissbe-



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gierigen Dichters mit sich/der musenähnlichen Göttin). Auch Harder 1992, 387 nimmt in der Frage und Antwort einen mimetischen Zug wahr (Hymnenadressatin und Dichter/Narrator im Dialog). Die Glieder dieser crescendo-ähnlichen Aufzählung sind nach dem Prinzip wachsender Glieder gestaffelt: Auf zwei ποῦ-Fragen mit einer Antwort von jeweils zwei Versen (V. 113 + 114 f. bzw. V. 116 + 117 f.) folgt eine dritte Frage, eingeleitet durch ein „schweres“ Fragewort (ποσσάκι), bezüglich der Schießübung der Göttin, mit einer Antwort von doppelt so viel (= vier) Versen (V. 119 + 120–123). Diese vier Verse enthalten selber eine Gradation (αὔξησις) von vier Schießversuchen, durch Numeralien markiert. Zum Zahlenspiel hier und sonst im Hymnos vgl. Henrichs 1993, 134. Zur Stelle als einer Übergangspassage vgl. auch Fain 2004, 48 f., der allerdings zu Unrecht die Aporie-Fragen der Hymnendichtung heranzieht. Kall. h. 4. 29 ist anders, da hier tatsächlich Ratlosigkeit vorgetäuscht wird, was an dieser Stelle nicht der Fall ist. Die Wendung τὸ πρῶτον akzentuiert eine aitienhafte Urspünglichkeit. Bundy 1972, 69 vergleicht episch-rhapsodisches τίς πρῶτος (Ε 703, Θ 273, Λ 299 f., Ξ 509; Π 692 f.; ι 14). Zur Frage–Antwort-Form vgl. auch ad V. 183. 113 (b) κερόεις ὄχος    Die Metapher κερόεις ὄχος bezeichnet den mit gehörnten Hindinnen bespannten Wagen, wobei die Eigenschaft der Tiere (vgl. V. 102) auf das Gefährt übertragen wird und eine kenningähnliche Bildung entsteht. So Aulin 1856, 9 und Bredau 1892, 73. Zu einer vergleichbaren gattungsfremden Spezifizierung der Beschaffenheit des Gespanns durch ein Attribut vgl. Aischyl. Prom. 135 (ὄχῳ πτερωτῷ), Eur. Or. 1001 f. (πτερωτὸν / ... ἅρμα), Phoen. 172 (ἅρμα λευκόν). Nonnos scheint von Kallimachos beeinflusst zu sein (36. 55: εὐκεράου ... δίφρου und 48. 312: κεραὴν ... ἀπήνην). Dass es hier um die Eigenschaft der Artemis als einer gehörnten Mondgöttin geht (Kuiper 1896 I 77), ist weit hergeholt. 114 Αἵμῳ ἐπὶ Θρήικι, τόϑεν βορέαο κατᾶιξ   Im Gegensatz zu Hom. Ι 5, wo Boreas und Zephyros von Thrakien herandrängen, wird hier nur der Nordwind erwähnt. Hiermit ist dem Widerspruch die Spitze gebrochen, dass zwei Winde aus derselben Himmelsrichtung wehen (vgl. Strab. 1. 2. 20, 28 C). Vgl. Kuiper 1896 I 77 f. und Cahen 1930, 120. Zu ἐπί + lokaler Dativ vgl. ad V. 99. Zur Bildung des raren Nomens κατᾶιξ oder κατάιξ (bei Kallimachos sonst noch Hec. fr. 18. 15 Hollis: ϑοὴ βορέαο κατᾶιξ [am Versende]; zur Akzentfrage Pfeiffer 1949 I 236 ad loc.) vgl. Bredau 1892, 21 und Kuiper 1896 I 78, die eine Analogbildung postulieren nach den homerischen Adjektiven πολυάϊξ, κορυϑάϊξ, τριχάϊξ und dem Substantiv ἀική ‚Andrang‘ (Ο 709) aus dem Stamm des Verbs καταΐσσειν ‚anstürmen‘. Zum Nomen ἀική verzeich-

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III. Kommentar

net Herodian die Existenz der Variante ἆιξ (π. Ἰλ. προσ. II 97. 33 Lentz). Vgl. Kuiper 1896 I 78. Die Scholien (Pfeiffer II 1953, 62 ad h. 3. 114b) glossieren das Wort mit καταιγίς (ein etymologischer Erklärungsansatz?). Apollonios Rhodios 1. 1203 (κατάιξ), 3. 1376 (κατάϊκες) und 4. 820 (ἄϊκας) scheint sich an Kallimachos anzulehnen, indem er das Wort in Bezug auf den Ansturm der Winde gebraucht. Vgl. Erbse 1953, 174 f. Schmitt 1970, 80 Anm. 10 bemerkt zu Recht, dass Kallimachos außer h. 4. 63 (Θρήικος Αἵμου) immer Θρήῑκ- verwendet. Vgl. Kapitel I 6, 83. Für weitere formale Spielarten des Attributs nebst Belegstellen vgl. Bornmann 1968, 57. Das Pronomen τόϑεν ist öfters demonstrativ (Hes. scut. 32, Aischyl. Ag. 220, Apoll. Rhod. 4. 639). 115 ἔρχεται ἀχλαίνοισι δυσαέα κρυμὸν ἄγουσα   Die Satzstruktur erinnert an Ω 82: ἔρχεται ὠμηστῇσιν ἐπ’ ἰχϑύσι [dat. incomm.] κῆρα φέρουσα (Bleikugel an der Angelleine). Zum Verb ἔρχεται in meteorologischem Sinne vergleicht Bornmann 1968, 57 ad loc. Hom. Ι 6 und μ 288. Das Präsens ἔρχεται schafft unerwartet einen Gegenwartsbezug: die Naturerscheinung bildet ein zeitliches Kontinuum, gegen das sich die Tat der Artemis abhebt. Vgl. Petrovic 2007, 237 und ad V. 118. Zum prosaischen (Hdt. 4. 8. 12 usw.) Wort für Frost (κρυμός) vgl. Nik. Ther. 681, Anth. Pal. 6. 252. 6, Dion. Per. 669 (κρυμός ... δυσαής) mit Lightfoot 2014, 414 ad loc. Kall. Ait. fr. 75. 19 bezieht sich κρυμός auf den Fieberfrost und bezeugt medizinisches Interesse (κρυμός kommt in diesem Sinne bei Hippokrates morb. IV 7. 590. 23 usw. Littré vor). Vgl. Nikitinski 1996, 133 f. Selden 1998, 320 vermutet angesichts der Wendung δυσαέα κρυμόν anemologische Belesenheit (vgl. Hec. fr. 18. 15 Hollis und h. 4. 26), aber die Beschreibung der Wirkung des Windes enthält nichts auffällig Technisches. Der Begriff κρυμός erhält ein hochpoetisches Attribut (δυσαέα), das vom Wind (Hom. ν 99 [Schutz vor ἀνέμων ... δυσαήων] und ε 295 [Zephyros]) auf die vom Wind gewehte Kälte übertragen wird (Enallage). Vgl. auch Kuiper 1896 I 78 und Cahen 1930, 120. H. 4. 138 f. (δυσαεῖς / ἐσχατιαὶ Πίνδοιο) wird das Wort ebenso in neuer Bedeutung gebraucht, zumal es die windigen Anhöhen eines Berges bezeichnet. Bei Hom. Ε 865 (καύματος ἐξ/ἒξ [mit Anastrophe] ἀνέμοιο δυσαέος ὀρνυμένοιο) kommt das Wort im Zusammenhang mit Sommerhitze und Wind vor. Zum umstrittenen Bezug des Attributs (zu ἀνέμοιο oder καύματος) vgl. Q. Smyrn. 13. 134 (καύματος ... δυσαέος) sowie Kuiper 1896 I 78. LSJ s. v. δυσαής 2 nehmen unnötig eine zweite Bedeutungsnuance (excessive) an, der sie unsere Kallimachos-Stelle zuordnen. Der locus classicus für den von Thrakien aus wehenden, winterlichen Boreas sowie die χλαῖνα, die Schutz gegen die Kälte bieten kann, ist He­ siod erg. 506 f. und 536 f. Vgl. Ardizzoni 1932, 56 Anm. 1. Zu den für den



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Wind anfälligen ἀχλαίνοισι vgl. auch Π 224 (χλαινάων ... ἀνεμοσκεπέων) und ξ 529 (χλαῖναν ... ἀλεξάνεμον), wobei die Verbalrektionskomposita von Kallimachos zerlegt werden (βορέαο κατᾶιξ ~ ἀνεμ-) und χλαιν- negiert wird (ἀχλαίνοισι), so dass eine dramatische Szene daraus entsteht (ἔρχεται ... κρυμὸν ἄγουσα). Der Ausdruck wurde auch von Pindar abgewandelt (O. 9. 97: das Wams als ψυχρᾶν ... εὐδιανὸν φάρμακον αὐρᾶν).Vgl. Bornmann 1968, 57 ad loc. Höchstwahrscheinlich schwebte dem Dichter auch eine ähnliche Formulierung aus einem Rätselgedicht (γρῖφος) des Simonides über den Harschschnee vor (fr. 25. 1–3 W2: τὴν ῥά ποτ’ Οὐλύμποιο περὶ πλευρὰς ἐκάλυψεν / ὠκὺς ἀπὸ Θρῄκης ὀρνύμενος Βορέης, / ἀνδρῶν δ’ ἀχλαίνων ἔδακεν φρένας). Vgl. auch Kuiper 1896 I 78 f. und Herter 1931, 449. Der Frost nimmt das Motiv der die ungerechte Stadt heimsuchenden πάχνη (V. 125) vorweg (Bing/Uhrmeister 1994, 24 Anm. 19). 116 ποῦ δ᾽ ἔταμες πεύκην, ἀπὸ δὲ φλογὸς ἥψαο ποίης;   Durch die Aufschiebung des Interrogativpronomens ποίης wird chiastische Ordnung erzielt (ποῦ δ᾽ ἔταμες – ἥψαο ποίης). Zur Alternanz ποίης – ποῦ vgl. Hom. α 406 f. Das Verb ἅπτομαι bedeutet hier (so auch Paus. 4. 21. 4) ‚anzünden‘ (aktive Bedeutung), nicht ‚angezündet werden‘,‚aufbrennen‘ (z.B. Hom. ι 379). Vgl. Bredau 1892, 76. Dies mag suggerieren, dass Artemis das Feuer für sich / in ihrem eigenen Interesse anzündet, aber die Verwendung des Mediums statt des Aktivs könnte auch auf die ad V. 42 (ἐπελέξατο) beschriebene Tendenz zurückgehen. Die fackeltragende Funktion (δᾳδοφορίη) steht mit dem Mond-Aspekt der Artemis sowie ihrer Verwandtschaft mit Hekate im Zusammenhang, was im Hymnos eher andeutungsmäßig präsent ist. Vgl. Kuiper 1896 I 79 und Wilamowitz 1924 II 55 und ad V. 11 (φαεσφορίη). Auch hier bezeichnet die Fackel nicht eine andere Hypostase, die sich die Göttin einverleibt hat, sondern die Teilhabe am Machtbereich ihres Vaters (vgl. ad V. 117 f.). 117 Μυσῷ ἐν Οὐλύμπῳ   Die Wendung Μυσῷ ἐν Οὐλύμπῳ ist Αἵμῳ ἐπὶ Θρήικι (V. 114) parallel gebaut, mit dem einzigen Unterschied, dass hier das Attribut vorangestellt wird, um auszudrücken, dass es sich um den my­ sischen Olymp handelt (bei Homer steht Οὐλύμπῳ, auf den Göttersitz bezogen, beide Male [Φ 389 und λ 315] an derselben Stelle). Zu einem Heiligtum der mysischen Artemis vgl. Paus. 3. 20. 9. Gemäß Petrovic 2007, 229 komme der Gang nach Osten (Mysien) einer Wandlung zur Stadtgöttin gleich, da Artemis vor allem in den östlichen Gebieten als πολιάς auftrete. Allerdings steht der Zusammenhang zwischen Mysien und den V. 122–135 beschriebenen Städten, über die Artemis waltet, keineswegs fest, da diese nicht lokalisiert werden, sondern einen all-

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III. Kommentar

gemein-paradigmatischen Charakter besitzen (vgl. Stephens 2015a, 137). Das Wesentliche dieser Übergangspassage besteht gerade darin, dass die konkret-geographische Route im ethisch-symbolischen Bereich aufgeht, um schließlich über eine nochmalige Anrufung der Göttin und ein Themenaufgebot (V. 136–141) in die olympische Szene (V. 142) zu münden, die Artemis nunmehr in ihrem zeitlosen Wesen zeigt. 117 f. φάεος δ᾽ ἐνέηκας ἀυτμήν / ἀσβέστου  Der Begriff ἀυτμή, dessen Grundbedeutung ‚Hauch‘ ist (‚Atem‘ erscheint ihm etymologisch verwandt), bezeichnet hier die Feuersglut wie z.B. Hom. Φ 366; ι 389, π 290; Hes. theog. 696 sowie 862. Vgl. Kuiper 1896 I 79. Zu φάεος ~ πυρός vgl. Aischyl. Choeph. 863 (nach Cahen 1930, 120 ein Attizismus). Stephens 2015a, 137 vergleicht auch Hom. Κ 89 (zwei identische Elemente [ἐνέηκε und ἀυτμή] in anderem Kontext mit Zeus als Subjekt). Apollonios Rhodios, der das Wort häufig gebraucht, dürfte von der kallimacheischen Stelle inspiriert sein, wenn er auf Iasons Mantel den letzten Strahl des Blitzes des Zeus als μαλεροῖο πυρὸς ζείουσαν ἀυτμήν (1. 734) beschreibt (vgl. auch 3. 531: ἀκαμάτοιο πυρὸς μειλίσσετ’ ἀυτμήν hinsichtlich der von Hekate gelernten Zauberkünste Medeias). Reinsch-Werner 1976, 302 f. entdeckt in den Versen eine zweite (vgl. ad V. 63) Anspielung auf Hes. theog. 689–699 (Titanenschlacht): V. 689 wird der Götterberg Olymp erwähnt (bei Kallimachos sein mysischer Namensvetter), V. 690 erscheinen die vernichtenden κεραυνοί des Zeus, V. 696 ἀυτμή, V. 698 am Versanfang ἄσπετος (φλόξ), das mit ἀσβέστου zusammenklingt. Zu ἄσβεστος (mit Bezugswort φλόξ) vgl. auch Hom. Π 123 und Ρ 89 (am Versanfang). Zur Gleichsetzung des Blitzstrahls mit Feuer vgl. Aischyl. Prom. 917 (πύρπνουν βέλος). 118 τό ῥα πατρὸς ἀποστάζουσι κεραυνοί    Zu ἀποστάζειν in Bezug auf eine göttliche Substanz vgl. h. 2. 39 (πανάκεια). Zur Verbindung des optischen Phänomens (φάεος) mit Flüssigkeitstropfen (ἀποστάζουσι) vgl. Bornmann 1968, 58 ad loc. mit weiteren Belegstellen und Adorjáni 2014a, 216 ad Pind. O. 6. 55. Der Begriff ἀυτμή, der auch ‚Ausdünstung‘ bedeutet, vermittelt zwischen dem Bereich des Lichtes und dem des Nassen. Cahen 1930, 121 vermutet den Altar von Pergamon (Baumeister 1889 II Abb. 1419 [Zeusgruppe], 1426 [Hekategruppe]) als Inspirationsquelle der Bildlichkeit, obgleich die Verknüpfung zwischen den Beiden denkbar vage bleibt. Das Wort κεραυνός steht in der epischen Sprache traditionellerweise am Versende. Auch bei Apoll. Rhod. 4. 520 kommt der Plural κεραυνοί in Bezug auf Zeus versfinal vor. Wie schon V. 115 (ἔρχεται), geht hier die Vergangenheit der Erzählung mit dem Präsens einher (zur „Schwebezeit“ zwischen Vergangenheit und Gegenwart vgl. Faulkner 2005, 67), das die immerwährende Macht des Zeus vermittels seiner Herrschaftsinsignien (κεραυνοί) schildert. Indem Artemis



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ihre Fackel am Feuer des Zeus entzündet – d.h. an den Blitzstrahlen, mit denen er zu strafen pflegt –, wird sie eine rechtmäßige Erbin und Vollstreckerin der Theodizäe ihres Vaters. Jetzt ist sie bereit, die Funktionen einer Stadtgöttin zu erfüllen (vgl. ad V. 122). So auch Libanios or. 5. 34: ᾿Επισταμένη δὲ εὖ ποιεῖν ἀνϑρώπους ἡ ϑεὸς ἐπίσταται καὶ κολάζειν ἀνϑρώπους, τὰ τοῦ πατρός, οἶμαι, ποιοῦσα, παρ’ οὗ καὶ πλοῦτος καὶ κεραυνοί, τὸ μὲν τοῖς δικαίοις, τοῖς δὲ οὐ τοιούτοις τὸ πῦρ. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 74 f. (über die Identifikation mit Hekate, der bei Hesiod theog. 418–452 große Ehren von Zeus zustehen), Knight 1993, 205, Bing/Uhrmeister 1994, 25, Fantuzzi/Hunter 2004, 355 (königliche Würde als Bindeglied zwischen Artemis, Zeus und Hekate [Hes. theog. 434–438]), Schlegelmilch 2009, 229 f., Stephens 2015a, 138 und neulich Brumbaugh 2019, 208–210. 119 ποσσάκι δ᾽ ἀργυρέοιο, ϑεή, πειρήσαο τόξου;   Die Wendung ἀργυρέοιο ... τόξου erinnert an das apollinische epitheton ornans ἀργυρότοξος (Bing/ Uhrmeister 1994, 21 Anm. 14 und 24). Dies kommt bei Homer zuerst in Α 37 vor, wo ἀργυρό- an derselben metrischen sedes steht wie ἀργυρέ- bei Kallimachos. Dies legt eine Allusion auf die homerische Szene nahe, in der Apollon sich als Rächer geriert (V. 44–49), der mit seinem Bogen (V. 49: ἀργυρέοιο ... βιοῖο) unter den Griechen aufräumt (vgl. Fain 2004, 50 und Ambühl 2005, 278 Anm. 231). Die Fähigkeit, Doppelgaben (Gutes und Böses) auszuteilen, wohnt – wie Artemis – auch dem delischen Apollon inne, der in seiner Linken den Bogen, in seiner Rechten die anmutigen Chariten hält (Ait. fr. 114. 5 f. Harder). Vgl. auch Macr. Sat. 1. 17. 13 Kaster mit Pfeiffer 1960 passim. Offensichtlich will Artemis durch ihren ersten ernsten Auftritt ihrem Bruder gleichkommen. Auch Plantinga 2004, 259 Anm. 11 weist darauf hin, dass der Silberbogen, der Apollon zusteht (Hom. h. Ap. 140, 178, h. Ven. 152), das mit Artemis öfter assoziierte Gold (h. Ven. 16, 118, 27. 1, 5) ablöst. Zudem schießt Artemis mehrmals, wie auch ihr Bruder (Kall. h. 2. 101), wobei sie verschiedene Zielpunkte wählt, während Apollon auf Python mehrere Pfeile aussendet. Zu πειρήσαο vgl. Hom. φ 410 (πειρήσατο an identischer Versstelle). 120 πρῶτον ἐπὶ πτελέην, τὸ δὲ δεύτερον ἧκας ἐπὶ δρῦν   Die Assoziation der Artemis mit Bäumen spiegelt ihren ehemalig-ursprünglichen Charakter als Naturgöttin wider, der sich sodann (V. 129–131) in ihrem Fruchtbarkeitsbezug äußert (vgl. Nilsson 1906, 191, Guthrie 19552, 101 und Dietrich 1974, 178 f.). Zum Gegensatz einer aggressiv-überwältigenden Göttin orientalischen Ursprungs und einer zahm-beschützenden πότνια ϑηρῶν ägäischer Herkunft vgl. Christou 1968, 24 und Marinatos 1998, 115 f. Zur Sequenz ‚Baum, Tier, Mensch‘, die auch einen gewissen Fortschritt vom Vegetativen zum Zivilisatorischen vertritt, vgl. Petrovic 2007, 230, die auch

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III. Kommentar

den Baumkultus sorgfältig dokumentiert. Die hierbei in Frage kommenden Hypostasen der Artemis sind die Apanchomene-Kondyleatis (Arkadien; vgl. Kall. Ait. fr. 187), Kedreatis (Arkadien), Karyatis (Lakonien), LygodesmaOrth(e)ia, Korythalia (Sparta–Amyklai), Phakelitis (Magna Graecia und Sizilien). Vgl. Kern 1897 passim, Wilamowitz 19552 I 122 f., Blech 1982, 376–383 (zum Baumkultus im Allgemeinen) und Nilsson 1941, 194–197, 457–463 (in Bezug auf Artemis). Nach Petrovic 2007, 232 weise die Eiche auf Artemis δενδρῖτις hin. Zwar muss man mit der Annahme des Einflusses zeitgenössischer Kultwirklichkeit vorsichtig sein, kommt dieser Aspekt bei der Bekundung der vegetativ fruchtbaren Seite der Göttin in Betracht. Eine diesbezügliche Kenntnis dürfte aber nicht aus eigener Anschauung stammen, sondern könnte über die Vermittlung von Sachliteratur entstanden sein. Eine eindeutige, geschweige denn geographische Festlegung des Kultes ist jedenfalls nicht möglich und wohl auch nicht die Absicht des Dichters. Vgl. auch ad V. 239 (a) und Hor. c. 3. 22. 5 (ein Artemis heiliger Tannenbaum). Artemis verschießt die Pfeile nicht wie eine ungeschickte MöchtegernSchützin mit zwei linken Händen, sondern schießt sich ganz bewusst und zielstrebig an harmlosen Zielobjekten ein, bis sie sich ihrem Auftritt als Rachegeist gewachsen fühlt. Die ad V. 121 aufgelisteten homerischen Parallelen sind nicht dazu angetan, den dreimaligen Misserfolg der Göttin im Schießen zu belegen, da auch bei Homer die vorgeschalteten Ereignisse keinen Eigenwert haben und nur als Folie zur Hervorhebung des Schlussgeschehens dienen. Vgl. auch Fain 2004, 49 Anm. 31. McKays Interpretation (1963, 251 f.) unter Berufung auf Homer entbehrt also einer tragfähigen Grundlage. Sie ist ohnehin sehr forciert. Er nimmt an, Artemis verfehle die schmale Ulme, suche sich etwas Breiteres aus (Eiche), ziele nach wiedergewonnenem Selbstvertrauen auf ein Tier, nehme aber aufgrund eines nochmaligen Fiaskos etwas so Großes und nicht Verfehlbares wie eine Stadt aufs Korn, um nicht resigniert aufgeben zu müssen. Aber dieses Auf und Ab von Mutverlieren und Wiedermutfassen im subjektiven Erleben der Göttin ist durch den Text gar nicht indiziert. Ein leicht humoristischer Zug kann allerdings beim Bild der entspannt umherschießenden Göttin nicht verleugnet werden. Zur Aufschlüsselung der Schüsse nach Zielpunkten vgl. Hom. Α 50–52 (V. 50: πρῶτον [Maultiere und Hunde]; V. 51: αὐτὰρ ἔπειτ᾽ [Menschen]), wodurch Artemis ihrem das Heer der Achaier strafenden Bruder Apollon nacheifert. Vgl. Dornseiff 1936, 734 (Kontrast zwischen treffsicherem Apollon und sich irrender Artemis) und Stephens 2015a, 137 f. Nonnos (24. 139–142) ahmt die Stelle nach (Bakchantinnen schießen mal auf eine Ulme, mal auf einen Ölbaum, mal auf eine Tanne, mal auf eine Fichte). Das Adverbial τὸ ... δεύτερον ist bei Homer nicht belegt (vgl. Svensson 1937, 56), obschon δεύτερος mit bestimmtem Artikel Ψ 265 vorkommt.



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121 τὸ τρίτον αὖτ᾽ ἐπὶ ϑῆρα. τὸ τέτρατον οὐκέτ᾽ ἐπὶ δρῦν   Zu τὸ τρίτον αὖτ᾽ am Versanfang in einer einfachen Aufzählung vgl. Hom. κ 520 = λ 28. Zur Priamelform ‚drei+vier‘ mit dem Umschwung (τὸ) τέτρατον bei Kallimachos vgl. Ait. fr. 75. 20 (Ende der Geduld des Vaters der Kydippe; τέτρατον am Versanfang), mit der Erwähnung der Artemis (V. 22), eine Stelle, die Massimilla 2002, 53 f. zu einem konjekturalen Eingriff in den Hymnentext bewog. Ein ähnlicher Kontext (Orakelbefragung) und eine vergleichbare Formulierung (V. 4: ἤματ᾿ ... τρία) scheinen Ait. fr. 31d Harder (Pfeiffer 1953 II 109) vorzuliegen, obwohl die entscheidende Fortsetzung (wohl ‚am vierten Tag‘) verloren gegangen ist. Auch im siebten Iambos (fr. 197) versuchen die Fischer, das Hermes-Standbild zuerst zu zerhacken, dann zu verbrennen, daraufhin ins Meer zu senken, schließlich aber sehen sich gezwungen, dessen göttliche Natur zu erkennen (Dieg. Pfeiffer 1949 I 193). Außerdem weist Harder 2002–2003, 53 im Delos-Hymnos auf den weitgespannten Bogen dreimaliger Versuche, einen Ort für die Niederkunft zu finden (Theben, Peneios, Kos), wonach sich Delos beim vierten Anlauf als der richtige Platz erweist. Die homerischen Vorbilder dieser Priamel sind zahlreich: Ε 438 (Zurückdrängen des Diomedes), Ν 20 (Poseidons Ankunft am Ziel), Π 705, 786 (Zurückdrängen des Patroklos), Υ 447 (Zurückdrängen des Achilleus), Φ 177 (Ende des Asteropaios), Χ 208 (Hektors Ende); β 107, τ 152, ω 142 (Bloßstellung der List der Penelope), φ 128 (Abbruch des Versuchs am Bogen). Etwas anders (drei Versuche, aber der Wendepunkt, wenn es einen gibt, ohne ‚vier‘ gekennzeichnet) Σ 155, 228, Ψ 817; λ 206­–208; Kall. h. 6. 13, 15. Die Vier stellt bei Pindar (O. 1. 60 [Folterqualen in der Unterwelt]; N. 3. 74 [Hierarchie der ἀρεταί], N. 7. 104 [unendliches Wiederholen]) eine Art non plus ultra nach einem vorausgehenden Ternar dar. Vgl. auch Hom. Α 127, Γ 363; ε 306 (vgl. Anth. Pal. 12. 52. 3 f., Verg. Aen. 1. 94), ι 71 sowie Kall. ep. 2. 4 (τετράπαλαι), 52. 2 (τετράκι). Siehe auch Schroeder 1922, 53–55 (‚Vierheit mit Achtergewicht‘), Herter 1929, 96 und Göbel 1933, 16 und 53. Das Wort τέτρατον kommt Ν 20 und Φ 177 tautometrisch vor der bukolischen Zäsur vor. McKay 1963, 249 bezeichnet den Wendepunkt als ein ‚moment of crisis‘, Bundyanisch ausgedrückt wäre es ein ‚numeral cap‘. Kallimachos fasst die Vorgeschichte nicht unter einer Zahl zusammen, sondern schlüsselt sie numerisch auf, und nach der Wende (τὸ τέτρατον) erscheint zunächst eine rückbezogene Negation (οὐκέτ᾽), ehe die Erzählung des unerwarteten Vorfalls einsetzt (V. 122). Vgl. Massimilla 2002, 54 Anm. 15. Bei Apollonios Rhodios (3. 654 f.) drückt die Formulierung (τρίς ... τρίς ... τέτρατον) den Paroxismus der Leiden Medeias aus. McKays (1963, 250) Vorschlag, μιν auf τὸ τέτρατον (sc. βέλος) und auf die anderen Zahlwörter zu beziehen, ist eine Notlösung, da diese eher Ad-

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III. Kommentar

verbien als ellipstische Ausdrücke für die Schüsse sind. Cataudellas (1972, 201) Idee, μιν auf τόξον in der Bedeutung ‚Pfeil‘ zu beziehen (ähnlich bereits Meineke 1861, 163), ist wegen der Annahme einer Doppelbedeutung für τόξον (V. 119 ‚Bogen‘, V. 122 ‚Pfeil‘ [letztere Bedeutung h. 4. 96]) nicht ansprechend. Vgl. auch Lorentz 1892, 18, Wilamowitz 19255, 21 und Pfeiffer 1953 II 13 in apparatu ad loc. Giangrande 1983, 71 erachtet die Verse 121 f. für heil und will μιν als Dativ (!) auf τόξου beziehen (‚aber du schossest mit dem Bogen‘), was grammatisch kaum angeht. Massimillas (2002, 54) Versuch, die Verbindung von V. 121 und 122 durch zwei Konjekturen zu bewerkstelligen (für V. 121: οὐκέτ᾽ ἐπὶ δρῦν schlägt er nach Ait. fr. 75. 20: τέτρατον [ο]ὐκέτ’ ἔμεινε πατὴρ den Versschluss οὐκέτ᾽ ἔμεινας vor, was hier etwas flau wirkt, für V. 122: ἀλλά μιν aber ἄρδιν δ᾿), geht zu weit und scheint heile Überlieferung anzutasten. Andere Konjekturen zur Tilgung von wiederholtem ἐπὶ δρῦν am Ende von V. 121 sind: Meineke 1861, 164 οὐκ ἔτι ϑῆρα / οὐκ ἐπὶ ϑῆρα (vgl. auch Cahen 1930, 122), was von Massimilla 2002, 52 zu Recht wegen der klappernden Monotonie gerügt wird, Sitzler 1923, 267 und Cataudella 1972, 201 οὐκ ἐπὶ τοῖα / οὐκ ἐπὶ ταῦτα, Gallavotti 1953, 469 οὐκέτ᾽ ἔπαιζες ... ἀλλ᾽ ἰοῖς / ἀλλ᾽ ἀνιεῖσα᾽ (sc. lusum), Barber 1954, 229 und Stephens 2015a, 138 οὐκέτ᾽ ἔπαισας / ἔπαιξας ... ἀλλά τιν᾽, Mair 19552, 70 οὐκέτ᾽ ἐπὶ δήν (metrisch prekär [vgl. Hec. fr. 49. 3 Hollis; Apoll. Rhod. 1. 516 und 4. 740], inhaltlich uneben). Vgl. auch Gomperz 1910, 2: τὸ τρίτον αὖτ᾽ ἐπὶ σῦν, τὸ δὲ τέτρατον οὐκ ἔτι ϑῆρα. Am wahrscheinlichsten ist die Vermutung, dass nach V. 121 ein Vers ausgefallen ist, da sich μιν in V. 122 mit ἔβαλες nicht auf τόξου (V. 119: ‚Bogen‘) beziehen kann. Anderthalb Verse, die die Schießobjekte (Ulme, Eiche, Tier) oder einige von ihnen in variierter Reihenfolge wiederholen (Eiche als erstes Glied ist durch V. 121 gesichert), sind (pace Bornmann 1968, 60 ad loc. und Massimilla 2002, 52) der kallimacheischen Praxis nicht ganz fremd. Zur Wiederholung mit Variation beim hellenistischen Dichter vgl. Herter, 1931, 446 und 1973, 246 f., obwohl Herter selber (1929, 96 Anm. 3) in diesem Fall an den Ausfall eines die vorausgehenden Elemente variierenden Verses nicht glaubte. Wie der Text steht, enthält er bereits eine Epiphora (V. 120 f.: ἐπὶ δρῦν zweimal am Versende). Cataudella 1972, 200 und Giangrande 1983, 70 vergleichen h. 3. 154 f. (πρόκας ἠδὲ λαγωούς ~ πρόκες ἠδὲ λαγωοί) und 5. 13 ~ 15 (μηδ᾿ ἀλαβάστρως). Giangrande 1983, 70 will die Hervorhebung der Eiche durch Wiederholung mit Hinweis auf die pastoral-erotische Symbolik des Baums, die ihn der keuschen Artemis besonders verleidet, begründen, aber die παρϑενίη scheint in dieser Szene keine Rolle zu spielen. Die Annahme der Wiederholung eines oder beider der restlichen Elemente (Ulme und Tier) hat zu verschiedenen Ergänzungen geführt. Vgl.



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Schneider 1851, 555 (= 1870 I 226): οὐδ᾿ ἔτ᾿ ἐπὶ πτελέην, οὐδ᾿ ἀγροτέρους ἐπὶ ϑῆρας (Verstoß gegen Meyers drittes Gesetz; vgl. Massimilla 2002, 52 Anm. 3), Haupt (in: Meineke 1861, 164): οὐκ ἔτ᾿ ἐπὶ πτελέην ἧκας βέλος, οὐκ ἐπὶ ϑῆρα. Ich schlage gegenüber allen vorigen Konjekturen [V. 121a] vor. 122 ἀλλά μιν εἰς ἀδίκων ἔβαλες πόλιν   Die Göttin schwingt sich von einer Jägerin zur Stadtbestraferin und Beschirmerin auf, wie es ihr Zeus verheißen hat. Damit verlässt sie die Natur und betritt die Sphäre der städtischen Zivilisation. Zur Problematik dieses Wandels vgl. Kapitel I 3, 35–44. Artemis erscheint als Hüterin des Feldes und Bestraferin der Diebe auch Anth. Pal. 6. 157. 1 f. Zu ihrer Rolle als Todesgöttin vgl. Wernicke 1895, 1348. Das Verbindende zwischen beiden Bereichen ist der Bogen, der sich vom Jagdinstrument zu einem Symbol der Theodizäe verwandelt. Vgl. Bing/ Uhrmeister 1994, 24, deren mit psychologischer Motivation durchtränkte Analyse des Umschwungs allerdings etwas überzogen erscheint. Dieser Kardinalpunkt im Werdegang wird von der spektakulärsten und breitest angelegten Hesiod-Allusion im Hymnos begleitet, die den Ton- und Themenwechsel untermalt. Vgl. Zanker 1987, 186. Gleichwohl sind zwei übergreifende Abweichungen von der hesiodeischen Vorlage zu registrieren: Kallimachos kehrt die Reihenfolge der beiden antithetischen Bilder um (gute und böse Stadt bei Hesiod, böse und gute Stadt bei Kallimachos), um den positiven Aspekt zum Leuchten zu bringen. Er vertauscht auch einzelne Details spiegelbildlich: Das Pronomen οἵ leitet bei Hesiod (erg. 225) die Beschreibung der gerechten, bei Kallimachos (V. 122) die der ungerechten Stadt ein, mit οἷς (erg. 238 ~ h. 3. 129) verhält es sich umgekehrt (vgl. auch ad V. 129: Vertauschung der Ursache und Folge). Erg. 225: δίκας ... διδοῦσιν wird bei Kallimachos negiert und in ἀδίκων (V. 122) sowie ἀλιτήμονα πολλὰ τέλεσκον (V. 123) zerlegt. Damit wird aus dem Bild der gerechten Stadt ein Zerrbild der ungerechten. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 77 f. und Cusset 1999, 307 f. In thematischer Hinsicht fokussiert der Dichter statt des Fehlverhaltens der Könige das Vergehen der Gemeinschaft (V. 122 f.: οἵ ... ἀλιτήμονα πολλὰ τέλεσκον), während der Segen einzig und allein auf Artemis’ Huld zurückgeführt wird (V. 129). Die Strafe hängt nicht von Zeus (erg. 229), sondern von Artemis als seiner Erbin ab (vgl. ad V. 118). Siehe Herter 1929, 98, Cahen 1930, 121, Reinsch-Werner 1976, 76, Bing/Uhrmeister 1994, 25 f. und Cusset 1999, 307. Bei Kallimachos wird alles knapper ausgeführt und die beiden Flügel des Diptychons sind symmetrisch angeordnet (V. 122– 128 [sieben Verse]: frevelhafte Stadt; V. 129–135 [sieben Verse]: blühende Stadt). Vgl. Ziegler 1935, 1407 und zu weiteren Symmetrien ad V. 130 f (a).

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III. Kommentar

122 f. οἵ τε περὶ σφέας / οἵ τε περὶ ξείνους   Die Bewohner der Stadt werden durch kopulative Relativsätze in zwei Gruppen unterteilt (‚diejenigen, die aneinander, und die, die an den Gastfreunden sich vergehen‘). Zur Form vgl. Μ 269 f., Ο 137, Φ 609 f. sowie Kall. h. 1. 82 f. (ἐπόψιος [Zeus] οἵ τε δίκῃσι / λαὸν ὑπὸ σκολιῇσ᾽ οἵ τ᾽ ἔμπαλιν ἰϑύνουσιν). Anders Bornmann 1968, 61 ad loc. Der polare Doppelbegriff prägt auch die hesiodeische Vorlage in positiver Form und umgekehrter Reihenfolge (erg. 225: οἳ δὲ δίκας ξείνοισι καὶ ἐνδήμοισι διδοῦσιν). Zum reziproken Gebrauch von σφέας vgl. Lorentz 1892, 52. 123 ἀλιτήμονα πολλὰ τέλεσκον   Das Adjektiv ἀλιτήμων ist homerisch (Ω 157, 186), während bei Hesiod nur die verbale Form ἀλιτ(ρ)αίνω (erg. 241, 330) vorkommt, die durch ἀλιτήμονα ... τέλεσκον umschrieben wird. Allerdings bezieht sich das Wort bei Homer auf Menschen (Maskulin Singular), während es Kallimachos von Taten (Neutrum Plural qua Abstraktum) verwendet. Vgl. Aulin 1856, 41 und Cusset 1999, 307. Apollonios Rhodios verwandelt das Wort in den Bestandteil eines Oxymorons (4. 1057: δίκης ἀλιτήμονος). Die Verbform τέλεσκον ist zwar unhomerisch, Analogiebildungen mit dem Formans -σκ- fehlen aber nicht. 124 (a) σχέτλιοι, οἷς τύνη χαλεπὴν ἐμμάξεαι ὀργήν   Zwischen dem Zugriff auf das neue Thema in Frage–Antwort-Form (V. 113–123) und dem Gebet mit anschließender Themenrevue (V. 136–141) spannt sich eine mit eindrucksvoller Dramatik geschilderte Digression, die zwei einander entgegengesetzte (V. 124: οἷς ~ V. 129: οἷς δέ), von Artemis unterschiedlich behandelte Gemeinschaften vor Augen führt (V. 124–135). Vgl. Bundy 1972, 69, der auch bemerkt, dass die priamelförmige Themenauswahl (V. 113–123) den Inhalt der Digression (menschliche Hybris und Gottgefälligkeit) gut unterstützt, da das Kriterium der Selektion eben das Gefallen des Gottes ist. Die Wendung σχέτλιοι, οἷς markiert einen Wechsel zur subjektiven Einstellung des Erzählers (und eines jeden verständigen Menschen) und ist im Vergleich zum Vorausgehenden durch einen verallgemeinernd-gnomischen Zug charakterisiert. Entsprechend wird die Schilderung im Präsens gehalten (vgl. ad V. 115 und 118). Vamvouri Ruffy 2004, 121 f. sieht darin zu Recht eine apotropäische Mahnung an alle, die gegen Artemis angehen wollen. Die mythographische Sichtweise der homerischen Hymnen und die auf das Wohl einer Gemeinschaft hinauslaufende Pragmatik der epigraphischen Hymnen und Paiane fänden sich in dieser Passage vereinigt. Die Fortführung von σχέτλι- (immer versinitial, hier aber mit einem anaphorischen Bezug auf die V. 123 erwähnten Frevler) durch einen Relativsatz ist bei Homer zwar seltener (vgl. auch Kall. h. 5. 78 [Teiresias], 6. 68 [Erysichthon]), aber gut belegt. Interessanterweise kommt der Plural σχέτλιοι nur dreimal vor, zweimal (Ω



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33, ε 118) auf die Götter bezogen, einmal (μ 21) auf die, die Hades lebendig einen Besuch abstatten (hier auch durch einen Relativsatz weitergeführt). Kallimachos wählt also eine seltenere Flexionsform und eine inhaltlich neuartige Weiterführung. Die Isolierung des Verses von seiner Umgebung (Bornmann 1968, 62 ad loc.) als eines parenthetischen Ausrufesatzes ist gekünstelt und resultiert in einem spröden Satzgefüge. Im Pronomen τύνη (mehrmals in Homer und Hesiod) wird Kallimachos eine erweiterte Form von τύ (fr. 197 [= Ia. 7] 46 und Hec. fr. 15 Hollis) gesehen haben. Vgl. Giangrande 1970a, 274. Zur Prolepse des Attributs χαλεπήν vgl. Bornmann 1968, 62 ad loc. 124 (b) ἐμμάξεαι  Um mit αὐγάσσηαι (V. 129) zu korrespondieren, wird ἐμμάξεαι mit Pasquali 1925–1926, 406 f., Herter 1929, 96 und Pfeiffer 1953 II, lxxxix als kurzvokalischer Aorist Konjunktiv aufzufassen sein. Eine ähnliche, dem Tastsinn geltende (positive) Metapher ist das Einreiben (ἐνιψήσασϑε) der Hände der Chariten in die Elegien des Dichters (Ait. fr. 7. 13 f.). Ähnlich geartet (jedoch ins Positive gewendet) ist bei Theokrit (17. 36 f.) das Streicheln der Aphrodite mit ihrer Hand (ἐσεμάξατο) über Berenikes Schoß hin. Vgl. auch Opp. hal. 2. 502 (Telemachos seinem Vater κακὴν ἐνεμάξατο κῆρα), Nik. Ther. 181 (ἄιδα προσμάξηται) und 772 (προσεμάξατο καῦσον), die von Kallimachos abhängen. 124 (b) ὀργήν   Zu ὀργήν vergleicht Reinsch-Werner 1976, 78 Hes. erg. 334 (ἔργων ἀντ’ ἀδίκων χαλεπὴν ἐπέϑηκεν [sc. Zeus] ἀμοιβήν). Bulloch 1985a, 185 Anm. 3 ad h. 5. 78 hebt die Entsprechung χαλεπὴν ... ὀργήν (V. 124) und h. 5. 81: χαλεπὰν ὁδόν hervor. Beide deuten auf die grausame Strafe der/des Betroffenen hin. 125 (a) κτήνεά φιν λοιμὸς καταβόσκεται, ἔργα δὲ πάχνη   Das Wort für Vieh kommt bei Hom. h. 30. 10 (κτήνεσιν) am Hexameteranfang im antithetischen Kontext der reichlich gedeihenden Felder vor. Die Seuche (λοιμός) wird öfters mit Metaphern des Feuers umschrieben (Pind. P. 3. 36 f. und Soph. Oid. T. 27 f.) und so zeichnet sich hier mit πάχνη der Gegensatz ‚heiß– kalt‘ ab. Zu πάχνη am Versende vgl. Hom. ξ 476 (figura etymologica mit dem Wort πηγυλίς am Versanfang). Die Seuche wird personifiziert und frisst (καταβόσκεται) das erkrankte Vieh auf, obwohl normalerweise das Vieh das Gras fressen (βόσκεσϑαι) sollte. Zur Inversion vgl. Ferguson 1980, 118. Zur metaphorischen Verwendung des Verbs in Bezug auf eine Krankheit vgl. Nik. Ther. 244 und Plut. quaest. conv. 4. 5 (= mor. 670F), in positivem Sinne metaphorisch Tryph. 503 Livrea, während es bei Long. 2. 16. 1 konkret ist (Verbiss der Ziegen). Bei Homer kommt κάτα βοσκομενάων ebenso im konkreten Sinne vor (Ε 162), wobei sich κατά anastrophisch auf das vorausgehende Nomen bezieht. Vgl. auch Bredau 1892, 21 f.

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III. Kommentar

125 (b) φιν   Zum Pronomen φιν statt σφιν (so auch V. 213, Hec. fr. 69. 4 und 111 Hollis) vgl. Aulin 1856, 55. Demnach handelt es sich um eine lakonische Variante, die auch in die Literatursprache eingedrungen ist (Emp. fr. 22. 3 D–K). Nach Kuiper 1896 I 80, Giangrande 1970a, 273 f. und Cozzoli 2012, 185 f. dürfte sich Kallimachos der Form als einer varia lectio im Homertext angenommen haben, auf die indirekterweise eine Bemerkung bei Apollonius Sophistes hinzuweisen scheint (163. 15–17 Bekker: φίν. εἰώϑασιν ἀντὶ τοῦ σφίν ἀντωνυμικῶς χρῆσϑαι τῇ φίν, ἀντὶ τοῦ αὐτοῖς ἢ αὐταῖς. οὐχ εὑρίσκεται δὲ παρ’ ῾Ομήρῳ, ὡς ᾿Απίων τέταχεν). Bulloch 1985a, 171 ad h. 5. 62 weist darauf hin, dass ἔργα für Ackerfelder episch ist (so auch V. 156) und sich durch die Vermittlung der literarischen κοινή in der Sprache der hellenistischen Dichter (außer Kallimachos auch Theokr. 22. 42, Arat. 1126, Theophr. sign. 46, 343 [p. 88 Sider­–Brunschön]) mit Ausnahme des Apollonios Rhodios scheint durchgesetzt zu haben. 125 (c) λοιμὸς   Im hesiodeischen Prätext spielen λιμός und λοιμός ebenfalls eine zentrale Rolle: erg. 230 (λιμός: negiert in der Beschreibung der gerechten Stadt), 243 (λιμὸν ὁμοῦ καὶ λοιμόν: im Bild der frevelhaften Stadt). Bei Hesiod rafft allerdings Hungersnot und Seuche die Menschen dahin, während es bei Kallimachos das Vieh erwischt (vgl. Reinsch-Werner 1976, 79). Nach Delcourt 1938, 10–16 sind λοιμός und λιμός wesensverwandt und bedeuten beide ursprünglich eine (Natur)katastrophe, deren verschiedene Spielarten die Hungersnot (λιμός) und Seuche/Pest (λοιμός) darstellen. Daraus folgert sie (12 Anm. 4), dass die handschriftliche Lesart λιμός (Ψ) als lectio difficilior zu halten sei. Man kann aber auch argumentieren, dass λιμός hier dem Schreiber versehentlich als itazistische Variante in die Feder geflossen ist. Zwar sind beide Wurzeln (λοιμ- und λιμ-) wohl identisch und miteinander in Ablautverhältnis, da beide ähnliche Vorstellungen ausdrücken (Abmagerung kann zu Krankheiten führen und die Seuche geht mit Ausmergelung einher), doch haben sich beide Begriffe voneinander gelöst. Dass sie nicht mehr gleichwertig benutzt werden, zeigt Hesiods Unterscheidung klar (erg. 243: λιμὸν ὁμοῦ καὶ λοιμόν). Der Unterschied wird auch von Thukydides (2. 54. 2–3) bescheinigt, wo die Unsicherheit, ob λοιμός oder λιμός zu erwarten sei, eindeutig beweist, dass die beiden Wörter nicht als Synonyme gelten. Kallimachos wird hier λοιμός geschrieben und ‚Seuche‘ verstanden haben, wenn man davon ausgeht, dass Artemis die ungerechte Stadt bestimmt mit der grauenhaftesten Plage (und nicht „nur“ mit Hunger) heimsucht. Für ‚Seuche‘ spricht es auch, dass Artemis hier wieder einmal mit Apollon in Konkurrenz tritt, der die Achaier ebenfalls durch eine Epidemie dezimiert (Hom. Α 61). Der Wechsel von Tieren zu Menschen bei dem



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übergreifenden Übel trifft auch auf die homerische Vorlage (A 50­–52) zu. Vgl. auch ad V. 120. 126 (a) κείρονται δὲ γέροντες ἐφ᾽ υἱάσι   Das Verb κείρεσϑαι taucht bei Homer Ψ 46 und δ 198 bezüglich eines Trauerrituals am Anfang des Hexameters auf (κείρασϑαι). Zur unregelmäßigen Deklination υἱάσι vgl. Hom. Ε 463 und Ο 197 usw. Das bittere Paradoxon, dass die Eltern um ihre Söhne trauern, stammt von Herodot (1. 87, wo es sich auf die Missstände im Krieg bezieht). Hier sterben die Söhne als Opfer der oben (V. 125) beschriebenen Epidemie, während manche Väter dank der grausamen Gunst des Schicksals überleben. Reinsch-Werners Ansicht (1976, 84), dass es sich um die Opfer eines (Bürger)kriegs handle und das Bild mit διχοστασίη (V. 133) korrespondiere, scheint mir nicht verbürgt zu sein. Auch das Gegenbild, in dem langlebige Eltern von ihren Kindern bestattet werden (V. 131), ist durch Herodots Gnome impliziert. Für weitere toposartige Verwendungen des Gedankens vgl. Bornmann 1968, 63 ad loc. Dem Lob der gemeinschaftlichen εἰρήνη bei Hesiod (erg. 228) steht hier der Zwist in der Familie gegenüber. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 80. Zum gegenteiligen Wunschbild der Elternliebe in einem Gebet für das Wohlergehen des Landes vgl. Aischyl. Hik. 707–709. 126 (b) αἱ δὲ γυναῖκες   Das Hexameterende αἱ δὲ γυναῖκες kommt – außer bei Hom. Σ 559 und λ 225 – sonst noch Σ 495 auf die Zuschauerinnen eines fröhlichen Hochzeitsfestes bezogen vor (imitatio per oppositionem). Vgl. Svensson 1937, 55 und 58, der auch auf den Gebrauch des bestimmten Artikels vor einem (meistens ­– wie hier – abschließenden) Glied hinweist, was sich auf einige homerische Belege berufen kann (Κ 231, 364, 536). Weitere kallimacheische Beispiele sind h. 3. 139 (nicht abschließendes Aufzählungsglied), 4. 71, 75, 104 und 138 f. 127 f. ἢ βληταὶ ϑνῄσκουσι λεχωίδες ἠὲ φυγοῦσαι / τίκτουσιν    Als unmittelbare literarische Vorlage dienen indes wiederum Hesiods antithetische Stadtbilder: erg. 235 (Frauen gebären Kinder, die den Vätern gleichen) vs. 244 (Unfruchtbarkeit der Frauen). Beide Male kommen die Worte γυναῖκες und τίκτουσιν in chiastischer Reihenfolge (τίκτουσιν δὲ γυναῖκες ~ οὐδὲ γυναῖκες τίκτουσιν) vor, die auch Kallimachos verwendet (V. 126: γυναῖκες und V. 128: τίκτουσιν). Er benutzt formal die positive Aussageform, biegt sie aber mit dem nachfolgenden Relativsatz ins Negative ab. Während bei Hesiod (erg. 235) die Kinder den Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten erscheinen, können die kielkröpfigen Wesen bei Kallimachos nicht einmal aufrecht stehen. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 80 und Cusset 1999, 308, der überdies auf den fast nüchtern-ärztlichen Realismus der eingeschobenen Al-

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III. Kommentar

ternative ἢ βληταὶ ϑνῄσκουσι λεχωίδες hinweist (vgl. auch Soph. Oid. T. 171–173). Das Partizip βληταί enthält ein Spiel: bei Hippokrates (acut. 2. 260. 8, Coac. 5. 672. 8, morb. II 7. 16. 5 usw. Littré) ist βλητός (auf den Kranken selbst bezogen) das Wort für ein tödliches Gebrechen, das der Apoplexie ähnelt (vgl. auch Macr. Sat. 1. 17. 11 Kaster: σεληνόβλητοι und Ἀρτεμιδόβλητοι in Bezug auf bestimmte Frauenkrankheiten). Kallimachos ruft dies in Erinnerung, nur um dem Begriff seinen ursprünglichen Sinn zurückzugeben: Die Frauen sterben getroffen von den Pfeilen der Artemis. Damit will sich die Göttin wieder einmal gegen ihren Bruder behaupten (Kall. h. 6. 101: βλητὸν ὑπ᾽ Ἀπόλλωνος [Erysichthon]). Zum Neologismus λεχωίς mit Suffixerweiterung (seit dem 5. Jh. v. Chr.) vgl. auch h. 4. 56, 124, Apoll. Rhod. 4. 136, Nonn. 48. 838–840: ἦ ῥα κυβερνήτειραν ἀναγκαίου τοκετοῖο / ῎Αρτεμιν οὐ καλέουσι λεχωίδες, ὅττι σὺ μούνη / εἰς τόκον ἀγροτέρης οὐ δεύεαι ᾿Ιοχεαίρης; (eine h. 3. 20–25 besonders verhaftete Rede der Artemis zu Aure) sowie Schmitt 1970, 26 Anm. 57. Zum Verb φεύγω vgl. Hom. Φ 609 (πεφεύγοι am Versende zur Schilderung der Rettung aus dem Schlachtgetümmel). Eine inhaltlich und im Wortlaut sehr ähnliche Passage bei Dionysios von Halikarnassos, die jedoch auf die Embryonen fokussiert und die Schwangeren nur nebenbei erwähnt, könnte unter Umständen von Kallimachos beeinflusst sein (ant. 1. 23. 3: ἀδελφὰ δὲ τούτοις ἐγίνετο περί τε προβάτων καὶ γυναικῶν γονάς· ἢ γὰρ ἐξημβλοῦτο τὰ ἔμβρυα, ἢ κατὰ τοὺς τόκους διεφϑείρετο ἔστιν ἃ καὶ τὰς φερούσας συνδιαλυμηνάμενα. εἰ δέ τι διαφύγοι τὸν ἐκ τῶν ὠδίνων κίνδυνον ἔμπηρον ἢ ἀτελὲς ἢ δι’ ἄλλην τινὰ τύχην βλαφϑὲν τρέφεσϑαι χρηστὸν οὐκ ἦν). Vgl. auch Paus. 8. 23. 6–7 (Artemis Kondyleatis und die Bestrafung der Frauen durch abortive Totgeburt). Zu einem Fluch, der Unfruchtbarkeit und Missgeburt heraufbeschwört, vgl. Aischin. Ctesiph. 111. 128 τῶν οὐδὲν ἐπὶ σφυρὸν ὀρϑὸν ἀνέστη    Hat sich Artemis V. 21–23 als eine Helferin der Kreißenden dargestellt, zeigt sie hier als strafende Instanz ihre dunkle Seite und erweist sich wahrlich, wie sie von Hera geschmäht wurde, als λέων γυναιξί (Φ 483). Zum aufrechten Stehen vgl. die in verschiedenem Maße metaphorischen Ausdrücke Pind. P. 3. 53 (ἔστασεν ὀρϑούς: ‚auf die Beine stellen‘ ~ ‚heilen‘), 96 (ἔστασαν ὀρϑὰν καρδίαν: ‚Mut schöpfen‘); I. 7. 12 f. (ὀρϑῷ / ἔστασας ἐπὶ σφυρῷ: über die erfolgreiche Einrichtung einer Kolonie) sowie Hor. epist. 2. 1. 176 (cadat an recto stet fabula talo). Vgl. auch Smiley 1914, 60 und Herter 1929, 98 Anm. 1. Hier ist die Wendung sowohl konkret (‚mit geraden Beinen‘ = ‚fähig zu laufen‘) zu verstehen als auch metaphorisch (‚lebensfähig‘ sowie ‚recht/ richtig‘) konnotiert. In einer Stadt, in der es nicht mit rechten Dingen zu-



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geht, wird auch nichts Rechtes/Richtiges das Licht der Welt erblicken. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 80 Anm. 2 (Einwirkung der moralischen Färbung des Ausdrucks bei Pind. I. 7. 12 f.). Delcourt 1938, 13 hebt auf die Abnormität der gekrümmten Haltung für den im Normalfall mit geradem Rückgrat gehenden Menschen ab. Vgl. Ov. met. 1. 85 f.: os homini sublime dedit caelumque videre / iussit et erectos ad sidera tollere vultus und Gal. 3. 179. 3 f. Kühn: ὀρϑὸς δὲ μόνος ἁπάντων ζῴων ἄνϑρωπος. Dem Dichter dürfte auch daran gelegen sein, durch die Wahl des Attributs ὀρϑόν auf Artemis-Orth(e)ia/Orthosia hinzuweisen, deren Name mit dem Stamm ὀρϑ- (‚aufrecht‘ konkret und metaphorisch) verbunden wird. Zu dieser Hypostase der Artemis und der Etymologie ihres Namens vgl. Paus. 3. 16. 11, Etym. m. 631. 4 f., Hesych. 1204 s. v. Ὀρϑωσία (II 775 Latte), Σ ad Pind. O. 3. 54ac (I 121 f. Drachmann) (auf in Wehen liegende Frauen gemünzt), ad Plat. leg. 633B (p. 306 Greene), ad Lykophr. 1331 (II 375 Scheer) (Rettung für gebärende Frauen). Vgl. auch Janni 1964, 46, der für eine Kenntnis lakonischer Kulte seitens des Kallimachos plädiert. Nach Calame 1977 I 293 hänge der Name letztendlich mit der Fähigkeit der Göttin, Gedeihen zu bewirken, zusammen und sei der Wortfamilie ‚crescere, procerus, Ceres‘ semantisch vergleichbar. Wenn dies, einleuchtend wie es ist, zutrifft, handelt es sich um ein etymologisches Spiel κατʼ ἀντίφρασιν: Artemis entziehe der verworfenen Gemeinde ihre aufrichtende, lebensspendende Wirkkraft, sei eigentlich keine Orth(e)ia. Dazu bedarf es der Annahme eines kyreneischen Orthia-Kultes (so Meillier 1979, 110 f.) nicht, obwohl ein lokales Kolorit auch nicht ausgeschlossen werden kann. 129 οἷς δέ κεν εὐμειδής τε καὶ ἵλαος αὐγάσσηαι    Das Attribut εὐμειδής ist ein Hapax (später wird es von Apollonios Rhodios [4. 715] übernommen), bezieht sich aber nach der Analogie von φιλομειδής auf die freundliche Miene der Göttin. Zu ἵλαος und Sinnverwandtem vgl. die reiche Stellensammlung bei Keyssner 1932, 91 f. Hesiod verwendet αὐγάσεαι am Versanfang (erg. 478) in profaner Bedeutung (‚lugen‘, ‚neidisch schielen‘). Bei Kallimachos kommt das Verb h. 4. 125, 181 im Sinne von βλέπειν vor, h. 6. 4 bedeutet es – wie bei Hes. erg. 478 – vorwitzig spähende Blicke (am Versende), an unserer Stelle und Ait. fr. 85. 15 (ohne Fruchtbarkeitsbezug im Kontext der Götterstrafe) hat es sakralen Sinn. So geläufig das Motiv des Götterblicks auch ist, so selten kommt ihm eine Fruchtbarkeit bewirkende Funktion zu. Kallimachos fr. 602. 1–3 lässt sich vergleichen (δέσποιναι Λιβύης ἡρωΐδες, αἳ Νασαμώνων / αὖλιν καὶ δολιχὰς ϑῖνας ἐπιβλέπετε, / μητέρα μοι ζώουσαν ὀφέλλετε), aber die Fruchtbarkeit spielt hier eine subalterne Rolle. Hinter dem scheinbar konventionellen Bild verbirgt sich also eine eigentümliche Konzeption, in der verschiedene literarische Allusionen (Homer τ 109–114 [Gedeihen unter einem guten König], Anakreon fr. 348 PMG

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III. Kommentar

[Artemis Leukophryene und ihre städtische Aufsicht]) und eine Selbstreferenz (h. 2. 50–52: Apollons Fruchtbarkeitsblick) eine Verbindung eingehen. Die Homer-Anspielung legt eine politische Lesart nahe, der Hinweis auf Apollons Blick zeigt, dass Artemis es wieder mit ihrem Bruder aufnimmt. Für eine ausführliche Erörterung der Quellenfrage vgl. Kapitel I 3, 39–43. Der zeitgenössische Leser dürfte sich durch die Augen der Artemis sofort an die ikonographische Darstellung der Ptolemäer erinnert haben. Zu diesem ‚leoninen‘ Typus (große hervorquellende Augen unter ansehnlichen Überaugenwülsten) vgl. Koenen 1993, 27 (Berenike II.) und Müller 2009, 347 (Arsinoe II. und Ptolemaios II.). Zum Gefallen der Göttin an der Stadt gerechter Menschen vgl. auch Hom. h. Ven. 20 (vgl. Kapitel I 3, 43). Nikitinski 1996, 83 vergleicht Dikes Gestalt und Wirkung bei Arat (V. 105–115), die allerdings die ihren Namen missbrauchende Welt nicht bestraft, sondern ihr den Rücken kehrt (V. 120–128). Während der Massentod dem Frevel der Gemeinschaft geschuldet war, liegt der Wohlstand einzig und allein an der Gunst der Göttin (‚wenn Artemis dem Volk gewogen ist, geht alles mit rechten Dingen zu‘). Dies ist eine spiegelbildliche Umkehrung der beiden Anfangsverse der Beschreibung der ungerechten Stadt bei Hesiod (erg. 238 f.): οἷς δ’ ὕβρις τε μέμηλε κακὴ καὶ σχέτλια ἔργα / τοῖς δὲ δίκην Κρονίδης τεκμαίρεται εὐρύοπα Ζεύς (‚wenn es nicht mit rechten Dingen zugeht, dann schreitet Zeus strafend ein‘). Die Willkür der göttlichen Gnade könnte mit den monarchischen Anschauungen des Dichters und der Parallele Artemis–Arsinoe zusammenhängen. Vgl. Erler 1987, 26 (‚monarchisch-eigenwillige Artemis‘). ReinschWerner 1976, 81 konstatiert die Launen der Artemis im Austeilen des Segens, lässt es aber bei einem Gegensatz zu Hesiod bewenden, ohne eine positive Erklärung für dieses eigenartige Moment zu suchen. Ehrlich 1894, 51 hat ehedem ein verschiedenes historisches Szenario – mit einer anderen Entstehungszeit des Hymnos – erwogen: Die Strafe der Ungerechten brachte er mit der Ermordung des Demetrios des Schönen in Zusammenhang, den Frieden mit den Folgen der Großtat der Berenike II. Meillier 1979, 111 sieht in der Friedensidylle ein Wunschbild für die Zustände in Kyrene, das zu dieser Zeit vom Krieg zerrüttet sei. Neulich hebt auch Brumbaugh 2019, 203–216 auf das Artemis-Bild als Allegorie der guten Königin ab (jedoch ohne Erlers seminale Arbeit zu erwähnen). So hat diese Darstellung – wie es Nikitinski 1996, 85 richtig hervorhebt – mehr Gegenwartsbezug als die mythische Schilderung Hesiods. 130 f. κείνοις — ἀέξεται   Die Verbindung mit der Fruchtbarkeit der Felder ist ein Zug der Göttin, der sich aus ihrer Naturverbundenheit ergibt. Kallimachos war sich sicher nicht klar über das, was erst eine Erkenntnis moderner Religionswissenschaft ist, dass Artemis ursprünglich eine rurale



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Göttin mit Pflanzenbezug gewesen sein dürfte (vgl. ad V. 120), aus der sich die Gestalt der πότνια ϑηρῶν mit Tierbezug allmählich herausbildete. Vgl. bereits Schreiber 1884, 576 und 583 (unter Hinweis auf die Bestrafung des Oineus [V. 260 f. und Hom. Ι 533–540], der wegen des Versäumnisses eines Ernteopfers [ϑαλύσια] Artemis’ Zorn auf sich lud) und Wernicke 1895, 1339–1343. Doch ansatzweise ist dieses urtümliche Gepräge der Göttin im Bereich des Kultes und der Literatur erhalten geblieben, aus dem der Dichter hinlänglich Inspiration zu seinem unkonventionellen Artemis-Bild schöpfen konnte. Zu seinen Quellen vgl. Kapitel I 3, 39–43. Vgl. auch Orph. h. 36. 14 und Anth. Pal. 6. 157. 1. Meineke 1861, 166 f. weist auf die feingewirkte Anlage der Verse 125– 132 hin. Die Struktur kann abwechselnd chiastisch oder doppelchiastisch (ABCD B’A’D’C’) genannt werden: A = κτήνεά φιν λοιμὸς καταβόσκεται, A’ = εὖ δὲ γενέϑλη / τετραπόδων; B = ἔργα δὲ πάχνη, B’ = εὖ μὲν ἄρουρα φέρει στάχυν; C = κείρονται δὲ γέροντες ἐφ᾽ υἱάσι, C’ = οὐδ᾽ ἐπὶ σῆμα / ἔρχονται πλὴν εὖτε πολυχρόνιόν τι φέρωσιν; D = αἱ δὲ γυναῖκες ... ϑνῄσκουσι ... τίκτουσιν τῶν οὐδὲν ἐπὶ σφυρὸν ὀρϑὸν ἀνέστη; D’ = εὖ δ᾽ οἶκος (conj. Meineke) ἀέξεται. 130 f. στάχυν ... γενέϑλη   Zu στάχυν an derselben metrischen Stelle vgl. Apoll. Rhod. 1. 688. Das Wort γενέϑλη kommt bei Homer am Hexameterende meistens in Bezug auf Menschen und Götter vor, h. 27. 10 (an Artemis) heißt es jedoch ϑηρῶν ... γενέϑλη. Siehe auch Hes. erg. 232: τοῖσι φέρει μὲν γαῖα πολὺν βίον und 237: καρπὸν δὲ φέρει ζείδωρος ἄρουρα, zwei Verse, die Kallimachos mit Geschick variiert. Vgl. Cusset 1999, 309. Das Prädikat φέρει gehört auch zu γενέϑλη, diesmal ohne Objekt (‚es gedeiht‘), was das intrasitiv-mediale ἀέξεται vorbereitet. 131 εὖ δ᾽ ὄλβος ἀέξεται   In V. 131 schlägt Meineke 1861, 166 die Konjektur οἶκος vor (unter anderem von Bornmann 1968, 65 ad loc. begrüßt), um die antithetische Entsprechung zwischen den Gliedern D und D’ vollkommen zu machen (Schwund/Wachstum des Hausstandes). Reinsch-Werner 1976, 82–86 hat allerdings auch Recht, dass man die Symmetriesuche nicht so weit treiben darf, dass man nicht eine überraschende Variation, für die Kallimachos viel übrig hat, zulässt und obendrein sich berechtigt fühlt, den Text konjektural zu ändern, um die Symmetrie zu erhöhen. So findet die frauentötende Artemis (V. 126–128) eine aufgeschobene, damit nachdrücklichere und breiter ausgeführte Entsprechung im Bild der blühenden Stadt: die Beschreibung der Eintracht der Nachkommenschaft (V. 133 heißt es γένος, V. 134 taucht auch der von Meineke gewünschte Begriff [οἴκους] auf). Mithin wird der überwiegend physische Vorgang (fehlender oder fehlerhafter Nachwuchs) ins Ethische (harmonisches Familienleben) sub-

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III. Kommentar

limiert, eine Verschiebung, die schon im Doppelsinn von ὀρϑόν (V. 128) beschlossen liegt. Meinekes Argument, οἶκος ἀέξεται sei eine Umkehrung der hesiodeischen Formulierung μινύϑουσι δὲ οἶκοι (erg. 244; vgl. auch erg. 325: μινύϑουσι δὲ οἶκον), kontert Reinsch-Werner mit einer anderen Hesiod-Allusion: ὣς γὰρ πλοῦτος ἀέξεται ἐν μεγάροισιν· / γηραιὸς δὲ ϑάνοι ἕτερον παῖδ’ ἐγκαταλείπων (erg. 377 f.) korrespondiert V. 131 f.: εὖ δ᾽ ὄλβος ἀέξεται∙ οὐδ᾽ ἐπὶ σῆμα / ἔρχονται πλὴν εὖτε πολυχρόνιόν τι φέρωσιν. So wird man Recht daran tun, am überlieferten Text (ὄλβος) festzuhalten. Der Begriff ὄλβος erweist sich als eine passende Zusammenfassung des vorausgehenden Gedeihens von Saat und Vieh (ein dynamisches Trikolon). Eine ähnliche Zusammenschau der vorigen Bilder des Wachstums ist auch Hes. erg. 236 f.: ϑάλλουσιν δ’ ἀγαϑοῖσι [~ ὄλβος] διαμπερές· οὐδ’ ἐπὶ νηῶν / νίσονται, καρπὸν δὲ φέρει ζείδωρος ἄρουρα. Dass Kallimachos diese Stelle vorgeschwebt hat, zeigt die abgewandelte Übernahme: οὐδ’ ἐπὶ νηῶν / νίσονται ~ οὐδ᾽ ἐπὶ σῆμα / ἔρχονται; φέρει ~ φέρωσιν. Zur dreifachen Anapher (εὖ) vgl. Stephens 2015a, 139 (mit Sol. fr. 4. 32–39 W2: Lob der Eunomie mit mehrgliedriger Anapher der Vordersilbe). Zur Verbindung von vegetativem Reichtum, Frieden und schicklichem Zusammenleben zu Hause und im Gemeinwesen (im Kontext des Herrscherenkomions) vgl. auch Theokr. 16. 90–96 und Hor. c. 4. 5. 17–24. 131 f. οὐδ᾽ ἐπὶ σῆμα / ἔρχονται   Die Antithese mit V. 126: κείρονται δὲ γέροντες ἐφ᾽ υἱάσι (vorzeitiger Tod der Söhne, die von den Vätern [bestattet und] beweint werden), dem V. 131 f. in chiastischer Struktur (vgl. ad V. 130 f.) gegenüberstehen, legt den Sinn der Aussage fest: Väter sterben im Greisenalter und werden von den Verwandten/Söhnen zu Grabe getragen. 132 πλὴν εὖτε πολυχρόνιόν τι φέρωσιν   Wie die Identität der Beigesetzten (πολυχρόνιόν τι), so ist auch das Subjekt von ἔρχονται unbestimmt (V. 129: οἷς = Bewohner der gesegneten Stadt; V. 133: γένος), kann aber vermöge der Allusion auf V. 126 (ἐφ᾽ υἱάσι) präzisiert werden. Da das Begräbnis der Alten das Normale ist, wird das Moment des Betrauerns, das V. 126 im Vordergrund steht (κείρονται), nicht hervorgehoben. Diese naheliegende Deutung wurde jedoch im Anschluss an Huschke 1800, 128 von Schneider 1851, 540 angefochten, der meinte, ἐπὶ σῆμα / ἔρχονται beziehe sich nicht auf die am Leichenbegängnis Teilnehmenden, sondern auf die Toten selbst (vgl. Pind. N. 7. 19 f. und Prop. 2. 13b 39 f.). So sei πολυχρόνιόν τι entweder adverbial (‚nach Jahr und Tag‘) oder mit σῆμα (‚ein spätes Grab‘) zu verstehen. Indessen klappert das Indefinitpronomen bei dieser Auslegung funktionslos nach. Darüber hinaus muss φέρωσιν konjektural zu περῶσιν (mit σῆμα als Objekt) geändert werden. Einen ähnlichen Sinn versucht Schneider 1873 II 229 ohne Konjektur zu erzielen, aber die angenommene Wendung ist wenig elegant (πολυχρόνιόν τι φέρωσιν = ‚sat multos annos



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habere‘). Vgl. allerdings Meinekes Einwände (1861, 168) gegen diese forcierte Auffassung. Die richtige Interpretation bietet auch Mair 19552, 71. Hom. h. Merc. 125 kommt πολυχρόνιοι (‚althergebracht‘ auf die Rindsleder bezogen) an derselben Versstelle vor. So auch Kall. h. 4. 282 (πολυχρονιώτατον). Etwas anders in Stellung (Versende) und Bedeutung (vgl. Bulloch 1985a, 239: an end after a long time), jedoch mit dem Tod zusammenhängend, ist h. 5. 128 (τέρμα πολυχρόνιον). Zum simplex φέρω als Ausdruck für das letzte Geleit vgl. Kall. fr. 194 (= Ia. 4) 53 (hier allerdings mit τάφον verbunden). 133 οὐδὲ διχοστασίη τρώει γένος    Zum Schrecken der στάσις in der Stadt vgl. Sol. fr. 4. 37 W2 (ἔργα διχοστασίης), Pind. fr. 109. 1–5, Aischyl. Eum. 976–987. Zum Wort διχοστασίη vgl. auch Thgn. 78 W², Bakchyl. 11. 67, Hdt. 5. 75, Apoll. Rhod. 4. 500. Zum gegenteiligen Bild der ὁμοφροσύνη des Hauses siehe Hom. ζ 181–185. Um der Variation willen wird der positive Aspekt als Negation des Gegenteils (Eintracht = keine Zwietracht) ausgedrückt. Kallimachos scheint die Struktur des homerischen Verses φ 293 f.: οἶνός σε τρώει μελιηδής, ὅς τε καὶ ἄλλους / βλάπτει, ὃς ἄν μιν χανδὸν ἕλῃ μηδ’ αἴσιμα πίνῃ (Vorwurf des Antinoos dem verkleideten Odysseus gegenüber) nachzuahmen. Vgl. de Ian 1893, 26 und Herter 1929, 97 Anm. 2. Die kürzere Imperfekt-Form von τιτρώσκω kommt nur bei Homer und Kallimachos vor. Die organische Metapher, dass das Zerwürfnis die Familie gleichsam verwundet, wäre gang und gäbe (bei Pindar [P. 4] heißt das Exil des Damophilos, ebenfalls ein Übel im Gemeinwesen, τρώμα [V. 271] und νοῦσος [V. 293]; vgl. Braswell 1988, 371 ad P. 4. 270 [b]), aber vielleicht versteht Kallimachos das Verbum etymologisch als aufreibende und zermürbende Tätigkeit. Anders de Ian 1893, 26. Die Schilderung des moralischen Zerfalls der familiären Verhältnisse wird ein Topos der römischen Dichtung (Catull. 64. 399–404 und Ov. met. 1. 145–150). 133 f. ἥ τε καὶ εὖ περ / οἴκους ἑστηώτας ἐσίνατο   Zum epischen τε vgl. ad V. 16 f. (a) und Cahen 1929, 461. Für das bei Kallimachos nur einmal bezeugte Partizip ἑστηώτας (< ἑστηώς) vgl. Hes. theog. 519 = 747, Antim. fr. 21. 5 (an derselben sedes) Matthews (= Athen. 11. 33, 468A) sowie Smiley 1914, 72 und Cusset 1999, 309 (bei Homer nur ἑσταότ-, so auch Kall. h. 3. 49: ἑσταότας). Die Scholiasten ad Ω 701 (V 632 Erbse) kennen auch ἑστεῶτα als Lesart des Aristarchos. Apollonios Rhodios, der Formen mit ἑστη- mehrmals verwendet, macht Anleihen bei Kallimachos. Das Verb ἐσίνατο, das im homerischen Vorbild (vgl. ad V. 133) als βλάπτει (φ 294) erscheint, hängt mit dem ebenfalls homerischen σίνεται (Ω 45 = Hes. erg. 318) zusammen, wo jedoch der Aorist fehlt (er kommt Hdt. 8. 31 vor).

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III. Kommentar

134 f. ταὶ δὲ ϑυωρόν / — τίϑενται   Zur verschränkten Wortstellung (ταὶ ... εἰνάτερες γαλόῳ τε sowie ϑυωρόν ... μίαν πέρι) vgl. ad. V. 64 f. sowie h. 2. 61, 6. 120. Zur Glosse ϑυωρός vgl. Pherek. fr. 12 D–K (= Diog. Laert. 1. 119), Lykophr. 93 (ϑυωρίτης), Poll. 4. 123 (ϑυωρίς). Hier bedeutet das Wort allgemein ‚Tisch‘ (vgl. Bredau 1892, 71 und Σ ad Lykophr. 93 [II 51 Scheer]) und nicht ‚Opfertisch‘ (Pherek. fr. 12 und Hesych. 988 s. v. ϑυωρόν [II 339 Latte]), was gemäß der naheliegenden Etymologie (ϑυ- = ‚brennendes Opfer‘ + οὖρος = ‚Aufbewahrer‘) die ursprüngliche Bedeutung gewesen sein müsste. Bornmann 1968, 67 ad loc. vermutet ionische Herkunft. Auf jeden Fall ist das Bild des Festes, das durch ϑυωρόν heraufbeschworen wird, mit dem des Friedens, wofür der Vers steht, eng verbunden. Zum heteroklitischen Plural δίφρα vgl. Hes. fr. 1. 8 = POxy 2515 (Griffiths 1970a, 215), Kall. fr. 203 (= Ia. 13) 36: δί]φρα (nach Pfeiffer 1953 II 119 ad loc. Barbers Konjektur; vgl. Schmitt 1970, 146 Anm. 64) und Nonn. 27. 238. Das Medium τίϑενται ist homerisch (υ 387: ϑεμένη ... δίφρον). 135 εἰνάτερες γαλόῳ τε    Die beiden Verwandtschaftsbezeichnungen εἰνάτερες (Frauen der Brüder [= Schwägerinnen] des Ehemanns = Schwippschwägerinnen) γαλόῳ τε (Schwägerinnen = Schwestern des Ehemanns) sind Entlehnungen aus Homer (Ζ 378, 383, Χ 473, Ω 769). γαλόῳ steht in derselben sedes wie bei Homer an allen vier Stellen, εἰνάτερες am Versanfang, wo es bei Homer nie steht (er lässt das Wort γαλόων/ γαλόῳ in der zweiten Vershälfte folgen). Dem kallimacheischen Vers am nächsten kommt Χ 473, wo beide Begriffe im Nominativ erscheinen. Homer akzentuiert allerdings εἰνατέρες (Paroxytonon), wogegen Kallimachos εἰνάτερες (Proparoxytonon) schreibt, was wie eine grammatische Streitfrage anmutet, deren Einzelheiten uns entgehen. Vgl. Schmitt 1970, 87 Anm. 2 mit Hinweis auf Herodian π. κλίσ. ὀνομ. II 717. 27 Lentz (εἰνάτερος). Gercke 1887, 273–275 hat versucht, die Worte auf die beiden Arsinoen (I. und II.) zu beziehen, die auf zweierlei Weise miteinander verschwägert waren: Ptomelaios Philadelphos, Ehemann Arsinoes I., und Ptolemaios Keraunos, Gemahl Arsinoes II., waren (Halb)brüder (Arsinoe I. und II. als εἰνάτερες); Arsinoe I. war die Ehefrau des Ptolemaios Philadelphos, während Arsinoe II. dessen Schwester war (Arsinoe I. und II. als γαλόῳ). Diese Gleichsetzung würde erfordern, dass der Hymnos vor der Verstoßung Arsinoes I. und vor der Vermählung des Philadelphos mit Arsinoe II. gedichtet wurde, d.h. vor dem Jahre 277/276 v. Chr. Vgl. auch Ehrlich 1894, 52 und Mair 19552, 26 f. Dieser Datierungsansatz steht im Widerspruch zu meinen auf anderem Weg erlangten Ergebnissen in Kapitel I 4, 51. Der vermeintliche Hinweis auf Arsinoe I. (um von der Gleichsetzung der Artemis mit Berenike Syra, Tochter der Arsinoe I. und des Ptolemaios II. nicht zu reden) wirkt äußerst forciert, und es fragt sich, ob es irgenwann überhaupt die vom



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Dichter gepriesene Eintracht am Ptolemäerhof gegeben hat. Wenn nicht, dann wäre der Hinweis nur ironisch zu verstehen, was sich mit dem Ernst der Passage schlecht verträgt. Will man Kallimachos nicht ungebührlich ironisieren oder ins Fettnäpfchen treten lassen, schafft man am besten die angeblichen Allusionen auf Arsinoe I. aus der Welt und interpretiert die Worte εἰνάτερες γαλόῳ τε ohne jeglichen Hintersinn als eine literarische Anspielung auf Homer. So Kuiper 1896 I 82 f.: Non certas quasdam glores ac ianitrices ex Ptolemaei familia spectasse sed eo tantum consilio eas induxisse in hymnum poeta mihi videtur ut glossas Homericas explicaret aut doctrinae ostendendae causa adhiberet. Die Welt des trojanischen Krieges, die den breiten Hintegrund für den Auftritt der εἰνάτερες γαλόῳ τε abgibt, wird durch Artemis in eine Welt des Friedens umgewandelt. Etwas anders Cahen 1930, 123 f. (die Homerallusion rücke den Frieden in die idealisierende Ferne der Heroenzeit). Ob hinter der Göttin Artemis als Stadtgöttin die Gestalt einer anderen ptolemäischen Königin aufdämmert, steht auf einem anderen Blatt und wird im Kapitel I 5 passim behandelt. Auf jeden Fall würde die Gleichsetzung der Artemis mit Arsinoe II. rundweg ausschließen, dass die Königin auch noch in Relation zu Arsinoe I. gestellt wird. 136 f. πότνια — ἀοιδή   Die Gebetsform an und für sich erinnert an das Schlussgebet der homerischen Hymnen (χαῖρε-Formel), in dem die Gottheit um nie versiegende Gunst angefleht wird. Somit wird der Leser in die Irre geleitet, weil er aufgrund seiner Gattungsvertrautheit glaubt, der Hymnos gehe zu Ende, während er in der Tat einen neuen Aufschwung nimmt. Aus dem Ernstnehmen dieser spielerisch erzielten Illusion heraus erwächst Wilamowitzens Fehlurteil: Hier [spätestens nach V. 182] hätte er aufhören und nur einen kräftigen Schluss machen sollen (1924 II 58). Herter 1929, 104 stimmt ihm zu, hebt aber auch die Travestie des Stils der Katalogdichtung heraus. Bornmann 1968, XXXI f. würdigt das ironische Spiel mit der rhapsodischen Konvention des Hymnenschlusses. Die Oszillation des Ausdrucks zwischen Ende (Abschied von der Göttin) und Anfang (neues Themenspektrum) schafft eine reizende Spannung. Solche metapoetische Unterbrechung mitten im Gedicht ist im episch-hymnischen Stil alles andere als gewöhnlich, deshalb kommen die Ausnahmen als mögliche Vorbilder für Kallimachos in Betracht. Die Museninvokation Hom. Β 484–493 ist zwar vergleichbar, aber sie steht an der Spitze einer kompakt gebauten thematischen Einheit (‚Schiffskatalog‘) und hat nicht die für Kallimachos charakteristische gleitende Scharnierfunktion. Ein weiterer Bezugstext ist der Passus an der Übergangsstelle des delischen zum pythischen Teil des homerischen Apollon-Hymnos (V. 166–178), in dem die enge und subjektiv gefärbte (V. 170: τέρπεσϑε) Gemeinschaft des Chors der

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III. Kommentar

Delierinnen und des Erzählers (V. 172: ‚der Blinde aus Chios‘) und der feste Vorsatz des Erzählers, Apollon zu besingen (V. 177 f.), im Vordergrund stehen. Mithin könnte die entsprechende Passage des Artemis-Hymnos auch als eine unterschwellige metapoetische Reflexion aufgefasst werden hinsichtlich der philologischen Streitfrage, ob der homerische Apollon-Hymnos zweiteilig oder aber aus einem Gusse sei. Kallimachos scheint dadurch der Einheit dieses Hymnos das Wort zu reden, oder zumindest zeigen zu wollen, dass mit etwas mehr Geschick, als es der archaische Dichter an den Tag legte, ein einheitliches Gedicht hätte entstehen können. Auf jeden Fall müsste unser Dichter sich über den merkwürdigen Aufbau des Hymnos klar gewesen sein. Vgl. Kuiper 1896 I 83, Dornseiff 1936, 734, Bornmann 1968, XVII, Garriga 1988, 17 f., Bing/Uhrmeister 1994, 29 f., Fain 2004, 50–52, Ukleja 2005, 64–67, Petrovic 2007, 223 und Stephens 2015a, 104. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass auf die Überleitungspassage in beiden Hymnen der Weg und der feierliche Empfang der Gottheit (Apollon/ Artemis) auf dem Olymp folgt (V. 188: αὐτίκα δ’ ἀϑανάτοισι μέλει κίϑαρις καὶ ἀοιδή ~ h. 3. 137). Über die Allusion auf den homerischen „Bruder“Hymnos tritt also auch ein metapoetischer Aspekt der Geschwisterrivalität zu Tage. Vgl. auch ad V. 140 f. Da aber solche „subjektiven“ Binneninvokationen eher der lyrischen Gattung eigen sind, könnte man auch eine Gattungskreuzung am Werke sehen, wozu sich vor allem Pind. P. 9. 89–96 zum Vergleich anbietet, wo die Chariten angerufen werden, dem Dichter in seinem Schaffen immerfort Beistand zu leisten. Ähnlich ist P. 8. 67–69 (Gebet an Apollon um dichterische Inspiration). Zum Kontrast von epischer Erzählung und lyrischer Reflexion vgl. Fuhrer 1992, 118–125. Mit dieser Allusion arbeitet Kallimachos auch darauf hin, Artemis zu einer Muse arrivieren zu lassen. Damit ergänzt sich die ethische Sphäre (Zugehörigkeit zu den Gerechten) um die musische (immerwährende dichterische Inspiration), und das Gebet nimmt eine ausgesprochen subjektive Wendung (ἐμοί schafft einen Bezug zwischen dem Sprecher und dem φίλος, der Subjekt des ersten Teils des Wunschsatzes war, μοι im Verbund mit ἀοιδή rückt die Person des Erzählers/Dichters in den Vordergrund). Die allgemeine Bezeichnung ἀοιδή bedeutet in erster Linie ‚Dichtkunst‘. Deren Beschaffenheit und Thema wird ab dem nächsten Vers präzisiert (vgl. auch V. 1: ἀειδόντεσσι und 268: ἀοιδῇ in Ringstruktur). Dadurch, dass die Inspiration zur ἀοιδή von Artemis ausgeht, wandelt sich die Göttin zu einer Muse. Zu Einzelaspekten dieser Seite der Göttin sowie der politischen Dimension der Verwandlung (Arsinoe II. als Friedensgöttin und Muse) vgl. Kapitel I 5, 62–64.



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136 πότνια, τῶν εἴη μὲν ἐμοὶ φίλος ὅστις ἀληϑής   Das eingebettete Gebet des Erzählers mit invokativer Anrede am Anfang, das fast versgenau in der Mitte des Gedichtes steht, ist die Fortsetzung des durch die Frage–Antwort-Form geschlagenen Bogens (V. 113–123). Es enthält ein anaphorisches Element (τῶν = Favorisierte der Göttin), mit dem es an das Vorausgehende anschließt, und eine praeteritio, die kataphorisch auf noch folgende Dichtung hinweist. Vgl. Bundy 1972, 69. Die einfach-unspezifische Form πότνια und ἄνασσα (‚Herrin‘) statt einer spezifischen πότνια ϑηρῶν entspricht der Funktionserweiterung der Artemis sowie dem subjektiven Ton des Gebets. Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 24 f. und neulich Brumbaugh 2019, 202 f. sowie 206 f. (Analogie zu Zeus und Apollon als göttlich-königlichen ἄνακτες). Bing/Uhrmeister 1994, 26 kontrastieren mit der ersten Person Singular den formelhaften Anfang (V. 1 f.) in der ersten Person Plural (ὑμνέομεν). Die Bitte um die Zugehörigkeit zu den Auserwählten stellt einen hymnischen Topos dar, d.h. sie ist weder ganz ernst gemeint noch krass vorgetäuscht, sondern schillert in verschiedenen Nuancen der kallimacheischen Ironie. Hutchinson 1988, 313 spricht zu Recht von einer persona of anxious piety. Zum Weiterleben dieses Topos vgl. den Gospel-Hymnus When the Saints go marching in..., dessen Refrain lautet: I want to be in that number [τῶν εἴη μὲν ἐμοὶ φίλος ~ in numero esse], / When the Saints go marching in. Allgemein zum Wunsch, dem Gott zu gefallen und zu seinen Begünstigten zu gehören, vgl. Pind. P. 1. 29 (nach der Beschreibung der Wirkung der Leier – bei Kallimachos nach der Schilderung der gottgefälligen Gemeinschaft). Der kallimacheische Wunschsatz ist allerdings nicht nur die Aufarbeitung eines Topos, sondern die Palinodie des verzweifelten Wunsches am Ende der Schilderung der ungerechten Stadt bei Hesiodos (erg. 270–272: νῦν δὴ ἐγὼ μήτ’ αὐτὸς ἐν ἀνϑρώποισι δίκαιος / εἴην μήτ’ ἐμὸς υἱός, ἐπεὶ κακὸν ἄνδρα δίκαιον / ἔμμεναι). Dies setzt den hesiodeischen Anspielungen der Passage die Krone auf (vgl. ad V. 122) und entspricht der umgestellten Reihenfolge der antithetischen Bilder (Friedenslob als abschließendes Element). Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 25 f. Zu den Wunschoptativen vgl. Kall. h. 1. 69, 2. 26 f. und 4. 98 (μελοίμην). Zur negativen Form des Topos (Absetzung von einer als anstößig empfundenen Gruppe/Person) vgl. Soph. Ant. 372–375 und vor allem Kall. h. 6. 116 f., wo eine negative Inversion unserer Formulierung auftritt: Δάματερ [πότνια], μὴ τῆνος ἐμὶν φίλος [ἐμοὶ φίλος], ὅς τοι ἀπεχϑής, [ὅστις ἀληϑής] / εἴη [εἴην δʼ αὐτός] μηδ’ ὁμότοιχος. Vgl. auch Theokr. 26. 32: εὐσεβέων παίδεσσι τὰ λώια, δυσσεβέων δ’ οὔ, Apoll. Rhod. 4. 448: δυσμενέων ἐπὶ παισὶ κορύσσεο δαῖμον ἀερϑείς, Catull. 63. 92 f.: procul a mea tuos sit furor omnis, era, domo: / alios age incitatos, alios age rabidos und Verg. georg. 3. 513: di meliora piis, erroremque hostibus illum! Bassi 1989, 221 vergleicht die ebenfalls auf eine negativ behaftete Gegengruppe abzielende Wendung

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III. Kommentar

h. 2. 2: ἑκὰς ἑκὰς ὅστις ἀλιτρός, bei der der abschließende Relativsatz tautometrisch ist mit ὅς τοι ἀπεχϑής (h. 6. 116) und ὅστις ἀληϑής (h. 3. 136). Zur Gestalt des/der anonymen φίλος/φίλοι, dem/denen die Gottheit Gunst erweisen sollte, vgl. Kall. h. 1. 69 (so bereits Hom. ο 359 f.). Petrovic 2016, 178 f. vermutet in φίλος auch einen versteckten Hinweis auf die königlichen φίλοι: das Privileg, zum elitären Kreis von Auserwählten zu gehören, erhielte damit eine gesellschaftliche Brisanz. 137 μέλοι δέ μοι αἰὲν ἀοιδή   Die zweite Hälfte des Verses ist wieder mit Hesiodallusionen gesättigt, zumal der Dichter in erster Linie auf Hes. theog. 34 (σφᾶς δ’ αὐτὰς [Musen] πρῶτόν τε καὶ ὕστατον αἰὲν ἀείδειν) anspielt, wodurch auch die Gleichsetzung ‚Artemis–Muse‘ bekräftigt wird (beide Male als Versklausel). Vgl. Reinsch–Werner 1976, 116, die auf das beachtliche Nachleben dieser Formel hinweist (Hom. h. 21. 4: αἰὲν ἀείδει, Thgn. 3 f. W²: αἰεὶ ... / ἀείσω, Theokr. 16. 1: Αἰεὶ τοῦτο Διὸς κούραις μέλει, αἰὲν ἀοιδοῖς, Arat. 14: ἀεί ... ἱλάσκονται ~ 18: πᾶσαν ἀοιδήν [Zeus, Musen, Dichter]). Darüber hinaus scheint die Wortpaarung αἰὲν ἀοιδή eine poetische Etymologie zu sein, die durch den assonanzartigen Gleichklang αἰὲν ἀοιδή auf die verewigende Kraft der Dichtung anspielt. Vgl. Adorjáni 2017b, 391–394. Sonst noch bei Kallimachos ep. 22. 4: αἰὲν ἀεισόμεϑα (Nympholepsie) und fr. 494: αἰὲν ἀοιδοί (Kontext unklar). Vgl. auch Kleanth. fr. 537. 6 von Arnim (σὸν κράτος αἰὲν ἀείδω [Preis des Zeus]). Apollonios Rhodios scheint speziell auf die Stelle im Hymnos anzuspielen (1. 1225: ῎Αρτεμιν ἐννυχίῃσιν ἀεὶ μέλπεσϑαι ἀοιδαῖς). Auch hier pseudoetymologische Verbindung von Sorgfalt (V. 1223: μέλε ... σφισι [Nymphen]) und Lied (μέλπεσϑαι). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 263. Zur anderen antiken poetischen Etymologie von ἀοιδός/ἀοιδή aus οἶδα (der Dichter als ‚Wissender‘) vgl. Hardie 2000 passim (167 f. für die Evidenz, dass dieses Etymon auch Kallimachos geläufig war). Der stabreimende Anfang μέλοι ... μοι nimmt auch am etymologischen Spiel teil, indem μέλοι (Kunstbeflissenheit) μέλος (Lied) in Erinnerung ruft. Das Schlusswort ἀοιδή evoziert zugleich den Abschlussvers sämtlicher homerischer Hymnen, wo der Wille, die Gottheit weiterhin zu verherrlichen, zum Ausdruck kommt. Vgl. Hom. h. Cer. 495, Ap. 546, Merc. 580 usw.: αὐτὰρ ἐγὼ καὶ σεῖο καὶ ἄλλης μνήσομ’ ἀοιδῆς. Harder 2002b, 207 erinnert auch daran, dass einige homerische Hymnen (h. Cer., h. 11, 16 usw.) das Wort ἀείδειν am Ende des ersten Verses tragen (so auch Hes. theog. 1). Dies imitiert Kallimachos in Ait. fr. 1. 1 (ἀοιδῇ), während ἀειδόντεσσι in unserem Hymnos (V. 1 im Versinnern) eine weniger auffällige Allusion darstellt. Hier wird es allerdings nicht um unbestimmt-zukünftige Hymnen gehen, sondern um



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den vorliegend-gegenwärtigen Preis der Artemis. Vgl. Herter 1929, 99 und Plantinga 2004, 259 Anm. 9. 138 (a) τῇ ἔνι μὲν Λητοῦς γάμος ἔσσεται, ... σὺ πολλή  Die Themenbezeichnung (propositio, προαίρεσις) ist ein proömiales Zubehör, das hier an die unkonventionell platzierte Bitte anschließt, um für weitere Verblüffung zu sorgen. Zur Existenzberechtigung der ‚Proömien in der Mitte‘ in der hellenistischen Literatur vgl. Conte 1976, 263–265. Nach dem generellen Begriff ἀοιδή stellt sich heraus, dass die anvisierte Dichtkunst die hymnische ist (~ V. 2: ὑμνέομεν) und deren Zentrum (in der Tat zwischen Leto und Apollon „eingepfercht“) Artemis sein wird. Λητοῦς γάμος (zu γάμος als Euphemismus für ein amouröses Abenteuer eines Gottes vgl. Hom. h. 19. 35 mit Kuiper 1896 I 84) und Ἀπόλλων scheinen auf andere (kallimacheische) Hymnen (h. 4 und 2) hinzuweisen, aber Artemis, die über ein Pronomen und ein Attribut (σὺ πόλλη) anwesend ist, beherrscht die beiden (Götter, Hymnen [?]) vermöge ihrer Mittelstellung (so auch die Hymnen 2, 3 und 4) und ihrer Fähigkeit, als Muse zu wirken. Darüber hinaus vertauscht Kallimachos die Reihenfolge der Gottheiten in Hom. h. Ap. 158 f. (Apollon, Leto, Artemis im Gesang der Delierinnen) und 177 f. (Apollon, Leto am Schluss der Übergangspassage zwischen delischem und pythischem Teil). Vgl. Plantinga 2004, 263 und Stephens 2015a, 140. Das Attribut πόλλη (‚groß‘, ‚mächtig‘, ‚vielgestaltig‘) wird damit zu einem rivalisierenden Etymon, durch das die Göttin Ἀπόλλων (V. 139) den Rang ablaufen will. Ähnlich bereits Bornmann 1968, 69 ad loc. unter Hinweis auf Eur. Hipp. 1 f. (πολλὴ ... Κύπρις), wo das proleptische πολλή den bedeutungsvollen Anhub der Tragödie darstellt. Vgl. Barrett 1964, 155 ad loc. mit weiteren Parallelen. Cahens Deutung (1930, 125) von πολλή (‚vielmals Genannte‘, wie V. 27) ist flau. Ambühl 2005, 280 entdeckt das Rivalitätsspiel mit Apollon und spricht von einem Gastauftritt Apollons im Hymnos der Artemis, wie auch Artemis andeutungsweise im homerischen Apollon-Hymnos anwesend war (V. 14–16 [Geburt], 197–199 [Tanz auf dem Olymp]). Ukleja 2005, 60 sieht in πολλή den Wunsch nach möglichst vielen Epiklesen, um den Rivalen Apollon auszustechen. Plantinga 2004, 263 Anm. 34 vergleicht aus demselben Hymnos V. 225: πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι und sämtliche Attribute Apollons aus seinem kallimacheischen Hymnos: V. 34: πολύχρυσος, V. 35: πουλυκτέανος (zum Goldreichtum vgl. ad V. 110 f.), V. 70: πάντη δέ τοι οὔνομα πουλύ (dein Name ist ‚Apollon‘), V. 80: πολύλλιτε und – unmittelbar auf die Insel Delos, mittelbar auf Apollon bezogen – h. 4. 266: ὦ μεγάλη, πολύβωμε, πολύπτολι, πολλὰ φέρουσα (Apollon wird nach Delos Delios heißen [V. 268 f.], Delos nach Apollon πολλή). Zum Hinweis auf den Apollon-Hymnos vgl. auch Arata 1904, 30.

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III. Kommentar

Der Begriff πολύς zur Charakterisierung einer Gottheit auch bei Eur. Bacch. 300 und Hipp. 443. Siehe auch Kapitel I 3, 37 f. Das Futur ἔσσεται ist hier performativ und bezieht sich auf die Gegenwart (so auch V. 186 [ἀείσω], Hom. h. Ap. 177 f. [οὐ λήξω ... / ὑμνέων], und die typisch choral-performativen Future bei Pindar [z.B. O. 7. 16, 11. 14; P. 4. 67; N. 7. 63 usw.]). Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 27 mit Anm. 26 und Kühner–Gerth 18933 I 173. 5. Entsprechend verwandelt sich die Tempusform ab V. 141 (φορέουσιν, ἐλαύνεις) in ein stehendes Präsens, das Artemis bei einer zeitlosen Einkehr zum Olymp zeigt. Vgl. Vestrheim 2000, 72 und Harder 2004, 77. 138 (b) ἐν δὲ    Die nach der bukolischen Diärese ansetzende vierfache Anapher ἐν δέ (‚es ist darin enthalten‘) gehört zum Formelgut der Beschreibung (ἔκφρασις) von in materieller Form existierenden Kunstgegenständen, wie man aus der homerischen Schildbeschreibung ersehen kann (Σ 483: zuerst ἐν μέν – ἐν δέ, dann das zweite Glied [ἐν δέ] als strukturierendes Element durch die Gesamtpartie hindurch). Kuiper 1896 I 84 vergleicht auch Ε 740 f. (Athenes αἰγίς) und Ξ 216 (Aphrodites κεστός). Hier wird die Anapher auf geistige Inhalte (Themen des anvisierten Hymnos) übertragen. Dieselbe Stilfigur wird zweimal zur Aufzählung der Themen der keischen Chronik des Xenomedes in Ait. fr. 75. 64 (am Versanfang und nach bukolischer Diärese) verwendet, wo der materielle Träger der Aufzeichnungen unmissverständlich genannt ist (V. 66: ἐνεϑήκατο δέλτ[οις). Zur Vergegenständlichung geistiger Inhalte auf materiellen Trägern vgl. Bing 1988, 18 f. und Harder 2012 II 647 f. ad Ait. fr. 75. 64. H. 6. 27 f. dient die vierfache ἐν (δέ)-Anapher (Versanfang, zweiter Daktylus, nach bukolischer Diärese, Versanfang) der Katalogisierung der Bäume im Demeter-Hain. 139 ἐν δʼ οἵ σεο πάντες ἄεϑλοι   Über den Hinweis auf die Taten (ἄεϑλοι), Hunde (κύνες), Bogen (τόξα) und Gespann (ἄντυγες) der Göttin tauchen Themen auf, die der vorliegende Hymnos bereits berührt hat, die also nicht in der Zukunft liegen, wie es die Gebetsform suggeriert. Artemis erweist sich also als eine inspirierende Macht zu ihrem eigenen Hymnos, der unter dem schützenden Auge der Göttin bereits geraten ist (der epische Teil ist fast zu Ende) und im Begriffe steht, weiter zu gedeihen. Hier und V. 145 (mit einem Schuss Ironie) bedeutet ἄεϑλος ‚Arbeit‘, ‚Mühsal‘ (vgl. Hom. δ 170). Zum Wort vgl. auch ad V. 108 f. Lorentz 1892, 10 weist auf den enklitischen Gebrauch des Possesivpronomens σεο nach homerischer Gepflogenheit hin, während die hellenistischen Dichter zumeist akzentuierte Formen bevorzugen. Zur Stellung von σεο zwischen Artikel und Nomen vgl. die Angaben bei Bornmann 1968, 69 ad loc. Zum bestimmten Artikel vor ἄεϑλοι vgl. ad V. 126 (b).



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140 ἐν δὲ κύνες καὶ τόξα καὶ ἄντυγες    Die Hunde erinnern an den Besuch der Göttin bei Pan (V. 87–97), obgleich diese nie zum Einsatz gelangten. Hunde und Bogen als Jagdinstrumente bereiten auf die Fortsetzung der Narration durch die Ankunft der Artemis von der Jagd auf dem Olymp vor (V. 143 f.). Vgl. Morrison 2007, 145. Der Wagen ruft die Bespannung ihres Fahrzeugs mit Hirschen ins Gedächtnis (V. 105 f. und 111–115). Für die Synekdoche ἄντυγες = δίφρος, die nicht homerisch ist, vergleicht Kuiper 1896 I 84 Soph. El. 746 und Eur. Phoen. 1193. Die Verheißung eines Liedes über den Wagen wird hier selbst zu einem metaphorischen Wagen, der ein althergebrachtes Dichtungssymbol darstellt. Vgl. Asper 1997, 21–72 (im Verbund mit dem des Weges) und Nünlist 1998, 255–264. Zum Dichtungswagen an dieser Stelle mit Hinweis auf Ait. fr. 1. 25–28 vgl. Petrovic 2007, 237 f. Dieser Liedwagen, der funktionell mit dem vorliegenden, gerade im Gang befindlichen Hymnos identisch ist, sorgt für einen gleitenden Übergang zwischen zwei Themen und schnellt zum nächsten epischen Programmpunkt, Artemis’ Empfang auf dem Olymp. Vgl. Vahlen 1896, 805 und Bing/Uhrmeister 1994, 27. Zu dieser Oszillation zwischen konkretem und metaphorischem Wagen vgl. Pind. O. 6. 22–27 mit Adorjáni 2014a, 156–160. Dass dieses Lied oder irgendein anderes ‚alle Taten‘ der Artemis enthalten könnten, ist einerseits rhetorisch wirksame Übertreibung, andererseits soll es andeuten, dass das Gedicht des Kallimachos als ‚ultimativer‘ Hymnos alle vorigen, aber auch alle künftigen Hymnen, die es mit den Taten der Göttin zu tun haben (werden), in sich schließe (die vorigen durch Evokation, die künftigen durch Vorwegnahme). Zu dieser Ausweitung der Grenzen des Hymnos, so dass sie in der Zeitlosigkeit des Lobs der Göttin aufgehoben werden, vgl. Petrovic 2007, 234 f. und dies. 2013 passim (im weiteren Kontext der Hymnen qua ‚never ending stories‘ als eine Stileigenheit, die die vielen ‚falschen Schlüsse‘ und Wiederanfänge bedinge [225 kurz auch über den Artemis-Hymnos]). 140 f. (a) αἵ τε — ἐλαύνεις   Hier wird ein Kontrast mit dem Auftritt der kleinen Artemis des Anfangs suggeriert, während die Göttin im homerischen Apollon-Hymnos ebenso herrlich erscheint wie hier (V. 198: μάλα μεγάλη τε ἰδεῖν καὶ εἶδος ἀγητή). Wie Apollon in seinem Hymnos (Anfang des delischen Teils [V. 1–13]; Anfang des pythischen Teils [V. 186–206]), so hat auch Artemis zwei, im Gedicht voneinander entfernte Auftritte auf dem Olymp. Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 30. Motive aus beiden Empfangsszenen des Apollon-Hymnos werden von Kallimachos zur Schilderung der Ankunft der Artemis verquickt. Im homerischen Apollon-Hymnos springen die Götter beim Erscheinen Apollons von ihren Sesseln auf (V. 3 f.), hier gehen Artemis zwei Götter entgegen. Im Apollon-Hymnos werden dem Gott die

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III. Kommentar

Waffen von Leto abgenommen (V. 5–9), hier leistet Hermes diesen Dienst. Apollon löst durch sein Waffengeklirr Schrecken unter den versammelten Göttern aus, während Artemis der höfischen Etikette gemäß ihre Waffen schon beim Eingang abgibt (Ambühl 2005, 281 interpretiert dies geistreich als eine verschärfte Sicherheitsmaßnahme nach den negativen Erfahrungen mit Apollon), und deshalb nur Heiterkeit und natürlichen Charme um sich herum ausstrahlt. Vgl. auch Bing/Uhrmeister 1994, 29 und Ukleja 2005, 68. In beiden Fällen folgt auf den Empfang ein breit geschilderter Reigentanz (h. Ap. 189–203 [V. 197–199: Artemis als Tänzerin] ~ h. 3. 170–182), den an ihrem Kind sich weidenden (V. 204: εἰσορόωντες) Eltern Leto und Zeus bei Homer (V. 204–206) entspricht bei Kallimachos der auf den Reigen der Artemis herabblickende Helios (V. 180–182). Allerdings wird der Tanz im Artemis-Hymnos vom Olymp bereits auf die Erde verlagert und dient zum Übergang zur Vielfalt der Kultorte der Göttin. Vgl. auch ad V. 136 f. (Anspielung auf den homerischen Apollon-Hymnos), sowie Kuiper 1896 I 90, Dornseiff 1936, 734 f., McKay 1963, 244, Bing/ Uhrmeister 1994, 30, Fain 2004, 51 f. und Ambühl 2005, 280 f. (die auch die Abfolge ‚Jagd – Treffen mit Apollon in Delphi – Waffenablage und Tanz‘ in Hom. h. 27 vergleicht). Ukleja 2005, 64 Anm. 294 parallelisiert εἶσι am Versanfang (Hom. h. Ap. 182: der Weg des Gottes nach Pytho) mit ἐλαύνεις (Weg der Artemis zum Olymp) am Versende. Sie weist auch auf die Aitiologie als einen Verbindungspunkt zwischen dem homerischen Apollon- und dem kallimacheischen Artemis-Hymnos hin (Hom. h. Ap. 371–374: PythoAition, 385–387: Telphusios-Aition, 493–496: Delphinios-Aition ~ Kall. h. 3. 189–205: Diktyna-Aition). Hom. h. 9. 5 f. fährt Artemis auf ihrem Wagen (ἅρμα) nach Klaros, wo Apollon ihrer wartet. Zur Wagenfahrt Athenes vgl. Kall. h. 5. 61. 140 f. (b) σε ῥεῖα / ϑηητὴν    Zum Adverb ῥεῖα am Versende vgl. Born1968, 69 ad loc. Das Attribut ϑηητήν, das in der Dichtersprache vermittels Angeschaut- und Angestauntwerden ein wahres ‚Schaustück‘ von Pracht und Herrlichkeit impliziert (zu dieser Nuance vgl. Mette 1961, 49–65 in einer breitangelegten semantischen Untersuchung), ist ein Hapax bei Kallimachos. Es ist unhomerisch, kommt aber bei Hesiod in der Dichterweihe auf den Lorbeerzweig bezogen (theog. 31) vor. Reinsch-Werner 1976, 117 erwägt eine Übertragung des Attributs des Musen-Zepters auf die Göttin, wofür die Nähe der metapoetischen Passage mit weiteren HesiodAllusionen (vgl. ad V. 136 f.) spricht. Siehe auch Tyrt. (10. 29 W2: tüchtiger Kämpfer), Bakchyl. 11. 14 (Athlet), 13. 115 (Troja), Theokr. 15. 84 (Adonis). Das Wort ist ein Lieblingsattribut Pindars (O. 6. 2 [Gebäude]; P. 4. 80 [Iasons Gliedmaßen], P. 9. 108 [Schönheit der Tochter des Antaios], P. 10. 58 [Hippokleas]; N. 11. 12 [Aristagoras]). mann



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141 φορέουσιν ὅτ᾽ ἐς Διὸς οἶκον    Zu φορέουσιν (homerisch) vgl. Bornmann 1968, 70 ad loc. Die Wendung Διὸς οἶκος ist indessen eine freie formale Abwandlung der homerischen Vorstellung von Διὸς δῶ(μα). Vgl. auch ad V. 168 f. Artemis auf dem Olymp (V. 142–169) 142 ἔνϑα τοι ἀντιόωντες ἐνὶ προμολῇσι δέχονται   Die Ansicht von Pet2007, 234, ἔνϑα beziehe sich nicht nur auf den Olymp, sondern auch auf das Gedicht, stimmt nicht, weil eine Übergangspassage nur dann ihre Funktion erfüllt, wenn sie tatsächlich zu etwas (hier der weiteren Narration) überleitet. So muss das Relativpronomen eine Zäsur (Anfang der olympischen Szene) markieren und nicht mehr zum Concetto ‚Wagen–Gedicht‘ gehören. Zum Bedeutungswandel von προμολαί vgl. ad V. 99. Hier bezeichnet der Stamm μολ- (‚laufen‘) die Vorhalle / das Vestibül des Hauses/Palastes. Zu dieser Bedeutung siehe auch Apoll. Rhod. 1. 260, 1174, 3. 215, 4. 1160, die alle von Kallimachos abhängen könnten. Vgl. Bredau 1892, 21. Die Erniedrigung des Hermes und vor allem Apollons vor Artemis besteht darin, dass sie ihr gleichsam als Hausdiener im Vestibül aufwarten und ihr praktisch Steigbügeldienste leisten. Vgl. Fain 2004, 51. Hunter/Fuhrer 2002, 162 betonen, dass Apollon in einer unterlegenen Rolle erscheint, so dass Artemis Apollon die Schau seiner Ankunft auf dem Olymp im homerischen Hymnos (h. Ap. 1–13) stiehlt. Sonst gebührt das Zeremoniell eines ehrfürchtigen Empfangs auf dem Olymp einzig Zeus und Hera (Α 531–535 und Ο 84–86). Das Verb ἀντιόω, das bei Homer zumeist negative Bedeutung hat, ist hier der Ausdruck unterwürfigen Entgegenharrens. Vgl. Bornmann 1968, 70 ad loc. rovic

143 f. ὅπλα μὲν Ἑρμείης ..., αὐτὰρ Ἀπόλλων / ϑηρίον    Zur adversativen Partikelverbindung μέν – αὐτάρ vgl. Τ 63. Auch αὐτὰρ Ἀπόλλων ist formelhaft (Π 728, Φ 538; h. Merc. 185, 413, 523). Darüber hinaus ist der Chiasmus ὅπλα –Ἑρμείης ~ Ἀπόλλων – ϑηρίον (mit hervorgehobenen Objekten) zu vermerken. Zur Form Ἑρμείης vgl. ad V. 68 f. Zum Gott als „Türsteher“ vgl. Hom. h. Merc. 15 (πυληδόκος), Aristoph. Plut. 1153 (στροφαῖος), Paus. 1. 22. 8, 4. 33. 3, Σ ad Hom. Β 842 (I 345 Erbse) und ad Aristoph. Pax 923b (II 2, 140 Holwerda) (Statue). Seine Erscheinung reflektiert auch Homers Pan-Hymnos (19), in dem Hermes seinen neugeborenen Sohn Pan auf den Olymp geleitet (V. 40–45). Vgl. Stephens 2015a, 140. Pan bringt ein Stück Wildnis unter die Götter (V. 42 f.), ebenso die kallimacheische Artemis, die mit erjagtem Wild zu erscheinen pflegt. Bei Homer (h. 27. 11–15) ist der Be-

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III. Kommentar

ginn des Besuchs auf dem Olymp zugleich das Ende der Jagd. Vgl. Faulk­ ner 2013, 229 f. und ad V. 88 f. Apollon gleicht sich Hermes an, um Artemis Ehre zu machen. Im Apollon-Hymnos des Kallimachos schafft Artemis ihrem Bruder kynthische Ziegen herbei, aus deren Gehörn Apollon den Hörneraltar auf Delos anfertigt (h. 2. 60 f.). Auch hier lässt eine Jagdbeute die beiden Geschwister einander begegnen. Zu weiteren Verbindungen mit dieser Episode vgl. Kapitel I 1, 12 f. 143 Ἀκακήσιος    Durch die Verwendung von Ἀκακήσιος als toponymischem Attribut (vgl. Paus. 8. 36. 10: arkadischer Hügel Ἀκακήσιος und Stadt Ἀκακήσιον, wo Hermes groß wurde) bezieht Kallimachos Stellung in der philologischen Streitfrage um ἀκάκητα, das homerische δὶς λεγόμενον für Hermes (Π 185 [V. 183 wird Artemis erwähnt] und ω 10). Das Wort wurde einerseits mit dem arkadischen ὄρος Ἀκακήσιον in Zusammenhang gebracht (Eratosth. fr. 3 [p. 59 CA] = Etym. m. 547. 1–5 s. v. = Apollod. fr. 353 [FGrH IIB 1124. 4–7 Jakoby] [nebst der Gegenmeinung als der richtigen], Σ ad Hes. theog. 614 Flach, Cram. anec. Par. III 21), andererseits als ein Appellativum mit der Bedeutung ‚ohne Tücke‘ ausgelegt (Hesych. 2234 [II 80 Latte], Apoll. Soph. 20. 1 f. Bekker, Corn. theol. 16. 3 Nesselrath s. v. ἀκάκητα; vgl. auch Aischyl. Pers. 855 [Dareios als ἀκάκας]). Beide rivalisierenden Interpretamente werden von den Scholiasten der KallimachosStelle – wie auch von denen zu den Homer-Stellen (Π 185 [IV 210 Erbse] und ω 10 [II 726 Dindorf]) – angeführt (Pfeiffer 1953 II 56 und 62 ad loc.). Vgl. Rengakos 1992, 44. Nach Faulkner 2013, 229 f. sei der ArkadienBezug des Attributs ein Rückverweis auch auf den arkadischen Pan. 144 f. πάροιϑέ γε, πρίν περ ἱκέσϑαι / καρτερὸν Ἀλκεΐδην   Mit der Selbstkorrektur πάροιϑέ γε (‚besser gesagt erst früher‘) tritt der Narrator in den Vordergund, der eine gelehrte Präzisierung (correctio) anbringt. So auch Morrison 2007, 145, obwohl seine Konstruktion der narrativen Stimme als einer Karikatur eines unaufhörlich schwatzenden Rhapsoden, nicht zutrifft, da der Hymnos sich durch außerordentliche Kalkuliertheit seiner Mittel auszeichnet. Bing/Uhrmeister 1994, 28 sprechen rechtens von einer learned update. Weniger zugespitzt zu der rhapsodischen Allwissenheit des Narrators vgl. Harder 1992, 392. Zu einem ähnlichen, auf zeitliche Veränderung ausgerichteten Kommentar in Parenthese vgl. ad V. 47 f. und 244 (a). Die gleiche Form hat auch fr. 716 f.: Καλλίστη τὸ πάροιϑε, τὸ δ’ ὕστερον οὔνομα Θήρη (vgl. Apoll. Rhod. 4. 1763 f.). Die Worte ὅττι und πάροιϑε kommen bei Homer in einer anderen Konstruktion nebeneinander vor (O 227). Die Hervorhebung des Namens καρτερὸν Ἀλκεΐδην am Versanfang (ehrendes Beiwort und klangvolles Patronymikon) bildet einen Kontrast zum



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komischen Gebaren des Helden. Statt sich als καρτερός zu erweisen, lässt sich Herakles durch seine unermessliche Verfressenheit der Schuld der ἀκρασία überführen. Vgl. Bornmann 1968, 71 ad loc. Die Paarung des Attributs καρτερόν mit dem Genethliakon Ἀλκεΐδην könnte zugleich auf einem etymologischen Spiel mit den semantisch verwandten Stämmen καρτερund Ἀλκε- beruhen. Vgl. Stephens 2015a, 141. Durch die scheinbare Vortrefflichkeit des thebanischen Helden wird glaubhaft gemacht, dass Apollon in diesem Dienst abkömmlich geworden ist. Zum zweiten Male kreuzt sich der Weg der Artemis mit dem des Herakles und beide Male handelt es sich um Neuerungen des Kallimachos (Herter 1929, 94 Anm. 2). Darüber hinaus ist der Kontakt in beiden Fällen einer entgangenen oder erreichten Jagdbeute geschuldet. V. 107–109 kam es allerdings zu keinem persönlichen Treffen (es ging nur um eine aitiologische Verbindung). Die Herakles-Episode sorgt dafür, dass es in der olympische Szene, in der Artemis den ihr gebührenden Platz im griechischen Pantheon erwirbt, nicht ohne einen Schuss Humor abgeht. Somit entspricht in Ton und Färbung die zweite olympische Szene mit dem Götterkranz dem ersten olympischen Internum mit Artemis und ihrem Vater (vgl. Zanker 1987, 187). Zum ernsterhabenen Bild des Herakles auf dem Olymp vgl. Pind. N. 1. 70–72 (Smiley 1914, 46). Zu einer ironisch-humoristischen, aber auch liebevollen Darstellung des Helden als eines Vorfahren der Ptolemäer in einem ernst-enkomiastischen Gedicht vgl. Theokr. 17. 20–33. Vgl. dazu auch Kapitel I 5, 65 f. 145 f. νῦν δ᾽ οὐκέτι Φοῖβος ἄεϑλον / τοῦτον ἔχει    Während ἄεϑλοι (V. 139) die ruhmvollen Taten der Artemis, ἀέϑλιον (V. 108) eine Arbeit des Herakles bezeichnet, findet hier ἄεϑλος eine humoristische Verwendung, da sich das Wort auf die nicht besonders schwere, nur etwas langweilige Aufgabe bezieht, die Herakles von Apollon übernimmt und die im Vergleich zu seiner mühseligen irdischen Laufbahn als sorgloser Zeitvertreib erscheint. Ambühl 2005, 291 weist darauf hin, dass durch die Enthebung Apollons von seinem Amt und die Einführung des Herakles (V. 146–161) die komische Gerichtsszene im Hermes-Hymnos mit Hermes und Apollon vor Zeus evoziert wird. 146 f. τοῖος γὰρ ἀεὶ Τιρύνϑιος ἄκμων / ἕστηκε πρὸ πυλέων   Die kenningartige Benennung von Herakles als Τιρύνϑιος ἄκμων beruht auf dem metaphorischen Potenzial von ἄκμων (‚Amboss‘) als einem Eisen, das unzähligen Schlägen standhält, so wie auch Herakles viele Beschwernisse unbeschadet überstanden hat. Das unmittelbare Vorbild für diese Sinngebung ist Aischyl. Pers. 51 (λόγχης ἄκμονες): ‚Ambosse/starke Helden des Speeres‘ d.h. denen der Speer des Feindes nichts anhaben kann, auch hier mit einem Derivat des Stamms für ‚Stehen‘ (V. 49: στεῦνται ~ ἕστηκε). Der

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III. Kommentar

Dichter schlägt Kapital auch aus der Homonymie ἄκμων = ‚Amboss‘ und ‚unermüdlich‘ (~ ἀκμής). Vgl. Etym. m. 49. 49–51 s. v. ἄκμων und Σ ad h. 3. 146 (Pfeiffer 1953 II 56 und 62). Für die adjektivische Bedeutung treten dezidiert Frischlin 1589, 235 und Aulin 1856, 27 ein. Zur Amphibolie vgl. auch Lapp 1965, 99, dagegen Mair 19552, 73 Anm. c. Der tirynthische Amboss ist in der Tat ein „schwerer Junge“, den keine irdische Plage zermürbt hat, der aber jetzt auf dem Olymp ebenso unentwegt und ausharrlich dasteht, wenn ihm ein deftiges Abendessen winkt. Nach McKay 1963, 244 f. nimmt an diesem Kontrast auch τοῖος teil: Zuerst wird das Wort als ‚ein derart großer Held‘ interpretiert, nachträglich erhält es aber den Sinn ‚so ein großer Gourmand‘. Der Ausdruck Τιρύνϑιος ἄκμων / ἕστηκε weist zugleich auf die Formulierung V. 48 f.: ἐπ᾽ ἄκμοσιν Ἡφαίστοιο / ἑσταότας (sc. Kyklopen) zurück. Das Motiv der Gefräßigkeit wird zuerst mit den Kyklopen eingeführt: Dort verspricht Artemis den Schmiedegesellen eine reiche Beute (V. 84 f.), hier fordert Herakles sich diese Beute gleich ein. Auch die von Brontes’ Brust ausgerissenen Haarzotteln (V. 76 f.) sind über Ait. fr. 24. 1–3 mit Herakles assoziiert. Diese Verbindung lässt Herakles’ Appetit ins Riesenhaft-Kyklopische ausarten. Vgl. Ambühl 2005, 293 f. und Radke 2007, 231. Zur paratragisch-komischen Verwendung der Metapher vgl. Aristophon fr. 5. 6 (PCG IV 3 K–A): ὑπομένειν πληγὰς ἄκμων mit Bornmann 1968, 72. Nonnos bezieht sich auf die kallimacheische Wendung mit seinem Λήμνιος ἄκμων (25. 337), nimmt ihr aber den kenninghaften Charakter, weil damit der Amboss des Hephaistos auf Lemnos bezeichnet wird. Zur idiomatischen Bedeutung von τοῖος = ‚dermaßen vorzüglich‘ vgl. Hom. Δ 390, 399, Ε 808, Η 231, N 677, P 170, Ω 384 usw. (auf Götter und Helden bezogen), sowie h. 3. 29 (τοιαῦτα auf Zeus’ Abkömmlinge bezogen). Zur Gleichsetzung (ἓν ἀνϑʼ ἑνός) des Pronomens mit ἀγαϑός in der glossographischen Tradition und dem möglichen Einfluss dieses Interpretaments bei Kallimachos (fr. 627) vgl. Pfeiffer 1968, 139 f. und Dyck 1987, 157. Für das zweisilbige πυλέων (mit Synizese) vergleicht Smiley 1914, 72 Hes. theog. 741 und 773. 147 ποτιδέγμενος εἴ τι φέρουσα / νεῖαι πῖον ἔδεσμα   Die Struktur des indirekten Interrogativsatzes ähnelt Hom. ψ 91 (ποτιδέγμενος εἴ τί μιν εἴποι). Die Position des Herakles vor der Tür ist eine Folge seiner inneren Motivation, der Essgier, die ihn ständig Ausschau halten lässt und dadurch zu einem unschlagbaren Konkurrenten Apollons für diesen Dienst erhebt. Vgl. Herter 1929, 100 und Bing 1994, 28. Dem Helden macht es nichts aus, dass er sich wieder in den subalternen Dienst einer Frau (Artemis als zweite Omphale), und sei sie auch eine Göttin (Artemis als zweite Hera), begibt, wenn er dadurch auf seine Kosten kommt.



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Bei Homer sind Formen von φέρουσ- meistens am Versende platziert. Zur kontrahierten Form νεῖαι vgl. Hom. λ 114 = μ 141. Das attisch-prosaische Wort ἔδεσμα (vgl. aber auch Batr. 31 mit Giangrande 1971, 356) stattet Kallimachos mit dem homerischen Attribut πῖον (meistens neben μήρια, αἰγός, μῆλα, δῆμον) aus. Vgl. Cahen 1930, 126 und Stephens 2015a, 141. 148 f. ϑεοὶ — γελόωσι, μάλιστα δὲ πενϑερὴ αὐτή   Der Kontext ist ähnlich dem des iliadischen Göttergelages (Hom. Α 599 f.: ἄσβεστος δ’ ἄρ’ ἐνῶρτο γέλως μακάρεσσι ϑεοῖσιν / ὡς ἴδον ῞Ηφαιστον διὰ δώματα ποιπνύοντα), wobei hier der den Eber herbeischleppende Herakles die Rolle des Nektar einschenkenden Hephaistos als eines in seinem Übereifer lächerlichen „Hofnarren“ spielt (vgl. Shorey 1927, 222). Die Allusion wird durch den spondeischen Versschluss (V. 151: ἀσπαίροντα ~ Α 600: ποιπνύοντα) bekräftigt. Herter 1929, 101 spricht von einer behinderten Eilfertigkeit in beiden Fällen. Der Beingriff (φέροι ποδός), mit dem Herakles den Eber trägt, erinnert an das von Zeus Hephaistos bereitete Ungemach (V. 591: ῥῖψε ποδὸς τεταγών). Vgl. Herter 1929, 100 und Ambühl 2005, 290 mit Anm. 289, die auch Hom. h. Merc. 330–332 vergleicht (belustigender Anblick des kleinen Hermes im Schlepptau seines Bruders). Heras zartes Lächeln über ihren Sohn bei Homer (Α 595 f.: μείδησεν, μειδήσασα) weicht ihrem schallenden Gelächter über Herakles, das allerdings einer versöhnlichen Note nicht entbehrt. Ebenso besteht ein Kontrast zum anerkennenden Lachen des Zeus gegenüber Artemis in unserem Hymnos (V. 28). Vgl. Ambühl 2005, 289. Heras aktive Teilnahme am Lachkonzert steht im Gegensatz zu ihrem Groll (V. 31: χωομένης) wegen der Sprosse, die, wie Artemis, einem unehelichen Beilager ihres Gatten entstammen. Im Hintergrund ihrer Versöhnung mit Herakles steht die Heirat des Helden mit Heras Tochter, Hebe (vgl. Hes. theog. 950–955, fr. 25. 25–33 M–W; Pind. N. 1. 71), worauf die Bezeichnung πενϑερή (‚Schwiegermutter‘) hindeutet. Daraus kann man schließen, dass sie sich auch für Artemis wird erweichen lassen. Zur Stellung von ἐπὶ πάντες in ähnlichem Zusammenhang vgl. Hom. Ψ 840 (γέλασαν δ᾽ ἐπὶ πάντες Ἀχαιοί). 149 ἄλληκτον γελόωσι   Statt des gewöhnlichen homerischen Attributs ἄσβεστος (ebenso am Versanfang) für das Gelächter der Götter verwendet Kallimachos das ungewöhnliche, jedoch ebenfalls homerische ἄλληκτον (Herter 1929, 101 Anm. 3). Vgl. Hom. Β 452 (Kampf) und λ 325 (Wind). Da ἄλληκτον an der ersteren homerischen Stelle (V. 451 f.: ἐν δὲ σϑένος ὦρσεν [sc. Athene] ἑκάστῳ / καρδίῃ ἄλληκτον πολεμίζειν ἠδὲ μάχεσϑαι) sowohl attributiv (σϑένος) als auch adverbial (πολεμίζειν ἠδὲ μάχεσϑαι) konstruiert werden kann (zur Amphibolie vgl. Σ ad Hom. Β 452 [I 278 Erbse]), wird Kallimachos durch den adverbialen Gebrauch des Wortes Stellung

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III. Kommentar

bezogen haben. Apollonios (1. 1148, 2. 940, 3. 74, 805) folgt Kallimachos in der adverbialen Verwendung des Wortes. 150 f. ἢ ὅγε χλούνην / κάπρον    Zum nachgeschobenen Subjekt (ὅγε) vgl. h. 4. 230. Zur verschränkten Wortfolge, die ein gemeinsames Element nachhinken lässt, vgl. ad V. 8 f. (hier das Prädikat). Mit der Klausel ἢ ὅγε χλούνην variiert Kallimachos die homerische Vorlage Γ 409: ἢ ὅ γε δούλην. Vgl. Smiley 1914, 63 und Herter 1929, 101 Anm. 3. Für ὅγε im zweiten Glied eines parallel gebauten Dikolons mit Belegstellen vgl. Bornmann 1968, 73 ad loc. Das Wort χλούνης ist, was Bedeutung und Wortart betrifft, umstritten, und das war es bereits zur Zeit des Kallimachos (vgl. LSJ s. v. mit einigen antiken Etymologien). Moderne Etymologisierung verbindet das Wort über Aischyl. Eum. 188: χλοῦνις (‚Fruchtbarkeit‘) mit dem Stamm des frischgrünen (χλωρός) Triebs (χλόη) und mit der Semantik der strotzenden Lebenssäfte (vireo, virga, ver, vir, virgo, vires, ἕρση, ἔρσην/ἄρσην, verres, aries). Vgl. Onians 1954, 177 f. Anm. 9, Frisk 1970 II 1106 s. v. χλούνης und Irwin 1974, 31 f. Die χλόη kommt auch in einer antiken Etymologie des Wortes vor (Σ ad Hom. Ι 539b [II 515 Erbse]: τὸν ἐν χλόῃ διάγοντα; vgl. auch Apoll. Soph. 168. 9 Bekker und Etym. m. 812. 46 s. v. χλόη). Indem der Dichter Hom. Ι 539: χλούνην σῦν ἄγριον ἀργιόδοντα wachruft, lässt er die semantische Frage bewusst in der Schwebe und legt nur die Wortart fest (Attribut). Vgl. Kuiper 1896 I 85. An der homerischen Stelle geht es um die kalydonische Jagd, und es ist Artemis, die das Wildschwein als Plage sendet. Die Jagd kommt V. 218–220 vor, wo auch der Hauer des Tiers erwähnt wird (V. 220: ϑηρὸς ὀδόντας ~ Ι 539: ἀργιόδοντα). Der Keiler wühlt mit seinen Fängen die Saaten um, worauf V. 156 hingewiesen wird. Vgl. Ambühl 2005, 288. Das Nomen κάπρον, das an der obigen Stelle nicht auftaucht, könnte von Hom. Ε 783: συσὶ κάπροισιν stammen (Cahen 1930, 127), wo es allerdings attributiv verwendet wird, wie χλούνην bei Kallimachos. 151 (a) ὀπισϑιδίοιο φέροι ποδὸς ἀσπαίροντα   Das rare Wort ὀπισϑίδιος erscheint vor Kallimachos bei Sophron fr. 49 (PCG I 215 K–A), später wird es bei Nonnos Mode (mit acht Vorkommen). Der Optativ φέροι drückt Iterativität ohne Vergangenheitsbezug aus (Cahen 1929, 457 stuft es als Homerismus ein mit Verweis auf Δ 263 und Aischyl. Eum. 726). Vgl. auch V. 66 und 92. Smiley 1914, 60–62 (so auch Ambühl 2005, 285) vergleicht treffend Pind. N. 3. 47 f.: [er tötete Löwen] κάπρους τ’ ἔναιρε [sc. Achilleus]· σώματα δὲ παρὰ Κρονίδαν / Κένταυρον ἀσϑμαίνοντα κόμιζεν. Beide Protagonisten (Achilleus/Herakles) schleppen in ihrem jugendlichen Ungestüm lebendige und keuchende/zappelnde (ἀσϑμαίνοντα ~ ἀσπαίροντα) Tiere ([Löwen und]



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Eber) zur Höhle/Burg des Kroniden (Cheiron/Zeus). Die Löwen in der Pindar-Ode (V. 46) werden hier durch einen Stier/Bullen (V. 150) ersetzt, wiewohl auch diese Tiere V. 91 f. in anderem Zusammenhang auftauchen. Während Artemis und Athene den Großtaten des Achilleus Bewunderung zollen (V. 50: ἐϑάμβεον), lachen die olympischen Götter (V. 148 f.: γελόωσι) über die komische Beflissenheit des Herakles. Zu weiteren Allusionen auf diese Pindar-Stelle vgl. ad V. 91–93 und 103 (a) sowie Kapitel I 1, 13. 151 (b) ἀσπαίροντα  Zu ἀσπαίρειν von lebendig erbeuteten Tieren vgl. Hom. Γ 293, Μ 203; μ 254 f. (auch von Menschen im Erzählteil des Gleichnisses), τ 229, 231; Eur. Iph. A. 1587. μ 254 f. dürfte Kallimachos auch deshalb besonders vertraut gewesen sein, weil er statt der aristarcheischen Lesart εἴδατα (V. 252) die des Kallistratos δείλατα (Σ ad μ 252 [II 548 Dindorf]) übernahm (Ait. fr. 54c 17 Harder). Smiley 1914, 62–64, der auf die Kallistratos-Nachfolge hinweist, vermutet auch eine Auseinandersetzung mit der Scholienmeinung (ad Hom. Ν 571a [III 509 Erbse]): ἔστιν οὖν ἡ διαφορὰ ὅτι τὸ μὲν σπαίρειν καὶ ἀσπαίρειν ἄμουσόν τινα δηλοῖ κίνησιν, ὃ γίνεται ἐν ἰχϑύσι καὶ τῷ δεδεμένῳ κατὰ τὸν ποιητὴν βοΐ, τὸ δὲ σκαίρειν ἔμμουσον κίνησιν ὀρχηστικὴν καὶ εὔρυϑμον. Die Verwendung von ἀσπαίροντα sowie von σκαιρούσας (V. 100) sei dem hier angenommenen Bedeutungsunterschied gemäß. Aufgrund seines metrischen Charakters trägt dieses Schlusswort zu einer zusätzlichen Ilias-Allusion bei (vgl. ad V. 148 f.). Zur Formulierung ὀπισϑιδίοιο φέροι ποδός vgl. Hom. Κ 490: μετόπισϑε λαβὼν ποδός (Odysseus die Toten). Zum Anpacken am Bein vgl. ad V. 148 f., sowie Ail. var. 12. 22 (Bravourstück eines Athleten, der mit Herakles gleichgesetzt wird). Zu vergleichen ist auch die Schilderung des Helden bei Apollonios Rhodios (1. 126–129), der den erymanthischen Eber huckepack trägt. Stephens 2015a, 141 zieht auch Bilddarstellungen heran, die Herakles mit einer Tragelast auf dem Rücken zeigen (LIMC V 2 s. v. Herakles 2177 [kerynitische Hinde], 2111, 2147 [erymanthischer Eber], 1977 [nemeischer Löwe], IV 2, 1667, 1668, 1671 [Schemel, um Linos totzuschlagen]). 152 κερδαλέῳ μύϑῳ σε, ϑεή, μάλα τῷδε πινύσκει   Das Asyndeton ist bei Kallimachos gut belegt (in unserem Hymnos auch V. 50, 64 und 160). So sind die Bemühungen (Ernesti 1761, 123 und Meineke 1861, 168), es durch Konjektur [V. 151: φέρων] oder Annahme von Versausfall zu beseitigen, unnötig. Auch μάλα τῷδε πίνυσκει hat konjekturalen Eingriff erfahren (Aulin 1856, 76 Anm. 96: τῷδʼ ἐπίνυσκε; Kuiper 1896 I 86 f.: μαλακῷ τε πίνυσκει). Aber das praesens imperfectum ist ohne Tadel, da es ein sich wiederholendes Ereignis, das im Jetzt festgehalten wird, ausdrückt (anders V. 80: προσελέξαο). Die Partikel μάλα bezieht sich nicht auf κερδαλέῳ, zumal dies eine unmöglich verrenkte Wortfolge bewirkte (darin ist Kuiper zu-

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III. Kommentar

zustimmen), sondern auf τῷδε, was dem normalen präpositiven Gebrauch entspricht (postpositiv h. 1. 5 und 4. 231) und eine Allusion auf Hom. ζ 258 (ἀλλὰ μάλ’ ὧδ’ ἔρδειν· δοκέεις δέ μοι οὐκ ἀπινύσσειν) enthalten könnte (vgl. auch ε 342). Damit kommt zum Ausdruck, dass Herakles, der Artemis regelmäßig empfängt, zumeist mit dieser Rede die Göttin zu überzeugen trachtet. Zu κερδαλέῳ μύϑῳ vgl. Hom. ζ 148 (κερδαλέον φάτο μῦϑον), h. Merc. 162, 260, 463 (μύϑοισιν ἀμείβετο κερδαλέοισι). Zum Verb πινύσκει vgl. Aischyl. Pers. 830 (πίνυσκετʼ: Mahnungen an Xerxes), während Homer eine andere Form des Verbs kennt (Ξ 249: ἐπίνυσσεν in Bezug auf mahnende Erinnerung). Vgl. auch Herodian. π. παϑ. II 179. 2–5 Lentz. Dass Aristophanes von Byzanz ἀπινύσκων für Hom. Ο 10 ἀπινύσσων (vgl. Σ ad Hom. Ο 10gh [IV 7 Erbse]) las, beweist nur, dass es eine Form mit dem Formans -σκ- gab. Dass Kallimachos diese Konjektur gekannt und daraus πινύσκειν gebildet hätte, ist sehr unwahrscheinlich, zumal der Dichter die Form direkt Aischylos entlehnt haben dürfte. So Rengakos 1993, 46. Vgl. auch Kuiper 1896 I 87, der annimt, Kallimachos habe ἐπίνυσκεν im umstrittenen HomerVers Ξ 249 gelesen, und Bornmann 1968, 74 ad loc. Durch den Einsatz der aischyleischen Form wird eine im Rahmen der epischen Sprache unkonventionelle Einleitung zur direkten Rede erzielt. Vgl. McLennan 1974, 48 (mit Hinweis auf einen ähnlichen Fall in h. 6. 97 [καλιστρέων]). Zur Form ϑεή vgl. V. 119. Die von Grund auf humoristisch konzipierte Rede des Herakles entbehrt indes nicht eines ernsten Obertons, indem darin einige Motive der Königs­ enkomien durchschimmern. Vgl. Kapitel I 5, 64–67. Zur doppelbödigen Rhetorik der Rede des Herakles, der seine kleinlichen Ziele durch große Worte (‚es soll zum Wohl der Menschheit werden‘) zu tarnen versucht, vgl. Dornseiff 1936, 735. 153 βάλλε κακοὺς ἐπὶ ϑῆρας   Treffend schreibt Bornmann 1968, 74 ad loc. über den Gesamtsinn der Stelle: Ora che egli [Herakles] non può più aiutare gli uomini, essi dovranno invocare Artemide contro le fiere. Zu einer Form des Verbs βάλλειν am Versanfang vgl. Hom. Μ 155 (βάλλον). Das Verb ohne Akkusativ (entweder das Instrument oder das Ziel des Schusses/ Wurfes) oder Dativ (des Instruments) ist etwas selten (vgl. Thuk. 8. 75. 1 und Xen. Kyr. 1. 6. 29 [mit ἐπί + Acc.]). Vgl. Kuiper 1896 I 87 (dictio Attica). 153 f. ἵνα ϑνητοί σε βοηϑόν / ὡς ἐμὲ κικλήσκωσιν   Die Wendung βοηϑόν ... κικλήσκωσιν ruft V. 22 (καλέωσι βοηϑόον) ins Gedächtnis, wo Artemis bereits als Helferin der kreißenden Frauen erscheint. Herakles stellt aber Artemis einen universellen Ruhm (ϑνητοί) in Aussicht. Für die Unhaltbarkeit der handschriftlichen Lesart κικλήσκουσι vgl. Bornmann 1968, 75 ad loc. Zur Variation βοηϑόος (homerisch) ~ βοηϑός (ionische und attische Prosa) vgl. Schmitt 1970, 144 Anm. 36. Dion von Prusa legt Kaiser Trajan



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in seiner ersten Königsrede (or. 1. 84) das Beispiel des Herakles als eines βοηϑὸς καὶ φύλαξ der Menschheit ans Herz (vgl. Schulte 2001, 213). Dies ist auch deshalb beachtenswert, weil Herakles’ Mahnung bei Kallimachos als eine latente Herrscherparänese zu lesen ist (vgl. Kapitel I 5, 64–67), wozu auch der Begriff βοηϑός beiträgt. Nonnos scheint durch Herakles’ Rede beeinflusst zu sein, wenn er Hera die Göttin Artemis mahnen lässt, bei ihrem gewohnten Metier zu bleiben (36. 48–57). Somit wird der Zuspruch des Herakles in die Scheltrede der Hera gekehrt, indem Artemis statt der großen Beute (Löwenkampf) die unscheinbaren Tiere (Hasenjagd) anempfohlen werden. Vgl. De Stefani/Magnelli 2011, 561. 154 f. ἔα πρόκας ἠδὲ λαγωούς / οὔρεα βόσκεσϑαι  Zum Versschluss πρόκας ἠδὲ λαγωούς, der im nächsten Vers etwas abgewandelt wiederkehrt (Epiphora), vgl. Hom. ρ 295. Das Wort πρόκας kommt bei Apollonios Rhodios an derselben sedes (2. 279) vor und stellt eine unabhängige Variation des homerischen Vorbildes dar, in dem – ebenso wie bei Apollonios – Ziegen an erster Stelle erwähnt werden. Zu πρόξ (‚Reh‘) vgl. Nik. Ther. 578 und Alex. 324 (mit Hase im nächsten Vers). Das Wort, das Kallimachos außer im nachfolgenden Vers sonst h. 5. 92 (hier δόρξ gegenübergestellt) verwendet, wurde von Philetas (fr. 48 Spanoudakis ~ Etym. m. 689. 24–26 ~ Σ ad Apoll. Rhod. 2. 279a [p. 148 Wendel]) als eine synkopierte Form von πρωτοτόκος (sc. ἔλαφος) ausgelegt, was auf eine Verwendung des phileteischen Werks Ἄτακτοι γλῶσσαι und eine Korrektur seiner Ansicht durch den Schüler Kallimachos (‚Reh‘ statt ‚Hirsch‘) hindeuten könnte. Vgl. auch Spanoudakis 2002, 373 f. ad Philet. fr. 48 sowie ad V. 97. Anders Rengakos 1992, 28 (Identifikation mit ἔλαφος). Eine andere antike Ansicht (Σ ad Nik. Ther. 578a [p. 220 Crugnola]) verband das Tier mit δορκάς (Gazelle) als deren Junges. Σ ad Hom. ρ 295 (II 644 Dindorf) bündelt beide Identifikationen. Keller 1887, 77 f. setzt πρόξ mit dem Damhirsch, δόρξ mit dem Reh gleich. Siehe auch Gossen 1914, 512. Zum Medium βόσκεσϑαι vgl. Bornmann 1968, 75 ad loc. (mit Hom. h. Merc. 27 und 72). Vgl. auch Kall. h. 2. 52 (auf Ziegen bezogen). 155 f. τί δέ κεν πρόκες ἠδὲ λαγωοί / ῥέξειαν;   Zur Satzstruktur vgl. Hom. Τ 90: ἀλλὰ τί κεν ῥέξαιμι und δ 649: τί κεν ῥέξειε καὶ ἄλλος. Siehe auch Kall. Ait. fr. 110. 47: τί πλόκαμοι ῥέξωμεν. Die Abfolge τί δέ κε(ν) bezeugt auch Apoll. Rhod. 3. 265. Zu φυτά = ‚Garten‘ vgl. Ernesti 1761, 123, Kuiper 1896 I 87 (mit Verweis auf Hom. ι 108) und Stephens 2015a, 142. 156 σύες ἔργα, σύες φυτὰ λυμαίνονται   Bei der Schilderung der Zerstörung der Saat durch Säue lässt der Dichter Herakles einige Motive verwenden, die beschreiben, wie der kalydonische Eber sein Unwesen im Baumgar-

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III. Kommentar

ten treibt (Hom. Ι 539–542), wobei insbesondere homerisches κακὰ πόλλ᾽ (V. 540) und kallimacheisches κακὸν μέγα (V. 157) zusammenklingen. Vgl. Ambühl 2005, 288 mit Anm. 278. Zu ἔργα vgl. Hdt. 1. 36 (über den mysischen Keiler) sowie V. 125. Der Vers verbindet ein ionisches (ἔργα) mit einem attischen (λυμαίνονται = διαφϑείρονται) Wort. Vgl. allerdings Hom. ρ 220 und 377 (δαιτῶν ἀπολυμαντῆρα/-ες = ‚Schänder von Mählern‘) mit Kuiper 1896 I 87. Zum κοινή-Vorkommen des Wortes vgl. Psalm. 79. 13. Der Epiphora (πρόκας ἠδὲ λαγωούς – πρόκες ἠδὲ λαγωοί) hält die Anapher (σύες ... σύες) die Waage. 157 καὶ βόες ἀνϑρώποισι κακὸν μέγα∙ βάλλ᾽ ἐπὶ καὶ τούς   Jäh durchzuckt Herakles der Gedanke an eine noch größere Gefahr: die der reißenden Ochsen. Der Ausdruck dieser vorgetäuschten Spontaneität ist das Asyndeton. Das wahre, egoistische Anliegen des Herakles, das er durch altruistisches Gehabe und die vorgebliche Jagdsitte, nur das Größte zu erjagen, zu verbergen sucht, kommt dadurch zum Vorschein, dass er die zahmen Ochsen, die gar keine ideale Jagdbeute abgeben, zu den höchst schädlichen Tieren rechnet. Vgl. Wilamowitz 1924 II 57, Herter 1929, 101, DeForest 1994, 31 und Ambühl 2005, 292. Vulcanius bei Ernesti 1761, 124 wollte die βόες für ταῦροι (vgl. V. 150), Meineke 1861, 169 und Haupt 1876 II 145 für tauros silvestres (bonasus = Wisent) ausgeben, weil sie die Verdrehung der Wahrheit durch Herakles als Humorquelle verkannten. Aus demselben Unverständnis für den Humor stammen willkürliche Textänderungen für das „problematische“ Wort βόες (ϑῶες ϑνητοῖσι [Boissonade] und λίες [versuchsweise erwogen] bei Haupt 1876 II 144 verzeichnet). Köhnken 1965, 55 weist hinsichtlich dieser Begründung auf den verlogenen Vorwand des Herakles hin, die Dryoper wegen ihrer Ungebühr zu töten (Apoll. Rhod. 1. 1219). Kallimachos habe die Herakles-Mahnrede so angelegt, dass ihr Schluss mit den βόες auf die alsbald nachfolgende Theiodamas-Geschichte (V. 159–161), in der Herakles als Rinderfresser (βουϑοίνας) auftritt, vorausweist. Vgl. Pfeiffer 1922, 100 Anm. 1. In diesem Fall müssen die βόες Ochsen sein. Zur richtigen Ansicht vgl. Bornmann 1968, 76 ad loc. Etwas überzogen scheint mir DeForests (1994, 32) metapoetische Interpretation der Stelle: Kallimachos wetze seine Zunge an der mit großen Themen sich befassenden Dichtung, indem er über den gefräßigen Herakles spotte, dem große Tiere über alles gehen (βόες = große Tiere = epische Dichtung = großes Übel). Zum Akt des Fressens als eines metaphorischen Ausdrucks der „entarteten“ epischen Dichtung vgl. die Interpretation des Demeter-Hymnos bei Müller 1987 passim. Eine allegorische Lesart der Stelle ist jedoch durch keinen Texthinweis indiziert. Denn die Allusion auf fr. 465: τὸ μέγα βιβλίον ἴσον ... τῷ μεγάλῳ κακῷ ist unsicher, zumal die



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Wendung κακὸν μέγα unspezifisch ist (Ο 134 und ι 423) und dadurch Herakles, der hier selber ein Symbol der großen Dichtung ist, ein abschätziges Urteil über dieselbe in den Mund gelegt wäre. Zu einer ähnlichen Formulierung vgl. Anth. Pal. 9. 373. 7: καρπῶν δηλητῆρας ἑλεῖν ϑέμις, ὄλλυτ’ ἐκείνους (Bitte der Zikaden um Verschonung durch Hirten). Zu βάλλω+ἐπί vgl. ad V. 153. Zum Versschluss καὶ τούς vgl. Hom. Τ 96: ἀλλ᾽ ἄρα καὶ τόν (hier kein Satzende). Zu Präposition+ καὶ +Nomen vgl. Pind. O. 2. 28 und P. 4. 186 sowie Denniston 19542, 326. Herakles’ Rede wird abgerundet, indem der Ausdruck vom Anfang (V. 153: βάλλε κακοὺς ἐπὶ ϑῆρας) abgewandelt zurückkehrt (βάλλ᾽ ἐπὶ καὶ τούς). 158 ὣς ἔνεπεν, ταχινὸς δὲ μέγαν περὶ ϑῆρα πονεῖτο   Der Wechsel zur Vergangenheitsform (praet. imp. ἔνεπεν, πονεῖτο) ist zwar unerwartet, aber nicht unmotiviert. Das Verb ἔνεπεν bezieht sich auf die bereits zu Ende gegangene Rede des Herakles (‚so sprach er...‘), mit πονεῖτο wird der Anfang eines anderen Aktes ausgedrückt, der an das erstere Vergangenheitsereignis anschließt. Giangrande 1967a, 95 und 1971, 356 tut sich mit den Präteri­ tumsformen schwer und hält zwei Konjekturen (ἐνέπει und πονεῖται) für angezeigt. Seine Bedenken sind aber, wie auch Bornmann 1968, 76 zeigt, unbegründet. Giangrande 1967a, 96 vergleicht treffend Hom. Ω 444: οἳ δὲ νέον περὶ δόρπα φυλακτῆρες πονέοντο (zu φυλακτῆρες vgl. Herakles als Türsteher, V. 147, in beiden Fällen ein reichhaltiges Diner), was aber eher für das Präteritum πονεῖτο (auch Hom. Ι 12 am Versende) als Variation der Vorlage spricht als für das Praesens πονεῖται. Zum Verb am Hexameterende (im kulinarischen Kontext) vgl. auch Theokr. 15. 115 (πονέονται). Die überlieferte Verbform ἔνεπεν ist eine metrische Variante für ἔννεπε. Vgl. Apoll. Rhod. 1. 26, 2. 905, 4. 985; Euphor. fr. 34. 2 (p. 37 CA); Nik. Ther. 10 (Indikative des praesens imperfectum) sowie Kall. fr. Hec. 69. 7 Hollis (ἐ̣ν̣έποι). Kallimachos’ Vorlage dürfte Pind. N. 1. 69: ἔνεπεν (Prophezeiung des Teiresias über Herakles) gewesen sein (Giangrande 1967a, 95 plädiert anhand einer anderen pindarischen Stelle [N. 3. 75] für die Emendation ἐνέπει). Demgegenüber weist ἔννεπες (V. 86) die bei Homer (Θ 412) übliche metrische Längung auf. Der Grundbegriff πόνος, der vorzüglich zu den herakleischen ἆϑλοι passte (vgl. Hes. fr. 248, 249 M–W, Eur. Herc. 22, 1192, Soph. Phil. 1419), wird hier ironischerweise in den Bereich der Gastronomie herabgestuft (vgl. Ambühl 2005, 292 Anm. 295). Für πονεῖσϑαι ums Essen bei Homer vgl. die von Bornmann 1968, 77 ad loc. angeführten Parallelen. Es trägt ebenfalls zum Humor bei, dass der Stier oder das Wildschwein, die Herakles auf seiner irdischen Laufbahn viel zu schaffen machten, auf dem Olymp zum Braten bestimmt sind. Vgl. McKay 1963, 245.

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III. Kommentar

Zum unhomerischen ταχινός vgl. Kall. h. 1. 56, 4. 95, 114; Theokr. 2. 7; Apoll. Rhod. 2. 1044. Aufgrund des regen Vorkommens des Wortes in der Septuaginta scheint seine Zugehörigkeit zur Koine anzunehmen zu sein. 159–161 οὐ γὰρ — Θειοδάμαντι   Auf eine typisch kallimacheische Weise werden hier die beiden Momente ‚Gottwerdung‘ und ‚Gefrässigkeit‘ jeweils durch einen konkreten mythologischen Hinweis angedeutet (‚Scheiterhaufen‘ und ‚Wolfshunger anlässlich der Begegnung mit Theiodamas‘). Die beiden Ereignisse haben den Ort (Trachis), wo sie spielen, gemeinsam. Darin liegt der Humor der Formulierung beschlossen: Die Flammen des Scheiterhaufens (ὑπὸ δρυΐ; vgl. Soph. Trach. 1195), die Herakles seiner Körperlichkeit enthoben und ihn zum Gott verwandelt haben (ϑεωϑείς), konnten seinem verrufenen Magen (νηδὺς ἐκείνη) nichts anhaben, der ihn paradoxerweise auch auf den Olymp begleitet. Zum Wunder der „Transsubstanziation“ des Helden, auf die Kallimachos parodistisch anspielt, vgl. Hom. λ 601–603 (Tod und Weiterleben des Herakles), eine Stelle, die Kallimachos – nicht zuletzt wegen der sie umrankenden Echtheitsfrage – insbesondere vertraut gewesen sein mag. Zum Sonder- und Schwebestatus des Herakles zwischen Mensch, Heros (Pind. N. 3. 22), Gott vgl. Galinsky 1972, 5. Zum Wandel des Heraklesbildes vgl. auch DeForest 1994, 30. Kerkhecker 1993, 15 f. vergleicht auch die vermenschlichte Herakles-Darstellung der Victoria Berenices (Ait. fr. 54i 17 Harder: ϑυμὸν ἀρε[σσάμενος [Herakles vor dem Abschied von Molorkos]), den Ochsenfresser des Sacrificium Lindium (Ait. fr. 22­­–23) sowie das Zeugnis bei Athenaios (10. 1, 411A–C) und Propertius (4. 9. 31 f.: Durst des Helden). Zu seinem großen Appetit siehe auch Theokr. 24. 137 f. sowie Apoll. Rhod. 4. 1448 f.: βαϑεῖαν / νηδύν (der durstende Herakles bei den Hesperiden) mit Hutchinson 1988, 138 und dem ähnlichen Ausdruck im Artemis-Hymnos (V. 160: νηδὺς ἐκείνη). Der Primat der Schilderung des schlemmenden Herakles gebührt aber wahrscheinlich Hesiod (Κήυκος γάμος). Vgl. Galinsky 1972, 16 f. Nach Merkelbach–West 1965, 304 f. dürfte auch die Theiodamas-Geschichte in diesem Werk erzählt worden sein. Zum Einfluss des Herakles-Bildes der Komödie, die meistens einen gefräßigen „Helden“ zeichnet, vgl. Galinsky 1972, 81–100, Effe 1980, 160 f. und Ambühl 2004, 29 f. An den γάρ-Satz, der die Geschäftigkeit des Herakles durch seine nicht zu bezähmende Essgier erklärt, wird eine Episode aus der Vergangenheit des Helden asyndetisch angeschlossen, die seine Gefräßigkeit exemplarisch belegt. Diese Geschichte wird mit zwei Reimworten (ἀροτριόωντι ... Θειοδάμαντι) umrissen (zu Binnenreimen vgl. ad V. 24 f.), die dem kultivierten Leser den von Herakles aufgefressenen Ochsen des Dryoperkönigs in Erinnerung rufen und zugleich die länger ausgeführte Version im ersten



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Aitien-Buch (fr. 24) evozieren sollen, in der Herakles nicht so sehr seiner Essgier frönt und sich am Zugtier des Dryopers schadlos hält, als vielmehr die Not seines darbenden Sohns zu lindern trachtet, während sich Theiodamas als ein dickfellig-barscher Grobian gebärdet (V. 13). Diese positive Darstellung wird durch den gefräßigen Helden des Hymnos relativiert, wobei allfällige moralische Legitimationsgründe des Verzehrs des Tiers ausgeklammert werden und die Theiodamas-Gestalt neutral erscheint. Vgl. Pfeiffer 1922, 99 f., Köhnken 1965, 52, Ambühl 2005, 293 und Harder 2012 II 915 ad fr. 119. 2 f. Zu diesem Selbstzitat und seiner Rolle in der relativen Chronologie vgl. Kapitel I 4, 47. Auf die kallimacheische Theiodamas-Erzählung (Ait. fr. 24) habe nach Cameron 1995, 250 und 429–431 auch Apollonios Rhodios (1. 1211–1220) angespielt, wobei er sie verkürzt und die Motivation des Herakles (Bestrafung der Hybris der Dryoper) verändert habe. Köhnken 1965, 53–55 führt den Nachweis, dass Apollonios alle kallimacheischen Versionen der Geschichte berücksichtigt und einen Herakles entworfen hat, der unter dem werkheiligen Vorwand der pax Herculea egoistisch und aggressiv einschreitet und Theiodamas, der sich hier in einem ebenso bemitleidenswerten Zustand befindet (V. 1216 [Text umstritten]) wie Hyllos in Ait. fr. 24, den Garaus macht (anders, aber wenig überzeugend Ardizzoni 1935, 467 und Hutchinson 1988, 137 f. mit Anm. 91). Barigazzi 1976, 236 nimmt an, auf das eher komisch-gefräßige Herakles-Bild des dritten Hymnos sei das altruistische im ersten Aitien-Buch als Veredelung der Herakles-Gestalt gefolgt. Aber ein derartiger teleologischer Läuterungsprozess des Charakters ist unwahrscheinlich, zumal unmittelbar neben der Theiodamas-Episode in den Aitien die Begegnung mit dem lindischen Bauern als Dublette steht (fr. 23), die vom zügellos gefräßigen Herakles handelt (vgl. Harder 2012 I 6 und Acosta-Hughes/Stephens 2012, 174 f.). Obendrein muss bei der Prioritätsfrage das Verhältnis einer ausführlichen Darstellung (frühere Version) zur beiläufigen Erwähnung (spätere Version) berücksichtigt werden. Zur Figur des Theiodamas vgl. Apollod. 2. 153, Philostr. imag. 2. 24 (hier wird er mit dem Bauern von Lindos [fr. 23] in eins gesetzt), Anth. Plan. 101 und [Ov.] Ib. 488 (inhumanum Thiodamanta – eine Kall. Ait. fr. 24. 5–7 und 13 verhaftete Charakterisierung). Die Stellung des Theiodamas als des Königs der Dryoper geht weder aus Kallimachos (pace Σ ad 161 = Pfeiffer 1953 II 63: βασιλεὺς Δρυόπων) noch aus Apollonios hervor, und bei Apollodoros (2. 155) nimmt ein Laogoras diesen Platz ein. Vgl. Köhnken 1965, 55. Acosta-Hughes/Stephens 2012, 137 sehen in der Szene einen Vorverweis auf das Thema der Gefräßigkeit im Demeter-Hymnos (Kall. h. 6). 159 f. οὐ γὰρ ὅγε ... γυῖα ϑεωϑείς / παύσατ᾽ ἀδηφαγίης   Für οὐ γὰρ ὅγε vgl. Hom. N 8. Der accusativus respectivus γυῖα für den ganzen Körper ist

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III. Kommentar

ein offenkundiger Homerismus. Vgl. z.B. auch Pind. N. 8. 38 und 11. 46. Das Simplex ϑεω(ϑείς) für das Kompositum mit dem Präfix ἀπό- ist vor Kallimachos nicht im Gebrauch und auch später selten. Vgl. Bredau 1892, 40. Zur ἀδηφαγίη (‚Völlerei‘: erstes Glied ἄδην ‚satt‘) vgl. Aristot. fr. 42. 11 (III 278 Gigon) (Plural), später auch Opp. hal. 2. 218 und das Adjektiv ἀδηφάγος (Soph. Phil. 313 [metaphorisch in Bezug auf das Geschwür]). Schmitt 1970, 35 Anm. 4 konjiziert eine Verbreitung von ἀδηφάγ- in der komischen Sprache. Angesichts der Tatsache, dass Herakles als Vorfahre der makedonischptolemäischen Dynastie betrachtet wurde, und des Hinweises auf seine Vergöttlichung (ϑεωϑείς) ist eine politische Lesart der Stelle möglich (Vergöttlichung des Dynastiegründers Ptolemaios I. Soter). Vgl. McKay 1963, 245. Die humoristische Darstellung des Helden und seine Apotheose legen eine zwischen Ironie und Ernst schillernde Perspektive nahe, die ihresgleichen in Theokr. 17. 17–33 hat (vgl. Kapitel I 5, 65 f.). 159 Φρυγίῃ περ ὑπὸ δρυῒ   Für unnötiges Herumkonjizieren hinsichtlich der Wendung Φρυγίῃ περ ὑπὸ δρυῒ vgl. Haupt 1876 II 144. Dem Wort ‚Eiche‘ wird kein geläufiges Attribut (wie etwa ‚von Oita‘), sondern das höchst rätselhafte Φρύγιος zugeordnet. Das Adjektiv Φρύγιος könnte problemlos als ‚phrygisch‘ erklärt werden, wenn irgendeine Verbindung zwischen Phrygien und Thessalien (genauer dem Oita-Gebirge) dingfest gemacht werden könnte. Das ist aber nicht der Fall. Die Scholien zur Stelle leiten das Attribut vom Grundwort Φρυγία her, einem Berg in Trachis, d.h. im Gebiet von Herakles’ Tod auf dem Scheiterhaufen (Σ ad h. 3. 159 [Pfeiffer 1953 II 63]: Φρυγία ὄρος Τραχῖνος, ἔνϑα ἐκάη ὁ Ἡρακλῆς). Dies würde der allgemeinen Tendenz des Dichters entsprechen, weniger Bekanntes (hier geographisch Abstruses) an Stelle des Bekannten zu setzen. Weitere Gewährsleute der spätantiken und byzantinischen Zeit wissen zudem zu berichten, dass Φρῠγία mit dem Verbstamm φρῡγ- (‚rösten‘,‚dörren‘) zusammenhänge, was auf den Flammentod des thebanischen Helden hindeute: Steph. Byz. 673. 5 f. s. v. Φρυγία (V 54. 108 Billerbeck–NeumannHartmann): ἔστι καὶ Φρυγία τόπος τῆς Οἴτης ἀπὸ τοῦ ἐκεῖ πεφρύχϑαι τὸν Ἡρακλέα und – wohl von ihm abhängig – Eust. ad Dion. Per. 809 (Geogr. Gr. Min. II 359 Müller): ἔστι δέ … Φρυγία καί τις τόπος Εὐρωπαῖος περὶ τὴν Οἴτην τὸ τῆς Τραχῖνος ὄρος, οὕτω κληϑεῖσα παρὰ τὸ ἐκεῖ πεφρύχϑαι τὸν Ἡρακλέα καυϑέντα. Bornmann 1968, 77 ad loc. wendet allerdings zu Recht ein, dass diese Bemerkung wohl auf die vorliegende KallimachosStelle zurückgeht, da φρύγειν kein Allerweltswort für den Sachverhalt des Verbrannt-Werdens darstellt. Es ist schwer vorstellbar, dass es ein von Kallimachos unabhängiges Zeugnis gegeben hat, das Herakles’ Tod ebenfalls



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mit Φρυγία und φρύγειν in Zusammenhang brachte. Diese Erkenntnis ist aber dazu angetan, auch die Grundannahme eines anderweitig nicht belegten thessalischen Toponyms Φρυγία zu diskreditieren. Es liegt also nahe, dass die Φρυγία-These ein Stegreifinterpretament (αὐτοσχεδίασμα) wohl antiker Herkunft ist, dazu geeignet, dem Widerspruch der ‚phrygischen Eiche‘ (des thessalischen Oita-Bergs) aus dem Wege zu gehen. Damit sind wir zur Interpretation von Φρύγιος als ‚phrygisch‘ zurückgeführt und müssen Unkenntnis üben hinsichtlich der Frage, durch welch ausgefallene mythographische Eskapade Kallimachos die Eichen Thessaliens mit dem kleinasiatischen Troja-Gebiet vermählen konnte. Wir wollen nur daran erinnern, dass überraschende Mythos-Kombinationen dem Dichter nicht weniger am Herzen liegen, als seltene Toponyme. Ein ähnliches, zwei entfernte Gebiete überbrückendes Mythologem ist die unterseeische und wohl auch unterirdische Verbindung von delischem Inopos und ägyptischem Nil (h. 4. 206–208; vgl. auch h. 3. 171) und die Person des Proteus, der durch einen von seinem Vater Poseidon geschaffenen unterseeischen Graben von Pallene in Thrakien zur Pharos-Insel in Ägypten flüchtete (Ait. fr. 54. 5 Harder: ‚der pallenische Prophet in Ägypten‘; vgl. Lykophr. 115–127 mit Σ ad loc. [II 59–62 Scheer]). Vgl. Stephens 2002, 246 f. und 258 f. Eine mögliche Verknüpfung zwischen Phrygien und Thessalien liegt in der Fahrt der Argonauten, die von Thessalien aus in See stachen und dahin zurückgekehrt sind, mittlerweile aber auch in Phrygien Anker geworfen hatten (Hylas-Episode, von Apollonios Rhodios [1. 1177 f.] in Kios, von Properz [1. 20] in Ascania lokalisiert). Ob Kallimachos, der sich im ersten Aitienbuch intensiv mit der Argonautensage auseinandersetzte (Ait. fr. 7c–21d Harder), diesen Bezug verwertete, muss dahingestellt bleiben. Ist es aber ein Zufall, dass er V. 160 f. die Theiodamas-Episode heranzieht, die zur Präzedenz der HylasGeschichte gehört (Apoll. Rhod. 1. 1211–1219)? Wenn jedoch Stephanos von Byzanz (oder eher seine Vorlage) von der Verbindung des Namens Φρυγία mit dem Verb φρύγειν ausging und dabei – wie es wahrscheinlich ist – die Kallimachos-Stelle interpretierte, so könnte er einen fiktiven Ort in die Welt gesetzt haben, doch hat er mit feinem Gespür die poetische Etymologie im Text des Dichters entdeckt. Dieselbe bleibt – weil in der Tiefenstruktur verwurzelt – auch dann bestehen, wenn wir Φρύγιος an der Oberfläche als ‚phrygisch‘ auslegen. Selbstverständlich geht es nicht an, statt des Eigennamens ein von dem Verb φρύγειν abgeleitetes Apellativum φρυγίῃ zu schreiben, obwohl dies ohne Veränderung der Paradosis möglich wäre. Kallimachos der Grammatiker wird unmöglich die metrische Akribie (φρῠγ- im Attribut vs. φρῡγ- im Verb) einer auch noch so geistreichen Etymologie aufgeopfert haben. Mit Φρύγιος besteht das Problem nicht, denn in diesem Fall ist die Kürze richtig, und erst sekundär kann das Wort mit dem Stamm des Verbs in Zusammenhang gebracht werden.

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III. Kommentar

Dementsprechend wären die phrygischen Eichenscheiter auch ‚trocken‘, eine Eigenschaft, die zu δρῦς vorzüglich passt, auch wenn in diesem ornamentalen Epithet keine besondere Pointe zu liegen scheint, die den etymologischen Aufwand rechtfertigen würde. Zunächst einmal lautet aber die Frage: Kann aufgrund des KallimachosTextes bewiesen werden, dass eine etymologische Anspielung auf das Verb φρύγειν in der Tat vorliegt? Erst dann können wir uns über die Rolle des ἔτυμον-Spiels Gedanken machen. Nun scheint Kallimachos im ApollonHymnos dasselbe Wort Φρύγιος (‚phrygisch‘) mit demselben Konnotationsfeld verwendet zu haben: καὶ μὲν ὁ δακρυόεις ἀναβάλλεται ἄλγεα πέτρος, ὅστις ἐνὶ Φρυγίῃ διερὸς λίϑος ἐστήρικται, μάρμαρον ἀντὶ γυναικὸς ὀϊζυρόν τι χανούσης. (h. 2. 22–24) Hier wird das etymologische Spiel durch das benachbarte Wort διερός expliziert (Williams 1978, 33 ad loc.). Dieses ist ein homerisches δὶς λεγόμενον (Hom. ζ 201 und ι 43), dessen Bedeutung bereits in der Antike umstritten war (Rengakos 1992, 26 und Barth 1984, 226–230). Es wurde einerseits als Synomym von ὑγρός (‚nass‘) aufgefasst, andererseits als ζῶν (‚lebendig‘) erklärt – letztere Ansicht fand später in Aristarch ihren namhaftesten Vertreter (Σ ad Hom. ζ 201 [I 311 Dindorf]; dagegen Lehrs 1833, 56–61). Kallimachos hat anscheinend durch die Verwendung von διερός in seinem Hymnos eine vermittelnde Stellung bezogen, indem er dem Wort beide Bedeutungen zuschrieb und sie dadurch harmonisierte: Die in einen Felsen verwandelte Niobe ist sowohl ein ‚lebender Stein‘– ein Paradoxon, das dem auf ϑαυμάσια erpichten Dichter besonders behagt haben mag – als auch ein ‚nasser Stein‘. Diese Amphibolie drückt sich im pointierten Nebeneinander der Wörter aus: Dem Stein-Sein (λίϑος) widerspricht das Attribut διερός ~ ζῶν, dem Begriff der Nässe (διερός ~ ὑγρός) der der Trockenheit (Φρυγίῃ). Wenn die Bedeutung διερός = ὑγρός zugelassen wird, springt einem auch das etymologische Spiel mit Φρυγίῃ ~ φρῡγ- (‚dürr‘) ins Auge. Der Stein ist aber nicht nur deshalb nass, weil er von den Tränen der leidenden Frau benetzt wird (δακρυόεις ~ διερός), sondern auch, weil er lebendig ist. Die Tränen sind zugleich das Zeichen der Lebendigkeit Niobes. Kallimachos stellt also die beiden Interpretationen von διερός nicht unverbunden nebeneinander, sondern erzielt ein Ineinander der beiden Konzepte, indem er die Nässe als Merkmal des Lebendigen, die Trockenheit aber als Wesenszug des Toten interpretiert (vgl.Williams 1978, 34 ad loc., Onians 1954, 254–256 und Lloyd 1964, 101). Diese Auffassung wird bereits von Heraklit vertreten (Herakl. fr. 77 und 118 D–K), die antike Philologie thematisiert sie aber gerade in Bezug auf διερός bei Homer (Σ ad Hom. ζ 201 [I 311 Dindorf], Hesych. 2986 s. v. ἀλίβαντες [I 105 Latte]), in einem Zusam-



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menhang also, der Kallimachos wohlvertraut gewesen sein dürfte. Moderne etymologische Forschung ist auch der Ansicht, dass διερός keine Homonymie darstelle, sondern von einem einzigen Stamm gebildet sei, der über die Semantik der Beweglichkeit sowohl Fließend-Nasses als auch Lebendiges bezeichne (Ramat 1962, 26–31 und Chantraine 1968 I 281 s. v. διερός). Die Paradoxie der Niobe-Verwandlung liefe dementsprechend darauf hinaus, dass der trockene Stein (Φρυγίῃ ~ φρῡγ-), der den Inbegriff des Totseins symbolisiert, sich trotzdem als διερός, also als nass und lebendig, erweist. Diese Deutung des Niobe-Bildes des Apollon-Hymnos lässt nicht nur die Anspielung auf φρύγειν im Artemis-Hymnos (V. 159) durch dieselbe Flexionsform desselben Wortes (Φρυγίῃ) in derselben metrischen sedes über jeden Zweifel erhaben erscheinen, sondern hilft auch bei der Interpretation der Rolle dieses Kunstgriffs weiter. Innerhalb der Struktur des Gegensatzes entspricht dem Stein-Zustand der Niobe der diesseits verbrannte (Φρυγίῃ ὑπὸ δρυΐ), jenseits vergöttlichte Herakles (γυῖα ϑεωϑείς). Mit der Lebendigkeit der tragischen Frauengestalt korreliert die unentwegte Gefrässigkeit des Helden. Wie der Stein-Tod impliziert auch der Flammentod des Herakles eine extreme Trockenheit. Man denke nur an die homerische Vorstellung der substanzlosen εἴδωλα der Unterwelt: Kallimachos dürfte sich insbesondere auf λ 601–603 bezogen haben, wo Herakles als εἴδωλον vor den Augen des Odysseus erscheint, während sein wahres Selbst am Gelage der Götter teilhat (V. 602: εἴδωλον in Enjambement, im Gegensatz zu αὐτός). Vgl. Kuiper 1896 I 86 (Stellungsnahme gegen Aristarchs Athetierungsversuch) sowie Galinsky 1972, 12 und 22 Anm. 8. In beiden Fällen wird diese Trockenheit durch das etymologische Spiel ‚Φρυγίῃ ~ φρῡγ-‘ artikuliert. So bedeutet das Attribut in der Formulierung Φρυγίῃ ὑπὸ δρυΐ auf der Ebene der poetischen Etymologie nicht nur ‚trocken‘, sondern auch kausativ ‚austrocknend‘, was die Verwendung der Präposition ὑπό erklärt: Es handelt sich um einen dativus causae oder instrumenti, d.h. um die ausmergelnd-vernichtende Wirkung der Flammen, die den Helden verblüffenderweise nicht zu einem εἴδωλον, sondern zu einem Gott verklären. Vgl. Schneider 1870, 231, Kortz 1902, 39 und Cahen 1930, 127 ad loc. Die Partikel περ hebt das diese Wirkung suggerierende Wort Φρυγίῃ hervor. Anders Kern 1897, 162 (im Zusammenhang des Baumkults) und kürzlich Stephens 2015b, 142 (under the Phrygian oak als Ortsbestimmung des Scheiterhaufens des Herakles). Das krasseste Paradoxon besteht allerdings darin, dass Herakles auch als Gott οὐ … / παύσατ᾽ ἀδηφαγίης (V. 159 f.). Hierin kann also wieder ein Berührungspunkt mit Niobes Schicksal gesehen werden. Wie die Frau nicht aufhört zu weinen, so hört auch der Held nicht auf zu fressen. Wie sich das Leben der Niobe in ihren Tränen äußert, so auch das des unbändigen Herakles in seinen „Lebenssäften“, die das brennende Feuerholz nicht auszuzehren vermochte.

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III. Kommentar

Es ist für den kallimacheischen Humor bezeichnend, dass aus der pathetischen Szene eine burleske geschaffen wird (oder umgekehrt), indem auch die im Grunde ernste philosophische Konzeption der Symbolik von Nass und Trockenheit eine Travestie erfährt. Wenn schließlich die Komposition des Hymnenbuchs auf Kallimachos zurückgeht (so unter anderen Cameron 1995, 255), dann wird es seine Absicht gewesen sein, mit dem ArtemisHymnos – unabhängig von der Entstehungschronologie und der anvisierten kontinuierlichen Leseerfahrung entsprechend – auf den unmittelbaren Vorgängerhymnos anzuspielen. 160 f. νηδὺς ... / τῇ ποτ᾽ ἀροτριόωντι συνήντετο Θειοδάμαντι   Zur mythischen Episode der Begegnung mit Theiodamas vgl. ad V. 159–161. Zur Kürze νηδς vgl. Schneider 1873 II 232 mit Belegen. Bei Apollonios hallen die Ausdrücke ἀροτριόωντι (~ 1. 1215 f.: νειοῖο γύας τέμνεσκεν ἀρότρῳ / Θειοδάμας) und συνήντετο (~ 1. 1214: ἀντιόωντα [Theiodamas]) nach. Vgl. Köhnken 1965, 53. Das Verb ἀροτριάω ist ein kallimacheisches Hapax für ἀρόω. Die metrische Stelle von συνήντετο ist traditionell homerisch (Φ 34; δ 367, φ 31). 160 νηδὺς ἐκείνη   Der Gegensatz von ‚trockenem Tod‘ vs. ‚nassem Leben‘ schärft unsern Blick für den zentralen Begriff νηδύς (V. 160), der gleichsam ein Inbegriff des unverwüstlichen Wesens des thebanischen Helden ist. Nichts ist näherliegend als angesichts des unersättlichen Magens des Herakles an einen unergründlichen „Unter-schlupf“ (νη-δύς) zu denken, in dem alles zugrunde geht. Wenn Kallimachos νηδύς tatsächlich von νη- (‚nieder‘) und -δύς (‚schlüpfen‘) abgeleitet wissen wollte, dann trifft er sich kongenial mit modernen Etymologisierungsversuchen. Boisacq 1916, 668 s. v. leitet νηδύς aus νη- (‚dessous‘) und -δυ (δύομαι, δύσις) her, während Frisk 1970 II 297 s. v. νειός die gleichbedeutende νείαιρα (s. unten) mit νειός (‚Ackerland‘,‚Niederung‘) verbindet. Auf diese Ableitung von νηδύς dürfte auch die antike Erklärung des homerischen Attributs νήδυμος eingewirkt haben, das mit δύ(ν)ω (Gewährsmann Aristarchos) und über die Eigenschaft von βαϑύς mit νηδύς verknüpft wurde (Σ ad Hom. Β 2c1. 26–28 [I 176 Erbse]). Die Assoziation wird durch ein Fragment der Aitia bestätigt: καὶ γὰρ ἐγὼ τὰ μὲν ὅσσα καρήατι τῆμος ἔδωκα ξανϑὰ σὺν εὐόδμοις ἁβρὰ λίπη στεφάνοις, ἄπνοα πάντ᾽ ἐγένοντο παρὰ χρέος, ὅσσα τ᾽ ὀδόντων ἔνδοϑι νείαιράν τ᾽ εἰς ἀχάριστον ἔδυ, καὶ τῶν οὐδὲν ἔμεινεν ἐς αὔριον· ὅσσα δ᾽ ἀκουαῖς εἰσεϑέμην, ἔτι μοι μοῦνα πάρεστι τάδε.

(Ait. fr. 43. 12–17)



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Der Kontext ist zweifelsohne die Beschreibung eines Symposions, bei dem die geistigen Genüsse dem leiblichen Wohl vorgezogen werden. Durch die ablehnende Erwähnung des ‚undankbaren Wanstes‘ (V. 15: νείαιράν τ᾽ εἰς ἀχάριστον ἔδυ) spielt Kallimachos nicht nur auf h. 6. 90 (Erysichthons unersättlicher Hunger) an, sondern auch auf Hes. theog. 26 (ποιμένες ἄγραυλοι, κάκʼ ἐλέγχεα, γαστέρες οἶον). Da hier die Musen scharfe Anwürfe gegen die ‚Bauchmenschen‘ richten, setzt sich der allusive Kallimachos von dieser Menschenart ab und schließt sich den Musen an. Zum archetypischen Gegensatz ‚Bauch‘ vs. ‚Ohren‘, ‚Materie‘ vs. ‚Intellekt‘ vgl. Svenbro 1976, 50–59. Der deftige Schmaus wird nun anschaulich umschrieben als das, was man zwischen die Zähne kriegt und in den undankbaren Magen hinuntergleiten lässt (V. 15: νείαιραν … εἰς ἀχάριστον ἔδυ). Hier ist νείαιρα ein Synonym für νηδύς. Die attributiven Verwendungen des Wortes νείαιρα vor allem bei Homer (Hom. Ε 539, 616, Π 465 und Ρ 519; vgl. auch Massimilla 1996, 323 ad loc.) zeigen klar, dass es als ‚unteres‘ verstanden wurde und erst später als Substantiv auf den Bauch/Magen als unteren Teil des Körpers übertragen wurde. Wenn man diese Semantik des Unteren mit dem Verbstamm δυ- von ἔδυ in eins setzt, so drängt sich unwillkürlich das geläufigere epische Wort für Magen (νηδύς) auf, für das Kallimachos also durch νείαιραν … ἔδυ eine etymologisch erklärende Umschreibung geben wollte. Diese an sich naheliegende Hypothese könnte dadurch erhärtet werden, dass der Diphthong ει in νείαιρα wohl aufgrund der Rechtschreibreform am Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. (sog. Metagrammatismos) entstanden sein dürfte, und die ursprüngliche Form als *νήαιρα (d.h. mit dem Adjektiv νέατος ‚äußer­s­­­ tes‘/‚unterstes‘ zusammenhängend) zu rekonstruieren wäre (vgl. LSJ s. v. νείαιρα mit Palmer 1980, 94 f.). Es ist möglich, dass Kallimachos das homerische Wort in dieser Variante gekannt hat, oder ein diesbezügliches ζήτημα existierte, zu dem der Dichter Stellung nehmen wollte, indem er νήαιραν schrieb, eine Form, die später in den Aitia-Handschriften der Orthographie des Homer-Textes das Feld räumen musste. Aber es ist auch denkbar, dass der Doppellaut ει in einer Übergangsphase zur itazistischen Aussprache bereits monophthongiert und ähnlich wie Eta ausgesprochen wurde. Vgl. Allen 19742, 66f. Diese Möglichkeit wird bei Kallimachos durch das phonetisch-etymologische Spiel mit der Bedeutung des Kultrufes ‚iê paian‘ in h. 2. 103 (ἱὴ ἱὴ παιῆον ~ ἵει βέλος, d.h. η = ει) nahegelegt. Vgl. auch die Etymologie (Ait. fr. 75. 36: αἰτεῖσϑαι) der etesischen Winde (den Namen ἐτήσιοι liefert Apollonios Rhodios 2. 498 und 525 als Hommage an Kallimachos, zugleich als Explizierung des Etymons), die neben der Monophthongierung des Diphthongs αι (αἰτεῖσϑαι ~ ἐτήσιοι) auch die betreffende Entsprechung η = ει (αἰτεῖσϑαι ~ ἐτήσιοι) belegt. Alles in allem besteht zumindest die Möglichkeit, dass

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III. Kommentar

die erste Silbe von νείαιραν in Aussprache oder sogar in Schrift als mit dem νη- Element von νηδύς gleichwertig zu betrachten wäre. Wie dem auch sein möge, die Vorstellung des Magens als eines „Unterschlupfes“ wohnt der Aitien-Stelle eindeutig inne und dürfte auch bei νηδύς im Artemis-Hymnos mitzudenken sein. Für weitere etymologische Spitzfindigkeiten im Ausdruck νείαιράν τ᾽ εἰς ἀχάριστον ἔδυ (Ait. fr. 43. 15: ἀχάριστον ... ἔδυ als Charybdis des Symposions) vgl. Adorjáni 2018b, 352–354. 162 σοὶ δ᾽ Ἀμνισιάδες μὲν ὑπὸ ζεύγληφι λυϑείσας   Nach Chaniotis 1992, 74 leitet sich im Unterschied zu Ἀμνισίδες (V. 15) die Form Ἀμνισιάδες nicht unmittelbar vom Namen des Flusses Amnisos her, sondern von dem der ihn bewohnenden Göttin (Artemis-Eileithyia als Ἀμνισία). Schmitt 1970, 73 Anm. 7 vergleicht den Wechsel Ἀχαιΐδες (z.B. Β 235) – Ἀχαιϊάδων (z.B. Ε 422) in der homerischen Sprache. Die Wendung ὑπὸ ζεύγληφι λυϑείσας ist eine Variation des homerischen ὑπὸ ζυγόφιν λύον (Ω 576). 163 ψήχουσιν κεμάδας   Zu κεμάδας vgl. ad V. 112 (b). Die eher unpoetische Wartung (‚Striegeln‘) der Tiere ist ein Zug, den Kallimachos mit seinem Sinn für Lebensrealismus der homerischen Schilderung vom Abschirren der Pferde beisteuert. Vgl. Kuiper 1896 I 89. Sein Vorbild dürfte Euripides (Hipp. 110: καταψήχειν) gewesen sein, wo es die Diener des Protagonisten sind, denen die Reinigung der Tiere obliegt. 163 f. παρὰ — ἀμησάμεναι φορέουσιν    Zur Tmesis παρὰ ... φορέουσιν vgl. Lapp 1965, 48. Anders Bornmann 1968, L Anm. 1 (παρὰ ... σφισι), was aber weniger elegant ist. Zum Ausdruck vgl. Hom. Ω 451: ὄροφον λειμωνόϑεν ἀμήσαντες (zum Zeltdach des Achilleus). Die Wendungen (ἐκ) λειμῶνος (Hom. h. Merc. 198, 340) und ἀμησάμενος, ein Hapax in Homer (ι 247), kommen bei den epischen Vorbildern tautometrisch vor. Apollonios Rhodios flicht in seine Verse Reminiszenzen an die Stelle mit ein: λεχαίην / φυλλάδα [~ τριπέτηλον] λειμώνων [~ ἐκ λειμῶνος] φέρον [~ φορέουσιν] ἄσπετον ἀμήσαντες [~ ἀμησάμεναι] / στόρνυσϑαι [~ νέμεσϑαι] (1. 1182– 1184). Vgl. Köhnken 1965, 35 und ad V. 160 f. νέμεσϑαι ist bei Homer stets versfinal (vgl. vor allem Ε 777). 164 Ἥρης ἐκ λειμῶνος    Zur Vorstellung von Heras grünem Gefilde dürfte vor allem die Beschreibung des üppigen Rasenbewuchses und Blumenrausches, die anlässlich des ἱερὸς γάμος von Hera und Zeus emporsprießen (Ξ 346–351), beigetragen haben. Vgl. auch Eur. Hipp. 748–751 (ambrosische Quellen im Garten der Hesperiden mit dem „Bett“ des Zeus). Zu Heras Assoziation mit Blumen (Ἀνϑεία) vgl. Paus. 2. 22. 1 und Adorjáni 2014a, 106. Ein vergleichbarer locus amoenus ist der ‚Garten des Zeus‘ bei



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Pindar (P. 9. 53: in Libyen), Platon (symp. 203B) und Apollonios Rhodios (3. 114: Διὸς ϑαλερῇ ἐν ἀλωῇ sowie 158: μεγάλοιο Διὸς πάγκαρπον ἀλωήν). Zur Identifikation des Gartens des Zeus mit dem der Hesperiden vgl. Pherekyd. fr. 16d (FGrH I 65 Jakoby). Für ähnliche Vorstellungen siehe auch Ibyk. fr. 286. 1–6 PMGF (Hesperidengarten), Soph. fr. 320 (TrGF IV 309 Radt) (Zeus’ Gärten), Aristoph. Nub. 271 (Gärten des Okeanos mit Nymphen). Ἥρας λειμών ist bei Euripides (Phoen. 24) eine Bezeichnung des Kithairon ohne nähere Angaben. Das Zerwürfnis mit Hera (V. 30 f.) scheint nach der vergnügten Szene mit Herakles, bei der die Stiefmutter herzhaft mitlacht (V. 149), schiedlichfriedlich beigelegt worden zu sein, zumal Hera das kostbare Grün ihrer Wiese den Rossen der Artemis nicht missgönnt. Vgl. Ambühl 2005, 263 Anm. 165. Nach Petrovic 2007, 255 f. kann Heras Erscheinung auch durch ihre Verbindung mit den amnisischen Nymphen erklärt werden: Ist sie doch Mutter der Eileithyia, die in Amnisos geboren (Paus. 1. 18. 5) und verehrt wurde (vgl. ad V. 15). 165 (a) ὠκύϑοον τριπέτηλον, ὃ καὶ Διὸς ἵπποι ἔδουσιν    Während bei Homer die Rosse der Sterblichen alltägliches Futter vorgesetzt bekommen (z.B. Β 775–777, Ε 195 f., Κ 567–569), tun sich die Pferde der Götter an der unsterblichen Speise ihrer Herren gütlich. So werden Heras und Athenes Pferde von den Horen abgesattelt und an die mit Ambrosia befüllten Futterkrippen gebunden (Θ 433–435). Kallimachos ersetzt die göttliche Ambrosia durch eine Pflanze, deren Name bis zum Ende des Teilsatzes zur Überraschung aufgespart wird, lässt aber die Verbindung mit Hera bestehen. Vgl. Bornmann 1968, XIX und 79 ad loc. Artemis konkurriert zugleich mit Aphrodite, deren Gespann Iris abschirrt und deren Rossen sie ambrosisches Futter vorwirft (Hom. Ε 368 f.). Zum ambrosischen Futter der Pferde Poseidons vgl. Hom. Ν 34–36. Abgewandelt und korrigiert wird auch eine andere homerische Stelle, an der Hera ihre Pferde am Ufer des Simoeis Ambrosia weiden lässt (Ε 775– 777). Kallimachos hält an der Vorstellung einer Wiese fest, verlegt diese jedoch auf den Olymp und lässt sie mit frischem Gras bewachsen sein. Vgl. Kuiper 1896 I 89. Die Korrektur wird durch das καί im nächsten Satz hervorgehoben (‚auch die Pferde des Zeus essen alltägliches Futter [wie die der Artemis]‘, d.h. ‚diese Pflanze ist auch für die Pferde der Götter ein beliebtes Futter, [nicht nur für die der Menschen]‘). Durch die veränderte Diät der göttlichen Zelter der Artemis lässt Kallimachos seine Opposition gegenüber dem Weltbild Homers zum Ausdruck kommen. Vgl. Herter 1929, 102. 165 (b) ὠκύϑοον τριπέτηλον   Zum Attribut ὠκυϑόος vgl. Eur. Suppl. 993 (Nymphen). Es ist nicht klar, welches der beiden Worte die substantivische Bennennung der Pflanze und welches das Attribut ist, denn sowohl

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III. Kommentar

ὠκύϑοον (Hesych. 133 s. v. ὠκύϑοον [IV 261 Hansen–Cunningham] und Wilamowitz 1924 II 57) als auch τριπέτηλον (Nik. Ther. 522: alternativer Name für τρίσφυλλον, V. 520, wozu die Scholien [ad 520a, p. 204 Crugnola] Kall. h. 3. 165 zitieren) kommen als Pflanzennamen vor. Im ersteren Fall handelte es sich um das ‚dreiblättrige ὠκύϑοον‘, im letzteren um das ‚schnellwachsende τριπέτηλον [Dreiblatt]‘. Das Attribut τριπέτηλον taucht indes auch Hom. h. Merc. 530 an derselben sedes auf in Bezug auf den Botenstab des Hermes. Zur wunderbar-numinösen Schnelligkeit der Pflanzen im Wachsen vgl. Hom. Ξ 347 (νεοϑηλέα ποίην). Vgl. auch Dilthey 1865, 30 und Bornmann 1968, 79 ad loc. Eine angemessene Wiedergabe der Ambivalenz schien mir in der Übersetzung nicht möglich, so habe ich mich für die letztere Option entschieden. Nach Herter 1929, 102, Kuiper 1896 I 89 und Bornmann 1968, 79 ad loc. sei das Dreiblatt der Lotos/Klee (als „Ochsenschmankerl“ wird diese Pflanze Hom. h. Merc. 107 erwähnt), aber dies ist angesichts der auch grammatisch schwebenden Ausdrucksweise nicht sicher. Vielleicht wollte Kallimachos seinen Lesern mit einem botanischen Rätsel aufwarten und hatte sich bewusst für eine uneindeutige Formulierung entschieden. Hätte er eine klare Identifikation der Pflanze (z.B. Lotos) bezweckt, hätte er sich unmissverständlich ausgedrückt. Überzogen wirkt Kuipers Meinung (1896 I 89), Kallimachos habe nicht nur die Gleichsetzung mit dem Lotos vorgenommen, sondern auch für die Zugehörigkeit dieser Pflanze zur Familie der τρίφυλλα plädiert. Indessen können zwei verschiedene Absichten durch eine einzige Wendung kaum zum Ausdruck gebracht worden sein. 166 ἐν καὶ χρυσείας ὑποληνίδας ἐπλήσαντο    Zum Medium als Variationsform des Aktivs vgl. ad V. 2 (b) (μέλονται). Siehe auch Hom. h. Cer. 170 (πλησάμεναι), eine Stelle, die als unmittelbares Vorbild gedient haben könnte (hier werden Eimer mit Wasser [V. 167: ὕδατος] gefüllt). Für Tröge zum Tränken der Pferde vgl. Hom. h. Merc. 104 (ληνούς). Damit wird zugleich ein früheres Thema (V. 50: ποτίστρην) aufgegriffen. Meineke 1861, 170 wollte ὑπὸ ληνίδας (= ληνούς) ἐπλήσαντο (Tmesis) lesen, aber das Präfix ὑπό und das Ableitungssufix -ίδ- in ὑποληνίδας sind gut verständlich: Es handelt sich um die unter Wassertraufen (ληνοί) gestellten Tröge (= ὑποληνίδες). Zum Gold als Material vgl. ad V. 110 f. (goldene Gegenstände als Rüstzeug der Artemis). 167 ὄφρ᾽ ἐλάφοισι ποτὸν ϑυμάρμενον εἴη   Während Hektors Rosse Wein trinken (Hom. Θ 189), sind die Pferde der Artemis νήφοντες, wie es sich für die Tiere einer Göttin strenger Zucht gehört. Vgl. Herter 1929, 102. Zu diesem Spiel trägt auch die antihomerische Verwendung von ποτόν bei, das bei dem großen Vorgänger nur den Wein bezeichnet. Der Temporalsatz ὅτε ϑυμὸς ἀνώγοι (Θ 189), der sich hier auf das Gelüsten der Pferde nach



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Getränk bezieht, dürfte Kallimachos zu einer Variation inspiriert haben, der das Motiv des Tränkens mit einem seltenen Kompositum von ϑυμός (ϑυμάρμενον) verbindet. Der Reiz der Allusion besteht nicht zuletzt darin, dass der homerische Vers (Θ 189) als ‚lächerlich‘ und ‚befremdlich‘ von Aristophanes von Byzanz und Aristarchos athetiert wurde (Σ ad Θ 189b [II 338 Erbse]). Vgl. de Ian 1893, 77 und Rengakos 1993, 94. Die formal und inhaltlich nächsten Parallelen zu ϑυμάρμενον (‚dem Herzen am meisten gemäß‘ ~ ‚herzerfreuend‘) sind Bakchyl. 17. 71 (ein Minos ϑυμάρμενον [willkommenes] τέρας) (vgl. Cahen 1929, 500) und Alex. Ait. fr. 1. 3 Magnelli = Athen. 7. 48, 296E: ϑυμηρέα δόρπον (bezogen auf das Wundergras, das Glaukos verwandelt und mit dem Helios seine Rosse füttert). Von Kallimachos beeinflusst sein könnte Nik. Alex. 577 (ϑυμάρμενον auf den Lenz bezogen). Kallimachos verwendet sonst h. 4. 29: ϑυμῆρες (Gesang) und 6. 55: ϑυμαρέας (Gelage), mit denen er sich an die homerische Vorlage (Hom. Ι 336, ψ 232: ϑυμαρέα [Bettgenossin], κ 362: ϑυμῆρες (Badewasser), ρ 199: ϑυμαρές [Zepter]) anlehnt. Somit variiert der Dichter nicht nur Θ 189, sondern auch das homerische Attribut ϑυμαρής, indem er sich insbesondere auf den Wechsel α/η im Wortinnern bezieht (κ 362 scheint auch thematisch relevant zu sein, weil es hier um das Füllen von metallenen Behältern mit [Bade]wasser geht). Vgl. De Ian 1893, 76 f. und Kuiper 1896 I 90, obwohl ihre durch antike Lehrmeinung (Σ ad Ι 336c [II 468 Erbse] = Herodian. π. Ἰλ. προσ. II 65. 336 Lentz, Suda 548 s. v. ϑυμαρέα [II 734 Adler], Apoll. Soph. 88. 28 Bekker, Etym. m. 458. 25–29 s. v. ϑυμαρής) gestützte Ansicht, -ήρης und -αρής seien verschiedener etymologischer Herkunft (-ήρης aus ἀρ[έσκω], -αρής aus ἀρ[αρίσκω]), wohl nicht zutrifft. Ich vermute hingegen beide Male den Stamm des Verbs ἀραρίσκω in dialektal bedingten Spielarten, was auch die Länge in ϑυμᾱρής besser erklärt. Vgl. Hopkinson 1984, 128 ad h. 6. 55. Indes könnten die beiden Erklärungsansätze für die Dublette ϑυμήρης ~ ϑυμαρής aus einer Urvariante der Scholien ad Ι 336c auch Kallimachos geläufig gewesen sein. So tut De Ian 1893, 77 Recht daran, zu behaupten, der Dichter habe mit ϑυμάρμενον eine Lanze für die Ableitung von ϑυμαρής aus ἀρ(αρίσκω) gebrochen, denn das Wort ἄρμενον stellt zweifelsohne eine Flexionsform dieses Verbs dar. 168 f. αὐτὴ δ᾽ ἐς πατρὸς δόμον — σὺ δ᾽ Ἀπόλλωνι παρίζεις   Zur Wendung ἐς πατρὸς δόμον vgl. V. 141 (Variation einer homerischen Vorstellung). Mit ἔρχεαι rückt wieder Artemis selbst (αὐτή) in den Vordergrund (~ V. 141: ἐλαύνεις). Zur Einladung der Göttin, Platz zu nehmen, vgl. Hom. ψ 202 f. (Iris als Götterbotin wird Platz angeboten). Zur Andeutung einer nicht zitierten direkten Rede vgl. Harder 2002–2003, 58. Während der Empfang allseitig ist, hält sich Artemis ausschließlich an ihren Bruder. Das Verb

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III. Kommentar

παρίζ- ist bei Homer ein Hapax (δ 311). Im homerischen Apollon-Hymnos wird das ehrerbietige Ausweichen der Götterschar (h. Ap. 3 f.: ἀναΐσσουσιν ... πάντες ἀφ᾽ ἑδράων) vor dem Neukömmling hervorgehoben, den Leto auf den ihm gebührenden Platz führt (V. 9: τὸν δ’ εἰς ϑρόνον εἷσεν ἄγουσα). Vgl. auch Hom. Α 533–535: ϑεοὶ δ’ ἅμα πάντες ἀνέσταν / ἐξ ἑδέων σφοῦ πατρὸς ἐναντίον· οὐδέ τις ἔτλη / μεῖναι ἐπερχόμενον, ἀλλ’ ἀντίοι ἔσταν ἅπαντες (Ehererbietung aller Götter Zeus gegenüber) und Ο 85–88 (die Götter wollen mit ihren Kelchen Hera zutrinken, sie nimmt den Becher von Themis entgegen) mit Herter 1929, 102 und Ambühl 2005, 264. Ein Treffen der beiden Geschwister inszeniert auch Hom. h. 9. 5. f., wo Apollon mit Sitz in Klaros seiner Schwester wartet. Zum klaren Parallelismus der Glieder αὐτή ~ οἱ δέ ~ σὺ δ᾽ vgl. Lapp 1965, 43. Ehrlich 1894, 51 wollte hinter der Aufnahme der Göttin in den Götterkreis einen versteckten Hinweis auf die Eingliederung der Berenike II. in die ptolemäische Königsfamilie erblicken, wobei sie von ihrem „Bruder“ Ptolemaios III. Euergetes am herzlichsten aufgenommen sei. Zur Kritik dieser Ansicht vgl. allerdings Kapitel I 5, 58. Wenn Artemis mit Arsinoe II. gleichgesetzt wird (vgl. Kapitel I 5 passim), deutet diese Szene mit ihrer räumlichen Symbolik auf die Einheit zwischen Arsinoe II. und ihrem Bruder-Gemahl Ptolemaios II. Philadelphos hin. McKay 1972, 442 erblickt darin eine narrative Umschreibung der φιλαδελφία. Vgl. Kapitel I 4, 55 und Stephens 2015a, 143. Über den einfachen Aussagesatz nach der Mittelzäsur kommt das den gesamten Hymnos durchziehende Motiv der Geschwister-Rivalität angesichts des neuerworbenen Ruhms der Göttin zu einem Ruhepunkt, wenn auch nicht zu einem Ende (vgl. ad V. 250 und Kapitel I 3, 38). Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 29. Zur metapoetischen Deutung der Nachbarschaft der Artemis zu Apollon vgl. Kapitel I 1, 5 f. Ferguson 1980, 119 entmythisiert das Bild, um dadurch seine besondere Strahlkraft zur Geltung zu bringen: It is again a vivid picture of a mixed dinner party when an exceptionally attractive girl enters. Artemis im Nymphenreigen (V. 170–182) 170 ἡνίκα δ᾽ αἱ νύμφαι σε χορῷ ἔνι κυκλώσονται   Zum Tanz der Nymphen um Artemis vgl. Hom. ζ 102–109 (ein im Hymnos mehrfach abgewandelter Prätext). Vgl. Hom. h. Ven. 118–120 und 27. 13–20 (Nymphenchor der Artemis), h. 19. 19–26 (Reigen der Nymphen mit Pan). Zugleich wird auf den kreisförmigen Waffentanz der Amazonen (V. 240–247) vorausgewiesen, der das Vorbild für die Anlage des Artemis-Tempels ist (V. 248 f.). Vgl. Bing 1988, 126 Anm. 57. Das Motiv des Reigentanzes umrahmt ringförmig den restlichen Teil des Hymnos (V. 170: χορῷ ἔνι κυκλώσονται ~



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V. 266 f.: χορὸν ... κυκλώσασϑαι [negatives Paradigma]). Vgl. Plantinga 2004, 272. Das Verb κυκλοῦσϑαι ist unhomerisch (Hom. h. Ven. 261: καί τε μετ’ ἀϑανάτοισι καλὸν χορὸν ἐρρώσαντο [Nymphen]), wurde aber von Hesiod (fr. 150. 28 M–W: κυκλώσαντο am Versende, in Bezug auf die den Erdkreis durchmessenden Boreaden) verwendet (vgl. auch ad V. 171) und später von Nonnos (9. 202, 13. 138 usw. [wegen des spondeischen Beginns nie am Versende]) aufgegriffen. Zum Motiv der kyklischen Bewegung siehe auch Kall. h. 4. 28 f. (Delos umkreisende Gesänge), 250 f. (Delos umkreisende Schwäne), 300 f. (Delos umringende Eilande), 312 f. und 321 f. (Geranostanz um den delischen Altar). Vgl. auch Calame 1977 I 77–79. Die mediale Form sonst bei Kallimachos in Hec. fr. 69. 14 Hollis und h. 4. 250. Das Futur nach den vorausgegangenen Präsensformen suggeriert ein immer gültiges oder ein sich stets wiederholendes Ereignis, das bis in die ferne Zukunft hinein wirkt. Vgl. Wilamowitz 1932 II 58 Anm. 5 und Cahen 1930, 130. Zur Perspektive der Zeitlosigkeit vgl. ad V. 139 f. Anders Bornmann 1968, 81 (kurzvokalischer Konjunktiv). 171 ἀγχόϑι πηγάων Αἰγυπτίου Ἰνωποῖο   Bei Homer kommt ἀγχοῦ des öfteren am Versanfang vor, ἀγχόϑι jedoch nur viermals (Ξ 412, Ψ 762; ν 103 = [ν 347]). Kallimachos entscheidet sich also seiner Gewohnheit gemäß für die seltenere Variante, die nur ν 103 = [ν 347] versinitial steht. Die Form πηγάων ist Homer unbekannt, h. Ap. 263 kommt πηγέων vor. Die Erwähnung des Inopos-Flusses auf der eminent apollinischen Insel Delos an erster Stelle des Katalogs erinnert an die durch den olympischen Empfang geschlichtete Geschwister-Rivalität (Plantinga 2004, 262). Der Fluss erscheint auch h. 4. 206–208 sowie 263, wo sein Wasserreichtum mit der Nilüberschwemmung in Zusammenhang gebracht wird. Vgl. Σ ad Lykophr. 576 (II 198 f. Scheer), Strab. 6. 2. 4, 271 C, Paus. 2. 5. 3, Plin. nat. 2. 229 sowie Bing 1988, 137. Die wichtigste Parallele zu unterirdisch verkehrenden Flüssen ist der Arethusa-Mythos (vgl. Σ ad Pind. N. 1. 1a Drachmann III 7 f.). Dies erklärt das Attribut Αἰγυπτίου, das offensichtlich eine symbolische Verbindung zwischen der klassischen griechischen Welt und Ägypten, der Heimat des Kallimachos, ausdrückt. Vgl. Stephens 2015a, 108. Nach Reinsch-Werner 1976, 272 könnte hier über die Verwendung des Verbs κυκλώσονται (V. 170) hinaus eine weitere Allusion auf Hesiod (fr. 150. 26 M–W: Ὀ]ρ̣τ̣υγίην = Delos) vorliegen. 172 f. ἢ Πιτάνῃ ... ἢ ἐνὶ Λίμναις / ἢ ... Ἀλὰς   Der präzisen Ortsangabe auf dem Olymp (V. 169: neben Apollon) steht die geographische Vielfalt und Unbestimmtheit (ἤ ... ἤ ... ἤ) auf Erden als Zeichen der Ubiquität der Göttin gegenüber. Bulloch 1985a, 167 ad h. 5. 60–65 sieht darin zu Recht einen hymnisch-religiös beseelten Formalismus, der bestrebt ist, die Aufzählung so umfassend wie möglich zu gestalten, um der Gottheit die größte Ehre

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III. Kommentar

widerfahren zu lassen. Er vergleicht Hom. Α 37 f., ζ 102 f. (Artemis), h. Ap. 179–181, Sapph. fr. 35 Voigt, Aristoph. Ran. 659, Theokr. 1. 67, 123–126, Kall. h. 4. 47–50, Apoll. Rhod. 1. 307–309, 536 f., 3. 876 f. (Artemis), 1240– 1244 (kopulative und disjunktive Reihen). Vgl. Harder 1990, 294 Anm. 21 (mit Hinweis auf Ait. fr. 75. 23–26 [Artemis Aufenthaltsorte, die negiert werden, um Delos zur Geltung zu bringen] und Eur. Bacch. 556–559 [Kultstätten des Dionysos in Disjunktion]). Die drei mit ἤ eingeführten Optionen sind ein Trikolon nach dem Prinzip der wachsenden Glieder (Alai Araphenides in zwei Versen ausgeführt). Vgl. Bulloch 1985a, 199 ad h. 5. 89 f. mit weiteren Belegstellen kallimacheischer Trikola (z.B. h. 1. 22­­–25). Der Koordination hält die grammatische Variation (ἤ Πιτάνῃ ... ἤ ἐνὶ Λίμναις, / ἤ ἵνα) die Waage, wozu vor allem Apoll. Rhod. 3. 536 f. (ἢ ἐνὶ Πυϑοῖ / ἤ που ἐν ᾿Ορτυγίῃ ἢ ἐφ’ ὕδασιν ᾿Ισμηνοῖο) zu vergleichen ist. 172 (a) καὶ γὰρ Πιτάνη σέϑεν   Der Kommentar des Narrators in Parenthese (vgl. ad V. 1, 47 f., 144 [a] und 244 f.) scheint eine polemische Absicht zu haben: Kallimachos beteuert gegen ungenannte Widersacher, dass das spartanische Dorf Pitana (vgl. Pind. O. 6. 28 mit Adorjáni 2014a, 167 und Eur. Tro. 1112) Artemis und keiner anderen Göttin zugehört. Zu solchen nachdrücklichen Beteuerungen der eigenen Wahl hinsichtlich umstrittener Sagenversionen vgl. Kortz 1902, 36, Norden 19273, 290 f. ad Aen. 6. 617 und D’Alessio 1996, 116 Anm. 39. 172 (b) ἐνὶ Λίμναις   Die Erwähnung von Limnai ohne weitere Angaben stellt ein dem Leser zugemutetes (unlösbares?) geographisches Rätsel dar (vgl. ad V. 159). Es gibt eine Ortschaft Limnai zwischen Lakonien und Messene (Strab. 8. 4. 9, 362 C und Paus. 3. 2. 6, 4. 4. 2), eine in Sparta und eine in Attika im korinthischen Gebiet (Paus. 2. 7. 6: Kult der Artemis Λιμναία). Artemis Λιμναία wird von Paus. 3. 14. 2 sowie 3. 16. 7 (mit Britomartis und Orthia gleichgesetzt) und Strab. 8. 4. 9, 362 C für den Bezirk Λίμναι in Sparta bezeugt. Vgl. Janni 1964, 46 sowie ad V. 126–128. Für weiterführende Literatur vgl. Bornmann 1968, 82 ad loc. Der anaphorische Bezug zu Pitana legt die lakonisch-spartanische Identität, der kataphorische zu Alai Araphenides die attische nahe. Zu dieser Form der topographischen Amphibolie vgl. Arnott 1976, 14 f. (mit Vergleich des Parallelfalls von Thenai in Kall. h. 1. 42 f.). Darüber hinaus dürfte Kallimachos durch die Nebenordnung von (lakonischen) Limnai und attischen Alai darauf angespielt haben, dass diese Ortschaften um den Besitz des Kultbildes der Artemis Tauropolos wetteiferten. Vgl. Paus. 3. 16. 7 sowie Kuiper 1898 II 52 f. und Mair 19552, 75 Anm. d.



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173 ἢ ἵνα, δαῖμον, Ἀλὰς Ἀραφηνίδας οἰκήσουσα   Die Anrede δαῖμον trägt keinen besonderen Nachdruck und wirkt eher als Füllsel. Der Ausdruck fällt im Gegensatz zu den vorausgegangenen kurzen Gliedern infolge der Umschreibung des Ortes (vgl. Aulin 1856, 10) nach dem Gesetz wachsender Glieder länger aus. Das Denotat der circumlocutio (Alai Araphenides) wird eigentümlicherweise als Objekt des finalen Partizips οἰκήσουσα auch direkt gennant. Vgl. auch Bornmann 1968, 82 ad loc. (Verlegung eines Eigennamens vom Haupt- in den Nebensatz). Ἀλάς ist hier mit spiritus lenis überliefert, während die attische Variante durchweg den spiritus asper aufweist. Vgl. Schmitt 1970. 18 Anm. 6 und Pfeiffer 1953 II LXXXIX (Stat. Theb. 12. 622). 174 ἦλϑες ἀπὸ Σκυϑίης, ἀπὸ δ᾽ εἴπαο τέϑμια Ταύρων   Zu τέϑμια (Attribut oder substantiviert) vgl. Ait. fr. 75. 2 (naxischer „Kiltgang“), h. 2. 87 (Karneen), 6. 18 (Thesmophorien). Herter 1931, 435 und Schmitt 1970, 31 Anm. 10 vermuten hinsichtlich dieses Dorismus einen pindarischen Einfluss (N. 11. 27 und I. 6. 20, wobei das Grundwort τεϑμός tatsächlich eine vox Pindarica darstellt). Bornmann 1968, 83 ad loc. vergleicht Opp. kyn. 1. 450, wo allerdings die Form τέϑμιος eine attributive Funktion hat und von Pindar selbst stammen wird. Die Annahme eines Einflusses des „kontinentalen Epos“ auf Kallimachos scheint mir deshalb unverbürgt. Bing 1988, 84 Anm. 56 erwägt einen Zusammenhang zwischen Ταύρων und βόες, den der Dichter zur Täuschung des Lesers spaßeshalber mit eingeflochten hat (der Sinn dieser langen Tirade enthüllt sich erst am Ende, V. 180–182, und bis dahin gibt es viele Überraschungen). Zu Artemis Tauropolos vgl. Schreiber 1884, 567 f., 585 f. und Wernicke 1895, 1399 f. Zur Wanderung des Artemis-Bildes, das nicht unbedingt figurativ zu denken ist, vgl. Graf 1979 passim. Es gibt zwei Mythenvarianten zur Erklärung des Kultus: Entweder Iphigenie geht nach Brauron, um den dortigen Artemis-Kult einzurichten, oder Orestes stiftet einen Tempel für Artemis Tauropolos, in dem ihr Standbild aufgestellt wird. Die beiden Kultstränge werden von Pausanias (1. 33. 1: Iphigenie stellt das Standbild in Brauron auf) zusammengeflochten, von Euripides (Iph. T. 1449–1463) und Strabon (9. 1. 22, 399 C) auseinandergehalten. Vgl. Deubner 1932, 208 f. und Lloyd-Jones 1983, 91. Dieser implizit angedeutete Mythos nimmt die Grundzüge (Tempelbau um eine kultische Reliquie herum) der ephesischen Episode (V. 237–250) vorweg. Der Wandel der Kultstätte und Sitten vollzieht sich nach der Darstellung des Kallimachos infolge des Willensbeschlusses der Göttin, die den grausamen Sitten (τέϑμια) der Taurier abschwört und Skythien verlässt, um nach Attika kommen zu können (teleologische Perspektive). Sie entscheidet sich bewusst für die attischen Chortänze anlässlich der Ταυροπόλια statt der blu-

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III. Kommentar

tigen Opfer am Schwarzen Meer (vgl. z.B. Eur. Iph. T. 36 f., Hdt. 4. 103 und Ov. trist. 4. 4. 63 f.). Vgl. Petrovic 2007, 200 Anm. 32. Nach Ambühl 2005, 269 mache sich Kallimachos die bei Euripides (Iph. T. 380–391) Iphigeneia in den Mund gelegte, aufgeklärte Ansicht, der grausame Brauch könnte keiner Gottheit behagen und sei ihr von Menschen unterschoben, zu eigen. Zu weiteren expliziten Allusionen auf die Iphigeneia-Geschichte vgl. V. 228– 232 und 262 f. mit Plantinga 2004, 272 und Ambühl 2005, 269 sowie ad V. 6 (a) (implizite Bezugnahme). Für die ionische, später κοινή-griechische Aoristform (ἀπὸ ... εἴπαο) samt Belegstellen vgl. Bornmann 1968, 83 ad loc. Die Variante εἴπατε erscheint allerdings bereits bei Hes. theog. 108. 175–182 μὴ νειὸν — μηκύνονται  Reinsch-Werner 1976, 88–93 und Bing 1984 passim = 1988, 84–86 arbeiten bis ins Letzte die homerisch(hesiodeisch)en Allusionen des Passus heraus. An einer Stelle der Odyssee (σ 356–364) verhöhnt Eurymachos den verkleideten Odysseus, indem er ihm vorschlägt, bei ihm als Tagelöhner (V. 358: μισϑὸς δέ τοι ἄρκιος ἔσται; vgl. h. 3. 175: εἵνεκα μισϑοῦ) zu arbeiten, wofür Odysseus sich – setzt der Freier spöttisch hinzu – sicherlich zu schade wäre. Odysseus kontert mit einer Rede, in der er sich bereit erklärt, sich mit seinem Herausforderer in drei verschiedenen Wettkämpfen zu messen: Εὐρύμαχ’, εἰ γὰρ νῶϊν ἔρις ἔργοιο γένοιτο ὥρῃ ἐν εἰαρινῇ, ὅτε τ’ ἤματα μακρὰ πέλονται, ἐν ποίῃ, δρέπανον μὲν ἐγὼν εὐκαμπὲς ἔχοιμι, καὶ δὲ σὺ τοῖον ἔχοις, ἵνα πειρησαίμεϑα ἔργου νήστιες ἄχρι μάλα κνέφαος, ποίη δὲ παρείη· εἰ δ’ αὖ καὶ βόες εἶεν ἐλαυνέμεν, οἵ περ ἄριστοι, αἴϑωνες μεγάλοι, ἄμφω κεκορηότε ποίης, ἥλικες ἰσοφόροι, τῶν τε σϑένος οὐκ ἀλαπαδνόν, τετράγυον δ’ εἴη, εἴκοι δ’ ὑπὸ βῶλος ἀρότρῳ· τῶ κέ μ’ ἴδοις, εἰ ὦλκα διηνεκέα προταμοίμην. (Hom. σ 366–375) Im Großen und Ganzen geht es um eine Umkehrung des Inhalts: Kallimachos verweigert die Zumutung, der sich Odysseus ohne Bedenken stellt. Die verbalen Anklänge sind, wie folgt: V. 367: ὅτε τ’ ἤματα μακρὰ πέλονται ~ V. 182: τὰ δὲ φάεα μηκύνονται V. 371: βόες ... οἵ περ ἄριστοι ~ V. 178 f.: Στυμφαιίδες ... αἳ μέγ᾽ ἄρισται (letzter Teil an derselben sedes) V. 374: τετράγυον ... ὑπὸ ... ἀρότρῳ ~ V. 176: τετράγυον (beide Male am Versanfang) ... ὑπ᾽ ἀλλοτρίῳ ἀροτῆρι V. 375: ὦλκα διηνεκέα προταμοίμην ~ V. 180: τέμνειν ὦλκα βαϑεῖαν



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Darüber hinaus sind punktuelle Berührungen mit hesiodeischen Ausdrucksweisen zu verzeichnen. Das rare Pronomen τημοῦτος (‚damals‘) kommt vor Kallimachos nur bei Hes. erg. 576 vor. Der Dichter verwendet es in einer ebenfalls rhetorisch verschnörkelten und die Perspektive des Erzählers (ἐμαὶ βόες ~ δοκέω) herausstreichenden Periode der Akontios-Episode (Ait. fr. 75. 41). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 90 und Bing 1988, 86 (a Hesiodic unicum). Im Anschluss an Kallimachos kommt die Konjunktion bei Nikandros (Ther. 926) vor. Bing 1988, 86 will allerdings einen Schritt weitergehen und das kallimacheische Spiel mit dem Bauer-πρόσωπον als metapoetische Allegorese deuten, deren Sinn unabhängig vom aktuellen Kontext (Preis der Artemis und ihres Reigentanzes) in einer Bekundung der theoretischen Abneigung des Dichters gegen Heldendichtung und Langform (Pflügen des τετράγυον) besteht: By Callimachus’ time, the τετράγυον ... has become ... ʽthe typical heroic fieldʼ, a tract too vast for a modern, third century man to plow. Zustimmend Lord 1990, 141–143 und Seiler 1997, 65–68. Gegen diese Interpretation ist zum einen mit Asper 1997, 224–234 einzuwenden, dass eine solche Lesart durch kein textuelles Zeichen indiziert ist, so dass die Annahme eines Hintersinns für eine isolierte Passage, während für keine andere Stelle im Hymnos eine ähnliche allegorische Bedeutung postuliert wird, bedenklich erscheint (vgl. auch Kapitel I 1, 10), zum anderen mit Ambühl 2005, 284, dass die Passage, statt auf kunsttheoretische Fragen über sich hin­­ auszuweisen, eine textimmanente Funktion erfüllt, d.h. vom epischen Teil zum katalogartigen überleitet, indem auf die unerschöpfliche, nicht enden wollende dichterische Aufgabe hingedeutet wird (‚es wäre ein weites Feld zu pflügen und kein einziger Tag reichte dazu aus‘), wollte man den Tanz ausführlich schildern (eine recusatio besonders komplexer Form). Statt einer ausgiebigen, aber eintönig-gleichförmigen Darstellung entscheidet sich der Dichter für einen bunten und abwechslungsreichen Katalog. Zum traditionsgeheiligten (episch-hymnischen) Gegensatz ‚Alles von Anfang bis zum Ende‘ vs. ‚Vieles in Auswahl‘ vgl. Bundy 1972, 58–66 und Adorjáni 2017b, 395–400. Zur Bauernszene als einer barocken Umschreibung des Zeitaspektes siehe auch Brioso Sánchez 1986, 63–68 (Kritik der metapoetischen Interpretation). Das in Bings (1988, 84) Augen anstößige Moment, die Annahme des Bauern-Charakters durch den gelehrten Dichter, wird aus der Welt geschafft, wenn man den mehrmaligen Überraschungseffekt berücksichtigt: Zuerst fällt dem Leser der grelle Kontrast zwischen dem Reigentanz der Artemis und der bäuerlichen Beschäftigung des Dichters auf. Bornmann 1968, 83 ad loc. und Reinsch-Werner 1976, 88 nehmen zu Recht an, der Leser sei dazu verleitet, sich V. 175 f. anfangs als eine religiöse Vorschrift zurechtzulegen, die es verbietet, während der Reigentänze der Göttin Landbau zu

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III. Kommentar

betreiben. Die Rolle des Dichters als eines Rinder verleihenden Landwirtes ist ein Kabinettstück feinster Selbstironie. Reinsch-Werner 1976, 88: Er, der gelehrte, elegante Großstädter, zeigt sich einerseits als Kavalier, der der Göttin Artemis wie einer Dame vom Hofe ein charmantes Kompliment macht, und wechselt dann ... in die freilich deutlich hypothetische Rolle des berechnenden Bauern über (...). Dadurch, dass gerade der betreffende Teil stark homerisch anmutet, deutet der Dichter an, dass seine bäuerliche Aufmachung eine Maske ist (Reinsch-Werner 1976, 90). Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, in welchem ursächlichen Zusammenhang das Tanzen der Nymphen und das Erlahmen der Rinder (Kontrast auch hier) zueinander stehen. Die Verse 180–182 schaffen Licht: Helios staunt über die Chortänze, was das Hinauszögern der Tagesstunden und eine längere Arbeitszeit der Tiere bewirkt. Darüber hinaus spielt Kallimachos zum einen mit dem Topos der Pflügearbeit als Dichtungsmetapher (‚Pflügen bis zur Ermattung‘ – ‚Besingen bis ins Letzte‘), die er dem metaphorischen Potenzial entgegen ganz realistisch herausschmückt, als handelte es sich um ein Genrebild aus dem Bauernleben (Reinsch-Werner 1976, 88), zum anderen mit dem des Ausspannens der Rinder als Zeitbestimmung (vgl. ad V. 177 mit Brioso SÁnchez 1986, 69 f.). Zum musischen „Zackern“ vgl. Bing 1988, 87 und Nünlist 1998, 135–141 (Pind. O. 9. 26–28, P. 6. 2, N. 6. 32, N. 10. 26; Pratin. fr. 710, 712a; fr. anon. 923. 4 PMG). Ambühl 2005, 283 f. Anm. 259 zieht auch Stellen (Pind. I. 2. 6; Kall. Ait. fr. 137b 6–10 Harder, fr. 222. 1 f.) heran, die die musische Tätigkeit als Lohnarbeit darstellen. 175 f. ἐμαὶ βόες ... / τετράγυον ... ὑπ᾽ ἀλλοτρίῳ ἀροτῆρι   Während bei Homer und Hesiod die Rinder männlich sind (Hom. σ 371: οἵ περ ἄριστοι; Hes. erg. 438: τὼ ... ἀρίστω), verwandelt Kallimachos sie in weibliche (ἐμαὶ βόες; V. 179: αἳ μέγ᾽ ἄρισται). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 92 und Cusset 1999, 311. Ob dies der Identifizierbarkeit der Rinder mit den kallimacheischen Musen dienen soll (Ambühl 2005, 283 Anm. 258), ist sehr fraglich, da es ganz und gar komisch wirken würde. Asper 1997, 228 moniert gerade die Widersprüchlichkeit, zu der die metapoetische Festlegung der im Bild genannten Akteure führt: Um das Pflügen mit dem Dichten gleichsetzen zu können, müsste der Dichter entweder mit dem Pächter (V. 176: ὑπ᾽ ἀλλοτρίῳ ἀροτῆρι) oder gar mit den Rindern identisch sein, was aber – abgesehen von der grotesken Wirkung – logisch ausgeschlossen ist, da er der Eigentümer der Rinder ist. Damit würde er aber nicht dichten (~ pflügen), sondern dichten (~ pflügen) lassen, was wieder zur Verunklarung der Bildlogik führt. Das Wort τετράγυον, das kontextuell Hom. σ 374 (τετράγυον als Substantiv) am nächsten steht, wird von Kallimachos (in Anlehnung an Hom. η 112 f. [auf den Garten des Alkinoos bezogen]) attributiv (V. 175: νειόν) verwendet. In beiden Fällen kommt es am Hexameteranfang vor, was die



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Hervorhebung des außerordentlichen Ausmaßes bewirkt. Die Wendungen κατὰ νειὸν Ἄρηος / τετράγυον und νειὸς ὑπ᾽ ἀκαμάτῳ ἀροτῆρι / τετράγυος (Apoll. Rhod. 3. 411 f. und 1343 f.) scheinen der kallimacheischen Stelle nachgebildet zu sein. Zur Imitation des Kallimachos-Passus durch Apollonios (3. 1340–1344) vgl. Bing 1984, 7 f. (zuversichtliche Ausführung der von Kallimachos verweigerten Aufgabe durch Iason). Das Landmaß τετράγυος (‚vier γύαι weit‘) bezeichnet die Größe des Ackerfelds, das im Laufe eines Tages unter den Pflug kommen sollte. Vgl. Eust. ad σ 374 (II 186, 1851, 61 f. Stallbaum) mit Cahen 1930, 130 f. Man kann dieses Detail bei Kallimachos – ohne Bings metapoetische Eskapaden (vgl. ad V. 175–182) nachzumachen – als ein der Erheiterung des Lesers dienendes Einfügen einer mythisch-heroischen Übertreibung (Mair 19552, 75 Anm. g) ins realistische Bild deuten. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 91. Das Ausleihen der Rinder erinnert an Hes. erg. 453–455, wo allerdings die Perspektive des erfolglos um Rinder bittenden Toren vorherrscht (ReinschWerner 1976, 91). Bing 1984, 5 Anm. 12 und 1988, 87 spricht auch vom bescheidenen hesiodeischen Gebaren des Autors, der mit dem großspurigen Renommiergehabe des epischen Helden kontrastiert. Aber der Text gibt keine Auskunft über die ethischen Normen des dichterischen alter ego, was auch dem untergelegten allegorischen Sinn Abbruch tut. Das Wort ἀροτήρ ist bereits homerisch (Σ 542 und Ψ 835). Vgl. auch Hes. erg. 405 und scut. 286. Nach Ruhnken (in Ernesti 1761, 127) vergleicht Bing 1984, 7 eine unserem Wortlaut nachempfundene Stelle bei Maximus περὶ καταρχῶν 473–475 Ludwich: μὴ μὲν δὴ τημόσδ᾽ ἐϑέλειν ἐρίβωλον ἄρουραν / ἄρνυσϑαι μισϑῷ ἐπὶ λατρίῳ∙ οὐ γὰρ ἄμεινον, / οὐδὲ φέροι κεν ὄνειαρ ἐπ᾽ ἀλλοτρίῳ μογέοντι. 177 ἦ γάρ κεν γυιαί τε καὶ αὐχένα κεκμηυῖαι    Die Schilderung der sich abmühenden Rinder erinnert an die bildhafte Darstellung der blauen Stunde, zu der der Abend(stern) die müden Ochsen ausspannt (βουλυτός). Vgl. Kall. Ait. fr. 54c 5–8 Harder. Dieser Topos wird hier umgedreht, indem den Ochsen keine Ruhepause gegönnt wird. Mit den über alle Maßen plackenden Zugtieren korreliert antithetisch das Anhalten des Sonnenwagens am Himmel (V. 182: δίφρον ἐπιστήσας). Zum Nachleben des Bildes vgl. Apoll. Rhod. 3. 1340–1342 und Hor. c. 4. 6. 41–44. Zum Sonnenuntergang, der dem Schlachtgetümmel ein Ende bereitet, siehe auch Hom. Σ 241 f. Darüber hinaus ist Kall. Ait. fr. 54c 5–8 Harder von Hom. μ 382 f. beeinflusst, wo Helios den Göttern droht, in der Unterwelt scheinen zu wollen (Gegenbild der oben tagenden Sonne), wenn ihm kein Schadenersatz für die verspeisten Rinder zuteil wird. Die Verbindung von Ochsen und Sonne könnte auf unsere Stelle eingewirkt haben. Zur gegenteiligen Vorstellung (Sonnenaufgang bürdet den Zugtieren das Joch auf) vgl. Hes. erg. 580 f.

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III. Kommentar

Die Partikelhäufung ἦ γάρ κεν ist homerisch (Α 293, υ 306 [am Versanfang], Ι 303). Das seltene Attribut γυιαί könnte durch ein etymologisches Spiel mit τετράγυον (< γύαι) im vorigen Vers inspiriert worden sein, wie Stephens 2015a, 144 vermutet. Die Übersetzung mit ‚limbs‘ ist allerdings ein Fehler, der der Ähnlichkeit mit γυῖα geschuldet ist (vgl. auch Bing 1984 [Nachtrag], 16). Schmitt 1970, 38 Anm. 58 fasst das Wort als aus dem homerischen Verb γυιόω (Ζ 265, Θ 402) durch Rückbildung entstanden (‚lähmen‘ in Bezug auf Pferde) auf. Es kommt zuerst bei Kallimachos vor und wird von Lykophron (V. 144) nachgeahmt (siehe auch Anth. Pal. 6. 203. 1). Ähnlich bereits Stolz 1903, 253–255, der über ἀπογυιόω (Ζ 265) einen Bogen zum angeblichen Grundwort γυῖον schlägt. Das Verb ist in die ionische Kunstprosa eingedrungen, so kommt es einige Male im hippokrateischen Korpus vor (art. 4. 230. 2, 232. 16 [varia lectio] usw. Littré). Bei Homer kommt das Partizip κεκμηῶτα zweimal (κ 31 = ν 282) am Versende vor. Vgl. auch Apoll. Rhod. 3. 1341. 178 (a) κόπρον ἔπι προγένοιντο   Zum Verb προγίγνεσϑαι (‚ankommen‘), beide Male προγένοντο nach der Trithemimeres, vgl. Hom. Σ 525 (in Bezug auf das Vieh), h. 7. 7 (mit der Angabe ἐπὶ οἴνοπα πόντον). Siehe auch Hes. scut. 345 und Theokr. 25. 134 sowie de Ian 1893, 103. Stephens’ metapoetische Deutung, die Allusion auf die homerische Schildbeschreibung verwerte für die recusatio die dort geschilderten nicht epischen Singanlässe (2015, 144 f.), ist sicher zu weithergeholt, da das allusive Wort keinerlei inhaltlichen Zusammenhang mit diesem Thema aufweist. Die Synekdoche ‚Dünger–Stall‘ ist eine homerische Reminiszenz (Σ 575 und κ 411 [Rinder ἀπὸ κόπρου ἐπεσσεύοντο und ἐλϑούσας ἐς κόπρον]). 178 (b) καὶ εἰ Στυμφαιίδες εἶεν    Zur Verteidigung der handschriftlichen Überlieferung gegen die anhand von Steph. Byz. 641. 13–15 s. v. Τύμφη (IV 352. 222 Billerbeck–Neumann-Hartmann) gewagte Konjektur Τυμφαιίδες (Ernesti 1761, 128 f. und Meineke 1861, 34 ad loc.) vgl. Pfeiffer 1953 II 57 und 64 in app. ad Σ ad h. 3. 178b (133). Zu dieser Alternativform siehe auch Bornmann 1968, 85 ad loc. Die Herkunftsbestimmung Στυμφαιίδες ist ein gesucht-preziöser Ausdruck, mit dem der Dichter Fachwissen vortäuscht und den der Scholiast (Pfeiffer 1953 II 64 ad loc.) unter Hinweis auf die Vorzüglichkeit der epirotischen Rinder (‚von Stymphai‘) erklärt. Vgl. Σ ad Pind. N. 4. 82a Drachmann III 78 (Berühmtheit der epirotischen Rinderzucht) und Aristot. hist. an. 3. 21, 522B (überdurchschnittlich große Rinder von Epeiros). Die Kombination zweier widerstreitender Elemente, eines – unbeschadet der homerischen Verwendung – naturalistischen Aspektes (κόπρον) mit einer geographischen Feinheit sorgt für die unvergleichliche Wirkung des Verses. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 88.



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Es ist nicht nötig, mit Stephens 2015a, 145 hinter dem Ortsnamen politische Brisanz (Schauplatz von Diadochos-Kämpfen) zu vermuten. 179 εἰναετιζόμεναι κεραελκέες, αἳ μέγ᾽ ἄρισται    Der Versteil vor der bukolischen Diärese ist mit zwei Hapax-Wörtern ausgefüllt (εἰναετιζόμεναι κεραελκέες). Zu εἰναετιζόμεναι vgl. Hesych. 4016 s. v. ἀμφιετιζομένας (I 140 Latte) und IG XIV 1971. 2 (πενταετιζομένη). Zu den neunjährigen Rindern als besonders leistungsstarken vgl. Hes. erg. 436 (βόε ... ἐνναετήρω). V. 437 (τῶν γὰρ σϑένος οὐκ ἀλαπαδνόν) ist Hom. σ 373 verpflichtet. ReinschWerner 1976, 88 f. nimmt im Anschluss an Munding 1955, 62–66 an, die homerische Stelle (σ 355–375) sei der hesiodeischen (erg. 436–440) nachgebildet. Ich will in dieser die Priorität der beiden Dichter betreffenden Frage keine Stellung beziehen, halte aber die Beeinflussung Hesiods von Homer an der fraglichen Stelle auch für möglich (oder im Kontext der oral poetry gar keine direkte Abhängigkeit). Dass Kallimachos beide Stellen berücksichtigte und deren Abhängigkeit voneinander reflektierte (Reinsch-Werner 1976, 90), scheint mir etwas überzogen, da die Hesiod-Nachfolge an dieser Stelle – pace Bing 1988, 87 – nicht besonders markant ist. Vgl. Kuiper 1896 I 92. Die Neunzahl verweist witzigerweise auf das Alter der Nymphen (V. 14 = 43), die am Reigen teilnehmen, zurück, während sie auch auf die Dauer der Verfolgung der Britomartis durch Minos (V. 193) vorausdeutet. Siehe auch Hom. κ 19 (βοὸς ἐννεώροιο). Zu den das Attribut umrankenden Interpretationsschwierigkeiten vgl. Aristot. hist. an. 6. 21, 575B sowie Kuiper 1896 I 92 und ad V. 14 (b). Das Attribut κεραελκέες wurde zu Unrecht als ‚mit den Hörnern ziehend‘ interpretiert (LSJ s. v. κεραελκής, Bredau 1892, 41 und mit einigem Bedenken Bornmann 1968, 85 ad loc.). Vgl. auch Σ ad h. 3. 179 (Pfeiffer 1953 II 64): διὰ τὸ τοῖς κέρασιν ἕλκειν τὸ ἄροτρον und Hesych. 2355 s. v. κερουλκός‧ ὁ τοῖς κέρασιν ἕλκων τὸ ἄροτρον (II 466 Latte). Die Analogie mit dem auf den Bogen bezogenen Attribut κερουλκός hilft insofern weiter, als unter dessen beiden Bedeutungen (Soph. fr. 859. 1 [TrGF IV 561 Radt] [die den Bogen spannenden Bogenschützen] und Eur. Or. 268 [geschwungene Bogen]) die zweite den für das kallimacheische Wort erschließbaren Grundsinn belegt. Denn der Kontext an unserer Stelle erfordert ein Charakteristikum, das die Tüchtigkeit oder Schönheit der Tiere, nicht ihre „Arbeitsweise“, ausdrückt. Es geht also um Rinder mit schön geschwungenem, weit ausladendem Gehörn (so Nigra 1893, 79). In dieser Bedeutung wird das Wort von Nonnos mehrmals (3. 282, 5. 520 usw.) verwendet. Vgl. auch Kuiper 1896 I 92 (Analogie mit homerischem ὀρϑόκραιρος). Der Versschluss nach der bukolischen Diärese erinnert an Hom. σ 371 (tautometrisches οἵ περ ἄριστοι) und Hes. erg. 438 (τὼ ἐργάζεσϑαι ἀρίστω).

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III. Kommentar

Zur epischen Formel vgl. auch Ζ 209, Π 271, Ρ 164; χ 29, ψ 121. Zur Satzstruktur (mit Infinitiv) vgl. ad V. 94 f. 180 τέμνειν ὦλκα βαϑεῖαν   Zu ὦλκα βαϑεῖαν vgl. σ 375: ὦλκα διηνεκέα und Hes. erg. 443: ἰϑεῖαν αὔλακ’ (mit Pind P. 4. 227: ὀρϑὰς αὔλακας). Das Substantiv ὤλξ auch bei Apoll. Rhod. 3. 1054, 1333; Mosch. Eur. 81. Zur standardsprachlichen Variante αὖλαξ vgl. Kall. Ait. fr. 22. 1. Siehe auch Reinsch-Werner 1976, 92 f. Ein etymologisches Spiel mit dem Stamm (ἕλκ-) ist wegen der Nähe von κεραελκέες (V. 179) und ὦλκα (mit αὖλαξ aus ἕλκ[‚gezogene Furche‘]) gut möglich. 180 f. ϑεὸς οὔποτ᾽ ἐκεῖνον / ἦλϑε παρ᾽ Ἠέλιος καλὸν χορόν   Die nächste Parallele des auf seiner himmlischen Laufbahn innehaltenden Helios, der Athenes Waffenablage mit Bewunderung verfolgt, ist Hom. h. 28. 13–16: ... στῆσεν δ’ ῾Υπερίονος ἀγλαὸς υἱὸς / ἵππους ὠκύποδας δηρὸν χρόνον εἰσότε κούρη / εἵλετ’ ἀπ’ ἀϑανάτων ὤμων ϑεοείκελα τεύχη / Παλλὰς ᾿Αϑηναίη. Vgl. Brioso Sánchez 1986, 68. Für eine subtile Allusion auf den homerischen Apollon-Hymnos vgl. ad V. 140 f. (a). Zu Chortänzen, die jeweils von einem Gott/einer göttlichen Personifikation, wie hier von Helios, beaufsichtigt werden, vgl. h. 2. 85–96 (von Apollon [V. 90] überwachter Waffentanz anlässlich der Karneen), h. 3. 240–247 (Waffentanz der Amazonen unter den staunenden Blicken der Eos [V. 249 f.]), h. 4. 300–315 (festliche Tänze auf Delos, von Hesperos bewundert [V. 302 f.]) und h. 6. 7 (des Festzugs ungeduldig harrender Abendstern). Vgl. Garriga 1988, 18 und Ambühl 2005, 282 Anm. 254. Zum Nachleben dieses Motivs vgl. Hor. c. s. 9–12 (Sonne und Rom) und Goethe, Römische Elegien 15. 26–28 mit McKay 1971 passim. Ein Gegenbild zum beharrlich-unablässigen Tanz der Nymphen ist der Flattersinn Medeias bei Apollonios Rhodios (3. 949–951), die wegen ihres Liebeskummers nicht ganz in der Tätigkeit des Singens aufgeht und von einem Lied zum anderen springt. Meineke 1861, XI hat sich an der vom Bezugswort getrennten Apposition ϑεός gestoßen. Obwohl dies angesichts der Eigenwilligkeit der kallimacheischen Wortfolge unbedenklich wäre, hat die Prolepse von ϑεός hier, wie Ukleja 2005, 70 Anm. 321 erkannt hat, eine konkrete Funktion: Sie soll beim Leser die Erwartung erwecken, ϑεός würde sich nach V. 173: δαῖμον und 174: ἦλϑες auf die Göttin Artemis beziehen. Zum Spiel mit Erwartung und Aufschluss vgl. Plantinga 2004, 264 Anm. 37 und 271 unter Hervorhebung des erotischen Aspektes des Blickes (vgl. Hom. Π 181–183 [Hermes und Polymele im Chor der Artemis]). Man wird im nächsten Vers eines Besseren belehrt (ἦλϑε ... Ἠέλιος). Obendrein suggeriert die Mittelstellung von Helios im Satz das Verharren der Sonne im Zenit des Himmelsgewölbes (abbildende Wortstellung). Ähnlich auch Stephens 2015a, 145.



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Michalopoulos 2003, 165 erwägt auch ein verstecktes etymologisches Spiel mit den phonetisch zusammenklingenden Elementen ϑεός ~ ϑεῆται (‚der Gott, der alles überschaut‘: Eucherius instr. 2 p. 159. 20 f. [CSEL 31 Wotke]) und vergleicht Ovid met. 4. 171 f. Siehe auch ad V. 249 (ϑεώτερον). Die ähnliche Bewunderung, die Apollon dem Tanz der Kyreneer zollt (h. 2. 93: οὐ κείνου χορὸν εἶδε ϑεώτερον ἄλλον ᾿Απόλλων), lässt hinter Helios auch Apollons Gestalt aufdämmern (zum Synkretismus ‚Apollon–Helios‘ vgl. McKay 1976 passim), was nicht nur an die geschlichtete Geschwisterrivalität erinnert, sondern auch eine Allusion auf Hom. h. Ap. 371–374 darstellt, wo unerwartetermaßen Helios statt Apollon die Szene betritt (er lässt die Schlange Python verwesen), wodurch die beiden in eins gesehen werden (Ukleja 2005, 70 f.). Das Wort χορός könnte hier – nach Hom. Σ 590; ϑ 260, 264 usw. – den Reigenplatz bezeichnen, aber auch die gewöhnliche Bedeutung ‚Chor‘ (als Gesamtheit von Nymphen) ist ohne Tadel. Der Ausdruck καλὸν χορόν steht tautometrisch in einem den Reigentanz der Göttin in Delphi beschreibenden Vers des homerischen Artemis-Hymnos (h. 27. 15: Μουσῶν καὶ Χαρίτων καλὸν χορὸν ἀρτυνέουσα). Vgl. auch Hom. h. Ven. 261 (καλὸν χορόν ἐρρώσαντο [Oreiaden]) sowie Brioso SÁnchez 1986, 70. 181 f. ἀλλὰ ϑεῆται / δίφρον ἐπιστήσας  Die Präteritumsform ἐϑεῆτο kommt bei Hippokrates (nat. puer. 7. 490. 12 Littré) vor. Vgl. Cahen 1930, 131. Kallimachos dürfte aber das Wort nicht der ionischen κοινή entnommen (so Bornmann 1968, 86 ad loc.), sondern sich auf die zenodoteischen Lesarten im Homer-Text (z.B. Α 56 [göttliches Schauen] und 198: ὁρῆτο [am Versende tautometrisch zu ϑεῆται]) bezogen haben. Vgl. Kuiper 1896 I 92. Auch Rengakos 1993, 79 Anm. 1 erwägt diese Möglichkeit, entscheidet sich jedoch dagegen, weil der Dichter auf die betreffenden homerischen Stellen inhaltlich nicht anspiele. Aber die semantische Ähnlichkeit (ὅρα- ~ ϑέα-) gepaart mit dem metrischen Aspekt lässt die Allusion über jeden Zweifel erhaben erscheinen. 182 τὰ δὲ φάεα μηκύνονται   Das spondeische Ende (μηκύνονται) drückt die außerordentliche Ausdehnung der Tagesstunden, mithin die Verlangsamung und das Hinauszögern der Zeit aus. Vgl. Stephens 2015a, 145 und Kapitel I 6, 92. Garriga 1988, 14 f. macht die interessante Bemerkung, dass die Längung auch eine technische Bedeutung haben und sich reflexiv auf das lange Alpha von φάεα beziehen könnte. Damit wäre zugleich die metapoetische Lesart der Passage bestärkt (‚Längerwerden der Tage‘ ~ ‚Hinauszögern des Schlusses des Hymnos‘). Das Verrücken der Zeitgrenzen zugunsten des Tages prägt auch die Beschreibung der „weißen Nächte“ im Laistrygonierland (Hom. κ 84–86, hier allerdings auf das Weiden bezogen), wo dieses kosmische Phänomen ebenso aus dem Blickwinkel der in Lohn und Brot

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III. Kommentar

stehenden Hirten dargestellt wird. Vgl. Bing 1988, 88 f. Nach Bornmann 1973–1974, 419 denke Kallimachos die bei Homer beschriebenen Tag-undNacht-Verhältnisse radikal-realistisch zu Ende, woraus sich die nicht ohne Ironie geschilderte extreme Situation ergibt. Dass die Sonne – im Widerstreit mit einer drängenden Instanz (Hera und Odysseus) – länger verweilen möchte, erscheint auch Hom. Σ 239 f. und ν 28–30. Vgl. Brioso SÁnchez 1986, 69 und Garriga 1988, 18 f. Diese Saumseligkeit wird bei Properz (1. 3. 31–33) dem Mond zugeschrieben, der sich vom Anblick der Schönen nicht trennen will. Ähnlich, aber ohne die Intentionalität der (personifizierten) Himmelskörper/-erscheinungen, die dabei eine Rolle spielen, wird die Nacht von Athene angehalten, so dass die Zeit, die Odysseus und Penelope miteinander zubringen, länger wird (ψ 241–246). Für naturwidrige Eingriffe in den Zyklus der Sonne vgl. Eur. Iph. T. 816 sowie Or. 1001 f. (Atreiden-Geschichte) mit Kuiper 1896 I 91 f. Zur natürlichen Längung der Lenztage vgl. Hom. σ 367 = χ 301 (ἤματα μακρὰ πέλονται) und Apoll. Rhod. 4. 961 (μηκύνεται ἤματος αἶσα). Für ‚φάεα = Tage‘ vgl. Kall. h. 6. 82, Aischyl. Pers. 261 und Eur. Bacch. 425. Zum Neutrum Plural mit pluralischem Prädikat vgl. h. 2. 41 mit Williams 1978, 45 ad loc. sowie h. 4. 142. Nymphenkatalog (V. 183–224) 183–185 τίς δὲ νύ τοι — ἑταίρας   Auf die lange Periode, die als Überleitung von der Narration zum Katalog dient, folgen kurze, staccatoartige Fragen. So kann der Unterschied der langatmigen Erzählung von der stichpunktartigen Aufzählung „hautnah“ erlebt werden. Zugleich weicht die Unbestimmtheit des Ortes und der Identität der Nymphen einer „pingeligen“ Aufschlüsselung der wichtigsten Kultorte und Lieblingsnymphen. Vgl. Bornmann 1968, 87 ad 183–224. Für die Fragen des Narrators, der in die Erzählung eingreift, um ihre Struktur offen- und festzulegen, vgl. V. 113– 119. Wie dort, handelt es sich auch hier um Fragen und Antworten, die nach dem Gesetz der wachsenden Glieder strukturiert sind (vier kürzeren Fragen/ Antworten folgt eine längere Frage/Antwort). Während aber dort die Fragen gleich beantwortet werden, kommen hier Fragen und Antworten gebündelt vor, wobei die Reihenfolge durchbrochen wird (Fragen: ABCDE; Antworten: ADBCE). Fragen und Antworten sind von einem Satz (V. 186) getrennt, in dem die Göttin um Hilfe angefleht und die Person des Erzählers (ἄμμιν, ἐγώ) der Adressatin des Hymnos und Inspirationsquelle gegenübergestellt wird. Dieser Anruf erweckt den Eindruck, die Antworten seien die Wiederholung der von Artemis erhaltenen Auskünfte, ohne dass sie selbst das Wort



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in oratio recta ergriffe (der Sprecher bleibt durchgehend der Dichter). Vgl. Harder 1992, 388. Zur Struktur der Passage vgl. Bundy 1972, 67 f. (Auswahlverfahren angesichts der Größe des Themas). Er zieht auch Pind. O. 2. 1–7 heran, wo drei thematische Fragen gestellt und in derselben Reihenfolge beantwortet werden. Dornseiff 1936, 735, Bing/Uhrmeister 1994, 30 und Plantinga 2004, 267 vergleichen die metapoetisch angelegten Fragen in Hom. h. Ap. 19–29 und 207–215 (wie bei Kallimachos nach der Beschreibung des Reigentanzes auf dem Olymp). Morrison 2011, 344 erwähnt Hom. Ε 704 f. (τίνα πρῶτον, τίνα ... ὕστατον), wo es um die Reihenfolge der Zweikämpfe geht. Während aber bei Homer die aporetischen Fragen die unerschöpfliche Fülle des Gegenstandes (Apollons Preis) andeuten, richtet Kallimachos konkrete Fragen an seine Protagonistin. Vgl. Bundy 1972, 67. Nach Fain 2004, 53 verbinden diese Fragen das aitiologische Interesse mit dem hymnischen Formelgut (Aporie-Fragen). Petrovic 2007, 147 f. vergleicht ein Epigramm (SGO 01/12/02 Merkelbach/Stauber), in dem Aphrodite über die Stadt Halikarnassos befragt wird. Wie aber Petrovic selbst bemerkt, handelt es sich hier um den fiktiven Dialog des Gedichts mit dem ehemaligen Standbild der Göttin, während bei Kallimachos der Austausch einen literarischen Charakter trägt, da Artemis nur auf der narrativen Ebene des Hymnos gegenwärtig ist. Der großflächige geographische Umkreis der Macht der Göttin erinnert an Hom. h. Ap. 141–146. Die Imitation des homerischen Apollon-Hymnos lässt das Katalogartige des Schlussteils des Hymnos keineswegs als künstlerisches Manko, sondern als bewusste Absicht des Dichters erscheinen, durch das Kallimachos seinen Vorgänger, wie die Göttin ihren Bruder, zu übertrumpfen gedenkt. Vgl. Dornseiff 1936, 735 f. sowie Kapitel I 2, 15 f. 183 ποῖον δ᾽ ὄρος εὔαδε πλεῖστον   Für die epische Aorist-Form εὔαδε (aus *ἐϝαδεν) vgl. z.B. Hom. Ξ 340‚ Ρ 647; π 28; Apoll. Rhod. 1. 697, 2. 501. Die Formel lautet ἐπεὶ / ὣς γὰρ νυ τοι εὔαδε ... (am Versschluss), aus der Kallimachos die Partikelverbindung νύ τοι gegen den Anfang des Verses versetzt (so z.B. Hom. Γ 183), das Verb aber an derselben Stelle behält. Zum Gefallen einer Gottheit vgl. Hom. h. Ap. 21–23 (Allgegenwärtigkeit des Gottes), h. Ven. 9 (in negativer Form in Bezug auf Athene), 18 (Artemis), 14. 4 (Zuständigkeitsgebiet der Magna Mater) sowie Hor. c. s. 7 (dis, quibus placuere colles). Inhaltlich verwandt sind Hom. h. Ap. 146 (ἐπιτέρπεαι) und Kall. h. 4 29 (ϑυμῆρες). Vgl. auch Bundy 1972, 65 (rhapsodic ἅδον = eine Form des zeitlos-gnomischen Aorists), D’Alessio 1996, 118 Anm. 41 (Pind. I. 7. 1–15 [V. 3: εὔφρανας in Frageform in Bezug auf Thebens Sternstunden in seiner Geschichte]) und Faulkner 2005 passim (vor allem 66 f.: ‚om-

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III. Kommentar

nitemporal aorist‘ im generischen Kontext der aretalogischen Hymnenteile, sowie 70: Ausdrücke der Vorliebe wie εὔαδεν usw.). Zu anaphorischen Interrogativpronomina in rhetorischen Fragen vgl. Fehling 1969, 189. Zur Variation τίς – ποῖον – τίς – ποίη – τίνα vgl. Lapp 1965, 59. Bornmann 1968, 87 ad loc. ist mit homerischen Parallelen rasch bei der Hand (ν 233 [τίς – τίς – τίνες mit νήσων an derselben sedes wie V. 183] und π 222 f. [ποίῃ –τίνες]), die jedoch nur in formaler Hinsicht vergleichbar sind. 184 f. τίς δὲ λιμήν, ποίη δὲ πόλις; τίνα δ᾽ ἔξοχα νυμφέων / φίλαο   Die Eigenständigkeit dieser Frage wird auch durch das eigene Prädikat (φίλαο) angedeutet. Vgl. Bundy 1972, 67. Die Vorzugsnymphe stellt eine engere Schnittmenge der umfänglicheren Kategorie der das Geleit der Göttin bildenden Frauengestalten dar. Der Katalog der Heroinnen und Nymphen erinnert an den hesiodeischen κατάλογος γυναικῶν. Vgl. Bing 1994, 32 Anm. 38. Kallimachos alludiert auf Hom. Ε 61 (ἔξοχα γάρ μιν [Harmonides] ἐφίλατο Παλλὰς Ἀϑήνη), einen Vers, der auch auf Pindar Eindruck gemacht hatte (O. 2. 26: φιλεῖ δέ νιν [Semele] Παλλὰς αἰεί). Vgl. Kuiper 1896 I 93 und ad V. 189 f. Zur epischen Klausel ἔξοχα  am Versende vgl. Bornmann 1968, 88 ad loc. Bulloch 1985a, 165 ad h. 5. 58 (φίλατο [Athenes Liebe für Chariklo]) hebt die archaisierende Form (φίλα-) und Verwendung (bei Homer und Hesiod von der Liebe der Gottheiten für Sterbliche) hervor (Poseid. fr. 705. 9 SH = ep. 118 A–B; Kall. Ait. fr. 43. 53; Apoll. Rhod. 3. 66, 1002, 4. 990). Vgl. auch Kleinknecht 1939, 326 f. (Motiv der ϑεοφιλία). Die Zäsur nach der Hephthemimeres (= viertem Longum) ist sehr selten mit einer Binneninterpunktion verbunden. Eine Bedingung dafür scheint die Interpunktion hinter der Trithemimeres (= zweitem Longum) und die klingende Mittelzäsur zu sein (Maas 19273, 23). 185 καὶ ποίας ἡρωίδας ἔσχες ἑταίρας;   Zur weiblichen Form ἡρωίς vgl. Pind. P. 11. 7 (thebanische Heroinnen) und Kall. fr. 602. 1 (Schutzheroinnen Libyens). Eine ähnliche Bildung ist ἡρωίνη (Kall. h. 4. 161; Theokr. 13. 20, 26. 36). 186 εἰπέ, ϑεή, σὺ μὲν ἄμμιν, ἐγὼ δ᾽ ἑτέροισιν ἀείσω   Zur Form ϑεή vgl. ad V. 119 und 152 sowie Bornmann 1968, 88 ad loc. Die Fragen des Dichters bezüglich der Göttin sollen von Artemis selbst beantwortet werden, die als Betroffene die Richtigkeit der Angaben am ehesten verbürgen kann. Damit wächst Artemis in die Rolle einer Muse sui generis – noch mehr als V. 136 f. – hinein. Vgl. Bing 1994, 32 und Morrison 2011, 345. Hutchinson 1988, 69 f. kontrastiert die Wärme der beseelten Hinwendung zur Göttin in V. 136 f. mit der nüchtern-objektiven Erkundigung in V. 186. Dieses Rollenverständnis wird auch dadurch klar, dass die Prätexte des Verses alle die



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Muse auf den Plan rufen. Die Gegenüberstellung der musischen Inspiration und der dichterischen Verkündigung hat ihren klassischen Ausdruck in einem Pindar-Vers gefunden (fr. 150: μαντεύεο, Μοῖσα, προφατεύσω δ’ ἐγώ). Zur Interpretation und Vermittlung der Worte der Musen vgl. Theokr. 16. 29 (Μοισάων ... ὑποφήτας), 17. 115 (Μουσάων ... ὑποφῆται) mit Asper 1997, 102 Anm. 341 und Apoll. Rhod. 4. 1381 f. (ὑπακουὸς ἀείδω / Πιερίδων). Dieser letztere Vers scheint eine Palinodie des gegenteiligen Verhältnisses zwischen Musen und Dichter (Apoll. Rhod. 1. 22: Μοῦσαι δ’ ὑποφήτορες εἶεν ἀοιδῆς: Primat des Dichters, Dolmetscherrolle der Musen) zu sein. Anders Gow 1950 II 398 ad Theokr. 22. 116 f. Dem kallimacheischen Wortlaut sehr nahe kommt Theokr. 22. 116 f.: εἰπέ, ϑεά, σὺ γὰρ οἶσϑα· ἐγὼ δ’ ἑτέρων ὑποφήτης / φϑέγξομαι ὅσσ’ ἐϑέλεις σὺ καὶ ὅππως τοι φίλον αὐτῇ (nach einer metapoetischen Frage), was Kallimachos’ Vorlage gewesen sein kann. Zum Abhängigkeitsverhältnis vgl. Gercke 1887, 598 f. Gow 1950 II 397 ad loc. lässt die Frage der Beeinflussung offen. Herter 1937, 202 f. will die Kallimachos-Stelle von jeder Allusion (entweder auf Theokrit oder Apollonios) befreien, da hier keine Muse, sondern Artemis erscheine. Aber die Freiheit der Variation muss doch dem Dichter eingeräumt werden, wobei eine Anspielung auf Museninvokationen gerade dazu dient, Artemis als Muse auftreten zu lassen. Eine ähnliche Formulierung scheint der (hypothetische) Musenanruf zwischen Prolog und Somnium der Aitia enthalten zu haben: ἀμν]ήσαιτε∙ ἀναμνήσαιτέ μ[ε / πύ]ϑ̣ωνται̣∙ ἀκούσωσι̣ (Kall. Ait. fr. 2g 7 f. Harder) Vgl. Kerkhecker 1988, 21–24 und Harder 1993, 11 f. Vgl. auch h. 4. 82 f.: ἐμαὶ ϑεαὶ εἴπατε Μοῦσαι, / ἦ ῥ᾽ ἐτεὸν ἐγένοντο τότε δρύες ἡνίκα Νύμφαι; mit Harder 1988, 8 und Morrison 2011, 345. Zum epischen Charakter von ἄμμιν ... ἑτέροισιν vgl. Bornmann 1968, 89 ad loc. Es handelt sich allerdings nicht nur um die Göttin als mythische Person, sondern auch um ihre literarische Persona. Dies lässt die Invokation doppelbödig erscheinen: Kallimachos invoziert zur Unterstützung seiner hymnischen Tätigkeit eine göttliche Macht, die er selbst dichterisch erschaffen hat. Die Antworten könnten von Artemis selbst stammen, werden allerdings eindeutig vom Dichter vorgetragen, da Artemis durchweg in zweiter Person apostrophiert wird. Hinter der episch-chorlyrischen Bescheidenheit versteckt sich also ironisch das Selsbtbewusstsein der souveränen Dichterpersönlichkeit, die Artemis durch Belesenheit und πολυμαϑίη zum Leben ruft, um dann eine Unterordnung unter ihre musische Macht vorzutäuschen. Vgl. Bing 1988, 31 sowie 36 und Plantinga 2004, 267 f. Zu dieser Täuschung gehört auch die Ausdrucksweise oralen Zuschnitts (εἰπέ ... ἀείσω), hinter der sich eine reiche schriftlich-literarische Tradition verbirgt. Das Verb ἀείσω erinnert an V. 1 (ἀειδόντεσσι) und weist auf das Schlusswort des Schlussverses 268 (ἀοιδῇ) voraus. Bing 1988, 36 f. ver-

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III. Kommentar

gleicht auch Hom. Π 692 f. (eine Ausnahme im Epos, dessen sich der hellenistische Dichter anzunehmen scheint), wo der Dichter an den Protagonisten der Episode, Patroklos, seine Ergänzungsfragen hinsichtlich der Abfolge des letzten Kampfes richtet. 187 (a) νήσων μὲν Δολίχη   Zu Δολίχη als einer Namensvariante von Ikaros/Ikaria (in der Umgebung von Samos) oder Euboia (Makris) vgl. Steph. Byz. 329. 11 f. s. v. Ἴκαρος (II 274. 45 Billerbeck–Zubler). Anderswo (235. 10 s. v. Δολίχη [II 54, 107 Billerbeck–Zubler]) verlegt Stephanus die Insel in die Nähe Lykiens (mit Verweis auf Kallimachos ohne Zitat oder Stellenangabe). Vgl. Apollod. 2. 132 (Namenswechsel Doliche–Ikaria). Zum Artemis-Kultus (Tauropolos) auf Ikaros vgl. Strab. 14. 1. 19, 639 C, Ail. nat. 11. 9 und Clem. Al. protr. 3. 46. 1 Stählin–Treu. Sowohl Makris als Doliche würden etymologisch ‚Längliche‘ bezeichnen. Zur Gleichsetzung mit Euboia vgl. auch Etym. m. 389. 1–6 s v. Εὔβοια mit Maas 1890, 404. 187 (b) πολίων δέ τοι εὔαδε Πέργη   Die pamphylische Stadt Perge wird in der Literatur hier zum ersten Mal erwähnt. Petrovic 2007, 194 f., 202 f. und 220 mag deswegen Recht haben, wenn sie hier einen Hinweis auf die außer-literarische Wirklichkeit des zeitgenössischen Artemis-Kultus wahrnehmen will. Zum berühmten Artemis-Heiligtum der Stadt Perge vgl. Strab. 14. 4. 2, 667 C, Ps.-Skylax 100 (Geogr. Gr. Min. I 75 Müller), Suda 425 s. v. ἡ Περγαία Ἄρτεμις (II 576 Adler) und Cic. Verr. 2. 1. 54. Zur Verbindung der Artemis mit der kleinasiatischen Stadt siehe auch Schreiber 1884, 593 f., Nilsson 1906, 256 f., Pace 1923 passim und Brackertz 1976, 143–145. Pace 1923, 311–313 nimmt als Ursprung eine lunare Göttin an, die später Artemis angeglichen sei, in ausgeprägter Konkurrenz zu einem solaren Apollon. Das Wort πολίων kommt an derselben metrischen Stelle vor wie V. 184: (δὲ) πόλις. Die Antworten sollen den Leser wundernehmen, da sie mit Angaben aufwarten, die alles andere als trivial sind. Vgl. Wilamowitz 1924 II 58 und Bornmann 1968, XXXIII sowie 89 ad loc.: Statt Ephesos Perge (Stadt), statt Artemision oder Partheneion Taygetos (Berg), statt Munichia Euripos (Hafen), statt Ortygia/Delos Doliche. Auch der Nymphenkatalog hat Überraschungen zu bieten (Britomartis-Diktyna, Kyrene, Prokris, Antikleia, Atalante). 188 (a) Τηΰγετον δ᾽ ὀρέων   Zum „historischen“ Berg Taygetos vgl. Paus. 3. 20. 4. Kallimachos dürfte aber nicht auf einen realen, uns unzulänglich bekannten Artemis-Kult im Gebiet des Taygetos-Berges anspielen, sondern Hom. ζ 103 (Taygetos als einer der Lieblingsaufenthaltsorte der Artemis) evozieren wollen. Damit hätte die literarische Inspiration – im kalkulierten



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Widerspiel zu V. 187 (vgl. oben ad loc. [b]) – wieder den Vorrang vor der kultwirklich-lebensweltlichen. Übrigens steht hier Τηΰγετον in einem epischen Gleichnis, das von Kallimachos im Hymnos öfters bemüht wird (vgl. ad V. 6 [a] und 51), und das Artemis in ihrem Bezug zu Jagd und Reigentanz darstellt, zwei Motiven, die auch im Kontext des Hymnos eine wichtige Rolle spielen, vor allem an unserer Stelle, wo vom Reigen der Göttin zu ihren Jagdgefährtinnen übergegangen wird. Vgl. Plantinga 2004, 269. Darüber hinaus assoziiert der geographische Name Τηΰγετος den der eponymen Nymphe Taygete, die von Zeus verfolgt und durch Artemis in eine Hindin verwandelt wurde (Σ ad Pind. O. 3. 53cd Drachmann I 120 f.). Die strukturelle Ähnlichkeit mit der nachfolgenden Britomartis-Episode (V. 190–205: Verfolgung durch Minos und Verwandlung) mag kein Zufall, sondern ein auf die cognoscenti berechneter Tiefsinn sein. 188 (b) λιμένες γε μὲν Εὐρίποιο   Zur amarynthischen Artemis (Ἄρτεμις Ἀμαρύσια) in Eretria, die das Eponym Kolainis zu tragen scheint, vgl. Strab. 10. 1. 10, 448 C, Paus. 1. 31. 5 sowie Brulé 1993, 58, 61–63 (Gemeinsamkeiten mit dem brauronischen Brauchtum). Die Diegese zum zehnten Iambos des Kallimachos (fr. 200a–b) verzeichnet ein Lob der Artemis Kolainis (dieg. 9. 9–11 Pfeiffer 1949 I 198). Der sonderbare Opferritus für die Göttin in Amarynthos wird auf Agamemnon zurückgeführt (vgl. Pfeiffer 1949 I 198 in app. ad fr. 200b), womit ein latenter Bezug zu V. 228–230 geschaffen wird. Zur Verknüpfung der Euripos-Gegend mit Artemis vgl. auch Stat. Ach. 1. 449 f. (litora multum / montivagae dilecta deae). Zum umrahmenden Doppelchiasmus mit Isokola (νήσων ... Δολίχη ~ πολίων ... Πέργη ~ Τηΰγετον ... ὀρέων ~ λιμένες ... Εὐρίποιο) vgl. Lapp 1965, 40. Zur Partikelverbindung γε μέν vgl. Bornmann 1968, 90 ad loc. Britomartis-Diktyna (V. 189–205) Die Episode besteht aus drei Abschnitten: (1) V. 190–194 wird die Flucht der Nymphe Britomartis vor Minos, der ihr mit erotischen Absichten nachstellt, (2) V. 195–197 ihr verzweifelter Sprung ins Meer und rettendes Sich-Verfangen im Netz der Fischer geschildert, (3) V. 197–203 wird die Gleichsetzung der Nymphe mit Diktyna durch eine poetische Etymologie bekräftigt (δίκτυα ~ Δίκτυναν ~ ὄρος ... Δικταῖον), worauf Angaben zu ihrem Kultus folgen. Es fragt sich, welche Elemente der Narration Kallimachos in seinen (schriftlichen) Quellen vorgefunden und welche frei erfunden hat. Da der Mythos nur in Kallimachos’ Aufarbeitung bekannt ist, kann diese Frage nicht mit Sicherheit beantwortet werden, jedoch sind einige Vermutungen darüber am Platz.

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III. Kommentar

Die Episode (1) scheint althergebrachte siderale Elemente zu enthalten: In Anbetracht der solaren Assoziationen des Charakters des Minos (und seiner Gemahlin Pasiphae, der ‚Allen-Scheinenden‘) ist auch bei der Liaison mit Britomartis an die Liebe des sonnenhaften Minos zur Mond-Britomartis zu denken. Entsprechend erschienen die Flucht und der Meersprung der Nymphe als Abbild des Umherirrens des Mondes und seines Untertauchens im Meer. Vgl. Preller 18723 I 253 sowie 18753 II 120–123 und Roscher 1897, 3144 f., 3157–3161, 3184 f., 3195. Dieser Vorstellung scheint auch der Sturz der von Zeus verfolgten Asteria vom Himmel ins Meer (Kall. h. 4. 37 f.) verhaftet zu sein (zur Parallelisierung von Asteria und Britomartis vgl. Ziegler 1937, 26, Burnett 1985, 34 f. und Faulkner 2010, 58 sowie Kapitel I 1, 8). Zur Kritik dieser astralen Deutung vgl. allerdings bereits Cook 1914 I 541–543. Darüber hinaus stellt der Sprung ins Meer ein weiteres Mythologem dar, das unabhängig von den solaren Affiliationen eine Art Verklärung oder gar einen symbolischen Übertritt zur Unsterblichkeit darstellt. Für weitere Parallelen nebst Britomartis vgl. Guarducci 1935, 195 f., Lesky 1947, 143, Borzsák 1951–1952, 208 und Burnett 1985, 29 f. Das aus diesen Arbeiten zu schöpfende Reservoir an Parallelmotiven kann um den ‚Brunnensprung‘ im Grimm-Märchen Frau Holle ergänzt werden. Zum ‚Brunnenfall‘, der in eine andere Daseinsform hinüberführt, vgl. auch Poseidipp. ep. 131 A–B (= Anth. Pal. 7. 170). Sapphos Sprung vom leukadischen Felsen ist gemäß Nagys Interpretation (1990a, 227–234) mit astralen Motiven und denen des Übertritts in einen anderen (Bewusst)seinszustand gesättigt. Allerdings ist dort die Springende eine von Liebeswahn Ergriffene, wohingegen die keusche Diktyna der Liebe zu entfliehen trachtet.Wenn diese symbolische Deutung zutrifft, muss das Grundgerüst der Episode urtümlich gewesen und kaum auf den hellenistischen Dichter zurückzuführen sein. Die Momente (2) und (3) sind voneinander nicht zu trennen, da der Sprung in die Fischernetze und die etymologische Erklärung des Namens Δίκτυνα einander bedingen. Angesichts der etymologisch-aitiologischen Interessen des Kallimachos ist man versucht zu meinen, er selbst habe die Verknüpfung des Meersprunges mit dem Ursprung des Namens erfunden. So Wernicke 1895, 1372. Der Forscher will auch das Wortspiel bei Aristophanes (Vesp. 368: ἡ δέ μοι Δίκτυννα συγγνώμην ἔχοι τοῦ δικτύου) als einen Stegreifseinfall auffassen, der später Anlass zur narrativen Ausarbeitung gäbe. Es ist aber wahrscheinlicher, dass sich der komische Dichter zu seinem Wortwitz bereits einer bekannten Etymologisierung, mithin einer Verbindung des Meersprunges mit der Namensdeutung, bedienen konnte. Vgl. auch Guarducci 1935, 196. Zur Erfindung der Etymologie müsste Kallimachos aber auch für das Netz-Motiv verantwortlich sein, zumal der Meersprung eine Folge der Ety-



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mologie von Δίκτυνα (‚Netz‘) darstellt. Dagegen spricht allerdings – wie schon bei der Episode der Verfolgung­– das symbolische Substrat des narrativen Momentes der im Netzgeflecht hängen gebliebenen Nymphe, das dem Mythos unmöglich von einem Spät-Aufgeklärten hätte untergeschoben werden können. Ein ähnliches Kultaition bezieht sich auf Artemis Lygodesma, wobei die Göttin an einem Keuschlammgestrüpp hängen bleibt. Vgl. Paus. 3. 16. 11 sowie Nilsson 1906, 190–196 und de Waele 1927, 186 f. (hypothetisch zur reinigenden Kraft der λύγοι). Siehe auch die Geschichte der Artemis Ἀπαγχομένη-Κονδυλέατις, in der einige Kinder aus Kurzweil versuchen, ihr Standbild mit einem Strick zu erdrosseln (vgl. Kall. Ait. fr. 187 mit dem Apparat dazu in Pfeiffer 1949 I 159). Eine Fortsetzung dieses Mythologems ist das Motiv eines von Fischern aus dem Meer herausgezogenen Götterbildes. Vgl. Kall. fr. 197 (= Ia. 7) und Nilsson 1906, 226. Dem Netzgeflecht, durch das Diktyna aufgefangen wird, wohnt nämlich eine Symbolik inne, die bezüglich der sexuell enthaltsamen Nymphen im Gefolge der Artemis vorkommt. Dabei steht der Hingabe an Geschlechtsbegierden (γυνή) die Flucht in den Tod durch Erhängen (παρϑένος) gegenüber. Das erstere wird über das wallende Blut, das letztere über die „trockene“ Schlinge verdinglicht. Vgl. King 1983, 118–122 im Mittelpunkt mit Artemis Ἀπαγχομένη (Nilsson 1906, 232–237) ohne einen Hinweis auf Britomartis. Natürlich kann sich der Tod – wie in der Britomartis-Geschichte – zur Verklärung, das Strickwerk zum ‚Rettungsring‘, der das Ertrinken verhindert, sublimieren. Alles in allem kann festgehalten werden, dass es wohl nur als Zufall betrachtet werden kann, dass eine ausführliche Version der Britomartis-Geschichte vor Kallimachos nicht überliefert ist. Kallimachos wird wohl die gesamte, alle drei Erzählmomente aufweisende Geschichte als Stoff (narration) in einer oder mehreren schriftlichen Quelle(n) vorgelegen haben, aufgrund deren er seine eigene Version (discours) gestaltete. Diese Praxis steht im Einklang mit dem, was bisher für seine Stoffbehandlung im Hymnos festgestellt werden konnte (Bearbeitung schriftlich-literarischer Traditionen). Obgleich die Gattung und Beschaffenheit seiner Vorlage(n) dahingestellt bleiben müssen, lassen sich aufgrund der Zusammenhänge zwischen den Abschnitten (1), (2) und (3) drei Schichten des mythologischen Stoffes unterscheiden: Die Verfolgung der Britomartis durch Minos (1) mag im Angesicht der solaren Tiefstruktur die älteste Schicht gewesen sein. Diese dürfte um die Gleichsetzung der Nymphe mit ihrer Hypostase Diktyn(n)a und dem ἔτυμον ihres Namens (3) erweitert worden sein, was zur gleichzeitigen Erfindung der Fischernetze im Zusammenhang des Meersprungs der Nymphe (2) führte. Dieses Erzählelement mag in jüngerer Zeit hinzugefügt worden sein. Es war allerdings alt genug, um die Verbindung mit der Symbolik des

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III. Kommentar

Netzes im Keusch- und Reinheitskult zu ermöglichen. Kallimachos lagen indes diese Schichten bereits in einer zu einem zusammenhängenden Ganzen verschmolzenen Form vor, an der er tiefgreifende Änderungen nicht vorzunehmen brauchte. Etwas anders Guarducci 1935, 192, die es für möglich hält, dass Kallimachos für die Verschmelzung Britomartis-Diktyna verantwortlich war, wenngleich auch ein älteres Datum des Synkretismus der beiden mythologischen Gestalten nicht ausgeschlossen wird. 189 f. ἔξοχα δ᾽ ἀλλάων ... φίλαο νύμφην / ... Βριτόμαρτιν    Die Antwort wiederholt einen beträchtlichen Teil der Frage (V. 184 f.: ἔξοχα νυμφέων / φίλαο). Wie V. 119 die Frage in eine längere Darstellung des Wirkens der städtischen Artemis mündet, so auch hier in eine länger ausgeführte Version der Britomartis-Episode. Die Gewichtung der entsprechenden Frage (V. 184 f.) hat den Leser schon auf eine detaillierte Antwort vorbereitet. Vgl. Bundy 1972, 67. Zu ἔξοχα δ᾽ ἀλλάων ... φίλαο vergleicht Stephens 2015a, 145 Hom. δ 171 f.: καί μιν ἔφην ἐλϑόντα φιλησέμεν ἔξοχα πάντων / ᾿Αργείων (auch hier homophiles Verhältnis zwischen Menelaos und Odysseus). Zum elativen ἔξοχα, das ein Individuum aus der Menge heraushebt, für das ein bestimmter Sachverhalt in besonderem Maße (aber nicht ausschließlich) zutrifft, vgl. Kuiper 1896 I 93. Zum homerischen Hintergrund der Wendung ἔξοχα δ᾽ ἀλλάων vgl. Bornmann 1968, 90 ad loc. Zu Lieblingsnymphen einer Göttin siehe auch Bulloch 1985a, 163 (h. 5. 57–67 [Chariklo und Athene], h. 6. 29 f. [Henna und Demeter]). Die Verbindungen zu Kreta teilt Artemis mit Apollon (Hom. h. Ap. 388–543 [Anwerbung von Kretern für Delphi]). Vgl. Plantinga 2004, 271 Anm. 69. Die flüchtigen Erwähnungen von Britomartis in der griechischen Literatur sind wie folgt: Diod. 5. 76. 3, Strab. 10. 4. 12, 479 C (mit einem Verweis auf die kallimacheische Version), Paus. 2. 30. 3, 3. 14. 2, 8. 2. 4 und 9. 40. 3, Antonin. Lib. 40. 1–4, Nonn. 33. 333 sowie 343, CIG II 2554. 3. 184 (Schwur der Kreter), Σ ad Eur. Hipp. 146 (auch hier ein Hinweis auf den Hymnos des Kallimachos) sowie 1130 (II 24, 121 Schwartz) und Σ ad Aristoph. Ran. 1359 (IV3 1084 f. Koster). In der lateinischen Literatur kommt der Name ‚Britomartis‘ nur im pseudo-vergilischen Gedicht Ciris (V. 295 f.: Britomartis; V. 305: Dictynna) und bei Claudianus de cons. Stil. 3. 251 (Cretaea … Britomartis ab Ida – zum kallimacheischen Einfluss vgl. V. 254: Opis [hier ein hyperboreisches Mädchen] und h. 3. 204: Οὖπι) vor: der Name ‚Dictyn(n)a‘ beherrscht das Feld. Vgl. ad. V. 197 f. Zu den epigraphischen Belegen der beiden Namen vgl. Chaniotis 2001, 216 Anm. 25. 190 ἐλλοφόνον ... ἐύσκοπον   Das Attribut ἐλλοφόνος ist ein Hapax in der gesamten griechischen Literatur – abgesehen von CIG III 5943, PGM



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4. 2722 (I 158 Preisendanz) (2. Jh. n. Chr.) und Etym. m. 331. 54–56 (auch an diesen Stellen als Attribut der Artemis; vgl. Stephens 2015a, 146). Es scheint als Variation zu ἐλαφηβόλος (vgl. Hom. h. 27. 2 und Kall. h. 3. 262) mithilfe des homerischen Hapax ἐλλός (τ 228) gebildet zu sein. Durch die Zuweisung des Attributs an Britomartis wird die Gleichsetzung der Nymphe mit Artemis (vgl. ad V. 204 f.) vorbereitet. Vgl. Bredau 1892, 28, Schmitt 1970, 144 Anm. 35 und Plantinga 2004, 270 Anm. 64. Das sonst Hermes zustehende Attribut ἐύσκοπος kommt bei Homer einmal neben ἰοχέαιρα (λ 198) vor (auch dort vor der bukolischen Diärese). Das Attribut könnte einen flüchtigen Hinweis auf die Mondhaftigkeit der Göttin enthalten (vgl. ad V. 193 [a] und 204). 190 f. ἧς ποτε Μίνως / πτοιηϑεὶς ὑπ᾽ ἔρωτι   Zum Wortlaut der Versklausel ἧς ποτε Μίνως vgl. Hom. τ 178: ἔνϑα τε Μίνως. Das Relativpronomen mit ποτέ nach der bukolischen Zäsur zur Einleitung einer narrativen (meistens genealogischen) Digression ist altepische Usanz (Hom. Δ 474, λ 281, χ 290; Hes. theog. 409, erg. 651), die auch von den hellenistischen Dichtern kultiviert wurde. Vgl. Kall. Ait. fr. 75. 54 (mit Harder 2012 II 635 ad loc.), h. 3. 206, 4. 308 sowie Apoll. Rhod. 1. 177, 1129, 2. 2, 4. 433, 1491. Für weitere Beispiele vgl. West 1966, 161 ad Hes. theog. 22 (Formel am Versanfang) und Bornmann 1968, 91 ad loc. Das Verb πτο(ι)έω wird mit erotischen Konnotationen (‚leidenschaftlich erregt sein‘) verwendet (z.B. Mimn. fr. 5. 2 = Thgn. 1018 W2 [πτοιῶμαι], Sapph. fr. 31. 6 Voigt [καρδίαν ... ἐπτόαισεν], Eur. Iph. A. 585 f.: ἔρωτι ... ἐπτοάϑης [Paris beim Anblick Helenas]), während es sich bei Homer durchweg auf die Furcht (vgl. lat. paveo) bezieht (σ 340 [aktiv], χ 298 [passiv]). Eine besondere Bedeutung hat das Verb bei Hes. erg. 447 (‚abgelenkt werden‘). Vgl. LSJ s. v. und Kuiper 1896 I 94, der den Einfluss der tragischen Sprache vermutet, was nicht sicher ist, da die erotische Bedeutung auch in der elegischen und lyrischen Gattung belegt werden kann. Zur kausalen Wendung ὑπ᾽ ἔρωτι vgl. V. 159 (ὑπὸ δρυΐ) und Bornmann 1968, 91 ad loc. 191 κατέδραμεν οὔρεα Κρήτης   Zur einzigartigen Bedeutung (anders Ait. fr. 108) des Verbs κατατρέχω (‚durch etwas laufen‘) statt des gewöhnlichen ‚überfallen‘ vgl. Stephens 2015a, 146. Siehe auch Hom. h. 19. 12 (διέδραμεν οὔρεα μακρά [Pan]). 192 f. (a) ἡ δ᾽ ὁτὲ μὲν ... κρύπτετο νύμφη, / ἄλλοτε δ᾽   Zur Wendung vergleicht Kuiper 1896 I 94 Hom. Λ 64 f.: ὁτὲ μέν ... / ἄλλοτε δ᾽, wobei dem Versteckenspiel (κρύπτετο) der Nymphe Hektors Allgegenwärtigkeit (φάνεσκεν) im Heere gegenübersteht. Siehe auch Υ 49 f.: ὁτὲ μὲν ... / ἄλλοτ᾽ (Athene) [tautometrisch].

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III. Kommentar

Zur Distanzstellung des demonstrativ verwendeten bestimmten Artikels vgl. ad V. 68 f. mit Stephens 2015a, 28 und 147. Die Wortstellung könnte in diesem Fall auch das Sich-Verstecken der Nymphe vor ihrem Verfolger malen (V. 190: Μίνως und V. 193: ὁ in beträchtlicher Entfernung). 192 f. (b) λασίῃσιν ὑπὸ δρυσὶ ... εἱαμενῇσιν   Das Attribut λασίῃσιν bedeutet hier das dichte Laub als ideales Versteck (Hom. Λ 118: δρυμὰ πυκνά καὶ ὕλην), mithin wird es unhomerisch verwendet (vgl. auch ad V. 76 f.). Siehe auch Theokr. 26. 3 (λασίας δρυός) und Apoll. Rhod. 2. 1145a (λασίοισιν ἐπὶ δρυὸς ἀκρεμόνεσσιν). Darüber hinaus benutzt Homer neben δρῦς meistens das Attribut ὑψίκομος (ι 186, μ 357 usw.). Kallimachos weicht hier also in zweierlei Hinsicht (Wahl und Gebrauch des Attributs) von Homer ab. Kuiper 1896 I 94 vemutet attischen Einfluss, aber dies ist nicht verbürgt. Zu εἱαμενῇσιν ‚Niederungen‘ vgl. Hom. Δ 483, Ο 631 (tautometrisch, aber in Singular). 193 ὁ δ᾽ ἐννέα μῆνας ἐφοίτα   Die zweite Hälfte des Verses 193 folgt einem homerischen Muster. Vgl. Η 161: οἱ δ’ ἐννέα πάντες ἀνέσταν, Π 785: τρὶς δ’ ἐννέα φῶτας ἔπεφνεν; λ 577: ὁ δ’ ἐπ’ ἐννέα κεῖτο πέλεϑρα. So auch Kall. h. 6. 82: ὁ δ’ ἐννέα φάεα κεῖται. Vgl. Bulloch 1977, 107. Die Neunzahl (der Monate) ist mit Minos assoziiert und hat – über die unbestimmte Zeitperiode par excellence hinaus – eine zeitsymbolische Bedeutung. Vgl. Hom. τ 178 f.: ἔνϑα τε Μίνως / ἐννέωρος [neunjährige Herrschaftszyklen] βασίλευε Διὸς μεγάλου ὀαριστής (mit [Plat.] Min. 319D–E), Plut. Thes. 15. 1 (Steuererhebung in jedem neunten Jahr) sowie Preller 18733, 119 und ad V. 14 (b). Nach Roscher 1904, 57 ist die Neun Artemis-Selene heilig. Wenn die Zahl der Monate nicht von Kallimachos hinzuerfunden wurde, mithin zur urtümlichen Schicht der Narration gehört, repräsentiert sie auch hier den ennaeterischen Jahreszyklus (vgl. Pind. fr. 133. 2 [Wiedergeburt nach neun Jahren]), was der solaren Symbolik des Mythos Vorschub leistet. Die Verwandlung der Jahre zu Monaten dürfte zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein, um die Plausibilität der Geschichte zu gewährleisten.Vgl. Rapp 1884, 823. Zu den neunjährigen Rindern der Bauernszene vgl. ad V. 179. Zum unbelegten transitiven Gebrauch des Verbs φοιτάω vgl. Cahen 1930, 134 f. (Analogie von πηδάω bei Soph. Ai. 30) und V. 195 (ἥλατο). 194 (a) παίπαλά τε κρημνούς τε   Das kallimacheische Hapax παίπαλα, das auf dem homerischen Adjektiv παιπαλόεις (‚zerklüftet‘) beruht als ein aus diesem abgeleitetes Nomen, ist gebildet aus dem Grundwort von δυσπαίπαλος (Archil. fr. 190 W2, Nik. Ther. 145, Opp. hal. 2. 369) und δυσοδοπαίπαλος (Aischyl. Eum. 387). So Leumann 1950, 239 unter Hinweis auf Σ ad Aristoph. Nub. 260e (παίπαλα καλοῦμεν τὰ τῶν χωρίων δύσβατα). Kuiper 1896 I 95 erblickt in κρημνούς (sonst Hom. Φ 26 an derselben se-



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des) eine Verdeutlichung des dunklen Wortes, aber dazu müssten die beiden Begriffe identische Bedeutung haben, was jedoch nicht zutrifft (παίπαλα = ‚schroffe Wege‘ vs. κρημνούς = ‚steile Abhänge‘). Das Wort παίπαλα dürfte angesichts seiner Wortfamilie dem versierten Leser durchsichtig genug gewesen sein, um keine zusätzliche Erläuterung zu erfordern. Scheer 1866, 19 Anm. 9 wollte παίπαλα mit homerischem πολυπαίπαλος (‚durchtrieben‘) verbinden, aber dies ist wegen des semantischen Unterschieds weniger wahrscheinlich. Zur vertrackten Problematik des Zusammenhangs von παιπάλη (‚feines Mehl‘ und ‚Schlitzohr‘) und den Derivaten *-παίπαλ- (‚schroff‘) vgl. Leumann 1950, 239–241 und Frisk 1970 II 461 f. 194 (b) καὶ οὐκ ἀνέπαυε διωκτύν  Das Hapax διωκτύν ist darauf hin berechnet, einen phonetischen Anklang an den Namen der Nymphe Δίκτυνα zu bilden und auf dessen etymologische Erklärung vorzubereiten (V. 198 f.). Vgl. Stephens 2015a, 147 und ad V. 195 (a). Bornmann 1968, 93 bemerkt die Vorliebe des Dichters für das Formans -τυς und erinnert daran, dass Formen von διωκ- bei Homer immer am Versschluss vorkommen. Zum accusativus rei neben ἀνέπαυε (‚pausieren‘) vgl. Soph. Trach. 1262 und LSJ s. v. ἀναπαύω, was Homer fremd ist, der entweder ἀναπαυ- mit accusativus personae (und genitivus rei) oder das Simplex mit accusativus rei verwendet (z.B. Ρ 549 f. und Η 29). 195 (a) μέσφ᾽ ὅτε   Die Konjunktion μέσφ᾽ ὅτε (so auch Hec. fr. 69. 4 und 70. 5 Hollis) mutet zwitterhaft an, da sie die Doppelkonjunktion ἕως ὅτε mit dem homerischen (Θ 508) μέσφ(α) (Kall. h. 4. 47 [mit ἐς räumlichpräpositionell] und 5. 55 [zeitlich-adverbiell]) verquickt. Vgl. Cahen 1930, 135. Kuiper 1896 I 96 und Rengakos 1993, 150 f. vermuten den Einfluss der fehlerhaften varia lectio zu τ 223 = ω 310 (μέσφ᾽ ὅτε). Aber die Häufung von Konjunktionen ist ein Charakteristikum der κοινή-Sprache, deren Einfluss hier vorliegen könnte (ähnlich h. 2. 48: ἐξότε, und vgl. auch V. 28: μέχρις ἵνα). 195 (a) μαρπτομένη καὶ δὴ σχεδὸν ἥλατο πόντον  Die Verbindung δὴ σχεδόν ist homerisch (z.B. Γ 15, Ε 14), aber das Adverb hat in der epischen Sprache stets räumliche Bedeutung (anders als reines σχεδόν, das auch temporal ist). Vgl. Kuiper 1896 I 96 und LSJ s. v. σχεδόν sowie Denniston 19542, 250 f. (vivid perception by eye: ... ‘see there!’). Nach διωκτύν (V. 194), das auf den nachfolgenden Namen der Nymphe hinweist, bezieht sich μαρπτομένη auf Βριτόμαρτιν (V. 190) zurück. Darüber hinaus könnte μαρπτομένη auf eine lokale Namensvariante Britomarpis (vgl. Larson 2007, 177) hinweisen.

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III. Kommentar

Das Verb des Springens steht bei Kallimachos h. 4. 37 (βαϑὺν ἥλαο τάφρον: Meersprung der Asteria, um Zeus’ Liebe zu entrinnen) an derselben metrischen Stelle. Beide Male wird das intransitive Verb mit Akkusativ verwendet. Kuiper 1896 I 96 vergleicht Hom. Μ 438 und Π 558: ἐσήλατο τεῖχος, wo allerdings das Verbalpräfix einen Unterschied macht. Siehe auch Hom. Α 532: εἰς ἅλα ἆλτο βαϑεῖαν (Thetis). Vgl. Aulin 1856, 71 und V. 235 (οὔρεα πλαζομένας) und 261 (πόλιν ἦλϑον). 196 f. πρηόνος ἐξ ὑπάτοιο καὶ ἔνϑορεν εἰς ἁλιήων / δίκτυα    Zur unkon­ trahierten Form πρηόνος vgl. ad V. 52 (a). Dass hier das Wort an die furchtsamen Nymphen der liparischen Szene erinnern soll, um sie mit der fliehenden Diktyna zu verknüpfen (so Reinsch-Werner 1976, 184), ist fraglich, da dort das Wort der Veranschaulichung der Kyklopen dient. Dies ändert nichts an der von Reinsch-Werner registrierten hesiodeischen Allusion in πρηόνος, die auch durch die Entsprechung ἔνϑορεν ~ Hes. scut. 438: ἐπιϑρώσκουσα (von einem πρηῶνος [V. 437] sich in die Tiefe wälzender Felsblock) zu Tage tritt. Homer verwendet ἔνϑορε (μείλανι πόντῳ) in Bezug auf Iris (Ω 79). 197 τά σφ᾽ ἐσάωσαν   Für σφέ = αὐτήν vgl. Kall. h. 4. 15; Aischyl. Eum. 610, Pers. 198; Soph. Ant. 772, Phil. 200, Trach. 463; Eur. Alc. 107 usw. Lorentz 1892, 31 f. und Rengakos 1993, 119 Anm. 1 vermuten den Einfluss des Sprachgebrauchs der Tragiker. 197–199 ὅϑεν — βωμούς   Kallimachos impliziert die Ableitung der Namen Δίκτυνα und ὄρος Δικταῖον aus δίκτυα (V. 197), damit lässt er die Namengebung als Folge des Meersprungs erscheinen, obwohl es aus dem Blickwinkel der Genese des Mythos umgekehrt damit bestellt ist: Der Name Δίκτυνα hatte das Primat und der Bedarf nach dessen (volks)etymologischer Erklärung führte zum narrativen Moment der Fischernetze als Abschluss der Britomartis-Geschichte. Vgl. Nilsson 1941 I 289, Guthrie 19552, 105 und Larson 2007, 178. Das Sich-Verheddern in Netzen hat eine Symbolik, die insbesondere mit Artemis verknüpft werden kann (Tod durch Erhängen/Erwürgen als Bild der sexuellen Enthaltsamkeit). Vgl. ad V. 189–205. Einen Analogiefall volksetymologischer Worterklärung und narrativer Explikation stellt das ‚Löwenekerchen‘ (nordd. Löverke = Lerche) des Grimm-Märchens dar (es springt wie ein Eichhörnchen, singt wie eine Lerche und gehört einem Löwen). Zu einem ähnlichen aitiologischen Abschluss mit dem Moment der Namengebung durch die Kreter vgl. h. 1. 44 f. (ἔνϑεν ἐκεῖνο / ᾿Ομφάλιον μετέπειτα πέδον καλέουσι Κύδωνες [Zeus’ abgefallener Nabel]) und Ait. fr. 18. 12 (ἐ̣πώνυμον Ἐμβασίοιο [Apollon, der der Abfahrt der Argo beiwohnt]). Zugleich erinnert der Dichter an das Aition des Pythios-Eponyms im homerischen Apollon-Hymnos: ἐξ οὗ [V. 197: ὅϑεν] νῦν Πυϑὼ κικλήσκεται, οἱ



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δὲ ἄνακτα / Πύϑειον καλέουσιν [V. 199: Δικταῖον καλέουσιν] ἐπώνυμον [V. 205: καλέουσιν ἐπωνυμίην] οὕνεκα κεῖϑι / αὐτοῦ πῦσε πέλωρ μένος ὀξέος ᾿Ηελίοιο (V. 372–374), wo Apollon und Helios ebenso in eins gesetzt werden, wie hier Diktyna und Artemis. Vgl. Ukleja 2005, 72 und ad V. 180 f. Die Forscherin vergleicht (70) auch das Delphinios-Aition (Hom. h. Ap. 494– 496), wo der Beiname δελφίνιος aus ‚Delphin‘ abgeleitet wird, wie Diktyna aus δίκτυα (V. 197 f.), der delphinische Altar aber (h. Ap. 495 f.: βωμός / ... δέλφειος) in ὄρος ... / Δικταῖον (V. 198 f.) sein Pendant hat (der Altar ist auch ein gemeinsames Element: V. 495: βωμός / ~ V. 199: βωμούς /). Der Wortlaut von V. 199 f. klingt auch an Hom. h. Ven. 101 an: βωμὸν ποιήσω, ῥέξω δέ τοι ἱερὰ καλά (umgekehrte chiastische Reihenfolge). 197 f. ὅϑεν μετέπειτα Κύδωνες / νύμφην μὲν Δίκτυναν   Zu μετέπειτα als deiktischem Element bei zukunftgerichteten Aitiologien vgl. μετὰ χρόνον Kall. Ait. fr. 12. 6, h. 1. 45, 3. 248 und Apoll. Rhod. 1. 1309 (zum Abhängigkeitsverhältnis vgl. Pfeiffer 1949 I 22 app. ad loc.). Das Adverb μετέπειτα, das einmal in der Ilias, viermal in der Odyssee vorkommt, ist ohnehin ein Lieblingswort des Apollonios (vierzehnmal). Der Volksname Κύδωνες taucht τ 176 ebenfalls am Versende auf und scheint auch dort die Kreter im Allgemeinen zu bezeichnen (so auch V. 81: Κυδώνιον ... τόξον und h. 1. 45, wozu vgl. Schneider 1870 I 238 ad loc. und Guarducci 1935, 191). Die beiden Worte νύμφην–νύμφη umrahmen den Vers 198 (Lapp 1965, 61) Zur Namensvariante Δίκτυν(ν)α vgl. Aristoph. Ran. 1359, Vesp. 368; Eur. Hipp. 145, 1130, Iph. T. 126 f.; Nik. Alex. 618; CIG III 6764 (verschriebene Form) mit Anmerkungen. Diktyna erscheint aber schon auf den Linear-BTafeln (Capovilla 1967 I 242 f.). In der lateinischen Literatur ist diese Form die geläufige und bezeichnet ausschließlich Diana selbst. Vgl. z.B. Ov. met. 2. 441 (suo comitata choro Dictynna per altum / Maenalon ingrediens et caede superba ferarum) und Apul. met. 11. 5. Zur Verschmelzung mit Artemis vgl. ad V. 204 f. Die Schreibweise ohne Verdoppelung des Ny im Wortinnern könnte nicht nur metri gratia sein, da auch Herodot (3. 59. 3) die Form Δικτύνη verwendet, was als lectio difficilior neben Δικτύννη die richtige sein wird. Palmer 1980, 13 vermutet aufgrund des Formans -υννα eine luwische Bildung auf kretischem Boden (nebst der Parallelbildung Δελφύνη; vgl. Kall. Ait. fr. 88). Usener 1896, 41 f. fasst Diktyna als weibliche Form zu Δίκτυς auf als eine Sonnengottheit, die die Dinge zeigt (*δικ-). Dies ändert aber nichts am Zusammenhang von Dikte und Diktyna, nur führt es ihn auf eine ursprünglichere Stufe zurück. Vgl. auch Holland 1925, 63 f. und Guarducci 1935, 192. 198 f. ὄρος δ᾽ ὅϑεν ἥλατο νύμφη / Δικταῖον καλέουσιν   Die Identifikation des Berges ὄρος Δικταῖον stößt auf erhebliche Schwierigkeiten: Geht es

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III. Kommentar

um den berühmten Dikte-Berg gegen Osten, wo auch Zeus’ Wiege stand? Dies ist bedenklich, da die Gegend im Binnenland liegt, so dass sie zu einem Meersprung kaum geeignet erscheint, und ein Kultort der Britomartis, nicht Diktyna, war. Die Kultstätte der Diktyna liegt hingegen im Westen (Kydonia) in der Nähe des Meeresufers und wird ἱερόν ... Δικτύνναιον genannt (Strab. 10. 4. 12, 479 C). Vgl. Guthrie 19552, 105. Strabo spricht unter Δικτύνναιον nicht unmittelbar von einem Ort, sondern von einem Heiligtum (ἱερόν). Dies lässt die Verknüpfung mit der Nymphe besonders naheliegend erscheinen, leistet aber der Gleichsetzung von Δικτύνναιον mit einem Berg/ Meeresvorsprung, um die Verwechslung Δικτύνναιον ~ Δικταῖον zu ermöglichen, keinen Vorschub. Hat etwa Kallimachos unter Δικταῖον Diktynnaion verstanden (Strabo referiert den Vorwurf, nach dem der Dichter die Topoi verwechselt haben sollte), wie Spanheim 1697, 263 f., Cahen 1930, 135, Nilsson 1906, 225 f. sowie 1941 I 289 und Guthrie 19552, 105 vermuten? Vgl. auch Jessen 1903, 586 f. Der Name Diktynnaion scheint indessen eine späte Bildung zu sein, die vom Namen der Nymphe abgeleitet ist. Es ist gut möglich, dass es ursprünglich zwei Dikte-Gebirge gab und Diktyna im Umkreis des westlichen Verehrung fand, das später nach der Göttin/Nymphe und ihrem Kult zu Diktynnaion umbenannt wurde. Es ist alles andere als ausgeschlossen, dass Kallimachos in seinen Quellen diesem Berg auf die Spur gekommen ist und ihn als ein geographisches Rätsel in seinen Hymnos setzte, indem er den Namen Dikte zur adjektivischen Form Δικταῖον umbog (so auch Kall. h. 1. 4, 47, ep. 22. 3; Apoll. Rhod. 1. 509 usw. und [Verg.] Cir. 300 [Dictaeas ... capellas]). Vgl. Rapp 1884, 822 f. und Wernicke 1896, 1371 (der Stamm δικτ- bedeute auf Kreta ‚Berg‘, so sei Diktyn[n]a ursprünglich ‚Bergmutter‘). Ähnlich D’Alessio 1996, 120 Anm. 44 und Stephens 2015a, 147. 199 f. ἀνεστήσαντο δὲ βωμούς / ἱερά τε ῥέζουσι  Zum Medium ἀνεστήσαντο als Variationsform des Aktivs vgl. ad V. 2 (b) (μέλονται). Der Versanfang ἱερά τε ῥέζουσι steht bei Homer (ε 102, h. Ap. 394). Da die letztere Stelle von Apollons Ehren in Delphi handelt, könnte die Allusion auf sie die Geschwisterrivalität zwischen Artemis und Apollon ins Gedächtnis rufen (Diktyna-Artemis bekommt „dieselben“ Opfer wie ihr Bruder). Zum Chiasmus vgl. ad V. 197–199. 200 f. τὸ δὲ στέφος ἤματι κείνῳ / ἢ πίτυς ἢ σχῖνος   στέφος ist der gesuchtere, der tragischen Diktion (so LSJ s. v.) eigene Ausdruck für στέμμα. Zur epischen Klausel ἤματι κείνῳ (hier auf den Festtag der Göttin bezogen) vgl. Bornmann 1968, 95 ad loc. Die Nadelblätter tragende Tanne und der stachlige Mastix sind Symbole für die spröd-keusche Gesinnung der Artemis, wohingegen die Myrte Aph-



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rodite heilig ist (Boetticher 1856, 445–452 und Fehrle 1910, 239–242). Vgl. Cahen 1930, 135 f. Zur Bekränzung mit Tannengrün als einem rustikalunschuldigen Ritual vgl. Long. 1. 23. 3 (Chloe) und dann mehrmals. Nach Nikandros (Alex. 618) ist der Myrtenkranz der Diktynna verhasst. Da der Mastix als Arznei gegen Krankheiten der Gebärmutter verwendet wurde, ist eine Anspielung auf die Rolle der Artemis qua Eileithyia zu vermuten (Roscher 1897, 3185). 201 μύρτοιο δὲ χεῖρες ἄϑικτοι   Der Ausdruck μύρτοιο ... χεῖρες ἄϑικτοι (‚von Myrten unberührte Hände‘) schreiben den Myrten eine aktive Eigenschaft zu, als wollten sie die Hände, die dabei passiv bleiben, beflecken. Vgl. Aulin 1856, 41 und Bornmann 1968, 135 ad loc. Es ist nicht angängig, mit LSJ s. v. ἄϑικτος und Schmitt 1970, 62 Anm. 21 für diese Stelle eine aktive Bedeutung des von den Tragikern besonders beliebten adjectivum verbale anzunehmen (‚Hände, die die Myrten nicht berühren‘). Ukleja 2005, 73 vergleicht den Groll der Artemis über die Myrte mit der Bestrafung der Telphusa im homerischen Apollon-Hymnos (V. 382–387), die ebenfalls zu einem Aition (Apollon Telphusios) hinführt. Dieser Episode geht das Pythios-Aition (V. 371–374) voraus, das der vorangehenden Diktyna-Etymologie bei Kallimachos vergleichbar ist (vgl. ad V. 197–199). 202 f. δὴ τότε — ὅϑεν μέγα χώσατο μύρτῳ   Eine aitiologische Begründung des Fehlens der Myrte beim Kult der Diktyna wird hier gegeben. Während aber bei der Namensaitiologie (V. 198 f.) die Perspektive gegenwartsbezogen war (‚so ist es dazu gekommen, dass die Göttin Diktyna heißt‘), ist sie hier vergangenheitszugewandt (‚deshalb ist die Myrte verpönt, weil... [Aor.]‘). Mit dem adverbialen Relativpronomen ὅϑεν, das tautometrisch und funktionell derselben Wendung im Vers 197 entspricht, werden sämtliche Vergangenheitsmomente (ἐνέσχετο, ἔφευγεν) aitiologisch abgerundet. 202 δὴ τότε γὰρ ... μύρσινος ὄζος   Zur Kombination von Partikel, Adverb und Konjunktion δὴ τότε γάρ vgl. Denniston 19542, 228 (Homer never opens a sentence or clause with δή, except when it precedes a temporal adverb or γάρ). Bei Homer kommt indes nur δὴ γάρ und δὴ τότε, nie die Verbindung beider vor. Vgl. auch h. 4. 307 (δὴ τότε) und h. 5. 70 (δή ποκα γάρ) mit Bulloch 1985a, 178 ad loc. Die Wendung μύρσινος ὄζος erinnert an Hom. h. Merc. 81: μυρσινοειδέας ὄζους (am Versende). Vgl. Lord 1990, 125. Die Verhedderung im Gestrüpp als negatives Moment korrespondiert mit dem Aufgefangenwerden in den Fischernetzen als etwas Positivem (V. 196 f.). 204 Οὖπι ἄνασσ᾽ εὐῶπι φαεσφόρε   Kallimachos verknüpft hier zwei entlegene Beinamen der Artemis (Upis und Diktyna). Upis hat keine kreti-

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III. Kommentar

sche Verbindung und steht in keinem offensichtlichen Zusammenhang mit Diktyna (Cahen 1929, 378 sowie 1930, 136). Das Zeugnis des Macrobius (Sat. 5. 22. 4 f. Kaster) ordnet sie Kleinasien und insbesondere Ephesos zu (Timotheos habe in seinem Hymnos auf Artemis die Göttin Opis [Ὦπις] genannt). Vgl. Talamo 1984, 201. Zur Assoziation der Artemis mit Upis vgl. Euph. fr. 103 (p. 49 CA: nebst dem Attribut ἀμαλλοφόρος) mit van Groningen 1977, 177 f. sowie auch Larson 1995, 120 f. und ad V. 264 f. Der οὔπιγγος scheint eine Form des Hymnos auf Artemis zu sein (vgl. Poll. 1. 38, Athen. 14. 10, 619B, Σ ad Apoll. Rhod. 1. 972a [p. 85. 9 Wendel], hier wie bei Hesych. 7316 s. v. εὐῶπι [II 240 Latte] mit Troizen verknüpft). Vgl. auch Hesych. 267 s. v. Ὦπι ἄνασσα (IV 267 Hansen–Cunningham) mit den Anmerkungen im Apparat sowie Pfeiffer 1953 II 16 in app. ad loc. (wohl kein Kallimachos-Zitat). Der Eigenname Οὖπις kommt bei Kallimachos h. 4. 292 vor, dort bezieht er sich auf eines der hyperboreischen Mädchen (vgl. Calame 1977 I 196 f.). Die Verbindung zwischen Artemis und der Hyperboreerin könnte ebenfalls im Mond- und Fruchtbarkeitsbezug liegen. Bei Nonnos gehören Upis, Loxo und Hekaerge zum Nymphengeleit der Artemis (5. 489–491 und 48. 331–334). Der Leser soll zunächst einmal durch eine unerwartete Apostrophe der Göttin frappiert werden. Zur ἄνασσα als Bezeichnung der Artemis vgl. V. 137, die Apostrophe Οὖπι ἄνασσα kehrt V. 240 wieder. Der Dichter arbeitet bewusst auf den Gleichklang des Namens Οὖπι mit dem Attribut εὐῶπι hin (Ahlwardt 1794, 55 und Aulin 1856, 15). Zur Assonanz vgl. auch h. 4. 325: ἱστίη ὦ νήσων εὐέστιε sowie ad V. 44. Dies beweist eindeutig, dass Kallimachos Οὖπις mit ὄπις gleichsetzt, was meistens die wachsame Aufsicht (der Götter) bedeutet. Nach Wilamowitz 19552, I 103 sind die Göttin und ihr Name außergriechisch, aber dies ändert nichts an der Tatsache, dass Οὖπις von Kallimachos mit ὄπις in Verbindung gesetzt wurde. Siehe auch Σ ad Kall. h. 3. 204 (Pfeiffer 1953 II 64 [παρὰ τὸ ὀπίζεσϑαι]). Zu einer ähnlichen Eigenschaft der Britomartis vgl. 190: Βριτόμαρτιν ἐύσκοπον. Diese Etymologie ist eine durchsichtige, auch modernen Ansichten entsprechende Auffassung. Vgl. Farnell 1896, 488 und Adorjáni 2011, 154–159 (zur historischen Semantik des Wortes ὄπις). Der hellenistische Dichter biegt indessen die Bedeutung des Wortes durch das Vorderglied εὐ- vom Moralischen ins Ästhetische um (‚schönäugig‘). Zur Rivalität mit Apollon, der h. 2. 36 f. ebenfalls schön und jung gepriesen wird, vgl. Plantinga 2004, 269. Die Metapher des Auges im Verbund mit dem zweiten Attribut φαεσφόρε (‚Fackelträgerin‘) spricht für eine spielerische Identifikation der Artemis mit dem Mond (vgl. ad V. 11: φαεσφορίην). Wenn εὐῶπι eine Allusion auf Pind. O. 10. 74 darstellt, wo sich das Attribut auf den Mond bezieht, dann liegt damit ein versteckter Hinweis auf den Mond-Charakter der Upis vor. Zum



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Attribut vgl. auch fr. adesp. 934. 13 PMG (Αἴγλα [τ᾽] εὐῶπις) mit Bremer 1981, 208. Der verborgene Grund der Verwendung der mondhaften Hypostase Οὖπις an dieser Stelle des Hymnos könnte sein, dass auch Diktyna mit Hekate (Σ ad Eur. Hipp. 146 [II 24 Schwartz]) und dem Mond ([Verg.] Cir. 305) assoziiert wird. Zum Mond-Charakter der Britomartis vgl. Holland 1925, 63 sowie ad V. 190. Bei Vergil (Aen. 11. 532 und 836) ist Opis eine Gefährtin der Artemis und heißt ausdrücklich Triviae custos (V. 836). An dieser letzteren Stelle wird auch die Etymologie ihres Namens reflektiert, da sie von oben auf das Schlachtgetümmel herabschaut (V. 837: spectat). Die Gleichsetzung mit dem Mond ist aber nur ein flüchtiger Einfall (V. 240 ist davon nichts zu spüren), der die Tiefenstruktur des Artemis-Bildes nicht betrifft (vgl. ad V. 11) und als Lösung der Rätselfrage, was die ArtemisHypostase Upis mit Diktyna verbinde (Mondhaftigkeit), intendiert ist. 204 f. καὶ δέ σε κείνης / Κρηταέες καλέουσιν ... ἀπὸ νύμφης   Zur verschränkten Wortstellung (Enjambement mit Anastrophe κείνης / ... ἀπὸ νύμφης) vgl. Lapp 1965, 47, ad V. 64 f., 134 f. sowie Kapitel I 6, 88–91. Zur Formulierung vgl. Hom. Υ 105 f. (καὶ δὲ σέ [Aineias] φασι Διὸς κούρης ᾿Αφροδίτης / ἐκγεγάμεν). Zu καὶ δὲ σέ vgl. auch z.B. Hom. Ω 563, ν 302 und Kall. h. 3. 210. Zur durchaus seltenen Form Κρηταέες vgl. Apoll. Rhod. 1. 1129 (Κρηταιέες; siehe auch Anth. Pal. 7. 448. 4 und 7. 654. 4) und Polyb. 6. 45 f. (Κρηταιῶν, Κρηταιεῦσι, Κρηταεῖς) sowie Herodian. π. παρων. II 884. 21 und Steph. Byz. 539. 18 (Κρηταεύς) s. v. Πυϑώ (IV 106. 277 Billerbeck–Neumann-Hartmann). Zu epigraphischen Befunden vgl. Bornmann 1968, 97 ad loc. Nach der Gleichsetzung der Britomartis mit Diktyna geht Kallimachos einen Schritt weiter und beteuert die Assoziierung der Britomartis-Diktyna mit Artemis. Zu dieser hypostatischen Überlappung vgl. Plut. de soll. anim. 36 (= mor. 984A), Paus. 3. 24. 9 sowie 10. 36. 5, Diod. 5. 76. 3, Σ ad Eur. Hipp. 146 (II 24 Schwartz) und Hesych. 1175 s. v. Βριτόμαρτις (I 348 Latte). Guarducci 1935, 199 f. sieht in der Gleichsetzung Diktyna–Artemis eine künstlich-literarische Kombination (wohl auf die Tragiker zurückzuführen) und will Britomartis ursprünglich davon unberührt lassen (vgl. aber ad V. 189–205). Eine Absicht des Dichters, die altangestammte kretische Göttin Britomartis-Diktyna zurückzustufen und als eine Nymphe der Artemis auszugeben, deren Namen sich die besungene Göttin aneignet (so Kuiper 1898 II 27 f. und Cahen 1930, 133), ist nicht auszumachen, da Kallimachos eher daran gelegen ist, verschiedene mythographische Traditionen miteinander zu verquicken und Artemis so beziehungsreich wie möglich zu gestalten.

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III. Kommentar

Kyrene, Prokris, Antikleia (V. 206–214) 206 f. καὶ μὴν Κυρήνην — κύνε   Im Apollon-Hymnos steht Kyrenes erotische Verbindung mit Apollon im Vordergrund (V. 90–95). Hier wird sie ausschließlich als Jägerin und Athletin in der Sphäre der Artemis dargestellt. Damit geht Kallimachos zur Version Pindars (P. 9) und wohl auch zu der Hesiods (fr. 215. 1 f. M–W; so auch Apoll. Rhod. 2. 500–505) auf Distanz, indem er Kyrenes Verführung und Verpflanzung nach Libyen aus dieser Episode ausspart. Darüber hinaus erscheint Kyrene vor Kallimachos nicht in der nahen Umgebung der Göttin: Der Dichter führt also eine Neuerung ein, auf die er den Leser durch καὶ μήν hinweist (Meillier 1979, 112). Vgl. auch Denniston 19542, 351 f. Stephens 2015a, 148 vermutet konkurrierende Mythosversionen, von denen Kallimachos derjenigen den Vorzug gibt, in der Kyrene Artemis und nicht Apollon zugeordnet wird. Auch Drexler 1931, 460 hat ehemals angenommen, Kallimachos sei einer urwüchsigen thessalischen Mythosversion über Kyrene gefolgt. Eine derartige Polemik ist möglich, aber unbeweisbar. Auf jeden Fall passt der Dichter Kyrenes Gestalt dem enkomiastischen Ziel des Hymnos an und lässt die Göttin hinsichtlich der Zugehörigkeit der Heroin mit ihrem Bruder wetteifern. 206 Κυρήνην ἑταρίσσαο, τῇ ποτ᾽    Das Verb ἑταρίσσαο, das bei Homer vor allen Dingen (Ν 456: ἑταρίσσαιτο) die Gemeinschaft von Mitkämpfern, später (h. Ven. 96: ἑταιρίζουσι) auch ein weibliches Geleit (Chariten) bezeichnet, bezieht sich auf die Frage nach den Lieblingsgefährtinnen der Artemis (V. 185: φίλαο ... ἡρωίδας ἔσχες ἑταίρας) zurück. Vgl. Bundy 1972, 67 und Fain 2004, 53. Bing 1994, 32 weist auf die Verben hin, die durchgehend mit Artemis verknüpft sind (V. 189: φίλαο, V. 206: ἑταρίσσαο, ἔδωκας, V. 210: ἐϑήκαο, V. 211: φιλῆσαι, V. 215: ᾔνησας, V. 217: ἐδίδαξας). Mit der Invokation im Vers 225 verwandelt sich Artemis von einem handelnden Subjekt in ein verehrtes Objekt des Kultes. Zum Gebilde ‚Relativpronomen+ποτέ‘ vgl. V. 190 (ἧς ποτε Μίνως). Zur Länge des Ypsilon in Κυρήνην vgl. Kapitel I 6, 84. 207 (a) ϑηρητῆρε δύω κύνε   Mit der Form ϑηρητῆρε scheint der Dichter sich auf Hom. Λ 325 bezogen zu haben, wo die antike Überlieferung zwischen den Formen ϑηρευτῇσι und ϑηρητῆρσι (und dem hybriden ϑηρευτῆρσι) schwankt (siehe auch Μ 41). Vgl. Kuiper 1896 I 97. Die modernen Herausgeber versuchen, ein System zurechtzulegen, wobei sie ϑηρητήρ als Substantiv (‚Jäger‘) auffassen, während sie ϑηρευτής dort einsetzen, wo das Wort attributiv verwendet wird. Es ist aber gut möglich, dass Homer ϑηρητήρ in beiden Funktionen benutzte.



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Dass Kallimachos dadurch für die richtige Lesart an der Homer-Stelle in die Schranken tritt, wie Rengakos 1993, 120 annimt, ist vielleicht übertrieben, da der Gebrauch des Wortes nicht unmittelbar auf seine Einschätzung der Homer-Stelle schließen lässt. Die Form mit weiblicher Motion ist ϑηρήτειρα (h. 4. 230 von Iris, die einer Jagdhündin verglichen wird). 207 f. τοῖς ἔνι κούρη / Ὑψηὶς ... ἀέϑλου   Das Ende des Verses 207 nach der bukolischen Diärese und die erste Hälfte des nachfolgenden scheinen in Konkurrenz zu h. 2. 91 f. konzipiert worden zu sein: ἧχι λέοντα / ῾Υψηὶς κατέπεφνε βοῶν σίνιν Εὐρυπύλοιο ~ τοῖς ἔνι κούρη / Ὑψηὶς παρὰ τύμβον Ἰώλκιον ἔμμορ᾽ ἀέϑλου (Relativpronomen ­– λέοντα / κούρη [Fokus] – ῾Υψηὶς – κατέπεφνε / παρὰ τύμβον [Ausdrücke des Todes]). Zur Wiederholung von Ὑψηίς am Wortanfang vgl. auch Ambühl 2005, 272 Anm. 207. Ein weiteres unterscheidendes Merkmal der Kyrene-Episode im Gedicht ist das Fehlen des Löwenkampfes, der ursprünglich eine kyreneische Sage war (Kall. h. 2. 91 f.) und auch auf die von Hesiod und Pindar aufgearbeitete thessalische Version übertragen wurde. Kallimachos bewahrt die thessalische Szenerie (παρὰ τύμβον Ἰώλκιον) und verleitet den Leser, indem er vermittels des Hinweises auf die Gabe von zwei Jagdhunden den Anschein erweckt, nun bringe Kyrene den Löwen zur Strecke. Spanheim 1697, 272 und Studniczka 1893, 3 sind dem kallimacheischen Spiel auf den Leim gegangen und wollten im Abschlussvers einen Hinweis auf die Löwenjagd entdecken (mit dem Grab des Pelias als metonymischem Ausdruck für den Berg Pelion). Den überraschenden Aufschluss bringt der Abschlussvers (V. 208), der von einem gewonnenen ἀέϑλον beim Grab des Pelias berichtet. Zu den Leichenspielen am Grab des Pelias vgl. die Beschreibung der Kypselos-Lade bei Pausanias (5. 17. 9). Dies kann kaum anders ausgelegt werden denn als ein Fingerzeig auf einen Wettlauf, den Kyrene mit den von Artemis geschenkten Hunden wohl anlässlich der Leichenspiele des Pelias gewinnt. Diese Sage ist anderswo nicht überliefert, könnte spätere Erfindung, unter Umständen die des Kallimachos, sein. So Meineke 1861, 36 ad loc., Vahlen 1896, 821 f., Malten 1911, 53 f. und Bornmann 1968, 98 ad loc. 207 (b) τοῖς ἔνι   Es ist eine Detailfrage, ob Kyrene selbst am Wettlauf (τοῖς ἔνι: inbinnen ihrer Hunde – Malten 1911, 54 mit Hinweis auf Hor. epist. 1. 18. 50 f.) teilnimmt, oder nur die Hunde laufen lässt, d.h. mit ihnen (τοῖς ἔνι) den Siegespreis erlangt (ἔμμορ᾽ ἀέϑλου). Zur Ambivalenz der Wendung τοῖς ἔνι (among them – with them) vgl. auch Stephens 2015a, 148. Zum ἐν instrumentale vgl. z.B. Soph. Phil. 60 und Eur. Bacch. 1166 f., El. 321 und LSJ s. v. ἐν III mit mehreren Belegen. Die Formulierung ist jedoch pace Mair 19552, 28, der gegen die erstere Auffassung polemisiert und für die zweite zu Felde zieht, nicht eindeutig, und die Zweideutigkeit erscheint

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beabsichtigt. Auch Cahens Ansicht (1930, 137), es handle sich um ein Wettspiel in Hetzjagd, ist nicht von der Hand zu weisen (in diesem Fall würde Kyrene neben den Hunden herlaufen, die mithin sowohl ihre Begleiter als auch ihre Jagdinstrumente wären). Kallimachos hat offenkundig alle Umstände (Anlass und Art des Wettbewerbs) in Schwebe gelassen und nur darauf abgehoben, dass es um einen Wettkampf (um Schnelligkeit) und keinen Löwenkampf geht. Wie Artemis von Pan Hunde bekommen hat (V. 90–97), so verehrt sie Kyrene ebenfalls zwei Jagdhunde. Zum Hundegeschenk der Göttin an Prokris und einem Wettbewerb mit Kephalos vgl. Hyg. fab. 189. 5 (p. 159 Marshall). 208 παρὰ τύμβον Ἰώλκιον ἔμμορ᾽ ἀέϑλου   Zur Lokalangabe vgl. Hom. Β 604: Αἰπύτιον παρὰ τύμβον (tautometrisch); das Attribut Ἰώλκιον ist euripideisch (Med. 7, 551). Zum Verb ἔμμορε (aus μείρομαι) vgl. Hom. Α 278 f.: Hier wird ausgedrückt, wie Zeus die Könige mit Ruhm beschenkt (V. 279: κῦδος ἔδωκεν ~ V. 206: ἔδωκας / ... κύνε) und sie an seinem Ansehen teilhaben lässt (V. 278: ἔμμορε τιμῆς ~ V. 208: ἔμμορ᾽ ἀέϑλου [tautometrisch]). Die Wendung (ἐξ) έμμορε τιμῆς kommt noch dreimal bei Homer (Ο 189; ε 335, λ 338) vor. Sie wird von Hesiod variiert (erg. 347: ἔμμορέ τοι τιμῆς ὅς τ’ ἔμμορε γείτονος ἐσϑλοῦ). Zur Variation an derselben sedes vgl. Apoll. Rhod. 4. 62 (ἔμμορες ἄτης) und Dion. Per. 239 (ἔμμορε τιμῆς) mit Lightfoot 2014, 316 ad loc. 209 καὶ Κεφάλου ξανϑὴν ἄλοχον Δηιονίδαο   Prokris wird durch die Periphrase ‚Gattin des Kephalos‘ eingeführt. Pausanias berichtet (9. 19. 1), Artemis habe Prokris einen Jagdhund geschenkt. Vgl. auch Ov. met. 7. 754 f. Nach Roscher 1897, 3199 sei auch Prokris, deren Name als Koseform aus προκεκριμένη herrühre und ‚die (in Schönheit) Hervorragende‘ bedeute, eine Hypostase der Mondgöttin. Dies ist möglich, aber der Wortlaut der kallimacheischen Passage enthält keinen Hintersinn, der auf eine astrale Deutung der Prokris-Gestalt seitens des Dichters hinweisen würde. Kortz 1902, 43 Anm. 1 setzt die Gemahlin des Kephalos mit Eos gleich und will das Attribut ξανϑήν als einen Fingerzeig auf die Farbe der ersten Sonnenstrahlen auslegen. Das Epithet ist jedoch neben Heroinnen und anderen weiblichen Gestalten zu konventionell (vgl. z.B. Hes. theog. 947 [Ariadne], fr. 26. 31 [Ioleia] ~ Kall. ep. 6. 3; h. 2. 86 [Libyerinnen], 5. 4 [Pelasgerinnen]), um einen solchen Schluss zu nahezulegen. Reinsch-Werner 1976, 203 f. weist angesichts der schmückenden Beiwörter (vgl. auch ad V. 211: καλήν) auf eine leicht ironische Wiederbelebung des epischen Katalog-Stils hin, was den Leser zum verständnisinnigen Schmunzeln bringen soll. Zum Genethliakon Δηιονίδαο (‚Sohn des Deion‘) vgl. V. 216: Ἀρκασίδαο (ebenfalls am Versende). Der Vater des Kephalos wird auch von Pausanias (3. 197. 2) erwähnt.



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210 σὴν ὁμόϑηρον ἐϑήκαο   Das substantivierte Attribut ὁμόϑηρος ist ein Hapax nach der Analogie von σύνϑηρος (Xen. Kyr. 3. 1. 7 und Apollod. 3. 100. 4 [Kallisto als σύνϑηρος Ἀρτέμιδος]). 210 f. καὶ δέ σέ φασι / καλὴν Ἀντίκλειαν ... φιλῆσαι   Das Verb φασι kommt innerhalb der homerischen Hymnen nur h. 1. 2 in die Narration eingebettet vor (sonst als Teil der Rede einer Person). Das erste Vorkommen des Wortes in Homers Ilias (Β 783) entspricht der kallimacheischen Verwendung des Verbs zur Indizierung eines Autorenkommentars (so auch Kall. Ait. fr. 75. 4, h. 1. 6). Vgl. Harder 1990, 297 f. und Morrison 2007, 143 Anm. 217. Zum Versschluss καὶ δὲ σέ nach der bukolischen Diärese vgl. ad V. 204 f. Zur exemplarisch-begründenden Funktion der Wendung καὶ δέ σέ φασι vgl. Oehler 1925, 101 und 109 (Aischyl. Ag. 1040: καὶ ... γάρ τοι φασίν). Es gibt keinen Grund, in Antikleia eine unbekannte Lieblingsnymphe der Artemis zu vermuten, wenn die Identifikation mit Antikleia, Mutter des Odysseus, unbedenklich, ja sogar attraktiv erscheint. Kallimachos scheint ein ‚Ergänzungsspiel‘ mit der Szene der parnassischen Eberjagd der Odyssee (Hom. τ 428–466) zu treiben, an der Autolykos mit seinen Söhnen und Odysseus teilnimmt. Kallimachos will suggerieren, dass auch Antikleia, die Tochter des Autolykos, der Jagdleidenschaft frönt, die sie Artemis zuordnet. Vgl. Kortz 1902, 43. Ein Hinweis auf die Mutter des Odysseus ist auch deshalb willkommen, weil Antikleia in einer mit politischer Ideologie befrachteten „apokryphen“ Anekdote über die Abstammung des Ptolemaios I. Soter mit Arsinoe, der Frau des Lagos, gleichgesetzt wurde, die statt Lagos vom makedonischen König Philippos Ptolemaios I. geboren habe (Paus. 1. 6. 8), wie Antikleia nach einer posthomerischen Tradition statt Laertes von Sisyphos geschwängert wurde, um Odysseus zu gebären (Σ ad Soph. Ai. 190 [p. 19 f. Papageorgius]). Vgl. Erler 1987, 31–33 und Müller 2009, 184. Dieser Zusammenhang kann aufgrund des Berichts des Athenaios (6. 59, 251D = fr. 1 [FGrH IIA 132 Jakoby]) über eine Passage des Historikers Euphantos entschlüsselt werden, der von einem Schmeichler Kallikrates erzählte, er habe seine Kinder auf die Namen Telegonos und Antikleia taufen lassen. Demnach wäre Antikleia unbeschadet ihrer Zuordnung zum Bereich des Mythos eine politisch brisante Figur. 211 ἴσον φαέεσσι   Zu φάεα = ‚Augen‘ vgl. ad V. 53. Der Dativ kommt V. 71 in anderer Form (φεσι vs. φᾰέεσσι) vor. Vgl. Apoll. Rhod. 3. 1021 (φαέεσσιν) in einem Gleichnis auf die ersten Strahlen der Morgendämmerung bezogen (so auch 4. 1170), aber in einem Kontext, in dem Auge und Sehen eine prominente Rolle spielen. Die Metapher des Auges (ὄμμα/ ὀφϑαλμός) für etwas besonders Wertvolles ist namentlich in der tragischen Sprache gang und gäbe (vgl. Aischyl. Choeph. 933 f., Eum. 1025 f., Pers.

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III. Kommentar

169; Soph. Oid. T. 987, Trach. 204 f.; Eur. Andr. 406). Die superlative Vergleichsform ist mit Aischyl. Pers. 530: σέβειν ... ὀμμάτων ... ὑπέρτερον verwandt. Vgl. später [Mosch.] fr. 4 (Megara) 9 und Catull. 3. 5 (plus ... oculis suis amabat). Reinsch-Werner 1976, 202 f. vermutet über die aischyleische Allusion hinaus auch eine hesiodeische, da die Form φαέεσσι bei dem boiotischen Dichter mehrmals (fr. 23a 8, 30. 25 in apparatu, 252. 4 M–W), obendrein auch dort in einem Frauenkatalog, vorkommt (Vergleich mit dem Mondschein). Das Allerweltsattribut καλή (καλὴν Ἀντίκλειαν) gehört auch zur Stilsignatur der Katalogdichtung (vgl. ad V. 209: ξανϑήν). 212 f. (a) αἱ πρῶται — ἐφόρησαν   Die Lieblingsnymphen der Artemis sind durch ein amazonenhaftes Äußeres charakterisiert. Zur Verwandtschaft der streitbaren Göttin Artemis mit den Kampfgöttinnen aus Osten vgl. Marinatos 1998, 123–125. Die Bezeichnung αἱ πρῶται (der Artikel αἱ mit demonstrativer Funktion) geht – wie Cahen 1930, 137 und Bornmann 1968, 99 ad loc. bemerken – nur auf die beiden vorausgehenden Heroinen (Prokris und Antikleia). Kyrene hat durch das Geschenk der Hunde (206 f.) schon ein äußeres Zeichen der Gewogenheit der Göttin zugewiesen bekommen, was bei den letzteren beiden Frauen erst mit dem zusammenfassenden Hinweis auf die sie auszeichnende Tracht gegeben wird. 212 f. (b) ϑοὰ τόξα καὶ ἀμφ᾽ ὤμοισι φαρέτρας / ἰοδόκους  Der Ausdruck ϑοὰ τόξα wird wegen des Verbs ἐφόρησαν und der Nebenordnung zu φαρέτρας eher ‚schnelle Bogen‘ als – wie Kuiper 1896 I 98 denkt – ‚schnelle Pfeile‘ bedeuten. Es ist als eine auf metonymischer Auffassung fußende Enallage leicht verständlich, dass Bogen, die selbst nicht schnell sind, aber schnelle Pfeile versenden, als schnell bezeichnet werden. Diese Interpretation wird von einer homerischen Stelle (Ο 443 f.) bestätigt, die Kallimachos vorgeschwebt haben dürfte: τόξον ἔχων ἐν χειρὶ παλίντονον ἠδὲ φαρέτρην / ἰοδόκον· μάλα δ’ ὦκα βέλεα Τρώεσσιν ἐφίει (Teukros). Hier bezieht sich τόξον eindeutig auf den Bogen, φαρέτρας / ἰοδόκους bei Kallimachos entspricht im Wortlaut (Numeruswandel) und metrischer Stellung dem homerischen φαρέτρην / ἰοδόκον (vgl. Crugnola 1961, 124). Der Begriff der Schnelligkeit wird vom hellenistischen Dichter wohl unter Einfluss des konventionellen Attributs ὦκα durch ein anderes Syonym auf die Bogen übertragen. Vgl. auch Hom. φ 11 f. und 59 f., Stellen, die ebenfalls τόξον und φαρέτρη / ἰοδόκος bzw. φαρέτρην / ἰοδόκον enthalten (ohne den Begriff der Schnelligkeit). Apollonios dürfte durch die kallimacheische Verwendung von ϑοὰ τόξα zum singulären Gebrauch des Attributs neben σάκος (1. 743) inspiriert worden sein (Σ ad loc. [p. 63 Wendel]: εὐκίνητον καὶ εὐμετάφορον; anders Erbse 1953, 194). Zur Kallimachos-Allusion in dieser Passage vgl. Eichgrün



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1961, 117 und ad V. 214. Der Amazonenköcher mit Pfeilen erscheint auch bei Vergil als Siegespreis (5. 311 f.: Amazoniam pharetram plenamque sagittis / Threiciis). Zu ἀμφ᾽ ὤμοισι, das sowohl zu τόξα wie auch zu φαρέτρας hingehört, mit epischen Belegen vgl. Bornmann 1968. 99 ad loc. 213 f. †ἀσύλλωτοι δέ φιν ὦμοι / δεξιτεροὶ    Das Wort ἀσύλλωτοι ist sicher verderbt. Die Bedeutung, die dem Kontext entspräche, wäre ‚unbedeckt‘, ‚unbeschwert‘, was in γυμνός eine vorzügliche Fortsetzung fände (mit καί explicativum). So auch Bornmann 1968, 100 ad loc. Die Lesart von Laskaris und η (ἀσύλωτοι) ist ein verbum nihili (Haupt 1876 II 145), das Aulin 1856, 39 Anm. 78 versucht hat, mit ἄσυλος zu verbinden (so auch Cahen 1930, 138 und White 1990, 107 f.). Aber ‚unberaubt‘ führt zu ‚unbekleidet‘ nur über die forcierte Assoziationskette ‚unberührt‘ ~ ‚nackt‘. Whites Idee (1990, 108), ‚unberaubt‘ mit Enallage auf die Nymphen selbst zu beziehen, ist wenig hilfreich, da es in diesem Kontext einzig auf die Gewandung der Jägerinnen, nicht auf ihre jungfräuliche Unberührtheit ankommt. Konjekturen gibt es eine Legion: Toup 1790 II 283 wollte ἀτύλωτοι (‚ohne Schwielen‘) lesen, worüber Haupt 1876 II 145 f. reichlich die Schale des Spottes ausgoss, während er selber ἀσύζω(σ)τοι erwog. Meineke 1861, 172 schwankte zwischen ἀκώλυτοι (‚unbehindert‘) und ἀείλυτοι (‚unumhüllt‘), Schneider 1873 II 240 schrieb mit eher unglücklicher Hand ἀσαύλωτοι (‚nicht verweichlicht‘), de Jan 1893, 65 schlug ἀϑύλωτοι (‚gewandlos‘) aufgrund der Glosse ϑυλλίς (Hesych. 855 s. v. [II 334 Latte] ‚Hülle‘) vor, Fröhner 1912, 162 versuchte sein Glück mit ἀσύλληπτοι (‚nicht zusammengeheftete Schulterstücke des Gewandes‘), Mair 19552, 78 f. mit ἀσίλλωτοι (‚das Köcherband tragend‘; von Maas 1928, 290 wohl aus Versehen als Oxytonon ἀσιλλωτός angegeben) aus ἄσιλλα (Tragejoch auf der Schulter). Vgl. auch die kritische Musterung aller Konjekturen bei Danielsson 1894, 158–164, der seinerseits im Wort ἀσύλλωτος den Stamm -λω ‚verweben‘, ‚verknüpfen‘ erkennen will (163: ‚infolge fehlender Zusammenheftung unbedeckt‘). Giangrande 1962, 187 nimmt die Konjekturen Toups und Mairs ins Visier und bricht selber für ἀφρωτοι (ohne φάρος) eine Lanze, was tadellosen Sinn ergibt, indes vom Überlieferten in formaler Hinsicht absticht. Bereits Kuiper 1896 I 98 hat richtig gesehen, dass sich im fraglichen Ausdruck wohl ein durch ἄλφα privativum negiertes Wort für eine Körperbedeckung verbirgt, hat aber ἀχλαίνωτοι oder ἀλίνωτοι vorgeschlagen, was paläographisch schwer zu rechtfertigen ist. Es ist jedoch beachtenswert, dass eine manus recens in S das Wort zu ἀσύλλωποι korrigierte, was eine gute Konjektur (wohl eine antike varia lectio) ist, die sich durch eine formale Nähe zum Überlieferten auszeichnet. Das Nomen λώπη (‚Mantel‘, ursprünglich ‚Schale‘ aus λέπω) kann unschwer als Grundwort für ein sonst

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III. Kommentar

unbelegtes Adjektiv *ἀσύλλωπος (‚ohne einen bedeckenden Mantel‘) angenommen werden. So bereits auch Ludwich 1907, 7. Dies hat klar den Vorzug vor Frisks (1970 II 152 f.) abstruser Ableitung des Wortes ἀσύλλωτοι von λῶμα (‚Kleidersaum‘; vgl. auch Danielsson 1894, 161), was auch die Bedeutung ‚unbedeckt‘ ergäbe (siehe auch Schmitt 1970, 63 Anm. 52 mit einem ehrlichen non liquet). 214 καὶ γυμνὸς ἀεὶ παρεφαίνετο μαζός   Zu παραφαίνειν als Ausdruck für die Entblößung eines Körperteils vgl. Hes. erg. 734 und Aristoph. Eccl. 94. Reinsch-Werner 1976, 133 findet im Kontrast zwischen den halbnackten jungfräulichen Begleiterinnen der Göttin und den männlich gekleideten Frauen bei Aristophanes eine Spur von Distanzierung gegenüber der besungenen Gottheit und ihrem Gefolge. Während an diesen Stellen das Blitzen eines nackten Körperteils zufällig geschieht und auf Unachtsamkeit zurückzuführen ist, handelt es sich bei diesen Frauen um eine konstante (ἀεί) Charakteristik. Durch den Hinweis auf die nackte Brust widerlegt Kallimachos die volksetymologische Erklärung des Namens als ‚Brust-los‘ (Ἀ-μάξων). Vgl. Hellan. fr. 107 (FGrH I 134 Jakoby), Diod. 2. 45. 3 und Σ ad Γ 189 (I 393 f. Erbse) (Entfernung der Brust durch Kauterisation im Kindesalter). Vgl. Stephens 2015a, 149 sowie auch Mayor 2014, 85–88 mit weiteren Etymologien als Versuch, ein fremdsprachliches Relikt dem Griechischen anzugleichen. Die leichte Erotisierung der ansonsten keuschen Gefolgsfrauen der Göttin bringt eine neue Nuance ins Bild. Huber 1926, 60–64 verortet die Beschreibung in einer hellenistischen Tradition weiblicher Nacktheit (z.B. Mosch. Eur. 118 f., Catull. 64. 16–18 [Nereiden]). Nach Eichgrün 1961, 116 f. hat sich Apollonios bei dem ekphrastischen Bild der vor einem glänzenden Schild sich putzenden Aphrodite durch die Beschreibung der amazonenhaften Nymphen inspirieren lassen. Zu vergleichen sind vor allem V. 213: δέ φιν ὦμοι ~ 1. 743: ἐκ δέ οἱ ὤμου (tautometrisch), V. 214: παρεφαίνετο μαζός ~ 1. 745 f.: παρὲκ μαζοῖο (neben der Brust herabfallende Chitonfalten – hier geht es allerdings um die linke Seite) ... φαίνετ’ ἰδέσϑαι (Erscheinung des Ebenbildes auf der ehern-blanken Schildfläche – Mehrzahl der mythischen Personen bei Kallimachos wird durch das zusätzliche Spiegelbild ersetzt). Auf jeden Fall ist der Kontrast zwischen den keuschen Heroinen und der gefallsüchtig-liebreizenden Aphrodite auffällig, auf den Apollonios vermittels der Allusion bewusst hinzuarbeiten scheint. Vgl. auch Verg. Aen. 1. 492 (aurea subnectens exsertae cingula mammae [Penthesilea]) und 11. 649 (unum exserta latus pugnae [Camilla]) sowie Claud. de cons. Stil. 3. 243 f. (veniunt umeros et bracchia nudae / armataeque manus iaculis et terga sagittis).



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Atalante (V. 215–224) 215 (a) ᾔνησας δ᾽ ἔτι πάγχυ ... Ἀταλάντην   Kallimachos nimmt auf die arkadische Atalante Bezug (Nachfahrin des Arkas, Tochter des Ias[i]os, Schützin bei der kalydonischen Jagd), lässt aber zur Verunsicherung des Lesers auch die Gestalt der böotischen Atalante, Tochter des Schoineus, der Schnelläuferin (Hes. fr. 73–76 M–W), hindurchscheinen (zur Verwechslung der beiden vgl. auch Diod. 4. 34. 4). Die homerische Version der kalydonischen Jagd (Ι 529–599) konzentriert sich auf Meleagros und erwähnt Atalante gar nicht. Kallimachos korrigiert Homer, indem er die Gestalt des Meleagros ausspart und dafür Atalante einführt (vgl. Plantinga 2004, 270). Es sei denn, er nimmt auch auf ihn Bezug durch das etymologische Spiel mit ἀγρευτῆρες (V. 218) und Μελέαγρος. Vgl. Kuiper 1896 I 99 f. mit Hinweis auf Eur. fr. 517 [TrGF V 558 Kannicht]. Die spätere Vermählung der Atalante (wie bei den anderen Heroinen) wird pace Plantinga 2004, 271 vom Dichter mit Bedacht ausgeklammert. Zu Atalante als einer Jagdbesessenen, der Artemis selbst die Jagdkunst beigebracht hat, vgl. Xen. kyn. 13. 18 (nebst Prokris). Ihre Schnelligkeit und Assoziation mit Artemis wird auch von Ail. var. 13. 1 hervorgehoben. Im Verb αἰνέω schwingt außer der pragmatischen Bedeutung ‚für gut erachten‘ auch die Konnotation der Achtung und Anhänglichkeit mit, die Artemis ihren Wunschnymphen gegenüber empfindet. Vgl. Kall. h. 4. 9 f. (Apollon und der Hymnendichter) sowie Bornmann 1968, 101 ad loc. Zur Kombination von ἔτι πάγχυ vgl. Hom. ξ 338 (an derselben sedes). Während πάγχυ hier wie an den anderen homerischen Stellen in malam partem geht, wird es von Kallimachos einer positiven Aussage zugeordnet. Vgl. Kuiper 1896 I 99 Anm. 1. 215 (b) ποδορρώρην   Schmitt 1970, 91 Anm. 58 hält das monstrum vocabuli (Scheer 1866, 23 Anm. 32) für eine Nachbildung zum epischen ποδώκης, das von Hesiod für die böotische Atalante verwendet wird (fr. 73. 2, 76. 5 und 20 M–W: ποδώκης δῖ’ Ἀταλάντη), was zur Verschmelzung der beiden homonymen Heldinnen beiträgt. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 281 und Plantinga 2004, 269 f. Das zweite Glied des Wortes wird mit dem Stamm des Verbs ῥώννυμι zu verbinden sein. Vgl. Bredau 1892, 28 f. mit Hinweis auf Hesych. 585 s. v. ῥωρός‧ σφοδρός (III 253 Hansen). Weniger überzeugend ist die Ableitung von ὀρούειν oder ὁρμᾶν (Σ ad loc. Pfeiffer 1953 II 65 und Etym. m. 678. 29 f.) oder von der Perfektform ὄρωρα (Kuiper 1896 I 99). Reinsch-Werner 1976, 281 denkt an den Einfluss des hesiodeischen ἐπερρώσαντο (theog. 8: der unterstrichene Wortteil ist tautometrisch mit dem kallimacheischen ποδορρώρην), was für eine ironische Kontrastierung der grimmigen Heldin mit den tanzenden Musen sorgte. Sowohl die Variation

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III. Kommentar

des homerischen Ausdrucks für die Schnelligkeit als auch die unkonventionellen Züge der Erzählung sprechen für einen besonders pointierten Wetteifer mit dem epischen Vorgänger. Wenn Apollonios Rhodios den Namen der Heldin ebenfalls am Versende (1. 769) verwendet und sie mit Μαινάλῳ (V. 770) verbindet, bezieht er sich wohl auf Kallimachos, wobei er das erotische Potential der Geschichte akzentuiert (V. 772 f.). Vgl. Eichgrün 1961, 259 Anm. 25, der auch das zufällige Zusammentreffen nicht von der Hand weist. 216 (a) κούρην Ἰασίοιο συοκτόνον   Nach Apollodoros (1. 70) hat Atalante den Eber als erste getroffen (so auch Paus. 8. 45. 2), es war aber Meleagros, der ihm den Garaus gemacht hat (so auch bei Homer Ι 543). Kallimachos bringt Atalante zu vollen Ehren (so auch Eur. Phoen. 1108 f. [auf dem Schild des Parthenopaios]; vgl. Ambühl 2005, 288) und schreibt ihr ein Attribut (συοκτόνος) zu, das ep. 34. 1 Herakles zusteht. Schmitt 1970, 144 Anm. 33 bestreitet, dass das Wort unbedingt die Neuschöpfung des Dichters sein müsste, da Komposita auf -κτόνος bereits in der Chorlyrik und der Sprache der Tragiker vorkommen. Vgl. auch V. 110: Τιτυοκτόνε, was einen vorhandenen Kultnamen darstellen könnte. Später kommt συοκτόνος bei Nonnos (1. 27 und 48. 765 auf Aure bezogen) vor. Da das Attribut keine narrative, sondern eine episch-deskriptive Funktion hat, ist das von Bornmann 1968, 102 ad loc. verzeichnete hysteron proteron (Artemis bringe Atalante die Jagdkunst erst V. 217 bei) kaum zu spüren. 216 (b) κούρην Ἰασίοιο ... Ἀρκασίδαο   Nach Thgn. 1288 W2 heißt Atalantes Vater Iasios, nach Apollod. 3. 105 Iasos, nach Ail. var. 13. 1 hingegen Iasion. Vgl. auch Wilamowitz II 59 Anm. 2 (zur Frage, wie die Arkaderin zu einem argeischen Vater kam). Zu Ἀρκασίδαο siehe das Wort am Versende bei Hes. fr. 129. 17 und 22 M–W (Stheneboia als Tochter des μεγαλήτορος Ἀρκασίδα[ο) mit Reinsch-Werner 1976, 282. Vgl. auch Hom. δ 755, wo das Genethliakon Ἀρκεισιάδαο (auch hier am Versende) erscheint. 217 καί ἑ κυνηλασίην τε καὶ εὐστοχίην ἐδίδαξας   Zum Hapax κυνηλασίη vgl. die Verbform κυνηλατεῖν (Euph. 132. 1 [p. 52 CA] und Nik. Ther. 20) und Kuiper 1896 I 99. Zur εὐστοχίη (‚Treffsicherheit‘) der Göttin vgl. Eur. Iph. T. 1239 (in einem von Kallimachos im Hymnos mehrfach herangezogenen Stasimon). Zum altangestammten Motiv der von einer Gottheit erhaltenen Lehre (einer τέχνη) vgl. Sol. fr. 13. 49–54 W2, zu Artemis als göttlicher „Jagdprofessorin“ vgl. Hom. Ε 51 f. Das Verb ἐδίδαξας (Lehre) am Perioden­­ende (vgl. Hom. Ψ 307) respondiert ᾔνησας (Auswahl) am Anfang. 218 f. (a) οὔ μιν — κάπροιο   Die Tatsache, dass Atalante als tüchtige Jägerin und Schützin aller Ehren wert ist, wird mittelbar über die Negation des Tadels ausgedrückt. Der Witz der Formulierung besteht darin, dass



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die Wahrheit der Aussage durch die Deuteragonisten der betreffenden Geschichte, die Atalante gegenüber hätten negativ gestimmt sein sollen, bestätigt wird. Dabei entsprechen einander V. 219: οὐ ... μέμφονται (Versanfang) und V. 222: οὐδέ ... μωμήσασϑαι (Versende). Wegen der ewig gültigen Wahrheit wird die Präsensform verwendet, was die Akteure aus der mythischen Vergangenheit herauslöst und zu zeitlosen Gewährsleuten erhebt. Vgl. Bornmann 1968, 103 ad loc. Ursache/Objekt der hypothetischen Rüge wird in einem Fall durch Καλυδωνίου ... κάπροιο (V. 218 f.), im andern durch τοξότιν (V. 223) angegeben. Beide indirekte Lobsprüche werden jeweils von einem γάρ-Satz beschlossen, die beide Male auf nicht von der Hand zu weisende, objektive Tatbestände in Arkadien hinweisen, die jeglichen Tadel schier unmöglich machen. Während jedoch die Hauer des kalydonischen Ebers in Arkadien ein geschichtliches Indiz der Tapferkeit der Atalante darstellen, sind die bluttriefenden mänalischen Gefilde der Sphäre des Mythos zuzuweisen. Vgl. Bornmann 1968, 104 ad 221–224. V. 219 f. nimmt die Begründung eine positive Form an, die mit einem Aition verbunden ist (Fänge des Ebers in Arkadien), V. 223 f. wird sie negativ ausgedrückt (οὐ γάρ ... συνεπιψεύσονται). Im Mittelpunkt der Aussage/Negation steht jeweils ein sichtbares, verdinglichtes Zeichen (V. 219: σημήια), das ein Körperteil ist (V. 220: ϑηρὸς ὀδόντας ~ V. 223: λαγόνες). Zur kunstvollen Struktur der Periode vgl. Cahen 1930, 139. 218 ἐπίκλητοι   Nach Apollodoros (1. 71) waren die Oheime des Meleagros (Brüder seiner Mutter, Söhne des Thestios) ziemlich ungehalten über Atalantes Bevorzugung durch den Helden bei der Austeilung der Beute. Kallimachos wandelt den Mythos geringfügig ab: Die Jäger sind von außen herbeigerufen worden (ἐπίκλητοι) und fähig, ein objektiv-unvoreingenommenes Urteil über Atalante abzugeben. Das Wort ἐπίκλητοι ist indes von der Konjekturalkritik nicht unberührt geblieben. Danielsson 1900–1902, 83 hat ἐπίκλητον (sc. μιν = Atalante) vorgeschlagen, wobei Kallimachos’ Neuerung hinsichtlich der Teilnehmer der Jagd verkannt wird. Nach Schneider 1873 II 241 f. hat Kuiper 1896 I 99 ἔτι κλητοί konjiziert, als hätte man Atalante anfangs getadelt und erst später damit aufgehört. So wird aber das uneingeschränkt gültige Präsens willkürlich in zwei Abschnitte gespalten, von denen nur für den zweiten die Anerkennung der Tadellosigkeit zutrifft. Obendrein ist es im Stil des Kallimachos, dass er die homerischen κλητοί (Ι 165: ‚zur Hilfe Gerufene‘; vgl. Hom. Ι 233: τηλεκλειτοὶ ἐπίκουροι) durch ein Wort des Herodot und Thukydides, das ‚Verbündete‘ bezeichnet (vgl. LSJ s. v. ἐπίκλητος), ersetzt. 218 f. (b) Καλυδωνίου ἀγρευτῆρες / μέμφονται κάπροιο   Zu ἀγρευτῆρες vgl. [Theokr.] 21. 6, zum Attribut Καλυδώνιος Theokr. 17. 54 (Tydeus). Danielsson 1900–1902, 83 Anm. 1 und Bornmann 1968, 103 ad loc. wollen

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III. Kommentar

den Genitiv Καλυδωνίου ... κάπροιο mit ἀγρευτῆρες verbinden, aber die Ursache für den Tadel (μέμφονται) muss ausgedrückt werden (so Aischyl. Hept. 651 f. mit LSJ s. v. 4 und Cahen 1929, 449). Vielleicht kann der Genitiv ἀπὸ κοινοῦ sowohl zu ἀγρευτῆρες als auch zu μέμφονται gehören und beide Funktionen erfüllen. 219 f. τὰ γὰρ σημήια νίκης / Ἀρκαδίην εἰσῆλϑεν   Zum aitiologischen Abschluss des Gedankengangs vgl. z.B. V. 77 f. (kahle Stelle an Brontes’ Brust), 108 f. (entlaufene Hirschkuh als künftiger ἆϑλος), 228 f. (Agamemnons Steuerruder) und 248 (ephesisches Kultbild). Zu σημήια als einem sichtbaren Zeichen am Ende eines Aitions vgl. Apoll. Rhod. 1. 28, 4. 554, 1620 (σήματα). Bornmann 1968, XVII vergleicht Hom. h. Merc. 124–126 (auf Steinen ausgespannte Rindsleder). Zum Relikt der bis in Augustus’ Zeit hinein in Arkadien (Athenes Tempel in Tegea) aufbewahrten Hauer des kalydonischen Keilers vgl. Paus. 8. 46. 1. Zu Ἀρκαδίην εἰσῆλϑεν als dem siegreichen Einzug und der geographischen Endstation vgl. Bornmann 1968, 103 ad loc. 220 ἔχει δ᾽ ἔτι ϑηρὸς ὀδόντας   Zu ϑηρὸς ὀδόντας vgl. Hom. Ι 539: ἀργιόδοντα (im Kontext der kalydonischen Jagd) sowie Ov. met. 8. 429: magnis insignia dentibus ora. Die gesamte Formulierung zeichnet sich durch eine chiastische Anordnung der Glieder aus: σημήια (A) νίκης (A1) ... εἰσῆλϑεν (B), ἔχει (Bʼ) ... ϑηρὸς (A1ʼ) ὀδόντας (Aʼ). 221 οὐδὲ μὲν Ὑλαῖον τε καὶ ἄφρονα Ῥοῖκον    Stephens 2015a, 150 ad 222 geht davon aus, dass die Kentauren Hylaios (‚der Ungeschlachte‘) und Rhoikos (‚der Krummbeinige‘) von Artemis getötet wurden. Der Parallelismus der beiden Sätze (vgl. ad V. 218 f. [a]) macht diese Annahme äußerst unwahrscheinlich und legt nahe, dass die τοξότις ebenfalls Atalante ist (so Bornmann 1968, 104 ad loc.). Artemis könnte die Ursprüngliche in dieser Rolle gewesen sein, dann von Atalante als ihrer Hypostase abgelöst worden sein. Apollodoros (3. 106) und Ailianos (var. 13. 1) bezeugen die Tötung von Hylaios und Rhoikos durch Atalante wegen erotischer Nachstellungen. Stephens bemerkt allerdings zu Recht, dass sich in der Parataxe der positiven und der negativen Geschichte der widersprüchliche Charakter der Göttin selbst (‚schützend‘ vs. ‚strafend‘) widerspiegelt. Nach Blomfield 1815, 110 wollte Bentley nach Hor. c. 2. 19. 23, 3. 4. 55 (Rhoetus), wo es um einen der Giganten geht, auch bei Kallimachos Ῥοῖτον lesen. Aber vgl. Verg. georg. 2. 456 und Val. Flacc. 1. 141: Rhoecus. Horaz und Vergil kennen auch den Kentauren Hylaios (c. 2. 12. 6 und georg. 2. 457: Hylaeus). Vgl. auch Properz 1. 1. 13 (wo auch auf Atalante Bezug genommen wird). Zu ἄφρονα vgl. Ait. fr. 114. 7 Harder (Feinde des delischen Apollon) und h. 4. 184 (Galater).



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221 f. οὐδὲ μὲν ... ἔολπα / οὐδέ περ ἐχϑαίροντας ἐν Ἄϊδι μωμήσασϑαι   Der Ausdruck erinnert an Hom. Ρ 398 f.: οὐδέ κ’ ῎Αρης λαοσσόος οὐδέ κ’ ᾿Αϑήνη / τόν [Schlachtgetümmel] γε ἰδοῦσ’ ὀνόσαιτ’ [~ μωμήσασϑαι], οὐδ’ εἰ μάλα μιν χόλος [~ ἐχϑαίροντας] ἵκοι; bei Kallimachos zusätzlich auch mit Spannung schaffendem μέν solitarium bespickt (vgl. ad V. 264 f. ebenfalls mit Negation und im negativen Paradigma). Zu οὐδέ περ vgl. Aischyl. Choeph. 504 und Hik. 399. Der negative Begriff μωμήσασϑαι ist homerisch (Γ 412), zugleich beschwört er die Topoi der enkomiastischen Chorlyrik herauf, in der μῶμος als Folie für den Preis dient (vgl. Pind. O. 6. 74 und Bakchyl. 13. 202 f. [μῶμος] sowie Alkm. fr. 1. 43 f. [οὔτ᾽ ἐπαινῆν οὔτε μωμήσϑαι]). Das homerische Verb ἔολπα drückt hier eine Vermutung des Narrators aus. Vgl. ἔολπα bei Hesiod (erg. 273 und 475) und ἔλπομαι bei Pind. O. 1. 109, P. 10. 55, N. 6. 26 (zuversichtliche Meinung) und 7. 20 f. (negative Annahme) mit Morrison 2007, 142 f. Es wird ein Lieblingswort des Apollonios Rhodios (es kommt sechsmal vor, davon dreimal am Hexameterende). Durch die Kombination ἔολπα ~ μωμήσασϑα wird ein futurisches Ereignis ausgedrückt, mithin ist die Formulierung dem wahren Futur συνεπιψεύσονται (V. 223) parallel. Vgl. Danielsson 1900–1902, 82 Anm. 4. Die Angabe ἐν Ἄϊδι ist wichtig, um zu zeigen, dass die Kentauren durch Schaden klug geworden sind. Dies ist – pace Cahen 1939, 139 – bei den kalydonischen Jägern nicht der Fall, deren lobendes Verhalten nicht an ihren Tod gebunden ist. 223 (a) τοξότιν   Homer kennt τοξότης (Λ 385), eine Form, die später in Dichtung und Prosa das Feld beherrscht, und τοξευτής (Ψ 850), ein Nomen, das Kallimachos Ait. fr. 70. 2 verwendet (vgl. Harder 2012 II 572 ad loc.). Die weibliche Form τοξότις des nomen agentis τοξότης (Herodian. π. κλίσ. ὀνομ. II 700. 25 Lentz) kommt Anth. Pal. 6. 240. 1, Lukian. Lex. 12. 14 und Orph. h. 36. 2 auf Artemis bezogen vor. Aischylos schrieb ein Drama mit dem Titel Τοξότιδες. Vgl. auch ad V. 13 (χόριτις). 223 (b) οὐ γάρ σφιν λαγόνες συνεπιψεύσονται    Statt der homerischen Formen λαπάρη oder κενεών verwendet Kallimachos λαγόνες, ein Wort, das in der Sprache attischer Schriftsteller (vgl. auch Theokr. 25. 246) heimisch ist (vgl. Kuiper 1896 I 100). Auch die Formulierung οὐ γάρ ... συνεπιψεύσονται zeigt sich vor dem Hintergrunde enkomiastisch-chorlyrischer Rhetorik als Umkehrung des μάρτυς-Topos. Vgl. Pind. O. 6. 21 und N. 7. 49 (οὐ ψεῦδις ὁ μάρτυς ἔργμασιν ἐπιστατεῖ). Zu Verben mit Doppelpräfixen vgl. h. 4. 179 (ἀμφιπεριστείνωνται), 207 (ἐξανίησιν) und Hec. fr. 71. 2 Hollis (εἰσανέβαινεν). Das Verb συνεπιψεύδεσϑαι kommt bei Lukian dial. mer. 13. 5 vor.

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III. Kommentar

Zu drei konsekutiven σπονδειάζοντες vgl. Theokr. 13. 42–44 mit Gow 1950 II 239 ad loc. (weitere Beispiele) und Catull. 64. 78–80 sowie Griffiths 1970a, 214. 224 τάων Μαιναλίη νᾶεν φόνῳ ἀκρώρεια   Das Relativpronomen τάων bezieht sich unmittelbar auf λαγόνες (Σ ad h. 3. 224a [Pfeiffer 1953 II 65]), metonymisch auf die Kentauren (V. 223: σφιν). Μαιναλίη ... ἀκρώρεια bezeichnet das arkadische Gebirge Μαίναλον. Vgl. ad V. 89. Die attributive Form mit einem Wort für den Berg kommt bei Pindar O. 9. 59 (Μαιναλίαισιν ἐν δειραῖς) vor. Die seltene Bezeichnung ἀκρώρεια für den Fuß [ἄκρος= ‚Extremität‘] des Berges [ὄρος] (metonymisch für den ganzen Berg) taucht unter anderem bei Xen. hell. 7. 2 10 und Theokr. 25. 31 (vielleicht als nomen proprium) auf. Schmitt 1970, 28 Anm. 9 vergleicht homerisches πρυμνωρείη (Ξ 307) und ὑπωρείη (Υ 218). Zur Assoziation der Atalante mit dem Berg Mainalon vgl. Eur. Phoen. 1161 f. und Apoll. Rhod. 1. 769 f. Siehe auch ad V. 215 (b) (Apoll. Rhod. 1. 770). Zu φόνος als vergossenem Blut vgl. z.B. Κ 298, Ω 610 (weitere Belege bei LSJ s. v. 4). Der Versschluss νᾶεν φόνῳ ἀκρώρεια transponiert die idyllische Beschreibung der Käsewerkstatt des Kyklopen (Hom. ι 222: ναῖον [cet. νᾶον] δ’ ὀρῷ ἄγγεα πάντα) ins Gruselige, eine Szene, die angesichts der späteren Entwicklung der Geschichte als ambivalent erscheint. Das Verb νᾶεν ist mit ναῖον tautometrisch, φόνῳ und ὀρῷ beziehen sich auf eine flüssige Substanz und sind durch correptio epica gekennzeichnet. Kallimachos benutzt allerdings die Verbform ohne Iota und scheint dadurch bewusst eine Lesart der Homer-Handschriften übernommen zu haben, die in den Scholien als Gegenmeinung zu Aristarchs ναῖον bezeugt wird (vgl. Σ ad ι 221 [II 424 Dindorf]). Siehe auch die praesens-imperfectum-Formen Hom. Φ 197: νουσιν und ζ 292: νει ohne Schwankung der Überlieferung, nebst Kuiper 1896 I 100 f. Apollonios Rhodios entscheidet sich anders (1. 1146: ὕδατι ναῖεν [Wasserwunder auf dem Gebirge Dindymon]) und wird dafür von den Scholiasten gerügt (Σ ad 1. 1141–1148c [p. 104 Wendel]), wo die zum Vergleich herangezogene homerische Stelle mit νᾶεν zitiert wird. De Ian 1893, 24 f. postuliert die Korrektur des Apollonios durch Kallimachos, aber das Umgekehrte ist ebenso möglich wie auch die Unabhängigkeit beider voneinander und der unpolemische Rückgriff auf zwei homerische Varianten. Für die letztere Möglichkeit spricht, dass Apollonios auch die Formen νᾶεν (3. 224) und νοντος (4. 1300) kennt. Vgl. Rengakos 1993, 101 f.



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Kulte und Kultorte der Artemis (V. 225–258) Den vier Lieblingsnymphen der Göttin (Kyrene, Prokris, Antikleia, Atalante) entsprechen vier Kultsstätten derselben (Milet, Samos, Arkadien, Ephesos). Diesem abschließenden Teil des Gedichts wohnt ein durchaus prononciertes aitiologisches Interesse an Stadtgründungen inne, das auch in einem wissenschaftlichen Prosawerk des Kallimachos (Κτίσεις νήσων καὶ πόλεων καὶ μετονομασίαι [T1. 18 f. Pfeiffer]) klar zu Tage tritt (vgl. ad V. 47 f.). Siehe auch Zanker 1987, 122. Während aber das Aition bei der abschließenden Atalante-Episode nur als Abrundung der mythischen Erzählung dargestellt wurde (V. 219 f.), ist hier der Ausgangspunkt (bis auf die als Abschluss anders strukturierte EphesosEpisode) jeweils ein zeitlos-gegenwärtiger Kult (der milesischen Chitone, samischen Chesias-Imbrasie, arkadischen Korie-Hemere), der aitiologisch begründet wird (zum Unterschied ‚Vergangenheit–Gegenwart‘ siehe auch ad V. 202 f.). Vgl. Bornmann 1968, 105 ad 225–258. Die lange EphesosEpisode am Ende (V. 237–250) hebt sich von der Umgebung ebenso ab, wie die Britomartis-Diktyna-Erzählung am Anfang (V. 189–205) vom Katalog der Lieblingsnymphen. Die beiden bilden gleichsam einen umschließenden Rahmen, was auch durch die verbale Entprechung Οὔπι (V. 204 ~ 240) signalisiert wird. Der Tanz der Amazonen (V. 240) wird jedoch auch hier aus dem Mythos abgeleitet (V. 237–239). Archegetin der Milesier (V. 225–227) 225 (a) πότνια πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι   Eine Reihe sonorer Anrufungen der Göttin (dreifache Π-, zweifache Χ-Alliteration) markiert den Beginn eines neuen thematischen Abschnittes über die Kulte und Kultorte der Artemis. Zur Häufung der Vokative vgl. auch V. 110 (Ἄρτεμι Παρϑενίη Τιτυοκτόνε). Die Spaltung der Anrufsformen durch ein Mittelglied (hier χαῖρε) ist nach Bornmann 1968, 106 ad loc. etwas typisch Hellenistisches. Vgl. V. 259 und h. 6. 2. Das Attribut πουλυμέλαϑρος ist ein kallimacheisches Hapax, das später von Nonnos (Ev. Joh. 14. 6) aufgegriffen wird. Das Grundwort μέλαϑρον bezieht sich hier nicht wie sonst auf profane Bauwerke, sondern auf Heiligtümer der Artemis. Zur sakralen Bedeutung des Wortes vgl. Pind. P. 5. 40. Der Vokativ πολύπτολι kommt h. 4. 266 in derselben metrischen sedes innerhalb einer ebenfalls stabreimenden Reihe auf Delos bezogen vor: ὦ μεγάλη, πολύβωμε, πολύπτολι, πολλὰ φέρουσα. Zum variierten Vorderglied πουλυ-/πολύ- vgl. ad V. 138 (a) (πολλή). Vgl. Bredau 1892, 16. Vielleicht klingt πουλυμέλαϑρε auch an den Beinamen πολυγώνιος (Ait. fr. 113f 2)

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III. Kommentar

des milesischen Apollon (vgl. Ehrhardt 2003, 283 Anm. 73) an, zumal die Gründung Milets unter Führung der Artemis gleich erwähnt wird (V. 226 f.). 225 (b) χαῖρε   Die Abschiedsformel χαῖρε sorgt für eine Überraschung, da der Hymnos noch nicht zu Ende ist (vgl. ad V. 259 [a]). Adäquater erscheint die Formel im Epilog des Hymnos (V. 259 und 268). Für einen ähnlichen, viel nachdrücklicher stilisierten Scheinschluss vgl. V. 136 f. Fain 2004, 54 vergleicht die Übergangspassage zwischen dem delischen und dem pythischen Teil des homerischen Apollon-Hymnos, wo Apollon und Artemis um Gnade angerufen (V. 165: ἱλήκοι) und scheinbar verabschiedet (V. 166: χαίρετε) werden. Vgl. auch Bundy 1972, 84 unter Vergleich von Kall. h. 1. 91, 94, h. 4. 325 f., 5. 140 f., 6. 134. 225 (c) Χιτώνη   Der Kultname Χιτώνη (so auch Kall. h. 1. 77 f.: Χιτώνης / Ἀρτέμιδος) geht offensichtlich auf das Brauchtum zurück, der ortsansässigen Artemis ein entsprechendes Gewand wohl anlässlich des Gründungsfestes Νηληΐς (vgl. Kall. Ait. fr. 80. 18 mit Erwähnung der Artemis sowie Herda 1998, 25–33) zu weihen. Vgl. Günther 1988 passim (insbesondere 235 f. zur Kallimachos-Stelle im Zusammenhang einer Inschrift, die den Ritus der Kleiderweihe für Artemis Kithone festhält), Ehrhardt 2003, 280–289 und Cole 2004, 221–224. Χιτώνη ist die gemeingriechische Schreibweise, wohingegen Κιϑώνη die lokale Variante darstellt (Günther 1988, 235, Herda 1998, 3 und Ehrhardt 2003, 281). Die Kombination der Scholiasten (Σ ad h. 1. 77b Pfeiffer 1953 II 45), der Name stehe mit einem Kultbild der Göttin, das Neleus vom attischen Demos Χιτώνη mitgebracht hätte, im Zusammenhang, scheint auf Rätselraten zu beruhen, während die als alternative Erklärung vorgetragene Verknüpfung mit der Kleiderweihe von Frauen, die geboren haben (vgl. Σ ad Apoll. Rhod. 1. 288 [p. 33 Wendel]), plausibler erscheint. Die Angabe der KallimachosScholien, dass das Standbild der Göttin aus einem Eichenbaum gefertigt worden sei, der verschiedenerlei an Früchten trug (104–107), scheint es jedoch mit einem urtümlichen Substrat zu tun zu haben, das Artemis als Fruchtbarkeit bringende Göttin auffasste. Vgl. Herda 1998, 30. Das Motiv des Götter-ἄγαλμα erinnert an das der ephesischen Artemis (V. 237–239) und könnte von dort übertragen worden sein. Vgl. Herda 1998, 37. Zur unleugbaren strukturellen Gemeinschaft des Rituals der Κιϑώνη mit dem brauronischen Artemis-Kult (Eur. Iph. T. 1464–1467) vgl. Nilsson 1906, 242 sowie 1941 I 465, Günther 1988, 236 f. und Ehrhardt 2003, 282. Die Konstruktion dieser Verwandtschaft mag wohl auf den Einfluss der von Kallimachos benutzten Quellen zurückzuführen sein. Vgl. Herda 1998, 27. 226 (a) Μιλήτῳ ἐπίδημε   Kallimachos hat für das Wort ἐπίδημος die Bedeutung ‚Bewohner von [Name der Gegend]‘ geprägt. Homer kennt nur die



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Form ἐπιδήμιος in der Bedeutung ‚einheimisch‘, ‚zu Hause anwesend‘ (z.B. α 194, 233). Das erste Glied des Präpositionalkompositums bedeutet sowohl die günstige Aufsicht über ein Volk als auch das Gegenwärtig-Sein der Göttin unter einer Bevölkerung (vgl. Chaniotis 2011, 174). In dieser letzteren Bedeutung kommt das Wort Ait. fr. 75. 26 an derselben metrischen Stelle auf Artemis bezogen vor (Δήλῳ δ᾽ ἦν ἐπίδημος). Siehe auch h. 2. 13 mit der Verbform ἐπιδημήσαντος (Apollon). Vgl. Knight 1993, 205 und 211 Anm. 16 sowie Stephens 2015a, 150 (Bezug auf Götter). Zum poetischen Dativ (Μιλήτῳ) neben ἐπίδημος vgl. Bornmann 1968, 107 ad loc. mit Belegstellen. Μιλήτῳ am Anfang respondiert Νηλεύς am Ende des Verses: zwei bedeutungsträchtige Aussageeinheiten. 226 f. σὲ γὰρ ποιήσατο Νηλεύς / ... ὅτε ... Κεκροπίηϑεν   Der Satz ist, was Thema und Struktur betrifft, h. 4. 308 f.: [Statue Aphrodites], ἥν ποτε Θησεύς / εἵσατο [ποιήσατο], σὺν παίδεσσιν ὅτε Κρήτηϑεν ἀνέπλει [ὅτε νηυσὶν ἀνήγετο Κεκροπίηϑεν] ähnlich. Vgl. Cahen 1930, 143. 226 (b) Νηλεύς   Zur (homerisch-äolischen) Namensform Νηλεύς vgl. Hellan. fr. 125 (FGrH I 137 f. Jakoby), Apoll. Rhod. 1. 959 (Νηλεΐδαι), Alex. Ait. fr. 3. 1 (Νηληϊάδαο), 26 (Νηλεΐδαο) Magnelli , Strab. 14. 1. 3, 632 C, Ail. var. 8. 5. Damit wird der Kodrossohn Neleus homonym mit dem Aioliden Neleus, Sohn des Poseidon und der Tyro. Strabon (14. 1. 3, 633 C) versucht die beiden Gestalten miteinander zu verbinden (vgl. auch Wilamowitz 1937 = 1906, 161 f. und Herda 1998, 14 für eine genealogische Verknüpfung). Zur Etymologie der Namen Νηλεύς/Νείλεως (sowie auch von Νέστωρ, Sohn des Neleus) als ‚einer, der das Kriegsvolk (λαός) heil heimführt (*νεσ-)‘ vgl. Durante 1967 passim. Dies würde vorzüglich zu unserer Gründergestalt Neleus, dem Kodriden, passen, wird aber von Kallimachos nicht reflektiert. Daher ist es fraglich, ob ihm die Bedeutung des Namens bekannt war. Die ionisch-attische Form Νείλεως kommt Hdt. 9. 97, Kall. fr. 191 (= Ia. 1) 76, Aristot. fr. 565. 32 (III 687 Gigon) (Νειλειδῶν), Plut. mul. virt. 16 (= mor. 253F) sowie glor. Ath. 7 (= mor. 349E) und Polyain. 8. 35 vor. Theokrit verwendet eine Mischform (Νειλεύς), indem er Milet πόλιν ... Νείλεος (28. 3) nennt (so auch Paus. 7. 2. 1). Kallimachos bezieht keine eindeutige Stellung in Bezug auf die „richtige“ Form des Namens, indem er beide Varianten verwendet (h. 3. 226: Νηλεύς vs. fr. 191 [= Ia. 1] 76: Νείλεω). Zu den unterschiedlichen Schreibweisen des Namens vgl. Herodian. π. ὀρϑ. II 450. 24–26 Lentz und Pfeiffer 1949 I 89 in app. ad Ait. fr. 80. 17 f. Zur Gestalt und Heroisierung des Neleus vgl. die gegenteilige Meinung von Ehrhardt 2003, 282 f. (spät-akzessorisches Anhängsel des ArtemisKultes) sowie Herda 1998, 27­–33 (Neleus, ein Teilnehmer der ionischen Wanderung im 11. Jh. v. Chr., Überbringer des Κιϑώνη-Kultes nach Ioni-

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III. Kommentar

en, mitverehrt im Artemis-Kult seit dem 8. Jh. v. Chr.). Welche Ansicht das Wahre trifft, verschlägt hinsichtlich der kallimacheischen Version nichts, da dem hellenistischen Dichter der Kult als Vorgegebenes galt. Ehrhardt 2003, 284 traut dem Dichter eine umfängliche Belesenheit in milesischen Gründungsgeschichten zu. Dieses antiquarische Anliegen wird ergänzt um ein Interesse für die Belange der aktuellen Machtpolitik der Ptolemäer, die sich auch der Stadt Milet bemächtigt hatten, die spätestens nach dem Tod Arsinoes II. einen eponymen Kult der Königin aufwies (Ehrhardt 2003, 286 f.). Dies ist mit der These einer Verschmelzung der Artemis-Gestalt mit der Arsinoes (Kapitel I 5 passim) gut vereinbar. 227 (a) ἡγεμόνην   Da Artemis V. 225 Χιτώνη heißt, geht es nicht an, einen zweiten Kultnamen Ἡγεμόνη im Zusammenhang mit Neleus zu postulieren (pace Steph. Byz. 277. 13 f. s. v. Ἑρμιών – Ἑρμιόνη [II 160. 118 Billerbeck–Zubler]: ὡς ἀπὸ ... τῆς χιτῶνος ἡ Χιτώνη καὶ ἡγεμόνος ῾Ηγεμόνη). Zur Erkenntnis, dass hier Kallimachos zitiert wird, vgl. Schneider 1873 II, 243. Das Fehlurteil, dass es sich um einen Kultnamen Ἡγεμόνη (so Paus. 3. 14. 7) handelt, verfechten Wernicke 1895, 1386, Kuiper 1896 I 101, Wilamowitz 1924 II 59 Anm. 3 und Brackertz 1976, 211–216. Zur Kritik dieser Ansicht vgl. Cahen 1930, 141. Auch in einem orphischen Hymnos (72. 3) wird das Wort als nomen commune auf Artemis bezogen. Am besten belässt man es also als nomen appellativum. Die Rolle der Göttin als Anführerin (ἡγεμόνη) der Kolonisation von Milet stellt sie in Konkurrenz zu Apollon, der im Apollon-Hymnos des Kallimachos als Anführer der Gründer von Kyrene gepriesen wird (h. 2. 66: ἡγήσατο ~ V. 227: ἡγεμόνην). Milet steht insbesondere unter der Obhut Apollons (vgl. Hom. h. Ap. 180, Kall. fr. 229 [Branchos] und 194 [Ia. 4] 28­–31 sowie Brackertz 1976, 133–138), was die Einführung der Schwester umso mehr ins Auge springen lässt. Vgl. Ambühl 2005, 278. Die Verbindung der Artemis mit Städten (V. 225: πολύπτολι) steht also unter dem Zeichen der Angleichung an Apollon, gemäß dem neuerlangten Status der Göttin, der in der olympischen Szene durch deren Ehrenplatz neben ihrem Bruder zum Ausdruck kommt (V. 169). Vgl. Kapitel I 3, 38. 227 (b) ὅτε νηυσὶν ἀνήγετο Κεκροπίηϑεν   Zur vorliegenden Bedeutung des Verbs ἀνήγετο vgl. LSJ s. v. ἀνάγω B. Das Wort expliziert das vorausgehende Attribut der Artemis (ἡγεμόνην). Zum altattischen Städtchen Κεκροπία, das Kallimachos als Metonymie für Athen gebraucht, vgl. Eur. El. 1289, Suppl. 658 und Strab. 9. 1. 20, 397 C. Die suffigiert-adverbiale Form wird sonst von Apollonios Rhodios (1. 95, 214) verwendet. Zu den Κεκροπίδαι vgl. Hdt. 8. 44 und Kallimachos h. 4. 315.



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Artemis ἐχενηΐς (V. 228–232) 228–230 Χησιὰς Ἰμβρασίη — ἀπλοΐης   Auf Χιτώνη (V. 225) folgen zwei andere Artemis-Eponyme, die dem Leser eine besondere Kenntnis der entlegenen Aspekte des Artemis-Kultes abnötigen. Zugleich sorgen sie für einige Bestürzung, da sich beide auf Samos beziehen, wo der Kult der Hera das Feld beherrscht. Gleichwohl wird auf der Insel auch ein Heiligtum der Artemis bezeugt (Hdt. 3. 48). Artemis muss sich also gegen Zeus’ Gemahlin durchsetzen, und zur Verblüffung des Lesers gelingt ihr das glänzend. Vor allem durch die Formulierung Ἰμβρασίη πρωτόϑρονε läuft die junge Göttin Artemis ihrer Konkurrentin Hera den Rang ab, indem sie sich vor der ortsansässigen Gottheit auf Samos als die ältere und ursprüngliche erweist. Vgl. Wilamowitz 1924, 60 Anm. 1, D’Alessio 1996, 123 Anm. 50 und Ambühl 2005, 264. Ein versteckter Hinweis auf Agamemnon wurde V. 188 ausgemacht, dem hier eine andere Wendung gegeben wird. In Konkurrenz zur Opferung Iphigeneias wird hier als Versöhnungsritual für die gekränkte Göttin eine andere Mythosversion, die Aufstellung des Steuerruders, vorgetragen. Vgl. Plantinga 2004, 272 und Vamvouri Ruffy 2004, 263. Eine dritte Variante (Sühneopfer von nicht vollwertigen Tieren seitens Agamemnons für Artemis Kolainis = ‚die Verstümmeltes [κόλον] Gutheißende [αἰνεῖ]‘) wird von Kallimachos fr. 200b (= Ia. 10) vertreten. Die etymologische Verknüpfung vermutet auch Kerkhecker 1999, 209 Anm. 66. Zum Artemis-Kult in Aulis und seinem Aition in Agamemnons Opferhandlung (gemäß fr. 200b) vgl. auch Paus. 9. 19. 6–7. Der Epilog führt indes zur klassischen Mythosversion (fatale Folgen eines Jagdfrevels Agamemnons) zurück. Hier wird die Ursache des Zornes der Göttin (V. 263: κόμπασε) erst nachträglich angegeben und die grausame Strafe Agamemnons (Aufopferung der Tochter) euphemistisch (V. 263: οὐδὲ ... ὀλίγῳ ... μισϑῷ) angedeutet. Zur Umkehrung der Chronologie der Ereignisse (Folge–Ursache) vgl. Plantinga 2004, 272. Cahens (1929, 376 f. sowie 1930, 142) Aufweis eines sachlichen Widerspruchs, wieso das aulidische Missgeschick mit einem Versöhnungssakt auf Samos zu verknüpfen sei, kann durch die Annahme entkräftet werden, dass Agamemnon das Votum bereits am Ufer des Euripos geleistet, seine Einlösung aber bis zu einer Zwischenstation auf Samos aufgeschoben haben dürfte. Es ist also nicht nötig, mit Cahen zwei verschiedene Opferrituale aus unterschiedlichen Anlässen anzunehmen (ähnlich auch Cozzoli 2012, 285, die annimmt, die samische Stiftung habe während des ersten, fehlgeschlagenen Feldzugs gegen Troja stattgefunden), da auf diese Weise nicht nur die Ökonomie gestört, sondern auch der intratextuelle Bezug zu V. 263 zerstört wäre. Vamvouri Ruffy 2004, 263 sieht im ungewöhnlichen Schauplatz eine

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III. Kommentar

Rückprojektion der panhellenischen Verbreitung der Göttin in die mythische Zeit des trojanischen Kriegs. 228 Χησιὰς Ἰμβρασίη πρωτόϑρονε    Das Wort Χησιάς ist eine Femininbildung zum Bergnamen Χήσιον. Nach Kuiper 1898 II 28 Anm. 2 habe der Dichter die Nymphe Chesias, die Okyrrhoe von Imbrasos empfangen hatte (Apoll. Rhod. fr. 7 [p. 6 CA] = Athen. 7. 19, 283E), der Artemis angeglichen, wie er es mit Britomartis-Diktyna getan hatte. Bei Apollonios kommt der Name Χησιάς ebenso am Versanfang vor (V. 2), danach εὐπατέρεια, worauf sich Kallimachos durch tautometrisches Ἰμβρασίη beziehen könnte. Zum samischen Fluss Ἴμβρασος vgl. Kall. fr. 599, wo es um die Entstehung des Beinamens Παρϑένιος für Ἴμβρασος geht. Der letztere Name wird mit Heras Jugend verknüpft (Σ ad Apoll. Rhod 1. 187b, wo Hera Ἰμβρασίη genannt wird‚ und auch ad 2. 866a [p. 24, 192 Wendel]). Der Gedanke an Jungferntum dürfte Kallimachos die Idee eingegeben haben, den Kultnamen Ἰμβρασίη Artemis zuzuweisen. Das Epitheton πρωτόϑρονος interpretieren Aulin 1856, 37 f. und Bredau 1892, 17 f. (mit späteren Belegstellen) als Abwandlung des homerischen Epithets χρυσόϑρονος (Α 611 auf Hera, Ι 533 auf Artemis bezogen). Zugleich kann man darin einen Vorverweis auf die ephesische Artemis sehen, zumal diese auch πρωτοϑρονία heißt (Paus. 10. 38. 6 nebst Cook 1914 I 141, Mair 19552, 80 Anm. f und Petrovic 2007, 217). 228 f. Ἀγαμέμνων / πηδάλιον νηὸς σφετέρης ἐγκάτϑετο νηῷ   Zur Paronomasie (νηὸς ... νηῷ) vgl. Aulin 1856, 15 und Ferguson 1980, 120. Zu einem ähnlichen Wortspiel siehe auch Anth. Pal. 6. 96. 1 f. (νῆα ... νηοῦ). Die Verwendung des Pronomens σφετέρης für die dritte Person Singular ist der von σφέ in derselben Funktion (V. 197) zu vergleichen. Vgl. Kall. h. 4. 233 (σφετέρης tautometrisch); Hes. scut. 90, fr. 266a 10 M–W; Pind. O. 9. 78, 13. 61; P. 4. 83; I. 6. 33, 8. 56; Aischyl. Ag. 760; Theokr. 12. 4, 17. 41, 22. 209, 24. 60; Apoll. Rhod. 1. 167, 2. 1042, 3. 186 usw. mit Lorentz 1892, 43 und Rengakos 1993, 118. Zum Versschluss ἐγκάτϑετο νηῷ vergleicht Reinsch-Werner 1976, 265–267 die homerischen Wendungen ἐγκάτϑε(τ)ο κόλπῳ (Ξ 219, 223, h. Cer. 286), ἐγκάτϑετο τέχνῃ (λ 614), ἐγκάτϑετο ϑυμῷ (ψ 223), alle am Versende. In derselben metrischen Position kommen bei Hesiod die Ausdrücke ἐγ-/ἐσκάτϑετο νηδύν (theog. 487, 890, 899, fr. 343. 7 M–W) und ἐνικάτϑεο ϑυμῷ (erg. 27) vor. Vor allem dürfte aber Kallimachos Hes. erg. 627 (ἐγκάτϑεο οἴκῳ) vorgeschwebt haben, da hier innerhalb der Schiffahrtsregelungen die Worte νηός (V. 628) und πηδάλιον (V. 629 am Versanfang) auftauchen. Während der bedächtige Bauer vorsichtig abwartet, erscheint Agamemnon zur Ruhehaltung gezwungen. Dieser Kontrast wird ironisch untermalt durch den Gegensatz des profanen οἶκος zum sakralen νηός: Hier



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ist das Steuerruder als Weihgabe in einem Heiligtum aufgestellt, dort in einem Rauchfang aufgehängt. Im darauf folgenden persönlichen Abschnitt (V. 633–662) begegnet ein Hinweis auf den Aufenthalt der achaischen Flotte in Aulis (V. 651–653), der Kallimachos als Hintergrund für die in Rede stehende Episode diente. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 267. 230 (a) μείλιον ἀπλοΐης   Zu μείλιον als Sühnegabe vgl. Hom. Ι 147 = 289 (im Plural). In derselben Bedeutung (Weihegegenstand zur Erlangung eines Wunsches) bei Apollonios Rhodios 4. 1549 (ἔπι von μείλια getrennt). Vgl. Kuiper 1896 I 103 und Erbse 1953, 175 f. An unserer Stelle gibt der Genitiv ἀπλοΐης statt des Wunsches den zu beseitigenden Übelstand an. Kallimachos dürfte auf das homerische ζήτημα Bezug genommen haben, also auf die Frage, ob der Ausdruck etwa durch die Univerbierung ἐπιμείλια (laut Aristarch in Σ ad Ι 147a 1–2 [II 428 f. Erbse]) oder ἐπί μείλια (mit Tmesis des Verbalpräfixes gemäß der Vulgata) zu lesen sei. Vgl. de Ian 1893, 88 f., Kuiper 1896 I 102 (der Dichter habe sich zu Recht von der Schulmeinung distanziert, der Begriff μείλια bedeute ‚Mitgift‘, und ihn als ‚[versöhnende < μειλίσσω] Gabe‘ verstanden), Cahen 1930, 143 und Rengakos 1993, 123. Zur (von Artemis verursachten) aulidischen Flaute vgl. Aischyl. Ag. 188; Eur. Iph. A. 88, Iph. T. 15. Zur Diairesis im Wort ἀπλοΐη siehe Bulloch 1985a, 140 ad h. 5. 28 (eine kallimacheische Innovation). 230 (b) ὅτε οἱ κατέδησας ἀήτας   Zum Festbinden der Winde vgl. Hom. ε 383 (ἀνέμων κατέδησε [Athene] κελεύϑους), η 272 (ἀνέμους κατέδησε [Poseidon] κελεύϑου) und κ 20 (ἀνέμων κατέδησε [Aiolos] κέλευϑα). Homer verwendet ι 139 ἀῆται (vom Erwachen des Windes) ohne das erklärendergänzende ἀνέμων (so Ξ 254, Ο 626 und δ 567 [ζεφύροιο]). Siehe auch Hes. erg. 621 (ἀνέμων), 645 (ἄνεμοι) und 675 (Νότοιο). Die Scholien zu Hom. Ο 626bc (IV 130 f. Erbse) bezeugen ein ζήτημα, das das Genus des Wortes ἀήτη- (entweder Maskulinum ἀήτης oder Femininum ἀήτη) bemüht. Vgl. die varia lectio πνείοντας / πνείοντος zu Hom. δ 567 (ἀλλ’ αἰεὶ ζεφύροιο λιγὺ πνείοντος ἀήτας). Hier und ep. 5. 3 (ἀῆται) lässt Kallimachos die Frage in Schwebe, Ait. fr. 110. 53 (ϑῆλυς ἀήτης) spielt darauf an, indem das Attribut des Wortes auch ‚feminin‘ bedeuten kann. Vgl. Rengakos 1993, 100. Es gehört zur Konvention der epischen Sprache, dass das Wort immer am Hexameterende vorkommt (so auch bei Kallimachos in allen drei Fällen). 231 f. Τευκρῶν ἡνίκα νῆες Ἀχαιίδες ἄστεα κήδειν / ἔπλεον   Τευκρῶν ... ἄστεα zieht einen Ring um νῆες Ἀχαιίδες in der Mitte des Verses. Ἀχαιίδες wird hier als homerisierend-antiquarisches Requisit verwendet. Homer kennt sowohl Ἀχαιίς (Attribut und Substantiv: achaisches Land oder achaische Frauen) als auch Ἀχαιιάς (Substantiv: achaische Frauen). Fr. Hec. 70.

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III. Kommentar

12 Hollis ist Ἀχαιΐδα (auf Pellene bezogen) eine Ableitung von Ἀχαία, mithin ist es mit unserem Wort nicht zu vergleichen. Kallimachos verwendet Ἀχαιίδες in der homerischen Manier, allerdings mit einem unhomerischen Bezugswort (νῆες). So auch Eur. Hel. 1543 und Apoll. Rhod. 3. 775. Dies trifft auch auf das attributiv verwendete Ἀχαιιάς als Synonym von Ἀχαιίς (h. 4. 100: Ἀχαιιάδες ... πόληες) zu. Während aber im Delos-Hymnos Ἀχαιιάδες die nördlich des Isthmos am Meer liegenden Besiedlungen bezeichnet, bezieht sich hier Ἀχαιίδες auf die Griechen insgesamt. Vgl. Sistakou 2002, 156. H. 5. 13 benennt Ἀχαιιάς als Substantiv die achaischen (= argivischen) Frauen.Vgl. Kuiper 1896 I 133. Zum infinitivus finalis nach einem Verb der Bewegung vgl. Kallimachos h. 4. 167 (ἵξεται ... κοιρανέεσϑαι). Das Vorbild des Ausdrucks ist Hom. Φ 369 (ἔχραε κήδειν am Versende), wo es um den Ansturm des Hephaistos gegen die Wellen des Xanthos geht. Vgl. Kuiper 1896 I 103. In Bezug auf Städte verwendet Homer ἐκ-/διαπέρσαι, während κήδειν in der Bedeutung ‚bedrängen‘ ein persönliches Objekt erfordert (vgl. Ε 404). Der Plural ἄστεα kann entweder als poetisch verstanden werden oder mit Fantuzzi (bei Stephens 2015a, 151) als Hinweis darauf, dass die Achaier vor ihrer Ankunft in Troja auch andere Städte belagerten. 232 ἀμφ᾽ Ἑλένῃ Ῥαμνουσίδι ϑυμωϑεῖσαι   Die Wendung ἀμφ᾽ Ἑλένῃ kommt bei Homer an derselben metrischen Stelle vor (Γ 70=91, χ 227). In einer Version der Antezedenzien zum trojanischen Krieg mit offenkundig allegorisierendem Anliegen ist Helena, die Ursache des Krieges, Tochter der rhamnusischen Göttin Nemesis. Vgl. Cypr. fr. 9. 2 f. Bernabé, Eratosth. catast. fr. 25 (p. 142 f. Robert), Σ ad Lykophr. 88 (II 48 f. Scheer), Apollod. 3. 10. 7 mit Larson 2007, 180. Stephens 2015a, 152 will in der Erwähnung von Rhamnus eine historische Allusion wahrnehmen, da der attische Demos ein wichtiger strategischer Punkt der Ptolemäer zur Zeit des Chremonideischen Kriegs war. Das wegen des spondeischen Verses ins Ohr fallende Partizip ϑυμωϑεῖσαι ist nicht homerisch, sondern in der Sprache des Dramas und der Prosa beheimatet. Allerdings kommt ϑυμός, das Grundwort von ϑυμόομαι, des öfteren am Ende des homerischen Hexameters vor. Vgl. auch Kallimachos fr. 203 (= Ia. 13) 52 (τεϑύμωται), ep. 24. 4 (ϑυμωϑείς). Artemis μανική (V. 233–236) 233 ἦ μέν τοι Προῖτός γε δύω ἐκαϑίσσατο νηούς   Zum argivisch-tirynthischen König Proitos und den von Wahnsinn heimgesuchten, später geheilten Proitiden vgl. Hes. fr. 131–133 M–W, Bakchyl. 11. 37–63, 82–112, Hdt. 9. 34, Apollod. 2. 24–28, Paus. 2. 7. 8, 8. 18. 7–8, Diod. 4. 68. 4, Σ



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ad Hom. ο 225 (II 611 Dindorf) mit Hinweis auf Pherekydes (= fr. 114 [FGrH I 90 f. Jakoby), Verg. ecl. 6. 48–51. Zu den verschiedenen Berichten und Mythosvarianten vgl. Radke 1957a, passim und Dowden 1989, 71–80. Während die Tempelgründung bei Kallimachos von Proitos vorgenommen wird (so auch Paus. 2. 7. 8) und sich dadurch in die Reihe von κτίσεις durch Heroen (Neleus, Agamemnon) einfügt, schreibt Bakchylides diese Tat sowohl den Töchtern als auch dem Vater zu, der Artemis zur Hilfe ruft, um die zürnende Hera zu besänftigen (11. 40–42, 96–105, 110–112). Vgl. Cahen 1930, 142 und Vamvouri Ruffy 2004, 264 f. Hesych. 2634 s. v. ἀκρουχεῖ (I 94 Latte) lässt Melampus den Artemis-Tempel gründen. Zur beteuernden Partikelverbindung ἦ μέν τοι vgl. Hom. ξ 160 = τ 305, Apoll. Rhod. 3. 152 (in direkter Rede). Der Bestandteil τοι wird hier lexikalisch verwendet (‚remotiviert‘), indem er sich auf Artemis bezieht (‚dir‘). Der Versschluss ἐκαϑίσσατο νηούς erinnert an die Paronomasie (V. 229: νηὸς ... ἐγκάτϑετο νηῷ). Vgl. ad V. 228 f. Beide Male handelt es sich um Weihehandlungen. Zum Verb ἐκαϑίσσατο vgl. Pind. P. 5. 42 (καϑέσσαντο in Bezug auf einen Votivakt). 234 ἄλλον μὲν Κορίης, ὅτι οἱ συνελέξαο κούρας   Die Korrelation ἄλλον μὲν ... τὸν δ᾽ ist eher selten. Die umgekehrte Reihenfolge ist üblich. Vgl. Kühner–Gerth 19043 II 265. Die etymologisch-aitiologische Verbindung zwischen Κορίης und κούρας ist offenkundig. Im Gegensatz zum Tempel der Ἡμέρη in Lusoi ist uns der der Κορίη aus anderer Quelle nicht bekannt, obwohl Pausanias (8. 21. 4) einen der Athene Koria in derselben Gegend erwähnt. Cahen 1930, 142 f. vermutet einen Fehler (entweder vonseiten des Pausanias oder des Kallimachos), in dessen Folge die beiden Göttinnen verwechselt wurden. Vielleicht ist aber eher Griffiths 1970a, 215 Recht zu geben, der ein bewusstes Überraschungsspiel vermutet, bei dem Kallimachos das Eponym Athenes Artemis zuwies, um sie prestigeträchtiger erscheinen zu lassen als andere ehrwürdige Göttinnen (zur Konkurrenz mit Hera vgl. ad V. 228–230). Ähnlich bereits Stiglitz 1967, 100–109 (Angleichung der Artemis an Athene Κορία). 235 (a) οὔρεα πλαζομένας Ἀζήνια  Das Attribut Ἀζήνια leitet sich vom seltenen Wort Ἀζηνίς für Arkadien her. Vgl. Kallimachos h. 1. 20 und Steph. Byz. 30. 15 f. s. v. Ἀζανία (I 62. 71 Billerbeck). White’s Festhalten an der Textfassung der Manuskripte ἀξείνια (1981, 377–379) ist unerfreulich, da Kallimachos es kaum verabsäumt haben wird, das Gebiet der Wanderung der Proitiden mit einem Toponym zu benennen. Dabei kam es nicht so sehr darauf an, dass es um Arkadien ging, was jeder gebildete Leser wusste, sondern darauf, das bekannte Arkadien durch ein preziöses Wort zu bezeichnen. Der Schreiber hat dieses Bestreben des Dichters verkannt und durch das Attribut ἀξείνια, eine Verballhornung von ἄξεινος, die ihm unbekannte seltene

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III. Kommentar

Form Ἀζήνια ersetzt. Der Gegensatz zwischen dem zivilisierten städtischen Leben und der Wildnis kommt auch ohne ἀξείνια zum Ausdruck. Zum transitiven Gebrauch eines intransitiven Verbs der Bewegung vgl. V. 193 f. (ἐφοίτα / παίπαλά τε κρημνούς τε) und 195 (ἥλατο πόντον) mit Kuiper 1896 I 103 f. (Einfluss der tragischen Sprache). Zum Medium συνελέξαο (so auch Hom. Σ 413 ohne Augment) als Variationsform des Aktivs vgl. ad V. 2 (b) (μέλονται). 235 (b) τὸν δ᾽ ἐνὶ Λούσοις   Zu Λοῦσοι vgl. Bakchyl. 11. 96 (Singularform Λοῦσος, die Capovilla 1967 I 245 f. für die ursprüngliche mykenische Variante hält) und Paus. 8. 18. 7–8 (er lässt die Heilung der Mädchen im Heiligtum der Artemis Ἡμερασία vonstatten gehen) mit Jost 1985, 25–27, 46–51, 419–425 und Kowalzig 2007, 271–274. Für weitere Varianten der Namensform vgl. Bölte 1927, 1890 f. (Λοῦσος sei der Name des Bachs) und Bornemann 1968, 112 ad loc. Siehe auch Σ ad h. 3. 235b (Pfeiffer 1953 II 65): τὰ Λοῦσα. Nach Bölte 1927, 1891, Nilsson 1941, 463, Simon 19853, 158 f. und Kowalzig 2007, 283 ist der Stamm des Wortes auf das Bad (λούω) zurückzuführen (vgl. Bakchyl. 11. 96: Λοῦσον ποτὶ καλλιρόαν), das die Heilung der Proitiden rituell beschloss (vgl. Steph. Byz. 30. 17–21 s. v. Ἀζανία [I 62. 71 Billerbeck] und Ovid met. 15. 322–328 über die zur Reinigung verwendete Quelle in Lusoi, die auch Kallimachos fr. 407. 32–34 = IX 137 erwähnt). Ein besonderes Verhältnis der Artemis zum Wasser ist daraus nicht herauszulesen, da das Wasser als heilendes Mittel und nicht als der Göttin zugehörig verstanden werden muss (Simon 19853, 158 f. gegen Nilsson 1941, 463). In dieser Hinsicht mag bedeutungsträchtig sein, dass Λούσοις im selben Vers dem Ausdruck Ἀζήνια folgt, der h. 1. 19 f. (ἄβροχος ... / Ἀζηνίς) über eine poetische Etymologie mit ἄζα ‚Dürre‘ verbunden wird. Vgl. Kapitel I 5, 60 f. Mithin stehen auf der etymologischen Ebene Wasserreichtum und Wasserarmut einander gegenüber. 236 Ἡμέρῃ, οὕνεκα ϑυμὸν ἀπ᾽ ἄγριον εἵλεο παίδων    Nach der gängigen Mythosversion (vgl. ad V. 233) wurden die Proitiden von Melampus geheilt. Von dieser Version weicht Bakchylides ab, nach dem Artemis, ‚die Zahme‘, die Heilung herbeigeführt hat (11. 107–112). Ihm schließt sich Kallimachos an. Vgl. Kuiper 1898 II 21 f. und Kowalzig 2007, 275 mit Anm. 14. Calame 1977 I 214–218, Dowden 1989, 80–92 und Kowalzig 2007, 274–283 interpretieren diese Form des Mythos als einen (wohl mit der Heirat zusammenhängenden) Übergangsritus, in dem die Mädchen von einem Zustand der Verwilderung (Bakchyl. 11. 84: ἄδματοι ϑύγατρες; Kall. h. 3. 236: ϑυμὸν ἀπ᾽ ἄγριον) und aus der Wildnis zur Zivilisation und einer zahmen Häuslichkeit, deren Symbol der Chortanz ist (Bakchyl. 11. 112: χοροὺς ... γυναικῶν), hinübergeführt werden. Nach einer Version des Mythos (Verg. ecl. 6. 48–51 mit



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Servius’ Kommentar zu V. 48 [III 74 f. Thilo]) wähnten die Mädchen, Kühe zu sein, worauf sich Bakchyl. 11. 56 (σμερδαλέαν φωνὰν ἱεῖσαι) beziehen könnte. Vgl. Kowalzig 2007, 278–280. Zur rituell-kultischen Wertigkeit der Begriffe ‚wild‘ vs. ‚zahm‘ vgl. Petrovic 2004, 283–290. Artemis als „heilende“ Instanz vereinigt in sich beide Aspekte (vgl. Bakchyl. 11. 37–39: Ἄρτεμις ἀγροτέρα ... Ἡμ]έ̣ρα). Diese Ergänzung der Stelle durch Blass ist sicher (die Kallimachos- und Bakchylides-Stelle komplettieren und bestätigen einander gegenseitig). Zu Artemis Ἡμέρα von Lusoi siehe auch IG V 2. 398 mit Vamvouri Ruffy 2004, 264 Anm. 173. Zum Wild-Unbändigen im Charakter der Artemis vgl. Timoth. fr. 778b PMG (= Plut. de superst. 10 [= mor. 170A]: ϑυιάδα φοιβάδα μαινάδα λυσσάδα), in dem eine orientalische, Kybele-artige Wesenskomponente auszumachen ist (Brussich 1990, 32 f.). Zu ϑυμὸν ἀπ᾽ ... εἵλεο παίδων (mit Tmesis) vgl. h. 5. 87 (ὄμματα ... παιδὸς ἀφείλεο). Zum neutral-prosaischen Verb ἀφαιρέω vgl. Bulloch 1985a, 196 ad h. 5. 87, der die Konstruktion mit Akkusativ und Genitiv (statt Doppelakkusativ) für eine κοινή-Entwicklung hält. Es schwingt aber auch eine leichte epische Reminiszenz mit, da bei Homer die Wendung ϑυμὸν ἑλ- auf den Tod geht, was hier für einen Effekt παρὰ προσδοκίαν sorgt. Vgl. Bornmann 1968, 113 ad loc. Die parallele Satzstruktur wird durch die Inkonzinnität von Κορίης (V. 234) und Ἡμέρῃ (V. 236) durchbrochen. Zum Wechsel von Dativ und Genitiv vgl. Hom. λ 75 f. (μοι ... / ἀνδρὸς δυστήνοιο im Kontext einer Weihung). Amazonen-Göttin (V. 237–250) 237 σοὶ καὶ Ἀμαζονίδες πολέμου ἐπιϑυμήτειραι   Die Konjunktion καί verbindet die Amazonen-Episode mit dem voraufgehenden thematischen Abschnitt (‚auch die Amazonen haben dir einen Kult gegründet‘). Für die Amazonen vgl. Aischyl. Prom. 723–725 und Apoll. Rhod. 2. 985–1000. Zur Gründung des ephesischen Heiligtums durch sie auf einem Feldzug gegen Athen und Theseus vgl. Pind. fr. 174 (= Paus. 7. 2. 7, der die chronologische Ansetzung des Lyrikers kritisiert) mit Jessen 1905, 2757. Zur bündigen Zusammenfassung des Sachverhalts vgl. Paus. 4. 31. 8. Wenn Pindar tatsächlich darüber berichtet hat, dann könnte er der Gewährsmann des hellenistischen Dichters gewesen sein, da der Gründungmythos durch die Amazonen in keiner anderen vorkallimacheischen Quelle bezeugt ist. Der kriegerische Kontext wird jedoch nicht ohne weiteres übernommen, sondern findet nur einen vagen Nachhall im Attribut πολέμου ἐπιϑυμήτειραι und dem Waffentanz (V. 240 f). Vgl. Smiley 1914, 64.

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III. Kommentar

Kallimachos verwendet die unhomerische weibliche Form Ἀμαζονίς, wie vor ihm z.B. Pind. O. 13. 87, Hdt. 9. 27, nach ihm Apollonios Rhodios (sechsmal). Hier wird ihr äußeres Erscheinungsbild nicht dargestellt, wohingegen in der Beschreibung einiger Lieblingsnymphen der Göttin darauf angespielt wird, ohne dass es dort namentlich um die Amazonen ginge (V. 212–214). Die Streitbarkeit der Amazonen wird über die Apposition πολέμου ἐπιϑυμήτειραι ausgedrückt. Vgl. auch Apoll. Rhod. 2. 991 (φιλοπτολέμους ... κούρας). Kuiper 1896 I 104 und Rengakos 1992, 45 f. sehen darin eine Umschreibung des homerischen Attributs ἀντιάνειραι (Γ 189, Ζ 186 ebenfalls am Versschluss), wobei dessen Bedeutung nicht als ‚männergleich‘ (Aristarchus), sondern als ‚männerfeindlich‘ (~ πόλεμος) festgelegt wird (zur Amphibolie vgl. Σ ad Γ 189 [I 394 Erbse], Apoll. Soph. 31. 16–18, 33. 19 f. Bekker). Diese Interpretation machen sich auch Pind. O. 12. 16 (Attribut von στάσις), Aischyl. Prom. 723 f. (στρατὸν / ... στυγάνορʼ) und Verg. Aen. 1. 493 (bellatrix, audetque viris concurrere virgo [Penthesilea]) zu eigen. Zwar fällt die semantische Verschiebung von ‚männerfeindlich‘ zu ‚kriegswillig‘ ins Gewicht, doch lädt das Suffix -ειραι tatsächlich zu einem Vergleich mit dem epischen Amazonen-Attribut ein. Der spondeische Versschluss verleiht dem Attribut einen feierlichen Nachdruck. Zu weiblichen nomen-agentis-Bildungen vgl. Kallimachos Hec. fr. 40. 2 (καϑηγήτειρα), 75 (δαμάτειρα) Hollis; h. 4. 230 (ϑηρήτειρα), 6. 42 (ἀράτειραν). 238 ἔν κοτε παρραλίῃ Ἐφέσῳ βρέτας ἱδρύσαντο   Zu ἔν κοτε am Beginn einer Narration vgl. Kall. h. 5. 57 (ἔν ποκα Θήβαις), Hec. fr. 1 Hollis (ἔν ποτε γούνῳ) und fr. 194 (= Ia. 4) 6 (ἔν κοτε Τμώλῳ) mit Stephens 2015a, 152. Zur Überbrückung der Zeitebenen (V. 238: κοτε, V. 248: μετέπειτα) vgl. Manakidou 1993, 214. Die ionische Form des Enklitikons (κοτέ), die hier als lectio difficilior den Vorrang vor ποτέ hat (anders Bornmann 1968, 114 ad loc.), kommt bei Homer nicht vor. Da die Wendung obendrein von Dionysios Periegetes nachgeahmt wird (V. 828: ἔνϑα ... ποτε; vgl. ad V. 239 [a]), geht es nicht an, sie zu emendieren (Schneider 1851, 512 = 1873 II 246: ἐγκυτί ~ ἐγγύς, πλησίον). Zu βρέτας als Götterstandbild vgl. Aischyl. Pers. 809, Hept. 96, 98; Eur. Iph. T. 1477, 1481 (nebst καϑιδρύσαιντο). Zur semantischen Valenz des Wortes vgl. Benveniste 1932, 128 f. und kürzlich Scheer 2000, 24–32 mit dem Ergebnis, dass der Begriff eine funktionale, keine ästhetische Kategorie darstellt, deren durchgängige Komponente das hohe Alter ist (unabhängig vom Stoff, vom Standort und auch davon, ob es sich um eine Götterstatue handelt oder nicht). Darüber hinaus ist die Schutzfunktion erwähnenswert, die der ephesischen Artemis, die Schutzflehenden aus aller Herren Ländern Asyl bietet, in hohem Maße zusteht. Zum Verb ἱδρύομαι in Bezug auf die



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Aufstellung von Standbildern (unhomerisch) vgl. Ait. fr. 100. 3, fr. 592 und ep. 24. 2. Siehe auch Jessen 1905, 2762 f. und Fleischer 1984 756. Zu einer vollständigen Übersicht der Statuen bei Kallimachos, die vor allem in den Aitien eine prominente Rolle spielen, vgl. Petrovic 2010a, 205 f. Anm. 5, die auch auf den wichtigen Unterschied hinweist, dass die Perspektive der Aitien in Bezug auf die Statuen der eines Kunsthistorikers ähnelt, während im Artemis-Hymnos das damit verbundene Ritual im Vordergrund steht. Für eine Zusammenschau von Ekphraseis über Kunstwerke bei Kallimachos vgl. Manakidou 1993, 243–253. Die samische Hera wurde durch ein ähnliches unbearbeitetes βρέτας-Standbild (Ait. fr. 100. 2: γλυφάνων ἄξοος ... σανίς) verehrt. Die Rivalität mit Hera, die sich über den Artemis-Kultus auf Samos ankündigte (V. 228), findet durch dieses Aition des ephesischen Heiligtums eine unterschwellige Fortsetzung. Hera selber übertrifft (Ait. fr. 101 sowie 101a Harder) ihre beiden Stiefsöhne, Herakles (Löwenfell unter ihren Füßen) und Dionysos (Rebkranz in den Haaren). Ironischerweise erscheint sie im Hymnos von ihrer Stieftochter Artemis überboten. Die Antithese des Rauh-Gehauenen zum Verfeinerten scheint auch der Gegenüberstellung des milesisch-didymäischen (V. 2: πολυγώνιε ~ ‚vierschrötig‘) zum delischen Apollon-Standbild innezuwohnen (Ait. fr. 114. 1–17: die Parataxe bleibt bestehen, wenngleich die beiden Statuen zwei verschiedenen Aitien angehören, wie Harder 2012 II 890 ad fr. 113f 1–3 annimt). Vgl. Manakidou 1993, 222–235. Properz entlehnt hiervon die Doppelhypostase seines Vertumnus als stipes acernus und forma aena dank den Künstlerhänden des Mamurius (4. 2. 59–61). Die metapoetische Lesart dieser Geschichte erhebt Kallimachos zum beseelten Künstler, der den rauhen Stoff zum formvollendeten Kunstwerk, dem vorliegenden Hymnos, verwandelt, in dem dargestellt wird, wie sich der unscheinbare Anfang zum spektakulären Artemis-Heiligtum auswächst. Vgl. Manakidou 1993, 276. Apollonios Rhodios hat in seine Beschreibung des urwüchsigen βρέτας der dindymeischen Rheia einige Ausdrücke der kallimacheischen EphesosPassage mit einfließen lassen. Beide Stellen haben den Gegensatz des unbearbeiteten Baumklotzes zur Feinarbeit des Künstlers, der ihn zur Götterstatue verwandelt, gemeinsam: ἔσκε δέ τι βριαρὸν στύπος ἀμπέλου ἔντροφον ὕλῃ, πρόχνυ γεράνδρυον· τὸ μὲν ἔκταμον, ὄφρα πέλοιτο δαίμονος οὐρείης ἱερὸν βρέτας, ἔξεσε δ’ ῎Αργος εὐκόσμως· καὶ δή μιν ἐπ’ ὀκριόεντι κολωνῷ ἵδρυσαν, φηγοῖσιν ἐπηρεφὲς ἀκροτάτῃσιν αἵ ῥά τε πασάων πανυπέρταται ἐρρίζωντο· (1. 1117–1120) Über den Terminus βρέτας, die Betonung des urtümlichen Alters, den Stoff (V. 1119: φηγοῖσιν ἐπηρεφὲς ἀκροτάτῃσιν ~ V. 239: φηγῷ ὑπὸ πρέμνῳ)

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III. Kommentar

hinaus ist auch der Hinweis auf die Opferhandlung (V. 1123 f.: ἀμφὶ δὲ φύλλοις / στεψάμενοι δρυΐνοισι ϑυηπολίης ἐμέλοντο ~ V. 239: τέλεσεν δέ τοι ἱερὸν Ἱππώ) ein verbindendes Element. Bei Kallimachos wird nicht eindeutig angegeben, aus welchem Stoff das βρέτας gefertigt wurde, obwohl es mit einer Eiche eng assoziiert wird (V. 239). Die Verehrung, die Iasons Geleit dem Kultbild zollt, manifestiert sich in einem Waffentanz, der dem πρύλις-Reigen der Amazonen ähnelt und ein kultisches Aition darstellt: V. 1134–1136: ἄμυδις δὲ νέοι ᾿Ορφῆος ἀνωγῇ / σκαίροντες βηταρμὸν ἐνόπλιον εἱλίσσοντο [var. lec.: ὠρχήσαντο; von Kallimachos beeinflusst?] / καὶ σάκεα ξιφέεσσιν ἐπέκτυπον ~ V. 240 f.: περὶ πρύλιν ὠρχήσαντο / πρῶτα μὲν ἐν σακέεσσιν ἐνόπλιον. Manakidou 1993, 218 vermutet in beiden Fällen eine politische Brisanz der behandelten Kulte (Artemis-Kult in Ephesos vs. Rheia-Kult im Gebirge Dindymon), die der ptolemäischen Kulturpoltitik nicht gleichgültig gewesen sein dürften. In bewusster Abhebung vom Vorbild setzt Apollonios eine Vielfalt von Instrumenten (V. 1138 f.: Schwirrholz und Trommel) an die Stelle der einfachen Flöten (V. 242 f.). Zum Überbietungsspiel seitens des Apollonios durch Fülle und Länge des Ausdrucks vgl. Manakidou 1993, 219 f., die von einem ‚neo-epischen‘ Stile spricht. Die Instrumenttöne sind allerdings gleichermaßen durchdringend (V. 1136–1138 ~ V. 245 f.). Zur Synkrisis der beiden Stellen vgl. Manakidou 1993, 218–220. 239 (a) φηγῷ ὑπὸ πρέμνῳ  Zu πρέμνον als Baumstamm im rituellen Kontext vgl. h. 4. 210 (φοίνικος ποτὶ πρέμνον), 322 (πρέμνον ... ἐλαίης), fr. 194 (= Ia. 4) 83. Zu φηγός als ‚Eiche‘ (statt der etymologisch verwandten ‚Buche‘) vgl. Herzhoff 1990, 258 f. sowie 401. Die Platzierung des Standbildes unter einem Baum könnte mit dem urtümlichen Vegetationsund Baumbezug der Artemis zusammenhängen (Boetticher 1856, 142), den Kallimachos in seinen Quellen dürfte ausgeprägt vorgefunden haben (vgl. ad V. 120 mit Petrovic 2007, 231 f.). Zum geschichtlichen Hintergrund dieser mythischen Angabe vgl. Picard 1922, 11–14. Kuiper 1896 I 104 vergleicht zu Recht Paus. 8. 13. 2 (ξόανον der Artemis Kedreatis in einer Zeder), obwohl er dadurch (und Dion. Per. 829: πρέμνῳ ἔνι πτελέης) zu der Konjektur φηγοῦ ἐνὶ πρέμνῳ verleitet wird (Hes. fr. 240. 8 M–W: ἐν πυϑμένι φηγοῦ bezieht sich wohl auf den Aufenthalt des dodonäischen Zeus [oder auf den seiner Tauben oder seine Quelle], wo doch der Text bruchstückhaft ist). Zum naturverbundenen Ursprung eines Tempels, der gleichsam als Naturphänomen in Erscheinung tritt, vgl. Pind. fr. 52i (Pai. 8) 65–86 (delphische Tempelgenerationen), ein Thema, das vielleicht auch von Kallimachos (Ait. fr. 118) aufgearbeitet worden ist, und Kall. fr. 229. 10 f. (Gründung des didymäischen Apollon-Tempels im Gefolge der Pflanzung eines Lorbeerschösslings). Siehe auch Acosta-Hughes/Stephens 2012, 159 sowie ad



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V. 248 f. Der Doppeldativ in Apposition statt des prosaischen φηγοῦ ὑπὸ πρέμνῳ ist – wie Hollis 1990, 186 ad Hec. fr. 45. 2 Hollis (ἄνϑει ἑλιχρύσῳ) bemerkt – eine elegant-manierierte Formel, die auch h. 6. 82 (Πίνδον ἀν᾽ εὐάγκειαν) ebenfalls in einem naturhaft-botanischen Zusammenhang begegnet (so auch Giangrande 1971, 356 f. nebst Apoll. Rhod. 4. 13: τάρφεσιν ἐν συλόχοισι: Lesart der Handschriften). Zu εὐάγκεια als Substantiv (‚geschwungener Abhang‘) vgl. Cahen 1930, 270 ad loc. Lapp 1965, 92 zählt den Ausdruck zum σχῆμα καϑ᾽ ὅλον καὶ μέρος. Ähnlich auch Renehan 1987, 250 (schema Ionicum mit Ellipse aus ὑπὸ φηγῷ ὑπὸ πρέμνῳ) unter Hinweis auf Moiro fr. 3. 4 (p. 22 CA) (Weihung von ξόανα unter Tannen [ὑπαὶ πιτύων]). Siehe auch Wilamowitz 1924 II 61 Anm. 2 (ἀπὸ κοινοῦ-Gebrauch der Präposition für das Ganze und den Teil). Fr. 788 (βλητὶ λίϑῳ) mit Pfeiffers Anmerkungen ist ebenfalls relevant, aber etwas unsicher. Diese Parallelen machen alle Konjekturen, mit denen man um sich wirft, unnötig. Vergleichbar ist auch eine Wendung im Originaltext des Grimm-Märchens Rotkäppchen: wie war’s so dunkel in dem Wolf seinem Leib! (statt ‚in dem Leib des Wolfes‘). Womöglich ließ sich Dionysios Periegetes durch diese kallimacheische Stelle anregen: παρραλίην Ἔφεσον, μεγάλην πόλιν Ἰοχεαίρης / ἔνϑα ϑεῇ ποτε νηὸν Ἀμαζονίδες τετύκοντο / πρέμνῳ ἔνι πτελέης, περιώσιον ἀνδράσι ϑαῦμα (V. 827–829). Ein wichtiger sachlicher Unterschied ist das Ersetzen des Eichenbaums durch eine Ulme (wie Kall. h. 3. 120). Vgl. Lightfoot 2014, 442 ad loc. 239 (b) τέλεσεν δέ τοι ἱερὸν Ἱππώ   Bei Hesiod (theog. 351 am Hexameteranfang) ist Hippo eine Okeanide (Quellnymphe), hier wohl eine Kurzform (Kosename) von Ἱππολύτη (Bornmann 1968, 116 ad loc., D’Alessio 1996, 124 Anm. 52 und Stephens 2015a, 153). Das Heiligtum (ἱερόν), das Hippo gründet, mag nur ein provisorisches gewesen sein, das später zu einem breitangelegten Tempel erweitert und ausgebaut wurde (V. 248–250). Bornmann 1968, 116 ad loc. besteht darauf, den Ausdruck auf einen vollzogenen (τέλεσεν) Kultakt zu beziehen, aber der Satz entspricht besser dem unmittelbar vorausgehenden Moment der Aufstellung eines Kultbildes (V. 238: βρέτας), wenn es um eine architektonische Erweiterung desselben geht. V. 266 f., wo der dunkle Aspekt der Hippo-Gestalt eingeblendet wird, geht es um einen Altar. Vgl. Talamo 1984, 200. 240 (a) αὐταὶ δ᾽, Οὖπι ἅνασσα, περὶ πρύλιν ὠρχήσαντο   Der Reigentanz stellt das Aition für die ephesischen Artemisia dar. Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 31 und D’Alessio 1996, 124 Anm. 53. Zum ephesischen Artemis-Kult vgl. Brackertz 1976, 128–131. Picard 1922, 359 vermutet angesichts des Anrufs ἄνασσα, dass sich der Dichter aus der ephesischen Kultwirklichkeit inspirieren lässt, aber das Vorkommen der Bezeichnung neben anderen Göt-

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III. Kommentar

tinnen spricht dagegen (zum Ursprung der Hypostase Οὖπις vgl. dens. 1922, 468–474). Calame 1977 I 71 Anm. 44 weist zugleich darauf hin, dass der Chortanz nicht nur ein einmaliges Ereignis („Ursache“), sondern auch ein Prinzip ist, dass die Darstellung der Amazonen durchdringt und strukturiert (Amazonen als „Mädchenchor“). Es ist bezeichnend, dass Kallimachos in einem Fragment (fr. 693) die Pleiaden Töchter der Amazonenkönigin (Hippo?) nennt und ihnen nächtliche Reigentänze zuschreibt. Zum Tanz eines Mädchenchors für die ephesische Artemis vgl. Autokr. fr. 1 (PCG IV 18 K–A) = Ail. nat. 12. 9. Siehe auch Aristoph. Nub. 598–600. Hippo und die anderen Amazonen (αὐταί) stehen zueinander in einem Verhältnis von Königin und Hofdamen (Ernesti 1761, 138 f.). Zur ephesischen Affiliation der Οὖπις vgl. ad V. 204. Der Terminus πρύλις für ‚Waffentanz‘ ist eine Glosse, da Homer nur das Wort πρυλέες kennt (Ε 744, Λ 49, Μ 77, Ο 517, Φ 90) in der Bedeutung ‚schwerbewaffnete Krieger (ὁπλίται) zu Fuß (πεζοί)‘ (Σ ad Ε 744ab, ad Λ 49 [II 100 f., III 133 Erbse]), dessen Nominativform πρυλής lauten müsste (so Herodian. π. καϑ. προσ. I 65. 3 Lentz). Der etymologische Zusammenhang der Wörter πρυλής (?) und πρύλις ist wegen der gemeinsamen Semantik der ‚Waffen‘ (V. 241: ἐνόπλιον) anzunehmen, aber die Stationen der Entwicklung sind nicht erkennbar. Wiewohl Leumanns Hypothese (1950, 286 f.), πρύλις mit homerischem πρυλέες als einen von gewaffneten πρυλέες aufgeführten Tanz gleichzusetzen, plausibel erscheint, geht es – pace de Ian 1893, 28 – nicht an, diese Erkenntnis Kallimachos zuzuschreiben. Aristoteles (fr. 534.1 [III 661 Gigon] = 519 Rose = Σ ad Pind. P. 2. 127 [II 53 Drachmann]) lässt Achilleus eine πυρρίχη ‚Waffentanz‘ anlässlich der Leichenspiele des Patroklos (volksetymologische Verknüpfung mit πυρά) veranstalten und hält πρύλις für eine kyprische Namensvariante der πυρρίχη. Zu Rose’ fehlerhafter Konjektur Κρησί statt Κυπρίοις (im Anschluss an Bekker) vgl. Σ ad Hom. Ψ 130 in apparatu (V 389 Erbse), Lorimer 1938, 131, Radke 1957b, 1152 und Ceccarelli 1998, 53 Anm. 131. Zur kultischen Verwandtschaft der πυρρίχη mit πρύλις siehe Radke 1957b, 1152 und Ceccarelli 1998, 116–119. Den Waffentanz verortet Ceccarelli im rituellen Raum der Initiationsriten (206–211), in dem auch die durch die Amazonen repräsentierte weibliche Alterität verwurzelt ist. Schmitt 1970, 21 Anm. 8 vermutet einen kretischen Ursprung von πρύλις, was bereits von Lorimer 1938, 130 f. angezweifelt wurde. Da Kallimachos das Wort in seinem Hymnos an Zeus in kretischem Kontext verwendet, scheint er sich an der Debatte um den Ursprung des Wortes beteiligen zu wollen. Im Artemis-Hymnos stellt das Wort eine zitatartige Allusion auf eben diese Stelle (h. 1. 52 f.: οὖλα δὲ Κούρητές σε περὶ πρύλιν ὠρχήσαντο / τεύχεα πεπλήγοντες) dar, wo der Charakter des Tanzes durch ἐν σακέεσσιν ἐνόπλιον (V. 241) präzisiert wird (vgl. auch das Wort



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οὖλα, das V. 247 zitiert wird). Siehe Rengakos 1992, 42 f., der von einem ‚Selbstzitat‘ und ‚autoscholiastischen Zusatz‘ spricht. Es handelt sich aber dabei eher um eine Variation, da h. 1. 53 ebenfalls die erklärende Angabe τεύχεα πεπλήγοντες vorkommt. Fantuzzi/Hunter 2004, 354 weisen auf die metrische Gleichheit (spondeisches Versende) hin und auf die Angleichung der Artemis an Zeus in ihren Befugnissen (vgl. ad V. 118 und Brumbaugh 2019, 209 f.). Die Präposition περί ist in beiden Fällen entweder in tmesi zu ὠρχήσαντο (abbildende Wortstellung) oder selbständig als Adverb aufzufassen nebst πρύλιν als resultativem Akkusativ (h. 1. 52 ist auch οὖλα interner Akkusativ, σε dagegen accusativus personae, was in unserm Vers durch den Vokativ Οὖπι ἅνασσα ersetzt wird). Zu den drei Waffentänzen in drei sukzessiven Hymnen (h. 1 auf Kreta um Zeus, h. 2. in Libyen unter der Obhut Apollons, h. 3 in Ephesos um Artemis) vgl. Petrovic 2007, 233. Die Verbindung mit dem Zeus-Hymnus wird auch von Apollonios in der mit kallimacheischen Allusionen gesättigten RheiaEpisode (vgl. ad V. 238) reflektiert, insbesondere durch den Waffentanz (1. 1135 f.), der das Wehklagen der Dolionen übertönt (V. 1136–1138), wie das Kindergeschrei des neugeborenen Zeus vom Schall der Kureten überdeckt wird (h. 1. 52–54), das Wasserwunder (V. 1146–1148 ~ h. 1. 31 f.: Schaffung einer Quelle im dürren Arkadien) und die kretisch-diktäisch-idäischen Bezüge (V. 1128–1130 ~ h. 1. 4–6). Vgl. Stephens 2003, 203. Zur späten Imitation dieser Stellen vgl. Nonn. 14. 28, 15. 66 f. und 40. 244–246 (wo πρύλις durch πρυλέες ersetzt wurde). 240 (b) ὠρχήσαντο   Zu ὠρχήσαντο als Ausdruck eines kultischen Tanzes vgl. auch h. 2. 86 (die gerüsteten Gründer Libyens mit Libyerinnen anlässlich der Karneen) und 4. 313 (Theseus und der Chor der athenischen Jungen um den delischen Altar ohne Waffen). In der Nähe des von Theseus angeführten Chortanzes steht auch der Hinweis auf den Tanz der Delierinnen und den Gesang der Delier zu den Tönen des lykischen Olen im Zusammenhang der den hyperboreischen Mädchen erwiesenen Ehren (h. 4. 304–306). Nach einer Mythosvariante kam Leto auch zu den Hyperboreern und später nach Lykien. Vgl. Birdgman 2005, 69 f. Das Motiv des Reigentanzes schafft also eine Verbindung zwischen Delos und Kleinasien, von wo Olen stammt und wo Artemis, Tochter der Leto, zuhause ist. Bezeichnenderweise erhält Artemis V. 240 den Beinamen Οὖπις, was sie zu einer Namensvetterin einer der hyperboreischen Jungfrauen (h. 4. 292) macht. Nach Strab. 14. 1. 20, 640C, Tac. ann. 3. 61 und Plin. nat. 5. 115 lag Ortygia, die Geburtsstätte der Artemis, in der Nähe von Ephesos (vgl. Jessen 1905, 2755 f. und Stephens 2015a, 102). Zu weiteren Berührungspunkten zwischen h. 3. und 4 vgl. Stephens 2015a, 13 und 107 (Relevanz der beiden Stätten für ptolemäische Kul-

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turpolitik, Thema der Bedrohung [Delphi vs. Ephesos] durch äußere Feinde [Kelten vs. Kimmerier] und gottgestiftete Rettung). Auch Eratosthenes verwendet in seiner elegischen Dichtung Erigone das Verb ὠρχήσαντο – wohl in Anlehnung an Kallimachos – am Hexameterende (fr. 22 [p. 64 CA]: Ἰκαριοῖ, τόϑι πρῶτα περὶ τράγον ὠρχήσαντο), wo Pfeiffer (1968, 169 Anm. 2) ebenfalls einen aitiologischen Kontext (Geburt einer musischen Form, hier der Tragödie) vermutet (πρῶτα kommt bei Kallimachos im nächsten Vers vor). 241 (a) πρῶτα μὲν ἐν σακέεσσιν ἐνόπλιον   Die Stellung des Satzgliedes περὶ πρύλιν (V. 240) vor πρῶτα μέν erweckt den Anschein, als handelte es sich um zwei πρύλις-Tänze, von denen nur der erstere (πρῶτα μέν) ein regelrechter Waffentanz (ἐνόπλιον) wäre (Meineke 1861, 173 ist dieser Kon­ struktion auf den Leim gegangen). De Ian 1893, 27 bemerkt aber zu Recht, dass περὶ πρύλιν dem Sinn nach hinter πρῶτα μέν hätte stehen sollen (ohne Zweiteilung des πρύλις-Tanzes) und um des Nachdrucks willen extrapoliert wurde (so auch Hom. h. Ap. 80 [ἐνϑάδε]). Ceccarelli 1998, 135 f. mag allerdings Recht haben, dass doch zwei zeitlich und räumlich verschiedene Abschnitte desselben πρύλις-Tanzes angedeutet werden (ähnlich bereits auch Lorimer 1938, 129): Zuerst ein langsamer „Satz“ um das βρέτας herum, bei dem den Schilden als Geräuschinstrumenten eine exponiertere Rolle zukommt (πρύλις par excellence), anschließend ein schnellerer, bei dem die Reigenbewegung in breiterem Kreis zu dominieren scheint (πρύλις im weiteren Sinne). Dies fände auch einen angemessenen Ausdruck in der Metrik, indem V. 237, 238 (ἱδρύσαντο suggeriere insbesondere die weihevolle Aufstellung des Standbildes) und 240 spondeisch enden (gleichsam ein „Largo“), während ab V. 241 die Daktylen vorherrschen (V. 241 und 246–248 sind holodaktylisch). Vgl. Kapitel I 6, 93. Talamos Annahme (1984, 203 f.), die Sequenz ‚gewaffneter vs. waffenloser Tanz‘ deute den Übergang vom Krieg (Amazonen) zur Zivilisation (Mädchen) an, entbehrt allerdings einer eindeutigen Textgrundlage, da die Hintansetzung der Waffen im Chorreigen durch nichts signalisiert wird. Es geht nicht an, V. 247 φαρέτραι als friedliches Jagdhandwerkszeug zu interpretieren (204), sind sie doch von der Wendung ἐν σακέεσσιν nicht zu trennen. Das Attribut ἐνόπλιον (auf πρύλιν bezogen) kommt auch noch h. 4. 137 (an derselben sedes) vor: Beide Male bezieht es sich konkret auf den Waffenklang (die Amazonen poltern mit ihren Schilden ~ Ares schlägt mit der Speerspitze auf seinen Schild) und metaphorisch auf den musikalischen Effekt (πρύλις als musikalisch-choreographisch fokussiertes Waffengeräusch ~ ­­resultativer Akkusativ des musikalisch konnotierten Verbs ἐλέλιξεν).



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241 (b) ἐν σακέεσσιν   Die rasselnden Schilde (σακέεσσιν erscheint bei Homer nur ξ 477 an derselben sedes) erinnern auch an die Kyklopen-Szene, in der die Augen der Ungeheuer einem Schild verglichen wurden (V. 53). Beide Szenen sind auch über den auditiven Hintergrund (Waffentanz ~ V. 54–56: Getöse des Ambosses und der Blasebälge) und den κύκλος (V. Chorreigen ~ Kyklopen) miteinander assoziiert. Der Hinweis auf die Schilde (ἐν σακέεσσιν) kann auch metapoetisch konnotiert sein, indem er einen Gegensatz zwischen dem unmusikalischen Gerassel (gleichsam μέγα ψοφέουσα ἀοιδή [Ait. fr. 1. 19] im Verein mit dem großepischen Thema der hämmernden Kyklopen) und dem harmonischen Flötenklang (V. 242 f.: λίγειαι / λεπταλέον) deutlich macht. Vgl. auch ad V. 242 f. 241 f. αὖϑι δὲ κύκλῳ / στησάμενοι χορὸν εὐρύν   Zu αὖϑι für αὖϑις vgl. ad V. 46. Die Partikeln αὖϑι δ(έ) kommen bei Homer in dieser Abfolge nur δ 416 vor, während Kallimachos nur diese Reihenfolge verwendet. Vgl. Bornmann 1968, 117 ad loc. Zum Motiv der kyklischen Bewegung vgl. ad V. 170 (χορῷ ἔνι κυκλώσονται), 248 f. und 266 f. (in Negation auf Hippo bezogen) mit Petrovic 2007, 242 f. (Artemis, die die Welt umkreiste, wird am Ende vom Reigentanz umkreist). Das Attribut εὐρύν begründet insbesondere, warum das um das Standbild herum gebaute Heiligtum so weitläufig sei (V. 248: εὐρὺ ϑέμειλον). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 362 Anm. 1. Die Wendung χορὸν εὐρύν erinnert zugleich an χορὸς ἀμφιλαφής (V. 3), was zur Ringstruktur des Gedichts beiträgt. Vgl. Plantinga 2004, 272. Zur Form στησάμεν- nach epischem Vorbild am Versanfang vgl. Bornmann 1968, 118 ad loc. mit Belegstellen. 242 f. ὑπήεισαν δὲ λίγειαι / λεπταλέον σύριγγες   Zum Verb ὑπήεισαν vgl. Hom. Σ 570 (λίνον δ’ ὑπὸ καλὸν ἄειδε [der Knabe]) und φ 411 (ὑπὸ καλὸν ἄειδε [die Sehne des Bogens des Odysseus]). Statt des formelhaften ὑπὸ καλὸν ἄειδε verwendet Kallimachos das unhomerische ὑπήεισαν mit adverbialem Akkusativ (λεπταλέον), der im homerischen καλόν sein Pendant hat. Vgl. Kall. h. 4. 304: ὑπαείδουσι (in Bezug auf den Chor, der den νόμος des lykischen Olen singt) mit ad V. 240 (b). Sonst kommt das Verb bei Aristophanes (Ran. 366 und 874) mit persönlichem Subjekt vor. Siehe auch Rengakos 1992, 46 Anm. 115. Die Attribute λίγειαι (~ Hom. Σ 569: λιγείῃ am Versende) sowie λεπταλέον (~ Hom. Σ 571: λεπταλέῃ [homerisches Hapax] am Versanfang) und der ausdrücklich musikalische Kontext legen Σ 569–572 als primären Prätext nahe: τοῖσιν δ’ ἐν μέσσοισι πάϊς φόρμιγγι λιγείῃ ἱμερόεν κιϑάριζε, λίνον δ’ ὑπὸ καλὸν ἄειδε λεπταλέῃ φωνῇ· τοὶ δὲ ῥήσσοντες ἁμαρτῇ μολπῇ τ’ ἰυγμῷ τε ποσὶ σκαίροντες ἕποντο.

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III. Kommentar

Hier geht es allerdings um eine vokale Begleitung (der Knabe singt den λίνος schön) zur Phorminx-Musik, wogegen Kallimachos auf die anscheinend rein instrumentale Musik (Panflöten) abhebt (somit bezieht sich auch λεπταλέον auf die Flötenstimme). Auch das Musikinstrument weicht von dem der homerischen Passage ab, obwohl die Musikgeräte durch die gemeinsamen Attribute miteinander verknüpft sind (λίγειαι / ... σύριγγες vs. Hom. Σ 569: φόρμιγγι λιγείῃ). Dabei dürfte der Dichter von Hes. scut. 278– 281 beeinflusst gewesen sein, wo – um Homer zu übertrumpfen – drei Instrumente (Phorminx, Syrinx, Flöte) angeführt werden (siehe auch ad V. 244 [a]). Vgl. Reinsch-Werner 1976, 361 f. Nach Scheer 1866, 13 und Rengakos 1992, 46 spielt Kallimachos auch mit den philologischen Interpretamenten zur Stelle Σ 570: Zenodot las λίνος in der Bedeutung ‚Saite‘ als Subjekt des Satzes, während Aristarch zu Recht den Vulgata-Text verteidigte, in dem der Akkusativ λίνον als Objekt γένος τι ὕμνου bedeutete (Σ ad Σ 570a [IV 555 Erbse]). Durch die Erhebung der Instrumente (σύριγγες) zum Subjekt des Satzes (h. 3. 243) bringt der Dichter die zenodoteische Lesart zu Ehren, während er h. 4. 304 (Chor = Subjekt) für die später von Aristarch vertretene Ansicht eine Lanze bricht. Diese Ambivalenz macht es unmöglich, zu entscheiden, welche Interpretation Kallimachos als Philologe hinsichtlich der homerischen Stelle für richtig hielt. Die Begleitung auf mehreren Blasinstrumenten (σύριγγες) weist auf geteilte Chöre, einen (Prylis und Reigen) tanzenden und einen musizierenden, hin, während es sich bei Homer um eine Solostimme (ἄειδε) und Soloin­ strument (κιϑάριζε) vs. Chorgesang (μολπῇ τ’ ἰυγμῷ τε) und Chortanz (ποσὶ σκαίροντες) handelt. Siehe auch Calame 1977 I 126. Zum metapoetischen Potenzial der Worte λίγειαι / λεπταλέον vgl. Reitzenstein 1931, 32 f., Manakidou 1993, 219 und Asper 1997, 177 (relativierend). Capovilla 1967 II 9 nimmt einen dynamischen Kontrast zwischen dem breiten Chortanz (χορὸν εὐρύν) und den zierlichen Tönen der Flöten an. Angesichts des Vorkommens von λεπταλέος im Aitia-Prolog als Attribut der Muse (Ait. fr. 1. 24) ist ein Spiel mit der Rückprojektion hellenistischer literarästhetischer Werte in den mythischen Tanz der Amazonen zu erwägen. Apollonios Rhodios verwendet λεπταλέος attributiv zu den Chitonen der Medeia begleitenden Dienerinnen (3. 875) unmittelbar vor einem epischen Gleichnis, in dem Medeia Artemis, die Begleiterinnen Nymphen verglichen werden. Vgl. Stephens 2015a, 153. Reinsch-Werner 1976, 363 hebt auf den metapoetischen Gehalt des Begriffs ‚Schild‘ ab, der auf die homerisch-hesiodeische Inspiration der Stelle hindeuten könnte, wobei es sich um Schildbeschreibungen handelt (vgl. auch ad V. 241 [b]). 243 ἵνα ῥήσσωσιν ὁμαρτῇ   Statt ῥήσσωσιν ist in den Handschriften πλήσσωσιν überliefert, was de Ian 1893, 105 aufgrund der homerischen



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Allusion – pace Danielsson 1900–1902, 84 und van der Valk 1963 I 281 Anm. 387 – glänzend emendiert hat. Denn die Beschreibung des Tanzes (ῥήσσωσιν ὁμαρτῇ) erinnert an Hom. Σ 571: ῥήσσοντες ἁμαρτῇ (an derselben Versstelle), wo das absolut verwendete Verb ῥήσσω (‚stampfen‘ aus dem Verb ῥήγνυμι, dann auch allgemein von Tanzbewegungen mit Beinen und Armen: ‚schunkeln‘) ein homerisches Hapax ist. Vgl. Hom. h. Ap. 516 (Kreter ῥήσσοντες mit Ukleja 2005, 61 Anm. 281). Das Verb kommt auch Kall. h. 4. 322 (ῥησσόμενον ‚umtanzt‘ sc. delphischer Altar) vor. De Ian (1893, 104) zitiert auch Reiskes weniger geglückte Konjektur πλίσσωσιν aufgrund Hom. ζ 318: πλίσσοντο πόδεσσιν (auf die Maultiere bezogen). Apollonios Rhodios flicht in ein grundsätzlich von Homer inspiriertes Gleichnis (1. 536–539), mit dessen Hilfe das rhythmische Rudern der Argonauten zu den Tönen des Orpheus veranschaulicht wird, kallimacheische Allusionen mit hinein: ... ὥστ’ ἠίϑεοι Φοίβῳ χορὸν ἢ ἐνὶ Πυϑοῖ ἤ που ἐν ᾿Ορτυγίῃ ἢ ἐφʼ ὕδασιν ᾿Ισμηνοῖο στησάμενοι, φόρμιγγος ὑπαὶ περὶ βωμὸν ὁμαρτῇ ἐμμελέως κραιπνοῖσι πέδον ῥήσσωσι πόδεσσιν. Im Gegensatz zum profanen Anlass (‚Erntefest‘) der homerischen Szene evoziert Apollonios – wohl unter Einfluss des Kallimachos – ein sakrales Ereignis (V. 536 ~ h. 3. 242: χορόν; V. 538 ~ h. 3. 267: περὶ βωμόν). Statt ἁμαρτῇ (Σ 571) verwendet er in Übereinstimmung mit Kallimachos (V. 243) das Adverb in der Form ὁμαρτῇ. Zur Varianz der Formen und der Akzentuierung vgl. Wackernagel 1916, 70 f. (Form mit α-Anlaut als homerischer Attizismus; die kallimacheische und apollonische Variante unter Einfluss einer varia lectio der Homerüberlieferung), Schmitt 1970, 62 Anm. 35 und Rengakos 1993, 123. Auch das Verb ῥήσσωσι(ν) ist ein Verbindungselement zwischen den drei Dichtern, wobei es Apollonios im Gegensatz zu Homer und Kallimachos transitiv verwendet (πέδον) Vgl. Erbse 1953, 173. Darüber hinaus erinnert στησάμενοι (V. 538) am Versanfang (mit dem Objekt χορόν) an dasselbe Wort bei Kallimachos (V. 242 tautometrisch nebst demselben Objekt χορόν). All diesen kallimacheischen Einflüssen zum Trotz kehrt Apollonios dem homerischen Vorbild gemäß zur Phorminx, dem Apollon angemessenen Instrument, zurück. Zu den literarischen Anspielungen in der Passage (allerdings mit der handschriftlichen Lesart πλήσσωσιν) vgl. Chryssafis 1978, 54–59. Vgl. in ähnlichem Kontext auch Apoll. Rhod. 1. 1134–1136 σκαίροντες βηταρμὸν ἐνόπλιον εἱλίσσοντο, / καὶ σάκεα ξιφέεσσιν ἐπέκτυπον mit h. 3. 241 f.

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III. Kommentar

244 (a) οὐ γάρ πω νέβρεια ... ὀστέα   Der parenthetische Kommentar des Autors mit homerischem Anfang (οὐ γάρ πω) erklärt, warum nur σύριγγες und keine αὐλοί zum Einsatz kommen. Zu ähnlichen Autorenkommentaren vgl. V. 1 (γάρ-Satz in Parenthese), 47 f. (Parenthese mit Vergangenheitsbezug), 144 f. (Vergangenheitsbezug), 172 (γάρ-Satz in Parenthese). D’Alessio 1996, 125 Anm. 55 hält dies für einen hellenistischen Manierismus und vergleicht weitere Kommentare bei Kallimachos und seinen Vorbildern, die einen Zukunftsbezug (anticipazione cronologica) enthalten (Hom. h. Ap. 226–228; Pind. O. 3. 23, I. 1. 26 f.; Kall. Ait. fr. 100. 1, h. 1. 20 f., 2. 88 f., 4. 39 f., 90 f., 6. 24 [mehrmals mit der Wendung οὔπω]). Statt die αὐλοί direkt zu benennen, bedient sich Kallimachos eines kenningartigen Konzeptes (‚durchlöcherte Hirschkalbknochen‘), die zu einem negativen Noch-nicht-Satz herausgesponnen wird. Dabei kontrastiert der Stoff der αὐλοί (Knochen) mit dem der σύριγγες (Schilfrohr) (V. 243). Überdies könnte auch eine versteckte Anpielung auf Hes. scut. 278–281 wirksam sein, wo Phorminx, Syrinx und Aulos verkoppelt werden (vgl. ad V. 242 f.). Kallimachos würde dann erklären, warum er außer den σύριγγες nicht auch noch den Aulos von seiner hesiodeischen Vorlage übernommen hat. Zum Hirschknochen als Stoff der αὐλοί vgl. Philet. fr. 18 Sbardella, Hesych. 363 s. v. κάκτος (II 397 Latte), Anth. Plan. 305. 1, Plut. sept. sap. conv. 5 (= mor. 150E), Athen. 4. 80, 182E, Poll. 4. 75, Iub. Maur. fr. 82 (FGrH III A 152 Jakoby). Dies führt dazu, dass die Bennennung des Schienbeins im Lateinischen (tibia) zur der des Blasinstruments wurde. Vgl. Ernesti 1761, 139. 244 (b) δι᾽ ὀστέα τετρήναντο   Die Tmesis δι᾽ ... τετρήναντο ist abbildend (ὀστέα in der Mitte wird praktisch durchgebohrt). Zur Konstruktion ‚Tmesis + Trennung des Attributs vom Nomen‘ vgl. Ait. fr. 18. 8, 75. 39, 85. 13 mit Lapp 1965, 39. Zum (wohl prosaischen) Verb διατετραίνω vgl. Hdt. 3. 12 (διατετρανέεις) und Aristoph. Thesm. 18 (διετετρήναντο). Zum Attribut νέβρεια statt des genitivus materiae vgl. Bornmann 1968, 135 ad loc. 245 ἔργον Ἀϑηναίης ἐλάφῳ κακόν   Bei der kallimacheischen Parenthese könnte es sich um eine Hommage an den großen Vorgänger Philetas (ad V. 244 [a]) handeln (auch bei ihm ein kenninghaftes Concetto, das tote Hirschkalb für das Instrument). Der Gewährsmann des Kallimachos für die Erfindung der αὐλοί durch Athene (so auch Diod. 5. 73. 8) könnte vor allem Pindar (P. 12. 6–8) gewesen sein (ohne das Hirschkalb-Aition). Vgl. Smiley 1914, 65. Die nachgetragene Apposition ἐλάφῳ κακόν ist doppelt ironisch: Zum einen kommt witzigerweise die Perspektive der Tiere zur Geltung (vgl. Ait. fr. 75. 10 f.: Besorgnis der zu opfernden Stiere), zum anderen wird auf Artemis’ Vorliebe verwiesen, Hirsche zu erjagen (V. 17), was bedeutet, dass die



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Voraussetzung für die Herstellung der Instrumente erfüllt ist. Vgl. Stephens 2015a, 154. Zur epischen Wendung ἔργον Ἀϑηναίης vgl. die Bemerkungen von Bornmann 1968, 120 ad loc. (Hom. Ι 390; π 207, υ 72). 245 f. ἔδραμε δ᾽ ἠχώ / Σάρδιας ἔς τε νομὸν Βερεκύνϑιον   Zur Wendung ἔδραμε δ᾽ ἠχώ vergleicht Reinsch-Werner 1976, 362 Hes. scut. 279 = 348: περὶ δέ σφισιν ἄγνυτο ἠχώ. An der ersteren Stelle geht es um den Widerhall der Syringen, an der letzteren um das Wiehern von Rossen (die Beziehung zu Pferden scheint sich bei Kallimachos in Ἱππώ [V. 239] und κατεκροτάλιζον [V. 247] niedergeschlagen zu haben). Die Forscherin vergleicht (177 Anm. 3) auch h. 4. 140: ἔβραμεν ἦχος (Getöse des Schildes des Ares) mit Hinweis auf die wohl bewusst gesuchte Assonanz ἔβραμεν – ἔδραμε. Ihre Annahme (178) allerdings, dass die Stelle im Delos-Hymnos die im Artemis-Hymnos imitiert und variiert, ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Die seltene Form ἔβραμεν könnte auch anders (Verwendung einer uns unbekannten Quelle) erklärt werden als eine Analogiebildung nach ἔδραμε im dritten Hymnos. Vgl. auch Hom. h. 19. 19–21: σὺν δέ σφιν τότε νύμφαι ὀρεστιάδες λιγύμολποι / φοιτῶσαι πυκνὰ ποσσὶν ἐπὶ κρήνῃ μελανύδρῳ / μέλπονται, κορυφὴν δὲ περιστένει οὔρεος ἠχώ (Nymphen in Pans Geleit) mit de Ian 1893, 11 f., Bornmann 1968, 121 ad loc. und Faulkner 2013, 231. Die Wendung νομὸς Βερεκύνϑιος ist ein metonymischer Ausdruck für Phrygien (Βερέκυνϑος ist ein phrygisches Gebirge). Zu einer ähnlichen Formulierung vgl. Aischyl. fr. 158. 2: Βερέκυντα χῶρον, Soph. fr. 513: Βερέκυντα βρόμον (TrGF III 274, IV 401 Radt) (Laute β und ρ onomatopöisch). Der eher seltene Eigenname hat zwei Varianten, eine mit ντ-Stamm und eine andere – die auch Kallimachos verwendet – mit archaisch-ungriechischem νϑ-Stamm (vgl. πείρινς, πείρινϑος; Ζάκυνϑος, Κύνϑος, Ὄλυνϑος), dem das bei Adjektiven häufige Suffix -ιος hinzutritt. Vgl. Palmer 1980, 9. Strabon (10. 3. 12, 469 C) kennt Βερέκυντες als einen phrygischen Stamm, der Rheia mit orgiastischen Riten verehrt. Vgl. Plin. nat. 5. 108 (Berecyntius tractus). Das Land des (noch nicht vorhandenen) orientalischen Instruments erscheint hier als Widerhallsgebiet für das „Amazonenkonzert“. Vgl. Bornmann 1968, 120 ad loc. Stephens 2015a, 154 sieht hier in νομός (‚Weide‘) ein Spiel mit νόμος als musikalischem Begriff. Das Wort νομός ist ab ovo mehrdeutig (zur konkreten und metaphorischen Bedeutung vgl. LSJ s. v.). Vgl. Kallimachos Ait. fr. 112. 9 (Musenweide als Metapher der dichterischen Tätigkeit). Zur Ambivalenz νόμος vs. νομός siehe auch Hom. h. Ap. 20 (νόμος codd. / νόμοι Matthiae / νομοὶ Barnes βεβλήαται ᾠδῆς). Was an dieser Stelle Kallimachos las, ist nicht zu ermitteln. Zumal es um akustische Reflexionen der Amazonenmusik geht, kann die metaphorische Konnotation von νομός nicht von der Hand gewiesen werden.

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III. Kommentar

Nach Kuiper 1898 II 29 vermutet Petrovic 2007, 214 f. in den geographischen Angaben ‚Sardeis‘ (nördlich) und ‚Phrygien‘ (östlich) die historisch authentische Verbreitung der ephesischen Artemis, was für den möglichen Einfluss des realen Artemis-Kultes auf den Dichter spräche (vgl. auch Talamo 1984, 204 und Kapitel I 3, 35 f.). Allerdings könnten die beiden geographischen Namen nichts anderes als ornamental sein, weil Ortsnamen in hellenistischer Dichtung nicht selten als Gelehrsamkeitsspiele zum Einsatz kommen. Darüber hinaus könnte Βερεκύνϑιον eine versteckte Anspielung auf Apollons Beinamen Κύνϑιος enthalten und an die Rivalität zwischen der Göttin und ihrem Bruder erinnern. Die Lexikalisierung des letzten Wortglieds -κύνϑιον wird dadurch nahegelegt, dass die Echo-Wirkung (V. 245: ἠχώ) das Ende des Wortes hervorhebt. Vgl. das klassische Beispiel des Echo-Effektes in ep. 28. 5 f. Alles würde darauf hinauslaufen, dass die auditive Ausstrahlung des ephesischen Heiligtums ein zweites Delos im Osten erstehen lässt. Eine solche Literarisierung der berekynthischen Gegend konterkariert die historisch-kultpolitische Lesart der Stelle, denn der Grund dieser Wortwahl läge eher in der Tauglichkeit zum phonetischen Spiel als in der präzisen geographischen Angabe. 246 f. αἱ δὲ πόδεσσιν / οὖλα κατεκροτάλιζον   Homer verwendet nur die Form κροτάλιζον (Λ 160) in transitivem Sinn (Rosse lassen das Geschirr rasseln). Kallimachos versieht es mit einem Verbalpräfix (κατά) und gebraucht es intransitiv. Das Neutrum Plural οὖλα ist ein resultativer Akkusativ mit adverbialer Bedeutung (vgl. V. 243: λεπταλέον). Das Bedeutungsspektrum von οὖλος ist (teilweise wohl aufgrund einer Homonymie) breit und wird von Kallimachos durch die Vielfalt der Kontexte, in denen das Wort vorkommt, reflektiert: (1a) ‚dichtgedrängt‘: h. 4. 302 (οὖλος): Hesperos mit dichten Kräuselhaaren (im Zusammenhang des vom Chortanz widerhallenden [οὔτʼ ἄψοφον] Delos), fr. 657 (οὖλον): ein krauser Kranz; vgl. bereits Hom. ζ 231. Zur metaphorischen Sinngebung vgl. Plut. de garull. 17 (mor. 510E): οὖλα καὶ πυκνὰ καὶ συνεστραμμένα φϑεγγομένους (über eine kernig-bündige Ausdrucksweise). So auch Pasquali 1913, 56 und McKenzie 1925, 209 (closely packed together), der jedes Vorkommen des Wortes auf die Vorstellung der Dichte (in Raum und Zeit) zurückführen will. Er beachtet allerdings nicht, dass die Vorstellung ‚Dichte in Zeit‘ (~ ‚lebhaft‘) von ‚Dichte im Raum‘ (‚gedrängt‘) ziemlich abseits ­liegt, so dass ein von der Raumvorstellung abgeleiteter metaphorischer Gebrauch als selbständige Bedeutung anzunehmen ist); (1b) ‚lebhaft‘: h. 1. 52 (οὖλα): Waffentanz der Kureten (Kallimachos bezieht sich auf diese Stelle V. 240 hinsichtlich des πρύλις-Tanzes), ep. 5. 5 (οὖλος ἐρέσσων / ποσσίν): Rudern des Nautilus (hier könnte aber auch die Bedeutung [1a] mitschwin-



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gen, weil die rudernden Beine dem Nautilus eine gekräuselte Erscheinung verleihen; deshalb wird hier das Wort als Attribut auf den Nautilus bezogen und nicht als Adverb verwendet), fr. 228. 41 (οὖλα): heftiges Lodern des Feuers (an dieser letzteren Stelle könnte auch die Bedeutung ‚unheilvoll‘ des homonymen Wortes [vgl. Kall. fr. 634 und LSJ s. v. οὖλος C] sowie auch [1a] ‚dichtqualmend‘ [so LSJ s. v. οὖλος B2] mit hineinspielen; Scheer 1866, 14 f. schreibt auch dem Wort im Artemis-Hymnos den Sinn ὀλέϑριος zu); (2) ‚heil‘: h. 2. 76 (οὖλος): der heile (d.h. nicht stotternde) Aristoteles = Battos (aus ὅλος = ‚ganz‘). Vgl. Pfeiffer 1953 II 44 ad Σ ad h. 1. 52 (ad 80 in apparatu) und Rengakos 1992, 24. LSJ s. v. οὖλος B3 interpretieren das Wort an unserer Stelle als ‚schnell‘, was zu eng erscheint, weil die Zugehörigkeit zur Grundbedeutung ‚dichtgedrängt‘ eher eine im Allgemeinen erhöht-intensive Aktivität (‚Lebhaftigkeit‘) bedeutet. Mithin gehört unsere Stelle zu (1b), wie es de Ian 1893, 10 f. und Cahen 1930, 147 erkannt haben. Dies könnte die Bedeutung des Wortes bei Homer Ρ 756, 759 (οὖλον κεκλήγοντες: Gekreisch der Vögel und der Achaier im Gleichnis) sein. Zu οὖλον als Adverb neben einem Verb mit auditivem Aspekt (ἀείδοις) vgl. Anth. Pal. 7. 27. 3 (wohl dieselbe Konnotation wie bei Kallimachos). 247 ἐπεψόφεον δὲ φαρέτραι  Im Aitienprolog (Ait. fr. 1. 19) kommt das Partizip des Verbs ψοφέω auf ἀοιδή bezogen in metapoetischer Funktion vor. Eine diesbezügliche Assoziation ist auch hier zu erwägen (vgl. ad V. 241 [b]). In h. 2. 12 (den Gott Apollon verherrlichender Chor) und h. 4. 302 (von Reigentänzen rauschendes Delos) steht das vom Verb abgeleitete Adjektiv ἄψοφος in negierter Form als Litotes mit dem Chortanz in Zusammenhang. Zur um ἐπί erweiterten Form mit negativen Konnotationen des UnbändigLärmenden vgl. Clem. Al. paed. III 4. 29. 2 (I 253 Stählin–Treu), Greg. Nyss. contr. Eunom. I 17 (I 25 Jäger) und Eus. praep. ev. 5. 33. 12 (VIII 1, 282 Mras). Hier handelt es sich um eine Art ἐπαοιδή der Schilde, die den Tenor der stampfenden Füße kontrapungieren. Zur lautmalenden Wirkung der Verschlusslaute κατεκροτάλιζον, ἐπεψόφεον δὲ φαρέτραι vgl. Bornmann 1968, 121 ad loc. Stephens 2015a, 154 hebt hinsichtlich fr. adesp. 955 PMG (= Athen. 14. 39, 636D) auf die Verwendung der Kastagnetten im ArtemisKult ab, aber eine ähnliche Alliteration der Plosive (V. 3 f.: χρυσοφανια† / κρέμβαλα χαλκοπάραια χερσίν) ist ebenso erwähnenswert. Faulkner 2013, 232 f. sieht im Attribut Pans (Hom. h. 19. 2: φιλόκροτον) einen Hinweis auf die Vorliebe des Gottes für klappernde Musikinstrumente. Diese seien ein Symbol der Wildheit, die auch die Amazonen charakterisiert, obwohl sie einen Grenzstatus zwischen Wildnis und Zivilisation (Stadt und Kultus) innehaben.

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III. Kommentar

248 f. κεῖνο δέ τοι μετέπειτα περὶ βρέτας εὐρὺ ϑέμειλον / δωμήϑη   Zu μετέπειτα mit aitiologischer Funktion vgl. ad V. 197–199. Damit wird suggeriert, dass die Rundform des Tempels vom ringförmigen Tanz der Amazonen um das βρέτας herrührt. Vgl. ad V. 241 f. Die Wortstellung (κεῖνο ... εὐρὺ ϑέμειλον als Ring um das Holzbild) ist klar abbildend. Zur architektonischen Erweiterung naturhafter Anfänge vgl. Pind. fr. 52i (= Pai. 8) 63–86 (Abfolge der delphischen Heiligtümer vom Feder-WachsKonstrukt bis hin zum Steintempel) und Apoll. Rhod. 2. 841–850 (um Idmons Grabmal herum, das aus einem Ölbaumpfahl besteht, wird eine Stadt gebaut). Zu ϑέμειλον als einem metonymischen Ausdruck (‚Grundlagen‘ aus dem Stamm ϑε-) für den ganzen Tempel vgl. Pind. P. 4. 16 (Διὸς ἐν Ἄμμωνος ϑεμέϑλοις) mit Nigra 1893, 79 und Manakidou 1993, 214. Etwas anders Wilamowitz 1924 II 60 (ϑέμειλον = τέμενος). Zu εὐρὺ ϑέμειλον vgl. Hom. h. Ap. 254 f. = 294 f.: ϑεμείλια ... / εὐρέα mit Bing/Uhrmeister 1994, 30. Der Wortlaut der homerischen Stelle (διέϑηκε ϑεμείλια Φοῖβος ᾿Απόλλων / εὐρέα καὶ μάλα μακρὰ διηνεκές) macht den Leser des Kallimachos hellhörig. Das Vorkommen des bei diesem Dichter metapoetisch (negativ) konnotierten Begriffs διηνεκές (vgl. Ait. fr. 1. 3) könnte einen Fingerzeig enthalten, εὐρύ auch hier (vgl. V. 242: χορὸν εὐρύν) auf die dichterische Sphäre mit zu beziehen (Bevorzugung des großen Chors und Tempels im Gegensatz zum ‚großen‘ Gedicht). Homer kennt sowohl ϑεμείλια (Μ 28 und Ψ 255 vor der bukolischen Diärese) als auch ϑέμεϑλα (Ξ 493 und Ρ 47 am Wortende in physiologischer Bedeutung). Kallimachos verwendet außer ϑεμείλια (h. 2. 58, 64, h. 4. 260, wie bei Homer vor der bukolischen Diairese) auch ϑέμεϑλα (h. 2. 15: ϑεμέϑλοις, wie bei Homer am Versende), alle in Bezug auf Apollons Gründungen. Vgl. Manakidou 1993, 214 Anm. 15. Die Form im Artemis-Hymnos ist also singularisch (auch nach Kallimachos sehr selten), aber – pace Kuiper 1896 I 106 f. – gerade als Variationsform gar nicht hanebüchen. Schmitt 1970, 166 hält sie für eine durch metrischen Zwang erwirkte Rückbildung. Da hier ein Subjekt unbedingt nötig ist, kommen die zusammengesetzten Attributivformen εὐρυϑέμειλος / εὐρυϑέμειλιος / εὐρυϑέμεϑλος (vgl. Bredau 1892, 26 und LSJ s. v. εὐρυϑέμειλος) nicht in Frage, es sei denn, man greift auf eine weitere Konjektur (δῶμʼ ἤρϑη: Schneider 1870 I 29), die das Subjekt sichert, zurück. Zum seltenen Verb δωμάω vgl. Apoll. Rhod. 2. 531 (Aktiv). 249 τοῦ δ᾽ οὔτι ϑεώτερον ὄψεται ἠώς    Das Futur gibt den Blick frei auf die Zukunft des Tempels und die Zukunftsträchtigkeit der Artemis-Gestalt, die damit auf dem Zenit ihres Ruhms dargestellt wird. Zur Rolle der zeitlichen Perspektivierung in dieser Passage vgl. Talamo 1984, 201, Vamvouri Ruffy 2004, 265 und Kapitel I 5, 73–76 (Verhältnis von Mythos und Geschichte). Zur Komparativform ϑεώτερ- vgl. Hom. ν 111 (tautometrisches



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ϑεώτεραι, mit nachfolgender Negation οὐδέ τι, in Bezug auf die den Göttern vorbehaltenen Stege zu den Nymphenquellen auf Ithaka). Im Wort fallen die Stämme von ϑεός und ϑέα zusammen, so dass es sowohl ‚göttlich‘ als auch ‚herrlich‘ verstanden werden kann (anders LSJ s. v. ϑεός III). Zur Bedeutung von ἠώς ‚Tag‘ vgl. LSJ s. v. 2, vor allem Kallimachos Ait. fr. 178. 1 (ἠώς ... πιϑοιγίς: ‚Tag der Pithoigien‘). Siehe Gow 1950 II 307 f. ad Theokr. 16. 5 mit weiteren Parallelen. McKay 1971, 191 f. sowie 1976, 37 f. mit Anm. 11 dokumentiert den Topos ‚der Tag/Sonne/Apollon hat Schöneres nicht gesehen‘ (Ibyk. fr. 166. 24 PMGF mit Apparat, Eur. Hec. 635–637, Catull. 61. 88–90 [Umkehrung des Motivs], Verg. Aen. 7. 217 f., Hor. c. s. 9–12). Besonders relevant ist Anth. Pal. 9. 58. 7 f. (die Sonne bewundert das ephesische Artemision als nicht zu überbietendes Weltwunder). Siehe auch die ähnliche Ausdrucksweise bei Bakchylides (5. 37–40: Eos blickt auf den siegreichen Pherenikos in Olympia herunter). Bei Kallimachos erhält die Formulierung einen zusätzlichen Reiz dadurch, dass der delphische Tempel Apollons, der im Rahmen des Concettos für die Sonne steht, vom ephesischen ausgestochen wird. Zur Nebenordnung von Apollons delphischem Heiligtum und Artemis’ ephesischem vgl. Aristoph. Nub. 595–600. Zur Assoziation von ἠώς mit Apollon trägt die Stelle im Apollon-Hymnos, die denselben Topos verwertet, bei: οὐ κείνου [Chortanz der Kyrenäer] χορὸν εἶδε ϑεώτερον ἄλλον ᾿Απόλλων (h. 2. 93). Vgl. Ambühl 2005, 281 Anm. 242. Der Tanz zu Ehren des Gottes und das ephesische Heiligtum der Artemis, das ebenfalls mit dem Tanz eng assoziiert ist, werden über dasselbe (rare) Prädikatsattribut ϑεώτερον charakterisiert. Das Herabblicken eines lichthaften Wesens erinnert auch an den Blick des Helios auf den Chor (V. 180–182). Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 33. Die verbale Entsprechung in V. 181 (ϑεῆται) und V. 249 (ϑεώτερον) hebt das Moment des Herabschauens in beiden Fällen hervor. Die Stelle wird von Dionysios Periegetes zweimal nachgeahmt (V. 256–258 [ϑεώτερον, ἀφνειήν] und V. 990 f. [ϑοώτερον in Bezug auf einen schnellen Fluss]). Vgl. Lightfoot 2014, 320 f. ad loc. 250 οὐδ᾽ ἀφνειότερον∙ ῥέα κεν Πυϑῶνα παρέλϑοι  Zum sagenhaften Reichtum des delphischen Apollon-Tempels (im Vergleich mit etwas noch Wertvollerem) vgl. Hom. Ι 404 f. Siehe auch Hom. h. Ap. 536 f., h. Merc. 178–181 (Hermes droht mit einem Räuberanschlag auf Delphi); Eur. Iph. T. 1274 f. Kall. h. 2. 34 f. (χρύσεα καὶ τὰ πέδιλα· πολύχρυσος γὰρ ᾿Απόλλων / καὶ πουλυκτέανος· [~ ἀφνειότερον] Πυϑῶνί κε [~ κεν Πυϑῶνα] τεκμήραιο) enthält einen verbalen Anklang an unseren Vers. Vgl. Ambühl 2005, 280. Zur versfinalen Stellung von παρέλϑ- bei Homer siehe Bornmann 1968, 122 ad loc.

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III. Kommentar

Die Komparativform ἀφνειότεροι erscheint ein einziges Mal bei Homer (ι 165) an derselben sedes wie bei Kallimachos. Die Rivalität des ephesichen Artemis-Heiligtums mit dem des Apollon in Delphi erinnert an die den gesamten Hymnos durchziehende Rivalität zwischen Artemis und ihrem Bruder. Die Chortänze der Artemis waren ebenso sprichwörtlich (Aisop. prov. 9 [CPG II 229]: ποῦ γὰρ ἡ Ἄρτεμις οὐκ ἐχόρευσεν;) wie der Reichtum des delphischen Heiligtums. Artemis maßt sich also das Vorrecht ihres Bruders an. Vgl. Petrovic 2007, 215 f. Während im homerischen Apollon-Hymnos der Gott (so auch Kall. h. 2. 58, 64) sich selbst um die Gründung seines Kultzentrums kümmert (er sucht sich die Kultstätte aus und rekrutiert Kultverwalter), ist Artemis hier passiver Mittelpunkt der Verehrung durch die Amazonen. Weiterhin sucht Artemis in ihrem homerischen Hymnos (h. 27. 13–20) ihren Bruder in seinem delphischen Haus auf, um dort die Musen und Chariten zum Tanz antreten zu lassen, während sie hier in ihrem eigenen Tempel von ihren eigenen Dienerinnen mit Tanz verehrt wird. Vgl. Plantinga 2004, 264, Ambühl 2005, 280 Anm. 242 und Petrovic 2007, 205 f., 210–212. Bestrafung der Kimmerier (V. 251–258) 251 f. τῷ ῥα καὶ ἠλαίνων ἀλαπαξέμεν ἠπείλησε / Λύγδαμις ὑβριστής   Die Amazonen-Episode schafft den Übergang von der Reihe frommer Weihungen für die Göttin (V. 225–236) zur Bestrafung des Vergehens gegen sie (V. 259–268), indem sie in die Darstellung des Untergangs des Frevlers Lygdamis mündet (V. 251–258). Vgl. Manakidou 1993, 215. Lygdamis erscheint hier in der Rolle des mythischen Erzfrevlers (Name und „Rolle“ am Versanfang fokussiert), obgleich er auch in Geschichtsquellen als historische Person auftaucht (Strab. 1. 3. 21, 61 C, Hesych. 1328 s. v. Λύγδαμις [I 610 Latte]). Kallimachos erwähnt den Barbarenkönig vorübergehend auch noch Ait. fr. 75. 23. Vgl. auch Kapitel I 5, 67. Ebenso sind die Kimmerier, die von Homer (λ 14–19) als Bewohner des Eingangs zum Hades mythisiert und von Kallimachos mit epischen Attributen versehen werden, wenn auch historisch gesehen unterschieden, dem Namen nach jedoch homonym mit dem vor allem aus der Elegiendichtung des Kallinos (fr. 5a–b W2; vgl. Strab. 14. 1. 40, 647 C) bekannten Nomadenstamm am Schwarzen Meer, der im 7. Jh. v. Chr. mehrmals in Kleinasien einfiel. Vgl. auch Hdt. 1. 6, 15 usw., Plut. Marc. 11. 8–9 und Polyain. 7. 2. 1. Eur. Bacch. 1330–1339 ist eine kryptisch-orakelhafte Formulierung der Ereignisse in der Prophezeiung des Dionysos (V. 1334 heißen die Kimmerier verallgemeinernd Barbaren). Siehe auch Harder 2012 II 605 ad Ait. fr. 75. 23.



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Dieser schwebende Status des Anführers und seines Volks zwischen Mythos und Geschichte schafft den Übergang von der Zeitlosigkeit zur Historie. Vgl. Sistakou 2002, 152 und Kapitel I 5, 73–76. Der dank Artemis gescheiterte Angriff der Kimmerier auf das ephesische Heiligtum steht in eindrucksvoller Parallele zur Niederlage der Galater, die Apollons Heiligtum erstürmten und vom Gott selbst abgewehrt wurden (h. 4. 171–185). Die Entsprechung zwischen den Kimmeriern bei Ephesos und den Galatern bei Delphi wird enger, wenn die Galater bei ihrem Feldzug im Jahre 279 v. Chr. auch Ephesos belagerten. Vgl. ad V. 258. Auch die Homer-Scholien (Σ ad λ 14 [II 479 Dindorf]) verwechseln die beiden Stämme, wenn sie behaupten, die Kimmerier hätten Delphi ausgeplündert. Dieses paradigmatische Verhältnis der beiden Volksstämme sorgt für die Verankerung der Macht der Göttin in der geschichtlichen Sukzession. Zur Synkrisis der beiden Passus und deren Rolle in der Datierung des Artemis-Hymnos vgl. Kapitel I 4, 45– 47. Homer verwendet die Sequenz τῶ ῥα καί dreimal (Ν 514, Ο 194; ϑ 226). Bornmann 1968, 122 ad loc. erwägt also zu Recht, ob Kallimachos in der Nachfolge Homers nicht vielleicht τῶ geschrieben hat. Gewissheit in dieser Frage lässt sich indes aufgrund der schwankenden Überlieferung der Orthographie nicht erreichen. Das Verb ἀπειλέω bedeutet hier ‚sich rühmen‘, wie es einem ὑβριστής geziemt. Kallimachos verwendet es auch als ‚drohen‘ (h. 4. 87, 125) und ‚versprechen‘ (Ait. fr. 18. 6). Vgl. dazu Rengakos 1992, 33, zu den drei Bedeutungen Etym. m. 120. 57–121. 5 s. v. ἀπειλῶ. Stephens 2015a, 154 will ἠλαίνων ambivalent fassen (‚herumwandernd‘ und ‚von Sinnen‘), aber hier passt die übertragene Bedeutung (Hesych. 306 s. v. ἠλαίνει· μωραίνει [II 277 Latte]) eher zum Kontext (so Bredau 1892, 73 und LSJ s. v.). Kuiper 1896 I 108 ordnet das Verb ἠλαίνειν / ἀλαίνειν der tragischen Sprache zu (Aischyl. Ag. 82, Eur. Or. 532), während Homer Formen von ἠλάσκειν in der Bedeutung von ‚umherirren‘ verwendet (Β 470, Ν 104; vgl. auch Theokr. 7. 23 [ἠλαίνοντι]). 252 f. (a) στρατὸν ἱππημολγῶν / ... Κιμμερίων   Reinsch-Werner 1976, 273 arbeitet die hesiodeische Allusion (fr. 150. 15 M–W: Σκύϑας ἱππημολγούς) an dieser Stelle vortrefflich heraus: Kallimachos schreibt die Eigenschaft, ‚Milchtrinker‘ zu sein, statt den Skythen, einem anderen Nomadenvolk, den Kimmeriern, zu, und kombiniert sie mit einer weiteren Angabe zu ihrer Lebensweise (V. 257: ‚auf Wagen lebend‘), die bei Hesiod ebenfalls die Skythen charakterisiert (Hes. fr. 151 M–W: Γλακτοφάγων ἐς γαῖαν ἀπήνας οἰκί᾽ ἐχόντων mit Reinsch-Werner 1976, 130). Für weitere Indizien der Benutzung des Hesiod-Gedichts vgl. ad V. 170. Darüber hinaus spielt Kallimachos auf Hom. Ν 5 f. (ἀγαυῶν Ἱππημολγῶν / γλακτοφάγων) an, wo neben Thrakern und Mysiern ein dritter Volksstamm

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III. Kommentar

im Nordwesten Kleinasiens erwähnt wird. Nach Reinsch-Werner 1976, 130 bestärkt oder sogar aktiviert diese Homer-Anspielung die Allusion auf Hes. fr. 151. 1, zumal beide Stellen durch das versinitiale (synkopierte) Wort γλακτοφάγων verbunden sind. Der hellenistische Dichter verwendet dieselbe Flexionsform (ἱππημολγῶν) an derselben metrischen Stelle wie Homer, allerdings mit dem bedeutenden Unterschied, dass es kein Eigenname, sondern – wie bei Hesiod – Attribut (der Kimmerier) ist. Vgl. Reinsch-Werner 1976, 129. Zu dieser Änderung mag Kallimachos durch die Homer-Philologie angeregt worden sein, zumal in den Homer-Scholien eine Interpretation bezeugt ist, die ἱππημολγῶν als Attribut, Ἀγαυῶν als Volksnamen auffasst (Σ ad Ν 5b [III 392 Erbse] mit Kuiper 1896 I 108, Rengakos 1993, 146 und Sistakou 2002, 152). 252 f. (b) ἐπὶ δὲ στρατὸν ... / ἤγαγε ... ψαμάϑῳ ἴσον   Zur Tmesis ἐπὶ ... ἤγαγε vgl. Hom. Λ 480. Zu ψαμάϑῳ ἴσον vgl. Eur. Bacch. 1335 (ἀναρίϑμῳ στρατεύματι in Bezug auf den Ansturm der Barbaren = Kimmerier). Der Vergleich mit Sand ist althergebracht (Hom. Β 800, Ι 385; Pind. O. 2. 98, P. 9. 46–48). Vgl. auch Cusset 1999, 175–178. Zu einem ähnlich bildhaften Ausdruck der Vielheit vgl. Kallimachos h. 4. 175 f. (Schneeflocken und Sterne). 253 f. οἵ ῥα παρ᾽ αὐτόν / κεκλιμένοι ναίουσι ... πόρον    Zur Sperrung παρ᾽ αὐτόν / ... πόρον vgl. Kapitel I 6, 90 f. Die Angabe gehört ἀπὸ κοινοῦ sowohl zu κεκλιμένοι als auch zu ναίουσι. Zum Partizip κεκλιμέν- für Bezeichnung einer geographischen Lage vgl. Hom. Ε 709 (nebst ναίεσκε im vorigen Vers), Ο 740; ν 234; Thgn. 1216 W2; Soph. Trach. 101 (codd.); Apoll. Rhod. 1. 595 und Dion. Per. 847, 1003. Vgl. auch Kall. h. 4. 72: παρακέκλιται Ἰσϑμῷ. Präpositionales Syntagma und dativus directionis erscheinen als freie Variationen. Vgl. Aulin 1856, 45, Kuiper 1896 I 108 und LSJ s. v. κλίνω II 5. Außerdem kommt das Partizip bei Homer nur einmal am Anfang des Hexameters (Φ 18 auf den Speer des Achilleus bezogen) vor (sonst im zweiten und dritten Fuß). Die versinitiale Stellung könnte über den Reiz der Ausnahme hinaus auf eine varia lectio κέκλιται in Λ 758 für κέκληται ebenfalls am Versanfang hinweisen (vgl. Etym. m. 61. 37–39 s. v. Ἀλείσιον und Kuiper 1896 I 108). 254 βοὸς πόρον Ἰναχιώνης   Zum Ersetzen des geographischen Namens (Bosporus) durch eine etymologisch durchsichtige Variante (βοὸς πόρον Ἰναχιώνης) vgl. Sistakou 2002, 151 mit weiteren Beispielen (Ait. fr. 2. 1: ἴχνιον ὀξέος ἵππου = Hippukrene, fr. 384. 9 f.: ἁλιζώνοιο ... / στείνεος = Isthmos, fr. 379. 1: ἑσπερίοιο ϑαλάσσης = tyrrhenisches Meer [in Bezug auf Brennus und die Galater], h. 6. 11: μέλανας = Aithioper). Zum Genethliakon auf -ώνη (hier Io = Tochter des Inachos) vgl. z.B. die homerischen



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Bildungen Ἀτρυτώνη (= Athene), Διώνη, Ἀκρισιώνη (Danae), meistens am Versende. Stephens 2015a, 155 hebt hervor, dass bei Suda (227. 23 s. v. Καλλίμαχος [III 18 Adler]) eine Ἰοῦς ἄφιξις Kallimachos zugeschrieben wurde (Pfeiffer 1953 II XCV T1. 11). Io wurde mit der ägyptischen Göttin Isis gleichgesetzt (Hdt. 2. 41), was das Interesse an dieser mythologischen Gestalt dürfte gesteigert haben (vgl. Kall. ep. 57. 1 [Ἰναχίης ... Ἴσιδος] mit Acosta-Hughes/Stephens 2012, 168). Der Versschluss scheint in fr. ep. adesp. 2. 56: ἀγαυῆς Ἰναχιώνης (p. 74 CA) von einem Kallimachos-Epigonen nachgeahmt worden zu sein. 255 (a) ἆ δειλὸς βασιλέων   In der pathetischen Apostrophierung, mit der sich der Autor an eine Gestalt wendet, die auf der Ebene seiner Erzählung zu verorten ist, kommt der Nominativ vor als Ausdruck der dramatischen Mittelbarkeit des Verhältnisses zwischen dem Narrator und der betreffenden Person. Vgl. Adorjáni 2012a, 111. Einige Beispiele für homerische Apostrophen an fiktive Gestalten der Erzählung sind Η 104, Π 20; ξ 55. Die zweite Person Singular ist bei Kallimachos der Apostrophe an die Göttin vorbehalten. Vgl. Bornmann 1968, 124 ad loc. Zu Nominativ statt Vokativ vgl. Pfeiffer 1922, 67 (Apoll. Rhod. 4. 1073) und Adorjáni 2014a, 160 f. ad Pind. O. 6. 22a. Zur Interjektion (so auch Kall. Ait. fr. 1. 33 und fr. 195 [Ia. 5] 30) mit Adjektiv und genitivus partitivus vgl. Hom. ξ 361 und φ 288 (ἆ δειλὲ ξείνων). Weitere Parallelen mit Interjektion und Adjektiv sind unter anderem Hom. Λ 441, 452, 816; κ 431, λ 618, φ 351 usw. Kerkhecker 1999, 139 f. Anm. 104 stellt dem ἆ ϑαυμαστικόν der homerischen Sprache das ἆ indignativum der Tragiker an die Seite, dem er das kallimacheische Beispiel zuordnet (die tragische Usanz kann jedoch leicht von der epischen abgeleitet werden und das Adjektiv verleiht der kallimacheischen Wendung ein unverkennbar homerisches Gepräge). Zur Emphase, die der genitivus partitivus der Formulierung verleiht, vgl. Blomfield 1815, 111 und Aulin 1856, 24 mit Parallelen. Formal und inhaltlich lässt sich auch Hom. Λ 816–818 heranziehen: ἆ δειλοὶ Δαναῶν ἡγήτορες ἠδὲ μέδοντες / ὣς ἄρ’ ἐμέλλετε τῆλε φίλων καὶ πατρίδος αἴης / ἄσειν ἐν Τροίῃ ταχέας κύνας ἀργέτι δημῷ (Untergang als gemeinsames Motiv). Da Lygdamis die Perspektive auf die historische Zeit öffnet (vgl. ad V. 251 f.), könnte hinter der mittelbaren Apostrophierung auch eine Allusion auf Ptolemaios II. Philadelphos als positives Gegenbild eines fromm-idealen Herrschers zu Lygdamis als einem Hoffärtig-Verworfenen darstellen. 255 (b) ὅσον ἤλιτεν   Zu ἤλιτεν vgl. Hom. Ι 375 (tautometrisch in Bezug auf Agamemnons Missetat, den Raub der Briseis, in der Anklage des Achilleus). Reinsch-Werner 1976, 198 zieht auch Hes. scut. 79 f.: ἦ ... μέγ᾽ ... / ἤλιτεν heran, wo es um die Tötung Elektryons durch Amphitryon geht (Aus-

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III. Kommentar

ruf und innerer Akkusativ μέγ᾽ ~ ὅσον). Zum dreisilbigen βασιλέων (mit Synizese) vergleicht die Forscherin (1976, 196–198) Hes. erg. 261. Auch der Kontext weist Ähnlichkeiten auf: Bei Hesiod geht es um frevelhafte Könige, die den Untergang der ganzen Stadt verschulden, wie hier Lygdamis den des gesamten Heeres. Zu V. 252: στρατόν vgl. Hes. erg. 246 in der auch von Kallimachos verwendeten Beschreibung der Strafe der ungerechten Stadt. Brumbaugh 2019, 156 stellt das Verb ἤλιτεν der Adjektivform ἀλιτρός im Apollon-Hymnos (h. 2. 2) an die Seite (beide Male werden Verstöße gegen das Heilige verurteilt und frevelhafte Eindringlinge abgewiesen). Der Rückbezug von ἤλιτεν auf ἀλιτήμονα πολλά (V. 123) ordnet Lygdamis der Kategorie der ruchlosen Stadtbewohner zu (Brumbaugh 2019, 212). 255–158 οὐ γὰρ ἔμελλεν — νοστήσειν   Die Wendung οὔ γὰρ ἔμελλεν ist homerisch (vgl. vor allem ω 470 f.: φῆ δ’ ὅ γε [Eupeithes] τείσεσϑαι παιδὸς φόνον, οὐδ’ ἄρ’ ἔμελλεν [tautometrisch] / ἂψ ἀπονοστήσειν). Für weitere Parallelen (auch außerhalb Homers) vgl. Bornmann 1968, 124 f. ad loc. Der Infinitiv νοστήσειν ist an den Anfang von V. 258 hinausgeschoben. 256 οὔτ᾽ αὐτὸς Σκυϑίηνδε παλιμπετὲς οὔτε τις ἄλλος   Zum adverbial (‚zurück‘) verwendeten Adjektiv παλιμπετές vor der bukolischen Diärese vgl. Hom. Π 395 und ε 27. Zu οὔτ᾽ ... παλιμπετές zieht Ukleja 2005, 251 f. h. 4. 294 (οὐδ’ οἵγε παλιμπετὲς οἴκαδ’ ἵκοντο) heran, wo es darum geht, dass die Hyperboreer in ihr Land nicht zurückkehren, sondern auf Delos verklärt und Gegenstand kultischer Verehrung werden. Dies ist ein glorreiches Gegenbild zur unrühmlichen Nimmer-Rückkehr der Kimmerier, die im DelosHymnos auch in den Galatern eine Parallele finden (vgl. Kapitel I 4, 46). Ukleja 2005, 250 f. sieht hier eine aufeinander abgestimmte Schilderung positiver oder negativer Einfälle aus dem fernen Osten (Kimmerier), Westen (Galater) und Norden (Hyperboreer) auf Großheiligtümer (Ephesos, Delphi, Delos), ohne je wieder nach Hause zurückzukommen. 257 ὅσσων ἐν λειμῶνι Καϋστρίῳ ἔσταν ἅμαξαι   Die Lokalangabe ἐν λειμῶνι Καϋστρίῳ ist durch die Verschmelzung zweier einander entsprechender Lokalangaben im Vergleichs- (vehiculum) und Erzählsatz (tenor) eines homerischen Gleichnisses (Β 461: ᾿Ασίῳ ἐν λειμῶνι Καϋστρίου ἀμφὶ ῥέεϑρα und 467: ἔσταν δ’ ἐν λειμῶνι Σκαμανδρίῳ ἀνϑεμόεντι) entstanden, in dem die Unzahl herandrängender Kämpfer mit einem Vogelschwarm am Ufer des kleinasiatischen Flusses Kaystros gleichgesetzt wird. Vgl. auch Dion. Per. 833–838 (mit Lightfoot 2014, 442 f. ad loc.) und Verg. georg. 1. 384 (schwärmende Schwäne am Kaystros-Ufer). Siehe auch Kall. h. 4. 249–252 und Apoll. Rhod. 4. 1300–1302 (Paktolos). Die von Cahen 1930, 149 registrierte Inkonzinnität ἄλλος ... ὅσσων ... ἅμαξαι (Singular vs. Plural) entschwindet, wenn man zu ὅσσων ein τούτων



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im Hauptsatz ergänzt, das sich zu ἄλλος als genitivus partitivus verhält. Das Wort ἅμαξαι am Versende auch Hom. ι 241 und κ 103. 258 Ἐφέσου γὰρ ἀεὶ τεὰ τόξα πρόκειται   Wenn hier an den abgewehrten Angriff der Galater auf Ephesos als an ein zeitgenössisches Ereignis erinnert wird (vgl. ad V. 251 f.), so erreicht die mit der Wahl des Lygdamis begonnene Historisierung der Macht der Artemis ihren Endpunkt, indem einerseits auf die Gegenwart verwiesen wird, andererseits der Beistand der Göttin sub specie aeternitatis als immerwährend (ἀεί) erscheint. Vgl. Herter 1929, 104 Anm. 2 sowie 1931, 441 und Petrovic 2007, 166 (Artemis als eine über die Zeitgrenzen hinweg wirkende σώτειρα). Nach Bornmann 1968, 126 ad loc. sei ἀεί ein Indiz, das der geschichtlichen Aktualisierung widerstreite (Hinweis auf den ebenfalls eine proömiale Abschlussrolle spielenden Satz im Delos-Hymnos [h. 4. 26: ϑεὸς δ᾽ ἀεὶ ἀστυφέλικτος]). Zur verallgemeinernden Zusammenfassung nach einem Gedankenabschnitt vermittels ἀεί vgl. h. 2. 68 (Wahrhaftigkeit Apollons), 4. 26 (Unerschütterlichkeit desselben Gottes), 5. 17 (Schönheit Athenes) mit Bulloch 1985a, 126, der auch Apoll. Rhod. 2. 708 f. (Apollons ungeschorene Haare) zitiert. Die Abwehr von Frevlern (statt von Tieren) erinnert an die Bestrafung der verworfenen Stadt (V. 122–128). Vgl. Cahen 1930, 149 und Knight 1993, 211. Wie dort das offensive Einschreiten der Artemis ins Bild des Friedens (V. 129–135) und das Gebet des Dichters (V. 136–141) mündet, so wird auch hier die Unantastbarkeit des Heiligtums durch die Göttin für Zeit und Ewigkeit (ἀεί in Bezug auf den Schutz ~ V. 137: αἰέν in Bezug auf das Lied) gewährleistet. Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 34. Der Schutz der Artemis macht also eine Plünderung durch Lygdamis unvorstellbar. Kallimachos läuft damit Sturm gegen solche Berichte (Hesych. 1328 s. v. Λύγδαμις [II 610 Latte]), nach denen der kimmerische Heerführer das Heiligtum in Schutt und Asche gelegt habe. Gegen die Stichhaltigkeit des hesycheischen Berichtes aus historischer Perspektive äußert sich Karwiese 1995, 29. Vgl. auch Bammer/Muss 1996, 29–32. Nach Talamo 1984, 202 dürfte Kallimachos auch von Alex. Ait. fr. 4. 5 f. Magnelli: ταχέων ῏Ωπιν βλήτειραν ὀϊστῶν, / ἥτ’ ἐπὶ Κεγχρείῳ τίμιον οἶκον ἔχει beeinflusst gewesen sein (zum Hymnos des Timotheos, auf den Alexandros Bezug nimmt, vgl. Kapitel I 4, 54 f. im Kontext der Datierung des kallimacheischen Hymnos).

EPILOG (V. 259–268) 259 (a) πότνια Μουνιχίη λιμενοσκόπε, χαῖρε   Wie in V. 225 (πότνια πουλυμέλαϑρε, πολύπτολι, χαῖρε, Χιτώνη), beginnt der Epilog des Hymnos mit einer mehrgliedrigen Anrufung der Göttin. Der diesmal einen tatsäch-

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III. Kommentar

lichen Schluss ankündigende Imperativ χαῖρε steht an derselben Stelle im Vers wie dort. Auch hier folgt ein geographisches Eponym als letztes Wort. Zur verunsichernden Wirkung der χαῖρε-Formel an dieser Stelle (dass sich das Gedicht seinem Ende zuneigt, sieht nur der Leser, der Hörer könnte einen Neuanfang vermuten) vgl. Fain 2004, 54 und Morrison 2007, 146. Zu Ἄρτεμις Μουνυχία vgl. Xen. hell. 2. 4. 11 und Paus. 1. 1. 4 sowie Deubner 1932, 204–207 (Fest Μουνιχία). Die Variante Μουνιχ- ist auf attischen Inschriften geläufig (vgl. LSJ s. v. Μουνυχία II). Stephens 2015a, 156 hebt auf die Möglichkeit ab, dass Kallimachos auf ein geographisches Rätsel (vgl. ad V. 172 [b] [Limnai] und 198 f. [Dikte]) hinauswollte, da der ephesische Kontext eine andere Artemis Mounichia nahelegt, die im Anschluss an eine Gründung Agamemnons in Pygela unweit von Ephesos verehrt wurde (Strab. 14. 1. 20, 639 C). Bornemann 1968, 127 ad loc. vermutet über den Orakeltext Hdt. 8. 77, der eine Niederlage des Perserheeres prophezeit, eine versteckte Allusion auf die Macht der Göttin, ihre Feinde zu vernichten. Aber wie er selbst bekennt, ist die Umschreibung ‚Gestade der Artemis‘ bei Herodot nicht sicher mit Mounichia gleichzusetzen, und die strafende Instanz ist nicht Artemis selbst, sondern Dike. Das seltene Attribut λιμενοσκόπος bezieht Kallimachos sonst (fr. 400. 2) auf Zeus, Antipatros (Anth. Pal. 10. 25. 1) auf Apollon. Hier erscheint es als Univerbierung des Ausdrucks λιμένεσσιν ἐπίσκοπος (V. 39). Schmitt 1970, 145 Anm. 48 hält es für eine Schöpfung des Kallimachos nach Analogie der Magistratsbezeichnung λιμενοφύλαξ. Hiermit wird von Artemis eine Machtbefugnis prädiziert, die ihr Zeus früher zugesichert hatte (vgl. ad V. 39). 259 (b) Φεραίη   Zum Beinamen Φεραίη vgl. Paus 2. 10. 7 (ArtemisHeiligtum in Sikyon mit deren Holzstandbild aus der thessalischen Stadt Pherai). Nach Paus. 2. 23. 5 wurde Artemis Φεραία auch in Argos und Athen verehrt. Zu weiteren Standorten des Φεραία-Kultes vgl. Petrovic 2007, 6. Gemäß Hesychios 293 s. v. Φεραία (IV 152 Hansen–Cunningham) handelt es sich dabei um eine fremdländische Göttin oder Hekate. Zur Gleichsetzung mit Hekate vgl. auch Lykophr. 1180. Ob hier Kallimachos auf die Identität von Artemis und Hekate anspielen will, ist pace Plantinga 2004, 271 alles andere als gesichert, da er keinen weiteren Fingerzeig gibt, der auf den Hekate-Charakter der Göttin hinwiese. Obendrein ist der Zusammenhang der thessalischen Artemis mit Φεραία (Beiname oder eigenständige Göttin) und Hekate nicht einleuchtend. Vgl. Kraus 1960, 77–81. Kallimachos scheint keine Stellung zu beziehen, sondern nur eine Rarität im Kultus der Göttin aufgreifen zu wollen. 260–267 μή τις ... Ἄρτεμιν — κυκλώσασϑαι   Am Schluss des Hymnos kehrt die Apostrophierung der Göttin in der dritten Person (‚Er/Sie-Stil‘)



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zurück (ab V. 72 galt bei der Anrede an Artemis durchgehend der ‚Du-Stil‘). Vgl. Plantinga 2004, 266. Anfang und Ende des Hymnos stehen zugleich in einem gewissen Spannungsverhältnis: Der kindlich-kindischen Göttin steht die unheimliche Rächerin gegenüber (Wilamowitz 1924 II 61, Cahen 1930, 150 und Bing/Uhrmeister 1994, 34). Zur strafend-tötenden Artemis in der literarischen Tradition vgl. z.B. Hom. Ζ 205, Ω 606 f.; λ 324 f. Öfters wird Artemis als einen jähen Tod herbeiführende Gewalt („Todesengel“) heraufbeschworen (z.B. Ζ 428, Τ 59 f.; λ 172 f., υ 61–63 usw.). Somit lässt Kallimachos die im Prolog und in der Rede der Göttin vorbeiziehenden Prädikationen (Bogenschießen, Jungfräulichkeit, Chortanz) innerhalb der negativen Paradigmata wieder Revue passieren. Dabei steht dem zukunftsträchtigen Versprechen oder Wunschbild die aktuelle (als grausig empfundene) Erfüllung gegenüber (Herter 1929, 105). Hutchinson 1988, 70 nimmt allerdings angesichts der kalkulierten Ernsthaftigkeit auch eine gewisse ironische Distanz die ganze Passage hindurch wahr. Die Personen der Exempla sind ebenfalls mit allusivem Potenzial ausgestattet: Oineus erinnert an Atalanta (V. 215–220 nebst einem Beispiel des geahndeten Angriffs auf die Jungfrau [V. 221–224], das hier V. 264 f. [Otos und Oarion] sein mythisches Pendant erhält), Agamemnons grässlicher Verlust (seiner Tochter) kontrastiert mit der harmlosen Weihe des Steuerruders (V. 228–232), Iphigeneia (~ μισϑῷ) evoziert die in Alai Araphenides (V. 173 f.) auslaufende Nachgeschichte, V. 266 f. stellt die scheinbar fromme Amazonenkönig Hippo (V. 239) in ein zweifelhaftes Licht, wobei das Motiv des unausgesetzten Chortanzes im Vordergrund bleibt. Vgl. Plantinga 2004, 274. Stephens 2015a, 155 interpretiert diesen Katalog als einen Hinweis auf die trotz der Länge des Hymnos noch immer nicht voll erschöpften Themen. Bundy 1972, 85 erblickt in der vierfach anaphorischen (μηδέ) und epiphorischen (οὐδέ) Reihe (viermal jeweils zwei Verse) eine Priamel, deren jedes Glied jeweils aus einer Warnung vor Frevel und einem negativen Exempel besteht. Die mythischen Paradigmen sind in negativ-parenthetischen γάρ-Sätzen (so auch V. 244, Ait. fr. 67. 3, h. 5. 16) untergebracht, die – abgesehen vom Einzelvers 263 – jeweils nach der bukolischen Diärese beginnen und sich auf den nächsten Folgevers erstrecken. Die Priamel kulminiert im Abschied und Gebet des Dichters (V. 268), der sich durch sein gerade abgeschlossenes Loblied vom Fehlverhalten der mythischen Vorgänger distanziert. 260 μή τις ἀτιμήσῃ τὴν Ἄρτεμιν   Der Mangel an Ehrfurcht Artemis gegenüber (μή τις ἀτιμήσῃ) am Anfang des negativen Katalogs kontrastiert mit dem verwirklichten Lobprogramm des Dichters im Schlussvers des Hymnos (V. 268). Die negativen Exempla erscheinen also als amplificationes per

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III. Kommentar

contrarium der rechtschaffenen Attitüde des Hymnendichters. Vgl. Bundy 1972, 85 und Bing/Uhrmeister 1994, 34. Bei Homer erstrecken sich die Formen von ἀτιμάω regelmäßig über den ersten, zweiten und dritten Fuß (vgl. z.B. Ζ 522, Θ 163, Ι 62 usw.). Kallimachos verwendet also die bei Homer nicht auftretende Flexionsform ἀτιμήσῃ an der traditionellen Stelle. Er schafft auch in semantischer Hinsicht einen neuen Aspekt, da sich das Verb in der epischen Sprache nie auf eine Gottheit bezieht. Zum unhomerischen Gebrauch des Artikels vor Ἄρτεμιν, was für den Parallelismus der tautometrischen und semantisch zusammenhängenden Glieder τὴν Ἄρτεμιν (V. 260) ~ τὴν παρϑένον (V. 264) sorgt, vgl. Svensson 1937, 57 f. (mit weiteren Belegen aus dem Hymnos). 260 f. οὐδὲ γὰρ Οἰνεῖ — ἀγῶνες   Im Mittelpunkt des ersten Negativexempels steht Oineus in der Episode der kalydonischen Jagd, woraus der Krieg mit den Kureten erwachsen ist (Hom. Ι 529–599, Bakchyl. 5. 97–135, Apollod. 1. 66–73). Vgl. Ambühl 2005, 287. Vamvouri Ruffy 2004, 272 f. erinnert daran, dass sowohl bei Homer als auch bei Bakchylides die Oineus-Geschichte als Paradigma dient (mit einem Schwerpunkt auf dem Oineus-Sohn Meleagros), worauf Kallimachos mit seiner ebenfalls paradigmatischen Verwendung bewusst anspielen könnte. Bei Bakchylides erscheint derselbe negative Ausdruck (5. 160 f.: μὴ ... μηδ᾽) in Herakles’ Replik auf das traurige Geschick des Meleagros. Vgl. Vamvouri Ruffy 2004, 273 Anm. 196. Zum Abschluss der Mahnung des Phoinix an Achilleus kommt μηδέ (Hom. Ι 600) an derselben Stelle vor wie οὐδέ bei Kallimachos (beide Male taucht auch μή im Ausdruck auf). 261 (a) βωμὸν ἀτιμάσσαντι   Schneiders Emendation (1873 II 250) wird der handschriftlichen Überlieferung (ἀτιμάσαντι und ἀτιμήσαντι) am ehesten gerecht: ἀτιμήσαντι erweist sich als eine Korrektur der „dorischen“ Form ἀτιμάσαντι, die ihrerseits durch Degemination von ἀτιμάσσαντι könnte zustande gekommen sein. Damit kommt eine auf Variation angelegte Abfolge der episch ausgewiesenen Verben ἀτιμήσῃ und ἀτιμάσσαντι zur Geltung. Vgl. Kuiper 1896 I 109 und Bornmann 1968, XLVIII. 261 (b) καλοὶ πόλιν ἦλϑον ἀγῶνες   Die Wendung καλοὶ ... ἀγῶνες (hier auf die kriegerischen Folgen der Jagd auf den Eber bezogen) erinnert an Hom. ϑ 260: καλὸν ... ἀγῶνα (Tanzplatz der Phaiaken), wo die beiden Worte an derselben sedes stehen. Die negativen Assoziationen der kallimacheischen Wendung kontrastieren mit dem von Homer gezeichneten Idealbild. Vgl. auch Brumbaugh 2019, 158. Kuiper 1896 I 109 und Bornmann 1968, 128, der es doppeldeutig auffassen will, wollten in ἀγῶνες einen Hinweis auf die Jagd selbst erkennen, was zu einer katachrestischen Verwendung des



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Begriffs führte. Zum Akkusativ mit einem intransitiven Verb (hier ἦλϑον) vgl. V. 193 f. und 195. 262 μηδ᾽ ἐλαφηβολίην μηδ᾽ εὐστοχίην ἐριδαίνειν   In V. 2 war Artemis mit der Hasenjagd verbunden, im Kontext der Äußerung ihrer Rachsucht tritt jedoch eine seriösere Sparte des Weidwerks (ἐλαφηβολίη), in der Artemis als klassische Hirschjägerin sich herausgefordert fühlen könnte, in den Vordergrund. Vgl. Herter 1929, 105. Der infinitivus prohibitivus (so auch V. 264 [mit Subjekt in Akkusativ] und 266) steht dem Konjunktiv mit Subjekt in Nominativ (V. 260: μή τις ἀτιμήσῃ) gegenüber. Zu μηδ᾽ ... ἐριδαίνειν vgl. Hom. φ 310: μηδ᾽ ἐρίδαινε (Antinoos’ Zurechtweisung an Odysseus), wo es ebenfalls um die Handhabung des Bogens anlässlich eines Wettkampfes geht. Bornmann 1968, 128 f. ad loc. verteidigt die Doppelkonjunktion μηδ᾽ ... μηδ᾽ innerhalb desselben Mythosparadigmas unter Hinweis auf h. 5. 15 f. und 6. 4 gegen Maas’ Konjektur τε καὶ (1921, 136) für das zweite μηδ᾽. Zur metrischen Besonderheit des Verses (stumpfe Mittelzäsur, keine Hephthemimeres oder bukolische Diärese) vgl. Kapitel I 6, 80. Der accusativus relationis neben ἐριδαίνειν ist in Analogie zu ἐρίζω mit Akkusativ (Hom. Ι 389, ε 213; Hes. scut. 5) entstanden. So auch Theokr. 4. 8 (βίην καὶ κάρτος ἐρίσδειν). Vgl. Cahen 1930, 151. Nach Plantinga 2004, 262 bezieht sich das Verb auf den Anfang des Hymnos (V. 7: μή μοι Φοῖβος ἐρίζῃ) und das ihn durchwaltende Motiv der Geschwisterrivalität zurück. Brumbaugh 2019, 158 f. vergleicht h. 2. 25, wo ἐρίζειν das Fehlverhalten der Widersacher der Götter bezeichnet, und schlägt einen Bogen zwischen dem Apollon-Hymnos und dem „Frevlerkatalog“ der Schlusspartie des Hymnos auf Artemis. Das seltene Wort ἐλαφηβολίη kommt sonst noch bei Soph. Ai. 178 (im Plural) vor, εὐστοχίη bei Euripides in lyrischen Partien (Iph. T. 1238 f. [ἅ τ’ ἐπὶ τόξων / εὐστοχίᾳ γάνυται als Umschreibung für Artemis], Tro. 812). 263 οὐδὲ γὰρ Ἀτρεΐδης ὀλίγῳ ἐπὶ κόμπασε μισϑῷ   Zum Grundmuster der Geschichte (vermessener Jäger vs. erzürnte und strafend einschreitende Naturgottheit) vgl. Ziegler 1938, 77–79 (mit Hinweis auf Schillers Alpenjäger). Ambühl 2005, 268 Anm. 190 vergleicht die Geschichte des prahlerischen Jägers (fr. Ait. 96–96a Harder [Venator gloriosus]) in den Aitien, wo Artemis ebenfalls als strafende Instanz erscheint. Zum bramarbasierenden Agamemnon, auch Artemis hätte auf die Hirschkuh nicht besser schießen können, vgl. Σ ad Eur. Or. 658 (καύχησεις Ἀγαμέμνονος). Siehe auch Eur. El. 566–572 (vor allem V. 569: ἐκκομπάσας). Bei Homer bezeichnet κόμπος ein wertneutrales Getöse, während die negative Bedeutung des Wortes vor allem im usus dicendi der Tragiker ausgeprägt wird. Die Verbform κομπέω trägt schon diese negative Semantik. Meineke 1861, 40 ad loc. hat den überlieferten Text ἐπεκόμπασε richtig ge-

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III. Kommentar

trennt, indem er ἐπὶ κόμπασε schrieb, was auch in metrischer Hinsicht einen Fortschritt bedeutet (bukolische Diärese nach der stumpfen Mittelzäsur). So auch Schneider 1873 II 251. Anders Cahen 1930, 151. Zum Euphemismus ‚μισϑός ~ Strafe‘ vgl. h. 5. 102 (μισϑῶ ... ἰδεῖν μεγάλω) mit Kleinknecht 1939, 341 Anm. 1. Das ἐπί pretii ist bereits homerisch (z.B. Κ 304). Bulloch 1985a, 214 ad h. 5. 102 vergleicht Aischyl. Ag. 1261, Soph. Ant. 221 und Hdt. 8. 117. 1. Lapp 1965, 33 f. findet darin einen Hauch von Sarkasmus und weist auf die Litotes (οὐδὲ ... ὀλίγῳ) hin. Agamemnons Strafe besteht im Verlust seiner Tochter (anders Vamvouri Ruffy 2004, 263). Zur ‚Sperrung‘ der zeitlich und ursächlich zusammenhängenden Episoden ‚Aulis‘ und ‚Samos‘ vgl. ad V. 228–230. 264 μηδέ τινα μνᾶσϑαι τὴν παρϑένον    Das Indefinitpronomen τινα bezieht sich zurück auf τις (V. 260). Der Artikel vor παρϑένον (vgl. ad V. 260) hebt auch den schroffen Gegensatz des Begriffes zu μνᾶσϑαι hervor (Svensson 1937, 58). Zur negativen Bedeutungsnuance des Verbs μνᾶσϑαι vgl. Hom. α 39 und χ 38. Dem Begriff der ‚Freite‘ respondiert im Exempel (V. 265) οὐδὲ ... ἀγαϑὸν γάμον (Otos und Orion werden aufgrund ihres Übergriffs πικρόγαμοι). 264 f. οὐδὲ γὰρ Ὦτος, / οὐδὲ μὲν Ὠαρίων ... ἐμνήστευσαν   Der Frevler Otos hat seinen denkwürdigsten Auftritt bei Pindar P. 4. 88–92 (nebst Ephialtes und Tityos, letzterer ausdrücklich als Opfer der Artemis bezeichnet). Vielleicht hat die Pindar-Stelle den Dichter dazu bewogen, Otos an Artemis sich vergreifen zu lassen (so auch Hyg. fab. 28. 3 [p. 42 Marshall] mit Ephialtes). Zu Orions Frevel vgl. Palaiph. 51 (p. 72 Festa), Arat. 636–644, Nik. Ther. 14–16, Hyg. astr. 2. 34 (p. 82 Viré), Hor. c. 2. 13. 39 f. (Orion in der Unterwelt) sowie 3. 4. 70–72 (integrae / temptator Orion Dianae: den Kallimachos-Einfluss verrät die Erwähnung des Tityos am Ende des Gedichts [V. 77 f.]) und Stat. Theb. 7. 256–258. Bei Homer (λ 307–320) werden Otos und Ephialtes von Apollon bestraft, V. 310 enthält einen flüchtigen Hinweis auf Orion. Apollodoros (1. 27) berichtet außer vom Tod aufgrund einer Herausforderung der Göttin im Diskoswerfen auch eine dritte Version, in der Orion das hyperboreische Mädchen Opis entführt und von Artemis getötet wird. Dieser mag Kallimachos fr. 186. 27–30 (mit Pfeiffers Anmerkungen [1949 I 158 ad loc.]) gefolgt sein, während doch Opis/Upis wohl nur eine andere Hypostase der Artemis ist. Vgl. ad V. 204 sowie Σ ad ε 121 (I 255 Dindorf) (Alternativversion) unter Hinweis auf Euphorion (= fr. 103 [p. 49 CA]). Siehe auch Euph. fr. 101 (p. 48 CA). Hinter diesen kallimacheischen Frevlern sowie Tityos (V. 110) will Ehrlich 1894, 43, 50 einen Wink auf Demetrios den Schönen, dem Berenike II. den Garaus machte, erkennen. Diese Annah-



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me – wie die Gleichsetzung der Göttin mit Berenike – entbehrt indes jeder Textgrundlage. Zu μέν solitarium mit Steigerungsfunktion vgl. Bornmann 1968, 129 ad loc. und Denniston 19542, 362 sowie ad V. 221 f. 265 Ὠαρίων   Die unkontrahierte Namensform Ὠαρίων (Homer kennt – will man die Überlieferung nicht antasten – nur die Variante Ὠρίων; vgl. z.B. λ 572) könnte direkt von Pindar herrühren (N. 2. 12, I. 4. 67, fr. 72. 2 [hier ebenfalls im Kontext einer Entführung]). So auch Kall. Ait. fr. 110. 94 = Catull. 66. 94 (Oarion). Indessen ist jedes hesiodeische Vorkommen von Ὠαρίων durch Konjekturen entstanden. Vgl. Smiley 1914, 65 und Schmitt 1970, 107 Anm. 25. 266 f. μηδὲ χορὸν φεύγειν ἐνιαύσιον — κυκλώσασϑαι   Ukleja 2004, 73 vergleicht den Schluss des homerischen Apollon-Hymnos, wo den hoffärtigdienstvergessenen Priestern die Gunstverweigerung des Gottes in Aussicht gestellt wird (V. 540–543). Zum Chortanz (κυκλώσασϑαι) vgl. ad V. 170. Zum ephesischen Altar vgl. Tac. ann. 3. 61 (Asylort der Amazonen). Zu weitverzweigten Spekulationen hinsichtlich der Beschaffenheit und Bedeutung des Amazonentanzes um den Altar herum (wundgepeitschte Amazonen wie im Kult der spartanischen Orthia) vgl. Picard 1940, 272 f. Der waffenlos-friedliche Chortanz der Begleiterinnen der Artemis steht im Gegensatz zu ihrem Waffentanz (V. 240 f.). Die Frevlerin Hippo ist ein „negatives Aition“, von dem sich die fortwährende kultische Verehrung der Artemis abhebt (vgl. Aristoph. Nub. 598–600). Siehe auch Talamo 1984, 202–204. Das Attribut ἐνιαύσιον kommt Hom. π 454 (‚einjähriges Schwein‘) an derselben metrischen Stelle vor. 266 οὐδὲ γὰρ Ἱππώ   Schon wegen des Ockham’schen Prinzips muss die Amazonenkönig Hippo (V. 239) mit der den Tanz verweigernden Hippo identisch sein (Ahlwardts Zweifel [1794, 64] ist unangebracht). Wenn dem so ist, dann gewinnt die Stelle an Bedeutsamkeit, denn erst dadurch bricht ein Zweispalt in der Hippo-Gestalt auf: Sie ist fromme Königin und renitente Nymphe zugleich. D’Alessio 1996 I 129 Anm. 63 sowie II 728 Anm. 70 (missverständlich ‚Melanippe‘ statt ‚Hippe‘) und Vamvouri Ruffy 2004, 274 argumentieren im Anschluss an Naeke 1845, 37 für die Identität der Nymphe mit Hippe, einer Tochter Cheirons. Zu Hippo als abgewandelter Namensform der zu einer weissagenden Nymphe gewordenen Hippe vgl. Eurip. fr. 481 (Melanippe die Weise) 21 (TrGF V 532 Kannicht). Melanippe ist die Tochter Hippes, gezeugt von Aiolos. Wie die schwangere Hippe versuchte, sich vor ihrem Vater Cheiron zu verbergen (Hyg. astr. 2. 18 [p. 57 Viré]), so ist auch ihre Tochter Melanippe bestrebt, ihre von Poseidon empfangenen Zwillinge

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III. Kommentar

der Sicht des Aiolos zu entziehen (hypoth. in Eurip. Melan. [TrGF V 525 f. Kannicht]). Von dieser Hippe/Hippo habe nun Kallimachos gemäß dem Bericht des Hyginus (astr. 2. 18 [p. 58 Viré] = Kall. fr. 569) erzählt, sie sei Artemis abtrünnig geworden, weshalb sie von Artemis in eine Stute verwandelt worden sei. Jedoch hat bereits Schneider 1873 II 574 f. ad fr. 386 (zustimmend Pfeiffer 1949 I 400 ad fr. 569) darauf hingewiesen, dass Hyginus oder aber seine Vorlage die Kallimachos-Stelle könnte fehlerhaft interpretiert haben, indem die Amazonenkönigin Hippo als Hippe identifiziert wurde. 267 ἀκλαυτὶ περὶ βωμὸν ἀπείπατο   Homer verwendet ἄκλαυτον prädikativ in aktiver Bedeutung (δ 494). Zum Formans -τί vgl. V. 25: ἀμογητί und V. 65: ἀφρικτί. Nach Schneider 1873 II 251–254 und neulich Stephens 2015a, 156 nimmt Kallimachos auch auf das schwankende Auftreten der Suffixe -τί/-τεί bei solchen Adverbien Bezug (Schwyzer 1939 I 623). Vgl. auch Kallimachos Hec. fr. 15 (ἐγκυτί) und 115. 2 (ἀκλαυτί) Hollis sowie Pfeiffer 1949 I 274 ad fr. 298. Zu ἀπείπατο in Tmesis mit nominalem Objekt vgl. V. 174. 268 (a) χαῖρε   Zu χαῖρε (vgl. V. 225 und 259) als Abschiedsgruß des (Hymnen)dichters an die Gottheit vgl. Hom. h. 1. 20, h. Ap. 545, h. Merc. 579 usw.; Hes. theog. 104 (mit der ἀοιδή am Versende verkoppelt; vgl. ad V. 137); Theokr. 15. 149 (Adonis), 22. 214 f. (Dioskuren); Arat. 15–18 (Zeus und Musen); Kall. h. 1. 91, 94 (dieselbe abgebrochene, dann wieder aufgenommene Abschiedsformel mit zweifachem χαῖρε-Gruß), 2. 113, 4. 325 f. (Delos), 5. 140 (Athene), 6. 134 (Demeter); ep. 27. 3. f. (Aratos’ Dichtung); Ait. fr. 23. 19 (Herakles am Episodenschluss), 66. 8 f. (argivische Quellnymphen), 110. 94a (e coniectura: Arsinoe II. oder Berenike II.), 112. 8 (Zeus am Schluss der Aitien). Vgl. Keyssner 1932, 131 f., Bundy 1972, 49–52, Race 1982, 8–10 und Furley 1995, 32. Bundy 1972, 44 f. erblickt im Schlussvers ein formales Erfordernis rhapsodischer Hymnen mit langen Hypomnesen und kurzen Bitten, durch das der Ton der Invokation heraufbeschworen und der Bezug des Autors zu seinem Thema wiederhergestellt wird. Vgl. bereits Meyer 1933, 5 f. Zur positiven Einstellung der Gottheit gegenüber dem sie angemessen besingenden Dichter vgl. Kallimachos h. 2. 28 f. und 4. 9 f. mit Bundy 1972, 85 (Eifer des Dichters, dem Gott zu gefallen) und Race 1982, 11 (Bitte um den Erfolg des Hymnos). 268 (b) μέγα κρείουσα   Der interne Akkusativ μέγα kann ἀπὸ κοινοῦ sowohl auf χαῖρε (vgl. h. 1. 91: χαῖρε μέγα im Abschiedsgruß an Zeus, 6. 2, 119: μέγα χαῖρε an Demeter adressiert, Ait. fr. 112. 8: χαῖρε, Ζεῦ, μέγα am Ende des Epilogs der Aitien; vgl. auch Hom. ω 402 und h. Ap. 466 [οὖλέ



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τε καὶ μέγα χαῖρε] mit Pfeiffer 1949 I 125 ad Ait. fr. 112. 8 und Rengakos 1993, 151) als auch auf κρείουσα (räumliche Ausdehnung der Wirkungsmacht der Göttin) bezogen werden (h. 6. 138: μέγα κρείοισα ϑεάων). Vgl. Bing/Uhrmeister 1994, 34 Anm. 41 pace Kuiper 1896 I 110, Bornmann 1968, 131 ad loc. und Gigante 1971, 381 Anm. 1 (χαῖρε μέγα). Daher tut man Recht daran, wenn man es bei einer Schreibweise belässt (ohne Kommata), bei der die Beziehung von μέγα in der Schwebe bleibt (so Griffiths 1970a, 215). Das Partizip κρείουσα ist bei Homer eine vox unica (Χ 48: Λαοϑόη ... κρείουσα γυναικῶν, hier allerdings nicht absolut, sondern neben einem genitivus partitivus). Vgl. auch Hes. fr. 26. 7 M–W. Bei Kallimachos begegnet es mit genitivus objectivus (κρείουσα ... Οὐλύμποιο) sonst noch h. 4. 219 (Hera). Apollonios Rhodios (4. 574: κρείουσα Καλυψώ) und Theokrit (17. 132: κρείουσα ῾Ρέα; hier an derselben sedes wie an unserer Stelle) verwenden das Wort absolut. [Ps.-]Moschos (4 [Megara] 31) könnte durch Kallimachos zu μέγα κρείουσα (Artemis) angeregt worden sein. 268 (c) καὶ εὐάντησον ἀοιδῇ   Durch das Endwort ἀοιδῇ wird der weitgespannte Bogen um das Gedicht herum geschlossen, der mit der Preisbereitschaft des Dichters begonnen hat (V. 1 f.: ἀειδόντεσσι), mit einer Binneninvokation um göttliche Gunst (V. 137: ἀοιδή) fortgeführt wurde, und nun wohlverrichteter Dinge mit der Bitte um die wohlwollende Aufnahme des fertigen Gedichts durch die Göttin endet (ἀοιδῇ). Während der Dichter nicht vergessen hat, Artemis zu besingen, haben die als Kontrastfolie zur auktorialen Bitte erwähnten Frevler sich des Vergessens schuldig gemacht. Vgl. Hutchinson 1988, 71 (the difficulty of forgetting so memorable, and the danger of forgetting so formidable, a divinity) unter Hinweis auf die ironisch-spielerische Brechung dieses grellen Kontrastes (ähnlich auch Plantinga 2004, 266 und 274 mit Hinweis auf die Ringstruktur des Hymnos). Weitere Elemente dieses Ringes sind nach Plantinga 2004, 272: V. 3: χορὸς ἀμφιλαφής ~ V. 242: χορὸν εὐρύν; V. 11: φαεσφορίην ~ V. 204: φαεσφόρε; V. 11: χιτῶνα ~ V. 225: Χιτώνη; V. 39: λιμένεσσιν ἐπίσκοπος ~ V. 225: λιμενοσκόπε; V. 54: δοῦπον ἄκουσαν (Kyklopen-Episode) ~ V. 245: ἔδραμε δ᾽ ἠχώ. Das Verb εὐαντέω (‚freundlich begegnen‘) ist außer an dieser Stelle unbelegt. Die verwandte Form εὐάντητος kommt auf Inschriften neben Götternamen (LSJ s. v.) und mehrmals in den orphischen Hymnen (z.B. 36. 7 und 14 [Artemis]) vor. Apollonios Rhodios gebraucht εὐάντης in einem ähnlichen Kontext (4. 148: Anrufung der Hekate). Aus dem Adjektiv εὐάντης ist die denominale Verbform als εὐαντέω zu rekonstruieren. Bredau 1892, 14 geht aus ἀντάω aus (daher εὐαντάω), was weniger einleuchtet. Eine unmittelbare Beeinflussung des Rhodiers durch Kallimachos ist – pace Bredau 1892, 14

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III. Kommentar

– nicht auszumachen, eher ein gemeinsames Zurückgreifen auf ein Versatzstück hymnischen Formguts. Auch Vollgraff 1925, 108–110 und Keyss­ ner 1932, 91 sehen in εὐάντητος ein hymnisches Zubehör, das in älterer hellenistischer Zeit größere Popularität erlangte und hier durch Kallimachos um der Variation willen zum Verb transponiert wurde.

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206 207 210 195, 207 202 198 286 328 206

var. 8. 5: var. 12. 22: var. 13. 1:

315 253 307 f., 310

Ailianos Aristeides or. 43. 23:

60 Anm. 16

Aischines Ctesiph. 111:

232

Aischylos Ag. 82: 341 Ag. 188: 319 Ag. 220: 220 Ag. 598: 209 Ag. 760: 318 Ag. 824: 196 Ag. 1040: 303 Ag. 1261: 350 Ag. 1485–5487: 60 Anm. 16 Choeph. 368: 127 Choeph. 504: 311 Choeph. 530: 196 Choeph. 863: 222 Choeph. 933 f.: 303

Eum. 7: 189 Eum. 188: 252 Eum. 387: 292 Eum. 610: 294 Eum. 726: 252 Eum. 938–948: 42 Anm. 30 Eum. 976–987: 237 Eum. 1025 f.: 303 Hept. 96–98: 324 Hept. 103: 103 Hept. 582: 196 Hept. 630: 194 Hept. 651 f.: 310 Hept. 739: 194 Hik. 239: 212 Hik. 399: 311 Hik. 707–709: 231 Hik. 784: 183 Pers. 51: 249 Pers. 67: 178 Pers. 140: 194 Pers. 169: 303 f. Pers. 198: 294 Pers. 261: 282 Pers. 530: 304 Pers. 809: 324 Pers. 830: 254 Pers. 855: 248 Pers. 1000: 210 Prom. 135: 219 Prom. 292: 147 Prom. 366: 170 Prom. 582: 196 Prom. 723–725: 323 f. Prom. 743: 180 Prom. 917: 222 Suppl. 584: 60 Anm. 16

* Das Verzeichnis führt Stellen aus dem Artemis-Hymnos (h. 3) des Kallimachos nicht an. Außerdem wurde der apparatus locorum parallelorum der kritischen Textausgabe (S. 95–121) nicht erschlossen, zumal die hier registrierten Stellen auch im Kommentarteil erörtert werden. https://doi.org/10.1515/9783110698480-005

384

Index locorum

fr. 47a 786–788: fr. 47a 802–811: fr. 47a 809: fr. 47a 812–814: fr. 158. 2:

189 172 207 189 335

Scholia ad Eum. 3:

189

Aisopos prov. 9:

340

Alexandros Aitolos fr. 1. 3: fr. 3. 1: fr. 3. 11: fr. 3. 26: fr. 4: fr. 4. 5 f.:

269 315 185 315 54 Anm. 38 345

Alkaios fr. 304. 4–11:

130, 136–138

Alkman fr. 1. 43 f.: fr. 1. 48:

311 201

210 126 39 f., 43, 233

Anecd. Bekker. I 417. 6–10: Cram. anec. Ox I 79. 30 f.: Cram. anec. Par. III 21:

101: 259 253. 2: 146 305. 1: 334 Antimachos

Anecdota 204 148 248

fr. 21. 5: fr. 28. 1: fr. 185:

237 167 201

Antoninus Liberalis

Anthologia Palatina 2. 1. 309: 6. 53. 3: 6. 96. 1 f.: 6. 105. 1 f.:

227 126 162 278 195 311 220 208 337 288 134 173 190 208 173 299 299 191 174 339 257 212 216 200 162, 346 190 225 162

Anthologia Planudea

Anakreon fr. 63. 2: fr. 348. 1: fr. 348. 4–8:

6. 157. 1 f.: 6. 188. 1: 6. 199. 1: 6. 203. 1: 6. 221. 3: 6. 240. 1: 6. 252. 6: 7. 9. 1: 7. 27. 3: 7. 170: 7. 170. 5 f.: 7. 214. 7: 7. 241. 5: 7. 246. 1: 7. 255. 4: 7. 448. 4: 7. 654. 4: 7. 666. 5: 7. 748. 1: 9. 58. 7 f.: 9. 373. 7: 9. 656. 8: 9. 790. 5: 9. 823: 10. 25. 1: 11. 326. 1: 12. 52. 3 f.: 13. 10:

141 150 318 163

40. 1–4:

290

Apollodoros 1. 2. 1–2:

168, 171

1. 4. 1: 1. 23: 1. 27: 1. 66–73: 1. 70: 1. 71: 2. 24–28: 2. 81: 2. 132: 2. 153: 2. 155: 3. 10. 7: 3. 100. 4: 3. 105: 3. 106: fr. 353:

Index locorum 5 Anm. 20, 150 216 350 348 308 309 320 213, 215 286 259 259 320 303 308 310 248

Apollonios Rhodios 1. 1 f.: 1. 9: 1. 22: 1. 24: 1. 26: 1. 28: 1. 95: 1. 126–129: 1. 167 f.: 1. 170: 1. 177: 1. 195: 1. 214: 1. 219 f.: 1. 260: 1. 307–309: 1. 312: 1. 344: 1. 383: 1. 459: 1. 474: 1. 504: 1. 508 f.: 1. 516: 1. 536 f.: 1. 536–539: 1. 557 f.:

133 209 285 83 257 310 316 253 200 207 291 135 316 202 247 272 44 Anm. 35 155 85 Anm. 40 128 154 142 134, 296 226 272 333 188

1. 570: 1. 577: 1. 595: 1. 632–637: 1. 688 f.: 1. 697: 1. 726–768: 1. 730–732: 1. 730–741: 1. 733 f.: 1. 743: 1. 743–746: 1. 759–762: 1. 760: 1. 769–773: 1. 908: 1. 953–960: 1. 959: 1. 997: 1. 1117–1120: 1. 1123 f.: 1. 1128–1130: 1. 1134–1136: 1. 1138 f.: 1. 1146–1148: 1. 1173 f.: 1. 1177 f.: 1. 1182–1184: 1. 1203: 1. 1211–1220: 1. 1214–1216: 1. 1219: 1. 1225: 1. 1281: 1. 1309: 1. 1354: 2. 1 f.: 2. 43 f.: 2. 121: 2. 236: 2. 268: 2. 279: 2. 290: 2. 498: 2. 498–527: 2. 500:

385 163 198 342 83 195, 235 283 168 170 f. 28 Anm. 44 179, 222 304 306 216 61 Anm. 19 308, 312 205 48 Anm. 16 315 214 325 326 291, 299, 329 326, 329, 333 326, 329 252, 312 198, 247 261 266 220 259, 261 259, 264 256 242 174 295 191 198, 291 134 208 195 208 255 195 265 48 Anm. 16 84

386 2. 500–505: 2. 501: 2. 525: 2. 531: 2. 557 f.: 2. 634: 2. 655–657: 2. 681 f.: 2. 707–709: 2. 717: 2. 811: 2. 841–850: 2. 850: 2. 851–853: 2. 864: 2. 905: 2. 913: 2. 936: 2. 938: 2. 940: 2. 985–1000: 2. 991: 2. 1042: 2. 1043 f.: 2. 1145: 2. 1145a: 2. 1239: 3. 1: 3. 66 f.: 3. 74: 3. 114: 3. 114–130: 3. 118: 3. 140: 3. 146–148: 3. 152: 3. 158: 3. 186: 3. 203: 3. 215: 3. 224: 3. 265: 3. 329: 3. 411 f.: 3. 500 f.: 3. 531:

Index locorum 300 283 265 338 158 211 158 181 134 191 128 338 191 218 188 257 169 141 167 252 323 324 318 169, 258 191 292 142 194 209 252 267 128 128 211 135 321 267 318 191 247 312 255 205 277 169 222

3. 536 f.: 3. 654 f.: 3. 666: 3. 707: 3. 775: 3. 805: 3. 818: 3. 875: 3. 876 f.: 3. 876–884: 3. 879: 3. 881: 3. 949–951: 3. 1002: 3. 1021: 3. 1041: 3. 1054: 3. 1198: 3. 1240–1244: 3. 1254: 3. 1333: 3. 1340–1344: 3. 1341: 3. 1343 f.: 3. 1376: 4. 13: 4. 62: 4. 136–138: 4. 148: 4. 345: 4. 433: 4. 448: 4. 500: 4. 520: 4. 534: 4. 552–556: 4. 554: 4. 574: 4. 639: 4. 646: 4. 715: 4. 740: 4. 758: 4. 774: 4. 794 f.: 4. 820:

272 225 135 134 320 252 214 140, 332 272 146 218 167 280 284 303 211 280 208 272 178 280 277 278 277 220 327 302 175, 232 353 169 291 241 237 222 191 218 310 353 220 214 233 226 194 214 169 220

4. 833: 4. 910: 4. 918 f.: 4. 961: 4. 983–985: 4. 990: 4. 1057: 4. 1073: 4. 1095: 4. 1153: 4. 1160: 4. 1170: 4. 1300: 4. 1300–1302: 4. 1337: 4. 1381 f.: 4. 1397: 4. 1448 f.: 4. 1491: 4. 1549: 4. 1605: 4. 1607: 4. 1620: 4. 1763 f.: fr. 7:

Index locorum 193 62 Anm. 21 61 f. Anm. 21 282 127, 169, 257 284 228 343 207 191 247 303 312 344 178 285 191 258 291 319 190 218 310 248 318

318 150, 314 304 298 214 f. 312 255 318

Apollonios Sophistes 20. 1 f.: 31. 16–18: 33. 19 f.: 80. 26: 88. 28: 97. 33: 110. 6 f.: 163. 15–17:

252

Apuleius met. 11. 5:

295

Aratos Phainomena 14–18: 242, 352 32: 135 105–115: 234 120–128: 234 269: 185 636–644: 350 969: 155 1035: 176 1070: 179 1124: 195 1126: 230 fr. 115:

199

Archilochos fr. 190:

292

Aristophanes

Scholia ad 1. 187b: ad 1. 288: ad 1. 743: ad 1. 972a: ad 1. 996 f.: ad 1. 1141–1148c: ad 2. 279a: ad 2. 866a:

168. 9:

387

248 324 324 128 269 218 210 230

Ach. 582: 187 Eccl. 94: 306 Lys. 443: 140 Lys. 738: 140 Lys. 1306: 127 Nub. 271: 267 Nub. 595–600: 328, 339 Nub. 598–600: 351 Plut. 1153: 247 Ran. 289: 187 Ran. 366: 331 Ran. 659: 272 Ran. 822: 190 Ran. 874: 331 Ran. 1359: 295 Thesm. 18: 334 Thesm. 98: 84 Thesm. 246: 186 Thesm. 320 f.: 137

388 Vesp. 154: Vesp. 368:

Index locorum 195 288, 295

Scholia ad Nub. 260e: ad Pax 923 b: ad Ran. 1359:

292 247 290

Aristophon fr. 5. 6:

250

Aristoteles hist. an. 1. 1: hist. an. 3. 21: hist. an. 4. 1–2: hist. an. 6. 21: hist. an. 9. 1: hist. an. 9. 45:

195 278 202 279 200 202

fr. 42. 11: fr. 534. 1: fr. 565. 32:

260 328 315

Arrianos kyn. 32:

200

Athenaios 4. 66: 4. 80: 6. 59: 7. 48: 10. 1: 14. 10:

162 334 303 269 258 298

328

5. 37–40: 5. 97–135: 5. 160 f.: 11. 14: 11. 37–39:

3. 5: 304 6. 1: 149 34: 143 34. 8: 153 34. 17–24: 39 Anm. 21 34. 21 f.: 138 61. 88–90: 339 63. 92 f.: 241 64. 16–18: 306 64. 28–30: 142 64. 78–80: 312 64. 399–404: 237 66. 5 f.: 69 Anm. 45 66. 26: 60 Anm. 14 66. 51–57: 71 Anm. 52 66. 94: 351 Chrysippos

339 348 348 246 40 Anm. 24, 323

60 Anm. 16

Cicero Verr. 2. 1. 54:

Bakchylides

320 321 323 237 320 322 322 321 322 321 322 40 Anm. 24 246 311 269

Catullus

SVT II 1062:

Autokrates fr. 1:

11. 37–63: 11. 40–42: 11. 56: 11. 67: 11. 82–112: 11. 84: 11. 96: 11. 96–105: 11. 107–112: 11. 110–112: 11. 112: 11. 115–117: 13. 115: 13. 202 f.: 17. 71:

286

Claudianus de cons. Stil. 3. 243 f.: de cons. Stil. 3. 251–254:

306 290

Clemens Alexandrinus paed. III 4. 29. 2: protr. 3. 46:

337 286

990 f.: 339 1003: 342 Dionysios von Halikarnassos ant. 1. 23. 3:

Colluthos 34:

195

232

Diphilos fr. 123:

Cornutus theol. 16. 3:

248

162

Empedokles fr. 22. 3:

Cypria fr. 9. 2 f.:

320

230

Ephoros fr. 31. 6 f.:

Demosthenes 47. 60:

184

Diodoros 2. 45. 3: 3. 17. 4: 3. 61. 6 4. 34. 4: 4. 68. 4: 5. 7. 3–4: 5. 73. 4–6: 5. 73. 8: 5. 76. 3:

389

Index locorum

306 171 60 Anm. 16 307 320 177 150 334 76 Anm. 69, 290, 299

Diogenes Laertios 2. 44:

5 Anm. 20

Dion von Prusa or. 1. 84:

255

Dionysios Periegetes 116: 173 239: 302 256–258: 339 296: 192 669: 220 827–829: 324, 326 f. 847: 342

216

Eratosthenes catast. fr. 25: fr. 3: fr. 22:

320 248 330

Erinna fr. 401. 22: fr. 401. 25–27:

181 187

Etymologicum Gudianum 100: Etymologicum

192 magnum

49. 49–51: 61. 37–39: 74. 51–55: 80. 21–23: 120. 57–121. 5: 150. 19 f.: 167. 32–34: 284. 9: 318. 43: 331. 54–56: 389. 1–6: 458. 25–29: 477. 10–13: 547. 1–5:

250 342 192 180 341 61 Anm. 20 137 207 158 291 286 269 83 Anm. 30 248

390

Index locorum

631. 4 f.: 678. 29 f.: 689. 24–26: 812. 46:

233 307 255 252

Eucherius instr. 2. 159. 20 f.:

281

Euphorion fr. 34. 2: fr. 51. 8–15: fr. 101: fr. 103: fr. 105: fr. 132. 1: fr. 415 II 16:

257 170, 176, 184 350 298, 350 216 308 190

Euripides Alc. 5: 171 Alc. 107: 294 Alc. 428: 217 Andr. 406: 304 Andr. 1020: 217 Bacch.: 2 Anm. 4 Bacch. 183: 160 Bacch. 300: 244 Bacch. 425: 282 Bacch. 556–559: 272 Bacch. 1086 f.: 182 Bacch. 1166 f.: 301 Bacch. 1330–1339: 340 Bacch. 1335: 342 Cycl. 21: 174 Cycl. 116: 173 Cycl. 268: 195 Cycl. 633: 173 Cycl. 648: 174 El. 321: 301 El. 566–572: 349 El. 1289: 316 Hec. 635–637: 339 Hel. 1543: 320 Herc. 22: 257 Herc. 375–380: 213 Herc. 379: 215

Herc. 390: 209 Herc. 934: 190 Herc. 1192: 257 Hipp. 1 f.: 243 Hipp. 110: 266 Hipp. 145: 295 Hipp. 166: 150 Hipp. 443: 244 Hipp. 748–751: 266 Hipp. 1130: 295 Ion 155: 206 Ion 1127: 189 Iph. A. 88: 319 Iph. A. 585 f.: 291 Iph. A. 631–685: 137 Iph. A. 1211–1252: 137 Iph. A. 1220–1230: 153 Iph. A. 1570 f.: 140 Iph. A. 1587: 253 Iph. T. 15: 319 Iph. T. 21: 140 Iph. T. 36 f.: 274 Iph. T. 126 f.: 295 Iph. T. 362 f.: 153 Iph. T. 380–391: 274 Iph. T. 816: 282 Iph. T. 1097: 150 Iph. T. 1238 f.: 308, 349 Iph. T. 1249–1258: 131, 134 Iph. T. 1259–1283: 151 Iph. T. 1270 f.: 153 Iph. T. 1270–1283: 131, 134 Iph. T. 1274 f.: 156, 339 Iph. T. 1449–1463: 273 Iph. T. 1464–1467: 314 Iph. T. 1477–1481: 324 Med. 7: 302 Med. 551: 302 Med. 664: 160 Or. 268: 279 Or. 532: 341 Or. 1001 f.: 219, 282 Phoen. 24: 267 Phoen. 172: 219 Phoen. 631: 162 Phoen. 1108 f.: 308



Index locorum

Phoen. 1161 f.: Phoen. 1193: Suppl. 658: Suppl. 676 f.: Suppl. 993: Tro. 557–559: Tro. 812: Tro. 1112:

312 245 316 150 267 187 349 272

fr. 481. 21: fr. 517:

351 f. 307

Scholia ad Hipp. 146: ad Hipp. 1130: ad Or. 658:

290, 299 76 Anm. 69, 290 349

Eusebios praep. ev. 5. 33. 12:

337

Eustathios Commentarius ad Iliadem IV 1118. 8–10:

137

Commentarius ad Odysseam II 186: II 198:

277 145

Commentarius ad Dion. Periegetam 809:

260

Galenos 3. 179. 3 f.: 12. 382. 3–5: 19. 431. 8 f.:

233 192 192

Gregor von Nyssa contr. Eunom. I 17:

337

Harpokration 105. 13–15:

184

391

Heliodoros 6. 4. 1:

155

Hellanikos fr. 107: fr. 125:

306 315

Heraklit fr. 77: fr. 118:

262 262

Herodianos π. Ἰλ. προσ. II 65. 336: π. Ἰλ. προσ. II 84. 34–36: π. Ἰλ. προσ. II 97. 33: π. καϑ. προσ. I 65. 3: π. καϑ. προσ. I 356 f. 20 f.: π. καϑ. προσ. I 471. 13: π. καϑ. προσ. II 190. 22: π. κλίσ. ὀνομ. II 700. 25: π. κλίσ. ὀνομ. II 717. 27: π. ὀρϑ. II 450. 24–26: π. παϑ. II 179. 2–5: π. παϑ. II 252. 16–21: π. παρων. II 884. 21:

269 206 220 328 206 132 132 311 238 315 254 132 299

Herodotos 1. 6. 15: 1. 36: 1. 55: 1. 87: 1. 165: 2. 41: 3. 12: 3. 48: 3. 59. 3: 3. 157: 4. 8. 12: 4. 103: 4. 181: 4. 192: 5. 75: 7. 170: 8. 31:

340 208, 256 209 231 178 343 334 317 295 165 220 274 179 207 237 178 237

392

Index locorum

8. 44: 8. 77: 8. 117: 9. 27: 9. 34: 9. 97:

316 346 350 324 320 315

Herondas 7. 71 f.:

192

Hesiodos Erga 2: 60 Anm. 16 27: 318 63: 84 68: 185 91: 213 109–120: 159 112 f.: 181, 213 117–119: 158 149: 189 170: 181 225: 227 f. 225–247: 28 Anm. 44 228: 231 229 f.: 227, 230 232: 235 235–237: 135, 231, 235 f. 238 f.: 227, 234 241: 228 243 f.: 230, 231, 236 246: 344 261: 344 265: 183 270–272: 241 273: 311 301: 207 307: 207 318: 237 325: 236 330 f.: 135, 228 334: 229 347: 302 377 f.: 236 381: 211

405: 277 436 f.: 188, 279 436–440: 279 438: 276, 279 443: 280 447: 291 453–455: 277 475: 311 478: 233 499: 193 506 f.: 220 519: 237 536 f.: 220 576: 275 580 f.: 277 621: 319 627: 318 645: 319 651: 291 675: 319 715: 161 734: 306 739: 84 747: 237 752: 83 770 f.: 5 Anm. 20 Theogonia 1: 242 8: 307 22: 291 26: 265 27 f.: 63 Anm. 23 31: 63 Anm. 25, 246 34: 63 Anm. 25, 242 61: 181 76: 83 80–84: 63, 152 96 f.: 152 104: 352 108: 274 139–146: 168 140 f.: 171, 182, 189 152: 189 159: 196 200: 184



Index locorum

202: 151 f. 217–220: 151 299: 196 347: 142 351: 327 362–364: 166 364: 142 389: 142 409: 291 418–452: 223 434–438: 223 469 f.: 184 487: 318 494: 214 501–505: 168, 171, 196 507: 142 526–532: 213 530: 213 585: 84 655 f.: 184 673: 189 689–699: 222 695 f.: 179, 222 700–707: 182 741: 250 773: 250 785: 137 847: 179 862: 222 890: 318 899: 318 904–906: 151 911: 174 947: 302 950–955: 251 956: 142 Scutum 5: 349 32: 220 76: 189 79 f.: 343 90: 318 278–281: 332, 334 f. 286: 277 309: 178

393

345: 278 437–440: 173 438: 294 477: 209 Fragmente fr. 1. 8: fr. 23a 8: fr. 25. 9 f.: fr. 25. 25–33: fr. 26. 7: fr. 26. 31: fr. 30. 25: fr. 43a 5: fr. 66. 4: fr. 73–76: fr. 73. 2: fr. 76. 5: fr. 76. 20: fr. 129. 17–22: fr. 131–133: fr. 150. 15: fr. 150. 26: fr. 150. 28: fr. 151: fr. 151. 1: fr. 204. 129 f.: fr. 215. 1 f.: fr. 240. 8: fr. 248: fr. 249: fr. 252. 4: fr. 266a 10: fr. 276. 2: fr. 343. 7:

238 304 181 251 353 302 304 186 185 307 307 307 307 308 320 341 271 271 341 342 190 84, 300 326 257 257 304 318 83 318

Scholia ad theog. 614:

248

Hesychios 133: 268 267: 298 293: 346 306: 341 363: 334 454: 184

394

Index locorum

490: 184 493: 141 585: 307 641: 158 699: 169 855: 305 988: 238 1008: 208 1025: 202 1063: 189 1175: 76 Anm. 69, 299 1204: 233 1328: 340, 345 1363: 139 1613: 195 2150–2151: 200 2193: 218 2234: 248 2355: 279 2634: 321 2986: 262 4016: 279 7316: 298 Hippokrates acut. 2. 260. 8: aff. 6. 246: art. 4. 230. 2: art. 4. 232. 16: Coac. 5. 672. 8: epid. III 3. 72: morb. II 7. 16. 5: morb. IV 7. 590. 23: nat. puer. 7. 490. 12:

232 192 278 278 232 193 232 220 281

Hipponax fr. 32. 4:

149

Homeros Α 8: Α 14: Α 37 f.: Α 44–52: Α 45: Α 50–52:

218 84 Anm. 32 223, 272 41, 223 139 224, 231

A 56: Α 61: Α 85: Α 110: Α 127: Α 189: Α 198: Α 240: Α 263: Α 278 f.: Α 293: Α 361: Α 455: Α 495–530: Α 500–503: Α 501: Α 510: Α 514: Α 518: Α 518–521: Α 524: Α 527: Α 528–530: Α 531–535: Α 532: Α 536–543: Α 559: Α 595 f.: Α 599 f.: Α 601 f.: Α 611: Β 4: Β 70: Β 84: Β 86: Β 209: Β 235: Β 241: Β 276: Β 331: Β 403: Β 426: Β 437: Β 451 f.: Β 461–467: Β 470:

281 230 193 183 225 190 281 149 40 Anm. 24 302 278 156 163 129 153 136 145 155 153 157 155, 163 155 153, 155 247, 270 294 157 165 251 92, 251 55 Anm. 40 318 165 153, 163 218 207 133 266 183 198 194 188 170 194 251 344 341

Β 484–493: Β 488–490: Β 492: Β 555: Β 604: Β 608: Β 748: Β 775–777: Β 783: Β 800: Β 808: Γ 15: Γ 17: Γ 26: Γ 28: Γ 70=91: Γ 156 f.: Γ 162: Γ 183: Γ 189: Γ 195 f.: Γ 293: Γ 299: Γ 322: Γ 326: Γ 363: Γ 409: Γ 412: Δ 58: Δ 112: Δ 124: Δ 130: Δ 139: Δ 155: Δ 229: Δ 263 f.: Δ 390: Δ 399: Δ 474: Δ 483: Ε 14: Ε 51 f.: Ε 61: Ε 97: Ε 101: Ε 118:

Index locorum 63 Anm. 24, 239 124 83 138 302 208 145 267 303 342 92 293 139 200 193 320 182 158 283 324 176 253 85 84 165 225 252 311 195 155 139 133 192 199 193 158, 252 250 250 291 292 293 308 284 139 178 135

Ε 162: Ε 195 f.: Ε 214: Ε 296: Ε 333: Ε 347: Ε 369: Ε 370–430: Ε 372: E 404: E 407 f.: E 422: E 424: E 433: E 438: E 463: E 467: E 539: E 579: E 584: E 616: E 622: E 703–705: E 709: E 740 f.: E 744: E 758: E 775–777: E 777: E 783: E 808: E 865: E 894: E 897: Ζ 58 f.: Ζ 186: Ζ 192: Ζ 205: Ζ 209: Ζ 247: Ζ 265: Ζ 281: Ζ 295 f.: Ζ 319: Ζ 345: Ζ 376:

395 229 267 86 168 80 Anm. 15 178 200, 267 134 156 320 134, 137, 183 266 156 198 225 231 85 265 195 192 265 170 219, 283 342 244 328 192 267 266 252 250 220 214 158 134 324 83 217, 347 280 183 278 168 207, 210 210 151 f. 194

396 Ζ 378: Ζ 383: Ζ 428: Ζ 466–468: Ζ 471: Ζ 481: Ζ 485: Ζ 522: Η 29: Η 56: Η 104: Η 133: Η 161: Η 176: Η 203: Η 220: H 222: Η 231: Η 238: Η 315: Θ 5: Θ 20: Θ 42–44: Θ 163: Θ 189: Θ 271 f.: Θ 273: Θ 338–340: Θ 402: Θ 412: Θ 433–435: Θ 454: Θ 477: Θ 508: Ι 5 f.: Ι 62: Ι 80: Ι 106: Ι 124: Ι 147=289: Ι 149–156: Ι 165: Ι 193: Ι 209: Ι 232 f.: Ι 266:

Index locorum 238 238 347 154, 172, 187 154 166 154, 156 348 293 193 343 213 292 217 135 173 f. 173 250 160 188 157 157 217 348 268 f. 172, 187 219 203 278 257 267 196 157 293 219 f. 348 92, 208 190 201 319 159 309 210 199 198, 309 201

Ι 291–298: Ι 303: Ι 336: Ι 348: Ι 375: Ι 385: Ι 389: Ι 390: Ι 404 f.: Ι 455: Ι 468: Ι 488: Ι 529–599: Ι 533: Ι 539: Ι 539–542: Ι 543: Ι 600: Ι 607: Κ 38: Κ 75: Κ 89: Κ 183: Κ 228–231: Κ 231: Κ 260: Κ 281: Κ 285: Κ 298: Κ 304: Κ 342: Κ 354: Κ 361: Κ 364: Κ 454 f.: Κ 490: Κ 535 f.: Κ 567–569: Λ 49: Λ 64 f.: Λ 118: Λ 160: Λ 167: Λ 269 f.: Λ 271: Λ 299 f.:

159 278 269 212 343 342 349 335 339 134 170 134 307, 348 217, 318 252, 310 256 308 348 137 163 217 222 200 175 231 139 135 133 312 350 163 175 218 231 154 253 182, 231 171, 267 328 291 292 336 92, 208 149 83 219

Λ 325: Λ 385: Λ 403: Λ 407: Λ 419: Λ 441: Λ 452: Λ 459: Λ 462: Λ 480: Λ 545: Λ 548 f.: Λ 617: Λ 637: Λ 648: Λ 681: Λ 758: Λ 777: Λ 816–818: Μ 28: Μ 41: Μ 77: Μ 125: Μ 155: Μ 160: Μ 202 f.: Μ 208: Μ 220: Μ 269 f.: Μ 438: N 5 f.: N 8: N 20: N 21–27: N 34–36: Ν 85: Ν 104: Ν 209: Ν 260: Ν 366: Ν 393: Ν 409: Ν 441: Ν 456: Ν 477: Ν 511:

Index locorum 300 311 211 193 92 343 343 171 192 342 210 208 192 153 153 143 342 210 147, 343 338 300 328 180 254 176 196, 253 171 196 228 294 341 259 225 217 200 153 341 183 145 170 190 176 176 300 149, 176 170

Ν 514: Ν 576: Ν 677: Ν 793: Ν 802: Ν 819: Ξ 80: Ξ 183: Ξ 198: Ξ 216: Ξ 219: Ξ 223: Ξ 235: Ξ 249: Ξ 254: Ξ 264–268: Ξ 307: Ξ 315–328: Ξ 340: Ξ 346–351: Ξ 347: Ξ 372: Ξ 412: Ξ 445: Ξ 493: Ξ 509: Ο 10: Ο 75: Ο 84–86: Ο 85–88: Ο 134: Ο 137: Ο 189: Ο 194: Ο 197: Ο 227: Ο 271 f.: Ο 443 f.: Ο 479: Ο 484: Ο 489: Ο 517: Ο 556: Ο 607 f.: Ο 626: Ο 631:

397 341 192 250 167 85 205 182 174, 210 135 244 318 318 158 254 319 196 312 157 283 266 268 186 85, 271 208 f. 338 219 254 155 247 270 257 228 302 341 231 248 208 139, 304 174 195 195 328 158 170 319 292

398 Ο 709: Ο 740: Π 7–11: Π 20: Π 123: Π 149: Π 181–183: Π 185: Π 224: Π 271: Π 395: Π 406: Π 419: Π 465: Π 486: Π 558: Π 692 f.: Π 705: Π 728: Π 785 f.: Π 806: Ρ 47: Ρ 88 f.: Ρ 164: Ρ 166 f.: Ρ 170: Ρ 200: Ρ 386 f.: Ρ 398 f.: Ρ 458: Ρ 481: Ρ 519: Ρ 549 f.: Ρ 647: Ρ 737: Ρ 747: Ρ 756–759: Σ 142–144: Σ 155: Σ 228: Σ 239 f.: Σ 241 f.: Σ 319: Σ 349: Σ 369: Σ 372–374:

Index locorum 219 342 137, 172 343 222 205 217, 280 248 224 280 344 192 142 265 190 294 219, 286 225 247 225, 292 210 338 170, 222 280 181 250 211 167 311 213 149 265 293 283 149 173 337 169 225 225 282 277 147 179 188 168

Σ 373–379: Σ 410: Σ 413: Σ 434: Σ 468–470: Σ 468–618: Σ 473: Σ 477: Σ 483: Σ 495: Σ 525: Σ 542 f.: Σ 555: Σ 559: Σ 569–572: Σ 571 f.: Σ 575 f.: Σ 584: Σ 590: Τ 14–17: Τ 59 f.: Τ 63: Τ 90: Τ 96: Τ 101: Τ 174: Τ 265: Τ 393 f.: Τ 415: Υ 48–51: Υ 49 f.: Υ 105 f.: Υ 127 f.: Υ 218: Υ 221: Υ 270–272: Υ 336: Υ 447: Φ 18: Φ 26 f.: Φ 34: Φ 90: Φ 123: Φ 177: Φ 197: Φ 260:

170 171 322 183 176 197 179 178 244 231 278 184, 277 188 231 331 f. 208, 333 208, 213, 278 147 281 172, 174, 181 347 247 255 257 157 211 194 217 205 175 f. 291 299 152 312 208 213 336 225 342 165, 292 264 328 181 225 312 209

Φ 312: Φ 361: Φ 362–365: Φ 366: Φ 369: Φ 389: Φ 468–512: Φ 481–488: Φ 483: Φ 485: Φ 505–513: Φ 506: Φ 508 f.: Φ 538: Φ 609 f.: Χ 42: Χ 48: Χ 101: Χ 134: Χ 146: Χ 163: Χ 206: Χ 208: Χ 255: Χ 348: Χ 473: Χ 476: Χ 480: Χ 500: Χ 503: Ψ 46: Ψ 101: Ψ 255: Ψ 265: Ψ 293: Ψ 295: Ψ 307: Ψ 417–425: Ψ 525: Ψ 705: Ψ 762: Ψ 817: Ψ 835: Ψ 840: Ψ 850: Ω 33:

Index locorum 84 156 179 222 320 221 150 157 138, 232 127 129 f., 132 134 156 247 228, 232 200 353 92 210 92 184 195 225 163 147 238 180 183 134 188 231 210 338 224 208 186 308 85 186 174 271 225 277 251 311 229

399

Ω 45: Ω 79: Ω 82: Ω 128: Ω 157: Ω 186: Ω 209 f.: Ω 223: Ω 309 f.: Ω 360: Ω 384: Ω 444: Ω 451: Ω 514: Ω 526: Ω 563: Ω 576: Ω 604: Ω 606 f.: Ω 610: Ω 732: Ω 769: Ω 787:

237 294 220 140 228 228 152 181 135, 206 210 250 257 266 153 181 299 266 83 347 312 162 238 217

α 22: α 39: α 50: α 194: α 233: α 350–352: α 402: α 406 f.: β 63: β 107: β 151: β 358: γ 9: γ 46: γ 60: γ 93–95: γ 373: δ 13: δ 170: δ 171 f.: δ 195: δ 198: δ 208:

168 350 168 315 315 125, 182 211 221 183 225 155 206 178 135 135 181 171 152 244 290 182 231 152

400 δ 311: δ 367: δ 416: δ 494: δ 567: δ 649: δ 651: δ 755: ε 5: ε 27: ε 102 f.: ε 118–124: ε 213: ε 295: ε 306: ε 335: ε 342: ε 358: ε 366: ε 383: ε 388: ε 401: ε 490: ζ 25–40: ζ 56–70: ζ 57 f.: ζ 68: ζ 72 f.: ζ 102 f.: ζ 102–109: ζ 104–106: ζ 109: ζ 122: ζ 127–129: ζ 140: ζ 148: ζ 181–185: ζ 201: ζ 205: ζ 231: ζ 258: ζ 292: ζ 318: ζ 327: η 112 f.: η 138:

Index locorum 270 212, 264 331 352 319 255 159 308 193 344 86 Anm. 41, 183, 296 157, 229 349 220 225 302 254 183 175 319 201 175 176 136 136 137 f. 158 212 272, 286 137, 142, 172, 270 126, 128, 166, 218 136 183 172, 192 172 254 237 262 149 336 254 312 333 135 276 206

η 198: η 272: η 313: ϑ 163: ϑ 203: ϑ 226: ϑ 233: ϑ 245: ϑ 260: ϑ 264: ϑ 283 f.: ϑ 293 f.: ϑ 322 f.: ϑ 341: ϑ 560: ϑ 564: ϑ 574: ι 14: ι 27: ι 43: ι 71: ι 84: ι 108: ι 139: ι 165: ι 186: ι 191 f.: ι 209: ι 222: ι 241: ι 247: ι 257: ι 263: ι 275: ι 355: ι 379: ι 389: ι 423: κ 10: κ 19 f.: κ 31: κ 84–86: κ 103: κ 152: κ 219: κ 250:

152 319 161 163 209 341 153 190 84 Anm. 33, 34, 281, 348 281 169 169 175 157 161 133 161 219 211 262 225 200 255 319 340 292 172 145 312 345 266 176, 196 92 149 135 221 222 257 83 279, 319 278 281 345 186 171 193

κ 299: κ 362: κ 411 f.: κ 431: κ 520: κ 556 f.: λ 14–19: λ 28: λ 75 f.: λ 114: λ 123: λ 142 f.: λ 172 f.: λ 198: λ 206–208: λ 225: λ 245: λ 281: λ 307–320: λ 315: λ 324 f.: λ 338: λ 572: λ 576–581: λ 577: λ 601–603: λ 614: λ 618: μ 21: μ 124: μ 141: μ 202: μ 218: μ 254 f.: μ 265: μ 283: μ 288: μ 318: μ 357: μ 382 f.: ν 28–30: ν 88: ν 99: ν 103=347: ν 111: ν 233 f.:

Index locorum 183 269 208, 278 343 225 175, 210 67 Anm. 37, 340 225 323 251 200 181 347 291 225 231 217 291 350 221 251, 347 302 351 216 292 258, 263 318 343 229 184 251 175 217 253 198 168 220 84 Anm. 33 292 277 282 199 220 271 338 284, 342

ν 282: ν 302: ν 351: ξ 16: ξ 29: ξ 36: ξ 55: ξ 160: ξ 238: ξ 338: ξ 356: ξ 361: ξ 419: ξ 451: ξ 456: ξ 476 f.: ξ 529: ο 82: ο 161: ο 407–411: ο 445: π 10: π 12: π 15: π 28: π 31 f.: π 166: π 176: π 207: π 222 f. π 290: π 324: π 443: π 454: ρ 5 = 263 = 342: ρ 39: ρ 199: ρ 220: ρ 222: ρ 295: ρ 319: ρ 345: ρ 377: ρ 530: σ 227: σ 242:

401 278 299 164 200 210 135 343 321 206 307 188 343 188 212 92 229, 331 221 149 196 183 170 175 210 173 283 137, 181 135 154 335 284 222 140 134, 189 351 135 173 269 256 159 206 f., 255 147 135 256 128 182 153

402 σ 298: σ 340: σ 356–364: σ 366–375: σ 367: σ 371: σ 373 f.: τ 57 f.: τ 91: τ 109–114: τ 152: τ 176: τ 178 f.: τ 188 f. τ 223: τ 228: τ 305: τ 341: τ 355: τ 401: τ 412: τ 417: τ 420: τ 428–466: τ 431: τ 436: τ 473: υ 61–63: υ 72: υ 242: υ 306: υ 330: φ 4: φ 11 f.: φ 31: φ 59 f.: φ 62: φ 74: φ 122: φ 128: φ 146: φ 155: φ 281: φ 288: φ 293 f.: φ 310:

Index locorum 174, 210 291 274 274, 279 282 276, 279 276, 279 175, 217 193 42 f., 233 225 295 144, 291 f. 162 293 291 321 206 152 134 211 173 188 303 164 206 154 347 335 184 278 182 214 304 264 304 214 139 210 225 185 205 194 243 237 349

φ 314: φ 344: φ 349: φ 351: φ 410 f.: φ 417: φ 429: χ 22: χ 29: χ 38: χ 59: χ 122: χ 185: χ 200: χ 227: χ 290: χ 298: χ 301: χ 439 = 453: χ 470: ψ 91: ψ 93: ψ 121: ψ 202 f.: ψ 223: ψ 232: ψ 235: ψ 241–246: ψ 270: ψ 310: ω 10: ω 45: ω 108: ω 142: ω 169: ω 180: ω 307: ω 310: ω 402: ω 466: ω 470 f.: ω 475: ω 506:

139 138 138 343 223, 331 195 128 171 280 350 182 174 135 211 320 291 291 282 84 198 250 210 280 269 318 269 201 282 200 218 248 84 165 225 214 195 178 293 352 92 344 188 160

Hymni h. 1. 2:

303



Index locorum

h. 1. 13–15: 155 h. 1. 17 f.: 123, 132 h. 1. 18 f.: 123 h. 1. 20: 352 h. Cer.: 2 Anm. 4, 242 h. Cer. 1: 132 h. Cer. 18: 137 h. Cer. 30: 214 h. Cer. 32: 137 h. Cer. 145: 156 h. Cer. 167: 268 h. Cer. 169 f.: 155, 268 h. Cer. 176 f.: 140 h. Cer. 179: 217 h. Cer. 183: 217 h. Cer. 263 f.: 134 h. Cer. 279: 217 h. Cer. 286: 318 h. Cer. 308: 155 h. Cer. 466: 155 h. Cer. 495: 242 h. Ap.: 4, 21, 124 h. Ap. 1: 124 h. Ap. 1–13: 28 Anm. 46, 38 Anm. 15, 245, 247 h. Ap. 3 f.: 245, 270 h. Ap. 5–9: 21, 245 h. Ap. 9: 270 h. Ap. 5–13: 38 h. Ap. 12 f.: 166 h. Ap. 14–16: 243 h. Ap. 14–18: 6 Anm. 26, 37 Anm. 12, 38 Anm. 15 h. Ap. 16: 5 Anm. 19 h. Ap. 19 f.: 124 f., 335 h. Ap. 19–29: 283 h. Ap. 21: 161 h. Ap. 21–23: 283 h. Ap. 56: 195 h. Ap. 80: 330 h. Ap. 82: 137 h. Ap. 102–119: 150 h. Ap. 115–126: 5 Anm. 19 h. Ap. 125 f.: 166 h. Ap. 135 f.: 217 h. Ap. 138: 161

403

h. Ap. 140: 223 h. Ap. 141–146: 148, 283 h. Ap. 142 f.: 162 h. Ap. 146: 283 h. Ap. 158 f.: 6 Anm. 26, 37 Anm. 12, 243 h. Ap. 165 f.: 314 h. Ap. 166–178: 239 f. h. Ap. 177 f.: 223, 243 f. h. Ap. 179–181: 272 h. Ap. 182: 246 h. Ap. 186–206: 28 Anm. 46, 245 h. Ap. 188: 240 h. Ap. 189–203: 246 h. Ap. 197–199: 243, 246 h. Ap. 197–203: 38 Anm. 15 h. Ap. 198 f.: 37 Anm. 12, 245 h. Ap. 204–206: 166, 246 h. Ap. 207: 124 f. h. Ap. 207–215: 283 h. Ap. 225: 164 h. Ap. 226–228: 334 h. Ap. 254 f. = 294 f.: 338 h. Ap. 263: 271 h. Ap. 314: 212 h. Ap. 371–374: 246, 281, 295 h. Ap. 373: 137 h. Ap. 385–387: 246 h. Ap. 386: 137 h. Ap. 388–543: 290 h. Ap. 394: 296 h. Ap. 466: 352 f. h. Ap. 489: 217 h. Ap. 493–496: 246, 295 h. Ap. 495: 137 h. Ap. 516: 333 h. Ap. 536 f.: 339 h. Ap. 540–543: 351 h. Ap. 545 f.: 242, 352 h. Merc.: 4 Anm. 14, 17 f., 56 Anm. 3, 129, 131, 185, 249 h. Merc. 15: 185, 247 h. Merc. 17 f.: 197 h. Merc. 20: 153 h. Merc. 27: 255 h. Merc. 31–33: 138

404

Index locorum

h. Merc. 43–46: 177 h. Merc. 51: 155 h. Merc. 71 f.: 198, 255 h. Merc. 81: 297 h. Merc. 103–106: 198, 205 h. Merc. 104: 268 h. Merc. 107: 268 h. Merc. 124–126: 310 h. Merc. 125: 190, 237 h. Merc. 134: 198, 205 h. Merc. 162: 254 h. Merc. 178–181: 339 h. Merc. 185: 247 h. Merc. 192: 143 h. Merc. 198: 266 h. Merc. 212: 156 h. Merc. 225: 196 h. Merc. 228: 164 h. Merc. 237 f.: 185 h. Merc. 260: 254 h. Merc. 280 f.: 19 Anm. 13, 242 h. Merc. 284: 159 h. Merc. 330–332: 251 h. Merc. 340: 266 h. Merc. 342: 196 h. Merc. 358: 185 h. Merc. 389: 19 Anm. 13, 156 h. Merc. 399 f.: 198, 205, 208 h. Merc. 413: 247 h. Merc. 426: 180 h. Merc. 451: 127 h. Merc. 463: 254 h. Merc. 467–477: 19 Anm.13 h. Merc. 468–472: 5 Anm. 22 h. Merc. 508: 190 h. Merc. 523: 247 h. Merc. 530 f.: 163, 268 h. Merc. 572: 185 h. Merc. 579: 352 h. Ven. 7–33: 8 f. h. Ven. 9: 283 h. Ven. 16–20: 127, 142, 223 h. Ven. 18 f.: 125, 127, 283 h. Ven. 20: 8 f., 43, 149, 152, 234 h. Ven. 25–32: 9, 136 h. Ven. 96: 300

h. Ven. 101: 295 h. Ven. 118: 223 h. Ven. 118–120: 270 h. Ven. 126: 161 h. Ven. 152: 223 h. Ven. 164: 217 h. Ven. 261: 271, 281 h. Ven. 285: 164 h. Ven. 293: 132 h. 6. 1 f.: 123 h. 7. 1 f.: 123 h. 7. 7: 278 h. 7. 59: 123 h. 9: 4 Anm. 13 h. 9. 1: 123, 125 h. 9. 4: 217 h. 9. 5 f.: 246, 270 h. 9. 8 f.: 132 h. 10. 1–3: 60 Anm. 17 h. 11: 242 h. 11. 1 f.: 127, 132 h. 13. 1: 132 h. 14. 1 f.: 123 h. 14. 4: 283 h. 16: 242 h. 16. 1: 132 h. 18. 11: 132 h. 19. 2: 337 h. 19. 12: 291 h. 19. 19–26: 270, 335 h. 19. 23 f.: 147, 199 h. 19. 28: 185 h. 19. 35–39: 185, 243 h. 19. 39: 200 h. 19. 40–45: 247 h. 21. 4: 242 h. 22. 1: 132 h. 26. 1: 132 h. 27: 4 Anm. 13, 246 h. 27. 1 f.: 123, 126, 223 h. 27. 2 f.: 37 Anm. 12, 125 f., 291 h. 27. 5: 217, 223 h. 27. 10: 212, 235 h. 27. 11–15: 247, 281 h. 27. 12: 139 h. 27. 13 f.: 37 Anm. 12

h. 27. 13–22: h. 27. 16–18: h. 28. 1: h. 28. 13–16: h. 30. 10: h. 31. 18: Batr. 23: Batr. 31: Batr. 122:

Index locorum 125, 270, 340 21, 138 132 280 229 132 211 251 154

Scholia ad Α 459: ad Α 524c: ad Β 2c1. 26–28: ad Β 422: ad Β 452: ad Β 842: ad Γ 189: ad Γ 399b: ad Ε 744ab: ad H 222a: ad Θ 189b: ad Ι 147a 1–2: ad Ι 336c: ad Ι 539b: ad Λ 49: ad Μ 208c: ad Μ 261: ad Ν 5b: ad Ν 571a: ad Ξ 445: ad Ο 10gh: ad Ο 626bc: ad Π 185: ad Σ 570a: ad Ψ 130: ad Ω 701: ad ε 121: ad ζ 201: ad ι 221: ad λ 14: ad μ 252: ad ο 225: ad ρ 295: ad ρ 530:

204 155 264 204 251 247 306, 324 148 328 202 269 319 269 252 328 203 204 342 253 209 254 319 248 332 328 237 350 262 312 341 253 320 f. 255 128

ad τ 188: ad φ 429: ad ω 10:

405 145 128 248

Horatius c. 1. 4. 5–8: c. 2. 12. 6: c. 2. 13. 39 f.: c. 2. 19. 23: c. 3. 4. 55: c. 3. 4. 70–78: c. 3. 22: c. 3. 22. 5: c. 4. 5. 17–24: c. 4. 6. 33: c. 4. 6. 38–40: c. 4. 6. 41–44: c. 4. 17:

168 310 350 310 310 350 150 224 236 147 39 Anm. 21 277 194

c. s.: 143 c. s. 7: 283 c. s. 9–12: 280, 339 epist. 1. 18. 50 f.: epist. 2. 1. 176:

301 232

epod. 15. 12:

149

s. 2. 1. 18:

149

Hyginus astr. 2. 18: astr. 2. 33: astr. 2. 34: fab. 28. 3: fab. 140. 4–5: fab. 189. 5:

351 f. 126 350 350 170 302

Ibykos fr. 166. 24: fr. 286. 1–6:

339 267

Inschriften CIG II 2554. 3. 184: CIG III 5943: CIG III 6764:

290 290 295

406 IG II 1. 432: IG V 2. 398: IG XII 1. 24: IG XII 1. 914: IG XII 2. 101: IG XII 3 Suppl. 1335b 1: IG XIV 963: IG XIV 1971. 2: IG XIV 1971. 3: IG XIV 2524:

Index locorum 140 323 198 140, 150 150 138 150 279 279 140

OGIS 53:

140

SEG 9. 72. 13:

144

SGO 03/02/01:

39 Anm. 22

Iuvenalis 3. 175 f.:

187

Johannes Chrysostomos hom. 11 in Matth.: 183 Juba von Mauretanien fr. 82:

334

Kallimachos T1. 18 f.:

313

Aitia fr. 1. 3: 159, 338 fr. 1. 12: 171 fr. 1. 17: 168 fr. 1. 19: 331, 337 fr. 1. 24: 332 fr. 1. 25–28: 245 fr. 1. 33 f.: 200, 343 fr. 1. 35 f.: 168, 191 fr. 1. 37 f.: 134 fr. 2. 1: 342 fr. 2f 5–15: 64 Anm. 29 fr. 2g 7 f.: 285 fr. 7. 13 f.: 229 fr. 7c 7 f.: 132 fr. 7c–21d: 261

fr. 12. 6: 295 fr. 18. 6: 341 fr. 18. 7 f.: 5 Anm. 18, 334 fr. 18. 12: 294 fr. 22–23: 258 f. fr. 22. 1: 280 fr. 23. 19: 352 fr. 24: 259 fr. 24. 1–3: 47 Anm. 11, 190, 200, 250 fr. 24. 5–7: 259 fr. 24. 13: 259 fr. 24–25d: 47, 154, 259 fr. 25e 1 f.: 166, 198 fr. 31c 1: 198 fr. 31d: 225 fr. 33: 135 fr. 40: 178 fr. 41. 2: 135 fr. 43. 12: 205 fr. 43. 12–17: 264 fr. 43. 15: 266 fr. 43. 53: 284 fr. 43. 60: 178 fr. 43. 70 f.: 135, 169 fr. 43. 78: 191 fr. 54–60j: 2 Anm. 4, 52 Anm. 31, 73 fr. 54. 2: 70 Anm.46, 188 fr. 54. 5: 261 fr. 54c 5–8: 277 fr. 54c 17: 253 fr. 54c 29: 168 fr. 54c 36: 144 fr. 54h 1 f.: 11 Anm. 47, 197 fr. 54h 3 f.: 137, 211 fr. 54i 17: 258 fr. 55. 3: 214 fr. 66. 2 f.: 127 fr. 66. 8 f.: 352 fr. 67. 1–3: 134 f., 347 fr. 67. 11: 190 fr. 70. 2: 311 fr. 75. 1 f.: 134, 273 fr. 75. 4 f.: 48, 49 Anm. 19, 138, 303 fr. 75. 4–9: 72 Anm. 57 fr. 75. 9–11: 50, 140, 334 fr. 75. 19 f.: 220, 225 f.



Index locorum

fr. 75. 23–26: 47, 67 Anm. 38, 141, 272, 340 fr. 75. 25 f.: 146, 315 fr. 75. 29: 83 Anm. 29 fr. 75. 34–37: 48 Anm. 16 fr. 75. 36: 265 fr. 75. 38 f.: 198, 334 fr. 75. 41: 275 fr. 75. 45: 143 fr. 75. 54: 291 fr. 75. 56: 132 fr. 75. 64 f.: 50, 183, 244 fr. 75. 70: 161 fr. 79–79a: 5 Anm. 20, 150 f. fr. 80. 17 f.: 314 f. fr. 85. 4: 207 fr. 85. 12 f.: 183, 334 fr. 85. 14 f.: 174, 233 fr. 88: 295 fr. 96: 349 fr. 100. 1: 334 fr. 100. 2 f.: 325 fr. 101: 325 fr. 101a: 325 fr. 108: 291 fr. 108–109a: 48 Anm. 16 fr. 110: 52 fr. 110. 47: 255 fr. 110. 50–58: 70 Anm. 49, 71 Anm. 52, 180 fr. 110. 53: 319 fr. 110. 94: 351 fr. 110. 94a: 352 fr. 112. 8 f.: 335, 352 f. fr. 113e 11 f.: 169 f., 176 fr. 113e 17: 170 fr. 113f 1–3: 313, 325 fr. 114. 1–17: 325 fr. 114. 5 f.: 223 fr. 114. 10: 310 fr. 118: 326 fr. 119. 1: 183 fr. 119. 2 f.: 259 fr. 137b 6–10: 276 fr. 178. 1: 339 fr. 181. 6: 205

fr. 186. 13: fr. 186. 24: fr. 186. 27–30: fr. 186. 31: fr. 187:

407 161 144 350 218 224, 289

Iambi fr. 191. 1: fr. 191. 68: fr. 191. 75 f.: fr. 194. 6: fr. 194. 28–31: fr. 194. 32: fr. 194. 53: fr. 194. 60 f.: fr. 194. 83: fr. 195. 30: fr. 196. 38: fr. 197: fr. 197. 43: fr. 197. 46: fr. 197. 49: fr. 200a 1: fr. 200a–b: fr. 200b: fr. 202. 1–8: fr. 203. 36: fr. 203. 52 f.:

149 194 198, 315 324 316 194 237 139 326 343 209 225, 289 194 229 168 169 287 317 150, 189 238 194, 320

Mele fr. 228: fr. 228. 5 f.: fr. 228. 41: fr. 228. 43 f.: fr. 228. 68: fr. 229: fr. 229. 10 f.:

52, 69 69, 188 337 69, 169 127 316 326

Fragmente fr. 293: fr. 298: fr. 379. 1: fr. 384. 9 f.: fr. 384. 35 f.: fr. 384. 53–56: fr. 388. 9:

206 352 342 197, 342 169 67 Anm. 35 155

408 fr. ep. 393. 4: fr. 400: fr. 400. 2: fr. 407. 32–34: fr. 465: fr. 471: fr. 472: fr. 488: fr. 494: fr. 529: fr. 553. 2: fr. 569: fr. 573: fr. 580: fr. 588: fr. 592: fr. 599: fr. 602. 1–3: fr. 627: fr. 634: fr. 657: fr. 676. 1: fr. 693: fr. 716 f.: fr. 788:

Index locorum 168 162 346 322 257 134 211 193 242 152 194 352 190 169 191 325 318 233, 284 250 337 336 207 328 248 188, 327

Hekale Hec.: fr. 1: fr. 15: fr. 17. 4: fr. 18. 6: fr. 18. 8: fr. 18. 15: fr. 27. 4: fr. 40. 2: fr. 45. 2: fr. 49. 3: fr. 63: fr. 69. 2 f.: fr. 69. 4: fr. 69. 7: fr. 69. 10: fr. 69. 14: fr. 70. 5: fr. 70. 12:

2 Anm. 4 324 229, 352 168 159 210 219 f. 173 324 327 226 185 181 230, 293 257 168 271 293 319 f.

fr. 71. 2: 311 fr. 75: 324 fr. 76: 167 fr. 103. 2: 142 fr. 111: 230 fr. 115. 2: 205, 352 fr. 117: 167 Hymni h. 1: 2, 6, 11 Anm. 47, 51, 60, 75 f. Anm. 68, 123, 136 h. 1. 1 f.: 3 Anm. 5, 55 Anm. 41 h. 1. 4–6: 124, 254, 296, 329 h. 1. 6: 303 h. 1. 8 f.: 60 h. 1. 10: 60 h. 1. 12 f.: 149, 195 h. 1. 13–21: 60 f. Anm. 18 h. 1. 15: 153 h. 1. 19 f.: 321 f., 334 h. 1. 22–25: 272 h. 1. 24 f.: 183 h. 1. 26: 209 h. 1. 28 f.: 4, 61 Anm. 18 h. 1. 30 f.: 217, 272, 329 h. 1. 42 f.: 209 h. 1. 44 f.: 191, 197, 294 f. h. 1. 47: 296 h. 1. 52 f.: 93, 180, 328 f., 329, 336 h. 1. 54 f.: 11 Anm. 49, 84 Anm. 35, 135, 329 h. 1. 56: 258 h. 1. 58: 80 Anm. 12 h. 1. 58–65: 6 Anm. 29 h. 1. 60: 171 h. 1. 69: 147, 242 h. 1. 72 f.: 127, 168, 183 h. 1. 76: 92 Anm. 70 h. 1. 77 f.: 23 Anm. 30, 314 h. 1. 80: 194 h. 1. 82 f.: 228 h. 1. 85 f.: 6 Anm. 29, 83 h. 1. 87 f.: 197 h. 1. 89: 159 h. 1. 91–93: 4, 92 f., 352 h. 1. 94: 168, 352



Index locorum

h. 2: 2, 4, 6, 11 Anm. 47, 32 f., 36, 51, 57, 136, 243 h. 2. 1 f.: 53 Anm. 37, 242, 344 h. 2. 12 f.: 211, 315, 337 h. 2. 15: 338 h. 2. 19: 217 h. 2. 22–24: 262 h. 2. 22–26: 125 h. 2. 25: 138, 349 h. 2. 26 f.: 7 Anm. 30, 31, 183 h. 2. 28 f.: 352 h. 2. 29 f.: 5, 124 h. 2. 31: 125 h. 2. 32–35: 37, 139, 217, 243, 339 h. 2. 36 f.: 171, 298 h. 2. 39: 222 h. 2. 41 f.: 81 Anm. 19, 127 h. 2. 47 f.: 133, 191, 293 h. 2. 50–52: 42 f., 234 h. 2. 51 f.: 39 Anm. 21, 206, 255 h. 2. 55: 38, 92 Anm. 69, 161 h. 2. 55–68: 10 Anm. 43 h. 2. 58 f.: 5 Anm. 18, 13 Anm. 57, 161, 338, 340 h. 2. 58–64: 12, 33 h. 2. 60 f.: 23 Anm. 30, 238, 248 h. 2. 64: 338, 340 h. 2. 65–68: 7 Anm. 31, 39 Anm. 19 h. 2. 66: 316 h. 2. 68: 7 Anm. 30, 345 h. 2. 69 f.: 38 Anm. 14, 61, 138, 150, 243 h. 2. 73: 84 h. 2. 76: 337 h. 2. 77 f.: 61 Anm. 19 h. 2. 80: 243 h. 2. 85–96: 280 h. 2. 86 f.: 162, 273, 302, 329 h. 2. 88: 334 h. 2. 90–95: 300 h. 2. 91 f.: 301 h. 2. 93 f.: 84, 281, 339 h. 2. 95 f.: 160 h. 2. 98 f.: 86 Anm. 43, 127 h. 2. 101 f.: 61 Anm. 19, 178, 223 h. 2. 103 f.: 61 Anm. 19, 156, 191, 265

409

h. 2. 105–113: 4 Anm. 11, h. 2. 108 f.: 61 Anm. 19 h. 2. 113: 352 h. 4: 2 f., 6–8, 10, 11 Anm. 47, 29 Anm. 47, 36 Anm. 9, 37, 51, 57 Anm. 5, 7, 58 Anm. 10, 64 Anm. 28, 225, 243, 329 f. h. 4. 1 f.: 8 Anm. 36, 84, 183 h. 4. 2–5: 124 h. 4. 7 f.: 123 h. 4. 9 f.: 307, 352 h. 4. 15: 294 h. 4. 16–19: 165, 178 h. 4. 19: 206 h. 4. 21 f.: 72 Anm. 57, 84, 152 h. 4. 26 f.: 149, 220, 345, 345 h. 4. 28 f.: 124, 183, 219, 269, 271, 283 h. 4. 30 f.: 50, 152, 170 h. 4. 36–54: 4 h. 4. 37 f.: 8 Anm. 36, 288, 294 h. 4. 39 f.: 8 Anm. 36, 86 Anm. 43, 334 h. 4. 44: 168 h. 4. 47: 293 h. 4. 47–50: 272 h. 4. 49: 169 h. 4. 56: 232 h. 4. 60 f.: 4, 37 h. 4. 63: 220 h. 4. 66: 163 h. 4. 71 f.: 231, 342 h. 4. 75 f.: 209, 231 h. 4. 82 f.: 285 h. 4. 86 f.: 131, 211, 341 h. 4. 90 f.: 127, 334 h. 4. 95 f.: 226, 258 h. 4. 97 f.: 127, 144, 195 h. 4. 100: 320 h. 4. 103 f.: 209, 231 h. 4. 108: 155 h. 4. 110 f.: 153 h. 4. 112: 138 h. 4. 114: 258 h. 4. 124 f.: 232 f., 341 h. 4. 136–140: 177 h. 4. 137: 330 h. 4. 138 f.: 220, 231

410 h. 4. 140: h. 4. 140–242: h. 4. 141–143: h. 4. 144: h. 4. 144–147: h. 4. 148 f.: h. 4. 150: h. 4. 154: h. 4. 160 f.: h. 4. 162: h. 4. 162–188: h. 4. 162–195: h. 4. 167 f.: h. 4. 170–182: h. 4. 171 f.: h. 4. 171–187: h. 4. 174 f.: h. 4. 175 f.: h. 4. 176: h. 4. 177a–188: h. 4. 179 f.: h. 4. 181: h. 4. 183–185: h. 4. 187: h. 4. 188 f.: h. 4. 194: h. 4. 202: h. 4. 205: h. 4. 205–214: h. 4. 206–208: h. 4. 209–211: h. 4. 210: h. 4. 212–214: h. 4. 215: h. 4. 219: h. 4. 228–231: h. 4. 229 f.: h. 4. 230 f.: h. 4. 233: h. 4. 238: h. 4. 249–258: h. 4. 250 f.: h. 4. 253: h. 4. 255: h. 4. 260–265:

Index locorum 335 3 Anm. 8, 176 f. 191 170 177 3 Anm. 8, 152, 193 156 195 131, 284 156 7 45, 156 161, 320 3 Anm. 8 215 3 Anm. 6, 38, 45, 67, 68 Anm. 39, 341 46, 68 Anm. 39, 183 342 209 45 182, 311 233 46 f., 214, 310 214 68, 190 139 183 197 151 261, 271, 311 4 f., 37 326 134, 156 188, 211 353 5, 6 Anm. 26 23 Anm. 30, 252 254, 301, 324 318 146 5 Anm. 20, 344 271 154 175 37, 217, 338

h. 4. 263: 271 h. 4. 266: 243, 313 h. 4. 272: 185 h. 4. 275 f.: 84, 191, 194 h. 4. 282: 237 h. 4. 289 f.: 178 h. 4. 292 f.: 5 Anm. 17, 83, 298, 329 h. 4. 294: 344 h. 4. 297: 186 h. 4. 300–303: 3 Anm. 7, 8, 183, 271 h. 4. 300–315: 280 h. 4. 302: 336 f. h. 4. 304–306: 329, 331 f. h. 4. 308 f.: 291, 315 h. 4. 312 f.: 271, 329 h. 4. 315: 316 h. 4. 320: 198 h. 4. 321 f.: 271, 326, 333 h. 4. 324: 11 f. Anm. 49, 135 h. 4. 325 f.: 5 Anm. 17, 6, 9, 298, 352 h. 5: 2 f., 8, 36, 51 Anm. 27, 52, 55 Anm. 39, 188 h. 5. 4: 302 h. 5. 13: 226, 320 h. 5. 15: 349 h. 5. 15–22: 8 f., 127, 226 h. 5. 16 f.: 169, 345, 347 h. 5. 19 f.: 139 h. 5. 28: 319 h. 5. 29 f.: 139, 194 h. 5. 41: 197 h. 5. 43: 9 Anm. 43, 36 h. 5. 45: 166 h. 5. 53: 9 f. Anm. 43, 36 h. 5. 55: 293 h. 5. 57–67: 290, 324 h. 5. 58: 284 h. 5. 60–65: 271 h. 5. 61 f.: 230, 246 h. 5. 63–65: 127, 162, 165 h. 5. 64 f.: 197, 208 h. 5. 78: 228 f. h. 5. 81: 229 h. 5. 85 f.: 171, 197 h. 5. 87: 323 h. 5. 89: 198, 272



Index locorum

h. 5. 91 f.: 173, 207, 255 h. 5. 95: 197 h. 5. 97 f.: 158, 198, 211 h. 5. 99: 149 h. 5. 101 f.: 197, 350 h. 5. 103: 168 h. 5. 104 f.: 151 f. h. 5. 110 f.: 23 Anm. 30 h. 5. 125 f.: 139 h. 5. 128: 237 h. 5. 131–133: 9 Anm. 42, 83, 156 h. 5. 138: 127, 197 h. 5. 140 f.: 197 f., 352 h. 6: 2 f., 10, 51 Anm. 27, 52, 55 Anm. 39, 41, 89 Anm. 59, 256, 259 h. 6. 2: 313, 352 h. 6. 4: 93 Anm.73, 233, 349 h. 6. 7: 280 h. 6. 9: 69 Anm. 44, 206 h. 6. 11: 342 h. 6. 13–15: 225 h. 6. 18: 273 h. 6. 24: 334 h. 6. 27 f.: 127, 244 h. 6. 29 f.: 290 h. 6. 33 f.: 143 h. 6. 38: 128, 183 h. 6. 41 f.: 156, 211, 324 h. 6. 45: 156 h. 6. 50: 211 h. 6. 53: 156, 158 h. 6. 55 f.: 154, 269 h. 6. 65: 154, 183 h. 6. 67: 186 h. 6. 73 f.: 135, 214 h. 6. 77: 156, 211 h. 6. 82: 282, 292, 327 h. 6. 84–86: 156 h. 6. 87: 211 h. 6. 90: 265 h. 6. 91 f.: 80 Anm. 12, 81 Anm. 19, 155 h. 6. 97: 184, 254 h. 6. 101: 232 h. 6. 105: 198

h. 6. 109: h. 6. 111: h. 6. 115: h. 6. 116 f.: h. 6. 118 f.: h. 6. 120: h. 6. 128 f.: h. 6. 134: h. 6. 138:

411 80 Anm. 12 155 159 241 f. 80 Anm. 12, 352 184, 238 155 352 353

Epigramme 1. 3: 137 1. 5: 194 1. 11: 206 2. 4: 225 5: 50 Anm. 23, 71 Anm. 52 5. 3: 319 5. 5: 336 6. 3: 302 13. 2: 84 20. 5: 84 21: 11 Anm. 47 21. 2: 84 21. 5: 182 22. 3 f.: 166, 242, 296 24. 2: 325 24. 4: 194 27. 3 f.: 352 28. 5 f.: 336 31: 126 31. 2: 206 34. 1: 308 35: 11 Anm. 47 40. 1: 198 41. 3: 198 43. 6: 206 44: 199 45. 3: 185 52. 2: 225 53. 1: 198 57. 1: 343 58. 4: 83 59. 6: 194 62: 140 62. 1 f.: 5 Anm. 18

412

Index locorum

Scholia ad h. 1. 52: ad h. 1. 77b: ad h. 1. 86: ad h. 1. 90 ab: ad h. 2. 26: ad h. 2. 33a: ad h. 2. 68: ad h. 2. 69: ad h. 3. 36: ad h. 3. 79: ad h. 3. 90: ad h. 3. 92: ad h. 3. 94: ad h. 3. 101: ad h. 3. 107: ad h. 3. 110: ad h. 3. 112: ad h. 3. 114b: ad h. 3. 143: ad h. 3. 146: ad h. 3. 159: ad h. 3. 161: ad h. 3. 178b: ad h. 3. 179: ad h. 3. 204: ad h. 3. 215: ad h. 3. 224a: ad h. 3. 235b: ad h. 4. 175–187:

Longos 337 314 6 Anm. 29 6 Anm. 29 7 Anm. 30 139 7 Anm. 30 150 161 192 f. 200 204 205 209 213 216 218 220 248 250 260 259 278 279 298 307 312 322 68 Anm. 41

Kallinos fr. 5a–b:

67 Anm. 37, 340

Kleanthes fr. 537. 6:

242

Libanios or. 5. 4–5: or. 5. 7: or. 5. 33: or. 5. 34:

5 Anm. 20, 150 37 Anm. 12 39 Anm. 21 223

1. 23. 3: 2. 16. 1:

297 229

Lucanus 6. 370: 9. 6 f.:

209 69 Anm. 45

Lucretius 5. 966 f.:

212

Lukianos dial. mer. 13. 5: Lex. 12. 14: philopseud. 2:

311 311 187

Lykophron 93: 238 115–127: 261 144: 278 336: 201 576: 271 659: 174 765: 196 1180: 346 1331: 233 1424: 209 Scholia ad 88: ad 93: ad 115–127:

320 238 261

Macrobius Sat. 1. 17. 11: Sat. 1. 17. 13: Sat. 5. 22. 4 f.:

232 223 54 Anm. 38, 298

Martialis 7. 64. 3:

178



Index locorum

Maximus 473–475: 277 Menander Rhetor Rhet. Gr. III 334. 29 f.:

44

Mimnermos fr. 5. 2:

291

Moiris ο 39:

189

Moiro fr. 3. 4:

327

Ther. 14–16: Ther. 20: Ther. 42: Ther. 49: Ther. 104: Ther. 142: Ther. 145: Ther. 181: Ther. 244: Ther. 451: Ther. 522: Ther. 578: Ther. 681: Ther. 720: Ther. 726: Ther. 772: Ther. 926:

350 308 207 83 192 207 292 229 229 207 268 255 220 173 141 229 275

Scholia

Moschos Eur. 31: Eur. 81: Eur. 86: Eur. 118 f.:

209 280 174 306

ad Ther. 349b: ad Ther. 520a: ad Ther. 578a: ad Ther. 595:

fr. 4. 9: fr. 4. 31:

304 353

Nonnos

Musaios 302: 140 Nemesianus ecl. 3. 31–34:

413

189

Nikandros Alex. 24: Alex. 67: Alex. 84: Alex. 104: Alex. 235: Alex. 324: Alex. 561: Alex. 577: Alex. 618:

173 206 173 173 209 255 185 269 295, 297

Ther. 10:

257

1. 27: 3. 282: 3. 392: 5. 139: 5. 277: 5. 489–491: 5. 520: 5. 524: 8. 115: 9. 169–183: 9. 180 f.: 9. 202: 9. 246: 10. 288: 10. 292–307: 10. 295: 12. 361: 13. 138: 13. 251: 13. 274: 14. 28:

166 268 255 190

308 279 190 189 191 298 279 138 146 205 211 271 135 178 138 137 191 271 146 212 329

414

Index locorum

14. 154: 15. 66 f.: 15. 171: 16. 102: 16. 125–130: 16. 129 f.: 19. 196: 19. 324: 20. 71: 21. 70: 24. 139–142: 25. 185 f.: 25. 188: 25. 337: 26. 236: 27. 238: 33. 126: 33. 333: 33. 343: 36. 48–57: 36. 50: 36. 55: 40. 244–246: 41. 414 f.: 42. 439: 47. 679: 48. 194: 48. 312: 48. 331–334: 48. 450: 48. 507: 48. 765: 48. 838–840:

135 329 126 200 142 138 212 191 126 190 224 205 205 250 209 238 126 290 290 255 146 219 329 150 143 135 83 219 298 218 143 308 150

Novum Testamentum Ev. Joh. 14. 6:

313

Oppianos (Anazarbensis) hal. 1. 191: hal. 2. 218: hal. 2. 369: hal. 2. 502: hal. 3. 512–518: hal. 5. 210:

218 260 292 229 187 179

Oppianos (Apamensis) kyn. 1. 16–42: kyn. 1. 172: kyn. 1. 292: kyn. 1. 371: kyn. 1. 450: kyn. 2. 134: kyn. 2. 140: kyn. 3. 391–406: kyn. 3. 511–514: kyn. 4. 301: kyn. 4. 442:

63 Anm. 27 83 84 83 273 208 218 207 206 178 192

Orion Thebanus 113: 190 Orpheus arg. 221 h. 2. 12: h. 34. 1: h. 36. 1 f.: h. 36. 3 f.: h. 36. 7: h. 36. 14: h. 72. 3:

202 150 216 311, 138 150 353 353 316

Ovidius met. 1. 85 f.: met. 1. 145–150: met. 1. 485 f.: met. 2. 441: met. 4. 171 f.: met. 7. 754 f.: met. 8. 429: met. 10. 112: met. 13. 851 f.: met. 15. 322–328: met. 15. 848:

233 237 136 295 281 302 310 210 174 322 69 Anm. 45

trist. 4. 4. 63 f.:

274

Ib. 488:

259



Index locorum

palaiphatos

51: 350 Pamprepios 3. 187:

175

Papyri PGM 4. 2715: PGM 4. 2722: PGM 4. 2725:

140 290 f. 140

Parthenios erot. path. 2:

169

Pausanias 1. 1. 4: 1. 6. 8: 1. 18. 5: 1. 22. 8: 1. 31. 5: 1. 33. 1: 1. 38. 6: 2. 5. 3: 2. 7. 6: 2. 7. 8: 2. 10. 2: 2. 10. 7: 2. 22. 1: 2. 23. 5: 2. 30. 3: 3. 2. 6: 3. 14. 2: 3. 14. 7: 3. 16. 2: 3. 16. 7: 3. 16. 11: 3. 20. 4: 3. 20. 9: 3. 24. 9: 3. 197. 2: 4. 4. 2: 4. 21. 4: 4. 31. 8: 4. 33. 3:

346 303 267 247 287 273 162 271 272 320 f. 198 346 266 346 290 272 272, 290 316 205 272 233, 289 286 221 299 302 272 221 323 247

5. 17. 9: 7. 2. 1: 7. 2. 7: 7. 25. 5: 8. 2. 4: 8. 13. 2: 8. 18. 7–8: 8. 21. 4: 8. 23. 6–7: 8. 36. 8: 8. 36. 10: 8. 37. 4: 8. 38. 5: 8. 38. 9: 8. 45. 2: 8. 46. 1: 9. 19. 1: 9. 19. 6–7: 9. 40. 3: 10. 26. 9: 10. 36. 5: 10. 38. 6:

415 301 315 323 213 290 326 320, 322 321 232 199 248 140 198 213 308 310 302 317 290 187 299 318

Petronius 35:

202

Pherekydes fr. 12: fr. 16d: fr. 56: fr. 114:

238 267 216 321

Philetas fr. 1: fr. 16: fr. 18: fr. 48:

169 f. 139 334 255

Philostratos (Flavius) vit. Ap. 4. 25: vit. soph. 11. 241. 3 f.:

187 137

Philostratos (Maior) imag. 2. 24:

259

416

Index locorum

Phoinix fr. 2. 13:

134

Pindaros O. 1. 26: O. 1. 60: O. 1. 109: O. 2. 1–7: O. 2. 26: O. 2. 28: O. 2. 98: O. 3. 23: O. 3. 25–32: O. 3. 29: O. 6. 2: O. 6. 21: O. 6. 22–28: O. 6. 28: O. 6. 43: O. 6. 55: O. 6. 74: O. 7. 12: O. 7. 16: O. 8. 67: O. 9. 26–28: O. 9. 59: O. 9. 66: O. 9. 78: O. 9. 97: O. 10. 1–12: O. 10. 74: O. 11. 14: O. 12. 16: O. 13. 20: O. 13. 61: O. 13. 81: O. 13. 87: O. 13. 113: O. 14. 4

151 225 311 283 284 257 342 334 213 210 133, 246 311 28 Anm. 45, 245, 343 272 149 222 311 217 244 153 276 312 159 318 221 123 298 244 324 217 318 204 324 209 163

P. 1. 4: P. 1. 1–33: P. 1. 12–16: P. 1. 20–22: P. 1. 29: P. 1. 85–94:

180 7 Anm. 31 191 176 241 67

P. 3. 36 f.: P. 3. 53: P. 3. 96: P. 4. 16: P. 4. 67: P. 4. 68 f.: P. 4. 70 f.: P. 4. 80: P. 4. 83: P. 4. 88–92: P. 4. 90–92: P. 4. 95: P. 4. 186: P. 4. 227: P. 4. 249 f.: P. 4. 270 f.: P. 5. 34: P. 5. 40: P. 5. 42: P. 5. 54: P. 5. 57–69: P. 6. 2: P. 8. 46: P. 8. 97: P. 9. 46–48: P. 9. 53: P. 9. 59: P. 9. 63–66: P. 9. 67: P. 9. 87 f.: P. 9. 89–96: P. 9. 96: P. 9. 108: P. 10. 55: P. 10. 58: P. 10. 65: P. 11. 7: P. 12. 6–8: P. 12. 21:

229 232 232 338 244 124 218 246 318 350 216 210 257 280 197 237 217 313 321 147 7. Anm. 31 276 186 67 Anm. 35 342 267 199 75 Anm. 66 197 160 240 197 246 311 246 217 284 334 217

N. 1: N. 1. 48 f.: N. 1. 69: N. 1. 70–72: N. 2. 12: N. 2. 23: N. 3. 22:

129 187 257 249, 251 351 209 258

N. 3. 47 f.: N. 3. 49–51: N. 3. 50–53: N. 3. 74 f.: N. 4. 52: N. 4. 70: N. 6. 26: N. 6. 32: N. 7. 1–4: N. 7. 19 f.: N. 7. 20 f.: N. 7. 49: N. 7. 63: N. 7. 73: N. 7. 77: N. 7. 104 f.: N. 8. 38: N. 8. 46: N. 9. 43: N. 10. 26: N. 10. 33: N. 11. 12: N. 11. 27: N. 11. 46: I. 1. 5: I. 1. 26 f.: I. 2. 6: I. 3. 4 f.: I. 4. 20: I. 4. 67: I. 6. 1: I. 6. 1–9: I. 6. 20: I. 6. 33: I. 7. 1–15: I. 7. 12 f.: fr. 52i 63–86: fr. 52m 13–16: fr. 52n 6: fr. 52n 17–19: fr. 70b 19: fr. 72. 2: fr. 95. 1: fr. 96. 1 f.: fr. 109. 1–5:

Index locorum 252 9 Anm. 42, 13 210–212 225, 257 173 217 311 276 151 236 311 311 244 153 124 184, 225 260 124 178 276 180 246 273 260 137 334 276 209 124 351 133 3 Anm. 5 273 318 283 232 f. 326, 338 5 Anm. 19, 151 186 186 f. 163 351 198 199 237

fr. 133. 2: fr. 150: fr. 153. 1 f.: fr. 174:

417 292 285 42 Anm. 30 323

Scholia ad O. 3. 52a: ad O. 3. 53cd: ad O. 3. 54 ac: ad P. 2. 127: ad N. 1. 1a: ad N. 4. 82a: ad I. 6. 10a:

210 287 233 328 271 278 3 Anm. 5

Platon Krat. 396A–B: Krat. 405C: Krit. 46C: leg. 909C: Min. 319D–E: Phaid. 77E: Phaidr. 230A: rep. 424B 9 f.: symp. 203B: Tht. 149B–C: Tim. 20C:

60 Anm. 16 61 Anm. 19 187 161 292 187 176 125 267 150 190

Scholia ad leg. 633B: ad rep. 566C:

233 209

Plautus Merc. 676:

160

Plinius Maior nat. 2. 229: nat. 3. 93: nat. 3. 115: nat. 5. 108: nat. 11. 147: nat. 35. 96:

271 169 329 335 206 191

418

Index locorum

Plutarchos

ep. 131:

Vitae parallelae

fr. 705. 9:

Marc. 11. 8–9: Rom. 27. 6: Thes. 15. 1:

340 207 292

Moralia aet. Graec. 47: 163 de exil. 5: 160 de garull. 17: 336 de soll. anim. 36: 299 glor. Ath. 7: 315 mul. virt. 16: 315 quaest. conv. 2. 8: 193 quaest. conv. 3. 10: 150 quaest. conv. 4. 5: 229 sept. sap. conv. 5: 334 Pollux 1. 38: 2. 59: 3. 36: 3. 155: 4. 75: 4. 115: 4. 123: 5. 65: 7. 93: 10. 167:

298 189 189 146 334 187 238 201 146 187

315

Polybios 6. 45 f. 7. 2. 1:

299 340

Poseidippos ep. 39: ep. 39. 2: ep. 116: ep. 119: ep. 119. 5 f.:

284

Pratinas fr. 710: fr. 712a:

276 276

Propertius 1. 1. 13: 1. 20: 1. 3. 31–33: 2. 13b 39 f.: 2. 31. 13: 3. 1. 1: 3. 1. 9–20: 4. 2. 59–61: 4. 6. 27–56: 4. 6. 49 f. : 4. 9. 31 f.:

310 261 282 236 68 Anm. 39 73 Anm. 58 73 Anm. 58 325 68 Anm. 39 68 Anm. 39 258

Psalmi 79. 13: 79. 14:

256 195

Ps.-Phokylides 84: 207 Ps.-Skylax 100: 286

Polyainos 8. 35:

134, 288

71 Anm. 52 62 Anm. 21 71 Anm. 52 71 Anm. 52 62 Anm. 21

Quintus Smyrnaeus 4. 548: 13. 134:

154 220

Sappho fr. 2. 2–4: 162 fr. 31. 6: 291 fr. 35: 272 fr. 44A 4–11: 130, 136–138, 155 fr. 168A: 187



Index locorum

Servius ad ecl. 6. 48:

323

Simonides fr. 25. 1–3:

221

Solon fr. 4. 32–39: fr. 4. 37: fr. 13. 49–54:

236 237 308

fr. 320: 267 fr. 441a 11: 85 Anm. 39, 175 fr. 513: 335 fr. 859. 1: 279 Scholia ad Ai. 190: 303 ad Ai. 299: 204 Sophron fr. 49:

Sophokles

Sotades

Ai. 30: 292 Ai. 178: 349 Ant. 221: 350 Ant. 372–375: 241 Ant. 772: 294 El. 371: 198 El. 746: 245 El. 1356: 197 Oid. K. 932: 197 Oid. K. 1092 f.: 212 Oid. K. 1172: 147 Oid. K. 1650–1652: 187 Oid. T.: 2 Anm. 4 Oid. T. 27 f.: 229 Oid. T. 161: 44 Anm. 35 Oid. T. 171–173: 232 Oid. T. 206 f.: 140 Oid. T. 350: 197 Oid. T. 987: 304 Oid. T. 1092: 160 Oid. T. 1365: 149 Phil. 60: 301 Phil. 200: 294 Phil. 313: 260 Trach. 101: 342 Trach. 204 f.: 304 Trach. 213 f.: 140 Trach. 463: 294 Trach. 788: 173 Trach. 1195: 258 Trach. 1262: 293

fr. 1: fr. 16:

fr. 171: 189

419

252

49 Anm. 18 72 Anm. 57

Spuria [Alk.] adesp. 9. 2: anon. 961. 6: fr. adesp. 934. 13: fr. adesp. 955: fr. anon. 923. 4: fr. ep. adesp. 2. 56:

143 144 299 337 276 343

Statius Ach. 1. 449 f.:

287

Theb. 4. 269: Theb. 4. 295: Theb. 7. 256–258: Theb. 7. 339:

194 206 350 194

Stephanos von Byzanz 30. 15 f.: 321 30. 17–21: 322 235. 10: 286 242: 167 277. 13 f.: 316 296. 1–3: 71 Anm. 52 329. 11: 286 442: 169 539. 18: 299 641. 13–15: 278 673. 5 f.: 260 f.

420

Index locorum

Strabon 1. 2. 8: 1. 2. 20: 1. 3. 21: 6. 2. 1: 6. 2. 4: 6. 2. 10: 8. 3. 21: 8. 4. 9: 8. 7. 5: 8. 31: 9. 1. 20: 9. 1. 22: 10. 1. 10: 10. 3. 12: 10. 4. 8: 10. 4. 12: 10. 4. 20: 12. 3. 13: 14. 1. 3: 14. 1. 19: 14. 1. 20: 14. 1. 40: 14. 4. 2: 17. 1. 16:

187 219 67 Anm. 38, 340 178 271 169 213 272 213 171 316 273 287 335 145 290, 296 135 207 315 286 329, 346 340 286 71 Anm. 52

Suda 227. 23: 343 227. 31 f.: 169 251: 210 425: 286 548: 269 692: 207 2186: 135 2461: 175 2515: 208 Tacitus ann. 3. 61:

329, 351

Theognis 1–11: 3 f.: 78:

124 242 237

1018: 1216: 1288:

291 342 308

Theokritos Idylle 1. 92: 1. 67: 1. 103: 1. 123–126: 2. 7: 4. 8: 4. 39: 4. 49: 4. 57: 4. 63: 5. 133: 6. 43: 7: 7. 23: 7. 34: 7. 103–114: 7. 128: 9. 22: 10. 2: 12. 4: 13. 14: 13. 20: 13. 42–44: 13. 46: 13. 53 f.: 13. 59: 15: 15. 6: 15. 25: 15. 40: 15. 84: 15. 107 f.: 15. 109: 15. 110 f.: 15. 115: 15. 149: 16. 1–4: 16. 5: 16. 11: 16. 29:

193 272 149 199, 272 258 138, 349 148 126 164 199 205 205 2 Anm. 4 341 197 199 126 205 211 318 154 284 312 154 134 154 53 Anm. 35 143 148 187 246 71 Anm. 52 138 70 Anm. 50, 71 Anm. 52 257 352 60 Anm. 17, 242 339 134 285

16. 90–96: 17: 17. 17–33: 17. 20–33: 17. 33: 17. 36 f.: 17. 41: 17. 46–52: 17. 50: 17. 54: 17. 65: 17. 74 f.: 17. 82–84: 17. 115: 17. 131–134: 17. 132: 18: 18. 4: 21. 6: 21. 48: 22: 22. 23: 22. 42: 22. 91: 22. 116 f.: 22. 173: 22. 209: 22. 214 f.: 24: 24. 6: 24. 23–26: 24. 28: 24. 36: 24. 46: 24. 60 f.: 24. 135: 24. 137 f. 25. 31: 25. 134: 25. 192: 25. 246: 26: 26. 3: 26. 29 f.: 26. 32: 26. 36:

Index locorum 236 46 Anm. 5, 70 Anm. 50 65 f., 260 249 200 229, 71 Anm. 52 318 70 Anm. 49 211 309 156 152 159 285 72 Anm. 57 353 70 Anm. 50 208 309 155 70 Anm. 50 150 230 178 63 Anm. 26, 285 211 318 352 70 Anm. 50, 129 156 172 205 211 127 172, 318 154 258 312 278 193 311 2 Anm. 4 292 144 241 284

421

27. 60: 28. 3: 29. 12:

158 315 207

ep. 2. 3:

126

Theophrastos h. plant. 4. 1. 3: sign. 46. 343:

164 230

Thukydides 1. 29. 2: 2. 49. 7: 2. 54: 2. 54. 2–3: 3. 88. 3: 3. 104. 4–6: 4. 38. 2: 6. 2. 2: 7. 19: 8. 75. 1:

167 193 193 230 169 4 Anm. 12 167 178 165 254

Tibullus 2. 5. 64:

136

Timaios fr. 164. 7:

177

Timotheos fr. 778b:

323

Tryphiodoros 503:

229

Tyrtaios 10. 29:

246

Valerius Flaccus 1. 141:

310

Vergilius Aen. 1. 52:

170

422 Aen. 1. 94: Aen. 1. 138 f.: Aen. 1. 323: Aen. 1. 337: Aen. 1. 492 f.: Aen. 1. 502: Aen. 1. 715–722: Aen. 3. 636–638: Aen. 5. 311 f.: Aen. 6. 123: Aen. 6. 510 f.: Aen. 6. 617: Aen. 6. 787: Aen. 7. 217 f.: Aen. 8. 416 f.: Aen. 8. 416–422: Aen. 8. 416–453: Aen. 8. 451: Aen. 11. 532: Aen. 11. 649: Aen. 11. 836: Aen. 12. 858: ecl. 6. 48–51: ecl. 10. 59: georg. 2. 456 f.: georg. 3. 17 f.: georg. 3. 513: georg. 4. 175:

Index locorum 225 217 141 146 306, 324 166 134 174 305 195 149 272 143 339 170 177 168 180 299 306 299 194 321 f. 194 310 73 Anm. 58 241 180

Cir. 113: Cir. 295 f.: Cir. 300: Cir. 305:

166 290 296 290, 299

Xenophon (Athenaeus) an. 2. 4. 16:

167

hell. 2. 4. 11: hell. 7. 2. 10:

346 312

kyn. 4. 7–8: kyn. 5. 11: kyn. 5. 17: kyn. 5. 19: kyn. 5. 22: kyn. 7. 2–3: kyn. 7. 6: kyn. 7. 9. 12: kyn. 13. 18:

201 206 213 213 213 199 198 199 307

Kyr. 1. 4. 8: Kyr. 1. 6. 29: Kyr. 3. 1. 7:

208 254 303

Xenophon (Ephesius) eph. 1. 2. 6:

141

Index rerum notabilium abbildende Wortstellung   280, 292, 319, 329, 334, 338 Abschiedsformel   6, 15, 125, 239, 314, 347, 352 Abstrakta   136 f., 140, 179, 183, 208, 228 Aitiologie   26 Anm. 40, 34, 35 Anm. 7, 8, 54 Anm. 37, 68 Anm. 42, 94, 149, 162, 185, 190 f., 219, 246, 249, 283, 288 f., 294 f., 297, 309 f., 313, 317, 321, 326–328, 330, 338, 351 Allegorie    s. ‚Metapoetik‘ Alliteration   31, 53 Anm. 37, 60 Anm. 17, 92, 194, 212, 242, 313, 337 Alltagsrealismus   s. ‚Lebensrealismus‘ Allusion   VII, 9, 36, 41, 47, 53, 54 Anm. 37, 63 Anm. 25, 134, 146, 155, 158, 160–162, 170, 197, 199, 210–212, 218, 223, 236, 239, 241 f., 246, 253, 278, 280 f., 284 f., 294, 296, 304, 306, 328 f., 333, 342 Ambivalenz   s. ‚Amphibolie‘ Amphibolie   177, 201, 203 f., 206, 214, 250–252, 262, 268, 272, 301 f., 319, 324, 332, 335, 341, 353 Amplifikation   24, 219, 347 f. Anadiplose   148 Anapher   11 Anm. 48, 37, 61, 133 f., 135, 139, 143, 159 f., 165 f., 175, 188, 213, 217, 228, 236, 241, 244, 256, 272, 284, 347 Anastrophe   85 Anm. 39, 168, 175, 220, 229, 299 Anrufung   20, 30–32, 35, 37, 40, 137, 216, 222, 313, 345, 353 Anspielung   s. ‚Allusion‘ Anthropomorphismus   39 Anm. 21, 56, 75 Antiklimax   42 Anm. 29 Antithese   32, 34 f. Aporie   124, 219, 283 Apostrophe   2 Anm. 4, 23, 46 Anm. 7, 68 Anm. 42, 162, 187, 211, 218, 285, 298, 343, 346 https://doi.org/10.1515/9783110698480-006

Apotrope   228 Apposition   11 Anm. 49, 42 Anm. 30, 90, 138, 161, 168, 196, 214, 280, 324, 327, 334 Appositiva   81 Anm. 19, 83 Anm. 28 Archeget(in)   10 Anm. 43, 25, 31, 38 f., 42, 316 Aretalogie   12 Anm. 50, 18 f., 22, 25, 27, 29, 32 f., 59, 62, 67, 185, 187, 216, 284 Artamitia-Fest   54 Anm. 38 Assonanz   31, 166, 242, 298, 335 Asyndeton   182, 253, 256, 258 Athetierung   263, 269 attisch   86, 143, 149, 160 f., 207, 251, 254, 256, 272 f., 292, 311, 315, 333, 346 Aufführung (mündlich)   28 Anm. 45, 52, 285 Barytonese   168, 180 Baumkult   224, 263, 326 Behaghelʼsches Prinzip   175, 195, 219, 272 f., 282 Bereitwilligkeitsmotiv   124, 353 bukolische Anapher   s. ‚Anapher‘ bukolische Brücke   82 bukolische Diärese   80, 82 f., 88, 94 Anm. 78, 128, 149, 163, 166, 168, 175, 181, 205 f., 215, 225, 244, 279, 291, 301, 303, 338, 344, 347, 349 f. Bullochs Gesetz   83 Chiasmus   139, 164, 206, 221, 231, 235 f., 247, 287, 295 f., 310 Chortanz   21–24, 29 f., 34, 41 Anm. 26, 43, 127, 142, 246, 270 f., 275 f., 280 f., 287, 328–331, 347, 351 Chremonideischer Krieg   50, 320 circumlocutio   273 cognoscenti   s.‚litterati‘ compositum abundans   174 contradictio in adiecto   10 Anm. 43 correctio   138, 169, 248 correptio Attica   86, 193, 195

424

Index rerum notabilium

correptio epica   85, 86 f., 312 crescendo   219 Darbietungsszenario   52 f., 55 f. Degemination   s. ‚Gemination‘ deixis   52 Anm. 33, 55 Anm. 39, 68 Anm. 42, 184, 295 Diairesis   319 Diegesis, diegetisch   s. ‚Narration‘ Diektasis   183 Digression   228, 291 Dikolon   252 dirae   22 dorisch   2 f., 148, 158, 273, 348 Echo-Effekt   336 Ekphrasis   68 Anm. 39, 177, 244, 306, 325 elegisch   2 f., 73 Anm. 58 Elision   87 Ellipse   141, 149, 152, 161, 179, 226, 327 Emendation   180, 186, 257, 324, 333, 348 Enallage   220, 304 f. Enjambement   88–91, 151 f., 183, 195, 215, 263, 299 Enkomiastik   15 Anm. 2, 45 Anm. 4, 46 Anm. 5, 66 f., 70 Anm. 50, 123, 160, 236, 249, 254, 300, 311 Entwicklung   s. ‚Teleologie‘ Epanalepse   166, 175 epanaphora    s. ‚Epanalepse‘ Epilog   16, 25, 30, 34 f., 60, 187, 314, 317, 345 Epinikion (pindarisch)   72–74 Epiphanie   23 Epiphora   226, 255 f., 347 epitheton ornans   37 Anm. 12, 126, 147, 223, 318 Ergänzungsspiel   11 Anm. 47 Ethopoiie   18, 33, 92, 135, 138, 149, 275 f. Etymologie   11 Anm. 49, 31, 37 Anm. 11, 37 f., 60–62, 76, 94, 127, 138, 150, 156, 163, 168, 170 f., 173, 175 f., 188 f., 192, 207 f., 209, 212–214, 220, 222, 233, 237 f., 242 f., 249, 252, 261–266, 269, 278, 280 f.,

286–289, 293 f., 298 f., 306 f., 315, 317, 321 f., 328, 342 Euhemerismus   216 Euphemismus   243, 350 exemplum, exemplarisch   s. ‚Paradigma‘ figura etymologica   200, 229 Gattungskonvention(en)   33, 36 Anm. 9, 136, 239 Gattungskreuzung   240 Gebet   15, 22, 26 Anm. 39, 27 Anm. 41, 239–243, 244 Gelegenheitsdichtung   51 f., 69 Gemination, Geminata   86, 348 Genethliakon   46 Anm. 5, 189, 249, 302, 308, 342 Genrebild   s. ‚Lebensrealismus‘ Geschwisterehe   49, 72 Anm. 57 Geschwisterrivalität (Artemis– Apollon)   4, 6 Anm. 26, 11–13, 19, 36–39, 41 f., 142, 34, 37, 40 Anm. 24, 41 Anm. 26, 43, 82 Anm. 26, 125, 130 f., 138, 140, 151, 160 f., 195, 216, 223 f., 230, 234, 243, 270 f., 281, 296, 298, 300, 316, 336, 340, 349 Gesetz wachsender Glieder   s. ‚Behaghelʼsches Prinzip‘ Gisekes Gesetz   81 Anm. 17 Glosse   133, 141, 144, 192, 200, 202, 204, 207, 238, 305, 328 gnomisch   228, 231, 283 Gradation   s. ‚Amplifikation‘ Hapax   126, 153, 155, 157, 176, 183, 190, 212, 217 f., 233, 246, 264, 266, 270, 279, 290–293, 303, 308, 313, 331, 333, 353 Hephthemimeres   80, 284, 349 Herrscherpanegyrik   46 Anm. 6, 66 f., 71 Anm. 56, 72, 236, 254 f. Herrschertugenden   59 f., 66 f., 76 Heteroklisie   218, 238 hexametrisch   2 f. Hiatkürzung   s. ‚correptio epica‘ Hiatus   86–88, 138, 195 Hilbergs Gesetz   81 historische Längung   85



Index rerum notabilium

Homoiokatarkton   31 Anm. 49 Homonymie   143, 176, 250, 263, 315, 336 f., 340 höfische Dichtung   6, 43, 51 f., 57, 74 höfisches Gelage   s. ‚Symposion‘ Humor   27 f., 33, 65 f., 138, 153 f., 160, 177, 182, 185, 189, 197, 224, 249, 254, 256–260, 264 Hymnenbuch   1. Anm. 1, 6, 14, 33, 36, 45, 48 Anm. 16, 53 f., 56, 69, 74 Hymnensextett   s. ‚Hymnenbuch‘ Hymnentypologie   23, 26 Anm. 39, 46 Anm. 6, 124, 137, 152, 185, 239, 271 f., 275, 283, 354 Hyperbaton   152 Hyperbel   159 Hypomnese   352 Hypostase   69 Anm. 45, 70, 76, 140, 159, 210, 221, 224, 233, 289, 299, 302, 310, 325, 328, 350 hysteron proteron   152, 308 iambischer Dimeter   85 Anm. 39 imitatio per oppositionem   s. ‚Kontrastimitation‘ Inkonzinnität   132, 323, 344 Intertextualität    s. ‚Allusion‘ Inversion   183, 229, 241 Invokation   4 Anm. 13, 15, 22, 25, 27, 37, 59, 62, 123, 150, 240 f., 285, 300, 352 f. ionisch   3, 148, 254, 184 f., 238, 254, 256, 274, 278, 281, 315 f., 324 Ironie   VII, 48, 125, 129, 143, 171, 184, 239, 241, 244, 257, 260, 276, 282, 285, 302, 307, 318, 325, 334, 347, 350, 353 Isokolon   287 Itazismus   230, 265 iterativ   180, 183, 205, 252 Jagd, Jägerin   9, 12, 18, 20, 22 f., 25–27, 66, 125 f., 138, 140–142, 146, 150, 207–215, 227, 245, 247 f., 255 f., 287, 300–302, 307–312, 330, 349 Kardinaltugenden   s. ‚Herrschertugenden‘ Katachrese   211, 348

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Katalog    3, 14, 22, 25, 27, 29, 30 f., 34, 142, 239, 244, 271, 275, 282–286, 302, 304, 313, 347, 349, 304, 347, 349 kataphorisch   188, 241, 272 Kenning   29, 190, 192, 199, 219, 249 f., 334 Kinderdarstellung   17, 33, 59, 128–132, 135 f., 138, 153, 175, 181 Kindersprache   11 Anm. 48, 33, 128, 135, 137, 149, 158, 162, 195 f. klingende Mittelzäsur   79, 83 Anm. 28, 87, 138, 170 f., 284 Koine   134, 165, 168, 171, 176, 190, 193–195, 208, 213, 230, 256, 258, 274, 281, 293, 323 Konjektur   13 Anm. 57, 80 Anm. 12, 126, 133 f., 135, 147, 155, 164, 167, 176, 180, 183, 202, 208, 210, 215, 225–227, 235–238, 253 f., 257, 260, 278, 305, 309, 326–328, 333, 338, 349, 351 Konstrastfolie   152, 174, 353 Kontrastimitation   43 f., 56 Anm. 2, 126, 130, 145, 162, 231 Korrelation   133, 165, 205, 263, 277, 321 Krasis   88, 194 Kulthymnen   51 f. Kultur   s. ‚städtischer Aspekt‘ Kultwirklichkeit   16 Anm. 5, 35 f., 40 f., 145 f., 160, 224, 286 f., 327 Lautmalung   s. ‚Onomatopoiie‘ Lebensrealismus   11, 17, 128 f., 131, 146, 151, 154, 171, 182–184, 187, 192, 203, 207, 231 f., 266, 276–278 lectio difficilior   133, 178, 180, 186, 230, 295, 324 Leitmotiv   3 Anm. 8, 24 Anm. 32, 30, 34 Lektüre   1 Anm. 1, 14, 32, 36, 51 Anm. 27, 53, 264, 285, 289 Lesehymnen   51, 264 Leser   s. ‚Publikum‘ Libation   3 Litotes   183, 337, 350 litterati    10 Anm. 46, 36, 53 Anm. 34, 287

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Index rerum notabilium

locus amoenus   266 Löwenekerchen   294 Matronym   166 Metagrammatismos   85 Anm. 36, 265 Metaplasis   142 Metapoetik   4 Anm. 11, 10, 21, 73 Anm. 58, 139, 239 f., 246, 256, 270, 275–278, 281, 283, 285, 325, 331 f., 337 f. Metonymie   139, 166, 174, 193, 301, 304, 312, 316, 335, 338 Meyers drittes Gesetz   80 Anm. 11, 227 Meyers erstes Gesetz   81 Meyers zweites Gesetz   81 Mimesis, mimetisch   2 f., 51 Anm. 27, 219 Monarchie   64 Anm. 28, 234 Mond(göttin)   39 Anm. 21, 69 f., 140, 215, 219, 221, 286, 288, 291, 298 f., 302 Monolog   211 Monosyllaba   88 Naekes Gesetz   82 Narration, narrativ   2 f., 18 f., 22, 25–27, 29, 31–33, 56 Anm. 3, 59, 62, 131–133, 163, 199, 270, 283, 288 f., 294 Natur(göttin)   9, 18, 22 f., 27, 34–36, 39–42, 63, 223 f., 234 f., 349 Neologismus   142, 232 nomen agentis   142, 311, 324 Nomos   331, 335 Nympholepsie   242 Ockhamʼsches Prinzip   1, 14, 317, 351 Onomatopoiie   92, 175, 335, 337 oratio recta   44 Anm. 36, 156, 163, 211, 254, 269, 283, 321 Oxymoron   151, 228 Ökonomie (wissenschaftlich)   s. ‚Ockhamʼsches Prinzip‘ Paian   178, 228 Palinodie   241, 285 Paradigma   68, 258, 271, 303, 311, 347–350 paradosis   148, 261

Paradoxie   11, 13, 18, 27, 150, 231, 258, 262 f. Parainesis   255 Parallelismus   218, 270, 310, 348 Parechese   201 Parenthese   63 Anm. 24, 123–125, 139, 169, 194, 229, 248, 272, 334, 347 Parodie   s. ‚Humor‘ Paronomasie   60 Anm. 17, 166, 318, 321 Patronym   142, 248 Penthemimeres 79, 87 performatives Futur   244 Periphrase   6 Anm. 26, 167, 204, 302 Personifikation   140, 165, 187, 191, 280 petitio principii   145 Pflügemetaphorik   276 pictorialism   s. ‚Lebensrealismus‘ poetische Symbolik   s. ‚Metapoetik‘ Poetologie   s. ‚Metapoetik‘ polarer Ausdruck   124, 151, 228 Polyeideia   72 Polyptoton   37 positio debilis   s. ‚correptio Attica‘ praeteritio   s. ‚Priamel‘ Prädikation (hymnisch)   4 Anm. 13, 14, 23, 26 Anm. 39, 60, 125, 346 f. Priamel   162, 225, 228, 241, 347 proceleusmaticus   85 Anm. 39, 175 productio epica   83 f. Prolepse   26, 229, 243, 280, 243 Prolog   s. ‚Prooimion‘ Prooimion   2, 8 f., 25 f., 34, 48 Anm. 13, 55 Anm. 25, 55 Anm. 41, 60, 123 f., 243, 285, 332, 337, 345, 347 propositio   15, 62, 243 Publikum   10 f. Anm. 46, 29, 32 f., 36, 52–54, 71, 135, 177 puer praecox   18 Anm. 12 ratiocinatio   218 Realia (lebensweltlich)   35 f., 44, 59, 145 recusatio   4, 275, 278 Redaktor   1 f., 6 Redundanz   133, 155 Reim (End-, Binnen-)   60 Anm. 17, 152, 258 Rekapitulation   23



Index rerum notabilium

Religiosität   75 f. retardatio   139, 194 Rezipient   s. ‚Publikum‘ Rhapsoden   8, 133, 180, 248, 283 rhetorische Fragen    22, 25, 284 Ringstruktur   3 Anm. 9, 240, 331, 353 sakrales Königtum   42 f. schema Ionicum   s. ‚σχῆμα καϑ᾽ ὅλον καὶ μέρος‘ schema Pindaricum    167 Schlusspointe   3, 6 Anm. 26, 148, 158, 203 f., 216, 262 städtischer Aspekt   9, 18, 19 Anm. 13, 21–23, 25, 34–36, 38–44, 64 Anm. 28, 147–150, 161, 199, 221, 223, 227, 290, 322 f., 330, 337 stumpfe Mittelzäsur   79 f., 83 Anm. 28, 143, 165, 349 f. Symposion   3 Anm. 5, 52, 55 Synaloiphe   86 Synekdoche   245, 278 Synekphonesis   86 Synizese   80 Anm. 16, 86, 88, 250, 343 Synkope   132, 143, 186, 255, 342 Synkretismus   145, 150, 162, 281, 290 Tautologie   158, 204 Tautometrie   VIII, 127, 140, 142, 145, 147, 155–157, 168, 175, 184, 190, 195, 205 f., 208–210, 212, 214, 218, 221, 223, 225, 237 f., 242, 255, 263, 266, 268, 279, 281, 291–294, 297, 302, 304, 306 f., 312 f., 315, 318, 320, 330 f., 333, 340, 342–344, 346, 348, 351, 353 Teleologie   17–24, 32, 41 Anm. 26, 74, 126, 148, 197, 216, 227, 259, 273 Tetrakolon   175 Theodizäe   223, 227 Tiedkes Gesetz   82 Tmesis   85 Anm. 39, 175, 178, 180, 208, 266, 268, 319, 323, 329, 334, 342, 352 Tragödiensprache, tragisch   132, 142, 160, 196, 205 f., 250, 291, 294, 296 f., 303, 308, 320, 322, 341, 343, 349 translatio verbi   139

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Trikolon   175, 195, 206, 216, 236, 272 Trithemimeres   79, 278, 284 Univerbierung   319, 346 Überbietungsspiel   1 Anm. 1, 4 , 16, 326 Übergangspassage   21, 27 f., 37, 219, 222, 239 f., 243, 247, 314 Übergangsritus   144 f., 199, 322, 328 Überraschungseffekt   63 Anm. 26, 71 f., 71 Anm. 55, 72 Anm. 57, 89 Anm. 60, 135, 148, 211 f., 214, 235, 243, 261, 263, 267, 273, 275, 314, 317, 321 varia lectio   147, 154 f., 157, 206, 230, 278, 293, 305, 319, 326, 333, 342 Variation   1 Anm. 1, 24, 27, 32, 89 Anm. 60, 126, 138 f., 143, 147, 153 f., 160, 166, 171, 173–175, 183, 193, 195, 197, 203, 205, 226, 235, 237, 252, 254 f., 257, 266, 269, 272, 285, 291, 296, 302, 307 f., 313, 322, 338, 342, 348, 354 Verbalrektionskompositum   31, 221 verbum nihili   194, 305 Verschränkung    90 f., 152, 183, 188, 238, 252 f., 299, 342 versus acephalus   84 versus holodactylus   77 f., 91–94, 330 versus hyporrhythmicus   93 versus spondaicus   s. ‚σπονδειάζων‘ versus tetracolus   88, 214 Wackernagels Gesetz   134, 194 Wagensymbolik   245, 247 Wegmetaphorik   28, 245 Wernickes Gesetz   82 Wortbild    81, 82 Anm. 26, 83 Anm. 28 Zeitgeschichte   6–8, 67–69, 72 f., 242, 249, 260, 270, 279, 303, 316, 320, 326, 329 f., 338, 341 zeitpolitisch   s. ‚Zeitgeschichte‘ Zeitraffung   197 zirkuläre Bewegung   3, 22, 29 Anm. 47, 127, 270 f., 330 f., 338 Zivilisation   s. ‚städtischer Aspekt‘

Index nominum* Achilleus   129, 134, 156, 159, 172, 174, 181, 188, 190, 196, 205, 210–212, 225, 252, 266, 328, 342 f., 348 Actium   68 Anm. 39 Adonis   71 Anm. 52, 246, 352 Agamemnon   22, 25, 30, 34, 137, 153, 159, 186, 287, 310, 317 f., 321, 343, 346, 349 f. Aias   181 Aineias   299 Aiolos   170, 319 Aiolos (Heros)   351 f. Aithiopien   342 Aktaion   138 Alai Araphenides   273, 347 Alexander (der Große)   65 Alexandrien   54 Anm. 38 Alkinoos   136 f., 158, 276 Alkman   44, 143 Alkmaon   186    Alkmene   156 Amarynthos   287 Amazonen   22 f., 25, 34, 41 Anm. 26, 93, 280, 304–306, 313, 323–340, 351 Ammon   58 Anm. 11 Amnisos   35 Anm. 7, 140, 143, 145 f., 164 f., 266 Amor   134 Ampelos   138 Amphion   28 Anm. 44 Amphitryon   343 Amyklai   224 Anauros   209 Andromache   154, 156, 180 Antaios   246 Antikleia   25, 181, 303 f. Antinoos   237, 349 Apanchomene (Artemis)   224, 289

Aphrodite   8 f., 62 Anm. 21, 70 Anm. 49, 71 f., 134 f., 138, 156, 162, 169, 189, 229, 244, 267, 283, 296 f., 306, 315 Apollon   4 f., 7, 10–13, 21, 27, 36–38, 41–43, 45 f., 55, 57, 60 f., 67–69, 75, 123, 125, 130 f., 134, 140, 142, 147 f., 151, 153 f., 156, 161, 163, 166, 181, 195, 216 f., 223 f., 230, 234, 240 f., 243, 245–251, 270 f., 280 f., 283, 286, 290, 294–296, 298, 300, 307, 310, 314, 316, 336–340, 345 f. Apollo-Tempel (palatinisch)   68 Anm. 39 Ares   173, 177, 330, 335 Arethusa   271 Arges   182, 184 Argo   294 Argolis   213 Argonauten   62 Anm. 21, 132, 181, 261, 333, 181, 261, 333 Argos (Hund)   147 Argos (Stadt)   308, 320, 346, 352 Ariadne:   302 Aristagoras   246 Aristaios   75 Anm. 66, 138 Aristarchos   155, 163, 211, 237, 253, 262–264, 269, 312, 319, 324, 332 Aristophanes von Byzanz   210, 254, 269 Aristoteles   s. ‚Battos‘ Arkadien   26 Anm. 40, 35 Anm. 7, 60 Anm. 18, 164, 198, 203, 206, 208 f., 213, 218, 224, 248, 309, 321, 329 Arkas   307 Arkteia   144 Arsinoe (Gattin des Lagos)   303 Arsinoe I   238 f. Arsinoe II. Philadelphos   41 Anm. 26, 45 Anm. 2, 50 Anm. 23, 51, 55, 57–60, 62–72, 161 f., 234, 238–240, 270, 316, 352

* In diesem Verzeichnis ist ‚Artemis‘ nicht angeführt, wohl aber ihre kultischen Beinamen. https://doi.org/10.1515/9783110698480-007



Index nominum

Ascania   261 Ascanius   134 Asteria   4, 8, 288, 294 Asteropaios   225 Astyanax   154, 166, 172 Atalante   19, 23, 25, 29 f., 34, 307–312, 347 Athen   316, 323, 346 Athene   3 Anm. 9, 8 f., 36, 60 Anm. 14, 149, 156, 162, 172, 188, 210 f., 244, 246, 251, 253, 267, 280, 282–284, 290 f., 310, 319, 321, 334, 342, 345, 352 Attika   273 Aulis   137, 317, 319, 350 Aure   232 Autolykos   303 Ägypten    45, 64, 68 f., 261, 271 Ätna   176 f., 181, 191 Bakchantin   178, 224 Bakchos   s. ‚Dionysos‘ Battos   337 Bebryker   178 Berekynthos   335 f. Berenike I.   70 Anm. 49, 71 Anm. 52, 229 Berenike II.   7 Anm. 30, 58 Anm. 9, 59 f. Anm. 14, 70 Anm. 49, 74 Anm. 62, 234, 270, 350 f., 352 Berenike Syra   58 Anm. 9, 238 Bilistiche   49 Boethos   129 Boiotien    150 Boreas   219–221 Bosporus   342 Brauron   144, 273, 287, 314 Brennus   46 Anm. 7, 67 f., 342 Briareus   176 f., 191 Briseis   343 Britomartis   8, 19, 23, 25, 27 Anm. 43, 31, 34, 76, 94, 144, 215, 246, 272, 279, 287–299, 313, 318 Brontes   28, 33 Anm. 2, 47 Anm. 11, 153, 165, 182, 184, 189–192, 310 Butes   62 Anm. 21 Camilla   306

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Chariklo   188, 284, 290 Charis/Chariten   69, 169, 174, 223, 229, 240, 300, 340 Cheiron   188, 205, 253, 351 Chesias (Artemis)   318 Chios   240 Chitone (Artemis)   5 Anm. 17, 19 Chryses   163 Danae   342 Daphne   136 Delos   3 Anm. 9, 42 Anm. 28, 165, 217, 240, 243, 248, 271 f., 280, 313, 325, 329, 336 f., 344, 352 Delphi   38, 41 Anm. 26, 45, 68, 131, 182, 246, 281, 290, 296, 326, 329 f., 333, 338–341, 344 Delphinios (Apollon)   246 Demeter   60 Anm. 14, 69, 143, 155, 244, 290, 352 Demetrios (der Schöne)   234, 350 Diana   138, 295 Dido   134, 166 Didymaeum   325 f. Dike   234, 346 Dikte   296, 329, 346 Diktyn(n)a   s. ‚Britomartis‘ Diktynnaion   296 Dindymon   312, 325 f. Diomedes   225 Dione   134, 156 Dionysos   124, 138, 142, 200, 205, 211, 272, 325, 340 Dioskuren   70, 150, 352 Dodona   326 Doliche   286 Dolionen   329 Dryoper   47, 256, 258 f. Echemmas   140 Echidna   196 Eileithyia   5 Anm. 20, 38 Anm. 17, 145, 150–152, 157, 162, 266 f., 297 Elektryon   343 Elisabeth I.   76 Elysium   69 Anm. 45 Empuse   187 Enkelados   191

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Index nominum

Eos   280, 302, 339 Epaphroditos   189 Epeiros   278 Ephesos   22 f., 30 f., 38, 39 Anm. 22, 40 Anm. 23, 41 Anm. 26, 45 Anm. 2, 46, 54 Anm. 38, 55 Anm. 38, 57 Anm. 7, 67, 68 Anm. 40, 273, 298, 310, 313 f., 318, 323–345 Ephialtes   173, 350 Eretria   287 Eros   128, 135, 189 Erymanthos   253 Erysichthon   143, 154, 186, 228, 232, 265 Eryx   62 Anm. 21 Euboia   286 Eumaios   135 Eupeithes   344 Euphantos   303 Euphrates   61 Anm. 19 Euploia (Arsinoe)   62 Anm. 21 Euripos   286 f., 317 Eurykleia   154 Eurymachos   134, 274 Eurynome   174 Frau Holle   288 Gaia   131, 151, 196 Galater   38, 45–47, 51, 67–69, 182, 310, 330, 341 f., 344 f. Gallier   s. ‚Galater‘ Ganymedes   128 Gianni Schicchi   137 Goethe   280 Gottfried von Strassburg   203 Glaukos   181, 269 Grass   17 Anm. 8 Grazien   168 Hades   229, 340 Haimos   164 Halikarnassos   283 Hebe   65, 251 Hekaerge   298 Hekate   162, 182, 198, 208, 221–223, 299, 346, 353 Hektor   154, 156, 170, 181, 225, 291 Helena   70 Anm. 50, 182, 291, 320

Helios   22 f., 246, 269, 276 f., 280 f., 295, 339 Henna   69, 290 Hephaistos   12, 27, 92, 168–171, 176 f., 179, 189, 196, 213, 251, 320 Hera   5, 38 Anm. 17, 48, 50, 93, 135, 146, 156 f., 195 f., 210, 213 f., 232, 247, 251, 255, 266 f., 270, 282, 317 f., 321, 325, 353 Herakles   25 f., 28–30, 34, 47, 55, 64–66, 70 Anm. 50, 71 Anm. 54, 93, 154, 170, 172, 186 f., 189, 196 f., 205, 211–215, 218, 248–267, 308, 325, 348, 352 Hermes   21, 29, 93, 156, 163, 184 f., 187, 225, 245, 247–249, 251, 268, 280, 291, 339 Herophilos   173 f. Hesperiden   258, 266 f. Hesperos   280, 336 Hestia   8 f., 16 Anm. 6, 136 Hiera (Insel):   169 Hieron I.   7 Anm. 31, 67 Hilaeira   70 Hippe   351 f. Hippo   23, 25, 30, 34, 327 f., 331, 347, 351 f. Hippokleas   246 Hippolyte   327 Hipponax   149, 192 Hippukrene   342 Horen   267 Hylaios   29, 32 Anm. 50, 310 Hylas   154, 261 Hyllos   47 Anm. 11, 154, 189 f., 259 Hyperboreer   290, 298, 329, 344, 350 Iasios   307 f. Iason   168, 178, 222, 246, 277 Ida   329 Idmon   338 Ikaria   286 Imbrasie (Artemis)   318 Inachos   342 Inopos   261, 271 Io   342 Ioleia   302



Index nominum

Iphigeneia   16 Anm. 6, 137, 153, 273 f., 317, 347, 350 Iphikles   172, 186 Iris   5, 163, 267, 269, 294, 301 Isis   69 Anm. 45, 343 Isthmos   342 Ithaka   147, 339 Kairatos   165–167 Kalais   202, 271 Kallikrates von Samos   71 Kallisto   303 Kallistratos   253 Kalydon   29, 252, 256, 307, 309 f., 348 f. Kalypso   157 Kanopos   62 Anm. 21, 71 Karneen   273, 280, 329 Karthago   169 Karyatis (Artemis)   224 Kaystros   344 Kedreatis (Artemis)   224, 326 Kekrops   316 Keladon   213 Kelten   s. ‚Galater‘ Kentauren   25, 29 f., 32 Anm. 50, 68 Anm. 39, 310–312 Keos   50, 244 Kephalos   302 Kerberos   170 Keryneia   213, 253 Kimmerier   25, 38, 40 Anm. 23, 46, 47 Anm. 9, 67, 69, 93, 330, 340–345 Kios   261 Kirke   171 Kithairon   267 Klaros   246, 270 Klotho   151 Knossos   165 Kodros   315 Koios   166 Kolainis (Artemis)   287, 317 Kondyleatis (Artemis)   224, 232, 289 Koria (Athene)   321 Korsika   s. ‚Kyrnos‘ Korythalia (Artemis)   224 Kos   156, 225 Krannon   177

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Kreta   25, 27, 144–146, 162, 164, 166, 194, 209, 290, 294 f., 328 f., 333 Kureten   329, 336, 348 Kydippe   225 Kyklopen   19, 25, 27–30, 34, 37, 59, 92, 94, 154, 167–197, 212 f., 250, 294, 312, 331, 353 Kynosura   206 Kypros   328 Kypselos   301 Kyrene (Nymphe)   7 Anm. 30, 25, 205, 300–302, 304 Kyrene (Stadt)   42 Anm. 28, 54 Anm. 38, 126, 141, 144, 160, 233 f., 281 Kyrnos   177 f. Ladon   213 Laertes   303 Lagos   303 Laistrygonier   281 Lakonien   224, 233 Laogoras   259 Lauretta   137 Lemnos   69, 169 Lessing   18 Leto   4 f., 12, 21, 32 Anm. 50, 37, 45, 150 f., 157, 166, 169, 174, 188, 195, 216, 243, 246, 270, 329 Leukippos   70 Leukon   164 Leukophryene (Artemis)   39 f.. 233 f. Libyen   267, 284, 302, 329 Lilybaion   62 Anm. 21 Limnai   272, 346 Linos   253 Lipare   27, 29, 164, 168–170, 176 f. Lokros   159 Loxo   298 Lusoi   40 Anm. 24, 321–323 Lygdamis   22, 25, 30, 38, 46 f., 67 f., 340–345 Lygodesma (Artemis)   224, 289 Lykien   286, 329, 331 Lysimachos   45 Anm. 2, 161 Magas   68 Magna Mater   283 Magnesia   39 f.

432

Index nominum

Mainalon   312 Makedonien   303, 66 Anm. 37 Makris   286 Mamurius   325 Matzerath   17 Anm. 8 Medeia   140, 146, 222, 225, 280, 332 Melampus   321 f. Melanippe   351 Meleagros   307–309, 348 Meligunis   169 f. Menelaos   290 Mercutio   185 Metapontion   40 Anm. 24 Metope   209 Miletos   22, 25, 39 Anm. 19, 314–316, 325 Minos   94, 144, 269, 279, 287–289, 292 Moiren   151 Molorkos   197, 258 Mormo   187 Munichia   286, 346 Muse(n)   21, 28, 37, 44, 49, 62–64, 74 Anm. 62, 134, 181, 240, 242, 265, 276, 284 f., 307, 332, 335, 340, 352 Myrmidonen   172, 181 Mysien   221 f., 256, 341 Nausikaa   16 Anm. 6, 136 f., 166, 172, 193 Neleus   39 Anm. 19, 314–316, 321 Nemea   253 Nemesis   320 Nereiden   306 Nestor   163, 315 Nikaia   138, 142, 200 Nil   45, 68, 261 Niobe   262 f. Nymphen   19, 21–27, 29–31, 34 f., 41 Anm. 26, 70 Anm. 47, 93, 127 f., 142 f., 153, 164–168, 183, 186–188, 242, 267, 270 f., 280–282, 284, 289 f., 294, 307, 313, 324, 332, 335, 339 Octavianus (Augustus)   68 Anm. 39 Odysseus   134 f., 139, 147, 154, 171 f., 181, 185, 237, 253, 263, 274, 282, 290, 303, 331, 349 Oineus   22, 25, 347–349

Oinoe   215 Oita   260 f. Okeanos   27, 164–167, 267 Okeaniden   142 f., 164, 170, 174, 180–187, 193, 327 Okyrrhoe   318 Olen   329, 331 Olymp    21, 25 f., 28 f., 37 f., 55, 164, 169, 222, 243–250, 253, 257 f., 267, 271, 283, 316 Olympia   339 Omphale   250 Opis   s. ‚Upis‘ Opus   160 Orestes   273 Orion   23, 25, 30, 34, 157, 347, 350 f. Orpheus   333 Orth(e)ia   s. ‚Orthosia‘ Orthosia (Artemis)   213, 224, 233, 272, 351 Ortygia   5, 286, 329 Ossa   94, 173, 177 Otos   23, 25, 30, 34, 173, 347, 350 f. Paktolos   344 Pallene   261 Pan    12, 19, 25, 27, 147, 185, 196, 198–205, 245, 247 f., 291, 302, 335, 337 Paris   291 Parthenios   141, 146 Parthenopaios   308 Pasiphae   288 Patroklos   225, 286, 328 Peleus   188 Pelias   301 Pelion   301 Pellene   320 Peloponnes   141 Pelops   151    Peneios   153, 193, 225 Penelope   225, 282 Penthesileia   306, 324 Perge   286 Persephone   69, 142 Perseus   172 Petitcreiu   203



Index nominum

Phaiaken   149, 172, 348 Phakelitis (Artemis)   224 Pharos   261 Pherai   346 Pherenikos   339 Philetas   73 Anm. 58, 155, 163, 169 Philippos II.   65 Anm. 31, 303 Philotera   69 Phoibe   70 Phoinix   134, 348 Phrygien   260 f., 335 f. Pindos   177 Pitana   272 Polydeukes   134 Polymele   280 Polyphemos   135, 172, 196 Poseidon   168, 171, 184, 217, 225, 261, 267, 315, 319, 351 Priamos   183 Proitiden   40 Anm. 24, 93, 320–323 Proitos   320 f. Prokris   25, 302, 303, 307 Prometheus:   213 Proteus   261 Ptolemaios Keraunos   238 Ptolemaios I. Soter   65 f., 260, 303 Ptolemaios II. Philadelphos   6, 7 Anm. 30, 10, 45, 46 Anm. 5, 49, 55, 57, 67–69, 70 Anm. 50, 75, 156, 159, 161, 197, 234, 238, 270, 343 Ptolemaios III. Euergetes   7 Anm. 30, 70 Anm. 50, 270 Puccini   137 Pygela   346 Pytho(n)   131, 223, 246, 281 Queen Mab   185 Rhamnus   182, 320 Rheia   4, 61 Anm. 18, 153, 199, 205, 211, 325 f., 329, 335 Rhoikos   29, 32 Anm. 50, 310 Rom   280 Rotkäppchen   327 Sallustios   189 Samos   286, 317 f., 325, 350 Sappho   288 Sardeis   336

433

Satyrn   172 Schiller   349 Schoineus   307 Schubert   15 Schumann   15 Selene   69 Anm. 45 Shakespeare   185 Sibylla   136 Sikyon   346 Silenos   189 f. Simoeis   267 Sirenen   62 Anm. 21 Sisyphos   303 Sizilien   224 Skythien   273, 341 f. Sotades   48–50 Sparta   200, 206, 224, 272, 351 Spenser    76 Steropes   182, 184 Stheneboia   308 Tauropolos (Artemis)   137, 272–274, 286 Tauros   273 Taygete   213, 287 Taygetos   286 f. Tegea   310 Teiresias   228, 257 Telchinen   50 Telegonos   303 Telemachos   135, 229 Telphusa   297 Telphusios (Apollon)   246 Tethys   164–167 Teukros   304 Thargelion (Monat)   5 Anm. 20 Theben   28 Anm. 44, 164, 225, 283, 284 Theia   137 Theiodamas   47, 256, 258 f., 261, 264 Themis   151, 270 Thenai   209, 272 Theon   189 Theseus   181, 323, 329 Thesmophorien   273 Thessalien   42 Anm. 28, 177, 209, 260 f. Thestios   309 Thetis   129, 136, 153, 157, 168, 170, 188, 196, 294

434

Index nominum

Thrakien   66 Anm. 34, 218–220, 261, 341 Thrinakie   178 Timotheos   54 f. Anm. 38, 298, 345 Titanen   68 Anm. 39, 179, 222 Tityos   31, 32 Anm. 50, 216, 350 Trachis   258, 260 Trinakrie   177 f. Troizen   298 Troja   43, 208, 239, 246, 318, 320 Tydeus:   309 Typhoeus   s. ‚Typhos‘ Typhos   7 Anm. 31, 179, 181, 191 Tyro   315 Upis   5 Anm. 17, 290, 297–299, 328, 350 Venus   141, 168 Vertumnus   325 Vulcanus   168

Xenomedes   50, 132, 244 Xerxes   254 Xuthos   189 Zagreus   137 Zenodotos   209–211, 281, 332 Zephyritis (Aphrodite)   62 Anm. 21, 71 Zephyros   62 Anm. 21, 70 Anm. 49, 150, 219 f. Zetes   202, 271 Zethos   28 Anm. 44 Zeus   3–6, 7 Anm. 31, 8 f., 11, 25 f., 28, 33–36, 38, 48, 50, 60 f., 75, 129, 131, 134–139, 144, 148, 151, 153–159, 162, 184, 189, 195, 199, 205, 213 f., 217, 222 f., 227–229, 234, 241 f., 246 f., 251, 266 f., 270, 288, 294, 296, 302, 317, 326, 329, 346, 352

Index vocabulorum Graecorum* Ἀγυιεύς (Apollon)   38, 162 ἀδιάφορον   148 ἄεμμα   139 f. ἀῆται   319 ἆ ϑαυμαστικόν   343 αἰόλος   202 f. Ἀκακήσιος   248 ἀλώπηξ   192 Ἀμαρύσια (Artemis)   287 ἀμβολαδίς   179 f. ἀμορβός   167 ἀμφιλαφής   127 Ἀνϑεία   266 ἀπὸ κοινοῦ   327, 352 ἀπροσδόκητον   171, 212 ἀρτίφρων   61 ἀσπαίρειν   253 ἀσύλλωτοι   305 f. αὖ ἐρύω   203 f. αὖϑι   168 αὔξησις   219 αὐτοσχεδίασμα   261 βοηϑόος   149 f. γαλόῳ   238 f. δενδρῖτις   224 δὶς λεγόμενον   248, 262 δύναμις   17 ἐϑελημός   158 f. εἰνάτερες   238 εἰνέτης   143 f. ἐκ προσώπου   18 ἓν ἀνϑʼ ἑνός   250 ἐνδρομίδες   146 f. ἐνέργεια   17 Ἐνοδία   162 ἐντελέχεια   17

ἐπικραίνω   163 ἑψιάομαι   128 ζήτημα   61, 67 Anm. 37, 128, 156, 177, 204, 210, 265, 319 ζόρξ   207 Ἡμέρα (Artemis)   40 Anm. 24, 321–323 ϑεοὶ ἀδελφοί (Kult)   46 Anm. 5 ἱερὸς γάμος   50, 72 Anm. 57, 266 ἱππημολγοί   341 f. κατ᾽ ἀντίφρασιν   61 Anm. 18, 233 κατὰ σύνεσιν   167 Κήυκος γάμος   258 Κιϑώνη   s. ‚Χιτώνη‘ Κορίη   (Artemis)   321, 323 κουροτρόφος   150 Κύνϑιος (Apollon)   336 λεγνωτός   141 Λιμναία (Artemis)   272 λοιμός   230 f. μείλιον   319 νηδύς   264 f. Νόμιος   42 οὖλος   336 παρὰ προσδοκίαν   323 παρούαιος   201 f. πηγός   200 f. πολυμαϑίη   285 προαίρεσις   s. ‚propositio‘ πρόσωπον τηλαυγές   128 πρύλις   328, 336 σπονδειάζων   79, 91–93, 161, 170, 206, 251, 281, 312, 320, 324, 329 f. στίχοι διφορούμενοι   165 σφραγίς   92 σχῆμα καϑ᾽ ὅλον καὶ μέρος   327 τε (episches)   147

* Außer griechischen Fachausdrücken sind Wörter aus dem Artemis-Hymnos verzeichnet, denen im Kommentar eine eingehende lexikographische Untersuchung zuteil geworden ist. https://doi.org/10.1515/9783110698480-008

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Index vocabulorum Graecorum

τομή κατὰ τρίτον τροχαῖον   80 ὕμνος κλητικός   26 Anm. 39, 43 Φρυγίῃ   260–264

Χιτώνη (Artemis)   314–316 χλούνης   252 ὠκύϑοον τριπέτηλον   267 f.